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Jacob Balde

Epithalamion

1125
2015
978-3-8233-7993-5
978-3-8233-6993-6
Gunter Narr Verlag 
Philipp Weiß

Jacob Balde, den schon die Zeitgenossen als "teutschen Horatius" feierten, ist heute vor allem wegen seines lyrischen und satirischen Werks bekannt. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an seinem Gesamtwerk nehmen aber die Gelegenheitsgedichte ein, die Balde für konkrete öffentliche Anlässe verfasst hat. Dazu gehört auch das Epithalamion für die Hochzeit Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit Maria Anna von Österreich (1635), das in diesem Band erstmals kritisch ediert und mit einer Übersetzung und einem Kommentar erschlossen wird. Balde gibt seiner Wittelsbacherpanegyrik eine anspruchsvolle poetische Form: Der eingehenden Beschreibung des Münchener Hofgartens zu Beginn des Gedichts folgt ein Abriss der jüngeren Geschichte, den die Bayerngöttin Bavaria vor Kaiser Ferdinand in Form einer Werbungs rede vorträgt, bevor das Gedicht in einem bewegten Finale endet, das virtuos mit Versatzstücken aus dem Drama Nabuchodonosor des Tiroler Jesuiten und älteren Zeitgenossen Andreas Brunner spielt.

<?page no="0"?> herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Philipp Weiß Jacob Balde Epithalamion Neo L atina <?page no="1"?> Jacob Balde Epithalamion 094115 Neo Latina 26 - Weiß.qxp_094115 Neo Latina 26 - Weiß Titelei 06.11.15 11: 11 Seite 1 <?page no="2"?> Herausgegeben von Thomas Baier, Wolfgang Kofler, Eckard Lefèvre und Stefan Tilg in Verbindung mit Achim Aurnhammer Neo L atina 26 094115 Neo Latina 26 - Weiß.qxp_094115 Neo Latina 26 - Weiß Titelei 06.11.15 11: 11 Seite 2 <?page no="3"?> Jacob Balde Epithalamion herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Philipp Weiß 094115 Neo Latina 26 - Weiß.qxp_094115 Neo Latina 26 - Weiß Titelei 06.11.15 11: 11 Seite 3 <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Pegasus Limited for the Promotion of Neo-Latin Studies St. Gallen, Schweiz, und die Graduiertenschule Distant Worlds, LMU München. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1615-7133 ISBN 978-3-8233-6993-6 094115 Neo Latina 26 - Weiß.qxp_094115 Neo Latina 26 - Weiß Titelei 06.11.15 11: 11 Seite 4 <?page no="5"?> Inhalt Vorwort ................................................................................................................. 7 1 Einleitung 1.1 Jacob Balde als Panegyriker des bayerischen Kurfürsten ..................... 11 1.2 Maximilians Heirat im historischen Kontext ......................................... 13 1.3 Das Hochzeitsgeschehen nach den Quellen .......................................... 16 1.4 Die Hochzeit als literarisches Ereignis .................................................... 19 1.4.1 Kasualschriften .................................................................................. 19 1.4.2 Andreas Brunners Nabuchodonosor ................................................. 22 1.5 Baldes Epithalamion .................................................................................... 24 1.6 Textgeschichte und Editionsprinzipien .................................................. 28 2 Jacob Balde, Epithalamion 2.1 Text und Übersetzung ............................................................................... 34 2.2 Kommentar ................................................................................................. 88 2.2.1 Titel und Argumentum ...................................................................... 88 2.2.2 Epithalamion ....................................................................................... 90 3 Anhang 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor ................................... 177 3.2 Indices ....................................................................................................... 185 3.3 Verwendete Abkürzungen für Baldes Werke ...................................... 188 3.4 Literaturverzeichnis ................................................................................ 188 <?page no="7"?> Vorwort Die vorliegende Ausgabe von Jacob Baldes Epithalamion entstand in erster Fassung im Winter 2009/ 2010 während eines Studienaufenthalts in Rom und wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Zulassungsarbeit zum Staatsexamen im Fach Latein eingereicht. Prof. (em.) Dr. Wilfried Stroh hat die Arbeit angeregt und mich lange Zeit mit großem Einsatz beraten; ich schulde ihm deshalb an erster Stelle meinen Dank. Wertvolle Hinweise steuerten außerdem die Mitglieder des Münchner Balde-Kolloquiums bei, wo ich mich seit 2006 mit dem Werk Baldes vertraut machen konnte. Namentlich möchte ich aus diesem Kreis Prof. Dr. Claudia Wiener und Dr. Katharina Kagerer nennen. Alexander Winkler, Ulrich Vogel und Ulrich Feckl haben das Manuskript in verschiedenen Stadien seiner Entstehung gegengelesen und einzelne Stellen mit mir diskutiert. Ihnen allen sei nicht allein für ihre fachliche Unterstützung herzlich gedankt. Die Drucklegung wurde ermöglicht durch großzügige Zuschüsse der Graduiertenschule Distant Worlds (LMU München) und der Stiftung Pegasus Ltd. Den Verantwortlichen in diesen beiden Institutionen, Prof. Dr. Martin Hose und Rhoda Schnur, danke ich daher ebenfalls wegen ihrer spontanen und bereitwilligen Unterstützung. Eine besondere Freude ist es mir nicht zuletzt, den Herausgebern der Reihe NeoLatina für ihr Interesse und ihre vielen wertvollen Hinweise zu danken. Ich widme dieses Buch dem Andenken an meinen Großvater Wilhelm Bösl, der am 22. Februar 2013 verstorben ist. München, im Oktober 2015 Philipp Weiß <?page no="9"?> 1 Einleitung <?page no="11"?> 1.1 Jacob Balde als Panegyriker des bayerischen Kurfürsten Dass Jacob Balde (1604 1668) 1 einmal als „teutscher Horatius“ 2 zum bedeutendsten Dichter am Hof des bayerischen Kurfürsten und, in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, zu einem der wortgewaltigsten Streiter für die bayerische Sache werden würde, war dem Sohn eines habsburgischen Beamten im elsässischen Ensisheim bei seiner Geburt nicht in die Wiege gelegt. Balde hatte 1622, als er sich an der Jesuitenuniversität Ingolstadt zum Studium der Artes einschrieb, wohl eine Laufbahn als Jurist vor Augen. Das Fachstudium der Jurisprudenz, im Wintersemester 1623/ 24 aufgenommen, wurde, wie die Legende berichtet, schon im Frühjahr 1624 von einem denkwürdigen Ereignis unterbrochen: Eine missglückte nächtliche Serenade, die bei der umschwärmten Adressatin auf taube Ohren stieß, und der fromme Gesang aus dem nahegelegenen Nonnenkloster haben den verliebten Studiosus angeblich schlagartig seine Berufung zum Ordensleben erkennen lassen: Cantatum satis est, frangito barbiton! 3 Was auch immer an dieser Geschichte Faktum, was Fiktion ist Balde wurde noch im selben Jahr Jesuit. Der Zwanzigjährige fand in der Gesellschaft Jesu, der er am 1. Juli 1624 in Landsberg am Lech beitrat, einen Orden, der ihm die Entfaltung seines dichterischen Talents in außergewöhnlicher Weise ermöglichte. 4 Die ersten erhaltenen Werke, handschriftlich in einem Codex der bayerischen Staatsbibliothek 5 überliefert, sind noch eng an Baldes Tätigkeit als Lehrer am 1 Grundlegend zu Leben und Werk ist noch immer die 1868 zu Baldes 200. Todestag erschienene Biographie des Tölzer Pfarrers Georg Westermayer (1868/ 1998). Dieses Werk wurde von der neueren Forschung in vielen Punkten berichtigt; vgl. das Nachwort von Stroh in Westermayer (1868/ 1998), 3* 14* mit weiterer Literatur. Nach Westermayer hat sich noch Bach (1904) an eine umfangreichere Lebensbeschreibung gewagt, ohne freilich wesentlich Neues beisteuern zu können. Vgl. auch die Ergänzungen zu Westermayer bei Schmidt (1994). 2 So eine bekannte Charakterisierung aus dem Mund Sigmund von Birkens. Baldes Ruhm gründete sich zu Lebzeiten v. a. auf seine 1643 erschienene Sammlung lyrischer Gedichte (Lyrica) in vier Büchern, die sich in die Nachfolge des Horaz stellt; vgl. Schäfer (1976), 109 260. Das etwas einseitige Interesse der Nachwelt an Baldes Lyrik geht wohl auf Johann Gottfried Herders Terpsichore (1795/ 1796) zurück; erst die jüngere Forschung hat das umfangreiche epische, satirische und dramatische Werk wieder verstärkt in den Blick genommen. 3 Zu dem in seiner historischen Authentizität umstrittenen Konversionserlebnis vgl. die Beiträge von Hess (1978), Stroh in Westermayer (1868/ 1998), 7* 11* und Schmidt (1994), 111 115. 4 Balde absolvierte zunächst eine zweijährige Noviziatszeit, bevor er am 2. Juli 1626 in München die einfachen Gelübde ablegte und zum scholasticus approbatus aufrückte. Die niederen Weihen empfing er am 20. Oktober 1626. 5 Vgl. BSB Clm 27271. <?page no="12"?> 1 Einleitung 12 Münchner Jesuitengymnasium gebunden. 6 Besonders die als Regnum Poetarum betitelte Sammlung zeigt Baldes virtuose Fähigkeit, sich die stilistischen Ausdrucksmittel augusteischer und nachklassischer Autoren wie Seneca, Statius, Juvenal und Claudian in zeitgeschichtlichen Dichtungen anzueignen. Entstanden diese Werke im Kontext des Schulunterrichts, so weist Baldes erstes publiziertes Gedicht der 1628 veröffentlichte Panegyricus Equestris für den Augsburger Grafen Ott Heinrich Fugger in ein poetisches Betätigungsfeld, das für den Elsässer Dichter bis ins höhere Alter Bedeutung haben sollte, nämlich die panegyrische Dichtung, die sich in der Regel an konkrete Ereignisse band. Mächtige, von Balde verehrte Gönner wie Tilly oder der Neuburger Pfalzgraf Philipp Wilhelm verlangten nämlich von Zeit zu Zeit nach Dichtungen, um wichtige private oder offizielle Ereignisse zu feiern. Balde kam diesen Ansinnen gerne nach, festigten sie doch ganz im Sinne der Ordensleitung die Beziehungen zu den hochgestellten Persönlichkeiten und boten zudem Gelegenheit, sein Talent weiter bekannt zu machen. Es war dann auch eine panegyrische Gelegenheitsdichtung, die Balde mit seinem bedeutendsten Gönner, dem bayerischen Kurfürsten Maximilian I., zusammenbrachte, nämlich sein anlässlich der Hochzeit des Landesherrn mit der österreichischen Kaisertochter Maria Anna im Jahr 1635 verfasstes Epithalamion. Maximilian lenkte von 1597 bis zu seinem Tod 1651 als Herzog (seit 1623 als Kurfürst) die Geschicke Bayerns. Kulturell bedeutete diese Epoche eine Glanzzeit, die auch von den Turbulenzen des hereinbrechenden Dreißigjährigen Krieges nur zeitweise überschattet wurde. Die kurfürstliche Hochzeit des Jahres 1635 war dabei sicherlich ein besonders herausragendes Ereignis, läutete sie doch eine wenn auch nur kurzzeitige Friedensepoche nach den Gräueln des Schwedenkriegs ein. Balde hatte sich mit früheren Dichtungen wie dem Panegyricus als Lobredner qualifiziert, und so übertrug ihm die Ordensleitung die Aufgabe, die anstehende Hochzeit mit einem Hexametergedicht im Stile Claudians zu feiern. Neben dieser umfangreichen Versdichtung lag 1635 außerdem ein gewaltiges biblisches Drama, Nabuchodonosor, aus der Feder des Jesuiten Andreas Brunner vor, auf das Balde im Schlussteil seiner Dichtung mit zahlreichen Anspielungen Bezug nimmt. An literarischen Festgaben mangelte es also nicht, als Maximilian und seine Braut am 12. August aus Wien kommend München erreichten und von den Repräsentanten der Stadt empfangen 6 Vgl. zuletzt die Teilpublikation Der Dreiundzwanzigjährige unterrichtete im Schuljahr 1626/ 27 die Grammatikklasse (Rudimenta), im nächsten Jahr die Mittelstufe (Humanitas bzw. Poesis) und ab Februar 1628 Rhetorik, letztere vor der üblichen Zeit und gegen die Gepflogenheiten des Ordens ein Beleg für die Wertschätzung, die man dem begabten jungen Lehrer damals schon entgegenbrachte. <?page no="13"?> 1.2 Maximilians Heirat im historischen Kontext 13 wurden. Den Beifall des Kurfürsten muss Balde mit seinem Epithalamion erlangt haben, denn dieser förderte den Dichter seither und holte ihn wenige Jahre später als Historiographen an seinen Münchner Hof. 7 In welch kurzer Zeitspanne Balde sein Werk vollendete, lässt sich aus den wenigen konkreten Daten schließen (s. u. 19): Balde hatte sich seit 1630 in Ingolstadt zum Studium der Theologie aufgehalten und war erst Anfang des Jahres 1634 vor der Pest aus der Universitätsstadt ins halbwegs sichere München bzw. ins nahegelegene Ebersberg über den genauen Aufenthaltsort kann bislang nur gemutmaßt werden geflohen. 8 Brunner war erst im Februar 1635 aus schwedischer Geiselhaft aus Augsburg nach München zurückgekehrt begrüßt übrigens mit einer festlichen Ansprache seines Ordensbruders Balde. Der Tiroler Dichter hatte seinen Nabuchodonosor, der nur in den rahmenden Teilen konkrete Bezüge zur kurfürstlichen Hochzeit herstellt, zu großen Teilen wohl schon in Augsburg geschrieben und konnte das fertige Stück in den Frühsommermonaten im Münchner Gymnasium einstudieren. Baldes Dichtung, die zumindest im letzten Teil direkt von Brunners Stück abhängt, muss demnach in der kurzen Zeit zwischen spätestens Juni, als die Heiratspläne des Kurfürsten publik wurden, und August 1635 verfasst worden sein. 1.2 Maximilians Heirat im historischen Kontext Baldes Epithalamion setzt eine Reihe von Details aus der politischen Vorgeschichte der Ereignisse von 1635 zum Verständnis voraus. Die Ereignisse vom Eintritt des Schwedenkönigs in das europäische Kriegsgeschehen bis zu der vom Prager Frieden markierten Zäsur seien daher hier kurz überblickt. 9 Mit dem Auftritt des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf auf dem europäischen Kriegsschauplatz nahm das Kriegsgeschehen, das bis zu diesem Zeitpunkt die katholische Seite mit Kaiser Ferdinand II. an der Spitze der kaiserlichen und Herzog Maximilian von Bayern, seit 1623 Mitglied des Kurfürstenkollegiums, als oberstem Feldherrn der ligistischen Truppen dominiert hatte, eine entscheidende Wendung. Der „Löwe aus Mitternacht“ war im Juli 1630 auf Usedom gelandet, um seinen Glaubensgenossen gegen die katholische Übermacht zu Hilfe zu kommen und kämpfte in den beiden Jahren bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld von Lützen um die Hegemonie im Reich. 7 Vgl. dazu jetzt Kagerer (2014). 8 Die bislang vorherrschende Ansicht, Balde habe sein Theologiestudium schon 1632 beendet, steht im Widerspruch zur Quellenlage; vgl. Weiß (2015). 9 Für eine eingehendere Behandlung der angesprochenen Themen sei generell auf die Biographie von Albrecht (1998) hingewiesen. <?page no="14"?> 1 Einleitung 14 Nach dem Verlust Magdeburgs, das Tilly im Mai 1631 eingenommen hatte, sah Gustav Adolf die Zeit gekommen, seine Armeen nach Süden zu lenken. Der Kurfürst von Sachsen schloss sich den Schweden an. Tilly wurde in der Schlacht bei Breitenfeld im September 1631 von der protestantischen Streitmacht geschlagen: Die sächsischen Truppen eroberten Prag und Gustav Adolf nahm an Main und Rhein sein Winterquartier. Die Schweden kontrollierten binnen eines Jahres Nord- und Mitteldeutschland. Am 15. April 1632 überschritt Gustav Adolf bei Rain den Lech und öffnete seiner Armee den Weg nach Bayern. Johann von Aldringen und Johann T’Serclaes von Tilly, die Heerführer der katholischen Liga, stellten sich entgegen, wurden aber in der Schlacht schwer verwundet. Maximilian zog sich nach Ingolstadt zurück, wo Tilly am 30. April 1632 an den Folgen seiner Schlachtverletzungen starb. Maximilian wollte sich mit den im Norden stationierten Truppen Wallensteins zusammenschließen, von denen er sich Hilfe versprach, und spielte damit seine Residenzstadt in die Hände der Schweden. Am 17. Mai 1632 zog Gustav Adolf in Begleitung des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz in München ein, bewahrte die Stadt aber gegen Zahlung einer gewaltigen Summe vor der Zerstörung und ließ sich, wie schon erwähnt, 44 Geiseln stellen, unter denen sich Baldes Ordenskollege Andreas Brunner befand. In Wallenstein sah die katholische Seite ihre einzige Hoffnung. Nachdem er den Herzog von Friedland ohne Erfolg belagert hatte, musste Gustav Adolf unverrichteter Dinge von Nürnberg abziehen. Nach der Einnahme von Leipzig unterlag der kaiserliche Oberbefehlshaber allerdings im November 1632 bei Lützen den protestantischen Kontingenten. Doch hatten die Schweden in dieser Schlacht mit dem Tod Gustav Adolfs einen herben Verlust zu verkraften. Einstweilen wurden seine Aufgaben vom Reichskanzler Axel Oxenstierna übernommen. Maximilian hielt sich während des Schwedischen Krieges fern von seiner Residenzstadt auf, zuletzt in Braunau am Inn. Sein Verhältnis zum Kaiser, der immer noch auf seinen Generalissimus Wallenstein setzte, war zeitweilig äußerst gespannt. Eine Änderung der Lage stellte sich erst ein, als Wallenstein damit begann, ohne kaiserlichen Auftrag Privatverhandlungen mit den Protestanten zu führen. Er versuchte, Kursachsen und Schweden zu trennen, konnte sich aber entgegen Oxenstiernas Drängen nicht dazu entschließen, offen gegen Kaiser und Liga zu rebellieren. In Wien verdichteten sich die Gerüchte über einen möglichen Abfall Wallensteins, und so ließ ihn Ferdinand am 25. Februar 1634 in Eger ermorden. Nach Wallensteins Tod wendete sich das Kriegsglück der kaiserlichen Armee: Zwar richtete sich Kursachsen erneut gegen Prag und Schweden gegen Landshut, das auch erobert wurde, doch konnte Kaiser Ferdinand II. im September 1634 bei Nördlingen die Schweden schlagen. Bernhard von <?page no="15"?> 1.2 Maximilians Heirat im historischen Kontext 15 Weimar floh ins Elsass, der protestantische Heilbronner Bund löste sich auf. Bayern war in den Wintermonaten 1634/ 1635 von der schwersten Pestwelle seit Jahrhunderten heimgesucht worden, die auch im Münchner Jesuitenkolleg viele Opfer forderte. Nach einem entbehrungsreichen Winter kamen im Frühjahr die Schwedengeiseln aus ihrer Augsburger Haft nach München zurück - ein Zeichen für die einsetzende politische Entspannung. Jacob Balde hielt, wie bereits erwähnt, eine vielbeachtete Rede zum Empfang der Geiseln. Kaiser Ferdinand II. entschloss sich in dieser für ihn günstigen Lage, ernsthaft nach Möglichkeiten für einen Reichsfrieden zu suchen. Am Beginn dieser Stabilisierungsbemühungen stehen die sog. Pirnaer Noteln, ein Vorfriede mit dem Kurfürsten von Sachsen. Bayern brachte diese Übereinkunft die endgültige Verfügung über die Pfälzer Kur, die Maximilian eigentlich schon 1623 für seine Erfolge im böhmischen Krieg ad personam erhalten hatte. Am 30. Mai 1635 wurde dann der Prager Friede zwischen dem Kaiser und dem sächsischen Kurfürsten unterzeichnet; fast alle Reichsstände traten den Beschlüssen bei. Für Bayern hatte der Vertrag die Auflösung der katholischen Liga zur Folge, und damit verbunden einen schweren Konflikt um die Neuordnung der kaiserlichen Truppen im Reich. Es war das erklärte Ziel Ferdinands, die sächsischen Truppen in die Reichsarmee zu integrieren. Zu diesem Zweck war er bereit, Kurfürst Johann Georg von Sachsen als Generalkommandeur an die Spitze eines größeren Truppenteils zu stellen. Die verbleibenden drei Viertel der Armee standen unter dem Befehl des Königs von Ungarn „und wem es Ihre Ksl. Mt. nechst deroselbigen [Kgl. Würden] von ihrent- und des Hl. Reichs wegen gantz oder zum theil zu dirigiren albereit vertrawet hetten oder noch vertrawen würden, sein und bleiben.“ 10 Mit diesem Zusatz war Maximilian gemeint, der bei der Truppenzuteilung zumindest mit Kursachsen gleichgestellt werden wollte. In der Folge betrieb jedoch der König von Ungarn und spätere Kaiser Ferdinand III. die systematische Entmachtung der Reichsfürsten. Er gestand Maximilian den Oberbefehl nur dann zu, wenn dieser beim Heer persönlich anwesend wäre. Ansonsten wollte er selbst über die Truppen verfügen. Faktisch folgte aus einer solchen Regelung, dass Maximilian seine Befehlsgewalt eingebüßt und die bisherige Stellung verloren hätte. Der Kaiser stand in der Heeresfrage zwischen seinem Sohn und seinem mächtigsten Fürsten. Der Konflikt um die Position Maximilians im Reich wartete in den Sommermonaten 1635 noch auf seine Lösung, als der bayerische Kurfürst in Wien um die Hand seiner Nichte Maria Anna anhalten ließ. 10 Zitiert nach Albrecht (1998), 923. <?page no="16"?> 1 Einleitung 16 1.3 Das Hochzeitsgeschehen nach den Quellen Der Gang der Ereignisse des Jahres 1635 lässt sich anhand der Quellen gut nachverfolgen: Elisabeth Renata von Lothringen, mit Maximilian seit 1595 verheiratet, war am 8. Januar 1635 im Kloster Ranshofen bei Braunau gestorben. Der erhoffte Erbe war bis zuletzt ausgeblieben und eine erneute Heirat stellte für den bayerischen Fürsten eine dynastische Notwendigkeit dar. Der bereits 62 Jahre alte Witwer hatte seine Wahl rasch getroffen. Schon im Mai ließ er in Wien durch seine Diplomaten um die Hand der Kaisertochter Maria Anna anhalten, wie aus den Annales Ferdinandei, einer der wichtigsten zeitgenössischen historiographischen Quellen aus der Feder Franz Christoph von Khevenhillers, zu entnehmen ist: Als die Churfürstin aus Bayern eine gebohrne Hertzogin von Lothringen zeitliches Todes verblichen, und der Churfürst keine Kinder gehabt, als hat er sich resolvirt, wiederum zu der andern Ehe zu greiffen, und derohalben seinen geheimden Rath Grafen von Wolckenstein, und auch geheimden Rath und Vice-Cantzler, D. Richel, nacher Wien geschickt, und um die Ertz- Hertzogin, Maria Anna, Werben lassen. (Khevenhiller [1726], XII Sp. 1775) Die Verbindung des Wittelsbachers mit der Habsburgerin, die zu dieser Zeit gerade einmal 25 Jahre alt war, sorgte nicht allein aufgrund des Altersunterschieds für Aufsehen. Der enge Verwandtschaftsgrad machte im Vorfeld der Hochzeit einen päpstlichen Dispens notwendig: Die Mutter der Braut war eine Schwester Maximilians, Maria Anna also seine Nichte. Balde wird auf dieses Thema in seinem Gedicht dezent anspielen, wenn er in 362 364 Bavaria sagen lässt: Mater | Olim nostra fuit: reddatur Filia nobis. | In fontem redeat sanguis. volet ipse redire. Welche politischen Absichten bei der Brautwahl die Hauptrolle spielten, stellt der Andechser Abt Maurus Friesenegger in seinem Tagebuch heraus: Diese Heirat bewunderte ganz Europa, nachdem bekannt war, dass schon mehrere Jahre das größte Missverständnis zwischen den beiden Höfen obwaltete, wobei die bayerischen Gesandten sehr viel Unbilliges erdulden mussten, und sich in ganz Österreich ... niemand getraute, auf den bayerischen Hof gut zu sprechen. Allein diese Entzweiung wurde durch eben diese Hochzeit ganz beigelegt. (Mathäser [1996], 96) Maximilians Werbung hatte also neben dem dynastischen Aspekt das Ziel, die oben geschilderten Zerwürfnisse zwischen Wien und München wegen <?page no="17"?> 1.3 Das Hochzeitsgeschehen nach den Quellen 17 der sich anbahnenden Entmachtung des bayerischen Kurfürsten abzumildern, auch wenn der Versuch letztlich ohne Erfolg blieb. 11 Während in Wien noch verhandelt wurde, kehrte Maximilian zusammen mit seinem Hofstaat nach dreijähriger Abwesenheit aus Braunau in die Residenzstadt München zurück. Man einigte sich auf die einzelnen Punkte des Ehekontrakts und der Kurfürst brach Anfang Juli nach Wien auf. Die nachfolgenden Ereignisse bis zur Rückkehr nach München, die für das letzte Drittel von Baldes Epithalamion relevant sind, lassen sich anhand der Quellen 12 recht genau rekonstruieren: 7. Juli: Maximilian bricht auf Inn und Donau per Schiff nach Wien auf, in seiner Begleitung sein Bruder Herzog Albrecht, 36 Adelige und ein kleines Komitat von Bediensteten. 14. Juli: Er erreicht Klosterneuburg und wird durch Erzherzog Leopold Wilhelm begrüßt. 15. Juli: Maximilian fährt mit dem Schiff weiter nach Wien und wird vom Kaiser, der ihm ans Donauufer entgegengekommen ist, in Empfang genommen. Hochzeit in der Wiener Augustinerkirche. 17. Juli: Unterzeichnung des Ehekontraktes. 18. Juli: Festliches Frühstück in Schloss Kaiserebersdorf und Wasserjagd in den Donauauen. 24. Juli: Auf diesen Tag ist die Festgabe der Wiener Akademie mit dem Zusatz Cum primum novi coniuges in aula salutarentur (fol. 1r) datiert. 11 Ursprünglich hatte man beabsichtigt, die Streitpunkte bei den Hochzeitsfeierlichkeiten zu klären, allerdings wurde diese Gelegenheit dann doch nicht genutzt (Albrecht [1998], 928). Maximilian forderte aber während seines Aufenthalts in Wien eine offizielle Bestätigung der bayerischen Ansprüche im Reich. Dieter Albrecht wertet diese Forderung als „rigorose<n> Gegenzug gegen alle Bemühungen des Königs von Ungarn, der aus dem Bewusstsein seiner langjährigen Unentbehrlichkeit für die kaiserliche Kriegsführung resultierte.“ (loc. cit.) Und weiter: „Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, verließ er bald darauf Wien und seinen neuen Schwiegervater, ohne dem Prager Frieden beigetreten zu sein und ohne diesen in der Folge in Bayern und als Kreisausschreibender im Bayerischen Reichskreis zu publizieren.“ Die Hochzeitsreise markiert demnach also sogar einen Krisenpunkt in dem ohnehin gespannten Verhältnis zwischen Maximilian und Ferdinand II. ganz im Kontrast zu der harmonisierenden Darstellung Baldes. 12 Vgl. zum Folgenden insbesondere Khevenhiller [1726], XII Sp. 1775 1776, Adlzreiter ~ Vervaux (1663), XX cap. 44 = 359 360 und Stahleder [2005], 486. <?page no="18"?> 1 Einleitung 18 27. Juli bis 12. August: Das Brautpaar reist bis Mauerbach vom Kaiserpaar begleitet über Tulln, St. Pölten, Amstetten, Enns, Linz, Wels und Haag (am Hausruck) ins bayerische Gebiet. Hier übernachtet man in Ried, Ranshofen, Altötting, Kraiburg, Wasserburg und Ebersberg. 12. August: Das Paar erreicht die bayerische Hauptstadt. Man war während Maximilians Abwesenheit in München nicht untätig geblieben. Unter dem Datum vom 13. Juli gibt die Chronik des Münchner Jesuitengymnasiums einen ersten Hinweis auf ein Theaterstück, das zum Empfang des Paares aufgeführt werden sollte: exspectabatur interim reditus Viennâ serenissimi Electoris et novae nuptae Austriacae, quibus parabatur Comoedia (Diarium 13. Jul. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r). Andreas Brunners Schauspiel Nabuchodonosor (Valentin [1978] III.1, 137 = Nr. 1150) wurde am 20. August 1635, gut eine Woche nach der Ankunft des Paares in München 13 , von den Schülern des Jesuitengymnasiums auf die Bühne gebracht - mit dem Beifall des Kurfürsten (s. u.). Proben in der Aula des Kollegs erwähnt das Diarium zum 14. August (Diarium 14. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r). Eine Voraufführung fand dann am 17. August statt, wohl im Innenhof des Kollegs (Diarium 17. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r A prandio vacatum quia probata Comoedia, et exhibita primo in area Collegii). Schließlich der Eintrag zur Aufführung am 20. August: Exhibita Comoedia de Nabuchodonosore, favente coelo, felici eventu, Laudata à serenissimo Electore <.> triclinium et recreatorium hypocaustum festive ornatum et carminibus et tapetibus; labore M. Schirmbert et M. Ott. (Diarium 20. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r) Am nächsten Tag genossen die jungen Darsteller ihre wohlverdiente Ruhe: Tota die vacatum, ut respirarent Actores (Diarium 21. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r). Ein interessantes Detail liefert noch der Jahresbericht des Münchner Kollegs: Eius auspicatissimas cum serenissimâ Maria Anna Austriacâ nuptias maximus regum Nabuchodonosor è theatro celebrauit eo successu, ut raram laudem ab ipso serenissimo sponso mereretur: in cuius gratiam dictum pictúmque & cantatum abundè fuit: Ipsi autem Chaldeo Regi sub hilario res serias Heribertus Hispanus Superbus olim Philosophus in tragicâ scenâ praelusit. (Litterae Annuae 1635; BayHStA Jes. 143) 13 Dieses Ereignis wird im Diarium mit dem Hinweis vermerkt, dass man die Feier der Vesper dennoch nicht versäumen musste (Diarium 12. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r Etsi hoc die dominico circa quartam ingrederetur urbem Vienna redux cum Serenissima coniuge Serenissimus Elector Maximilian, non tamen omissae vesperae). <?page no="19"?> 1.4 Die Hochzeit als literarisches Ereignis 19 Demnach fand Brunners Schauspiel beim Kurfürsten besondere Anerkennung. Bei dem dramatischen „Vorspiel“, das im Bericht erwähnt wird, handelt es sich um die Tragödie Heribertus Juvenis (Valentin [1978] III.1, 136 = Nr. 1148), die bereits am 15. März 1635 gegeben worden war (vgl. den bei Rheinhardstöttner [1889] 111 zitierten Eintrag Diarium 15. März 1635; BSB Clm 1550 fol. 115r]). Die Litterae Annuae erwähnen Baldes Festgabe nicht explizit, doch kann man die Notiz, man habe zur Ehre des Bräutigams vorgetragen, gemalt gedacht ist dabei wohl an die Präsentation von Emblemen und gesungen, als einen Hinweis auf das vorliegende Hochzeitsgedicht lesen. Für die Entstehungszeit von Baldes Gedicht ergeben diese Daten einen relativ engen Rahmen (s. o. 13): Der Auftrag durch die Oberen des Münchner Kollegs zu einem Festgedicht wird bald nach Bekanntwerden der Heiratspläne im Mai bzw. Juni 1635 an Balde ergangen sein. Das Werk so viel lässt die intensive intertextuelle Bezugnahme auf den Nabuchodonosor im letzten Drittel des Epithalamion erkennen entstand wohl in enger Zusammenarbeit mit dem zu dieser Zeit ebenfalls in München lebenden Andreas Brunner und dürfte kurz vor oder nach der Aufführung des Dramas am 20. August vor dem kurfürstlichen Paar rezitiert bzw. diesem überreicht worden sein: Das umfangreiche Gedicht wurde also wohl in weniger als drei Monaten verfasst. 1.4 Die Hochzeit als literarisches Ereignis Baldes literarische Hochzeitsgabe steht im Kontext mit einer ganzen Reihe verwandter Schriften, die den Neuvermählten die Glückwünsche der Verfasser bzw. ihrer Auftraggeber übermitteln sollten. Im folgenden Überblick soll anhand der gedruckten Quellen auch eine Vorstellung von der literarischen Bedeutung einer frühneuzeitlichen Fürstenhochzeit gegeben werden (Kapitel 4.1) und insbesondere der Text, der für das Verständnis von Baldes Dichtung unabdingbar ist, nämlich Andreas Brunners Nabuchodonosor, näher vorgestellt werden (Kapitel 4.2). 1.4.1 Kasualschriften Die großen Feste am Münchner Hof waren immer auch von literarischer Bedeutung - Ehrengaben gebildeter Bürger, gelehrter Institutionen oder geistlicher Gratulanten wurden seitens der Herrschenden erwartet. Die folgenden Schriften erschienen allesamt im Jahr 1635 und beziehen sich direkt auf die Hochzeit Maximilians und Maria Annas: <?page no="20"?> 1 Einleitung 20 (1) Marcus Antonius Mersius (Wien 1635): DANVBIVS | IN DIE NVPTIALI | SERENISSIMORVM | PRINCIPVM | MAXIMILIANI, | DVCIS BAVARIAE, | ET | ANNAE MARIAE, | ARCH- ID: AVSTRIAE, | EPITHALAMIVM | MARCI ANTONII MERSII, | PAT- RICII VERONENSIS, | VIENNAE AVSTRIAE, Typis Michaêlis Rictii, | ad Lubecam, Anno M. DC. XXXV. Das in Wien erschienene Epithalamium besteht aus 63 Hexametern, die in gefälliger Diktion eine Rede des Flussgottes Danubius an das Brautpaar enthalten. (2) Ferdinand Thomas Meermann (Passau 1635): CONIVGIVM, | EPVLVMQVE | LEONIS, ET | AQVILAE. | Serenissimo Domino, Domino | MAXIMILIANO, | COMITI PALATINO RHENI, | V. BAVAR. DVCI, S. R. I. SEPTEM- | viro, Archidapifero, & c. | Et Serenissimae atque Augustali Dominae, Dominae | MARIAE ANNAE, | ARCH- IDVCISSAE AVSTRIAE, | CAESARIS AVGVSTISSIMI | FILIAE, | Clementissimis suis D.o D.ae epithalamium accinens, & | Hymenaeum advocans dedicat Ferdinan. Thomas | Merman D.or S. D. B. S. I. Consili. Canon. Passav. | Praepositus Mattigkov. | PASSAVII, | Apud Conradum Frosch, Anno M. DC. XXXV. Das 22 Seiten umfassende Prosimetrum des Passauer Geistlichen Ferdinand Thomas Meermann von Schönberg (1584 1650) ist eine private Huldigungsschrift an das Brautpaar (Leo = Maximilian; Aquila = Maria Anna). Zu Beginn wird die göttliche Dreieinigkeit mit der ehelichen concordia in Verbindung gebracht. Antike Versatzstücke (Peleus und Thetis; Iuno pronuba; Phoebus und Diana) werden mit Episoden aus Heiligenviten und Kirchenväterzitaten z. T. recht willkürlich kombiniert. Auf fol. 4r wird an die zurückliegende Kriegszeit erinnert: Ah quamdiu ergo eramus crudâ discidij morte sepulti, donec Leo fortunate connubio cum Aquilâ vitæ melioris principium nobis creavit? (3) Anon. I (Passau 1635): NVPTIAE | HERCULIS BOICI | Cum | NYMPHA AVSTRIACA; | In Scenam datae, Honori | EORVNDEM | Serenissimorum Electorum, &c. | MAXIMILIANI | ET | MARIAE ANNAE, | BAVARIAE DVCVM, &c. | Munerario, Archonte Chorum | Dante | Reverendissimo, ac Serenissimo Archiduce | LEOPOLDO | GVILIELMO | Antistite Passaviensi, | Principe, ac Domino nostro Clementissimo | Ludis Autumnalibus | Anni reparatae salutis M. DC. XXXV. | Egêre | Illustres, Nobiles & Ingenui, Archiducalis <?page no="21"?> 1.4 Die Hochzeit als literarisches Ereignis 21 Passavi- | ensis Gymnasii Societatis IESV Adolescentes. | PASSAVII, Apud Conradum Frosch. Das dreiaktige Jesuitenstück, im Auftrag des Passauer Erzbischofs Ludwig Wilhelm aufgeführt, bewegt sich ganz im Rahmen der konventionellen Wittelsbacherpanegyrik. Der erste Akt bringt die Erziehung der Nympha Austriaca (= Maria Anna) auf die Bühne: Providentia sorgt sich um die Iuppitertochter (Iuppiter = Kaiser Ferdinand II.), während Invidia gegen sie einen Bären aufhetzt. Unterdessen stirbt die Gattin des Hercules (= Elisabeth von Lothringen; Hercules wird mit Maximilian gleichgesetzt). Im zweiten Akt verloben sich auf Vermittlung des Mercurius die Nymphe und Hercules; in Passau werden Vorbereitungen für den Empfang des Brautpaares getroffen und Hercules macht sich nach Wien auf. Im dritten Akt kommt es schließlich zur Hochzeit, Invidia muss weichen und Pax gratuliert den Neuvermählten. Die Schlussszenen enthalten den Hinweis, dass die Rückreise ursprünglich über Passau hätte führen sollen, doch habe man die Reiseroute geändert und statt des kurfürstlichen Paares seien nur Abgesandte („Genien“) bei der Theateraufführung des Gymnasiums anwesend gewesen. Erhalten ist nur die Perioche (Krump [2000] I, 73 78 und II, 131 143). (4) Anon. II (Wien 1635): Academiae Viennensis | Adgratvlatio | Ob Auspicatißimas, revocatâ Pace, Nuptias; | AD | Maximilianvm | Serenissimvm Principem, | Boiorvm Dvcem, | Palatinvm Rheni, S. R. Imperii | Electorem, Et Archidapifervm, | Neosponsvm; | Et | Mariam Annam, | Serenissimam Austriae | Archidvcem, | Avgustissimi Caesaris Filiam, | Apostolici Regis Hvngariae Et | Bohemiae Sororem, | Neosponsam, | Pro Mvnere Nvptiali | Delata | Debitae Observantiae Ergo. | Cvm Primvm Novi Coniuges In Avla Salvtarentur. | Mense Iulio, Die [vacat] Anno M. DC. XXXV. | VIENNAE AVSTRIAE, | Typis Matthei Formicae, in Aula Coloniensi. Festgabe der Wiener Akademie, also der seit 1623 unter der Leitung des Jesuitenordens stehenden Universität: Auf die Praemonitio folgt eine Rede des Akademiedirektors Stephan Zwirschlag an Maximilian; ein Panegyricus auf Maximilian und ein Plausus auf Maria Anna. Den Hauptteil bildet das Drama epithalamicum, das in vierzehn Nummern epische Stücke, Elegien und v. a. lyrische Gedichte vereint. Zu Beginn des Dramas fordert Apollo aus Sorge um die wissenschaftlichen Studien in Wien und Ingolstadt von Iuppiter Frieden und drängt auf die Hochzeit von Maximilian und Maria Anna. Nach einem Dialog mit dem Auspex, welcher der Götterschar ein glückliches Omen für die anstehende Hochzeit verheißt, folgt eine Reihe <?page no="22"?> 1 Einleitung 22 von Oden, jeweils an hochstehende Mitglieder des Habsburger bzw. Wittelsbacher Hauses gerichtet. Dann bringen die Musen ihre Wünsche dar; den Abschluss bildet ein Doppelchor bayerischer und österreichischer Helden bzw. Heldinnen, die die lange Tradition ehelicher Verbindungen zwischen den beiden Häusern bezeugen. Ein kurzer Epilog rundet die Festgabe ab. 1.4.2 Andreas Brunners Nabuchodonosor Auch das Münchner Jesuitengymnasium beteiligte sich an den Hochzeitsfeierlichkeiten, nämlich mit einem aufwendig inszenierten Schuldrama aus der Feder Andreas Brunners (1589 1650): 14 NABVCHODONOSOR | SERENISSIMORVM PRIN- | CIPVM | MAXI- MILIANI | BOIARIAE DVCIS COM. PAL. RHE- | NI S. R. I. SEPTEMVIRI ARCHI- | DAPIFERI | ET | MARIAE ANNAE | AVSTRIACAE | SA- CRATISSIMI ET AVGVSTISSIMI | IMP. FERDINANDI II. F. | AVSPICA- TISSIMO CONIVGIO | CONDECORANDO | A Studiosa Juuentute, in Electorali | Societatis IESV Gymnasio, MONACHII BOIO- | RVM, COTHVRNO SOCCOQVE alternantibus, in | THEATRVM productus. | ANNO M. DC. XXXV. | FORMIS CORNELII LEYSSERII | Electoralis Typographi & Bibliopolae. Der Autor stammt aus Hall im Inntal und starb nach langer Ordenstätigkeit in München in seiner Tiroler Heimat, nämlich in Innsbruck. In die Literaturgeschichte ist er als Verfasser einer bayerischen Landesgeschichte eingegangen, mit der er vom Kurfürsten im Jahr 1621 als Nachfolger von Matthäus Rader S. J. betraut worden war. Daneben hat er sich als Dramatiker und Verfasser von Schulkomödien hervorgetan. Der Nabuchodonosor entstand nach Brunners Rückkehr nach München Anfang 1635 (s. o. 18 19). Brunner charakterisiert sein Stück im Titel als Tragikomödie (NABV- CHODONOSOR ... COTHVRNO SOCCOQVE alternantibus, in THEATRVM productus). 15 Tragisch ist das hohe Personal, das sich aus Angehörigen der 14 Eine eingehende Interpretation des anonym publizierten Stückes (Sign. UB München: P lat. rec. 953) steht noch aus; vgl. aber zum Drama Valentin (1978) II, 761 763; Szarota (1980), 2393 2394 und Loeffler (2008), 23 26. Brunner hat mit seinem Stück das letzte große Jesuitendrama in München vorgelegt; vgl. die Einschätzung von Valentin (1986), *21: „Brunners Nabuchodonosor (scil. ist) das historisch letzte große, spezifisch bayerische Prunkspiel jesuitischer Provenienz. Nach ihm beginnt der langsame, progressive Niedergang des Jesuitentheaters in München.“ Zu Biographie und Werk Brunners vgl. De Backer (1890/ 1912) II, 262 265; Duhr (1908); Duhr (1913) II.2, 723 745; Kagerer (2010), bes. 50 54. 15 Zur Tragikomödie vgl. Jens Roselt: Art. Tragikomödie, HWdRh 10 (2011), Sp. 1316- 1326, bes. 1319-1320. <?page no="23"?> 1.4 Die Hochzeit als literarisches Ereignis 23 babylonischen bzw. jüdischen Herrscherhäuser zusammensetzt. Züge der Komödie erhält das Stück durch seinen versöhnlichen Schluss, die Rückverwandlung der reuigen Titelfigur und ihre Wiedereinsetzung in die babylonische Herrschaft. Mit der Danielgeschichte greift Brunner auf eine am Münchner Hof wohlbekannte Thematik zurück. Fünf Jahre zuvor hatte der Beichtvater Maximilians, Adam Contzen S. J. (1571 1635), in seiner Abhandlung DA- NIEL, Sive DE STATV, VITA, VIRTUTE AVLICORVM atque MAGNATVM (Köln 1630) anhand der Figur Daniels eine Verhaltenslehre für das Leben am Hof gegeben. Brunner verarbeitet die in Dan. 1 4 überlieferte Geschichte vom babylonischen König Nabuchodonosor. Das hier vorgegebene Gerüst mit der Erzählung vom hochmütigen König, der von Gott mit einem siebenjährigen Dasein als Tier unter Tieren bestraft wird, um zuletzt wieder in sein Reich eingesetzt zu werden, reichert Brunner mit einigen z. T. stofflich nicht zugehörigen Episoden an. 16 Der erste Akt stellt die Grausamkeit Nabuchodonosors vor Augen, der nach der Eroberung Jerusalems den König Sedecias blenden und dessen zwei Söhne töten lässt. Die göttliche Weisheit (Sapientia Divina), die im ganzen Stück als Gegenspielerin des Titelhelden auftritt, schickt Nabuchodonosor einen Traum: Der König erblickt eine Statue aus Gold, Silber, Erz und Bronze (Symbole der aufeinanderfolgenden Weltreiche), die durch einen herabrollenden Stein (für Christus als Überwinder weltlicher Herrschaft) zerstört wird. Im zweiten Akt entlarvt Daniel die Baalpriester durch Asche, die er in der Nacht auf den Boden streut, und weist nach, dass sie - und nicht Baal - die Altargaben verspeisen. Der dritte Akt zeigt, wie Daniel, der vom wütenden Volk in die Löwengrube geworfen wurde, durch das Eingreifen der göttlichen Gerechtigkeit vor den Tieren bewahrt wird. Unterdessen gibt Nabuchodonosor ein weiteres Zeugnis seines Hochmuts: Er befiehlt, ein goldenes Götterbild anzubeten, was die drei Jünglinge Ananias, Azarias und Misael jedoch ablehnen. In den Feuerofen geworfen, werden sie von den Flammen nicht verletzt; der König bereut seine Tat und lässt Daniel aus der Löwengrube frei. Auch Nabuchodonosor erkennt nun - anhand eines von Daniel im vierten Akt ausgelegten Traums über den Baum der Hochmut, der in den Himmel wächst - seinen Frevel. Zur Strafe wird er von Gott in ein Tier verwandelt und erhält erst nach sieben Jahren seine ursprüngliche Gestalt zurück (fünfter Akt). Explizit zeitbezogene Aussagen finden sich in den Rahmenteilen des Werks, nämlich im Prologus (PRINCIPVM SALVTATIO ET SALTATIO; 3 6) und im abschließenden Chor (GREX SATYRORVM TRIPVDIANS, 77). 16 Ein Überblick über das für das Verständnis von Baldes Epithalamion unabdingbare Werk ist am besten aus der hier als Anhang beigegebenen deutschsprachigen Perioche zu gewinnen (s. u. 177 184; BSB: Sign. 4 Bavar. 2193 1 Beibd. 41). <?page no="24"?> 1 Einleitung 24 Habsburger- und Wittelsbacherpanegyrik steht hier im Vordergrund und wird mit zahlreichen allegorischen Anspielungen ausgeführt. Der Prologus zeigt das kurfürstliche Paar, symbolisiert durch die Sternbilder Löwe und Jungfrau, als Retter der lernenden Jugend, deren Studien schon allzu lang unterbrochen waren. Das Stück klingt aus in einem Preis des goldenen Zeitalters, das nun unter der Herrschaft des neuvermählten Kurfürsten anbrechen wird. 1.5 Baldes Epithalamion Baldes Gedicht für die Festlichkeiten des Jahres 1635 steht also in teils direkter, teils indirekter Beziehung zu einer ganzen Reihe von ähnlichen zeitgenössischen Schriften. Formal gliedert es sich in drei Teile, die jeweils durch den Handlungsschauplatz und das auftretende Personal deutlich voneinander getrennt sind: Auf die einleitende Beschreibung des Münchner Hofgartens, die mit einem Gespräch zwischen dem Hochzeitsgott und der Grazie Euphrosyne endet (1 229), folgen die Brautwerbung durch Bavaria in Wien bei Kaiser Ferdinand II. (230 408) und die Vorbereitungen auf den Empfang des Brautpaares in München (409 696). Die Teile entsprechen sich in etwa hinsichtlich ihres Umfangs und bilden trotz ihrer relativen Selbstständigkeit eine zusammenhängende Erzählung. Der Gegenstand der Ekphrasis, der Münchner Hofgarten, ist bereits im ersten Wort hortus des Proöms angekündigt. Balde wählt damit für die einleitende Partie ein wichtiges Prestigeobjekt des bayerischen Kurfürsten. Maximilian hatte nämlich nach diversen Vorarbeiten in den Jahren 1611 bis 1618 an der Stelle der mittelalterlichen Neuveste einen prächtigen Residenzneubau errichten lassen: Der gewaltige Rennaissancekomplex, den Hans Krumpper, Hans Reiffenstuel und Heinrich Schön wohl unter Beteiligung des Herzogs selbst entwarfen, sollte das neue Machtbewusstsein Bayerns vor Augen stellen. Der Plan schloss auch die Neuanlage eines Hofgartens im Norden ein, der in den Jahren 1613 bis 1617 unter der Leitung von Heinrich Schön errichtet wurde. Baldes Beschreibung, wohl das dichterische Kernstück des Werks, gilt also einem Repräsentationsbau, in dem der politische Machtanspruch Maximilians symbolisiert war. Der zunächst ungewöhnlich erscheinende Gedanke, eine Hochzeitsdichtung mit der Beschreibung einer Gartenanlage zu beginnen, erklärt sich dann, wenn man Baldes wichtigstes dichterisches Vorbild in die Betrachtung mit einbezieht, nämlich Claudians 397/ 398 verfasstes Epithalamium für die Hochzeit des weströmischen Kaisers Honorius und Marias, der Tochter seines Feldherrn Stilicho (Claud. 10). Die Ortsbeschreibung steht bei Claudian zwar nicht am Beginn des Werkes, sondern folgt auf die Schilderung des liebeskranken Bräutigams, doch ist auch hier vor dem <?page no="25"?> 1.5 Baldes Epithalamion 25 Einsetzen der eigentlichen Handlung mit den Versen 47 98 eine topographische Ekphrasis vorgeschaltet, die wie bei Balde als betrachtendstatisches Erzählelement mit den nachfolgenden narrativen Partien kontrastiert. Wie bei Balde wird die Heimat einer Liebesgottheit bei Claudian der Palast der Venus auf Zypern, bei Balde der Garten Hymens mit vielen gartenbaulichen Details beschrieben. Folgen wir Baldes Ortsschilderung im Überblick: 17 Bei Balde ist der Münchner Hofgarten der Aufenthaltsort des christlichen Hochzeitsgottes, dessen Wirken nach der Einleitung in 11 48 beschrieben wird. Dann folgt die eigentliche Ekphrasis, die ihren Ausgang von einer kurzen Beschreibung des Hofgartentempels in der Mitte des Areals nimmt (49 59). Daraufhin wendet sich der Blick in die Arkadengänge, die den Garten im Norden und im Westen einschließen und in deren Nischen die von Kaspar Riedl geschaffenen Herculesstatuen standen (60 77). Der nun folgende Hauptteil (78 185) beschäftigt sich ganz mit dem sogenannten oberen Hofgarten und stellt die vier rechteckigen Gartenflächen, die sich um den Hofgartentempel legen, vor. Entsprechend der Zahl der Abteilungen gliedert sich der Text in vier Teile: Zunächst werden Blumenbeete beschrieben (78 98), dann folgt die Schilderung einer Obstpflanzung mit der ausführlichen Beschreibung des Nachtigallengesangs am Ende (99 163), daraufhin das Labyrinth (164 172), das sich nach übereinstimmendem Ausweis der Quellen im nordöstlichen Areal befand, und zuletzt erscheint Sol in den Buchsbaumpflanzungen der letzten Gartenfläche (173 185a). Erkennbar kürzer fällt der zweite Hauptteil der Beschreibung aus, die Seeanlage im unteren Hofgarten (185b 208). Sie bildet dann auch die Kulisse für das abschließende Gespräch zwischen Hymen und Euphrosyne (208 229). Mit dieser Unterredung endet die Beschreibung, und das Gedicht wechselt auf die historische Ebene. Euphrosyne klagt darüber, dass der Witwer Maximilian auf die Freuden der Ehe verzichten muss (211 215), worauf ihr Hymen ankündigt, dass er die Neuvermählung des Kurfürsten bereits in die Wege geleitet habe. Mit Euphrosynes persönlicher Sorge um Maximilian wird das Hauptmotiv für die Brautwerbung, nämlich der Kinderwunsch nach dem Tod der Gattin Elisabeth von Lothringen, nur angedeutet (218; vgl. auch 695 696). Der festliche Anlass verbietet es natürlich, näher auf den Tod der ersten Gattin einzugehen (vgl. aber Euphrosynes Worte an Hymen in 212 215). Bei Claudian ist es ein anderer Grund, der die Brautwerbung motiviert: Amor hatte der Liebesgöttin davon berichtet, dass Honorius von seinem 17 Der Aufbau der Hofgartenbeschreibung lässt sich leichter nachvollziehen, wenn man den sog. Tambacher Plan, der etwa zur Entstehungszeit des Gedichts angefertigt wurde, vergleicht; Abb. bei Longo-Endres (2005), Kartenbeilage. Vgl. auch die später entstandenen Hofgartenstiche von Michael Wening (Abb. bei Petzet [1988], 47 48). <?page no="26"?> 1 Einleitung 26 Pfeil verwundet nun die Qualen des Verliebten leide (Claud. 10, 117 122). Hier ist wie schon in der einleitenden Partie deutlich auf das erotische Begehren des Kaisers abgehoben. Balde hingegen meidet in seinem ganzen Gedicht solche für antike Epithalamien übliche Anspielungen und setzt damit dichterisch um, was er auf der Ebene des poetischen Personals schon mit der Unterscheidung zwischen dem antiken und dem christlichen Hochzeitsgott vorbereitet hatte (vgl. 11 48). Das zeitliche Verhältnis zwischen der Hofgartenekphrasis und dem nun folgenden zweiten Hauptteil des Werks, der Werberede Bavarias vor Iuppiter bzw. Kaiser Ferdinand II. in der Wiener Hofburg, wird mit interea (230) bezeichnet. Die Göttin ist nach dem Entschluss des Hochzeitsgottes zur Eheschließung und vor dem Gespräch zwischen Hymen und Euphrosyne in die Heimat der Braut aufgebrochen (vgl. auch 365 367). Claudian hatte Venus und ihr Gefolge in einer pittoresken Cortège von Zypern nach Mailand reisen lassen, wo sie die Tochter Stilichos um Einwilligung in die Hochzeit bittet. Bei Balde fehlt eine Beschreibung der Fahrt; die Erzählung setzt unmittelbar mit der Ankunft des Löwenwagens in der Kaiserstadt ein. Auch bittet Bavaria nicht die Braut selbst um ihre Einwilligung, sondern wendet sich an den Brautvater, Kaiser Ferdinand II. Bei Claudian bleibt ein ausführliches Lob der Vorzüge und Leistungen des Bräutigams aus Honorius war zum Zeitpunkt seiner Hochzeit noch keine 14 Jahre alt! , stattdessen preist Venus die körperlichen Qualitäten der Braut. Ganz anders die Landesallegorie bei Balde: Sie stellt Maximilian in aller gebotenen Ausführlichkeit als idealen Staatsmann und Feldherrn dar, der sich in schwerer Zeit für die Rettung des Reiches eingesetzt und sich damit die Hand der Kaisertochter redlich verdient habe. Die Wiener Partie gliedert sich wie schon der erste Hauptabschnitt und das Gedicht als Ganzes in drei Teile unterschiedlicher Länge. In 230 248 wird die Epiphanie der Bavaria auf ihrem Löwengespann in Wien beschrieben: Selbst die bayerischen Löwen geben sich entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit ganz zahm, während ihre Herrin beim Kaiser vorspricht. 