Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge
Ein Vergleich des Chinesischen mit dem Deutschen
1028
2015
978-3-8233-7973-7
978-3-8233-6973-8
Gunter Narr Verlag
Qiang Zhu
Das Buch analysiert aus einer sprach- und kulturvergleichenden Perspektive Anmoderationen wissenschaftlicher Tagungsvorträge im Chinesischen und Deutschen. Als Datenkorpus dienen Audioaufnahmen von insgesamt 58 wissenschaftlichen Konferenzvorträgen und deren Anmoderationen. In der kontrastiven Analyse wird auf das sprachlich-kommunikative Verfahren der chinesischen und deutschen Anmoderationen eingegangen. Die Zielsetzung dieses Buches gründet einerseits in dem bislang weitgehenden Fehlen kontrastiver Studien über mündliche Gattungen bzw. Muster in beiden Sprachen, und andererseits in dem bisherigen Untersuchungsdefizit im Bereich der "language of conferencing" bzw. der mündlichen Wissenschaftskommunikation. Anhand der empirischen Analyse der aufgenommenen Anmoderationen zeigt das Buch, dass sowohl die chinesischen als auch die deutschen AnmoderatorInnen bei der Durchführung der Anmoderationen auf ein kommunikatives Muster zurückgreifen. Die Art und Weise, wie dieses Muster realisiert wird, ist sprach- und kulturspezifisch und unterscheidet sich im Chinesischen und Deutschen.
<?page no="0"?> TBL Tübinger Beiträge zur Linguistik 551 Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge Ein Vergleich des Chinesischen mit dem Deutschen Qiang Zhu <?page no="1"?> Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 551 <?page no="3"?> Qiang Zhu Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge Ein Vergleich des Chinesischen mit dem Deutschen <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6973-8 meinen Müttern Die Drucklegung dieses Buches wurde durch die Xi’an International Studies University finanziert. <?page no="5"?> Danksagung Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um eine leicht geänderte Version meiner Dissertation, die im August 2013 bei der philosophischen Fakultät der WWU Münster eingereicht und von dieser angenommen wurde. Prof. Dr. Susanne Günthner, die mich zu dem Thema meiner Dissertation ermutigt, meine Arbeit unermüdlich betreut, mir in zahlreichen (Sprechstunden)gesprächen Ratschläge, Anregungen, kritische Anmerkungen gegeben hat, danke ich ganz herzlich. Ohne ihre Betreuungszusage und Ermutigung wäre meine Promotion in Deutschland nicht möglich gewesen. Prof. Dr. Jürgen Macha, der mich in der schwierigen Zeit meiner Promotion mit konstruktiven Vorschlägen auf seine humorvolle Weise immer unterstützt hat, gilt auch mein herzlicher Dank. Ohne die Aufnahmeerklärungen der chinesischen und deutschen Konferenzbeteiligten hätte ich die Gesprächsdaten nicht erheben können und die Arbeit wäre nicht zustande gekommen. Ihnen gilt ebenfalls mein Dank. Ich bedanke mich besonders bei den „ RothenbergerInnen “ Wolfgang Imo, Jörg Bücker, Katharina König, Amelie Hauptstock, Beate Weidner, Elisa Franz, Lars Wegner, Benjamin Stoltenburg und Marcel Fladrich, die mir nicht nur in zahlreichen Datensitzungen bei der Interpretation der Gesprächsdaten und Korrekturlesen meiner Arbeit geholfen, sondern mich auch mit deren Gastfreundlichkeit von meinem Heimweh geheilt haben. Mein Dank gilt ferner Ralf Heuer-Meuthrath, der mich von dem Verfassen meines Promotionsvorhabens bis zur Anfertigung des Manuskripts mit dessen hilfreichen Ideen und sorgfältigem Korrekturlesen unterstützt hat. Dem DAAD danke ich für seine großzügige Finanzierung meiner Promotion. <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen . . . . . . . . . . 15 2.1 Linguistische Studien zur Wissenschaftskommunikation . . 15 2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen . . . . . . 17 2.2.1 Wissenschaftskonferenz als eine soziale Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Theoretische und methodologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 23 3.1 Die Kontrastive Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.1.1 Kontrastive Linguistik: eine Begriffsbestimmung . . . 23 3.1.2 Allgemeine Voraussetzungen der Kontrastiven Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1.3 Methoden des Sprachvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1.4 Konsequenzen für die vorliegende Arbeit . . . . . . . . . . 37 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2.1 Die Ethnographie der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . 41 3.2.2 Die ethnomethodologische Konversationsanalyse . . . 46 3.2.3 Das Konzept der kommunikativen Gattungen . . . . . . 53 3.2.4 Die Theorie der Kontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung 69 4.1 Interaktionseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.2 „ Opening up Openings “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen . . . . . . . . . . 74 4.3.1 Kommunikative Aufgaben der chinesischen ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.3.2 Kommunikative Aufgaben der deutschen ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.3.3 Vergleich der Aufgaben chinesischer und deutscher ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 <?page no="8"?> 4.4 Die projektive Eigenschaft des kommunikativen Musters der Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte . . . . . . . . 91 5.1 Teilnehmerkonstellation der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.2.1 Personale Referenz in der Anmoderation . . . . . . . . . . . 95 5.2.2 Selbstreferenz der ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.2.3 Personale Referenz auf die Vortragenden . . . . . . . . . . . 100 5.2.4 Anrede in der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.3 Die Mehrparteieninteraktion in der Anmoderation . . . . . . . 113 6. Das Vorstellen in der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6.1 Präferenz und Dispräferenz der Vorstellungsaktivitäten in Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.2 Ankündigung des Vorstellens der ReferentInnen . . . . . . . . . 119 6.3 Verweis auf das „ knappe Sprechen “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.4.1 Persönliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.4.2 Soziale Positionierung der ReferentInnen . . . . . . . . . . . 126 6.4.3 Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahnen der ReferentInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.4.4 Vergleich der Identitätskonstitution der Referent- Innen in chinesischen und deutschen Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6.5 Selbstvorstellung der ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.5.1 „ Self-targeted humor “ in der Selbstvorstellung der ModeratorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.5.2 „ Misplacement marking “ in der Selbstvorstellung des Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 6.6 Die identitätskonstituierende Aktivität des Vorstellens . . . . 145 7. Bewertungen in Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1 Gesichtskonzepte in der westlichen und der chinesischen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1.1 Gesichtskonzepte von Goffman und Brown/ Levinson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1.2 Das Konzept des Gesichts in der chinesischen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 8 Inhaltsverzeichnis <?page no="9"?> 7.2 Positive Bewertungen in der Vorstellungsaktivität . . . . . . . . 152 7.2.1 Themen der Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7.2.2 Lexiko-semantische Elemente in Bewertungen . . . . . . 153 7.3 Kollektiver Geschmack der chinesischen und der deutschen Wissenschaftskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7.4 Positive Bewertungen als Protektionsstrategie . . . . . . . . . . . . 160 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation . . . . . 163 8.1 Mechanismen des Sprecherwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 8.2 Verfahren der Gesprächsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 8.3 Konzepte des Rituals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.4.1 Die Kollaboration zwischen ModeratorInnen und ZuhörerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.4.2 Routineformeln in der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 8.5 Die Rederechtsübergabe in den deutschen Anmoderationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 8.6 Das ritualisierte „ joint project “ der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 9. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 10. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Inhaltsverzeichnis 9 <?page no="11"?> 1. Einleitung 1.1 Zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden empirisch ausgerichteten Arbeit ist die Anmoderation des wissenschaftlichen Konferenzvortrags. In den 1990er Jahren begann die Sprachwissenschaft im Rahmen der Pragmatik, Textlinguistik, Gesprächsanalyse und der Analyse von Fachsprache, mündliche Wissenschaftskommunikation in der Wissenschaftskonferenz zum Gegenstand empirischer Untersuchungen zu erheben. Auch wenn inzwischen eine Reihe von Untersuchungen zu Konferenzvorträgen vorliegt, wurde die Anmoderation des Vortrags meist ausgeblendet. Die vorliegende Arbeit widmet sich nun diesem bislang wenig erforschten Bereich und liefert somit einen Beitrag zur linguistischen Untersuchung der Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen und zur Analyse der mündlichen Interaktion in der Wissenschaftskonferenz im Spezifischen. Die Arbeit befasst sich mit Anmoderationen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Konferenzvorträge im Chinesischen und Deutschen und geht kulturwie auch sprachvergleichend vor. Der Vergleich des Chinesischen und des Deutschen - zwei nicht miteinander verwandte Sprachen aus zwei unterschiedlichen Kulturen - soll dabei helfen, die soziokulturelle Prägung des kommunikativen Musters der Anmoderation durch die jeweilige Sprech- und Kulturgemeinschaft herauszuarbeiten. Als Untersuchungsgegenstand wurden Anmoderationen auf linguistischen und soziologischen Tagungen ausgewählt, da in der einschlägigen Literatur darauf hingewiesen wird, dass die geistes- und sozialwissenschaftliche Wissenschaftskommunikation im Vergleich zur Kommunikation in den Natur- und Ingenieurwissenschaften mehr sprach- und kulturbedingte Unterschiede aufweist (vgl. Duszsak 1997: 11). Dementsprechend werden die „ Kulturgebundenheit des wissenschaftlichen Diskurses “ (Schröder 1995: 151) bzw. „ wissenschaftlichen Nationalstile “ (Prokopczuk 2007) am Beispiel von Anmoderationen bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Tagungen untersucht. Als Datengrundlage dienen Audioaufnahmen dieser Anmoderationen. Da die bisher vorliegenden kontrastiven Studien des Chinesischen mit dem Deutschen den mündlichen Sprachgebrauch entweder ignorieren oder lediglich auf der Basis von konstruierten Beispielen und Aussagen von MuttersprachlerInnen untersuchen, versteht sich die vorliegende Arbeit als eine Pilotstudie, in deren Rahmen auch ein methodologischer Zugang zur kontrastiven Untersuchung von Gattungen bzw. Mustern des mündlichen Sprachgebrauchs erarbeitet wird. <?page no="12"?> 1.2 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit liegt an der Schnittstelle der Kulturanalytischen Linguistik (Günthner/ Linke 2006; Linke 2011) und der Gattungsanalyse (Luckmann 1986; Günthner/ Knoblauch 1994), die kommunikative Gattungen bzw. Muster in ihrer soziokulturellen Einbettung untersuchen. Die grundlegenden Fragestellungen dieser Untersuchung sind entsprechend die folgenden: (i) Wie ist das kommunikative Muster der Anmoderation des Vortrags im Chinesischen und Deutschen aufgebaut, d. h. mittels welcher sprachlich-kommunikativen Verfahren wird dieses Muster in den beiden Sprachen realisiert? (ii) In welcher Hinsicht unterscheidet sich das Muster der Anmoderation im Chinesischen und im Deutschen? (iii) Inwiefern sind die Unterschiede zwischen Anmoderationen im Chinesischen und Deutschen das Resultat einer Prägung durch unterschiedliche soziokulturelle Konventionen, insbesondere durch unterschiedliche Wissenschaftskulturen? Da sich die Arbeit mit der Wissenschaftskonferenz befasst, wird einleitend der linguistische Forschungsstand zur Wissenschaftskommunikation dargestellt (Kap. 2). Im Anschluss an den Forschungsüberblick wird in Kap. 3 auf die theoretischen und methodologischen Grundlagen der Arbeit eingegangen. Der erste Teil (Kap. 3.1) setzt sich mit den Analyseverfahren der Kontrastiven Linguistik auseinander. Im zweiten Teil werden die Ansätze der Kulturanalytischen Linguistik erläutert und diskutiert, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen. Zum Schluss werden die erläuterten Konzepte im Hinblick auf die Datengrundlage, die Fragestellungen und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit zusammengeführt (Kap. 3.3). Dabei werden auch der Modus der Datenerhebung, der Umfang der Daten, die Transkriptionskonventionen und nicht zuletzt die Glossierung und die Übersetzung der chinesischen Transkripte vorgestellt. Auf den Theorieteil folgen die empirischen Analysen, die den Hauptteil der Arbeit ausmachen (Kap. 4 - 8). Zunächst werden die grundlegenden Aufgaben der ModeratorInnen in der Anmoderation rekonstruiert und darauf aufbauend die Funktionen der Anmoderation untersucht (Kap. 4). Im Anschluss daran wird auf die Teilnehmerkonstellation der Anmoderation eingegangen. Im Zuge dessen werden sprachlich-kommunikative Verfahren untersucht, mit denen die chinesischen und deutschen ModeratorInnen auf die Interagierenden in der Anmoderation Bezug nehmen und deren Teilnehmerstatus konstituieren (Kap. 5). Kap. 6 beschäftigt sich mit dem Vorstellen der ReferentInnen. Dass die ModeratorInnen die 12 1. Einleitung <?page no="13"?> ReferentInnen würdigend vorstellen und deren mianzi bzw. Gesicht berücksichtigen bzw. herstellen, wird in Kap. 7 aufgezeigt. Das letzte Kapitel des empirischen Teils (Kap. 8) wendet sich der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation zu. Den Abschluss der Arbeit bilden die Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der vorangehenden Kapitel und ein Ausblick über weitere kontrastive Untersuchungen zu wissenschaftlichen Konferenzen (Kap. 9). 1.2 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit 13 <?page no="15"?> 2. Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen Mit der kontrastiven Analyse von Anmoderationen chinesischer und deutscher Konferenzvorträge positioniert sich die vorliegende Arbeit in der linguistischen Untersuchung zur Kulturspezifik des „ language of conferencing “ (Ventola et al. 2002 a, b). Somit führt die Arbeit die Studien zur Wissenschaftskommunikation (Kap. 2.1) und zu Wissenschaftskonferenzen weiter (Kap. 2.2). 2.1 Linguistische Studien zur Wissenschaftskommunikation In der linguistischen Untersuchung der Wissenschaftskommunikation beschäftigt man sich seit Langem mit den „ spezifischen lexikalischen und grammatischen Konstruktionen “ (Limberg 2009: 116; vgl. auch Kretzenbacher 1992: 5; Brünner 1993: 731; Weinrich 1995: 158) der Wissenschaftstexte. So gibt es zahlreiche Studien zu lexikalisch-morphologischen Elementen (Polenz 1981; Spillner 1981 a; Sager 1989; Liang 1984) und syntaktischen Strukturen (Benes 1981; Kretzenbacher 1991) der schriftlichen Texte. Es wird versucht, für die Wissenschaftskommunikation eine spezifische Semantik, Syntax und ein spezifisches Lexikon zu erarbeiten (Weinrich 2001: 253 ff.). Die Konzentration auf die „ wissenschaftlichen Binnenstrukturen “ (Ehlich 2001: 199) und auf das Lexikon fachsprachlicher Äußerungen führt dazu, dass die Analyse fachsprachlich-terminologischer Phänomene mit der Erforschung der Wissenschaftskommunikation gleichgesetzt wird (vgl. Weinrich 2001: 224). Die Wissenschaftskommunikation erschöpft sich allerdings nicht in der Verwendung spezifischer Termini und syntaktischer Konstruktionen, sondern vollzieht sich immer auch in einer ganz eigenen Kommunikationsform (vgl. Brünner 1993: 731; Ehlich 2011: 129), also in der „ oral and written communication “ (Peters 2009: 9). Die „ paradigmatische Umorientierung “ (Baumann 2001: 178) von der „ wissenschaftssprachlichen Wortforschung (Terminologieforschung) “ (Weinrich 2001: 224) hin zu textlinguistisch und linguistisch-pragmatisch ausgerichteten Analysen von wissenschaftlichen Texten hält erst nach der „ pragmatischen Wende “ in die Linguistik Einzug (vgl. Baumann 2001: 178; Munsberg 1993: 364; Hoffmann 1988: 115 ff.; Hoffmann 1989: 39). Somit wird die Erforschung der Wissenschaftssprache zur Erforschung der Wissenschaftskommunikation ausgedehnt (vgl. Ehlich 2001: 199), wobei sich Forschungsansätze wie Fachtextlinguistik und Fachtextpragmatik (Gnutzmann/ Lange 1990; Schröder 1993; Oldenburg <?page no="16"?> 1997: 9) entwickeln. Momentan liegen in der einschlägigen Literatur zahlreiche Untersuchungen vor, die Wissenschaftstexte nach den kommunikativen Funktionen kategorisieren und ihre textinternen Merkmale analysieren (siehe u. a. Graefen 1997; Ehlich/ Steets 2003). Im Vergleich mit dem „ academic writing “ (Charles/ Pecorari/ Hunstin 2009) wird das „ academic speaking “ (Mauranen 2009: 201) wenig erforscht (vgl. Limberg 2009: 115; Suomela-Salmi/ Dervin 2009: 1; Mauranen 2009: 200; Fandrych/ Meißner/ Slavcheva 2012: 319). Die mündliche Wissenschaftskommunikation wird primär im universitären Milieu untersucht. Zu den analysierten Gattungen gehören Prüfungs- und Laborgespräche (Munsberg 1994; Grütz 1995; Wiesmann 1999), Referate (Guckelsberger 2005), mündliche Abschlussprüfungen (Meer 1998), Sprechstundengespräche (Meer 2001; Limberg 2010) etc. Die kurze Skizzierung der linguistischen Untersuchungen zur Wissenschaftskommunikation zeigt, dass diese von einer Fokussierung auf lexikalische, morphologische und syntaktische Phänomene der Wissenschaftstexte über die textlinguistische Erforschung schriftlicher Formen zur gesprächsanalytisch ausgerichteten Untersuchung der mündlichen Wissenschaftskommunikation reichen. Eine weitere Tradition der Erforschung der Wissenschaftskommunikation machen die kontrastiven Studien aus. Sie zielen darauf ab, „ die Rezeption wissenschaftlichen Tuns und Schreibens, sowohl die Rezeption im Inland wie auch die Rezeption im Ausland “ (Wimmer 1987: 95) zu untersuchen. Einen wichtigen Impuls für diese Studien gibt Galtung (1985), der hauptsächlich zwischen vier Typen von „ intellektuellen Stilen “ unterscheidet: „ der sachsonische Stil “ , „ der teutonische Stil “ , „ der gallische Stil “ und „ der nipponische Stil “ . Diese Differenzierung ist allerdings nicht empirisch fundiert, sondern basiert auf der „ Intuition eines interkulturell versierten Beobachters [Galtungs Q. Z.] “ (Adamzik 2001: 18). Sie wird stark von den „ Selbst- und Fremdbeobachtungen sowie verallgemeinerten Erfahrungen [. . .] aus der Praxis der wissenschaftlichen Kommunikation “ (Schröder 1995: 162) bestimmt. Mittlerweile gibt es zahlreiche empirische Studien, in denen die „ Kulturgebundenheit des wissenschaftlichen Diskurses “ (Schröder 1995: 151) und die „ wissenschaftlichen Nationalstile “ (Prokopcyuk 2007) aufgezeigt werden. Die Wissenschaftskommunikation im Deutschen wird überwiegend mit jener im Englischen (Clyne 1981, 1987, 1991; Clyne/ Hoeks/ Kreutz 1988; Kotthoff 1989; Graefen 1995; Oldenburg 1997; Schleef 2009), Französischen (Sachtleber 1993; Adamzik 2001), Spanischen (Kaiser 2002) und Russischen (Kotthoff 2001; Baßler 2003; Breitkopf 2006) verglichen. Forschungsprojekte über die Kulturspezifik der Wissenschaftskommunikation befassen sich ebenfalls primär mit den europäischen Sprachen. So geht es in dem Projekt „ Gattungen wissenschaftlichen Diskurses im interkulturellen 16 2. Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen <?page no="17"?> Kontakt “ um die Wissenschaftskommunikation in Deutschland und in der GUS. 1 Hiller/ Wolting (2012) machen auf der Grundlage eines gemeinsamen Projekts von verschiedenen europäischen Universitäten die Wechselwirkung von institutionellen Vorgaben und akademischer Kommunikation zum Thema ihrer Studie. Das Projekt „ Gesprochene Wissenschaftssprache: Deutsch im Vergleich zum Polnischen und Englischen (Gewiss) “ (Fandrych/ Meißner/ Slavcheva 2012) setzt sich das Ziel, eine empirische Grundlage für eine vergleichende Untersuchung der gesprochenen Wissenschaftssprache des Deutschen, Englischen und Polnischen zu schaffen. 2 In den wenigen Arbeiten, die sich kontrastiv mit der Wissenschaftskommunikation im Chinesischen und Deutschen befassen, werden in erster Linie schriftliche Texte analysiert (u. a. Günthner 2001; Liang 1990, 1991; Zhu 2008; Lang 2008). Dagegen wird die mündliche Interaktion spärlich behandelt (Günthner/ Zhu 2014). 3 2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen 2.2.1 Wissenschaftskonferenz als eine soziale Veranstaltung In der vorliegenden Arbeit wird die wissenschaftliche Konferenz als eine soziale Veranstaltung ( „ social occasion “ ) im Goffmanschen Sinne verstanden. 4 Goffman (1963/ 2009) definiert eine soziale Veranstaltung wie folgt: Wenn sich Personen zusammenfinden, tun sie dies meist, um an etwas teilzunehmen, was wir eine soziale Veranstaltung [social occasion] nennen möchten. Wir verstehen darunter einen größeren sozialen Anlass, eine Unternehmung oder ein Ereignis, zeitlich und räumlich begrenzt und jeweils durch eine eigens dafür bestimmte Ausstattung gerahmt. Eine soziale Veranstaltung liefert den strukturellen sozialen Kontext, in dem sich Situationen und Zusammenkünfte bilden, auflösen und umformen, in deren Verlauf sich ein Verhaltensmuster als angemessen und (häufig) offiziell oder als beabsichtigt herausbildet und anerkannt wird - ein 1 Siehe: http: / / www.germanistik.unifreiburg.de/ auer/ ? Projekte: Abgeschlossene_Pr ojekte: Gattungen_wissenschaftlichen_Diskurses_im_interkulturellen_Kontakt (Stand 21. 10. 2012). 2 Siehe https: / / gewiss.uni-leipzig.de/ de/ (Stand 21. 10. 2012). 3 Erwähnenswert sind die Forschungen der chinesisch-deutschen interkulturellen Wissenschaftskommunikation in Sprechstundengesprächen (Günthner 1992 a,b), Workshops (Casper-Hehne 2008) und der Wissenschaftskonferenz (Jandok/ Zhu 2011). 4 Wissenschaftliche Konferenzen werden zudem als „ social discourse events “ (Ventola 2002) oder „ macrogeneric events “ (Shalom 2002) betrachtet. 2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen 17 <?page no="18"?> ‚ stehendes Verhaltensmuster ‘ [. . .] Beispiele sozialer Veranstaltungen sind eine Party oder ein Arbeitstag im Büro, ein Picknick oder ein Abend in der Oper. (Goffman 1963/ 2009: 34; kursiv im Original) Eine wesentliche Bedingung für das Zustandekommen einer sozialen Veranstaltung ist die „ gemeinsame Präsenz “ (Goffman 1963/ 2009: 33) der Interagierenden, da die soziale Veranstaltung stets in einer Face-to- Face-Interaktion stattfindet (vgl. Lenz 1991 a), in der sich die Interagierenden in gegenseitiger Seh- und Hörweite wahrnehmen. Die Wissenschaftskonferenzen nehmen für die scientific communities eine wichtige Rolle ein (vgl. Konzett 2012: 97 ff.): Sie stellen ein Forum für die Präsentation, Vermittlung, Diskussion und Erarbeitung des Fachwissens dar, wobei die Fachkulturen reflektiert werden. Dazu bemerkt Hyland (2009) Folgendes: Conferences are important forums for enacting genre knowledge and affirming community affiliations through close encounters with colleagues and competitors [. . .] The relationship between community and conference is therefore mutually dependent, or symbiotic. As a result, the conference reflects the particular norms and patterns which communities have evolved for what goes on in such forums and the particular genres that adorn it. (Hyland 2009: 79, 80) Die Bedeutung der Wissenschaftskonferenzen für WissenschaftlerInnen kann ebenfalls nicht genug betont werden. So werden NachwuchswissenschaftlerInnen durch die Teilnahme an Fachtagungen wie auch die Organisationen von Fachtagungen in ihren scientific communities sozialisiert (vgl. Räisänen 2002: 69). Es ist also ein zentraler „ part of a researcher ’ s job to go to conferences “ (Konzett 2012: 5). Folglich sind Konferenzen „ undoubtedly important events in researchers ’ lives “ (Ventola/ Shalom/ Thompson 2002 a: 14), sie schaffen ein „ crucial element in the development of their research profile “ (Ventola/ Shalom/ Thompson 2002 a: 14). Bei der Wissenschaftskonferenz handelt es sich um die „ interne Wissenschaftskommunikation “ (Hagenhoff et al. 2007): Die Wissensproduktion und -rezeption geschehen „ von Wissenschaftlern für Wissenschaftler innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft “ (Hagenhoff et al. 2007: 5). Die KonferenzteilnehmerInnen setzen sich in der Regel aus einer „ homogenen, klar abgegrenzten und zahlenmäßig eher kleinen umfassenden Gruppe “ (Hagenhoff et al. 2007: 6) zusammen. Da die Konferenzbeteiligten in einer gemeinsamen Präsenz interagieren, sind ihre Interaktionen multimodal konstituiert. Ihnen stehen unterschiedliche Ausdrucksmodalitäten zur Verfügung wie Stimme, Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung etc. Die Wissenschaftskonferenz ist durch ein „ system of interlinked component genres “ (Ventola/ Shalom/ Thompson 2002 a: 11) gekennzeichnet. Zu diesen Gattungen zählen u. a. Vortrag (Plenarvortrag, Sektionsvortrag, 18 2. Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen <?page no="19"?> Postervortrag etc.), Vortragsdiskussion, Podiumsdiskussion, Kaffeepausen-Gespräche etc. (vgl. Ventola 2002: 28; Inghilleri 2003: 549). Es existieren zwischen den Gattungen Verhältnisse, die „ semiotic spanning “ (Ventola 1999, 2002) genannt werden. Für die Wissenschaftskommunikation bei Tagungen nimmt die Sektion bzw. das Panel eine gewichtige Rolle ein, da die Wissensproduktion und -rezeption in den meisten Fällen im Rahmen davon stattfinden (vgl. Techtmeier 1998: 508). Nach Ventola (2002) ist eine Sektion folgendermaßen zu strukturieren: SECTION AT A CONFERENCE Chair - Opening the Section SECTION PAPER Chair - Introducing the Speaker Speaker - Thanking for Introduction Speaker - Contextualising the Paper Speaker - The Paper and its generic structure (e. g. Introduction, Materials & Methods, Results, Discussion, Conclusion) Speaker - Thanking the Audience Audience - Thanking the Speaker (non-verbal) Chair - Thanking the Speaker ITS DISCUSSION Chair - Opening the Discussion Discussant - Question/ Comment Speaker - Answer/ Response Chair - Closing the Discussion recycling the sequence: SECTION PAPER DISCUSSION Chair - Closing the Section (Ventola 2002: 29) 2.2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen Die Linguistik hat relativ spät begonnen, sich mit Wissenschaftskonferenz zu befassen. So sind erst Ende der 1990er Jahre Untersuchungen entstanden, einzelne Interaktionstypen im Rahmen der Konferenz zu identifizieren. Pilotstudien der linguistischen Untersuchungen zu Wissenschaftskonferenzen wurden von Ventola (1998, 1999) vorgenommen. Inzwischen ist die Erforschung von Wissenschaftskonferenzen ein „ very extensively studied field of oral AD [academic discourse Q.Z] “ (Suomela- Salmi/ Dervin 2009: 5). 2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen 19 <?page no="20"?> Im Fokus der bisherigen Untersuchungen der Wissenschaftskonferenz stehen der Vortrag und die Diskussion. Die linguistischen Untersuchungen zu Vorträgen und Diskussionen legen nahe, dass die KonferenzteilnehmerInnen über ein Gattungswissen ( „ genre knowledge “ , Shalom 2002) verfügen und dieses Wissen lokal einsetzen, um die soziale Veranstaltung der Wissenschaftskonferenz durchzuführen. Der Vortrag macht einen konstitutiven Bestandteil jeder Konferenz aus. Er dient nicht nur der Konstruktion und der Vermittlung des Fachwissens, sondern auch „ der Fertigung der wissenschaftlichen Position und des Ansehens des Vortragenden “ (Techtmeier 1998: 504). Es handelt sich beim Konferenzvortrag um eine komplexe und multi-semiotische kommunikative Gattung, an der mündliche und visuelle, vorbereitete und spontane Diskurspraktiken in einer koordinierten Weise beteiligt sind (vgl. Hyland 2009: 86). Im Rahmen eines Vortrags monologisiert eine ReferentIn, wobei die verbalen Aktivitäten des Publikums zurückgestellt sind (vgl. Hohenstein 2006: 178). Der Vortrag weist im Hinblick auf die mündlichen Realisierungsformen ein dynamisches Konzept auf (Techtmeier 1998): Die ReferentInnen lesen entweder ziemlich strikt von Vortragstexten ab, oder verwenden zugleich die Konstruktionen der gesprochenen Sprache. Die ReferentInnen können ebenfalls, unterstützt von PowerPoint (Günthner/ Knoblauch 2007 b), weitgehend frei sprechen. Die Vorträge können in verschiedenen Interaktionsmodalitäten gehalten werden (Frobert-Adamo 2002). Die Art und Weise, wie ein Vortrag beginnt und endet, unterscheidet sich von der Einleitung und dem Schluss eines wissenschaftlichen Artikels (Carobbio 2011). Ferner zeigt sich in einer Reihe von kontrastiven Studien, dass die Konferenzvorträge soziokulturell geprägt sind (Kotthoff 2001 a; Hohenstein 2006; Debes 2007; Carobbio 2010; Günthner/ Zhu 2014). In Wissenschaftskonferenzen folgt auf einen Vortrag in der Regel eine weitere komplexe Gattung, die Diskussion (Baßler 2007; Konzett 2012). Sie bietet den ReferentInnen eine Möglichkeit, eigene Untersuchungsergebnisse zur Diskussion zu stellen (vgl. Baßler 2007: 133 f; Webber 2002). Während die ZuhörerInnen im Vortrag ihre verbalen Aktivitäten zurückstellen, bekommen sie in der Diskussion das Rederecht und spielen die Beteiligungsrolle der DiskutantInnen. Die Redebeiträge in der Diskussion weisen eine Struktur von „ Minidialogen “ (Baßler 2007: 135) auf, in denen sich die KonferenzteilnehmerInnen als ExpertInnen, ForscherInnen und Mitglieder der Fachgemeinschaft positionieren und ihre „ professional with multiple identities “ (Konzett 2012: 390) lokal und interaktiv herstellen. In der Diskussion besteht allerdings für die ReferentInnen die Gefahr, überfragt zu werden und das Gesicht zu verlieren (vgl. Vassileva 2009: 219). Dies bedeutet für die DiskutantInnen, dass sie bei der Ausübung einer Kritik gesichtsschützende Strategien verwenden und die Kritik indirekt ausdrücken, um das Gesicht der ReferentInnen zu wahren (Baßler 2007). 20 2. Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen <?page no="21"?> Der Moderator übernimmt in der Diskussionsrunde die Rolle eines Diskussionsleiters. Er eröffnet die Diskussion, organisiert den Sprecherwechsel und leitet die Diskussion. Zwischen Diskussion und Vortrag existiert eine thematische Verbindung: „ Consequently, the discussion should always in some respects be related to the paper and to the whole context of situation; otherwise it cannot be perceived to be coherent. “ (Ventola 1999: 111) Im Vergleich zu Vortrag und Diskussion gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen zur Anmoderation des Konferenzvortrags. Bei Ventola (2002: 29) und Hohenstein (2006: 178) wird ausschließlich darauf hingewiesen, dass in der Anmoderation eine ReferentIn vorgestellt und ihr Vortragstitel angekündigt werden. Für die vorliegende Arbeit ist die Studie von Beetz (1985) von Relevanz, die sich mit der Einführungsrede von Gastvorträgen an deutschen Universitäten befasst. Ziel seiner Studie ist es, „ spezifische Normen des Einführungskomments von Gastvorträgen innerhalb der Institution ‚ Universität ‘ sowie Funktionen verbaler und nonverbaler Persuasionstechniken bei der hierbei anfallenden Imagearbeit zu verdeutlichen. “ (Beetz 1985: 29) Nach Beetz (1985: 30) verfolgt die Einführungsrede „ einen sowohl pädagogischen wie geselligen Zweck “ und beinhaltet eine thematische Einführung und eine personale Vorstellung. Die Einführungsrede stellt einen Vermittlungsprozess dar, in dem ein kognitiver und sozialer Raum für die nachfolgende Interaktion, den Gastvortrag, definiert wird. Folglich liegt eine wesentliche Aufgabe der EinführungsrednerInnen darin, „ die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die folgende, einen längeren Zeitraum beanspruchende Hauptinformation durch Vorinformation zu lenken sowie durch Aufmerksamkeitsfokussierung Erwartungen vorzustrukturieren. “ (Beetz 1985: 31) Angesichts dieses Forschungsstandes befasst sich die vorliegende Arbeit mit den Anmoderationen der chinesischen und deutschen Tagungsvorträge. Vor der empirischen Analyse wird im Folgenden zunächst auf die theoretischen und methodologischen Grundlagen eingegangen. 2.2 Linguistische Studien zu Wissenschaftskonferenzen 21 <?page no="23"?> 3. Theoretische und methodologische Grundlagen Mit der kontrastiven Analyse der Anmoderationen chinesischer und deutscher Konferenzvorträge positioniert sich die vorliegende Arbeit im Rahmen der Kontrastiven Linguistik. Die Skizzierung der wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung der Kontrastiven Linguistik, die Darstellung ihres Untersuchungsgegenstandes und die Diskussion der allgemeinen Voraussetzungen und der spezifischen Methoden des Sprachvergleichs bilden den ersten Teil dieses Kapitels (Kap. 3.1). Im Anschluss daran wird auf diejenigen Forschungsansätze eingegangen, an die die kontrastive Analyse der Anmoderationen anknüpft (Kap. 3.2). Das Kapitel 3 schließt mit einer Darstellung der konkreten Vorgehensweise der kontrastiven Analyse (Kap. 3.3). 3.1 Die Kontrastive Linguistik 3.1.1 Kontrastive Linguistik: eine Begriffsbestimmung Die Kontrastive Linguistik [KL] bezieht sich auf ein Bündel von linguistischen Untersuchungen, die mit verschiedenen theoretischen und methodologischen Konzepten interlinguale Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede aus einer synchronen Perspektive ermitteln (vgl. Sternemann et al. 1983: 14; Spillner 2007: 365; Tekin 2012: 13; Brdar-Szabó 2001: 196; König 2012: 13). Obwohl die KL zusammen mit der historischvergleichenden bzw. der klassischen Komparativen Sprachwissenschaft, der Areallinguistik und der Sprachtypologie zu den Disziplinen der „ Vergleichenden Sprachwissenschaft “ gehört (vgl. Sternemann et al. 1983: 9 ff.; Hartmann 1982: 22), unterscheidet sie sich davon dennoch in Bezug auf die Ziel-, und Schwerpunktsetzung sowie auf den Untersuchungsgegenstand. Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft und die Areallinguistik sehen ihre Aufgabe darin, das gegenseitige Verhältnis der zu vergleichenden Einzelsprachen zu ermitteln, wobei die Untersuchungen entweder auf einer rekonstruierten Grundsprache (in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft) oder auf einer abstrakten Etalonsprache (in der Areallinguistik) beruhen. Darüber hinaus erforschen sie solche Sprachen, die entweder genetische (in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft) oder geographisch bedingte Verwandtschaften (in der Areallinguistik) haben (vgl. Sternemann et al. 1983: 11). Der Fokus der Sprachtypologie liegt darauf, Sprachen anhand ihrer morphologischen Strukturen <?page no="24"?> zu klassifizieren, wobei der Umfang der zu untersuchenden Sprachen allumfassend sein soll. 5 Das Interesse, Sprachen (in der Regel zwei oder drei Sprachen), die typologische und soziokulturelle Differenzen aufweisen, in synchroner Perspektive zu vergleichen, kam Ende des 19. Jahrhunderts auf (vgl. Fisiak 1990: 2, 1984: 139). Die Beschränkung auf einige wenige Sprachen „ schafft die Möglichkeit für umfassende Vergleiche dieser Sprachen entlang vieler Parameter der Variation, für feinkörnige Untersuchungen “ (König 2012: 23). Die jeweilige Anzahl der zu vergleichenden Sprachen einerseits und die synchrone Vorgehensweise andererseits unterscheiden die KL von den anderen Teildisziplinen der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Wissenschaftshistorisch betrachtet wurde die KL vor allem durch de Saussures Linguistik (1931/ 2001) ermöglicht: „ [S]eit der Begründung einer neuen synchronen Linguistik durch Ferdinand DE Saussure ist auch die Frage nach der Notwendigkeit und den Möglichkeiten einer neuen vergleichenden Sprachwissenschaft nicht mehr verstummt “ (Wanderuszka 1973: 1). Mit de Saussures Linguistik kann also die „ genetic-historical-diachronic from contrastive-descriptive-synchronic comparison “ (Hartmann 1982: 23) methodologisch unterschieden werden. Neben de Saussure hatte auch die Prager Schule lange Zeit einen Einfluss auf die KL ausgeübt (Fisiak 1984). Seit den 1950er Jahren kamen Überlegungen über den Fremdsprachenerwerb (Fries 1952; Lado 1957; Nickel 1971, 1972) hinzu. Heutzutage findet die KL auch in der Übersetzungswissenschaft, Lexikologie und nicht zuletzt in der Erforschung der interkulturellen Kommunikation (Nohl 2007; König 2012: 34) Anwendung, so dass die KL eine Vielfalt an methodischen Vorgehensweisen aufzuweisen hat. Die KL untersucht vergleichbare Phänomene zweier oder mehrerer Sprachen in Bezug auf die Wechselverhältnisse von Funktionen und Formen. Der Vergleichbarkeit der Sprachen liegt die Annahme zugrunde, dass es in den Sprachen übereinstimmende oder partiell übereinstimmende Strukturen und sprachliche Aktivitäten gibt (vgl. Sternemann et al. 1983: 27). Innerhalb der KL kann hauptsächlich zwischen drei Forschungsrichtungen unterschieden werden. Es gibt die Kontrastive Grammatik, die Kontrastive Pragmatik und kontrastive Studien zur authentischen mündlichen Interaktion. Die Kontrastive Grammatik entstand in den 1950er Jahren und ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Studien primär mit 5 Eine ausführlichere Darstellung der Teildisziplinen der Vergleichenden Sprachwissenschaft würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Deshalb ist hier auf den sehr guten Überblick bei Tekin (2012: 68 ff.) zu verweisen. 24 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="25"?> der Beschreibung von Sprachstrukturen wie Syntax, Phonologie und Morphologie befassen (vgl. Rein 1983: 34 ff.; Eichinger 2012: VIII). Analysiert sind primär intuitiv erfundene, an Schriftsprache orientierte und von natürlichem Verwendungskontext losgelöste Beispielsätze. Mit dem Aufkommen der „ Pragmatischen Wende “ in der Linguistik in den 1970er Jahren ist im Rahmen der KL „ wiederholt gefordert worden, den Vergleich nicht auf formale sprachliche Kategorien zu gründen, sondern eine kommunikativ orientierte Kontrastive Pragmatik zu entwickeln “ (Spillner 2007: 368), da eine KL, die Sprachen ohne Rückbezug auf die pragmalinguistische Perspektive untersucht, „ inadequate “ (Riley 1979: 57) ist. Es wurde dazu aufgerufen, in kontrastiven Analysen kulturkundlichen Aspekten mehr Raum zuzugestehen (vgl. Nickel 1972: 10). Vor diesem Hintergrund entstand die Kontrastive Pragmatik (Spillner 1978; Riley 1979; Fillmore 1984; Oleksy 1984). Im Mittelpunkt der Kontrastiven Pragmatik stehen „ language functions rather than linguistic structures - discourse, not grammar, the communicative act in context, not the sentence in isolation “ (Riley 1979: 57), wobei sich die Untersuchungen über die Satzebene hinaus mit Textsorten und Sprechakten befassen. Ferner stellt die Kontrastive Pragmatik kulturelle Aspekte des Sprachgebrauchs in den Vordergrund (Liebe-Harkort 1984; Oleksy 1984: 349; Wierzbicka 1991/ 2003). Innerhalb der Kontrastiven Pragmatik kann zwischen der Kontrastiven Textlinguistik und der Kontrastiven Diskursanalyse unterschieden werden. Die Kontrastive Textlinguistik befasst sich mit Textsorten schriftlicher Textproduktion (Fix 2001, 2008; Zhao 2008). In der Kontrastiven Diskursanalyse (House 1984, 1985; Kühlwein 1990: 22) werden vor allem Sprechakte und Höflichkeitsstrategien untersucht. Die Materialien dafür sind entweder erfundene Beispielsätze oder meist durch Fragebogen, Interviews und in Testsituationen gesammelte Aussagen von Befragten über deren Sprachgebrauch. Ende der 1980er Jahre und nicht zuletzt ab dem Jahrhundertwechsel zeichnet sich eine neue Tendenz ab, an die sich die vorliegende Arbeit anschließt: Die KL befasst sich mit Mechanismen und Mustern des mündlichen Sprachgebrauchs (Moerman 1988; Chen 2003; Sidnell 2007, 2009; Schegloff 2009; Günthner/ Hopper 2010). Untersuchungsgegenstand sind nicht mehr erfundene Beispielsätze oder Textsorten der geschriebenen Sprache, sondern authentische Interaktionen, die in Video- und Audioaufzeichnungen fixiert sind. Diese neue Tendenz lässt sich vor allem auf das Aufkommen der Konversationsanalyse (Sacks/ Jefferson/ Schegloff 1974), der Funktionalen Pragmatik (Ehlich/ Rehbein 1979) und des Konzepts der kommunikativen Gattungen (Luckmann 1984; Günthner/ Knoblauch 1994) zurückführen. Je nachdem, welche dieser Ansätze verwendet werden, haben die kontrastiven Studien verschiedene Schwerpunktsetzungen und Vorgehensweisen. Während die kontrastive Konversationsanalyse auf „ generic interactional problems which had to be, in some way, solved 3.1 Die Kontrastive Linguistik 25 <?page no="26"?> in any community “ (Sidnell 2009: 11) eingeht, 6 legen die kontrastiven Studien in der Funktionalen Pragmatik ihr Forschungsinteresse zumeist auf die Beschreibung von Handlungsmustern in institutionellen Situationen und rücken den mentalen Prozess der Interagierenden in den Vordergrund. Kontrastive Studien, denen das Konzept der kommunikativen Gattungen zugrunde gelegt wird, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich für Routinen folgende kommunikative Vorgänge nicht nur schriftlicher, sondern auch mündlicher Interaktionen interessieren und deren kulturelle Aspekte stets berücksichtigen. Die kurze Skizzierung der wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung der KL zeigt, dass die KL ihre sprachwissenschaftliche Perspektive sowohl hinsichtlich des Gegenstandsbereichs als auch der Methodik erweitert. Die Sprachvergleiche konzentrieren sich nicht mehr ausschließlich auf systemlinguistische Fragestellungen der Phonologie, Phonetik, Morphologie, Syntax und Lexik, sondern befassen sich auch mit dem kontextbezogenen Sprachgebrauch und beziehen dabei kulturelle Konventionen stärker in die Analysen mit ein. Zu den Untersuchungsmaterialien gehören neben den erfundenen Beispielsätzen und schriftlichen Texten auch Daten aus Interviews, Fragebogen und Testsituationen. In der aktuellen Entwicklung nehmen Gesprächsdaten aus authentischen Interaktionen eine immer wichtigere Rolle ein. Damit verbunden zeigt die KL ein erweitertes Spektrum an Methoden der Spracherfassung, -beschreibung und -analyse. Der soeben skizzierte Forschungsstand der KL im Allgemeinen lässt sich an den Studien zum Sprachvergleich des Chinesischen mit dem Deutschen nachvollziehen (Qian 2001; Zhao 2010; Li/ Xiong 2011). So befassen sich die Studien bis in die 1990er Jahre hinein primär mit systemisch verstandenen Sprachstrukturen (Qian 2001). Seit den 1990er Jahren gibt es kontrastive Untersuchungen zu Sprechakten (Hong 1998), in denen neben Introspektion entnommenen Beispielen auch aus teilnehmender Beobachtung gewonnenes Material diskutiert wird (Kniffka 1995). In vielen der bisher vorgelegten Studien geht es in erster Linie um Textsortenvergleiche, i. e. um wissenschaftliche Rezensionen (Liang 1991), Imagebroschüren (Zhao 2008) und Kontaktanzeigen (Zhang 2009). Dagegen wird der mündliche authentische Sprachgebrauch nur äußerst spärlich und wenn, dann methodologisch noch eher unreflektiert zum Thema gemacht. Obwohl sich Liang (1998) in seiner Analyse von Höflichkeitsstrategien im Chinesischen an einigen Stellen durchaus auf authentische mündliche Interaktionen bezieht, bleibt eine systematische Analyse der Eigenschaften mündlicher sprachlicher Aktivitäten schuldig. Ein erster systematischer Vergleich der mündlichen Interaktionen im Chinesischen 6 Siehe Kap. 3.2.2.3. 26 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="27"?> und Deutschen findet sich erst bei Chen (2003). Die Autorin analysiert anhand von authentischen Gesprächsdaten die Bewerbungsgespräche in einer taiwanesischen und einer deutschen Firma, wobei sie sich an der Funktionalen Pragmatik als zentralem theoretischem und methodologischem Ansatz orientiert. Chen untersucht sowohl die Gesprächsorganisation als auch thematische Aspekte der Bewerbungsgespräche. Kritisch an dieser Arbeit ist anzumerken, dass Chen, so schreibt auch Schilling (2004: 20) in seiner Rezension dazu, nicht auf die „ sprachliche Handlungsqualität der Äußerungen “ eingeht. Dagegen stellt sie die propositionale Dimension der Äußerungen in den Mittelpunkt und kommt so über eine Paraphrasierung der sprachlichen Ereignisse in den Bewerbungsgesprächen nicht hinaus. Ferner bleibt bei ihr die vorhandene Literatur über mündliche Interaktionen und gesprochene Sprache im Chinesischen wie Deutschen weitgehend unerwähnt. Obwohl Chen ihre Arbeit mit „ Kulturelle Kontraste bei deutschen und chinesischen Bewerbungsgesprächen “ betitelt, ist selbst die kulturelle Perspektive nicht stringent durchgehalten. Nachdem die wissenschaftshistorische Entwicklung der KL skizziert, deren Untersuchungsgegenstand und Forschungsansätze beleuchtet wurden, gehe ich im Folgenden auf die allgemeinen Voraussetzungen der KL und die spezifische Methodik des Sprachvergleichs ein. 3.1.2 Allgemeine Voraussetzungen der Kontrastiven Linguistik Kontrastive Studien müssen im Allgemeinen die folgenden drei Voraussetzungen erfüllen: i) die Maxime „ Beschreiben vor Vergleichen “ ii) die Bestimmung eines Tertium Comparationis iii) die Festlegung einer einheitlichen theoretischen Basis 3.1.2.1 „ Beschreiben vor Vergleichen “ Die Maxime „ Beschreiben vor Vergleichen “ ist die „ wichtigste Voraussetzung “ (Helbig 1976: 11) der kontrastiven Untersuchungen. Jeder Sprachvergleich benötigt hinreichende Vorarbeiten, die in ausführlichen Beschreibungen der Einzelsprachen bestehen (vgl. Sternemann et al. 1983: 41). Dazu schreibt Filipovic (1984: 107): „ One of the basic principles of CA [Contrastive Linguistics, Q. Z.] methodology says that both systems have to be described equally well, especially if the two languages confronted are genetically and typologically different. “ Sind diese vorab erstellten einzelsprachlichen Beschreibungen nicht gegeben, besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse der kontrastiven Untersuchungen nicht nur „ aphoristisch und anekdotenhaft “ (Götze/ Helbig 2001: 17), sondern auch „ trivial (da meist allgemein 3.1 Die Kontrastive Linguistik 27 <?page no="28"?> bekannt) oder entstellt (da von unzureichenden einzelsprachlichen Einsichten ausgehend) “ (Sternemann et al. 1983: 42) sind. Einzelsprachliche Beschreibungen sind zwar notwendige aber keine hinreichenden Voraussetzungen für gelingende Sprachvergleiche. Zwischen den einzelsprachlichen Beschreibungen und dem Vergleich selbst muss noch „ eine wichtige Zwischenstufe eingeschoben werden, auf der zunächst die Vergleichbarkeit (Komparabilität) festgestellt werden muss “ (Götze/ Helbig 2001: 17). Die Vergleichbarkeit bezieht sich einerseits auf die objektsprachliche Vergleichbarkeit, nämlich auf ein Tertium Comparationis, und andererseits auf die metasprachliche Vergleichbarkeit, eine den einzelsprachlichen Beschreibungen zugrunde liegende einheitliche theoretische und methodologische Basis. 3.1.2.2 Die Bestimmung eines Tertium Comparationis Die Ermittlung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Sprachen setzt voraus, „ daß zu bestimmten Erscheinungen der Sprache A Entsprechungen in der Sprache B aufzuzeigen sind bzw. daß die formalen Realisierungen bestimmter Bedeutungen in beiden Sprachen dargestellt werden “ (Sternemann et al. 1983: 43). Mit dieser Voraussetzung geht ein methodischer Grundsatz für die kontrastiven Studien einher: „ Damit verschiedene Sprachen vergleichbar sind, muss also ein gewisses Mindestmaß an gemeinsamen Eigenschaften gegeben sein, auf dessen Basis oder in Bezug zu dem die kontrastiven Untersuchungen vorgenommen werden können. “ (Tekin 2012: 121) Die gemeinsame Eigenschaft der zu vergleichenden Sprachen wird Tertium Comparationis genannt, das eine „ common platform of reference “ (Krzeszowski 1989: 60) für die kontrastive Studie schafft: It is obvious that no comparison is possible without establishing a common platform of reference. In other words, all comparisons involve the basic assumption that the objects to be compared share something in common against which differences can be stated. This common platform of reference is called TC [Tertium Comparationis Q. Z.]. (Krzeszowski 1989: 60) Dies besagt, dass beim Vergleich „ nicht nur das Verglichene unterschieden werden muß, sondern auch noch ein Gesichtspunkt gewählt werden muß, der die Selbigkeit des Verschiedenen, als Ähnlichkeit trotz Differenz garantiert “ (Luhmann 1999: 38). Das Tertium Comparationis fungiert als die dritte Größe, welche die zu vergleichenden Sprachen in Beziehung setzt und in Bezug auf welche die Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede dieser Sprachen sinnvoll ermittelt werden (vgl. Matthes 2003: 327). Die gemeinsame Dritte ist 28 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="29"?> deshalb notwendig, weil man nichts Unvergleichbares vergleichen kann, weil man nicht ganze Sprachen in extenso vergleichen kann, sondern immer nur Teile, Ebenen oder Subsysteme. Dabei taucht von selbst die Frage auf, welche dieser Teile miteinander komparabel sind. (Helbig 1976: 12) Da sich das Tertium Comparationis auf die Vergleichbarkeit der Sprachen bezieht, wird es auch die „ objektsprachliche Komparabilität “ (Götze/ Helbig 2001: 17) genannt. Sie strukturiert den Vergleich und macht die Grenzen zwischen den zu vergleichenden Objekten aus (vgl. Nohl 2007: 369). Für die Bestimmung eines Tertium Comparationis gilt die Äquivalenz. Eine kontrastive Studie erscheint nur sinnvoll, wenn äquivalente Erscheinungen miteinander verglichen werden (vgl. Helbig 1976: 13). Es muss jedoch angemerkt werden, dass zwischen Sprachen in der Regel nur partiell äquivalente Erscheinungen bestehen. Folglich handelt es sich bei diesen Erscheinungen nicht um eine identische, sondern meist um eine partielle Gleichheit (vgl. Sternemann et al. 1983: 43). In diesem Sinne spricht Nickel (1971: 5) auch von einer „ quasi-equivalence “ . Die Bestimmung des Tertium Comparationis hängt von der Zielsetzung einer kontrastiven Studie ab. Im Folgenden werden die pragmatische Äquivalenz in der Kontrastiven Diskursanalyse, die funktional-pragmatische Äquivalenz in der Kontrastiven Textlinguistik und die Äquivalenz der Situation in der Textanalyse erläutert und diskutiert, da sie für die Bestimmung der Tertia Comparationis in der vorliegenden Arbeit aufschlussreich sind. Die „ pragmatische Wende “ hat in der kontrastiven Linguistik nicht nur, wie bereits erwähnt, zu einer Gegenstandserweiterung, sondern „ auch zu weiterführenden Überlegungen hinsichtlich der Komparabilität wie auch des Tertium comparationis (Tc) und der Bestimmung der Art und des Grades der Äquivalenz “ (Wotjak 1988: 103) geführt. Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept der pragmatischen Äquivalenz vorgeschlagen, das der Kontrastiven Diskursanalyse zugrunde liegt. Die pragmatische Äquivalenz definiert Oleksy (1983: 85) folgendermaßen: A linguistic expression X 1 in L 1 is pragmatically equivalent to a linguistic expression X 2 in L 2 if X 1 and X 2 can be used in the performance of the same SA / = speech act/ in L 1 and L 2 relative to the corresponding set of pragmatic, contextual and socio-cultural factors. Gemäß dieser Definition können nur diejenigen sprachlichen Äußerungen verglichen werden, die in kongruenten Situationen zur Ausführung desselben Sprechaktes gebraucht werden. Problematisch ist allerdings die „ epistemological validity “ (Fisiak 1990: 9) der pragmatischen Äquivalenz: Mit dieser Definition wird die Tatsache ignoriert, dass mit einer Äußerung mehrere Sprechakte vollzogen werden können. Es stellt sich also die 3.1 Die Kontrastive Linguistik 29 <?page no="30"?> Frage, wie viele Sprechakte identifiziert werden müssen, damit X 1 in L 1 und X 2 in L 2 als pragmatisch äquivalent gelten können (vgl. Janicki 1985: 20 f.). Kritisch ist weiter anzumerken, dass sich die pragmatische Äquivalenz im Sinne von Oleksy weder auf den mündlichen noch auf den schriftlichen Sprachgebrauch im natürlichen Verwendungszusammenhang bezieht. Obwohl Oleksy fordert, dass sich die kontrastiven Studien mit dem natürlichen Sprachgebrauch befassen sollen, analysiert er selbst ausschließlich erfundene Beispielsätze und isolierte Sprechakte. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass Oleksy die Sprechakttheorie, die theoretische Grundlage der pragmatischen Äquivalenz, für eine linguistische Theorie des Sprachgebrauchs hält: „ [S]peech act theory will be considered to be a usecentered theory. “ (Oleksy 1984: 349) In weiteren Aufsätzen setzt sich Oleksy kritisch mit den gängigen Kriterien der Äquivalenz auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Festlegung des Tertium Comparationis Methoden der empirischen Studien einzusetzen sind (vgl. Oleksy 1986: 1416, 1417, 1235). Auch Fisiak (1990) vertritt die Auffassung, dass das Tertium Comparationis empirisch bestimmt werden muss, wobei dessen Auswahl vom jeweiligen Forschungsziel abhängt: What we claim thus is that the tertium comparationis is determined by the aim of comparison [. . .] i. e. it is an empirical problem and therefore cannot be resolved in abstracto. It can be only solved on the basis of empirical evidence. (Fisiak 1990: 12; kursiv im Original) Theoretische und methodologische Überlegungen zu empirischen kontrastiven Studien entstehen im Rahmen der Kontrastiven Textlinguistik. Diese Studien sind mit Problemen konfrontiert, die über die Reichweite der Kontrastiven Diskursanalyse hinausgehen: Mit der Erweiterung des Gegenstandbereiches der kL auf die Ebene der Äußerung wie des Textes [. . .] aber auch allgemein auf die Beschreibung sprachlichen Handelns bzw. sprachlicher Tätigkeit als Produktion mündlicher bzw. verschrifteter Texte und deren Reproduktion/ Rezeption und Verstehen in soziokulturell mehr oder minder immer divergierenden Sprachewie Kommunikationsgemeinschaften und Kommunikationssituationen (KoSi) stellt sich auch die Frage nach Konsequenzen für die Bestimmung des Tc entsprechender interlingualer Textbzw. Äußerungsvergleiche. (Wotjak 1988: 106) So muss beim Vergleich von Texten zunächst sichergestellt werden, dass es sich bei den zu vergleichenden Texten „ um kommunikativ äquivalente, d. h. sehr weitgehend identische Größen handelt “ (Wotjak 1988: 109). Hierbei stellen sich die folgenden Fragen: „ Welche Invarianten müssen gegeben, welche Bedingungen erfüllt sein, damit X 1 L 1 und X 2 L 2 als vergleichbar, als mögliche sinnvolle Termini der Relation des Vergleichens 30 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="31"?> betrachtet werden können? “ (Wotjak 1988: 110, 111) Nach Wotjak (1988: 111) können Texte „ interlingual als kommunikativ äquivalent betrachtet werden, wenn sie im kommunikativen Sinn KS übereinstimmen und kommunikativ angemessen, d. h. textsortengerecht gestaltet sind “ , wobei sich der kommunikative Sinn auf die kommunikative Funktion der Texte bezieht (vgl. Wotjak 1988: 114). Die Suche nach funktional-pragmatisch äquivalenten Texten stellt die Grundlage eines jeden Textvergleichs dar (vgl. Wotjak 1988: 116). Beim Vergleich von mündlichen Textsorten gewinnen der Sprecherrahmen, die Redekonstellation sowie die Umgebungssituation mehr Gewicht (vgl. Wotjak 1988: 112). Die so identifizierten Texte stellen die Datenbasis einer kontrastiven Untersuchung dar. Nach der Identifizierung der vergleichbaren Texte werden in einem nächsten Schritt Tertia Comparationis festgelegt. Dies lässt sich nach Spillner (2007: 368) „ am einfachsten als Frage formulieren “ : Wie bzw. mit welchen sprachlichen Mitteln werden die Funktionen der relevanten Texte materialisiert und erfüllt? D. h. nachdem die Texte (Was) anhand von ihren übereinstimmenden Funktionen (Wozu) als Vergleichbares identifiziert werden, kommt es beim Vergleich auf das Wie an: Der konkrete Vergleich zwischen TL 1 und TL 2 vermag nun, Gemeinsamkeiten wie Abweichnungen in der Versprachlichung des als weitgehend kongruent vorausgesetzten Was und Wozu wie auch der KoSi [Kommunikationssituation, Q. Z.] und des KS [Kommunikativer Sinn, Q. Z.] deutlich zu machen, also einen entscheidenen Beitrag zur Beschreibung des Wie, der Vertextungsregularitäten, der Diskussionsstrategien/ Kommunikationsverfahren/ Techniken der Rede, also der Textsortengerechtheit wie generell der kommunikativen Angemessenheit, zu leisten. (Wotjak 1988: 117) Die Tertia Comparationis, so Wotjak (1988: 120) weiter, befinden sich auf der Ebene der „ allgemeinsten Diskursformulierungsregularitäten, d. h. den Redebauplänen zugrunde liegenden sozialen Interaktionshandlungsmuster bzw. Verhaltensstereotypen “ . Die verbalen und nonverbalen Interaktionskonstanten sind „ kommunikative Makrostrukturen “ (1988: 120), auf deren Grundlagen die Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede der zu vergleichenden Texte ermittelt werden. Bei der Bestimmung der Äquivalenz der Texte auf der einen Seite und bei der Festlegung der Tertia Comparationis auf der anderen Seite muss jedoch beachtet werden, dass die Äquivalenz der Texte außerhalb der Tertia Comparationis steht (vgl. Janicki 1986: 1239), damit ein Zirkelschluss vermieden wird: The circularity consists in the following: we compare in order to see what is similar and what is different in the compared materials; we can only compare items which are in some respect similar, but we cannot use similarity as an independent criterion for deciding how to match items 3.1 Die Kontrastive Linguistik 31 <?page no="32"?> for comparison, since similarity (or difference) is to result from the comparison and not to motivate it. (Krzeszowski 1984: 305; kursiv im Original) Fungiert die kommunikative Funktion bereits als der Ausgangspunkt des Textvergleichs, kann sie „ nicht auch als Tc, als Meßlatte und Bezugspunkt (übereinzelsprachliche Invarianten), für den funktionellen Vergleich von kommunikativen Makrostrukturen “ (Wotjak 1988: 119) gelten, da es paradox ist, die Ergebnisse einer Untersuchung als Basis derselben Untersuchung zugrunde zu legen (vgl. Tekin 2012: 126). Dazu schreibt Janicki (1985): PE [pragmatic equivalence, Q. Z.] can not serve as an independent criterion or reason (i. e., TC) for comparison if one seeks to establish whether or not two linguistic expressions are pragmatically equivalent, i. e., corresponding with reference to language use. Otherwise we deal with definitional circularity. What one needs for analysis at the pragmatic level are TCs standing outside pragmatic equivalence. Consequently, pragmatic equivalence would not motivate but result from such analysis. (Janicki 1985: 21; kursiv im Original) Wenn in kontrastive Studien die kommunikativen Funktionen der Texte verglichen werden, benötigen diese Analysen bei der Festlegung der Vergleichbarkeit der Texte ein anderes Kriterium als die funktional-pragmatische Äquivalenz. Als solch ein Kriterium wird die Äquivalenz der Situation vorgeschlagen (vgl. Hartmann 1982: 38; Spillner 1981 b: 242, 1997: 126, 2007: 372; Janicki 1985: 24). Demzufolge können Texte nur dann verglichen werden, wenn sie in einer äquivalenten Sprechsituation, einem „ similar context “ (Hartmann 1982: 38) bzw. einem „ comparable context “ (Janicki 1985: 24) produziert und rezipiert werden. Hierbei sollen Thematik, Zeitpunkt der Textproduktion und -rezeption, Texttyp bzw. literarisches Genus, Sprechanlass etc. möglichst konstant gehalten werden. Die Erläuterung und die Diskussion der pragmatischen Äquivalenz, der funktional-pragmatischen Äquivalenz und der Äquivalenz der Situation legen nah, dass die Äquivalenz von Fragestellungen der kontrastiven Forschung einerseits und von denjenigen linguistischen Theorien andererseits geprägt sind, die den Untersuchungen zugrunde gelegt werden: Equivalence in Contrastive Studies is a relative concept. The formulation of the relation of equivalence for any pair of item in L 1 and L 2 depends (a) on the theoretical framework adopted by the researcher and (b) on the nature of linguistic facts that this relation is supposed to explain. (Oleksy 1986: 1416) Aus den Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Typen von Äquivalenz ergeben sich folgende für die vorliegende Arbeit aufschlussreiche Punkte: i) Die Festlegung eines äquivalenten mündlichen Interaktionstyps stellt den ersten Schritt bzw. die grundlegende Bedingung dar. 32 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="33"?> ii) Die Tertia Comparationis können nicht vorab erstellt, sondern müssen stets empirisch festgelegt werden. Da die vorliegende Arbeit die kommunikativen Funktionen der Anmoderationen chinesischer und deutscher Vorträge vergleicht und diese somit zu den Tertia Comparationis gehören, greife ich bei der Festlegung der Vergleichbarkeit der chinesischen und der deutschen Anmoderationen auf das Kriterium der Äquivalenz der Situation zurück. Dies wird in Kap. 3.3 näher beleuchtet. 3.1.2.3 Die Bestimmung einer einheitlichen theoretischen Basis Sowohl die einzelsprachlichen Beschreibungen als auch die Bestimmung der Tertia Comparationis sind unter bestimmten theoretischen und methodologischen Annahmen vorzunehmen (vg. Enkvist 1984: 44; Oleksy 1984: 349). Da ein und derselbe Untersuchungsgegenstand sehr verschieden analysiert werden kann, ist bei der einzelsprachlichen Beschreibung darauf zu achten, dass sie „ auf der Basis der gleichen Sprach- und Grammatiktheorie, mit Hilfe der gleichen Methoden und der gleichen Termini “ (Götze/ Helbig 2001: 17; Helbig 1976: 12) unternommen wird, damit ein Sprachvergleich adäquat und sinnvoll ist. Folglich muss neben dem Tertium Comparationis noch die einzelsprachliche Beschreibung in theoretischer und methodologischer Hinsicht selbst eine vergleichbare Größe sein (vgl. Sternemann et al. 1983: 42). Die Vergleichbarkeit der Theorie, Methodologie und Termini wird „ metasprachliche Komparabilität “ (Götze/ Helbig 2001: 17; Sternemann et al. 1983: 38) genannt. Wird eine einheitliche theoretische Basis nicht festgelegt, ist ein sinnvoller Vergleich erschwert oder nicht möglich (vgl. Götze/ Helbig 2001: 17). Die Entwicklung der KL ist unmittelbar von den „ Modeerscheinungen “ (Tekin 2012: 132) der Linguistik geprägt. Die KL bedient sich linguistischer Theorien und Methoden, die „ zur Zeit ihrer Entstehungen am geläufigsten waren “ (Lado 1972: 18), so dass sich in der KL „ herrschende linguistische Richtungen “ (Sternemann et al. 1983: 38) reflektieren. Die methodischen Vorgehensweisen der bisherigen kontrastiven Untersuchungen umfassen, um die Bezeichnungen von Clark/ Bangerter (2004: 25) zu benutzen, „ armchair “ , „ laboratory “ und „ field “ . Die „ armchair “ -Methode beruht auf „ linguistic intuitions “ (Schütze 1996: 1) der AnalytikerInnen (Filipovic 1984: 111): „ [Y]ou image examples of language used in this or that situation and ask yourself whether they are grammatical or ungrammatical, natural or unnatural, appropriate or inappropriate. “ (Clark/ Bangerter 2004: 25) Die „ armchair “ -Methode bedient sich schriftsprachlicher Beispielsätze, die in der Reichweite der Intuitionen der AnalytikerInnen stehen. Die konstruierten Beispielsätze reduzieren sprachliche Strukturen auf die schrift- 3.1 Die Kontrastive Linguistik 33 <?page no="34"?> sprachliche Einheit „ Satz “ und ignorieren folglich interaktiv-dialogische und kontextspezifische Aspekte sprachlicher Phänomene (vgl. Günthner 2003: 192). Auch prosodische Elemente, die einen zentralen Aspekt der mündlichen Interaktion ausmachen, werden außer Acht gelassen. Zu den „ laboratory “ -Methoden zählen „ discourse computation test “ (DTC, Lee-Wong 2000), „ role-play “ (Kasper/ Dahl 1991) bzw. „ role-enactment “ (McDonough 1986) und „ CCSARP “ (Cross-Cultural Speech Act Realization Project, Blum-Kulka/ Olshtain 1984; Blum-Kulka/ House/ Kasper 1989). Die Vorteile dieser Methoden bestehen darin, dass die Vergleichbarkeit der Daten leicht gewährleistet wird und die AnalytikerInnen durch Experimente und Fragebögen ein großes Korpus erhalten. Problematisch ist bei dieser experimentellen Vorgehensweise, dass aufgrund der Konstruiertheit der Testsituationen keineswegs auf das geschlossen werden kann, was sich in realen Interaktionen tatsächlich ereignet (vgl. Günthner 1993: 13; Clark/ Bangerter 2004: 26). Die Untersuchungsergebnisse geben ausschließlich darüber Aufschluss, was die ProbandInnen denken, wie sie auf vorgegebene Ereignisse reagieren. Solche Reaktionen korrespondieren keineswegs „ with oral performance in real life “ (Rue/ Zhang 2008: 33), da es ein Unterschied besteht zwischen dem, was ProbandInnen über ihren Sprachgebrauch selbst behaupten, und dem, was sie tatsächlich tun (vgl. Günthner 2003: 192). Als weitere Vorgehensweise begegnet man in den kontrastiven Untersuchungen der aus den Sozialwissenschaften übernommenen teilnehmenden Beobachtung, der „ field “ -Methode (Kniffka 1995). Die Gefahr dieser Methode besteht darin, dass soziale Ereignisse aufgrund von Einschränkungen in der Erinnerungs- und Wiedergabefähigkeit der AnalytikerInnen sowie Filterung in der Wahrnehmung des Geschehens nicht über typisierende und resümierende Darstellungen hinausgehen (vgl. Bergmann 1985: 308; Günthner 1993: 27). Wie bei den „ laboratory “ -Methoden werden Merkmale der gesprochenen Sprache und Eigenschaften der mündlichen Interaktion nicht registriert und schließlich vernachlässigt. In der Kontrastiven Pragmatik werden oft die in Interviewsituationen erhobenen Daten verwendet. Solche Interviews sind „ die rekonstruierende Konservierung eines Ereignisses “ (Bergmann 1985: 395), also die sprachliche rekonstruktive Aneignung, Vergegenwärtigung und Überlieferung von vergangenen Ereignissen. In Interviews können vergangene Ereignisse sehr wohl wiedergegeben werden, doch besteht die Gefahr stark typisierender Aussagen über soziale Ereignisse. Die Aussagen von Interviewten sind ihren eigenen Deutungsmustern unterworfen und je nach Grad der Offenheit bzw. Standardisierung der Interviews von Forscherseite mehr oder weniger stark vorstrukturiert (vgl. Bergmann 1985: 307; Günthner 1993: 27). 34 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="35"?> Für kontrastive Untersuchungen mündlicher Interaktion werden also Gesprächsdaten benötigt, die so detailliert wie möglich im realen, konkreten und kontextgebundenen Ablauf „ registrierend “ (Bergmann 1985) konserviert werden. Die Sprachdaten müssen insofern „ natürlich situiert “ (Günthner 2003: 192) erfasst werden, als die sozialen Ereignisse unabhängig von Forschungsvorhaben stattfinden, von diesen weitestgehend unbeeinflusst bleiben und in rohen, interesselos-neutralen, weder numerisch noch ästhetisch transformierten Audiobzw. Videoaufzeichnungen fixiert werden (vgl. Bergmann 1985: 301). Nur so kann die Forschung Eigenschaften der mündlichen Interaktion und der gesprochenen Sprache herausarbeiten. Diesen Forderungen kommt die vorliegende Arbeit nach. 3.1.3 Methoden des Sprachvergleichs Kontrastive Studien verwenden zum einen die o. g. theoretischen und methodologischen Ansätze, um einzelsprachliche Beschreibungen voranzutreiben und Tertia Comparationis zu bestimmen. Darüber hinaus bedienen sie sich auch eigener Verfahren, deren übergeordnete Methode zweifelsohne im Vergleich liegt (vgl. Tekin 2012: 61, 133). Je nach Fragestellungen und Verwendungszwecken können in dieser generellen Vorgehensweise hauptsächlich drei Unterscheidungen getroffen werden: i) beschreibend-vergleichend vs. beschreibend und vergleichend ii) unidirektional vs. bilateral iii) selektiv vs. vollständig. i) beschreibend-vergleichend vs. beschreibend und vergleichend In einem beschreibend-vergleichenden Sprachvergleich werden die Beschreibung und der Vergleich vereinigt und gekoppelt. Dies geschieht dadurch, dass die zu vergleichenden Phänomene zweier Sprachen nacheinander behandelt werden: Sie werden zunächst analysiert und gleich darauf kontrastiv einander gegenübergestellt, wie es das folgende Schema verdeutlicht: Phänomen 1 (a) Beschreibung erste Sprache zweite Sprache (b) Kontrastierung erste Sprache vs. zweite Sprache Phänomen 2 . . . (Czochralski 1966: 20) 3.1 Die Kontrastive Linguistik 35 <?page no="36"?> Dies wird weitergeführt, bis alle in Frage kommenden Phänomene behandelt sind. In einem beschreibenden und vergleichenden Sprachvergleich werden die zu vergleichenden Phänomene der einen Sprache zunächst isoliert von denen der anderen Sprache analysiert; erst dann werden die Phänomene der beiden Sprachen eins nach dem anderen miteinander verglichen (vgl. Tekin 2012: 133). Anhand des folgenden Schemas soll dieses Verfahren skizziert werden (Czochralski 1966: 20): Beschreibender Teil erste Sprache Phänomen 1 Phänomen 2 . . . zweite Sprache Phänomen 1 Phänomen 2 . . . Kontrastiver Teil Phänomen 1: erste Sprache vs. zweite Sprache Phänomen 2: erste Sprache vs. zweite Sprache . . . (Czochralski 1966: 20) ii) unilateral vs. bilateral Bei der unilateralen Vergleichsmethode wird zwischen einer Ausgangssprache und einer Zielsprache unterschieden (vgl. Helbig 1976: 10; Tekin 2012: 134). Die unilateralen kontrastiven Studien gehen auf die Phänomene der Zielsprache ein, wobei Kenntnisse und Strukturen der Ausgangssprache vorausgesetzt werden, auf die der Vergleich Bezug nimmt (vgl. Czochralski 1966: 18). Da die Zielsprache in Termini der Ausgangssprache beschrieben und analysiert wird, werden Besonderheiten der Zielsprache möglicherweise verfehlt, und die Ergebnisse eines unilateralen Sprachvergleichs können inadäquat bzw. irreführend sein (vgl. Tekin 2012: 138). Bei der bilateralen Vergleichsmethode wird das Hauptaugenmerk dagegen nicht auf die Strukturen einer Ausgangssprache gerichtet, sondern vergleichbare Phänomene zweier Sprachen werden gleichermaßen behandelt (Sternemann et al. 1983: 58). Da der Vergleich nicht auf die Strukturen einer vorab festgelegten Ausgangssprache bezogen ist, wird die Gefahr vermieden, den Vergleich zu präjudizieren. 36 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="37"?> iii) selektiv vs. vollständig Bei einem selektiven Sprachvergleich wird auf diejenigen Phänomene eingegangen, die für die eine Sprache typisch sind, jedoch in der anderen Sprache nicht bzw. lediglich in unterschiedlichen Funktionszusammenhängen vorkommen. In einem vollständigen Sprachvergleich werden dagegen partiell identische bzw. ähnliche Strukturen der zu vergleichenden Sprachen untersucht. Für die vorliegende Arbeit wird eine Kombination aus den angeführten Vergleichsmethoden gewählt. Die kontrastive Untersuchung der chinesischen und deutschen Anmoderationen wird beschreibend-vergleichend, bilateral und nach dem Konzept des vollständigen Sprachvergleichs vorgehen. Zunächst werden die zu vergleichenden Phänomene identifiziert (Kap. 4). Im Anschluss daran werden die Tertia Comparationis im Chinesischen und Deutschen analysiert und verglichen (Kap. 5 bis Kap. 8). Die Analysen werden sprach- und kulturspezifisch angesetzt, damit jedes Phänomen in seiner Sprache und unabhängig von der jeweils anderen erfasst wird, so dass vermieden wird, Phänomene der einen Sprache zur Beschreibungsfolie für Phänomene der anderen Sprache zu machen. Es wird versucht, die in Frage kommenden Phänomene anhand der sprach- und kulturspezifischen Konzepte der jeweiligen Sprechgemeinschaft zu erkennen, zu erläutern und zu analysieren. Die Vollständigkeit der vorliegenden Studie ist als relativ aufzufassen: Die Wissenschaftskommunikation weist neben den kulturellen Unterschieden selbstverständlich auch fachspezifische Merkmale auf, doch da sich die Studie primär mit der Sprachbzw. Kulturspezifik der Anmoderationen befasst, werden deren fachspezifische Unterschiede nicht zur Analyse herangezogen. 3.1.4 Konsequenzen für die vorliegende Arbeit Im Vorangehenden wurden der Begriff der Kontrastiven Linguistik bestimmt, ihr Forschungsstand dargelegt, verschiedene Typen von Äquivalenz und Vorgehensweisen des Sprachvergleichs vorgestellt. Im Folgenden wird zusammengefasst, was aus bisherigen vorliegenden kontrastiven Studien für die vorliegende Arbeit festzustellen ist: i) Kontrastive Studie der „ kommunikativen Praxis “ Die Kontrastive Linguistik hat in ihrer wissenschaftshistorischen Entwicklung zahlreiche Erweiterungen der Kategorien- und Theoriebildung sowie des Gegenstandsverständnisses aufzuweisen: Während die kontrastiven Untersuchungen bis in die 1980er Jahre vor allem durch die Strukturalistische Grammatik, die Generative Grammatik, die Valenz- und Kasus- 3.1 Die Kontrastive Linguistik 37 <?page no="38"?> theorie geprägt waren und sich in erster Linie mit Kontext losgelösten sprachlichen Formen befassten, nimmt sich die Kontrastive Linguistik im Zuge der „ pragmatischen Wende “ nunmehr der Erforschung des authentischen Sprachgebrauchs an. Es lässt sich erkennen, dass die kontrastiven Studien an der „ lebendigen Praxis der sozialen Kommunikation “ (Volosinov 1929/ 1975: 127) bzw. der „ kommunikativen Praxis “ (Hanks 1996; Günthner 2000) sprachlicher Interaktionen ausgerichtet sind. Um den authentischen Sprachgebrauch aus verschiedenen Kultur- und Sprachräumen miteinander sinnvoll vergleichen zu können, genügt es keineswegs, sich mit erfundenen oder aus Introspektion gewonnenen Beispielsätzen zu befassen. Zudem ist es methodologisch problematisch, den Sprachgebrauch anhand Aussagen der jeweiligen MuttersprachlerInnen oder anhand unter kontrollierten experimentellen Bedingungen erhobener Testdaten zu rekonstruieren. Stattdessen muss die kommunikative Praxis zum Untersuchungsgegenstand erhoben werden und die sprachliche Interaktion im konkreten Kontext unter Berücksichtigung der soziokulturellen Konventionen analysiert werden. ii) Linguistische Untersuchungen der mündlichen Interaktion mit kulturanalytischem Bezug Während Riley (1979: 57) schon Ende der 1970er Jahre anmerkte, dass sich die kontrastiven Untersuchungen kaum um „ language use and the various linguistic aspects of interaction “ kümmerten, ist die Kontrastive Linguistik derzeit in erster Linie noch immer mit schriftlichen Textsorten befasst. Die Erforschung mündlicher Interaktion bleibt dagegen bis heute weitgehend ein blinder Fleck. Mit der mündlichen Interaktion im wissenschaftlichen Kontext in verschiedenen Sprachen und Kulturen befasst sich nun die vorliegende Arbeit. Sie hält einerseits das Verhältnis von Sprache und Kultur und andererseits die Organisationsprinzipien und Merkmale des mündlichen Sprachgebrauchs stets vor Augen. Die sprachtheoretische (Musterbildung in der kommunikativen Praxis) und die soziokulturelle Grundposition (Sprachanalyse unter Bezug auf Kulturanalyse) sowie das Gegenstandsverständnis (Gesprächsdaten aus authentischer Interaktion) wurden bereits im Zusammenhang mit der Kulturanalytischen Linguistik angesprochen, an die sich die vorliegende Arbeit anschließt. Während Wotjak Ende der 1980er Jahre auf die Bedeutung der Kulturanthropologie und der Ethnomethodologie für die Kontrastive Linguistik hinwies und es noch als einen Wunsch äußerte „ von kulturanthropologischen und ethnomethodologischen Untersuchungen [. . .] aufschlußreiche Angaben zu erwarten “ (Wotjak 1988: 120), fungiert in der vorliegenden Arbeit die Kulturanthropologie mit der Ethnographie der Kommunikation als ein theoretischer Anhaltspunkt für die Unter- 38 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="39"?> suchung des Verhältnisses zwischen Sprache und Kultur. Als eine weitere theoretische Annahme gilt die Kontextualisierungstheorie. Die ethnomethodologische Konversationsanalyse stellt einen bedeutenden methodologischen Ansatz für die Erforschung der vorliegenden Gesprächsdaten dar. Das Konzept der kommunikativen Gattungen ist sowohl ein theoretischer als auch ein methodologischer Ansatz, der für das Vorgehen dieser Arbeit maßgeblich ist. Auf diesen theoretischen und methodologischen Rahmen wird im Folgenden eingegangen. 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik Die Kulturanalytische Linguistik (Günthner/ Linke 2006; Günthner 2003; Linke 2008, 2011; Günthner 2011 a) entsteht in Diskussionen über das Verhältnis von Sprache und Kultur sowie über die Möglichkeit und Notwendigkeit, Sprachanalyse als Kulturanalyse zu begreifen und als solche voranzutreiben (Linke 2008). Die kulturanalytische Linguistik versteht sich als ein Plädoyer „ für eine theoretische Elaborierung des symbolischen Verhältnisses von Sprache und Kultur einerseits und für ein Wuchern mit den Pfunden sprachwissenschaftlichen Wissens in der kulturwissenschaftlichen Theoriebildung wie in der kulturwissenschaftlichen Praxis andererseits “ (Günthner/ Linke 2006: 20). Die Kulturanalytische Linguistik ist dadurch gekennzeichnet, dass sie „ die Kulturalität von Sprache “ und „ die Sprachlichkeit von Kultur “ (Linke 2008: 24, 2011: 24) stets vor Augen hat. In der Kulturanalytischen Linguistik werden die Sprachgebrauchsanalyse als Kulturanalyse und die Sprachgebrauchsgeschichte als Kulturgeschichte betrieben. Die Kulturanalytische Linguistik befasst sich u. a. mit der Musterbildung im Sprachgebrauch (Linke 2011). Ihre Zielsetzung liegt darin, „ über die Analyse von Sprachgebrauch auf kulturelle Phänomene oder Veränderungen aufmerksam zu werden, die nicht bereits auf der Hand liegen “ (Linke 2011: 40). Dafür wird konkrete soziale Interaktion als Analysegrundlage genommen (vgl. Günthner/ Linke 2006: 18). Was die theoretische und methodologische Grundlage betrifft, schließt sich die Kulturanalytische Linguistik den interaktionssymbolischen und performanzorientierten Ansätzen der neueren Linguistik an (vgl. Günthner/ Linke 2006: 14 ff.). Zu diesen zählen die Ethnographie der Kommunikation, die ethnomethodologische Konversationsanalyse, die interaktionale Soziolinguistik mit der Kontextualisierungstheorie und das Konzept der kommunikativen Gattungen (vgl. Günthner 2003: 194; Linke 2008: 36). Der Grund dafür, warum sich die Kulturanalytische Linguistik in erster Linie mit der sprachlichen Musterbildung beschäftigt, liegt darin, dass sie in Anlehnung an das Konzept der kommunikativen Gattungen davon aus- 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 39 <?page no="40"?> geht, dass die Musterbildungen im Sprachgebrauch „ immer das kollektive Produkt von Kommunikationsgesellschaften “ (Linke 2011: 23) sind und „ einen wichtigen ‚ Ort ‘ der Verschränkung von Kultur und Sprache “ (Linke 2011: 27) darstellen. Für die Kulturanalytische Linguistik nimmt Sprache eine bedeutende Rolle in der Konstitution der menschlichen Lebenswelt ein (vgl. Günthner/ Linke 2006: 17). Mit sprachlichen Mitteln führen die Interagierenden Handlungen aus, stellen die soziale Wirklichkeit her und erzeugen den Sinn der Kommunikation. Sprache wird „ nicht mehr als ein abstraktes, von den Bedingungen, der Verwendung und der kulturellen Einbettung losgelöstes System behandelt, sondern als ein intersubjektives, kulturell verankertes Kommunikationsinstrument “ (Günthner 1993: 25). Kultur wird als ein „ dynamischer, emergenter Prozess der Bedeutungshandlung “ (Günthner/ Linke 2006: 25) verstanden: „ Kulturelle Praktiken, Werte und Normen gelten als emergent im Prozess der sozialen Interaktion, wobei auf geteilte Einstellungen, geteiltes Wissen zurückgegriffen wird “ (Günthner/ Linke 2006: 17). Kultur hat, so Günthner/ Linke (2006: 17) weiter, einen „ Doppelcharakter von sedimentiertem Wissen und emergenter Produktion “ . Sie „ umfasst einerseits die unseren Handlungen und Interpretationen zugrunde liegenden Wissensbestände und Ideologien, zum anderen werden sie im Prozess des interaktiven Ausdrucks, der Darstellungsform und situierten Interpretation erzeugt “ . Kultur ist „ kein dem Interaktionsprozess ‚ aufgepfropftes Etwas ‘ , sondern integraler Bestandteil jeder menschlichen Interaktion “ (Günthner 2003: 193), sie ist ein genuines Moment jeder sprachlichen Äußerung und menschlichen Interaktion. Kulturelle Fakten, Gewohnheiten, Konzeptualisierungen und Werte werden durch Sprache in der Kommunikation konstruiert und sedimentiert. Daraus ist zu folgern, dass die kulturanalytische Linguistik eine gebrauchsbzw. performanzorientierte Perspektive auf das Verhältnis von Sprache und Kultur hat. Sprache ist sowohl eine Domäne als auch ein Medium der Produktion und der Hervorhebung von Kultur, sie existiert nur in ihrer Verwendung und ist stets kulturell gerahmt (vgl. Günthner 2003: 193; Günthner/ Linke 2006: 19). Kulturelle Vorstellungen, soziale Werte und Interaktionskonventionen beeinflussen den Sprachgebrauch und schließlich die Kommunikation und werden zugleich durch diese konstruiert und reproduziert (vgl. Günthner 2003: 193). Die Analyse des Sprachgebrauchs und der Kommunikation ist immer auch Kulturanalyse, die ihrerseits unter Rückbezug auf die Sprachanalyse sinnvoll zu betreiben ist. Dazu schreibt Linke (2008): Sowohl Kultur als auch Gesellschaft sind an Kommunikation gebunden und interdependent mit ihr, ausserhalb von Kommunikation sind sie nicht existent. Gleichzeitig ist aber auch Kommunikation, sind die kommunikativen Praktiken einer Gesellschaft ebenso wie ihre kommunikativen Nor- 40 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="41"?> men und Ideale kulturell geprägt und damit auch historisch veränderbar. Die Analyse kommunikativer Praktiken ist deshalb immer auch Kulturanalyse, ihre Geschichte - nicht zuletzt die Geschichte kommunikativer Ideale - ist Teil von Kulturgeschichte. (Linke 2008: 24) Dies besagt, dass in der Kulturanalytischen Linguistik „ Sprache im Kontext “ stets „ Sprache im kulturellen Kontext “ impliziert (vgl. Günthner/ Linke 2006: 16). In Anlehnung an die grundlegenden Annahmen der Kulturanalytischen Linguistik, konkrete soziale Interaktion empirisch zu analysieren, „ die Kulturalität von Sprache “ und „ die Sprachlichkeit von Kultur “ stets vor Augen zu halten, werden die Anmoderationen der chinesischen und deutschen Vorträge untersucht. Im Folgenden wird auf diejenigen Forschungsansätze der Kulturanalytischen Linguistik eingegangen, die auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden. 3.2.1 Die Ethnographie der Kommunikation Die Ethnographie der Kommunikation ( „ ethnography of communication “ , EK), als deren Gründungsväter Dell Hymes und John J. Gumperz (Gumperz/ Hymes 1964, 1972) gelten, 7 ist ein interdisziplinärer Ansatz zur Erforschung des Zusammenhangs von Kultur und Sprache. Die EK liegt an der Schnittstelle der Soziologie, Linguistik und Kulturanthropologie: Die Ethnographie der Kommunikation ist eine Theorie von Sprache und Kultur, die zur Erklärung des Verhältnisses von Sprache und Kultur kulturanthropologische, wissenssoziologische, sozialpsychologische und linguistische Theoriestücke, Beobachtungen und Modelle in einem interdisziplinären Rahmen zu integrieren sucht. (Coulmas 1979 a: 17) Die EK entsteht aus der Auseinandersetzung mit der deskriptiven Linguistik auf der einen Seite und mit Ethnologie und Kulturanthropologie auf der anderen Seite (vgl. Held 2005: 1394). Sie knüpft „ an die von Boas, Sapir, Whorf, Haas etc. etablierte Tradition der Vernetzung sprachwissenschaftlicher und kulturanthropologischer Fragestellungen “ (Günthner/ Linke 2006: 14; vgl. auch Fitch/ Philipsen 2009: 121) an. Somit sind mehrere 7 Jedoch gehen Dell Hymes und John J. Gumperz unterschiedlichen Fragestellungen nach: „ Während die anthropologisch ausgerichtete Gruppe um Hymes mit der Beschreibung der amerikanischen Indianersprachen fortfuhr, beschäftigten sich die soziologisch orientierten Forscher um Gumperz mit gesellschaftlich-sozialen Sprachphänomenen, allen voran den von der generativen Grammatik ignorierten Normabweichungen, den ‚ freien Varianten ‘ . “ (Mueller-Liu 2009: 104; vgl. auch Auer 1999: 187) Folgende Darstellung der Ethnographie der Kommunikation bezieht sich auf Hymes (1964). Auf Gumperz komme ich bei der Vorstellung der Kontextualisierungstheorie zurück. 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 41 <?page no="42"?> Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Entstehung der EK beteiligt: The ethnography of communication [. . .] has in its development drawn heavily upon (and mutually influenced) sociological concern with interactional analysis and role identity, the study of performance by anthropologically oriented folklorists, and the work of natural-language philosophers. (Saville-Troike 2003: 1) Zwar waren AnthropologInnen und LinguistInnen sich längst des Verhältnisses von Kultur und Sprache bewusst, 8 aber „ the discriptive and analytic products of ethnographers and linguists traditionally failed to deal with this interrelationship “ (Saville-Troike 2003: 1). Gerade ihre interdisziplinäre Ausrichtung und ihre Mittelposition zwischen der Anthropologie und Linguistik ermöglichen es der EK, Forschungslücken in der Anthropologie (in ihren Ethnographien) und in der Linguistik (in ihren Grammatikbeschreibungen) zu füllen (vgl. Günthner/ Linke 2006: 15), i. e. das Sprechen in Bezug auf den soziokulturellen Kontext zu analysieren. Sowohl in der Anthropologie als auch in der Linguistik wurde „ über das Sprechen als eine Aktivität unter anderen Aktivitäten, über die eigenständigen Muster und Funktionen des Sprechens “ (Hymes 1979: 85; vgl. auch Hymes 2004: 51) insgesamt wenig gearbeitet. Hymes (1979: 32) kritisiert die Anthropologie und die Linguistik, dass das Sprechen außer Acht gelassen wurde: Sowohl Grammatiken als auch Ethnographien benutzten Sprechvorgänge als Zeugnisse für andere Muster; weder Grammatiken noch Ethnographien rücken das Sprechen hinsichtlich seiner eigenen Muster in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit. (Hymes 1979: 32) Nach Hymes (1979: 223) „ fehlt den Anthropologen anscheinend eine Konzeption für die Lokalisierung der Sprache und ihre Erforschung im Dienst der Anthropologie “ . Die Anthropologen, so Hymes (1979: 224) weiter, „ sollten diejenigen linguistischen Forschungsaktivitäten aufspüren, ermutigen und unterstützen, die für die Anthropologie einschlägig sind “ . Der Linguistik gegenüber ist Hymes (1979: 224) äußerst skeptisch: „ Wenn wir aus der Linguistik der letzten beiden Jahrzehnte etwas lernen können, dann, daß die Anthropologen es sich nicht leisten können, die Sprache den Linguisten zu überlassen. “ Die Erforschung des Sprechens mitsamt der gesellschaftlichen und kulturellen Einbettung ist nach Hymes (1979: 31) „ vielleicht nur in der Zusammenarbeit zwischen Anthropologie und der Linguistik “ möglich. So begründet er „ programmatisch “ (Günthner 1993: 25; Günthner/ Linke 2006: 15; Fitch/ Philipsen 2009: 121) die Ethnographie 8 Siehe Karstedt (2004), Günthner/ Linke (2006) und Mueller-Liu (2009). 42 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="43"?> des Sprechens. Unter der umfassenden Berücksichtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikationspraxis wird die Ethnographie des Sprechens zur Ethnographie der Kommunikation ( „ ethnography of communication “ ), womit auf sämtliche Interaktionsmodalitäten aufmerksam gemacht wird (vgl. Coulmas 1979 a: 10; Günthner 1993: 25). In der EK rücken kulturvergleichende und soziale Werte sowie Normen reflektierende Aspekte in den Vordergrund. Von der Kulturanthropologie unterscheidet sich die EK dadurch, dass sie einen stärkeren Bezug zum Alltagsleben herstellt und sich folglich nicht für abstrakte Wissensbestände, sondern für deren konkrete Manifestationen in Interaktionen interessiert (vgl. Mueller-Liu 2009: 103). Im Vergleich mit der formalen Linguistik geht die Problemstellung der EK über die Beschreibung der Regeln von Grammatik hinaus. Die EK beschäftigt sich mit Situationen und Gebrauchsweisen, Mustern und Funktionen des Sprechens als einer gesellschaftlichen Aktivität „ aus eigenem Recht “ (Hymes 1979: 33) und erhebt den Sprachgebrauch in authentischen Interaktionen zum Gegenstand. Im Gegensatz zu Chomsky (1965/ 1978), der sich für die grammatische Kompetenz eines idealen Sprechers interessiert und in der Sprachforschung mit wohlgeformten sprachlichen Ausdrücken beschäftigt, stellt die kommunikative Kompetenz der Gesellschaftsmitglieder in der EK einen zentralen Begriff dar (Hymes 1987). Untersuchungsgegenstand sind nicht ausgeklügelte Beispiele, sondern situierte Diskurspraktiken (Fitch/ Philipsen 2009: 121). Im Gegensatz zu de Saussure (1931/ 2001), der das Sprechen als individuell und momentan einstuft, Sprechen und Sprache „ nicht unter einem und demselben Gesichtspunkt “ (de Saussure 1931/ 2001: 23) betrachtet und sich infolgedessen ausschließlich für Sprache (langue), aber nicht für das Sprechen und den Sprachgebrauch (parole) interessiert, legt Hymes sein Augenmerk gerade auf den Sprachgebrauch und bringt diesen in die Forschungsaufmerksamkeit ein. Die EK unterscheidet sich von dem, was LinguistInnen wie de Saussure oder Chomsky machen, durch eine Reihe von Annahmen (vgl. Hymes 1979: 90): i) Das Sprechen bildet ein System. ii) Das Sprechen zeigt kulturspezifische Unterschiede in ihren Mustern und Funktionen. iii) Das Sprechen muss als soziales Zeichensystem in soziokultureller Einbettung untersucht werden. iv) Analysiert werden sollen sprachliche Aktivitäten im tatsächlichen Verwendungszusammenhang, anstatt Sprache von „ ideal speakerhearer in a perfectly homogeneous community “ (Hymes 2004: 48). Die Sprechereignisse ( „ speech events “ ) sind Schlüsseleinheiten der Untersuchungen der EK (Held 2005: 1397). So besteht ein „ fundamental part of 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 43 <?page no="44"?> doing ethnography of communication “ (Saville-Troike 2003: 24) darin, Sprechereignisse in einer Sprechgemeinschaft ( „ speech community “ ) zu identifizieren und zu klassifizieren. 9 Die Forschungsmethode der EK kann als „ doing ethnography “ (Saville-Troike 2003: 3) bezeichnet werden. Diese fasst Hymes (1979: 195) folgendermaßen zusammen: „ Die Ethnographie ist, kurz gesagt, eine disziplinierte Methode des Betrachtens, des Fragens, Aufzeichnens, Reflektierens, Vergleichens und Berichtens. “ Dabei gilt, dass die Bestimmung der Sprechereignisse und die Erforschung der Funktionen und Muster des Sprechens stets unter Berücksichtigung des soziokulturellen Zusammenhangs durchgeführt werden: „ Ich selbst habe nicht die Absicht, Sprache aus dem Haus der Kultur auszuweisen. “ (Hymes 1979: 86) Die EK stellt also die Beziehung zwischen Sprechen und Kultur in den Mittelpunkt ihrer Erforschung (vgl. Held 2005: 1394). Dabei verzichtet die EK jedoch auf die Unterstellung einer monokausalen, unidirektionalen Beziehung zwischen Sprache und Kultur. Sprache ist für Hymes ein „ Bestandteil ‚ historisch geschaffener Lebenspläne ‘ sozio-kultureller Gemeinschaften “ (Coulmas 1979 a: 7) und der Sprachgebrauch ist stets soziokulturell gerahmt. Die Interagierenden verkörpern in ihrer Kommunikation immer schon Kultur, indem sie sich auf sozial geteilte Konventionen, Werte und Wissenshintergründe verlassen. Somit ist die Kultur die Organisationform einer Lebenswelt, die sich als Menge aufeinander abgestimmter, sich ergänzender und teilweise interferierender Stile und Interpretationsweisen alltäglichen Verhaltens darstellt, deren Gesamtheit nach außen den typischen Charakter einer sozio-kulturellen Gemeinschaft ausmacht und für deren Mitglieder die Zugehörigkeit definiert. In Analogie zur kommunikativen Kompetenz ist Kultur in diesem Verständnis als Objekt der Beschreibung eine Menge von Fähigkeiten und Problemlösungsstrategien bzw. ein Wissensbestand, der die Bewältigung alltäglicher Aufgaben auf gruppenkonforme Weise gestattet. (Kotthoff 2002: 7) Diese grundlegende Annahme über das Paradigma von Kultur und Sprache erweitert „ understandings of cultural systems to language, at the same time relating language to social organization, role-relationships, values and beliefs “ (Saville-Troike 2003: 6). Heutzutage ist die EK nicht nur für die Anthropologie, sondern auch für linguistische Disziplinen wie Psycholinguistik, Soziolinguistik, Angewandte Linguistik und Theoretische Linguistik eine bedeutende theoretische und methodologische Grundlage (vgl. Saville-Troike 2003: 6 ff.; Held 9 Kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff „ speech community “ siehe Saville- Troike (2003: 14 ff.). Da sich dieser Begriff in der EK und der Linguistik durchgesetzt hat, wird er in der vorliegenden Arbeit verwendet. 44 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="45"?> 2005: 1402 ff.). Die grundlegenden Annahmen der EK (die reflexive Perspektive auf das Verhältnis von Kultur und Sprache und die empirische Erforschung der Kommunikation im soziokulturellen Zusammenhang) bieten für die vorliegende Arbeit nachfolgende aufschlussreiche Aspekte: i) Zwischen Kultur und Sprechen existiert ein enger Zusammenhang, der stets empirisch zu untersuchen ist: „ Was in diesem Bereich invariant ist und was von Sprache zu Sprache variiert, kann [. . .] nur erforscht, nicht postuliert werden. “ (Coulmas 1979 a: 19) ii) Untersuchungsmaterialien dafür sind aus authentischen Interaktionen zu erheben. iii) Das Sprechen, seine Muster und Funktionen sind in deren soziokultureller Einbettung zu analysieren: Bei welchen Anlässen und in welchen Kommunikationssituationen welche Art von Sprechverhalten geboten, erlaubt oder verboten ist - all dies ist Gegenstand kultureller Variation, kultureller Unterschiede, die im Zusammenhang mit unterschiedlichen Traditionen und Lebensformen und historischen Kontingenzen stehen. (Coulmas 1979 a: 20) In der vorliegenden Arbeit wird eine linguistische und kulturanalytische Betrachtung der Anmoderationen vorgenommen. Dabei geht es allerding nicht darum, bereits bekannte kulturspezifische Phänomene der chinesischen und der deutschen Hochschulsysteme (Sun 2008) in den jeweiligen Anmoderationen bestätigt zu finden, sondern darum, sprachlich-kommunikative Verfahren zu untersuchen, die die kulturellen Phänomene der Anmoderationen und die Spezifik der Wissenschaftskultur konstituieren und zum Ausdruck bringen. Es wird also untersucht, wie der „ Konstitutionsprozess von Kulturhaftigkeit “ (Kotthoff 2002: 13) methodisch vor sich geht: Wie bauen die chinesischen und deutschen Konferenzbeteiligten im Kontext der wissenschaftlichen Konferenz die kulturellen Zugehörigkeiten interaktiv und lokal auf? Kritikpunkte an der EK betreffen vor allem die Bestimmung, was als ein Sprechereignis gilt, und die Verfahren der Datenerhebung wie das Interview, die Informantenbefragung und teilnehmende Beobachtung (vgl. Coulmas 1979 a: 13; Günthner 1993: 27 f.; Held 2005: 1400 ff.). Ferner wird der EK vorgeworfen, dass sie interaktiv-sequenzielle Aspekte der mündlichen Interaktion ignoriert (vgl. Günthner 2000: 12; Luckmann 2012: 25). Nach Held (2005: 1401) ist die Konversationsanalyse „ zweifellos [. . .] das einschlägigste Mittel der EK “ . Darauf wird im Folgenden eingegangen. 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 45 <?page no="46"?> 3.2.2 Die ethnomethodologische Konversationsanalyse Die ethnomethodologische Konversationsanalyse [KA] bezeichnet eine qualitative Methode zur Analyse von Prinzipien und Mechanismen, mit denen Interagierende ihr eigenes Handeln, das Handeln anderer und die aktuelle Interaktionssituation sinnhaft konstruieren, strukturieren und koordinieren (vgl. Bergmann 1995/ 2010: 258). Im Folgenden wird zunächst der theoretische Hintergrund der KA skizziert und im Anschluss daran werden die methodischen Konsequenzen der KA für die vorliegende Arbeit erläutert. Zum Schluss wird auf die kontrastive Konversationsanalyse eingegangen. 3.2.2.1 Der theoretische Hintergrund der KA Die „ historical origins “ der KA sind soziologisch ausgerichtet (vgl. Sidnell 2010: 6). Von Interesse sind vor allem die Arbeiten des späteren Wittgensteins, Arbeiten aus der Phänomenologie und der Kulturanthropologie. Besonders hervorzuheben ist der Einfluss der Ethnomethodologie. Was das Verhältnis der KA und der Ethnomethodologie angeht, kann die KA als „ eine Anwendung und Konkretisierung der Ethnomethodologie “ (Kallmeyer 2005: 1213) bezeichnet werden. Die Ethnomethodologie wurde von dem amerikanischen Soziologen Harold Garfinkel (1967/ 2003) gegründet. In der Ethnomethodologie untersucht man „ Methoden der Gesellschaftsmitglieder, die sie anwenden, um formale Strukturen der Alltagshandlungen zu produzieren und zu erkennen “ (Garfinkel/ Sacks 1976: 141). Das Präfix „ ethno “ besagt, dass es nicht um Methoden einer spezifischen wissenschaftlichen Disziplin, sondern um das Alltagswissen der Gesellschaftsmitglieder geht (vgl. Firth 2009: 67). Die Gesellschaftsmitglieder verfügen über Methoden, mit denen sie sozial agieren und zugleich die soziale Wirklichkeit, in deren Rahmen soziale Ereignisse stattfinden, sinnhaft konstituieren. Der zweite Wortbestandteil „ Methodologie “ verweist auf diese Methoden, die Themen der Ethnomethodologie sind (vgl. Bergmann 1981: 11). Es geht der Ethnomethodologie also um die Bestimmung des „ Wie-es-gemacht-wird “ und „ Wie-eszu-machen-ist “ (Weingarten/ Sack 1976: 13). Zentral ist für die Ethnomethodologie der Begriff der Vollzugswirklichkeit. Diese besagt, dass die soziale Wirklichkeit von Interagierenden vor Ort im Vollzug derer Handlungen (lokal) aus und in den Handlungssituationen (endogen) durch Hören und Sprechen, Wahrnehmen und Agieren (audiovisuell) erzeugt wird (vgl. Bergmann 1981: 12). Diese Handlungen zeichnen sich nach Garfinkel durch die Indexikalität und die Reflexivität aus. Mit der Indexikalität bezeichnet Garfinkel die Kontextgebundenheit von Handlungen. Für Garfinkel lässt sich die Indexikalität 46 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="47"?> nicht auf deiktische Ausdrücke (hier, jetzt, heute) beschränken, alle Handlungen (verbal wie nonverbal) haben indexikalischen Charakter und müssen im konkreten Verwendungskontext interpretiert werden (vgl. Bergmann 1988: 36; Firth 2009: 71). Aus der Indexikalität der Handlungen ergibt sich die Forschungsstrategie, dass „ Untersuchungen [. . .] sinnvollerweise nur aus der Interaktionssituation heraus geschehen “ (Weingarten/ Sack 1976: 14) können. Die Reflexivität der Handlungen bedeutet, dass Handlungen, mit denen die Interagierenden soziale Wirklichkeit und Bedeutungskontexte aufbauen, gleichzeitig Hinweise liefern, wie diese zu interpretieren sind. Die Ethnomethdologie hat mit ihrer strikt empirischen Vorgehensweise, ihrem Interesse für Handlungen im konkreten Verwendungszusammenhang und mit ihrer grundlegenden Auffassung, dass die soziale Wirklichkeit von den Handelnden lokal hergestellt wird und das Handeln interpretierbar macht, die Konversationsanalyse sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht geprägt. In Anlehnung an den ethnomethodologischen Vollzugsmodus der sozialen Wirklichkeit stellt sich Sacks jede soziale Aktivität als ein „ doing being ordinary “ vor (Sacks 1984). Die Skizzierung der Ethnomethodologie verdeutlicht, dass die KA soziologisch motiviert und aus der Ethnomethodologie entwickelt ist (Heritage 1995). Das primäre Forschungsinteresse der KA lag nicht in der Erforschung von sprachlichen Aktivitäten, sondern in der Untersuchung der sozialen Ordnung. Heutzutage überschreitet die KA die Grenze der Soziologie und wird von LinguistInnen aufgegriffen. Im deutschsprachigen Raum wird die KA in erster Linie durch Kallmeyer/ Schütze (1976), Kallmeyer (2005), Bergmann (1981, 1988, 1995/ 2010) und Streeck (1983) eingeführt und von LinguistInnen wie Günthner (1993, 2000), Selting/ Couper-Kuhlen (2001) und Deppermann (2000, 2001, 2008 a) aufgearbeitet. Mittlerweile ist die KA „ aufgrund ihrer empirischen und gegenstandsfundierten Methodologie vielen anderen Ansätzen der Erforschung von Gesprächen überlegen “ (Deppermann 2000: 96). Das von der KA programmatisch ins Leben gerufene sequenzielle Analyseverfahren ist einer der wichtigsten Aspekte der Analysen vom mündlichen Sprachgebrauch. Die KA ist momentan „ fest im Kanon der linguistischen und soziologischen Methoden zur Erforschung verbaler Interaktion verankert “ (Deppermann 2000: 97). Eine Reihe von fundamentalen Erkenntnissen der KA hat Eingang in linguistische Studien der mündlichen Interaktionen gefunden. Zu den klassischen Themenbereichen der KA, die für die vorliegende Arbeit von Interesse sind, gehören vor allem die Gesprächseröffnung und -beendigung, die personale Referenz, die Mechanismen des Sprecherwechsels und die „ Membership Categorization Devices “ . 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 47 <?page no="48"?> 3.2.2.2 Methodologische Konsequenzen für die vorliegende Arbeit Die KA ist trotz ihrer Überlegenheit in der Erforschung der mündlichen Interaktionen methodologisch jedoch „ auf halbem Wege stehen geblieben “ (Deppermann 2001: 59). Ein Kritikpunkt an der KA ist, dass sie sich allein auf das „ commonsense knowledge “ der AnalytikerInnen verlässt (vgl. Bergmann 1988/ II: 38; Hutchby/ Wooffitt 2010: 106) und deren wissenschaftliches Tun und interpretationskonstitutive Leistungen nicht systematisch diskutiert und reflektiert (vgl. Günthner 1993: 33 ff., 2000: 27 ff.; Deppermann 2001: 56). Mit eigenem „ commonsense knowledge “ untersucht ein Konversationsanalytiker diejenigen Verfahren, die Interagierende realisieren. In diesem Sinne macht ein Analytiker „ nichts prinzipiell anderes als das, was Menschen im Alltag auch tun: Er deutet Wahrnehmungen als Verweise auf einen ihnen zugrunde liegenden Sinn hin “ (Soeffner 2009: 167). Jedoch unterscheiden sich die AnalytikerInnen dadurch von Interagierenden im Alltag, dass sie versuchen, sich Klarheit über die Voraussetzungen und Methoden ihres wissenschaftlichen Tuns zu verschaffen. Das wissenschaftliche Verstehen unterscheidet sich dadurch vom alltäglichen Verstehen, dass die Interpretationsleistungen der AnalytikerInnen „ auf dem Rückgriff auf extensiv aktiviertes Wissen und auch auf einem Vorrat in professionellem Sonderwissen beruhen “ (Soeffner 2009: 167). Die Analyse mündlicher Interaktion ist „ ein hermeneutischer Prozeß sukzessiver Anreicherung, Präzisierung, Differenzierung und Modifikation von interpretativen Konstruktionen “ (Deppermann 2001: 52, kursiv im Original), für den die interpretativen Leistungen der AnalytikerInnen unverzichtbar sind (vgl. Deppermann 2001: 56). Dies trifft ebenfalls auf sprach- und kulturvergleichende Untersuchungen zu: „ Kulturell signifikante Sprachgebrauchsmuster geben sich nicht selbst als solche zu erkennen - wo wir kulturelle Signifikanzen zuschreiben, arbeiten wir mit Interpretationen. “ (Linke 2011: 39) Für die interpretationskonstitutiven Leistungen spielt das Hintergrundwissen der AnalytikerInnen eine bedeutende Rolle, da sie damit Phänomene bemerken und Interpretationshypothesen entwerfen (vgl. Deppermann 2000: 101). Zum Hintergrundwissen gehören nach Deppermann (2000: 103) drei Typen gesprächsexternen und nicht durch die Untersuchungsmaterialien selbst bereit gestellten Wissens: i) das Alltagswissen ii) das ethnographische Wissen iii) das theoretische Wissen. 10 10 Diese drei Typen von Wissen werden bei Deppermann (2000: 103) folgendermaßen definiert: „ Alltagswissen, beispielsweise über grammatische Regeln, Praktiken des Sprechens, oder Sachverhalte der gegenständlichen Welt; 48 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="49"?> Diese drei Typen Hintergrundwissen stellen analysekonstitutive Ressourcen dar, auf die die AnalytikerInnen immer wieder zurückgreifen (vgl. Deppermann 2001: 59), sie fließen mit dem kulturellen Hintergrund der AnalytikerInnen stets in die Beobachtung und Hypothesenbildung ein (vgl. Günthner 1993: 33). Für kontrastive Untersuchungen benötigen die AnalytikerInnen ein Hintergrundwissen, das sowohl die eigene als auch die fremde Kultur und Sprache umfasst (vgl. Moerman 1974, 1988; Sternemann et al. 1983: 90; Hutchby/ Wooffitt 2010: 106). Dieses Doppelwissen ermöglicht die „ Wechselseitigkeit des Selbst- und Fremdverstehens “ (Wierlacher 2000: VII) und sensibilisiert die AnalytikerInnen für die zu vergleichenden Phänomene. Greifen die AnalytikerInnen bei der Untersuchung zur eigenen Kultur und Sprache auf „ das eigene kulturelle Wissen, die eigene Intuition und die Kompetenz als Gesellschaftsmitglied “ (Günthner 1993: 53) zurück, können sie dies für die fremdkulturelle Analyse nur beschränkt verwenden. Hierfür müssen sich die AnalytikerInnen das Wissen um das Fremde aneignen und dieses im Zusammenhang mit den Erfahrungen in der „ interaktiven Begegnung mit dem ‚ Fremden ‘“ (Günthner 1993: 21) in die kontrastive Analyse mit einbeziehen. Ein methodisches Verfahren, mit dem nicht muttersprachliche AnalytikerInnen das Hintergrundwissen um die fremde Kultur aufarbeiten, liegt darin, auf die vorhandene Fachliteratur zurückzugreifen. Außerdem können sie MuttersprachlerInnen Sprachdaten vorspielen und deren Interpretationen in die Analyse einfließen lassen (vgl. Günthner 1993: 54). Dies geschieht ebenfalls in der vorliegenden Arbeit. Ethno-Methoden, die im Forschungsinteresse der KA stehen, wird unterstellt, implizite, unveränderliche (kognitive/ kulturelle) Strategien und aktive Prozesse zu sein [. . .] Die Verschmelzung von kongnitiven und kulturellen Elementen war für die Etablierung des Begriffs ‚ Mitglied ‘ wichtig, bildete aber für die Vertreter der Ethnomethodologie (oder der Konversationsanalyse) keinen besonderen Schwerpunkt. (Cicourel 2012: 117) Daraus kann man erschließen, dass soziokulturelle Werte und Kommunikationskonventionen für die KA irrelevant sind: alle konventionellen Merkmale von Sprechern und Zuhörern, als da wären religiöse, geschlechtliche oder ethnische Attribute, die ihnen zugeschrieben ethnographisches Wissen über die sozialen, räumlichen, historischen und andere Gegebenheiten im Untersuchungsfeld, dem die Aufnahmen entstammen, über seine sprachlichen Formen und über seine Handlungsbeziehungsweise Interpretationsgepflogenheiten; theoretisches Wissen, vor allem über konversationsanalytische Konstrukte und Untersuchungsergebnisse. “ 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 49 <?page no="50"?> werden könnten, auch sozioökonomische Charakteristika werden außen vor gelassen. Letztere können nur dann ein relevanter Bestandteil einer Konversationsanalyse werden, wenn die Gesprächspartner in ihrer Unterhaltung selbst auf diesen Umstand verweisen, ungeachtet der Urteile, die Sprecher und Hörer aufgrund von individuellem Wissen oder visuellen Eindrücken wie Gesichtsausdruck, Körperbewegung oder paralinguistischer Artikulierung über einander treffen mögen. (Cicourel 2012: 126) Das bedeutet, dass sich die konversationsanalytischen Studien ausschließlich für das in sozialen Aktivitäten unmittelbar Beobachtbare interessieren. Dies ruft einen weiteren Kritikpunkt an der KA hervor: Es bleibt unklar, wann eine Kategorie als relevant gilt (vgl. Günthner 2000: 28). Verwenden die AnalytikerInnen ausschließlich diejenigen Kategorien, die nachweisbar von Interagierenden explizit relevant gemacht werden, bedeutet dies nicht nur „ eine enorme Einschränkung der zu untersuchenden Phänomene, sondern markiert insofern auch eine gewisse Naivität, als davon ausgegangen wird, daß relevante Phänomene stets von den Interagierenden explizit gemacht würden “ (Günthner 2000: 28). So geht die KA selten auf Fragestellungen ein, „ die den Zusammenhang von interaktiven Verfahren bzw. Methoden und kulturellen Wissensvorräten bzw. kulturspezifischen Diskursmustern thematisieren “ (Günthner 1993: 33; Bergmann 1988/ II: 42). Während die KA angesichts der genannten Kritikpunkte sowohl linguistisch als auch ethnographisch anzureichern ist (vgl. Günthner 1993: 37; Deppermann 2000, 2001, 2008 a; Held 2005: 1402), bietet das Konzept der kommunikativen Gattungen bereits einen Ansatz, der den methodologischen Anspruch, der mit der Kritik implizit erhoben wird, erfüllt. Bevor ich dieses Konzept erläutere, gehe ich im Folgenden zunächst auf die konversationsanalytischen Untersuchungen zu „ talk-in-interaction from a comparative, cross-linguistic perspective “ (Sidnell 2009: 7) ein, die für die vorliegende Arbeit Relevanz haben. 3.2.2.3 Sprach- und kulturvergleichende Studien in der KA Wissenschaftsgeschichtlich betrachtet wurde die sprachvergleichende Perspektive der KA von deren GründerInnen bereits Anfang der 1970er Jahre, schon in der Anfangsphase der KA, angesprochen. Dies geschieht im Zusammenhang mit der Diskussion über die Mechanismen des Turn- Wechsels: 11 Nachdem die AutorInnen die Regeln des turn-takings als ein universales Prinzip der menschlichen Interaktionen formuliert haben ( „ in any conversation, we observe [. . .] “ , Sacks et al. 1974: 700), relativieren sie ihre These dadurch, dass sie dieser eine Anmerkung in der Fußnote hinzufügen: 11 Siehe mehr dazu Kap 8. 50 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="51"?> The heading ‚ in any conversation ‘ has raised, for several readers for this paper in manuscript, the question of cross-cultural validity. Such a question can, of course, be settled only empirically, by examining varieties of conversational materials [. . .] Finally, the cross-cultural question, as we understand it, asks how the structures on which we report vary across languages (lexically or syntactically conceived), or language communities, or across social organizations etc. - structures which are thereby cast as more basic ones. That ordering is not all clear to us. (Sacks et al. 1974: 700) Obwohl Sacks und seine KollegInnen bereits bei der Gründung der KA auf die bedeutende Rolle sprach- und kulturkontrastiver Studien hinwiesen, standen diese bis in die 1990er Jahre allerdings nur am Rande der KA, da es den konversationsanalytischen Arbeiten primär um einzelsprachliche Untersuchungen ging. Die Erforschung von kulturellen Besonderheiten der Interaktion wurde der Anthropologie überlassen, da nach der KA die Kulturspezifik der Kommunikation traditionell zum Interessensgebiet der Anthropologie gehört: Since cross-cultural variability and invariance are of abiding interest to anthropologists, information on this question will have to be sought from them. Whether this sort of analysis is possible or practical on materials from societies of which the analyst is not a member is also not clear, and again it may remain for anthropologists to supply the answer. (Schegloff 1968: 1075) Wie in zahlreichen anthropologischen, ethnographischen und linguistischen Untersuchungen immer wieder aufgezeigt wird, 12 verweist die menschliche Interaktion darauf, dass es so etwas wie eine „ core ‚ Interaction Engine ‘“ (Levinson 2006) gibt, die sprach- und kulturübergreifender Natur ist. Diese bezieht sich auf das grundlegende System der „ human sociality and social interaction “ . Dieses System involves frequent, intense, and highly structured interaction, using complex communication systems, on which the rest of culture depends for its realization. Robust parallels across cultures in the organization of everyday talk suggest an ethological foundation to human interaction. (Enfield/ Levinson 2006: 3) In Anlehnung an diese grundlegende Annahme über die zwischenmenschliche Interaktion geht die kontrastive Konversationsanalyse davon aus, dass trotz der Verschiedenheit der Sprachen und der Kulturen Menschen im sozialen Handeln gleiche kommunikative Probleme zu bewältigen haben: Everywhere turns-at-talk are constructed and opportunities to speak distributed, courses of action are launched and co-ordinatively managed, 12 Ausführlich dazu siehe Enfield/ Levinson (2006). 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 51 <?page no="52"?