249 384 enthält das Gespräch zwischen der Bayerin und dem Kaiser, wobei Bavaria (mit 249 367) der deutlich größere Gesprächsanteil zugewiesen wird. Natürlich willigt Iuppiter in die Bitte Bavarias ein. Der Schlussteil (385 408) schildert die Freude am Wiener Hof und die Abreise der Göttin. Die Rede Bavarias wieder ist der Aufbau in drei Schritten deutlich zu erkennen berichtet nach einem Einleitungsteil (249 284a), der die Verbundenheit Bayerns mit Österreich in den Mittelpunkt stellt, in chronologischer Folge die Kriegsereignisse von der Schlacht am Weißen Berg bis zur Ermordung Wallensteins (284b 348). Systematisch herausgestellt werden die Leistungen Maximilians, der die größten Gefahren für sein Land in Kauf genommen habe, um dem Reich zu dienen. Das Enkomion gipfelt in der Bitte Bavarias um die Hand Maria Annas, bildhaft ausgedrückt als Bitte <?page no="27"?> 1.5 Baldes Epithalamion 27 um die corona iugalis (349 367): Statt der sonst üblichen Schiffskrone verlangt sie den Hochzeitskranz für ihren Schützling. Iuppiter antwortet, indem er die von der Göttin geschilderten Leistungen Maximilians anerkennt. Als Belohnung will er ihn nicht nur mit dem Purpur des Kurfürsten ausgezeichnet wissen, sondern verspricht ihm auch die Hand seiner Tochter Maria (368 384). Austria und Bavaria jubeln über das Zustandekommen der Hochzeit, indem sich jede zum Scherz in die Landesfarben der anderen hüllt. Damit ist die heitere Stimmung des Anfangs, die während der langen Kriegserzählung der Göttin getrübt gewesen war, wieder hergestellt, wenngleich Bavarias Rede eigentlich die Grenzen eines heiteren Festgedichts überschreitet. Der Mittelteil schließt mit einer erneuten Wendung des Erzählers zu den Löwen, die beim Aufbruch der Göttin bereitwillig ihren Rücken zum Streicheln darbieten, womit der Bogen zum Anfang des zweiten Hauptabschnitts geschlagen wird (385 408). Auch im dritten und letzten Teil (409 696) lassen sich drei Binnenabschnitte die rahmenden von kürzerer, der zentrale von größerer Länge ausmachen: Hymens Hochzeitsvorbereitungen und sein Gespräch mit Apollo bis zur Abreise nach Wien (409 459), Apollos Rede vor den versammelten Göttern (460 640a), und der heitere Ausklang mit der verunglückten Chorprobe (640b 696). Zunächst wird beschrieben, wie sich die Kunde von der anstehenden Hochzeit im Land verbreitet (409 427). Dann folgt ein Gespräch zwischen Hymen und Apollo, in dem der Hochzeitsgott Aufträge für die Festvorbereitung erteilt, weil er selbst bei der Hochzeit in Wien anwesend sein muss. Dabei vergisst er nicht den ausdrücklichen Befehl an den Musengott, auf anzügliche Gedichte zu verzichten (428 459). Daraufhin ruft Apollo die braveren Götter zu einer Versammlung zusammen. Er bringt die Rede in einem ausführlichen certamen honoris auf die beiden Brautleute (471 504; laudes sponsorum). Ergänzend zu den von Bavaria in Wien vorgetragenen Taten im Krieg stehen hier der Charakter und die persönlichen Tugenden Maximilians und der Braut im Vordergrund. Die Abschnitte der Partie wechseln in rascher Folge miteinander ab: Einer Tugend Maximilians wird jeweils ein Vorzug Maria Annas gegenübergestellt. Im folgenden Abschnitt erteilt Apollo den anwesenden Göttern Aufträge für das anstehende Fest (505 525). Bei Claudian sind diese Festanordnungen, die hier Venus vorbringt, vor die Werbungsrede gestellt, entsprechen aber denen Apollos bis in manche Details (Claud. 10, 190 227). Die Jagdgöttin Diana schlägt bei Balde zur Belustigung des Brautpaares eine Hirschjagd vor, die ihr Apollo auch zugesteht doch nicht ohne auch selbst ein eigenes Jagdspiel, freilich ganz eigener Art, anzukündigen! Weil eine Hirschjagd nämlich auf wenige, v. a. adlige Zuschauer beschränkt ist, soll auf den Vorschlag Apollos hin außer den Hirschen noch ein anderes Tier gejagt werden, nämlich der babylonische König Nabuchodonosor <?page no="28"?> 1 Einleitung 28 (526 585). Diana, die sich darunter kaum etwas vorstellen kann, willigt verhalten ein (586 590). Damit leitet Balde über zu der ausführlichen Rede Apollos, in der er den Göttern mit zahlreichen biblischen Motivzitaten von der anstehenden Jagd womit nichts anderes gemeint ist als Brunners Stück berichtet (591 640a). Die Verbindung von Tierjagd und Theaterstück wird durch den Gedanken hergestellt, der frevlerische Babylonierkönig müsse wie ein wildes Tier von den Schauspielern in ihren Komödien- und Tragödienschuhen gejagt werden (591 606). Zur Schilderung seiner „Jagdmethoden“ greift Apollo auf verschiedene Episoden aus Brunners Drama zurück: Er will den verwandelten König mithilfe prophetischer Träume (613 615), mit dem betörenden Gesang der Jünglinge im Feuerofen oder mit einem Flammenwunder (616 624) bezirzen. Sollte sich Nabuchodonosor in einen afrikanischen Elefanten verwandelt haben, so wird ihn der abgeschlagene Baum des Hochmuts, an den er sich gelehnt hat, zu Fall bringen (625 631). Auch könnte er durch die Tötung eines Drachens verwirrt werden (632 633) oder durch die im Tempel ausgestreute Asche, in der sich Tierspuren abzeichnen (634 635). Möglich auch, dass ihn der Waffentanz junger Männer aufscheucht (636 640). Hier werden Apollos Ausführungen aber jäh unterbrochen und es beginnt das furiose Finale (640b 696). Noch in seiner Schilderung begriffen, sieht Apollo nämlich plötzlich in einer Vision das Brautpaar kommen. Die Götter proben hastig ihren Begrüßungschor, doch bringen sie wegen allerhand Text- und Gesangsschwierigkeiten in der Kürze der Zeit nichts Aufführbares zustande. Zuletzt muss Apollo alleine mit den Musen die Verse zur Begrüßung des Paares vortragen (684 696). Mit dem abschließenden Chor, der an das Brautpaar gerichtet ist, spannt Balde wieder den Bogen zu Claudians Epithalamium, das ja in direkter Rede mit dem Soldatenlob auf Stilicho endet (Claud. 10, 300 341). 1.6 Textgeschichte und Editionsprinzipien Bevor nun Baldes Epithalamion mit Übersetzung und Kommentar vorgelegt wird, sei zunächst noch ein Blick auf die Überlieferungssituation des Textes geworfen. Das Gedicht ist in vier gedruckten Ausgaben erschienen: (1) Editio Princeps 1635 (= P; Dünnhaupt Nr. 8): EPITHALAMION | quod | SERENISSIMIS CONIV- | GIBVS | MAXIMI- LIANO | Boiariae Duci Com. Pal. Rheni. S. R. I. | Septemviro Archidapifero | ET | MARIAE ANNAE | AVSTRIACAE | Sacratissimi & Augustissimi Imp. | Ferdinandi II. F. | Debiti honoris & observantiae ergò | accinuit | COLLEGIVM MONACENSE | SOCIET. JESV. | ANNO M. DC. XXXV. | FORMIS CORNELII LEYSSERII | Electoralis Typographi & Bibliopolae. <?page no="29"?> 1.6 Textgeschichte und Editionsprinzipien 29 [2] Bl., 18 S. Anonym und ohne Frontispiz. Zum Drucker Cornelius Leysser vgl. Breuer (1980) und Reske (2007), 626. (2) Poemata 1660 (= A; Dünnhaupt Nr. 1): EPITHALAMION, | quod | SERENISSIMIS CONJUGIBUS, | MAXIMILI- ANO, | BOIARIAE DUCI, COM. PAL. | RHENI, S. R. I. SEPTEMVIRO | ARCHIDAPIFERO, | ET | MARIAE ANNAE, | AVSTRIACAE, | SACRA- TISSIMI ET AUGUSTIS- | SIMI IMP. FERDINANDI II. F. | Debiti honoris & observantiae ergò | accinuit | COLLEGIUM MONACENSE | SOCIE- TATIS JESU. | ANNO M. DC. XXXV. Erstveröffentlichung unter Baldes Namen im zweiten Band (Heroica) der bei Johann Busaeus (Reske [2007], 475 476) erschienenen Gesamtausgabe; hier 37 57. (3) Poematum Heroica 1718 (= Dünnhaupt Nr. 2.II) EPITHALAMION, | quod | SERENISSIMIS CONJUGIBUS, | MAXIMILI- ANO, | BOIARIAE DUCI, COM. PAL. | RHENI, S. R. I. SEPTEMVIRO | ARCHIDAPIFERO, | ET | MARIAE ANNAE, | AUSTRIACAE, | SACRA- TISSIMI ET AUGUSTISSIMI | IMP. FERDINANDI II. F. | Debiti honoris & observantiae ergò | accinuit | COLLEGIUM MONACENSE | SOCIETATIS JESU. | ANNO M. DC. XXXV. Die Zusammenstellung der Poematum Heroica, eine der bei Franz Metternich (Reske [2007], 480; weiterführende Lit. 473) in Köln erschienenen Sammelausgaben, umfasst neben den drei Geburtstagsgedichten, dem Froschmäuslerkrieg und der Osca casca Poësis sowie den als Anhang beigegebenen Elogien auf Claude de Mesmes und Wilhelm von Blitterswick auch Baldes Hochzeitsdichtung (37 57). (4) Opera poetica omnia 1729 (= B; Dünnhaupt Nr. 3) EPITHALAMION, | Quod | SERENISSIMIS CONJUGIBUS, | MAXIMILI- ANO, | BOJARIAE DUCI, | COMITIS PALATINI RHENI, | SAC. ROM. IMP. SEPTEMVIRO | ARCHIDAPIFERO, | Et | MARIAE ANNAE, | AV- STRIACAE, | SACRATISSIMI ET AUGUSTISSIMI | IMPERATORIS FER- DINANDI II. F. | Debiti honoris & observantiae ergò accinuit | COLLEGI- UM MONACENSE | SOCIETATIS JESU. | ANNO M. DC. XXXV. Die bei Johann Lukas Straub (Reske [2007], 629) in München erschienene Sammelausgabe druckt Baldes Hochzeitsdichtung auf den Seiten 234 254 des dritten Teilbandes. <?page no="30"?> 1 Einleitung 30 Ein Vergleich der Textzeugen führt zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Ausgabe von 1718 ist von wenigen typographischen Abweichungen abgesehen ein exakter Nachdruck von A. Die Seitenumbrüche und die Anlage des ganzen Bandes entsprechen genau dem zweiten Band der Poemata von 1660. 2. Auch B hängt, lässt man gelegentliche Verschreibungen wie etwa in 3, 15 oder 31 unberücksichtigt, hauptsächlich von A ab. Der Text gibt keinen Anlass für die Annahme, dass P bei der Drucklegung von B herangezogen wurde. Die wenigen Fälle, wo B eine in A geänderte Interpunktion bzw. Nominalform (z. B. die Verschreibung fructosque in 114; vgl. auch 42, 174, 548 549, 639 640) entsprechend der Ausgabe P berichtigt, lassen sich allesamt als naheliegende Korrekturen des Herausgebers erklären. Auszuschließen ist eine Benutzung von P aber natürlich nicht; vgl. unten (4). 3. Von größerer Tragweite sind die Veränderungen, die A gegenüber P aufweist. Es handelt sich insbesondere um 9 10, 371, 493 und 574 576. Diese Varianten erklären sich, wie im Kommentar jeweils näher erläutert, einerseits aus sprachlich-stilistischen Gründen (9 10; u. U. 371) sowie dem Bemühen um deutlicheren Anschluss an ein dichterisches Vorbild (493), andererseits aus dem späteren Publikationszeitpunkt, da im Jahr 1660 bestimmte Kenntnisse bei den Lesern nicht mehr vorausgesetzt werden konnten (574 576). Burkard (2004), LIV LV stellt für den von ihm bearbeiteten Text ebenfalls Verbesserungen in der Kölner Ausgabe von 1660 fest und äußert die Vermutung, dass Balde, zu dieser Zeit in Neuburg an der Donau lebend, korrigierte Druckvorlagen nach Köln geschickt haben könnte. Auch wenn sich bei der derzeitigen Editionslage weitergehende Aussagen über Art und Umfang dieser Korrekturen noch verbieten, kann im Fall des Epithalamion dennoch festgehalten werden, dass es sich in allen angeführten Fällen um tatsächliche Verbesserungen handelt, auch wenn damit natürlich kein Beweis für die Urheberschaft Baldes an diesen Veränderungen erbracht ist (vgl. aber die von Burkard [2004], LIV zitierte Nachbemerkung zum De Vanitate Mundi, die sehr für eine Korrektur von Baldes Hand spricht). 4. Mutatis mutandis gilt somit das von Burkard (2004), LVI LVIII für die Ausgabe von 1729 Ausgeführte auch für die Fassung B von Baldes Hochzeitsgedicht: Die Herausgeber legten die Fassung A zugrunde und hatten entweder P oder ein Korrekturexemplar, das Balde für die Herausgeber der Ausgabe A angefertigt hatte und das vielleicht aus einem handschriftlich korrigierten Exemplar von P bestand, zur Hand. Ein stringenter Nachweis einer Abhängigkeit zwischen B und P, wie ihn Burkard (2004), LV LVI für die entsprechenden Ausgaben seines Textes führen konnte, ist im Falle des Epithalamion aber nicht möglich. <?page no="31"?> 1.6 Textgeschichte und Editionsprinzipien 31 Für die vorliegende Edition ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: 1. Unberücksichtigt bleibt die Ausgabe von 1718, weil sie für die Textkonstitution keinen Wert hat. 2. Die Ausgabe B stellt mit ihren zahlreichen Verschreibungen und Flüchtigkeitsfehlern keine geeignete Grundlage für eine Edition dar (vgl. 15, 152, 383). Weil sich aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine definitiven Aussagen über die Genese der Opera poetica omnia machen lassen und weil sich insbesondere bislang keine communis opinio über die von den Herausgebern für ihre gelegentlichen Korrekturen herangezogenen Vorlagen eingestellt hat, wurden die Varianten dieser Ausgabe, die von sehr unterschiedlichem Wert für die Textherstellung sind, dennoch in den kritischen Apparat aufgenommen. 3. Bei der Frage, ob P oder A als Grundlage für die Ausgabe herangezogen werden soll, ist der Gesichtspunkt ausschlaggebend, dass nur im Fall von P sicher von einer persönlichen Überwachung des Druckes durch Balde ausgegangen werden kann. Damit ist noch kein Urteil über die oft überzeugenden Verbesserungen gefällt, die A enthält. Ohne weitergehende Untersuchungen über Art, Umfang und Tendenz der Textänderungen in den Poemata von 1660 insgesamt empfiehlt es sich aber nicht, von einer derjenigen Fassungen auszugehen, für die sich eine unmittelbare Einflussnahme Baldes nicht nachweisen lässt. 4. P weist außerdem im Unterschied zu A zahlreiche aus heutiger Sicht kühne Interpunktionen auf (besonders die Abtrennung von Haupt- und Gliedsatz durch den Punkt wie z. B. in 64). Diese Interpunktionen wurden z. T. in rhetorischer Absicht gesetzt und in A z. T. wieder zurückgenommen. Es handelt sich hier aber z. T. um wichtige semantische Bedeutungsträger, die bei einer Präferierung einer späteren Ausgabe verlorengehen würden. Der hier edierte Text folgt also der Erstausgabe von 1635, was vorläufig als die befriedigendste Lösung gelten muss. Zugrundegelegt wurden die Exemplare der Universitätsbibliothek München (Sign. P. lat. rec. 881) und der Staatsbibliothek München (Sign. Res/ 4 Bavar. 2192, I, 1/ 5 Beibd. 2). Einige orthographische Vereinfachungen, die den Konventionen neulateinischer Editionspraxis folgend vorgenommen wurden, seien hier zusammenfassend genannt (vgl. auch Burkard [2004], LXII): (1) Die Unterscheidung von s und wurde nicht übernommen. (2) Auflösungen von e caudata zu ae, von æ und œ zu ae und oe sowie von ß zu ss wurden stillschweigend vorgenommen. (3) Nasalstriche wurden beseitigt. (4) que-Abkürzungen wurden aufgelöst. (5) Die Verbindung ij wurde durch ii ersetzt. (6) Vokalisches v am Wortbeginn wurde in u umgewandelt. (7) Durch Kapitälchen und Versalien hervorgehobene Passagen wurden einheitlich in Versalien gedruckt. (8) Steht bei dem Enklitikon -que der Akut auf dem ersten Konsonant des <?page no="32"?> 1 Einleitung 32 Enklitikons, also dem q, so steht er in der Edition auf dem ersten bzw. bei Diphthongen auf dem zweiten Vokal vor dem Enklitikon (nicht bei Wortbeginn mit Majuskel in 20; 35; 369; 396). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden zahlreiche kleinere Abweichungen im Bereich der Interpunktion, die semantisch ohne Relevanz zu sein schienen, im kritischen Apparat nicht verzeichnet. Auch rein orthographische Varianten, die den Lautbestand nicht berühren, Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung, in der Textauszeichnung (Versalien, Kursivierungen) und konventionelle morphologische Varianten wurden weitgehend ignoriert. Folgende Siglen und Abkürzungen werden verwendet: P = ed. 1635 A = ed. 1660 B = ed. 1729 et saep. = et saepius v. c. = vide commentarium * = Zeilenangabe im Argumentum Im Similienapparat wurde versucht, mit Augenmaß vorzugehen und nur die für Baldes Idiomatik relevanten sprachlichen Parallelen bzw. bewußten Anleihen zu verzeichnen, wobei sicherlich von Fall zu Fall zu diskutiert werden kann, ob die zitierte Stelle direkten Einfluss auf die sprachliche Gestaltung hatte oder nicht. Für die Interpretation wichtige Parallelen werden i. d. R. im Kommentar erläutert und sind mit v. c. im Similienapparat gekennzeichnet. <?page no="33"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion <?page no="34"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 34 2.1 Text und Übersetzung EPITHALAMION quod SERENISSIMIS CONIUGIBUS MAXIMILIANO Boiariae Duci Com. Pal. Rheni. S. R. I. Septemuiro Archidapifero ET MARIAE ANNAE AUSTRIACAE Sacratissimi et Augustissimi Imp. Ferdinandi II. F. Debiti honoris et obseruantiae ergò accinuit COLLEGIUM MONACENSE SOCIET. IESU. ANNO M. DC. XXXV. FORMIS CORNELII LEYSSERII Electoralis Typographi et Bibliopolae. <?page no="35"?> 2.1 Text und Übersetzung 35 EPITHALAMION, das dem DURCHLAUCHTIGSTEN EHEPAAR, MAXIMILIAN, dem Herzog von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein, des Heiligen Römischen Reichs Kurfürst und Erztruchsess, UND MARIA ANNA VON ÖSTERREICH, Tochter des allerheiligsten und erhabensten Kaisers Ferdinand II., aus gebotener Ehrerbietung und Gehorsam DAS MÜNCHNER JESUITENKOLLEGIUM VORBRACHTE. IM JAHR 1635 VERLEGT BEI CORNELIUS LEYSSER, dem kurfürstlichen Drucker und Buchhändler. <?page no="36"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 36 [P *3 | A 38 | B 235] Argumentum 5 . 10 . 15 . 20 . 25 . PRocul à Christianis Nuptiis; procul à tantorum Principum augusta virtute, Fescennina. Castae tamen hilaritatis elegantiae, et gaudia bonarum mentium, etiam hîc admittuntur. nam neque nos voluimus morosi esse. Quia verò probrosum veterem Hymenaeum, Noua Roma aboleuit: idcircò potiùs Noui ac Christiani, felicem genium, et castissimos mores descripsimus. Atque hic in Horto principe Monacensi, quem sub oculos dedimus, inambulans, sciscitanti Gratiae Sorori suae, AUSPICATISSIMAS NUP- TIAS indicat. BOIARIA è trium annorum malis, eleuans laetius caput, aurigis leonibus, propitio Hymenaeo, Viennae illabitur; SERENISSIMAM SPONSAM et AUGUSTISSIMUM SOCERUM inuisura. Commemoranti coram SACRATISSIMO CAESARE, SERENISSIMI ELECTORIS SUI, bene merita in Romanum Imperium, IMPERATOR omnem honorem habet. BOIARIA et AUSTRIA, nouis illigatae vinculis, exultant. aperiuntur laetitiae regii fontes. Virtus chorum ducit. Emanat in vulgus tanti Fati gloria. omnia illi gestiunt praeparata videri. praesertim Isara. HYMEN verò, cuius cura palmaria est, cum SERENISSIMO ELECTORE SPONSO, Viennam abiturus ad eleuandam TAEDAM, dexterásque ritè jungendas: MONACHII Phoebo negotium dat, suo nomine [P *4] apparandi pompam redituris. Iste mitioribus Diis conuocatis, omne obsequium inuenit. Caeterùm cupit Diana Venatrix, sui fori apparatu, venatione nimirum, SERENISSIMOS CONI- UGES excipere. Ea conceditur in campis. inuenitur tamen et altera in Urbe. cui peragendae, Chaldaea Fera Nabuchodonosor, dignum spectaculo prodigium, à Phoebo proponitur, venabulis tragicis exagitandum: ut populus omnis animosa voluptate frui possit. quando utique campestris venatio, pauciores Spectatores habet. Sequuntur vota apprecantium FAUSTISSIMIS NUPTIIS, ut mos est, Optimorum Optima. ____________________ *14 Claud. carm. min. 29, 28 Ducit flamma choros. || *19 Cf. Plaut. Most. 1051 et Mart. 12 praef. (v. c.). || *25 26 Balde Sylv. 7, 1, 92 Bene apprecatur nuptiis (= op. omn. 2, 175; v. c.). *2 elegantiæ PA : elegantia B. || *15 præparata PA : præparatæ B. || *17 eleuandam P : elevandum AB. || *23 venabulis PB : vinabulis A. <?page no="37"?> 2.1 Text und Übersetzung 37 Argumentum (*1 26) Fernhalten soll man Feszenninen von einer christlichen Hochzeit und von der erhabenen Tugend so bedeutender Fürsten. Doch eleganter Stil in züchtiger Heiterkeit und die Freude der Gutgesinnten haben auch hier Zutritt. Denn auch wir wollten ja nicht sauertöpfisch sein. Weil das neue Rom aber den schimpflichen alten Hymenaeus abgeschafft hat, haben wir lieber die glücklichen Eigenschaften und die sehr keuschen Sitten des neuen und christlichen <Hymenaeus> beschrieben. Und dieser kündigt, während er in dem vornehmen Münchner Garten, den wir beschrieben haben, wandelt, seiner Schwester, der Grazie, auf ihre Frage hin die GLÜCKLICHSTE HOCHZEIT an. BOIARIA, die ihr Haupt aus dem drei Jahre währenden Unglück fröhlich erhebt, schwebt mit ihrem Löwengespann und mit Zustimmung des Hymenaeus nach Wien hinein, um die DURCHLAUCH- TIGSTE BRAUT und den ERHABENSTEN SCHWIEGERVATER zu besuchen. Als sie vor dem HEILIGSTEN KAISER die Verdienste ihres DURCH- LAUCHTIGSTEN KURFÜRSTEN gegenüber dem Römischen Reich in Erinnerung ruft, bedenkt sie der KAISER mit aller Ehre. BOIARIA und AUS- TRIA jubeln, vereint durch neue Bande. Die prächtigen Quellen der Freude beginnen zu fließen. Die Tugend führt den Chor an. Im Volk verbreitet sich der Ruhm eines so gewaltigen Schicksalstages. Alles verlangt danach, für ihn vorbereitet zu erscheinen. Besonders die Isar. HYMEN vollends, der die Hauptverantwortung trägt und schon im Begriff steht, mit dem DURCHLAUCHTIGSTEN KURFÜRSTLICHEN BRÄUTIGAM nach Wien aufzubrechen, um die FA- CKEL zu erheben und die Hände, wie es sich gehört, zu vereinigen, beauftragt in MÜNCHEN Phoebus, in seinem Namen für die Zurückkehrenden ein Fest vorzubereiten. Dieser stößt, nachdem er die friedlicheren Götter zusammengerufen hat, auf völligen Gehorsam. Im Übrigen bittet die Jagdgöttin Diana, die DURCH- LAUCHTIGSTEN BRAUTLEUTE mit einer Veranstaltung in ihrem Bereich, also natürlich mit einer Jagd, zu empfangen. Eine solche gesteht man ihr auf den Feldern zu. Doch findet sich in der Stadt noch eine andere. Zu deren Durchführung wird von Phoebus ein chaldäisches Untier, der Nabuchodonosor, als ein für ein Schauspiel angemessenes Wundertier vorgestellt, das es mit tragischen Wurfspießen aufzuscheuchen gilt, damit sich das ganze Volk an dem erhebenden Vergnügen erfreuen könne, da ja eine Jagd im Feld jedenfalls nur recht wenige Zuschauer findet. Es folgen Glückwünsche von Gratulanten, die dem Brauch gemäß für die GLÜCKLICHSTE HOCHZEIT das Beste vom Besten erflehen. <?page no="38"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 38 [P 1| A 39 | B 236] EPITHALAMION. HORTUS ad Auroram spectat, quo pulchrius Orbis Vix quidquam Germanus habet; pretiosior auro Hesperidum; et si quod multa ausa Semiramis olim, Ventorum auxilio, pendens nemus intulit astris. 5 Illum oriens Titan primis hinnitibus afflat, Subsistítque diu faciem miratus amoenam; Et praeteruectus Clymenaei nectaris imbrem Inuergit: referúntque Dies ab honore Ministri, Saepe volutantem Dominum dubitasse, suámne 10 Deberet volucrem Phoenicem, his credere septis. Hic habitat festiuus HYMEN, diuersus ab illo, Quem Musâ genitum prisci coluere, virenti Verbena nucibúsque proci, Cypriísque columbis. Hunc noua concepit Tyberino in littore Roma, 15 In castos enixa toros: quo tempore septem Montibus accessit Rupes Octaua Tonantis. Atque inter scopulos dominari PETRA Latinos Coepit, et obtriuit veterum delubra Deorum. Integer ardenti placidè suspirat in Ara, 20 Inque animos clementer agit, mitíque calore Suscitat, et tantùm caelestes inserit ignes. Quem penes est Geniale Sacrum, fidúsque benigni ____________________ 5 Verg. georg. 1, 250 primus equis Oriens adflavit anhelis; Claud. carm. min. 27, 2 3 de luco Solis qui primus anhelis | sollicitatur equis. || 7 Claud. 10, 101 102 largos haec nectaris imbres | Inrigat. || 8 Balde Magn. Till. 262 (= op. omn. 8, 330) pulchros ab honore menses. || 9 10 cf. Lact. Phoen. 31 32 ; Claud. carm. min. 27, 7 10 (v. c.). || 11 Claud. carm. min. 31, 2 festus Hymen; Alc. Avit. carm. 1, 189 festivus hymen; Balde El. Gen. Carm. 9 (= op. omn. 3, 204) festiuus Hymen. || 12 cf. Catull. 61, 48 49 de Hymenaeo Quem colent homines magis | Caelitum? || Catull. 61, 2 de Hymenaeo Uraniae genus; Claud. carm. min. 25, 31 Musa genitum; Mart. Cap. 1, 1, 1 matre Camena progenitum. || 14 15 cf. Balde Van. 30, 39 40 (= op. omn. 7, 66; v. c.). 3 Semiramis PA : Semitamis B. || 9 10 Sæpe volutantem Dominum dubitasse, suámne | Deberet volucrem Phœnicem, his credere septis P : Sæpe loci forma captum Titana volucrem | His voluisse suam, Phœnicem, credere septis AB. || 15 tempore PA : tempora B. || 22 fidúsque benigni coniecit Stroh : sidúsque benigni PAB. <?page no="39"?> 2.1 Text und Übersetzung 39 EPITHALAMION. Proöm (1 10) Ein GARTEN blickt nach Osten - kaum etwas Schöneres als ihn haben die deutschen Länder. Er ist kostbarer als das Gold der Hesperiden und als jeder hängende Hain, wie ihn etwa die kühne Semiramis einst mithilfe der Winde zu den Sternen getragen hat. [5] Ihn weht der Titan beim Aufgang mit dem ersten Wiehern seiner Rosse an, hält inne, bewundert lange den lieblichen Anblick und lässt, nachdem er vorbeigefahren ist, den Nektar Clymenes darüber regnen. Und die Tage, seine Ehrendiener, berichten, ihr Herr habe oft hin und her schwankend erwogen, [10] ob er nicht seinen Vogel Phoenix diesem Garten anvertrauen solle. Hymen (11 48) Hier wohnt der heitere HYMEN, verschieden von dem, den als Sohn einer Muse früher mit einem grünem Zweig, Nüssen und zyprischen Tauben die Freier verehrten. Diesen Hymen empfing eine neue Roma am Tiberstrand [15] und gebar ihn in einem keuschen Bett, als der achte Hügel zu den sieben Bergen des donnernden Gottes hinzukam. Und dieser FELS begann damit, über die latinischen Hügel zu herrschen, und zermalmte die Heiligtümer der alten Götter. Unbescholten seufzt er sanft auf dem brennenden Altar, [20] verfährt gelinde mit den Gemütern, versetzt sie mit milder Flamme in Aufregung und flößt nur himmlisches Feuer ein. Unter seiner . <?page no="40"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 40 Pectoris, et blandi dulcis consensus amoris. Unde suo fretus genio, quáque augure gemma 25 Incendit digitos; sensus explorat in omni Coniuge secretos, penetrátque arcana futuri. Quódque immane bonum est; paribus coniungere taedis Dignatur similes, et mentes mentibus aequat. Non lauat ex Hermo digitos vel Gange: sed haeret 30 Annulus in manibus perfecto ferreus orbe. Quem nec Chrysolitho decorat, nec iaspide pingit, Nec flammis Hyacinthe tuis. praefertur amoris Nutrimenta sui carpens rigidissima, MAGNES. Qui rapit arcano ductus spiramine ferrum, [A 40] 35 Idque flagrans spreto complectitur arctiùs auro. Cuius ab exemplo, non dotem suaserit ulli [B 237] Extorquere minis: nam tantùm nouit amare [P 2] Fortiter, id quod amat; tantúmque id nouit amare. Infames Veneris stimulos, Pueríque salacis 40 Immitem telis Pharetram; vel faeda Getarum Foedera, et Othrysii damnat connubia Turcae. Odit Hamadryades, et rustica pectora Faunos. Sanctior ingenuis flammas deradit ab astris, Cùm dulci risu se scintillantia soluunt. 45 Quas ubi collegit non degener Hesperus, altè Infundit Sponsis, et serica vincula nectit. Pacis opus: durant, quasi sint adamante ligata. Vestales animos innodat ahenea virtus. Aequaeuas inter Charites, et gaudia mentis, 50 Pronubus hic amplo Iuuenis spatiatur in Horto. Cuius in amplexu tholus est, mediáque medulla Surgit aprica Domus, mulcenti peruia vento. ____________________ 25 Stat. silv. 2, 1, 134 135 nunc vivis digitos incendere gemmis | gaudebat. || 27 Balde Cris. 41, 7 (= op. omn. 4, 543) quodque immane bonum est; Antag. 2, 7 8 (= op. omn. 4, 310); Van. 90, 37 (= op. omn. 7, 171) immane bonum. || 27 28 cf. Hor. carm. 1, 33, 10 12 (v. c.). || 32 cf. Claud. 8, 587 588; Balde Pan. Equ. 74 (= op. omn. 3, 159; v. c.). || 32 48 cf. Claud. carm. min. 29 (v. c.). || 34 Lucr. 6, 908 ferrum ducere; Prop. 4, 5, 9 (v. c.). || 39 Balde Van. 95, 2 (= op. omn. 7, 179) Salax puer CUPIDO (v. c.). || 40 41 Balde Mus. Neob. 6, 48 (= op. omn. 3, 214) Odrysii ... Geticique tyranni. || 43 Catull. 64, 95 sancte puer de Amore. || 46 Balde Podagr. 2, 4, 5 6 (= op. omn. 4, 63) vincula ... amoris | Serica. 31 32 pingit, | Nec vel tingit, | Nec coniecit Stroh : cingit, | Nec PA : cingit. | Nec B. <?page no="41"?> 2.1 Text und Übersetzung 41 Gewalt stehen der Hochzeitsritus und der treue und süße Einklang einer wohlwollenden Brust und angenehmer Liebe. Daher erforscht er im Vertrauen auf sein Wesen und auf den weissagenden Edelstein, mit dem er seine Finger [25] zum Leuchten bringt, bei allen Eheleuten die versteckten Empfindungen und dringt in die Geheimnisse der Zukunft ein. Und was ein unermessliches Gut ist er lässt sich dazu herab, mit gleichen Liebesfackeln gleichgesinnte Paare zu verbinden und macht die Gemüter einander ähnlich. Seine Finger wäscht er nicht im Hermus oder im Ganges, vielmehr sitzt ihm [30] ein eiserner Ring in vollendeter Rundung an den Händen. Den schmückt er nicht mit einem Chrysolith oder ziert ihn mit einem Jaspis oder mit deinen Flammen, Hyacinthus. Dem MAGNETEN wird stattdessen der Vorzug gegeben, der die härteste Nahrung für die Liebe, die man für ihn empfindet, zu sich nimmt. Dieser reißt in einem geheimnisvollen Hauch der Anziehung das Eisen an sich [35] und umfasst es brennend enger als das Gold, das er verschmäht. Nach dessen Beispiel rät er wohl keinem, mit Drohungen irgendwem die Mitgift zu entwinden, denn nur stark kann er lieben, was er liebt, und nur dies eine kann er lieben. Die schimpflichen Stachel der Venus, [40] den mit grausamen Pfeilen gefüllten Köcher des die Lust erregenden Knaben, die grässlichen Ehen der Geten und die Hochzeiten des othrysischen Türken verurteilt er. Er hasst die Hamadryaden und die bäurischen Faune. Er ist heiliger und streift Flammen von den edlen Sternen ab, immer wenn sie sich funkensprühend mit süßem Lachen lösen. [45] Sobald sie der edle Hesperus gesammelt hat, gießt Hymen sie tief in die Brautleute ein und knüpft die seidenen Bande zusammen. Ein Werk des Friedens: Die Fesseln halten, als wären sie mit Stahl verbunden. Eherne Tugend verknotet vestalische Gemüter. Hofgartentempel (49 59) Inmitten der gleichaltrigen Grazien und all den Herzensfreuden [50] spaziert der junge Ehestifter hier im weitläufigen Garten umher. Der umschließt ein Gebäude mit einer Kuppel und es erhebt sich in seiner innersten Mitte ein von der Sonne beschienenes Haus, das dem schmeichelnden Wind Durchlass gewährt. Denn der Ost und die anderen Winde fürchten . <?page no="42"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 42 Námque Eurus, reliquaéque timent accedere Buccae. Sparsa nitent asarota solo: fastigia fornix 55 Illaqueat: paries variato murice fulget. Tota loci series octo diuisa recedit Partibus. Euterpe reperit, scripsítque Thalia, Compegit Nemoris corpus florale voluptas, Et certo tinxit felicia germina succo. 60 Moenibus ambitur solidis, quibus haeret utrimque Porticus excurrens, vasto longissima tractu. Fortia quo videas magni monumenta Labores Herculis: ut Libycum compresso gutture monstrum Edomet, offensus monstro maiore Nouercâ. 65 Ferratas ut figat aues; medióque subactum Corpore Terrigenam, dextrâ sustollat in altum. Exclamare putes miserum, nimiúmque negatam Terrae matris opem, pendenti quaerere calce. Sic premit Alcides, premitúrque Anthaeus, et aegrè 70 Stridenti vapidum reuocat pulmone calorem. 75 Sic alibi pariter victus. cùm imponitur aether, 76 Sudat et Atlantem turbato respicit ore, [P 3] 77 Adiectúmque nouum queritur sub pondere pondus. 71 Ipse aliquando ruit verus Tirynthius astris. 72 Visurus fictos: conformatísque lacertis 73 Ad simulacra, suum corpus metitur in umbra; [A 41] 74 Maiorésque fremens meritò dolet esse Colossos. [B 238] 78 At Ioue sub tepido, quem libera ventilat aura, Perpetuo porrecta virent Topiaria cinctu. 80 Nil vacat. optandis indulgent omnia votis. Hic Maii rubicunda cohors, hic candida ruptis In campum prodit calathis. pars sparsa capillos Puniceos, pars caeruleis argentea guttis, Pars collo candente nitens, pars corpore flaua, 85 Vincunt Paestani speciosos ruris ephebos. ____________________ 54 Balde Lyr. 2, 20, 24 (= op. omn. 1, 81); v. c. || 65 cf. Balde Med. glor. 2, 172 (= op. omn. 4, 378) ferricrepum Stymphalon; Templ. Hon. (= op. omn. 8, 468). || cf. Sen. Herc. f. 243 244. || 65 66 cf. Apollod. 2, 115; Lucan. 4, 591 649. || 67 68 Balde Lyr. 4, 1, 87 88 (= op. omn. 1, 191) de Antaeo Terramque maternam negatum est | ... tetigisse campo. || 76 cf. Apollod. bibl. 2, 120. || Sil. Ital. 13, 696 turbato ... ore. || 85 Ov. Pont. 2, 4, 28 caltaque Paestanas vincet odore rosas (v. c.). 70 77 PAB eundem ordinem observant (v. c.). <?page no="43"?> 2.1 Text und Übersetzung 43 sich ihm zu nähern. Am Boden glänzt verstreut ein Mosaik, ein Bogen [55] verbindet die oberen Teile und die Wand strahlt von buntem Purpur. Die ganze Anlage des Ortes dehnt sich in acht Abschnitten nach hinten hin aus. Euterpe hat erfunden, Thalia hat gezeichnet, die Wonne hat das Blumenarrangement des Hains vereint und die fruchtbaren Knospen mit dem jeweils richtigen Saft gefärbt. Säulengang mit Herculesstatuen (60 77) [60] Der Garten wird von festen Mauern umgeben, an die sich ein Säulengang anschließt, der sich nach beiden Seiten hin erstreckt und in gewaltiger Länge hinzieht. Dort kann man als Denkmäler der Tapferkeit die Arbeiten des großen Hercules dargestellt sehen: Wie er dem libyschen Ungeheuer die Kehle zusammendrückt und es bezwingt, wobei ihm ein noch größeres Ungeheuer als seine Stiefmutter Unwillen erregte. [65] Dann, wie er die mit Eisen bewehrten Vögel durchbohrt und den Erdgeborenen, den er mitten am Körper in seine Gewalt gebracht hat, mit seiner Rechten in die Höhe hebt. Man könnte meinen, der Arme schreie auf und suche mit seiner herabhängenden Ferse nach der Hilfe der Mutter Erde, die ihm jedoch - ach zu sehr! - verwehrt bleibt. So drückt der Alkide, so wird Antaeus gedrückt, und mühsam [70] versucht er die heiße Luft mit seiner zischenden Lunge wieder einzuatmen. [75] So wurde er an anderer Stelle in vergleichbarer Weise besiegt: Wenn ihm nämlich der Äther aufgebürdet wird, schwitzt er, blickt mit wirrem Gesicht zurück zu Atlas und klagt unter dem Gewicht über die ungewohnte Last, die ihm auferlegt wurde. [71] Der echte Held von Tiryns stürzt bisweilen sogar selbst von den Sternen herab. Um seine nachgebildeten Doppelgänger zu sehen: Er bringt seine Oberarme in die den Standbildern entsprechende Form und misst die Größe seines Körpers im Schatten. Aus gutem Grund schmerzt es ihn, dass die Kolosse größer sind als er, und er knirscht. Blumenbeete (78 98) Doch unter dem warmen Himmel Iuppiters, in dem die Luft frei weht, grünen in einem durchgehenden Gürtel hingestreckt die Pflanzenfiguren. [80] Keine Stelle mehr ist frei. Alles erfüllt gerne jeden denkbaren Wunsch. Hier tritt die rote Maienschar aufs Feld, hier die weiße mit geöffneten Blumenkelchen. Ein Teil lässt die purpurroten Haare ungeordnet herabfallen, ein Teil ist silbern und weist blaue Farbtropfen auf, ein Teil glänzt mit strahlendem Hals, ein Teil hat einen gelben Körper - [85] sie übertreffen sogar die prächtigen Jünglinge von Paestums Land. Sie sind nämlich von . <?page no="44"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 44 Gratia nam maior. mitissima nomina comptis Ex merito natura dedit; quibus aemula Natos Quaéque suos ambit genitrix ornare puellos. Areolae fragrant: thalamíque et mollia terrae 90 Strata, quibus recubant, Milesia vellera vincunt. Ipsi autem innocuae vitae, summíque pudoris, Et faciles animi flores, examine iusto, Ad sua clementis serpunt tentoria cliui. Ut quando in belli conflictum Chloris itura, 95 Tympana pulsaret turmas cogentia, contra Terribiles tribulos, urticarúmque nepotes: Ilicet accinctas acies, et robur haberet Militiae venale suae, nasúmque moueret. Praepollens alibi multâ super arbore foetum 100 Prosternit Pomona caput, variátque colores Et numerat prolem, quam toto largiùs anno Educet incolumem, riualíque ubere lactet. Omnes incinctae foliis, ceu crinibus, adstant: Consertásque manus, ramorúmque agmina tendunt 105 Ponderibus librata suis. mittuntur in aeuum Faecundae tantùm. multa illis aurea mala Delicias faciunt. nulla illis Punica mala; Quòd nunquam fallant, vacuum frustrata colonum. O! quoties Nymphae vicini fluminis, alta 110 Fraude tenebrarum tectae, dum Cynthia lusca Conniuet, tacito passu gradiuntur in Hortum, Et narrata volunt decerpere poma: sed adsunt [A 42] [B 239] Custodes strictis in talia furta sagittis, Et cupidas arcent, fructúsque tuentur Amores. 115 Iam cùm lene tepet, blandáque Fauonius aura [P 4] ____________________ 89 90 Lucr. 4, 849 lecti mollia strata. || 93 Apul. met. 4, 5 clementi ... clivulo. || 96 Iuv. 2, 128 tuos urtica nepotes. || 98 Balde Lyr. 2, 47, 31 (= op. omn. 1, 115) Nasum cinnama non movent. || 99 100 Culex 68 71 saepe super tenero prosternit gramine corpus | florida cum tellus gemmantis picta per herbas | vere novat dulci distincta coloribus arva (v. c.). || 100 Auson. 332 Idyll. VIII 22 p. 25 discolor arboreos variet Pomona sapores. || 105 Ov. met. 1, 13 tellus | ponderibus librata suis; Cic. Tusc. 5, 69. || 111 Ov. trist. 4, 10, 27 tacito passu. || 113 cf. Claud. carm. min. 25, 19 20 longeque tuentibus antrum | Flammea lascivis intendunt spicula Faunis (v. c.). 114 fructúsque PB : fructósque A. <?page no="45"?> 2.1 Text und Übersetzung 45 größerer Anmut. Die Natur gab den putzigen Geschöpfen nach ihrem Verdienst die gefälligsten Kosenamen, mit denen jede Mutter wettstreitend ihre eigenen neugeborenen Kinder zu schmücken begehrt. Die Beetchen duften, die Ruhelager und weichen [90] Kissen der Erde, auf denen sie liegen, übertreffen noch die milesische Wolle. Die Blumen selbst aber führen ein harmloses Leben, sind von höchster Schamhaftigkeit und von zugänglicher Art. In Reih und Glied kriechen sie zu ihren Zelten am sanft abfallenden Hang, damit Chloris, wenn sie sich ins Kriegsgetümmel stürzen will und [95] die Trommeln, die die Truppen versammeln, gegen den schrecklichen Lolch und die Sippschaft der Brennnessel schlägt, sofort eine kampfbereite Streitmacht und eine kräftige Söldnerschar habe und die Nasen beeindrucke. Obstbäume - Philomela (99 163) An anderer Stelle wirft die mächtige [100] Pomona ihr fruchtbares Haupt auf einem großen Laubhaufen nieder, verändert die Farben und zählt den Nachwuchs, den sie unbeschadet das ganze Jahr über recht freigebig großziehen und mit Wasser aus dem Bach tränken will. Alle Bäume stehen da, von Blättern umgeben wie von Haaren, fassen sich an die Hände und strecken sie, ihre dicht gedrängten Zweige, [105] die sich durch ihre Gewichte in der Schwebe halten, aus. Nur diejenigen, die Frucht bringen, dürfen ein hohes Alter erreichen. Sie freuen sich über ihre vielen goldenen Äpfel. Punische Äpfel haben sie keine, da sie nie täuschen und den Bauern betrügen, sodass er leer ausgeht. Oh, wie oft gehen die Nymphen des benachbarten Flusses, [110] gedeckt von der tiefen, täuschenden Dunkelheit, lautlosen Schritts in den Garten, während Cynthia einäugig blinzelt, und wollen das Obst, von dem man ihnen erzählt hat, abpflücken. Doch als Wächter stehen mit gezückten Pfeilen gegen solcherlei Diebereien die Amoren bereit, wehren die gierigen Nymphen ab und beschützen die Früchte. [115] Wenn es schon etwas wärmer wird und Favonius mit ein- . <?page no="46"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 46 Excitat à somno lucum: vigilare coactae, Dulce strepunt omnes, commota fronde, sorores, Fraternúmque sonum, Zephyro ridente, remittunt. Mobilis alloquiis HYMENAEUM affatur, et audit, 120 Alteráque alterius garritibus utitur arbor. Concentum credas in rupe Heliconide natum Proritasse Nouem, Phoebo Pythona ferente. Viuunt felices, magna est concordia morum. Séque fouent et amant, et mutua brachia nectunt. 125 Quòd si praeteriens testudine luderet Orpheus Thracius: his sanè tota ex radice luberet Sub Getica saltare lyra, podagrámque fugare. Esto: non feriat Vates Rhodopeïus aures Carmine; dum feriat saltem Rhodopeïa pellex. 130 Suaue trahit Philomela melos, laudémque meretur; Et laudem notat ipsa suam, vúltque ipsa notari. Prouocat in medium, si fortè Thalassius audit Manè salutatus. modò námque aequabilis uno Assurgit tractu, guttúrque volubile longo 135 Lubricat impulsu, facilésque expectorat auras. Difficiles numeros modò colluctata retorquet, Infuscat, scindit, carpítque ac plurima mutat. Plurima dum mutat, surgit Symphonia discors. Quando poscit Hymen, liquidos puri aëris haustus 140 Proiicit, absorbétque iterum iaculabile murmur, Atque intra fauces subigit, tacitúmque choreuma ____________________ 119 cf. Petron. 131, 8 mobilis ... platanus. || 121 122 cf. Claud. 2, 11 14 (v. c.). || 123 Claud. 10, 65 66 vivunt in Venerem frondes: omnisque vicissim | felix arbor amat (v. c.). || cf. Suet. Otho 2 congruentia morum; Balde Epod. 12, 58 (= op. omn. 1, 284) tanta est concordia morum. || 124 Stat. Theb. 6, 862 863 per mutua ... | bracchia. || 127 Balde Podagr. 2, 75, 13 (= op. omn. 4, 100) podagramque ... fugaret. || 129 Sen. Herc. f. 149 de Philomela Thracia paelex; Mart. 10, 51, 4; Balde Van. (= op. omn. 7, 99) Thraciae pellex. || 130 Plin. nat. 10, 81 sonus et nunc continuo spiritu trahitur in longum (v. c.). || 131 Balde Phil. 6, 9 (= op. omn. 6, 199; v. c.). || 133 134 Plin. nat. 10, 81 (v. c.). || 135 Ov. epist. 16, 23 faciles auras; 18, 45. || 136 cf. Balde Phil. 6, 21 22 (= op. omn. 6, 200; v. c.). || 137 Plin. nat. 10, 82 (v. c.). || Plin. nat. 10, 81 (v. c.). || Balde Phil. 6, 24 (= op. omn. 6, 200; v. c.). || 137 138 Balde Phil. 6, 19 21 (= op. omn. 6, 200; v. c.). || 138 Hor. ars 374 symphonia discors; Balde Med. glor. 9, 61 (= op. omn. 4, 399) et saep.; Brunner Nabuch. 47 (v. c.). || 140 cf. Balde Phil. 6, 23 24 (= op. omn. 6, 200; v. c.). 120 arbor P : arbos AB. || 133 æquabilis PA : æqualibus B. <?page no="47"?> 2.1 Text und Übersetzung 47 schmeichelnder Luft den Hain aus dem Schlaf weckt, dann müssen alle Schwestern wachen, rauschen süß mit bewegtem Laub und lassen den brüderlichen Ton unter dem Lachen des Zephyrus zurück schallen. Der bewegliche Baum wendet sich im Gespräch an HYMENAEUS, lauscht und nimmt jeweils [120] das Plappern des anderen auf. Man könnte meinen, das sei der Gesang, der auf dem Berg Helicon entstanden ist und den die neun Musen hervorgebracht haben, als Phoebus den Python brachte. Sie leben glücklich und in großer innerer Eintracht. Sie umsorgen und lieben einander und reichen sich gegenseitig die Arme. [125] Wenn aber der thrakische Orpheus im Vorbeigehen auf seiner Leier spielen würde, so wünschten sie gewiss bis in die tiefste Wurzel hinein, unter den Klängen der getischen Lyra zu tanzen und ihre Gicht zu vertreiben. Meinetwegen: Mag der rhodopeische Dichter auch nicht die Ohren mit seinem Lied rühren, wenn es nur wenigstens die rhodopeische Buhlerin tut. [130] Philomela singt hingezogen ein süßes Lied und verdient sich Ruhm damit; sie bemerkt selbst ihren Ruhm und will auch ihrerseits bemerkt werden. Wenn ihr zufällig einmal auf ihren Morgengruß hin Thalassius zuhört, so ruft er sie gleich in die Mitte. Bald nämlich erhebt sie ihre Stimme gleichmäßig in einem einzigen Zug, macht ihre wendige Kehle mit einem langen [135] Ton geschmeidig und lässt ihren Atem mühelos aus der Brust dringen. Bald kämpft sie und pariert mit schwierigen Rhythmen, dämpft sie, setzt sie ab, unterteilt sie und modifiziert eine ganze Menge. Indem sie das tut, erhebt sich eine vielgestaltige Symphonie. Wenn Hymen es fordert, gibt sie klare Züge reiner Luft [140] von sich, saugt die geschleuderten Töne wieder auf, macht sie innerhalb ihrer Kehle zurecht und prüft in der Stille ihr Lied, bis . <?page no="48"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 48 Delibrat, donec campo prorumpat aperto. Una eadémque canit toties distincta, venítque Obuia saepe sibi, nonnunquam aduersa, cadítque 145 Ac surgit, vocémque premit, vocémque coruscat. Quòd si festa Duces subeant connubia; nouit, Nouit et ipsa suos ad pompam augere tumultus. Erigitur sublime tuens, rostróque perorat Fusiùs: è Rostris credas praesagia dici. 150 Iámque ut Lympha sonat: quae cursus immemor arua [B 240] Radit, et inuentos diuexat rore lapillos. [A 43] Iam maiore modo turgens, viuentis ad instar Fluminis, Aonidum lapsus imitatur aquarum, Et sua Pegaseis stipat praecordia bullis. [P 5] 155 Iam pigri de more vadi, gemit intercisum; Et gemitus alia mox interpellat auena. Nonnunquam in duplices, dimisso simplice, ductus Emicat, et pleno tinnit constantiùs ore. Dant animos Sponsi. facundâ fluctuat aër 160 Temperie vocum; modulósque reciprocus urget, Singultúsque nouos reddit. nam gratia felix Suadet utrasque vices, et amant alterna Camoenae. Laudat HYMEN, meritaéque alas formosus inaurat. Caetera quid memorem miracula nobilis Horti? 165 Visuntur grati errores, tortique recessus Daedaleis manibus Labyrinthi flexibus errant. Quò neque pertingat Phaëthontis noxius error; Nec rabidos jaciat latrator Sirius ignes. Musarum Phoebíque locus melioris, et arcu 170 Deposito citharas, secretáque tecta petentis. Illic saepe canit. mox et pellucida Nais Aduolat, et vinci Siren arguta fatetur. ____________________ 143 145 et 150 155 Balde Phil. 6, 25 28 (= op. omn. 6, 200; v. c.). || 151 Petron. 131, 8 aquis errantibus amnis | spumeus ... vexabat ... lapillos. || 152 Stat. Theb. 9, 574 fluvio vivente et saep. (v. c.). || 159 Lucr. 6, 367 fluctuet aer. || 162 Verg. ecl. 3, 59 amant alterna Camenae. || 166 Ven. Fort. carm. 11, 11, 17 daedalicis manibus. || Catull. 64, 114 labyrintheis e flexibus. || 168 Lucan. 10, 211 212 rabidos qua Sirius ignes | exerit (v. c.). || 171 172 Stat. silv. 2, 2, 116 117 levis ... meliora ad carmina Siren | advolat. 148 tuens P : ruens AB. || 152 153 ad instar. | Fluminis P : ad instar | Fluminis A : ab instar | Fluminis B. || 159 Dant PA : Dans B. <?page no="49"?> 2.1 Text und Übersetzung 49 sie auf offenem Feld hervorbricht. Sie allein singt so oft auf verschiedene Weise, begegnet sich dabei oft selbst und kommt sich manchmal in die Quere, sinkt [145] und steigt, unterdrückt die Stimme und lässt sie brillieren. Wenn aber Fürsten eine feierliche Hochzeit begehen, so versteht auch sie sich darauf, ihren lauten Gesang beim Festzug zu steigern. Sie richtet sich auf, blickt in die Höhe und hält mit ihrem Schnabel eine ausführliche Rede - man könnte meinen, von den Schnäbeln werde die Zukunft prophezeit. [150] Bald klingt sie wie ein Wässerchen, das seinen rechten Lauf vergessen hat, über die Fluren streift und den Steinchen, auf die es trifft, mit seinem Nass zusetzt. Bald lässt sie den Gesang großartiger anschwellen wie ein beständig fließender Fluss, eifert den Fluten der aonischen Wasser nach und füllt ihre Brust dicht mit den Bläschen der Pegasusquelle. [155] Schon klagt sie stockend wie ein träges Gewässer und unterbricht bald darauf ihre Seufzer mit einer anderen Flötenweise. Manchmal lässt sie den einfachen Gesang beiseite, lässt einen zweifachen erschallen und trällert aus voller Kehle in einem fort. Die Brautleute machen ihr Mut. Von der beredten [160] Mischung der Stimmen wogt die Luft; sie wiederholt ihre Rhythmen drängender und erneuert ihr Schluchzen. Die schöpferische Anmut nämlich rät zu beidem und die Musen lieben den Wechsel. Der schöne HYMEN lobt es und vergoldet die Flügel des verdienten Vogels. Labyrinth (164 172) Was soll ich die übrigen Wunderdinge des vornehmen Gartens erwähnen? [165] Man besichtigt angenehme Irrgänge und die von den Händen des Daedalus verwickelten Biegungen irren in labyrinthischen Krümmungen umher, damit der verderbliche Irrgang Phaethons diesen Ort nicht erreicht und der Kläffer Sirius sein ungestümes Feuer nicht hierher wirft. Dieser Ort gehört den Musen und einem besseren Phoebus, der den Bogen [170] abgelegt hat und sein Saitenspiel und die abgeschiedene Überdachung aufsucht. Dort singt er oft. Bald eilt auch die Najade im durchscheinenden Gewand herbei und die Sirene mit heller Stimme gesteht ihre Niederlage ein. <?page no="50"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 50 Parte alia non est vetitum succedere soli. Quin inuitatur, quin inuitatus ab axe 175 Desilit, et radiis crines exsoluit honestis. Ac tantisper equis (quis enim haec astuta notabit Otia? ) detentis, nemoris petit arduus umbram. Aut talem inscribit buxo, reuolutáque monstrat Tempora, et angustat spatiosos aetheris orbes; 180 Caelestesque vias, cursúsque in margine signat. Nec gratis: ventrem raptis solatus anhelum Obsaturat pomis, artúsque in flumine fessos Abluit egelido: donec repetita Phlegontis Tergora conscendens, motis velociùs Horis 185 Neglectum compenset iter. Quà collis ad imam Vergit planiciem, stagnum natat, et vada torquet Frigida, Neptuno non despicienda jocanti. Fama est, in famuli obsequium descendere noctu [B 241] Saepiùs, et structo ripas defendere topho: 190 Inque lacu ingentem gyrare Palaemona piscem. [A 44] Nymphaeum lusura Thetis, canúsque frequentat Nereus, et circum gemini modulantur olores. Multiplicata stupet ductus per gaudia visus. [P 6] Scena viret, redolet myrtus, vindemia thyrsum 195 Occupat, et ducit nubentem pampinus ulmum. Vix nocturna queunt Satyrorum furta caueri: Tam dulces coniux è palmite procreat uuas. Indica cum patriis peregrináque germina certant. Sed superant fontes: quibus et Cytherea renasci, 200 Et tingi Galatea velit; nisi torua pudici Obstet cura Dei: neque enim hoc permiserit illis. Aere nouo plumbóque meant, variisque figuris Propelluntur aquae. mansuescunt colla draconum ____________________ 172 Stat. Ach. 1, 483 vinci ... fatetur; Claud. 3, 109. || 181 Balde Ecl. 22 (= op. omn. 4, 142) Nec gratis. || 182 183 Ov. met. 6, 353 abluere ... artus. || Verg. Aen. 8, 610 egelido ... flumine. || 186 Lucr. 6, 1142; 5, 488 de aequore camposque natantis. || 186 187 Ov. fast. 5, 644 remis ... torsit aquas de Euandro. || 191 192 Petron. 129 cani Nereos. || 195 cf. Catull. 62, 49 58 (v. c.). || 196 cf. Stat. Theb. 4, 695 696 Nocturnaque furta licentum | … et cupidas Faunorum arcebo rapinas. || 200 Stat. silv. 2, 2, 20 viridisque cupit Galatea lavari; Balde Batr. 1, 4, 41 (= op. omn. 3, 12) quo se malit Galatea lavare. || 200 201 cf. Claud. carm. min. 25, 41 42 niveas infecerit igni | … genas (v. c.). <?page no="51"?> 2.1 Text und Übersetzung 51 Der Sonnengott (173 185a) An anderer Stelle darf sich der Sonnengott wohl nähern. Nein, er ist sogar dazu eingeladen, springt von der Wagenachse [175] und löst das Haar von seinem stattlichen Strahlenkranz. Und während er unterdessen seine Pferde zurückhält (wer wird nämlich diese schlaue Ruhepause bemerken? ), sucht der hohe Gott den Schatten des Hains auf. Oder er schreibt einen solchen Schatten in die Buchsbaumpflanzung ein, zeigt die abgerollten Zeiten und verkleinert die gewaltigen Kreise des Äthers [180] und bezeichnet die himmlischen Wege und die Bahnen am Rand. Und das nicht umsonst: Seinen keuchenden Bauch labt er und füllt ihn mit Obst, das er sich rasch nimmt, badet auch seine müden Glieder im kühlen Fluss, bis er sich wieder auf den Rücken seines Phlegon setzt, die Horen zu rascherem Lauf antreibt [185] und den Weg, um den er sich nicht mehr gekümmert hat, wieder aufholt. Seebereich (185b 208a) Unten, wo sich der Hügel zur unteren Ebene hin neigt, wogt ein See und kräuselt seine kühlen Wasser, die auch ein Neptun, wenn er zum Scherzen aufgelegt ist, nicht verachten darf. Es geht das Gerücht, dass Palaemon nachts öfter zur Erfüllung seiner Dienerpflicht hinabsteigt, die Ufer durch das Aufschichten von Tuffstein befestigt [190] und im See mit seinem gewaltigen Fischleib seine Runden zieht. Thetis sucht das Brunnenhaus auf, um sich zu vergnügen, ebenso der graue Nereus, und um sie herum singen zwei Schwäne. Mit Staunen wird der Blick auf zahlreiche Sinnesfreuden gelenkt. Der Schauplatz ist grün, die Myrte duftet, der Wein [195] zieht sich über den Stängel und der Zweig des Weinstocks führt die Ulme ins Brautgemach. Nur mit Mühe lassen sich die nächtlichen Diebereien der Satyrn abwehren, so süß nämlich sind die Trauben, die die Gattin aus dem Zweig hervorbringt. Indische und fremdländische Gewächse treten gegen die einheimischen an. Schöner noch sind die Brunnen, aus denen auch Cytherea neu geboren [200] und mit denen Galatea benetzt werden möchte, wenn ihnen nicht der Ernst und Pflichteifer des anständigen Gottes entgegenstehen würde: Denn das erlaubt er ihnen ja wohl doch nicht. Aus neuem Erz und Blei kommt das Wasser hervor und wird von den verschiedensten Brunnenfiguren herausgestoßen. Zahm biegen sich die mit Zeichen gemusterten . <?page no="52"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 52 Interfusa notis. abiectâ fulminis alâ, 205 Pincernam Iouis ales agit, laticésque propinat. Hi fugiunt iterum. tremulus cincinnus in orbem Cogitur, assiduo renouans sua caerula lapsu. Mox sorbetur humo. Fors illas stabat ad undas Coniugii numen: cùm quae blandissima virgo est 210 Euphrosyne Charitum, subit, inque tenerrima verba. Nos modò jucundo fruimur jactantiùs aeuo, Túque magis. sed enim ingrati durique videmur: Qui patimur Viduum facientem haec otia nobis, Tot curis bellísque premi; nec blanda vicissim 215 Otia, nec nostri decus indulgemus amoris. Tunc Româ genitus: nimiùm Soror aurea Fratrem Instigas memorem. praeuenimus omnia vota. Imperii refert, id procurare, quod optas. Exulta: quem nos titulis veneramur et ostro, 220 BOICUS AUSTRIACAM SPONSAM SEPTEMVIR habebit. Votis annuimus tacitis. ea caussa mouebat Hoc totum lustrare nemus, fontésque ciere. Nunc buxum tondete manus, Noménque beatum Pingite: scribatur cunctis in floribus ANNA. 225 Virginis id nomen. cupient admittere sidus [B 242] Hoc omnes violae: cupient in fila secari; Huic Philomela canet, lymphaéque rosaéque micabunt. Stat mihi concordes semper coniungere dextras. [A 45] Praeteriit Maius, mensis felicior ardet. 230 Interea rapido cursu delapsa Viennam BOICA DIVA super, summo stetit aethere contra Caesareas arces. cesserunt nubila luci, [P 7] Aduentum testata Deae; pretióque Sabaeus ____________________ 203 204 cf. Claud. 5, 365 mansuescunt varii vento cessante dracones (v. c.). || 204 cf. Verg. Aen. 4, 643 644 maculisque trementis | interfusa genas; Prud. psych. 245. || Verg. Aen. 5, 319 fulminis ... alis et saep. || 206 Balde Batr. 1, 5, 35 (= op. omn. 3, 14; v. c.). || 220 cf. Claud. carm. 14, 37 Formosus Mariam ducit Honorius. || 221 Stat. Theb. 8, 253 tacito voto et saep. || 222 Cic. div. 1, 15 fontis et stagna cietis. || 224 Claud. 1, 278; Balde Templ. Hon. 63 (= op. omn. 8, 480; v. c.). || 225 226 Claud. 10, 249 250 Latet altera nodo | Nec teneris audet foliis admittere soles (v. c.). || 230 408 cf. Claud. 1, 73 173 et saep. (v. c.). || 232 233 cf. Lucr. 1, 6 7; Ov. fast. 4, 5 6; Claud. 10, 184 185 Adventu Veneris pulsata recedunt | Nubila. || 233 Claud. rapt. Pros. 1, 9 adventum testata dei; Dracont. 10, 175. || 233 234 cf. Balde Sylv. 7, 19, 31 32 (= op. omn. 2, 220) in Sabaea | ... aura et saep. <?page no="53"?> 2.1 Text und Übersetzung 53 Schlangenhälse. Der Vogel Iuppiters wirft den geflügelten Blitz weg, [205] macht den Mundschenk und serviert das Wasser. Dieses flieht schon wieder. Zitternd wird das gekräuselte Wasser in eine kreisförmige Bahn gezwungen und erneuert beständig herabfallend seine blaue Farbe. Bald wird es vom Boden aufgesaugt. Hymen und Euphrosyne (208b 229) Zufällig stand einmal an jenen Wassern der Ehegott, als die anmutigste Jungfrau [210] unter den Chariten, Euphrosyne, hinzutrat und in den zartesten Worten sagte: „Wir allein genießen ohne jede Rücksicht das angenehme Leben, und du noch mehr. Doch erscheinen wir dabei undankbar und gefühllos, wenn wir es zulassen, dass der Witwer, der uns diese Mußezeit bereitet, von so vielen Sorgen und Kriegen bedrängt wird. Und wir gewähren ihm im Gegenzug nicht [215] die angenehme Muße und die Zierde unserer Liebe.“ Darauf sagte der aus Rom gebürtige Hymen: „Beste Schwester, du ermahnst deinen Bruder, der das doch nur zu gut weiß. Deine Wünsche habe ich alle bereits erfüllt. Schon um des Reichs willen muss ich mich um das, was du erbittest, kümmern. Juble: Er, den wir mit Ehrentiteln und Purpur verehren, [220] DER BAYERISCHE KURFÜRST wird EINE ÖSTERREICHISCHE BRAUT haben. Wir haben den unausgesprochenen Wünschen stattgegeben. Das war der Grund, diesen ganzen Garten zu durchwandern und die Quellen sprudeln zu lassen. Jetzt, Hände, schneidet den Buchsbaum zu und malt den glücklichen Namen: Auf allen Blumen soll ANNA geschrieben stehen. [225] Das ist der Name des Mädchens. Alle Veilchen werden diesen Stern in sich aufnehmen und sich in Streifen schneiden lassen wollen. Ihr zu Ehren wird Philomela singen; die Gewässer und Rosen werden erstrahlen. Für mich steht fest: Immer will ich die rechten Hände, die in Eintracht vereint sind, verbinden. Der Mai ist vergangen, nun glüht ein glücklicherer Monat.“ Ankunft der Bavaria in Wien (230 249) [230] Unterdessen war die BAYERISCHE GÖTTIN im raschen Lauf über Wien herabgeschwebt und hat hoch im Himmel gegenüber der kaiserlichen Burg haltgemacht. Die Wolken sind dem Licht gewichen und haben so die Ankunft der Göttin bezeugt. Ein sabäischer Regen, im Wert über . <?page no="54"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 54 Plus quàm mortali vestigia prodidit imber. 235 Currus Eleusinus: duo quem traxere leones, Maiores illo, qui stellis additus axem Perfurit, et longo rugitu sidera terret. Adde: quòd et mites. nam liber utérque lupato, Ante fores lasciuit humi. securus ad antrum 240 Rictus accedas. frons ardua frugibus albet Maturis. oculus gratâ perfulgurat irâ. Pulsat cauda solum: transmittunt aëra malae, Voluitur aurato Getula in vellere moles. At Dea secretam gressum promouit in Aulam. 245 Interiore polo, dignáque in sede recepta Substitit, et prono vultu libauit honorem, AUSTRIACI gauisa IOVIS contingere dextram. Exhilarans animosa genas, dein talia fatur. Si genibus questura tuis affunderer, et me 250 Urgeret moestam duri sententia fati: Non hoc conspiceres velatam, CAESAR, amictu. Alteráque atratos temeraret Synthesis artus. Nunc alios suadet triplex mihi GRATIA cultus, Versáque Fortunae facies meliore metallo. 255 Expertum est, nec laeta diu, nec acerba manere. Quid tribus his annis ad nostram defuit urnam Exitiique luem? Siculi tormenta tyranni ____________________ 236 Hor. carm. 2, 19, 13 14 additum | stellis honorem. || 239 240 Ter. Maur. 133 sub oris antro; Sidon. epist. 9, 13, 5, 79 antra palati; Greg. Tur. virt. Mart. 4, 2. || 240 Nemes. cyn. 245 ardua frons. || 243 Verg. Aen. 5, 351 Gaetuli ... leonis; Hor. carm. 3, 20, 2. || 244 Prud. Ham. 736 gressum promoverit. || 245 Stat. Theb. 1, 199 interiore polo (v. c.). || 246 Stat. silv. 3, 3, 177 prono ... vultu. || Verg. Aen. 1, 736 laticum libavit honorem; 4, 207 Lenaeum libat honorem (v. c.). ||248 Balde Magn. Till. 236 (= op. omn. 8, 304) dein talia fatur. || 249 Homer. 19 genibusque affusus Atridae; Stat. Theb. 3, 686; Claud. rapt. Pros. 1, 50 51; Balde Batr. Usus 4 (= op. omn. 3, 138) genibus affusa Roma ... moesta precabatur. || 250 Sen. Med. 431 O dura fata; Tro. 1056. || 252 cf. Claud. 8, 126 membraque vestitu temerata (v. c.). || Mart. 2, 46, 4 innumeris ... synthesibus et saep. apud Mart.; Batr. 3, 8, 24 25 (= op. omn. 3, 37 38) niveo vincit candore ligustra | Synthesis; Batr. Usus 1 (= op. omn. 103 104) candida synthesis liliorum. || 253 Claud. carm. min. 25, 8 9 triplexque ... | ... Gratia (v. c.); Balde Sylv. 6, 1, 20 (= op. omn. 2, 159) triplex ... Charis. || 254 cf. Ov. met. 1, 89 150; Claud. 22, 446 447; 22, 454 melioris saecla metalli; 7, 184 Saecula qui (scil. fratres) rursus formant meliore metallo; Balde Pud. Styl. Stat. 28 formatos Titan meliore metallo ... subvexerat annos. || 255 Balde Van. 4, 25 (= op. omn. 7, 23) expertum est, durare nihil, subsidere cuncta; cf. Cic. div. 2, 109 varietas, quae est propria fortunae. <?page no="55"?> 2.1 Text und Übersetzung 55 allem Irdischen, hat ihre Schritte sichtbar gemacht. [235] Der Wagen ist eleusinisch; ihn zogen zwei Löwen, größer als jener, der unter die Sterne versetzt den Himmel durchrast und mit seinem langgezogenen Brüllen die Gestirne erschreckt. Außerdem sind sie auch zahm. Denn beide schäkern ohne Zaum vor der Tür auf dem Boden. Ohne Gefahr kann man an ihren tiefen [240] Rachen herantreten. Die hohe Stirn leuchtet hell von reifem Getreide. Im Auge blitzt anmutig der Zorn. Der Schwanz schlägt auf den Boden, die Backen pusten die Luft aus und der gätulische Riesenleib wälzt sich im goldenen Fell. Die Göttin aber hat ihren Schritt in eine abgetrennnte Halle gelenkt. [245] Im inneren Himmelsbereich und an würdigem Ort empfangen, ist sie stehengeblieben, hat mit geneigtem Gesicht ehrenhalber einen Handkuss gegeben und sich gefreut, die Rechte des ÖSTERREICHI- SCHEN IUPPITER zu berühren. Beherzt zeigt sie eine heitere Miene und spricht dann folgende Worte: Rede der Bavaria (249 367) „Wenn ich mich an deine Knie schmiegte, um zu klagen, wenn mich [250] der Spruch eines harten Schicksals bedrängte und betrübte, so sähest du, mein KAISER, mich nicht in diesen Mantel gehüllt. Und ein anderes Gewand ließe meine Glieder schwarz erscheinen und verunstaltete sie. Jetzt raten mir die drei GRAZIEN zu anderem Schmuck und das Schicksal, dessen Antlitz die Farbe eines besseren Metalls angenommen hat. [255] Die Erfahrung zeigt, dass weder Glück noch Bitternis lange Bestand haben. Was hat diesen drei Jahren noch gefehlt, um uns ins Grab zu bringen und uns völlig zu vernichten? Besser wäre es gewesen, die Folterwerkzeuge des sizilischen Tyrannen und den, wie der Erbauer erwies, heißen Stier auf . <?page no="56"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 56 Profuerat, calidúmque Fabro monstrante juuencum In nostro sensisse foro. vis, arma, cometae, 260 Sanguinei nimbi, lapides, incendia, bustum, Ut ne cuncta querar, deformauere venustam. Ac nisi coniunctis mecum Soror AUSTRIA peltis, Instar Amazonidum, medios pugnasset in hostes: [B 243] Quo nunc in tumulo, qua nunc in nocte jaceret 265 Imperii decliue chaos? fera bella fatemur, Expauítque nefas Orbis vertendus in ignem. Semper summa timent. et Rex Saturnius olim [A 46] Anguipedum sensit furias, domuítque Gigantes Sulphur, et in cineres fumantia membra redegit. 270 Sed Diui iuuere simul. metuendus acutis Gradiuus gladiis, hasta Tritonia Pallas [P 8] Te quoque (nam dulce est animo meminisse malorum) Non una Enceladi rabies Titania, Nostrum Inuasere IOVEM. cùm iusta oracula legum 275 Mandares: tumuere alii, saeuísque nocentum In coniuratos stimulis abiere furores. Dentis opus poterat, Cadmíque armata videri Messis, et in iugulum segetes saeuire paratae, ____________________ 257 258 Claud. 15, 186 188 Phalarim tormentaque flammae | Profuit (praefuit, praestitit edd.) et Siculi mugitus ferre iuvenci | Quam tales audire choros. || 258 Claud. 18, 163 166 tormentorumque repertor ... Primus inexpertum Siculo cogente tyranno | Sensit opus docuitque suum mugire iuvencum. || 259 cf. Balde Lyr. 2, 26, 18 24 (= op. omn. 1, 88). || 260 cf. Ov. met. 15, 788 inter nimbos guttae ... cruentae; Stat. Theb. 7, 408; Claud. 18, 4 5. || cf. Liv. 1, 31, 2 lapidibus pluuisse. || 262 cf. Verg. Aen. 1, 490; Claud. rapt. Pros. 2, 62 63. || 263 cf. Verg. Aen. 11, 659 663. || Rhet. Her. 4, 44, 57 in hostis ... medios; Caes. Gall. 7, 50, 5; Balde Mus. Neob. 6, 50 (= op. omn. 3, 214) In medios ... curram ... Gothunnos. || Sall. Cat. 52, 30 in hostem pugnaverat. || 266 Lucan. 4, 556 expavit ... nefas; 10, 453. || 267 cf. Hor. carm. 2, 10; Sen. dial. 10, 17, 3 maxima quaeque bona sollicita sunt. || 267 271 cf. Ov. met. 1, 151 162; Balde Batr. 3, 12, 6 17 (= op. omn. 3, 41); Bisselius (v. c.). || 269 Pers. 2, 24 25 ilex | sulpure discutitur sacro. || Hier. epist. 121, 2 p. 857 redegit in cinerem. || 271 cf. Claud. carm. min. 54, 79 80 et 93 (v. c.). || 272 Verg. Aen. 1, 203 forsan et haec meminisse iuvabit; Sen. Herc. f. 656 657; Claud. 26, 207 208; Erasmus Adag. 2, 3, 43 et 4, 9, 27. || Ov. met. 12, 542 meminisse malorum. || 277 278 cf. Ov. met. 3, 1 130; Claud. 21, 321; Balde Regn. Poet. 9 11 (= op. omn. 3, 278) rigidâque indagine cinctum | Bucquoium metuenda seges, uelut altera Cadmi | Stipat; Balde Christ. et Cupido fol. 25. || Prop. 2, 31, 12 Dentis opus pro ebure; Ovid Pont. 4, 9, 28. || 278 Lucan. 10, 394 395 ite ... in iugulum. 271 Gradiuus P : Gradivus A : Gradivum B. <?page no="57"?> 2.1 Text und Übersetzung 57 unserem Marktplatz gespürt zu haben. Gewalt, Waffen, Kometen, [260] blutige Regen, Steine, Brände und Gräber - um nur über einiges zu klagen - entstellten meine Schönheit. Und wenn nicht meine Schwester AUSTRIA ihren Schild mit dem meinen vereint hätte und sich wie eine Amazone mitten in den Kampf gegen die Feinde gestürzt hätte, in welchem Grab und in welchem nächtlichen Dunkel läge jetzt nicht das [265] gestürzte, wirre Reich? Grausam waren die Kriege, von denen wir berichten, und die Welt, die in Flammen aufgehen sollte, erschrak vor dem Frevel. Das Höchste muss immer bangen. Auch der saturnische König bekam einst die Raserei der Schlangenfüßler zu spüren, sein Schwefelblitz bezwang die Giganten und äscherte die rauchenden Glieder ein. [270] Aber zur selben Zeit halfen die Götter, der furchtbare Gradivus mit seinen spitzen Schwertern und die tritonische Pallas mit ihrem Speer. Auch dich, unseren IUPPITER (süß ist es nämlich, sich an die Leiden zu erinnern), griff nicht allein Enceladus in seinem titanischen Rasen an. Während du noch gerechte Edikte verkündetest, [275] schwollen andere auf und die Raserei ging auf die Mitverschwörer der Unheilstifter über, indem sie diese wild aufstachelte. Das Werk des Zahns, die bewaffnete Ernte des Cadmus und die Saaten glaubte man zu sehen, die bereit waren, einem . <?page no="58"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 58 In culmo clangente tubâ. redeamus in aeui 280 Speluncam, et lapsos reuocemus mentibus annos. Nempe quibus PRINCEPS MEUS (inclinauit et ipsa Immortale caput) nostro non MAXIMUS Orbi Visus, cessauit partis velare trophaeis Laurigeras Aquilas? Ex quo Brumalia Fusco 285 Sceptra dedit Iuueni, titulo Fortuna negato, Crudelem lusura jocum, lachrymásque datura E glacie: MEUS ille MEUS se immiscuit armis, Albaníque iugum sordenti sanguine montis Victor inundauit. profugos Moldauia mersit. 290 Dissecuit ferrum stantes. quod Stella propinqui Spectauit nemoris, concussáque moenia Pragae. Inde alius, sempérque nouus, cum turbine miles Incubuit terris. unius stirpe recisa, Alter successit coti, chalybémque momordit. 295 Tilliacas acies, flauarum signa jubarum Inferiora tuis equidem: tamen aspera sensit Saucius, et toties sua fractus in ossa Rebellis. Flammigerae Volucri nullius saeuiit ira, Cuius non etiam contortas BOICUS hastas 300 Debuerit lacerare LEO. Turlacia plaustra [B 244] Rupimus, et rigida munitas cuspide syluas Obruimus fossis. absorpta Badensis hiatu Machina, compleuit disiectis falcibus Orcum. Auspiciis haec gesta tuis. tu classica nobis, 305 Tu vires animósque dabas, nos strinximus enses. ____________________ 279 Val. Fl. 3, 349 clangente tuba; cf. Balde Poes. Osc. 38 (= op. omn. 6, 386) et Jephth. 5, 3, 18 (= op. omn. 6, 148; v. c.). || 279 280 cf. Claud. 22, 444 450. || 282 283 cf. Balde Fam. Laur. 6 7 (= op. omn. 3, 255) Nostri Dux MAXIMUS Aevi | AEMILIANUS erit. || 286 cf. Hor. carm. 3, 29, 49 50; Iuv. 3, 39; Claud. 18, 24 25 Quaenam ista iocandi | Saevitia? || 287 Stat. silv. 5, 5, 69 meus ille meus. || 289 Balde Lyr. 2, 3, 67 68 (= op. omn. 1, 60) Frustraque nitenteis reverti | Mergit equos equitesque Molda; Fam. Laur. 17 18 (= op. omn. 3, 255); Regn. Poet. 39 40 (= op. omn. 3, 285). || 290 cf. Balde Eleg. Var. 31, 22 23 (= op. omn. 5, 326) tot caesa virorum | Corpora Stella videt; Balde Lyr. 2, 3, 9 11 (= op. omn. 1, 58). || 294 Lucan. 6, 398 primus chalybem ... momordit. || 297 Stat. Theb. 6, 271 frangit in ossa leonem (v. c.); Balde Sylv. 1, 9, 36 (= op. omn. 2, 15) Fregit in ossa patrem et saep. || 300 301 cf. Balde Magn. Till. 34 (= op. omn. 8, 31) et Fam. Laur. 58 59 (= op. omn. 3, 256); v. c. || 301 cf. Balde Magn. Till. 142 (= op. omn. 8, 120; v. c.). || 302 cf. Balde Lyr. 4, 1, 50 52 (= op. omn. 1, 190; v. c.). || 304 Claud. 7, 88 (v. c.). || 305 Val. Fl. 1, 243 vires animosque; Mart. 8, 73, 3. <?page no="59"?> 2.1 Text und Übersetzung 59 wütend an die Kehle zu springen, als die Kriegstrompete inmitten der Halme schmetterte. Gehen wir zurück in [280] die Höhle der Zeit und rufen wir uns die verflossenen Jahre ins Gedächtnis. MEIN FÜRST“, dabei senkte sie sogar selbst ihr unsterbliches Haupt, „hat wirklich während der Jahre, in denen er in unserem Land nicht als der GRÖSSTE erschien, gezögert, deine lorbeertragenden Adler mit seinen errungenen Trophäen zu behängen? Seitdem Fortuna dem dunklen Jüngling [285] die Szepter für einen Winter gegeben hatte, ohne ihm den Titel zu vergönnen, um so ihren grausamen Scherz mit ihm zu treiben und ihn Tränen aus Eis weinen zu lassen, mischte sich MEIN Fürst, ja MEINER, in die Waffenkämpfe und übergoss bei seinem Sieg das Joch des Weißen Berges mit schmutzigem Blut. Die Flüchtigen versenkte die Moldau. Diejenigen, die aushielten, [290] zerschlug das Eisen. Stella im benachbarten Hain musste dabei zusehen, und auch die erschütterten Mauern Prags. Seither warfen sich immer andere, immer neue Truppen wirbelnd auf die Länder. War der eine Stumpf abgehauen, nahm ein anderer die Stelle des Wetzsteins ein und biss auf das Eisen. [295] Verletzt und oft genug bis auf die Knochen vernichtet, bekam der Rebell die Truppen Tillys und die Feldzeichen mit den goldenen Löwenmähnen zu spüren, die, obwohl sie von den deinen noch übertroffen wurden, dennoch bitter waren. Keiner wütete zornentbrannt gegen den Flammen tragenden Vogel, ohne dass seine geschleuderten Lanzen nicht auch der BAYERISCHE [300] LÖWE zertrümmern musste. Die Wagenburg Durlachs haben wir aufgebrochen und in Gräben haben wir die mit starren Spießen bewaffneten Wälder verscharrt. Die Kriegsmaschinerie des Badeners wurde in den klaffenden Abgrund gezogen und füllte den Orcus mit den zerstreuten Sicheln. Das ist unter deinen Auspizien geschehen. Du gabst uns Kriegssignale, [305] Kraft und Mut; wir haben die Schwerter gezückt. Auch der cimbrische Sumpf ….. <?page no="60"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 60 Cimbrorum quoque clausa palus, et vincta catenis [A 47] Torpuit à tabo. tenuere obiecta furentem Claustra: procelloso ne posset militis aestu Exundans, veluti Nilus, stagnare per urbes. 310 Atque utinam paribus mare fraenassemus habenis [P 9] Balthicum, et immanem Phocam, quae prodiit illo Gurgite, cornigeri sorbentem flumina Rheni. Scilicet id clades, et publica Fata vetabant. Iámque aderat Suecus: quem dissimulatus et ora 315 Et crinem barbámque Charon, vectabat eâdem, Qua vehit horrendos manes et funera cymba. Ille Lyco exhausto tendebat ad ostia magni Danubii, totis bibiturus fontibus Oenum. DUX Meus infandum scelus et crudele notauit, 320 Damnauítque sitim. non si Balaena fatiscat Inquit, et abruptis effundat viscera costis; Improba munitum squamis inciderit Istrum. Opponat latus Anglipolis, faucésque retundat Ignibus obiectis. iam nos praeuertimus astum; 325 Concedétque meis Antiqua Tiberia votis. Nos Aquilo pulset. dum CAESAR et AUSTRIA viuat. Sit tanti virtus. Ex illo tempore quantos Sustinui fluctus? quo non demersa profundo? Quid tale abductae quondam timuere Lacaenae? 330 Decussae capiti turres: sulcatáque ferri Supplicio faciem, prope capta trahebar Adolpho. Dis nata à Gottho. qui luxuriante malorum Maiestate ferox, amplexus gaudia nostri, Barbarus audebat Scythico promittere lecto. 335 Addebat iam Leno minas; et quidquid acerbum Vel graue blanditiis, vel formidabile luctu, ____________________ 309 cf. Verg. Aen. 2, 496 499; 9, 30 34; Balde Poes. Osc. 38 (= op. omn. 6, 386) et saepius (v. c.). || 310 311 cf. Ov. met. 1, 280 fluminibus ... totas inmittite habenas. || 322 cf. Stat. Theb. 5, 517 squamisque incisus adaestuat amnis (v. c.). || 325 Balde Magn. Till. 78 (= op. omn. 8, 67) antiqua Tiberia votis. || 332 333 Stat. Theb. 7, 478 magna cum maiestate malorum (v. c.). || 333 334 cf. Balde Epod. 1, 43 (= op. omn. 1, 262; v. c.). 326 viuat P : vivant AB. || 336 337 luctu, | Abdidit P : luctu. | Abdidit A : luctu, | Addidit B; sed custos in editione B positus indicat abdi-. <?page no="61"?> 2.1 Text und Übersetzung 61 wurde abgeriegelt und, in Ketten gelegt, starrte er vor vergossenem Blut. Den Rasenden hielten die Schranken in Schach, die wir ihm entgegenstellten, damit er seine Soldaten nicht stürmisch aufwallen lassen und sich überschwappend wie der Nil über die Städte ergießen konnte. [310] Und hätten wir doch mit gleichen Zügeln das baltische Meer und die gewaltige Robbe gezähmt, die diesem Strudel entstieg und die Fluten des hörnertragenden Rheingottes aufsaugte. Freilich, das verhinderten die Niederlagen und das allgemeine Schicksal. Und schon war der Schwede da; ihn setzte Charon, der sich Gesicht, [315] Haar und Bart unkenntlich gemacht hatte, mit demselben Kahn, mit dem er auch die schauerlichen Totenseelen und die Leichen fährt, über. Nachdem er den Lech ausgetrunken hatte, hielt er auf die Mündung der gewaltigen Donau zu mit dem Ziel, das Wasser des Inn aus allen seinen Quellen zu trinken. Mein FÜRST bemerkte das unsägliche und grausame Verbrechen [320] und verurteilte den Durst. Er sprach: ,Auch nicht, wenn der Walfisch aufplatzt und seine Eingeweide aus den zerborstenen Rippen hervorquellen lässt, kann der Schändliche mit seinem Schuppenleib die befestigte Donau aufhalten. Ingolstadt soll ihm die Flanke entgegenhalten, Feuer entgegenschleudern und den Gierschlund zurückwerfen. Schon sind wir der List zuvorgekommen, [325] und das alte Regensburg wird sich meinen Wünschen fügen. Soll uns doch der Nordwind entgegenwehen. Solange nur der KAISER und ÖSTERREICH leben! ‘ So viel soll mir die Tugend wert sein! Welch gewaltige Fluten habe ich seit jener Zeit ausgehalten? In welche Tiefe bin ich nicht getaucht? Was dergleichen haben einst die entführten Spartanerinnen gefürchtet? [330] Vom Haupt wurden mir die Türme geschlagen und im Gesicht zerfurcht vom Martereisen wurde ich beinahe gefangen und für Adolphus verschleppt. Ich, eine Tochter der Götter, von einem Goten! Dieser Barbar wagte es, rasend geworden durch die schwelgerische Pracht seiner Schandtaten, die Freude an unserer Umarmung seinem skythischen Bett zu versprechen. [335] Schon fügte der Verführer Drohungen hinzu. Und alles Bittere, das entweder wegen der Schmeicheleien schwer zu er- . <?page no="62"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 62 Abdidit insidiis tristis clementia Sueci. [B 245] Sed vicit tua sors, CAESAR, fortunáque nostra Te saluo rediit. cumulauit victima sensum 340 Laetitiae: quod te viuente receperit hastam Pectoris obnixu, trabeati Bestia colli. Eruimus ferale nefas, clausásque sub antro Immansueti animi, solerti indagine, mortes. Principis unius felix sapientia vicit. [A 48] 345 Te propter gelidas hyberno sidere noctes Extraxit, vidítque vigil tardare Booten. Te propter rapidos soles tolerauit in armis, Intrauítque casas, et nulla umbracula fixit. His meritis Unum, vel si quid apertius, UNAM [P 10] 350 Sollicito, quiddámque mihi regale paciscor. Nec mea vota moror. qui tot seruauerat urbes; Hannibalésque nouos rimatus mente sagaci, E media rapuit non unum clade Saguntum: MURALEM poterat forsan sperare Coronam: 355 Quíque Ratis - fragmenta - Bonae statione recepit; ____________________ 337 cf. Balde Lyr. 2, 26, 27 29 (= op. omn. 1, 88; v. c.). || 340 cf. Balde Fam. Laur. 100 101 (= op. omn. 3, 258) nisi LANCEA torta | Hausisset lustrale latus, letóque dedisset; Balde Lyr. 2, 13, 109 110 (= op. omn. 1, 73) Dixit: & contra meditatus ictum, | Qua potest, tota latus hausit hastâ. || 341 de Wallenstein Balde Fam. Laur. 97 (= op. omn. 3, 257) BESTIA; Balde Lyr. 2, 13, 116 (= op. omn. 1, 73). || 342 Verg. Aen. 2, 585 586 extinxisse nefas ... | laudabor; Stat. Theb. 1, 646 mortale nefas; Theb. 7, 514. || 343 Balde Med. Glor. 22, 50 (= op. omn. 4, 436) solerti indagine. || 344 Iuv. 13, 187 189 felix ... sapientia. || 345 348 Claud. 21, 122 124 Quotiens sub pellibus egit | Edonas hiemes et tardi flabra Bootae | Sub divo Riphaea tulit; Balde Claud. Regn. Poet. 42 47 (= op. omn. 3, 282) de Tillio Hibernas quoties brumali sidere noctes | Pertulit acclinis clypeo? tardúmque Booten | Obuertente polo, primùm numerare phalangem | Visus ... | In campis rapido quotiens Hyperione tostus | Ebibit acre iubar rectus? || 345 Lucan. 5, 408 hiberno sidere. || 345 346 Luc. 4, 200 extrahit insomnis ... noctes. || 347 Catull. 66, 3 rapidi solis; Verg. georg. 1, 92 rapidi ... solis. || 348 Claud. 21, 158 tentoria fixerat. || 352 Lucr. 1, 1022; 5, 420; Balde Magn. Till. 8 (= op. omn. 8, 13) sagaci mente. || 353 cf. Claud. 23, 21 22 noster Scipiades Stilicho, quo concidit alter | Hannibal antiquo saevior Hannibale. || 354 cf. Claud. 24, 75 76 At tibi quae poterit pro tantis civica reddi | Moenibus? aut quantae pensabunt facta coronae? || 355 cf. Enn. ann. 609 cere - comminuit - brum; Verg. Aen. 1, 412; cf. Scaliger Poet. libr. VII 4, 40; Balde Tab. 25, 33 (= op. omn. 4, 460) et Sylv. 7, 14, 82 (= op. omn. 2, 208); Bisselius Aestiva 1, 24 p. 143 Atque Ratem fulgor verberet iste Bonam. || Sil. Ital. 6, 685 686 lacerae ... fragmenta ... | classis. || Ov. epist. 7, 89 fluctibus eiectum tuta statione recepi. 351 Mec P : Nec AB. <?page no="63"?> 2.1 Text und Übersetzung 63 tragen oder wegen des Jammers zu fürchten war, verbarg die schreckliche Milde des Schweden listig. Doch dein Los siegte, KAISER, du bliebst unbeschadet und auf unserer Seite kehrte das Glück zurück. Ein Schlachtopfer steigerte noch das Gefühl [340] der Freude: Die Bestie mit dem Prunkmantel am Hals stürzte nämlich mit der Brust in die Lanze und nahm sie in sich auf, während du am Leben bliebst. Wir haben den tödlichen Frevel mit geschickter Untersuchung ans Tageslicht gebracht und die Mordgedanken, die tief unten in der Höhle seines ungezähmten Geistes verborgen waren. Die glückliche Weisheit eines einzigen Fürsten trug den Sieg davon. [345] Deinetwegen zog er eisige Nächte unter dem winterlichen Gestirn in die Länge und sah wachend, wie der Bootes seinen trägen Lauf nimmt. Deinetwegen ertrug er in Waffen die versengende Sonnenhitze, suchte einfache Hütten auf und ließ sich keine Sonnenschirme aufstellen. Für diese Verdienste fordere ich nur eines, oder - um es noch deutlicher zu sagen - EINE, [350] und ich bedinge mir etwas Königliches aus. Ich will meine Wünsche nicht länger hinauszögern: Wer so viele Städte gerettet hat und, indem er die neuen Hannibale mit seinem scharfen Verstand aufspürte, nicht nur ein einziges Sagunt mitten aus dem Verderben gerissen hat, der hätte vielleicht auf eine MAUER-Krone hoffen können. [355] Wer die Trümmer des Regensburger Schiffs im Hafen aufnahm, hätte eine SEE- . <?page no="64"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 64 NAVALEM è rostris. Sed tu concede IUGALEM, Et satis est. talem neque Roma aspexerit unquam; ET MEUS hoc pretium cupiet DUX VIRGINIS esse. ANNAM, DIVE PARENS, illi deposcimus, ANNAM. 360 Per te, pérque tuos; per méque, meósque triumphos Obtestor; patiare cani Socer: ille meretur Esse Gener. quid opus multis contendere? Mater Olim nostra fuit: reddatur Filia nobis. In fontem redeat sanguis. volet ipse redire. 365 Iam promisit HYMEN, nostro qui degit in Horto: Atque recedenti, nihil ambige, dixit: amabit Quam petis. in teneros abeunt suspiria sensus. Sic Dea: sic contra placidis sermonibus orsus JUPPITER AUSTRIACUS. Scimus discrimina rerum; 370 Et noua Theutonicae memorata piacula Phlegrae, In nos sacrilego surgentia vidimus ausu. Sed damnata luunt. si quis superesse Tiphoeus Ardeat, ardebit. Caussae nos fidimus isti, Quam Deus ipse probat; tot fortia pectora, toto 375 Pectore defendunt. Non sum deuinctior ulli, [B 246] Quàm TIBI, quámque TUO, pro me tot bella gerenti Non delenda DUCI. Sciet hoc Victoria Virgo. Id quoque testatum transmisso fecimus OSTRO, Inque VIRIS SEPTEM socium dignanter Honoris 380 Summi censuimus. námque hoc meruere profunda Consilia, aetheriúmque iubar, quod mente refulget. Insuper è nostra natam JUNONE, tuáque, [A 49] Offerimus SPONSAM. CONIUX SIT PRINCIPIS ANNA. Acceleret. Dixit, vultúmque ad sidera torsit. ____________________ 364 Claud. 13, 5 6 tractus ab aula rursus in aulam | redeat sanguis. || 367 Balde Batr. 3, 11, 8 (= op. omn. 3, 40) teneros sensus. || 368 369 Verg. Aen. 12, 806 807 sic Iuppiter orsus | sic dea ... Saturnia; Claud. 15, 320 321; Balde Pud. Styl. Virg. 54 55 (= op. omn. 3, 315) Talibus effata est Genoessa; ac talibus orsus | Est contra Genitor. || 378 Balde Pan. Equ. 108 (= op. omn. 3, 159) transmissi ... auri. || 380 381 Ps.-Quint. decl. 2, 14 profundum ... consilium. || 384 Stat. Theb. 9, 453 tollens ad sidera vultus; Sil. 6, 101. 371 In nos sacrilego surgentia vidimus ausu P : In nos sacrilegis surgentia vidimus armis AB. || 373 Ardeat P : Audeat AB. || 383 CONIVX P : CONJUX A : COMJUX B. <?page no="65"?> 2.1 Text und Übersetzung 65 Krone aus Schiffsschnäbeln erwarten können. Du aber gestehe ihm die HOCHZEITS-Krone zu, und ich bin damit zufrieden. Eine solche hat wohl auch Rom niemals gesehen. Und der MEINIGE wird dies als Belohnung verlangen, FÜRST einer JUNGFRAU zu sein. ANNA, GÖTTLICHER VA- TER, ANNA fordern wir für ihn. [360] Ich flehe bei dir selbst und bei deinen Triumphen, bei mir und den meinen, dass du es zulässt, als Schwiegervater besungen zu werden - jener verdient es, Schwiegersohn zu sein. Was braucht es vieler Worte? Die Mutter gehörte einst zu uns; die Tochter soll uns wiedergegeben werden. In die Quelle kehre das Blut zurück. Es wird selbst zurückkehren wollen. [365] HYMEN hat es schon versprochen, der in unserem Garten lebt, und er sagte mir - zweifle nicht! - bei meiner Abreise: ,Sie, um die du bittest, wird ihn lieben. Seufzer werden zu zarten Gefühlen.‘“ Iuppiters Antwort (368 384) So sprach die Göttin. So aber begann der ÖSTERREICHISCHE IUPPITER in sanften Worten: „Wir wissen, wie gefährlich die Lage ist, [370] und haben gesehen, wie sich die von dir erwähnten neuen Verbrechen der deutschen Phlegra gegen uns in gottlosem Wagnis erhoben haben. Aber nun büßen sie, was wir verurteilt haben. Wenn einer darauf brennt, noch weiter ein Typhoeus zu sein, so wird er brennen. Wir vertrauen auf die Sache, die Gott selbst gutheißt; so viele tapfere Herzen verteidigen sie von ganzem [375] Herzen. Niemandem bin ich verbundener als DIR und DEINEM FÜRSTEN, der für mich so viele unvergängliche Kriegstaten geleistet hat. Die jungfräuliche Victoria wird das wissen, und wir haben es auch durch die Übertragung des PURPURS bezeugt und uns dazu verstanden, ihn unter die SIEBEN MÄNNER als Genossen [380] der höchsten Ehre aufzunehmen. Das nämlich haben ihm seine tiefgründigen Ratschläge und der Sternenglanz, der aus seinem Geist widerstrahlt, eingebracht. Außerdem bieten wir ihm die Tochter meiner und deiner IUNO als VERLOBTE an. DIE GATTIN DES FÜRSTEN SOLL ANNA SEIN. Er soll sich beeilen! “ Sprach’s und wandte sein Haupt zu den Sternen. <?page no="66"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 66 385 Confestim strepuere Lares, dulcíque tumult Icta, flagellatis nutauit postibus Aula. Indicium choreis muri plausere futuris. Iámque super MARIAM ningebat floribus albis, [P 11] Mixtáque odorata de nube ligustra cadebant, 390 In nimbi tumefacta modum. Sed et ipsa beatae Conscia laetitiae, Superûm praecordia, dulces Effudere iocos. nam mutauêre colores, Affectu dictante nouis. placuisse volebat Non sibi, sed simili Quaeuis. niuibúsque rosísque 395 BOICA se sparsit: Virgatis AUSTRIA Rhombis Processit. teneri ingenium risere lepores. Inque vicem sese mirè alternantibus odis Compellant. Tu nostra Soror: Iam tu quoque Mater. Tu diuina Nurus: Tu Socrus. Tu mea Lux es; 400 Túque Oculus. Generum tu nostrum abitura saluta. Tu valedic Socero: nam festinamus abire. Talibus argutant. iunctos arcana Leones Inuasere etiam calefactis gaudia fibris. Usque adeò mulcere iubas, et terga dederunt 405 Attrectanda manu. Quibus ad pilenta reductis, Et circumfusum findentibus aëra longis Tractibus, arrecto patriam temone subiuit, Nubibus aequatas arces, eductáque templa. Fama volat, procerésque docet populúmque Thalia 410 Connubiale Sacrum, Myrtúsque et Taeda paratur. Et quacunque fluit rixantibus Isara ripis; Nereidum studio celebres narrantur amores. [B 247] Quaeque comas vitreo distinguit pectine Nympha, Et molli musco, glaucísque obsessa lapillis, 415 Gestit in aduentum SPONSAE formosa videri. Ipse Pater renouat fontes, urnámque superbo ____________________ 385 386 Stat. Theb. 1, 516 517 vario strepit icta tumultu | regia.|| 386 Balde Templ. Hon. (= op. omn. 8, 480) ab imo flagellatis TEMPLVM quateretur columnis. || 400 cf. Plaut. Curc. 203 ocule mi. || 409 Verg. Aen. 3, 121 fama volat et saep. || Val. Fl. 5, 405 proceres ... populosque; Claud. 24, 1 populi ... procerum. || 416 417 cf. Claud. 20, 172 aurata Pactolus ... urna. 393 nouum P : novis AB. || 402 403 Leones. | Inuasere PAB. || 410 & Tæda PA : ad Tæda B. <?page no="67"?> 2.1 Text und Übersetzung 67 Festfreude in Wien (385 408) [385] Sofort lärmten die Laren, die Türpfosten wurden erschüttert und der Palast wankte, vom angenehmen Getümmel erregt. Die Mauern klatschten Beifall und deuteten damit künftige Reigen an. Und schon schneite es über MARIA in weißen Blüten herab und aus einer duftenden Wolke fielen Ligusterblüten [390], die sich zur Größe einer Regenwolke ballten. Doch auch die Göttinnen selbst, die ja um die Freude und das Glück wussten, ließen süße Scherze aus ihrer Brust hervordringen. Denn sie vertauschten ihrer Stimmung folgend die Farben. Jede wollte Gefallen erregen, und zwar nicht bei sich selbst, sondern bei der Doppelgängerin. [395] Die BAYERIN färbte sich schneeweiß und rosenrot; AUSTRIA schritt in gestreiften Rauten einher. In feinen Scherzworten lachten sie über die Erfindungskraft. Und gegenseitig sprechen sie sich mit Gesängen, die sich auf wunderbare Weise abwechseln, an: „Du bist unsere Schwester.“ - „Du bist von nun an auch unsere Mutter.“ „Du bist die göttliche Schwiegertochter.“ - „Du die Schwiegermutter.“ „Du bist mein Licht.“ - [400] „Du bist mein Augenstern.“ „Grüße du unseren Schwiegersohn, wenn du jetzt aufbrichst.“ - „Du verabschiede dich vom Schwiegervater, denn wir brechen nun eilends auf.“ So plaudern sie. Auch das Gespann der Löwen befiel in ihrem erhitzen Inneren eine geheimnisvolle Freude. So sehr boten sie ihre Mähne zum Streicheln und ihre Rücken [405] zum Berühren dar! Als man sie zum Wagen zurückgebracht hatte und sie dann die Luft, die sich um sie ergoss, in langen Zügen durchfuhren, kam Bavaria mit aufgerichteter Deichsel in der Heimat an, bei den Burgen, die die Wolken erreichen, und den hohen Gotteshäusern. Hochzeitsvorbereitungen (409 427) Das Gerücht verbreitet sich im Flug; Thalia unterrichtet die Vornehmen und das Volk von der [410] Hochzeitsfeier; Myrte und Fackel werden vorbereitet. Und wo immer die Isar fließt und die Ufer mit ihr streiten, erzählen die eifrigen Nereiden von der Liebe, die nun in aller Munde ist. Und die Nymphe, die ihr Haar mit einem gläsernen Kamm ordnet und bedeckt ist von weichem Moos und blauen Steinchen, [415] wünscht zur Ankunft der BRAUT schön auszusehen. Der Vater selbst erneuert seine Quellen und . <?page no="68"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 68 Temperat argento, chlamydémque è virgine sumit Crystallo, cannáque inflexos laxat amictus; Et meliore caput praecelsus arundine mutat. 420 Auget HYMEN solemne decus, visóque paratu [A 50] Obsequii, iacit ex Horto conchásque marinas, Sertáque, sed magno tamen haec studio neglecta: Quae deceant hirtum caput, informémque senectam. Addidit incultos versus, et non bene natas 425 E vulgo violas, et vulgares Hyacinthos. Addidit et cultos versus, hilarésque Smaragdos, Et quae rorantes lucent electra per herbas. [P 12] Nec non sollicitus, quanto molimine NUPTAM Ipse quoque excipiat venientem; abiturus amicum 430 Alloquitur Phoebum. námque hoc spes omnis in uno. Intonsi Iuuenes pariter, paritérque sereni, Ambo lyras et carmen amant, curásque relaxant, Et consanguineis collidunt barbita curis. Latonae soboles, Praeses dignissime Cyrrhae. 435 Nunc quoniam nostro subituri more Viennam PRINCIPE cum SPONSO, taedam attollemus in altum: (Non etenim fas est me absente attollere in altum) Interea sis alter Hymen: molire beatam Arte tuâ pompam. tibi pulchra negotia mando. 440 Omnia parebunt festiuis numina votis. Sed caue, ne sistrum ferias, credásque licere Cuncta tibi; molles numeros foedéque procaces, Et Fescenninos iterum damnamus amores. Casta volunt Superi. ducenda ASTRAEA per Orbem, 445 SIDERIS allucente IUBA, ducenda decorè est. Caetera curabis. sic, quae tua respuit olim (Aspice mercedem) cupiet connubia Daphne. ____________________ 421 Ov. met. 15, 264 conchae ... marinae; Vitr. 7, 13, 3. || 424 cf. Hor. epist. 2, 1, 233 incultis qui versibus et male natis (v. c.). || 425 cf. Verg. Aen. 11, 69 seu ... violae seu ... hyacinthi. || 428 Hor. epist. 2, 2, 93 quanto molimine (v. c.). || 431 cf. Tibull. 1, 4, 38 de Phoebo decet intonsus crinis ... deum; Claud. 25, 43 de Hymenaeo Caesaries intonsa. || 437 cf. Claud. carm. min. 25, 33 Hoc sine nec primas fas est attollere taedas. || 444 Tibull. 2, 1, 13 casta placent superis. || 446 447 cf. Verg. Aen. 1, 71 75 et Claud. 10, 141 144 (v. c.). 420 Auget PAB; custos in editione A positus indicat Auges. || 425 E vulgo PA : Et vulgo B. || 441 sistrum PA : sistum B. <?page no="69"?> 2.1 Text und Übersetzung 69 mäßigt den Wasserlauf aus der prächtigen Silberurne. Er nimmt den Mantel aus jungfräulichem Kristall und lockert den mit Schilfrohr verflochtenen Umhang. Und der gewaltige Gott verändert den Anblick seines Kopfes mit besserem Schilfrohr. [420] HYMEN steigert noch den feierlichen Schmuck, und nachdem er gesehen hat, wie der Flussgott sich zur Huldigung anschickt, wirft er aus dem Garten die Meeresmuscheln und die Kränze, die jedoch mit voller Absicht vernachlässigt sind und einem struppigen Haupt und dem unschönen Alter wohl anstehen dürften. Er legte ihm ungepflegte Girlanden um, [425] ungeratene Veilchen aus der großen Menge und gemeine Hyazinthen. Er hängte ihm aber auch gepflegte Girlanden um, heitere Smaragde und Bernsteintropfen, die im taufrischen Gras leuchten. Hymen und Apollo (428 459) Und durchaus in Sorge, mit wie großem Aufwand er auch selbst die BRAUT bei ihrer Ankunft empfangen solle, spricht er schon im Weggehen seinen Freund [430] Phoebus an. Auf diesem allein ruht nämlich alle Hoffnung. Beide Jünglinge haben lange Haare, beide sind heiter, beide lieben die Lyra und das Lied, lindern die Sorgen und lassen in gemeinsamem Bemühen das Saitenspiel zusammen erklingen. „Sohn der Latona, würdigster Herr über Cyrrha! [435] Da wir jetzt, wie es unserer Gewohnheit entspricht, mit dem FÜRSTLICHEN BRÄUTIGAM nach Wien gehen und die Hochzeitsfackel erheben werden (ohne uns darf sie nämlich nicht erhoben werden), sollst du unterdessen ein zweiter Hymen sein. Setze eine herrliche Festlichkeit mit deiner Kunst ins Werk. Dir trage ich die schönen Aufgaben auf. [440] Alle Götter werden das erfüllen, was du für das Fest wünschst. Aber klappere nicht mit dem Sistrum und glaube ja nicht, dass dir alles erlaubt ist. Noch einmal: Weichliche und grässlich vorlaute Rhythmen sowie Fescenninische Liebeslieder verurteilen wir. Götter wollen Zuchtvolles. ASTRAEA ist durch den Sternenhimmel zu führen, [445] und die MÄHNE des GESTIRNS wird bei ihr leuchten. Und das muss auf schöne Weise geschehen. Den Rest wirst du besorgen. Dann wird Daphne - schau, das ist Dein Lohn! - die Ehe mit dir begehren, die sie einst verschmäht hat.“ <?page no="70"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 70 Sic ait, et plectro digitos imponere iussit, [B 248] Et iuraturum proprias contingere vittas. 450 Contigit, imposuit, iurauit; et omnia fila Pertentans, fultúsque sacro testudinis auro, Grates laetus agit; discedentémque HYMENAEUM Prosequitur cantu. canit una cygnus, et alnus Sibilat, et metrum ramis vocalibus effert. 455 Decidit in rupes, ramísque assibilat echo. Ille abit; atque DUCI decus auspiciúmque daturus Lampade solemni, vadit comitantibus Horis De meliore nota, placido Titane creatis. [A 51] Respiciens tamen usque suum videt eminus Hortum. 460 At Phoebus, quem iam curae iussíque labores Distringunt, certo reliquos ex nomine Diuos Ad fontes et ad antra citat, syluámque dolosam Theseos, et viridi moeandros sepe reductos. Huc coïere Dii. Spumosas exprimit uuas 465 Lenaeus, fundit genetrix pulcherrima frugum Flauentes aestatis opes; baccámque Minerua [P 13] Protulit, et grandes Venatrix Delia ceruos. Phoebus ait: vos ô quibus huius copia lucis Exornanda data est, tantum cognoscite munus. 470 Neu pudeat quemquam famulari talibus. ambo Nos superant. HIC est Supremo proximus. : ILLA, Filia Supremi. pulchrum certamen Honoris. HIC aduersa potest et tristia ferre secundo Ac laeto vultu, constans; laeta atque secunda 475 Aduerso et tristi. numquid sublimius itur? ILLA per Europam celeberrima, Caesare nata: Sed nihil Europae, praeter decus oris honesti ____________________ 449 cf. Balde Magn. Till. 44 (= op. omn. 8, 38; v. c.). || 451 cf. Prop. 3, 3, 13 14 Phoebus | sic ait aurata nixus ad antra lyra (v. c.). || 453 Prop. 4, 6, 61 Prosequitur cantu. || 453 454 Claud. 10, 68 et platani platanis alnoque adsibilat alnus. || 456 Hor. carm. saec. 48 date ... | ... decus; Ov. fast. 3, 86. || 458 Catull. 68, 28 quisquis de meliore nota (v. c.); Balde Tab. 7, 1 2 (= op. omn. 4, 442); Antag. 37, 29 31 (= op. omn. 4, 337); Uran. 247 (= op. omn. 5, 176). || 460 Quint. 12, 1, 7 curis labore distringitur et saep. || 463 cf. Ov. met. 8, 162 168 (v. c.). || 466 Verg. Aen. 7, 721 flaventibus arvis. || 475 Ov. met. 12, 451 in adverso ... vultu; Val. Fl. 1, 390; Sil. 4, 821. 465 genetrix PA : genitrix B. <?page no="71"?> 2.1 Text und Übersetzung 71 So sprach er und hieß Apollo die Finger an das Plektrum legen und die eigenen Binden berühren, um zu schwören. [450] Dieser berührte sie, legte die Finger an und tat den Schwur. Fröhlich dankt er ihm, indem er alle Saiten prüft und sich auf seine heilige goldene Leier stützt. Den scheidenden HYMENAEUS geleitet er mit seinem Gesang. Zugleich singt der Schwan, die Erle rauscht und bringt mit ihren tönenden Zweigen ein Lied hervor. [455] Dieses trifft auf die Felsen und das Echo rauscht zu den Zweigen. Jener bricht auf und geht, begleitet von den besseren Horen, die unter einem friedvollen Titan gezeugt wurden, um dem FÜRSTEN mit der feierlichen Fackel Glanz und gutes Gelingen zu bereiten. Doch blickt er ständig zurück und schaut aus der Ferne auf seinen Garten. Götterversammlung - Lob der Brautleute (460 505) [460] Phoebus aber, den schon die Sorgen und die übertragenen Aufgaben beschäftigen, ruft mit ihrem jeweiligen Namen die übrigen Götter zu den Quellen, zu den Grotten, zu dem listig verschlungenen Wald des Theseus und zu den mäandernden Gängen, die sich grün eingefasst hin und her winden. Hierher kamen die Götter zusammen. Lenaeus drückt die schäumenden Trauben aus [465] und die prächtige Mutter der Feldfrüchte gießt den goldgelben Reichtum des Sommers aus. Minerva hat ihre Olive präsentiert und die delische Jägerin gewaltige Hirsche. Phoebus sagt: „Ihr, die ihr die Gelegenheit habt, diesen Tag auszuschmücken, erkennt die Größe dieses Geschenks. [470] Und keiner soll sich schämen, einem solchen Brautpaar zu dienen. Beide übertreffen uns: ER steht dem Höchsten am nächsten; SIE ist die Tochter des Höchsten. Ein schöner Wettstreit um die Ehre! ER kann standhaft Widrigkeiten und Unglück mit zustimmender und glücklicher Miene ertragen. Glück und günstigem Geschick blickt er ins Auge [475] und erträgt es mit finsterem Gesicht. Höher geht es doch wohl nicht mehr? SIE ist in ganz Europa hochberühmt, eine Tochter des Kaisers, und hat doch nichts von Europa außer der Anmut des schönen . <?page no="72"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 72 Sidereasque genas retinet, frontísque pruinam. HIC grauibus curis innectit mitia iura, 480 Et rigidos castis substernit legibus enses. ILLA voluptatem generoso semper Honesto Posthabuit, veteres exaequatura Sabinas. HIC positus supra fortunae flebile plumbum, Calcat plebeias in mentis vertice valles. 485 ILLA Patris pietate fragrans, cùm plurima formae Debeat, excelsis virtutibus omnia debet. [B 249] HIC ea Legatis responsa petentibus edit, Ut saepe attoniti dicant: Haec hausit ab astris. ILLA suae sacrâ GENITRICIS imagine plena 490 Quod didicit teneris, auget vernantibus annis. HIC agitans rerum molem magnósque recessus, Consilium ipse sibi est, gestátque in corde senatum. ILLA legens libros et prisci exempla pudoris, Viuit, ut exemplum poni mereatur et ipsa. 495 HUIUS adorandus GENITOR, quàm grande Lycaeum Exstruxit nobis! ut malim habitare sub illo, Quam Clario dormire iugo; Pallásque relicta [A 52] Phocide, Pieriis meritò discedere syluis Possit, et Argiuas nemo miretur Athenas. 500 ILLIUS mirabor AVOS, dum nostra sonabunt Littora, dúmque alio vultu torquebimus axem. ____________________ 478 cf. Balde Mus. Neoburg. 26, 6 10 (= op. omn. 3, 221; v. c.). || Balde Uran. 59 (= op. omn. 5, 32) sidereasque genas. || 480 Balde Magn. Till. 183 (= op. omn. 8, 258) legibus enses | subdidit. || 482 Ov. am. 3, 8, 61; Iuv. 10, 299 veteres imitata Sabinas; cf. Balde Lyr. 4, 35, 19 20 (= op. omn. 1, 242) Quando voluptatem Sabinae | Nescierant; Epod. 12, 59 60 (= op. omn. 1, 285) ipsa regi facilis | priscas Sabinas provocat. || 483 cf. Petr. 43, 7 plane Fortunae filius, in manu illius plumbum aurum fiebat (v. c.). || 488 Balde Magn. Till. 31 (= op. omn. 8, 28) novum vigorem hausisses ab astris. || 489 cf. Claud. 10, 231 Maternosque bibit mores et 10, 233 ipsa genetrice magistra. || 490 Prop. 4, 5, 59 translate dum vernat sanguis; Balde Sylv. 9, 5, 65 (= op. omn. 2, 301) in teneris et adhuc vernantibus annis et saep. || 492 Ov. met. 7, 33 gestare in corde; Aug. virg. 3, 3 p. 237, 19; Balde Batr. Usus II (= op. omn. 3, 114) pharetram in corde gestet. || 493 cf. Claud. 