> troubles of speaking, hearing and understanding are located and their repair attempted. These commonalities suggest that, for all the diversity we see, people everywhere encounter the same sorts of organizational problems and make use of the same basic abilities in their solutions of them - a capacity for reading other ’ s intentions, anticipating and projecting actions, calculating inferences and processing information available to them. (Sidnell 2009: 3) Die kontrastiven Untersuchungen in der Konversationsanalyse interessieren sich, wie Sidnell (2007, 2009: 11, 15, 20) an mehreren Stellen merkt, für die „ generic interactional problems which had to be, in some way, solved in any community “ . Den Untersuchungsgegenstand der kontrastiven Konversationsanalyse formuliert Schegloff (2009: 363) folgendermaßen: It has to do with one central feature of CA work, and that is its commitment to get at the workings of talk-and-other-conduct-in-interaction for the participants - its commitment to ground its claims about what is going on in some strip of interaction, its claim about the practices at work in that strip of interaction, its claim about the organizations of practice that provide at the most fundamental and constitutive level for the integrity and working of interaction (like turn-taking, sequence organization, the organization of repair, etc.) to ground these claims in the demonstrable orientation and understanding of the parties to the interaction as displayed in their consequent conduct. (Schegloff 2009: 363, kursiv im Original) Die allgemeinen interaktiven Probleme bzw. Organisationspraktiken, die unabhängig von Sprachen und Kulturen in menschlichen Interaktionen existieren, werden bei Schegloff (2006: 71) „ candidate universals in human interaction and cultural variability “ (Schegloff 2006: 83) genannt. 13 Zu diesen gehören das „ turn-talking “ -Problem, das „ sequence-organizational “ -Problem, das „ trouble “ -Problem, das „ word selection “ -Problem und das „ overall structural-organization “ -Problem. Wie in Kap. 3.1.2 dargestellt, benötigen kontrastive Studien Tertia Comparationis, auf deren Grundlagen die betreffenden Sprachen gegenübergestellt und verglichen werden. Die allgemeinen interaktiven Praktiken fungieren in der kontrastiven KA als Tertia Comparationis, die die zu vergleichenden Sprachen und Kulturen ins Verhältnis setzen und einen Vergleich zwischen diesen ermöglichen. Da Schegloff (2006) Wesentliches zur Vergleichsbasis der kontrastiven KA äußert, soll dies hier zitiert werden: 13 Zugleich weist Schegloff darauf hin, dass die Auflistung dieser interaktiven Praktiken auf der vorhandenen Literatur der KA beruht und weitere interaktive Probleme unklar bleiben und zu erforschen sind. 52 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="53"?> For the dimensions on which variability is observed and rendered consequential are framed by the dimensions of generality that render the comparison relevant to begin with. If I ask you how a pear is different from honesty, you will think I have a joke or a clever riddle up my sleeve; they lack the common class membership that renders comparison relevant. The generic organization of talk in interaction offer some proposed dimensions of relevance for talk in interaction per se; langugages, cultures and societies can be examined by reference to these organizations; whether what is found will be best understood as variability and differences, or as variations on a some underlying solution to generic problem, remains to be found out. (Schegloff 2006: 85) Daraus erschließt sich, dass eine wesentliche Aufgabe der kontrastiven KA darin gesehen wird, zu untersuchen, wie ein bestimmtes interaktives Problem in verschiedenen Sprach- und Kulturräumen gelöst wird (vgl. Sidnell 2009: 8). Da die KA die allgemeinen Prinzipien und Mechanismen der menschlichen Interaktionen untersucht, ist es unentbehrlich, dass sie Interaktionen nicht nur in der amerikanischen Mittelschicht, sondern auch in anderen Sprachen und Kulturen analysiert (vgl. Moerman 1977: 876; Schegloff 2006: 83). 3.2.3 Das Konzept der kommunikativen Gattungen Kommunikation ist nicht nur sozial, sondern auch über Gattungen strukturiert (vgl. Luckmann 2012: 28). In manchen Kommunikationen haben sich Gattungen bzw. Muster herausgebildet, die kommunikative Vorgänge vorzeichnen und an denen sich die Interagierenden orientieren (vgl. Günthner 1995: 193). Das Konzept der kommunikativen Gattungen befasst sich mit solchen vorzeichnenden Gattungen sowie Mustern und hat ein Verfahren zur Analyse dieser Muster entwickelt. Dieses Konzept hat zahlreiche Untersuchungen zur mündlichen (Bergmann 1987; Günthner 2000; Imo 2010) und schriftlichen (Zhang 2009, Tienken 2008) Alltagsinteraktion, zur Wissenschaftskommunikation (Auer/ Baßler 2007; Kotthoff 2001) und zur interkulturellen Kommunikation (Günthner 2005, 2007; Günthner/ Luckmann 2002; Birkner 2001; Kern 2000) hervorgebracht. Darüber hinaus ist das Konzept der kommunikativen Gattungen für kontrastive Studien sowohl in theoretischer als auch in methodologischer Hinsicht ein erfolgversprechendes Instrumentarium. 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 53 <?page no="54"?> 3.2.3.1 Die Gattungsforschung in der Linguistik 3.2.3.1.1 Theoretische Grundlage des Konzepts der kommunikativen Gattungen und deren Merkmale Das Konzept der kommunikativen Gattungen knüpft an Forschungen über verfestigte kommunikative Formen an, die innerhalb der Ethnographie der Kommunikation und in Anlehnung an die Arbeiten Bachtins (1979/ 1986) und Volo š inovs (1929/ 1975) entstehen (vgl. Günthner/ Knoblauch 1994; Knoblauch 1995: 164; Günthner 2000: 11). Bezeichnend für dieses Konzept ist sein Interesse an Musterbildung in der realen mündlichen und schriftlichen Interaktion. Dabei fragt dieses Konzept „ unter performanzanalytischen Gesichtspunkten immer auch nach den situativen und kommunikativen Handlungsbedingungen und Modifikationen, unter denen Gattungen (wie Witze, Sprichwörter, Parabeln, rituelle Beschimpfungen etc.) realisiert werden “ (Günthner 1995: 195). Das Konzept der kommunikativen Gattungen ist durch seine soziologische Ausprägung gekennzeichnet. Luckmann begründet „ das Existieren von Gattungen aus soziologischer Perspektive, indem er ihre gesellschaftliche Funktion in der Tradierung und Vermittlung bestimmter gesellschaftlich relevanter Wissensbestände lokalisiert. “ (Auer 1999: 177) Hierbei legt Luckmann dem Konzept der kommunikativen Gattungen einen theoretischen Ansatz der Wissenssoziologie zugrunde, die Theorie der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit (Berger/ Luckmann 1966/ 2009). Berger und Luckmann stellen die folgende Frage: „ Wie ist es möglich, dass subjektiv gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird? “ (Berger/ Luckmann 1966/ 2009: 20) Die Umwandlung des subjektiven Wissens zur gesellschaftlichen Wirklichkeit wird Objektivation genannt. Die Objektivation findet ihren Ausdruck in der Sprache, „ dem wichtigste[n] Zeichensystem der menschlichen Gesellschaft “ (Berger/ Luckmann 1966/ 2009: 39). Die Objektivation geschieht wesentlich im Prozess der Kommunikation. Kommunikative Vorgänge zeichnen sich in vielen Fällen dadurch aus, dass sie Routinen folgen, so dass Interagierende die Kommunikation nicht ein jedes Mal neu konstruieren müssen. Routinierte, verfestigte kommunikative Formen, die immer wiederkehren und Muster zur Lösung bestimmter gesellschaftlicher Aufgaben ausbilden, an denen sich die Interagierenden bei der Ausführung ihrer Handlungen orientieren, nennt Luckmann kommunikative Gattungen (vgl. Luckmann 1984: 59). Die sich in einem Sedimentierungsprozess herausbildenden Gattungen gehen in den Wissensvorrat einer Gesellschaft ein und bilden deren „ kommunikativen Haushalt “ (Luckmann 1986: 206). Die verschiedenen Gesellschaften teilen nicht dieselben Bestände an kommunikativen Gattungen, und das Repertoire der Gattungen variiert von Kultur zu Kultur. 54 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="55"?> Die Musterbildung der Gattungen ist, um mit Linke (2011) zu sprechen, kulturell signifikant, und die Wissensasymmetrien hinsichtlich der Gattungen können in interkultureller Kommunikation zu Missverständnissen und Konflikten führen (Günthner 2007; Kern 2000; Birkner 2001). Gattungen haben eine entlastende Funktion für die Kommunikation. Sie können Interaktionen dadurch erleichtern, dass sie „ die Synchronisation der Handelnden und die Koordination ihrer Handlungsteile mittels mehr oder weniger vorbestimmter Muster in halbwegs verlässliche, bekannte und gewohnte Bahnen lenken “ (Günthner/ Knoblauch 1994: 700). In verschiedenen sozialen Kontexten sind Interagierende mit verschiedensten kommunikativen Aufgaben konfrontiert. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben können sich die Interagierenden „ aus dem gesellschaftlichen Wissensvorrat bestimmter abgeleiteter, vorgefertigter Muster und Gattungen “ (Günthner/ Knoblauch 1994: 699) bedienen. Somit muss der Sprecher „ seine ‚ Energie ‘ nicht mehr in die sprachliche Formulierungsarbeit stecken “ (Auer 1999: 178). Der Rezipient ist ebenfalls von der Dekodierung der sprachlichen Formen entlastet, „ da die Gattung Handlungen und ihre Gestaltung teilweise erwartbar macht “ (Auer 1999: 178). D. h. die Gattungen bilden „ Orientierungsrahmen, auf die sich Interagierende sowohl bei der Produktion kommunikativer Handlungen als auch bei der Rezeption beziehen “ (Günthner/ Knoblauch 1994: 700). Dies ermöglicht es den Interagierenden, sich in Interaktion Umgang mit betreffenden gesellschaftlichen Aufgaben zuzuwenden. Die entlastende Funktion der Gattungen hängt mit deren Verfestigungsmerkmal zusammen, das die Synchronisation der Handelnden, den Sequenzablauf der Handlungen und die Koordination der Handlungsschritte erwartbar macht. Da sich Interagierende bei der Ausführung ihrer Handlungen jedoch nicht statisch an den Kanon der Gattungen halten, muss man in der Gattungsanalyse von einem dynamischen Gattungskonzept ausgehen. Dabei werden Gattungen nicht als homogene, statische Gebilde mit festgelegten formalen Textstrukturen betrachtet, sondern als Orientierungsmuster für die Kommunikationspraxis. Kommunikative Gattungen repräsentieren konventionalisierte, jedoch flexible und dynamische Erwartungsmuster, die Kommunikation nicht determinieren, sondern lediglich vorzeichnen. Die Realisierung der Gattungsmuster geschieht im konkreten, situativen Diskurszusammenhang und ist von den interaktiven Zielen, soziokulturellen Konventionen, situativ-kontextuellen und medialen Begebenheiten abhängig, so dass Interagierende sich nicht nur an Mustern orientieren, sondern auch von ihnen abweichen (vgl. Günthner/ Knoblauch 2007: 13). Ein weiteres Merkmal der Gattungen ist ihre Komplexität. Das Komplexitätskriterium ist allerdings „ absichtlich vage formuliert; es ist also mit Zwischenformen zu rechnen “ (Auer 1999: 179). So unterscheidet man in der 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 55 <?page no="56"?> Gattungsanalyse zwischen kleinformatigen Mustern, kommunikativen Mustern, gattungsähnlichen Mustern, Minimalgattungen und prototypischen bzw. komplexen Gattungen (Günthner 1995). An dieser Stelle muss betont werden, dass die Verfestigung und die Komplexität der Gattungen nicht Grundkonstanten jedweder Kommunikation sind (vgl. Günthner 2000: 15). Das Konzept der Gattungen ist nicht so weit ausgelegt, dass alle Kommunikationen zwangsläufig in Gattungen stattfinden (vgl. Auer 1999: 180). Gerade der dynamische Charakter der Verfestigung, der flexible Charakter der Komplexität und die soziale Fundierung zeichnet das Konzept der kommunikativen Gattungen aus. 3.2.3.1.2 Die Vorgehensweise der Gattungsanalyse Das Konzept der kommunikativen Gattungen bezieht die kontextuelle Organisation der Interaktion, die interaktive Aushandlung der kommunikativen Bedeutungen und den soziolkulturellen Kontext in die Analyse mit ein. Demnach geschieht die Musterbildung auf drei Strukturebenen: i) auf der binnenstrukturellen Ebene ii) auf der situativen Realisierungsebene iii) auf der außenstrukturellen Ebene Diese Ebenen werden in Anlehnung an Günthner (1995) und Günthner/ Knoblauch (1994) näher beleuchtet. i) Die binnenstrukturelle Ebene: Auf der binnenstrukturellen Ebene ist die materiale Grundlage der Gattungen angesiedelt. Damit sind die im Wissensvorrat einer Gesellschaft verfügbaren Zeichensysteme und zeichenhaften Ausdrucksformen gemeint (vgl. Luckmann 1986: 203). Zu diesen gehören lexiko-semantische und morpho-syntaktische Elemente, phonologische Varianten sowie prosodische Mittel wie Intonation, Lautstärke, Pause, Sprechgeschwindigkeit. Stilistische und rhetorische Verfahren, stereotypische Formulierungen, idiomatische Redewendungen, Sprichwörter, inhaltliche Verfestigungen sind ebenfalls konstitutive Merkmale der binnenstrukturellen Ebene. Ferner zählen Interaktionsmodalitäten (ernsthaft, spielerisch-spaßhaft) und sprachliche Formen der personalen Referenz dazu. ii) Die interaktive Realisierungsebene: Während die binnenstrukturelle Ebene die zeichenhaften Elemente kommunikativer Handlungen umfasst, sind auf der interaktiven Realisierungs- 56 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="57"?> ebene interaktiv-sequenzielle Phänomene kommunikativer Vorgänge zu beobachten. Dazu gehören z. B. die sequenzielle Organisation von Gesprächen und das System des Redewechsels. Neben den konversationellen Merkmalen finden sich auf der Interaktionsebene auch „ interpersonelle Rituale “ (Goffman 1971/ 1982), das Äußerungsformat, die Teilnehmerkonstellation und die Rezipientenreaktionen. Diese Aufzählung macht deutlich, dass im Konzept der kommunikativen Gattungen Interaktionen als vor Ort, zeitlich und interaktiv hervorgebrachte Leistungsprodukte verstanden werden. iii) Die außenstrukturelle Ebene: Die außenstrukturelle Ebene betrifft das Verhältnis von Gattungen zu sozialen Milieus, Geschlechterkonstellationen sowie ethnischen und kulturellen Gruppierungen der Interagierenden (vgl. Günthner 1995: 204 ff.): Wer mit welcher sozialen Position eine Gattung auf welche Weise aktualisiert, hängt vom Kapital (Bourdieu 2005) ab, über das der Handelnde verfügt: Die Verteilung der kommunikativen Ressource und damit die Verteilung gattungsspezifischer Kompetenz ist von gesellschaftlichen Machtverhältnissen bestimmt. Die soziale Position, die kulturelle Zugehörigkeit, das Milieu etc. haben einen erheblichen Einfluß auf das Repertoire kommunikativer Gattungen einzelner Mitglieder und dieses wiederum regelt den Zugang zu gesellschaftlichen Positionen, Milieus etc. (Günthner 1995: 206) Das Zusammenspiel der Strukturmerkmale von diesen drei Ebenen konstituiert das Gerüst einer kommunikativen Gattung und legt deren Verbindlichkeitscharakter fest. Obwohl für jede Gattung spezifische Merkmale als typisch gelten, müssen keineswegs alle Merkmale gleichermaßen relevant sein. Jedoch gibt es kaum mündliche Muster, an deren Realisierungen nicht Bestimmungsmerkmale dieser Ebenen beteiligt sind. Das Konzept der kommunikativen Gattungen spricht sich für eine strikt empirische Analyse aus. Die Vorgehensweise der Gattungsanalyse lässt sich in folgende Schritte aufteilen (Günthner/ Knoblauch 1994, 2007; Knoblauch/ Luckmann 2009: 540 f.): i) An erster Stelle steht die Aufzeichnung natürlich situierter Interaktionen. Dies geschieht in Audio- oder Videoaufnahmen. Mit der Erfassung der Audio- und Videodaten geht ein Erwerb ethnographischer Daten über den Interaktionskontext einher. ii) Um Audio- und Videodaten linguistisch auswerten zu können, müssen sie in einem zweiten Schritt schriftlich fixiert werden. Dies geschieht in Form von Transkriptionen, die festzulegenden 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 57 <?page no="58"?> Konventionen folgen. Die Detailtiefe entscheidet sich mit dem Forschungsinteresse. iii) Anschließend werden die transkribierten Daten hermeneutisch erfasst und sequenzanalytisch gedeutet. Dabei wird u. a. eine konversationsanalytisch orientierte Analyse vorgenommen. In diesem Analyseschritt wird in mündlicher Interaktion verankerten Aspekten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. iv) Das auf solche Weise rekonstruierte Muster eines für ein bestimmtes gesellschaftliches Problem relevanten kommunikativen Vorgangs wird an vergleichbaren Fällen kontrastiv überprüft, gestützt oder revidiert, bis die weitere Analyse vergleichbarer Fälle keinen Erkenntnisgewinn mehr bringt. v) Schließlich wird auf Varianten des Musters eingegangen. Dieses Analyseverfahren orientiert sich an der analytischen Mentalität ( „ analytic mentality “ ) (Schenkein 1978) der Konversationsanalyse. So weist Luckmann (2012: 23) darauf hin, dass das sequenzanalytische Verfahren in der Gattungsanalyse von der Konversationsanalyse übernommen wird. Da sich die Gattungsanalyse grundsätzlich für Verfestigungen kommunikativer Formen interessiert, behandelt sie neben prototypischen Gattungen ebenfalls schwächer verfestigte und kanonisch nicht festgelegte kommunikative Formen (vgl. Knoblauch/ Luckmann 2009: 539). Die Frage, inwiefern es sich bei einem kommunikativen Vorgang um eine prototypishe oder eine wenig verfestigte Gattung handelt, ist für das Gattungskonzept sekundär. Stattdessen interessiert es sich vorrangig für die Frage „ nach der Verwendung von Orientierungsmustern und damit nach einer Typik oder Form, die zur Durchführung bestimmter Handlungen immer wieder eingesetzt werden “ (Günthner/ Knoblauch 2007: 11). Wie bereits im Kap. 3.2 erläutert, können Tertia Comparationis auf mehreren sprachlichen Ebenen angesiedelt sein. Demnach ist eine Mehrebenenbetrachtung für kontrastive Studien sinnvoll und erforderlich (vgl. Fisiak 1990: 8). Das Konzept der kommunikativen Gattungen stellt mit seiner Mehrebenenanalyse ein methodologisches Fundament der vorliegenden Arbeit dar. Die Analyseelemente der drei Strukturebenen fungieren als „ Suchkategorien “ (Günthner/ Knoblauch 2007: 10), auf deren Grundlagen die für die Anmoderationen chinesischer und deutscher Vorträge relevanten sprachlich-kommunikativen Verfahren und soziokulturellen Konventionen herausgearbeitet und verglichen werden. Die auf diese Weise kategorisierten Tertia Comparationis ermöglichen eine systematische kontrastive Untersuchung chinesischer und deutscher Anmoderationen. Das Konzept der kommunikativen Gattungen vertritt einen reflexiven Kontextbegriff: In verschiedensten institutionellen Situationen werden 58 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="59"?> nicht nur besondere Gattungen bzw. Muster bevorzugt realisiert, sondern die Situationen werden durch die Verwendung solcher Gattungen und Muster definiert (vgl. Knoblauch/ Luckmann 2009: 544). Damit ist die Theorie der Kontextualisierung angesprochen, die im Folgenden erläutert wird. 3.2.4 Die Theorie der Kontextualisierung Die Theorie der Kontextualisierung entsteht in der interaktiven Soziolinguistik (Gumperz 1982, 2005). In der interaktiven Soziolinguistik wird Kontext aus einer interaktiven und reflexiven Perspektive betrachtet und analysiert. Hierfür spielen die Konzepte „ frame “ von Goffman (1974/ 2004), „ Vollzugswirklichkeit “ und „ Reflexivität “ aus der Ethnomethodologie als Bezugspunkte eine gewichtige Rolle. Die empirische Vorgehensweise der Konversationsanalyse und die grundlegende Annahme der Ethnographie der Kommunikation zum Verhältnis von Kultur und Sprache üben ebenfalls Einfluss auf die Theorie der Kontextualisierung aus. Es geht der Kontextualisierungstheorie um die Erforschung sprachlicher Verfahren der Kontextherstellung (vgl. Günthner 2000: 30). Dieser Theorienansatz liefert: eine theoretische und methodische Grundlage für die Analyse konkreter Kommunikationssituationen, indem er verdeutlicht, wie soziokulturelles Hintergrundwissen, grammatisches Wissen und Wissen bzgl. des Sprachgebrauchs, rhetorischer Konventionen, kinetischer und prosodischer Elemente das Verstehen und Handeln der Kommunikationsteilnehmer in der betreffenden Interaktionssituation beeinflussen. (Günthner 1993: 42, 43) Im Gegensatz zur traditionellen Soziolinguistik, die durch einen „ narrow approach to context “ (Auer 2009: 92) gekennzeichnet ist, Kontext als materiell Vorgegebenes betrachtet und dessen Beziehung zur Sprache als unidirektional und deterministisch definiert (vgl. Auer 1999: 167; Günthner 2000: 30), vertritt die interaktive Soziolinguistik einen reflexiven und dynamischen Kontextbegriff. Hierbei wird der Kontext nicht als ein „ Aggregat materiell vorgegebener Entitäten “ (Auer 1999: 167) betrachtet. Für die Herstellung des Kontextes bekommt die Sprache „ eine aktive, kontextaufbauende Rolle “ (Auer 1999: 167). Die interaktive Soziolinguistik geht davon aus, dass Interagierende bei der Durchführung ihrer Handlungen diese zugleich interpretierbar machen und Kontext, in den die Handlungen eingebettet sind, herstellen (vgl. Günthner 1993: 43). Demnach sind Kontext und Interaktion nicht voneinander zu trennen. Kontext wird durch Interaktion konstituiert und interaktive Handlungen sind im Rahmen des Kontexts zu interpretieren. Das Kommunizieren und das Signalisieren, welcher Kontext hergestellt 3.2 Die Kulturanalytische Linguistik 59 <?page no="60"?> und wie dieser für die Interpretation der betreffenden Aktivitäten relevant gemacht wird, überlappen in einem Prozess. Dazu schreibt Gumperz (1992): I use the term ‚ contextualization ‘ to refer to speakers ’ and listeners ’ use of verbal and nonverbal signs to relate what is said at any time and in any one place to knowledge acquired through past experience, in order to retrieve the presuppositions they must rely on to maintain conversational involvement and assess what is intended. (Gumperz 1992: 230) Die Kontextualisierung bezeichnet „ jene Verfahren, mittels derer die Teilnehmer an einer Interaktion für Äußerungen Kontext konstituieren “ (Auer 1986: 24). Die dabei eingesetzten Mittel - Kontextualisierungshinweise ( „ contextualization cues “ ) - sind Bestandteile des Zeichenvorrates einer Sprechgemeinschaft, die kulturell geprägt und empirisch erfassbar sind. Die Kontextualisierungshinweise haben für sich genommen keine referentiellen Bedeutungen (vgl. Auer 1999: 172; Günthner 2000: 33). 14 Zu diesen gehören z. B. Codeswitching und suprasegmentale Mittel wie prosodische und parasprachliche Markierungen (Lautstärke, Tonhöheverlauf, Sprechtempo, Rhythmus, Akzent, Pausen etc.) (vgl. Günthner 2000: 31). Auch die Wahl der syntaktischen und lexikalischen Strukturen, der Körperhaltung, Gestik und Mimik zählen dazu (vgl. Gumperz 1982: 131). Die Kontextualisierungshinweise leiten aufgrund ihrer sequentiellen Platzierungen im Zusammentreffen mit anderen lexikalischen und grammatischen Zeichen sowie Hintergrundinformationen die Interpretation der Interagierenden (vgl. Günthner 2000: 30; Gumperz 1992: 232, 238). Die Kontextualisierungshinweise sind nicht vom Kontext, den sie mit konstituieren, losgelöst zu interpretieren: How do contextualization cues work communicatively? They serve to highlight, foreground or make salient certain phonological or lexical strings vis-à-vis other similar units, that is, they function relationally and cannot be assigned context-independent, stable core lexical meanings. [. . .] Situated interpretations are intrinsically context-bound and cannot be analyzed apart from the verbal sequences in which they are embedded. (Gumperz 1992: 232) Die Grundlage des Bedeutungspotenzials der Kontextualisierungshinweise kann sowohl konventioneller als auch natürlicher Art sein (Günthner 2000: 34 f.). Probleme der Bedeutungsaushandlung in interkulturellen Kommunikationen sind oft auf Fehlinterpretationen kulturell konventio- 14 Die Kontextualisierung kann auch auf eine explizite Weise erfolgen (vgl. Auer 1999: 172; Schmitt 1993), z. B. durch „ Formulierungen “ (Garfinkel/ Sacks 1976). 60 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="61"?> nalisierter Kontextualisierungshinweise zurückzuführen (Günthner 1993, 1995, 2010). Die natürliche inhärente Bedeutung der Kontextualisierungshinweise basiert auf den universalen Erfordernissen der menschlichen Interaktion wie auch artikulatorischen und auditiven Mechanismen der Sprachproduktion und -rezeption. Heutzutage ist die Kontextualisierungstheorie ein häufig verwendeter theoretischer Ansatz für die Erforschung mündlicher Interaktion und wird als „ central innovation in his [Gumperz ’ Q. Z.] analysis of discourse “ (Levinson 2003: 32) angesehen. Dieser Theorie folgend wird in der vorliegenden Arbeit Fragen nachgegangen: - Wie wird die wissenschaftliche Situation der Anmoderation des Vortrags kontextualisiert? - Inwiefern kann von einer Kulturspezifik der Kontextualisierungshinweise der Anmoderation gesprochen werden? 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit Nachdem die theoretischen und methodologischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit genannt und erläutert sind, gehe ich im Folgenden auf deren konkrete Vorgehensweise ein. Die methodologische Vorgehensweise orientiert sich an den von Bergmann (1987: 47 ff.) und Günthner (2000: 47 ff.) durchgeführten Gattungsanalysen. Dies betrifft die Datengewinnung, die Identifizierung der Anmoderation, das Herausfiltern der Regelhaftigkeiten in den Anmoderationen und die Transkription der Gesprächsdaten. i) Die Datengewinnung: Die Datenbasis für die vorliegende Arbeit besteht aus einer Reihe von Audio- und Videoaufnahmen von sechs linguistischen und drei soziologischen Konferenzen, die von 2008 bis 2012 an Universitäten in verschiedenen Städten der Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland stattfanden. Dazu gehören zwei linguistische und zwei soziologische Konferenzen an chinesischen Hochschulen, und vier linguistische und eine soziologische Konferenz an deutschen Hochschulen. Das Korpus umfasst insgesamt 58 wissenschaftliche Konferenzvorträge, deren Anmoderationen transkribiert und zu einer kontrastiven Analyse herangezogen wurden. Das Korpus lässt sich tabellarisch wie folgt darstellen: 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit 61 <?page no="62"?> Konferenzen in China Konferenzen in Deutschland Fächer Anzahl der Fächer Anzahl der Konferenzen Vorträge einschließlich ihrer Anmoderationen Konferenzen Vorträge einschließlich ihrer Anmoderationen Linguistik 2 9 Linguistik 4 26 Soziologie 2 8 Soziologie 1 15 Die Anmoderationen fanden jeweils im muttersprachlichen Kontext statt: Die ModeratorInnen waren ChinesInnen und Deutsche, die Tagungssprachen waren überwiegend Chinesisch und Deutsch. Die Aufzeichnungen bekam ich zum größten Teil von den OrganisatorInnen der Konferenzen, bei drei Konferenzen der Linguistik war ich anwesend und habe diese selbst mit einem Tonbandgerät aufgenommen. ii) Die Identifikation der Anmoderationen der Konferenzvorträge: Bei einer empirischen kontrastiven Untersuchung der Anmoderationen chinesischer und deutscher Konferenzvorträge stellen sich zunächst zwei grundlegende methodische Probleme. Das eine ist ein hermeneutisches Problem, das jede Gattungsanalyse betrifft und sich in der Frage niederschlägt: Wie ist es möglich, eine soziale Aktivität zu einer kommunikativen Gattung zu zählen, wenn es keine vorher festgelegten Konzepte bzw. Normen gibt, sondern diese erst aus den Analysen entwickelt werden sollen (vgl. Bergmann 1987: 52; Günthner 2000: 51)? Dieses Problem stellt insofern einen logischen Zirkel dar, als man vor der Analyse bereits eine Vorstellung von dem zu untersuchenden Phänomen haben muss, damit ein Korpus des relevanten Phänomens überhaupt zustande kommt. Als eine Lösung dieses Problems wird vorgeschlagen, auf eine Arbeitsdefinition zurückzugreifen (vgl. Bergmann 1987: 52; Günthner 2000: 51). Als solche kann eine alltagssprachliche Umschreibung dienen. Dieses hermeneutische Problem betrifft ebenfalls die vorliegende Arbeit, da bislang keine empirischen Untersuchungen zur Anmoderation von Konferenzvorträgen vorliegen (vgl. Kap. 2.2), an die sich diese Arbeit anlehnen könnte. Das zweite methodische Problem betrifft jede empirische, kontrastiv arbeitende Studie. Es geht um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass es sich bei den zu vergleichenden Phänomenen um vergleichbare Größen handelt. Zur Lösung der beiden methodischen Probleme wird die Äquivalenz der Situation (Kap. 3.1.2.2) eingesetzt. Damit ist die sequenzielle Platzierung der Anmoderation in der Sektion gemeint, die sich aus „ einer 62 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="63"?> einfachen Beobachtung “ (Bergmann 1988/ II: 30) ergibt: Vor dem Beginn eines Vortrags ist eine Situation, in der eine ModeratorIn bzw. ein „ chair “ (Ventola 2002) den ZuhörerInnen eine ReferentIn vorstellt und ihren Vortrag ankündigt. Dies gilt als die Arbeitsdefinition der Anmoderation des Vortrags, die dem chinesischen Ethnobegriff der Anmoderation des Vortrags entspricht: zhuchiren jieshao baogaoren huanjie ( 主持人介绍报告人环 节 ; „ Phase, in der eine ModeratorIn eine ReferentIn vorstellt “ ). Mit dieser Arbeitsdefinition werden einerseits untersuchungsrelevante Phänomene identifiziert und zugleich gewährleistet, dass vergleichbare Größen in den beiden Sprachen verglichen werden. Diese Arbeitsdefinition muss selbstverständlich als durch empirische Befunde grundsätzlich revidierbar verstanden werden. iii) Regelhaftigkeiten der Anmoderationen: Die Konventionen der Produktion und Rezeptionen wissenschaftlicher Gattungen sind nicht nur durch die betreffenden Sprachen determiniert, sondern stehen auch unter dem Einfluss der jeweiligen Fachkulturen und weisen fachspezifische Ausprägungen auf (vgl. Duszak 1997: 11; Kotthoff 2001: 324; Höfner 2004; Kretzenbacher 2010 a). Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine sprach- und kulturvergleichende Studie handelt, werden fachspezifische Unterschiede, die in den Untersuchungsmaterialien durchaus zu beobachten sind, ausgeblendet. Dagegen rücken diejenigen prototypischen Regelhaftigkeiten in den Vordergrund, die die Anmoderationen sowohl in den linguistischen als auch in den soziologischen Konferenzen in der jeweiligen Sprache gemeinsam aufweisen. Dem Prinzip „ Beschreiben vor dem Vergleich “ folgend, geschieht die Herausfilterung dieser Regelhaftigkeiten in separaten Analysevorgängen. In einem ersten Schritt wird der gesamte Verlauf der Anmoderationen rekonstruiert. Damit werden zwei Ziele verfolgt: a) das Was, i. e. Aufgaben, die ModeratorInnen zu bewältigen haben, zu bestimmen, und b) das Wozu, i. e. Funktionen der Anmoderationen zu erkennen. Im Anschluss daran wird in einem zweiten Schritt das Wie, die sprachlich-kommunikativen Verfahren der Anmoderationen, zunächst in Einzelfallanalysen bestimmt und dann an weiteren Fällen auf ihre Stimmigkeit überprüft, bis weitere Analysen keinen Erkenntnisgewinn mehr bringen. Die so gewonnenen kommunikativen Aufgaben, die Funktionen und die eingesetzten sprachlich-kommunikativen Mittel der verschiedenen Anmoderationen werden als Tertia Comparationis herangezogen, auf deren Grundlagen die chinesischen und deutschen Anmoderationen einander gegenübergestellt und miteinander verglichen werden. 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit 63 <?page no="64"?> iv) Transkription der Gesprächsdaten: Für die vorliegende Arbeit, die sich mit sprachlichen Realisierungsformen des kommunikativen Musters der Anmoderation befasst, sind Audioaufzeichnungen der Anmoderationen ausreichend. Für die deutschen Daten wird ein Basistranskript nach dem „ Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem 2 “ (GAT 2, Selting etc. 2009) vorgenommen. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Zeichen und Konventionen sind: Ein- und Ausatmen °h / h° Einbzw. Ausatmen von ca. 0.2 - 0.5 Sek. Dauer °hh / hh° Einbzw. Ausatmen von ca. 0.5 - 0.8 Sek. Dauer Pausen (.) Mikropause, geschätzt bis ca. 0.2 Sek. Dauer ( - ) kurze geschätzte Pause von ca. 02 - 0.5 Sek. Dauer (1.0) (gemessene Pause von 1.0 Sek. Dauer) Akzentuierung akZENT Fokusakzent akzEnt Nebenakzent Tonhöhenbewegung am Ende von Intonationsphrasen ? hoch steigend , mittel steigend - gleichbleibend ; mittel fallend . tief fallend Auffällige Tonhöhensprünge ↑ kleinere Tonhöhensprünge nach oben ↓ kleinere Tonhöhensprünge nach unten Lautstärke- und Sprechgeschwindigkeitsveränderung <<f> > forte, laut <<p> > piano, leise <<len> > lento, langsam <<rall> > rallentando, langsamer werdend Sonstige Konventionen : Dehnung, Längung, um ca. 0.2 - 0.5 Sek. ((lacht)) para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse <<lachend> sprachbegleitende para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse mit Reichweite ((unverständlich, ca. 3 Sek.)) unverständliche Passage mit Angabe der Dauer ((...)) Auslassung im Transkript 64 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="65"?> Ein Überblick über die Konversationsanalyse und die Gesprochene-Sprache-Forschung im chinesischsprachigen Raum zeigt, dass für das Chinesische bislang noch kein einheitliches Transkriptionssystem gegeben ist (vgl. Xu 2005: 34 f.). Chinesische Gesprächsdaten werden entweder in hanyu-pinyin ( 汉语拼音 , lateinische Umschrift der chinesischen Schriftzeichen), in jiantizi ( 简体字 , vereinfachte Schriftzeichen) oder fantizi ( 繁体字 , traditionelle Schriftzeichen) verschriftlicht. Probleme, die bei der Transkription chinesischer Sprachdaten immer wieder auftreten, fasst Tao (2004: 60) folgendermaßen zusammen (eigene Übersetzung): 15 Es bringt für das Chinesische noch mehr Schwierigkeiten, wenn man die gesprochene Sprache mit chinesischen Schriftzeichen verschriftlicht, da sich die beiden noch weiter unterscheiden, so dass für viele Elemente der gesprochenen Sprache keine Entsprechungen in den Schriftzeichen zu finden sind. So können z. B. der Nasal [em], der ein Zögern markiert, und die Reaktionssignale [em hum] kaum mit Schriftzeichen transkribiert werden. Während meines Studiums in den USA habe ich bei meinem Professor als Assistent in der Forschung des Chinesischen gearbeitet. Eine meiner Aufgaben bestand darin, gesprochenes Chinesisch zu transkribieren. Um meinem Professor die Lektüre der Transkripte zu erleichtern, wurde das System hanyu-pinyin eingesetzt. Dieses System ermöglicht aufgrund der Buchstaben eine phonologische Vermittlung mancher Laute des gesprochenen Chinesisch. Gesprochene sprachliche Elemente wie Reaktionssignale wurden dabei in Anlehnung an gängige Transkriptionszeichen des Englischen verschriftlicht, wo es zwischen diesen Elementen in den beiden Sprachen Ähnlichkeiten gab. Transkripte für mich selbst sind jedoch meistens in Schriftzeichen (Hauptgründe dafür sind, dass Homophone effizienter unterschieden werden können und Schriftzeichen in der Suchfunktion im Computer besser funktionieren). Hanyu-pinyin wird gebraucht, wenn unter den Schriftzeichen keine Entsprechungen für die gesprochenen sprachlichen Elemente zu finden sind. Dies scheint ein erfolgversprechendes Verfahren zu sein. Die hier skizzierten Probleme betreffen ebenfalls die vorliegende Arbeit. Darüber hinaus hat diese Arbeit das zusätzliche Problem, dass die eine Objektsprache (das Chinesische) nicht mit der Arbeitssprache (Deutsch) 15 Es heißt im Original: „对于汉语来说,用汉字书写口语困难更多,因为汉字跟口语发 音的距离更远,口语中的很多成分没有相应的汉字来表达。例如,说话时表示犹豫不 定的拖长的鼻音[em],表示应对的成分[em hum],都很难用汉字来转写。笔者以前在 美国读 书时协助教授研究汉语,其中一个任务就是转写汉语口语材料。为方便教授阅 读,我们采用的是汉语拼音的系统,这个系统有时能借助拼音字母来传达口语的一些 音,有时还不得不仿照英语的现成拼法转写和英语近似的口语成分,例如谈话中的 应 对成分。后来自己转写的材料大多采用汉字(主要因为汉字可以更有效地区别同音 字,便于电脑软件检索),遇到难以用汉字表达的成分就夹杂汉语拼音。这样似乎还 比较有效。“ 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit 65 <?page no="66"?> identisch ist. Um diesen einerseits sprachtypologisch und andererseits arbeitsmethodisch bedingten Problemen entgegenzuwirken, werden die chinesischen Gesprächsdaten in zwei Schritten bearbeitet. Sie werden zunächst gemäß GAT2 transkribiert und dann glossiert und in arbeitssprachliche Ausdrücke übersetzt. Die Transkripte der chinesischen Ausschnitte enthalten eine GAT2 entsprechende Darlegung der Intonationseinheiten mit vereinfachten chinesischen Schriftzeichen; darunter folgt eine lateinische Umschrift in pinyin, darunter eine Interlinearübersetzung ins Deutsche; schließlich gibt es noch eine freie, sinngemäße Übersetzung. In der sinngemäßen Übersetzung wird die männliche Form geschlechtsneutral verwendet. Während die Akzentsilben in GAT2 durch Großbuchstaben notiert sind, werden der Hauptakzent und der Nebenakzent in chinesischen Äußerungen mit ^ und ` bezeichnet (vgl. Tao 2004: 60). Dies betrifft ausschließlich diejenigen Äußerungen, die zur Analyse herangezogen werden. In den Interpretationen der chinesischen Daten werden Originaläußerungen in pinyin zitiert, deren freie Übersetzungen in einer sich anschließenden Klammer angegeben werden. Die Übersetzung der chinesischen Transkripte erfolgt wie erwähnt in zwei Schritten: i) in einer „ interlinear morphemic translation “ ([IMT], Lehmann 1982), ii) in einer freien Übersetzung. Die IMT ist a translation of a text in a language L 1 into a string of elements taken from L 2 where, ideally, each morpheme of the L 1 text is rendered by a morpheme of L 2 or a configuration of symbols representing its meaning and where the sequence of the units of the translation corresponds to the morphemes which they render. It is called interlinear a) because it should be arranged, typographically, beneath the line of text which it translates, and b) because it is normally used in addition to and before a normal translation. (Lehmann 1982: 200) Die IMT gibt Auskunft über syntaktische und morphologische Elemente der untersuchten Sprache und zeigt deren grammatische Strukturen an (vgl. Schlobinski 1996: 70; Leipzig Glossing Rules 2008; Selting et al. 2009: 388; Deppermann 2008 a: 42). In der IMT der vorliegenden Arbeit wird versucht, jedes Wort in den chinesischen Originaläußerungen durch ein deutsches Wort wiederzugeben, dessen semantischer Gehalt weitestgehend dem des Originalwortes entspricht. Falls sich die Übersetzung eines chinesischen Wortes aus mehreren deutschen Wörtern zusammensetzt, werden die Wortgrenzen mit dem Minuszeichen ( - ) angegeben. Wörter bzw. Morpheme in chinesischen Originaläußerungen, für die 66 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="67"?> sich keine entsprechenden Übersetzungen im Deutschen anbieten, werden metasprachlichen grammatischen Kategorien zugeordnet, die durch bestimmte Termini abgekürzt dargestellt werden. Dies betrifft in erster Linie Partikeln, Diskursmarker und Adverbien. Da es bislang keine einheitlichen Termini dafür gibt, mit denen grammatische Morpheme in Interlinearübersetzungen des Chinesischen ins Deutsche zu bezeichnen wären, lehnt sich die vorliegende Arbeit an die Termini bei Li/ Thompson (1981) und Tao (1996) an. Die Autoren haben für Interlinearübersetzungen ins Englische Termini vorgeschlagen, die sich in der einschlägigen Literatur häufig wiederfinden. Die in der vorliegenden Arbeit gebrauchten Termini werden in der folgenden Tabelle aufgelistet. Grammatische Kategorien Abkürzungen ADV 就 / jiu adverb ASSOC 的 / de associative CL 位 / wei, 个 / ge classifier COMP 更 / geng comparative COP 是 / shi copula CSC 地 / de, 得 / de complex stative construction DM 这个 / zheige, zhege discoursemarker GEN 的 / de genitive MM 出 / chu motion morpheme NOM 的 / de, 上 / shang nominalizer OBJ 给 / gei object marker ORD 第 / di ordinalizer PAR 呢 / ne partikel PFV 了 / le, 过 / guo perfective aspect PL 们 / men plural PM 来 / lai purpose marker Die Verfahren der Transkription, Glossierung und Übersetzung sollen nun anhand des folgenden Transkriptausschnitts veranschaulicht werden. Doktorandenbetreuer (Chinesische Anmoderation 06) 01 Mod: ^ 下面呢 ; xiamian ne als Nächstes [PAR] als nächstes 02 我们很 ^ 隆重地向大家介绍 women hen longzhong de xiang dajia jieshao wir sehr feierlich [CSC] gegenüber allen vorstellen wir stellen Ihnen sehr feierlich vor 3.3 Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit 67 <?page no="68"?> 03 我们 ^ 第二位大会报告发言人 , women di er wei dahuibaogaofayanren unser [ORD] zweit [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren zweiten Referenten 04 来自 ^ 东方大学中文系的 laizi dongfang daxue zhongwenxi de kommen von Dongfang Universität Chinesischabteilung [ASSOC] 05 刘大为教授 . liudawei jiaoshou Liu Dawei Professor Professor Liu Dawei von der Fakultät für Chinesisch an der Universität Dongfang. Jedes Transkriptionssegment setzt sich aus vier Zeilen zusammen. Es handelt sich bei der ersten Zeile um die vereinfachten Schriftzeichen ( 下 面呢 ). Darunter wird in pinyin die Aussprache dieser Zeichen angezeigt ( „ xiamian ne “ ). Jedes chinesische Wort wird durch ein deutsches Wort in Zeile 3 wiedergegeben, wobei unübersetzbare Morpheme ( 呢 in Zeile 01, 地 in Zeile 02, 第 und 位 in Zeile 03 sowie 的 in Zeile 04) grammatischen Kategorien zugeordnet werden, die abgekürzt in Normalschrift in eckigen Klammern genannt werden (z. B. [PAR] für die Partikel 呢 ). Zuletzt stehen darunter freie Übersetzungen. Um die Übersetzungen einfacher lesbar zu gestalten, werden sie in manchen Fällen zu mehreren Zeilen zusammengesetzt dargestellt (Z. 04 und 05). 68 3. Theoretische und methodologische Grundlagen <?page no="69"?> 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung Ziel des vierten Kapitels ist es, die situationsherstellende Funktion der Anmoderation für eine Vortragseröffnung zu verdeutlichen. Dieses Kapitel ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst wird auf die Unterscheidung zwischen der Interaktionseröffnung und der Situationsherstellung einer Interaktionseröffnung eingegangen. Es folgt eine erste Annäherung an die Anmoderation des Vortrags. Dabei werden kommunikative Aufgaben der ModeratorInnen rekonstruiert und die grundlegenden Funktionen der Anmoderation bestimmt. 4.1 Interaktionseröffnung Wie bereits erwähnt (s. Kap. 3.2.2) gehört die Gesprächseröffnung zu den klassischen Themen der KA. Die konversationsanalytische Betrachtung der Gesprächseröffnung durchläuft - wissenschaftshistorisch gesehen - hauptsächlich drei Phasen (vgl. Gülich/ Mondada 2008: 73 ff.; Mondada/ Schmitt 2010: 9 ff.): Sie beginnt mit Untersuchungen von Telefongesprächen, dann folgen Analysen von Eröffnungen institutioneller Interaktionen. In diesen beiden Phasen stellen Audioaufnahmen die Datengrundlage dar. Die dritte Phase beginnt mit der Analyse der Multimodalität in der Interaktion, die auf der Grundlage von Videoaufnahmen möglich wird. Im Folgenden werden grundlegende Konzepte und Begriffe der konversationsanalytischen Untersuchungen der Gesprächseröffnung erläutert, auf die sich die vorliegende Arbeit im weiteren Verlauf bezieht. Auf eine ausführliche Literaturaufarbeitung der bisherigen Untersuchungen der Gesprächseröffnungen wird verzichtet. Die konversationsanalytischen Untersuchungen der Gesprächseröffnung basieren u. a. auf Schegloffs (1967, 1968, 1979, 1986) Arbeiten zu Eröffnungssequenzen in Telefongesprächen. Nach Schegloff wird in einer Gesprächseröffnung eine Reihe von Aufgaben gelöst, die eine nachfolgende Kerninteraktion vorbereiten. Diese Aufgaben bewältigen die GesprächspartnerInnen koordinierend in einem sequenziellen Ablauf: Sie bauen zunächst Kontakt miteinander auf, überprüfen anschließend die wechselseitige Verfügbarkeit, identifizieren sich bzw. (re)konstituieren ihre Beziehungen und legen dann die Gesprächsthemen fest. So enthält die Eröffnungsphase eines Telefongesprächs folgende Sequenzen (Schegloff 1986): <?page no="70"?> i) Die „ summons-answer sequence “ : Die „ summons-answer sequence “ besteht aus einem „ summons “ , also dem Klingeln des Telefons, und der Antwort des Angerufenen. In dieser Sequenz bauen die GesprächspartnerInnen Kontakt auf und überprüfen die gegenseitige Verfügbarkeit für ein nachfolgendes Gespräch. Die „ summonsanswer sequence “ kann nicht allein für sich stehen, sondern trägt die Eigenschaft der „ non-terminality “ : „ By nonterminality I mean that a completed SA sequence cannot properly stand as the final exchange of a conversation. “ (Schegloff 1968: 1081) Nach dieser Sequenz wird vom Anrufenden erwartet, wieder zu sprechen, und vom Angerufenen wird erwartet, zuzuhören (vgl. Schegloff 2002: 342). ii) Die wechselseitige Identifikation: Sie markiert den Moment der gegenseitigen Sicherung der Identität der GesprächspartnerInnen. Dies geschieht auf verschiedene Weise, z. B. durch direkte Adressierung, Nachfragen und „ recipient-designed “ Begrüßung (etwa offiziell vs. familiär etc.) (Schegloff 1979). iii) Nachfrage: Nachdem die GesprächspartnerInnen sich identifiziert haben, folgt das Nachfragen nach dem Wohlbefinden des Gegenübers. iv) Einführung des ersten Gesprächsthemas: Diese Stelle wird von Schegloff (1986: 116) „ anchor position “ genannt. In dieser Sequenz gibt der Anrufende „ reason for the call “ an und führt das erste Gesprächsthema ein. Dies markiert den Abschluss der Gesprächseröffnung. Diese Sequenzen nennt Schegloff (1986) „ core opening sequences “ . Sie lassen sich ebenfalls in institutionellen Face-to-Face-Interaktionen beobachten. 16 So zeigt Bergmann (1980) in seinen Untersuchungen der Eröffnungssequenzen in psychiatrischen Aufnahmegesprächen an, dass in der Gesprächseröffnung die „ Lizenz “ (Bergmann 1980: 223) bzw. die Verfügbarkeit der angesprochenen Person überprüft, der Kontakt vom Arzt und Patienten initiiert, deren Identität konstituiert und der Gesprächszweck thematisiert werden. Die Gesprächseröffnung markiert nach Bergmann (1980: 242) den „ Gesprächsausschnitt zwischen dem unmittelbaren Beginn eines Gesprächs und dem Punkt, an dem das Gespräch - typischerweise durch eine zweckthematisierende Explikationsaufforderung - ‚ zur Sache kommt ‘“ . Auch Dannerer (1999: 61) kommt in ihrer Untersuchung zu betrieblichen Besprechungen zu dem Ergebnis, dass die Besprechungseröffnung „ Musterpositionen “ wie Begrüßung, Identifikation der Teilneh- 16 Davon abweichend sind Eröffnungen institutioneller Telefongespräche, die durch eine Reduktion der Kernsequenzen gekennzeichnet sind (Zimmerman 1992). 70 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="71"?> merInnen, Herstellung der besprechungsspezifischen Rollen, Themennennung, Festlegung des gemeinsamen Besprechungsziels etc. beinhaltet. Der koordinierte Ablauf der Eröffnungssequenzen dient dazu, situative Voraussetzungen für die Realisierung des Fundamentalziels der Kerninteraktion zu schaffen. Hierbei stellen die Interagierenden die Kommunikationsbereitschaft her, überprüfen ihre Kompetenz bzw. Befugnis für das Fundamentalziel und initiieren das Gegenüber dazu, an der Realisierung des Fundamentalziels mitzuwirken (vgl. Techtmeier 1984: 74). Über diese generellen Zwecke hinaus hat die Interaktionseröffnung spezifische kontextgebundene Funktionen. So benutzen die Ärzte in psychiatrischen Aufnahmegesprächen die Gesprächseröffnung als eine „ psychiatrische Prüfungsressource “ (Bergmann 1980: 286), also einen „ interaktiven Lackmustest, der [. . .] rasch eine erste Auskunft über das Befinden, die Kooperativität und einige elementare Interaktionsfähigkeiten des Aufnahmekandidaten gibt “ (Bergmann 1980: 285). 4.2 „ Opening up Openings “ Vor der Durchführung der verbalen Aktivitäten in den Eröffnungssequenzen sind zunächst einmal Voraussetzungen für den Einsatz dieser verbalen Mittel zu schaffen (vgl. Heidtmann 2010: 272). So wird in Untersuchungen institutioneller Interaktionen aufgezeigt, dass es vor der verbalen Interaktionseröffnung „ verschiedene vorbereitende Momente zum stufenweisen Eintritt in die Interaktionseröffnung “ (Mondada 2010: 315) gibt. Die einer Interaktionseröffnung vorausgehende Vorlaufphase wird von Schegloff (1979: 27; vgl. auch Zimmerman 1992: 432) „ pre-beginning “ genannt. Im Fall eines Telefongesprächs bezieht sich ein Vor-Beginn auf das Auswählen und das Eintippen der Telefonnummer (vgl. Whalen/ Zimmerman 1987: 180). Der Vor-Beginn projiziert eine Ausrichtung, die während der Identifizierungssequenz in der Gesprächseröffnung ratifiziert wird (vgl. Mondada/ Schmitt 2010: 15). In einer Face-to-Face-Interaktion geht der Gesprächseröffnung durch einen Austausch von Begrüßungen ebenfalls ein Vor-Beginn voraus, der multimodal vollzogen wird. Dazu schreibt Schegloff (1979: 33 f.): Greetings are generally, and not incorrectly, treated as the first exchange of a conversation. It is important to note, however, that they are, as well, the end of phase of incipient interaction - what I referred to earlier as ‘ prebeginnings ’ . Routinely, the actual exchange of greeting terms follows a set of other activities, such as lookings, eye aversions, pace changes, body, head, and arm maneuvers. One important component of the pre-beginning is identification of other(s) in the scene. 4.2 „ Opening up Openings “ 71 <?page no="72"?> Dies besagt, dass die Kontaktaufnahme der Interagierenden bereits vor dem Austausch erster Äußerungen durch eine wechselseitige Ausrichtung der Blicke, Körperhaltung, Gesten und Bewegungen visuell vollzogen wird (vgl. Gülich/ Mondada 2008: 80). Systematische Untersuchungen des Vor-Beginns fangen mit den Analysen der multimodalen institutionellen Interaktionen an, die „ zu einer Rekonzeptualisierung der Eröffnungssequenz “ (Mondada 2010: 328) führen und eine Abgrenzung des Vor-Beginns von der verbalen Interaktionseröffnung plausibel machen. Der Vor-Beginn wird in einer koordinierten Weise systematisch eingeleitet und eröffnet. Das Vorbereiten und das Eröffnen der verbalen Interaktionseröffnung werden „ opening up openings “ (Meier 1998: 35; Hausendorf/ Schmitt 2010) genannt. Das „ opening up openings “ markiert den „ Übergang vom Prä-Beginn zum offiziellen Beginn “ (Meier 1997: 67 - 84). Der verbale Teil der Gesprächseröffnung stellt lediglich „ einen ersten Endpunkt eines vorausgegangenen, vorbereitenden Interaktionsgeschehens dar “ , und eine Interaktion beginnt folglich „ nicht erst mit den ersten Worten, sondern wird durch vorausgehende, zum Teil auch gleichzeitig ablaufende Körper-Koordinationen der beteiligten Personen vorbereitet “ (Hausendorf/ Schmitt 2010: 53). Der Vor- Beginn setzt Erwartungen an Interagierende und etabliert eine spezifische Form der Vororientierung, wie eine Interaktion beginnt (vgl. Mondada/ Schmitt 2010: 15). Zu Aktivitäten im Vor-Beginn zählen z. B. körperliche Positionierung und Arrangement des Settings, in Bezug auf eine Videokonferenz etwa die Überprüfung des wechselseitigen Kontakts, die Ausrichtung der Kamera und der Tontest (vgl. Mondada 2010: 328). Im Vor-Beginn findet eine „ Situationsherstellung “ (Nothdurft 1994) statt. Aktivitäten, durch die interaktive Voraussetzungen für die Entwicklung des Charakters einer Kerninteraktion geschaffen werden, nennt Nothdurft (1994: 23) „ Herstellung der Situation “ . Unter dem Ausdruck „ interaktive Voraussetzungen “ ist zu verstehen, dass diese die Interpretation eines sozialen Ereignisses plausibel machen und die Abwicklung des Ereignisses in Orientierung an einem bestimmten Muster nahelegen (vgl. Nothdurft 1994: 23). Die Herstellung der Situation ist von der Konstitution der Situation zu unterscheiden: Während Letztere den faktischen Vollzug der gesamten Interaktion betrifft, i. e. die Realisierung eines Musters und auf das kontinuierliche Kenntlichmachen und das Fortschreiben dieses Musters (vgl. Nothdurft 1994: 23), bezieht sich die Situationsherstellung nicht auf den gesamten Prozess der Konstitution einer Interaktion, sondern ausschließlich auf die Präparation und Anbahnung dieser Interaktion. Im Vergleich mit der Kernaktivität weisen die im Vor-Beginn stattfindenden Aktivitäten eine spezifische Zeitlichkeit auf und sind typischerweise darauf ausgerichtet, dass sie transitorisch, momentan und kurzfristig sind (vgl. Mondada 2010: 328). Angesichts der unmittelbaren bevorstehenden ver- 72 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="73"?> balen Interaktionseröffnung bzw. der Interaktion kommt im Vor-Beginn nur potenziell kurze Interaktion in Betracht. Die Aktivitäten im Vor-Beginn nehmen kein längeres Engagement in Anspruch, haben meist nur eine unbestimmte Dauer und können jederzeit unterbrochen werden (vgl. Mondada 2010: 318). Die Eröffnung und Herstellung der Interaktionseröffnung ist zudem durch eine „ rekurrente Vorverweisstruktur “ (Hausendorf/ Schmitt 2010: 98) gekennzeichnet und projektiv ausgerichtet. Hausendorf/ Schmitt (2010) zeigen anhand der Organisationsstruktur der Eröffnungsphase eines Gottesdienstes, dass der verbalen Eröffnung des Gottesdienstes eine dynamische Vorverweispraktik zugrunde liegt: Die Vor-Glockenphase, das Glockengeläut, das Orgelspiel, das Aufstehen und die Positionierung des Pfarrers im Altarraum sowie dessen verbale Aktivitäten (die Adressierung der Anwesenden, Anweisung auf das folgende Ereignis, Erläuterung der gemeinsam durchzuführenden rituellen Handlungen, Kundgabe des Grundes für den Gottesdienst etc.) verweisen kontinuierlich auf den Beginn des Gottesdienstes. Der kontinuierliche Vorverweis auf die Gottesdiensteröffnung stellt immer schon einen konstitutiven Teil der spezifischen Form religiöser Vergesellschaftung dar, und die Eröffnungseröffnung ist sowohl eine vorbereitende Phase der Kernaktivität (Gottesdienst) als auch „ selbst bereits ein untrennbarer Bestandteil der Praxis, auf die sie (anscheinend doch nur) vorverweist “ (Hausendorf/ Schmitt 2010: 97). Nun sollen die soeben angeführten Überlegungen über die Unterscheidung zwischen der Interaktionseröffnung und der Eröffnung einer Interaktionseröffnung zusammengefasst werden: i) Die Interaktionseröffnung markiert den Moment, in dem die Interagierenden den Kontakt aufbauen, ihre Aufmerksamkeit aufeinander und auf eine bevorstehende Kernaktivität ausrichten, sich wechselseitig identifizieren und über die Durchführung der Kernaktivität verständigen (vgl. Gülich/ Mondada 2008: 73). ii) Die Eröffnungseröffnung bezieht sich dagegen auf den Vor-Beginn, in dem Voraussetzungen für die Interaktionseröffnung einschließlich der Kerninteraktion geschaffen werden. Statt eine Untersuchung der multimodalen Anmoderation vorzunehmen, befasst sich die vorliegende Arbeit mit den verbalen Mitteln der Konferenzbeteiligten, mittels derer sie im Rahmen der Anmoderation die Situationsherstellung der Vortragseröffnung ausführen. Einleitende Fragen dieses Kapitels sind: - Welche interaktiven Voraussetzungen werden in der Anmoderation für eine Vortragseröffnung geschaffen? 4.2 „ Opening up Openings “ 73 <?page no="74"?> - Wie wird der Übergang vom Prä-Beginn zum offiziellen Beginn, also von der Eröffnungseröffnung eines Vortrags zu dessen offiziellem Beginn markiert? 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen In der ersten Annäherung an die Anmoderationen von Vorträgen werden kommunikative Aufgaben, die die chinesischen und deutschen ModeratorInnen zu bewältigen haben, rekonstruiert und darauf aufbauend die Funktionen der Anmoderationen bestimmt. 4.3.1 Kommunikative Aufgaben der chinesischen ModeratorInnen In den vorliegenden Daten haben die chinesischen ModeratorInnen folgende Aufgaben zu bewältigen: i) Vorstellen der ReferentInnen ii) Verkünden des Vortragstitels iii) Übergabe des Rederechts an die ReferentInnen Diese prototypischen Aufgaben sollen anhand des folgenden Transkripts, das einer Konferenz chinesischer SoziologInnen entstammt, präsentiert werden. Dem Ausschnitt geht voraus, dass der Moderator ( „ Mod “ ) einen vorangehenden Vortrag und die Diskussion darüber für beendet erklärt hat. Nach einer kurzen Pause setzt er seine Rede fort: Institutsleiter (chinesische Anmoderation 01) 01 Mod: 现在 . xianzai jetzt 02 下面请 xiamian qing als nächstes bitten als nächstes bitten wir 03 刘 (.) 刘大明教授作主题报告 . liu liu daming jiaoshou zuo zhuti baogao Liu Liu Daming Professor halten Vortrag Professor Liu Daming, einen Vortrag zu halten 04 刘大明教授是南方大学 liu laming jiaoshou shi nanfang daxue Liu Daming Professor [COP] Nanfang Universität Professor Liu Daming ist 74 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="75"?> 05 公共管理学院的院长 . gonggongguanli xueyuan de yuanzhang Public Management Institut [ASSOC] Leiter Leiter des Instituts für öffentliche Verwaltung der Universität Nanfang 06 也是中国移民研究中心的教授 . yeshi zhongguo yimin yanjiu zhongxin de jiaoshou auch [COP] China Migration Forschungszentrum ASSOC Professor er ist auch Professor am chinesischen Forschungszentrum für Migration 07 他 ta sein sein 08 (0.5) 09 报告的题目是 ` 环境移民问题 , baogao de timu shi huanjing yimin wenti Vortrag [ASSOC] Titel [COP] Umwelt Migration Problem Vortragstitel lautet Probleme der Umweltmigration 10 是他最熟悉的一个题目 . shi ta zui shuxi de yige timu [COP] er am besten kennen [ASSOC] ein [CL] Thema das ist ein Thema, das er am besten kennt 11 大家欢迎↑ dajia huanying alle heißen willkommen heißen wir ihn alle willkommen 12 Zuh: << 鼓掌 >> Applaus 13 Ref: 各位专家各位老师各位同学 . gewei zhuanjia gewei laoshi gewei tongxue jeder Experte jeder Lehrer jeder Kommilitone Expertinnen, Experten, Lehrerinnen, Lehrer, Kommilitoninnen und Kommilitonen, 14 那么我的这个题 目呢 , name wo de zhege timu ne [DM] mein dieses Thema [PAR] also, mein Vortragstitel 15 是叫做环境移民探讨 . shi jiaozuo huanjing yimin tantao [COP] heißen Umweltmigration Diskussion lautet Diskussion über Umweltmigration Mit dem Gebrauch des Adverbs „ xianzai “ (jetzt) in Z. 01 verweist der Moderator auf die gegenwärtige Interaktionssituation der Anmoderation und stellt somit einen Bruch mit dem vorangehenden Vortrag her. Der Kontextwechsel von einem beendeten Vortrag zu einem bevorstehenden wird ferner durch „ xiamian “ (als Nächstes) in Z. 02 deutlich. Dieses eine 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 75 <?page no="76"?> Reihenfolge markierende Adverb signalisiert, dass nun der nächste Referent seinen Vortrag halten wird. In Z. 03 gibt der Moderator den Familien- ( „ Liu “ ) und Vornamen ( „ Daming “ ) sowie den Titel des Referenten an ( „ jiaoshou “ , Professor) und konstituiert zugleich dessen Beteiligungsrolle in der Konferenz explizit „ zuo zhuzi baogao “ (einen Vortrag halten). Im Anschluss daran geht der Moderator auf Lius administrative Stellung „ yuanzhang “ (Institutsleiter) an der Universität Nanfang ein und erwähnt zudem dessen Professorenstelle an einer anderen Institution (Z. 04, 05 und 06). Danach verkündet der Moderator in Z. 09 den Vortragstitel „ huanjing yimin wenti “ (Probleme der Umweltmigration). In Z. 10 fügt er hinzu, dass sich Liu in diesem Bereich am besten ( „ zui shuxi “ ) auskennt. Die „ extreme case formulation “ (Pomerantz 1986) „ zui “ (am besten) dient dazu, die Erwartung der ZuhörerInnen auf den Vortrag zu erhöhen und für den bevorstehenden Vortrag Spannung aufzubauen. Zum Schluss seiner Rede übergibt der Moderator das Rederecht an Liu, indem er die ZuhörerInnen auffordert, Liu willkommen zu heißen (Z. 11). Die ZuhörerInnen klatschen daraufhin Beifall (Z. 12). Nach dem Applaus beginnt der Referent Liu mit einer Anrede des Publikums seinen Vortrag (Z. 13). 17 Dieser Ausschnitt zeigt, 18 dass die drei generellen Aufgaben des Moderators systematisch sequenziell bewältigt werden, was die Kernsequenzen der Anmoderation ausmacht. Dieser sequenzielle Ablauf lässt sich in den chinesischen Anmoderationen immer wieder feststellen und ist zu deren kommunikativem Muster sedimentiert. Unter den chinesischen Anmoderationen gibt es jedoch auch Fälle, in denen sowohl eine Expansion als auch eine Reduktion der Kernsequenzen zu beobachten sind. i) Prä-Expansion der Kernsequenzen Mit dem Ausdruck „ pre-expansion “ bezeichnet Schegloff (2007 a: 28) „ [t]he first place at which a two-part unit can be expanded “ . Eine Prä-Expansion geschieht vor der Realisierung der ersten Paarsequenz und ist somit ein „ preliminary to something else “ (Schegloff 2007 a: 28). Die eine Prä-Expansion konstituierenden Sequenzen werden „ pre-sequences “ (Sacks 1992: 685) genannt. Schegloff unterscheidet zwischen „ type-specific pre-sequences “ und „ generic pre-sequences “ : Erstgenannte sind „ in some fashion designed to be suited to, and specific to, some particular type of base sequence which they therefore contingently project “ (Schegloff 2007 a: 48) 17 Zu Eröffnungssequenzen in chinesischen wissenschaftlichen Konferenzvorträgen siehe Günthner/ Zhu (2014). 18 Auf die sprachlich-kommunikativen Verfahren der Anmoderationen wird in den folgenden Kapiteln ausführlich eingegangen. 76 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="77"?> wie „ pre-invitation “ und „ pre-offer “ . Letztere beziehen sich nicht direkt auf eine bestimmte Kernsequenz, sondern sind „ aimed at a feature generically relevant to the efficacy of talk-in-interaction - the attention, or mobilizied recipiency, of an interlocutor “ (Schegloff 2007 a: 48). Es handelt sich bei der Prä-Expansion der Kernsequenzen in der Anmoderation um die „ type-specific pre-sequences “ : In diesen Vorsequenzen wird meist eine Sektion eröffnet ( „ opening the section “ Ventola 2002: 29), wobei die Gesamtzahl der ReferentInnen in der Sektion angegeben und organisatorische Dinge angesagt werden. Eine Selbstpositionierung der ModeratorInnen geschieht ebenfalls in der Prä-Expansion. Ab und zu findet in der Prä-Expansion der Kernsequenzen in der Anmoderation eine Selbstvorstellung der ModeratorInnen statt. Diener auf der Konferenz (chinesische Anmoderation 02) 01 Mod: 各位老师各位同学 . gewei laoshi gewei tongxue jeder Lehrer jeder Kommilitone Lehrerinnen und Lehrer Kommilitoninnen und Kommilitonen 02 非常感谢大会呢 feichang ganxie dahui ne sehr danken Konferenz[PAR] ich danke der Konferenz sehr, 03 ehm 04 这个 zhe ge [DM] 05 安排 ^ 我来为大家服务 . anpai wo lai wei dajia fuwu einsetzen ich [PM] für alle dienen dass sie mich einsetzt, mitzuhelfen 06 ((unverständlich 8 Sek.)) 07 那么会上 ` 安排呢 name hui shang anpei ne [DM] Konferenz[NOM]organisieren[PAR] es wird auf der Konferenz so organisiert, 08 就是咱们有五位发言人 . jiushi zanmen you wu wei fayanren [DM] wir haben fünf Referenten dass wir fünf Referenten in unserer Sektion haben 09 <<räuspert>> 10 那么我是这样想 name wo shi zheyang xiang [DM] ich [COP] so denken ich denke so, 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 77 <?page no="78"?> 11 我们先 ` 每个人讲十五到二十分钟 , women xian mei ge ren jiang shiwu dao ershi fen zhong wir zunächst jede [CL] Person reden 15 bis 20 Minuten dass jeder von uns zunächst 15 bis 20 Minuten redet 12 最后咱们一块儿讨论 . zuihou zanmen yikuair taolun am Ende wir zusammen diskutieren zum Schluss diskutieren wir zusammen. 13 怎么样 ? zenme yang Ist das in Ordnung? 14 这是我的一个建议 zhe shi wo de yige jianyi das [COP] mein ein [CL] Vorschlag Das ist mein Vorschlag 15 不知道合适不合适 . buzhidao heshi bu heshi nicht wissen passen nicht passen ich weiß nicht, ob euch das passt. 16 ehm 17 下面呢我们就请 xiamian ne women jiu qing als Nächstes [PAR] wir dann bitten als Nächstes bitten wir 18 这个第一位来自法国的学者 . zhege diyiwei laizi faguo de xuezhe [DM][ORD] ein [CL] kommen aus Frankreich [ASSOC] Gelehrter den ersten Gelehrten aus Frankreich 19 我先介绍一下啊 wo xian jieshao yixia a ich zunächst vorstellen einmal [PAR] ich stelle ihn zunächst vor Im Vergleich zum Datenausschnitt „ chinesische Anmoderation 01 “ ist der vorliegende durch eine explizite Selbstpositionierung des Moderators (Z. 02 bis 05), eine Angabe zur Zahl der ReferentInnen (Z. 07 und 08) und Regelung der Vortragszeit (Z. 10 bis Z. 15) gekennzeichnet. Die explizite Selbstpositionierung des Moderators geschieht in der Danksagung in Z. 02 bis 05. Als eine respondierende Aktivität bezieht sich die Danksagung auf eine vorausgegangene Handlung des Gegenübers. Der, dem etwas gegeben bzw. geschenkt wird, ist dazu verpflichtet, etwas, zumindest seinen Dank zurückzugeben (vgl. Werlen 2001: 1264). Mit der Danksagung zeigt der Sprecher an, dass er seinen Einsatz als Moderator zu schätzen weiß. Die Tätigkeit, die der Sprecher unternimmt, ist durch den „ purpose marker “ (Lin 2011: 123) „ lai “ in Z. 05 genannt: „ lai wei dajia 78 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="79"?> fuwu “ (wörtlich: um den KonferenzteilnehmerInnen zu dienen). In Z. 07 geht der Moderator seiner Arbeit nach: Er gibt zunächst die Gesamtzahl der ReferentInnen an und geht anschließend auf organisatorische Dinge ein. Danach geht der Moderator zur Vorstellung des ersten Referenten über (Z. 17). Selbstvorstellungen der ModeratorInnen werden anhand des folgenden Ausschnitts illustriert werden. Auf sprachlich-kommunikative Verfahren der Selbstvorstellungen der ModeratorInnen wird in Kap. 6.5 ausführlich eingegangen. Selbstvorstellung (chinesische Anmoderation 03) 01 Mod: 第二场现在开始 . dier chang xianzai kaishi [ORD] zwei [CL] jetzt beginnen die zweite Sektion fängt jetzt an 02 eh 03 我 ` 来介绍一下 wo lai jieshao yixia ich [PM} vorstellen einmal ich stelle einmal vor 04 我是那个 ; wo shi nage ch [COP] [DM] ich bin 05 因为可能有些不知道 yinwei keneng you xie bu zhidao weil vielleicht haben manche nicht wissen da manche mich vielleicht nicht kennen 06 我是那个河海大学社会学系的黄家毅 . wo shi nage hehai daxue shehuixuexi de huang jiayi ich [COP] [DM] Hehai Universität soziologische Fakultät [ASSOC] Huang Jiayi ich bin von der Soziologischen Fakultät der Universität Hehai, und ich heiße Huang Jiayi 07 ehm 08 咱们今天担 zanmen jintian dan wir heute spielen 09 = 担任那个评论人的是我们系的那个王晓明老师 . danren nage pinglunren de shi women xi de nage wang xiaoming laoshi spielen [DM] Kommentator [NOM] [COP] unsere Fakultät [ASSOC] [DM] Wang Xiaming Lehrer heute übernimmt Herr Wang Xiaoming von unserer Fakultät die Rolle des Kommentators 10 (1.0) 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 79 <?page no="80"?> 11 今天 下午 发言 的 有 jintian xiawu fayan de you heute Nachmittag reden [NOM] haben diejenigen, die heute Nachmittag vortragen, sind Der Moderator eröffnet mit der metakommunikativen Äußerung in Z. 01 „ di er chang xianzai kaishi “ (die zweite Sektion fängt jetzt an) die Sektion. Danach beginnt er sich selbst vorzustellen (Z. 03, 04): „ wo lai jieshao yixia wo shi nage “ (Ich stelle mich vor, ich bin. . .), wobei er in einem Einschub in Z. 05 den Grund für seine Selbstvorstellung liefert: „ yinwei keneng you xie bu zhidao “ (da manche mich vielleicht nicht kennen). Nach der Angabe des Grundes für seine Selbstvorstellung setzt der Moderator seine Selbstvorstellung fort. ii) Reduktion der Kernsequenzen Die Kernsequenzen der Anmoderation können nicht nur erweitert, sondern auch reduziert werden. So werden in dem folgenden Ausschnitt das Verkünden des Vortragstitels und der Applaus der ZuhörerInnen nicht vollzogen. Zeitmanagement (chinesische Anmoderation 04) 01 Mod: 下面我们请出第二位鲍强教授 . xianmian women qing chu di er wei baoqiang jiaoshou als Nächstes wir bitten [MM] [ORD] zwei [CL] Bao Qiang Professor nun bitten wir den zweiten Referenten Professor Bao Qiang 02 因为今天开始的时间呢晚了十几分钟 yinwei jintian kaishi de shijian ne wan le shiji fen zhong weil heute Beginn [ASSOC] Zeit [PAR] spät [PFV] Dutzend Minuten weil die Sitzung heute Dutzende Minuten später anfing 03 那么加上等一下我们要留出时间大家提问题 , name jiashang deng yixia women yao liuchu shijian dajia ti wenti [DM] hinzu kommen später wir müssen lassen Zeit alle stellen Fragen und hinzukommt, dass wir nachher Zeit für Fragen brauchen. 04 所以呢我们现在给几位演讲者都说了 suoyi ne women xianzai gei jiwei yanjiang zhe dou shuo le deswegen [PAR] wir jetzt [GEI] einige [CL] Referenten alle sagen [PFV] Deshalb wir allen Referenten bereits mitgeteilt, 05 每个人演讲的时间严格控制在二十分钟之内 . 80 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="81"?> mei ge ren yanjiang de shijian yange kongzhi zai ershi fenzhong zhinei jede [CL] Person vortragen [ASSOC] Zeit streng beschränken auf zwanzig Minuten [ASSOC] innerhalb dass jeder Referent seine Vortragszeit unbedingt auf zwanzig Minute beschränken muss 06 Ref: en 07 各位新老朋友们 gewei xin lao pengyou men jeder neue alte Freund [PL] neue und alte Freunde Mit der Bitte „ women qingchu “ (wir bitten) führt der Moderator den zweiten Referenten ein. Statt Bao vorzustellen und seinen Vortragstitel zu verkünden, kommt der Moderator in Z. 02 auf einen Vorfall in der Sektion zu sprechen: „ yinwei jintian kaishi de shijian ne wan le shiji fenzhong “ (Heute fing die Sitzung Dutzende Minuten später an). Da die Diskussion dennoch stattfinden soll, weist der Moderator die ReferentInnen nachdrücklich auf die für den Vortrag geplante Zeit hin: „ shijian yange kongzhi zai ershi fenzhong zhinei “ (Jeder Referent muss seine Vortragszeit unbedingt auf zwanzig Minuten beschränken, Z. 04 und 05). Den kausalen Zusammenhang zwischen dem verspäteten Beginn der Sitzung und dem Hinweis auf die Vortragszeit signalisiert der Moderator mit den Konjunktionen „ yinwei “ (weil, Z. 02) und „ suoyi “ (deswegen, Z. 04). Dieser Ausschnitt zeigt, dass für die Reduktion der Kernsequenzen eine bestimmte Begebenheit im Panel verantwortlich sein kann, die vom Moderator problematisiert und für die Reduktion relevant gemacht wird. Die Kernsequenzen können auch so reduziert sein, dass sich die Anmoderation zu einem eigenständigen kleinformatigen kommunikativen Muster der Ankündigung der ReferentInnen entwickelt. In solchen Fällen lässt sich, um einen Ausdruck von Schegloff (1986: 133 ff.) zu verwenden, eine „ preemption “ der Situationsherstellung der Vortragseröffnung beobachten. Die „ preemption “ tritt nach Schegloff (1986: 133) in einer reduzierten und beschleunigten Interaktionseröffnung auf, wenn die Interagierenden direkt zu „ initiate first topic or some initial action sequence “ gelangen, „ before the opening has worked itself out in full “ . Ankündigung (chinesische Anmoderation 05) 01 Mod: 下一位演讲的是王梅博士 . xia yi wei yanjiang de shi wang mei boshi nächst ein [CL] vortragen [NOM] [COP] Wang Mei Doktor die nächste Referentin ist Doktor Wang Mei 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 81 <?page no="82"?> Dieser Ausschnitt präsentiert die „ preemption “ der Eröffnung einer Vortragseröffnung, bei der die Kernsequenzen in der Anmoderation drastisch reduziert sind: Der Moderator gibt ausschließlich den Namen „ Wang Mei “ und Titel „ boshi “ (Doktor) der Referentin an, und die Institution der Referentin wird nicht erwähnt. Auch der Applaus der Zuhörer wird nicht realisiert. Nachdem die Kernsequenzen in den chinesischen Anmoderationen, ihre Prä-Expansion und Reduktion vorgestellt wurden, gehe ich im Folgenden auf die Organisationsstruktur der Anmoderationen deutscher Vorträge ein. 4.3.2 Kommunikative Aufgaben der deutschen ModeratorInnen Kommunikative Aufgaben, die die deutschen ModeratorInnen zu bewältigen haben, sind ebenfalls: i) Vorstellen der ReferentInnen ii) Verkünden des Vortragstitels iii) Übergabe des Rederechts an die ReferentInnen Dies zeigt der folgende Datenausschnitt, der einen prototypischen Fall der deutschen Anmoderationen darstellt: Bremen (deutsche Anmoderation 01) 01 Mod: JA ↑ 02 dann bleibt mir zu DANken für den schönen vortrag, 03 den wir gut NACHvollziehen konnten; 04 was auch aus diesem bereich der zürich hochschule der KÜNste, 05 so an der BIldforschung geleistet wird. 06 ich würde JEtzt, 07 DArf ich mich noch mal bedanken bei den referenten aus zürich. 08 Zuh: ((Applaus und akademisches Klopfen)) 09 Mod: ((räuspern))°hh 10 und würde jetzt überLEITen, 11 nachdem wir uns über den bildkontext zu unterHALTen haben- 12 zu einer speziEllen art der fotografie, 13 nämlich PREssefotografie- 14 und darf ihnen VORstellen- 15 frau professor doktor maria MÜLLer- 16 von der JAkobsuniversity aus bremen zu uns gekommen. 17 sie hat da eine profeSSUR für (.) masscommunication, 18 und ehm 82 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="83"?> 19 ihre ihre HAUptschwerpunkte (.) der arbeit sind visuelle massenkommunikation, 20 wahlKAMpagnen in den usa deutschland und europa- 21 institutionelle kommuniKAtion, 22 mit schWERpunkt parlamente- 23 und da interessiert sie besonders RItuale und zeremonien. 24 °h sie hat (.) zwei SEHR schöne und sehr lesenswerte publikationen in den letzten jahren (.) 25 heRAUSgebracht; 26 NÄMlich einmal grundlagen der visuellen kommunikation, 27 und ehm zweitausendFÜNf, 28 ein ehm BANd, 29 der heißt war visions bildkommunikation und KRIEg. 30 und heute will sie SPREchen über pressefotografie aus wissenschaftlicher perspektive; 31 und wir FREUen uns auf den vortrag. 32 Zuh: ((Applaus und akademisches Klopfen)) 33 Ref: JA ↓ 34 ehm erst einmal GANZ herzlichen dank an herrn rauch und die organisatoren für die einladung. Dem präsentierten Ausschnitt geht voraus, dass Fragen der ZuhörerInnen über den vorangehenden Vortrag beantwortet wurden. Mit einem „ JA ↑“ in Z. 01 übernimmt der Moderator das Rederecht vom letzten Referenten und bedankt sich: „ dann bleibt mir zu DANken für den schönen vortrag “ (Z. 02). Mit dem Ausdruck „ dann bleibt mir “ verweist der Sprecher auf seine Rolle als Moderator, der als der Letzte in der Diskussionsrunde spricht und die Diskussion abschließt. Auf den Dank folgt die nonverbale Dankeshandlung der ZuhörerInnen, die mit einem Applaus und einem Klopfen auf den Tisch vollzogen wird (Z. 08). Danach geht der Moderator zur Anmoderation des nächsten Vortrags über. Dies signalisiert er mit den metakommunikativen Äußerungen „ und würde jetzt überLEITen “ (Z. 10) „ zu einer speziEllen art der fotografie “ (Z. 12) „ nämlich PREssefotografie “ (Z. 13). In Z. 14 bis Z. 29 stellt er die Referentin vor, indem er über ihren Titel „ frau professor doktor “ , Vornamen „ maria “ und Nachnamen „ MÜLLer “ , ihre Universität „ JAkobsuniversity “ und ihren akademischen Status „ eine profeSSUR für (.) masscommunication “ , „ ihre HAUptschwerpunkte (.) der arbeit “ und ihre Publikationen informiert. Im Anschluss daran verkündet der Moderator in Z. 30 den Vortragstitel der Referentin „ heute will sie SPREchen über pressefotografie aus wisschenschaftlicher perspektive “ . Mit der Routineformel „ wir FREUen uns auf den vortrag “ in Z. 31 übergibt der Moderator das Rederecht an die Referentin, die die ZuhörerInnen mit einem Applaus und akademischen Klopfen willkommen heißen (Z. 32). Die 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 83 <?page no="84"?> Referentin übernimmt mit einem betonten „ JA “ das Rederecht, bedankt sich für die Einladung und beginnt ihren Vortrag. 19 Das Vorstellen der ReferentInnen, das Verkünden des Vortragstitels und die Übergabe des Rederechts an die ReferentInnen machen die Kernsequenzen in den Anmoderationen von deutschen Vorträgen aus, und der sequenzielle Ablauf dieser Aktivitäten sedimentiert sich zu einem kommunikativen Muster. Wie in den chinesischen Anmoderationen finden sich die Expansion und Reduktion der Kernsequenzen auch in den deutschen Anmoderationen. i) Prä-Expansion der Kernsequenzen Die Prä-Expansion dient ebenfalls der Eröffnung der Sektion. Dabei finden in der Regel eine explizite Selbstpositionierung der ModeratorInnen, eine Angabe der Gesamtzahl der ReferentInnen und eine Ansage der organisatorischen Dinge statt. In den deutschen Daten kommt die Selbstvorstellung der ModeratorInnen nur einmal vor. Der Moderator im folgenden Ausschnitt verweist mit der Äußerung „ hier auch eine (-) SItzung moderieren zu dürfen “ (Z. 04) explizit auf seinen Teilnehmerstatus als Moderator: Meine Damen und Herren (deutsche Anmoderation 02) 01 ((Geplauder und Geräusche im Hintergrund)) 02 Mod: meine DAmen und HERRen, 03 ich (.) FREUe mich- 04 hier auch eine (-) SItzung moderieren zu dürfen. Da auf die sprachlichen Mittel der Selbstvorstellung des Moderators in Kap. 6.5 eingegangen wird, soll an dieser Stelle die Selbstvorstellung der ModeratorInnen nur exemplarisch aufgezeigt werden. Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 04 Mod: meine DAmen und herren, 05 ich habe die ehrenvolle AUFgabe ihnen heute morgen- 06 in der ersten sektion die (.) referenten VORzustellen, 07 ehm möchte aber AUCH die gelegenheit nutzen- 08 vielleicht doch aus EIgener perspektive ein zwei worte zu sagen, 09 da ich eh so sozusagen zu einem älteren foSSIL der fotogeschichte gehöre- 10 und ich also mit großer FREUde sehe- 11 WELche entwicklung die fotografie und fotografiegeschichte; 19 Zu Eröffnungssequenzen in den deutschen Konferenzvorträgen siehe Günthner/ Zhu (2014). 84 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="85"?> 12 und AUCH die- 13 ºh anderen disZIplinen die auch heute ja ins spiel kommen sich entwickelt haben. 14 ich habe in den siebziger jahren KUNstgeschichte studiert. Nachdem der Moderator in Z. 06 seine Aufgabe in der Sektion genannt ( „ in der ersten sektion die (.) referenten VORzustellen “ ) und sich als Moderator explizit positioniert hat, führt er keine Anmoderation durch, sondern stellt sich vor (ab Z. 08). ii) „ Insert-expansion “ der Kernsequenzen Die Kernsequenzen können auch mitten innerhalb der Anmoderation expandiert werden, so dass eine Art „ insert-expansion “ (Schegloff 2007 a: 97) zu beobachten ist. Um Ruhe bitten (deutsche Anmoderation 04) 01 Mod: JA. 02 ich darf ihnen jetzt den LETZten referenten unseres vormittags vorstellen; 03 doktor ((räuspern)) henrik SCHNEIder, 04 ºh der HIER in bielefeld an der universität, 05 eh an der fakultät sozioloGIE tätig ist. 06 er hat in vor VORlauf sozusagen zu dieser au ausbildung zu dieser tätigkeit- 07 ºh sozioloGIE und inforMAtik und poliTIKwissenschaft in HAMburg studiert; 08 ist DANN eh- 09 als studentischer MITarbeiter in be em be ef projekt hislo integrierte soziologie- 10 an der universität HAMburg tätig gewe: sen. 11 ((Geräusche im Hintergrund)) 12 °hh 13 ich mach glaube ich MACH zwei sekunden pause- 14 weil es gibt jetzt DERmaßen UNruhe. 15 (5.0) 16 ehm 17 entSCHLIEßen sie sich bitte- 18 ob sie, 19 (2.0) 20 JA. 21 wäre ganz SCHÖN, 22 JA. 23 wäre ganz SCHÖN, 24 wenn sie sich sozusagen mit dem REINgehen und AUSgehen sortieren würden. 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 85 <?page no="86"?> 25 (3.0) 26 ehm 27 (2.0) 28 ehm 29 <<f> DARf ich sie darum bitten> 30 dass sie sich sozusagen entSCHEIden- 31 ob sie GEHen oder bleiben; 32 weil es momentan DOCH etwas UNruhig; 33 und ich möchte das NICHt zulassen von dem PASSen und gehen lassen. 34 (1.0) 35 eh darf ich dann um allgemeine RUHE bitten. 36 das ISt, 37 DENke ich ehm- 38 wäre GANZ angemessen. 39 ALSO NOchmals von vorne, 40 falls das untergeGANGen ist. 41 ich möchte ihnen doktor henrik SCHNEIder vorstellen. Dieser Ausschnitt fällt dadurch auf, dass der Moderator die Vorstellung des Referenten „ doktor henrik SCHNEIder “ , die in Z. 02 angekündigt wird, in Z. 12 abbricht. Es treten lange Sequenzen auf (Z. 13 bis Z. 38), in denen der Moderator versucht, für seine Anmoderation Ruhe herzustellen und Aufmerksamkeit zu bewirken. Erst ab Z. 39 gelingt es ihm, die Vorstellung des Referenten nochmals anzukündigen und mit dem regulären Ablauf der Anmoderation wieder zu beginnen. Die dazwischen eingesetzte „ insertexpansion “ wird gerahmt einerseits durch eine metakommunikative Pausensetzung „ ich mach glaube ich MACH zwei sekunden pause “ (Z. 13) und andererseits durch die Ansage der wiederhergestellten Ordnung „ wäre GANZ angemessen “ (Z. 38), die die Durchführung der Anmoderation ermöglicht. Der Abbruch der Vorstellung wird verursacht durch einen Vorfall, den der Moderator in Z. 14 problematisiert und für den Abbruch relevant macht: „ es gibt jetzt DERmaßen UNruhe “ . Mit der Äußerung „ ich mach glaube ich MACH zwei sekunden pause “ zeigt der Moderator an, dass er vorsieht, so bald wie möglich mit der abgebrochenen Vorstellung wieder zu beginnen. Wie Z. 15 bis 38 zeigen, dauert es jedoch eine Weile, bis die Voraussetzung für die Durchführung der Anmoderation geschaffen ist. So macht der Moderator zunächst in Z. 15 eine längere Pause von fünf Sekunden. Da es immer noch Geräusche gibt, setzt er verbale Mittel ein, um eine Beruhigung der Situation herzustellen. Hierbei verwendet er in Z. 17 einen Imperativ, der die ZuhörerInnen direkt adressiert: „ entSCHLIEßen sie sich bitte “ , wobei die Bezugshandlung nicht verbalisiert wird. Diese bringt der Moderator nach zwei Sekunden auf eine höfliche Weise zum Ausdruck, indem er in Z. 21 bis 24 den Konjunktiv II verwendet: „ wäre ganz SCHÖN, wenn sie sich sozusagen mit dem REINgehen und AUS- 86 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="87"?> gehen sortieren würden “ . Dabei weist der Moderator die Studierenden explizit auf den störenden Faktor hin und konkretisiert diesen zugleich ( „ REINgehen und AUSgehen “ ). Die wiederholte auftretende Kombination von einer Pause und einer anschließenden Zögerungspartikel „ ehm “ in Z. 25 bis 28 bringt die Ungeduld bzw. die Nervosität auf Seiten des Moderators zum Ausdruck, die in Z. 29 mittels einer direkten Bitte explizit wird: „ <<f> DARf ich sie darum bitten> “ . Die Eindringlichkeit der Bitte wird prosodisch durch eine erhöhte Lautstärke markiert. Während der Moderator in Z. 24 mit dem Konjunktiv II die Studierenden zu einer Entscheidung zu bringen versucht, was allerdings scheitert, stellt er mit der direkten Bitte in Z. 29 eine Art Ultimatum: „ <<f> DARf ich sie darum bitten> dass sie sich sozusagen entSCHEIden ob sie GEHen oder bleiben “ . Im Anschluss daran verstärkt der Moderator mit der Modalpartikel „ DOCH “ nachdrücklich nochmals den störenden Faktor: „ weil es momentan DOCH etwas UNruhig “ (Z. 32). In Z. 33 bringt er seine subjektive Einstellung zu diesem Vorfall zum Ausdruck: „ ich möchte das NICHt zulassen von dem PASSen und gehen lassen “ . Das „ dann “ in Z. 35 markiert, dass die subjektive Einstellung des Sprechers als der Grund für die Bitte in Z. 35 zu verstehen ist: „ darf ich dann um allgemeine RUHE bitten “ . Da die „ allgemeine RUHE “ in Z. 39 geschaffen ist (im Hintergrund sind keine Geräusche mehr zu hören), kündigt der Moderator den Wiederbeginn der Anmoderation an ( „ ALSO NOchmals von vorne “ ). Dieser Ausschnitt zeigt, dass die „ insert-expansion “ der Anmoderation durch einen Zwischenfall verursacht wird, der die Durchführung der bereits ablaufenden Anmoderation beeinträchtigt. Die „ insert-expansion “ konstituiert sich aus einer Reihe von Pausen, einer Problematisierung bzw. Relevantsetzung des Vorfalls, einer indirekten Bitte mittels Imperativs, einer prosodisch markierten direkten Bitte und einer Begründung der Bitte. Mit diesen „ insert-Sequenzen “ versucht der Moderator mehrmals, diesen Vorfall zu managen und die Studierenden zur Wiederherstellung der Ordnung zu bringen. Die „ insert-Sequenzen “ reichen soweit, wie es für die Herstellung der für die Durchführung der Anmoderation angemessenen Situation ( „ allgemeine RUHe “ ) erforderlich ist. iii) Reduktion der Kernsequenzen Die „ preemption “ (Schegloff 1986: 133) der Anmoderation ist in den folgenden Datenausschnitten zu beobachten. Keine lange Vorstellung (deutsche Anmoderation 05) 01 Mod: GUT. 02 dann GANZ herzlichen dank noch einmal herr meyer; 03 Zuh: ((auf den Tisch klopfen)) 04 Mod: wir kommen JEtzt zum vortrag von jan müller, 4.3 Eine erste Annäherung an die Anmoderationen 87 <?page no="88"?> 05 (1.0) 06 daMIT zum gesprochenen deutsch, 07 überLEgung zu einer grammatischen Konstruktion im deutschen. 08 ((Technische Einstellung für 20.0 Sekunden)) 09 Ref: JA ↓ 10 ich freue mich sehr HERZlich- 11 =ehm 12 ich freue mich SEHR (.) <<lacht>über die einladung> Der Moderator kündigt den Referenten „ jan müller “ lediglich an, die Anmoderation ist um alles andere reduziert, wobei der Applaus von Seiten der ZuhörerInnen ebenfalls ausbleibt. 4.3.3 Vergleich der Aufgaben chinesischer und deutscher ModeratorInnen Die Anmoderationen der chinesischen und deutschen Konferenzvorträge weisen eine ähnliche Struktur auf, in der sich die Kernsequenzen der Anmoderationen entfalten: i) Vorstellen der ReferentInnen ii) Verkünden des Vortragstitels iii) Übergabe des Rederechts an die ReferentInnen Aus diesen Kernsequenzen hat sich sowohl im chinesischen und als auch im deutschen „ kommunikativen Haushalt “ (Luckmann 1986: 206) je ein kommunikatives Muster sedimentiert, an dem sich die ModeratorInnen bei der Durchführung der Anmoderation orientieren. In den chinesischen und den deutschen Anmoderationen wird die Eröffnung der Vortragssektion in der Prä-Expansion der Kernsequenzen ausgeführt. Die Kernsequenzen können so reduziert werden, dass sich das kommunikative Muster der Anmoderation zum kleinformatigen kommunikativen Muster der Ankündigung der ReferentInnen entwickelt. Kommunikative Gattungen und Muster weisen einen dynamischen Charakter auf und repräsentieren flexible Erwartungsmuster (s. Kap. 3.2.3.). Die Analysen der Datenausschnitte „ Zeitmanagement (chinesische Anmoderation 04) “ und „ Um Ruhe bitten (deutsche Anmoderation 04) “ zeigen, dass konkrete Begebenheiten und Vorfälle Optionen nahelegen, innerhalb derer ein Variationsspielraum entsteht, in dem die ModeratorInnen vom kommunikativen Muster der Anmoderation abweichen. Dieses Untersuchungsergebnis macht plausibel, was Günthner (2011 b) zu „ emergence and sedimentation “ von kommunikativen Gattungen sowie Mustern anmerkt: 88 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="89"?> Communicative patterns (from grammatical to textual formats) oscillate between processes of local, context bound emergence on the one side and sedimentation, stemming from repeated use in interaction, on the other. It is this dynamic interplay between habitual, routinized ways of communication and the improvised, contingent, and emergent features which characterizes communicative practice in general. (Günthner 2011 b: 181) 4.4 Die projektive Eigenschaft des kommunikativen Musters der Anmoderationen Die Anmoderation des Konferenzvortrags dient der Situationsherstellung der Vortragseröffnung. In der Anmoderation werden interaktive Voraussetzungen für die Vortragseröffnung geschaffen, die als Merkmale der interaktiven Realisierungsebene der Anmoderation zu verstehen sind. Zu diesen zählen die Kontaktaufnahme der Konferenzbeteiligten, die Identifikation und Identitätskonstitution der ReferentInnen, die Teilnehmerkonstellation der Konferenzbeteiligten und die Rederechtszuweisung. Die Merkmale auf der binnenstrukturellen Ebene beziehen sich auf diejenigen sprachlichen Mittel und kommunikativen Verfahren, die zur Konstitution der Merkmale der interaktiven Realisierungsebene und somit zur Durchführung der Anmoderation eingesetzt werden. Da die Anmoderation eines Konferenzvortrags eine Sprechsituation markiert, in der wesentliche Leistungen für das Zustandekommen einer nachfolgenden Kernaktivität (Vortrag) hervorgebracht werden, dient sie keinem Selbstzweck, sondern trägt die „ non-terminality “ (Schegloff 1968: 1081). So hat eine ReferentIn im Anschluss an eine Anmoderation die Pflicht, das Rederecht zu übernehmen und seinen Vortrag zu halten. Die ModeratorIn und die ZuhörerInnen werden das Publikum des Vortrags, das dazu verpflichtet ist, verbale Handlungen einzustellen, alle Aufmerksamkeit der ReferentIn zu widmen und deren Vortrag zuzuhören. Die Kernsequenzen in der Anmoderation stellen vorbereitende Momente dar, die die Vortragseröffnung projizieren und das „ Zur-Sache-Kommen “ stufenweise herbeiführen. In diesem Sinne weist die Anmoderation eine „ rekurrente Vorverweisstruktur “ (Hausendorf/ Schmitt 2010: 94) bzw. eine projektive Eigenschaft in Bezug auf einen nachfolgenden Vortrag auf. Somit kann das Muster der Anmoderation, in Analogie zu „ projektiven Gattungen “ (Luckmann 2012: 35) und „ projective constructions “ (Günthner 2011 b: 161), als ein projektives kommunikatives Muster bezeichnet werden. Der Übergang von der Anmoderation zur Vortragseröffnung wird oftmals von nonverbalen Handlungen der ZuhörerInnen markiert: In den chinesischen Anmoderationen klatschen die ZuhörerInnen Beifall, während die ZuhörerInnen in den deutschen Anmoderationen zudem manch- 4.4 Die projektive Eigenschaft des kommunikativen Musters 89 <?page no="90"?> mal noch auf den Tisch klopfen. Das „ semiotic spanning “ (Ventola 1999, 2002) zwischen der Anmoderation und dem vorverwiesenen Vortrag ist dem Zusammenhang zwischen einer präparierenden Einführungsrede und einem Gastvortrag (Beetz 1985) insofern ähnlich, als die Anmoderation nicht unabhängig vom Vortrag existiert und nur zusammen mit dem Vortrag „ einen gesellschaftlich akzeptierten Veranstaltungstyp “ (Beetz 1985: 29) ergibt. Die Aufgaben der ModeratorInnen und die damit einhergehende situationsherstellende Funktion der Anmoderation legen nahe, dass die ModeratorInnen in den Anmoderationen von Konferenzvorträgen und die SprecherInnen in Einführungsreden zu Gastvorträgen das Gleiche zu erledigen haben: Die Aufgabe des Einführenden besteht vordergründig darin, die Aufmerksamkeit der Hörer auf die folgende, einen längeren Zeitraum beanspruchende Hauptinformation durch Vorinformation zu lenken sowie durch Aufmerksamkeitsfokussierung Erwartungen vorzustrukturieren. Die durch Titel und Namen des Referenten auf der schriftlichen Vorankündigung geweckten Erwartungen hat der Einführungsredner zu präzisieren, das Vorwissen der Hörer zu aktualisieren, eventuell auch Neues in Aussicht zu stellen. (Beetz 1985: 30) Nachdem der Zweck der Anmoderation des Konferenzvortrags bestimmt und das kommunikative Muster der Anmoderation präsentiert wurden, gehe ich in den folgenden Kapiteln auf die einzelnen Kernsequenzen in den Anmoderationen und die sprachlich-kommunikativen Verfahren ein, mit denen dieses Muster realisiert wird. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, wie die ModeratorInnen Kontakt mit ZuhörerInnen auf der einen Seite und mit ReferentInnen auf der anderen Seite aufbauen und die Teilnehmerkonstellation der Interagierenden konstituieren (Kap. 5). Es folgt eine Analyse der Vorstellung der ReferentInnen, die eine zentrale Aufgabe der ModeratorInnen ausmacht (Kap. 6). Dass die ModeratorInnen die ReferentInnen lobend und würdigend vorstellen, wird in Kap. 7 näher beleuchtet. Den Schluss des empirischen Teils bildet die Analyse der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation (Kap. 8). 90 4. Anmoderation: Situationsherstellung der Vortragseröffnung <?page no="91"?> 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte In diesem Kapitel stehen die Teilnehmerkonstellation der Anmoderation und die Kontaktaufnahme der Interagierenden im Mittelpunkt. Analysiert werden ferner Verfahren und sprachliche Mittel der sprachlichen Bezugnahme auf die Interagierenden. Dabei wird gezeigt, dass die Teilnehmerkonstellation der Anmoderation einen dynamischen Charakter aufweist (Kap. 5.1). Bei der Konstitution der Teilnehmerkonstellation verwenden die ModeratorInnen verschiedene sprachlich-kommunikative Verfahren, um die Interagierenden differenziert zu adressieren und deren unterschiedliche Beteiligungsrollen herzustellen (Kap. 5.2). 5.1 Teilnehmerkonstellation der Anmoderation Eine Analyse der Teilnehmerkonstellation in der Anmoderation betrifft die Bestimmung des Teilnehmerstatus. Der Teilnehmerstatus bezieht sich auf das Verhältnis der Interagierenden zueinander und zu ihren Äußerungen (vgl. Günthner/ Knoblauch 1994: 707). Linguistische Untersuchungen des Teilnehmerstatus gehen wesentlich auf den Aufsatz „ Footing “ von Goffman (1979) zurück, in dem dieser verschiedene Beteiligungsrollen der Interagierenden nennt. 20 Aufschlussreich für die vorliegende Arbeit sind Goffmans Unterscheidungen, die er zur Beschreibung der Beteiligungsrollen der HörerInnen getroffen hat. So unterscheidet er (1981: 131) einen „ ratified participant “ von einem „ unratified participant “ . Nach Goffman (1981: 131 f.) kann ein „ unratified participant “ auf zwei Weisen einem Gespräch folgen: i) als „ eavesdropper “ , der sich bemüht, dem Sprecher und dem „ ratified participant “ zuzuhören; ii) als „ overhearer “ , der „ unintentionally and inadvertently “ mithört (vgl. auch Levinson 1988: 169). Im Gegensatz zum „ unratified participant “ hat der „ ratified participant “ einen offiziellen Status in einer sozialen Situation. Bei den „ ratified participants “ unterscheidet Goffman (1981: 131) zwischen einem „ addressed recipient “ und einem „ unadressed recipient “ : Der Erstgenannte bekommt im Vergleich zum Letzteren die visuelle Aufmerksamkeit des Sprechers 20 Siehe Goffman (1974/ 2004) und Vornberger (2008). <?page no="92"?> und erhält von diesem auch das Rederecht. In einem Zwei-Personen- Gespräch ist der „ ratified participant “ notwendigerweise der „ addressed recipient “ (vgl. Goffman 1981: 132). Goffmans Differenzierungen der verschiedenen Zuhörertypen legen nahe, dass „ the notion of hearer or recipient rather crude “ (Goffman 1981: 137) zu nennen ist und der Teilnehmerstatus der HörerInnen als vielfältig und komplex verstanden werden muss: „ [T]wo-person encounters [. . .] are not the only kind; three or more official participants are often found. “ (Goffman 1981: 133) In Anlehnung an Goffmans Differenzierungen der verschiedenen Zuhörertypen beschäftigen sich Clark und Carlson (1982) ebenfalls mit verschiedenen nuancierten Teilnehmerrollen der HörerInnen und zeigen: „ [I]n conversations involving more than two people, most utterances are intended to be understood not only by the people being addressed, but also by the others. “ (Clark/ Carlson 1982: 332) Für Analysen solcher Interaktionen ist „ a drastic revision of the notion of addressee “ (Clark/ Carlson 1982: 336) notwendig und beide Autoren unterscheiden zwischen „ linear and lateral addressees “ (Clark/ Carlson 1982: 336). Mittlerweile wird in der einschlägigen Literatur immer wieder aufgezeigt, dass das traditionelle dyadische Zwei-Parteien-Kommunikationsmodell für die Beschreibung und Kennzeichnung des Teilnehmerstatus natürlich situierter Interaktionen ungenügend ist (siehe u. a. Günthner 2000: 76; Bellmann 1990; Weinrich 2000). So kommt Levinson (1988) in seinen Studien über „ participant roles “ zu dem Ergebnis, dass „ participant roles more specialized than simple speaker (first person) and addressee (second person) “ (Levinson 1988: 182) sind, so dass AnalytikerInnen „ more categories of participant role “ (Levinson 1988: 164) benötigen. Das traditionelle Sprecher-Hörer-Modell ist für die Analyse der Teilnehmerkonstellation der Anmoderation eines Vortrags insofern nicht ausreichend, als es sich bei der Anmoderation um eine Mehrparteieninteraktion handelt, in der drei Parteien interagieren: i) eine ModeratorIn ii) ZuhörerInnen iii) eine vorzustellende ReferentIn Die ModeratorIn wird von einer „ dachgebenden Institution “ (Hohenstein 2006: 175) 21 , von der Konferenz, ernannt und verfügt über ein exklusives Rederecht. In diesem Sinne handelt es sich bei der Anmoderation eines Vortrags um einen „ monologischen Moderationstyp “ (Schlickau 1996: 105). 21 Die „ dachgebende Institution “ der Konferenz legt „ die objektive Seite des Handlungsraums wie Vortragsort, -zeit, -dauer und -thema sowie die vortragenden S “ (Hohenstein 2006: 175) fest. 92 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="93"?> Kennzeichnend für die Teilnehmerkonstellation der Anmoderation ist es, dass sich deren Publikum zum einen aus ZuhörerInnen und zum anderen aus ReferentIn konstituiert. Beide Parteien haben einen „ official status as ratified participants “ (Goffman 1981: 45), unterscheiden sich jedoch dadurch, dass die ZuhörerInnen von der ModeratorIn direkt angeredet und die ReferentIn dagegen lateral adressiert werden. 22 Linguistik-turn (deutsche Anmoderation 06) 01 Mod: ich stelle IHnen (.) 02 zuNÄCHst herrn professor doktor, 03 keppler RALf keppler vor, 04 er kommt aus BERlin zu uns und ist dort- 05 ehm am FACHbereich erziehungswissenschaft und psychologie (.) tätig. Wie dieser Ausschnitt zeigt, sind drei Parteien mit verschiedenem Teilnehmerstatus an der Anmoderation beteiligt: i) ein Moderator, also der Sprecher „ ich “ (Z. 01), ii) ZuhörerInnen, die mit dem Personalpronomen „ IHnen “ in Zeile 01 direkt angesprochen werden, iii) der vorzustellende Referent, der mit „ herrn professor doktor “ in Z. 02, „ keppler RALf keppler “ in Z. 03 und „ er “ in Z. 04 lateral adressiert wird. Eine solche Trias der Konferenzbeteiligten ist auch in der chinesischen Anmoderation zu beobachten: Doktorandenbetreuer (Chinesische Anmoderation 06) 01 Mod: ^ 下面呢 ; xiamian ne als nächstes [PAR] als nächstes 02 我们很 ^ 隆重地向大家介绍 women hen longzhong de xiang dajia jieshao wir sehr feierlich [CSC] gegenüber allen vorstellen wir stellen Ihnen sehr feierlich vor 03 我们 ^ 第二位大会报告发言人 , women dier wei dahui baogao fayanren unser [ORD] zweit [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren zweiten Referenten 22 Davon abweichend ist, dass in manchen deutschen Anmoderationen die Vortragenden in der Anmoderationsbeendigung direkt adressiert werden (siehe Kap. 8). 5.1 Teilnehmerkonstellation der Anmoderation 93 <?page no="94"?> 04 来自 ^ 东方大学中文系的 laizi dongfang daxue zhongwenxi de kommen von Dongfang Universität Chinesischabteilung [ASSOC] 05 刘大为教授 . liudawei jiaoshou Liu Dawei Professor Professor Liu Dawei von der Fakultät für Chinesisch an der Universität Dong fang. Der Sprecher übernimmt die Beteiligungsrolle des Moderators. Die ZuhörerInnen sind die mit „ dajia “ (alle) in Z. 02 direkt angesprochenen Anwesenden; der Referent wird mit „ women di er wei dahui baogao fayanren “ (unser zweiter Referent) in Z. 03 und „ liu dawei jiaoshou “ (Professor Liu Dawei) in Z. 05 indirekt adressiert. Die Dreierkonstellation „ ModeratorIn - ZuhörerInnen - ReferentIn “ bringt es mit sich, dass das traditionelle dyadische Zwei-Parteien-Kommunikationsmodell der Komplexität, mit der die Konferenzteilnehmer- Innen die Anmoderation durchführen, nicht gerecht wird. Die chinesischen und die deutschen Anmoderationen haben ein multiples Publikum, in dem zwischen ZuhörerInnen und ReferentInnen unterschieden werden muss. 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation Ein gewichtiger Indikator für die Teilnehmerkonstellation der Anmoderation ist die sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden. Sowohl die chinesischen als auch die deutschen ModeratorInnen verwenden drei Verfahrenstypen, mit denen sie sprachlich differenziert auf die Beteiligten Bezug nehmen: i) Selbstreferenz der ModeratorInnen ii) laterale Adressierung der ReferentInnen iii) direkte Anrede der ZuhörerInnen einerseits und der Beteiligten an der Anmoderation andererseits. Im Folgenden werden zunächst Prinzipien der „ organization of reference to persons “ (Sacks/ Schegloff 1979) bzw. der „ reference in conversation “ (Enfield 2013) erläutert (Kap. 5.2.1). Im Anschluss daran werden die Verfahren der sprachlichen Bezugnahme auf die ModeratorInnen und ReferentInnen untersucht (Kap. 5.2.2). Schließlich folgt die Analyse der direkten Anrede des Publikums und der ZuhörerInnen (Kap. 5.2.3). 94 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="95"?> 5.2.1 Personale Referenz in der Anmoderation In der personalen Referenz wird zwischen der Referenz auf dritte Person ( „ third party reference “ , Schegloff 2007 c: 147) und der Selbstreferenz ( „ selfreference “ , Schegloff 1996: 442, 2007 c; Lerner/ Kitzinger 2007 b) unterschieden. Als eine dritte Person bezeichnet Schegloff (2007 b: 437) InteraktionspartnerInnen „ other than speaker and targeted recipient “ , wobei der „ targeted recipient “ vom Sprecher direkt angeredet wird und als ein Adressat interagiert. Die dritte Person ist der „ Gegenstand der Rede “ (Hartmann 1972: 287) und „ entit[y] spoken about “ (Mühlhäusler/ Harré 1990: 62). Die Referenz auf eine dritte Person wird auch „ laterale Adressierung “ genannt. Diese bezeichnet Bayer (1982: 805) als die „ Nennung einer Person/ Personengruppe in einem Gespräch (Dialog, Vortrag. . .) in ihrer Anwesenheit, ohne sie direkt anzusprechen, aber doch auf sie eingehend “ . Mit der Referenz auf eine dritte Person wird diese Person zum Gesprächsgegenstand gemacht, auf den die Interagierenden ihre Aufmerksamkeit ausrichten: Reference is a way of relating to another person. In perhaps its barest form, referring consists of literally pointing to something in order for two people to share attention on that thing, for some interactional purpose. For instance, a child points to a toy in order to get someone to pass it; or I direct your attention to a museum exhibit so that we may appreciate it [. . .] In making reference, whether to a person, place, object, time, or other ontological category, a speaker must select from a variety of lexical and gestural possibility. Reference is therefore a matter of selection, whether lexical or otherwise [. . .] when we say that a speaker makes reference to something in interaction, we mean that the speaker establishes or maintains a communicative focus on some entity, usually in order to say something about it. (Enfield 2013: 433; kursiv im Original; vgl. auch Thimm 2003: 77; Clark/ Bangerter 2004: 41 ff.) Schegloff (1996) unterscheidet zwischen verschiedenen sequentiellen Positionen ( „ locally initial vs. locally subsequent reference occasions or positions “ ) und sprachlichen Formen der personalen Referenz ( „ locally initial vs. locally subsequent reference forms “ ): Whenever a reference is introduced into the talk, we can distinguish the ‘ slot ’ (so to speak) in which it was done from the form which was used to do it. It is not that the occasion need be specifiable independent of the doing of a reference (not, then, ‚ slot ‘ in that strong sense); only that the doing of a reference entails that there was an occasion or position for doing it, an occasion analytically distinguishable from the particular form used to accomplish it. (Schegloff 1996: 450 ff.) 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 95 <?page no="96"?> Die initiale Referenzposition beziehen sich auf „ the first time in a spate of talk that some person is referred to and subsequent occasions in that spate of talk in which that person is referred to “ (Schegloff 1996: 450). Die initialen Referenzformen sind z. B. Nominalphrasen und Personennamen. Nach Schegloff (1996: 450) ist es unmarkiert, dass die initialen Referenzformen in einer initialen Position, und die subsequenten Referenzformen in einer subsequenten Position verwendet werden. Schegloff (1996, 2007 b) geht ausführlich auf die Organisation der personalen Referenz ein und kommt zu dem Ergebnis, dass die sprachlichen Formen der personalen Referenz neben einer einfachen Referenz ( „ simple reference “ , Schegloff 1996: 439) weitere Aktivitäten initiieren: some instances of so-called ‘ terms of reference ’ , ‘ references ’ , and the like are, on some occasions, not doing ‘ referring, ’ and it will be awkward if we continue to refer to them as ‘ references ’ or ‘ reference forms ’ or any phrase in which that word figures. So we will instead employ ‘ mention ’ as the usage deployed by speakers to signify or betoken a person or persons, and then specify the character of that signifying/ betokening as referring, identifying, categorizing, describing, formulating, etc. Accordingly, ‘ person-reference ’ will only be appropriate when one is proposing and/ or showing that a speaker was using some mention to ‘ do referring; ’ it will not be appropriate to use that term when the same mention (which might elsewhere have been used to do referring) is being used to ‘ do categorizing ’ (or describing or formulating, etc.). (Schegloff 2007 b: 434 - 435, kursiv im Original) Da mit den sprachlichen Mitteln der personalen Referenz eine Reihe von Aktivitäten vollzogen werden kann, sind folgende Fragen bei der Analyse der Organisation der personalen Referenz mit zu beantworten: How do speakers do reference to persons so as to accomplish, on the one hand, that nothing but referring is being done, and/ or on the other hand that something else in addition to referring is being done by the talk practice which has been employed? Relatedly, how is talk analyzed by recipients so as to find that ‘ simple ’ reference to someone has been done, or that referring has carried with it other practices and outcomes as well? (Schegloff 1996: 439; kursiv im Original) Im Rahmen der Konversationsanalyse wird die personale Referenz häufig mit Bezug auf die „ membership categorization “ (Mitgliedschaftskategorisierung) und „ membership categorization devices “ (Kategorienkollektionsbezeichnungen) 23 (Sacks 1972 a,b, 1992; vgl. auch Schegloff 2007 b) untersucht. Zudem findet sich immer wieder der Verweis auf den Aufsatz 23 Die deutschen Übersetzungen stammen von Thimm (2003: 74). 96 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="97"?> von Sacks/ Schegloff (1979). 24 Nach beiden Autoren orientieren sich die Interagierenden bei der personalen Referenz an zwei Präferenzen. Die eine ist die „ minimization “ : „ On occasions when reference is to be done, it should preferredly be done with a single reference form. “ (Sacks/ Scheloff 1979: 16) Die andere ist die „ recognition “ : „ If they are possible, prefer recognitionals. By ‘ recognitionals ’ we intend, such reference forms as invite and allow a recipient to find [. . .] who [. . .] is being referred to. “ (Sacks/ Scheloff 1979: 17). Diese Prinzipien werden in weiteren Studien revidiert und ergänzt (Schegloff 2007 a; Levinson 2007; Brown 2007; Enfield 2013). So listet Schegloff (2007 b) folgende Regeln auf, die in der Referenz auf eine dritte Person am häufigsten zu beobachten sind: 1. There is a dedicated terminology for speaker and targeted recipient(s): I, you and their grammatical variants (me, mine . . ., You, your . . .). 2. For others than speaker and targeted recipient(s), on non-initial occasions of mention, pronouns can be used to do referring. As stated here, this is far too gross. In practice, the domain relative to which ‘ initial/ non-initial occasion of mention ’ is figured implicates assessment by the participants in a fashion which is far from mechanical. 3. For others than speaker and targeted recipient(s), on initial occasions of mention, if recipient(s) are figured to know, or know of, the one(s) to be mentioned, then referring may be done by using a/ the name by which recipient(s) are figured to know, or know of, that one(s), or by some description by which recipient(s) are figured to know, or know of, that one(s) - with name being preferred to recognitional description, if possible. This is reflexive in the sense that using personal name to refer to a co-present person can show that that person is not targeted recipient or addressee. 4. For others than speaker and targeted recipient(s), on initial occasions of mention, if recipient(s) are figured not to know, or know of, the one(s) to be mentioned, then (some) category term(s) can be used to do referring. 5. For others than speaker and targeted recipient(s), on initial occasions of mention, if recipient(s) are figured not to know, or know of, the one(s) to be mentioned, then topicor activity-relevant descriptions can be used to do referring. (Schegloff 2007 b: 437 f.; kursiv im Original) Enfield (2013) erstellt eine „ summary of preference type principles for reference to persons “ : (i) Design the expression for the recipient a. achieve recognition b. invoke or display relationship proximity/ type 24 Zu klassischen konversationsanalytischen Arbeiten über die personale Referenz siehe Lerner/ Kitzinger (2007 a). 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 97 <?page no="98"?> (ii) Minimize the expressive means a. use a single referring expression b. use a name rather than description c. use only one name from a binomial if possible (iii) Fit the expressive format to the action being performed (iv) Observe local cultural/ institutional constraints (v) Associate the referent explicitly with one of the speech participants. (Enfield 2013: 443) Die ersten beiden Präferenzen ähneln der „ minimization “ und „ recognition “ bei Sacks/ Schegloff (1979). Mit der dritten Präferenz ist gemeint, dass die Referenzformen insofern noch „ additional information “ (Enfield 2013: 437) enthalten, als über eine einfache Referenz hinaus weitere Aktivitäten vollzogen werden. Während Schegloff (1996: 439) dafür argumentiert, dass es markierte Referenzformen sind, die mehr als eine einfache Referenz initiieren, zeigt Enfield (2007), dass unmarkierte Referenzformen, die „ default formulations “ , ebenfalls Ressourcen zur Durchführung mehrerer Aktivitäten darstellen. Die vierte Präferenz, die von Levinsons (2007: 31) „ local constraints (CIRCUMSPECTION) “ abgeleitet wird, besagt, dass die soziokulturellen Konventionen die Organisation der personalen Referenz beeinflussen und in die Analysen mit einbezogen werden müssen. Die Verhältnisse von Sprache, Kultur und Verfahren der personalen Referenz sind in empirischen sprach- und kulturkontrastiven Studien näher zu beleuchten: Yet, despite the fact that person reference has this centrality, the empirical study of person reference in natural conversation - the central genre of language use - has been curiously neglected, particularly from a crosscultural perspective that might throw much light on the relation between culture, social structure and language use. (Stivers/ Enfield/ Levinson 2007: 1) Die letzte Präferenz stammt von Brown (2007) und besagt, dass Sprecher- Innen bei der personalen Referenz ihre Beziehung zu ReferentInnen auf der einen Seite und die Beziehung der ReferentInnen und der AdressatInnen zueinander auf der anderen Seite berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der konversationsanalytischen Studien zur personalen Referenz wird bei der Untersuchung der Organisation der personalen Referenz in der Anmoderation Fragen nachgegangen: - Welche sprachlichen Mittel verwenden die ModeratorInnen, um auf sich und die Vortragenden zu referieren? - Welche kontextbezogenen Aktivitäten werden neben einer einfachen personalen Referenz vollzogen? 98 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="99"?> 5.2.2 Selbstreferenz der ModeratorInnen Sprachliche Ausdrücke, mit denen eine SprecherIn auf sich selbst referiert, sind Formen der Selbstreferenz ( „ form for self-reference “ , Schegloff 1996: 442, 2007 b) und werden Selbstbezeichnungen genannt (vgl. Kasai 2002: 19). Zu diesen gehören nominale Ausdrücke wie Personennamen, Verwandtschaftsbezeichnungen und Personalpronomen (vgl. Vorderwülbecke 1976; Kasai 2002). Wie Sacks (1992: 353) und Schegloff (1996, 2007 b) in ihrer Analyse der Selbstreferenz im Englischen zeigen, stellt das Personalpronomen der ersten Person Singular I einen „ normal, proper term “ (Sacks 1992: 353) der Selbstreferenz dar (vgl. auch Enfield 2013: 449). Im Deutschen ist nach Vorderwülbecke (1997: 938) die Sprecherdeixis ich „ am wenigsten markiert “ und „ universell als Selbstbezeichnung für eine Person einsetzbar “ . Im Chinesischen ist das Personalpronomen der ersten Person Singular wo ( 我 , „ ich “ ) die unmarkierte und am häufigsten verwendete Selbstreferenzform (vgl. Ma 2005: 63). Die „ normal, proper terms “ der Selbstreferenz auf die chinesischen wie deutschen ModeratorInnen sind ebenfalls die Personalpronomen der ersten Person Singular wo bzw. ich. So bezieht sich das „ wo “ in Z. 01 auf den Moderator: Soziologische Konferenz (chinesische Anmoderation 07) 01 Mod: 下面我来给大家 ^ 介绍 xiamian wo lai gei dajia jieshao als Nächstes ich [PM] [GEI] alle vorstellen nun stelle ich Ihnen 02 我们下一位大会报告 ^ 发言人 . women xia yi wei dahui baogao fayanren unser nächst ein [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren nächsten Referenten vor Der deutsche Moderator im folgenden Datenausschnitt verwendet auch das Personalpronomen der ersten Person Singular „ ich “ in Zeile 08, um auf sich zu referieren: Nach der Mittagspause (deutsche Anmoderation 07) 08 Mod: ich möchte ihnen den LETZten referenten vorstellen; 09 in bezug auf refeRAte. In den chinesischen Daten findet sich das Phänomen „ use by speaker of ‚ we ‘ for self-reference “ (Schegloff 1996: 444): Eine SprecherIn „ expresses a singular proposition of referent for a plural expression “ (Nunberg 1993: 12). Dieses Phänomen kommt häufig in institutionellen Interaktionen vor: „ [. . .] when speaking as a member of an organization, persons may refer to themselves as we, rather than I. “ (Drew/ Heritage 1992: 30) 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 99 <?page no="100"?> Doktorandenbetreuer (Chinesische Anmoderation 06) 02 Mod: 我们很 ^ 隆重地向大家介绍 women hen longzhong de xiang dajia jieshao wir sehr feierlich [CSC] gegenüber allen vorstellen wir stellen Ihnen sehr feierlich vor 03 我们 ^ 第二位大会报告发言人 , women dier wei dahuibaogao fayanren unser [ORD] zweit [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren zweiten Referenten Der Moderator referiert bei der Ankündigung der Vorstellungsaktivität mit „ women “ (wir) in Z. 02 auf sich selbst. Nach Schegloff (1996) vollzieht eine SprecherIn mit dem Gebrauch von we als eine Selbstreferenzform „ practices, as speaking as and for a multi-person party [. . .] or as the agent of/ for an organization “ (Schegloff 1996: 444; vgl. auch Vorderwülbecke 1997: 940). Diese Selbstreferenzform verweist auf die „ institutional role “ (Drew/ Heritage 1992: 31) des Sprechers. Mit dem Gebrauch von „ women “ vollzieht der Moderator nicht nur eine einfache Referenz, sondern zeigt zugleich an, dass er nicht im eigenen Interesse, sondern „ as the agent of/ for an organization “ handelt, d. h. er führt als Vertreter der Konferenz das Vorstellen des zweiten Referenten durch. 