10, 231 233 exemplaque discit | Prisca pudicitiae Latios nec volvere libros | Desinit aut Graios (v. c.). || 500 501Verg. georg. 1, 359 360 et 3, 338; Lucan. 9, 309 multa sonant ... litora; Balde Lyr. 4, 17, 34 (= op. omn. 1, 219) pulsata sonant litora. 493 ILLA legens libros & prisci exempla pudoris, P : ILLA diu prisci volvens exempla pudoris, AB. <?page no="73"?> 2.1 Text und Übersetzung 73 Gesichts, dem Sternenglanz der Wangen und dem Schnee des Antlitzes. ER verbindet ernste Sorgen mit milden Rechtssatzungen [480] und unterwirft die starren Schwerter züchtigen Gesetzen. SIE hat immer das Vergnügen dem edlen Anstand hintangestellt, um es so den alten Sabinerinnen gleichzutun. ER steht über dem kläglichen Blei der Fortuna, und wandelt mit einem so herausragenden Geist in den Tälern des Pöbels. [485] SIE, im Duft der väterlichen Frömmigkeit, verdankt alles ihren hohen Tugenden, obwohl sie auch sehr viel ihrer Schönheit verdankt. ER gibt den bittenden Gesandten Antworten von solcher Art, dass sie oft erstaunt sagen: ‚Das hat er von den Sternen.‘ SIE, erfüllt vom heiligen Bild ihrer MUTTER, [490] vermehrt in den Jugendjahren noch, was sie im zarten Alter gelernt hat. ER, der die vielen Geschehnisse in der Welt und deren große Geheimnisse überdenkt, ist sich selbst Ratgeber und trägt in seinem Herzen einen ganzen Senat. SIE liest Bücher und Exempel früherer Zucht und lebt so, dass sie selbst als Exempel vorgestellt zu werden verdient. [495] SEIN wunderbarer VATER, welch ein gewaltiges Lyzeum hat der uns erbaut! Von solcher Größe, dass ich lieber bei diesem wohnen als auf dem Berg von Claros schlafen will. So groß auch, dass Pallas Phocis verlassen und mit Grund aus den pierischen Wäldern weggehen könnte und dass keiner mehr das argivische Athen bestaunte. [500] IHRE VORFAHREN werde ich immer bewundern, solange unsere Ufer tönen, und solange ich in meiner anderen . <?page no="74"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 74 Si quae dona mihi, nunquam numeranda, dederunt Enumerem; frangámque fides, lituósque tubásque; Argentíque lacus cumulem torrentibus auri. 505 Obstupuere Dii, et plausum assensúmque dedere. [P 14] Hanc Bigam, pergit Pharetratus, comite pulchris Ritibus; hanc reducem vestra ceruice leuate. Tu mensas succincta Ceres, thalamúmque memento Sternere: tu Liber missis seruire racemis. 510 Tu manibus lymphas, è puri fluminis urna Cymodoce formosa dabis; figésque pudica Basia, et ô dices, quàm nos haec numina vincunt. Flauas Leucothoe pateras et janthina terget Pocula: curabit nostram Cyllenius artem. 515 Dum vasto Patris cerebro prognata, politos Ore sales jaciens, miscebit sesama verbis: Quadrabit Dictynna dapes. Latonia Fratrem Occupat: et nunquid maculis incingere saltus, Irritare feras cornu canibúsque pigebit? 520 Sunt mihi tot comites studiis communibus aptae: Nebrophone Cynthi, Cretae Britomartis, et Opis Optima. seu damas placeat, seu figere nostros Aurigas: istis humeros et brachia nudis, Pérque mihi suetos Dotale sonantibus agros [B 250] 525 Nomen, in occursum SPONSAE properabimus ANNAE. Annuit, et laxo respondens Phoebus ab arcu Spicula concussit. potes his, ait, eminus uti. Nam quis lustra vetet jam perlustrare ferina? Id tamen in placito tantarum pondere rerum 530 Nondum dispicimus: posituris retia campo Nodosasque plagas; quaenam reditura voluptas Sit tam sollicitos compensatura labores. ____________________ 503 Balde Batr. praef. (= op. omn. 3, 2) infregisses lituos et tubas. || 505 Ov. met. 8, 765 obstipuere omnes; Balde Batr. 5, 8, 26 (= op. omn. 3, 66). || 510 511 cf. Plaut. Most. 308; Persa 769 date aquam manibus; Truc. 481. || 518 Verg. Aen. 4, 121 saltusque indagine cingunt; Ov. met. 7, 766; Sen. Phaedr. 1 2. || 521 522 cf. Claud. 24, 248 256 (v. c.). || 523 Claud. 24, 243 umeros et brachia nudae. || 529 Ov. trist. 2, 237 tantarum pondere rerum; Mart 6, 64, 14 et saep. || 531 Ov. fast. 6, 110 nodosasque ... plagas. 516 conieci Ore : Ora PAB. <?page no="75"?> 2.1 Text und Übersetzung 75 Gestalt den Himmel bewegen werde. Ich will die Geschenke, die sie mir in unendelicher Zahl gegeben haben, aufzählen, meine Leier, die Zinken und Trompeten zerbrechen und die Silberseen mit Goldströmen anfüllen! “ [505] Die Götter stutzten, applaudierten und stimmten zu. Anweisungen Apollos für das Fest (506 525) „Macht diesen Wagen“, fährt der köchertragende Gott fort, „nach schöner Weise zurecht und nehmt ihn bei seiner Rückkehr auf eure Nacken. Ceres, schürze dich und denk daran, die Tische zu decken und das Ehebett herzurichten, und du, Liber, daran, dich um den Wein, den wir schenken, zu kümmern. [510] Du, schöne Cymodoce, wirst für die Hände Wasser aus dem Gefäß des reinen Flusses darreichen; du wirst zuchtvolle Küsse geben und sagen: ‚Ach, wie sehr übertreffen uns doch diese Götter! ‘ Leucothoe wird die gelben Trinkschalen und die dunkelroten Becher aufpolieren; der Gott vom Cyllenegebirge wird sich um meine eigene Kunst kümmern. [515] Und während die Göttin, die dem gewaltigen Gehirn ihres Vaters entstiegen ist, mit ihrem Mund eine feine und geistreiche Rede hält und Sesam unter ihre Worte mischt, wird Dictynna die Speisen zurichten.“ Die Tochter der Latona kommt ihrem Bruder zuvor und sagt: „Und hast du vielleicht etwas dagegen, wenn man die Wälder mit Netzen absteckt und das Wild mit dem Horn und mit Hunden aufscheucht? [520] Ich habe doch so viele Begleiterinnen, die für ein gemeinsames Unternehmen bereitstehen: Nebrophone vom Cynthus, Britomartis aus Kreta und die treffliche Opis. Ob man nun Damwild oder die Tiere aus unserem Gespann erlegen will: Diese, nackt an Schultern und Armen, werden über die mir vertrauten Fluren den Hochzeitsruf erschallen lassen [525] und wir werden ANNA, der BRAUT, entgegeneilen.“ Rede Apollos - Nabuchodonosor (526 640a) Phoebus nickte und schoss ihr zur Antwort mit leicht gespanntem Bogen seine Pfeile zu. „Du kannst“, sagte er, „mit diesen aus der Ferne schießen. Denn wer kann dir schon verbieten, die Verstecke des Wilds zu durchsuchen? Doch sehe ich angesichts dieser gewaltigen Veranstaltung, die wir vorhaben, [530] noch nicht, welches Vergnügen im Gegenzug diejenigen haben werden, die die Netze und die verknoteten Garne auf dem Feld auslegen, das ihnen die Anstrengung und die Mühe aufwiegen würde. …….. . <?page no="76"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 76 Nam quota pars fruitur? quis Ciuis in auia fertur? Scrutatúrque cauas decisis frondibus alnos, 535 Aut querceta subit Dodonaeásque cauernas? [A 53] Si ceruum pauitantem ensis, si lancea pinguem Hausit aprum: periit voti mox tota cupido. Atqui non ego te, tua nec spectacula damno, Si modò sufficerent nobis. quia rure vagantur 540 Sunt priuata nimis. communia gaudia, plausu Communi sancire decet. Venabimur ergo? In media potiùs Brutum venabimur Urbe. Est mihi, sítque precor VATES dilectus ab Oeno. Qui super Euphraten mediúmque canorus Orontem, [P 15] 545 Dum nostris ludit fidibus, graditúrque cothurno: Ecce tibi! saliunt montes, et sylua recedit Alternum factura pedem. nemus omne solutis Fit plantis petulans, et migrat ad orgia plectri. Adrepsere ferae plures, quàm Bistonis illa 550 Testudo sonitu collectas mouerat: (aures Arrexere Dii) quarum sublimior una, Cornua surrexit simo coeuntia vultu. Crinibus et digitis, et multo corpore, faedis Par auibus Stymphale tuis, quas horruit atrox 555 Phineus, vertentes turpi conuiuia succo, Istud Prodigium meus intercepit Alumnus; Et pedibus vinctum, Latias transmisit in oras. Grata est ludibrii species, monstrosáque narrant Indigenae, qualis, quo viuat Bellua sumptu. 560 Quas metamorphoses, quos manes sentiat. Olim Rex erat, et latè sceptrum Babylone mouebat [B 251] In terras, alto quas Sol nouus obruo curru. ____________________ 543 Ov. fast. 6, 219 Est mihi, sitque, precor; Ov. trist. 1, 10, 1; Balde Uran. 184 (= op. omn. 5, 129). || 544 Prop. 2, 23, 21 Euphrates et ... Orontes; Ov. met. 2, 248. || 547 548 Stat. Theb. 9, 572 plantisque ... solutis scil. nudis; Prud. perist. 6, 74 plantis ... dissolutis. || 549 cf. Claud. rapt. Pros. praef. 2, 25 28. || 550 551 Plaut. Rud. 1293 arrexit aures; Claud. 1, 210 arrectis auribus. || 552 Moret. 106 simo ... vultu. 544 Quisuper P : Qui super AB. || 555 556 conieci conuiuia succo, | Istud : conuiuia sulco, | Istud P : convivia sulco, | Istud A : coeuntia sulco. | Istud B. || 562 conieci alto : alio PAB. <?page no="77"?> 2.1 Text und Übersetzung 77 Denn wie wenige haben denn einen Genuss davon? Welcher Bürger eilt ins abgelegene Gelände, durchsucht die hohlen Stämme der Erlen, nachdem man das Laub abgeschlagen hat, [535] oder begibt sich in die Eichenwälder und in die dodonäischen Höhlungen? Wenn das Schwert den furchtsamen Hirschen und die Lanze den fetten Eber aufgespießt hat, dann ist bald alle Lust auf Glückwünsche vergangen. Doch ich verurteile weder dich noch deine Schauspiele - wenn sie für unsere Zwecke nur ausreichen würden! Weil sie sich ohne festen Ort auf dem Land abspielen, [540] beschränken sie sich zu sehr auf einzelne. Allgemeine Freude muss mit allgemeinem Applaus bekräftigt werden. Wir wollen also jagen? Dann doch lieber ein Untier mitten in der Stadt! Ein DICHTER, der vom Inn stammt, ist mir lieb und soll es mir auch sein. Während er mit seiner schönen Stimme über die Flüsse Euphrat und den in der Mitte gelegenen Orontes hin [545] zu den Klängen unserer Leier dichtet und im Kothurn einherschreitet - schau dir das an! - da hüpfen die Berge und der Wald macht einen Schritt zurück, um im Wechsel den Fuß aufzusetzen. Der ganze Wald löst seine Sohlen, wird übermütig und setzt sich zum heiligen Rhythmus des Plektrums in Bewegung. Es sind mehr wilde Tiere herangekrochen, als jene berühmte Leier des Thrakers [550] mit ihrem Klang versammelt und in Bewegung gesetzt hatte.“ Die Götter spitzten die Ohren. „Eines übertraf die anderen an Größe und hob seine Hörner, die in einem plattnasigen Gesicht zusammenliefen, in die Höhe. Haar, Klauen und der gewaltige Körper glichen deinen abscheulichen Vögeln, stymphalischer See, vor denen der schreckliche [555] Phineus zurückschauderte und die sein Mahl mit ihrem grässlichen Saft verdarben. Dieses Ungeheuer fing mein Zögling ein und brachte es an den Füssen gefesselt an die Küsten Latiums. Der Anblick des Verspotteten gefällt und die Einheimischen erzählen Wunderdinge: Von welcher Art das Untier sei und wie verschwenderisch es lebe. [560] Auch welche Art von Verwandlungen und welche Tode es zu spüren bekommt. Einst war er ein König und schwang von Babylon aus sein Szepter weithin über die Länder, über die ich als neu aufgegangene Sonne vom hohen Wagen strahle. Erhaben, ein . <?page no="78"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 78 Augustus, pronepósque Nini, metuendus et armis Et phaleris, gemmâ gemmas epulatus in udâ, 565 Contempsit nostrum Nectar, Phrygióque leuatos Pincerna latices, et quidquid Iuno recoxit Pauonis. Formae eximius miríque decoris Fulgebat. frons, ora, genae, duo lumina, nares, Caesaries, totúmque CAPUT concreuerat AURO. 570 Hinc diues pretióque ferox; gentésque Regentis Pallida cum Bactris timuerunt Susa secures. At postquam tragicos impleuit Numine fastus, Et caelum incestans terras ex asse petiuit: [A 54] Utque Hodie Ergo Dii secum super aethere regna 575 Diuiderent; HODIE: quae VOX excluserat omnes Imperiosa moras: animo solióque superbo Deiectus factúsque Fera est. depascitur herbas: Et sua tesqua petens ululat, mugítque, rudítque, Et loquitur. saltem dat toruo murmure signa, 580 Se se velle loqui. cur non id Velle loquatur; Bisgeminus stupet, et sibi fit mirabilis ipsi. Id lepidum! quoties sua contemplatur in amne Colla Niphatéo; palearia pendula damnat, [P 16] Informésque toros, et se ipsum funditus horret. 585 Haud aliter praeter ripas errauerit Io. Talem nostra Feram si nunc ad Moenala BOIIS Ducimus, an poteris mihi succensere Diana? Illa negat: sentit tamen, affectúque natante Plorat, et in medio ridet sua iurgia fletu. 590 Id decuit. dixit post haec suspiria, Fiat. ____________________ 563 Balde Van. 14, 19 (= op. omn. 7, 38) de Nabuchodonosore Pronepos ... Nini. || 564 cf. Verg. georg. 2, 506; Lucan. 10, 160; Stat. Theb. 1, 149 nec cura mero committere gemmas (v. c.). || 565 566 Vulg. II Esdr. 2, 1 levavi vinum et dedi regi (v. c.). || 569 Ov. met. 5, 202 saxo concrevit oborto; 5, 673 674; 9, 220. || 573 Mart. 3, 10, 5 heredem ex asse et saep. (v. c.). || 577 cf. Vulg. Dan. 4, 22 et faenum ut bos comedes et 29 30. || 579 580 cf. Ov. met. 1, 637 638 et conata queri mugitus edidit ore | pertimuitque sonos propriaque exterrita voce est. || 581 cf. Balde Magn. Till. 35 36 (= op. omn. 8, 32; v. c.). || 583 Balde Antag. 65, 17 (= op. omn. 4, 356) palearia pendula. || 585 cf. Ov. met. 1, 639 641 venit et ad ripas, ubi ludere saepe solebat, | Inachidas: rictus novaque ut conspexit in unda | cornua, pertimuit seque exsternata refugit (v. c.). 574 576 omiserunt A et B. || 580 Velle P : velle AB. || 581 Bigeminus PAB. <?page no="79"?> 2.1 Text und Übersetzung 79 Urenkel des Ninus, furchtbar in seinen Waffen und seinem Kriegsschmuck, speiste er aus feuchtem Edelsteingeschirr Diamanten [565] und verschmähte unseren Nektar, das Getränk, das vom phrygischen Mundschenk geschöpft wurde, und alles, was Juno vom Pfau aufgekocht hat. Von außergewöhnlicher Gestalt und sonderbarer Schönheit erstrahlte er. Gesicht, Antlitz, Wangen, die beiden Augen, die Nase, das Haar und der ganze KOPF war zu GOLD erstarrt. [570] Deshalb war er reich, und wegen dieses Reichtums gebärdete er sich wild. Die Völker, das bleiche Susa und Bactra fürchteten die Beile des Herrschers. Doch nachdem er das Maß seines tragischen Hochmuts mit seinem Anspruch, Gott zu sein, vollgemacht hatte, den Himmel als Erbe beanspruchte und die Erde besudelte, außerdem auch begehrte, dass heute also die Götter mit ihm oben im Himmel ihr Reich [575] teilen sollten - HEUTE! dieses WORT hatte gebieterisch allen weiteren Aufschub verboten -, da verlor er seinen Hochmut, wurde von seinem hoffärtigen Thron gestürzt und zum wilden Tier gemacht. Gräser weidet er nun ab, verlangt nach seinen Einöden, heult, brüllt, schreit und spricht. Zumindest gibt er mit gräßlichem Brummen Zeichen, [580] dass er sprechen wolle. Das Doppelwesen wundert sich, warum es diesen Willen nicht äußern kann, und erscheint sich selbst sonderbar. Das ist doch drollig! Sooft er seinen Hals im Niphatesstrom betrachtet, verflucht er seine herabhängenden Wammen und die unschönen Wülste und erschrickt im Innersten vor sich selber. [585] Nicht anders dürfte wohl Io an den Ufern entlang herumgeirrt sein. Oder wirst du mir, wenn wir für die BAYERN jetzt ein solches Tier in unser Mänalusgebirge führen, dann zürnen können, Diana? “ Sie verneint, und doch regt sich in ihr Widerstand, sie weint darüber mit unsicherem Gefühl und mitten im Weinen lacht sie darüber. [590] Das stand ihr gut. Nach diesen Seufzern sprach sie: „So soll es geschehen.“ <?page no="80"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 80 Tunc telis citharáque potens: DEA BOICA gaude: Túque mihi conformis HYMEN circumspice Daphnen Promissam. ad latum mandata exhausimus unguem. Nunc agite, et Syluas de nostro nomine sacras 595 Cingite compedibus: námque has CHALDAEUS inerrat Hybrida. habet campum, quo se se gloria iactet. Haec Orchestra, nemus; molésque erecta Theatri Saltus erit: venator erit mihi Roscius Actor. Sunt caueae, sunt et proscenia. qui bene SOCCIS 600 Induitur, poterit praedam deprendere cursu; [B 252] Et Spectatorum cuneis palmáque probari. Deprensam, moneo, ne ferro porrige. viuam Siste ante ora DUCUM, maiúsque merebere nomen. Forsitan Assyrii portentum nobile mundi 605 Incoram volet et propiùs cognoscere laetus SPONSUS, et in nostris ridebit saltibus ANNA. Signa sonent. infla Clarium Tritonia cornu. Quando Soror Diana nequit, podiúmque reuise. Bellerophontis equum fortes insternite Musae. 610 Comica luctantes crispent venabula Vates, Semiferúmque trahant, Centauri more ruentem. Desuper ipse volans turbatum agitabo, suísque Proliciam latebris. modò praescia somnia tristi Immittam, arcaníque poli laqueata futuris [A 55] 615 Rebus, et in vastum quidquid protenditur aeuum. Blanditiis modò mulcebo: quibus aequore in alto Delphinus capitur, Britonúmque in littore ludit. Sunt mihi tres Pueri, linguas quibus ipsa disertas Calliope facunda dedit, docuítque mouere. 620 Mitiùs hi senibus cygnis, vel in ignibus aetnae, Et media fornace canent. commota stupebit Bellua. Sì Leo sit: capient miracula flammae, [P 17] Innocuo circum voluentis corpora lapsu, ____________________ 593 cf. Hor. sat. 1, 5, 32 ad unguem factus homo et saep. (v. c.). || 596 cf. Cic. Muren. 18 in quo (scil. campo) virtus cognosci ... posset. || 609 Balde Sylv. 9, 3, 76 (= op. omn. 2, 296) Bellerophontis equum. || Verg. Aen. 7, 277 instratos ... alipedes et saep. || 611 Balde Van. 14, 36 (= op. omn. 7, 39) de Nabuch. Semiviroque bovi semibovique viro. || 618 cf. Dan. 3, 1 23 (v. c.); Brunner. Nabuch. 39 47. || 620 Stat. Theb. 5, 341 342 mitior et senibus cycnis ... | vox; Mart. 5, 37, 1. <?page no="81"?> 2.1 Text und Übersetzung 81 Dann sagte der Herr über Pfeile und Saitenspiel: „Freue dich, BAYERI- SCHE GÖTTIN, und du, HYMEN, mir gleich an Gestalt, schau dich nach Daphne um, die du mir versprochen hast. Die Aufträge haben wir haargenau erfüllt. Jetzt auf, schließt die Wälder, die mein Name heiligt, [595] mit Schlingen ein. In ihnen irrt nämlich der CHALDÄISCHE Mischling umher. Hier ist das Feld, auf dem man Ruhm gewinnen kann. Diese Orchestra stellt den Hain dar. Das aufgetürmte Theatergebäude wird der Wald sein. Und der Schauspieler Roscius wird mir ein Jäger sein. Wir haben Plätze für die Zuschauer und eine Bühne. Wer seine KOMÖDIENSCHUHE recht [600] zu schnüren weiß, der wird die Beute im Lauf erhaschen und von den Zuschauerrängen und mit der Siegespalme belohnt werden können. Bitte: Strecke die gefangene Beute nicht mit dem Eisen nieder. Stelle sie den FÜRSTEN lebend vor Augen, und du wirst dir einen größeren Ruhmestitel erwerben. Vielleicht wird der glückliche BRÄUTIGAM das edle Wundertier aus der assyrischen Welt [605] persönlich und genauer betrachten wollen und ANNA wird in unseren Wäldern lachen. Die Jagdsignale sollen erschallen! Tritonia, blase du ins Clarische Horn. Weil ja meine Schwester Diana gerade nicht kann, und schau noch einmal nach den Zuschauerplätzen! Wackere Musen, sattelt das Pferd Bellerophons auf! [610] Die Dichter sollen sich ins Zeug legen, die komischen Jagdspieße schwingen und das Halbtier heranschleppen, das wie ein Zentaur dahinstürmt. Ich selbst werde ihn im Flug von oben her verwirren, herumtreiben und aus seinem Versteck hervorlocken. Bald werde ich dem Unglücklichen prophetische Träume einflößen, Zeichen am unergründlichen Himmel, die in die Zukunft weisen, [615] und was immer sich in unabsehbare künftige Zeiten erstreckt. Bald werde ich ihn mit Schmeicheleien besänftigen, mit denen auf hoher See der Delphin gefangen wird und sich an der britischen Küste tummelt. Drei Knaben habe ich, die die redegewandte Calliope selbst mit beredten Zungen ausstattete und die sie lehrte, eindrucksvoll zu sprechen. [620] Sanfter noch als die alten Schwäne werden sie sogar in den Flammen des Ätna und mitten im Feuerofen singen. Das Untier wird gerührt sein und staunen. Wenn es ein Löwe ist, wird ihn die Wundererscheinung der Flamme bannen, die rings an ihren Körpern . <?page no="82"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 82 Quaéque recusabit vestes libare fauilla. 625 Quòd si prodiderit barritu diro Elephantum, Acclinans latus arboribus, Cedrísque comato Vertice, trans altas nubes ferientibus astra: Hic situs optandus. námque hoc solet Africa tutò Sternere sopitum. sonat excisura bipennis 630 Arboris hunc fastum, detruncandúmque cacumen. Salua stirpe quidem: septem tamen occidet annis. Sunt aliae technae. disrupto ventre Draconis Terreri poterit, fusóque per arua veneno. Cùm fugiet; spargam cineres per nobile fanum: 635 Tardabunt aliena pedum vestigia cursus. Ut reddam attonitum pecus et mansuescat in umbra, Ignotos thyrsos quatiam: sua nomina nobis Pánque Palésque dabunt, ludéntque ad carmina Fauni, [B 253] Et Ganymedaeae retinebit Pyrrhica turmae. 640 Sic capienda Fera est. Properate. quid! ô quid amoris Cernimus! adueniunt. festo clamore VIENNA Aestuat, et Stephani quatitur lapidosa per auras Turris, et ingenti designat gaudia motu. Iam dextras coniunxit HYMEN: iam Taeda coruscat 645 Pinea, iam spinis aether incenditur albis. Maturate. venit PRINCEPS cum CONIUGE CONIUX. Mente mea video sudum per inane volantes Armigeras Auium turmas, collóque iubatos Signiferos, agili tutò confligere lapsu. 650 Deseritur natale solum. pede prata teruntur Gramineos libante toros. euoluitur Oeni [A 56] ____________________ 626 cf. Verg. Aen. 10, 835 arboris acclinis trunco; Balde Van. 3, 23 (= op. omn. 7, 21) Acclinis trunco barrit sibi lessum Elephantus. || 626 627 Balde Sylv. 9, 31, 23 24 (= op. omn. 2, 370) comatum | ... stellis verticem. || 631 cf. Dan. 4, 13 (v. c.). || 632 cf. Dan. 14, 22 17; Brunner Nabuch. 24 27. || 634 cf. Dan. 14, 1 21; Brunner Nabuch. 27 36. || 637 Catull. 64, 256 quatiebant ... thyrsos; Sen. Herc. O. 243; Stat. Theb. 4, 385. || 638 Balde Sylv. 8, 21, 155 (= op. omn. 2, 277) Panque Palesque et saep. || 639 cf. Brunner Nabuch. 40 41. || 641 Balde Batr. 4, 12, 2 (= op. omn. 3, 55) festo clamore. || 647 Cic. orat. 101 mentis oculis videre; Manil. 4, 195; Colum. 3, 8, 1. || 649 Claud. carm. min. 25, 112 113 magnoque tumultu | confligunt de Amoribus Venerem comitantibus (v. c.). || 650 Ov. Pont. 1, 3, 35 natale solum; Balde Med. glor. 16, 78 (= op. omn. 4, 420); Tab. 28, 30 (= op. omn. 4, 464). 637 conieci thyrsos : thyasos PAB. <?page no="83"?> 2.1 Text und Übersetzung 83 unschädlich herabgleitet, und die glühende Asche, die ihnen die Kleidung nicht versengen möchte. [625] Wenn er aber durch sein schreckliches Gebrüll eine Elephantennatur verraten hat, seine Seite an die Bäume legt und an die Zedern, die mit ihren belaubten Wipfeln über die hohen Wolken an die Sterne reichen, so wird diese Stellung gerade recht sein. In der nämlich strecken den Schlafenden die Afrikaner nach ihrer Gewohnheit gefahrlos nieder. Es ertönt die Axt, die [630] diese Hoffart des Baumes fällen wird und den Wipfel, den es abzuhauen gilt. Freilich ohne dass die Wurzel dabei Schaden nimmt, doch wird er sieben Jahre brauchen, um umzufallen. Es gibt noch andere Kniffe. Wenn man einem Drachen den Bauch aufreißt und das Gift über die Felder fließen lässt, so wird ihn das erschrecken. Wenn er flieht, werde ich Asche im erhabenen Heiligtum ausstreuen. [635] Die fremden Fußspuren werden seinen Lauf hemmen. Um das Tier zu verblüffen und damit es sich im Schatten besänftigt, werde ich unbekannte Thyrsusstäbe schwingen. Pan und Pales werden sich uns anschließen. Die Faune werden zu Liedern tanzen und der Waffentanz der ganymedischen Schar wird ihn zurückhalten. [640] So muss man das Tier fangen. Eilt! Plötzliche Ankunft des Brautpaares (640b 665) Was? Welche Liebe sehen wir! Sie kommen. WIEN wogt auf im Festjubel, der steinerne Stephansturm wird in der Luft erschüttert und zeigt mit gewaltiger Bewegung die Freude an. Schon hat HYMEN die rechten Hände vereint, schon wird die [645] Fichtenfackel geschwungen, schon wird die Luft von der Weißdornfackel entzündet. Macht schnell! Der FÜRST kommt als EHEMANN mit seiner GATTIN. Ich sehe bewaffnete Vogelschwärme vor meinem geistigen Auge durch die leere Luft fliegen und Bannerträger mit einer Mähne am Hals, wie sie im raschen Flug ohne Gefahr gegeneinander antreten. [650] Man verlässt den heimatlichen Boden. Der Fuß berührt die gräsernen Polster und tritt auf die Wiesen. Die Flut des Inn, der einen blauen . <?page no="84"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 84 Fluctus in occursum, glauco velamine cincti. Quódque aliquos nuper temulentis merserat undis: Admissi sceleris pudet, et Tritona reuinctis 655 Post tergum remis, ad debita vincula sistit. Procedunt: puluísque iugis attollitur imis. Sed nubem dispellit Hymen, et turbat arenas Imbre superfuso: ne noxia puluere crasso Intempestiuos trudat caligo vapores. 660 Adsunt. Intonuit laeuum, nubésque resultant. SALVE (vos omnes iterato nomine) SALVE. [P 18] Pergite. compositos numeros tamen antè probemus. Seria res agitur. Vox una, sed absona, totum Perturbare chorum, et SPONSOS offendere posset. 665 Praecine Calliope. peccantem quemque monebo. PAR SUPERUM, QUOD CERNO LIBENS, sustollite vultus Plaudite consertis manibus. PROCEDE SECUNDIS OMINIBUS. Septémque simul procedite passus. Euterpe reuoca octauum: Polihymnia quinto 670 Adde duos. SERO ASTRORUM CONSCENDERE SEDES Bacche leua vocem. UT CUPIAS; iam Stentoris instar Ingeminas: moderere sonum, velut inclyta Clio. UT CUPIAS; MULTUM NOSTRI TIBI PROMIMUS AEVI. [B 254] Altiùs. ET RUTILUM SILENI FUNDIMUS AURUM. 675 O Rus! O satyros! Saturni fundimus aurum. SIS FELIX, QUI NOSTER ADES; Sic Isara leni Voce fluas: Tu rauca Ceres imitare. FAVETO LAUDIBUS, ET GRACILES, aliquid, nisi fallor, omissum est: Inspice Cymodoce fontem. PROPRIISQUE FAVETO 680 LAUDIBUS. indocti! quando isto more dicandum Perficiemus Epos? iam lucet ab aethere clarus Hesperus et SPONSI veniunt. Procumbite saltem. [A 57] Solus ego et MUSAE Vota absoluemus Amoris. ____________________ 654 655 Claud. 8, 84 manibus ... revinctis. || 657 Balde Phil. 35 (= op. omn. 6, 245) nubila dispellere; Uran. 109 (= op. omn. 5, 72). || 660 Verg. Aen. 2, 693 intonuit laevum; 9, 630 631 (v. c.). || 663 Balde Tab. 10, 2 (= op. omn. 4, 444) Seria res agitur et saep. || 674 Brunner Nabuch. 77 (v. c.). 666 CERNO PA : CRENO B. || 673 PROMIMVS P : PROMIMUS A : FUNDIMUS B. <?page no="85"?> 2.1 Text und Übersetzung 85 Mantel trägt, wälzt sich ihnen entgegen. Und er schämt sich des Verbrechens, das er sich neulich zuschulden kommen liess, als er einige Menschen mit seinen berauschten Wogen versenkt hat. Er bindet dem Triton [655] die Ruder hinten auf den Rücken und legt ihn, wie er es verdient, in Ketten. Sie schreiten voran und Staub erhebt sich ganz unten an den Wagen. Doch Hymen vertreibt die Wolke und mischt den Sand mit darüber gegossenem Regenwasser auf, damit nicht durch den dicken Staub eine schädliche Verdunkelung entstehe und ungelegene Hitze aufkomme. [660] Jetzt sind sie da. Links hat es gedonnert und die Wolken springen zurück. SEI GE- GRÜSST! (Jetzt alle, wiederholt das Wort! ) SEI GEGRÜSST! Weiter! Wir wollen aber die gedichteten Verse vorher prüfen. Die Sache ist ernst. Eine einzige Stimme, die aus der Reihe tanzt, könnte den ganzen Chor durcheinanderbringen und beim BRAUTPAAR Anstoß erregen. [665] Calliope, sing vor. Ich werde jeden, der einen Fehler macht, zurechtweisen. Schluss (666 696) „HIMMLISCHES PAAR, DAS ICH GERNE SEHE,“ - Erhebt den Blick und applaudiert mit zusammengeschlagenen Händen! - „SCHREITE VORAN UN- TER GÜNSTIGEN VORZEICHEN“ - Geht gleichzeitig sieben Schritte vor! Euterpe, nicht acht, einen zurück! Polihymnia, füge deinem fünften noch [670] zwei hinzu! - „DAMIT DU SPÄT DIE SITZE DER STERNE EINZUNEH- MEN“ - Bacchus, hebe die Stimme! - „BEGEHREST,“ - Jetzt verdoppelst du die Lautstärke schon wie Stentor. Mäßige den Klang, wie die berühmte Clio. - „BEGEHREST, SPENDEN WIR VIEL VON UNSERER LEBZEIT“ - Lauter! - „UND GIESSEN DAS RÖTLICHE GOLD DES SILENUS AUS.“ - [675] Dieses Bauernpack! Diese Satyrn! Wir gießen das Gold des Saturn aus! - „GLÜCKLICH SEIST DU, DER ALS UNSRER DU KOMMST“ - Fließe so mit sanfter Stimme, meine Isar, und du, heisere Ceres, mach es nach! - „LOB- PREISUNGEN SCHENKE GNÄDIG DEIN OHR UND SCHLICHTE ...“ - Wenn ich mich nicht täusche, fehlt hier etwas. Cymodoce, schau nach dem Wasser! - „DEINEN EIGENEN LOBPREISUNGEN [680] SCHENKE GNÄDIG DEIN OHR.“ - Ungelehriges Pack! Wann werden wir auf diese Weise das Gedicht, das wir ihnen widmen wollen, vollenden? Schon leuchtet vom Himmel hell der Abendstern und die BRAUTLEUTE kommen. Werft euch wenigstens nieder. Ich will allein mit den MUSEN die guten Wünsche für ihre Liebe vorbringen: <?page no="86"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 86 PAR SUPERUM, quod cerno libens, procede secundis 685 Ominibus. Serò astrorum conscendere sedes Ut cupias, multum nostri tibi fundimus aeui. SIS FELIX, qui NOSTER ades, propriísque faueto Laudibus, et gracilem non aspernare camoenam. Si modò sit deuota tibi, facilísque iuberi. 690 In mare non rapitur mare, nec cadit aequor in aequor; Sed parui tantùm riui, quandoque paludes. SIS FELIX, quae NOSTRA venis. Tibi saxa ciemus In modulos. Tibi beryllos pictósque tapetes Sternimus, et cultae commercia pandimus Aulae. 695 Tu parias Caelo, pariat Tibi sidera Caelum: Et bene speratos maturet Cynthia menses. *** __________________ 684 685 Hor. carm. 3, 11, 50 51 secundo | omine et saep. || 696 cf. Stat. silv. 1, 2, 268 Acceleret partu decimum bona Cynthia mensem. 686 687 æui | SIS PAB. || 690 voluit P : rapitur AB. <?page no="87"?> 2.1 Text und Übersetzung 87 HIMMLISCHES PAAR, das ich gerne sehe, schreite voran unter günstigen Vorzeichen. Damit du spät die Sitze der Sterne einzunehmen | Begehrest, schenken wir dir viel von unserer Zeit! | GLÜCKLICH SEIST DU, der als UNSRER du kommst, den Lobpreisungen [deiner Person. Schenke gnädig dein Ohr, und verschmähe nicht die schlichte Muse, | Wenn sie dir nur dienstbar ist, und leicht deinen Wünschen folgt. | [690] Nicht das Meer eilt ins Meer, noch gießt die See sich in die See, | Kleine Bäche sind es stattdessen, ja oft ist es nur eine Pfütze. < GLÜCKLICH SEIST DU, die als UNSRE du kommst. Für dich lassen wir [die Felsen | Tanzen, Beryll und bunte Teppiche | Breiten wir hin, und eröffnen dir das Leben an einem feinen Hof. | [695] Du sollst dem Himmel, und dir soll der Himmel Sterne gebären; | Cynthia soll die erhofften Monate glücklich zu Ende bringen.“ . *** <?page no="88"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 88 2.2 Kommentar 2.2.1 Titel und Argumentum Titel Boiariae Duci Com. Pal. Rheni. ... | Septemuiro Archidapifero] Der bayerische Herzog Maximilian (Boiariae Duci) war seit seiner Belehnung mit der pfälzischen Kur 1623 in Regensburg Kurfürst (Septemuiro), Reichsvikar und Erztruchseß (Archidapifero) des Heiligen Römischen Reichs (Albrecht [1998], 539 580). Argumentum] Bei Balde lassen sich nach Burkard (2006) drei Arten der Vorrede unterscheiden: (1) Widmung bzw. Widmungsbrief, (2) Praefatio an den Leser und (3) Argumentum. Hier liegt der schlichte Typus (3) vor: Die Inhaltsangabe beschränkt sich auf die wesentlichen Grundzüge der Handlung; auch umfangreichere Einheiten sind z. T. auf kurze Bemerkungen reduziert. Der Schwerpunkt liegt auf der wohl insbesondere an eilige Leser gerichteten Feststellung, dass das Werk als ein christliches Hochzeitsgedicht konzipiert sei, heidnische Frivolität in ihm also keinen Platz habe. *2 Fescennina] Die ursprünglich improvisierten Feszenninen waren obszöne Spottlieder, die bei Hochzeiten vorgetragen wurden; vgl. Edward Courtney, Art. Fescennini versus, NP 4 (1998), 483 und Catull. 61, 127; Hor. epist. 2, 1, 145 Fescennina licentia sowie Claud. 11 14. Catull fordert in 61, 119-120 (ne diu taceat procax | Fescennina iocatio) zu Scherzliedern im Stil der Feszenninen auf; unter der Herrschaft von Baldes christlichem Hochzeitsgott (vgl. 11 16) ist dergleichen nicht mehr erlaubt. *4 Noua Roma] Vgl. Komm. zu 14 15. *6 in Horto principe] Gemeint ist der Münchner Hofgarten, der im ersten Abschnitt des Gedichts (1 208) beschrieben wird. *7 8 AUSPICATISSIMAS] Das Adjektiv wird häufiger im Hochzeitskontext gebraucht (Sen. Med. 285 auspicatos regii thalami toros). *8 è trium annorum malis] Die Jahre vom Kriegseintritt der Schweden 1632 bis 1635 (256). *9 Hymenaeo] Hymenaeus ~ Hymen (Catull. 62, 5; Ov. epist. 14, 27). *13 14 aperiuntur laetitiae regii fontes] Regius ist hier übertragen gebraucht („prächtig“, vgl. OLD s. v. regius [6]). <?page no="89"?> 2.2 Kommentar 89 *14 Virtus chorum ducit] Mit chorus ist der Wechselgesang zwischen Austria und Bavaria gemeint, die in ihrer Vorfreude die Regeln des Anstands nicht verletzen (385 402). *16 cura palmaria] Das Adj. aus Ter. Eun. 930 (quod ... mihi puto palmarium) bei Balde immer für die wichtigste Sache; z. B. in Verbindung mit causa Batr. Synops. 3, 7 (= op. omn. 3, 88) und Sol. Pod. 1, 41 (= op. omn. 4, 58) Palmaria ... causa. *17 dexterásque ritè jungendas] Diese Vorstellung aus dem christlichen Hochzeitsritus begegnet auch schon in der Antike (Bernhard Kötting, Art. Dexterarum iunctio, RAC 3 [1957], Sp. 881 888). *19 mitioribus Diis] Vgl. Komm. zu 464. Ausgeschlossen sind diejenigen Götter, die die Festfreude stören könnten (Mars u. a.). *20 sui fori apparatu] Sui fori bezeichnet den Wirkungsbereich (vgl. Balde Jepht. praef. [= op. omn. 6, 4] notat, quae sui fori sunt). Die übertragene Verwendungsweise ähnlich wie in Mart. 12 praef. (et videor mihi in alieno foro litigare; Otto [1964], 146); vgl. auch Plaut. Most. 1051 (video rem verti in meo foro) und Erasmus Adag. 3, 6, 2. *23 24 ut populus omnis animosa voluptate frui possit] Vgl. 533. Die als Theaterstück vorgestellte Jagd auf Nabuchodonosor bereitet den Zuschauern Vergnügen (voluptas), indem sie sie in eine Hochstimmung (vgl. animosa) versetzt. *25 Sequuntur vota] Balde übergeht in seiner Zusammenfassung die komischen Begleitumstände dieser Adgratulatio (666 696). *25 26 vota apprecantium ... Optimorum Optima] Apprecari bei Balde nur noch in Sylv. 7, 1, 92 (= op. omn. 2, 175) Bene apprecatur nuptiis („spricht Segenswünsche zur Hochzeit aus“). In der Antike wird das seltene apprecari regelmäßig mit dem Akkusativ der angebeteten Gottheit verbunden (TLL II 305, 64 69), doch entspricht Baldes Verwendung, der vota als direktes Objekt zum Verb zieht, dem Sprachgebrauch seiner Zeit; vgl. z. B. Schoppe (2004), I 244 (cui ... requiem et pacem ... ex animo apprecari non destiti). <?page no="90"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 90 2.2.2 Epithalamion Proöm (1 10) Der Dichter preist die Schönheiten des Münchner Hofgartens, der auf dem gesamten Erdkreis einzigartig ist. Auch der Sonnengott bewundert die Gartenanlage und überlegt, ob sein Wundervogel Phoenix nicht besser in diesem Garten leben sollte. 1 HORTUS ad Auroram spectat: Das erste Wort führt medias in res und gibt das Thema für die nachfolgende Ekphrasis an (1 208). - Aurora steht wie üblich für den Osten (z. B. Verg. Aen. 7, 606): Der Münchner Hofgarten liegt am Nordostrand des damaligen Stadtgebiets. 1 2 Orbis | ... Germanus] Orbis ist hier wie regio gebraucht (Bohnenkamp, TLL IX.2 917, 70 918, 14). 2 3 pretiosior auro | Hesperidum] Eine comparatio compendiaria (Sinn: pretiosior horto Hesperidum, ubi aurea mala sunt). Die goldenen Äpfel der Hesperiden, ein Hochzeitsgeschenk für Iuno, stehen für den Westen (Hes. theog. 215 216; Ov. met. 4, 637 638), Babylon für den Osten. - Vgl. im Ausdruck Stat. silv. 5, 3, 107 quo non ... quicquam praestantius; Stat. Theb. 1, 156 162; Iuv. 10, 1 2; Claud. 26, 302 (Curtius [1961], 171 174). 3 et si quod multa ausa Semiramis olim] Semiramis ist die legendäre Erbauerin Babylons und seiner hängenden Gärten. - Si quis vertritt adjektivisches quicumque (KS II 430). 4 Ventorum auxilio] Ein erster Anklang an Brunners Drama; der Chor berichtet in Nabuch. 50, wie die Winde der Göttin Semiramis beim Bau der hängenden Gärten geholfen haben: Infirma nubes rus humero tulit, Euróque frondens incubuit nemus, Tam debili subnixum Atlante Aëreum volitabat aruum Insana moles ... („Eine schwache Wolke trug das Land auf ihrer Schulter, der grünende Hain legte sich auf den Eurus, der Acker stützte sich auf einen so schwachen Atlas und flog luftig hinauf, die tollkühne Masse...“) <?page no="91"?> 2.2 Kommentar 91 4 pendens nemus] Gewöhnlich pensilis hortus (Curt. 5, 1; Macr. sat. 2, 11; Balde Lyr. 2, 20, 4 [= op. omn. 1, 80]). Ähnlich bei Balde noch Van. 10, 28 (= op. omn. 7, 32) Hortos | Pendentes. - Warum Balde den Garten nemus nennt, wird nicht deutlich. 5 Illum oriens Titan primis hinnitibus afflat] Den im Nordosten Münchens gelegenen Hofgarten erreicht der aufgehende Sonnengott (Titan) mit seinem Gespann zuerst. - Für Claudians Hain des Sonnengottes, auf den Balde hier anspielt (vgl. unten zu 9 10), trifft die poetische Ortsbeschreibung freilich besser zu: Er liegt trans Indos Eurumque (vgl. Claud. carm. min. 27, 2). 7 8 Clymenaei nectaris imbrem | Inuergit] Ein erster intertextueller Bezug zu Claudians Epithalamium: Die wörtlichen Anklänge an die Frisierszene im Venuspalast (vgl. Claud. 10, 99 106) sind bei Balde in den Bereich der Natur gestellt. - Das Adjektiv Clymenaeus (zu Clymene, die Mutter des Phaethon und der Heliaden, die nach dem Tod des Bruders in Bäume verwandelt wurden und aus ihren Tränen den Bernstein entstehen ließen, vgl. Ov. met. 2, 340 366) ist hier wie „bernsteinfarben“ gebraucht (Schwering, TLL Onom. II 512, 6 9 mit dem einzigen Beleg Stat. silv. 1, 2, 123 124, wo der Ausdruck Clymenaea ... | germina auf diese Farbe hindeutet). Bei dem bernsteinfarbenen Nektar, den Sol über den Garten ausgießt, ist an den morgendlichen Tau zu denken, in dem die Sonnenstrahlen goldgelb reflektieren. - Invergere wie infundere sonst gewöhnlich nur bei Opferhandlungen (TLL VII.2 163, 27 36; bei Balde Podagr. 2, 79, 11 [= op. om. 4, 101] pedibusque invergit acetum; Lyr. 4, 16, 53 54 [= op. omn. 1, 213] Sol radios dolo | Inverget olim). 8 Dies ab honore Ministri] Die Tage als Begleiter des Sonnengottes kannte man in der Antike nicht (Plaut. Bacch. 255; Cic. nat. deor. 3, 22, 56 und 3, 23, 59 nennen nur eine Göttin dieses Namens). Baldes Vorstellung erklärt sich wohl in Analogie zu den Horen; ab honore weist auf den Aufgabenbereich der Tage hin (Ehrenbezeugungen für den Sonnengott; vgl. Amtsbezeichnungen wie ab epistulis u. ä.). 9 10 Saepe volutantem Dominum dubitasse, suámne | Deberet volucrem Phoenicem, his credere septis] Die Textänderung in A hat sprachliche Gründe: Das Wort volutantem ist in Verbindung mit dubitasse redundant und wird gewöhnlich auch mit animo o. ä. verbunden (OLD s. v. volutare [4]). - Balde legt hier eine spätantike Version des Mythos vom Phoenix zugrunde, nach welcher der Vogel des Sonnengottes in einem Garten bzw. einem Sonnenhain im fernen Osten lebt, der als Paradiesgarten geschildert <?page no="92"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 92 wird (Schiller [1966/ 1976] 3, 130; Lact. Phoen. 1 30; Claud. carm. min. 27, 7 10). Hymen (11 48) Der Hofgarten wird als Wohnort des Hochzeitsgottes Hymen beschrieben, dessen Charakter in den folgenden Versen geschildert. Der Münchner Hymen unterscheidet sich als christlicher Hochzeitsgott von seinem antik-heidnischen Pendant. Er stiftet nur Hochzeiten zwischen Eheleuten, die sich treu lieben. Dazu erkundet er die Herzen der Brautleute mit einem Edelstein. Mit seinem eisernen Magnetring begründet er ewig währende Liebesbande: Wie der Magnet nur ein bestimmtes Gegenstück anzieht, ist auch die von Hymen gestiftete Liebe exklusiv. Noch einmal wird die heidnische Vielweiberei verdammt. Das Feuer der christlichen Liebe stammt von den Sternen, wird von Hesperus gesammelt und von Hymen in die Brautleute eingegossen. 11 Hic habitat festiuus HYMEN] In der Antike galt der Helikon als Aufenthaltsort des Hochzeitsgottes Hymen (Catull. 61, 1; Bruno Sauer, Art. Hymenaios Roscher I.2 [1890], Sp. 2800 2804 und Kroll [1968] zu Catull. 61, 1). Baldes christlicher Hymen ist durch seine Versetzung in den Münchner Hofgarten auch in räumlicher Beziehung deutlich von seinem antiken Gegenstück geschieden. - Zu festivus vgl. Alc. Avit. carm. 1, 189 festivum dicebat hymen; hier ist aber das Hochzeitslied gemeint. Festivus bedeutet bei Personen „heiter, leutselig, unterhaltsam“ und entspricht in etwa den Adj. lepidus oder urbanus. Calepinus (1586) 416 übersetzt: „Lustig, lieblich“ und notiert: Quidam etiam festivum pro festo accipiunt, sive ad festum pertinente, ut Festiva gaudia. In hac tamen significatione apud veteres non invenies (im genannten Sinn von Balde in 440 gebraucht). 12 13 Quem Musâ genitum … coluere … | … proci] Aus Claud. carm. min. 25, 31 geht nicht hervor, um welche Muse es sich handelt, doch dürfte an der Stelle entweder Urania (Catull. 61, 2) oder, wahrscheinlicher, Calliope gemeint sein (Horstmann [2004], 195 Anm. 548). - Mit prisci … proci ist, wie aus 14 15 ersichtlich, an die heidnischen Anhänger des Hochzeitsgottes gedacht, deren Verehrung Catull. 61, 48 49 beschreibt. 12 13 virenti | Verbena nucibúsque …, Cypriísque columbis] Die Ablative sind instrumental zu coluere zu ziehen (Suet. Galba 4). - Zweige der immergrünen Myrte fanden bei antiken Hochzeiten Verwendung (Catull. 61, 22; 64, 89). Nüsse wurden bei der deductio der Braut in die Menge geworfen (Catull. 61, 131 135; Verg. ecl. 8, 30 mit Serv. ad loc.). Wenn Venus <?page no="93"?> 2.2 Kommentar 93 - Cypern war ein Kultort der Liebesgöttin - mit Tauben „verehrt“ wird, dann ist konkret an Taubenopfer gedacht (Prop. 4, 5, 65 66; Ov. fast. 1, 452). Hymen wurden freilich keine Taubenopfer dargebracht. 14 15 Hunc noua concepit Tyberino in littore Roma, | In castos enixa toros] Mit der Herrschaft der neuen, also christlichen Roma übernimmt auch ein neuer Hochzeitsgott die Macht (vgl. *4 probrosum veterem Hymenaeum, Noua Roma aboleuit). - Zu noua ... Roma: Im Poema de vanitate mundi dient die Antiqua Roma als Inbegriff für die Vergänglichkeit alles Irdischen; ihr wird die christliche Nova Roma entgegengestellt (Van. 30, 39 40 [= op. omn. 7, 66] ROMA ANTIQUA vale, lacte enutrita lupino. | Salve sparsa AGNI sanguine ROMA NOVA). Die sieben Hügel erscheinen als Grabhügel: QUAE SEPTEM TUMULOS JACTANTIOR EXTULIT OLIM, | SUB SEPTEM TUMULIS URBS TUMULATA JACET. - Zu concepit ... enixa: Hier ist das Zeitverhältnis zwischen Prädikat und Partizip verkehrt. Die Stelle bleibt trotzdem verständlich, da der chronologisch spätere Vorgang (enixa) auch an zweiter Stelle des Satzes steht. 15 16 quo tempore septem | Montibus accessit Rupes Octaua Tonantis] Gemeint ist der Vatikanhügel, ursprünglich außerhalb des römischen Stadtgebiets gelegen und nach dem Aufkommen des Christentums im neunten Jh. eingemeindet. - Iuppiter (Tonans für ihn zuerst bei Ov. met. 1, 170) war neben Iuno und Minerva Schutzgottheit der Stadt Rom. 17 18 Atque inter scopulos dominari PETRA Latinos | Coepit] Eine Anspielung auf das Grab des Apostels Petrus, das seit dem dritten Jh. am Vatikanischen Hügel verehrt wird. Die biblischen Konnotationen der Stelle (Mt. 16, 18 tu es Petrus) sind deutlich; mit PETRA ist das Papsttum bezeichnet. - Zu scopulos (hier wie colles) vgl. OLD s. v. scopulus (1c). 18 et obtriuit veterum delubra Deorum] Spätestens seit Theodosius kam es zu systematischen Zerstörungen heidnischer Kultstätten. - Delubrum hier wie templum (Jachmann, TLL V.1 471, 67 78). 20 Inque animos clementer agit] Baldes Ausdruck ist singulär (vgl. aber Plaut. Asin. 173 male agis mecum; Ter. Ad. 210 bene ... secum esse actum; Cic. Verr. II 4, 204 optime ac benignissime). 20 mitíque calore] Calor ~ amor (Hor. carm. 4, 9, 11; Claud. 10, 3). 21 et tantùm caelestes inserit ignes] Ignis steht metaphorisch für die Liebesleidenschaft. Ein ähnlicher Ausdruck findet sich bei Balde in Van. (= op. omn. 7, 195), wo der sanctior ardor der Liebesglut eines Gallus oder Catull <?page no="94"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 94 entgegengestellt wird: Hos sua flamma coquit. me meus ardor habet | Sanctior in nobis calet et formosior ignis. 22 Quem penes est Geniale Sacrum] Geniale ist Adj.-Attribut zu Sacrum. Zur Bedeutung (coniugalis) vgl. Bulhart, TLL VI.2 1807, 23 34 und 410 Connubiale Sacrum. 22 23 fidúsque benigni | Pectoris, et blandi dulcis consensus amoris] Neben den äußeren Riten der Eheschließung kümmert sich Hymen bei Balde auch darum, dass die Brautleute in innerer Eintracht verbunden sind (Sinn: fidus et dulcis consensus benigni pectoris et blandi amoris). 24 26 Unde suo fretus genio, quáque augure gemma | Incendit digitos; sensus explorat in omni | Coniuge secretos, penetrátque arcana futuri] Zur Konstruktion: Im Hauptsatz muss gemma, das in den Relativsatz hineingezogen ist, als Ablativus instrumenti ergänzt werden. Augur ist Apposition zu gemma (vgl. Claud. 26, 18 Iovis augure luco): Der Ring dient Hymen als Instrument, um Verborgenes zu schauen, indem er mit seinem Strahlen die Geheimnisse ausleuchtet oder in ihn blickt wie der Wahrsager in die Kristallkugel. Er sieht dabei nicht nur ins Innere der Brautleute und prüft ihre verborgenen Regungen, sondern blickt auch in die Geheimnisse der Zukunft, bevor er den Bund fürs Leben schließt. - Gemma für den Magneten wie in Claud. carm. min. 29, 26 und 37. - Auch Statius spricht in silv. 2, 1, 134 135 in der Metapher des Entzündens von einem leuchtenden Ring, hier bezogen auf den Schmuck am Finger des zu früh verstorbenen Glaucias. 27 28 paribus coniungere taedis | Dignatur similes] Der christliche Hymen spannt nicht wie die heidnischen Liebesgötter ungleiche Partner unter ein Joch (Hor. carm. 1, 33, 10 12 sic visum Veneri, cui placet inparis | formas atque animos sub iuga aenea | saevo mittere cum iugo). - Mit paribus ... taedis entfernt sich Balde von der Vorstellung von Hochzeitsfackeln: Hymen entfacht in den beiden Eheleuten das gleiche Feuer der Liebe. 29 Non lauat ex Hermo digitos vel Gange] Der Ring des Gottes besteht nicht aus kostbarem Gold, sondern aus scheinbar wertlosem Eisen. Die Vorstellung von den goldführenden Strömen Hermus und Ganges (Verg. georg. 2, 137; Plin. nat. 33, 66) wird mit lauat assoziativ weitergeführt, ohne dass dabei an den konkreten Vorgang des Waschens zu denken wäre. - Zu Baldes ungewöhnlicher Konstruktion mit ex vgl. Pecere-Ehlers, TLL VII.2 1048, 84 85: instrumentum passim indicatur per abl. vel in c. abl. ..., apud artium scriptores etiam per ab, de, ex (z. B. Colum. 12, 24, 2). <?page no="95"?> 2.2 Kommentar 95 31 Quem nec Chrysolitho decorat, nec iaspide pingit] Balde erwähnt den Jaspis als strahlenden Edelstein (Antag. 36, 146 147 [= op. omn. 4, 335] & qui fulgebat Jaspis | In digito; vgl. Verg. Aen. 4, 261; Plin. nat. 37, 115; Claud. 10, 90). Der Chrysolith schimmert golden (Plin. nat. 37, 126 chrysolithos aureo fulgore tralucentes). - Hymen kann seinen Ring schwerlich mit einem Edelstein „umgürten“; der Text ist daher wohl zu pingit zu ändern (wie ornat verwendet bei Prop. 4, 10, 21; Stat. Theb. 9, 699; Mart. epigr. 9, 59, 17; vgl. Ottink, TLL X.1.2 2157, 56 73). 32 nec flammis Hyacinthe tuis] Hyacinthus, eigentlich eine Pflanze, bezeichnet auch einen Edelstein (Plin. nat. 37, 125 126; Claud. 10, 89; vgl. Ov. met. 10, 162 219). Vom Feuer des Hyacinthus spricht Balde auch in Pan. Equ. 74 (= op. omn. 3, 159) Quos Hyacinthe tuus secretior ambiat ignis. Im Hintergrund steht wohl Claud. 8, 587 588 fulgor Hiberus | Temperat arcanis hyacinthi caerula flammis, wo allerdings spanisches Gold den dunkelblauen Edelstein aufhellt. 32 33 praefertur amoris | Nutrimenta sui carpens rigidissima, MAG- NES] Statt wertvoller Edelsteine trägt Hymen einen Magnetring. Baldes Vorstellungen vom Magnetismus entsprechen denen Claudians im Magnetgedicht carm. min. 29 (unscheinbare Gestalt: 29, 9 15; anziehende Wirkung des Venusbildnisses auf die Marsstatuette mittels magnetischer Kraft und daraus resultierende Hochzeitsszene: 29, 27 39). Der Magnet zieht die Nahrung für seine Anziehungskraft (amoris | Nutrimenta sui) aus dem Eisen (Claud. 29, 16 18: nam ferro meruit vitam ferrique rigore | vescitur; hoc dulces epulas, hoc pabula novit; | hinc proprias renovat vires; hinc fusa per artus). - Carpens hier wie häufiger von „Nahrungsmitteln“ (Bannier, TLL III 491, 80 492, 72). Hymen und Magnes werden auch sonst miteinander in Verbindung gebracht (Serv. Aen. 4, 127 nennt Magnes als Vater des Hochzeitsgottes). 34 Qui rapit arcano ductus spiramine ferrum] Vgl. Claud. carm. min. 29, 36 37 ille lacessitus longo spiraminis actu | arcanis trahitur gemma de coniuge nodis von der magnetisch angezogenen Marsstatue. Die Wirkung wurde durch Ausströmungen (spiramina) erklärt (Hans Rommel, Art. Magnet RE XIV.1 [1927], Sp. 474 486 und bes. Sp. 477 481). Ductus ist Genetiv zu arcano ... spiramine und entspricht Claudians actus (die Vorstellung von der magnetischen „Anziehung“ wie in Lucr. 6, 908 lapis hic, ut ferrum ducere possit und Prop. 4, 5, 9 poterit magnes non ducere ferrum). 35 Idque flagrans spreto complectitur arctiùs auro] Flagrans von Affekten wie in Catull. 