5.2.3 Personale Referenz auf die Vortragenden Sprachliche Mittel der Bezugnahme auf eine dritte Person werden „ Drittbezeichnungen “ (Kasai 2002) und „ third person reference forms “ (Schegloff 1996: 447) genannt. Zu den Referenzformen auf die Vortragenden in den vorliegenden Daten gehören sowohl nominale als auch pronominale Ausdrücke. Während die Personalpronomen ausschließlich in subsequenten Referenzpositionen auftreten, kommen die nominalen Referenzformen sowohl in der initialen als auch der subsequenten Referenzposition vor. Im Folgenden werden die Nominalausdrücke analysiert, da in diesen die Sprach- und Kulturspezifik der personalen Referenz zum Ausdruck kommten (i) Personale Referenz auf Vortragende in chinesischen Anmoderationen a) Personennamen in Kombination mit „ membership category devices “ Die in den chinesischen Daten feststellbaren „ membership category devices “ (Sacks 1972 b: 332) sind jiaoshou ( 教授 , „ ProfessorInnen “ ), boshi ( 博士 , „ Doktor “ ), laoshi ( 老师 , „ LehrerInnen “ ) und tongzhi ( 同志 , „ GenossInnen “ ). Im Chinesischen werden Personennamen Titeln vorangestellt, Familiennamen stehen vor Vornamen. 100 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="101"?> Institutsleiter (chinesische Anmoderation 01) 01 Mod: 现在 . xianzai jetzt 02 下面请 xiamian qing als nächstes bitten als nächstes bitten wir 03 刘 (.) 刘大明教授作主题报告 . liu liu daming jiaoshou zuo zhuti baogao Liu Liu Daming Professor halten Vortrag Professor Liu Daming, einen Vortrag zu halten In der initialen Referenzposition in Z. 03, in der der Vortragende zum ersten Mal erwähnt wird, nennt der Moderator seinen Familiennamen „ Liu “ , Vornamen „ Daming “ und Titel „ jiaoshou “ (Professor). Personennamen haben nach Wimmer (1995: 379) eine starke referentielle Eindeutigkeit und „ sind dauerhaft einem bestimmten Objekt und keinem anderen zugeordnet, so daß man sagen kann, daß sie dieses individualisieren “ (Bellmann 1990: 143). Mit dem Gebrauch des vollen Namens ( „ Liu Daming “ ) identifiziert der Moderator den Vortragenden auf eine eindeutige Weise und setzt ihn in Kontakt mit den anwesenden ZuhörerInnen. Der Professorentitel verweist auf den akademischen Status des Vortragenden und ordnet Liu einer sozialen Gruppe der HochschulprofessorInnen zu. b) „ activity-relevant descriptions “ Die „ activity-relevant descriptions “ (Schegloff 2007 b: 438), die unmittelbar auf die Beteiligungsrolle der Vortragenden verweisen, lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 1) Nominalausdrücke wie baogaoren ( 报告人 , „ ReferentInnen “ ), fayanren ( 发言人 , „ ReferentInnen “ ) und yanjiang zhe ( 演讲者 , „ Referent- Innen “ ), 2) nominalisierte Ausdrücke mit der Partikel de ( 的 ) als „ nominalizer “ (Li/ Thompson 1981: 575 ff.) wie baogao de ( 报告的 , „ ReferentInnen “ ) und fayan de ( 发言的 ; „ ReferentInnen “ ). Ausdrücke in beiden Gruppen sind morphologisch insofern gleich, als sie zweigliedrige Komposita sind, deren erste Bestandteile Verben und zweite Bestandteile Suffixe enthalten. Die Verben zeigen die Tätigkeit an, die die ReferentInnen im Anschluss an die Anmoderation vornehmen, und weisen eine geringe Variationsmöglichkeit auf. So werden in den chinesischen Daten ausschließlich drei Verben identifiziert: baogao (Vortrag halten/ Bericht erstatten), fayan (das Wort haben) und yanjiang (Rede halten). 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 101 <?page no="102"?> Die Komposita in beiden Gruppen unterscheiden sich durch die zweiten Bestandteile: Während die Ausdrücke in der ersten Gruppe mit substantivischen Suffixen ren und zhe (Person) enden, folgt auf die Verben in der zweiten Gruppe die „ structural Auxiliary “ ( 结构助词 jiegou zhuci, Huang/ Liao 2002: 47) de. Die Suffixe ren, zhe und de dienen dazu, die zusammengesetzten Wörter Personenbezeichnungen zuzuordnen. Die grammatischen Verhältnisse zwischen den beiden Bestandteilen (Verb und Suffix) bestehen darin, dass die Verben die semantischen Bedeutungen tragen und die Extension der Suffixe einschränken: Die Personen sind diejenigen KonferenzteilnehmerInnen, die Vorträge halten. (ii) Personale Referenz auf Vortragende in den deutschen Anmoderationen a) Namen in Kombination mit „ membership category devices “ Auch in der initialen Referenzposition in den deutschen Anmoderationen treten Namen der Vortragenden in der Regel in Kombination mit akademischen „ membership category devices “ (Sacks 1972 b: 332) auf. Mit diesen kombinierten Referenzformen führen die ModeratorInnen die Vortragenden auf und identifizieren diese eindeutig. Linguistik-turn (deutsche Anmoderation 06) 01 Mod: ich stelle IHnen (.) 02 zuNÄCHst herrn professor doktor, 03 keppler RALf keppler vor, 04 er kommt aus BERlin zu uns und ist dort- 05 ehm am FACHbereich erziehungswissenschaft und psychologie (.) tätig. So identifiziert der Moderator mit dem Personennamen „ keppler RALf keppler “ den Referenten. Die „ membership category devices “ , hier „ professor doktor “ zeigen den Status des Referenten an. In den deutschen Daten kommen keine femininen akademischen Titelformen (wie etwa Professorin) vor. Die akademischen Titel der Referentinnen treten in der „ maskulinen Titelform in Kombination mit Frau “ (vgl. Vorderwülbecke 1997: 921) auf wie „ FRAU professor doktor susanne klein “ (Z. 02): Ist erschienen (deutsche Anmoderation 08) 01 Mod: ich darf IHnen dann (.) unsere nächste referentin vorstellen, 02 FRAU professor doktor susanne klein, 03 sie ist an der universität in SIEgen tätig. 102 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="103"?> b) „ activity-relevant descriptions “ Zu den initialen Referenzformen auf die Vortragenden gehören ferner die den Teilnehmerstatus explizierenden „ activity-relevant descriptions “ . Diese sind: 1) geschlechtsspezifische Bezeichnungen wie Referentin und Referent 2) geschlechtsneutrale Partizipialformen wie Vortragende Die maskuline Form Referent und die feminine Form Referentin werden bei der Bezugnahme auf einzelne Vortragende verwendet. Nehmen die ModeratorInnen auf eine „ gemischtgeschlechtliche Gruppe “ (Samel 2000: 64) Bezug, verwenden sie die geschlechtsneutrale Partizipialform Vortragende wie „ ALLe drei vortragenden “ in Z. 01: Vortragende (Deutsche Anmoderation 09) 01 Mod: ALLe drei vortragenden die wir eh erwarten, 02 haben selber praktische ERFAHrung mit kommunikationstraining. 5.2.4 Anrede in der Anmoderation Eine Anrede ist die sprachliche Bezugnahme einer SprecherIn auf ihre GesprächspartnerInnen in der zweiten Person oder Personengruppe (vgl. Berner 1982: 804; Hartmann 1975: 111). Berner (1982: 804) weist darauf hin, dass in der Anrede die angeredete Person „ präsent (mündliche Kommunikation) bzw. als präsent vorgestellt sein (mündliche und schriftliche Kommunikation) “ muss. Sprachliche Formen, die zur Anrede verwendet werden, sind Anredeformen (Braun/ Kohz/ Schubert 1986: XV; vgl. auch Hartmann 1975; Braun 1992). 25 Für die linguistische Anredeforschung gelten die Arbeiten von Roger Brown und seinen Kollegen (Brown/ Gilman 1960/ 1968; Brown/ Ford 1961/ 1964) als klassisch. Ihre Untersuchungen stützen sich allerdings auf Korpora aus Theaterstücken, Interviews sowie auf Informantenbefragungen und bedürfen einer Ergänzung um Untersuchungen des Anredegebrauchs in authentischen Interaktionen. Die untersuchten Sprachen bei Brown/ Gilman (1960/ 1968) und Brown/ Ford (1961/ 1964) sind vor allem europäische Sprachen. Momentan liegen in der einschlägigen Literatur zahlreiche Untersuchungen zu Anredesystemen in verschiedenen Sprachen vor (Nagatomo 1986; Braun/ Kohz/ Schubert 1986; Dereli 2007). Die bisherige linguistische Anredeforschung befasst sich zudem mit den verschiedenen Funktionen der Anrede (Müller 25 Die Anrede drückt sich auch in der Körperhaltung aus (vgl. Levinson 1988: 179; Hartmann 2001: 1350; Vorderwülbecke 1997: 914). 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 103 <?page no="104"?> 1973; Hartung 2001; Ilie 2010). So analysiert Vorderwülbecke (1997) den Anredegebrauch unter funktional-kommunikativem Aspekt und zeigt, dass Anredeformen „ eine bestimmte kommunikative Aufgabe ‚ lösen ‘ bzw. eine bestimmte Funktion im Rahmen menschlicher Interaktion erfüllen “ (Vorderwülbecke 1997: 914). Diese Untersuchungen zeigen, dass zwischen der Sozialstruktur und dem Anredegebrauch ein enger Zusammenhang besteht (vgl. Hartmann 1972: 285; Ammon 1972). Die Anrede ist „ eine sehr wichtige und häufig gebrauchte “ (Kretzenbacher 2010 b: 2) Praktik der sozialen Positionierung und leistet einen bedeutenden Beitrag zur Beziehungsgestaltung der GesprächspartnerInnen und zeigt unmittelbar deren Beziehungen zueinander an (vgl. Adamzik 1984: 68). Eine weitere Perspektive der Anredeforschung ist die kultur- und sprachvergleichende Analyse von Anredesystemen (Clyne/ Norrby/ Warren 2009). 26 So wird das Anredesystem im Deutschen mit jenem im Französischen (Albrecht 1972), Schwedischen (Kohz 1982), Japanischen (Nagatomo 1986; Vorderwülbecke 1976; Kasai 2002; Sugita 2004) und Türkischen (Dereli 2007) kontrastiv analysiert. Das Anredesystem im Chinesischen wird vor allem mit jenem im Englischen (Xiao 2000; Li 2002; Hao 2002; Qin 2008) vergleichend untersucht. Es gibt allerdings nur vereinzelte kontrastive Studien zum chinesischen und deutschen Anredegebrauch in konkreten authentischen Interaktionen (Günthner/ Zhu 2014). Dieses Defizit soll durch die folgende Analyse zumindest für die Anmoderation des Vortrags ausgeglichen werden. 5.2.4.1 Exkurs zu chinesischen nominalen Anredeformen In diesem Exkurs werden aus einer soziokulturellen Perspektive diejenigen nominalen Anredeformen erläutert, die für die Analyse des Anredeverhaltens in den chinesischen Anmoderationen maßgeblich sind. Hierzu zählen xiansheng ( 先生 , „ Herr “ ), xiaojie ( 小姐 , „ Fräulein “ ) bzw. nüshi ( 女 士 , „ Frau “ ), tongzhi ( 同志 , „ GenossInnen “ ) und laoshi ( 老师 , „ LehrerInnen “ ). i) xiansheng (Herr) Im klassischen Chinesisch ist xiansheng eine respektvolle Anredeform ( 尊称 zuncheng) für tugendhafte Männer, Intellektuelle bzw. Gelehrte und nicht 26 Ferner wird die Anredeforschung unter der diachronen Perspektive unternommen (Besch 1998, 2003; Macha 1997). Für sprachhistorische Untersuchungen des Anredeverhaltens im Chinesischen siehe Altenburger (1997), Wang/ Yang (2005) und Zhu (2005). 104 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="105"?> zuletzt für Lehrer (vgl. Chen 2005: 2, 9; Zhang 2009; Zheng 2009: 15). 27 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war xiansheng eine viel verwendete chinesische Anredeform. So wurden männliche Erwachsene hauptsächlich mit xiansheng angeredet. Damit redete man auch Lehrkräfte in schulischen Einrichtungen an. Frauen, die Intellektuelle waren und hohes soziales Ansehen genossen, wurden ebenfalls mit xiansheng angeredet (vgl. Fang/ Heng 1983: 502). Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 wurde xiansheng selten verwendet. Der Begriff bezog sich u. a. auf Ausländer aus westlichen bzw. kapitalistischen Ländern, auf Intellektuelle und Mitglieder der nicht-regierenden Parteien in China. Die mit xiansheng Angeredeten gehörten der „ bourgeoisen Klasse “ an, die der „ Arbeiterklasse “ gegenüberstand: „ When a member of the proletariat addressed a male member of the bourgeoisie, the term xiangsheng ‚ mister ‘ ‚ sir ‘ would be used. This is a term reserved for people with a bourgeois background, such as senior-ranking intellectuals. “ (Ju 1991: 388) Während der Kulturrevolution (1966 - 1976) war xiansheng negativ geprägt, da diese Anredeform als „ rückwärtsgewandt “ und „ bourgeois “ galt (vgl. Chen 2005: 14). Seit der Öffnungspolitik Anfang der 1980er Jahre und insbesondere seit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1990er Jahren wurde xiansheng allmählich wieder häufiger verwendet: „ Due to the economic reform and open policy of China in the last decade or so, traditional address terms such as 小姐 xiaojie ‚ Miss ‘ , 女士 nüshi ‚ Madam ‘ , 先生 xiansheng ‚ Sir/ Mr. ‘ , etc. have gained values [. . .]. “ (Zhang 1995 a: 38) Heutzutage gilt xiansheng wieder als eine unmarkierte respektvolle Anredeform für männliche Erwachsene (vgl. Ju 1991: 390). Dagegen werden Lehrende selten mit xiansheng angeredet. Jedoch werden „ tugendhafte “ , „ prominente “ Gelehrte sowie ProfessorInnen, die hervorragende Beiträge auf dem Gebiet der Kultur und Wissenschaft geleistet haben und hohes Prestige genießen, ebenfalls mit xiansheng angeredet (vgl. Chen 2005: 21 ff.; Wang/ Yang 2005; Yang/ Wang 2005) - dies ohne Berücksichtigung des Geschlechts. ii) xiaojie/ nüshi (Fräulein/ Frau) xiaojie fungierte im alten Chinesisch lange Zeit als eine Anredeform für Mädchen und unverheiratete Frauen. In den 1950er Jahren und insbesondere während der Kulturrevolution redete man mit xiaojie in erster Linie Frauen aus kapitalistischen Ländern (vgl. Fang/ Heng 1983: 501) an. Ab den 1980er Jahren wurde xiaojie zur meist verwendeten und unmarkierten Anredeform für junge Frauen, während nüshi als eine Anredeform der älteren Frauen einerseits und weiblicher Anwesenden in offiziellen Situa- 27 Sprachhistorische Untersuchungen zu xiansheng finden sich bei Chen (2005: 6 ff.) und Zhang (2009). 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 105 <?page no="106"?> tionen andererseits gebraucht wird (vgl. Zheng 2009: 14 ff.). Seit einigen Jahren wird xiaojie jedoch auch als Bezeichnung für Prostituierte verwendet (vgl. Zhu 2005; Pan/ Kádár 2011 a: 82). iii) tongzhi (GenossInnen) Die Anredeform tongzhi (wörtlich: „ having the same will or interest “ , Scotton/ Zhu 1983: 479) wurde bereits Anfang des letzten Jahrhunderts unter liberal Denkenden reziprok verwendet: Long before Liberation in 1949, in fact, the reciprocal greetings of Last Name (LN) + tongzhi among the rank and file had already been commonplace in the revolutionary bases and liberated areas, where the atmosphere of democracy and solidarity prevailed. Tongzhi was generally accepted as an honorific term of address characteristic of revolutionary solidarity, equality, and respect as well as intimacy among the revolutionary ranks. (Fang/ Heng 1983: 496) Nach der Gründung der Volksrepublik China verbreitete sich tongzhi rasch und wurde eine geschlechtsneutrale, alle sozialen Schichten und Statusgruppen umfassende Anredeform der Erwachsenen. Der Ausdruck tongzhi gab „ all members of ‚ the people ‘ equal footing with the same general title of address - one which implies no social or economic distinctions but which unites all as sharing the same political goals “ (Scotton/ Zhu 1983: 479). Während der Kulturrevolution ersetzte tongzhi viele vermeintlich „ konservative und feudalistische Anredeformen “ wie xiansheng und xiaojie. Mitglieder der „ proletarischen Klasse “ redeten sich, unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht, Beruf sowie sozialen Positionen, gegenseitig mit tongzhi an. Im Zuge der chinesischen Öffnungspolitik und des wirtschaftlichen Aufschwungs seit Ende der 1980er Jahre wurde tongzhi allerdings immer stärker zurückgedrängt (vgl. Chen 2005: 13; Zheng 2009: 19). Heutzutage wird diese ideologisch gefärbte Anredeform fast nur noch in offiziellen Parteikontexten bzw. als Anredeform für ParteikaderInnen, PolizistInnen und SoldatInnen gebraucht (Yang/ Wang 2005: 38; Wu 2006: 9; Dai 2007: 46). Im Hochschulbereich wird tongzhi nahezu ausschließlich in politischen Kontexten wie bei politischen Schulungen und Tagungen der Parteimitglieder verwendet. Zugleich gilt tongzhi seit der in den 1990er Jahren (vor allem in Hongkong und Taiwan) aufkommenden Bewegung für die Gleichberechtigung von sexuellen Minderheiten auch als eine Bezeichnung für homosexuelle Männer. Mit der aus der Arbeiterbewegung stammenden und Solidarität markierenden Anredeform wollte man eine positiv konnotierte und Gemeinschaft suggerierende Anredeform unter sexuellen Minderheiten schaffen und Gleichgesinnte ermutigen, gemeinsam für soziale Gleichberechtigung zu kämpfen. Chinesische Sprachwissenschaft- 106 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="107"?> lerInnen nennen den Gebrauch von tongzhi für homosexuelle Männer, wie xiaojie für Prostituierte, „ semantischen Verfall “ (Zheng 2009: 19) beider Ausdrücke. iv) laoshi (LehrerInnen) Im modernen Chinesisch sind jiaoshi ( 教师 ) und laoshi ( 老师 ) die üblichen Berufsbezeichnungen für das Lehrpersonal (vgl. Chen 2005: 17). Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Ausdrücken liegt darin, dass jiaoshi keine Anredeform ist (vgl. Liu 2004: 3; Cao 2005). Dagegen ist laoshi eine dominante Anredeform der Lehrkräfte in sämtlichen Bildungseinrichtungen (Zhu 2009). Doch reden nicht nur Studierende ihre DozentInnen mit laoshi an, auch DozentInnen verwenden diese Anredeform untereinander. 5.2.4.2 Anredepraktiken in chinesischen Anmoderationen (i) Anrede der an Anmoderationen Beteiligten Die Anrede des gesamten Publikums findet in der Regel in der Prä- Expansion der Anmoderation statt. In den chinesischen Daten sind laoshi (LehrerInnen) und tongxue (KommilitonInnen) die am häufigsten verwendeten Ausdrücke, mit denen die ZuhörerInnen und Vortragenden allesamt angeredet werden. Diener auf der Konferenz (chinesische Anmoderation 02) 01 Mod: 各位老师各位同学 . gewei laoshi gewei tongxue jeder Lehrer jeder Kommilitone Lehrerinnen und Lehrer Kommilitoninnen Kommilitonen 02 非常感谢大会呢 feichang ganxie dahui ne sehr danken Konferenz PAR Ich danke der Konferenz sehr, 03 ehm 04 这个 zhe ge DM 05 安排 ^ 我来为大家服务 . anpai wo lai wei dajia fuwu einsetzen ich PM für alle bedienen dass sie mich einsetzt, mitzuhelfen Die Anredeformen laoshi und tongxue treten in diesem Ausschnitt in Kombination mit dem „ partitive quantifier “ (Chen 2009: 1660) „ gewei “ (jeder) auf: „ gewei laoshi gewei tongxue. “ Somit wird jeder Anwesende angesprochen. In der VR China ist es üblich, dass HochschulprofessorInnen 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 107 <?page no="108"?> und DozentInnen sich gegenseitig mit „ laoshi “ (LehrerInnen) anreden. Folglich umfasst die Gruppe „ laoshi “ diejenigen KollegInnen, die statusmäßig derselben Ebene zugeordnet werden, wie der Moderator selbst. Beim „ tongxue “ (KommilitonInnen) handelt es sich um eine Anredeform, die einerseits Studierende untereinander verwenden, andererseits adressieren ProfessorInnen und DozentInnen auch Studierende als „ tongxue “ . Über die direkte Adressierung hinaus dienen die Anredeformen in dem gezeigten Ausschnitt der sozialen Kategorisierung der angeredeten Personen. So werden mittels der „ membership category devices “ (Sacks 1972 b: 332) „ laoshi “ und „ tongxue “ den Anwesenden soziale Rollen zugewiesen, die in habitualisierten Beziehungen zueinander stehen, nämlich HochschuldozentInnen auf der einen Seite und Studierende auf der anderen Seite. Während der Moderator im Ausschnitt „ Diener auf der Konferenz “ mit den gruppenspezifischen Ausdrücken laoshi (LehrerInnen) und tongxue (KommilitonInnen) das Publikum anredet, unterscheidet der Moderator im folgenden Ausschnitt nicht zwischen DozentInnen und Studierenden, sondern er bezeichnet sie allesamt mit dem Ausdruck tongzhi (Genoss- Innen): Genosse (chinesische Anmoderation 08) 01 Mod: 这个 (0.5) zheige [DM] 02 我就 ^ 不说各位老师和各位同学了 . wo jiu bushuo gewei laoshi he gewei tongxue le ich dann nicht sagen jeder Lehrer und Kommilitone [PAR] Ich unterscheide nicht mehr zwischen DozentInnen und Studierenden 03 因为在 (.) 环境社会学这个学科面前 yinwei zai huanjing shehuixue zhei ge xueke mianqian weil vor dem Fach der soziologischen Umweltforschung da in dem Fach der soziologischen Umweltforschung 04 所有的同志 ^ 都是同仁 . suoyou de tongzhi doushi tongren alle [NOM] Genossen [COP] kollegen alle GenossInnen KollegInnen sind Mit dem Diskursmarker „ zheige “ in Z. 01, der mit einer schwachen Artikulation „ zhei “ ausgesprochen wird und durch eine Pause gekennzeichnet ist, 28 lenkt der Moderator die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und beginnt die Anmoderation. Ab Z. 02 geht der Moderator auf das „ Beziehungsmanagement “ (Holly 2001) der KonferenzteilnehmerInnen ein. Dabei macht er mit der metakommunikativen Äußerung in Z. 02 28 Zu kommunikativen Funktionen von Diskursmarkern „ zhei/ zhe ge “ ( 这个 ) und „ nei/ na ge “ ( 那个 ) siehe Liang (2002), Xu (2005) und Tao (1999). 108 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="109"?> explizit, dass er die Anwesenden nicht mit laoshi (DozentInnen) auf der einen Seite und tongxue (Studierende) auf der anderen Seite anredet. Den Grund dafür liefert er in Z. 04: „ suoyou de tongzhi doushi tongren “ (alle GenossInnen sind KollegInnen). Nach Scotton/ Zhu (1983) verbirgt die Anredeform tongzhi die soziale Distanz der InteraktionspartnerInnen und fungiert somit als ein sprachliches Mittel zur Herstellung der solidarischen Beziehung (vgl. Scotton/ Zhu 1983: 485). Folglich ist „ tongzhi “ (GenossInnen) in Z. 04 nicht ausschließlich eine sprachliche Bezugnahme auf die Anwesenden, sondern trägt im Zusammentreffen mit „ tongren “ (Kolleg- Innen) die Funktion der „ oberflächlichen Sozialkosmetik “ (Adamzik 1984: 129): Die soziale Beziehung der Konferenzbeteiligten zueinander wird nicht als vertikal geordnet (DozentInnen und Studierende), sondern als sozial gleichgestellt (GenossInnen und KollegInnen) gestaltet. Mit der politisch gefärbten Bezeichnung „ tongzhi “ führt der Moderator jedoch nicht nur eine Fremdpositionierung durch, indem er die unterschiedlichen Statusgruppen im Publikum „ egalisiert “ und damit eine Einebnung möglicher hierarchischer Strukturen vornimmt, sondern er positioniert sich selbst als politisch engagierter Wissenschaftler (er gehört zum politischen Kader seiner Hochschule) und schreibt sich die Identität eines Forschers mit „ institutioneller und institutionalisierter Macht “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) zu. (ii) Anrede der ZuhörerInnen ZuhörerInnen sind die „ linear addressees “ (Clark/ Carlson 1982: 336) und „ targeted recipients “ (Schegloff 2007 b: 437). Reden die chinesischen ModeratorInnen ausschließlich die ZuhörerInnen an, verwenden sie meist das Indefinitpronomen dajia (alle) und das Personalpronomen. So bezieht sich „ dajia “ in Z. 10 auf die Zuhörerschaft, welcher der lateral adressierte Professor Liu vorgestellt wird: Doktorandenbetreuer (Chinesische Anmoderation 06) 09 Mod: ^ 下面呢 ; xiamian ne als nächstes [PAR] als nächstes 10 我们很 ^ 隆重地向大家介绍 women hen longzhong de xiang dajia jieshao wir sehr feierlich [CSC] gegenüber allen vorstellen wir stellen Ihnen sehr feierlich vor 11 我们 ^ 第二位大会报告发言人 , women dier wei dahuibaogao fayanren unser [ORD] zweit [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren zweiten Referenten 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 109 <?page no="110"?> 12 来自 ^ 东方大学中文系的 laizi dongfang daxue zhongwenxi de kommen von Dongfang Universität Chinesischabteilung [ASSOC] 13 刘大为教授 . liu dawei jiaoshou Liu Dawei Professor Professor Liu Dawei von der Fakultät für Chinesisch an der Universität Dongfang Die ZuhörerInnen werden auch mit dem inklusiven women ( 我们 , wir) adressiert. Dieses Phänomen kommt u. a. in der Übergabe des Rederechts vor. 29 Genosse (chinesische Anmoderation 08) 71 Mod: 我们是 : women shi wir [COP] wir 72 请 (.) qing bitten 73 北方大学 (.) 社会学理论与方法研究中心的教授张红卫 beifang daxue shehuixue lilun yu fangfa yanjiuzhongxin de jiaoshou zhang hongwei Beifang Universität Forschungszentrum für Theorie und Praxis der Soziologie Professor Zhang Hongwei 74 (0.5) 75 同志来发言 tongzhi lai fanyan Genosse [PM] halten Rede Genossen Professor Zhang Hongwei, der vom Forschungszentrum für Theorie und Methodologie der Soziologie an der Universität Beifang kommt, eine Rede zu halten 76 Zuh: (( 掌声 )) ((Applaus der Zuhörer)) Es geht in diesem Ausschnitt um die Rederechtsübergabe, die zum Abschluss der Anmoderation stattfindet. Durch den Gebrauch des inklusiven „ women “ (wir) in Z. 71 formiert der Moderator eine „ Wir “ -Gruppe, zu der er und die ZuhörerInnen gehören. Im Chinesischen existiert ein weiteres inklusives Pronomen der 1. Person Plural, nämlich zanmen ( 咱们 , „ wir “ ). Nach Lü (2004: 65) wird zanmen häufig in Alltagsgesprächen gebraucht. Dagegen verwendet man in offiziellen Situationen, wie in 29 Siehe Kap. 8.4. 110 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="111"?> öffentlichen Reden und Aufsätzen, in der Regel women. 30 Auch Chao (1968: 218) schreibt: „ On formal occasions, such as in a public lecture [. . .] one tends to use the exclusive form woo.men [women] in both the exclusive and the inclusive sense. “ Dadurch dass der Moderator „ women “ wählt, wird die offizielle Situation der Anmoderation kontextualisiert. Hierbei zeigt sich, dass die Wahl der Anredeform nicht einfach von der Interaktion determiniert wird, sondern eine bedeutende Rolle bei der Konstitution der Interaktionssituation spielt. 5.2.4.3 Anredepraktiken in deutschen Anmoderationen Deutsche ModeratorInnen verwenden nominale und pronominale Anredeformen, um einerseits die Zuhörerschaft und die Vortragenden insgesamt und andererseits ausschließlich die Zuhörerschaft zu adressieren. Die meist gebrauchte nominale Anredeform ist meine Damen und Herren, und die pronominale Anredeform ist Sie. Die Anrede der an Anmoderation Beteiligten findet in der Regel in der Sektionseröffnung, also der Pre-Expansion der Anmoderationen statt. Meine Damen und Herren (deutsche Anmoderation 02) 01 ((Geplauder und Geräusche im Hintergrund)) 02 Mod: meine DAmen und HERRen, 03 ich (.) FREUe mich- 04 hier auch eine (-) SItzung moderieren zu dürfen Es geht in diesem Ausschnitt um eine Sektionseröffnung. Mit „ meine DAmen und HERRen “ in Z. 02 vollzieht der Moderator eine „ umfassende, alle einbeziehende Adressierung “ (Domke 2006: 117) bzw. eine „ Gruppenanrede “ (Vorderwülbecke 1997: 922), mit der die ZuhörerInnen und die Vortragenden adressiert werden. Mit der Gruppenanrede wird eine Reihe von Aktivitäten vollzogen. Nach Domke (2006: 119) weist meine Damen und Herren „ auf einen Vortragenden und dessen Zuhörer, auf einen Moderator und das erlesene Publikum hin, nicht auf eine Situation mit aktivem Austausch aller Anwesenden oder eine von allen getragene gemeinsame Handlungsform “ . 31 Folglich positioniert sich der Sprecher als Moderator und weist den angeredeten Personen den Teilnehmerstatus „ an der Anmoderation Beteiligte “ zu. In diesem Zusammenhang gehen mit der 30 Im chinesischen Original schreibt Lü (2004: 66): „ [. . .] 很多人,也许是大多数人,家常 说话用 咱们,正式一点就说我们,演说或是写文章的时候更会拿我们来代咱们 . “ (Viele, vielleicht die meisten von uns verwenden in familiären Gesprächen zanmen, und in offiziellen Situationen women. Besonders wird in öffentlichen Reden und Aufsätzen zanmen durch women ersetzt.) 31 Der Ausdruck meine Damen und Herren ist nach Hartmann (1975: 115) „ rollenspezifisch für Angesprochene “ , da er „ auf ein Publikum eines Vortragsredners “ verweist. 5.2 Sprachliche Bezugnahme auf die Interagierenden in der Anmoderation 111 <?page no="112"?> Gruppenanrede die „ Selbst- und Fremdpositionierung “ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004) der Konferenzbeteiligten einher. Mit der Äußerung in Z. 02 wird zudem der Kontextwechsel von „ nicht-zentrierter Zusammenkunft “ ( „ unfocused gathering “ ) zur „ zentrierten Zusammenkunft “ ( „ focused gathering “ ) (Goffman 1963/ 2009) realisiert: 32 In Z. 01 herrscht im Publikum Geplauder. Mit der Anrede in Z. 02 lenkt der Moderator die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und eröffnet die Sektion. Die Anrede signalisiert also den Übergang von der Beschäftigung einzelner KonferenzteilnehmerInnen zur Kooperation in der Anmoderation. 33 Da meine Damen und Herren offizielle Anlässe andeutet und eine höfliche Distanz des Sprechenden zu den Angesprochenen herstellt (vgl. Domke 2006: 119), wird durch „ meine DAmen und HERRen “ die offizielle Situation der Anmoderation kontextualisiert. Der Ausdruck meine Damen und Herren kann auch ausschließlich für die Anrede der Zuhörerschaft verwendet werden. So bezieht sich „ meine DAmen und herren “ in Z. 04 im folgenden Ausschnitt auf die Zuhörer- Innen, wohingegen die vorzustellenden Vortragenden mit dem Teilnehmerstatus bezeichnenden Ausdruck „ die (.) referenten “ (Z. 06) lateral adressiert werden: Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 04 Mod: meine DAmen und herren, 05 ich habe die ehrenvolle AUFgabe ihnen heute morgen- 06 in der ersten sektion die (.) referenten VORzustellen, Das Personalpronomen Sie/ Ihnen ist die einzige in den deutschen Daten feststellbare pronominale Anredeform für die Zuhörerschaft. So spricht der Moderator die ZuhörerInnen in Z. 05 mit „ ihnen “ direkt an. Ein Kaufmann (deutsche Anmoderation 11) 05 Mod: ich DArf ihnen unseren nächsten (.) referenten vorstellen, 06 herrn DOKtor karl henz. Deutsche ModeratorInnen referieren in der Rederechtsübergabe ebenfalls mit dem inklusiven wir (Z. 31) auf sich und die ZuhörerInnen: 34 32 Zusammenkünfte (gatherings) differenziert Goffman (1963/ 2009) in „ focused gatherings “ und in „ unfocused gatherings “ . In „ focused gatherings “ haben Interagierende einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus, während in „ unfocused gatherings “ Interagierende ihren eigenen Sachen nachgehen. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesen Konzepten findet sich bei Kendon (1988). 33 Nach Dannerer (1996: 61) ist es ein zentraler Zweck der Besprechungseröffnung, „ sprachlich den Übergang von der Arbeit des einzelnen zur Kooperation in der Besprechungsgruppe zu signalisieren bzw. zu vollziehen und ggf. an die Kooperation zu einem früheren Zeitpunkt anzuknüpfen “ . 34 Darauf wird in Kap. 8.5 eingegangen. 112 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="113"?> Bremen (deutsche Anmoderation 01) 30 Mod: und heute will sie SPREchen über pressefotografie aus wissenschaftlicher perspektive; 31 und wir FREUen uns auf den vortrag. 5.3 Die Mehrparteieninteraktion in der Anmoderation Kapitel 5 befasst sich mit der Teilnehmerkonstellation der Anmoderation und der Kontaktaufnahme der Konferenzbeteiligten. Beide Merkmale sind auf der interaktiven Ebene der Anmoderation angesiedelt. Zu den interaktiven Merkmalen gehören zudem die verschiedenen Verfahren der sprachlichen Bezugnahme auf die Interagierenden (die Selbstreferenz der ModeratorInnen, direkte Anrede der an der Anmoderation Beteiligten insgesamt auf der einen Seite und ausschließlich der ZuhörerInnen auf der anderen Seite, die laterale Adressierung der Vortragenden). Untersucht wurden ferner sprachliche Mittel, mit denen diese Verfahren durchgeführt werden. Unterschiede zwischen den chinesischen und den deutschen Anmoderationen betreffen u. a. die sprachlichen Mittel der Bezugnahme auf die Interagierenden: Während „ membership categorization devices “ (Sacks 1972 a, b) wie laoshi (LehrerInnen), tongxue (Studierende) und tongzhi (GenossInnen) für die Adressierung des Publikums in den chinesischen Anmoderationen verwendet werden, sprechen die deutschen ModeratorInnen das Publikum u. a. mit der allgemeinen Gruppenanredeform meine Damen und Herren an. Das Personalpronomen Sie ist die standardisierte pronominale Adressierungsform für die ZuhörerInnen, dagegen findet sich in den chinesischen Daten keine einzige Anmoderation, in der die ZuhörerInnen mit den Pronomen der zweiten Person adressiert werden. Die chinesischen ModeratorInnen verwenden das Indefinitpronomen dajia (alle), um die Zuhörerschaft zu adressieren. Die sprachlichen Formen der Bezugnahme auf die Vortragenden im Chinesischen weisen im Vergleich zu jenen im Deutschen größere lexikalische Variation auf. Die Konventionen der Abfolge von Vor- und Nachnamen sowie Titeln im Chinesischen unterscheiden sich ebenfalls vom Deutschen. In den chinesischen Daten finden sich keine geschlechtsdifferenzierenden Referenzformen auf die Vortragenden, wohingegen im Deutschen das Geschlecht der Vortragenden morphologisch markiert wird. Die Anrede- und Referenzformen sind multifunktional und dienen als konventionalisierte Ressourcen zur Bewältigung recht unterschiedlicher kommunikativer Aufgaben in den chinesischen und den deutschen Anmoderationen. Diese sind im Einzelnen: 5.3 Die Mehrparteieninteraktion in der Anmoderation 113 <?page no="114"?> i) Selbst- und Fremdpositionierung der Interagierenden ii) soziale Kategorisierung der ZuhörerInnen und der Vortragenden iii) Kontextualisierung der offiziellen und wissenschaftlichen Situation der Anmoderation iv) gesprächsorganisatorische Funktionen wie Eröffnung der Sektion und der Anmoderation sowie Übergabe des Rederechts. Da in den chinesischen und den deutschen Anmoderationen die sprachlichen Formen der Bezugnahme auf die Interagierenden unmarkierte Adressierungsformen in beiden Sprachen sind, wird mit Enfield (2007), jedoch im Gegensatz zu Schegloff (1996), dafür argumentiert, dass mit „ default formulations “ über eine einfache personale Bezugnahme hinaus weitere kontextspezifische Aktivitäten vollzogen werden. 114 5. Die Bezugnahme auf an der Anmoderation Beteiligte <?page no="115"?> 6. Das Vorstellen in der Anmoderation Aus den vorliegenden Daten geht hervor, dass das Vorstellen der ReferentInnen einen zentralen Bestandteil jeder Anmoderation des Vortrags ausmacht. In einer Reihe von Untersuchungen der Personenvorstellungen wird gezeigt, dass das Vorstellen eine sozial gewichtige Aktivität darstellt (vgl. Coulmas 1981: 143; Liang 1998: 136 ff.; Werlen 2001: 1269), da dadurch der Beginn „ einer ‚ Geschichte ‘ zweier Kommunikationspartner “ (Coulmas 1981: 143) markiert wird, deren sozialer Kontakt aufgenommen und soziale Beziehungen etabliert werden. Das Vorstellen bezieht sich nicht nur auf die „ persönliche Beziehung [. . .] sondern in erster Linie [auf] die Gruppenzugehörigkeit “ (Liang 1998: 136). Was die Typen der Vorstellungsaktivität betrifft, ist zwischen der Vorstellung durch eine dritte Person und der Selbstvorstellung zu unterscheiden: Die anwesende, dem Hörer H und zuvor unbekannte Person X wird von einem Dritten, der X und H kennt, identifizierbar gemacht (deiktisch, nonverbal (Geste, Blicksynchronisierung etc.)) und durch eine Prädikation als Träger des Namens charakterisiert [. . .] Fehlt ein Dritter mit entsprechender Kenntnis, kann der Unbekannte sich selbst vorstellen. Das Handlungsmuster der Vorstellung besteht somit aus zwei Verfahren: der Präsentation der Person (auch nonverbal möglich) und der Nomination, so dass die Namenrelation aufgebaut und im Wissen verankert werden kann. Eine abgeleitete Form ersetzt die Fremddurch eine Selbstpräsentation. Auch hier besetzt der Name eine prädikative Position und steht im Vordergrund (Gewichtungsakzent). (Hoffmann 1999: 226) Liang (1998: 136) geht auf die semantische Bedeutung des chinesischen Ausdrucks jieshao ( 介绍 , vorstellen) ein: Der chinesische Ausdruck für ‚ Vorstellen ‘ jieshao 介绍 , wurde im klassischen Chinesisch genau definiert. Das Zeichen jie 介 bezeichnet das Begleitpersonal auf der Seite der Gäste und das zweite Wortzeichen shao 绍 das Protokollpersonal auf der Gastgeberseite. Daraus wurde später das Kompositum mit der heutigen Bedeutung von ‚ Vorstellung ‘ bzw. ‚ Bekanntmachen ‘ abgeleitet. Für die vorliegende Arbeit sind Untersuchungen zu Lebensläufen von WissenschaftlerInnen aufschlussreich. Diese Lebensläufe sind nach Gläser (1990) eine normierte Textsorte des institutionellen Verkehrs in der Wissenschaftskommunikation: Sie werden zur Einleitung eines Promotions- oder Habilitationsverfahrens, bei der Bewerbung um eine Stelle an Hochschulen <?page no="116"?> oder im Zusammenhang mit einer akademischen oder anderen Auszeichnung gebraucht (vgl. Gläser 1990: 130; vgl. auch Zimmermann 1976: 127). Lebensläufe dieser Art sind in der ersten Person Singular verfasst und somit als Selbstdarstellungen der WissenschaftlerInnen zu verstehen (vgl. Gläser 1990: 130). Davon unterscheiden sich Lebensläufe, die ein Teil von Laudationes anlässlich eines Jubiläums oder einer Preisverleihung sind. Derartige Lebensläufe sind in der Regel von KollegInnen abgefasst, in denen die akademischen Verdienste der WissenschaftlerInnen in den Vordergrund gestellt werden (vgl. Gläser 1990: 130). Zimmermann (1993) geht auf die akademische Lobrede bzw. akademische Laudatio ein, „ die innerhalb des Handlungsbereichs einer Akademie gehalten und veröffentlicht werden “ (Zimmermann 1993: 1). Zimmermanns Analysen zeigen, dass fast jede Laudatio eine Kurzbiographie der LaureatInnen enthält, in der deren „ Geburtsjahr, -ort, Kindheit und Jugend, die Ausbildungsstätten Schule und Universität, weitere Stationen in der beruflichen Laufbahn, Ämter und Funktionen und schließlich der zum Zeitpunkt der Rede erreichte Zustand “ (Zimmermann 1993: 40) erwähnt werden. In die Kurzbiographie ist oft „ die Erzählung eines Schlüsselerlebnisses anekdotisch eingeflochten, das als persönlichkeitsprägend beschrieben und zuweilen zu einem ‚ Berufungserlebnis ‘ für die gesamte Laufbahn erhoben wird “ (Zimmermann 1993: 41). Ferner gehört die Nennung der Veröffentlichungen zur Lebensbeschreibung. In der Lebensbeschreibung lässt sich beobachten, dass die LaudatorInnen die Kürze der bemessenen Redezeit thematisieren und diese dafür als Grund nennen, dass man der Rollenvielfalt der LaureatInnen nicht gerecht wird. Dieses Phänomen nennt Zimmermann (1993: 77) „ brevitas-Topos von der Knappheit der zubemessenen Redezeit “ . Fries (1986) beschäftigt sich mit Lebensläufen in englischen und deutschen Dissertationen. Zu inhaltlichen Invarianten, die die Makrostruktur der untersuchten Lebensläufe ausmachen, gehören: 1. Identification of author (spezifiziert durch Name, Geburtstag und -ort; Anschrift; Vorstellung der Eltern; Familienstand; Angaben über Kinder) 2. Education (Oberschule/ Gymnasium, Universität, Studienfächer, Abschluß) 3. Positions (Anstellungen in der Vergangenheit und gegenwärtige Tätigkeit; Auszeichnungen; Militärdienst) 4. Publications (eigene Veröffentlichungen oder Gemeinschaftsveröffentlichungen) (Fries 1986: 1207; zitiert nach Gläser 1990: 131) 116 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="117"?> Gläser (1990: 132) analysiert Lebensläufe von NobelpreisträgerInnen und identiftiziert dabei ebenfalls die von Fries (1986) genannten inhaltlichen Invarianten: i) Identifikation des Verfassers (Nennung des vollen Namen, Angabe zum Geburtsdatum und zum Geburtsort, Angabe zum Familienstand und zu Kindern) ii) Bildungsweg (Angaben zur Oberschulbildung, zum Studium, zum akademischen Abschluss und zum Betreuer) iii) beruflicher Status (Hinweis auf die Mitgliedschaft in internationalen Wissenschaftlervereinigungen sowie auf Ehrungen und Auszeichnungen) iv) Publikationen (Liste ausgewählter Buchtitel und Hinweis auf Eigenpublikationen in Forschungsprojekten) Zu Lebensläufen der NobelpreisträgerInnen gehören zudem Exkurse, in denen Kommentare zur Geschichte der Familie, das persönliche Verhältnis zu Eltern und Geschwistern, Berichte über Hobbys, Würdigung der Lehrer- Innen und BetreuerInnen der PreisträgerInnen zum Ausdruck kommen. Gläser (1990: 136) fasst propositionale, stilistische und sprachliche Merkmale von Lebensläufen der WissenschaftlerInnen zusammen, von denen folgende für die Analyse der Vorstellung der ReferentInnen in der Anmoderation von Relevanz sind: i) Lebensläufe von WissenschaftlerInnen sind nicht nur eine administrative Textsorte der fachinternen Kommunikation, sondern teilweise auch emo-tional gefärbte Selbstdarstellungen ii) Fachbezogene Termini beschreiben Forschungsansatz und Arbeitsgebiete der WissenschaftlerInnen iii) Invariante Inhaltselemente der Makrostruktur sind die Identifikation, der Bildungsgang, die Berufsspezifik, der akademische Status und die wesentlichen Veröffentlichungen der WissenschaftlerInnen iv) Typische Kommunikationsverfahren sind das Berichten, Beschreiben, Schildern, Charakterisieren und gelegentlich das Würdigen der LehrerInnen und BetreuerInnen und das Danken Beetz (1985: 30) zeigt in seiner Untersuchung der Einführungsrede zum Gastvortrag, dass die Einführungsrede einen „ Vermittlungsprozeß “ darstellt, in dem sich eine thematische Einführung und eine personale Vorstellung vollziehen. Dabei werden Forschungsschwerpunkte, methodische Ansätze und biographische Daten der Vortragenden erwähnt. Dies schafft nicht nur ein „ Kurzporträt eines wissenschaftlichen oder literarischen Autors “ (Beetz 1985: 31), sondern dient darüber hinaus der „ Einstellung 6. Das Vorstellen in der Anmoderation 117 <?page no="118"?> auf das Vortragsthema und der Steuerung der Aufmerksamkeit des Publikums “ . In den Anmoderationen chinesischer und deutscher Vorträge werden zwei Vorstellungstypen identifiziert: i) die präferierte Vorstellung der ReferentInnen durch ModeratorInnen ii) die dispräferierte Selbstvorstellung der ModeratorInnen Beide Vorstellungstypen werden vor dem Hintergrund der angeführten Untersuchungen zu Lebensläufen der WissenschaftlerInnen analysiert. 6.1 Präferenz und Dispräferenz der Vorstellungsaktivitäten in Anmoderationen Das Konzept der „ Präferenz “ wurde von Sacks (1987) in der Diskussion über sequenzielle Organisation der Paarsequenzen entwickelt. Es stellt kein psychologisches Konzept dar, bei dem es sich um individuelle Vorlieben und Abneigungen einzelner Personen handelt (vgl. Bergmann 1988/ III: 34; Atkinson/ Heritage 1984: 53; Sidnell 2010: 77). Dagegen ist die Präferenz in der KA ein „ technical concept “ (Bilmes 1988: 161), das sich auf die „ observable regularities “ (Sidnell 2010: 77) der Handlungsalternativen bezieht. So definieren Atkinson/ Heritage (1984: 53) Präferenz folgendermaßen: „ The term ‚ preference ‘ refers to a range of phenomena associated with the fact that choices among nonequivalent courses of action are routinely implemented in ways that reflect an institutionalized ranking of alternatives. “ Die institutionalisierten Eigenschaften der Präferenz liegen zum einen in der „ primary distributional evidence that, in situations of choice, particular actions are avoided, withfeld, or delayed across large numbers of occasions involving a variety of speakers in a range of contexts “ (Atkinson/ Heritage 1984: 53). Sie betreffen nicht zuletzt die Strukturen und Organisationen der Handlungssequenzen: Während präferierte Handlungen (z. B. die Annahme einer Einladung) zumeist rasch, direkt und ohne Zögerungen sowie Begründungen realisiert werden, zeichnen sich die dispräferierten Handlungen (z. B. die Ablehnung einer Einladung) durch folgende strukturelle Merkmale aus: a) sie werden gewöhnlich durch kommentierende Bemerkungen eingeleitet; b) sie werden in der Regel verzögert; dies kann auch dadurch geschehen, daß sie in einer Serie von Redezügen ganz am Ende platziert werden; 118 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="119"?> c) die Handlung selbst wird zumeist indirekt oder in abgeschwächter Form ausgeführt; und d) fast immer werden zur dis-präferierten Handlung Erklärungen abgegeben (Bergmann 1988/ III: 34). Es gilt generell als „ unbescheiden und unhöflich, wenn man die eigene Person und die eigene Leistung auf irgendeine Weise hervorhebt “ (Liang 1998: 137), da das Eigenlob zu vermeiden ist (Pomerantz 1978). Im wissenschaftlichen Milieu ist es „ richtiggehend verpönt “ (Münch 2011: 42), mit eigenen Leistungen zu prahlen und hochmütig zu werden (vgl. Münch 2011: 42). Nennt eine ReferentIn vor ihrem Vortrag selbst ihren Titel und ihre Stellung, zählt ihre Publikationen auf und bewertet diese, verstößt sie nicht nur gegen das Eigenlobverbot, sondern versetzt auch die Zuhörer- Innen in eine heikle Situation: Selbstlob zeugt [. . .] von Verachtung anderen gegenüber und bringt die Zuhörer in die mißliche Lage, auch gegen ihren Willen dem anderen beipflichten zu müssen, weil sie sich sonst den Verdacht des Neides und der Mißgunst zuzögen. Eigenlob wirkt aufgrund seiner subjektiven Interessenbedingtheit unglaubwürdig, fremdes Lob hingegen objektiver und damit glaubwürdiger [. . .] Den Hörer will der Vorstellende ehrfürchtig stimmen, ihm Achtung vor dem Gast einflößen. (Beetz 1985: 32, 33) In den vorliegenden Daten findet sich keine Selbstvorstellung der ReferentInnen 35 , wohl aber die Selbstvorstellung von ModeratorInnen. Sie kommt in den vorliegenden Daten jedoch selten vor, da die ModeratorInnen neben dem Eigenlobverbot zudem vermeiden, die Bühne des Vortrags für eine Selbstinszenierung zu gebrauchen. Die Vorstellung der Referent- Innen und die Selbstvorstellung der ModeratorInnen lassen sich neben der Frequenz des Vorkommens nicht zuletzt durch die dabei eingesetzten sprachlich-kommunikativen Verfahren unterscheiden, auf die im Folgenden eingegangen wird. 6.2 Ankündigung des Vorstellens der ReferentInnen Sowohl in den chinesischen als auch in den deutschen Anmoderationen lässt sich beobachten, dass das Vorstellen der ReferentInnen angekündigt wird. Dies geschieht mittels metakommunikativer Äußerungen, die den Handlungscharakter der angekündigten Aktivität explizieren. 35 Wenn es im vorliegenden Korpus eine Vorstellung der ReferentInnen gibt, geschieht diese ausnahmslos durch die ModeratorInnen. 6.2 Ankündigung des Vorstellens der ReferentInnen 119 <?page no="120"?> Um Ruhe bitten (deutsche Anmoderation 04) 01 Mod: JA. 02 ich darf ihnen jetzt den LETZten referenten unseres vormittags vorstellen; Dieser Ausschnitt bildet den Anfang einer Anmoderation, die bei einer Tagung der Soziologie in Deutschland aufgenommen wurde. Nach Spiegel/ Spranz-Fogasy (2001) gehört es zu den Aufgaben der Interagierenden, einander den Handlungscharakter und den jeweiligen Stand des interaktiven Geschehens zu verdeutlichen. Mit dem Temporaladverb „ jetzt “ und dem „ interaktionsbenennenden Ausdruck “ (Meyer-Hermann 1978; Techtmeier 1984: 182) „ vorstellen “ (Z. 02) signalisiert der Moderator den ZuhörerInnen ( „ ihnen “ ) den gegenwärtigen Ablauf der Anmoderation explizit: Nun fängt das Vorstellen des „ LETZten referenten “ an. Die Ankündigung des Vorstellens der ReferentInnen wird auch am nachstehenden chinesischen Datenausschnitt ersichtlich. Doktorandenbetreuer (chinesische Anmoderation 06) 01 Mod: ^ 下面呢 ; xiamian ne als nächstes [PAR] als nächstes 02 我们很 ^ 隆重地向大家介绍 women hen longzhong de xiang dajia jieshao wir sehr feierlich [CSC] gegenüber allen vorstellen wir stellen Ihnen sehr feierlich vor 03 我们 ^ 第二位大会报告发言人 , women dier wei dahuibaogao fayanren unser [ORD] zweit [CL] Konferenz-Vortrag-Redner unseren zweiten Referenten Mit dem interaktionsbenennenden Ausdruck „ jieshao “ (vorstellen) in Z. 02 verweist der Moderator auf eine nachfolgende Aktivität in der Anmoderation hin, das Vorstellen des zweiten Referenten. Da mittels der Ankündigung das eingeleitete Vorstellen der Referent- Innen beschrieben und expliziert wird, kann die Ankündigung als Formulierungshandlung im Sinne von Garfinkel/ Sacks (1976) verstanden werden. 36 Die dabei verwendeten metakommunikativen Äußerungen weisen folgende Merkmale auf: i) sequentielle Position: Metakommunikative Äußerungen werden stets zu Beginn des Vorstellens der ReferentInnen platziert, ii) interaktionsbenennende Ausdrücke: Metakommunikative Äußerungen enthalten Verben vorstellen und jieshao. Mit dem Gebrauch 36 Zu Formulierungshandlungen siehe auch Schank (1981 a, b). 120 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="121"?> dieser interaktionsbenennenden Ausdrücke explizieren die ModeratorInnen den Handlungscharakter der Bezugsaktivität. 6.3 Verweis auf das „ knappe Sprechen “ Wie in akademischen Laudationes bei Preisverleihungen (Zimmermann 1993: 77 ff.) kommt es in den vorliegenden Daten ebenfalls vor, dass die ModeratorInnen zu Beginn der Anmoderation auf das „ knappe Sprechen “ (Baldauf 2002), die Kürze der Anmoderation bzw. der Vorstellungsaktivität, hinweisen und andeuten, dass diese nur wenig Zeit beansprucht. So signalisiert die Moderatorin mit dem akzentuierten Adverb „ KURZ “ in Z. 03, dass das Vorstellen von „ professor doktor stefan koch “ nicht ausführlich durchgeführt wird: Renommierteste (deutsche Anmoderation 12) 01 Mod: wir werden GLEIch (1.0) übergehen, 02 zum VORtrag von professor doktor stefan koch. 03 ich mÖchte ihnen ihn noch KURZ vorstellen. Das Phänomen Verweis auf die Kürze der Anmoderation bzw. der Vorstellungsaktivität stellt den rhetorischen brevitas-Topos dar, der sich auf „ die Kunst, nicht zu viel zu erklären “ (Kallendorf/ G. 1994: 53) bezieht. Diese Strategie vollzieht sich sprachlich in lexiko-semantischen Elementen mit einer abschwächenden Bedeutung, die in der Regel den Hauptakzent der betreffenden Äußerungen tragen. So werden die Adjektive ganz und kurz in den Äußerungen „ nur GANZ wenige worte “ (Z. 10) und „ ne KURZe vorstellung “ (Z. 11) akzentuiert. Mit dieser prosodischen Markierung expliziert die Moderatorin, dass das Vorstellen von „ herrn pieper “ nur auf eine abgeschwächte Weise ausgeführt wird: Eine kleine Tasche (deutsche Anmoderation 13) 10 Mod: ich werde nur GANZ wenige worte- 11 ehm_ne KURZe vorstellung geben; 12 und dann werde ich auch das wort soFORt an herrn pieper weiter geben. Die explizite Thematisierung der Kürze des Vorstellens der ReferentInnen ist auch am folgenden chinesischen Transkriptausschnitt zu erkennen. Feierlich vorstellen (chinesische Anmoderation 09) 09 Mod: << 慢 > 我稍微简单地我们介绍一下王教授啊? > wo shaowei jiangdan de women jieshao yixia wang jiaoshou a <<len> ich ein bisschen einfach [CSC] wir vorstellen mal wang professor [ PAR]> Wir stellen nur kurz Professor Wang vor 6.3 Verweis auf das „ knappe Sprechen “ 121 <?page no="122"?> Dadurch dass der Moderator die Adverbien „ shaowei jiandan de “ (oberflächlich und einfach) hintereinander verwendet, zeigt er an, dass es sich hierbei um eine kurze Vorstellung von Professor Wang handelt. Nach Baldauf (2002: 124) muss die Frage, warum das „ knappe Sprechen “ eingesetzt wird, stets mit „ der Kenntnis der Sprechsituation bzw. der kommunikativen Konstellation “ beantwortet werden. In Wissenschaftskonferenzen, die ein Forum für die Präsentation, Vermittlung, Diskussion und Erarbeitung der Untersuchungsergebnisse der WissenschaftlerInnen darstellen (vgl. Hyland 2009: 79, 80), ist die situationseröffnende Funktion der Anmoderation im Vergleich zum Zweck des Vortrags nur flankierend. Es gilt folglich für die Ausführung der Anmoderation die Forderung nach Kürze. Dabei sind die ModeratorInnen jedoch mit dem Dilemma, ZuhörerInnen einerseits je möglichst vielseitige Informationen über die ReferentInnen zu liefern und andererseits nicht zu viel Zeit in Anspruch zu nehmen, konfrontiert. Dafür wird der Verweis auf das „ knappe Sprechen “ als eine kommunikative Strategie eingesetzt, mit der die ModeratorInnen zwischen den beiden konfligierenden Interessen balancieren. Mit dieser Strategie signalisieren die ModeratorInnen, dass keine Vollständigkeit der anzugebenden Informationen über die Vortragenden zu erwarten ist. Ferner nehmen sie sich damit selbst zurück und kontextualisieren die Anmoderation als wenig raumeinnehmend, wodurch die zeitliche Eigenschaft der Anmoderation explizit relevant gesetzt wird: Als Eröffnungseröffnung nimmt die Anmoderation keine längere Zeit in Anspruch. Hierbei zeigt sich, dass der Verweis auf das „ knappe Sprechen “ die Funktion der „ Rücksichtnahme “ trägt, die darin besteht, „ den Partner nicht bei dessen primärer Tätigkeit zu stören “ (Baldauf 2002: 124). In der Ausführung dieser kommunikativen Strategie zeigen die ModeratorInnen an, dass sie die Forderung nach der Kürze der Anmoderation im Auge behalten und versuchen, nicht zu tiefgreifend in das „ Territorium “ (Goffman 1971/ 1982) der ReferentInnen einzudringen, also deren Vortragszeit nicht zu gebrauchen. 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen Die im Folgenden verwendeten Begriffe persönliche Identität und soziale Identität lehnen sich an Goffman (1971/ 1982) an. Nach Goffman (1971/ 1982) bezieht sich die persönliche Identität eines Individuums auf die einzigartige organische Kontinuität, die jedem Individuum zugeschrieben wird, und die sich auf unterscheidende Merkmale wie zum Beispiel Name und äußere Erscheinung gründet und durch Kenntnisse hinsichtlich 122 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="123"?> seiner Biographie und seiner sozialen Eigenschaften ergänzt wird - Kenntnisse, die um seine unterscheidenden Merkmale zentriert sind. (Goffman 1971/ 1982: 256) Die persönliche Identität eines Individuums, so Goffman (1963/ 1975: 74), ist „ die einzigartige Kombination von Daten der Lebensgeschichte “ , die das Individuum von allen anderen unterscheidet. Die soziale Identität eines Individuums bezieht sich auf „ die umfassenden sozialen Kategorien (und die wie Kategorien funktionierenden Organisationen und Gruppen), zu denen ein Individuum gehört bzw. als zu denen gehörig angesehen werden kann: Altersstufe, Geschlecht, Schicht usw. “ (Goffman 1971/ 1982: 255) 37 Mittlerweile liegt eine Fülle von linguistischen Untersuchungen vor, die Fragen nachgehen, wie die persönliche und soziale Identität der Interagierenden sprachlich interaktiv hergestellt werden. 38 Dabei hat sich der Begriff Positionierung als ein gängiger Begriff der empirischen Erforschung der Identitätskonstitution durchgesetzt (Wolf 1999; Lucius-Hoene/ Deppermann 2004; Günthner/ Bücker 2009), da „ die Perspektive der Positionierung einen materialgestützten und materialadäquaten Zugang zu Prozessen der Identitätskonstitution “ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004: 166) bietet und „ die identitätsrelevanten darstellerischen wie performativen Handlungen “ der Interagierenden zu bestimmen ermöglicht (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004: 166). Die Positionierung bezeichnet ganz allgemein die diskursiven Praktiken, mit denen Menschen sich selbst und andere in sprachlichen Interaktionen aufeinander bezogen als Personen her- und darstellen, welche Attribute, Rollen, Eigenschaften und Motive sie mit ihren Handlungen in Anspruch nehmen und zuschreiben, die ihrerseits funktional für die lokale Identitätsher- und -darstellung im Gespräch sind. (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004: 168) Es wird zwischen der Selbstpositionierung und der Fremdpositionierung unterschieden. Ein Handelnder vollzieht eine Selbstpositionierung, wenn er sich in einer Interaktion zu einer sozial bestimmbaren Person macht, eben eine bestimmte ‚ Position ‘ im sozialen Raum für sich in Anspruch nimmt und mit dem Interaktionspartner zu verstehen gibt, wie er gesehen werden möchte. (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004: 168, 169) Die andere Seite der Positionierungsperspektive, die Fremdpositionierung, kommt zustande, wenn der Handelnde „ mit einer solchen Selbstpositionierung ebenso wie mit der Adressierung des Interaktionspartners und auf 37 Für mehr zu Goffmans Begriffen der persönlichen und der sozialen Identität siehe Abels (2010 b: 323 ff.). 38 Siehe z. B. König (2010). 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 123 <?page no="124"?> ihn bezogenen Handlungen “ dem Interaktionspartner eine soziale Position zuschreibt und ihm damit verdeutlicht, wie er ihn sieht (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004: 168, 169). In der linguistischen Erforschung der Konstitution der sozialen Identität schlägt Wolf (1999) den Begriff soziale Positionierung vor. Die soziale Positionierung bezieht sich auf „ sprachlich-interaktive Aktivitäten “ , „ mit denen Interagierende sich selbst und anderen bestimmte Eigenschaften zuweisen oder bestimmten sozialen Kategorien zuordnen “ (Wolf 1999: 69, 70). In den folgenden Analysen wird verdeutlicht, dass das Vorstellen von ReferentInnen eine von ModeratorInnen vollzogene Fremdpositionierung darstellt, in der die ReferentInnen identifiziert und bestimmten sozialen Kategorien zugeordnet werden. 