67, 25 (Bacherler, TLL VI.1 847, 6 13). Das Vergleichsstück <?page no="96"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 96 zum Komparativ arctiùs bildet das Gold, das nicht magnetisch angezogen wird. 36 37 non dotem suaserit ulli | Extorquere minis] Hymen, der ab hier wieder Subjekt ist, sorgt dafür, dass nicht eine durch Drohungen (minis) erpresste Mitgift die Veranlassung zur Eheschließung gibt. 37 38 nam tantùm nouit amare | Fortiter, id quod amat; tantúmque id nouit amare] Der Akzent des ersten tantùm liegt auf Fortiter: Wenn er liebt, dann liebt der Magnet stark, d. h. dann zieht er den auserkorenen Gegenstand mit aller Kraft an sich. Das zweite tantúm verweist darauf, dass nur das, was er liebt, vom Magneten angezogen wird. 39 40 Pueríque salacis | Immitem telis Pharetram] Die Grausamkeit, die dem lüsternen Liebesgott mit Immitem ... Pharetram (immitem ist metonymisch auf Cupido zu beziehen) zugeschrieben wird, ist aus der römischen Liebeselegie bekannt (Ov. am. 1, 1, 5). Salax (eine sehr derbe Charakterisierung) wird Cupido genannt, weil er die Menschen salaces macht. 40 41 vel faeda Getarum | Foedera, et Othrysii damnat connubia Turcae] Klanglich wirkungsvoll ist die Zusammenstellung von faeda und Foedera. - Othrysius für Thracius (Kleywegt [2005] zu Val. Fl. 1, 24). - Die Völkernamen sind nicht wörtlich zu nehmen; sie verweisen auf die heidnische Polygamie. Besonders die Getae stehen bei Balde für die Türken: An Skanderbeg, dem Verteidiger Albaniens gegen die Osmanen, rühmt er etwa in Lyr. 1, 39, 13 (= op. omn. 1, 48), dass dieser sich in Geticos canes gestürzt habe. 42 Odit Hamadryades, et rustica pectora Faunos] Hamadryaden sind Baumbzw. Waldnymphen; Faune stellt man sich zumeist als bocksfüßige, lüsterne Waldgötter vor (Stroh [1998], pass.). Bei Balde treten die Faune regelmäßig als Gottheiten des sexuellen Verlangens auf. 43 Sanctior ingenuis flammas deradit ab astris] Die Vorstellung aus 21 wird weitergeführt: Hymen streift die himmlischen Liebesfunken von den Sternen am Firmament ab, um sie dann den beiden Eheleuten einzugießen und so ihre Liebe zu entfachen. - Der Hochzeitsgott ist sanctior, weil er nicht wie der alte Hymen die ordinäre irdische Liebesflamme entfacht, sondern auf das Feuer edler Gestirne zurückgreift. Wenn hingegen Catull. 64, 95 Amor als sancte puer apostrophiert, so drückt er damit einerseits seine Verehrung vor der Macht des Liebesgottes, andererseits religiöse Scheu vor seiner zerstörerischen Kraft aus (vgl. die Parallele Apoll. Rhod. 4, 445; bei Balde ganz ins Positive gewendet). - Ingenuus wird übertragen (ingenuo dignus) in äußerlicher (= pulcher) wie auch in moralischer Hinsicht <?page no="97"?> 2.2 Kommentar 97 (= sincerus) verwendet; vgl. Scheller-Wieland, TLL VII.1 1547, 51 57. - Das relativ seltene deradere sonst nicht mit ab (TLL V.1 626, 1 29). 44 Cùm dulci risu] Der Akzent weist cùm als einen Nebensatz einleitende Konjunktion aus. - Die Sterne geben ihre Funken unter Lachen ab, vielleicht um damit ihre Zustimmung zu signalisieren. 45 Quas ubi collegit non degener Hesperus] Der Abendstern (Hesperus), als Signalgeber für die deductio der Braut aus dem Hochzeitskontext bekannt (vgl. zu 681 682), hilft Baldes Hymen beim Einsammeln der Funken. - Zu degener erklärt Calepinus [1586] 298: Qui maiorum suorum virtuti non respondet. 46 et serica vincula nectit] Die Seres, eine asiatische Völkerschaft, waren für ihre Seidenherstellung bekannt (Verg. georg. 2, 121). 48 Vestales animos] Die Vestapriesterinnen mussten in strenger Keuschheit leben (~ pudicus; vgl. Ov. trist. 2, 311 Vestales oculi). Hofgartentempel (49 59) Die Beschreibung des Hofgartens nimmt vom zentralen Gebäude, dem Hofgartentempel, ihren Ausgangspunkt. Nur ein sanfter Westwind darf durch das sonnenbeschienene Bauwerk wehen. Acht Wegachsen laufen auf das mit Mosaiken geschmückte Gebäude zu und untergliedern die Blumenbeete. 49 Aequaeuas inter Charites] Die Chariten sind die drei Grazien Aglaia, Euphrosyne und Thalia (Hes. theog. 909; bei Hochzeiten Stat. silv. 1, 2, 19 und Claud. 10, 202). In 216 nennt Hymen Euphrosyne seine Schwester. - Zur Prosodie von Charit s: Die Endsilben der Graeca auf -es im Nominativ können wie in röm. Dichtung üblich je nach Fall lang oder kurz gemessen werden (KH 372). - Aequaeuas ist gedanklich auf Iuuenis (50) zu beziehen. 49 et gaudia mentis] Mit mentis wird das Objekt näher bestimmt, das von der Freude affiziert wird (Hey, TLL VI.2 1717, 65 66): quae mentes gaudio afficiunt. 50 Pronubus hic amplo Iuuenis spatiatur in Horto] Pronubus ist für Hymen nicht üblich (Banta, TLL X.2.2 1916, 44 73: Pronuba öfter von Iuno und übertragen von den Frauen, die der Braut bei der römischen Hochzeit assistieren; vgl. Fest. 317 und Serv. Aen. 4, 166). <?page no="98"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 98 51 Cuius in amplexu tholus est] Mit tholus wurden in der Antike zumeist Rundbauten mit Kuppeldächern bezeichnet (Varr. rust. 3, 5, 12; Vitruv. 8, 5; Ernst Fiechter, Art. Tholos RE VI. A1 [1937], Sp. 307 315). Hier ist der Hofgartentempel gemeint, der von den Arkadengängen und der oberen Gartenanlage umschlossen wird (in amplexu). Das Gebäude steht im Zentrum der vier Hauptachsen des oberen Hofgartenareals. - Zum Tempel vgl. Hentzen (1959), 18 und Buttlar/ Bierler-Rolly (1988), 41 42. Maximilian ließ den zwölfseitigen, polygonalen Kuppelbau im Jahre 1615 von Heinrich Schön d. Ä. erbauen. - Die kupfergedeckte Kuppel krönte seit 1616 bzw. 1618 die über zwei Meter hohe Bronzefigur der Tellus Bavarica, die Hubert Gerhard ursprünglich als Dianafigur konzipiert hatte und die zunächst im südlichen Residenzgarten Wilhelms V. stand. Nach 1623 wurde sie von Hans Krumpper mit dem Reichsapfel als Symbol der Kurwürde zur Landesallegorie umgestaltet. Balde verzichtet auf eine Beschreibung der Figur, weil Bavaria zu diesem Zeitpunkt der Erzählung bereits in Wien ist (230 Interea). Diesen Grund für das Fehlen der Bavaria in Baldes Beschreibung hat schon Paul J. Rée in seiner 1885 erschienenen Biographie Peter Candids erkannt (vgl. Rée [1885], 147 148 Anm. 2). - Über die Innenausstattung des Gebäudes ist wenig bekannt; einer Notiz des Jesuitenpaters Schönwetter zufolge fanden sich an vier Seiten des Tempels Grottennischen mit metallenen Wasserspeiern: „In denen vier Theilen der Maur spritzen auß Metallinen Bildern, welche die vier Jahrs-Zeiten anzeigen, und in Holen von Grotta-Feldungen jhr Ruhe haben, unterschidliche Wasser-Röhrlein, die in jhre undersetzte Marmelsteinene Brunn-Gefäß mit lieblichem Geräusch hinab fallen“ (zit. nach Hentzen [1959], 18). 51 mediáque medulla] Medulla ist bei Ortsbeschreibungen i. S. v. interior pars nicht üblich (Buchwald, TLL VIII 601, 67 78; keine weitere Parallele bei Balde). 52 mulcenti peruia vento] Gemeint ist der Zephyrwind, der als besonders mild gepriesen wird (Ov. met. 1, 107 108; Sen. Phaedr. 11; Sil. 12, 4). 53 Námque Eurus, reliquaéque timent accedere Buccae] Der Schutz vor widrigem Wetter gehört zu den Charakteristika eines locus amoenus (Mart. 8, 14). - Der Ostwind (Eurus) gilt als besonders regenreicher und stürmischer Winterwind (Verg. georg. 2, 239; Hor. carm. 1, 25, 19 20). - Bucca für ventus ist in der Antike ungebräuchlich (Münscher, TLL II 2225, 49 2226, 33). Baldes metonymischer Ausdruck erklärt sich aus der ikonographischen Tradition, Winde pausbäckig darzustellen (vgl. etwa Botticellis La nascita di Venere). <?page no="99"?> 2.2 Kommentar 99 54 Sparsa nitent asarota solo] Der Mosaikfußboden des Hofgartentempels, der in restaurierter Fassung noch heute zu sehen ist. Die Bezeichnung asarota erklärt Plin. nat. 36, 184: quoniam purgamenta cenae in pavimentis quaeque everri solent velut relicta fecerat parvis e tessellis tinctisque in varios colores (vgl. auch Stat. silv. 1, 3, 56 - der einzige Beleg für den Pl. asarota - und TLL II 749, 80 750, 2). Balde denkt nicht an nachgebildete Speisereste, sondern verwendet das Wort wie opus musivum. Vgl. auch Lyr. 2, 20, 24 (= op. omn. 1, 81) Sparsa nitent asarota circum mit Haß (2005), 134 z. St. 54 55 fastigia fornix | Illaqueat] Mit fastigia sind die oberen Partien der Seitenwände gemeint (Stat. Theb. 11, 356; Val. Fl. 2, 553), die durch eine Bogenkonstruktion (fornix) verbunden sind. - Die Formulierung Illaqueat (~ ligat) ist gesucht; in vergleichbarer Verwendung ist das Wort sonst nicht bezeugt (Prinz, TLL VII.1 337, 79 338, 43). 55 paries variato murice fulget] Von einer purpurnen Bemalung bzw. purpurnen Mosaikarbeiten im Hofgartentempel schweigen die Quellen. 56 57 Tota loci series octo diuisa recedit | Partibus] Die Anlage der aneinandergereihten Gartenareale ist für den Betrachter innerhalb des Hofgartentempels in acht Teilstücke untergliedert, weil die vier rechteckigen Areale des oberen Hofgartens von diagonalen Wegen durchzogen waren, die alle auf das Gebäude zuliefen. 57 58 Euterpe reperit, scripsítque Thalia, | Compegit Nemoris corpus florale voluptas] Euterpe und Thalia sind zwei Musen. Die Verse beschreiben die Blumenbeete: Reperire meint den Entwurf des Blumenarrangements (~ OLD s. v. reperio [6a]); scribere die Fixierung mithilfe einer Grundrisszeichnung in den Beeten (~ OLD s. v. scribo [1c]); die voluptas schließlich übernimmt die eigentliche Gärtnerarbeit: Sie stellt die Blumen zu Rabatten zusammen und gibt ihnen ihre eigentümliche Farbe. Die personifizierte Voluptas tritt häufiger bei Balde auf (Lyr. 2, 34, 10 [= op. omn. 1, 98] Et quae VOLUPTAS nascitur). Vielleicht ist mit reperire und scribere auch auf rhetorische Termini (inventio, dispositio) angespielt. - Zu reperit: Balde verwendet die Form neben regulärem repperit für das Perfekt, wie eindeutig aus der prosodischen Messung von reperisse im Pentameter Eleg. var. 30, 30 (= op. omn. 5, 324: Aut, si non reperit, se reperisse putat) hervorgeht; auch Joannes Despauterius gibt in seiner Grammatica Institutio (Ausg. 1625, 139) als Stammformen Reperio, reperi vel repperi, repertum an. Man kann daher an dieser Stelle von einer einheitlichen Tempusreihe im Perfekt ausgehen, obwohl ein Wechsel ins Präsens kaum anstößig wäre. - Auffällig ist wieder die Verwendung von nemus für den Garten (vgl. auch 4 pendens nemus vom Garten der Semiramis). - Das Adjektiv floralis ist nur an weni- <?page no="100"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 100 gen anderen Stellen belegt (Kapp, TLL VI.1 916, 32 42; bei Balde noch Med. glor. 15, 19 [= op. omn. 4, 415] pondus florale). Säulengang mit Herculesstatuen (60 77) Es werden die einfassenden Mauern des Hofgartens beschrieben, in deren Nischen lebensgroße Herculesstatuen ausgestellt waren. Die Bildwerke zeigen verschiedene Arbeiten des Helden in so erstaunlicher Wirklichkeitstreue, dass Hercules selbst vom Himmel herabsteigt, um anhand der geworfenen Schatten zu prüfen, ob er oder die Nachbildungen imposanter sind. 60 61 quibus haeret utrimque | Porticus excurrens, vasto longissima tractu] Der Hofgarten wird im Norden und Westen von einem Säulengang abgeschlossen. Maximilian ließ die Arkaden in den Jahren nach 1613 errichten; von der originalen Bausubstanz ist, sieht man vom Ostende des nördlichen Teils ab, nichts mehr erhalten. Der nördliche Arkadenabschnitt verlief unter Maximilian in östlicher Richtung bis zum Ende des sog. „unteren Hofgartens“. Seit 1621 waren die Nordarkaden mit historischen Gemälden von Peter Candid geschmückt, die u. a. Szenen aus dem Leben Herzog Ottos I. und Kaiser Ludwigs zeigten. Balde erwähnt sie nicht, vielleicht um die Idylle des locus amoenus nicht durch geschichtliche Bezüge zu stören. 62 63 Fortia quo videas magni monumenta Labores | Herculis] Gemeint sind Szenen aus den zwölf Arbeiten des Hercules. Der Zyklus der von Kaspar Riedl aus Stuck gearbeiteten Herculesstatuen, die sich in den Nischen des nördlichen Arkadentraktes befanden, ist nicht erhalten. 1739 wurden sie noch von Johann Baptist Straub ausgebessert, um dann 1781 mit Holzfiguren von Roman Anton Boos ersetzt zu werden, von denen sich sechs im Treppenhaus des Königsbaus der Residenz erhalten haben; vgl. die Abb. bei Schedler (1985), 70 79. Sie vermitteln wohl einen authentischen Eindruck der von Balde beschriebenen Figuren (Buttlar/ Bierler-Rolly [1988], 44: „Der Stil der teils bronzefarben getönten, teils weiß gefaßten Kolossalfiguren von Boos läßt auf eine bewußte Anlehnung an die Skulpturen des 17. Jahrhunderts schließen.“; vgl. auch Schedler [1985], 68 80; Thiele [1988], 50; Grau [2003], 157 160). - Monumentum gelegentlich für statua (Cic. Verr. II 2, 152; TLL VIII 1462, 59 1463, 5); hier ist Fortia ... monumenta eine Apposition zu Labores. 63 64 ut Libycum compresso gutture monstrum | Edomet] Vgl. die bei Schedler (1985), 77 abgebildete Skulptur von Boos. - Die einzige Aufgabe <?page no="101"?> 2.2 Kommentar 101 des Hercules, die er in Libyen erledigte, war die Bezwingung des Riesen Antaeus. Sie wird aber erst in 69 70 geschildert; die Episode wäre damit also zweimal von Balde angeführt. Es ist daher davon auszugehen, dass bei Libycum ... monstrum an den ebenfalls in einer Statuengruppe dargestellten nemeischen Löwen gedacht ist, obwohl dieser nicht in Afrika, sondern in der griechischen Argolis lokalisiert wird. Libycus verwendet Balde häufig als Beiwort für Löwen (Lyr. 3, 8, 10 11 [= op. omn. 1, 131] Libycae ... leaenae). 64 offensus monstro maiore Nouercâ] Gemeint ist Iuno (Ov. met. 9, 134 135 novercae; Balde Lyr. 4, 1, 73 74 [= op. omn. 1, 191] Nouerca Iuno); sie hasst als betrogene Gattin Iuppiters den Sohn der Alcmene. 65 Ferratas ut figat aues] Vgl. die bei Schedler (1985), 71 abgebildete Skulptur von Boos. - Angespielt ist auf die stymphalischen Vögel, die Hercules aufscheuchte und mit dem Bogen tötete. Ferratae werden sie wegen ihrer eisernen Federn genannt (Hyg. fab. 30, 6). - Figere vom Pfeilschuss wie in Ov. epist. 15, 278. 65 66 medióque subactum | Corpore Terrigenam, dextrâ sustollat in altum] Vgl. die bei Schedler (1985), 74 abgebildete Skulptur von Boos. - Der Riese Antaeus forderte alle Fremden zum Ringkampf auf; seine gewaltigen Kräfte bezog er aus der Berührung mit seiner Mutter Gaia, dem Erdboden. Hercules hob ihn deshalb in die Höhe und erwürgte ihn. 70 77 Stridenti ... pondus.] Die Textumstellung liegt aus dreierlei Gründen auf der Hand: (1) Sic in 75 greift sic in 69 auf; die Korrelation wäre bei traditioneller Lesart durch die drei Verse 72 74 unterbrochen. (2) Das Adverb pariter stellt eindeutig den Bezug zur Antaeuserzählung her: Hercules zeigt, wenn er die Welt trägt, dieselbe schmerzverzerrte Miene wie Antaeus. (3) Die Vorstellung von Hercules, wie er vom Himmel herabsteigt, fügt sich nicht in die Reihe der durch die Statuen repräsentierten Einzelarbeiten ein. Viel stimmiger ist es, wenn man den Gedanken als abschließendes Resüme auffasst und die Kohärenz der Statuenfolge belässt. Zur Genese des Fehlers: Vermutlich standen 75 77 in Form einer Marginalnotiz Baldes am Rand der Druckvorlage von P und wurden vom Setzer dann falsch eingefügt. 70 Stridenti vapidum reuocat pulmone calorem] Die Luft, die Antaeus ausatmet, ist heiß, weil er sich beim Kampf anstrengt (ähnlich Balde Lyr. 3, 16, 35 36 [= op. omn. 1, 143] Saepe, nec in Siculo tam saevum carcere bellum, | Quam vapido sub pectore fervet). Vielleicht ist auch an Pers. 5, 117 gedacht (astutam vapido servas in pectore vulpem). - Beim Versuch, die Luft wieder einzuatmen, lässt der bedrängte Riese ein zischendes Geräusch hören. <?page no="102"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 102 75 Sic alibi pariter victus] Vgl. die bei Schedler (1985), 75 abgebildete Skulptur von Boos. - Die Statue im Hofgarten, die den gequälten Hercules als Träger der Welt darstellt, vermittelt einen Eindruck davon, wie der echte Hercules nach seiner Niederlage im Wettstreit um die Körpergröße ausgesehen hat. Hercules hatte die Aufgaben des Atlas kurzzeitig übernommen, weil dieser die Hesperidenäpfel für ihn holen sollte. 71 73 Ipse aliquando ruit verus Tirynthius astris. | Visurus fictos: conformatísque lacertis | Ad simulacra, suum corpus metitur in umbra] Der echte Hercules (Tirynthius nach dem Ort seiner Erziehung), der nach seinem Tod verstirnt worden ist, stürzt nun von den Sternen herab und betrachtet die Standbilder. Er hält seine muskulösen Oberarme an die der Statuen, vergleicht die Schatten, die er und die Statuen werfen, und muss erkennen, dass er dem nachgebildeten Hercules unterlegen ist. Blumenbeete (78 98) In den Beeten, die um den Hofgartentempel herum angelegt sind, blühen die schönsten Blumen. Die Ordnung der Beete wird im Bild eines disziplinierten Heeres illustriert, das sich unter dem Oberbefehl der Chloris gegen den Wildwuchs des Unkrauts zum Kampf aufstellt. 78 At Ioue sub tepido] Der Blick richtet sich nun von der Portikus in die Areale des oberen Hofgartens. 79 Topiaria] Topiarium (nach OLD s. v. topiarius ist die Form in der Antike nicht belegt) bezeichnet die künstlich aus Gewächsen geschnittene Gartenfigur. Calepinus (1586), 1073 übersetzt „etwas das man auß beumen, kreüteren, bluomen in den gaerten zur zierd oder umb deß schattens willen machet“. Balde verwendet das Wort im Neutr. Pl.: Sylv. 8, 20, 63 (= op. omn. 2, 275) Hinc connexa pedem refer in topiaria Florae und Van. 42, 9 (= op. omn. 7, 87) Sed neque jam primae sortis Topiaria cerno. 81 Hic Maii rubicunda cohors] Die cohors des Monats Mai nimmt bereits das militärische Bild in 94 98 vorweg. 81 82 hic candida ruptis | in campum prodit calathis] Calathus hier wie selten i. S. v. „Blumenkelch“ (Auson. 361, 31 ridentis calathi patefecit honorem; Probst, TLL III 126, 4 8). <?page no="103"?> 2.2 Kommentar 103 82 83 pars sparsa capillos | Puniceos] Capillos | Puniceos ist Akkusativ der Beziehung zu sparsa. Zu sparsum vgl. Hor. 3, 20, 14 sparsum odoratis umerum capillis. 84 collo candente] Collum steht für caulis (Probst, TLL III 1663, 18 27). 85 Vincunt Paestani speciosos ruris ephebos] Das lukanische Paestum war bekannt für seine Rosen, die zweimal im Jahr blühten (Verg. georg. 4, 119; Prop. 4, 5, 61 62). Zugrunde liegt Ov. Pont. 2, 4, 28 caltaque Paestanas vincet odore rosas: Ovid formuliert hier, anders als Balde, mit Bezug auf die topische Schönheit der Rosen von Paestum ein Adynaton. 87 88 quibus aemula Natos | Quaéque suos ambit genitrix ornare puellos] Die Natur steht also den Müttern, die ihren Kindern aus Zuneigung die liebevollsten Kosenamen geben, nicht nach. - Quibus ist Ablativus instrumenti zu ornare. - Zur Konstruktion von ambire mit Inf. vgl. v. Mess, TLL I 1850, 74 84; zur Bedeutung (petere bzw. supplicari) vgl. 1849, 66 1850, 7. - Balde schreibt häufiger genitrix statt genetrix (vgl. auch Hey, TLL VI.2 1821, 23 30). 89 90 thalamíque et mollia terrae | Strata, quibus recubant] Blumenbeete werden auch sonst gelegentlich pulvini oder tori genannt (Franz Olck, Art. Gartenbau RE VII.1 [1910], Sp. 828; Stat. Theb. 4, 826). - Quibus recubant: scil. flores. 90 Milesia vellera vincunt] Milet war berühmt für seine Wollfärberei (Verg. georg. 3, 306 307 mit Serv. ad loc.). 92 Et faciles animi flores] Der Genetiv ist, ähnlich wie in Verg. Aen. 9, 685 praeceps animi und georg. 3, 289 animi dubius, auf faciles zu beziehen. Vgl. Balde Sylv. 6, 4, 48 (= op. omn. 2, 170) fervens animi; Sylv. 9, 5, 43 (= op. omn. 2, 301) animi velox; Batr. 5, 13, 1 (= op. omn. 3, 71) animi largus. 92 93 examine iusto, | Ad sua clementis serpunt tentoria cliui] Iustus öfter wie hier für Heere („geordnet“; Liv. 28, 2, 3 acie ... iusta). - Zu clemens für leniter acclivis vgl. Hoppe, TLL III 1333, 33 34 und Apul. met. 4, 5. - Mit tentoria ist wohl keine konkrete Vorstellung verbunden, vielmehr gehört es gedanklich zum Folgenden: Das Feldlager, in dem sich die Blumen für den Kampf der Chloris gegen das Unkraut bereithalten, befindet sich in dem abschüssigen Übergangsbereich zwischen oberem und unterem Hofgarten. 94 Ut quando in belli conflictum Chloris itura] Nach dem Vorbild von Ov. fast. 5, 195 wird Chloris mit der Blütengöttin Flora gleichgesetzt (Bö- <?page no="104"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 104 mer [1957] z. St.; Lact. inst. 1, 20, 8; Anth. Lat. 747). - Freie Finalsätze nach dem vorliegenden Muster kommen häufiger bei Balde vor; die Interpunktion kann daher beibehalten werden. - Conflictus für certamen bzw. pugna ist häufiger erst seit der Spätantike belegt (Mueller, TLL IV 237, 31 238, 3). 97 98 Ilicet accinctas acies, et robur haberet | Militiae venale suae, nasúmque moueret] Das Adjektiv venalis wird bei Personen meist i. S. v. servilis verwendet (und i. S. v. „käuflich, bestechlich“, was hier allerdings kaum passt). Hier ist die sklavische Folgsamkeit gemeint, mit der die Blumensoldaten zu ihrer Herrin stehen. - Zu haberet | ... moueret (präteritale Zeitenfolge bei einer durch ein Präsens ausgedrückten gewohnheitsmäßigen Handlung im übergeordneten Satz) vgl. KS II 186. Obstbäume - Philomela (99 163) In einem anderen Gartenabschnitt kümmert sich die Göttin Pomona um das Obst. Geschwisterlich vereint widerstehen die Bäume unter dem Schutz der Amoren den nächtlichen Diebstahlversuchen der Nymphen. Im Frühjahr lassen die rauschenden Bäume ein Hochzeitslied ertönen. Vor ihnen als Publikum singt die Nachtigall ein Lied und erregt mit ihren virtuosen Gesangskünsten Staunen. Besonders Hochzeiten von Fürsten inspirieren sie zu beeindruckenden Gesangsleistungen, die auch den Beifall Hymens finden. 99 100 Praepollens alibi multâ super arbore foetum | Prosternit Pomona caput] Das nordwestliche Areal des oberen Hofgartens war, wie der Tambacher Plan zeigt, mit Bäumen bepflanzt (Longo-Endres [2005], Kartenbeilage). - Balde variiert Culex 68 71: Ein sorgloser Hirte legt sich im Frühling auf das weiche Gras (69 saepe super tenero prosternit gramine corpus), während die Erde die Farben der Fluren erneuert (70 71 florida cum tellus ... | vere novat dulci distincta coloribus arva). Bei Balde fallen Hirte und tellus in der Obstgöttin Pomona zusammen (Ov. met. 14, 623 697; Serv. Aen. 7, 190). Statt auf Gras liegt sie super arbore, wobei die genaue Vorstellung unklar bleibt. Am besten wird man den Ausdruck metonymisch wie super fronde arboris verstehen (vgl. auch Verg. ecl. 1, 80 fronde super viridi; anders der kollektive Singular multa arbor in Prop. 4, 4, 4; Lucan. 10, 304 305; Lact. Phoen. 9 10). - Prosternit wie häufiger bei Balde von Gliedern („wirft nieder“): Antag. 14, 13 14 (= op. omn. 4, 317) quocumque loco prosternere membra | Contigerit; Van. (= op. omn. 7, 67) HAc me sub umbra fessus atque lassatus prosterno (vgl. Seelentag [2010] zu Culex 69). <?page no="105"?> 2.2 Kommentar 105 101 102 Et numerat prolem, quam toto largiùs anno | Educet incolumem, riualíque ubere lactet] Pomonas Sorge um die Bäume wird mit den Begriffen mütterlicher Pflege umschrieben. - Das Zählen der bunten Bäume gehört nach Ov. fast. 5, 213 214 zu Floras Tätigkeiten (saepe ego digestos volui numerare colores, | nec potui; numero copia maior erat). - Riualíque ubere ~ ubere rivi. Pomona kümmert sich also auch um die Wasserversorgung der jungen Obstbäume. Das Adjektiv rivalis ist in dieser Bedeutung (ad rivum pertinens) ungebräuchlich (OLD s. v. rivalis; Calepinus [1586] 926 erklärt aber Quod ex riuo est, siue quod in riuo nascitur). 104 105 ramorúmque agmina tendunt | Ponderibus librata suis] Trotz der Konjunktion ist der Ausdruck wohl am besten als Apposition zu manus aufzufassen, da mit den „Händen“ der Bäume ja ihre Zweige bezeichnet sind. - Mit Ponderibus ... suis sind die Früchte an den Zweigen gemeint. Librata bedeutet, dass die Zweige nicht in die Höhe schweben bzw. niedersinken. Das wörtliche Zitat stammt aus Ovids kosmologischer Erzählung (met. 1, 13) und wirkt mit Bezug auf Zweige recht komisch. 105 mittuntur in aeuum] Scil. arbores: ein gesuchter Ausdruck für aluntur. 106 107 multa illis aurea mala | Delicias faciunt. nulla illis Punica mala] Ein Wortspiel mit dem lat. Begriff für „Granatapfel“ (Punicum malum) in assoziativer Anknüpfung an die Vorstellung von der Punica fides, der sprichwörtlichen Untreue der Punier (Liv. 21, 4, 9 perfidia plus quam Punica; Erasmus Adag. 1, 8, 28; Otto [1964], 291). - Ähnlich im Ausdruck die beinahe wörtliche Wiederholung ganzer Versteile in Ov. met. 1, 325 326 Et superesse virum de tot modo milibus unum | et superesse videt de tot modo milibus unam. - Delicias faciunt = gaudio afficere wie öfter bei Balde (Mus. Neob. praef. [= op. omn. 3, 209] delicias facere conati sumus; Med. Glor. praef. [= op. omn. 4, 368] Reparatoribus testae meae etiam delicias facere conor). 108 Quòd nunquam fallant] Der Akzent markiert quòd als (kausale) Konjunktion. 109 110 alta | Fraude tenebrarum] Das Attrib. alta ist in Enallage auf tenebrarum zu beziehen; die Junktur alta fraus ist ungebräuchlich (Rubenbauer, TLL VI.1 1272, 56 1273, 10; altae tenebrae wie in Lact. inst. 15, 1 und Aug. civ. 9, 16). 110 111 dum Cynthia lusca | Conniuet] Diana hier nach ihrem Geburtsort Cynthia genannt als Mondgöttin zeigt sich bei Halbmond nur mit einem Auge (zu connivere vgl. auch Erasmus Adag. 1, 8, 50). <?page no="106"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 106 113 strictis in talia furta sagittis] Vgl. Claud. carm. min. 25, 17 20 über die Amoren, die das Lager der Venus verteidigen: Defendunt alii lucum Dryadesque procaces Spectandi cupidas et rustica numina pellunt Silvestresque deos longeque tuentibus antrum 20 Flammea lascivis intendunt spicula Faunis. Bei Balde steht talia, weil hier tatsächliche furta und keine Liebesabenteuer gemeint sind. 115 blandáque Fauonius aura] Der Westwind (Fauonius) gilt als besonders milder Wind und Frühlingsbringer (Hor. carm. 1, 4, 1). 117 Dulce strepunt omnes] Zu adverbialem dulce vgl. Lackenbacher, TLL V.1 2196, 55 2197, 8 und Hor. carm. 1, 22, 23 24. 118 Fraternúmque sonum, Zephyro ridente, remittunt] Zephyrus (wie oben Fauonius) für den Westwind. Die Bäume geben einen „Widerhall“ der Winde, die hier als Brüder gedacht sind sie lassen also ihre Blätter rauschen. 120 Alteráque alterius garritibus utitur arbor] Ein Baum „übernimmt“ die Laute des anderen, wodurch ein einheitliches Rauschen entsteht. Die seltene Vokabel garritus (Drexler, TLL VI.2 1697, 7 10 mit drei Belegen; vgl. Balde Sylv. 8, 3, 34 [= op. omn. 2, 233]) wird außer für Vogelgesang nur in pejorativem Zusammenhang („Geschwätz“) verwendet. 121 122 Concentum credas in rupe Heliconide natum | Proritasse Nouem, Phoebo Pythona ferente] Nach Claud. 2, 13 14 sollen die Musen nach Apollos Sieg über den Drachen Python (Ov. met. 1, 416 451; Claud. 2, 1 10) ein Jubellied angestimmt haben: Auditoque procul Musarum carmine dulci | Ad Themidis coeunt antra severa dei. - Balde verwendet proritare hier in einer weiter gefassten Bedeutung i. S. v. efficere (nach Castelli, TLL X.2.2 2149, 51 2150, 21 unüblich; sonst bei Balde immer in der eigentlichen Bedeutung „hervorlocken“ wie in Batr. Usus IV [= op. omn. 3, 129] modò insequi, proritare & premere). 123 Viuunt felices] Felix von Bäumen gewöhnlich wie fecundus (Ov. met. 13, 719; Liv. 5, 24, 2). Die Vorstellung von den liebenden Bäumen hat Balde aus der Zypernbeschreibung in Claudians Epithalamium übernommen: Bei Claud. 10, 65 66 (vivunt in Venerem frondes: omnisque vicissim | felix arbor <?page no="107"?> 2.2 Kommentar 107 amat) ist das Adj. wie Veneris gaudiis fruens zu verstehen (Frings [1975] z. St.). 125 testudine] Der Schildkrötenpanzer steht für die lyra, deren Resonanzkörper aus diesem Material gefertigt wurde (OLD s. v. testudo [2a]). 126 Thracius] Der Vater des mythischen Sängers Orpheus, Oeagrus, war thrakischer König (Val. Fl. 4, 85). 126 127 his sanè tota ex radice luberet | Sub Getica saltare lyra] Orpheus konnte mit seiner Musik Felsen und Bäume zum Tanzen bringen (Otto Gruppe, Art. Orpheus Roscher III.1 [1902], Sp. 1058 1207; Ov. met. 11, 1 2 u. ö.). - Tota ex radice hier wie toto animo (Catull. 64, 69 u. ö.; die Verbindung mit ex ist ungebräuchlich). - Sub („unter dem Einfluss von“) wie in Hor. carm. 3, 7, 30 sub cantu querulae ... tibiae und Lucan. 5, 364 saeva sub voce minantis. - Geticus ~ Thrax (Stat. silv. 2, 7, 44 plectro Geticas movebis ornos). 127 podagrámque fugare] Die Krankheit bezeichnet hier nur die Unfähigkeit der im Boden verwurzelten Bäume zum Gang. Unter dem Gesang des Orpheus würden sich die Bäume aus dem Boden lösen und zu tanzen beginnen. 128 Esto] Einräumendes esto am Versbeginn wie in Verg. Aen. 4, 35; Balde Van. 64, 17 (= op. omn. 7, 127); Van. 86, 43 (= op. omn. 7, 165); vgl. KS I 199 und Lukas (2001) zu Batr. 1, 4, 42. 129 Rhodopeïa pellex] Tereus verliebte sich in Philomela, die Schwester seiner Braut Procne; sie wurde in eine Nachtigall verwandelt (Ov. met. 412 674; Philomela nennt die Nachtigall schon Verg. georg. 4, 511). 130 131 Suaue ... notari] Das morgendliche Konzert Philomelas wird in vier Schritten beschrieben: (1) Die Nachtigall singt; (2) ihr Gesang gerät ihr so gut, dass sie Lob verdient; (3) die Nachtigall bemerkt auch selbst, dass sie schön singt; (4) sie möchte, dass alle Bewohner des Gartens ihrem schönen Gesang lauschen. 130 Suaue trahit Philomela melos] Philomela und melos sind nicht stammverwandt; die Kollokation steht hier aus klanglichen Gründen. - Den gezogenen Klang des Nachtigallengesangs beschreibt Plin. nat. 10, 81 sonus et nunc continuo spiritu trahitur in longum. <?page no="108"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 108 131 Et laudem notat ipsa suam, vúltque ipsa notari] Der Stolz auf den eigenen Gesang charakterisiert die Nachtigall auch bei Balde Phil. 6, 9 (= op. omn. 6, 199) Laude sua capitur vocalis, & intumescit Ales. 132 Prouocat in medium, si fortè Thalassius audit] Subjekt des vorangestellten Hauptsatzes ist Hymen = Thalassius, der die Nachtigall auffordert, vor den anderen Bewohnern des Hofgartens zu singen. - Thalassius, ursprünglich Bezeichnung für den personifizierten Hochzeitsruf (thalassio), ist hier für Hymen gebraucht. 133 134 modò námque aequabilis uno | Assurgit tractu] Die Nachtigall steigert zunächst Stimmumfang bzw. -volumen durch kontinuierliche, sich immer mehr steigernde Übungen. Balde beschreibt eine anaphonesis, eigentlich eine medizinisch-therapeutische Methode, bei der die Stimme langsam von den tieferen zu den höheren Registern geführt wird (Schulz [2014], 59 66). - Aequabilis meint als rhetorischer Terminus „frei von Variation, in einem fort“ (Cic. off. 1, 3; Cic. de orat. 2, 54). Auf die Stimme bezogen bezeichnet das Adj. den gleichmäßigen Vortrag (Schulz [2014], 308). 134 135 guttúrque volubile longo | Lubricat impulsu] Sie steigert die Beweglichkeit und Schnelligkeit ihrer Kehle: Als volubilis oratio bezeichnete man eine rasche, nicht stockende Redeweise (Cic. orat. 187 flumen aliis verborum volubilitasque cordi est, qui ponunt in orationis celeritate eloquentiam). Von der Kehle bzw. der Stimme wird volubilis sonst nicht gebraucht. - Sen. nat. 2, 29, 1 definiert die vox als ictus aer (Schulz [2014], 69): Diese Vorstellung liegt bei longo | ... impulsu zugrunde. - Lubricare wird häufiger intransitiv (= lubricum esse) als transitiv gebraucht (Heus, TLL VII.2 1685, 59 1686, 10). 135 facilésque expectorat auras] Expectorare ist sehr gesucht (Cic. Tusc. 4, 19 zitiert Enn. scaen. 23 sapientiam omnem; vgl. Rehm, TLL V.2 1604, 31 48 und Balde Van. [= op. omn. 7, 99] carmen expectorabat). 137 Infuscat] Vgl. vom Gesang der Nachtigall Plin. nat. 10, 82 infuscatur ex inopinato (dazu Sen. con. 1 pr. 16 und Quint. inst. 11, 3, 15). Fusca vox heißt „eine von Natur aus dunkle, etwas raue Stimme, die dadurch auch einen heiseren ... Klang hat“ (Schulz [2014], 242). 137 scindit] Vgl. vom Gesang der Nachtigall Plin. nat. 10, 81 nunc distinguitur conciso („bald wird er [scil. der Klang] durch Absetzen gegliedert“; ähnlich von der Rede Cic. de orat. 3, 216 und Quint. inst. 11, 3, 20). Vgl. Schulz (2014), 59 60. <?page no="109"?> 2.2 Kommentar 109 137 carpítque] Vgl. Balde Phil. 6, 24 (= op. omn. 6, 200) carpitque melos. Carpere von der Rede in Cic. de orat. 3, 190 saepe carpenda membris minutioribus oratio est. 137 138 ac plurima mutat. | Plurima dum mutat] Die Variabilität des Nachtigallengesangs betonen Plin. nat. 10, 82 ac ne quis dubitet artis esse, plures singulis sunt cantus, nec iidem omnibus, sed sui cuique und Sen. Ag. 62 in varios modulata sonos. Warum sie ihre Lieder so abwechslungsreich gestaltet, sagt Balde in Phil. 6, 19 21 (= op. omn. 6, 200): At, ne displiceat crambe repetita, taedioque | Languescant aures, fastidia corriguntur arte, | Tristia nam miscet laetis. - Zur Anadiplose bzw. gradatio vgl. Lausberg (2008), § 623. 138 surgit Symphonia discors] Das Oxymoron nach Hor. ars 374 ut gratas inter mensas symphonia discors, wo im Bild einer misstönigen Tafelmusik das Gegenstück zur erstrebenswerten Dichtung beschrieben wird. Balde meint den ständig wechselnden Gesang der Nachtigall, der sich aus disparaten Teilen zusammensetzt. 139 liquidos puri aëris haustus] Liquidus wird, wie Nisbet/ Hubbard (1970) zu Hor. carm. 1, 24, 3 ausführen, in Bezug auf Stimmen bzw. Klänge von den römischen Dichtern wie acutus bzw. argutus verwendet (Lucr. 2, 146; 4, 981; 5, 1379; Verg. georg. 1, 410). Vgl. auch die Morgenszene in Ov. am. 1, 13, 8 et liquidum tenui gutture cantat avis. 140 absorbétque iterum iaculabile murmur] Sie atmet wieder ein und saugt damit gleichsam mit der ausgestoßenen Luft (iaculabile murmur; vgl. zur Vorstellung Quint. inst. 2, 11, 7; 11, 3, 20; Balde Sylv. 5, 10, 46 47 [= op. omn. 2, 123]) den eben produzierten Ton wieder ein. Der Vorgang ähnlich wie von Balde in Phil. 6, 23 24 (= op. omn. 6, 200) beschrieben: Jam retinet vocem: jam proiicit, affluensque rursum | Absorbet, carpitque melos. 141 Atque intra fauces subigit] Nachdem sie eingeatmet hat, macht sie den Ton in ihrer Kehle zurecht (lat. subigit ~ gr. ). 141 142 tacitúmque choreuma | Delibrat] Choreuma ist im Lat. nicht belegt (vgl. TLL; aber gr. = lat. chorea). - D l brat lässt folgende Deutungen zu: (1) Vielleicht ist das Bild vom Wurfgeschoss in dem Sinn weitergeführt, dass die Nachtigall ihren Pfeil bzw. ihr Lied zur Vorbereitung auf den Schuss von der Rinde befreit (d l brat i. S. v. decorticat). (2) Neulateinische Lexika kennen das Verb d l brare i. S. v. ponderare („abwägen, beurteilen“; vgl. Calepinus [1586], 300, der Gell. 15, 8 Quid relinquitur nisi ut delibrari sibi coenas iubeant, ne edendo defatigantur? anführt mit der Bemerkung Quo in loco quaedam exemplaria legunt delibari, und Simbeck, TLL V.1 439, 20 <?page no="110"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 110 21). Da in 141 142 die Fortsetzung der Wurfgeschossmetapher nicht deutlich genug ist, wird man die Stelle wohl im zweiteren Sinn zu verstehen haben. 143 Una eadémque canit toties distincta] Ähnlich Balde Phil. 6, 28 (= op. omn. 6, 200) Unica, ceu plures, sibi dulce negotium facessit. 144 145 cadítque | Ac surgit] Das Steigen und Sinken des Gesangs wie bei Balde Phil. 6, 27 (= op. omn. 6, 200) assurgitque ad summa, relabitur sensim. 148 149 rostróque perorat | Fusiùs] Mit perorare wird jede gründliche Behandlung einer Sache durch den Redner bezeichnet (Dubielzig, TLL X.1.2 1604, 49 1606, 21). 149 è Rostris credas praesagia dici] Balde spielt hier mit der Doppelbedeutung von rostra („Schnäbel“ und „Rednerbühne“): Philomela gebärdet sich wie eine Rednerin. - Praesagia steht wohl ohne weitere Implikationen für inhaltsschwere und deshalb eindrucksvolle Worte, vielleicht ist aber auch an Hochzeitswünsche für die Zukunft gedacht. 150 Iámque ut Lympha sonat] Die Wassermetaphern vom Vogelgesang wie in Phil. 6, 25 27 (= op. omn. 6, 200) Nunc imitatur aquas prope littora lenè murmuranteis | Mox graviore sono pluviam secat, & tumultuatur | Tractibus. 151 et inuentos diuexat rore lapillus] Das wörtliche Zitat aus den Satyrica (Petron. 131, 8) ist wohl auch durch den Umstand motiviert, dass Petron bei der Beschreibung seines locus amoenus ebenfalls die Nachtigall erwähnt (dignus amore locus: testis silvestris aedon | atque urbana Procne, quae circum gramina fusae | et molles violas cantu sua rura colebant). 152 153 viuentis ad instar | Fluminis] Mit ad begegnet instar zuerst bei Septimius Serenus und dann häufiger bei Apuleius (met. 1, 25, 9; vgl. Alt/ Szantyr, TLL VII.1 1970, 17 24). - Zu Bedeutung von viuentis ... | Fluminis vgl. Verg. Aen. 2, 705 flumine vivo mit Serv. z. St. perenni, quia iugiter aqua fluens viva vocatur. 153 Aonidum lapsus imitatur aquarum] Der strömende Gesang der Nachtigall wird mit dem Wasser vom Helicon gleichgesetzt (Aonia = Boeotia; vgl. Bömer [1957] zu Ov. fast. 3, 456). 154 Et sua Pegaseis stipat praecordia bullis] Scil. mit Luftblasen vom Musenquell Hippucrene, der durch das Aufstampfen des Pegasus entstanden ist. <?page no="111"?> 2.2 Kommentar 111 155 gemit intercisum] Intercisum ist Akkusativ des Inhalts. - Als klagend beschreiben den Nachtigallengesang auch Catull. 65, 13 14; Verg. georg. 4, 511 515; Hor. epod. 2, 26; Ov. epist. 15, 147 148. 157 158 Nonnunquam in duplices, dimisso simplice, ductus | Emicat] Ductus simplex ist eigentlich ein rhetorischer Terminus für die rednerische Behandlung eines Gegenstandes (Volkmann [1885], 112). Balde verwendet das Wort auch in Crisis 33, 21 (= op. omn. 4, 540) Nescit, quam graciles ductus Elegeia requirat: Hier ist mit ductus der elegische Tonfall gemeint. 158 et pleno tinnit constantiùs ore] Tinnire für den Vogelgesang wie in Calp. 5, 16 17 vere novo, cum iam tinnire volucres | Incipient. - Der Komparativ constantiùs stellt den Bezug zu 155 her. 160 modulósque reciprocus urget] Balde verwendet reciprocare meist i. S. v. geminare; vgl. Sylv. 9, 35, 104 106 (= op. omn. 2, 378) vom Schwanengesang Mitte quem Natura cantum | Dictat, auscultaque nostrum, | Ut reciprocare possis. So auch häufig bei der Beschreibung von Echowirkungen (Batr. 2, 4, 8 9 [= op. omn. 3, 19] fremitumque reciprocat Echo | Camporum; Magn. Till. Arg. [= op. omn. 8, 5] cum foenore reciprocat sonum, seque latius diffundit; ut non semel etiam festivos classici fremitus referre audiatur). - Als musikalischer Terminus kann modulus das Intervall bzw. die aus Intervallen aufgebaute Tonleiter meinen (OLD s. v. modulus [3]); in der Rhetorik bezeichnet man damit den Rhythmus der Rede (ebd. [2]). Die Verbindung mit urgere (hier „drängend beschleunigen“) legt ein Verständnis im letzteren Sinn nahe (vgl. Quint. inst. 11, 3, 100 urgentis orationem). Vgl. auch Schulz (2014), 253. 162 Suadet utrasque vices, et amant alterna Camoenae] Gemeint sind die gedrängt-schnellen (160 modulósque reciprocus urget) und klagendlangsamen Töne (161 Singultúsque nouos reddit), die sie nun abwechselnd hören lässt. - Das Vergilzitat (ecl. 3, 59) bezieht sich auf den Wechselgesang von Damoetas und Menalcas, bei Balde sind Veränderungen innerhalb des Nachtigallenliedes gemeint. 162 Camoenae] = Musae. Labyrinth (164 172) An einer anderen Stelle des Gartens ist ein Labyrinth aus Buchsbaum angelegt, ein beliebter Aufenthaltsort der Musen und Apollos. <?page no="112"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 112 165 Visuntur grati errores] Der Tambacher Plan zeigt im nordöstlichen Viertel des Hofgartens einen Irrgarten (Longo-Endres [2005], Kartenbeilage). - Errores ist eine übliche Bezeichnung für Labyrinthgänge (Hey, TLL V.2 815, 34 40). Der dreimalige error (165 errores, 166 errant, 167 error) erinnert an die Doppelung errabunda ... error in Catull. 64, 113 115. 166 Daedaleis manibus] Daedalus war der Erbauer des legendären kretischen Labyrinths; er gilt als Inbegriff des geschickten Handwerkers. 167 Quò neque pertingat Phaëthontis noxius error] Die Irrfahrt Phaethons hatte die Welt in Brand gesteckt; hier steht sie bildlich für die Sonnenhitze. Der error Phaethons knüpft assoziativ an die errores des Labyrinths an: Das Labyrinth soll der lästigen Hitze den Zugang zur Freifläche in der Mitte des Labyrinths verwehren, wo sich Phoebus und die Musen aufhalten. 168 Nec rabidos jaciat latrator Sirius ignes] Nach Lucan. 10, 211 212, aus der kosmologischen Rede des Acoreus vor Caesar: rabidos (neuere Ausgaben: rapidos) qua Sirius ignes | exerit. Die Lesart rabidos findet sich häufiger in den zeitgenössischen Lucanausgaben (Köln 1571; London 1589; Douai 1622). - Der Aufgang des Hundes (Sirius), eines Sternbilds der nördlichen Hemisphäre, war nach antiker Vorstellung mit großer Hitze verbunden (latrator heißt Sirius in der Antike aber nie; vgl. Pecere, TLL VII.2 1011, 60 74). 169 Musarum Phoebíque locus melioris] Das Adjektiv melioris lässt den Kriegs- und Musengott Apollo an dieser Stelle als Gott der Künste und als citharoedus auftreten (vgl. arcu | deposito). 170 secretáque tecta] Ein fest eingerichtetes überdachtes Gebäude lässt der Tambacher Plan (Longo-Endres [2005], Kartenbeilage) auf der Freifläche des Labyrinths nicht erkennen. Man hat wohl an einen Pavillon o. ä. zu denken. 171 172 mox et pellucida Nais | Aduolat] Die wörtlichen Parallele (Stat. silv. 2, 2, 116 117) aus der Beschreibung der Villa des Pollius Felix. Najaden sind Wasserbzw. Flussnymphen. - Pellucidus kann entweder translucidus bzw. veste translucida indutus (hier wahrscheinlicher) oder valde lucidus bzw. fulgens heißen (Calderó, TLL X.1.2 1519, 49 1521, 3). 172 et vinci Siren arguta fatetur] Gemeint ist die zuvor angesprochene Najade, die hier wegen ihrer Sangeskunst als Sirene bezeichnet wird. Sie bekennt, dass sie dem Musengott im Gesang unterlegen ist. <?page no="113"?> 2.2 Kommentar 113 Der Sonnengott (173 185a) Der Sonnengott zieht sich in einen Hain im Hofgarten zurück, um eine Pause auf seinem Weg einzulegen. Er lässt den Schatten auf die Sonnenuhr fallen und verdient sich damit eine Portion Obst, bevor er frisch gestärkt seinen Lauf wieder aufnimmt. 173 Parte alia] Der Schauplatz des folgenden Abschnitts ist das südwestliche Areal des oberen Hofgartens, wo die Schönheiten des Firmaments im Mikrokosmos der Gartenanlage dargestellt waren. Man hatte die 48 Tierkreiszeichen in Buchsbaum nachgeahmt und auf den begrünten Portalen große vergoldete Globen angebracht. Pistorini (Longo-Endres [2005], 179 = fol. 92r) gibt eine eingehende Beschreibung dieses Gartenabschnitts: „Aber was sage ich: er ist geradezu ein irdischer Himmel, denn von dem klaren Himmel sind alle achtundvierzig himmlischen Bilder in diesen Garten herabgestiegen, Zahlen, Linien, Parallelen und was immer sich in jenen höchsten Sphären befindet, hier abgebildet; und man bemerkt sie hier tatsächlich im grünenden Buchsbaum, jedoch auf astrologische Weise nach der Natur abgebildet und in verschiedene Felder dieses himmlischen Bodens eingeteilt, so dass ihm nichts von den Eigenschaften des Himmels mangelt als die Bewegung; aber doch, auch diese bemerkt man in manchem Teil: das sind die kleinen Pflänzchen, die, gestaltet von der pflanzlichen Seele, durch das Wachstum sich doch bewegen.“ Hier befanden sich auch, wie die erhaltenen Stiche und der Tambacher Plan (Longo-Endres [2005], Kartenbeilage) zeigen, gewaltige Sonnenuhren. 173 non est vetitum succedere soli] Das Labyrinth hatte verhindert, dass sich die Sonne nähern kann (167 168); zu der nun beschriebenen Fläche hat der Sonnengott freien Zugang. - Die unpersönliche Konstruktion anstelle von non est vetitus ... sol ist ein Germanismus Baldes (KS I 717; in Ov. met. 5, 273 vetitum est adeo sceleri nihil und 11, 434 nil illis vetitum est ist vetitum mit Bömer [1969/ 2006] z. St. adjektivisch aufzufassen). 174 175 Quin inuitatur, quin inuitatus ab axe | Desilit] Bloßes quin für quin etiam ist dichterisch (Prop. 2, 10, 15; HS 676 677). Da quin am Beginn von Hauptsätzen öfter im bekräftigenden Sinn verwendet wird, erscheint die Änderung der Interpunktion in AB nicht notwendig. - Zu inuitatur ... inuitatus: Bei dieser - etwa für Ovid - typischen Form der Epanalepse bzw. Anadiplosis wird ein vorangestelltes Verb im Partizip erneut aufgenommen (Ov. met. 1, 402 mollirique ... mollitaque ducere formam; HS 812 813; Bömer [1969/ 2006] zu Ov. met. 3, 95). - Ab axe | Desilit: Axis bezeichnet hier nicht den Himmel, sondern den Sonnenwagen (Ov. met. 2, 59; Bömer [1969/ 2006] z. St.). <?page no="114"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 114 175 et radiis crines exsoluit honestis] Die Stelle erinnert an Ov. met. 2, 40 41 at genitor circum caput omne micantes | deposuit radios, wo der Sonnengott seine Strahlen ablegt, um Phaethon an sich heranzulassen. Bei Stat. Theb. 3, 411 412 nehmen die Horen am Ende des Tages Sols Strahlenkrone ab (auratae textum sublime coronae | deripiunt). - Radii („Strahlen des Sonnenkranzes“) wie in Ov. met. 2, 124. - Honestus hier wie häufig i. S. v. pulcher mit dem Nebenbegriff des Ehrenvollen (Kroeker, TLL VI.3 2912, 42 2913, 2). 176 177 quis enim haec astuta notabit | Otia] Das Adjektiv astutus ist gedanklich auf den Sonnengott zu beziehen. „Schlau“ ist die Pause, weil er sie während der Dienstzeit einlegt und niemand sie bemerkt. 177 nemoris petit arduus umbram] Als Sonnengott steht er gewöhnlich hoch am Himmel. - Als Epitheton wird arduus sonst nicht von Sol gebraucht (Bannier, TLL II 495, 39 43). 178 180 Aut talem inscribit buxo, reuolutáque monstrat | Tempora, et angustat spatiosos aetheris orbes; | Caelestesque vias, cursúsque in margine signat] Beschrieben ist eine der aus Buchsbaum gebildeten Sonnenuhren, die die Rasenflächen des Hofgartens schmückten. Der von Sol erzeugte Schatten, der auf die Uhr fällt, zeichnet den Verlauf der Zeit en miniature nach (vgl. reuolutáque ... Tempora und angustat spatiosos aetheris orbes). - Cursúsque in margine signat: Der Schatten des Zeigers fällt auf den Rand der Sonnenuhr, an dem sich die Bewegungen der Sonne am Himmel abbilden. 181 182 ventrem raptis solatus anhelum | Obsaturat pomis] Solari vom Hunger - „stillen“; gewöhnlich aber explere - wie Verg. georg. 1, 159 famem in silvis solabere (famem hier nach Erren [2003] z. St. metonymisch für te fame laborantem) und Calp. Sic. 4, 32 famem solarer; vgl. Balde Batr. Usus I (= op. omn. 3, 105) solatus rabidam famem. - Obsaturat: Die seltene Vokabel nur bei Ter. heaut. 869 ne tu propediem, ut istanc rem video, istius obsaturabere. Der Genetiv bezeichnet hier die Speise, die das Sättigungsgefühl hervorruft (Lossau, TLL IX.2 157, 21 26). Balde verwendet das Verb nur an dieser Stelle und zwar als Transitivum (ventrem) mit Ablativus instrumenti raptis ... pomis. - Zu ventrem ... anhelum vgl. Paul. Petr. Mart. 2, 676 stomacho ... anhelo und Klotz, TLL II 68, 14 28, doch wird die genaue Vorstellung nicht ganz klar: Das Keuchen der Brust ist wohl auf den Bauch übertragen. 182 183 artúsque in flumine fessos | Abluit egelido] Egelidus kann sowohl „sehr kühl“ als auch „lauwarm“ (so öfter; vgl. TLL V.2 230, 50 84) bedeuten; hier bei der Beschreibung eines locus amoenus ist aber „kühl“ gemeint (vgl. Calepinus [1586] 352, der übersetzt „Das kalt ist, und doch nitt auff das hoechst“). <?page no="115"?> 2.2 Kommentar 115 183 184 repetita Phlegontis | Tergora conscendens] Phlegon heißt eines der Pferde des Sonnengottes (Ov. met. 2, 154; Hyg. fab. 183, 3). 184 motis velociùs Horis] Sol muss seine Himmelsbahn noch in der vorgesehenen Zeit vollenden und treibt daher die Horen hier als Begleiterinnen des Sonnengottes gedacht zu rascherem Lauf an (vgl. Ov. met. 4, 197 203 über die Pflichtvergessenheit des verliebten Sonnengottes). Seebereich (185b 208a) Im unteren Hofgartenbereich liegt ein See, in dem Neptun und seine Begleiter des Nachts baden. Besonders eingehend werden die zahlreichen Brunnen beschrieben, die aus ihren bleiernen Rohren verschiedenförmige Wasserfiguren aufsteigen lassen. 185 186 Quà collis ad imam | Vergit planiciem] Vgl. den bei Petzet (1988), 47 abgebildeten Stich von Michael Wening (1701). - Gemeint ist der Seebereich im östlichen Hofgarten; collis verweist auf den abschüssigen Übergangsbereich zwischen oberem und unterem Hofgarten. 188 in famuli obsequium] Scil. pronus (OLD s. v. in [16a]). - Palaemon (s. u.) bereitet das Bad seines Herrn Neptunus vor. 190 ingentem gyrare Palaemona piscem] Im Gefolge des Neptunus erscheint Palaemon, der in einen Meergott verwandelte Melicertes (Ov. met. 4, 506 542), bei Plaut. Rud. 160 (o Palaemon, sancte Neptuni comes). Balde macht ihn zum Diener des Neptunus. - Balde kennt gyrare in intransitiver Bedeutung („sich drehen“) nur bei passiver Form (Sylv. 1, 9, 8 [= op. omn. 2, 13] Ante diem gyramur ad Ortum; vgl. aber Blatt, TLL VI.2 2385, 1 2386, 2). Sonst nimmt das Verb bei ihm immer ein direktes Objekt zu sich; vgl. Lyr. 4, 1, 10 (= op. omn. 1, 189) Quis gyrat axem? und mit Reflexivum Lyr. 4, 38, 59 (= op. omn. 1, 246) Hic semet vacuo gyrat in aere. Gyrare ... piscem ist demnach wie corpus suum pisceum gyrare aufzufassen. - Zu piscem: Von einer Verwandlung des Melicertes in einen Fisch ist sonst nirgends die Rede. 191 Nymphaeum] Gedacht ist an das Lusthaus am Ostufer des Hofgartensees (im Tambacher Plan als Grota bezeichnet; vgl. Longo-Endres [2005], Kartenbeilage). 