6.4.1 Persönliche Identität In der Vorstellungsaktivität wird die persönliche Identität der Referent- Innen primär mittels derer Namen verbalisiert. Die Nennung der Vollnamen ist ein konstitutiver Bestandteil jeder Personenvorstellung (vgl. Wimmer 1995: 373; Beetz 1985: 35). Für die Anmoderation eines Vortrags ist die namentliche Nennung des Referenten ebenfalls unerläßlich. Prachtvolles Bühnenbild (chinesische Anmoderation 12) 02 Mod: 在座的四位其他的同仁 zaizuo de siwei qita de tongren anwesende [NOM] vier [CL] andere Kollegen anwesende vier Kollegen 03 大家一看就知道啊 ; dajia yi kan jiu zhidao a alle einmal sehen wissen [PAR] wenn Sie einmal sehen, erkennen Sie 04 阵容鼎盛啊 . zhenrong dingsheng a Bühnenbild prachtvoll [PAR] was für ein prachtvolles Bühnenbild das ist 05 都是我们国家修辞学研究知名的学者 . doushi women guojia xiucixue yanjiu zhiming de xuezhe alle sind unser Land Rhetorikforschung berühmt [NOM] Forscher dies sind berühmte Rhetorikforscher unseres Landes 06 他们是王铭教授 tamen shi wang ming jiaoshou sie [COP] Wang Ming Professor sie sind Professor Wang Ming 07 法国大学教授中文部主任 ; faguodaxue jiaoshou zhongwen bu zhuren 124 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="125"?> Frankreich Universität chinesische Fakultätsleiter Professor und Dekan der Fakultät für Chinesisch der Universität Frankreich 08 也是北京语言大学教授 . yeshi beijingdaxue jiaoshou auch [COP] Beijing Universität Professor er ist auch Professor an der Universität Beijing 09 他今天演讲的题目是汉语和文体的研究 . ta jingtian yanjiang de timu shi hanyu he wenti de yan jiu sein heute Vortragsthema [COP] Chinesisch und Stilistik [ASSOC] Forschung sein Vortragsthema heute ist Erforschung der chinesischen Stilisitik 10 第二位是何勇教授 , di er wei shi he yong jiaoshou zweiter [CL] [COP] He Yong Professor der zweite Referent ist Professor He Yong 11 是上海大学中文系博导 . shi shanghai daxue zhongwenxi bodao [COP] Shanghai Universität chinesische Fakultät Doktorandenbetreuer er ist Doktorandenbetreuer an der Fakultät für Chinesisch der Universität Shanghai Mit dem „ Namenmitteilungsakt “ (Bellmann 1990: 144) „ tamen shi. . . “ (sie sind) in Z. 06 und „ di er wei shi. . . “ (der zweite ist) in Z. 10 informiert der Moderator die ZuhörerInnen über die Namen der ReferentInnen, wobei zunächst die Familiennamen, dann Vornamen und Titel mitgeteilt werden ( „ WANG Ming Professor “ in Z. 06, „ HE Yong Professor “ in Z. 10). In den deutschen Anmoderationen geht dagegen dem Namenmitteilungsakt die Titulierung voraus „ professor doktor maria MÜLLer “ (Z. 15): Bremen (deutsche Anmoderation 01) 06 Mod: ich würde JETZT, 07 DArf ich mich noch mal bedanken bei den referenten aus zürich. 08 Pub: ((Applaus und akademisches Klopfen)) 09 Mod: ((räuspern))°hh 10 und würde jetzt überLEITen, 11 nachdem wir uns über den bildkontext zu unterHALTen haben- 12 zu einer speZIELLen art der fotografie, 13 nämlich PREssefotografie- 14 und darf ihnen VORstellen- 15 frau professor doktor maria MÜLLer- 16 von der JAkobsuniversity aus bremen zu uns gekommen. 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 125 <?page no="126"?> Personennamen haben „ eine herausragende Funktion bei der Wahrnehmung der persönlichen Identität “ (Wimmer 1995: 373; vgl. auch Goffman 1963/ 1975: 76) und sind stets mit der Identitätspräsentation verbunden (vgl. Hoffmann 1999: 231). Folglich findet mit dem Namenmitteilungsakt zugleich die Konstitution der persönlichen Identität der ReferentInnen statt. 6.4.2 Soziale Positionierung der ReferentInnen Nach Bourdieu (1997/ 1998) ist das wissenschaftliche Feld „ ein Ort zweier Arten von Macht [. . .] denen zwei Sorten wissenschaftlichen Kapitals entsprechen “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31). Das eine wissenschaftliche Kapitel ist „ weltlich (oder) politisch “ und bezieht sich auf: 39 eine institutionelle und institutionalisierte Macht, die verknüft ist mit der Besetzung herausgehobener Stellen in wissenschaftlichen Institutionen, mit der Leitung von Forschungseinrichtungen und Abteilungen [. . .] und mit der dadurch eingeräumten Macht über Produktionsmittel (Verträge, Gelder, Posten usw.) und Reproduktionsmittel (die Macht, über Karrieren zu entscheiden oder Karrieren zu „ machen “ . (Bourdieu 1997/ 1998: 31) Das andere wissenschaftliche Kapitel nennt Bourdieu (1997/ 1998: 31) das „ reine wissenschaftliche Kapital “ . Dieses Kapital „ wird vor allem durch anerkannte Beiträge zum Fortschritt der Wissenschaft, durch Erfindungen oder Entdeckungen angehäuft (der beste Indikator sind hier Veröffentlichungen, insbesondere in hochselektiven und prestigereichen Organen, ähnlich wie symbolische Bankkredite) “ (Bourdieu 1997/ 1998: 32). Das Vorstellen der chinesischen und der deutschen ReferentInnen hat insofern Ähnlichkeit, als in diesem Prozeß die sozialen Gruppenzugehörigkeiten der ReferentInnen hergestellt werden. Dies geschieht u. a. durch die Auskunft über Stellen, Tätigkeiten, Universitäten bzw. Hochschulen, Interessensgebiete und Publikationen der ReferentInnen. Das Vorstellen in den Anmoderationen unterscheidet sich in beiden Sprachen vor allem darin, dass die chinesischen und die deutschen ModeratorInnen beim Vorstellen der ReferentInnen Wert auf verschiedene Arten wissenschaftlichen Kapitals legen: Während die deutschen ModeratorInnen auf das „ reine wissenschaftliche Kapital “ der ReferentInnen, also auf deren akademische Status bzw. Titel, Interessensgebiete und Publikationen eingehen, betonen die chinesischen ModeratorInnen darüber hinaus noch die „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ der ReferentInenn und erwähnen deren administrative Machtpositionen in der Verwaltung an Universitäten. 39 Mehr zu Bourdieus Kapitalbegriff siehe Bourdieu (1979/ 1987, 2001). 126 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="127"?> 6.4.2.1 Soziale Kategorisierung der deutschen ReferentInnen Der folgende Ausschnitt entstammt einer Anmoderation bei einer soziologischen Konferenz in Deutschland. Ein Kaufmann (deutsche Anmoderation 14) 05 Mod: ich DARf ihnen unseren nächsten (.) referenten vorstellen, 06 herr DOKtor karl henz, 07 der am FORschungsinstitut für soziologie- 08 an der universität westen LEHrt und tätig ist. Der Doktortitel des Referenten wird dadurch angegeben, dass der Moderator mit der Kombination Titel + Name „ herr DOKtor karl henz “ in Z. 06 auf diesen referiert. Über den akademischen Titel hinaus informiert der Moderator noch über die Tätigkeit des Referenten: „ der am FORschungsinstitut für soziologie an der universität westen LEHrt und tätig ist “ (Z. 07 und 08). Mit der Titulierung des Referenten und der Auskunft über dessen Tätigkeit ordnet der Moderator diesen der sozialen Gruppe der Lehrenden zu. Zur sozialen Kategorisierung des Referenten trägt ebenfalls die Angabe zu dessen Universität bei. Nach Zimmermann (1976) dient die Auskunft über Wohnort und Herkunft einer Person der Herstellung der Identität, da sie sich nicht mit einer geographischen Auskunft zufrieden gibt, sondern nach der sozialen Zugehörigkeit, also der Gruppen-Identität des anderen vorstößt: das Ich und die Gruppe, in der das Ich lebt und arbeitet. (Zimmermann 1976: 127) Mittels der Äußerung „ FORschungsinstitut für soziologie an der universität westen “ und der Kombination Titel + Name wird folglich die unverwechselbare Identität des Referenten hergestellt. Die deutschen ModeratorInnen verwenden entweder statusbezeichnende Referenzformen Professor und Frau Professor oder Ausdrücke wie eine Professur für . . . haben und einen Lehrstuhl für . . . haben, um bekanntzugeben, dass es sich bei den vorgestellten ReferentInnen um ProfessorInnen handelt. So ist an den Statusbezeichnungen „ professor doktor “ in Z. 09 zu erkennen, dass der Referent neben einem Doktorauch einen Professorentitel besitzt: Wunderbare Eigenschaft (deutsche Anmoderation 15) 09 Mod: <<f>ich darf EIN paar worte sagen zu professor doktor gerhard müller-> 10 der auch als NÄCHster referieren wird. Die Ausdrücke eine Professur für . . . haben (Datenausschnitt DA 16) und einen Lehrstuhl für . . . haben (Datenausschnitt DA 13) sind kulturspezifische 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 127 <?page no="128"?> Statusbezeichnungen im Deutschen, mit denen die betreffenden Referent- Innen als LehrstuhlinhaberInnen explizit positioniert werden: Abteilungsleiter (deutsche Anmoderation 16) 10 Mod: er hat DAnn eine professur für kommunikation und soziologie- 11 an der universität SCHÖNberg inne. Eine kleine Tasche (deutsche Anmoderation 13) 26 Mod: herr pieper hat DAnn sich habilitiert, 27 neuzehnhundertachtundsiebzig in DÜsseldorf. 28 und hatte AB neuzehnhundertachtzig einen lehrstuhl für 29 GERmanIstische sprachwissenschaft an der universität essen inne. Die Statusbezeichnungen eine Professur für. . . haben und einen Lehrstuhl für. . . haben kommen in den chinesischen Daten nicht vor, da das System des Lehrstuhls sowie der Professur an den chinesischen Hochschulen nicht existiert. In der Vorstellungsaktivität nennen die deutschen ModeratorInnen auch Interessensgebiete und Veröffentlichungen der ReferentInnen, wobei sie sich wegen der knapp bemessenen Redezeit der rhetorischen Figur der Praeteritio bedienen. Die Praeteritio bezeichnet die Ankündigung des Redners, daß er bestimmte Gegenstände zu übergehen beabsichtigt. Hierbei können diese Dinge tatsächlich nicht genannt oder nur vage angedeutet werden, so daß man von einer wirklichen Auslassung sprechen kann. (Czapla 2005: 27) Bei der Realisierung der Praeteritio loben die ModeratorInnen zunächst die ReferentInnen und explizieren jedoch anschließend, dass sie auf eine ausführliche Auflistung der Interessensgebiete und Veröffentlichungen verzichten. Dem folgenden Ausschnitt geht voraus, dass der Moderator die wissenschaftliche Laufbahn der Referentin rekonstruiert hat. In Z. 13 beginnt er, die Forschungsschwerpunkte der Referentin anzugeben: Ist das Buch erschienen (deutsche Anmoderation 10) 13 Mod: sie hat ein recht breit ge_sch eh stREUtes interessensgebiet, 14 ich will EIN paar punkte vorstellen. Mit „ recht breit ge_sch eh stREUtes “ in Z. 13 stellt der Moderator die Referentin als eine Akademikerin dar, die über breite wissenschaftliche Perspektiven verfügt. Die sich anschließende Äußerung „ ich will EIN paar punkte vorstellen “ in Z. 14 zeigt jedoch, dass die Arbeitsgebiete der Referentin nur knapp genannt werden. 128 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="129"?> In den nachstehenden beiden Datenausschnitten informieren die Moderatoren über die Veröffentlichungen der Referenten. Mit den Äußerungen „ seine ver veröffentlichungen sind DER art zahlreich “ (Z. 25 im Datenausschnitt DA 16) und „ ºh er hat eh diVERse publikation gemacht “ (Z. 70 im Datenausschnitt DA 03) werden die Referenten als Besitzer von reichlich „ reinem wissenschaftlichem Kapital “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) positioniert. Die sich anschließenden Praeteritioes „ ich werde nur GANZ wenige ein paar nennen “ (Z. 26 im Datenausschnitt DA 16) und „ ich bleibe bei bei bei den akTUELleren “ (Z. 71 im Datenausschnitt DA 03) deuten an, dass die Moderatoren aus der Fülle der Veröffentlichungen nur wenige herausgreifen: Abteilungsleiter (deutsche Anmoderation 16) 25 Mod: seine ver veröffentlichungen sind DER art zahlreich. 26 ich werde nur GANZ wenige ein paar nennen Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 70 Mod: ºh er hat eh diVERse publikation gemacht- 71 ich bleibe bei bei bei den akTUELleren. 6.4.2.2 Soziale Kategorisierung der chinesischen ReferentInnen In den chinesischen Anmoderationen werden administrative Machtpositionen der ReferentInnen in der universitären Verwaltung in den Vordergrund gestellt. Dies wird anhand des folgenden Datenausschnitts verdeutlicht. Ich lade dich zuerst ein (chinesische Anmoderation 13) 01 Mod: 我们最后一位发言人呢 women zuihou yiwei fayanren ne unser letzter [CL] ein referent [PAR] unser letzter Referent 02 是来自广州大学中文学院应用语言学系教 shi laizi guangzhou daxue zhongwen xueyuan yingyong yuyanxuexi jiao [COP] von guangzhou universität chinesisch institut angewandte linguistikabteilung er kommt von der Abteilung für Angewandte Linguistik des Chinesischen Instituts an der Universität Guangzhou 03 的教授 de jiaoshou [ASSOC] professor er ist Professor 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 129 <?page no="130"?> 04 而且呢是系主任 erqie ne shi xizhuren zudem [PAR] [COP] dekan zudem ist er Dekan 05 嗯 en PAR 06 辛国光老师 xing guoguang laoshi xing guoguang Lehrer Herr Xing Guoguang In Z. 02 und 03 gibt der Moderator bekannt, dass es sich bei dem Referenten um einen Professor handelt. Im Anschluss daran fügt der Moderator noch eine „ soziale Information “ (Goffman1963/ 1975: 58 f.) über den Referenten hinzu, deren Bedeutsamkeit durch das Adverb „ erqie “ (zudem) und die Partikel „ ne “ markiert wird (Z. 04): Der Referent ist noch „ xizhuren “ (Dekan) und somit Besitzer von „ institutioneller und institutionalisierter Macht “ (Bourdieu 1997/ 1998: 33). Auffällig bei den Statusbezeichnungen in den chinesischen Daten ist der Begriff boshi sheng daoshi ( 博士生导师 , abgekürzt bodao, 博导 , „ Doktorandenbetreuer “ ). Dieser Ausdruck stellt einen spezifischen Titel in der chinesischen Wissenschaftskultur dar. Er bezieht sich auf diejenigen UniversitätsprofessorInnen, die DoktorandInnen aufnehmen und betreuen dürfen. Die Entstehung dieses Titels hängt mit dem chinesischen Hochschulsystem zusammen: Nicht jede Universität in China hat das Promotionsrecht, und ProfessorInnen, die an Universitäten ohne Promotionsrecht lehren, haben dementsprechend kein Promotionsrecht. Auch an Universitäten mit Promotionsberechtigung kommt dieses Recht nicht allen ProfessorInnen zu. Der Erwerb dieses Titels ist ein „ Kampf um die Klassifizierung “ (Bourdieu/ Boltanski 1981: 103) unter den ProfessorInnen und somit als ihr mühevoller sozialer Aufstieg zu verstehen: Sie müssen Voraussetzungen, die von Universität zu Universität und von Fach zu Fach variieren, erfüllen und sich besonders qualifizieren, um den Titel Doktorandenbetreuer zu erlangen. ProfessorInnen mit Promotionsberechtigung sind im Vergleich zu den „ einfachen “ ProfessorInnen akademische Eliten und knappe Güter auf dem akademischen Markt, die mit dem besagten Titel etikettiert werden. Dieser Titel kann folglich als „ ein Zeichen des Stolzes für den Träger “ (Goffman 1963/ 1975: 62) betrachtet werden. Er ist sowohl ein „ Statussymbol “ als auch ein „ Prestigesymbol “ (Goffman 1963/ 1975: 58) und wird heutzutage auch auf Visitenkarten gedruckt. Es handelt sich bei Doktorandenbetreuer jedoch um keine Anredeform. Beim Vorstellen der ReferentInnen achten die ModeratorInnen auf den hervorgehobenen Status dieser privilegierten Gruppe. So gibt der Moderator im 130 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="131"?> folgenden Ausschnitt bekannt, dass der Referent Professor He ein Doktorandenbetreuer ist (Z. 11): Prachtvolles Bühnenbild (chinesische Anmoderation 12) 10 Mod: 第二位是何勇教授 , dier wei shi he yong jiaoshou [ORD] zweit [CL] [COP] He Yong Professor der zweite Referent ist Professor He Yong 11 是上海大学中文系博导 . shi shanghai daxue zhongwenxi bodao [COP] Shanghai Universität chinesische Fakultät Doktorandenbetreuer er ist Doktorandenbetreuer an der Fakultät für Chinesisch der Universität Shanghai Während die Identifikation und die soziale Positionierung der Referenten sowohl in den chinesischen als auch in den deutschen Anmoderationen auftreten, ist die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahnen der ReferentInnen ein spezifischer Bestandteil der deutschen Anmoderationen. Dies wird im Folgenden näher beleuchtet. 6.4.3 Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahnen der ReferentInnen In den deutschen Anmoderationen kommt es häufig vor, dass die ModeratorInnen über ausgewählte „ Biographiefragmente “ (Rehbein 1982: 52) der ReferentInnen berichten und deren „ biographische Lebenslinie “ bzw. „ lebensgeschichtlichen Werdegang “ (Goffman 1963/ 1975: 80) im wissenschaftlichen Milieu rekonstrukieren. Dies wird am folgenden Datenausschnitt veranschaulicht: Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 39 Mod: ich komme dann zu ihnen den ersten referenten unseres heutigen symposiums VORzustellen, 40 das ist DOKtor peter hartmann, 41 der eine profeSSUR für wissenschaftsforschung an der eidgenössischen technischen universität- 42 oder HOCHschule in zürich hat. 43 ºhh er ISt eh in dem sinne jemand der 44 ºh sich also AUCH mit wissenschaftsfragen besch(.) äftigt. 45 ich will da auch KURZ noch was zu seiner entwicklungs- 46 oder zu seiner wissenschaftlichen LAUFbahn sagen. 47 er hat auch kunstgeschichte stuDIERt, 48 aber AUCH neuere deutsche literatur und philosophie, 49 in bonn köln marburg und PAris. 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 131 <?page no="132"?> 50 hat dann in tü eh tü ehm promoVIERt, 51 an der philippsuniversität in marburg; 52 und zwar über die vergangenheit der KUNststrategie der nachträglichkeit im achtzehnten jahrhundert. 53 er hat dann ein POSTdoktorandenstipendium am max planck institut- 54 für wissenschaftsgeschichte in berlin absolVIERt. 55 war DAnn wissenschaftlicher mitarbeiter in sonderforschungsbereich literatur und anthropologie; 56 ºh der universität KONstanz- 57 ºhh war DAnn wissenschaftlicher mitarbeiter, 58 eh am wissenschaft AM max planck institut für wissenschaftsgeschichte; 59 und oberassistent DAnn professor für wissenschaftsforschung- 60 an der beSAGTen eidgenössischen technischen hochschule in zürich. 61 eh seit zweitausendsieben GASTprofessor am historischen seminar an der universität zürich; 62 DAnn zweitausendacht habilitation in kunstgeschichte an der universität basel; 63 mit dem thema andere BILder- 64 eine geschichte fotografischer erSCHEINungen. 65 ºh gegenwärtig ist er FELlow am internationalen kolleg für kultur technik forschung und medienphilosophie am bauhaus- 66 eh an der bauhausuniversität in WEImar. Die Rekonstruktion der „ wissenschaftlichen LAUFbahn “ (Z. 46) des Referenten weist eine Zeitspanne von damals und jetzt auf und beinhaltet bisherige Schlüsselereignisse in dessen wissenschaftlichem Werdegang. Der Moderator gibt zunächst das Damals chronologisch wieder. Dazu gehören das Studium (Z. 47, 48, 49), die Promotion (Z. 50, 51 und 52), das Postdoc-Studium (Z. 53 und 54), Anstellungen an mehreren Forschungseinrichtungen und die Habilitation (Z. 55 bis 64). Auf die Wiedergabe der zurückliegenden Ereignisse folgt die Nennung der gegenwärtigen Mitgliedschaft des Referenten als „ FELlow am internationalen kolleg “ (Z. 65 und 66). Das Forschungsinteresse der folgenden Analysen liegt nicht auf dem Inhalt der Biographiefragmente. Stattdessen stehen sprachliche Mittel, mit denen die „ Ereigniskette “ (Labov/ Waletzky 1969/ 1973: 112) der wissenschaftlichen Laufbahn der ReferentInnen hergestellt werden, im Vordergrund. Leitende Fragestellungen sind: - Wie signalisieren die ModeratorInnen den Beginn und Abschluss der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn? 132 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="133"?> - Mit welchen sprachlichen Mitteln wird der Übergang von der Wiedergabe der zurückliegenden Ereignisse zur Kundgabe über den gegenwärtigen Status der ReferentInnen markiert? - Wie wird der Bezug der ReferentInnen zu deren scientific communities hergestellt? 6.4.3.1 Einführung der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn In den vorliegenden deutschen Daten gibt es zwei Verfahren, mit denen die ModeratorInnen den Anfang der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn signalisieren: i) explizite Thematisierung, ii) Tempuswechsel i) Explizite Thematisierung Im bereits präsentierten Datenausschnitt „ Älteres Fossil “ kündigt der Moderator mit den metakommunikativen Äußerungen „ ich will da auch KURZ noch was zu seiner entwicklungs- “ (Z. 45) „ oder zu seiner wissenschaftlichen LAUFbahn sagen “ (Z. 46) die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn des Referenten explizit an. Die Explizierung der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn mit einer metakommunikativen Äußerung ist auch am folgenden Datenausschnitt ersichtlich: Eine Zäsur (deutsche Anmoderation 17) 09 Mod: eh seine ARbeit welche die vor; 10 welche die VORstellung der des dokumentarischen arbeitens- 11 °h IMMer weiter geöffnet hat; 12 °h ist stilprägend für eine GANze fotografengeneration geworden. 13 °h ich will KURZ ehm sagen- 14 ein BISSchen was zu seinem hintergrund erZÄHlen. 15 das beMERKenswerte an micheal koch ist, 16 dass er eigentlich fotographisch AUtodidakt ist; 17 hat er ALso keine fotoschule besucht. Es geht in Z. 09 bis 12 darum, dass der Moderator über die „ Arbeit “ des Referenten informiert und diese positiv bewertet ( „ stilprägend für eine GANze fotographengeneration “ ). Mit den Äußerungen in Z. 13 und 14 zeigt der Moderator an, dass er im Folgenden über den wissenschaftlichen Werdegang des Referenten berichtet ( „ zu seinem hintergrund erZÄHlen “ ). Der Ausdruck „ das beMERKenswerte “ in Z. 15 zeigt die „ personal stance 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 133 <?page no="134"?> or evaluative investment “ (Hoffmann 2010: 3) des Moderators zu dem „ hintergrund “ des Referenten und verweist auf „ point and tellability “ (Toolan 2001: 147; vgl. auch Ochs/ Capps 2001) der zu rekonstruierenden Ereignisse: Obwohl die Arbeit des Referenten Reputation genießt (Z. 12), ist er „ eigentlich fotographisch AUtodidakt “ (Z. 16) und hat „ keine fotoschule besucht “ (Z. 17). ii) Tempuswechsel Während die Moderatoren in Anmoderationen 03 und 17 mit metakommunikativen Äußerungen die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahnen einführen, geht der folgende Moderator mit dem indexikalischen Zeichen eines Tempuswechsels zur Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn des vorgestellten Referenten über: Nach der Mittagspause (deutsche Anmoderation 07) 08 Mod: ich möchte ihnen den LETZten referenten vorstellen; 09 im bezug auf refeRAte; 10 wir werden hier noch zwei WORKshops sehen, 11 und insofern geht es jetzt daRUM- 12 herrn christoph stein VORzutellen; 13 der als professor an der universität in paderborn TÄTig ist. 14 in der fakultät FÜR kulturwissenschaften, 15 und dort im institut für ANGlistik und amerikanistik. 16 °h er hat im WEsentlichen sein studium in bochum an der universität (.) absolviert, 17 dort auch promoVIERt und sich auch dort habilitiert. Während der Moderator mit dem Tempus des Präsens über den akademischen Status und die Tätigkeit des Referenten (Z. 13, 14 und 15) informiert, verwendet er nach einem kurzen Einatmen in Z. 16 das Tempus des Perfekts: „ °h er hat im WEsentlichen sein studium in bochum an der universität (.) absolviert “ (Z. 16). Dieser Tempuswechsel kontextualisiert den Übergang von der Auskunft über die gegenwärtige Tätigkeit des Referenten zur Rekonstruktion dessen wissenschaftlicher Laufbahn und signalisiert, dass die zurückliegenden Ereignisse im wissenschaftlichen Werdegang des Referenten wiedergegeben werden. 6.4.3.2 Kleinformatiges kommunikatives Muster der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn Die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn der ReferentInnen ist ein mündlicher Bericht, in dem die ModeratorInnen einerseits die zurückliegenden Ereignisse im wissenschaftlichen Werdegang der ReferentInnen 134 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="135"?> wiedergeben und andererseits über deren gegenwärtige Tätigkeiten informieren. Dabei greifen die ModeratorInnen auf ein kleinformatiges kommunikatives Muster zurück, das durch eine inhaltliche Verfestigung und zeitliche Orientierungen gekennzeichnet ist. Um Ruhe bitten (deutsche Anmoderation 04) 41 Mod: ich möchte ihnen doktor henrik SCHNEIder vorstellen. 42 ºh er ist hier an der universiTÄT bielefeld tätig; 43 in der fakulTÄT soziologie- 44 und betreibt dort mediensozioloGIE. 45 er HAt soziologie informatik und politikwissenschaft- 46 an der universität in HAMburg studiert; 47 ºh eh ist DAnn über ein wissenschaftliches programm; 48 eh AUCH tätig gewesen. 49 auch wissenschaftlicher MITarbeiter für soziologie an der universität hamburg. 50 eh er war DAnn zweitausendfünf visiting scholarship an der universität indiana uni- 51 in der inDIAna university in bloomington. 52 und hat zweitausendundsieben promoVIERt. 53 ist JETZt mitarbeiter hier, 54 wie gesagt im zusammenhang mit der universität BIElefeld bei professor doktor luther. Das kleinformatige kommunikative Muster der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn zeigt eine inhaltliche Verfestigung. Wie in den Lebensläufen der DoktorandInnen (Fries 1986) und NobelpreisträgerInnen (Gläser 1990: 132) wird auch hier der Bezug zur Wissenschaft stets in den Vordergrund gestellt. Erwähnt werden Schlüsselereignisse, die die ReferentInnen während der Bildung an Hochschulen, in wissenschaftlichen Institutionen und in der beruflichen Laufbahn bislang erlebt haben. Dabei werden u. a. Bildungsjahre und -orte, Namen der Universitäten bzw. wissenschaftlichen Einrichtungen, Anstellungen in der Vergangenheit und gegenwärtige Tätigkeiten angegeben. Nur in einer einzigen Anmoderation erwähnt ein Moderator das Gymnasium eines Referenten. Der Moderator von Anmoderation 04 berichtet diachron, wann, an welchen wissenschaftlichen Einrichtungen und mit welchen Forschungsthemen sich der Referent beschäftigt hat, zu welchem akademischen Status er gelangt und was er jetzt ist (Z. 42 bis 53). Die angegebenen Orte, Jahreszahlen und Tätigkeiten konstituieren gemeinsam die Schlüsselereignisse (das Studium, Anstellungen als „ wissenschaftlicher mitarbeiter “ und „ visiting scholarship “ , Promotion und gegenwärtige Tätigkeit als „ mitarbeiter “ ). Neben der inhaltlichen Verfestigung weist das kleinformatige kommunikative Muster der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 135 <?page no="136"?> zeitliche Orientierungen von damals und jetzt auf. 40 So gibt der Moderator in Z. 45 bis 52 zunächst das Damals des Referenten wieder. Im Anschluss daran greift der Moderator in Z. 53 und 54 die gegenwärtige Tätigkeit des Referenten auf, die vorher bereits genannt wurde (Z. 42, 43 und 44). Der Tempusübergang von damals bis jetzt im Rahmen der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn wird sprachlich mit den indexikalischen Zeichen eines Tempuswechsels und einer prosodischen Markierung im Zusammentreffen mit den metapragmatischen Zeichen der Temporaladverbien realisiert. So verwendet der Moderator bei der Wiedergabe der zurückliegenden Ereignisse das Perfekt (Z. 45, 46, 47, 48 und 52) und das Präteritum (Z. 50), bei der Angabe zur gegenwärtigen Tätigkeit das Präsens „ ist “ . Temporaladverbien, die die Schlüsselereignisse diachron miteinander verbinden, werden prosodisch mit einer Betonung markiert ( „ DAnn “ in Z. 47 und 50, „ JETZt “ in Z. 53). Das kleinformatige kommunikative Muster der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn mit der inhaltlichen Verfestigung und den zeitlichen Orientierungen hat insofern Ähnlichkeit mit dem Erzählmodell Labovs (1972, 1997), als die ModeratorInnen über „ Person, Ort, Zeit und Handlungssituation “ (Labov/ Waletzky 1967/ 1973: 112) in den Schlüsselereignissen des akademischen Werdegangs der ReferentInnen berichten. Mit dem Tempusübergang lenken die ModeratorInnen die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft von den zurückliegenden Ereignissen auf die gegenwärtige Tätigkeit der ReferentInnen und signalisieren, dass die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn endet. 6.4.3.3 Herstellung der temporalen Abfolge der Schlüsselereignisse Unter temporaler Abfolge ist die „ temporal relationship between propositions “ (Schiffrin 1987: 229) zu verstehen. Kennzeichnend für die temporale Abfolge der Schlüsselereignisse in der wissenschaftlichen Laufbahn ist, dass diese Ereignisse als „ ordered recall of temporally ordered experience “ (Toolan 2001: 147) auftreten. Bei der Herstellung der Temporalität greifen die ModeratorInnen immer wieder auf das Temporaladverb dann zurück, das die Funktion von „ clause-intial then “ im Schiffrinschen Sinne trägt: „ intial then marks successive event time “ (Schiffrin 1987: 250). Ein Kaufmann (deutsche Anmoderation 14) 05 Mod: ich DArf ihnen unseren nächsten (.) referenten vorstellen, 06 herr DOKtor karl henz, 07 der am FORschungsinstitut für soziologie- 40 In den Lebensläufen deutscher und amerikanischer DoktorandInnen lassen sich ebenfalls deren „ past and present positions “ (Fries 1986: 1207) feststellen. 136 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="137"?> 08 an der universität westen LEHRt und tätig ist. 09 ºh er hat zunächst industrieAUSbildung als (.) 10 ausbildung gemacht als als KAUFmann, 11 eh ist dann auf übers wirtschaftsgymnaSIUM zur hochschulreife gekommen- 12 hat DAnn in tübingen RECHtswissenschaft studiert, 13 dann ein WEIteres studium- 14 eh in tübingen mit poliTIKwissenschaft soziologie und 15 eh empirischen kulTURwissenschaften, 16 ºh er HAT eh zweiundneunzig promoviert; 17 im fach poliTIKwissenschaft an der universität tübingen, 18 zu einem thema zur logik der politikwissenschaftlichen theoRIE. 19 DAnn ein postgraduate studium in essex. 20 ºh und hat sich zweitausendrei habilTIERt, 21 im fachbereich politikwissenschaften an der universität tübingen. Die Wiedergabe der vergangenen Ereignisse im wissenschaftlichen Werdegang des Referenten beginnt in Z. 12. In ihren Untersuchungen zu Erzählungen kommen Labov/ Waletzky (1967/ 1973) zu dem Ergebnis, dass in Erzählungen die temporale Abfolge zwischen rekapitulierten Erlebnissen in erster Linie durch das Temporaladverb „ then “ hergestellt wird: „ Unter diesen temporalen Beziehungen ist aber die a-then-b in gewissem Sinne die für die Erzählung wesentlichste und typischste. “ (Labov/ Waletzky 1967/ 1973: 109) In dem vorliegenden Ausschnitt wird das Temporaladverb dann bei der Wiedergabe der vergangenen Ereignisse ebenfalls immer wieder verwendet (in Z. 12, 13 und 19). Somit wird die wissenschaftliche Laufbahn des Referenten als dessen Individualisierungsprozess mit einer geradlinigen Entwicklung präsentiert: vom Studium, über die Promotion bis zum Postdoc-Studium bzw. zur Habilitation. 6.4.3.4 Schlussfolgerungen der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn Wie in den Laudationes bei Preisverleihungen (Gläser 1990: 132; Zimmermann 1993) wird auch in Anmoderationen der deutschen Vorträge die wissenschaftliche Laufbahn der ReferentInnen rekonstruiert. Dies folgt einer „ chronologischen Leitlinie “ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2002: 10) und vollzieht sich „ in a single, closed, temporal and causal path “ (Ochs/ Capps 2001: 41). In den vorangehenden Analysen wurde ein kleinformatiges kommunikatives Muster identifiziert, das in den deutschen Anmoderationen immer wieder auftritt. Das indexikalische Zeichen des Tempuswechsels nimmt eine wichtige Rolle ein, das diesem Muster einen chronologischen Charakter zuschreibt. Der Wechsel vom Präsens in die 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 137 <?page no="138"?> Vergangenheitstempora (Perfekt und Präteritum) produziert einen Bruch zu den vorangehenden Äußerungen in Anmoderationen und weist auf einen Kontextwechsel zur Wiedergabe der vergangenen Ereignisse hin. Zum Abschluss der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn wechselt das Tempus von den Vergangenheitstempora ins Präsens, wodurch die Aufmerksamkeit der ZuhörerInnen von der Vergangenheit auf die Gegenwart gelenkt und das Ende der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn signalisiert werden. Im Vergleich zur Lebensbeschreibung in Laudationes (Zimmermann 1993) und Lebensläufen von WissenschaftlerInnen (Fries 1989; Gläser 1990: 132), in denen Angaben über Geburtsjahr, -ort, Kindheit, Jugend, Schule und Gymnasium, Familie, Eltern und Hobbys der WissenschaftlerInnen zu finden sind, kommen in Anmoderationen ausschließlich die wissenschaftliche Bildung und Tätigkeit der ReferentInnen an Hochschulen und in wissenschaftlichen Institutionen zum Ausdruck. 6.4.4 Vergleich der Identitätskonstitution der ReferentInnen in chinesischen und deutschen Anmoderationen Es geht in der Identitätskonstitution in den deutschen Anmoderationen darum zu zeigen, wie die ReferentInnen wurden, was sie jetzt sind, während es in der Identitätskonstitution in den chinesischen Anmoderationen darum geht, anzugeben, was die ReferentInnen jetzt sind. Die deutschen Anmoderationen zeichnen sich durch die immer wieder auftretende Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn der Referent- Innen aus, dagegen ist in den chinesischen Anmoderationen eine „ culturerelated silence “ (Krajewski/ Schröder 2008: 603) vom wissenschaftlichen Werdegang der ReferentInnen festzustellen. Der Grund dafür liegt m. E. darin, dass die chinesischen ModeratorInnen es vermeiden wollen, Lebensläufe der älteren ProfessorInnen mit jenen jüngerer Generation zu kontrastieren. Nach Fröhlich/ Rehbein (2009: 163) bezieht sich die soziale Laufbahn der Individuen auf „ die Entwicklung, die Klassen oder Akteure im sozialen Raum durchlaufen: Ist die Entwicklung geradlinig oder handelt es sich um ein unstetes Auf und Ab? Geht es rasch aufwärts oder langsam abwärts? “ Die Geschichte der Volksrepublik China vom Ende der 1950er Jahre bis hin zu den 1970er Jahren wurde durch aufeinander folgende politische Bewegungen geprägt, die die Hochschulpolitik der Volksrepublik stark beeinträchtigten (Yu 2009). Nicht zuletzt hat die Kulturrevolution (1966 - 1976) die Lehre und Forschung an wissenschaftlichen Institutionen erheblich eingeschränkt: Die von 1966 bis 1976 andauernde Kulturrevolution wirkte sich auf das Hochschulwesen massiv aus. Viele Leiter der Hochschulen sowie Profes- 138 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="139"?> soren und Akademiker wurden verfolgt, verletzt und teilweise getötet. Die Lehrerschaft hatte darunter sehr gelitten. Von 1966 bis 1970 hörten die Hochschulen mit der regelmäßigen Aufnahme von Studenten auf. In 1970 und 1971 wurden probeweise die so genannten Arbeiter-, Bauer- und Soldatenstudenten aufgenommen, wobei nicht mehr die fachliche Qualifikation, sondern die soziale und politische Herkunft der Kandidaten ausschlaggebend war. Die Aufnahme von Masterstudenten wurde für 12 Jahre lang abgebrochen. Nach 1969 wurden viele Hochschulen umgesiedelt oder aufgelöst. Aus den 434 Hochschulen in 1965 wurden 328 Hochschulen in 1971. 106 Hochschulen wurden aufgelöst. In dieser Zeit verringerten sich die Hochschulen jedoch nicht nur in ihrer Anzahl. Denn auch die Ausbildungskapazität der Hochschulen sowie ihre Bildungsqualität sanken drastisch und die akademische Forschung wurde stark beeinträchtigt. Nach Experteneinschätzungen hatten die Hochschulen während der Kulturrevolution 1.000.000 Studenten und 100.000 Masterstudenten weniger ausgebildet. Dies führte zum Personalmangel in vielen Branchen und Bereichen, der auch heute noch zu spüren ist. (Sun 2008: 66, 67) Der Ausdruck Arbeiter-, Bauer- und Soldatenstudierende ( 工农兵大学生 gong nong bing daxuesheng) bezieht sich auf KandidatInnen, die von 1970/ 72 bis 1976 von Fabriken, Volkskommunen und der Armee den Hochschulen empfohlen wurden. Sie waren in erster Linie ArbeiterInnen, BäuerInnen und SoldatInnen bzw. deren Kinder. Im wissenschaftlichen Werdegang derjenigen HochschuldozentInnen bzw. ProfessorInnen, die von den kommunistischen politischen Kampagnen betroffen, selber Arbeiter-, Bauer- und Soldatenstudierende waren, ohne Doktortitel zu ProfessorInnen und DoktorandenbetreuerInnen ernannt wurden und jetzt ExpertInnen in der jeweiligen scientific community sind und ein hohes soziales Ansehen haben, fehlt eine ordentliche wissenschaftliche Bildung. Im Zuge der Modernisierung und Internationalisierung der chinesischen Hochschulpolitik seit den 1980er Jahren besteht die Tendenz, dass promovierte WissenschaftlerInnen erst nach einem postdoc-research sowie einem Forschungsaufenthalt im Ausland zu ProfessorInnen ernannt werden. Im Vergleich zu WissenschaftlerInnen der ältereren Generation verläuft die wissenschaftliche Laufbahn der ProfessorInnen jüngerer Generation geradlinig. Eine Darlegung der wissenschaftlichen Laufbahn der beiden Generationen in der Öffentlichkeit führt zum Kontrast dieser Generationen und zur Offenbarung dieser Unterschiede, was in der chinesischen Wissenschaftskultur ein Tabu und folglich zu vermeiden ist. Es ist wohl anzunehmen, dass dieses Tabu mit der nächsten Professorengeneration aufgehoben wird und dann auch in den chinesischen Anmoderationen die wissenschaftliche Laufbahn der ReferentInnen (ähnlich wie im deutschen Kontext) präsentiert wird. 6.4 Konstitution der persönlichen und sozialen Identität der ReferentInnen 139 <?page no="140"?> 6.5 Selbstvorstellung der ModeratorInnen Während das Vorstellen der ReferentInnen einen konstitutiven Bestandteil der Anmoderation darstellt, ist eine Selbstvorstellung der ModeratorInnen dispräferiert: Unter den chinesischen Anmoderationen werden zwei Fälle und unter den deutschen Daten lediglich ein Fall identifiziert. Im Vergleich zum Vorstellen der ReferentInnen zeichnen sich die Selbstvorstellungen der ModeratorInnen durch „ self-targeted humor “ (Lampert/ Ervin-Tripp 2006; Erving-Tripp/ Lampert 2009) (in einer chinesischen Anmoderation) und „ misplacement marking “ (Schegloff/ Sacks 1973: 319) (in der deutschen Anmoderation) aus. In beiden chinesischen Anmoderationen liefern die ModeratorInnen den Grund für die Selbstvorstellung. 6.5.1 „ Self-targeted humor “ in der Selbstvorstellung der ModeratorInnen Kennzeichnend für die Selbstvorstellung des Moderators im folgenden Ausschnitt ist die „ Spaßmodulation “ (Christmann 1996: 57), mit der der Moderator sich als bescheiden darstellt. Genosse (chinesische Anmoderation 08) 06 Mod: 我们现在 (.) 开始进入第二届中国环境社会学 (.) 研讨会 women xianzai kaishi jinru di er jie zhongguo huanjing she huixue yantaohui wir jetzt beginnen einsteigen in das zweite Symposium der chinesischen soziolgischen Umweltforschung wir gehen jetzt zu einer wichtigen Phase des zweiten Symposiums der chinesischen soziologischen Umweltforschung 07 一个非常重要的阶段 , yige feichang zhongyao de jieduan eine [CL] sehr wichtig [ASSOC] Phase 08 暨主题报告阶段 . ji zhuti baogao jieduan nämlich die Sektion der Vorträge 09 (1.0) 10 这个 ; zheige [DM] 11 我想首先啊做一句自我介绍 . wo xiang shouxian a zuo yiju ziwo jieshao ich möchte zuerst [PAR] machen einen Satz Selbstvorstellung ich möchte mich zuerst kurz vorstellen 12 我叫王学理 wo jiao wang xueli ich heiße Wang Xueli 140 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="141"?> 13 是青海社会科学院社会学研究所的所长 . shi qinghai shehuikexueyuan shehuixue yanjiusuo de suozhang [COP] Qinghai soziawissenschaftliche Akademie soziologisches Institut [ASSOC] Leiter ich bin Leiter des Soziologischen Instituts der Sozialwissenschaftlichen Akademie Qinghai 14 (0.5) 15 嗯这些年来虽然参加了一些社会学的活动 ; en zhexie nian lai suiran canjia le yixie shehuixue de huodong ehm diese Jahre zwar teilnehmen [PFV] an einigen soziologischen Veranstaltungen in den letzten Jahren habe ich zwar an einigen Veranstaltungen der Soziologie teil genommen 16 但是还是和好多同事 danshi haishi he haoduo tongshi immer noch mit vielen Kollegen aber ich kenne viele Kollegen immer noch nicht 17 特别是今天来的新人比较多 tebie shi jintian lai de xinren bijiao duo insbesondere heute kommen [NOM] neue Leute relativ viel zumal heute viele neue Gesichter hier sind 18 还不是很熟悉的 . hai bushi hen shuxi de noch nicht sehr bekannt [PAR] sie sind mir nicht bekannt 19 我这个人的特点是这些年的进步不大 ; wo zhe ge re de tedian shi zhe xie nian de jinbu bu da mein persönliches Merkmal ist diese jahre keine großen Fortschritte auffällig bei mir ist, dass ich in diesen Jahren keine großen Fortschritte gemacht habe 20 << 笑 > 我当这个 所长当了已经 15 年了还是所长 >. <<lachen>wo dang zhe ge suozang zijing 15 nian le haishi suozang> ich bin seit 15 Jahren der Institutsleiter, aber immer noch ein Institutsleiter 21 Zuh: (( 笑声 )) ((Lachen des Publikums)) Nachdem der Moderator die Sektion ( „ zhuti baogao jieduan “ ) für eröffnet erklärt hat (Z. 06, 07 und 08), beginnt er, sich selbst vorzustellen. Dies wird durch eine Pause in Z. 09 und den Diskursmarker „ zhe ge “ in Z. 10 von der Ankündigung des Tagungsprogramms abgegrenzt. Wie in der Vorstellung der ReferentInnen wird die Selbstvorstellung des Moderators ebenfalls durch eine metakommunikative Äußerung mit dem Verweis auf das 6.5 Selbstvorstellung der ModeratorInnen 141 <?page no="142"?> „ knappe Sprechen “ (Baldauf 2002) angekündigt. Der Moderator gibt seinen Namen ( „ wang xueli “ , Z. 12) an und verweist anschließend auf seine „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31): Er ist Leiter eines soziologischen Instituts (Z. 13). Nach einer Pause in Z. 14 und einer Zögerungspartikel „ en “ in Z. 15 liefert er den Grund für seine Selbstvorstellung: Obwohl er in den letzten Jahren an vielen Tagungen der Soziologie teilnahm, sind ihm viele KollegInnen noch unbekannt (Z. 15 bis 18). Zum Abschluss der Selbstvorstellung setzt der Moderator seine bereits erwähnte administrative Machtposition herab: „ Auffällig bei mir ist, dass ich in den letzten Jahren keine großen Fortschritte erzielt habe, ich bin seit 15 Jahren der Institutsleiter, aber immer noch ein Institutsleiter. “ (Z. 19 und 20) Diese Herabsetzung wird durch eine spaßhafte Interaktionsmodalität markiert: Sie geschieht in einem „ self-targeted humor “ (Lampert/ Ervin- Tripp 2006; Ervin-Tripp/ Lampert 2009) und wird durch das Lachen des Moderators (Z. 20) und des Publikums (Z. 21) kontextualisiert. Nach Lampert/ Ervin-Tripp (2006: 66) werden „ self-directed wisecracks [. . .] strategically used by men to deflect criticism “ . Mit „ self-targeted humors “ minimieren Männer ihre „ significance and potentially negative interpersonal consequences “ (Ervin-Tripp/ Lampert 2009: 5). Der „ self-targeted humor “ in dem vorliegenden Fall fungiert als eine Bescheidenheitsmarkierung, mit der der Moderator versucht, die „ significance and potentially negative interpersonal consequence “ zu minimieren und dem Bild eines hochmütigen Institutsleiters, das bei der expliziten sozialen Positionierung als Institutskader entstehen könnte, vorzubeugen. 6.5.2 „ Misplacement marking “ in der Selbstvorstellung des Moderators Der Moderator in der Anmoderation „ Älteres Fossil “ ist der einzige deutsche Moderator, der sich im Rahmen der Anmoderation vorstellt. Dabei verwendet er eine Reihe von „ misplacement markers “ , die seine Selbstvorstellung als „ misplacement “ (Schegloff/ Sacks 1973: 319 f.) kontextualisieren. Mit „ misplacement marking “ bezeichnen Schegloff/ Sacks (1973) classes of utterances or activities which have a proper place in a conversation but are to be done in some particular conversation in other than their proper place, or an untterance (type) which has no particular proper place but is nonetheless ‚ out of place ‘ where it is to be done, may have their occurrence misplacement marked. (Schegloff/ Sacks 1973: 319) „ Misplacement markers “ , so Schegloff/ Sacks (1973: 320), „ display [. . .] a recognition that an utterance that is thereby prefaced may not fit. “ Das Phänomen des „ misplacement marking “ wird auch bei Lenk (1998) auf- 142 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="143"?> gegriffen, wobei sie den Begriff „ incidentally “ verwendet. Nach Lenk (1998: 153) ist es eine Funktion von „ incidentally “ „ to shift the conversation to another topic, which might, but need not neccessary be directly or recognizably related to the current topic of conversation “ . „ Misplacement markers “ im Deutschen sind z. B. übrigens, ach, eigentlich, aber und metakommunikative Äußerung wie jetzt mal was anderes (vgl. Müller 2001: 1206; Streeck 1983: 90). Diese Ausdrücke zeigen an, dass der Sprecher „ weiß, daß etwas anderes erwartet wird als das, was er tatsächlich vorhat zu tun oder zu äußern “ (Müller 2001: 1206, kursiv im Original). Die „ misplacement markers “ kontextualisieren die Selbstvorstellung der ModeratorInnen als von dem kommunikativen Muster der Anmoderation abweichend und als einen „ geplanten Verstoß “ (Müller 2001: 1206) gegen dieses Muster. Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 04 Mod: meine DAmen und herren, 05 ich habe die ehrenvolle AUFgabe ihnen heute morgen- 06 in der ersten sektion die(.)referenten VORzustellen, 07 ehm möchte aber AUCH die gelegenheit nutzen- 08 vielleicht doch aus EIGEner perspektive ein zwei worte zu sagen, 09 da ich eh so sozusagen zu einem älteren foSSIL der fotogeschichte gehöre- 10 und ich also mit großer FREUde sehe- 11 WELCHe entwicklung die fotographie und fotografiegeschichte; 12 und AUCH die- 13 ºh anderen disZIplinen die auch heute ja ins spiel kommen sich entwickelt haben. 14 ich habe in den siebziger jahren KUNstgeschichte stu diert. 15 zu der zeit gab die kunstgeschichte nicht MEHR über fotogeschichte her als dass man- 16 ºh die BILder die man sozusagen vorgestellt hat hatte, 17 reproduZIERt hat- 18 und sie quasi per DIA an die wand oder an die leinwand geworfen hatte. 19 das heißt in einem WORt- 20 fotogeschichte gab es im bereich der kunstgeschichte überHAUpt nicht. 21 ºh ich habe mich dann FÜNFundsiebzig eh entschlossen; 22 fotogeschichte zu beTREIben- 23 was damals im KLARtext hieß, 24 dass ich quasi ein autodidaktisches STUdium gemacht habe; 25 die nachbardisziplinen ALLe die die jetzt auch schon im gespräch waren- 26 haben sich nach (.) nach MEIner einschätzung zu der zeit, 6.5 Selbstvorstellung der ModeratorInnen 143 <?page no="144"?> 27 ºh überHAUPT noch nicht um fotografie gekümmert, 28 in anderen WORTen, 29 das was wir heute erLEben- 30 ist also WRIKlich ein fortschritt; 31 und für alle diejenigen die, 32 ºh die fortschrittsgläubigkeit NICHt haben- 33 sag DARf gesagt sein, 34 es gibt DOCH eine bewegung da vorne. 35 insofern bin ich SEHR erfreut dass es jetzt zu dieser- 36 ºh DOch wie ich finde SEHR fächerübergreifenden auseinandersetzung- 37 mit FOTOgeschichte oder fotografie generell gekommen ist. 38 ºh JA. 39 ich komme dann zu ihnen den ersten referenten unseres heutigen symposiums VORzustellen, Nachdem der Moderator mit der Gruppenanrede „ meine DAmen und herren “ in Z. 04 die Anmoderation eröffnet hat, kündigt er mit der metakommunikativen Äußerung in Z. 05 das Vorstellen der ReferentInnen an, das jedoch durch seine Selbstvorstellung bzw. seine Selbstdarstellung abgebrochen wird (ab Z. 07). In der Selbstdarstellung des Moderators wird eine Reihe von „ misplacement markers “ verwendet. Zu diesen gehören die Zögerungspartikel „ ehm “ (Z. 07), das Modalverb „ möchte “ (Z. 07), der adversative Konnektor „ aber “ (Z. 07), die Fokuspartikel „ AUCH “ (Z. 07), die Abtönungspartikeln „ vielleicht doch “ (Z. 08) und der Verweis auf das „ knappe Sprechen “ (Baldauf 2002) „ ein zwei worte “ (Z. 08). Mit der stark modalisierten Ankündigung signalisiert der Moderator, dass seine Selbstvorstellung im Rahmen der Anmoderation eigentlich nicht geschehen soll, und kontextualisiert diese als „ may not fit “ (Schegloff/ Sacks 1973: 320). In der Selbstdarstellung verwendet der Moderator das rhetorische Verfahren captatio benevolentiae, die „ rednerische Bescheidenheitsbekundung als Selbstverkleinerung oder Selbstzurücknahme “ (Hagenbichler 1992: 1491). So beginnt der Moderator seine Selbstdarstellung mit einer ironisch gefärbten Selbstherabsetzung: Er bezeichnet sich als „ zu einem älteren foSSIL “ gehörig (Z. 09) und stellt sich auf eine bescheidene Weise als ein Experte dar, der sich in dessen scientific community auskennt und viel erlebt hat. Diese Geschichte gibt er mit einer autobiographischen Darstellung wieder. Kennzeichnend für die Autobiographie ist die „ doppelte Zeitperspektive “ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2002: 24). Der Moderator berichtet aus einer „ grundlegend anderen Erkenntnisperspektive als während des Erlebens “ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2002: 24). Dies ist an der Evaluation, die der Moderator bei der Wiedergabe der vergangenen 144 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="145"?> Schlüsselereignisse in seiner universitären Bildung mehrfach wiederholt, zu erkennen. Die Evaluation wird durch Ausdrücke wie „ das heißt in einem WORt “ (Z. 19), „ was damals im KLARtext hieß “ (Z. 23) und „ nach MEIner einschätzung “ (Z. 26) in die Autobiographie eingebaut. Die Autobiographie des Moderators beginnt mit der Angabe zu seinem Studium: „ ich habe in den siebziger jahren KUNstgeschichte studiert “ (Z. 14), das sowohl in der anschließenden Äußerung in Z. 15 ( „ zu der zeit gab die kunstgeschichte nicht MEHR über fotogeschichte “ ) als auch in Z. 20 ( „ fotogeschichte gab es im bereich der kunstgeschichte überHAUpt nicht “ ) evaluiert wird. Im Anschluss gibt der Moderator chronologisch wieder, markiert durch das Temporaladverb „ dann “ und die Jahreszahl „ FÜNFundsiebzig “ (Z. 21), was er in seiner Studienzeit noch studiert hat. Die autobiographische Rekonstruktion seines Studiums beendigt der Moderator mit einer positiven Bewertung seiner scientific community: „ also WRIKlich ein FORTschritt “ (Z. 30). Während in der einschlägigen Literatur über die Kommunikationskonventionen im Chinesischen und im Deutschen „ Bescheidenheit und Zurückhaltung bezüglich der eigenen Person und Leistung “ (Liang 2003: 255) als ein typisches Höflichkeitsphänomen in der chinesischen Kultur immer wieder thematisiert wird (Gu: 1990; Günthner 1993: 81 f.; Liang 1998), zeigt die spielerisch-spasshafte Interaktionsmodalität in den vorangehenden Ausschnitten, dass Bescheidenheit bzw. Vermeidung von Eigenlob im wissenschaftlichen Milieu sowohl in der chinesischen als auch deutschen Kultur verbreitet sind. 6.6 Die identitätskonstituierende Aktivität des Vorstellens Die vorangehenden Analysen verdeutlichen, dass mit dem Vorstellen der ReferentInnen deren Identitätskonstitution einhergeht. Nach Techtmeier (1998) haben wissenschaftliche Konferenzvorträge über das Bekanntmachen der Forschungsergebnisse hinaus „ auch eine Funktion innerhalb der jeweiligen Wissenschaftlergruppe “ : Sie dienen der Identitätskonstitution und „ Festigung der wissenschaftlichen Position und des Ansehens “ der ReferentInnen (Techtmeier 1998: 504; vgl. auch Kotthoff 2001: 322). Die Identitätskonstitution der Konferenzbeteiligten findet ebenfalls in der Diskussion nach dem Vortrag statt, in der die Diskutierenden sich als „ expert, researcher, member of the community and entertainer “ (Konzett 2012: 390, kursiv im Original) positionieren. Die Analysen in Kap. 5 und 6 zeigen, dass die Identitätskonstitution der Konferenzbeteiligten vor dem Vortrag und der Diskussion bereits in der Anmoderation des Vortrags stattfindet. Die ModeratorInnen sind die VermittlerInnen zwischen HörerInnen und ReferentInnen und verfügen über „ Beurteilungskompetenz, Belesenheit, 6.6 Die identitätskonstituierende Aktivität des Vorstellens 145 <?page no="146"?> Kenntnisreichtum, Sicherheit, Kultiviertheit, Witz und Geist, Weltläufigkeit, Takt wie auch Kritikfähigkeit “ (Beetz 1985: 36), womit sie die Anmoderation durchführen. Da mit der sozialen Positionierung der Referent- Innen deren „ wissenschaftliches Kapital “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) offenbart wird, argumentiere ich mit Wiegand (1979: 52), dass wissenschaftliche Konferenzen „ nicht nur Stätten der wissenschaftlichen Kooperation, des sachlichen Informationsaustausches, der Erkenntnisvermittlung und -gewinnung und der kooperativen Wahrheitsfindung, sondern [. . .] stets auch Jahrmärkte der wissenschaftlichen Eitelkeit “ sind (vgl. auch Konzett 2012: 389). Mit dem Vorstellen der ReferentInnen bürgen die ModeratorInnen dem Publikum gegenüber für einen gewissen Qualitätsstandard des Vortrags und dem Redner gegenüber für das Wohlverhalten des Publikums. Der Sprecher, der nicht weiß, was der Vortragende Neues zu bieten hat, legitimiert durch Nennung von Titel und Namen als Markenzeichen sowie durch die Aufzählung wichtiger Werke seine mit der Einladung bekundete ‚ riskante Vorleistung ‘ des Vertrauens. (Beetz 1985: 36) Die Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn in den deutschen Anmoderationen entspricht den „ Grundlinien der Berufsstruktur “ (Jessen 1999: 17) deutscher HochschullehrerInnen, die bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, etwa das Studium, die Promotion, die Habilitation, Anstellungen an mehreren wissenschaftlichen Einrichtungen und die Berufung auf einen Lehrstuhl. Das Verschweigen des wissenschaftlichen Werdegangs der ReferentInnen in den chinesischen Anmoderationen ist auf die Konvention der chinesischen Wissenschaftskultur und die Sozialisation der chinesischen WissenschaftlerInnen zurückzuführen. Die Selbstvorstellungen der ModeratorInnen werden als Abweichungen vom kommunikativen Muster der Anmoderation kontextualisiert, für die Bescheidenheitsbekundung, Vermeiden von Eigenlob und „ misplacement marking “ (Schegloff/ Sacks 1973: 319) charakteristisch sind. 146 6. Das Vorstellen in der Anmoderation <?page no="147"?> 7. Bewertungen in Anmoderationen In diesem Kapitel wird gezeigt, dass die Vorstellungsaktivität über die Identitätskonstitution hinaus Gesichtsarbeit für die ReferentInnen darstellt. Zunächst werde ich auf die Konzepte des Gesichts in der westlichen und chinesischen Kultur eingehen. Die Unterschiede der Gesichtskonzepte verdeutlichen, dass die an den Wertvorstellungen in der westlichen Kultur orientierten Konzepte des Gesichts nicht ohne Weiteres auf die Höflichkeitsphänomene in der chinesischen Kultur zu übertragen sind (Kap. 7.1). Im Anschluss daran wird die positive Bewertung untersucht, die eine wesentliche „ face-work “ -Technik sowohl in den chinesischen als auch den deutschen Anmoderationen ausmacht (Kap. 7.2). Die Anmoderationen in beiden Sprachen unterscheiden sich u. a. in den Themen der Bewertungen (Kap. 7.3). 7.1 Gesichtskonzepte in der westlichen und der chinesischen Kultur 7.1.1 Gesichtskonzepte von Goffman und Brown/ Levinson Der Ausdruck „ Gesicht “ steht als eine Metapher für Anerkennung, Reputation und Prestige (vgl. Watts 2003: 119). Linguistische Untersuchungen zur sprachlichen Konstitution von „ Gesicht “ werden primär im Rahmen der Pragmatik vorgenommen (Haugh 2009). Hierbei finden sich stets Verweise auf den Soziologen Erving Goffman, der aus einer interaktionssoziologischen Perspektive den Begriff „ face “ beschreibt und diesen in die wissenschaftliche Diskussion einführt. Nach Goffman (1967/ 1986: 10) ist das Gesicht „ ein in Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschriebenes Selbstbild “ und kann „ als der positive soziale Wert definiert werden “ . Da das Individuum ein „ geheiligtes Objekt “ (Goffman 1971/ 1982; vgl. auch Lenz 1991 a: 45, 1991 b: 287) und in der Interaktion stets an die Kooperation der anderen Personen gebunden ist (vgl. Abels 2010 a: 166), ist es erforderlich, dass die Individuen sich gegenseitig Aufmerksamkeit schenken und mit „ face-work “ -Techniken nicht nur ihr eigenes Gesicht, sondern auch jenes des Gegenübers berücksichtigen und wahren: So wie vom Mitglied jeder Gruppe erwartet wird, Selbstachtung zu zeigen, so wird von ihm erwartet, einen bestimmten Standard von Rücksichtnahme aufrecht zu erhalten; man erwartet von ihm, daß er sich bis zu einem gewissen Grad bemüht, die Gefühle und das Image anderer Anwesender zu schonen [. . .] Die doppelte Wirkung der Regeln von Selbstachtung und <?page no="148"?> Rücksichtnahme besteht darin, daß er beides wahrt: sein eigenes Image und das der anderen Interaktionspartner. (Goffman 1967/ 1986: 15 f.) Goffmans Überlegungen zum Gesichtskonzept werden von LinguistInnen aufgegriffen und weiter entwickelt. 