192 et circum gemini modulantur olores] Im See des unteren Hofgartens wurden Schwäne gehalten (vgl. Pistorini bei Longo-Endres [2005], 185 <?page no="116"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 116 = fol. 95v „das Schwimmen ... der lieblichen, weißesten Schwäne, die ebenfalls freibeutend dieses [scil. Gewässer] durchstreifen“). Spätestens unter Max Emanuel wurden eigens zwei Häuschen für die Tiere aufgestellt, vgl. Hentzen (1959), 25. 194 redolet myrtus] Die Myrte ist der Venus heilig (Verg. georg. 2, 64; Ov. ars 3, 181; Catull. 64, 89). 194 195 vindemia thyrsum | Occupat] Wein (vindemia hier wie vinum; vgl. Verg. georg. 2, 522) wurde auf der Schrägfläche im Übergang zum unteren Hofgarten angebaut (vgl. Pistorini bei Longo-Endres [2005], 183 = fol. 94r: „Dort, an diesem lieblichen Strand und an den vornehmen Hügeln belauben sich die Reben, heben sich die Weinberge hervor ...“). Der Weinstock wird als Bacchusstab (thyrsus) vorgestellt, den man sich mit Weinranken umwunden dachte. 195 et ducit nubentem pampinus ulmum] Ein Wortspiel mit den lat. Begriffen für die Heirat (vgl. auch Quint. 8, 3, 8 ulmus marita): Nubere (eigentlich „[sich] einhüllen [scil. in den Brautschleier]“) wird übertragen für die Verbindung des Weinstocks mit der stützenden Ulme gebraucht, vgl. Manil. 5, 238 (et te, Bacche, tuas nubentem iunget ad ulmos); ducere meint die Heimführung der Braut durch den Bräutigam. - Catull. 62, 49 58 bezieht das Bild von der ungestützten Rebe auf die unverheiratete Frau (Frings [1975] zu Claud. 10, 65). 196 Vix nocturna queunt Satyrorum furta caueri] Die weinseligen Satyrn wollen nachts die Trauben stehlen (furtum hier ohne erotische Konnotation). - Die teilweise wörtlichen Anleihen aus Stat. Theb. 4, 695 696 entstammen der Aufforderungsrede des Bacchus an die Nymphen, die die Quellen versiegen lassen sollen und denen der Schutz vor den lüsternen Satyrn und Faunen als Belohnung in Aussicht gestellt wird. 198 Indica cum patriis peregrináque germina certant] Mit der Herkunftsbezeichnung hebt Balde auf die Exotik und Kostbarkeit der Pflanzen ab; vielleicht ist konkret an Passionsfrüchte gedacht (vgl. Balde Silv. 2 Apiar. 6, 27 [= op. omn. 2, 54] Flos Granadilius Indiae). 199 Sed superant fontes] Die beiden Wasserbassins im unteren Hofgarten. 199 quibus et Cytherea renasci] Mit renasci ist auf die Geburtsgeschichte der Venus (= Cytherea nach dem Ort, an dem die Schaumgeborene ans Land stieg) angespielt; vgl. Hes. theog. 188 193. Schwierigkeiten macht <?page no="117"?> 2.2 Kommentar 117 quibus, das wohl wie in Verbindung mit tingi als Ablativus instrumenti aufzufassen ist. 200 Et tingi Galatea velit] Auch in der Villenbeschreibung des Statius (silv. 2, 2, 20; vgl. auch Komm. zu 171 172) findet sich die etwas paradoxe Situation, dass die Seegöttin Galathea lieber in einem künstlichen Gewässer als im Meer badet. 200 201 nisi torua pudici | Obstet cura Dei] Torvus in Enallage auf Hymen bezogen und wie auch sonst häufiger vom strengen Blick (vgl. Ov. met. 6, 34). - Auffällig ist das Attribut pudicus für einen Gott (Hinweis auf Ov. fast. 4, 344 bei Gudeman, TLL V.1 914, 50 irreführend, da hier pudica zu credita zu ziehen ist). Pudor wird selten als Eigenschaft Hymens genannt (vgl. aber Claud. carm. min. 25, 41 42 niveas infecerat igni | Solque pudorque genas und Horstmann [2004], 199). 202 203 Aere nouo plumbóque meant, variisque figuris | Propelluntur aquae] Das Wasser wurde in bleiernen Rohren in das Becken geleitet und trat aus nachgebildeten Tierfiguren aus, sodass sich der Eindruck ergab, dass die Tiere das Wasser ausspuckten. Pistorini (Longo-Endres [2005], 185 = fol. 95r) beschreibt das Austreten des Wassers als Flucht vor dem Kerkermeister: „Ringsherum sieht man das Wasser aus Sintersteinen und Schwämmen (die wie kleine Klippen dessen Einfassung und Zierde bilden) in lieblichen Spritzern entspringen, so als wolle es, von seinen Kerkermeistern freigelassen, diese mit seinem Zurückfallen in die Tiefe wenn nicht verletzen, [so] sich [doch] durch deren Nichtachtung rächen und ihnen boshafterweise wenigstens das Gesicht nass machen.“ 203 204 mansuescunt colla draconum | Interfusa notis] Eine sprachliche Variation von Claud. 5, 365 mansuescunt varii vento cessante dracones, wo aber von Feldzeichen auf Militärstandarten die Rede ist. 204 205 abiectâ fulminis alâ | Pincernam Iouis ales agit] Der als Brunnenfigur dargestellte Adler vertauscht seine eigentliche Aufgabe als Blitzträger Iuppiters mit dem Dienst, den eigentlich Ganymed verrichtet, nämlich dem des Mundschenken. - Agere („die Rolle einnehmen“) wie in Hor. sat. 2, 6, 111 agit laetum convivam (OLD s. v. ago [26a]). 206 207 tremulus cincinnus in orbem | Cogitur] Cincinnus wird gewöhnlich nur von Haarlocken gebraucht (Spelthahn, TLL III 1060, 35 55); Balde verwendet das Adj. aber gelegentlich für gekräuselte Wasseroberflächen (Batr. 1, 5, 35 [= op. omn. 3, 14] tremulus cincinnus aquarum und Lukas <?page no="118"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 118 [2001] z. St.). Mit in orbem ist die halbkreisförmige Bahn gemeint, die das aufschießende Wasser beschreibt. 208 Mox sorbetur humo] Humus hier wie fundus (Ov. met. 5, 588 aquas ... perspicuas ad humum). Das Wasser sammelt sich in den Brunnenbassins und fließt am Boden der Schale wieder ab. Hymen und Euphrosyne (208b 229) Am See im unteren Hofgarten trifft Hymen auf die Grazie Euphrosyne, die den Hochzeitsgott darauf hinweist, dass alle die Lustbarkeiten des Hofgartens genießen dürfen doch nicht der Witwer Maximilian. Hymen versetzt, dass er sich schon um den Kurfürsten gekümmert und für ihn eine österreichische Braut auserkoren habe. Der Garten soll sich für Maria Anna schmücken und Hymen macht sich zur Hochzeit bereit. 208 Fors illas stabat ad undas] Tempuswechsel am Beginn der eigentlich historischen Erzählung. Auffällig ist der Erzähleinsatz in der Versmitte. - Fors gewöhnlich nicht wie hier i. S. v. forte (KS I 812). 210 Euphrosyne] Eine der Grazien bzw. Chariten (Hes. theog. 909). 211 Nos modò jucundo fruimur jactantiùs aeuo] Der Akzent markiert modò als Adverb. 213 Viduum facientem haec otia nobis] Maximilian war seit dem Tod seiner Gattin Elisabeth von Lothringen am 8. Januar 1635 Witwer. 214 Tot curis bellísque premi] Diese Worte der Euphrosyne stehen in deutlichem Kontrast zu der vorangegangenen Idylle und weisen auf die langen Ausführungen der Bavaria vor Kaiser Ferdinand über die durchlittenen Kriegsgräuel voraus. 215 nec nostri decus indulgemus amoris] Gemeint ist speziell die christliche Liebe. 216 217 nimiùm Soror aurea Fratrem | Instigas memorem] Das hier suggerierte Verwandtschaftsverhältnis hat keine Parallele in der Antike (vgl. auch *7 sciscitanti Gratiae Sorori suae und 49). - Aureus weist auf Schönheit und Anmut hin (Bickel, TLL II 1491, 61). Wie in Prop. 4, 7, 85 (aurea Cynthia) kann damit aber auch die Sittlichkeit gemeint sein. <?page no="119"?> 2.2 Kommentar 119 219 quem nos titulis veneramur et ostro] Dunkelroter Purpur war die Farbe der Kurfürsten (vgl. 378). 221 222 ea caussa mouebat | Hoc totum lustrare nemus, fontésque ciere] Hymen hat also aus Vorsorge für das kommende Fest schon einmal den Garten inspiziert, die Brunnen bewässert und zum Fließen gebracht. - Zu movere mit Inf. vgl. Wieland, TLL VIII 1543, 71 73. 223 Nunc buxum tondete manus] Der Name der Braut soll mittels Formschnitt in Buchsbaum dargestellt werden. Es war üblich, Herrscherinitialen großflächig in Gartenbeeten nachzubilden; vgl. die Abbildung bei Hentzen (1959), 91. Buchsbaum galt als Gewächs der Liebenden (vgl. das bei Henkel/ Schöne [1996], Sp. 251 abgedruckte Emblem: Delitiis apta est teneris, et amantibus arbor. | Pallor inest illi, pallet et omnis amans). 224 scribatur cunctis in floribus ANNA] Claudian übertrug das aus Ov. met. 10, 214 216 bekannte Motiv der Blumenzeichnung von einem Trauerauf ein Festereignis (Claud. 1, 278 te variis scribent in floribus Horae und Taegert [1998] z. St., der allerdings nicht erklärt, wie der Vorgang konkret vorzustellen ist). Vgl. bei Balde noch Templ. Hon. 63 (= op. omn. 8, 480) tum volui odoratae nubes: tum spargi flores inscripti Nomina REGIS ROMANI. 225 226 cupient admittere sidus | Hoc omnes violae] Die Blumen sollen sich öffnen und den Glanz der Braut (hier als Gestirn; vgl. Maria Anna als Astraea Virgo in 444) in ihr Inneres lassen. In Claud. 10, 249 250 wird von den Rosen, die sich vor der Sonne verschließen, gesagt: Latet altera nodo | Nec teneris audet foliis admittere soles (Ov. met. 13, 603; Sen. Herc. O. 1631). 226 cupient in fila secari] Die Blumen lassen sich bereitwillig zerschneiden und so zu Blumenschmuck verarbeiten (zu filum vgl. Lackenbacher, TLL VI.1 762, 41 49). 227 Huic Philomela canet] Der soeben vernommene Nachtigallengesang erscheint Hymen passend, um die Braut zu besingen. 228 Stat mihi concordes semper coniungere dextras] Vgl. Bernhard Kötting, Art. Dextrarum iunctio RAC 3 (1957), Sp. 881 888, bes. Sp. 883. - Stat mit Inf. zur Bezeichnung eines starken Entschlusses zuerst bei Vergil (z. B. Aen. 2, 750). 229 Praeteriit Maius, mensis felicior ardet] Der Vers gehört noch zu Hymens Rede. - Zum einen weist er auf die tatsächlichen Witterungsverhältnisse in den Frühsommermonaten 1635 hin (Maurus Friesenegger bei <?page no="120"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 120 Mathäser [1996], 95: „Den Mai, das Wonnemonat, verdarben die vielfältigen Reife und kältesten Winde vom Anfang bis zum Ende, und ließen wenigstens für die Baumfrüchte keine Hoffnung mehr übrig. Die Pfingst- Feier, und das ganze Ende des Mai waren sehr unlustig.“). Vor allem aber ist auf die römische Vorschrift angespielt, keine Hochzeiten im Mai abzuhalten (Ov. fast. 5, 490 mense malas Maio nubere vulgus ait; Erasmus Adag. 1, 4, 9; Otto [1964], 205). Ankunft der Bavaria in Wien (230 249) Unterdessen hat sich Bavaria nach Wien aufgemacht, um für Maximilian um die Hand Maria Annas anzuhalten. Ihr Gespann wird von prächtigen Löwen gezogen, die sich bei der Ankunft in Wien ganz zahm verhalten. Bavaria begrüßt den österreichischen Kaiser mit einem Handkuss und richtet das Wort an ihn. 230 408 Interea ... templa] Die Sorge eines als Allegorie figurierenden Landes für seinen Schützling ist vorgebildet bei Claudian: In Claud. 1, 73 173 etwa bittet die Göttin Roma nach der Schlacht am Frigidus Theodosius, Probinus und Olybrius als Konsuln zu designieren; vgl. auch Claud. 18, 375 513, 22, 218 407 und 28, 356 493. 230 Interea rapido cursu delapsa Viennam] Dem den ersten Teil des Gedichts abschließenden Gespräch Hymens mit Euphrosyne ist also eine Unterredung des Hochzeitsgottes mit Bavaria vorangegangen (vgl. zum zeitlichen Verhältnis auch 365 367). - Zu Vienna anstelle von Vindobona vgl. Krebs (1843), 812 813 s. v. Vienna (bei Balde immer Vienna). 233 Aduentum testata Deae] Das Claudianzitat (rapt. Pros. 1, 9) verweist auf die Vision von der Epiphanie der Ceres am Beginn des Proserpinaepos, was auch insofern passt, als Balde Bavaria an anderer Stelle mit Zügen der Fruchtbarkeitsgöttin ausstattet (vgl. Komm. zu 235). 233 234 pretióque Sabaeus | Plus quàm mortali vestigia prodidit imber] Weihrauch aus dem arabischen Saba wurde in der Antike für kultische Handlungen verwendet. Unter imber hat man sich an dieser Stelle wohl eher eine Wolke aus Weihrauch als tatsächlich Regen vorzustellen. Baldes Verwendung des Wortes ist singulär (anders: Stat. silv. 4, 8, 1 2 vittataque templa Sabaeis | nubibus). 235 Currus Eleusinus] Balde setzt Bavarias Gefährt mit dem Wagen des Triptolemus gleich (einem Sohn des Eleusis, daher Eleusinus). Ceres hatte <?page no="121"?> 2.2 Kommentar 121 ihm ihren Zauberwagen, den zwei geflügelte Schlangen zogen, geschenkt, damit er in der ganzen Welt Getreide aussäe. Statt von zwei Schlangen wird Bavarias Wagen von zwei Löwen gezogen, deren Fell goldgelb wie Getreide glänzt (240 241). - Das Adjektiv Eleusinus bei Balde sonst nur in Verbindung mit sacrum zur Bezeichnung des Cerestempels bzw. der eleusinischen Mysterien (Batr. Usus 3 [= op. omn. 3, 126] Ut si in Eleusino Sacro arcana abdidisset). 235 duo quem traxere leones] Es handelt sich also - entgegen der bei Bavaria geläufigen Vorstellung von einer quadriga, wie sie etwa die Figur auf dem Münchner Siegestor darstellt - um einen Zweispänner (bigae). 236 237 Maiores illo, qui stellis additus axem | Perfurit] Gemeint ist das Sternbild des Löwen. - Stella steht metonymisch für sidus (Hyg. fab. 195, 3), axis für caelum (Verg. georg. 3, 107). 238 nam liber utérque lupato] Die lupati bzw. lupata (nach TLL VII.2 1848, 37 43 gewöhnlich im Pl., vgl. aber bei Balde Lyr. 4, 14, 86 [= op. omn. 1, 216] molli lupato u. ö.) waren Gebissstangen mit Stacheln in der Form von Wolfszähnen, die zum Zügeln der Pferde verwendet wurden. Serv. georg. 3, 208 erklärt: dicta autem lupata a lupinis dentibus, qui inaequales sunt, unde etiam eorum morsus vehementer obest. Calepinus (1586) 618 übersetzt „Ein scharpff gebiß wie man es den rossen eünlegt“. 240 241 frons ardua frugibus albet | Maturis] Das Fell hat die Farbe reifen Getreides (vgl. auch Komm. zu 235 und 243 aurato … in vellere). 241 oculus gratâ perfulgurat irâ] Mit dem Ausdruck gratâ ... irâ, einem für Balde typischen Oxymoron, ist die angenehme Wirkung im Auge des Betrachters gemeint. Gedacht ist wohl an Stellen wie Ov. met. 12, 397 gratus in ore vigor (Beschreibung des Centauren Cyllarus; Bömer [1969/ 2006] z. St. mit weiteren Parallelen). - Das seltene Wort perfulgurat nach Stat. Theb. 5, 502, wo moderne Ausgaben praefulgurat lesen (Breimeier, TLL X.1.1 1416, 62 63). 243 Getula moles] Gaetulus ~ Africanus. 245 Interiore polo] Nach Stat. Theb. 1, 197 199 At Iovis imperiis rapidi super atria caeli | lectus concilio divum convenerat ordo | interiore polo. Vgl. die beiden Erklärungen bei Lact. Plac.: id est secretiore, ut Vergilius <Aen. 4, 494 495> tu secreta pyram tecto interiore sub auras | erige, sive medio, ut ab ortu et occasu conventuris numinibus spatiorum esset aequa distantia, quasi ad quoddam caeli secretum numinum ordo conveniat. Die erste Erklärung passt bei <?page no="122"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 122 Balde besser: Die Begegnung zwischen Bavaria und Iuppiter erfolgt im intimen Rahmen ohne störende Zuhörer. 246 et prono vultu libauit honorem] Hier ist - im Gegensatz zu den parallelen Ausdrücken Verg. Aen. 1, 736 und 4, 207, die Trankopfer bezeichnen - ein Handkuss gemeint (vgl. auch Verg. Aen. 1, 256 oscula libavit natae). Ähnlich Stat. silv. 3, 3, 177 et prono fusum super oscula vultu (Vollmer [1898] z. St.: „super oscula local und final: um Küsse zu geben“). 247 AUSTRIACI ... IOVIS] Die Identifikation des höchsten weltlichen Herrschers mit Iuppiter kannte schon die Antike (Zanker [2009], 232 239; Drucker [1977], 57 61). 248 Exhilarans animosa genas] Exhilarare wird selten auf äußere Objekte bezogen (Plin. nat. 22, 154; TLL V.2 1437, 21 26). Rede der Bavaria (249 367) Bavaria beginnt ihre Rede mit dem Hinweis, dass sie nicht gekommen sei, um zu klagen, sondern aus freudigem Anlass. Alles Unglück wende sich ja schließlich zum Besseren. Besonders schwer habe es aber gerade sie, Bavaria, getroffen, bevor sie zuletzt gemeinsam mit ihrer Schwester Austria die Gefahren vom Reich abwenden konnte. Doch wie schon der mythische Gigantenaufstand zeige, sind die höchsten Götter immer der größten Gefahr ausgesetzt. Bavaria berichtet stolz von den Schlachten, die ihr Feldherr Tilly für sie bestanden hat: Wimpfen (1622) und Lutter (1626) waren nur Vorboten noch größerer Drangsal, die mit dem Einfall Gustav Adolfs (1632) über Bayern hereinbrach. Maximilian habe gegen den Schweden für das Reich gestritten. Bavaria klagt über die Misshandlungen, die sie von den Eindringlingen erdulden musste. Auch die Entlarvung und Ermordung Wallensteins stellt sie als bayerische Leistung dar. All diese Verdienste für Kaiser und Reich bereiten die abschließende Bitte um die Hand der Kaisertochter Maria Anna vor: Statt der im antiken Rom üblichen Siegeskronen fordert Bavaria für Maximilian die Hochzeitskrone. Dies sei schon deshalb gerechtfertigt, weil Maria Annas Mutter bayerischer Abkunft gewesen sei. Hymen hätte ihr bereits bestätigt, dass diese Hochzeit auch im Sinne der Kaisertochter selbst sei. 249 Si genibus questura tuis affunderer] Echt rhetorisch ist der Beginn der Rede mit einem Konditionalsatz (Cic. div. in Caec. 1, 1 si quis vestrum ...). - Zum Umfassen der Knie als Geste des Bittenden vgl. Sittl (1890), 163 165. <?page no="123"?> 2.2 Kommentar 123 249 250 et me | Urgeret moestam duri sententia fati] Sententia fati als Ausdruck für den Willen bzw. Spruch des Schicksals ist ohne antike Parallele (Ammann, TLL VI.1 366, 46 367, 18). Sententia wird auch für richterliche Entscheide verwendet (OLD s. v. sententia [5]). 251 Non hoc conspiceres velatam, CAESAR, amictu] Me ist aus dem si- Satz zu ergänzen. - Die Trauerfarbe in Griechenland und Rom war wie auch zu Baldes Zeit Schwarz (Ov. Ib. 100; Iuv. 10, 245; Stat. silv. 2, 1, 19 u. ö.). Wie aus 392 396 hervorgeht, ist Bavaria bei ihrer Rede stattdessen in blau-weiße Rauten gekleidet. 252 Alteráque atratos temeraret Synthesis artus] Temeraret wie in der von Birt verworfenen Lesart von Claud. 8, 126 127 Membraque vestitu numquam temerata (edd.: violata) profano | In sacros cecidere sinus. Die zeitgenössischen Ausgaben (z. B. Étienne de Clavière, Paris 1602) lesen temerata; Balde dürfte also an diese Stelle gedacht haben. - Atratos ... artus: Das hier proleptisch verwendete Adjektiv atratus bezeichnet nach Ihm, TLL II 1093, 62 1094, 3 Personen in Trauerkleidung (Gegensatz: albatus). Ohne Parallele ist Baldes Verwendung in Bezug auf Körperteile, die hier wohl nicht zuletzt aus klanglichen Gründen (atratos ... artus) gewählt ist. - Marquardt (1886), 570 571 rechnet die synthesis der Männerkleidung zu, die als gewöhnliches Gewand beim Essen Verwendung fand (als vestis cenatoria bzw. cenatorium). 253 Nunc alios suadet triplex mihi GRATIA cultus] Die drei Grazien, vgl. 49 und Claud. carm. min. 25, 8 9 triplexque ... | ... Gratia. Der Singular GRATIA für die drei Göttinnen wie auch in Ov. met. 6, 429 (vgl. auch Vollmer [1898] zu Stat. silv. 1, 2, 19). 254 Versáque Fortunae facies meliore metallo] Selten ist die Verbindung von vertere mit dem bloßen Ablativ (üblich wäre stattdessen ein Präp.- Ausdruck); vgl. aber Hor. ars 226 vertere seria ludo, Hor. carm. 1, 35, 3 4 superbos | vertere funeribus triumphos und OLD s. v. mutare (3b). - Die Vorstellung von den nach der Güte der Metalle unterschiedenen Zeitaltern (vgl. Ov. met. 1, 89 150) ist bei Balde auf enger begrenzte Zeiträume übertragen. 256 Quid tribus his annis ad nostram defuit urnam] Die Jahre vom Einfall der Schweden in Bayern 1632 bis zum Prager Frieden 1635. - Die metonymische Verwendung von urna für exitium ist singulär (vgl. OLD s. v. urna [2c]). 257 258 Siculi tormenta tyranni | Profuerat] Der sizilische Tyrann Phalaris von Akragas quälte seine Feinde in einem glühenden Stier aus Eisen zu <?page no="124"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 124 Tode, den ihm sein Baumeister Perillus gegossen hatte. Dieser wurde von Phalaris als erster in den ehernen Stier gesteckt und zeigte sterbend, wie heiß der Stier sei, indem er laut schrie (258: Fabro monstrante). - Balde gebraucht profuit hier wie magis profuit bzw. praestitit in Anlehnung an Claud. 15, 186 188 (Phalarim tormentaque flammae | Profuit et Siculi mugitus ferre iuvenci | Quam tales audire choros). Die kritischen Claudianausgaben von Birt und Hall dokumentieren ein uneinheitliches Bild der Überlieferung (praefuit und praestitit), entscheiden sich aber beide für profuit (Olechowska [1978] übersetzt ohne nähere Begründung i. S. v. praestitit). Balde las an dieser Stelle wohl profuit (so auch in der Ausg. von Étienne de Clavière, Paris 1602). - Das Claudianzitat steht in einem etwas harmloseren Zusammenhang, geht es in Claud. 15, 186 188 doch um die grausamen Gastmähler Gildos und nicht um die Gräuel des Krieges. 259 In nostro sensisse foro] Konkret ist an die Einnahme Münchens durch Gustav Adolf gedacht; die Stadt lieferte sich dem Schwedenkönig wehrlos aus und ließ ihn am 17. Mai 1632 prunkvoll einziehen. Gustav Adolfs Truppen lagerten damals auf dem Schrannenplatz, dem späteren Marienplatz, im Zentrum der Stadt. 259 260 cometae, | ... bustum] Die Prodigien (cometae, | Sanguinei nimbi, lapides) stehen für die durch sie angekündigten Katastrophen und fügen sich so in die Reihe der erlittenen Gräuel ein. - Kometen wurden als Vorboten großen Unheils gedeutet; so brachte man etwa den Kometen des Jahres 1618 mit dem Dreißigjährigen Krieg in Verbindung. Von Kometenerscheinungen in den Jahren 1632 bis 1635 ist freilich nichts weiter bekannt. - Zum Steinregen als Prodigium vgl. auch Lumpe, TLL VII.2 949, 50 53. 261 Ut ne cuncta querar] Zu ut ne = ne vgl. KS II 209 210. 263 Amazonidum] = Amazonum (Verg. Aen. 1, 490). Die Amazonen waren ein mythisches Volk von Kriegerinnen und können daher an dieser Stelle für die beiden weiblichen Landesallegorien stehen. 265 Imperii decliue chaos] Der Ausdruck verbindet zwei zeitlich aufeinanderfolgende Vorstellungen: Bei decliue ist noch an den Untergang des Reichs gedacht, während chaos und jaceret den Zustand der Verwirrung bezeichnen. 265 fera bella fatemur] Balde gebraucht fateri hier nicht wie üblich in der Bedeutung „gestehen“ (= confiteri), sondern i. S. v. „berichten“ (Stat. Theb. 3, 572 superum ... negat acta fateri [scil. vates]; Vetter, TLL VI.1 341, 70 78). <?page no="125"?> 2.2 Kommentar 125 266 Expauítque nefas Orbis] Das wörtliche Zitat aus Lucan kennzeichnet den Krieg gegen Kaiser und Reich als Freveltat gegen die heilige Ordnung; vgl. Lucan. 4, 556 über Medea, die als Mörderin ihrer Kinder und somit als Inbegriff der Frevlerin vor ihrer eigenen Untat erschrickt: Die Auflehnung gegen den Kaiser ist gleichzusetzen mit einem Mord innerhalb der eigenen Familie. 267 268 et Rex Saturnius olim | Anguipedum sensit furias] Angespielt ist auf den Kampf der schlangenfüßigen Giganten (Anguipedes) gegen Iuppiter (Rex Saturnius nach seinem Vater Saturnus) und die anderen Götter. Der Vergleich der aufständischen Böhmen und der antikaiserlichen Mächte mit den Giganten ist in der jesuitischen Publizistik der Zeit verbreitet, vgl. Joh. Bisselius in Leo Gal. 14 non evasêre facinorum suorum poenas, antiqui gigantes: qui, licèt stolidè viribus confisi suis, destructi tamen sunt. Zum Symbolcharakter der Gigantomachie in der antiken Literatur vgl. Joachim Latacz, Art. Gigantomachie NP 4 (1998), Sp. 1069 1070. 271 Gradiuus gladiis, hasta Tritonia Pallas] Mars (Gradiuus) kämpft in Claudians Gigantomachie mit dem Schwert (gladius statt ensis selten in der Dichtung; vgl. Axelson [1945], 51); vgl. carm. min. 54, 79 80 Tum concitus ense Pelorum | Transigit adverso. Minerva (Tritonia Pallas) verzichtet bei Claudian aber auf den Einsatz des Speeres (carm. min. 54, 93 Aspectu contenta suo non utitur hasta; mit Speer in Verg. Aen. 10, 474). - Zur Prosodie von Gr divus: Balde misst sowohl Gr divus (wie hier; vgl. Ov. met. 14, 820) als auch Gr divus (z. B. Fam. Laur. 94 [= op. omn. 3, 257]; vgl. Ov. met. 6, 427). Calepinus (1586) 461 gibt Gr d vus als gebräuchlich vor. 272 (nam dulce est animo meminisse malorum)] Der Gedanke, dass schlimme Erlebnisse in der Erinnerung wiederum Vergnügen erregen können, wird an prominenter Stelle von Vergils Aeneas formuliert (Aen. 1, 203), freilich nicht wie hier von Bavaria im Moment der Erinnerung, sondern im Drang der Ereignisse und als Trostwort an die Gefährten. - Die Klammern bezeichnen einen gedanklichen Einschub, der aber noch zur Rede Bavarias gehört (ähnlich in 447). Eine andere Funktion haben die Klammern in 281 282, wo die Rede unterbrochen wird. 273 274 Non una Enceladi rabies Titania, Nostrum | Inuasere IOVEM] Constructio ad sensum (KS I 21 26). Den Giganten Enceladus (Balde verwechselt hier Titanen und Giganten, wie schon häufiger in der Antike geschehen; vgl. schol. Eur. Hek. 472) tötete Iuppiter in der Gigantomachie mit seinem Blitz und begrub ihn unter dem Ätna. <?page no="126"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 126 274 275 cùm iusta oracula legum | Mandares] Oracula können nach Baer, TLL IX.2 872, 73 74 allgemein für dicta singulari gravitate vel auctoritate praedita stehen. Außerdem werden mit dem Wort Edikte, Befehle oder Rechtsbescheide, zumal des Kaisers, bezeichnet (Claud. 17, 35 oracula regis; Baer, TLL IX.2 873, 9 31). 275 276 saeuísque nocentum | In coniuratos stimulis abiere furores] Zur Form nocentum vgl. Frings (1975) zu Claud. 10, 80 und Norden (1903) zu Verg. Aen. 6, 200. 277 278 Dentis opus poterat Cadmíque armata videri | Messis] Cadmus hatte auf Befehl der Minerva die Zähne des von ihm erlegten Drachens ausgesät. Daraus erwuchsen bewaffnete Krieger, von denen nach einem grausamen Bruderkampf (Ov. met. 3, 117 civilia bella) die fünf Ahnherren der künftigen Thebaner übrigblieben. 279 In culmo clangente tubâ] Das Bild von den aus dem Boden hervorwachsenden Kriegern wird weitergeführt: Unter den Soldaten erscheint auch ein Trompeter. Vergleichbar ist Balde Poes. Osc. 38 (= op. omn. 6, 386) über einen gleichzeitig mit den anderen Sparten aus dem Boden hervorwachsenden tubicen: Vipereum veluti dentem jecisset ahena Cadmus in arva novus: miles numerosior ipsis Pullulat ex tumulis, tubicenque enascitur unà. Zu in culmo vgl. OLD s. v. in (36); diese Wendung auch in Jephth. 5, 3, 18 (= op. omn. 6, 148) Quatiente clypeos litus in culmo sonet. 279 280 redeamus in aeui | Speluncam] Die Anregung dürfte wohl Claudians Vorstellung von den in der Höhle des Sol aufbewahrten Zeiten gegeben haben (Claud. 22, 444 450), wobei Claudian die zukünftig an die jeweiligen Konsuln zu verschenkenden, d. h. mit ihrem Namen zu versehenden Jahre, und nicht etwa wie Balde die vergangenen Zeitläufte im Sinn hat. 281 284 Nempe quibus ... Aquilas? ] Die Stellung von non im Nebensatz lässt eigentlich nur einen Bezug der Negationsspartikel auf MAXIMUS zu. Der Gebrauch von princeps im Epithalamion (vgl. *6 sowie 383 und 646) zeigt, dass mit PRINCEPS MEUS Maximilian gemeint ist (vgl. auch das Wortspiel mit MAXIMUS). Zu quibus wird man am besten annis aus 280 ergänzen. Bleibt die Frage, woran bei nostro ... Orbi gedacht ist: Das ganze Reich (vgl. 1 2 Orbis | ... Germanus) kann kaum gemeint sein, da Maximilian damit implizit über den Kaiser gestellt wäre. Man wird die Wendung <?page no="127"?> 2.2 Kommentar 127 daher besser nur auf Bayern beziehen und verstehen: „Selbst als die Stellung meines Fürsten in seinem Land geschwächt war (scil. und er daher jeden Triumph brauchte), soll er da wirklich davor zurückgeschreckt sein, deine Adler mit seinen Trophäen zu behängen (scil. deinen Ruhm durch Geltungssucht und Eigensinn zu verdunkeln)? “ 281 282 (inclinauit et ipsa | Immortale caput)] Zu den Klammern vgl. den Komm. zu 272. Bavaria verneigt sich voller Ergebenheit vor dem nur in ihrer Vorstellung präsenten Kurfürsten. 284 285 Ex quo Brumalia Fusco | Sceptra dedit Iuueni] Friedrich V. von der Pfalz war am 27. August 1619 dreiundzwanzigjährig (Iuueni) von den abtrünnigen Landständen zum König von Böhmen gewählt worden. Seine Herrschaft dauerte nur einen Winter. Das Beiwort Fuscus für den unglücklichen Pfalzgrafen leitet sich - wie in Lyr. 2, 26, 31 33 (fauillae | Et cineri Niger ille totam | Deuouit Vrbem) - wohl, wie von Stroh (2002), 161 angenommen, aus dem antiken Peiorativum Niger her; vgl. auch Otto (1988), 11 mit Verweis auf Cic. pro Caecin. 10 und Hor. sat. 1, 4, 85. 285 titulo Fortuna negato] Negato hier i. S. v. in perpetuum negato: Die unbeständige Fortuna gönnte dem Pfälzer den Titel eben nur für einen Winter. 286 Crudelem lusura jocum] Der Winterkönig galt in der zeitgenössischen Publizistik als ein Musterbeispiel für das Wirken Fortunas; vgl. die allegorische Darstellung Deß gwesten Pfaltzgrafen Glück aus dem Jahr 1621 (beschrieben bei Glaser [1980] II.2, 337). 286 287 lachrymásque datura | E glacie] Zu ex beim Ablativus materiae vgl. HS 265. 288 289 Albaníque iugum sordenti sanguine montis | Victor inundauit] In der Schlacht am Weißen Berg bei Prag (8. November 1620) standen Ligatruppen unter Tilly und kaiserliche Verbände unter Bucquoy den aufständischen Böhmen, geführt von Fürst Christian von Anhalt und Heinrich Matthias Graf Thurn, gegenüber. Die Schlacht endete mit einem überwältigenden Erfolg der katholischen Seite; der böhmische König Friedrich V. musste ins Exil fliehen. Zeugnisse zur Schlacht am Weißen Berg im Werk Baldes sind gesammelt bei Wiegand (2006). 289 profugos Moldauia mersit] Der kaiserliche Offizier Max von Liechtenstein setzte den ungarischen Kontingenten auf Seiten der Böhmen so stark zu, dass sich diese zur Flucht gezwungen sahen und dabei in großer Zahl <?page no="128"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 128 (Riezler [1878/ 1914] V, 174 spricht von einigen hunderten) von der Moldau mitgerissen wurden. 290 291 quod Stella propinqui | Spectauit nemoris] Die Genetivkonstruktion ist aufzulösen in Stella, quae in propinquo nemore sita est. - Stella heißt ein auf dem Weißen Berg befindliches Jagdschloss, das einen sechsstrahligen Grundriss aufwies. In dem Schloss befand sich während der Schlacht das pfälzische Hauptquartier; vgl. Wiegand (2006), 77. 294 Alter successit coti, chalybémque momordit] Die Soldaten, die dem Gegner ins offene Schwert laufen, werden mit Wetzsteinen verglichen. Die Chalyber waren ein eisenverarbeitendes Volk am Schwarzen Meer, daher kann chalybs alle aus diesem Metall hergestellten Gegenstände, vor allem Schwerter, bezeichnen. Baldes Vorstellung hat keine antike Parallele; im übertragenen Sinn wird das Bild vom Wetzstein gewöhnlich i. S. v. stimulus gebraucht (Cic. ac. 2, 135 iracundiam fortitudinis quasi cotem esse dicebant; vgl. Wulff, TLL IV 1083, 10 25). - In der parallelen Formulierung bei Lucan. 6, 398 meint chalybs das eiserne Zaumzeug, das die Lapithen ihren Pferden anlegten. 297 toties sua fractus in ossa Rebellis] Zu fractus in ossa vgl. Stat. Theb. 6, 271 frangit in ossa leonem (über Herkules und den nemeischen Löwen) und die Erklärung von Fortgens (1934): frangit leonem ita, ut nihil restet nisi ossa separata ... Ad constructionem cf. Verg. A. V 279: seque in sua membra plicantem (de serpente vulnerato). In den Statiuskommentaren des Lactantius Placidus und des Bernartius, die den Ausgaben zu Baldes Zeit i. d. R. beigegeben wurden, wird die Stelle nicht näher erläutert. 298 Flammigerae Volucri nullius saeuiit ira] Nach antiker Vorstellung trug der Adler die eingerollten Blitze Iuppiters; hier ist der kaiserliche Doppeladler gemeint. - Zum Dativ statt der gebräuchlicheren Präpositionalkonstruktion bei saevire vgl. Tib. 1, 2, 88 non uni saeviet usque deus und Ov. epist. 4, 148 (OLD s. v. saevire [1b]). 300 301 Turlacia plaustra | Rupimus] Tilly schlug den Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach (302 Badensis) am 6. Mai 1622 in der Schlacht bei Wimpfen am Neckar. Der Graf führte sog. Spieß- oder Sichelwagen mit sich, auf die hier angespielt ist (vgl. Magn. Till. 34 [= op. omn. 8, 31] non Turlacius in falcatis curribus tutus). Mit diesen bildete er eine Wagenburg und befestigte sie mit Kanonen. Nach der Explosion einiger Pulverwagen gelang es Tillys Abteilungen, in die Wagenburg einzudringen (Riezler [1878/ 1914] V, 214). Vgl. Fam. Laur. 58 59 (= op. omn. 3, 256): Quid, qui <?page no="129"?> 2.2 Kommentar 129 fer<r>atas Sylvas & ahenea plaustra | Falcibus armavit Turlacius und die Schlachtbeschreibung bei Wertheim (1929) 2, 388 412. 301 et rigida munitas cuspide syluas] Eine vergleichbare optische Vorstellung findet sich bei Balde, ebenfalls mit Bezug auf die Sichelwagen des Markgrafen, in Magn. Till. 142 (= op. omn. 8, 120), wo die Sicheln an den Wagen mit dem „Stachelwald“ am Körper eines Wildschweins verglichen werden: Ut stolido terrore ferox Turlacius arma | Concrepat, et rigidos, silvam velut histricis, axes | Bellatrix Wimpfena quatit. 302 Obruimus fossis] Die Wagenburg des Markgrafen war an einer Seite durch einen Fluss geschützt, der nach ihrer Zerschlagung durch die bayerisch-kaiserlichen Truppen vielen Soldaten als letzter Ausweg erschien, vgl. Fam. Laur. 75 76 (= op. omn. 3, 257) Wimpfena uligine putri | Cincta lacum, cannísque & arundine consita circùm. Aus Lyr. 4, 1, 50 52 (= op. omn. 1, 190) WIMPFENA ... propulit in putreis | Paludis algas luctuosa | Turlaciae monumenta cladis geht hervor, dass man nach der Schlacht die Überreste der Wagenburg in diesen Fluss geworfen hatte. Baldes Bezeichnung fossa für ein natürliches Gewässer ist jedoch auffällig (Rubenbauer, TLL VI.1 1210, 34 83). 303 compleuit disiectis falcibus Orcum] Gemeint sind wieder die schon erwähnten Sichelwagen (falcati currus) des Markgrafen. Die zerschlagene Streitmacht war so gewaltig, dass sie in Baldes Vorstellung die ganze Unterwelt ausfüllt. 304 305 Auspiciis haec gesta tuis tu classica nobis, | Tu vires animósque dabas, nos strinximus enses.] Maximilian hatte als Befehlshaber der ligistischen Truppen seine Streitmacht dem Kaiser zur Verfügung gestellt, der den Oberbefehl innehatte, jedoch nicht am konkreten Kampfgeschehen teilnahm. Die Claudianparallele rückt den Kaiser in die Nähe des kriegslustigen, aber noch unmündigen Honorius; vgl. Claud. 7, 87 95 (mit Balde 345 347 Te propter … Te propter …): victoria velox auspiciis effecta tuis. pugnastis uterque: tu fatis genitorque manu. te propter et Alpes 90 invadi faciles cauto nec profuit hosti munitis haesisse locis: spes inrita valli concidit et scopulis patuerunt claustra revulsis. te propter gelidis Aquilo de monte procellis obruit adversas acies revolutaque tela 95 vertit in auctores et turbine reppulit hastas. <?page no="130"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 130 306 Cimbrorum quoque clausa palus] Angespielt ist auf die Schlacht bei Lutter am Barenberge, in der Tilly als Befehlshaber der kaiserlichligistischen Truppen am 27. August 1626 den Dänenkönig Christian IV. besiegte (vgl. zum Schlachtverlauf Voges [1922]). Dänemark mit seinem zerklüfteten Küstenverlauf assoziiert Balde öfters mit Sümpfen, vgl. etwa Fam. Laur. 57 (= op. omn. 3, 256) Cimbrica Tethys und Lyr. 4, 1, 53 60 (= op. omn. 1, 190 191): Damnata nigris nunc quoque Daniae LUTHERA Fastis, incaluit rubra 55 Spumante Cimbrorum cruore. Relliquiae, sub opaca noctis Stagnum remissae visere patrium Formidolosis horrida matribus, Natisque narravere bella, 60 Et viduis miseranda lectis. Clausa palus ist so zu verstehen, dass Tilly einen erneuten Einfall bzw. ein „Überschwappen“ der Dänen ins Reich verhindert hat. 309 veluti Nilus] Anspielung auf die bereits in der Antike sprichwörtlichen Nilschwemmen (Verg. georg. 4, 288 stagnantem flumine Nilum). An dieser Stelle spielt auch der vergilische Vergleich in Aen. 9, 30 32 herein, wo die Truppen der Italer mit anschwellenden Flüssen verglichen werden: ceu septem surgens sedatis amnibus altus | per tacitum Ganges aut pingui flumine Nilus | cum refluit campis et iam se condidit alveo (vgl. auch das Pyrrhus- Gleichnis in Aen. 2, 496 498). Das Bild des über die Ufer tretenden Flusses, das die ganze folgende Passage bestimmt, findet sich häufiger bei Balde, etwa in Poes. Osc. 38 (= op. omn. 6, 386): Sed nunc plena ruunt, velut infrenata, suisque Devia restagnant spretis Discrimina ripis; Torrentis specie Boios spatiata per agros. crudele malum. spumosius exstat Et vada protrivit. 311 et immanem Phocam] König Gustav Adolf von Schweden (vgl. 314 Suecus) wird mit einem Seeungeheuer verglichen, das der Ostsee entsteigt. Die phoca („Robbe“) hat in der Antike keinen negativen Beiklang (vgl. Spoth, TLL X.1.2 2047, 5 14). <?page no="131"?> 2.2 Kommentar 131 312 cornigeri sorbentem flumina Rheni] Hörner gehören zur Vorstellung von den Flussgöttern; ähnliche Ausdrücke sind gesammelt bei Lambertz, TLL IV 960, 3 9. - Zu Gustav Adolfs Vorstoß nach Mainz vgl. Westermayer (1868/ 1998), 44. 313 Scilicet id clades, et publica Fata vetabant] Gedacht ist an die Schlacht bei Breitenfeld (17. September 1631) und die Siege Gustav Adolfs, die er in rascher Folge im Frühsommer 1632 errang: Einnahme Donauwörths im April 1632, Schlacht bei Rain am Lech am 15. April 1632, Einnahme der Städte Augsburg am 20. April 1632 und München am 15. Mai 1632. 314 315 quem dissimulatus et ora | Et crinem barbámque Charon, vectabat] Die Akkusative der Beziehung ora, crinem und barbam sind auf dissimulatus zu beziehen. - Der Ferge Charon setzt in der griechischen Mythologie die Seelen der Verstorbenen über den Acheron; sein grauenerregendes Äußeres beschreibt Verg. Aen. 6, 299 300 terribili squalore Charon, cui plurima mento | canities inculta iacet. Bei Balde fährt Gustav Adolf auf dem Nachen Charons. Er weiß nicht, dass er im Reich sterben wird und erkennt daher Charon nicht als Fährmann der Toten. 317 Lyco exhausto] Lycus wie häufiger für den Lech (Torv. Encom. Oec. 27 [= op. omn. 3, 399] Augustae ad Lycum). - Nachdem er den Lech am 15. April 1632 bei Rain überschritten und das ligistische Heer unter Tilly besiegt hatte, stieß Gustav Adolf flussaufwärts in Richtung Augsburg vor. 317 318 tendebat ad ostia magni | Danubii, totis bibiturus fontibus Oenum] Die beiden Verse beschreiben im Bild der ausgetrunkenen Flüsse (vgl. exhausto und totis bibiturus fontibus) Gustav Adolfs Eroberungspläne: Der Schwedenkönig wollte demnach sowohl die Donau abwärts nach Osten als auch den Inn aufwärts nach Süden vorstoßen und hätte damit den gesamten bayerisch-österreichischen Raum kontrolliert. Albrecht (1998), 816 817 stellt heraus, dass Gustav Adolfs Wendung nach Bayern und Österreich als Reaktion auf die Bamberger Niederlage des schwedischen Generals Horn zu verstehen ist, zunächst also keinem weiterreichenden strategischen Konzept folgte. Vgl. aber Albrecht (1998), 779: „Die Erfolge seines Heeres haben den König im weiteren Verlauf veranlasst, seine Zielsetzungen dahingehend zu erweitern, dass sowohl die Satisfactio wie die Assecuratio Schwedens sichergestellt sein müssten, was auf Annexionen und ein von Schweden dominiertes Sicherheitssystem im Reich hinauslief.“ - Bibiturus statt des gewöhnlichen poturus ist erst seit dem dritten Jh. n. Chr. bezeugt; vgl. Münscher, TLL II 1959, 51 62. <?page no="132"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 132 320 322 non si Balaena fatiscat | Inquit, et abruptis effundat viscera costis; | Improba munitum squamis inciderit Istrum] Zur Zeitengebung im Bedingungssatz im Modus potentialis vgl. KS II 393 394. - Non si Balaena fatiscat: Neben Phoca (311) ein von Balde häufiger gebrauchtes Bild für den Schwedenkönig; vgl. Magn. Till. 154 (= op. omn. 8, 132) incola vasti | Gurgitis evolvit grandi Balaena natatu. - Improba munitum squamis inciderit Istrum: Eigentlich bezeichnet Ister bzw. Hister nur den unteren Lauf der Donau, bei Balde ist aber meist der ganze Fluss gemeint. - Improbus wird besonders häufig von Cicero als Schmähwort verwendet; vgl. Thome (1993), 71 73. - Inciderit: Der Vers nach Stat. Theb. 5, 517 squamisque incisus adaestuat amnis: Die beschriebene Schlange, die Opheltes töten wird, „schneidet“ den Fluss „ein“, in den sie sich legt, zerteilt ihn also. Bei Balde ist analog squamis instrumental auf incisus zu beziehen; incidere bedeutet demnach „aufhalten“. 323 Opponat latus Anglipolis] Der Schwedenkönig scheiterte mit seinem Versuch, Ingolstadt einzunehmen, wo Tilly am 30. April 1632 starb. Balde kannte den Kriegsschauplatz aus eigener Anschauung, er studierte zu dieser Zeit Theologie in Ingolstadt. Die Belagerung Ingolstadts schildert er in Tagebuchform in Magn. Till. 49 55 (= op. omn. 8, 41 46). - Anglipolis steht hier statt des üblicheren Ingolstadium. 324 iam nos praeuertimus astum] Maximilian hatte sich auf den Rat des sterbenden Tilly hin von Ingolstadt nach Regensburg zurückgezogen, während die Schweden am 16. Mai 1632 in München einfielen. Die Kriegslist Gustav Adolfs, die Balde hier andeutet, bestand darin, Maximilians Truppen in Ingolstadt, wo er kaum auf einen Sieg hoffen konnte, festzusetzen und selbst nach Regensburg vorzustoßen. Dadurch wäre der Kurfürst von Wallenstein, der sich in Böhmen befand, abgeschnitten gewesen (Albrecht [1998], 821 824). - Praevertere i. S. v. impedire (Peri, TLL X.2.1 1109, 7 42). 325 Concedétque meis Antiqua Tiberia votis] Regensburg heißt bei Balde neben dem üblichen Ratisbona (vgl. 355) auch Tiberia, vgl. Magn. Till. 79 (= op. omn. 67) antiqua Tiberia votis. Vgl. zum Namen Reitzenstein (2006), 225, der den Namen bis ins 11. Jh. zurückverfolgt (vgl. Aventinus [zit. nach Reitzenstein l. c.]: „Tiberius nent die hauptstat Regenspurg nach im ‚Augusta Tiberii‘“). - Die überwiegend protestantische Regensburger Bevölkerung hat sich als freie Reichsstadt gegen die Besetzung durch Maximilian gewehrt (concedétque meis ... votis); vgl. Albrecht (1998), 822. - Zur Prosodie von Tib ria: Die Messung Tib ria statt des zu erwartenden Tib ria (vgl. Hor. sat. 2, 3, 173) wie in Magn. Till. 78 (= op. omn. 8, 67). <?page no="133"?> 2.2 Kommentar 133 326 Nos Aquilo pulset. dum CAESAR et AUSTRIA viuat.] Der frostige Nordwind steht für Gustav Adolf. Ob es tatsächlich Maximilians Absicht war, Bayern um der Sicherheit des Kaisers willen der Gewalt der Schweden auszusetzen und damit seine territorialen Interessen hinter das Reichswohl zu stellen, ist in der Forschung umstritten. Ein Passus in einem Brief des bayerischen Kurfürsten an Wallenstein legt eine solche Ansicht nahe: Maximilian beabsichtige „ehender dem feindt mein land bis an den Ihnstromb preis zu geben, alß das algemeine wesen und Ir Khay. Mt. erbland in gefahr zu sezen, wann diser armada etwaß widriges begegnet weer“ (zit. nach Albrecht [1998], 823). Wahrscheinlicher ist, wie Albrecht a. a. O. vermutet, dass sich Maximilian zunächst aufgrund seiner militärischen Unterlegenheit nach Regensburg zurückgezogen hat und auf Unterstützung durch Wallenstein hoffte. Primäre Motivation für seine Strategie, Gustav Adolf den Weg über die Donau abzuschneiden und ihn nach Landshut und München abzulenken, war demnach nicht - wie im Epithalamion vorgegeben - der Schutz der habsburgischen Erblande, sondern die Hoffnung, dem Schwedenkönig im Verein mit den kaiserlichen Truppen eine vernichtende Niederlage beizubringen. - CAESAR und AUSTRIA werden als Einheit aufgefasst, daher der Singular viuat (vgl. HS 433; alternative Lesart in A und B vivant). 329 Quid tale abductae quondam timuere Lacaenae] Vermutlich sind in diesem Vers mit Lacaenae die Töchter des Leucippus, Hilaeira und Phoebe, gemeint. Castor und Pollux raubten die beiden Mädchen, die mit den Söhnen des Aphareus verlobt waren, worauf es zur Schlacht zwischen Apharetiden und Dioskuren kam (Theokr. 22, 137 151; Ov. fast. 5, 699 720; David Leitao, Art. Leukippiden NP 7 [1999], Sp. 105). 330 Decussae capiti turres] Neben Cybele stellte man sich insbesondere Stadtgöttinnen mit einer Krone in Mauerform vor, seit dem frühen zweiten Jh. v. Chr. erscheinen auch personifizierte Länder in dieser Weise auf Münzen (vgl. Italia bei Lucan. 1, 188 Turrigero canos effundens vertice crines; Roche [2009] z. St. und Hermann Steuding, Art. Lokalpersonifikationen, Roscher II.2, Sp. 2074 2139). 332 Dis nata à Gottho] Der Völkername ist nicht wörtlich zu verstehen, sondern deutet nur allgemein auf die nordische Barbarei hin. Die Abstammung Bavarias wird sonst im Gedicht nicht thematisiert. 332 333 luxuriante malorum | Maiestate] Vgl. zum Ausdruck Stat. Theb. 7, 478 egreditur (scil. Iocaste) magna cum maiestate malorum und Smolenaars (1994) z. St. Statius bezeichnet mit maiestas malorum die Erhabenheit der Iocaste, die ihr aufgrund derjenigen Widrigkeiten (malorum) zukommt, die <?page no="134"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 134 sie selbst erfahren hat. Balde hingegen meint mit malorum das Unglück, das Gustav Adolf seinen Feinden zufügt und das ihm selbst prachtvoll und großartig erscheint. 333 334 amplexus gaudia nostri | Barbarus audebat Scythico promittere lecto] Mit Scythico ... lecto bezeichnet Balde das Bett Gustav Adolfs; die metaphorische Formulierung soll zum Ausdruck bringen, dass sich der Schwedenkönig Hoffnungen auf die Herrschaft über Bayern gemacht habe. Eine ähnliche Vorstellung findet sich in Epod. 1, 43 (= op. omn. 1, 262) Ivit in amplexus turpeis AURORA Tyranni, wo darüber geklagt wird, dass sich die östlichen Gebiete Europas unter die Osmanenherrschaft („in die Umarmung der Osmanen“) begeben haben. 335 Leno] Das Wort bei Balde meist in der Bedeutung „Verführer, Liebhaber“ (Uran. 315 [= op. omn. 5, 230] Abstrahe lascivas improbe leno manus). 335 337 et quidquid acerbum | Vel graue blanditiis, vel formidabile luctu, | Abdidit insidiis tristis clementia Sueci] Gustav Adolf verschleierte heimtückisch (insidiis) durch sein vorgeblich entgegenkommendes Auftreten (tristis clementia) in der besetzten Stadt das wahre Ausmaß der Belastungen, die auf die Münchner Bevölkerung noch zukommen würden. - Der Schwedenkönig verhielt sich während der zehn Tage seiner Anwesenheit in München (17. bis 27. Mai 1632) tatsächlich sehr entgegenkommend gegen die eroberte Stadt. Dies war aber nur die eine Seite des Schweden: Im Gegenzug erhob er die gewaltige Summe von 450 000 Gulden als Brandschatzung und ließ, als Stadt und Rentamt München das Geld nicht aufbringen konnten, 42 Geiseln nach Augsburg schaffen, darunter Baldes Mitbruder Andreas Brunner. - Zu vel graue blanditiis, vel formidabile luctu: Die Ablativi causae („schwer aufgrund der Schmeicheleien“ bzw. „furchtbar aufgrund des [ausgelösten] Jammers“) explizieren quidquid acerbum. - Tristis clementia: Eines der bei Balde beliebten Oxymora; vgl. auch 241. Über die falsche Herablassung Gustav Adolfs vgl. auch Balde Lyr. 2, 26, 25 36 (= op. omn. 1, 88), wo er in 27 29 ein vergleichbares Oxymoron verwendet (corda veris | Callidus exonerare monstris, | Terrere vanis). Dass die Herrschertugend der clementia nur aufgesetzt ist und letztlich unlauteren Zwecken - in diesem Fall der Demütigung der Feinde - gilt, kritisiert schon Lucan an Caesar; vgl. Seewald (2008), 134-135 zu Lucan. 9, 210. 338 339 Sed vicit tua sors, CAESAR, fortunáque nostra | Te saluo rediit] Gustav Adolf war am 16. November 1632 in der Schlacht bei Lützen durch den Schuss einer Muskete ums Leben gekommen. <?page no="135"?> 2.2 Kommentar 135 339 340 cumulauit victima sensum | Laetitiae] Nur kurz kommt Bavaria auf den Tod Wallensteins am 25. Februar 1634 zu sprechen; die frühere Nähe des Kaisers zum Herzog von Friedland lässt eine längere Ausführung nicht zu. Kaiser Ferdinand hatte sich erst nach langen Überlegungen zu dem geheimen Absetzungspatent und zu der Order durchringen können, die dem Mordkommando unter Butler, Gordon und Leslie die Bluttat befahl. Wallenstein war Maximilians größter Gegner im eigenen Lager gewesen. 340 quod te viuente receperit hastam] Der Modus ist als obliquer Konjunktiv zu erklären. Die Zeitengebung entspricht nicht den - zu Baldes Zeiten grammatisch ohnehin noch nicht erfassten - Regeln der consecutio temporum; zu erwarten wäre recepisset. - Nachdem Wallensteins Vertraute bei einem Bankett ermordet worden waren, drang Deveroux mit einer Partisane in das Zimmer Wallensteins ein und stach den Wehrlosen nieder. 341 Pectoris obnixu] Das Substantiv obn xus, s bzw. obn sus, s ist in der Antike nur an einer Stelle belegt (Itin. Alex. 17 Damascum capit obnisu levi; vgl. Lebek, TLL IX.2 121, 33 34). 341 trabeati Bestia colli] Die trabea, eine purpurne bzw. purpurbesetzte Toga, war in der römischen Frühzeit den Königen vorbehalten. Später konnten auch Ritter bei feierlichen Anlässen dieses Kleidungstück tragen (vgl. Leonhard Burckhardt, Art. Trabea NP 12/ 1 [2002], Sp. 730). Vielleicht ist an Claud. 18, 9 10 gedacht, wo Eutrop als trabeata anus diffamiert wird. - Trabeati ... colli ist als Genitivus qualitatis zu Bestia zu ziehen; bei colli ist daran gedacht, dass der purpurne Umhang vom Hals Wallensteins herabhängt. - Bestia: Das Wort, sonst in der Dichtung vermieden, ist hier wirkungsvoll eingesetzt und im pejorativen Sinn gebraucht; vgl. Axelson (1945), 52 und insbes. Thome (1993), 39 60. 