41 Als ein Klassiker gilt das Werk von Brown und Levinson (1987), in dem die beiden Autoren auf Goffmans Gesichtskonzept Bezug nehmen und darauf aufbauend eine linguistische Höflichkeitstheorie gründen. Brown und Levinson entwickeln aus einer pragmalinguistischen Perspektive ein abstraktes und universelles Modell zur Vermeidung von „ face-threatening acts “ (FTAs), wobei „ Model Persons “ als Handelnde fungieren. Brown und Levinson unterscheiden zwischen negativem und positivem Gesicht auf der einen Seite sowie negativer und positiver Höflichkeit auf der anderen Seite (vgl. Brown/ Levinson 1987: 61). Das negative Gesicht bezieht sich auf den Anspruch eines Individuums auf eigene „ Territorien “ (Goffman 1971/ 1982), Ungestörtheit und Freiheit der Handlungswahl. Die negative Höflichkeit dient der Konstitution des negativen Gesichts sowie der Vermittlung von Ehrerbietung und Respektsbekundung. Das positive Gesicht bezeichnet den Wunsch eines Individuums, von der Gesellschaft anerkannt und verstanden zu werden sowie das Bedürfnis, dass seine Vorlieben, Meinungen und Präferenzen von anderen geteilt werden. Mit der positiven Höflichkeit wahrt man das positive Gesicht. Die Theorie von Brown/ Levinson nimmt in linguistischen Untersuchungen zu Gesicht und Höflichkeit eine gewichtige Rolle ein. Jedoch hat sie auch Kritik auf sich gezogen: So untersuchen die Autoren vom Kontext losgelöste Sätze der „ Model Persons “ anstatt authentische Interaktionen. Zudem fußt ihre Theorie auf Wertvorstellungen, die in erster Linie der westlichen Kultur entstammen. Dagegen werden Höflichkeitsphänomene in nicht-westlichen Kulturen kaum berücksichtigt (Okamoto 2010): „ It has been objected that B & L ’ s models have a western, or even,Anglo ‘ , bias, and therefore cannot claim to present a universal theory applicable to all languages and cultures. “ (Leech 2005: 2) Momentan liegt in der einschlägigen Literatur eine Reihe von Arbeiten vor, die sich mit Höflichkeitsphänomenen in der chinesischen Kultur (Gu 1990; Lee/ Song 1999; Mao 1994; Ji 2000; Liang 1998, 2009; Pan/ Kádár 2011 a, b; He/ Zhang 2011) und mit „ face-work “ -Techniken aus einer kultur- und sprachkontrastiven Perspektive (Günthner 1993; Pavlidou 1994; Ogiermann 2009; Hong 1998; Rue/ Zhang 2008) beschäftigen. In diesen Arbeiten wird immer wieder aufgezeigt, dass die „ face-work “ -Techniken „ culturespecific and language-specific “ (Gu 1990: 256) sind. 42 Dies wird im Fol- 41 Siehe u. a. Arundale (2009) und Kozin (2009). 42 Gute Überblicke über die Kulturspezifik von „ face-work “ -Techniken finden sich bei Watts (2003) und Haugh (2009). 148 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="149"?> genden am Konzept des Gesichts in der chinesischen Kultur näher beleuchtet. 7.1.2 Das Konzept des Gesichts in der chinesischen Kultur Bereits in den 1940er Jahren weist Hu (1944) darauf hin, dass der Wunsch nach Prestige zwar in jeder Gesellschaft existiert, aber soziale Werte, die mit dem Prestige verbunden sind, und die Art und Weise, wie man das Prestige erwirbt, von Kultur zu Kultur variieren. Folglich soll man sich bei der Analyse anderer Kulturen klar machen, dass in diesen Konzepte existieren, die anders als „ the most universal aspects of human life “ (Hu 1944: 45) in der eigenen Kultur sein können. Die Kulturspezifik der chinesischen Gesellschaft gegenüber der amerikanischen bzw. der westlichen Gesellschaft zeigt Hu an dem Gesichtskonzept auf: The study of the concepts of ‚ face ‘ in China is particularly interesting because it reveals two sets of criteria by which prestige is gained and status secured or improved, and also how different attitudes can be reconciled within the framework of the same culture. (Hu 1944: 45) Die „ two sets of criteria “ für das chinesische Gesichtskonzept sind lian ( 脸 ) und mianzi ( 面子 ). Lian ist eng mit der Moral und sozialen Bewertung verbunden und steht für „ respect of the group for a man with a good moral reputation: the man who will fulfill his obligations regardless of the hardships involved, who under all circumstances shows himself a decent human being “ (Hu 1944: 45; vgl. auch Mao 1994). Maßstäbe, nach denen Gesellschaftsmitglieder bewertet werden, sind u. a. von der konfuzianistischen Lehre beeinflusst. Zu den Maßstäben gehören ren ( 仁 , Mitmenschlichkeit), yi ( 义 , Rechtschaffenheit), li ( 礼 , Sittlichkeit), zhi ( 智 , Weisheit) und xin ( 信 , Vertrauenswürdigkeit). Hinzu kommen auch xiao ( 孝 , Pietät), eine „ bedingungslose positive Pflicht “ (Hwang 2008: 362 ff.) und shu ( 恕 , Reziprozität). Für ChinesInnen ist der Verlust von lian schlimmer und gravierender als der Verlust von mianzi: „ A person without lian is no longer viewed as one with self esteem or integrity. “ (Gao 2009: 181) Verliert ein Gesellschaftsmitglied durch unmoralisches Verhalten das lian, dann wird es „ impossible for him to function properly within the community. Lien [lian; Q. Z.] is both a social sanction for enforcing moral standards and an internalized sanction “ (Hu 1944: 45). Im Gegensatz zu lian, das in der einschlägigen Literatur einheitlich definiert wird (Respekt, der einer Person durch ein Verhalten gemäß moralischer Maßstäbe entgegengebracht wird), gibt es unterschiedliche Definitionen von mianzi (Hu 1944; Ho 1976; Gu 1990; Mao 1994; Lee-Wong 2000; Yu 2003; Gao 2009; He/ Zhang 2011): „ If we refer back to these studies, however, we find that there ist still no general agreement on what mianzi 7.1 Gesichtskonzepte in der westlichen und der chinesischen Kultur 149 <?page no="150"?> really means in Chinese. “ (He/ Zhang 2011: 2360) Diese Definitionen haben jedoch insofern Ähnlichkeiten, als sie alle herausstellen „ that mianzi claims are closely linked to factors such as position, wealth, power, ability, family status, personal ties, knowledge, and character “ (He/ Zhang 2011: 2361). Nach He/ Zhang (2011) ist der Begriff mianzi „ multifaceted “ und „ needs to be interpreted on different levels, preferably as individual, relational, and group mianzi “ (He/ Zhang 2011: 2369). Für die Analyse der „ face-work “ -Technik in chinesischen Anmoderationen ist das individuelle mianzi von Relevanz. Das individuelle mianzi wird bereits von Hu (1944) angesprochen. Nach ihm steht es für „ prestige [. . .] a reputation achieved through getting on in life, through success and ostentation “ (Hu 1944: 45). Gaos (2009) Definition von mianzi kann ebenfalls als das individuelle mianzi verstanden werden. Nach Gao setzt sich mianzi aus drei Aspekten zusammen (Gao 2009): i) „ self respect “ im Sinne von „ self esteem, self-love, vanity, pride, self defence “ ii) „ social self “ im Sinne von „ prestige, reputation, image, respect from others, social position, social status “ iii) „ relational self “ im Sinne von „ goodwill, affection, friendship, face honorable conduct, mutual respect, personal relationship “ (Gao 2009: 177 ff.) Die angeführten Erklärungen zeigen, dass das individuelle mianzi in der chinesischen Kultur mit dem positiven Gesicht in der westlichen Kultur insofern vergleichbar ist (vgl. He/ Zhang 2011: 2369), als es sich auf das Selbstbild in den Augen der anderen Personen, auf den „ positiven sozialen Wert “ (Goffman 1967/ 1986: 10), sozialen Status, die Anerkennung und das Prestige bezieht. Die Ehrerbietung und Respektsbekundung, die in der westlichen Kultur der Konstitution des negativen Gesichts dienen und zur negativen Höflichkeit gehören, tragen in der chinesischen Kultur zur Herstellung und Stärkung des mianzi bei. Der Unterschied zwischen mianzi und dem negativen Gesicht liegt u. a. darin, dass in der chinesischen Kultur der Anspruch auf Anerkennung und Akzeptierung von eigenen „ Territorien “ (Goffman 1971/ 1982) und Handlungsspielräumen nicht betont wird: when one obtains mianzi in Chinese, one wins a recognition not so much of one ’ s claim to freedom of action as of one ’ s claim to the respect or prestige of the community. This recognition may or may not be deserved. Whatever freedom accrues to such recognition is of secondary consideration. In short, mianzi in Chinese cannot be properly understood in terms of negative face. (Mao 1994: 460, kursiv im Original) 150 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="151"?> Im Chinesischen hat sich eine idiomatische Redewendung herausgebildet, die sich auf die Konstitution des mianzi bezieht. Diese Redewendung lautet gei mianzi ( 给面子 , jdm. Gesicht geben) und bezeichnet Anerkennung und Stärkung von others ’ reputation and self-esteem, respecting others ’ rights, supporting others, giving others confidence, building others ’ image, understanding others, making allowances for others, tolerating others, and accommodating others. In other words, gei mian zi amounts to the ultimate confirmation of the important role of ‚ other ‘ in Chinese social interactions. Through gei mian zi, others ’ personal and social identities are maintained, affirmed, and/ or promoted. Gei mian zi can also be utilized strategically to accomplish personal goals in Chinese communication. (Gao 2009: 183, kursiv im Original) Dies besagt, dass gei mianzi eine Reihe von „ face-work “ -Techniken bezeichnet, mit denen man das Prestige und die Reputation des Gegenübers berücksichtigt, diesem Respekt zeigt und Ehrerbietung vermittelt (vgl. Lee- Wong 2000: 24). Was die Höflichkeit ( 礼貌 , limao) in der chinesischen Kultur angeht, bilden „ denigrating self and respecting other [. . .] the core of the modern conception of limao “ (Gu 1990: 238). Gu (1990) nennt im Wesentlichen „ four notions underlying the Chinese conception of limao: respectfulness, modesty, attitudinal warmth, and refinement “ : ‚ Respectfulness ‘ is self ’ s positive appreciation or admiration of other concerning the latter ’ s face, social status, and so on. ‚ Modesty ‘ can be seen as another way of saying ‚ self-denigration ‘ . ‚ Attitudinal warmth ‘ is self ’ s demonstration of kindness, consideration, and hospitality to other. Finally, ‚ refinement ‘ refers to self ’ s behavior to other which meets certain standards. (Gu 1990: 239) Um die Unterschiede zwischen dem „ Gesicht “ in der westlichen Kultur und lian und mianzi in der chinesischen Kultur zusammenzufassen: i) Lian, das mit der sozialen moralischen Bewertung verbunden und typisch für das chinesische Gesichtskonzept ist, wird weder bei Goffman noch bei Brown/ Levinson erfasst (vgl. Mao 1994: 457 f.). ii) Mianzi ist „ multifaceted “ (He/ Zhang 2011: 2361). Das individuelle mianzi ist zwar im Hinblick auf den sozialen Status und Anerkennung mit dem positiven Gesicht vergleichbar, kann jedoch nicht als das negative Gesicht verstanden werden (vgl. Mao 1994: 460), da die chinesische Kultur „ less oriented toward negative-politeness “ (Ji 2000: 1060) ist. 7.1 Gesichtskonzepte in der westlichen und der chinesischen Kultur 151 <?page no="152"?> 7.2 Positive Bewertungen in der Vorstellungsaktivität Bereits Beetz (1985) kommt in seiner Untersuchung zur Einführungsrede von Gastvorträgen zu dem Ergebnis, dass die Einführungsrede zum Diskurstyp der „ enkomiastischen Rede “ gehört, in der ein Einführungsredner „ nur Positives zu berichten “ weiß: „ Kritische Äußerungen zum Oeuvre des Gastes sind in der Vorrede tabu und dürfen erst in der Diskussion vorgetragen werden “ (Beetz 1985: 32). Auch in den akademischen Laudationes bei Preisverleihungen werden die LaureatInnen gelobt, wobei Kritik höchstens indirekt geübt wird (vgl. Zimmermann 1993: 133 ff.). Die chinesischen und die deutschen ModeratorInnen bringen in den vorliegenden Anmoderationen Bewertungen über die vorgestellten ReferentInnen zum Ausdruck. Charakteristisch für diese Bewertungen in den chinesischen und deutschen Anmoderationen ist ihr Würdigungscharakter: Die chinesischen ModeratorInnen bewerten die ReferentInnen ausschließlich positiv. Bewertungen in den deutschen Anmoderationen sind in den meisten Fällen ebenfalls positiv. Obwohl in den deutschen Daten ambige Bewertungen ab und zu auftreten, können jedoch keine negativen Bewertungen festgestellt werden. Der Fokus der folgenden Analysen liegt auf positiven Bewertungen, die in Anmoderationen der beiden Sprachen am meisten vorkommen. 7.2.1 Themen der Bewertungen Die sprachliche Aktivität der Bewertung ist nach Streeck (1979: 239) ein „ Ausdruck von Einstellungen der Sprecher gegenüber Sachverhalten “ und eine „ Handlung des Einstufens “ , durch die ein Objekt (ein Ereignis, eine Person oder eine Handlung) in eine Rangordnung platziert und in eine Skala eingegliedert wird. Die Bewertungen in den chinesischen und den deutschen Anmoderationen beziehen sich thematisch primär auf Publikationen und wissenschaftliche Leistungen der ReferentInnen. So wird im folgenden Datenausschnitt die „ erste wichtige publikaTION “ der Referentin als „ SEHR beachtet “ bezeichnet: Ist das Buch erschienen (deutsche Anmoderation 10) 41 Mod: eh ich GLAUbe, 42 ihre erste wichtige publikaTION ist SEHR beachtet worden- Im nachstehenden Ausschnitt werden die Leistungen des Referenten als „ hen zhong-yao de jianshu “ (sehr wichtige Errungenschaften) bezeichnet: 152 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="153"?> Doktorandenbetreuer (chinesische Anmoderation 06) 12 Mod: 在语法学研究方面有很重要的建树 zai yufaxue yanjiu fangmian you hen zhongyao de jianshu in Grammatikforschung haben sehr wichtig [NOM] Errungenschaften er hat in der Grammatikforschung sehr wichtige Errungenschaften erzielt Die Bewertungen in den chinesischen Anmoderationen beziehen sich auch auf die administrativen Positionen der ReferentInnen in der Universitätsverwaltung. Genosse (chinesische Anmoderation 08) 78 Mod: 在我们的会议手册上呢 zai women de huiyi shouce shang ne in unserer Broschüre der Tagung [PAR] in unserer Tagungsbroschüre steht 79 张红卫教授只有一个教授头衔 ; zhang hongwei jiaoshou zhiyou yi ge jiaoshou touxian Zhang Hongwei Professor nur haben einen Professorentitel nur der Professorentitel von Herrn Zhang Hongwei 80 其实他在北方大学还有更重要的职务 . qishi ta zai beifang daxue haiyou geng zhongyao de zhiwu eigentlich er an der Beifang Universität noch haben [COMP] wichtige berufliche Stellung er hat eigentlich an der Universität Beifang noch eine viel wichtigere berufliche Stellung Der Moderator thematisiert in Z. 78 und 79, dass in der Tagungsbroschüre nur der Professorentitel von Zhang steht. Mit dem Diskursmarker „ qishi “ (eigentlich) in Z. 80 richtet der Moderator die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft auf eine nachfolgende neue Information: 43 Zhang ist Professor, aber hat vor allem auch eine wichtige Stellung an seiner Universität, die in der Broschüre jedoch nicht erwähnt ist. 7.2.2 Lexiko-semantische Elemente in Bewertungen Lexiko-semantische Elemente der positiven Bewertungen beinhalten, wie die „ semantic formulars “ (Manes/ Wolfson 1981) in Komplimenten, „ at least one term which carries positive semantic load “ (Manes/ Wolfson 1981: 116). Zu lexiko-semantischen Elementen der positiven Bewertungen gehören u. a. Adjektive und Nomen mit einem positiven semantischen Potenzial. 43 Zu Funktionen des Diskursmarkers „ qishi “ ( 其实 , eigentlich) siehe Wang et al. (2011) und Wang/ Tsai/ Yang (2010). 7.2 Positive Bewertungen in der Vorstellungsaktivität 153 <?page no="154"?> (i) Lexiko-semantische Elemente der Bewertungen in deutschen Anmoderationen Die deutschen ModeratorInnen verwenden bei der Durchführung der positiven Bewertung Adjektive wie renommiert, schön, gut, spektakulär, wichtig, lesenswert etc. Um den positiven Charakter der Bewertung zu stärken, werden die Adjektive zusammen mit „ extreme case formulations “ (Pomerantz 1986) wie sicher, wirklich und „ non-extreme hyperboles “ (Norrick 2004) wie besonders, sehr und ganz gebraucht. Der Moderator im folgenden Datenausschnitt intensiviert seine positive Bewertung der Publikationen des Referenten ( „ seine publikaTIOnen “ ) mit dem Adjektiv „ spektakulär “ in Kombination mit dem betonten hyperbolischen Ausdruck „ SEHR “ : Große Projekte (deutsche Anmoderation 18) 32 Mod: seine publikaTIONEN sind- 33 eh einige SEHR spektakulär jetzt in letzter zeit erschienen. Es geht in dem nachstehenden Ausschnitt ebenfalls um eine positive Bewertung der Publikationen einer Referentin. Dabei wird eine Häufung von einem sich wiederholenden hyperbolischen Ausdruck und zwei Adjektiven eingesetzt: „ SEHR schöne und sehr lesenswerte publikationen “ (in Z. 24): Bremen (deutsche Anmoderation 01) 24 Mod: °h sie hat (.) zwei SEHR schöne und sehr lesenswerte publikationen in den letzten jahren (.) 25 herAUSgebracht; Im Ausschnitt „ Ich habe gegoogelt “ geht es darum, dass der Moderator über Forschungsschwerpunkte eines Referenten informiert: Ich habe gegoogelt (deutsche Anmoderation 19) 48 Mod: aber eben natürlich wie eh 49 semantikforschung im engeren linguistischen sinne ÄHNliches mehr 50 er hat WIRKlich GANZ (.) ganz viel zu bieten In Z. 50 kommt die „ extreme case formulation “ „ WIRKlich “ im Zusammentreffen mit dem hyperbolischen Ausdruck „ GANZ (.) ganz “ vor, wobei das erste „ GANZ “ den Hauptakzent der Äußerung trägt. Mittels der Kombination Adjektiv + Intensivierungsmittel und der Akzentuierung positioniert der Moderator den Referenten als einen Wissenschaftler, der im Wissenschaftsbetrieb über breite Perspektiven verfügt. 154 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="155"?> Die positive Bewertung kann sich auch auf ReferentInnen selbst beziehen. Am Anfang der Anmoderation „ Ich habe gegoogelt “ lobt der Moderator ReferentInnen seiner Sektion: „ dass wir WIRKlich im GUTen und BESTen sinne potente vortragende haben “ : Ich habe gegoogelt (deutsche Anmoderation 19) 03 Mod: es geht daRUM; 04 dass wir WIRKlich, 05 (0.5) 06 im GUTen und BESTen sinne potente vortragende haben. Auch im folgenden Datenausschnitt macht die Moderatorin eine positive Bewertung, die sich direkt auf den Referenten bezieht: Abteilungsleiter (deutsche Anmoderation 16) 13 Mod: herr koch gehört SICHer zu den renommiertesten vertretern der konversationsanalyse; 14 (0.5) 15 nicht NUR in deutschland. Mit dem in Form des Superlativs verwendeten Adjektiv „ renommiertesten “ und der „ extreme case formulation “ „ SICHer “ lobt die Moderatorin „ herr[n] koch “ explizit. Der nach einer kurzen Pause eingesetzte Nachschub „ nicht NUR in deutschland “ (Z. 15) stärkt dieses Lob und zeigt die internationale Reputation, die der Referent genießt. Neben Adjektiven verwenden deutsche ModeratorInnen bei der Durchführung der positiven Bewertungen auch bestimmte Nomen. So evaluiert die Moderatorin mit der Metapher „ eine art MEIlenstein “ in Z. 50 das Buch „ soZIOlogie der kommunikation “ des Referenten positiv: Eine kleine Tasche (deutsche Anmoderation 13) 45 Mod: einige von ihnen KENNen vielleicht noch, 46 sein ZWEI, 47 NEUNzehnhundert zwei und siebzig erschienes buch; 48 soZIOlogie der kommunikation. 49 es war DAmals für uns als junge studentinnen- 50 war in mainz eine art MEIlenstein. 51 (0.5) 52 im bereich der sprachsoziologie der SPRAchwissenschaft. (ii) Lexiko-semantische Elemente der Bewertungen in chinesischen Anmoderationen Zu den lexiko-semantischen Elementen der positiven Bewertungen in den chinesischen Daten gehören ebenfalls Adjektive und Nomen. 7.2 Positive Bewertungen in der Vorstellungsaktivität 155 <?page no="156"?> In dem bereits präsentierten Datenausschnitt „ Doktorandenbetreuer “ verwendet der Moderator den hyperbolischen Ausdruck „ hen “ (sehr), 44 das Adjektiv „ zhongyao de “ (wichtig) und das Nomen „ jianshu “ (Errungenschaft), um die Arbeiten des Referenten in der Grammatikforschung positiv zu evaluieren. Das Nomen „ jianshu “ (Errungenschaft) fungiert im Chinesischen als ein würdigender Ausdruck der Leistungen von WissenschaftlerInnen. Doktorandenbetreuer (chinesische Anmoderation 06) 12 Mod: 在语法学研究方面有很重要的建树 zai yufaxue yanjiu fangmian you hen zhongyao de jianshu in Grammatikforschung haben sehr wichtig NOM Errungenschaften er hat in der Grammatikforschung sehr wichtige Errungenschaften erzielt Es geht in dem folgenden Datenausschnitt darum, dass der Moderator die Referenten seiner Sektion lobt, bevor er diese einzeln vorstellt: Prachtvolles Bühnenbild (chinesische Anmoderation 12) 02 Mod: 在座的四位其他的同仁 zaizuo de siwei qita de tongren anwesende [NOM] vier [CL] andere Kollegen anwesende vier Kollegen 03 大家一看就知道啊 ; dajia yi kan jiu zhidao a alle einmal sehen wissen [PAR] wenn Sie einmal sehen, erkennen Sie sofort 04 阵容鼎盛啊 . zhenrong dingsheng a Bild prachtvoll [PAR] was für ein prachtvolles Bild das ist 05 都是我们国家修辞学研究知名的学者 . doushi women guojia xiucixue yanjiu zhiming de xuezhe alle sind unser Land Rhetorikforschung berühmt [NOM] Forscher sie alle sind berühmte Rhetorikforscher unseres Landes Die Berühmtheit der anwesenden vier Referenten wird vom Moderator zunächst als geteiltes Wissen präsentiert: „ dajia yi kan jiu zhidao a “ (Z. 03) (Wenn Sie einmal sehen, erkennen Sie sofort.). Im Anschluss lobt der Moderator die Referenten explizit: Er bezeichnet ihre Anwesenheit metaphorisch als „ zhenrong dingsheng “ (ein prachtvolles Bild), da die Referenten „ berühmte Rhetorikforscher unseres Landes “ sind (Z. 05). 44 Zu „ extreme case formulations “ und hybolischen Ausdrücken im Chinesischen siehe Hsiao/ Su (2010). 156 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="157"?> Im folgenden Datenausschnitt fällt auf, dass der Moderator einen Referenten durch das Vorstellen seines Betreuers lobt. Feierlich vorstellen (chinesische Anmoderation 09) 18 Mod: 那么他的导师呢 name ta de daoshi ne [DM] sein Betreuer [PAR] und sein Betreuer 19 大家可能已经 ; dajia keneng yijing alle vielleicht schon alle mögen vielleicht schon 20 有些学者已经很熟悉了 ; youxie xuezhe yijing hen shuxi le manche Forscher schon sehr kennen [PFV] manche Forscher kennen ihn sehr gut 21 就是零六年的时候我们邀请他 jiushi lingliu nian de shihou women yaoqing ta [DM] null sechs jahr [ASSOC] Zeit wir einladen er im Jahr 2006 haben wir ihn eingeladen 22 啊 (-) a PAR 23 来出席过武汉会议 . lai chuxi guo wuhan huiyi kommen teilnehmen [PFV] Wuhan Konferenz er hat an der Konferenz in Wuhan teilgenommen 24 mister professor thomas green 25 也是 (.) yeshi ( . ) auch [COP] er ist auch 26 嗯国际修辞学史学会的嗯前任会长 . en guoji xiucixue shi xuehui de en qianren huizhang ehm internationl Rhetorikgeschichte Verein [GEN] [PAR] letzter Leiter der ehmalige Präsident des Internationalen Vereins für die Geschichte der Rhetorik 27 所以名 , suoyi ming deswegen 28 = 所谓名 师出高徒嘛 . suowei ming shi chu gao tu ma es heißt, berühmte Lehrer bringen hervorragende Schüler hervor Der Moderator geht zuerst auf die allgemeine Berühmtheit des Betreuers ein, wobei er insinuiert, dass viele der Anwesenden den Betreuer kennen 7.2 Positive Bewertungen in der Vorstellungsaktivität 157 <?page no="158"?> (Z. 18, 19, 20). Um dies sicherzustellen, fügt er noch hinzu, eingeleitet durch den Diskursmarker „ jiushi “ (in Z. 21), dass der Betreuer auf eine Einladung bereits an einer Tagung 2006 in Wuhan teilgenommen hat (Z. 21, 22 und 23). Im Anschluss daran wird der Betreuer mit Namen und Titel identifiziert „ mister professor thomas green “ (Z. 24). Danach verweist der Moderator auf das internationale Renommé des Betreuers: Er war der Präsident des Internationalen Vereins der Rhetorikgeschichte (Z. 26). Nach dem Vorstellen des Betreuers liefert der Moderator in Z. 28 die Konjunktion „ suowei “ (es heißt), die das folgende Sprichwort „ ming shi chu gao tu “ (Berühmte Meister bringen hervorragende Schüler hervor) als ein Zitat einer Weisheit kontextualisiert. Wie bei Günthner (1993: Kap. 7, 2001) gezeigt wird, verwenden chinesische MuttersprachlerInnen sowohl in der schriftlichen als auch der mündlichen Interaktion Sprichwörter, um eigene Thesen zu unterstützen, da in Sprichwörtern kulturell tradierte Weisheit verankert ist. Mit dem vorliegenden Sprichwort stellt der Moderator einen Bezug zwischen der Ehrerbietung durch Herausstellung des Renommés des Betreuers und der Würdigung dessen ehemaligen Doktoranden, also des Referenten her. Somit wird auch der Wechsel vom Vorstellen des „ Meisters “ (Betreuer) zum Vorstellen des „ Schülers “ (Referent) realisiert. 7.3 Kollektiver Geschmack der chinesischen und der deutschen Wissenschaftskultur Wie in Kap. 6.4.2 bereits analysiert, wird in den chinesischen Anmoderationen neben dem „ reinen wissenschaftlichen Kapital “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) auch die „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) der ReferentInnen hervorgehoben. Dagegen steht in den deutschen Anmoderationen das „ reine wissenschaftliche Kapital “ der ReferentInnen im Vordergrund. Diese Beobachtung trifft ebenfalls auf die Bewertungen in den Anmoderationen zu: Obwohl zu Themen der Bewertungen sowohl in den chinesischen als auch den deutschen Anmoderationen die Publikationen bzw. wissenschaftliche Leistungen der ReferentInnen gehören, trifft die positive Bewertung der Machtpositionen in der Universitätsverwaltung allerdings ausschließlich in den chinesischen Anmoderationen auf. Dies lässt sich m. E. auf den Geschmack (goût, Bourdieu 1979/ 1987) der Wissenschaftskultur in China und Deutschland zurückführen. Nach Bourdieu (1979/ 1987: 104) ist der Geschmack „ die Grundlage alles dessen, was man hat - Personen und Sachen - , wie dessen, was man für die anderen ist, dessen, womit man sich selbst einordnet und von den anderen eingeordnet wird “ . Mittels des Geschmacks nimmt man Gegenstände und Handlungen wahr, beurteilt sie als gut oder schlecht, 158 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="159"?> schön oder hässlich und ordnet sie bestimmten sozialen Gruppen zu (vgl. Rehbein 2011: 162). Der Geschmack umfasst mehr als das subjektive Gefallen, er ist ein Indikator der sozialen und kulturellen Herkunft der Menschen und zeigt deren soziale und kulturelle Unterschiede (vgl. Rehbein 2011: 162). In diesem Zusammenhang ist der Geschmack nach Bourdieu (1979/ 1987) die „ gesellschaftliche Urteilskraft “ . Nach dem Konzept des Geschmacks ist die Wahl der sozialen Informationen der ReferentInnen, die angegeben und bewertet werden, nicht ausschließlich ein rein individuelles Urteil der ModeratorInnen. Vielmehr orientieren diese sich an dem kollektiven Geschmack der Wissenschaftskultur ihrer scientific communities. Die angegebenen und bewerteten sozialen Informationen in den chinesischen und den deutschen Anmoderationen ähneln sich insofern, als sie Ruhm und Ehre hervorbringen und folglich zum „ symbolischen Kapital “ (Bourdieu 1980/ 1993) der ReferentInnen gehören. Der Geschmack der Wissenschaftskultur in China unterscheidet sich jedoch dadurch von jenem in Deutschland, dass im wissenschaftlichen Milieu Chinas die „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ ein äußerst positives Bild darstellt. Das wissenschaftliche Milieu in China ist heutzutage stark von guanbenwei sixiang ( 官本位思想 , Funktionärsstatus-Denken) beeinflusst. Ob man eine Stellung als Funktionär hat und wo man in der Rangordnung platziert ist, ist im „ Funktionärsstatus-Denken “ der zentrale Maßstab, nach dem die sozialen Werte der Individuen bemessen werden. Es lässt sich in den letzten Jahren beobachten, dass das „ Funktionärsstatus-Denken “ das Regierungsmilieu überschreitet, sich im Hochschulbereich rasch verbreitet und somit als, um mit Bourdieu (1997/ 1998: 59) zu sprechen, „ Import politischer Modelle in das wissenschaftliche Feld “ zu betrachten ist. Der vom „ Funktionärsstatus-Denken “ stark betroffene Hochschulbereich im heutigen China weist aus meiner Sicht zwei wesentliche Eigenschaften auf, die in der ostdeutschen Hochschullehrerschaft bzw. der Professorenschaft in der Ulbricht-Ära ebenfalls festzustellen waren (Jessen 1999): An erster Stelle sind die Politisierung, Ideologisierung und Bürokratisierung des Hochschulsystems zu nennen. Die Konsequenzen sind, wie in den Hochschulen der DDR (vgl. Jessen 1999: 436), dass die Ordinarienmacht in den Fakultäten und Instituten eingeschränkt ist und der Einfluss politischer Funktionäre wächst. Zweitens ist die von der Kommunistischen Partei Chinas verfolgte Kaderpolitik in den Hochschulen zu nennen. Wie es in der Einheitspartei der DDR auch der Fall war, ist das Ziel dieser Kaderpolitik die Transformation einer akademischen, bürgerlichen Bildungselite zur sozialistischen Intelligenz (vgl. Jessen 1999: 13). Die „ Politisierung des wissenschaftlichen Felds “ (Bourdieu 1997/ 1998: 59) in Form der Kaderpolitik in den chinesischen Hochschulen führt dazu, dass die Ausübung von Stellungen in der Hochschulverwaltung 7.3 Geschmack der chinesischen und deutschen Wissenschaftskultur 159 <?page no="160"?> (ParteisekretärInnen, RektorInnen, KanzlerInnen, DekanInnen, InstitutsleiterInnen etc.) eine Aufnahme in die Beamtenschaft bedeutet, die von den HochschuldozentInnen als eine rühmenswerte Beförderung empfangen wird, da die Ausübung einer politischen Stellung nach dem „ Funktionärsstatus-Denken “ die Reputation der HochschuldozentInnen aufwertet. Dadurch, dass die ModeratorInnen beim Vorstellen der ReferentInnen über deren „ reines wissenschaftliches Kapital “ hinaus nachdrücklich auf deren „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ hinweisen und diese positiv bewerten, befriedigen sie das „ Selbstwertgefühl “ (Lüger 2002: 5) der ReferentInnen und konstituieren deren mianzi. Im Gegensatz zur Wissenschaftskultur in China, in der die Ausübung von politischen Funktionen einen Pluspunkt für die HochschuldozentInnen bedeutet, wird in der westeuropäischen Wissenschaftskultur diese Ausübung als eine Ausgleichung der wissenschaftlichen Kompetenz der AkademikerInnen angesehen (Bourdieu 1984/ 1988, 1997/ 1998). Die Politisierung des wissenschaftlichen Feldes ist im Westen „ fast immer Sache derer [. . .] die nach den spezifischen Normen des Feldes die Schwächsten und deshalb an seiner Heteronomie interessiert sind “ (Bourdieu 1997/ 1998: 59; vgl. auch Rehbein 2011: 139). Folglich heben die deutschen ModeratorInnen in der Vorstellungsaktivität ausschließlich das „ reine wissenschaftliche Kapital “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) der ReferentInnen hervor, wobei deren politische Stellungen kaum erwähnt werden. 7.4 Positive Bewertungen als Protektionsstrategie Die Anmoderation des Konferenzvortrags beinhaltet einen Imageaspekt. Die ModeratorInnen geben nicht nur sachliche Informationen über die ReferentInnen, sondern würdigen und loben diese zugleich. Hierbei zeigt sich, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Identitätskonstitution und der Gesichtsarbeit besteht (Spencer-Oatey 2009). Die positiven Bewertungen kontextualisieren die Anmoderationen als „ enkomiastische Rede “ (Beetz 1985: 31), in der das mianzi und positive Gesicht nicht nur der ReferentInnen, sondern auch der ModeratorInnen gestärkt werden: „ Wer den Eingeladenen lobt, lobt außerdem sich selbst als Einladenden “ (Beetz 1985: 36): Die ModeratorInnen sowie die TagungsorganisatorInnen haben die ReferentInnen schließlich überzeugen können, einen Vortrag zu halten. Nach Spencer-Oatey (2009) sind „ face-work “ -Techniken rational und zielorientiert. Die AnalystikerInnen „ need to take an action-oriented approach to the study of face - one that analyses the communicative activity as a whole, not just face issues “ (Spencer-Oatey 2009: 137). Demnach ist die Funktion der positiven Bewertungen in der Vorstellungsaktivität nicht auf die Vermittlung der Ehrerbietung und Respektsbekun- 160 7. Bewertungen in Anmoderationen <?page no="161"?> dung gegenüber den ReferentInnen zu reduzieren, sondern im Rahmen der Anmoderation im Ganzen zu interpretieren. Die positive Bewertung in den Anmoderationen ist als eine „ Protektionsstrategie “ (Mühlen 1985) zu verstehen, die sich auf eine „ positive Partnerdarstellung “ und „ Abwesenheit kritischer oder negativer Aussagen “ (Mühlen 1985: 210) bezieht. Damit lassen die ModeratorInnen die ReferentInnen „ in gutem Lichte erscheinen “ (Hess-Lüttlich 1997: 296) und schaffen ein angenehmes Klima für deren Auftritt. Die Ausführungen über den Geschmack der Wissenschaftskultur verdeutlichen die enge Beziehung zwischen kommunikativen Gattungen bzw. Mustern und der Sozialstruktur: Mit den jeweils angegebenen und positiv bewerteten sozialen Informationen zeigen die Anmoderationen „ what we value, not only as individuals but as a society “ (Knapp et al. 1984: 17). In diesem Sinne fungiert die Anmoderation als ein „ mirror of cultural values “ (Manes 1983), und das Vorstellen der ReferentInnen ist, um mit Ventola (2002: 39) zu sprechen, „ important and socially valued as they highlight the importance of the speakers “ . 7.4 Positive Bewertungen als Protektionsstrategie 161 <?page no="163"?> 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation Das vorliegende Kapitel wendet sich einer kommunikativen Aufgabe zu, die die ModeratorInnen in der Anmoderation des Konferenzvortrags zu bewältigen haben. Es handelt sich dabei um die Rederechtszuweisung, die mit der Beendigung der Anmoderation einhergeht. In den folgenden Analysen wird den Fragen nachgegangen, wie die ModeratorInnen Anmoderationen abschließen und den vorgestellten ReferentInnen das Rederecht zuweisen. Hierfür werden zunächst Mechanismen des Sprecherwechsels (Kap. 8.1), Verfahren der Gesprächsbeendigung (Kap. 8.2) und Konzepte des Rituals (Kap. 8.3) erläutert, die den empirischen Analysen der Rederechtszuweisung und der Beendigung der Anmoderationen zugrunde liegen. Im Anschluss daran wird auf die sprachlich-kommunikativen Verfahren der Rederechtsübergabe und der Beendigung der chinesischen (Kap. 8.4) und der deutschen Anmoderation (Kap. 8.5) eingegangen. 8.1 Mechanismen des Sprecherwechsels Der Sprecherwechsel bezieht sich auf „ how people decide who is to speak when in spoken interaction “ (Steensig 2011: 501, kursiv im Original) und stellt einen gewichtigen Aspekt der Gesprächssteuerung bzw. -organisation dar (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976; Spranz-Fogasy 1997: 30 f.; Spiegel/ Spranz- Fogasy 2001: 245). Der Sprecherwechsel gehört zu den zentralen Themen der KA und wurde bereits in den ersten konversationsanalytischen Arbeiten intensiv erforscht. Sacks/ Jefferson/ Schegloff (1974) gehen von der Beobachtung aus, dass es eine Reihe von sozialen Aktivitäten (Spiele, Regelung des Autoverkehrs an Kreuzungen, Bedienung von Kunden in Geschäften etc.) mit sich bringt, dass sich die Beteiligten in der Reihenfolge abwechseln. Dies lässt sich auch in der mündlichen Interaktion beobachten: GesprächspartnerInnen ergreifen abwechselnd das Wort, wobei in der Regel weder eine lange Schweigephase entsteht, noch alle gleichzeitig sprechen. Dem „ turntaking system for conversation “ bzw. den „ speech exchange systems “ in der mündlichen Interaktion widmen sich Sacks et al. (1974) und haben „ a simplest systematics “ erarbeitet, die der Gesprächsorganisation in informellen (us-amerikanischen) Alltagsgesprächen zugrunde liegt. Das von Sacks et al. (1974) beschriebene System enthält zwei Komponenten: i) „ the turn-constructional component “ und ii) „ the turn-allocation component “ . In der ersten Komponente wird beschrieben, aus welchen sprachlichen Einheiten Gesprächsbeiträge (turns) konstruiert <?page no="164"?> werden und an welcher Stelle ein emergenter, noch im Vollzug begriffener Gesprächsbeitrag als abgeschlossen gilt, damit ein Wechsel zu einer nachfolgenden SprecherIn erfolgt (vgl. Bergmann 1988/ III: 3). Die Gesprächsbeiträge sind intern durch „ turn constructional units “ (TCUs) strukturiert. Die TCUs sind „ various unit-types with which a speaker may set out to construct a turn. Unit-types for English include sentential, clausal, phrasal, and lexical constructions “ (Sacks et al. 1974: 702). Eine wesentliche Eigenschaft der TCUs ist die „ projectability “ : „ [T]he unit-types so usable allow a projection of the unit-type under way, and what, roughly, it will take for an instance of that unit-type to be completed. Unit-types lacking the feature of projectability may not be usable in the same way. “ (Sacks et al. 1974: 702) Die TCUs werden bei Sacks et al. (1974: 720) primär anhand von syntaktischen Merkmalen bestimmt. Obwohl Sacks et al. (1974: 720) auf die Rolle der „‚ sound production ‘ (i. e. phonology, intonation etc.) “ für die Konstitution der TCUs und die Organisation des Sprecherwechsels hinweisen, bleibt eine Detailanalyse der Struktur der TCUs jedoch weitgehend aus. In weiteren linguistischen Studien wird aufgezeigt, dass die Konstitution der TCUs komplexe Strukturen aufweist, die über syntaktische Parameter hinausgehen und lexiko-semantische, prosodische, pragmatische und nicht zuletzt aktivitätstypspezifische und sequentielle Elemente enthalten (Selting 1995, 1996). Ausschlaggebend für die Organisation des Sprechwechsels sind die „ possible completion points “ , die übergaberelevante Stellen ( „ transition relevance places “ / TRPs, Sacks et al. 1974: 703) markieren, an denen ein Sprecherwechsel stattfinden kann. Für die GesprächspartnerInnen sind TRPs „ discrete places in the developing course of a speaker ’ s talk [. . .] at which ending the turn or continuing it, transfer of the turn or its retention become relevant “ (Schegloff 1992: 116). Während eine SprecherIn einen Turn produziert, analysiert die GesprächspartnerIn aufgrund der Projektionskraft der TCUs, an welcher Stelle der Turn seine potenzielle Vollständigkeit erreicht und die GesprächspartnerIn das Wort ergreifen kann. Die gegenwärtige SprecherIn hat das Rederecht mindestens bis zum ersten Punkt der möglichen Vollständigkeit seines Turns. In der zweiten Komponente, der Verteilung des Rederechts, werden Verfahren beschrieben, die die gegenwärtige SprecherIn einsetzt, um eine nächste SprecherIn auszuwählen. Die Verfahren sind folgende: i) Wahl der nächsten SprecherIn durch die aktuelle SprecherIn (die aktuelle SprecherIn wählt die nächste SprecherIn, die das Rederecht übernehmen soll und zum Sprechen verpflichtet ist), ii) Selbstwahl der nächsten SprecherIn (die nächste SprecherIn ergreift nach dem Abschluss des Redebeitrags der aktuellen SprecherIn das Wort), 164 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="165"?> iii) Selbstwahl der aktuellen SprecherIn als FolgesprecherIn (die aktuelle SprecherIn setzt ihre Rede fort, wenn sie keine NachfolgesprecherIn wählt oder keine Selbstwahl der nächsten SprecherIn erfolgt) (vgl. auch Kallmeyer/ Schütze 1976: 14; Spranz-Fogasy 1997: 32; Deppermann 2008 a: 61; Tiittula 2001). Das System des Sprecherwechsels stellt eine sozial organisierte Handlung dar und ist „ locally managed, party-administered, interactionally controlled, and sensitive to recipient design “ (Sacks et al. 1974: 696). „ Locally managed “ meint, dass der Sprecherwechsel im Zuge der Äußerungen turnby-turn aufeinanderfolgend geschieht (vgl. Sidnell 2010: 39). „ Partyadministered, interactionally controlled “ bedeutet, dass die lokal-regulative Systemeigenschaft des Sprecherwechsels nicht im Vorhinein festgelegt ist, sondern dass die Gesprächsbeteiligten in der Interaktion selbst aushandeln, wer an welcher Stelle wie lange redet. Mit „ recipient design “ bezeichnen Sacks et al. (1974: 727) „ a multitude of respects in which the talk by a party in conversation is constructed or designed in ways which display an orientation and sensitivity to the particular other(s) who are the coparticipants “ . Das heißt, die SprecherIn zeigt der GesprächspartnerIn durch die Gestaltung ihrer Äußerung, dass diese zur Reaktion bzw. zur Rederechtsübernahme verpflichtet ist. Mittlerweile gibt es zahlreiche linguistische Studien, die sich mit den Mechanismen des Sprecherwechsels in Alltagsgesprächen und institutionellen Situationen befassen. Aus diesen Studien ergibt sich, dass Alltagsgespräche ohne vorher festgelegte Verteilung des Rederechts ablaufen (vgl. Hutchby/ Wooffitt 2011: 49). Dagegen gibt es verschiedene Typen von institutionell geprägten Turn-taking-Systemen (vgl. Heritage/ Clayman 2010: 37 ff.), die dadurch gekennzeichnet sind, dass einer Person, in der Regel der AgentIn einer Institution, das Recht auf die Zuweisung des Turns zukommt (vgl. Gülich/ Mondada 2008: 43). Die Mechanismen des Sprecherwechsels weisen kulturelle Variationen auf und in die Analyse des Sprecherwechsels ist die „ relationship between turns and actions, between turn-taking patterns and roles, relationships and identities, between turntaking and institutional settings, between turn-taking and language, or between turn-taking and (other) cultural factors “ mit einzubeziehen (Steensig 2011: 501). Vor diesem Hintergrund wird sich dieses Kapitel mit folgenden Fragen befassen: - Wie signalisieren die ModeratorInnen, dass es sich bei der gerade im Vollzug befindlichen Aktivität um eine turnbeendende handelt, nach der ein Sprecherwechsel stattfindet und ReferentInnen ihre Vorträge beginnen? 8.1 Mechanismen des Sprecherwechsels 165 <?page no="166"?> - Mit welchen verbalen und nonverbalen Mitteln wird die Rederechtsübergabe organisiert? Da diese Fragen eng mit der Beendigung der Anmoderation zusammenhängen, wird im Folgenden auf das Verfahren der Gesprächsbeendigung eingegangen. 8.2 Verfahren der Gesprächsbeendigung Gesprächsanalytische Untersuchungen zur Gesprächsbeendigung wurden vor allem durch die Studien von Schegloff/ Sacks (1973) inspiriert. Ausgehend von der „ intuition that the unit ‚ a single conversation ‘ does not simply end, but is brought to a close “ , haben sich beide Autoren mit der „ technical basis for a closing problem “ (Schegloff/ Sacks 1973: 289) beschäftigt. Dabei wird das Beendigungsproblem in Anlehnung an den Sprecherwechsel diskutiert: „ How to organize the simultaneous arrival of the coconversationalists at a point where one speaker ’ s completion will not occasion another speaker ’ s talk, and that will not be heard as some speaker ’ s silence. “ (Schegloff/ Sacks 1973: 294, 295) Als eine „ proximate solution “ des Beendigungsproblems beschreiben Schegloff/ Sacks (1973: 295) „ terminal exchanges “ . Diese sind Paarsequenzen wie ok - ok und bye - bye. Anhand der „ terminal exchanges “ allein kann das Beendigungsproblem jedoch nicht gelöst werden, da ok - ok nicht in jedem Fall als ein „ terminal exchange “ auftritt (vgl. Sidnell 2010: 216). Bedeutend für die Bewältigung des Beendigungsproblems sind weniger die Formen der „ terminal exchanges “ , als deren Platzierungen im Gespräch. Dazu schreiben Schegloff/ Sacks (1973: 299): „ While it should be experientially obvious that first parts of terminal exchanges are not freely occurrent, we shall [. . .] try to develop a consideration of the sorts of placing problems their use does involve. “ Äußerungen wie ok - ok und bye - bye fungieren als „ terminal exchanges “ , wenn sie, so die beiden Autoren, am möglichen Ende einer Beendigungssequenz ( „ closing section “ ) vorkommen. Hierbei wird eine weitere Frage aufgeworfen: Was ist eine Beendigungssequenz und wie lässt sich diese feststellen? Ein Verfahren zur Konstitution einer Beendigungssequenz ist nach Schegloff/ Sacks (1973) der Austausch der Beendigungsinitiativen ( „ pre-closings “ ): The first proper way of initiating a closing section that we will discuss is one kind of (what we will call) ‚ pre-closing ‘ . The kind of pre-closing we have in mind takes one of the following forms, ‚ We-ell. . . ‘ , ‚ O.K. . . ‘ , ‚ So-oo ‘ , etc. (with downward intonation contours), these forms constituting the entire utterance. These pre-closings should properly be called ‚ POSSIBLE pre-closing ‘ , 166 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="167"?> because providing the relevance of the initiation of a closing section is only one of the uses they have. (Schegloff/ Sacks 1973: 303; Hervorhebung im Original) Mit dem ersten Teil der Beendigungsinitiativen, der einen Bruch mit einem voran-gehenden Thema erzeugt, signalisiert die SprecherIn, dass sie nun kein neues Thema mehr einführt und das Gespräch ihrerseits beendet werden kann. Zugleich übergibt die SprecherIn dem Gegenüber das Rederecht, so dass es mit einem Thema beginnen kann, das im bisherigen Gesprächsverlauf noch nicht bearbeitet wird: „ AFTER such a possible preclosing is specifically a place for new topic beginnings. “ (Schegloff/ Sacks 1973: 304, Hervorhebung im Original) In diesem Zusammenhang dienen Äußerungen wie We-ell. . ., O.K. . . und So-oo als „ reopening of topic talk “ (Schegloff/ Sacks 1973: 305). Produziert der nächste Sprecher den zweiten Teil der Beendigungsinitiativen, zeigt er an, dass er ebenfalls nichts Neues zu sagen hat und das Gespräch seinerseits ebenfalls beendet werden kann: With a second such item a recipient likewise passes the opportunity to raise further talk on a topic and may thus both display an understanding of that proposal and accept the move to closing. Such an exchange of possible preclosings establishes a warrant for closing the conversation - the warrant being that neither participant has anything more to talk about. (Sidnell 2010: 218) Aus den Erläuterungen der „ terminal exchanges “ , der „ closing section “ und „ pre-closings “ ist zu folgern, dass für die Lösung des Beendigungsproblems die „ pre-closings “ ausschlaggebend sind, da mit diesen die GesprächspartnerInnen überprüfen und erkennbar machen, ob ein neues Thema bearbeitet wird und das Gespräch zu beenden ist. Dazu schreiben Schegloff/ Sacks (1973): To recommend that the terminal exchanges solution initially sketched must be supplemented by an analysis of the placement of terminal exchanges; that the placement be seen in terms of properly initiated closing sections; that closing sections can be properly initiated by possible pre-closings; and that utterance of the form ‚ We-ell. . . ‘ can be pre-closing is not of great help unless it can either be shown (1) that utterances of the form ‚ we-ell. . . ‘ are invariably pre-closings, which is patently not the case, or (2) some indication can be given of the analysis that can yield utterances of the form ‚ we-ell. . . ‘ to be possible pre-closing. One consideration relevant to such a finding (by participants in the conversation; it is their procedures we seek to describe) is the placement of utterances of the form ‚ we-ell. . . ‘ in the conversation. (Schegloff/ Sacks 1973: 305) Wie bei den „ terminal exchanges “ ist für die Bestimmung der „ pre-closings “ ebenfalls deren sequentielle Platzierung maßgeblich. Die Frage, ob 8.2 Verfahren der Gesprächsbeendigung 167 <?page no="168"?> es sich bei bestimmten Äußerungen um „ pre-closings “ handelt, bezieht sich auf die thematische Organisation eines Gesprächs. Nach Schegloff/ Sacks (1973: 305) fungieren die Äußerungen We-ell. . ., O.K. . . und So-oo in der Regel „ at the analyzable (once again, TO PARTICIPANTS) end of a topic “ als „ pre-closings “ (Hervorhebung im Original). Beim Umgang mit der Frage „ how the introduction of other material into a closing may organize a movement out of closing which is properly reciprocated in the next turn “ identifiziert Button (1987: 104) verschiedene „ sequence types in closings “ , die „ archetype closings “ genannt werden wie „ Arrangements, Back-references, Topic initial elicitors, In-Conversation objects, Solicitudes, Reasons-for-calls, Appreciations “ . Auer (1990) beschäftigt sich mit der Prosodie in den Beendigungssequenzen deutscher Telefongespräche und zeigt, dass Rhythmus und Tempo als Kontextualisierungshinweise für die Gesprächsbeendigung fungieren. Selting (2007) weist darauf hin, dass die Signalisierung einer angestrebten Gesprächsbeendigung auf verschiedenen sprachlichen Ebenen rekurrent und omnipräsent ist. Dies zeigt sie exemplarisch anhand von vier Ebenen: der Ebene der Bildung und Abgrenzung von TCUs, der Ebene der Sequenzorganisation, der Ebene der Gattungen und der Ebene der Gesamtorganisation der Gespräche. Nach Selting (vgl. 2007: 309) ist das Verhältnis von kognitiver Sedimentierung der Konstruktionsschemata der Aktivitäten in der Gesprächsbeendigung und lokaler Emergenz sowie rezipientenspezifischem Zuschnitt ein Produkt der Interaktion im sequenziellen und situativen Kontext. Folglich ist die Handhabung der Konstruktionsschemata reflexiv mit dem Kontext verbunden. So ist in den rituellen und institutionellen Interaktionen weniger Flexibilität der Konstruktionsschemata zu erwarten als in Alltagsgesprächen. Da die Analyse der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation in Anlehnung an Goffmans Konzept der Rituale durchgeführt wird, werde ich im Folgenden Konzepte des Rituals erläutern. 8.3 Konzepte des Rituals Rituale liegen im Interessensgebiet verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. In der Anthropologie, Religionswissenschaft, Soziologie und Ethnologie wird das Ritual in erster Linie als ein religiöses, heiliges und numinoses Phänomen betrachtet und analysiert (vgl. Werlen 1984: 19, 2001: 1264; Hartmann 1973: 135 ff.; Rauch 1992: 13 ff.). Die Linguistik widmet sich dem Verhältnis von Sprache und Ritualen (vgl. Werlen 1984: 18 f.; Rauch 1992: 25). Dabei geht die Fragestellung zunächst auf die Beschaffenheit der religiösen Sprache ein (vgl. Werlen 1984: 19). Seit den 1980er Jahren ist der Ritualbegriff „ in der neueren linguistischen Forschung 168 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="169"?> erheblich ausgeweitet worden gegenüber seiner ursprünglichen Bindung an religiöse und institutionelle Kommunikation “ (Burger 1991: 94). Für linguistische Studien, die den Ritualbegriff auch auf nicht-religiöse Verwendungszusammenhänge anwenden, sind vor allem Goffmans (1967/ 1986, 1971/ 1982) Arbeiten aufschlussreich. Goffman (1967/ 1986, 1971/ 1982) überträgt den religionssoziologischen Ritualbegriff von Durkheim (1976, 2007) auf die profanen Alltagsinteraktionen (vgl. Hartmann 1973: 135 ff.; Werlen 1984: 18 ff.; Lenz 1991 b; Rauch 1992: 13 ff.; Auer 1999: 154). Für ihn sind in der säkularisierten Welt nicht etwa Götter, sondern Individuen heilige Objekte, die „ mit ritueller Sorgfalt “ (Goffman 1967/ 1986: 104) verehrt werden: „ Viele Götter sind abgeschafft worden, aber der Mensch selbst bleibt hartnäckig als eine wichtige Gottheit bestehen. Er schreitet mit Würde einher und ist Empfänger vieler kleiner Opfer. “ (Goffman 1967/ 1986: 105) Ferner vertritt Goffman die Auffassung, dass die traditionellen Großrituale im Niedergang begriffen sind: In der heutigen Gesellschaft sind überall Rituale gegenüber Repräsentanten übernatürlicher Entitäten [. . .] im Niedergang begriffen [. . .] Übriggeblieben sind kurze, von einem Individuum gegenüber einem anderen vollzogene Rituale, die Höflichkeit und wohlmeinende Absicht auf seiten des Ausführenden und die Existenz eines kleinen geheiligten Patrimoniums auf seiten des Empfängers bezeugen. (Goffman 1971/ 1982: 97, 98) Goffman (1971/ 1982: 97) definiert Ritual als „ eine mechanische, konventionalisierte Handlung, durch die ein Individuum seinen Respekt und seine Ehrerbietung für ein Objekt von höchstem Wert gegenüber diesem Objekt oder seinem Stellvertreter bezeugt “ . Aus Goffmans Konzept des Rituals ist zu schließen: (i) Rituale stellen konventionalisierte Handlungen dar, (ii) sie bezeugen Respekt und dem Gegenüber Ehrerbietung (vgl. Rauch 1992: 19; Kotthoff 2009; Scharloth/ Okamura 2010: 54), (iii) Goffman sieht Rituale nicht als psychologische Kräfte an, sondern er geht von einem ausgeprägten modernen Individualismus aus, der in Ritualen zum Ausdruck kommt (vgl. Knoblauch 2001: 14). Bei Goffman bleiben das „ Objekt von höchstem Wert “ und dessen „ Vertreter “ allerdings unbestimmt. Nach Werlen (1984: 65) hat dies „ seinen guten Sinn darin, daß Goffman hier auch Rituale zwischen Individuen einordnen will “ . Solche Rituale nennt Goffman „ interpersonelle Rituale “ (Goffman 1971/ 1982) bzw. „ Interaktionsrituale “ (Goffman 1967/ 1986). Mit Goffmans Konzept der Rituale wird eine Erweiterung der Ritualbegriffe 8.3 Konzepte des Rituals 169 <?page no="170"?> vorgenommen, die über bisherige mystische Begriffe hinausgehen (vgl. Werlen 1984: 65). Nach Goffman können Rituale positiver und negativer Natur sein. Positive Rituale dienen der Herstellung und Verstärkung der Ehrerbietung. Zu den positiven Ritualen gehören z. B. Begrüßungen (Hartmann 1973; Farenkia 2002; Scharloth/ Okamura 2010) und Komplimente (Pomerantz 1978; Golato 2005). Die Zielsetzung der Ausführung negativer Rituale liegt darin, „ das, was als offensiv angesehen werden könnte, in etwas zu verwandeln, das als akzeptierbar angesehen werden kann “ (Goffman 1971/ 1982: 156). Zu den negativen Ritualen gehören z. B. Entschuldigungen und Erklärungen. Goffmans Konzept der Interaktionsrituale hat zahlreiche linguistische Studien inspiriert, die sich mit Ritualen in institutionellen Situationen und Alltagsgesprächen befassen (Hartmann 1973; Holly 1979; Werlen 1979, 1984, 1987; Lüger 1980; Antos 1987; Paul 1990; Rauch 1992; Dausendschön- Gay 2001; Kotthoff 2009). In diesen Untersuchungen wird aufgezeigt, dass Rituale bzw. rituelle Kommunikation in bestimmten Schemata der Auswahl und Anordnung von Sprechhandlungen erfolgen, wobei Routineformeln sowie lexikalisch und syntaktisch verfestigte sprachliche Ausdrücke eine bedeutende Rolle einnehmen (vgl. Burger 1991: 94; Antos 1987). So haben Rituale nach Klein (1987: 7) „ bestimmte wiederkehrende Elemente in bestimmten wiederkehrenden Anordnungen, und es ist wichtig, daß sie bei bestimmten vorgegebenen Gelegenheiten in ebendieser Form, mit kleinen Variationen, wiederholt werden “ . Rituale werden bei Hartmann (1973), Werlen (1984) und Rauch (1992) ebenfalls als Handlungen bzw. Handlungssequenzen verstanden. Nach Hartmann (1973: 142) lassen sich Rituale als „ relativ stabile handlungsmuster charakterisieren, die der inszenierung einer interaktion zugrundeliegen. Diese muster sind grundsätzlich wiederholbar und gelten daher, was ihren ablauf betrifft, als vorhersagbar. “ Rituale, so Hartmann weiter, sind auf übergeordnete soziale Strukturen bezogen und haben eine geregelte Stellung in komplexen Handlungszusammenhängen. Werlen (1984: 81) definiert das Ritual als „ eine expressive institutionalisierte Handlung oder Handlungssequenz “ , wobei der Handlungscharakter, die Institutionalität und die Expressivität drei definitorische Merkmale der Rituale sind. Für Werlen (1984: 92) ist eine Handlung „ ein absichtlich, willkürlich, verantwortlich, zielgerichtet, regelbefolgend und normbezogen unterstelltes Verhalten oder ein gleicherweise qualifiziertes Unterlassen “ . Der Begriff „ Handlungssequenz “ besagt, dass Rituale verschiedene Teilhandlungen enthalten, wobei deren Abfolge als „ Logik ritueller Kommunikation “ (Werlen 1984; 1987) zu verstehen ist. Die Institutionalität der Rituale bezieht sich „ auf eine Charakterisierung jener Züge des Rituals, die in den Definitionen unter Bezeichnungen wie 170 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="171"?> Formalisierung, Stilisierung, Repetivität, Stereotypisierung erscheint “ und besteht in der Festlegung der Grenzen, „ wer wann was zu tun hat, wie diese Handlungen zu erfolgen haben, welche Form sie annehmen “ (Werlen 1984: 86). Die Expressivität der Rituale wird bei Werlen (1984: 96) vage formuliert: „ Expressivität ist für uns eine bewußt unbestimmt gehaltene und damit umfassende Kategorie zur Definition von Ritualen “ , da eine Spezifizierung der Expressivität der Rituale stets „ im Einzelfall dargelegt werden muß “ . Für Werlen hat die Expressivität der Rituale einen symbolischen Charakter, der darauf hinweist, dass „ die ausgeführte Handlung A für einen bestimmten ‚ Inhalt ‘ B steht “ (Werlen 1984: 84). Der Handlungscharakter der Rituale im Sinne Werlens ist für Rauch (1992) problematisch, wenn Rituale auf spontan und unreflektiert ‚ abgespult ‘ werden, sehe ich, gerade auch was Zwangsrituale angeht, Schwierigkeiten darin, den Begriff ‚ absichtlich ‘ mit seinen gängigen alltagssprachlichen Bedeutungskomponenten darauf anzuwenden und möchte ihn zumindest mit dem Attribut bewußt oder unbewußt verwenden. (Rauch 1992: 40) Rauch (1992) hebt die Musterhaftigkeit der Rituale hervor: Ein rituelles Text- und Gesprächsmuster liegt vor, wenn spezifische komplexe Muster, nämlich ein spezifisches lexikalisches Muster, syntaktisches Muster, Intonationsmuster, Handlungsmuster, Rollenmuster sowie ein Muster für an die Handlungen geknüpfte Haltungen und Modalitäten unter Einbeziehung eines speziellen Wissensmusters ein spezifisches Text- oder Gesprächsmuster erzeugen und dieses sowohl expressiven Charakter [. . .] hat als auch der Beziehungsarbeit [. . .] dient. Sind solche Muster institutionalisiert und damit als komplexe individuelle oder gesellschaftliche Handlungsmuster etabliert, so liegen sie als Handlungsanweisungen rituellem Handeln zugrunde. (Rauch 1992: 41) Sowohl Rauch (1992: 46 f.) als auch Antos (1987: 14 f.) listen eine Reihe von analytischen Indikatoren der Institutionalität der Rituale auf. Folgende Merkmale sind für die vorliegende Arbeit relevant: i) Es gibt für rituelle Handlungen Restriktionen in Bezug auf lexikosemantische und syntaktische Elemente. ii) Der Vollzug der Rituale umfasst sowohl verbale als auch nonverbale Handlungen. iii) Es ist festgelegt, in welcher Weise funktionale oder thematische Abschnitte aufeinander folgen, so dass die Handelnden gewissermaßen von der Formierung der Rituale entlastet werden. iv) Auch die Rollenverteilung in rituellen Handlungen ist festgelegt. Zu den Rollentypen gehören z. B. kulturelle Rollen, soziale und persönliche Statusrollen, teilnehmerstatusbezogene Rollen etc. 8.3 Konzepte des Rituals 171 <?page no="172"?