344 felix sapientia] Iuv. 13, 187 189 meint mit diesem Ausdruck die Philosophie, die dem, der sich mit ihr beschäftigt, Glück bringt. Balde verwendet felix an dieser Stelle i. S. v. „erfolgreich“. 345 348 Te propter … umbracula fixit] Die Claudianparallele (21, 122 124) rückt Maximilian in die Nähe Stilichos, der für seinen Kaiser Honorius auch die Widrigkeiten eines Winterfeldzugs auf sich nimmt. Vgl. auch den Komm. zu 304 305. 346 vidítque vigil tardare Booten] Ein Bild dafür, dass im Winter die Nächte länger werden. Das Sternbild Bootes („Rinderlenker“) befindet sich am Firmament in der Nähe des großen Wagens. Man kennt das Sternbild <?page no="136"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 136 für seinen späten Untergang; vgl. Bömer (1957) zu Ov. fast. 3, 405. Tardare ist hier wie sonst auch öfters intransitiv gebraucht; vgl. etwa Apul. met. 5, 27 und OLD s. v. tardare. 348 Intrauítque casas] Die casa bezeichnet eine ländliche und unkomfortable Unterkunft (Calp. ecl. 2, 60 Ne contemne casas et pastoralia tecta und Ov. met. 5, 282 283 subiere minores | saepe casas superi). Was ist sachlich genau gemeint? Entweder verwendet Balde das Wort i. S. v. tabernaculum (so öfter in militärischem Zusammenhang; vgl. Elsperger, TLL III 510, 81 511, 6), oder er bezieht sich auf den Umstand, dass sich Maximilian in den Jahren 1632 bis 1635 nicht in seiner Münchner Residenz, sondern in Braunau im Innviertel aufhalten musste (vgl. Albrecht [1998], 848). Jedenfalls soll ausgedrückt werden, dass Maximilian auch hinsichtlich seiner Unterkunft keinen Luxus suchte. 349 vel si quid apertius] Balde gebraucht den Ausdruck hier als Formel der correctio, zu ergänzen wäre etwa dicere licet. 349 350 UNAM | sollicito] In der Bedeutung „bitten“ wird sollicitare sowohl mit dem Akkusativ der Person, von der etwas erbeten wird, gebraucht (z. B. Plaut. Cas. 226), als auch mit dem Akkusativ der erbetenen Sache (z. B. Flor. epit. 2, 9, 6); vgl. OLD s. v. sollicito. 351 qui tot seruauerat urbes] Das Plusquamperfekt seruauerat bezeichnet hier dieselbe Zeitstufe wie das Perfekt rapuit (vgl. KS I 125 126). 353 E media rapuit non unum clade Saguntum] Zu non unum vgl. 273. - Hannibal hatte die unter römischem Schutz stehende Stadt Sagunt im Jahr 219 v. Chr. belagert und eingenommen und so den zweiten Punischen Krieg ausgelöst. Die Brüder Publius und Gnaeus Scipio eroberten die iberische Stadt 212 v. Chr. zurück. - Die Claudianparallele (23, 21 22) nimmt wieder die Parallelisierung von Maximilian und Stilicho auf. 354 MURALEM poterat forsan sperare Coronam] Wieder wird ein Gedanke aus Claudians Stilichopanegyrikus (24, 75 76) auf Maximilian übertragen. - Balde spielt in der ganzen nun folgenden Partie, in der Bavaria erklärt, dass Maximilian für seine Verdienste statt der üblichen Ehrenkronen der Hochzeitskranz zustehe, mit dem Wahlspruch Kaiser Ferdinands II. Legitime certantibus corona. Der Sinn der Devise - nach 2 Tim. 2, 5 Nam et qui certat in agone non coronabitur, nisi legitime certaverit - geht ursprünglich allerdings in eine andere Richtung: Nur der nach den Regeln Kämpfende soll demnach den Siegespreis erhalten. - Die Mauerkrone (corona muralis; schon erwähnt bei Polyb. 6, 39) aus Gold war eine Ehrenbezeigung, welche <?page no="137"?> 2.2 Kommentar 137 diejenigen Soldaten erhielten, denen es gelungen war, eine feindliche Mauer zuerst zu ersteigen. 355 Quíque Ratis - fragmenta - Bonae statione recepit] Herzog Bernhard von Weimar hatte Regensburg an der Spitze eines schwedischen Kontingents am 14. November 1633 eingenommen. Gallas und der bayerische Feldherr Aldringen eroberten die Stadt im Juni 1634 zurück (vgl. Höpfl [1913], 15 29 und 30 55). - Die volksetymologische Verbindung von Ratisbona mit ratis und bona lässt sich bis ins 11. Jh. zurückverfolgen. Baldes Vorstellung, nach der die Stadt selbst als Floß erscheint, ist jedoch singulär, gewöhnlich wird der Name anders erklärt; vgl. Reitzenstein (2006), 226 und die Notiz bei Otto von Freising eo quod ratibus opportuna bonaque sit vel a ponendo ibi rates Ratisbona vel Ratispona vocatur (zit. nach Reitzenstein [2006] l. c.). 356 NAVALEM è rostris] Die corona navalis war ein mit nachgebildeten Schiffsschnäbeln (rostra) geschmückter Ehrenkranz, daher auch ihr Name corona rostrata. Sie wurde Soldaten verliehen, die bei einer Seeschlacht als erste das feindliche Schiff bestiegen hatten; berühmte Träger waren M. Terentius Varro und M. Vipsanius Agrippa (vgl. Verg. Aen. 8, 683 684). - Zu ex in Verbindung mit einer Stoffangabe vgl. KS I 505. 356 Sed tu concede IUGALEM] Der römische Fundus militärischer Ehrenbezeigungen sah natürlich keine corona iugalis vor (vgl. Yann Le Bohec, Art. Auszeichnungen, militärische, NP 2 [1997/ 1999], Sp. 341 343). - Zum Kranz bei Hochzeiten vgl. Josephus Heckenbach, Art. Hochzeit RE VIII.2 (1913), Sp. 2129 2133 (Sp. 2132: vorsichtige Annahme, dass der Bräutigam bei der römischen Hochzeit eine corona getragen habe). 357 talem neque Roma aspexerit unquam] Der Potentialis hat hier Vergangenheitsbedeutung; vgl. auch 585 Haud aliter praeter ripas errauerit Io. 362 quid opus multis contendere] Zu multis ist verbis zu ergänzen (vgl. Cic. de orat. 166 plurimis verbis ... contenderet). - Bavaria setzt das stärkste Argument an den Schluss ihrer Rede. 364 In fontem redeat sanguis] Die Blutsverwandtschaft der Brautleute bereitete diplomatische Probleme: Wegen des nahen Verwandtschaftsgrads war im Vorfeld der Hochzeit ein päpstlicher Dispens notwendig (vgl. Albrecht [1998], 935). Balde gibt das Ehehindernis als eheförderlich aus. - Der Gedanke wie in Claud. 13, 5 6: Maria, Tochter von Stilicho und Serena, der Nichte des Theodosius, wird mit Honorius, dem Sohn des Theodosius, verheiratet. <?page no="138"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 138 Iuppiters Antwort (368 384) Nach der langen Rede Bavarias fällt Iuppiters Antwort kürzer, aber umso bestimmter aus: Maximilian hat sich in schwieriger Lage am meisten um den Kaiser verdient gemacht und daher gebührt ihm die Hand Maria Annas. Schon die Kurfürstenwürde war eine Belohnung für Maximilians Verdienste um das Reich gewesen. 370 noua Theutonicae memorata piacula Phlegrae] In Phlegra, der westlichen Landspitze der makedonischen Halbinsel Chalkidike, vernichtete Iuppiter die aufständischen Giganten mit seinen Blitzen. Piaculum bedeutet allgemein „Sühnemittel“ und auch „Strafe“, wird öfters aber auch in Bezug auf das gebraucht, was Sühne verdient (Breimeier, TLL X.1.2 2071, 31 2072, 52). 371 In nos sacrilego surgentia vidimus ausu] In A und B ist an dieser Stelle der Vers In nos sacrilegis surgentia vidimus armis überliefert. Der Grund ist kaum zu ersehen, die Junktur sacrilego ... ausu ist sprachlich nicht zu beanstanden (vgl. Ps. Aug. serm. 72, 3). 372 Sed damnata luunt] Balde gebraucht damnare hier i. S. v. improbare bzw. reprehendere (vgl. Simbeck, TLL V.1 17, 28 18, 38): Sed luunt, quae damnavimus. 372 373 si quis superesse Tiphoeus | Ardeat, ardebit] Der Titan Typh eus, ein Sohn der Gaia und des Tartaros mit hundert Schlangenhäuptern, wurde von Iuppiter mit einem Blitz getötet. Entgegen Baldes Schreibung (Tiphœus) werden nach gr. Vorbild regulär die letzten beiden Vokale zum Diphthong eu verbunden, vgl. OLD s. v. Typhoeus. - Effektvoll ist das Polyptoton Ardeat, ardebit, wobei ardere hier jeweils in verschiedener Bedeutung verwendet wird (traductio). - A und B schwächen die pointierte Formulierung mit Audeat ab; ardere mit Infinitiv ist aber seit Sall. Iug. 39, 5 gebräuchlich (Verg. Aen. 2, 105 u. ö.). 376 377 pro me tot bella gerenti | Non delenda DUCI] Die wenigen Belegstellen, die Müller, TLL II 1835, 60 62 aufführt, würden für delere ein Verständnis i. S. v. sedare nahelegen; vgl. insbesondere Sil. 3, 605 606. Das passt hier aber nicht zur Absicht des Redners: Iuppiter will Maximilian bei Balde ja loben. Der Kaiser weist mit seinen Worten darauf hin, dass die Kriegstaten bzw. -erfolge Maximilians ewigen Bestand haben werden. Vgl. die Verwendungsweise von delere in Magn. Till. 86 (= op. omn. 8, 74) in posteritatis secuturae memoria, ut meretur, vivet et delebitur numquam. <?page no="139"?> 2.2 Kommentar 139 377 Sciet hoc Victoria Virgo] Victoria gehörte als Siegesgöttin wie Fides, Honos, Salus etc. zu den personifizierten Gottheiten der Römer. - Das Futur gebraucht Balde hier im potentialen bzw. prospektiven Sinne (KS I 142). 378 Id quoque testatum transmisso fecimus OSTRO] 1621 übertrug Kaiser Ferdinand Maximilian insgeheim die pfälzische Kur; wegen des zu erwartenden Widerstandes der Reichsfürsten zögerte er jedoch bis zum Regensburger Deputationstag 1623, seine Entscheidung publik zu machen. Auch dann war die Kurwürde - trotz einer anderslautenden Versicherung des Kaiser gegenüber Maximilian - offiziell nur bis zum Ableben Maximilians in Händen der bayerischen Wittelsbacher; vgl. Albrecht (1998), 578 579. - Zum Purpur (ostrum) der Kurfürsten vgl. Komm. zu 219. - Das Partizip testatum ist hier in passiver Bedeutung gebraucht (Ov. Pont. 3, 1, 93). 379 380 Inque VIRIS SEPTEM socium dignanter Honoris | Summi censuimus] Das seltene dignanter (Bögel, TLL V.1 1142, 11 39 führt als frühesten Beleg Vopisc. Tac. 8, 4 aus der Hist. Aug. auf) ist unpoetisch und an dieser Stelle nur aus metrischen Gründen zu erklären. Vgl. auch Balde Phil. 21 (= op. omn. 6, 214): Sitim, famem, frigora, astus et sudores, | Quae dignanter pertulit propter Peccatores. 381 aetheriúmque iubar, quod mente refulget] Das iubar gilt als Kennzeichen des Herrschers; vgl. Mart. 8, 65, 4 und Claud. 5, 144 mit Levy (1971) ad loc. Bei Balde ist wohl nur gemeint, dass Maximilians Gedanken klar wie das Himmelslicht sind. 382 383 Insuper è nostra natam JUNONE, tuáque, | Offerimus SPONSAM] Der Vergleich mit Iuno, der Gemahlin und Schwester Iuppiters, passt nicht ganz auf Maria Anna von Bayern (1574 1616), die als Mutter der Braut die Gemahlin Kaiser Ferdinands II. (= Iuppiters) und zugleich Schwester Maximilians war. 384 Acceleret] Als Subjekt ist Maximilian zu denken, der sich auf den Weg nach Wien machen soll. 384 Dixit, vultúmque ad sidera torsit] Die Geste soll der Bekräftigung der Zusage dienen. In der Antike war hingegen die Vorstellung verbreitet, dass die Gottheit im Falle der Zustimmung mit dem Kopf nickt (Sittl [1890], 341 344). <?page no="140"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 140 Festfreude in Wien (385 408) Die Einwilligung Iuppiters sorgt für allgemeine Festfreude am Wiener Hof. Bavaria und Austria wechseln zum Scherz die Kleider und tauschen Koseworte aus. Die Löwen im Gespann Bavarias freuen sich und bringen die Göttin in ihre Heimat zurück. 385 Confestim strepuere Lares] Die Laren waren die Hausgötter der Römer. Hier meint Lares den Palast des Kaisers; vgl. zu dieser metonymischen Verwendung Prop. 4, 8, 50 (wie bei Balde im Pl.) und Hübner, TLL VII.2 966, 42 967, 48. 385 386 strepuere Lares, dulcíque tumultu | Icta] Die Statiusparallele (Theb. 1, 516 517) weist in einen ähnlichen Kontext: Hier ist die erleichterte Betriebsamkeit am Hof des Adrastus nach Beilegung des Streits zwischen Polynices und Tydeus in Argos gemeint. 387 Indicium choreis muri plausere futuris] Die Konstruktion mit Dativ statt des Genetivs zur Angabe des Bereichs, den das indicium anzeigt, ist unüblich; man würde eher indicium chorearum futurarum erwarten (vgl. Lambertz, TLL VII.1 1148, 34 1149, 9). - Zur Prosodie von chor is: Bei Balde findet sich sowohl chor a (vgl. Verg. Aen. 6, 644 u. ö.) als auch chor a (Verg. Aen. 9, 615; vgl. auch Balde Mus. Neob. 21, 15 [= op. omn. 3, 219]). Calepinus (1586) 161 notiert penultima indifferente. 389 Mixtáque odorata de nube ligustra cadebant] Ligusterblüten sind weiß (Verg. ecl. 2, 18 alba ligustra cadunt). 391 Superûm] = Bavaria und Austria. 392 393 nam mutauêre colores, | Affectu dictante nouis] Scil. coloribus. Der Ablativ nouis (Lesart in A und B; in P steht nouum) schließt als Ablativus instrumenti besser an mutauêre an. 393 394 placuisse volebat | Non sibi, sed simili Quaeuis] Bavaria und Austria wechseln die Kleider und vertauschen somit ihre Landesfarben. Die Bayerngöttin hüllt sich in rot-weiße Habsburgertracht; Austria legt weiß-blaue bayerische Rauten an. - Das seltene Quaeuis hier entgegen der üblichen Verwendung i. S. v. utraque (vgl. KS I 649 und HS 202). 394 niuibúsque rosísque] Das rot-weiß-rote Wappen (Bindenschild) gehört neben dem doppelköpfigen Reichsadler seit früher Zeit zu den Kennzeichen der Habsburger. <?page no="141"?> 2.2 Kommentar 141 395 396 Virgatis AUSTRIA Rhombis | Processit] Die weiß-blauen Rauten sind die Wittelsbacher Hausfarben. 397 398 Inque vicem sese mirè alternantibus odis | Compellant] Mit den odae sind die nun folgenden Worte der Göttinnen gemeint. - Zum Pl. odis vgl. Claassen, TLL IX.2 453, 13 14. 404 405 Usque adeò mulcere iubas, et terga dederunt | Attrectanda manu] Verknüpfung von zwei Konstruktionen: (1) Dare mit Infinitiv in mulcere iubas ... dederunt (Verg. Aen. 6, 697; HS 345 und Rubenbauer, TLL V.1 1688, 59 1690, 56); (2) terga wird mit Gerundiv als Akkusativobjekt zu dederunt gezogen (Rubenbauer, TLL V.1 1692, 68 1693, 28). 407 arrecto patriam temone subiuit] Die Deichsel hebt sich beim Abflug des Gespanns schräg empor. 408 eductáque templa] Auf Gebäude bezogen kann educere sowohl die Länge als auch die Höhe meinen (vgl. Hey, TLL V.2 121, 65 72). Hier ist an die hohen Münchner Kirchtürme gedacht. Hochzeitsvorbereitungen (409 427) In Bayern macht die Nachricht von dem anstehenden Fest die Runde. Alles bereitet sich auf die Hochzeit vor, insbesondere der Flussgott der Isar, der sich mit der Hilfe Hymens zurechtmacht. 409 Fama volat] Die Stelle nach Stat. silv. 1, 2, 219 228, wo beschrieben wird, wie sich das Gerücht von Stellas bevorstehender Hochzeit verbreitet. 409 procerésque docet populúmque Thalia] Zu Thalia vgl. auch 57. Balde denkt wohl an die Muse, vielleicht auch an die bei Verg. Aen. 9, 585 erwähnte sizilianische Flussnymphe (vgl. 412 Nereidum studio). Nach Forcell. Onom. s. v. Thalia gibt es vier Trägerinnen des Namens. 410 Connubiale Sacrum] Hier meint sacrum das christliche Sakrament der Ehe (vgl. auch 22 Geniale Sacrum). 410 Myrtúsque et Taeda paratur] Myrte und Fackel gehören zum antiken Hochzeitsritus; vgl. Komm. zu 194 und 644 645. <?page no="142"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 142 411 Et quacunque fluit rixantibus Isara ripis] Gedacht ist bei diesem schwierigen Ausdruck wohl an Stellen im Flusslauf der Isar, an denen die Ufer näher zusammentreten und deshalb mit dem Fluss „streiten“, d. h. ihn in seinem Lauf einengen. 412 Nereidum studio celebres narrantur amores] Die Nereiden, fünfzig Töchter des Nereus und der Doris und ursprünglich Meernymphen, wurden bald nicht mehr scharf von den Quell-, Fluss- und Waldnymphen getrennt. - Mit celebres ... amores ist die kurfürstliche Hochzeit gemeint, die bald in aller Munde sein wird. 414 molli musco] Das weiche Moos erscheint den Nymphen als besonders angemessen für den feierlichen Anlass (als Bestandteil des locus amoenus erwähnt es Ovid; vgl. Bömer [1969/ 2006] zu Ov. met. 1, 374 mit weiteren Parallelen). 415 Gestit in aduentum SPONSAE formosa videri] Der Ausdruck in aduentum ähnlich wie Verg. Aen. 6, 798 799 huius in adventum iam nunc et Caspia regna | ... horrent; vgl. Hofmann, TLL VII.1 751, 36 39. 416 Ipse Pater renouat fontes] Mit Pater ist der Flussgott der Isar gemeint. Zum konkreten Natureindruck vgl. den Tagebucheintrag Frieseneggers (zu 229 zitiert). Der lange liegengebliebene Frühjahrsschnee des Jahres 1635 sorgte noch in den Sommermonaten für Überschwemmungen der Isar. 416 417 urnámque superbo | Temperat argento] Superbo | ... argento ist Ablativus materiae (vgl. KS I 393); das Adjektiv - hier ohne negative Konnotation - in Bezug auf leblose Objekte wie in Verg. Aen. 1, 639 ostroque superbo. - Temperat steht verkürzt für effundit temperans. - Dass dem goldführenden Pactolus bei Claud. 20, 172 eine goldene Urne gegeben wird, ist verständlich. Warum Balde für die Isar ein silbernes Gefäß vorsieht, wird hingegen nicht deutlich. 417 418 chlamydémque è virgine sumit | Crystallo] Die chlamys, der griechische Staatsmantel, ist dem festlichen Anlass angemessen. Das Attribut è virgine ... | Crystallo deutet an, dass es sich nicht wie gewöhnlich bei der chlamys um ein purpurfarbenes bzw. golddurchwirktes Gewand handelt (Verg. Aen. 3, 484; Ov. met. 14, 345). Der durchsichtige Mantel des Gottes steht für das klare Wasser der Isar (Verg. Aen. 8, 33 34; Ov. met. 9, 32; Stat. silv. 1, 3, 71). <?page no="143"?> 2.2 Kommentar 143 418 cannáque inflexos laxat amictus] Der Ablativ canna ist auf inflexos ... amictus zu beziehen: Der Flussgott lockert sein Gewand, das mit Schilf durchsetzt ist. 419 Et meliore caput praecelsus arundine mutat] Praecelsus wird von Personen bei Stat. Theb. 6, 858 (Agylleus) und silv. 3, 3, 85 (Fortuna) mit Bezug auf die Körpergröße verwendet (Euler, TLL X.2.1 410, 61 66). 423 Quae deceant hirtum caput, informémque senectam] Römische Dichter beschreiben die Flussgötter meist als alte und ungepflegte Männer (vgl. Maximilian Lehnerdt, Art. Flußgötter Roscher I.2 [1890], Sp. 1487 1496). 424 Addidit incultos versus, et non bene natas] Der Ausdruck nach Hor. epist. 2, 1, 232 234 gratus Alexandro regi magno fuit ille | Choerilus, incultis qui versibus et male natis | rettulit acceptos, regale nomisma, Philippos. Porphyrio erklärt: neque arte neque natura facientis ornatis (Choerilus, ein Protegé Alexanders, wurde für seine stümperhaften Verse fürstlich entlohnt). Bei Balde liegt jedoch nur eine sprachliche Anlehnung vor, da natas als Attribut zum nächsten Vers gehört. Balde meint mit incultos versus Blattreihen bzw. (zu Girlanden zusammengebundene) Blätter (vgl. Plin. nat. 15, 120 senis foliorum versibus). 425 E vulgo violas, et vulgares Hyacinthos] Zur Hyazinthe vgl. 32. Emblematisch wurde bei den Veilchen und Hyazinthen (gewöhnlich vaccinia) gerne auf ihre dunkle Farbe und damit auf ihr unscheinbares Äußeres hingewiesen; vgl. Henkel/ Schöne [1996], 309 310 placuit Cephëia Persei | Andromade [! ], patriae fusca colore suae. | Et violae nigrae sunt, et vaccinia nigra. 426 427 Addidit et cultos versus, hilarésque Smaragdos | Et quae rorantes lucent electra per herbas] Smaragde und Bernsteintropfen (der Pl. electra wie bei Ov. met. 2, 365) stehen hier poetisch für Blumenarten (vgl. 427); mit den Smaragden sind wohl grünliche, mit den Bernsteinstücken gelbliche Blumen gemeint. Hymen und Apollo (428 459) In München macht sich Hymen zur Reise nach Wien bereit, wo er die Brautleute trauen wird. Zuvor beauftragt er Apollo, als „zweiter Hymen“ für Maria Anna und Maximilian einen würdigen, aber anständigen Empfang vorzubereiten. Mit Saitenspiel und Gesang verabschiedet Apollo den Hochzeitsgott, der sich nur ungern von seinem schönen Garten trennt. <?page no="144"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 144 428 quanto molimine] Bei Hor. epist. 2, 2, 93 ist die Wendung i. S. v. „wichtigtuerische Mienen“ gebraucht (TLL VIII 1357, 22 29). 430 Phoebum] = Apollinem. 431 Intonsi Iuuenes pariter, paritérque sereni] Das lange Haar deutet auf Jugendlichkeit und Schönheit hin. - Die chiastische Wortstellung des Verses unterstreicht die enge Verbundenheit der beiden Götter. 432 Ambo lyras et carmen amant] Hymen (von Serv. Aen. 4, 127 als musicae artis peritum bezeichnet, wohl wegen des von seinem Namen abgeleiteten Hochzeitslieds) wird entgegen der hier suggerierten Vorstellung gewöhnlich mit der Syrinx verbunden, vgl. Claud. carm. min. 25, 35 38 (inaequales cera texebat avenas ... Dissimilem tenui variabat harundine ventum) und carm. min. 25, 98 99 (Haec quoque non vilem iam fistula commodat usum | Responsura choris). 433 Et consanguineis collidunt barbita curis] Consanguineus muss keine Blutsverwandtschaft bezeichnen, sondern kann auch allgemein auf freundschaftliche Verbundenheit hinweisen (Gudeman, TLL IV 359, 59 74). - Bei collidunt denkt Balde entweder daran, dass Hymen und Apollo gleichzeitig auf ihren Instrumenten spielen (Calepinus [1586] 215 paraphrasiert Simul percutio), oder es steht die Vorstellung eines musikalischen Wettstreits im Hintergrund (collidere i. S. v. concertare). Bei Balde ist wohl an die erste Bedeutung gedacht, da hier die Einmütigkeit der beiden Götter herausgestellt werden soll. - Balde verwendet die Begriffe lyra und barbiton weitgehend synonym (Frieder Zaminer, Art. Musikinstrumente. V. Griechenland NP 8 [2000], Sp. 543 551, bes. Sp. 543 544). Calepinus (1586) 124 gibt die maskuline Form Barbitos als die üblichere an. 434 Latonae soboles, Praeses dignissime Cyrrhae] Die Anrede Apollos ist - wie im antiken Gebet - im Stile einer Epiklese gehalten; praeses ist stark religiös konnotiert (häufig von Schutzgottheiten, z. B. Ov. met. 10, 168 und Sen. Phaedr. 109). Latona ist die Mutter von Apollo und Diana; die Stadt Cirrha war dem Musengott heilig. 435 Viennam] Vgl. Komm. zu 230. 436 437 taedam attollemus in altum] Zur Fackel als Attribut des Hochzeitsgottes vgl. z. B. Sen. Med. 68 und 111. 437 Non etenim fas est me absente attollere in altum] Dieses Privileg erteilt bei Claud. carm. min. 25, 32 33 die Liebesgöttin dem Hochzeitsgott; <?page no="145"?> 2.2 Kommentar 145 Balde zielt mit seinem Ausdruck hingegen auf die Exklusivität der christlichen Ehe ab. 438 439 molire beatam | Arte tuâ pompam] Angespielt ist auf Apollos Funktion als Chorege, vgl. z. B. Hor. carm. saec. 75. - Pompa wird für Hochzeitsumzüge gebraucht (Pieroni, TLL X.1.2 2595, 59 66); hier bezeichnet der Ausdruck das Empfangskomitee, das die Götter in der Schlussszene dem ankommenden Brautpaar bereiten. 440 Omnia parebunt festiuis numina votis] Zu festiuis vgl. Komm. zu 11. Gemeint sind die Aufträge, die Apollo an die Götter richten wird, und die hier - entgegen dem üblichen Gebrauch des Wortes („Gelübde“) - als vota bezeichnet werden (OLD s. v. votum [3a]). 441 ne sistrum ferias] Das sistrum, eine metallene Rassel, die beim Isiskult Verwendung fand, gilt Balde als Sinnbild ägyptischer Weichlichkeit; vgl. Uran. 106 (= op. omn. 5, 70) Sperne leves crotalos, luxumque et tinnula sistra | Nil citharae prosunt, nil lyra mollis, ait (ähnlich Verg. Aen. 8, 696). 442 molles numeros] An dieser Stelle ist an die anzüglichen Fescennini versus (vgl. Komm. zu *2 Fescennina) gedacht. - Die Lyra, das Instrument Apollos, eignet sich nach Claud. 10, 196 (molle lyrae festumque canant) besonders gut für weiche Töne. - Ovid verwendet mollis i. S. v. „anzüglich“ in trist. 2, 349 sic ego delicias et mollia carmina feci (vgl. auch Luck [1977] z. St.). 443 iterum] Der Bezug ist unklar, da Hymen die Fescennini versus Apollo gegenüber im Epithalamion noch nicht erwähnt hat. Es ist wohl davon auszugehen, dass er ihm bereits bei anderen Gelegenheiten diese Art der Musik verwehrt hat. 444 Casta volunt Superi] An der Vorbildstelle bei Tibull (2, 1, 13) hat casta eine rituelle Bedeutung und meint kultische Reinheit, bei Balde tritt dieser Aspekt zugunsten des christlichen zurück. 444 445 ducenda ASTRAEA per Orbem | SIDERIS allucente IUBA] Jungfrau (Astraea) und Löwe (Leo) sind zwei am Firmament benachbarte Sternbilder; hier sind Maria Anna und Maximilian gemeint. Ein ähnlicher Gedanke findet sich auch in der Eingangsszene von Brunners Drama (Nabuch. 7), wo Bellus, ein Repräsentant der städtischen Jugend, beim Empfang des Brautpaares in München folgende Worte spricht: Agnosco Bigam Patriorum siderum; Radios LEONIS & nouum ASTRAEAE jubar <?page no="146"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 146 Adoro vultu, quo decet stellas coli, Tremuláque lucem palpebra attonitus bibo. Zwei Genien (Genius Boio-Austriacus und Genius Austrio-Boicus) führen hier den Löwen und Astraea vom Sternenhimmel herab (vgl. 3 Orbe signifero devehunt). - Mit orbis ist bei Balde also der Tierkreis gemeint (vgl. OLD s. v. orbis [9e]). Dass Maria Anna als Astraea bezeichnet wird, erklärt sich auch aus der klanglichen Ähnlichkeit zu Austria (Brunner Nabuch. 3 4 Quae quondam fugiens Terras [|]ASTRAEA reliquit, | ...). Vgl. auch Ov. met. 1, 150: Hier heißt Dike bzw. Iustitia Astraea nach ihrem Vater Astraios; sie erscheint als Sternbild Virgo am Firmament. 445 ducenda decorè est] Das Adverb decorè nimmt auch die Konnotation von honeste an (Leissner, TLL V.1 217, 38 56). 446 447 quae tua respuit olim | (Aspice mercedem) cupiet connubia Daphne] Daphne hatte sich den Nachstellungen Apollos entzogen und wurde auf ihre Bitten hin in den Lorbeerbaum verwandelt (Ov. met. 1, 452 567). - Auf ganz ähnliche Weise stellt Amor in Claudians Epithalamion dem Meeresgott Triton die Nymphe Cymothoe als Lohn für seine Dienste in Aussicht (Claud. 10, 141 144): Accingere nostram Vecturus dominam: pretium non vile laboris Cymothoen facilem, quae nunc detrectat, habebis. Hac mercede veni. Vgl. auch das Angebot Iunos an Aeolus in Verg. Aen. 1, 71 75. Baldes christlicher Hymen verspricht Apollo freilich nicht einfach Daphnes Liebe, sondern gleich die Ehe (connubia) mit ihr. - (Aspice mercedem): Die Klammer weist nicht grundsätzlich auf eine Redeunterbrechung durch den Erzähler hin (wie eindeutig in 281 282 der Fall). 448 449 Sic ait, et plectro digitos imponere iussit | Et iuraturum proprias contingere vittas] Der Brauch, beim Eid Gegenstände zu berühren, mit denen man auch sonst, etwa von Berufs wegen, in Beziehung steht (z. B. ein Fuhrmann das Rad seines Wagens; vgl. Martian. Cap. 5, 515 si iuret auriga „per lora, per flagella, per frena“), geht auf älteste Zeit zurück; vgl. Hirzel (1902), 29 30 mit Beispielen. Der berührte Gegenstand wird dem Gott durch diese Geste zum Pfand gegeben. Hier sind es plectrum und vittae des Musengottes (vgl. Verg. Aen. 6, 662 665 quique pii vates et Phoebo digna locuti | ... omnibus his nivea cinguntur tempora vitta). Balde kennt den Brauch <?page no="147"?> 2.2 Kommentar 147 auch in Magn. Till. 44 (= op. omn. 8, 38) tactaque cithara reverentem obedientiam promisi. 450 451 et omnia fila | Pertentans] Filum kann sowohl von der Opferbinde (Tibull. 1, 5, 15) als auch, anstelle des üblicheren chorda, von der Saite gesagt werden (vgl. Ov. am. 1, 8, 60 und Brunner Nabuch. 15 Cui septem me defuêre fila). 451 fultúsque sacro testudinis auro] Auf seine goldene Leier gestützt führt Apollo schon Prop. 3, 3, 13 14 ein: Phoebus | sic ait aurata nixus ad antra lyra (vgl. Camps [1966] z. St.: „the god stands in a relaxed attitude, lyre at side, with a forearm resting on it, so that he appears to lean on it rather than actually does so“). Eine goldene Leier gibt Apollo etwa Ov. met. 8, 15 16 und Ov. ars 2, 494. - Zu sacro vgl. Claud. 9, 19 sacris fidibus und die Erklärung von Frings (1975) z. St. 453 canit una cygnus] Vgl. 192. - Als Vogel der Dichter wird der Schwan mit Apollo verbunden, der durch das Tier auch seine Weissagungen verlautbaren lässt (Plat. Phaid. 84e). Singend tritt er für gewöhnlich erst bei seinem Tode in Erscheinung, doch wird er auch sonst für besonders stimmbegabt gehalten (vgl. z. B. Verg. Aen. 7, 700 701). 454 et metrum ramis vocalibus effert] Metrum steht hier i. S. v. carmen (TLL VIII 900, 60 69). 455 ramísque assibilat echo] Balde bildet die beschriebene Echowirkung nach; ramis und ramísque (an gleicher Versstelle) sowie sibilat und assibilat entsprechen einander. - Zu assibilat: Das Wort zuerst bei Stat. Theb. 5, 578 und dann bei Claud. 10, 68 (vgl. Frings [1975] z. St.). 456 atque DUCI decus auspiciúmque daturus] Auspicium kann im poetischen Sprachgebrauch „Glück, Erfolg“ heißen (OLD s. v. auspicium [5c] und Verg. Aen. 3, 498 499; Hor. carm. 4, 14, 16; Lucan. 2, 464; Sil. 6, 65 66). 457 vadit comitantibus Horis] Die Horen denkt sich Balde als zum Garten und somit zu Hymen gehörig, ähnlich wie im Garten der Flora in Ov. fast. 5, 217 218: conveniunt pictis incinctae vestibus Horae | inque leves calathos munera nostra legunt. 458 De meliore nota] Zum Ausdruck vgl. Catull. 68, 28 quisquis de meliore nota und Kroll (1968) z. St.: „Dabei ist eigentlich an die Weinsorte gedacht. Curio bei Cic. ep. 7, 29, 2 Sulpici successori nos de meliore nota commenda.“ <?page no="148"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 148 458 placido Titane creatis] Die Horen gelten in der Antike als Töchter des Iuppiter und der Themis (Adolf Rapp, Art. Horai Roscher I.2 [1890], Sp. 2712 2741). Iuppiter ist kein Titan, placido Titane dürfte an dieser Stelle also nicht auf den Vater, sondern auf die Begleitumstände der Geburt hindeuten: Die Horae wurden unter einer sanften Sonne geboren, d. h. sie sind ihrem Wesen nach sonnige und glückliche Stunden. Als Begleiter des Sonnengottes wurden sie schon in 184 eingeführt. Götterversammlung - Lob der Brautleute (460 505) Apollo ruft alle Götter zusammen und kündigt ihnen das bevorstehende Fest an. Er preist das Brautpaar, indem er eine Reihe charakteristischer Vorzüge der beiden synkritisch gegenüberstellt: Auf kurze, mit hic o. ä. eingeleitete Versgruppen, die eine Qualität Maximilians beschreiben, folgt mit illa eingeleitet eine entsprechende Tugend Maria Annas. Am Schluss lobt Apollo auch die Vorfahren der Brautleute. Die Rede endet bewusst dunkel und erregt damit das Staunen der anwesenden Götter. 461 462 certo reliquos ex nomine Diuos | Ad fontes et ad antra citat] Die Verbindung von citare und certo ... ex nomine ist singulär: Spelthahn, TLL III 1199, 56 1202, 55 führt an vergleichbaren Konstruktionen Sen. dial. 11, 6, 3 ad nomen citari; Colum. 11, 1, 22 per nomina citari und Apul. mund. 11 nomine citari an. - Ad fontes et ad antra: Gemeint sind die vielen kleinen Brunnen, die den Hofgarten schmückten (s. o. zu 199 208). Vgl. Pistorini bei Longo- Endres [2005], 179 = fol. 93r: „Mannigfache, verschiedene klarste Brunnen, zweiunddreißig an der Zahl, von verschiedener Art und Gestalt sind in diesem großen Garten verteilt ...“ 462 463 syluámque dolosam | Theseos] Sylua dolosa verweist auf die labyrinthische Anlage im nordöstlichen Bereich des oberen Hofgartens (s. o. zu 164 172). Theseos nimmt den Vergleich mit dem kretischen Labyrinth aus 165 166 wieder auf: Theseus hatte hier den Minotauros bezwungen. 463 et viridi moeandros sepe reductos] Der phrygische Fluß Mäander - Baldes eigenwillige Schreibweise in allen drei Drucken - war bekannt für seinen gekrümmten Lauf (Bömer [1969/ 2006] zu Ov. met. 8, 162 168, wo das kretische Labyrinth mit dem Fluss verglichen wird). 464 Huc coïere Dii] Im Schlussteil sind neben Apollo folgende Götter anwesend: Ceres und Bacchus; Mercurius, Minerva und Diana; die Musen als Begleiterinnen Apollos (namentlich genannt werden in 665 Calliope, in 669 <?page no="149"?> 2.2 Kommentar 149 Euterpe und Polihymnia, in 672 Clio); die Nereide Cymodoce (511 und 679) sowie Leucothoe (513). 464 466 Spumosas exprimit uuas | Lenaeus, fundit genetrix pulcherrima frugum | Flauentes aestatis opes] Lenaeus heißt Bacchus nach dem griechischen Monat , in dem gewöhnlich Hochzeiten stattfanden. - Mit genetrix ... frugum ist die Getreidegöttin Ceres gemeint. Bacchus und Ceres werden gerne zusammen genannt (Ter. eun. 732 sine Cerere et Libero friget Venus). Wein und Getreide, wie auch die Olive in 466 und die Hirsche in 477, kennzeichnen die jeweiligen Götter als Attribute. 466 467 baccámque Minerua | Protulit] Minerva, die Göttin der Weisheit und der Wissenschaften, schenkte beim Streit mit Neptun um den Besitz Attikas dem Land den ersten Ölbaum. 467 Venatrix Delia] = Diana (vgl. Hor. carm. 4, 6, 33 Deliae ... deae). 468 469 vos ô quibus huius copia lucis | Exornanda data est] Exornanda ist in Enallage auf huius ... lucis zu beziehen. - Lux ist i. S. v. dies verwendet (vgl. Ehlers, TLL VII.2 1911, 26 50); diese Szene spielt am Tag der Rückkehr der Brautleute. 469 tantum cognoscite munus] Munus steht hier in der Doppelbedeutung von „Aufgabe“ und „Geschenk“ (OLD s. v. munus [1a und 5b]). 470 Neu pudeat quemquam famulari talibus] Zur Fortführung des affirmativen Imperativs mit neu vgl. Verg. georg. 2, 35 37 und KS I 193. 471 472 Supremo ... Supremi] Gemeint ist Kaiser Ferdinand. 473 475 HIC aduersa potest et tristia ferre secundo | Ac laeto vultu, constans; laeta atque secunda | Aduerso et tristi] Nach der stoischen Güterlehre hat der Weise sowohl äußeres Glück als auch Unglück mit Gleichmut zu ertragen. Balde geht darüber hinaus, wenn er an Maximilian die Eigenschaft lobt, im Unglück glücklich und im Glück sogar unglücklich zu erscheinen. - Secundo | ... vultu: Secundo i. S. v. „beifällig“ wie in Verg. Aen. 5, 338 plausuque volat fremituque secundo und Ov. met. 8, 420 gaudia testantur socii clamore secundo. - Aduerso: Das Partizip wird in Verbindung mit Ausdrücken des Sehens in der Grundbedeutung „zugewandt“ (also anders als die substantivierte Form in 473) verwendet; vgl. Kempf, TLL I 865, 30 75. <?page no="150"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 150 476 ILLA per Europam celeberrima] Vgl. dazu das Urteil des päpstlichen Nuntius Caraffa aus dem Jahr 1628 über Maria Annas Schönheit (zit. bei Glaser [1980] II.2, 450 451). 478 479 Sed nihil Europae, praeter decus oris honesti | Sidereasque genas retinet] Eine distinctio (Lausberg [2008], § 660): In 476 bezeichnet Europa den Kontinent, in 477 ist die Tochter des Agenor gemeint, die von Iuppiter in Gestalt eines Stiers geraubt wurde. Maria Annas Schönheit soll also nicht in Verbindung mit dem anzüglichen Mythos gebracht werden. - Die schönen Wangen der Europa erwähnt Balde im Zuge einer Bildbeschreibung auch in Mus. Neob. 26, 6 10 (= op. omn. 3, 221): Sie zeigen in ihrer Blässe einerseits Furcht an (Pallentisque genas posses fletumque notare), andererseits lassen sie beim Erröten auch das Vergnügen erkennen, das Europa bei ihrer Entführung empfunden habe (Hoc habitu effulgent, et mutua gaudia produnt). 479 grauibus curis innectit mitia iura] Grauibus curis ist Dativ zu innectit. - Der Wittelsbacher war für seine Rechtspolitik bekannt; so veranlasste er etwa im Jahr 1616 eine Neuordnung des bayerischen Landrechts und legte damit die Grundlagen für das Zivilrecht in Ober- und Niederbayern bis zum Jahr 1756 (ausführlich dazu Albrecht [1998], 229 248). 481 482 voluptatem generoso semper Honesto | Posthabuit] Die Opposition voluptas - honestum nach den Zentralbegriffen epikureischer und stoischer Philosophie; vgl. Sen. dial. 7, 7, 1 über die Ansichten der Epikureer, die die Verbindung von voluptas und honestum lehrten (negant posse voluptatem a virtute diduci et aiunt nec honeste quemquam vivere ut non iucunde vivat, nec iucunde ut non honeste quoque). Unter honestum verstehen die Stoiker das nicht aufgrund von Nützlichkeitserwägungen, sondern wegen seiner absoluten Gültigkeit erstrebenswerte Sittlich-Gute (Cic. fin. 2, 45). 482 veteres exaequatura Sabinas] Die Sabinerinnen galten als Musterbilder der Keuschheit und Sittenstrenge. 483 484 HIC positus supra fortunae flebile plumbum | Calcat plebeias in mentis vertice valles] Die Glücksgöttin macht in einer sprichwörtlichen Wendung bei Petron aus Blei Gold (Petr. 43, 7 plane Fortunae filius, in manu illius plumbum aurum fiebat; vgl. Otto [1964], 49): Maximilian beweist Unabhängigkeit gegenüber irdischen Reichtümern (Sen. dial. 7, 21 22). Innerlich auf dem „Gipfel“ einer tugendhaften Haltung, lebt er in äußerer Beziehung das bescheidene Leben des niedrigen Volkes. - In mentis vertice: Die sana mens ist eine Grundvoraussetzung für den stoischen Weisen. Aus ihr resultieren nach Seneca libertas, gaudium, pax, concordia animi und magnitudo cum <?page no="151"?> 2.2 Kommentar 151 mansuetudine (Sen. dial. 7, 3, 3 4). - Vertex kann allgemein für den Gipfelpunkt einer Sache stehen (Ambros. zu Luc. 8 spricht vom vertex sapientiae). - Zu in vgl. OLD s. v. in (26a). 485 ILLA Patris pietate fragrans] Im übertragenen Gebrauch wird fragrare sonst immer mit dem Akkusativ verbunden (Vollmer, TLL VI.1 1238, 69 1239, 12). Die Konstruktion mit Ablativ findet sich aber häufiger bei Balde; vgl. Lyr. 2, 47, 26 (= op. omn. 1, 115) Si non et pretio fama fragret suo und Silv. 9, 17, 135 (= op. omn. 2, 324) epulas ... docto sermone fragranteis. 487 HIC ea Legatis responsa petentibus edit] Die Kollokation mit edere häufiger bei Orakeln (TLL V.2 91, 18 51). 489 ILLA suae sacrâ GENITRICIS imagine plena] Maria Anna lässt also in ihrem Wesen den Charakter der Mutter, Maria Anna von Bayern, erkennen (wenn Claudian die Vorzüge Marias lobt, hebt er ebenfalls hervor, wie sehr sie ihrer Mutter ähnelt; vgl. Claud. 10, 231 und 233). - Der Ablativ in Abhängigkeit von plenus ist in klassischer Prosa selten, begegnet aber in Poesie und späterer Prosa häufiger (so - nach KS I 386 - etwa stets bei Properz). 491 magnósque recessus] Vgl. OLD s. v. recessus (4); in übertragener Bedeutung ist der lokale Ausdruck demnach nur in Verbindung mit mentis (Pers. 2, 73) oder animus (Stat. silv. 4, 6, 4) u. ä. gebräuchlich. 492 gestátque in corde senatum] Maximilian verfügt also über die Weisheit eines ganzen Senats. Das Herz galt in der Antike als Sitz des Verstands (Ter. Phorm. 321). 493 ILLA legens libros et prisci exempla pudoris] Die Stelle ist nach Claud. 10, 231 233 gestaltet: exemplaque discit | Prisca pudicitiae Latios nec volvere libros | Desinit aut Graios. In den späteren Drucken A und B wurde der Text in ILLA diu prisci volvens exempla pudoris geändert, wohl um die Parallele zu der Claudianstelle deutlicher zu machen. - Es entsprach antiker und frühneuzeitlicher Erziehungspraxis, auf die exempla vorbildlicher Gestalten hinzuweisen (vgl. Frings [1975] 201 202 zu Claud. 10, 231). - Bei volvere (scil. libros) ist an die antike Vorstellung zu denken, dass Schriftrollen beim Lesen abgerollt wurden (vgl. Hor. ars 268 269 und OLD s. v. volvere [9a]). 495 496 HUIUS adorandus GENITOR, quàm grande Lycaeum | Exstruxit nobis] Gemeint ist Herzog Wilhelm V., der Vater Maximilians. - Lyceum hieß das Gymnasium in Athen, in dem Aristoteles unterrichtete. - Herzog <?page no="152"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 152 Albrecht V. ließ 1559/ 1560 durch Ingolstädter Jesuiten in München ein Gymnasium errichten, das heutige Wilhelmsgymnasium (vgl. Wiener [2010], 12 14). Sein Sohn Wilhelm V., der Vater Maximilians, gliederte dieser Schule 1597 ein Lyzeum zur Theologenausbildung an (Wilhelmsgymnasium [1959], 16 18). Wahrscheinlicher als ein Bezug auf dieses Lyzeum erscheint es aber, dass der Musengott hier an den prächtigen Neubau des Münchner Jesuitenkollegiums denkt, der unter Wilhelm V. seit 1583 errichtet wurde und in das im Jahr 1592 auch das Gymnasium verlegt wurde (vgl. Schlederer [1991], 536). 496 499 ut malim habitare sub illo, | Quam Clario dormire iugo; Pallásque relicta | Phocide, Pieriis meritò discedere syluis | Possit, et Argiuas nemo miretur Athenas] Apollo vertritt die Künste, Minerva als ihre Schulpatronin die Wissenschaften. - Habitare sub illo: scil. Lycaeo. Die Präposition sub steht hier zur Angabe der unmittelbaren Nähe, vgl. KS I 570. - Clario ... iugo: Auf der Insel Claros befand sich ein Orakel Apollos, vgl. Bömer (1969/ 2006) zu Ov. met. 1, 516. - Pallásque relicta | Phocide: Gemeint ist die mittelgriechische Landschaft Phocis, die traditionell mit den Musen in Verbindung gebracht wird. Balde rückt hier Minerva und die Musen enger als in der Antike üblich zusammen; vgl. auch 607 609. - Et Argiuas nemo miretur Athenas: Argivus hier wie Graecus; Argos liegt ja auf der Peloponnes (vgl. Diehl, TLL II 534, 48 52). Minerva kehrt dem griechischen Athen den Rücken und zieht ihm das freilich erst später so genannte „Isarathen“ vor. 500 501 dum nostra sonabunt | Littora] Mit Littora ist die dem Apollo heilige Gegend gemeint (wohl Delos; vgl. Claud. 24, 59), die von den Gesängen des Gottes widerhallt. Zu dieser weiten Bedeutung von litus vgl. Plepelits, TLL VII.2 1537, 28 51 (Verg. Aen. 4, 212). 501 dúmque alio vultu torquebimus axem] Alio vultu: Mit „anderem Antlitz“ wirkt Apollo als Sonnengott. Er dreht sich zusammen mit dem Himmel, wodurch der Eindruck entsteht, er bewirke dessen Drehung. - Zu axis für den ganzen Himmel vgl. 174 und 236. 502 503 Si quae dona mihi, nunquam numeranda, dederunt | Enumerem] Si quae = quaecumque. - Apollo könnte etwa an Karl II., Ferdinands Vater, denken, der als Kunstmäzen u. a. Orlando di Lasso förderte. 503 frangámque fides, lituósque tubásque] Wenn Apollo versuchen wollte, die unzähligen Geschenke aufzuzählen, würde er seine Instrumente bis zum Zerbrechen strapazieren. - Die Zusammenstellung der Instrumente nach Claud. 10, 195 196 (Venus zu ihren Begleitern): Tibia pro lituis et pro <?page no="153"?> 2.2 Kommentar 153 clangore tubarum | Molle lyrae festumque canant. Lituus und tuba haben im Gegensatz zur Leier keinen Bezug zu Apollo (vgl. auch Luisa Zanoncelli, Art. Musikinstrumente. VI. Etrurien, Rom NP 8 [2000], Sp. 551 552). 504 Argentíque lacus cumulem torrentibus auri] Apollos Rede endet bewusst dunkel, wie es zum Sehergott ja passt; die Reaktion der umstehenden Götter ist dann verständnisloses Staunen (vgl. 505). Anweisungen Apollos für das Fest (506 525) Dann folgen konkrete Anweisungen Apollos für das Fest: Ein schöner Wagen, das Hochzeitsbett, Wein, Wasser zur Reinigung der Hände, prächtige Trinkgefäße, Musik, Festreden und Speisen sollen vorbereitet werden. Diana bringt einen eigenen Vorschlag: Sie möchte gemeinsam mit ihren Nymphen eine festliche Jagd vorbereiten. 506 507 Hanc Bigam ... hanc reducem vestra ceruice leuate] Hanc weist auf Gegenwärtiges hin: Demnach muss wohl eine biga gemeint sein, in die die Brautleute bei ihrer Ankunft umsteigen und mit der sie dann festlich in die Stadt einfahren (vgl. zu 507). Unklar ist, was Apollo genau meint, wenn er die Götter dazu auffordert, die biga bei ihrer Rückkehr (in die Stadt? ) auf die Schultern zu nehmen. Denkbar wäre, dass sie das Brautpaar in einer Sänfte in die Stadt tragen sollen, wobei das freilich der eigentlichen Verwendung von biga zuwiderläuft. 506 pergit Pharetratus] Das Epitheton („köchertragend“) wird sonst gewöhnlich von Amor bzw. Diana gebraucht (Frings [1975] zu Claud. 10, 72), Apollo stellt man sich aber ebenfalls als Bogenschützen vor. Balde benutzt es, von dieser Stelle abgesehen, sonst immer im Zusammenhang mit Amor. 508 succincta Ceres] Vgl. 465 genetrix pulcherrima frugum. Als Epitheton wird succincta gewöhnlich von Diana gebraucht; das Gürten des Gewandes soll Ceres hier die Arbeit bei der Bewirtung erleichtern. 508 509 thalamúmque memento | Sternere] Eine höfliche Umschreibung des Befehls wie in Verg. Aen. 2, 549. Ceres, die einzige Matrona unter den auftretenden Göttinnen, ist für das Brautgemach zuständig. 509 tu Liber missis seruire racemis] Liber = Bacchus. Missis ... racemis wohl wie vino, quod mittimus (= damus; vgl. Sen. epist. 95, 12 mullum ingentis formae ... missum sibi und OLD s. v. mittere [17b]). Vgl. zu servire (hier: „sich <?page no="154"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 154 intensiv kümmern um“) Vitr. 6, 5, 2 fructibus rusticis serviunt und OLD s. v. servire (3b). 510 511 Tu manibus lymphas, è puri fluminis urna | Cymodoce formosa dabis] Vgl. Lucan. 10, 159 manibusque ministrat | Niliacas crystallos aquas. - È puri fluminis urna: Wieder steht die Vorstellung vom Flussgott mit der Urne im Hintergrund. - Cymodoce ist der Name einer Nereide in Verg. georg. 4, 338; vgl. auch 679 (bei Balde wird sie das Brautpaar bei der Ankunft zur Begrüßung küssen). - Zu formosus vgl. 163. 512 quàm nos haec numina vincunt] Die Begrüßungsworte der Cymodoce sollen den Rangunterschied zwischen dem Brautpaar und den übrigen Göttern herausstellen. Zu Ausrufen mit quam in Verbindung mit Verben vgl. OLD s. v. quam (2). 513 514 Flauas Leucothoe pateras et janthina terget | Pocula] Die patera bezeichnet in der Antike eine flache Schale; poculum ist ein allgemeinerer Begriff für den Trinkbecher. - Zu ianthinus: Das Wort („purpur-“ bzw. „veilchenfarben“) wird sonst vor allem in Bezug auf Kleidungsstücke verwendet (Rubenbauer, TLL VII.1 133, 39 54). Flauas und janthina bezeichnen an unserer Stelle eher das Material und nicht den Inhalt des Geschirrs, wie terget nahelegt. - Tergere wird im Zusammenhang mit Gefäßen i. S. v. „aufpolieren“ verwendet, wie bei Iuv. 14, 62 vasa aspera tergeat alter (zur Konjugation vgl. OLD s. v. tergere). - Leucothoe: Apollo bzw. Sol hatte Leucothoe verführt (Ov. met. 4, 167 270). Der Name hat in diesem Zusammenhang aber keine weitere Bedeutung; Balde setzt sie mit den anderen Göttinnen, besonders der Nereide Cymodoce, gleich. 514 curabit nostram Cyllenius artem] Mercurius (Cyllenius nach dem Ort seiner Geburt) soll die musikalischen Aufgaben Apollos übernehmen, weil diesem selbst die Gesamtleitung übertragen ist. 515 vasto Patris cerebro prognata] Athene, in Rom mit Minerva gleichgesetzt, war in voller Rüstung dem Schädel Iuppiters entstiegen. 515 516 Politos | Ore sales jaciens] Sal wird häufig für den urbanen Witz gebraucht; vgl. Cic. orat. 89 utetur sale et facetiis. Bei Balde findet sich dieser übertragene Gebrauch des Wortes häufiger; vgl. z. B. Sylv. 6, 1, 17 18 (= op. omn. 2, 159) In nobis veneres, et lepor, et ioci, | Argutique sales und Uran. 219 (= op. omn. 5, 155) Qui piper ingenio miscuit, ore sales. <?page no="155"?> 2.2 Kommentar 155 516 miscebit sesama verbis] Sesamum bezeichnet eine besonders süße Redeweise (vgl. Petr. 1, 3 omnia dicta ... quasi papavere et sesamo sparsa), vgl. bei Balde Cris. 18, 9 (= op. omn. 4, 529) lambendaque sesama linguae. 517 Quadrabit Dictynna dapes] Der Ausdruck quadrare stammt aus dem Steinmetzbzw. Zimmermannshandwerk und wird übertragen i. S. v. perficere verwendet; vgl. Colum. 11, 2, 13 und Kroll (1913) zu Cic. orat. 197. Balde verwendet es hier für Dianas (zum Beiwort Dictynna vgl. Ov. met. 2, 441) Aufgabe i. S. v. „passend anordnen“, vgl. Ecl. 121 (= op. omn. 4, 208) Libuit Virgilio quadrare verba, et accommodare metra rebus. 518 et nunquid maculis incingere saltus] Diana schlägt eine sog. „eingestellte Jagd“, Haupttyp der Prunkjagd im 17. und 18. Jh., vor. Vgl. Knoll (2004), 44: „Das Grundprinzip des ‚Eingestellten‘ oder ‚Gesperrten‘ Jagens bestand darin, das Wild eines bestimmten Gebiets mittels Treibern und mobilen Zäunungsmaterialien (Tücher, Netze, ‚Lappen‘) auf immer engerem Raum zu versammeln, um es schließlich in den ‚Lauf‘, eine arenenartige, von Tüchern umstellte Kammer zu treiben, wo die Tiere dann vom Jagdherrn bzw. der Jagdgesellschaft aus einem dort errichteten Pavillon (‚Schirm‘) heraus geschossen wurden.“ - Macula - hier pars pro toto gebraucht - ist der übliche Ausdruck für die Masche in den Jagdnetzen (retia); vgl. OLD s. v. macula (4). 519 Irritare feras cornu canibúsque] Cornu ist hier wohl im eigentlichen Sinn („Horn“) und nicht, wie ebenfalls üblich, i. S. v. „Bogen“ gebraucht (vgl. Ov. met. 1, 455; 5, 56; 11, 324). Balde spricht von den Jagdsitten seiner Zeit; die Antike kannte keine Jagdhörner. 521 522 Nebrophone Cynthi, Cretae Britomartis, et Opis | Optima] Nebrophone (von gr. = hinnulus und = occisio) erscheint bei Claudian, der mit 24, 248 256 das Vorbild für die ganze Stelle liefert, als Begleiterin der Diana (24, 249 250 sequitur nutrita Lycaeo | Nebrophone; Baldes Lokalisierung auf Delos davon abweichend). Britomartis wird bei Claud. 24, 251 mit Kreta verbunden (Ignea Cretaea properat Britomartis ab Ida), Opis in 24, 254 als optatum numen venantibus charakterisiert (vgl. auch Verg. Aen. 11, 532). - Die Verbindung der Eigennamen mit den eine lokale Zugehörigkeit ausdrückenden Genetiven Cynthi und Cretae scheint keine Parallele im antiken Sprachgebrauch zu haben. 522 525 seu damas placeat, seu figere nostros | Aurigas: istis humeros et brachia nudis, | Pérque mihi suetos Dotale sonantibus agros | Nomen, in occursum SPONSAE properabimus ANNAE] Zur Syntax: Weil der Doppelpunkt in 523 stärker als das Komma in 525 trennt, darf istis ... No- <?page no="156"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 156 men nicht als Dativ auf placeat bezogen werden, sondern hat die Funktion eines Ablativus absolutus. - Nostros | Aurigas: scil. cervos; diese Verwendung von auriga hat sonst keine Entsprechung (vgl. Ihm, TLL II 1499, 48 81). Auf einem von Hirschen gezogenen Wagen erscheint Diana in Claud. 