> Die von Werlen vage formulierte Expressivität der Rituale ist für Rauch (1992) am „ problematischsten “ : Wenn ‚ Expressivität ‘ so definiert ist, daß eine Sache oder Handlung A für einen Inhalt B steht, muß zumindest konkretisiert werden, welche Dinge oder welche Arten von Handlungen gemeint sein könnten und welche Typen von hypothetischen Inhalten man daraus erschließen könnte. (Rauch 1992: 55) Dies besagt, dass die Symbolhaftigkeit der Rituale konkretisiert werden muss. Nach Rauch (1992: 55) bezieht sich die Expressivität der Rituale auf „ eine bestimmte Zweck-Mittel-Relation “ , also auf Gestaltung und Funktion von verbalen und nonverbalen Mitteln, die auf verschiedenen Beschreibungsebenen (Lexik, Syntax, Gestik und Mimik) angesiedelt sind und zur Ausführung der Rituale eingesetzt werden. Die Relation zwischen den sprachlich-kommunikativen Mitteln und den damit zum Ausdruck gebrachten Inhalten und Zwecken ist institutionalisiert und mit ritueller Kompetenz erschließbar (vgl. Rauch 1992: 59). Wenn in der vorliegenden Arbeit von Ritualen gesprochen wird, sind die „ interpersonellen Rituale “ (Goffman 1971/ 1982) bzw. „ Interaktionsrituale “ (Goffman 1967/ 1986) gemeint, wobei magische, religiöse und heilige Vorstellungen ausgeschlossen werden (vgl. Hartmann 1973: 140). Unter Ritualen verstehe ich institutionalisierte und expressive Handlungen bzw. Handlungssequenzen, in denen Ehrerbietung und Respekt ausgedrückt werden. Die Institutionalität und Expressivität sind im Sinne von Antos (1987) und Rauch (1992) zu verstehen. Der Handlungscharakter der Rituale ist durch Indikatoren wie Zielgerichtetheit, Normenbezogenheit, Prozesscharakter und Musterhaftigkeit gekennzeichnet (vgl. Rauch 1992: 84). Die folgenden Analysen gehen nicht auf psychologische Argumente ein, und der Frage, ob und wie sich Handelnde mit der Ausführung der Rituale dieses Vorgangs bewusst sind oder nicht (Werlen 1984; Rauch 1992), wird nicht nachgegangen, da diese Frage anhand der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden kann. Dagegen werden Handlungssequenzen, Musterhaftigkeit und Routineformeln der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation in den Vordergrund gestellt. 172 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="173"?> 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 8.4.1 Die Kollaboration zwischen ModeratorInnen und ZuhörerInnen Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen weist folgende Aktivitäten auf: i) die ReferentIn bitten, einen Vortrag zu halten ii) den Vortragstitel verkünden iii) die ZuhörerInnen auffordern, die ReferentIn willkommen zu heißen iv) zum Willkommen applaudieren. Prachtvolles Bild (chinesische Anmoderation 12) 12 Mod: 他是陕西大学教授 . ta shi shaanxi daxue jiaoshou ta [COP] Shaanxi Universität Professor er ist Professor der Universität Shaanxi 13 (0.3) 14 下面我们请陈汝东老师给我们作报告 ; xiamian women qing chen rudong laoshi gei women zuo baogao dann wir bitten Chen Rudong Lehrer für wir halten Vortrag dann bitten wir Herrn Chen Rudong, für uns einen Vortrag zu halten 15 他的题目是论建筑修辞 , ta de timu shi lun jianzhu xiuci sein thema [COP] über Architektur Rhetorik sein Thema lautet Diskussion über die Rhetorik in der Architektur 16 大家欢迎↑ dajia huanying alle heißen willkommen heißen wir ihn alle willkommen 17 Zuh: (( 掌声 )) ((Applaus der Zuhörer)) 18 Ref: 谢谢 . xiexie danke 19 谢谢主席 . xiexie zhuxi danken Vorsitzender danke unserem Vorsitzenden Nachdem der Moderator den Professorentitel des Referenten angegeben hat (Z. 12), macht er in Z. 13 eine Pause, der sich ein vorwärtsverweisendes 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 173 <?page no="174"?> Adverb „ ximian “ (als nächstes) anschließt. Die Pause und das Adverb fungieren aufgrund ihrer sequenziellen Platzierung als Beendigungsinitiativen der Anmoderation: Sie befinden sich unmittelbar nach der Vorstellung des Referenten, einer zentralen Aufgabe des Moderators, und zeigen an, dass die Vorstellung von Chen beendet ist und sich die Anmoderation dem Abschluss nähert. Folglich wird mit der Pause und dem Adverb ein Aktivitätenwechsel realisiert: Die Pause grenzt die Vorstellungsaktivität von der Rederechtsübergabe ab, die durch das Adverb „ xiamian “ eingeleitet wird. Der Rederechtsübergabe liegt ein rituelles Sequenzmuster zugrunde, das mehrere Handlungen enthält, die eine „ Logik ritueller Kommunikation “ (Werlen 1984, 1987) aufweisen. Der Moderator bittet zunächst Chen, einen Vortrag zu halten: „ xiamian women qing chen rudong laoshi gei women zuo baogao “ (jetzt bitten wir Herrn Chen Rudong, für uns einen Vortrag zu halten, Z. 13), wobei sich das „ women “ (wir) auf den Moderator und die ZuhörerInnen bezieht. Der Referent wird mit seinem Namen „ chen rudong “ in Kombination mit der Berufsbezeichnung „ laoshi “ (Lehrer) lateral adressiert und aus der „ Wir “ -Gruppe ausgeschlossen. Der Moderator positioniert sowohl sich als auch die inkludierten ZuhörerInnen als das Publikum des Vortrags, und Chen bekommt den Teilnehmerstatus eines Referenten zugewiesen. Der Bitte schließt sich die Verkündung des Vortragstitels an (Z. 14). Dadurch, dass der Moderator den Referenten im Namen der „ Wir “ - Gruppe zunächst um einen Vortrag bittet und anschließend dessen Vortragstitel verkündet, signalisiert er, dass sich die Anmoderation in der Beendigungsphase befindet. Die beiden aufeinander folgenden Aktivitäten machen den Vortrag erwartbar und haben eine Projektionsfunktion in Bezug auf diesen Vortrag inne. Auf das Verkünden des Vortragstitels folgt eine „ zweckthematisierende Explikationsaufforderung “ (Bergmann 1980: 242). So fordert der Moderator mit der Äußerung „ dajia huanying “ (heißen wir ihn alle willkommen, Z. 15) die ZuhörerInnen auf, Chen willkommen zu heißen. Darauf klatschen die ZuhörerInnen Beifall (Z. 16). Der Applaus der ZuhörerInnen hat eine Scharnierfunktion inne, die die Anmoderation und den Vortrag verbindet: Er markiert einerseits, dass die Anmoderation abgeschlossen ist, andererseits fungiert er als ein konventionelles Zeichen des Willkommen-Heißens des Referenten und dessen Vortrags. Die Aufforderung „ dajia huanying “ und der Applaus bilden eine Paarsequenz ( „ adjacency pair “ , Schegloff/ Sacks 1973: 295). Die Äußerung „ dajia huanying “ ist eine „ sequenzinitiierende Äußerung “ (Bergmann 1988/ III: 14), die den nachfolgenden Applaus als konditionell relevante Folgehandlung auf Seiten des Gegenübers (ZuhörerInnen) hervorruft. Diese Äußerung macht den „ first pair part “ (Schegloff/ Sacks 1973: 296) der Paarsequenz Aufforderung zum Willkommen-Heißen des Referenten - Applaus aus, während der Applaus den „ typenadäquaten zweiten Paarsequenzteil “ (Bergmann 1988/ III: 28) ausmacht. 174 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="175"?> Die Interpretation des obigen Ausschnitts legt nahe, dass die Rederechtsübergabe nicht allein vom Moderator, sondern durch eine Kollaboration zwischen Moderator und ZuhörerInnen durchgeführt wird und als deren „ joint project “ (Clark 1996) zu verstehen ist. Mit der Aufforderung animiert der Moderator die ZuhörerInnen, bei der Durchführung der Rederechtsübergabe mitzuwirken. Dies wird auch im folgenden Ausschnitt ersichtlich. Diesem Ausschnitt geht voraus, dass der Moderator alle ReferentInnen in seiner Sektion vorgestellt hat: Genosse (chinesische Anmoderation 08) 66 Mod: 这个时间讲长讲短 , zheige shijian jiang chang jiang duan [DM] die Zeit reden lang reden kurz wie viel Zeit für einen Vortrag gebraucht wird 67 由 各位 发言人 自己 掌握 . you gewei fayanren ziji zhangwo von jedem Referenten selber kontrollieren soll jeder Referent selbst entscheiden 68 这个 zhei ge dieser [DM] 69 现在呢 ; xian zai ne jetzt [PAR] 70 (0.5) 71 我们是 women shi wir [COP] wir 72 请 (.) qing bitten 73 北方大学 (.) 社会学理论与方法研究中心的教授张红卫 ; beifang daxue shehuixue lilun yu fangfa yanjiuzhongxin de jiaoshou zhang hongwei Beifang Universität Forschungszentrum für Theorie und Praxis der Soziologie Professor Zhang Hongwei Professor Zhang Hongwei vom Forschungszentrum für Theorie und Praxis der Soziologie der Universität Beifang 74 (0.5) 75 同志来发言 ; tongzhi lai fayan Genosse [PM] gehen halten Rede eine Rede zu halten 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 175 <?page no="176"?> 76 他发言的题目是中国水污染的社会学分析若干议题与研究进展 ; ta fayan de timu shi zhongguo shui wuran de shehuixue fenxi ruogan yiti yu yanjiu jinzhan sein Vortragstitel lautet einige soziologischanalytische Themen über die Wasserverschmutzung in China und deren Forschungsstand sein Vortragstitel lautet „ Einige Themen aus der soziologischen Perspektive über die Wasserverschmutzung in China und deren Forschungsstand “ . 77 (0.5) 78 在我们的会议手册上呢 zai women de hui yi shouce shang ne in unserem Tagungsprogramm [PAR] In unserem Tagungsprogramm 79 张红卫教授只有一个教授头衔 ; zhang hongwei jiaoshou zhiyou yige jiaoshou touxian Zhang Hongwei Professor nur haben einen Professorentitel steht nur ein Professorentitel von Professor Zhang Hongwei 80 其实他在北方大学还有更重要的职务 . qishi ta zai beifang daxue haiyou geng zhongyao de zhiwu eigentlich er an der Universität noch haben [COPM] wichtigere Stelle eigentlich hat er an der Beifang Universität noch eine viel wichtigere Stellung 81 但是学术会议啊 danshi xue shu huiyi a aber akademische Tagung [PAR] aber für eine wissenschaftliche Konferenz 82 只讲这一个头衔也是 对的 . zhi jiang zhe yi ge touxian ye shi dui de ausschließlich nennen diesen einen Titel auch gut [PAR] reicht der Titel schon aus 83 (1.0) 84 现在请张红卫教授发言 , xian zai qing zhang hongwei jiaoshou fayan jetzt bitten Zhang Hongwei Professor ein halten rede nun bitten wir Professor Zhang Hongwei, eine Rede zu halten 85 大家欢迎↑ dajia huan ying heißen wir ihn alle willkommen 86 Zuh: (( 掌声 )) ((Applaus der Zuhörer)) 87 Red: 非常感谢主持人王学理教授 feichang ganxie zhuchiren wang xueli jiaoshou sehr danken Moderator Wang Xueli Professor ich danke herzlich dem Moderator Professor Wang Xueli 176 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="177"?> 88 感谢各位的发言人啊 ganxie gewei fayanren a danken jeder Referent [PAR] ich danke den Referenten In Z. 66 und 67 weist der Moderator die ReferentInnen auf die Zeitvorgabe für ihre Vorträge hin: Wer mehr Zeit für seinen Vortrag benötigt, hat weniger Zeit für die Diskussion. Der Diskursmarker „ zhei ge “ in Z. 68 dient dem Themenwechsel (vgl. Xu 2005, 2008). Den Themenwechsel signalisiert der Moderator mit dem sich anschließenden Adverb „ xianzai “ (jetzt) nochmals, welches die Rederechtsübergabe einleitet. Diese fängt, wie beim vorangehenden Datenausschnitt, mit einer Bitte um einen Vortrag an (Z. 71 bis 75). Im Anschluss daran verkündet der Moderator den Vortragstitel von Zhang (Z. 76). Danach fordert der Moderator die Zuhörer- Innen, anders als es im vorherigen Ausschnitt der Fall ist, nicht auf, Zhang willkommen zu heißen, sondern er rechtfertigt, warum im Tagungsprogramm nur der Professorentitel von Zhang verzeichnet ist (Z. 78 bis 82). Die Rechtfertigung stellt eine Nebensequenz dar, die durch Pausen in den Zeilen 77 und 83 gerahmt wird. Nach der Rechtfertigung setzt die Rederechtsübergabe erneut ein: Zhang wird nochmals gebeten, seinen Vortrag zu halten (Z. 84). Gleich danach fordert der Moderator die ZuhörerInnen auf, Zhang willkommen zu heißen (Z. 85). Auf die Aufforderung folgt der Applaus der ZuhörerInnen. Dieser Ausschnitt zeigt, dass die Aufforderung eine zentrale Rolle im Sequenzmuster der Rederechtsübergabe spielt, da sie gemäß der sozialen Erwartung den Applaus hervorruft, der nicht nur die Anmoderation als abgeschlossen markiert, sondern auch einen nachfolgenden Vortrag einleitet. Die Interpretationen der vorangehenden Ausschnitte verdeutlichen, dass die Anmoderationen nicht abrupt enden, sondern mit einer Reihe von konventionalisierten Handlungen Schritt für Schritt zum Abschluss gebracht werden. Die Beendigung der Anmoderation und die Rederechtsübergabe gehen miteinander einher, denen gemeinsam ein rituelles Sequenzmuster zugrunde liegt. Die Institutionalität und Expressivität dieses Musters schlagen sich in den konventionalisierten Handlungen (Bitte um Vortrag, Verkünden des Vortragstitels, Aufforderung und Applaus) nieder. Diese Handlungen weisen eine geringe Variation auf und treten in einer festgelegten Reihenfolge auf. Sie haben eine verfestigte Funktion inne, die der Projektion der Beendigung der Anmoderation und der Markierung der Rederechtsübergabe dient. Die Rollenverteilung „ wer wann was zu tun hat “ (Werlen 1984: 86) ist ebenfalls festgelegt. So führen die ZuhörerInnen nach der Aufforderung des Moderators den Applaus aus. Die Kollaboration zwischen den ModeratorInnen und ZuhörerInnen zeigt, dass die Letzteren in der Anmoderation keineswegs einfach nur 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 177 <?page no="178"?> zuhören, sondern an deren Durchführung beteiligt sind. Die ReferentInnen ergreifen im Anschluss an den Applaus das Wort und vollenden somit den Sprecherwechsel, wobei die Mitglieder der „ Wir “ -Gruppe (ModeratorInnen und ZuhörerInnen) das Publikum des Vortrags werden. Die Respektzuweisung gegenüber den Vortragenden liegt zum einen in der Sprechhandlung der Bitte, zum anderen in dem Beifall. Sie geschieht zudem durch die höfliche personale Referenz der Titulierung: Auf die Vortragenden referieren die ModeratorInnen mittels der Kombination Name + Titel. Während das Verkünden des Vortragstitels, die Aufforderung und der Applaus in der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation immer wieder auftreten und somit deren obligatorische Bestandteile ausmachen, kommt es gelegentlich vor, dass die Bitte um einen Vortrag ausbleibt. Harmonie vom Wasser (chinesische Anmoderation 14) 06 Mod: 他给我们作论人水和谐的这样一个报告 . ta gei women zuo lun ren shui hexie de zheyang yige baogao er für uns halten über Menschen und Wasser Harmonie [ASSOC] dieser ein Vortrag er hält für uns einen Vortrag über die Harmonie von Menschen und Wasser 07 大家欢迎↑ dajia huanying alle heißen willkommen heißen wir ihn alle willkommen 08 Zuh: (( 掌声 )) ((Applaus)) Im Vergleich zu den vorangegangenen Ausschnitten fällt im Ausschnitt „ Harmonie vom Wasser “ auf, dass die Bitte um einen Vortrag nicht vorkommt. Der Moderator verkündet den Vortragstitel (Z. 06), fordert im Anschluss die ZuhörerInnen auf, den Referenten willkommen zu heißen (Z. 07), was abschließend mit dem Applaus geschieht. Die rituelle Eigenschaft der Beendigung der Anmoderation und der Rederechtsübergabe ist über die Bitte, Titulierung und den Applaus hinaus auch an Routineformeln zu erkennen, auf die in Kap. 8.4.2 eingegangen wird. 8.4.2 Routineformeln in der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation Routineformeln verstehe ich in Anlehnung an Coulmas (1981: 16) als „ sprachliche Ausdrücke, bei denen Situationen, Erwartungen und Wirkungen auf standardisierte Weise miteinander korreliert sind und die als 178 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="179"?> solche wichtige Mittel der institutionalisierten Steuerung sozialen Handels darstellen “ . Als sprachlich verfestigte Reaktionen auf soziale Situationen sind Routineformeln an rekurrente Interaktionen gebunden und als Resultat dieser Situationsstandardisierung zu verstehen, das den Interagierenden „ ein hohes Maß an Verhaltenssicherheit “ gewährt (Coulmas 1981: 13). Eine grundlegende Funktion der Routineformeln besteht darin, „ als in der Sprache fixierte Handlungsmuster den einzelnen Mitgliedern desselben sozio-kulturellen Systems adäquates und gruppenkonformes Handeln im sozialen Verkehr zu ermöglichen “ (Coulmas 1981: 13, 14). Wie in einer Reihe von Studien zu Routineformeln gezeigt wird (Coulmas 1979; Burger 1991; Stein 1995, 2004; Lüger 2007), greifen Interagierende bei der Ausführung zahlreicher Rituale auf Routineformeln zurück. Im Chinesischen haben sich sprachliche Ausdrücke women qing . . . zuo baogao (wir bitten jemanden einen Vortrag zu halten), women qing . . . fayan (wir bitten jemanden eine Rede zu halten) und dajia huanying (wir heißen jemanden alle willkommen) zu Routineformeln gebildet, die bei der Realisierung des rituellen Musters der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation immer wieder gebraucht werden. 8.4.2.1 Routineformeln der „ Bitte “ Eine Bitte „ is to ask someone to do/ not do something or to express the need or desire for something “ (Rue/ Zhang 2008: 1). Gemäß der „ internal modifications (downgraders and upgraders) “ (Blum-Kulka/ House/ Kasper 1989: 19) und des Höflichkeitsgrads kann die Sprechhandlung der Bitte im Chinesischen in neun Typen kategorisiert werden (Hong 1998): Ming Ling ( 命令 ): to order Qiang Qiu ( 强求 ): to force Qing Qiu ( 请求 ): to ask, to request Yao Qiu ( 要求 ): to ask Qi Dai ( 期待 ): to expect Xi Wang ( 希望 ): to hope Xiang ( 想 ): to want, to wish Qi Qiu ( 乞求 ): to beg Ken Qiu ( 恳求 ): to implore (Hong 1998: 23 f.) Im Chinesischen kann eine Bitte in vier Satztypen ausgeführt werden: Interrogativsatz, Deklarativsatz, Imperativsatz und Konditionalsatz (vgl. Rue/ Zhang 2008: 1; Hong 1998: 27 f.). Während der Interrogativsatz nach Zhang (1995 a) ein standardisierter Satztyp der Bitte ist, zeigt Gao (1999: 74), dass der Imperativsatz „ the most proper and efficient way of making a request “ ist. Ferner kann im Chinesischen zwischen direkter und indirekter 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 179 <?page no="180"?> Bitte unterschieden werden (Zhang 1995 a, b). Die direkte Bitte wird grammatisch durch Imperativ und performative Verben, die indirekte Bitte durch Fragen markiert. Yeung (1997) zeigt in ihrer Untersuchung der Bitte im Chinesischen und im Englischen, dass die Bitte im Chinesischen „ a more positive orientation “ (Yeung 1997: 518) hat, da das mianzi der gebetenen Person durch die Bitte nicht verletzt wird (vgl. auch Lee-Wong 1994). Nach Gao (1999: 77) verwenden ChinesInnen bei der Ausführung der Bitte im Vergleich zu englischen MuttersprachlerInnen mehr performative Verben. Zu diesen performativen Verben gehören z. B. rang ( 让 , lassen) und qiu ( 求 , bitten). Welche Verben gebraucht werden, hängt von der sozialen Beziehung zwischen der bittenden und gebetenen Person ab, die durch Anredeformen zum Ausdruck kommt. Hong (1998) zeigt in ihrer kontrastiven Analyse der Bitte im Chinesischen und Deutschen, dass es keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Höflichkeitsgrades und der Direktheit gibt. Die Unterschiede betreffen sprachliche Mittel: Während ChinesInnen mehr lexikalische Elemente verwenden, stehen Deutschen mehr syntaktische Konstruktionen zur Verfügung. Kennzeichnend für die Routineformeln der Bitte in den chinesischen Anmoderationen sind das performative Verb qing ( 请 , bitten), mit dem die direkte Bitte ausgeführt wird, und die syntaktische Konstruktion jian yu ju ( 兼语句 , Lü 1990: 547 f.; pivotal construction, Chao 1968: 124; Li/ Thompson 1981: 608). Jian yu ju sind Sätze, in denen „ eine Prädikat-Objekt-Konstruktion mit einer Subjekt-Prädikat-Konstruktion [. . .] gekoppelt ist “ (Schlobinski/ Kralle 1997: 80). Eine jian yu ju-Konstruktion enthält ein komplexes Prädikat: NP 1 - V 1 - NP 2 - V 2 . Die NP 2 ist insofern ein „ Doppelfunktionswort “ (Schlobinski/ Kralle 1997: 80), als es einerseits das Objekt des Matrixverbs (V 1 ) und andererseits das Subjekt des eingebetteten Verbs (V 2 ) ist. Die jian yu ju-Konstruktion ist durch das Doppelfunktionswort gekennzeichnet: „ The defining characteristic of the pivotal construction is that it contains a noun phrase that is simultaneously the subject of the second verb and the direct object of the first verb. “ (Li/ Thompson 1981: 607; vgl. auch Xing 1997: 135) Prachtvolles Bild (chinesische Anmoderation 12) 14 Mod: 下面我们请陈汝东老师给我们作报告 ; xiamian women qing chen rudong laoshi gei women zuo baogao dann wir bitten Chen Rudong Lehrer für wir halten Vortrag dann bitten wir Herrn Chen Rudong, für uns einen Vortrag zu halten In dieser Äußerung ist das Personalpronomen „ women “ (wir) die NP 1 und „ qing chen rudong laoshi gei women zuo baogao “ (bitten Chen Rudong 180 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="181"?> Lehrer für uns halten Vortrag) das komplexe Prädikat. An Stelle des Matrixverbs steht „ qing “ (bitten), und der Nominalausdruck „ chen rudong laoshi “ fungiert als das Doppelfunktionswort: Er ist zum einen das Objekt des Verbs „ qing “ und zum anderen das Subjekt der eingebetteten VP „ zuo baogao “ (halten Vortrag). Das Verb „ zuo “ (halten) verfügt über ein direktes Objekt „ baogao “ (Vortrag) und ein indirektes Objekt „ women “ (uns). Während das direkte Objekt „ baogao “ unmittelbar auf das Verb „ zuo “ folgt, geht „ women “ dem Verb „ zuo “ voraus und wird durch das „ preceding coverb “ (Li/ Thompson 1981: 374 ff.) „ gei “ (für) als das indirekte Objekt markiert: „ gei women zuo baogao “ (für uns halten einen Vortrag). 8.4.2.2 Routineformel der „ Aufforderung “ Die Routineformel dajia huanying (wir heißen jemanden alle willkommen) wird bei der Durchführung der Aufforderung verwendet. Genosse (chinesische Anmoderation 08) 84 Mod: 现在请张红卫教授发言 , xian zai qing zhang hongwei jiaoshou fayan jetzt bitten Zhang Hongwei Professor ein halten rede nun bitten wir Professor Zhang Hongwei, eine Rede zu halten 85 大家欢迎↑ da jia huan ying heißen wir ihn alle willkommen 86 Zuh: (( 掌声 )) ((Applaus der Zuhörer)) 87 Red: 非常感谢主持人王学理教授 feichang ganxie zhuchiren wang xueli jiaoshou sehr danken Moderator Wang Xueli Professor ich danke herzlich dem Moderator Professor Wang Xueli 88 感谢各位的发言人啊 ganxie gewei fayanren a danken jeder Referent [PAR] ich danke den Referenten Der Handlungscharakter der Aufforderung ist an der sequentiellen Organisation der Rederechtsübergabe zu erkennen: Auf die Äußerung „ da jia huan ying “ (wir heißen ihn alle willkommen) folgt der Applaus der ZuhörerInnen. Diese nonverbale Handlung zeigt an, dass die ZuhörerInnen die Äußerung als eine Aufforderung zum Willkommenheißen verstehen und behandeln. Folglich fungiert der Applaus als eine nicht-sprachliche Form der „ Verstehensdokumentation “ (Deppermann 2008 b; Deppermann/ Schmitt 2008) der vorliegenden Aufforderung. 8.4 Die Rederechtsübergabe in den chinesischen Anmoderationen 181 <?page no="182"?> 8.5 Die Rederechtsübergabe in den deutschen Anmoderationen Die Rederechtsübergabe in den deutschen Anmoderationen ist ebenfalls ein rituelles „ joint project “ (Clark 1996) und geht mit der Beendigung der Anmoderation einher. Dabei greifen die ModeratorInnen auf bestimmte Routineformeln und die ZuhörerInnen auf eine nonverbale Handlung zurück. In der Rederechtsübergabe finden folgende Aktivitäten statt: i) Vortragstitel verkünden ii) Freude kundgeben iii) Rederecht explizit übergeben iv) zum Willkommen applaudieren / akademisch klopfen. Es gibt zwei rituelle Sequenzmuster der Rederechtsübergabe bzw. der Beendigung der Anmoderation: a) Verkünden des Vortragstitels + Kundgabe der Freude + Applaus / akademisches Klopfen, b) Verkünden des Vortragstitels + explizite Rederechtszuweisung + Applaus / akademisches Klopfen. Eine weitere Variationsmöglichkeit betrifft das Adressierungsverfahren der ReferentInnen: Die ModeratorInnen adressieren die ReferentInnen entweder lateral oder gestalten die Rederechtsübergabe so, dass die ReferentInnen direkt adressiert und als nächste SprecherInnen gewählt werden. (a) Kundgabe der Freude Bremen (deutsche Anmoderation 01) 27 Mod: und ehm zweitausendFÜNf, 28 ein ehm BANd, 29 der heißt war visions bildkommunikation und KRIEg. 30 und heute will sie SPREchen über pressefotografie aus wissenschaftlicher perspektive; 31 und wir FREUen uns auf den vortrag. 32 Zuh: ((Applaus und Klopfen an den Tisch)) 33 Ref: JA ↓ 34 ehm erst einmal GANZ herzlichen dank an herrn rauch- und die organisatoren für die einladung. In den Z. 27, 28 und 29 gibt der Moderator den Titel eines Bandes „ war visions bildkommunikation und KRIEg “ bekannt, der von der Referentin 182 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="183"?> verfasst wurde. Mit dem Temporaladverb „ heute “ in Z. 30 werden ein Fokuswechsel (Kallmeyer 1978) und ein Aktivitätenwechsel realisiert: Der Moderator lenkt die Aufmerksamkeit der ZuhörerInnen von der Vorstellung der Referentin ab und richtet sie auf den folgenden Vortrag: „ und heute will sie SPREchen über pressefotographie “ . Der Fokuswechsel markiert einerseits, dass die Vorstellung der Referentin beendet wird und sich die Anmoderation dem Ende nähert. Andererseits leitet der Moderator mit dem Fokuswechsel die Rederechtsübergabe ein. Diese fängt mit der Verkündung des Vortragstitels an ( „ über pressefotografie aus wissenschaftlicher perspektive “ ). Der deutsche Moderator baut ebenfalls eine Wir-Gruppe auf, zu der er und die ZuhörerInnen gehören: „ und wir FREUen uns auf den vortrag “ (Z. 31). Somit werden der Moderator und die ZuhörerInnen als das Publikum des Vortrags positioniert. Die Äußerung „ und wir FREUen uns auf den vortrag “ ist mehrfachadressiert und hat unterschiedliche adressatenspezifische Bedeutungspotentiale inne. Die Mehrfachadressierung bezeichnet [die] grundsätzliche Ambiguität von Äußerungen [. . .] daß bei mehr als einem Rezipienten eine Äußerung von jedem als andere Handlung interpretiert wird. Wenn diese potentielle Mehrdeutigkeit von einem Sprecher gezielt ausgenutzt wird, um mit derselben Äußerung unterschiedliche Handlungen gegenüber unterschiedlichen Adressaten zu realisieren, spricht man von Mehrfachadressierung. (Hartung 2001: 1352) Die Äußerung in Z. 31 ist sowohl an die Referentin als auch die Zuhörer- Innen adressiert: Mit dieser Äußerung signalisiert der Moderator der Referentin, dass sie mit ihrem Vortrag beginnen kann. Zudem fungiert diese Äußerung als eine „ sequenzinitiierende Äußerung “ (Bergmann 1988/ III: 14), die den Applaus und das akademische Klopfen der Zuhörer- Innen hervorruft. Das akademische Klopfen stellt einen typischen Bestandteil der deutschen Wissenschaftskultur dar und ist eine Variationsform des Beifalls, mit der sich die ZuhörerInnen am Ende der Vorlesungen und Vorträge bei Vortragenden bedanken. Das akademische Klopfen im Ausschnitt „ Bremen “ tritt gemeinsam mit dem Applaus zum Abschluss der Anmoderation und vor dem Beginn des Vortrags auf. Das Willkommen-Heißen der Referentin (Applaus / akademisches Klopfen) markiert die Anmoderation als abgeschlossen. Da in der Anmoderation die ZuhörerInnen über die Errungenschaft der Referentin informiert wurden, sind der Applaus bzw. das akademische Klopfen auch als Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen der Referentin zu interpretieren. Neben der Routineformel wir freuen uns auf den Vortrag (5 Fälle) wird bei der Rederechtsübergabe auch der auf die persönliche Einstellung des 8.5 Die Rederechtsübergabe in den deutschen Anmoderationen 183 <?page no="184"?> Moderators bezogene Ausdruck ich freue mich auf den Vortrag (3 Fälle) verwendet: Aus der Schweiz (deutsche Anmoderation 20) 42 Mod: ehm und mittlerweise (.) ist dieses buch aber inSOfern veraltet, 43 als es schon ein NEUes forschungsprojekt gab, 44 NÄMlich; 45 ehm 46 das heißt bilder leicht verSCHObEN- 47 mit einer entsprechenden publikaTION, 48 die jetzt GANZ neu erschienen ist. 49 und ehm daRAUS werden uns- 50 ehm 51 herr stein müller und herr thomas lindemann jetzt eh teile VORstellen. 52 ich FREUe mich auf den vortrag. Im Gegensatz zum Ausschnitt „ Bremen “ findet in der Anmoderation im Ausschnitt „ Aus der Schweiz “ kein Aktivitätenwechsel von der Vorstellung der Referenten zur Beendigung der Anmoderation bzw. zur Rederechtsübergabe statt, da das Verkünden des Vortragsthemas mit der Angabe über die Publikationen beider Referenten verwoben ist: „ daRAUS werden uns herr stein müller und herr thomas lindemann jetzt eh teile VORstellen “ (Z. 49 und 51). In Z. 52 bringt der Moderator seine persönliche Freude zum Ausdruck ( „ ich FREUe mich auf den vortrag “ ) und übergibt zugleich das Rederecht an die Referenten. (b) Explizite Rederechtszuweisung Die Rederechtsübergabe kann mittels Routineformeln der expliziten Rederechtszuweisung vollzogen werden. Zu diesen gehören ich bitte um das Wort (1 Fall), ich übergebe das Wort (3 Fälle) und ich erteile jemandem das Wort (1 Fall). Linguistik Turn (deutsche Anmoderation 06) 24 Mod: und auch in den meTHOden gesehen wurde; 25 da überLAgern sich eh zwei andere positionierungen. 26 °h ehm 27 (1.5) 28 herr bohnsack wird ALSO in seinem ehm (.) VORtrag, 29 ehm eine reaktiVIErung der bildwissenschaften- 30 in bezug auf ikonologie und iKOnik ehm versuchen, 31 in bezug geRAde auf wissenssoziologie. 32 und das finde ich einen SPANnenden ansatz. 33 ich BITte um das wort. 184 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="185"?> 34 Zuh: ((Beifall)) 35 Red: JA! 36 ich möchte mich erstmal HERZlich bedanken für die einladung, Es geht in Z. 24 und 25 darum, dass der Moderator über Forschungsmethoden des Referenten berichtet. Der Aktivitätenwechsel von der Vorstellung des Referenten zur Beendigung der Anmoderation und Rederechtsübergabe wird durch das Einatmen, die Partikel „ ehm “ in Z. 26 und die Pause in Z. 27 realisiert. In Z. 28 bis 31 verkündet der Moderator das Vortragsthema und bringt auch seine Bewertung dazu zum Ausdruck „ und das finde ich einen SPANnenden ansatz “ (Z. 32). Die Äußerung „ ich BITte um das wort “ in Z. 33 ruft den Applaus der ZuhörerInnen hervor (Z. 34) und signalisiert dem Referenten zugleich explizit, dass er nun an der Reihe ist, das Rederecht zu übernehmen und seinen Vortrag zu beginnen. (c) Direkte Adressierung der ReferentInnen Wie in Kap. 5.2.3 analysiert, werden ReferentInnen in der Vorstellungssequenz lateral adressiert. In fünf deutschen Anmoderationen ist zu beobachten, dass die ReferentInnen in der Rederechtsübergabe direkt angesprochen werden. Älteres Fossil (deutsche Anmoderation 03) 93 Mod: ºh für diejenigen die regelmäßige LEser der ef a ZET sind- 94 er ist also seit JAHRen auch freier autor für das feuilleton der ef a zet. 95 ºh JA! 96 FREUen wir uns auf seinen beitrag zum thema- 97 PENcil of nature pencil of culture, 98 eine kriTIK der fotografiekritik. 99 (0.5) 100 <<p> herr geimer sie HAben das wort> 101 Zuh: ((Zuhörer klopfen auf den Tisch und klatschen Beifall)) ((unverständlich ca. 20 Sek)) 102 Ref: ººh JA 103 HERZlichen dank herr kaufraud für die nette einführung und für die einladung. In Z. 94 wird der Referent mit „ er “ lateral adressiert. Die Beendigung der Vorstellung des Referenten wird durch ein Einatmen „ ºh “ und das Gliederungssignal „ JA! “ in Z. 95 markiert. Mit der Äußerung „ FREUen wir uns auf seinen beitrag zum thema “ in Z. 96 leitet der Moderator das Vortragsthema des Referenten ein: „ PENcil of nature pencil of culture eine kriTIK der fotografiekritik “ (Z. 97 und 98). Die Äußerung nach der Pause (Z. 99) ist 8.5 Die Rederechtsübergabe in den deutschen Anmoderationen 185 <?page no="186"?> so „ recipient designed “ (Sacks et al. 1974: 727), dass sie gezielt an den Referenten gerichtet ist. Der Moderator spricht den Referenten, anders als in Z. 94, mit der nominalen Anredeform ( „ herr geimer “ ) und pronominalen Anredeform ( „ sie “ ) direkt an: „ <<p> herr geimer sie HAben das wort> “ (Z. 100). Die Äußerung in Z. 100 fällt neben dem Wechsel des Adressierungsverfahrens zudem durch eine niedrige Lautstärke auf. Die Pause in Z. 99, die direkte Anrede und die prosodische Markierung signalisieren, dass die Äußerung „ <<p> herr geimer sie HABen das wort> “ des Moderators an den Referenten gerichtet ist, und dass das Rederecht an den an den Referenten übergeben wird. Die Analysen verdeutlichen, dass die Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation rituell ablaufen. Ihre Ritualität ist an der eingeschränkten Entscheidungsmöglichkeit der Handelnden und der festgelegten Reihenfolge der Aktivitäten zu erkennen. Die Rederechtsübergabe fängt in der Regel mit einer projektiven sprachlichen Aktivität an (Verkünden des Vortragstitels) und endet mit nonverbalen Handlungen der ZuhörerInnen (der Applaus und das gelegentlich stattfindende akademische Klopfen). Die Ritualität der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation ist ferner an der Rollenverteilung „ wer wann was zu tun hat “ (Werlen 1984: 86) ersichtlich. So führen die ZuhörerInnen die nonverbalen Handlungen des Applauses und des akademischen Klopfens stets nach dem Abschluss der Rede der ModeratorInnen aus. Die ReferentInnen ergreifen im Anschluss an diese nonverbalen Handlungen das Wort und vollenden den Sprecherwechsel. Die Ritualität der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation schlägt sich zudem in Routineformeln nieder, die die ModeratorInnen gebrauchen. Mit der Rederechtsübergabe geht die Respektzuweisung einher. So klatschen die ZuhörerInnen Beifall bzw. klopfen sie auf den Tisch, was als Zeichen des Willkommen-Heißens der ReferentInnen und ihrer Vorträge fungiert. Die Respektzuweisung geschieht ferner durch die höfliche personale Referenz: Die Namen der ReferentInnen treten stets in Kombination mit deren Titeln auf, und die direkte Adressierung der ReferentInnen geschieht durch das Siezen. Die Respektzuweisung gegenüber den ReferentInnen kommt zudem durch die Kundgabe der Freude zum Ausdruck. Die eingeschränkte Entscheidungsmöglichkeit, die verfestigte Rollenverteilung, der Gebrauch der Routineformeln, die festgelegte Reihenfolge der verbalen und nonverbalen Handlungen und die Respektzuweisung geben der Rederechtsübergabe und der Beendigung der Anmoderation einen rituellen Charakter. 186 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="187"?> 8.6 Das ritualisierte „ joint project “ der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation Sowohl die chinesischen als auch die deutschen Anmoderationen enden nicht abrupt, sondern werden von ModeratorInnen und ZuhörerInnen gemeinsam Schritt für Schritt zum Abschluss gebracht. Dabei lassen sich in der Regel Beendigungsinitiativen und Beendigungssequenzen erkennen, die in Kombination dem „ movement out of closing “ (Button 1987) der Anmoderation dienen. Bei den Beendigungsinitiativen findet ein Aktivitätenwechsel von der Vorstellung der ReferentInnen zur Rederechtsübergabe sowie zur Beendigung der Anmoderation statt. Die Beendigung der Anmoderation und die Organisation der Rederechtsübergabe in den chinesischen und den deutschen Anmoderationen weisen folgende Gemeinsamkeiten auf: i) Aktivitätenwechsel zur Rederechtsübergabe Der Aktivitätenwechsel von der Vorstellung der ReferentInnen zur Rederechtsübergabe bzw. zur Beendigung der Anmoderation wird mit Kontextualisierungshinweisen realisiert. Zu den Kontextualisierungshinweisen in den chinesischen Anmoderationen gehören Adverbien wie „ xiamian “ (als Nächstes) und „ xianzai “ (jetzt), der Diskursmarker „ zhei ge “ und Pause. Zu den Kontextualisierungshinweisen in den deutschen Anmoderationen gehören u. a. die Gliederungspartikel ja, Zögerungspartikel ehm und Pausen. Die Kookkurrenz dieser Kontextualisierungshinweise macht in Verbindung mit deren sequenziellen Platzierungen (stets nach der Vorstellungsaktivität) erkennbar, dass die Vorstellungsaktivität beendet wird und die Anmoderation im Begriff ist zu enden. In diesem Zusammenhang haben die Kontextualisierungshinweise eine rückwie auch vorverweisende sequenzstrukturierende Funktion, und fungieren als Vorbeendigung der Anmoderation und initiieren deren Beendigungssequenzen. ii) Die Beendigung der Anmoderation als die übergaberelevante Stelle Die Beendigung der Anmoderation stellt die übergaberelevante Stelle dar. Sowohl in den chinesischen als auch in den deutschen Anmoderationen fängt die Rederechtsübergabe mit sprachlichen Aktivitäten an, die eine projektive Eigenschaft innehaben. Auf der chinesischen Seite ist es die Bitte um einen Vortrag, und auf der deutschen Seite ist es das Verkünden des Vortragstitels. Die Rederechtsübergabe schließt mit nonverbalen Handlungen der ZuhörerInnen, die eine Scharnierfunktion übernehmen: Sie markieren einerseits die Anmoderation als abgeschlossen und machen andererseits den nachfolgenden Vortrag erwartbar. 8.6 Das ritualisierte „ joint project “ der Rederechtsübergabe 187 <?page no="188"?> iii) Gebrauch der „ current speaker selects next technique “ Die personale Referenz auf die Vortragenden mittels der Kombination von Namen und Titeln sowie der direkten Adressierung legt nahe, dass die ModeratorInnen bei der Rederechtszuweisung die „ current speaker selects next technique “ (Sacks/ Schegloff/ Jefferson 1974) einsetzen. iv) Rituelle Sequenzmuster Die Rederechtsübergabe und die Beendigung der Anmoderation haben rituelle Eigenschaften: a) Die verbalen und nonverbalen Handlungen sind insofern konventionalisiert und institutionalisiert, als sie sich auf die Beendigung der Anmoderation und die Projektion des Vortrags beziehen. b) Die Ehrerbietung und Respektszuweisung gegenüber den ReferentInnen geschehen in den chinesischen Anmoderationen durch die direkte Bitte, die höfliche personale Referenz auf die Vortragenden und den Applaus. In den deutschen Anmoderationen wird dies durch die Kundgabe der Freude, das Siezen der Vortragenden, die höfliche personale Referenz auf die Vortragenden und den Applaus markiert. Aus den o. g. Beobachtungen ist zu folgern, dass die Rederechtsübergabe in den chinesischen und deutschen Anmoderationen, um mit Sacks/ Jefferson/ Schegloff (1974: 696) zu sprechen, „ locally managed, partyadministered, interactionally controlled, and sensitive to recipient design “ ist. Die Konferenzbeteiligten verfügen über Gattungswissen um den Konferenzvortrag, das steuert, wer mit welchem Teilnehmerstatus wann was zu tun hat. Dieses Gattungswissen koordiniert die Handlungsabfolge der Interagierenden: Nachdem die Anmoderation beendet ist, ergreifen die ReferentInnen nicht sofort das Rederecht, sondern beginnen erst nach den nonverbalen Handlungen der ZuhörerInnen ihre Vorträge. Ein auffälliger Unterschied zwischen den chinesischen und deutschen Anmoderationen liegt darin, dass die deutschen ModeratorInnen durch eine Mehrfachadressierung die ZuhörerInnen animieren, ReferentInnen willkommen zu heißen, während die chinesischen ModeratorInnen die ZuhörerInnen direkt dazu auffordern. Das akademische Klopfen tritt ausschließlich in den deutschen Anmoderationen auf. Eine direkte Adressierung der ReferentInnen in der Rederechtsübergabe findet sich ausschließlich in den Daten der deutschen Anmoderationen. 188 8. Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation <?page no="189"?> 9. Fazit Ziel der vorliegenden Arbeit war es, das kommunikative Muster der Anmoderationen wissenschaftlicher Konferenzvorträge sowie seine sprachlich-kommunikativen Realisierungsformen im Chinesischen und im Deutschen zu bestimmen und vergleichend zu analysieren. Diese Zielsetzung gründet einerseits in dem bislang weitgehenden Fehlen kontrastiver Studien über mündliche Gattungen bzw. Muster in beiden Sprachen, und andererseits in dem bisherigen Untersuchungsdefizit im Bereich der „ language of conferencing “ (Ventola et al. 2002 a,b) bzw. der mündlichen Wissenschaftskommunikation. In den vorangehenden empirischen Analysen wurde u. a. der Frage der Sprach- und Kulturspezifik der chinesischen und der deutschen Anmoderationen nachgegangen. Dabei wurden die Anmoderationen beider Sprachen nicht nur auf textinterne Merkmale (personale Referenzformen, lexiko-semantische Elemente, syntaktische Konstruktionen, Routineformeln etc.) hin verglichen. Interaktive Komponenten (Teilnehmerkonstellation, „ face-work “ -Technik, sequentielle Organisation der Rederechtsübergabe und Beendigung der Anmoderation) und soziokulturelle Faktoren (Hochschulsysteme und soziohistorische Konventionen der Wissenschaftskultur) wurden ebenfalls kontrastiv untersucht. Im Folgenden werden zunächst zentrale Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und im Anschluss daran wird ein Ausblick über weitere Möglichkeiten kontrastiver Studien zu chinesischer und deutscher Wissenschaftskommunikation gegeben. i) Die Anmoderation des Konferenzvortrags: ein kommunikatives Muster mit „ kultureller Signifikanz “ Sowohl im chinesischen als auch im deutschen „ kommunikativen Haushalt “ (Luckmann 1986: 206) sedimentiert sich die Anmoderation des Konferenzvortrags zu einem kommunikativen Muster. Die Anmoderation hat einen verfestigten strukturellen Aufbau und Sequenzablauf, ist jedoch im Vergleich zum Vortrag weniger komplex. Die Anmoderation kann nicht allein für sich stehen, sondern hat die Eigenschaft der „ non-terminality “ (Schegloff 1968: 1081): Die Anmoderation existiert stets in Abhängigkeit von einem nachfolgenden Vortrag, projiziert die Eröffnung des Vortrags und schafft interaktive Voraussetzungen für die Vortragseröffnung. Die situationsherstellende Funktion der Vortragseröffnung ist sprach- und kulturübergreifender Natur. Bei den Merkmalen auf der interaktiven Realisierungsebene der Anmoderationen der beiden Sprachen gibt es <?page no="190"?> ebenfalls keinen Unterschied: Die Anmoderation weist eine Teilnehmerkonstellation mit drei Parteien (ModeratorIn, ReferentIn und ZuhörerInnen) auf, in deren Rahmen der Kontakt der Konferenzbeteiligten aufgebaut, die ReferentInnen identifiziert, deren persönliche und soziale Identität konstituiert werden. Sowohl die chinesischen als auch die deutschen ModeratorInnen setzen beim Vorstellen der ReferentInnen die „ facework “ -Technik ein. Die Rederechtsübergabe und die Beendigung der Anmoderation geschehen durch eine Koordination zwischen ModeratorInnen und ZuhörerInnen. Ferner zeigen die chinesischen und die deutschen Anmoderationen in Bezug auf die binnenstrukturellen Merkmale des strukturellen Aufbaus und der kommunikativen Aufgaben der ModeratorInnen keine sprach- und kulturspezifischen Unterschiede. Sowohl die chinesischen als auch die deutschen ModeratorInnen haben im Rahmen der Anmoderation gleiche kommunikative Aufgaben zu bewältigen. Diese sind das Vorstellen der ReferentInnen, das Verkünden des Vortragstitels und die Rederechtsübergabe und die Beendigung der Anmoderation. Akademische Statusbezeichnungen und fachbezogene Termini, die bei der Angabe zu Status, Interessensgebieten, Publikationen, wissenschaftlichen Laufbahnen und Vortragstiteln der ReferentInnen verwendet werden, stellen den Bezug der ReferentInnen zu deren scientific communities her und kontexualisieren die Anmoderationen einschließlich der sozialen Veranstaltung der Konferenz als wissenschaftlich. Neben den Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten weisen die Anmoderationen in beiden Sprachen dennoch eine „ kulturelle Signifikanz “ (Linke 2011) und kulturspezifische Ausprägungen auf. Diese beziehen sich auf Merkmale auf der binnenstrukturellen und der außenstrukturellen Ebene, durch die die „ Sprachlichkeit der Kultur “ und die „ Kulturalität der Sprache “ (Linke 2011: 24) der Anmoderationen zum Ausdruck kommen. Da die chinesischen und die deutschen Anmoderationen neben den parallelen Merkmalen auch sprach- und kulturspezifische Ausprägungen haben, ist das kommunikative Muster der Anmoderationen in beiden Sprachen nur scheinbar gleich. Im Folgenden werden die Unterschiede der Merkmale auf der binnenstrukturellen und der außenstrukturellen Ebene zusammengefasst: a) Merkmale auf der Ebene der Binnenstruktur Im Gegensatz zum Namenmitteilungsakt in den deutschen Anmoderationen steht im Namenmitteilungsakt in den chinesischen Anmoderationen Familiennamen vor Vornamen. Die Ausdrücke boshisheng daoshi (Doktorandenbetreuer), Lehrstuhl sowie Professur sind spezifische Statusbezeichnungen in der chinesischen und der deutschen Wissenschaftskultur. Die 190 9. Fazit <?page no="191"?> Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn der ReferentInnen macht einen festen Bestandteil der deutschen Anmoderationen aus. Im Vergleich mit den deutschen ModeratorInnen stehen den chinesischen ModeratorInnen mehrere nominale Ausdrücke (baogaoren, yanjiang zhe, baogao de und yanjiang de) zur Verfügung, um auf die Vortragenden zu referieren. Die Formen der Referenz auf die Vortragenden im Deutschen sind dagegen durch geschlechtsmarkierende Morpheme (Referent und Referentin) einerseits und durch den Numerus markierenden jedoch geschlechtsneutralen Ausdruck (Vortragende) andererseits gekennzeichnet. Die Ausdrücke laoshi (LehrerInnen) und tongxue (KommilitonInnen) sind standardisierte Gruppenanredeformen der Beteiligten in den chinesischen Anmoderationen, während meine Damen und Herren als unmarkierte nominale Anredeform der Beteiligten in den deutschen Anmoderationen fungiert. b) Merkmale auf der Außenstruktur Merkmale auf der Außenstruktur der Anmoderationen betreffen vor allem das Hochschulsystem und die Wissenschaftskultur. Die Entscheidung, welche sozialen Informationen über die ReferentInnen angegeben und positiv bewertet werden, orientiert sich nach dem Geschmack der jeweiligen Wissenschaftskultur. Die deutschen Anmoderationen sind durch die Angabe zum „ reinen wissenschaftlichen Kapital “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) der ReferentInnen gekennzeichnet. Dagegen wird in den chinesischen Anmoderationen die „ institutionelle und institutionalisierte Macht “ (Bourdieu 1997/ 1998: 31) der ReferentInnen hervorgehoben. Die Entstehung des Ausdrucks boshisheng daoshi (Doktorandenbetreuer) hängt mit dem System der Promotionsberechtigung der chinesischen Universitäten zusammen. Die Ausdrücke Lehrstuhl und Professur zeigen die Systeme der Professorenstelle an den deutschen Universitäten auf. Die Grundlinien der Berufsstruktur der deutschen HochschullehrerInnen und ProfessorInnen (Studium, Promotion, Habilitation bzw. Postdoc-Studium, Anstellungen bei mehreren wissenschaftlichen Einrichtungen und Berufung auf einen Lehrstuhl und eine Professur) kommen in der Rekonstruktion der wissenschaftlichen Laufbahn der ReferentInnen zum Ausdruck, die in den chinesischen Anmoderationen nicht vorkommt. ii) Ausblick In den bisherigen kontrastiven Studien des Chinesischen mit dem Deutschen ist die authentische mündliche Wissenschaftskommunikation spärlich behandelt. Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein erster Schritt in diese Richtung. Die Untersuchung beschränkte sich allerdings auf die 9. Fazit 191 <?page no="192"?> Wissenschaftskultur in den Fächern der Linguistik und Soziologie, so dass bisher nur ein Teil der anvisierten Fragestellung bearbeitet werden konnte. Folglich sind in weiteren Studien mit umfassendem Material sowohl die sprach- und kulturspezifischen als auch die fachspezifischen Merkmale der Anmoderationen von Konferenzvorträgen näher zu untersuchen. Was die kulturellen Unterschiede zwischen den analysierten Anmoderationen betrifft, sei darauf hingewiesen, dass die chinesischen Daten auf dem Festland der Volksrepublik China aufgenommen wurden. In weiteren Studien kann analysiert werden, wie die Anmoderationen in Taiwan, Hong Kong und Macau ablaufen und sich gegebenenfalls von denen auf dem Festland und im Westen unterscheiden. Zudem empfiehlt es sich zu untersuchen, ob sich die Realisierungsformen der Anmoderationen mit der Internationalisierung und Modernisierung des Hochschulwesens und nicht zuletzt mit der Intensivierung des internationalen Wissenschaftleraustausches ändern werden. Ferner können schriftliche (Call for papers, Abstracts der Vorträge, Handouts, Tagungsprogramme etc.) und mündliche Interaktionen (Vorträge, Diskussionsrunde, Kaffeepause bzw. 茶歇 chaxie/ Teepause) in Wissenschaftskonferenzen ebenfalls kontrastiv untersucht werden. Anhand größerer Korpora von multimodalen Daten könnten verschiedene Formen der Anmoderationen genauer bestimmt und näher untersucht werden: Läuft das Vorstellen von zweit ReferentInnen anders als das Vorstellen von einer ReferentIn ab? Inwiefern üben die sozialen Beziehungen der Interagierenden Einfluss auf die Ausführung der Anmoderation (Formen der Anrede und Referenz, ernsthafte vs. spaßhaftspielerische Interaktionsmodalität, Evaluation der Publikationen der ReferentInnen etc.)? Wie wird die situationseröffnende Funktion der Anmoderation auch mit dem Einsatz von nonverbalen Ressourcen konstituiert? Bei der Analyse der Anmoderationen wurde ein weiteres Untersuchungsdefizit festgestellt, das die vorliegende Arbeit erschwerte: Bislang existieren nur wenige vergleichende Studien zur gesprochenen Sprache im Chinesischen und im Deutschen. Meines Erachtens erscheint es deshalb wünschenswert, dass sich weitere kontrastive Untersuchungen mit Eigenschaften und Merkmalen der gesprochenen Sprache befassen. 192 9. Fazit <?page no="193"?> 10. Literatur Abels, Heinz (2010 a): Interaktion, Identität, Präsentation. Wiesbaden. Abels, Heinz (2010 b): Identität. Wiesbaden. 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Su adquisición en niños monolingües, bilingües y trilingües 2013, 463 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6752-9 Band 537 Daniela Marzo Polysemie als Verfahren lexikalischer Motivation Theorie und Empirie am Beispiel von Metonymie und Metapher im Französischen und Italienischen 2012, 279 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6755-0 Band 538 Athina Sioupi Aspektdistinktionen im Vergleich Deutsch/ Englisch - Griechisch 2014, 247 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6757-4 Band 539 Ulrike Schröder Kommunikationstheoretische Fragestellungen in der kognitiven Metaphernforschung Eine Betrachtung von ihren Anfängen bis zur Gegenwart 2012, 363 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6777-2 Band 540 Tilmann Schröder Marketingstrategien auf Unternehmenswebsites im internationalen Vergleich Eine hypertextlinguistische und kulturkontrastive Analyse kommerzieller Websites aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den USA 2012, XIV, 397 Seiten €[D] 74,00 ISBN 978-3-8233-6788-8 <?page no="222"?> Band 541 Maria Stopfner Streitkultur im Parlament Linguistische Analyse der Zwischenrufe im österreichischen Nationalrat 2013, 332 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6791-8 Band 542 Carlotta Viti Variation und Wandel in der Syntax der alten indogermanischen Sprachen 2015, 530 Seiten €[D] 89,00 ISBN 978-3-8233-6796-3 Band 543 Sascha Bechmann Bedeutungswandel deutscher Verben Eine gebrauchstheoretische Untersuchung 2013, 400 Seiten €[D] 64,00 ISBN 978-3-8233-6797-0 Band 544 Silvana Rizzi Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern 2013, 253 Seiten €[D] 49,00 ISBN 978-3-8233-6802-1 Band 545 Christian Timm Französisch in Luxemburg 2014, 313 Seiten gb. €[D] 48,00 ISBN 978-3-8233-6845-8 Band 546 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Romanische Kleinsprachen heute 2015, 380 Seiten €[D] 88,00 ISBN 978-3-8233-6881-6 Band 547 Jan Henrik Holst Advances in Burushaski Linguistics 2014, 180 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-8233-6908-0 Band 548 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Zur Lexikographie der romanischen Sprachen Romanistisches Kolloquium XXVIII 2014, X, 266 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6912-7 Band 549 Christian Discher Sprachkontakt, Migration und Variation Die frankophone Integration von Rumänen in Paris nach 1989 2015, 272 Seiten €[D] 58,00 ISBN 978-3-8233-6915-8 Band 550 Cornelia Lorenz Zugezogene im Fokus Sprachkontakterscheinungen im Regiolekt 2014, 277 Seiten €[D] 78,00 ISBN 978-3-8233-6918-9 Band 551 Qiang Zhu Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge Ein Vergleich des Chinesischen mit dem Deutschen 2015, 220 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-8233-6973-8 Band 552 Birgit Umbreit Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation Motiviertheit und Gerichtetheit von französischen und italienischen Wortpaaren auf der Basis von Sprecherbefragungen 2015, 330 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6971-4 <?page no="223"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (07071) 9797-0 \ Fax +49 (07071) 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de Stand: September 2015 · Änderungen und Irrtümer vorbehalten! JETZT BESTELLEN! Diese Einführung in die japanische Sprache und Sprachwissenschaft verbindet schulgrammatisches Wissen und neue Beschreibungsmodelle in anschaulicher und verständlicher Weise - vom Laut als der kleinsten sprachlichen Einheit bis hin zur situativen Verwendung wie der Höflichkeit. Insbesondere Studierende der Japanologie können sich damit die grundlegenden Kenntnisse und Kompetenzen in der schriftlichen und der mündlichen Kommunikation aneignen, die sie für Studium und künftigen Beruf brauchen. Aufgrund der Themen, des Umfangs und der anschaulichen Erklärungen eignet sich die Einführung bestens für den Unterricht in einem Semester. Lernende und Lehrende des Japanischen bekommen wichtige Impulse für das Selbststudium und den Unterricht. Aber auch japanologische Laien können ihre Kenntnisse über die Sprache und Schrift erweitern. Martina Ebi / Viktoria Eschbach-Szabo Japanische Sprachwissenschaft Eine Einführung für Japanologen und Linguisten narr STUDIENBÜCHER Gunter Narr Verlag 2015, 224 Seiten €[D] 26,99 ISBN 978-3-8233-6884-7 <?page no="224"?> Sylvia Bendel Larcher Linguistische Diskursanalyse Ein Lehr- und Arbeitsbuch narr STUDIENBÜCHER 2015, 256 Seiten € [D] 22,99 ISBN 978-3-8233-6868-7 Dieses Lehr- und Arbeitsbuch bietet fortgeschrittenen Studierenden eine umfassende Einführung in die linguistische Diskursanalyse. Nach einer kurz gehaltenen Übersicht über die wichtigsten Zweige der Diskursforschung erhalten die Lesenden eine methodische Anleitung zur Durchführung eigener Diskursanalysen, wie sie in dieser Ausführlichkeit im deutschen Sprachraum bisher nicht vorliegt. Neben der Analyse schriftlicher Texte wird auch eine Einführung in die diskursanalytische Analyse von Gesprächen und Bildern gegeben. Der Aufbau der Methodenkapitel folgt der Forschungslogik: von der Korpusbildung über die Analyse einzelner Texte zur Identifikation textübergreifender diskursiver Muster und schließlich der Ausweitung der Diskurszur Gesellschaftsanalyse. Zur Veranschaulichung werden Texte aus der Managementliteratur beispielhaft analysiert. Praktische Übungen an Beispieltexten mit Lösungsvorschlägen sowie kommentierte Literaturhinweise runden den Band ab. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (07071) 9797-0 \ Fax +49 (07071) 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de Stand: September 2015 · Änderungen und Irrtümer vorbehalten! JETZT BESTELLEN! <?page no="225"?> www.narr.de Das Buch analysiert aus einer sprach- und kulturvergleichenden Perspektive Anmoderationen wissenschaftlicher Tagungsvorträge im Chinesischen und Deutschen. Als Datenkorpus dienen Audioaufnahmen von insgesamt 58 wissenschaftlichen Konferenzvorträgen und deren Anmoderationen. In der kontrastiven Analyse wird auf das sprachlich-kommunikative Verfahren der chinesischen und deutschen Anmoderationen eingegangen. Die Zielsetzung dieses Buches gründet einerseits in dem bislang weitgehenden Fehlen kontrastiver Studien über mündliche Gattungen bzw. Muster in beiden Sprachen, und andererseits in dem bisherigen Untersuchungsdefizit im Bereich der “language of conferencing” bzw. der mündlichen Wissenschaftskommunikation. Anhand der empirischen Analyse der aufgenommenen Anmoderationen zeigt das Buch, dass sowohl die chinesischen als auch die deutschen AnmoderatorInnen bei der Durchführung der Anmoderationen auf ein kommunikatives Muster zurückgreifen. Die Art und Weise, wie dieses Muster realisiert wird, ist sprach- und kulturspezifisch und unterscheidet sich im Chinesischen und Deutschen.