24, 286 cervi currum subiere iugales. In zeitgenössischen bildlichen Darstellungen begegnet die Jagdgöttin mit dem Hirschgespann nicht häufig, vgl. aber die - erst nach Baldes Tod entstandenen - Deckenfresken von Schloss Lustheim. - Humeros et brachia: Akkusative der Beziehung. Die parallele Formulierung bei Claudian (24, 243) ist ebenfalls auf Nymphen bezogen. - Dotale ... | Nomen: Gemeint ist der traditionelle Hochzeitsruf Talassius (vgl. Komm. zu 132); das Adjektiv dotale ist hier i. S. v. nuptiale gebraucht, wie es vereinzelt bereits in der Antike begegnet (nach Wolff, TLL V.1 2056, 10 12 nur bei Val. Fl. 8, 279 und Claud. carm. min. 29, 30). Vgl. bei Balde auch Sylv. 9, 25, 204 205 (= op. omn. 2, 356) dotale ... fedus. Rede Apollos - Nabuchodonosor (526 640a) Apollo geht auf den Vorschlag Dianas ein, aber mit einem Vorbehalt: Das Jagdvergnügen ist immer nur auf wenige Privilegierte beschränkt, die kurfürstliche Hochzeit soll hingegen ein Fest für alle Bürger der Stadt sein. Daher schlägt er noch eine andere Jagd vor: Andreas Brunner habe sich nämlich als Dichter ins Zweistromland begeben, dort mit seinem betörenden Gesang ein Untier angelockt und nach Latium gebracht. Wunderliche Dinge erzählt man sich von dem Tier, das einst als König Nabuchodonosor über Babylon geherrscht und wegen seines frevlerischen Hochmuts verwandelt worden sei. Auf die Frage Apollos hin gibt Diana zu, dass die Jagd auf dieses Ungeheuer ein angemessenes Spektakel für den hohen Anlass wäre. Apollo gibt den Auftrag, das Jagdgebiet (also das Theater) vorzubereiten. Nabuchodonosor soll lebendig gefangen werden. Jetzt werden drei Episoden aus dem biblischen Bericht bzw. aus Brunners Drama „Nabuchodonosor“ kurz erwähnt: Der Gesang der drei Jünglinge im Feuerofen, das damit verbundene Flammenwunder und der Baum der Hochmut, der gefällt wird. Damit verbindet Apollo drei mögliche Verwandlungen des Königs, nämlich in einen musikliebenden Delphin, in einen vom Feuer gebannten Löwen und in einen Elephanten, wie man ihn in Afrika durch das Fällen eines Baumes überwältigt. Die vorher erwähnten Episoden stellen also mögliche „Jagdmethoden“ auf Nabuchodonosor vor. Apollo nennt auch noch andere Verwirrungstaktiken, nämlich die Aschenlist Daniels und den Waffentanz der Jünglinge, die ebenfalls bei Brunner verarbeitet sind. 526 527 laxo respondens Phoebus ab arcu | Spicula concussit] Apollo gibt seiner Schwester die Pfeile nicht einfach in die Hand, sondern schießt sie ihr zu. Sein Bogen ist nur leicht gespannt, weil er ihn als Festveranstalter eigentlich nicht benötigt (zu laxus vgl. Kempf, TLL II 476, 46 48). - Con- <?page no="157"?> 2.2 Kommentar 157 cutere hier wie iactare bzw. vibrare (Sil. 16, 108 concutit ... hastam; vgl. Gudeman, TLL IV 118, 48 83). 529 in placito tantarum pondere rerum] Für den übertragenen Gebrauch von pondus i. S. v. officia bzw. conamina vgl. Hajdú, TLL X.1.2 2625, 39 73. 531 532 quaenam reditura voluptas | Sit] Apollo kann nicht erkennen, welches Vergnügen die einfachen Leute bei einer Jagd hätten (also wie quamnam voluptatem accepturi sint [scil. cives posituri retia et plagas]). - Die Verwendung von redire ist singulär; vgl. OLD s. v. redeo. 535 Aut querceta subit Dodonaeásque cauernas] Die seltene Vokabel quercetum (gewöhnlich querquetum geschrieben) wie in Hor. carm. 2, 9, 7. Calepinus (1586) 887 übersetzt „Ein eychwald, ein ort da vill eychbeüm stehend.“ - Die epirische Stadt Dodona war bekannt für ihr Iuppiterheiligtum, wo sich der Gott durch heilige Eichen kundtat. - Zu caverna vgl. Hoppe, TLL III 645, 83 646, 9; Balde meint Höhlungen in Eichenstämmen. 537 periit voti mox tota cupido] Nach einem kurzen Jagdspiel, das ja auf die höheren Schichten des Adels beschränkt bleiben muss, wäre auf Seiten der einfachen Bevölkerung bald alle Lust auf die Hochzeitsfeier und auf die damit verbundenen Glückwünsche an das Brautpaar verflogen (so ist der Ausdruck voti ... cupido wohl zu verstehen; votum i. S. v. „Hochzeitsglückwünsche“ auch in *25 und 683). - Zur Verwendung des Perfekts vgl. KS I 126. 542 In media potiùs Brutum venabimur Urbe] Der genaue Ort der Aufführung vom 20. August, die unter freiem Himmel stattfand, ist nicht bekannt; die Probeaufführung am 17. August wurde auf dem Kollegsgelände durchgeführt. Vgl. Reinhardstöttner (1889), 111. - Brutus ist eine stark abwertende Kennzeichnung und wird mit Bezug auf das geistige Vermögen häufiger von Tieren verwendet (Poeschel, TLL II 2216, 44 63). 543 VATES dilectus ab Oeno] Andreas Brunner (1589 1650), der Verfasser des Nabuchodonosor, stammt aus Hall im Tiroler Inntal (ab Oeno). Er war neben Balde, Jacob Bidermann und Johannes Bisselius einer der bedeutendsten bayerischen Jesuitenautoren und nach Jahren der Gefangenschaft als Geisel der Schweden im Frühjahr 1635 aus Augsburg nach München zurückgekehrt. 544 Qui super Euphraten mediúmque canorus Orontem] Die beiden vorderasiatischen Flüsse verweisen auf den biblischen Stoff des Brunnerschen Dramas: Brunner singt am Euphrat und Orontes, d. h. er besingt einen mit <?page no="158"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 158 dieser Gegend verbundenen Stoff. - Medius ist hier i. S. v. inter nos et Euphraten auf die geographische Lage des Orontes bezogen. - Canorus i. S. v. voce canora praeditus öfter von Dichtern bzw. Sängern; vgl. Poeschel, TLL III 277, 42 68. 545 Dum nostris ludit fidibus, graditúrque cothurno] Ludere kann nicht mit nostris ... fidibus i. S. v. canere verbunden werden, sondern meint an dieser Stelle das Dichten selbst. Das Verb ist nicht auf das spielerische Dichten in niedrigen Gattungen beschränkt, sondern passt auch für Tragödien (Plepelits, TLL VII.2 1782, 57 66). - Metonymisch steht der Tragödienschuh (cothurnus), analog zum Komödienschuh (soccus), für die Tragödie. Brunners Drama endet trotz des hohen tragischen Stoffes versöhnlich und vereint damit Tragödien- und Komödienelemente (vgl. auch den Titel COTHVRNO SOCCOQVE alternantibus). - Nostris ... fidibus bezeichnet die zu Apollo gehörige Dichtkunst, die Brunner ausübt. 546 saliunt montes] Brunner wird hier mit dem thrakischen Sänger Orpheus gleichgesetzt. Die Vorstellung wie in 125 127: Balde hat sich einen Einfall Senecas zu eigen gemacht, der in Herc. O. 1048 1051 Orpheus die Berge Athos und Rhodope in Bewegung setzen lässt (Lukas [2001] zu Batr. 1, 3, 53). - Die Stelle ist ein erstes Beispiel für die in der ganzen Apollorede angewandte Technik, einzelne Elemente aus Brunners Drama aus dem ursprünglichen Zusammenhang zu lösen und neu zusammenzufügen (vgl. z. B. auch 618 621 oder 634): Im fünften Akt treten hier nämlich als Felsen maskierte Schauspieler auf (Brunner Nabuch. 66). 547 548 nemus omne solutis | Fit plantis petulans] Das Wurzelwerk löst sich aus der Erde, wodurch es den Bäumen möglich ist, den Klängen von Brunners Leier zu folgen. 548 et migrat ad orgia plectri] Orgia werden gewöhnlich mit Bacchus in Verbindung gebracht (Catull. 64, 259 260); vgl. aber Stat. silv. 5, 5, 4 vestra, sorores, orgia, Pieriae und Bohnenkamp, TLL IX.2 973, 41 53. Hier sind nicht die Feiern selbst, sondern die „orgiastischen“ Töne der Leier gemeint (vgl. Catull. l. c.; Sen. Herc. O. 594; Stat. Theb. 4, 785 certantia plaudunt orgia [schol. tympana]). 549 550 Bistonis illa | Testudo] Bistonis = Thrax (Sil. 2, 76). - Orpheus gilt in einer verbreiteten Version des Mythos als Sohn des thrakischen Königs Oeagrus (Ov. Ib. 480; vgl. auch 126). - Bei Claud. rapt. Pros. praef. 2, 25 28 ist die Vorstellung von den durch den Orpheusgesang herbeigelockten Tieren noch um den Aspekt des Tierfriedens erweitert. <?page no="159"?> 2.2 Kommentar 159 552 Cornua surrexit simo coeuntia vultu] Subrigere bzw. surrigere wird im Gegensatz zu kontrahiertem surgere auch transitiv verwendet (Stat. Theb. 2, 27 omnis capitum subrexit hiatus und OLD s. v. subrigere). 554 555 quas horruit atrox | Phineus] Die Harpyien, hier von Balde mit den stymphalischen Vögeln (554 Stymphale) aus der Herculessage verwechselt, besudelten die Speisen des Thrakers Phineus mit Kot. - Atrox spielt wohl auf eine verbreitete Version der Sage an, nach der Phineus seine Söhne Pandion und Plexippos geblendet hat. 555 vertentes turpi conuiuia succo] Baldes metonymische Verwendung von convivium i. S. v. epulae ist singulär, vgl. Gudemann, TLL IV 885, 54 80. 556 Istud Prodigium meus intercepit Alumnus] Zu intercipere („einfangen“) von Tieren vgl. OLD s. v. intercipio (1b). - Brunner ist sowohl discipulus als auch vates Apollos. 557 Latias transmisit in oras] Brunner hat den biblischen Stoff in lat. Sprache dargestellt: Transmisit ist ein nautischer Terminus (in oras), der hier bildhaft den Übertragungsprozess verdeutlicht. 558 559 monstrosáque narrant | Indigenae] Gemeint sind die Babylonier, die die Geschichte ihres Königs kennen. 560 Quas metamorphoses, quos manes sentiat] Manes hier wie mors (Stat. Theb. 1, 278; Mart. 8, 38, 5; Bömer, TLL VIII 299, 77 84): Die Verwandlung hat den frevelnden König seiner früheren Gestalt und seiner Existenz beraubt, sodass er sie gleichsam als ein Sterben erlebt. Die Metamorphose Nabuchodonosors wird bei Brunner wie eine Hinrichtung durch ein himmlisches Beil (caelestis securis) präsentiert; vgl. Nabuch. 59 65. 562 alto quas Sol nouus obruo curru] Die in den Drucken bezeugte Lesart alio ... curru ist kaum verständlich: Entweder wäre alio in Enallage auf Sol zu beziehen und wiese damit auf die Doppelgestalt des Musen- und Sonnengottes hin, oder der Ausdruck wäre i. S. v. novo zu verstehen und bezeichnet dann den bei Tagesanbruch neu erscheinenden Sonnenwagen. Keine der beiden Lösungen befriedigt völlig; einfacher ist es daher, statt alio alto zu lesen (Ov. met. 12, 128 curru ... ab alto; Manil. 1, 363 curru ... alto; Stat. Theb. 3, 292 293; 12, 641). 563 pronepósque Nini] Ninus schuf das assyrische Reich und gründete die Stadt Ninive. Der angegebene Verwandtschaftsgrad ist nicht wörtlich zu verstehen (Ernst F. Weidner, Art. Ninos RE XVII.1 [1936], Sp. 634 643). <?page no="160"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 160 564 gemmâ gemmas epulatus in udâ] Gemma metonymisch für poculum gemmis ornatum bzw. ex una gemma effectum (so auch Verg. georg. 2, 506; Lucan. 10, 160; Stat. Theb. 1, 149 mit Heuvel [1932] z. St.). Gemmâ ... in udâ meint also das noch vom Wein feuchte diamantene Trinkgefäß, aus dem Nabuchodonosor Edelsteine trinkt. 565 Contempsit nostrum Nectar] Nabuchodonosor frevelt, weil er den Nektar, das Getränk der olympischen Götter, verschmäht. Streng genommen stünde ihm als sterblichem König dieser auch gar nicht zu. Apollo will hier im Bild der Trinkvorlieben aber nur sagen, dass sich der König ganz von den olympischen Göttern, d. h. von der göttlichen Ordnung, abgewendet hat. 565 566 Phrygióque leuatos | Pincerna latices] Damit ist noch einmal der Nektar gemeint. - Ganymedes, ein Sohn des trojanischen (Phrygio) Königs Tros, wurde von Iuppiter zum Mundschenk gemacht und vom Adler des Göttervaters entführt (Ov. met. 10, 143 161). - Leuatos hier wie haustos, vgl. Koster, TLL VII.2 1234, 37 56. 566 567 et quidquid Iuno recoxit | Pauonis] Nabuchodonosor verschmäht nicht nur die Getränke, sondern auch die erlesenen Speisen der Götter: Der Pfau ist der Vogel der Iuno (Mart. 14, 85, 2; Ov. met. 1, 722 723 u. ö.), der Genuss seines Fleisches galt als Inbegriff des Luxus (Hor. sat. 1, 2, 115 116). 567 Formae eximius miríque decoris] In Verbindung mit eximius ist der Genetiv ungebräuchlich (Leumann, TLL V.2 1491, 59 1495, 78; vgl. aber Stat. Theb. 3, 99 u. ö.). 569 totúmque CAPUT concreuerat AURO] Angespielt ist auf das goldene Standbild, das Nabuchodonosor von sich in der Ebene von Susa errichten ließ (Dan. 3, 1 100; Brunner Nabuch. 39 43). Die drei Jünglinge weigerten sich, es anzubeten, und wurden deshalb in den Feuerofen geworfen. - Der Ausdruck ähnlich wie Ov. met. 5, 202 über die versteinernde Wirkung des Medusenhauptes. 571 Pallida cum Bactris timuerunt Susa secures] Susa ist vor Angst bleich (Susa und Bactra sind Ortschaften im Gebiet des persischen Reichs). - Die Beile als Zeichen der Macht übernimmt Balde aus der römischen Vorstellungswelt (OLD s. v. securis [2b] zu den fasces der Magistrate). 572 At postquam tragicos impleuit Numine fastus] Numen kann in seltenen Fällen von sterblichen Wesen gebraucht werden (z. B. Ov. am. 2, 18, <?page no="161"?> 2.2 Kommentar 161 17). Hier ist gemeint, dass Nabuchodonosor den Status eines Gottes für sich beansprucht. 573 terras ex asse petiuit] Häufig wird der juristische Terminus ex asse heres i. S. v. „Universalerbe“ verwendet; vgl. TLL II 747, 31 40. Hier bedeutet der Ausdruck, dass Nabuchodonosor als Universalerbe die ganze Welt für sich beansprucht. Balde verwendet ex asse sonst nur in testamentarischem Zusammenhang. 574 577 Utque Hodie Ergo Dii secum super aethere regna | Diuiderent; HODIE: quae VOX excluserat omnes | Imperiosa moras: animo solióque superbo | Deiectus factúsque Fera est] Am Beginn des ersten Aktes (Brunner Nabuch. 7) sagt die Titelfigur: Hodie ergo mecum regna diuident Dii; Caelóque contenti mihi terras dabunt; Timeor inermis; aliquid armato negent? Der Frevel ist bei Balde noch gesteigert, weil Nabuchodonosor hier nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel einfordert (super aethere regna). Bei Brunner findet die Verwandlung nicht unmittelbar als Reaktion auf diese Worte, sondern erst nach vielen dazwischengeschalteten Szenen im fünften Akt statt. - Die Verse 574 576 (Utque ... superbo) sind in A und B weggelassen, was sich aus dem unterschiedlichen Publikationszusammenhang erklärt: In den späteren Ausgaben konnte man nicht mehr mit der genauen Kenntnis des Brunnerschen Stücks und seiner Anfangsverse rechnen. - Animo solióque superbo | Deiectus: Superbo ist auf beide Substantive zu beziehen. 578 579 ululat, mugítque, rudítque, | Et loquitur] Ululare („heulen“) wird von Menschen und Tieren gleichermaßen gebraucht (Verg. georg. 1, 486; Lucan. 6, 261). Mugire („brüllen“) findet sich vor allem im Zusammenhang mit Tieren, wird aber auch von unbelebten Dingen gesagt (Verg. Aen. 4, 490 491; Hor. carm. 2, 16, 34 35). Rudere („brüllen“) bezeichnet zunächst Tierlaute, dann auch Schreie von Menschen (Lucil. 261; Verg. georg. 3, 374 375). 579 580 saltem dat toruo murmure signa, | Se se velle loqui] Bei den Sprechversuchen Nabuchodonosors klingt Ovids Schilderung der verwandelten Io an (Ov. met. 1, 637 638). 581 Bisgeminus stupet] Bei Mar. Victorin. adv. Arrium 4, 3 1114 (neben gramm. VI 133, 19 eine der beiden Belegstellen für das Wort; vgl. Ihm, TLL <?page no="162"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 162 II 1983, 56 60) wird bigeminus i. S. v. geminus gebraucht. Balde bezeichnet in ähnlicher Weise mit dem Wort Nabuchodonosor als Mischwesen aus Mensch und Tier (vergleichbar ist Magn. Till. 35 36 [= op. omn. 8, 32] factum nonnumquam, ut bigeminus, unusque duo fueris: oraveris pedes, pugnaveris eques). - Zur Prosodie von B <s>geminus: An den Stellen, an denen Balde das Wort nicht in Prosa verwendet, schreibt er bisgeminus (Lyr. 4, 1, 171 [= op. omn. 1, 194]; Poes. Osc. 38 [= op. omn. 6, 386]; Tab. 3, 5 [= op. omn. 4, 440]). M. E. ist daher der Text zu ändern, obwohl mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass Balde hier statt kurzer erster Silbe b geminus misst (etwa in Analogie zu b duum). 581 et sibi fit mirabilis ipsi] Mirabilis mit dem Dativ der Person ist dichterisch (Verg. Aen. 8, 81; Claud. 26, 281; Bulhart, TLL VIII 1052, 28 38). 582 583 quoties sua contemplatur in amne | Colla Niphatéo] Vgl. zu 585. - In amne | ... Niphatéo: Niphates bezeichnet in der Dichtung öfter den Tigris (Lucan. 3, 245; Iuv. 6, 409; Claud. 7, 72; Serv. georg. 3, 30). - Das Adjektiv Niph t us (richtiger wäre die Schreibung Niph taeus wie in Euphr taeus) ist für die Antike nicht belegt; zeitgenössische Lexika (Calepinus [1586]; Faber Thesaurus Eruditionis Scholasticae [1623]; Kirsch Cornu Copiae [1774]) kennen das Wort ebenfalls nicht. 585 Haud aliter praeter ripas errauerit Io] Io wurde in eine Kuh verwandelt (vgl. Ov. met. 1, 568 746; Balde nimmt Bezug auf 639 641). - Erraverit ist hier im Sinne eines Potentialis der Vergangenheit aufzufassen (vgl. Komm. zu 357). 586 587 Talem nostra Feram si nunc ad Moenala BOIIS | Ducimus, an poteris mihi succensere Diana] Die Zeitengebung mit dem Ind. Praes. in der Protasis und dem Fut. in der Hypodosis entspricht dichterischem bzw. nachklassischem Gebrauch (Verg. Aen. 3, 606; vgl. HS 660). BOIIS ist Dativus commodi; an in der direkten Frage drückt die Ablehnung des Gegenteils aus (sog. argumentierendes an; vgl. KS II 517). - Das Maenalagebirge, ein bekanntes Jagdgebiet (Ov. met. 2, 415 416), hat keinen Bezug zu Apollo (hier also i. S. v. nostros ad saltus). 588 589 sentit tamen] Iurgia ist zu den drei Prädikaten zu ziehen. 588 affectúque natante] Der affectus, also die emotionale Reaktion Dianas, schwankt zwischen Zustimmung und Ablehnung. Zu natare von Incorporalia (i. S. v. suspensum vagari) vgl. Schrickx, TLL IX.1 154, 45 63. <?page no="163"?> 2.2 Kommentar 163 590 Id decuit] Ähnlich Claud. 10, 106 Plus error decuit, wo die in Unordnung geratene Frisur Venus noch schöner erscheinen lässt. Die Vorstellung, dass der natürliche decor einer schönen Person durch scheinbar störende Elemente wie hier Dianas Tränen erhöht wird, findet sich häufiger bei Ovid (Ov. met. 1, 527 und met. 5, 609; dazu Heinze [1919], 59 [351]). 591 Tunc telis citharáque potens] Pfeile und Saiteninstrument bezeichnen die beiden Wirkungsbereiche Apollos. Sie stehen als Symbole der Jagd und der Kunst in Zusammenhang mit dem geplanten Theaterstück. 592 Túque mihi conformis HYMEN] Anrede an den abwesenden Hymen. - Zu conformis vgl. 431 433. 592 593 circumspice Daphnen | Promissam] Der Lohn wurde Apollo in 447 in Aussicht gestellt. 593 ad latum mandata exhausimus unguem] Die Wendung ad unguem ist seit Hor. sat. 1, 5, 32 ad unguem factus homo zur festen Redensart geworden; vgl. Erasmus Adag. 1, 5, 91 ad unguem und Otto (1988), 357 mit weiteren Stellen. Sie gehört - wie in den Scholien zur zitierten Horazstelle erläutert - ursprünglich zum Bauhandwerk: Hier prüfte man die Verbindung zweier Marmorblöcke, indem man mit dem Finger über die Fuge fuhr. Latum wird hier unter Verwendung der bei Apuleius beliebten Formulierung non ungue latius gebraucht (vgl. Apul. met. 2, 18; 10, 26 und 11, 17). Der Ausdruck war in der Frühen Neuzeit gebräuchlich im Zusammenhang mit recedere bzw. discedere (nach Plaut. Aul. 57) und bedeutet dann „ein Fingerbreit“; vgl. in Christian Wolffs Prorektoratsrede (1721) ne latum unguem ab iis recedas (Albrecht [1985], 72). Balde verbindet beide Ausdrücke. 594 595 Syluas de nostro nomine sacras | Cingite compedibus] Die Konstruktion von sacer mit Präpositionalausdruck statt des Genetivs ist ungebräuchlich. - Im Gegensatz zum Wald als Schauplatz für das Jagdspiel der Diana meint Apollo mit Syluas ... sacras die Theaterbühne, auf der die „Jagd“ auf Nabuchodonosor stattfinden soll. Die einzelnen Bauelemente des Theaters werden ab 597 in ihrer Funktion als Kulissen für das imaginierte Jagdspiel, d. i. die Bändigung Nabuchodonosors, vorgestellt. - Compes bezeichnet im engeren Sinn des Wortes nur die Fußfessel. Im Zusammenhang mit Tierjagden (i. S. v. plaga oder rete) wird die Vokabel im Altertum nur selten verwendet (Manil. 5, 187 und Tract. in Luc. 5, 28). 595 596 námque has CHALDAEUS inerrat | Hybrida] Inerrare i. S. v. pererrare ist mit Akkusativ nach Rehm, TLL VII.1 1308, 31 35 nur bei Apul. <?page no="164"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 164 met. 11, 2 (lucos diversos inerrans von Proserpina) belegt. - Zu Hybrida vgl. Komm. zu 611. 597 Haec Orchestra, nemus] Die orchestra war ursprünglich der kreisförmige Tanzplatz, auf dem der Tragödienchor auftrat. Dahinter befand sich die scaena, auf der die Schauspieler wirkten; um die orchestra herum erhoben sich halbkreisförmig die Zuschauerränge. 598 venator erit mihi Roscius Actor] Q. Roscius Gallus wurde aufgrund seiner später sprichwörtlichen Schauspielkunst in den Ritterstand erhoben; Cicero hat ihn in einem Privatprozess verteidigt (vgl. Peter von der Mühll, Art. Roscius [16] RE I A1 [1914], Sp. 1123 1125). Die Antonomasie ist verbreitet; vgl. Brunner Nabuch. *2 vnde nostri Roscii petuntur und die antiken Belege bei Otto (1988), 302. 599 600 qui bene SOCCIS | Induitur] Vgl. zu 545. 600 poterit praedam deprendere cursu] Balde suggeriert, dass man mit dem leichten soccus größeren Erfolg bei der Jagd auf Nabuchodonosor hat. 601 Et Spectatorum cuneis palmáque probari] Auffällig ist die Verbindung des Dativs cuneis mit dem Ablativ palma durch -que. - Der Zuschauerraum im antiken Theater bestand aus halbkreisförmigen Sitzreihen, die durch nach oben führende Treppen in keilförmige Segmente (cunei) aufgeteilt waren. - Mit der palma wurden in Rom seit der Kaiserzeit die erfolgreichen Schauspieler ausgezeichnet. Vgl. Cic. Att. 4, 15, 6 palmam tulit (scil. Antipho actor); außerdem Christian Hünemörder, Art. Phoinix [6] NP 9 (2000), Sp. 938 939 und Adkin, TLL X.1.1 143, 81 144, 8. 602 Deprensam, moneo, ne ferro porrige] Bei Brunner muss Nabuchodonosor überleben, damit sich an ihm die Barmherzigkeit Gottes zeigen und das Schauspiel versöhnlich enden kann. Balde begründet die Schonung des Tiers mit der Neugier des Brautpaares. 605 Incoram] Das seltene incoram ist erst seit Apuleius und in der Antike bis auf wenige Ausnahmen nur bei ihm belegt (vgl. Bauer, TLL VII.1 1023, 58 66). Balde verwendet das Wort in Templ. Hon. (= op. omn. 8, 458) und Jepht. 2, 2, 104 (= op. omn. 6, 45). 607 608 infla Clarium Tritonia cornu. | Quando Soror Diana nequit, podiúmque reuise] Wieder wird Minerva, die nun die Aufgaben der abwesenden Diana (s. u.) übernehmen muss, entgegen der antiken Auffassung mit den Musen verbunden (siehe auch 609 insternite Musae); vgl. <?page no="165"?> 2.2 Kommentar 165 Komm. zu 497 498. - Zu Clarium vgl. Komm. zu 497. - Quando Soror Diana nequit: Diana kann nicht - was ihr eigentlich zustehen würde - das Horn blasen, weil sie bereits ihr eigenes Jagdspiel vorbereitet. Balde erwähnt übrigens nicht eigens, dass sie gegangen ist. - Zu podiúmque reuise: Podium bezeichnet eigentlich die umschließende Mauer eines Amphitheaters oder eines Circus, von der aus sich die Sitzreihen erheben (OLD s. v. podium [2]; vgl. die Erklärung bei Calepinus [1586] 816 Locus est ad spectandum aptus). 609 Bellerophontis equum fortes insternite Musae] Das geflügelte Pferd des Bellerophon ist Pegasus. Durch sein Aufstampfen entstand die Musenquelle Hippucrene. Die hier zugrundeliegende Vorstellung, nach der der Dichter auf dem Ross reitet, war der Antike unbekannt; vgl. Stroh (1993). 610 Comica luctantes crispent venabula Vates] Vgl. *22 23 dignum spectaculo prodigium, à Phoebo proponitur, venabulis tragicis exagitandum. Dem Pl. Vates entspricht sachlich nur der eine Dichter Andreas Brunner. 611 Semiferúmque trahant] Wie in 596 (Hybrida) ist hier darauf abgehoben, dass das Untier ursprünglich eine menschliche Gestalt hatte (und auch wieder in einen Menschen zurückverwandelt wird). 613 614 modò praescia somnia tristi | Immittam] Tristi ist mit Blick auf 616 resultativ zu verstehen (KS I 239): Apollos Einflussnahme bewirkt krasse Stimmungsschwankungen bei seinem Opfer. 614 615 arcaníque poli laqueata futuris | Rebus] Der Himmel ist wie die Decke eines Saales mit den Vorausdeutungen in die Zukunft getäfelt. Laqueatus steht bei Balde von der Zimmerdecke gewöhnlich in Verbindung mit einem Substantiv; vgl. Sylv. 9, 1, 28 (= op. omn. 2, 291) Atria per laqueata und Philomel. 14, 9 10 (= op. omn. 6, 213) laqueata ... | Tecta u. ö. - Zu polus = caelum vgl. Fiedler, TLL X.1.2 2571, 38 2576, 29. 616 617 quibus aequore in alto | Delphinus capitur, Britonúmque in littore ludit] Bei Brunner wird Nabuchodonosor nicht in einen Delphin verwandelt. Die Musikliebe der Tiere war bekannt (Plin. nat. 9, 8); mit Blanditiis dürften also die Leierklänge Apollos gemeint sein, mit denen er den verwandelten Delphin an die unwirtliche britische Küste lockt (vgl. auch Arion in Ov. fast. 2, 79 118). - Zur Prosodie von Br tonúmque: Der erste Vokal in Britones wird gewöhnlich lang gemessen (Iuv. 15, 124; auch bei Calepinus [1586] 139). Baldes Prosodie wohl in Analogiebildung zu Br tanni (vgl. auch Batr. 3, 4, 8 [= op. omn. 3, 32]). <?page no="166"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 166 618 Sunt mihi tres Pueri] Die drei Jünglinge Sedrac, Misac und Abdenago weigerten sich, die goldene Statue des Nabuchodonosor anzubeten und wurden zur Strafe für ihren Frevel in einen Ofen geworfen (Dan. 3, 1 23). Doch sie priesen Gott mit einem Lobgesang (Dan. 26 45 und 52 90) und blieben auf wunderbare Weise am Leben. Brunner verarbeitet die Geschichte im dritten Akt seines Dramas (Brunner Nabuch. 39 47). - Apollo bedient sich ohne Rücksicht auf die zeitliche Abfolge der Ereignisse verschiedener Elemente des Dramas; das Feuerwunder spielt noch vor der Verwandlung des Königs. 618 619 linguas quibus ipsa disertas | Calliope facunda dedit] Die Muse Calliope wird zumeist der epischen Dichtung zugeordnet; an dieser Stelle ist sie wegen ihres sprechenden Namens gewählt. 619 docuítque mouere] Mit mouere ist auf die wichtigste der drei Aufgaben des Redners (docere, delectare, movere) angespielt. 620 Mitiùs hi senibus cygnis] Der Gesang der drei Jünglinge wird mit dem wohlklingenden Sterbegesang der Schwäne verglichen (Cic. Tusc. 1, 73). - Statius vergleicht den Orpheusgesang in Theb. 5, 341 342 mit dem der Schwäne. 620 vel in ignibus aetnae] Das heiße Feuer des Ätna ist sprichwörtlich; vgl. Boeth. cons. phil. 2, 5, 25 Sed saevior ignibus Aetnae | Fervens amor ardet habendi und Otto (1988), 7. 622 Sì Leo sit] Die Reihe der Tiere, in die sich Nabuchodonosor verwandeln könnte, wird fortgesetzt. Wenn der König die Gestalt eines Löwen annimmt, so würde er von dem Flammenwunder der drei Jünglinge betört werden und man könnte ihn leicht einfangen (capient entspricht capitur in 617). 623 Innocuo circum voluentis corpora lapsu] Das Partizip volvens kann reflexive Bedeutung annehmen (Verg. georg. 1, 163 volventia plaustra). 624 Quaéque recusabit vestes libare fauilla] Gemeint sind die Flammen des Feuerofens. Fauilla bezeichnet die noch glimmende Asche (vgl. Amman, TLL VI.1 378, 32 33 und 380, 66 80 mit Beispielen für die erweiterte Verwendung i. S. v. ignis). 626 631 Acclinans latus arboribus ... annis] Die Jagdmethode beschreibt Caesar im Zusammenhang mit der Elchjagd in Gall. 6, 27, 1 5 (vgl. auch Diod. 3, 27, 2 3 über die Jagd auf äthiopischen Elefanten). Die Vorstellung <?page no="167"?> 2.2 Kommentar 167 war in der Frühen Neuzeit verbreitet (vgl. etwa Adam Lonitzer in seinem Naturalis historiae opus novum [1551], 282b: Dormiens robori firmissimo innititur, quod obseruantes uenatores in imo, ne animaduertat animal, dissecant, ut innitens elephas unà cum arbore prolabatur). 628 629 námque hoc solet Africa tutò | Sternere sopitum] Zu hoc erg. situ. - Africa hier metonymisch i. S. v. Afri (vgl. Verg. georg. 1, 509). 629 630 sonat excisura bipennis | Arboris hunc fastum, detruncandúmque cacumen] Nabuchodonosor stützt sich auf seinen Stolz (d. h. auf den Baum der superbia) wie ein Elefant auf einen Baum, der, wenn er gefällt wird, auch das Tier mit sich reißt. - Vgl. den Traum Nabuchodonosors in Dan. 4, 1 24: Daniel legt die Vision des Königs aus, indem er den Baum mit Nabuchodonosors Stolz in Verbindung bringt und in seinem Fallen eine Vorausdeutung auf die Verwandlung des Königs sieht (Brunner Nabuch. 47 ARBOR SUPERBIAE EXCISA). 631 Salua stirpe quidem: septem tamen occidet annis] Nabuchodonosor lebt sieben Jahre lang in tierischer Gestalt, dann ist der Hochmut des Königs gebrochen (Dan. 4, 13 et septem tempora mutentur super eum). Sein Leben bleibt ihm jedoch und mit ihm die Möglichkeit zur Läuterung (Salua stirpe quidem). 632 Sunt aliae technae] Techna ist eine Komödienvokabel (Plaut. Bacch. 392 u. ö.). Bei Balde vgl. z. B. Magn. Till. 241 (= op. omn. 8, 309) ingeniosè admodum sciteque compositam technam. Calepinus (1586) 887 übersetzt „Betrug, geschwinder list“. 632 633 disrupto ventre Draconis | Terreri poterit] Angespielt ist wieder auf eine Episode in Brunners Nabuchodonosor (vgl. auch Dan. 14, 22 17): Im zweiten Akt möchte der Sohn der Titelfigur, Evilmerodach, neun vornehme jüdische Kinder einem Drachen, der in Babylon als Gott verehrt wird, zum Fraß vorwerfen. Hylas und Cyrus, die man verstecken und damit vor den Nachstellungen des Despoten erretten will, verraten sich selbst und werden zu den anderen Knaben gebracht, um dem Drachen vorgeworfen zu werden. Bei den Vorbereitungen zum Opfer kommen Nabuchodonosor und Daniel hinzu, wobei letzterer dem Götzenbild alle übernatürliche Gewalt abspricht und das Tier nicht mit Waffengewalt, sondern indem er es mit Klumpen (pastilli; Brunner Nabuch. 25) aus Pech, Talg und Haar füttert, zum Bersten bringt und tötet (vgl. Dan. 14, 27 Tulit ergo Daniel picem, et adipem, et pilos, et coxit pariter: fecitque massas, et dedit in os draconis, et diruptus est draco). <?page no="168"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 168 634 spargam cineres per nobile fanum] Wieder ein assoziativ angeschlossenes Handlungselement aus Brunners Drama (Nabuch. 27 36; vgl. auch Dan. 14, 1 21): Um den betrügerischen Baalpriestern auf die Schliche zu kommen, streut Daniel Asche im Tempel aus und kann ihnen so nachweisen, dass sie anstelle des Gottes die dargebrachten Opfergaben verspeist haben. 635 Tardabunt aliena pedum vestigia cursus] Die List Apollos besteht darin, den verwandelten König durch Spuren von Tieren, die sich in der Asche abzeichnen, zu verwirren (aliena ist in Enallage auf pedum zu beziehen). 637 Ignotos thyrsos quatiam] In Verbindung mit quatiam gibt das überlieferte thyasos keinen Sinn; eine Textänderung erscheint daher notwendig. Vgl. die Erklärung, die Calepinus (1586) 1067 s. v. Thyrsus gibt: Est praeterea thyrsus hasta aculeata, hederis obtecta, quam in Orgiis Bacchae quatiebant. Ignotos ist auf Apollo, dem die thyrsi ja tatsächlich fremd sind, zu beziehen. 637 638 sua nomina nobis | Pánque Palésque dabunt] Der arkadische Pan und die altitalische Pales sind ländliche Gottheiten. - Zu nomen dare vgl. OLD s. v. nomen (21b). 639 Et Ganymedaeae retinebit Pyrrhica turmae] Hier ist auf eine Tanzeinlage in Brunners Drama angespielt: Im dritten Akt befiehlt die Titelfigur dem Volk, ein Götzenbild anzubeten, woraufhin die Jugend einen „Schwerdt Tanz“ (vgl. Perioche z. St.) aufführt. Vgl. die Formulierung auf Seite 41 des Dramas Post Pyrrhicam Puerilem. - Das Adjektiv Ganymedeus ist hier wie iuvenilis gebraucht (vgl. Mart. 7, 50, 4). - Bei der pyrr(h)icha (Baldes und Brunners Schreibung weicht von der üblichen ab) handelt es sich ursprünglich um einen Waffentanz (Roger Harmon, Art. Pyrrhiche NP 10 [2001], Sp. 642 644). Plötzliche Ankunft des Brautpaares (640b 665) Plötzlich überkommt Apollo eine Vision: Er sieht Maximilian und Maria Anna in Wien bei der Trauung, die festlich bewegte Stadt und die Abfahrt nach München. Die Strapazen der Reise werden von Hymen gelindert. Die Ankunft des Paares erfolgt wie eine göttliche Epiphanie. Apollo muss vor der Begrüßung rasch eine Chorprobe durchführen, die in der Eile jedoch misslingt und abgebrochen werden muss. Zuletzt beschränkt er sich notgedrungen darauf, nur in Begleitung der Musen die Begrüßungsverse vorzutragen. <?page no="169"?> 2.2 Kommentar 169 640 641 Properate. quid! ô quid amoris | Cernimus! adueniunt.] Die Überraschung Apollos wird durch den abrupten Einschnitt zwischen Properate und quid (an keiner der vorgesehenen Zäsurstellen! ) veranschaulicht. - Apollo, der Sehergott sieht das Brautpaar zunächst vor seinem geistigen Auge herankommen (vgl. später 647 Mente mea video; cernimus vom vates auch in Verg. Aen. 7, 68). 642 643 Aestuat, et Stephani quatitur lapidosa per auras | Turris] Die Trauung fand in der Wiener Augustinerkirche statt (Albrecht [1998], 936); das Glockenläuten des Stephansdoms soll hier nur allgemein den Festjubel in Wien bezeichnen. - Lapidosus wird in der hier vorliegenden Bedeutung (lapidibus effectus) gewöhnlich nicht verwendet (Lumpe, TLL VII.2 945, 62 946, 40). - Die Vorstellung, dass Gebäude von Klängen erschüttert werden (vgl. quatitur) ähnlich in Claud. 34, 33 34 Dictaeas quatiens mugitibus urbes | taurus (OLD s. v. quatio [2b]). Per gibt den räumlichen Bereich an, in dem dies geschieht (vgl. per terras u. ä.; OLD s. v. per [4a]). 644 645 iam Taeda coruscat | Pinea] Fackeln aus Fichtenholz gehören zum Hochzeitszug (Catull. 61, 14 15 manu | Pineam quate taedam und Kroll [1968] z. St.). 645 iam spinis aether incenditur albis] Fackeln aus Weißdorn wurden bei der römischen Hochzeit von Knaben geschwungen (Jean Gagé, Art. Fackel [Kerze] RAC 7 [1969], Sp. 154 217, bes. Sp. 160 161). - Aether ist hier wie caelum gebraucht; vgl. OLD s. v. aether (3a). 646 Maturate] Maturare hier intransitiv im Imperativ verwendet wie öfter in der Komödie der Fall (vgl. Plaut. Epid. 633 und Brandt, TLL VIII 497, 32 54). 646 venit PRINCEPS cum CONIUGE CONIUX] Princeps hier adjektivisch vom Kurfürsten. 647 sudum per inane volantes] Das relativ seltene Wort sudum wohl in Anlehnung an Verg. Aen. 8, 529 per sudum rutilare vident (scil. arma). Calepinus (1586) 887 übersetzt „Der schoen himmel, so man zwischen den wolcken hinein sicht.“ 648 649 Armigeras Auium tumas, collóque iubatos | Signiferos] Wieder sind die habsburgischen Adler (Auium = Aquilarum) und die bayerischen Löwen gemeint, die dem Paar militärischen Schutz geben (bei Signiferos ist an militärische Standarten zu denken). - In Claud. carm. min. 25, 105 110 begleiten Vögel den fliegenden Wagen der Venus. <?page no="170"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 170 649 agili tutò confligere lapsu] Lapsus wird gelegentlich vom Vogelflug gebraucht, so bei Verg. Aen. 3, 225 und Stat. Theb. 2, 349 avium lapsus (vgl. Pecere, TLL VII.2 957, 62 65). Agilis wird nur an sehr wenigen Stellen mit Incorporalia verbunden (z. B. Stat. Theb. 1, 501 agiles ... ortus); vgl. Otto, TLL I 1325, 9 15. Confligere steht hier in Anlehnung an Claud. carm. min. 25, 120 121 magnoque tumultu | confligunt (von den Amores, die den Flug der Venus begleiten). 651 652 euoluitur Oeni | Fluctus in occursum, glauco velamine cincti] Das medio-passivische euoluitur erscheint häufig im Zusammenhang mit Flüssen; vgl. Sen. Herc. O. 731 732 utque evolutos frangit Ionio salo | opposita fluctus Leucas (weitere Stellen TLL V.2 1067, 24 40). In occursum heißt nicht, dass sich die Richtung des Flusses ändert, sondern dass der Inn (Oenus) dem Brautpaar entgegen strömt (die Reiseroute führte z. T. am Inn entlang; s. o. 17 18). Zu glauco velamine von Flussgöttern vgl. Meyer, TLL VI.2 2039, 40 84. 653 Quódque aliquos nuper temulentis merserat undis] Hier ist offenbar auf ein Innhochwasser mit Todesfällen angespielt (nicht ermittelt; vgl. aber Komm. zu 229 und 416). - Der mit quod eingeleitete Nebensatz korreliert mit admissi sceleris im Hauptsatz (vgl. KS II 270 271). - Zur Prosodie von t mulentis: T mulentus misst Balde entgegen der üblichen Prosodie mit kurzer erster Silbe (vgl. auch Magn. Till. 82 [= op. omn. 8, 70] und 193 [= op. omn. 8, 267]); t m l ntus auch bei Calepinus (1586) 1051. 654 655 et Tritona reuinctis | post tergum remis] Tritons Arme sind für Balde wie Paddel. Remis wird bei Schwimmern öfter i. S. v. manibus verwendet (Ov. epist. 18, 215 remis ego corporis utar). 656 iugis] Vgl. Baer, TLL VII.2 640, 26 77. 658 659 ne noxia puluere crasso | Intempestiuos trudat caligo vapores] Mit noxia ... caligo ist wohl die Staubwolke gemeint, die Hymen mit seinem Wasserguss verhindert; sie könnte sonst eine für die Reisenden unangenehme Hitze verursachen. Trudere wird häufiger in der Bedeutung „hervortreiben, aufsteigen lassen“ gebraucht; vgl. Plaut. Epid. 476 quas tu mihi tenebras trudis? 660 Intonuit laeuum] Der Donner von links galt in der Antike als glücksverheißendes Zeichen (Serv. Aen. 2, 693 quae enim nobis laeva sunt, <caelestibus> dextra sunt; anders aber Cic. div. 2, 82, mit Pease [1920/ 1923] ad loc.). <?page no="171"?> 2.2 Kommentar 171 660 nubésque resultant] Die Wolken „springen zurück“, d. h. der Himmel hellt sich bei der Ankunft des Paares auf. 662 compositos numeros tamen antè probemus] Calepinus (1586) 854 gibt für probare nur die allgemeinen Bedeutungen periculum facere, tentare bzw. „Versuochen, probieren, bewaeren“ an. Das Wort kann aber zu Baldes Zeit die Bedeutung „einstudieren“ annehmen; vgl. den Eintrag im Diarium Gymnasii et Lycei S. J. Monachii über die Proben zu Brunners Drama A prandio vacatum quia probata Comoedia (Diarium 17. Aug. 1635, BSB Clm 1550, fol. 116r). Vgl. auch FWB 4 (2001), Sp.1154 1155 (s. v. probe) und Sp. 1155 1157 (s. v. probieren); bes. Sp. 1156 („jdn./ etw. auf die Probe stellen, erproben, ausprobieren, prüfen“). 665 Praecine Calliope] Vgl. zu 619. Schluss (666 696) Apollo probiert nun mit dem versammelten Götterchor die Huldigungsverse an das Brautpaar. In der Eile misslingt diese Probe aber, und Apollo trägt die Verse, nur von den Musen begleitet, alleine vor. Seine Schlussverse fallen dann auffällig konventionell aus und beschränken sich, abgesehen von der Bitte um Nachsicht für den kunstlosen Gesang, auf die topischen Wünsche für ein langes Leben und reiche Nachkommenschaft. 666 696 PAR SUPERUM ...] Der Schluss des Gedichts ist interpretiert bei Stroh (2006b), 136 138. 666 PAR SUPERUM, QUOD CERNO LIBENS, sustollite vultus] Zur Struktur der nun folgenden Chorprobe: Die eingeschalteten Anweisungen Apollos haben in der Regel einen Bezug zum jeweils gesungenen Text des eigentlichen Hochzeitsliedes; so hier die Koordination von cernere und sustollere vultus. 670 671 SERO ASTRORUM CONSCENDERE SEDES | ... UT CUPIAS] Vgl. Komm. zu 685 686. 671 Bacche leua vocem] Das Heben der Stimme zum vorherigen Vers wie zu 666 erläutert. <?page no="172"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 172 671 672 iam Stentoris instar | Ingeminas] Vgl. zur für ihre Gewalt bekannte Stimme Stentors Hom. Il. 5, 785 786. - Ingeminare hier intransitiv gebraucht wie in Verg. Aen. 1, 747. 672 velut inclyta Clio] Inclyta (vgl. WH s. v. inclutos) und der Eigenname Clio (vgl. LSJ s. v. ) sind etymologisch verwandt. 674 ET RUTILUM SILENI FUNDIMUS AURUM] Der Götterchor macht einen Fehler, indem er statt des ursprünglich vorgesehenen Wortlauts SA- TURNI FUNDIMUS AURUM vom Zeitalter des „Obersatyrn Silen“ singt (vgl. Stroh, [2006a], 138). In der Schlussfassung, die nur Apollo und die Musen singen, fehlt der Vers (vielleicht folgendermaßen zu ergänzen: Et <multum> rutilum Saturni fundimus Aurum); vgl. auch zu 686. - Hier ist übrigens auch auf den Schlusschor von Brunners Drama angespielt, wo die GREX SATYRORVM TRIPVDIANS den erneuten Anbruch des goldenen Zeitalters unter Maximilian besingt (Brunner Nabuch. 77). 674 Altiùs] Die Götter können es Apollo nicht recht machen: Zuerst ist Bacchus zu leise (670), dann muss er, weil er jetzt so laut wie Stentor schreit (670 671), zurechtgewiesen werden, und schließlich fällt der ganze Götterchor wieder ins erste Extrem und singt allzu verhalten (altus heißt auf Stimmen bezogen „höher“ und „lauter“; vgl. TLL I 1776, 61 65; 1784, 14 18 und Schulz [2014], 181). 677 678 FAVETO | LAUDIBUS, ET GRACILES] Vgl. Komm. zu 687 688. 678 aliquid, nisi fallor, omissum est] Hymen kritisiert, dass der Chor ein Wort unterschlagen habe: In der Schlussfassung (687 688) geht den Worten faueto | Laudibus, et gracilem noch ein propriísque voraus. Der Chor wiederholt den Abschnitt in 679 680 in korrigierter Form. 679 Inspice Cymodoce fontem] Das bezieht sich nicht auf die Chorprobe, sondern auf die anderen Aufgaben, die die Götter beim Empfang ja noch zu erledigen haben. Ceres ist dafür zuständig, dem Paar Wasser zu reichen (vgl. 510 511 Tu manibus lymphas, è puri fluminis urna | Cymodoce formosa dabis). 681 682 Iam lucet ab aethere clarus | Hesperus] Der Aufgang des Abendsterns gab in der Antike der versammelten Festgemeinde das Zeichen, dass die Braut überführt wird (Catull. 62, 1 und Kroll [1968] z. St.). Hier bezeichnet er die gemeinsame Ankunft des Brautpaares. <?page no="173"?> 2.2 Kommentar 173 685 686 Serò astrorum conscendere sedes | Ut cupias] Der Wunsch für ein langes Leben erscheint hier im römischen Gewand: Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass der Herrscher nach seinem Ableben vergöttlicht wird (Verg. georg. 1, 24 28; Lucan. 1, 45 47). 686 multum nostri tibi fundimus aeui] Fundere hier wie largiri; vgl. Robbert, TLL VI.1 1569, 11 25. In der Probenfassung steht statt fundimus in 673 promimus. Der dann folgende Vers ET RUTILUM SILENI FUNDIMUS AURUM bzw. Saturni fundimus aurum ist in der Schlussfassung ausgelassen (vgl. Komm. zu 674). Der Sinn von 686 erhellt aus 674: Der Götterchor bietet dem Brautpaar an, dass er ihm ein goldenes Zeitalter bereitet, sodass die beiden lange auf der Erde verweilen möchten. 687 688 propriísque faueto | Laudibus] Der Götterchor fordert Maximilian auf, von seiner gewohnten Bescheidenheit abzusehen und die Lobsprüche, die seiner Person gelten, anzunehmen. 688 et gracilem non aspernare camoenam] Zur Verneinung des Imperativs mit non vgl. KS I 203. - Der Götterchor entschuldigt sich, dass er kein gewichtiges und ernstes Huldigungsgedicht, sondern nur ein kurzes und feinsinniges Musenwerk vorträgt (zu gracilem vgl. Burckhardt, TLL VI.2 2132, 27 39). 690 In mare non rapitur mare] Das transitive voluit in P, das ohne Obj. steht, korrigieren A und B zu Recht zu rapitur. - 690 691 fasst den zuvor ausgeführten Gedanken ins Bild: So wie ein großes Meer von kleinen Bächen gespeist wird, so entsteht der Ruhm Maximilians durch viele kleine Huldigungen, wie etwa dieses Gedicht. 692 693 Tibi saxa ciemus | In modulos] Ein Verweis auf Brunner Nabuch. 66, wo tanzende und singende Felsen auftreten (vgl. Komm. zu 546). Modulus kann die Melodie oder den Rhythmus meinen (vgl. TLL VIII 1250, 48 1251, 1 und 1251, 12 34; hier wohl der Rhythmus). 693 Tibi beryllos pictósque tapetes | Sternimus] Die Edelsteine (Plin. nat. 37, 76) dürften wohl kaum geworfen werden, sondern sind auf die Teppiche aufgenäht zu denken. 694 et cultae commercia pandimus Aulae] Zu commercia i. S. v. communitas vgl. TLL III 1877, 70 1878, 13. 695 Tu parias Caelo, pariat Tibi sidera Caelum] Der Gedankengang ist wohl wie folgt zu rekonstruieren: Maria Anna soll für den Himmel Sterne, <?page no="174"?> 2 Jacob Balde, Epithalamion 174 d. h. Kinder (das Bild häufiger bei Balde, vgl. Mus. Neob. praef. [= op. omn. 3, 209] ad ortum novi sideris) zur Welt bringen, und der Himmel verehrt sie im Gegenzug, indem er echte Sterne leuchten lässt. 696 Et bene speratos maturet Cynthia menses] Mit Cynthia ist Diana in ihrer Eigenschaft als Geburtsgöttin gemeint (Hor. carm. saec. 13 16; Ov. am. 2, 13, 21 und met. 9, 283). - Im abschließenden Wunsch für eine fruchtbare Ehe greift Balde die Schlusspartie aus dem Epithalamium des Statius auf (vgl. insbesondere silv. 1, 2, 268), ohne allerdings wie dieser die körperlichen Qualen der Frau bei der Geburt zu erwähnen. <?page no="175"?> 3 Anhang <?page no="177"?> 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor 177 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor Historischer Inhalt. NAbuchodonosor Nabelassars Sohn ist im Jahr nach Erschaffung der Welt 3428; Vor Christi Geburt 625. seinem Vatter im Babylonischen Reich nachkommen: König Joackhim gefangen / den H. D a n i e l sambt A n a n i a / A z a r i a u n d M i s a e l von Königklichem stammen gebürtig / als Geysel nach Babylon geführt. Acht Jahr hernach ließ er König Joackhim / dem er hieuor Perdon und das Reich widerumb eingeben / hinrichten / setzt seinen Sohn Jechoniam / der kaum drey Monat regiert / in die Babylonische Gefäncknuß; Sedeciam aber seinen Vettern ins Reich ein. Welcher uber zehen Jahr / wegen vervebter Untrew mit Kriegsmacht uberzogen / gefangen / unnd nach zweyer Söhn entleibung / beyder Augen beraubt worden. Nabuchodonosor hat im fünff und zwaintzigisten Jar seines Reichs / nachdem er fast alle Morgenländer under seinen gewalt gebracht / die wunderbarliche Erscheinung im Schlaf gehabt / darinn ihm under gestalt aines von vilen Metallen gegossenen Bildts die vier fürnembsten Monarcheyen der Welt fürgestellt worden. Gleichwol er nun zugleich verstanden / daß selbige alle zergäncklich / und von dem wunderbarlichen Stainl / so Gottes Sohn bedeutet / zerschmättert werden sollen; ließ er dannoch zwey Jahr hernach / auß ubermuth / ein guldene Bildsaul auffrichten / und anbetten: auch weil die drey Edlen und heiligen Jüngling Ananias / Azarias und Misael solche anzubetten sich verwaigerten / dieselbige in den fewrigen Ofen werffen: Darinn sich Gottes fürsorg in beschützung der Unschuldt augenscheinlich sehen lassen: Bey welchem Wunderzaichen zwar Nabuchodonosor Gott die Ehr geben / und in allen seinen Ländern außgeruffen; Jedoch bald hernach zu seiner Gottlosigkeit umbgefallen / und also zu der Gött-[p. 3]lichen Straff zeitig worden: Gleich wol ihn Gott dannoch nit ubereylt / sonder abermal durch einen beweglichen Traum gewarnet / und mit fürstellung eines seltzamen Wunderbaums all sein zukünfftig Unglück angekündet: Massen ihm der H. Daniel den Traum bald darauff außgelegt / und den König gewarnet / der Straf mit Allmusen vorzukommen. Wie dann der gütige Gott ihm noch ein gantzes Jahr zugeben / biß Nabuchodonosor auß unleidenlichem stoltz sich wider Gott erhaben / und durch ein himmlische Stimb gestrafft / vom Reich verstossen / und den wilden Thieren zugesellt worden; darunder er seines Verstandts beraubt / siben gantzer Jahr umbgeloffen / das Hew wie ein Ochs gefressen / mit Haaren uberwachsen / und die Menschliche gstalt allerdings verlohren. Nach siben Jahren kam er auß lauter Barmhertzigkeit Gottes widerumb zu sich selbsten / erhebet seine Augen und Hertz zu Gott / bekennet desselbigen Allmacht; ist auß anweisung Danielis von <?page no="178"?> 3 Anhang 178 seinen Underthonen widerumb gesucht / gefunden / und auff den Königlichen Thron gesetzt worden. Hat die kleine zeit / welche er hernach regiert / also zugebracht / daß vil der heiligen Vätter ihn als einen warhafften Büesser under die zahl der Außerwählten setzen. Seytemal der H. Hieronymus im sibenden Sendschreiben an Lætam, da er disen mercklichen spruch zu trost aller Sünder gethon / Nunquam est sera pœnitentia, Die Bueß kombt nie zu spat / solche Warheit mit deß frommen Schachers und Nabuchodonosors Exempel bewisen: Der H. Augustinus l. de prædest. & Gratia: c. 15 nennet sein Bueß ein fruchtbarliche Bueß : setzt ihm König Pharao entgegen; als welcher under der Ruethen GOttes noch mehr erhartet; da hingegen Nabuchodonosor also dardurch gebessert worden / daß er / wie Theodoretus schreibt / als ein Prophet von Gott gehalten und geredt. Eben disen underschid zwischen beyden Königen erwigt auch der alte Lehrer Tertullianus, l. de Pœnit. unnd darff sagen / Gott habe dise zween Männer / als duos humanæ Salutis PHAROS, das ist / Fewer Thürn oder Meer Laternen uns Menschen auff diser Welt gefährlichen Schiffart fürgestellt / unser Leben nach deß andern [p. 4] Bueßfertigkeit zurichten / und deß andern Hartnäckigkeit zuuermeiden. Welches dann auch dises Schawspils aigentliches Zihl unnd Intent / damit nemblich durch die Augen unnd Ohren der Zuseher und Zuhörer das rechte abscheuhen von den Sünden / welche Nabuchodonosor gar zu einem Viech gemacht / hingegen die warhaffte anmuethung zur Bueß in das Hertz getruckt werde. Neben disen verzweifelichen Geschichten haben wir auch das jenige / was sich mit den zweyen Babylonischen Abgöttern dem Dracken / und Bel / nach etlicher Lehrer mainung / gleichfals under König Nabuchodonosors Regierung zugetragen / beygefügt: Weil sich hierinn deß H. Danielis Eyfer zum wahren Gottesdienst / wie nit weniger der Göttliche Beystand / in der Löwengruben / darinn er nit allein unuerletzt erhalten / sonder auch auff ein unerhörte weiß gespeißt worden / so herzlich sehen last. Dann je einmahl diese zwo Tugenden allen Menschen sehr vonnöthen: Daß sie recht geschaffne Eyferer der Ehr Gottes und deß wahren Glaubens seyen : auch durch Menschliche Forcht sich nit so liederlich vom guten abhalten lassen; sonder vilmehr auff Gott trawen und bawen / der keinen Menschen jemahlen verlassen / so es trewlich mit ihm gemaint / und sein Ehr verfochten: Sthen also seltzame beyspiel der Laster unnd Tugendten vor Augen; und sihet jederman / wie Gott jene zustraffen/ dise zuuergelten pflege. <?page no="179"?> 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor 179 Prologus und Eingang zu vorhabendem Schawspiel. DIe liebe Jugendt beklagt sich ab den unglücklichen Zeiten / so auch den Freyen Künsten mercklichen Schaden zugefügt / und die Schuelen fast erödet : Schreyet nach einem frölichen Glückstern / der weitters Unheil verhüte / und glärnigen Ingenijs widerumb auffhelffe. Auff disen Wunsch schicken sich gar eben zween auff dem Theatro erscheinende Bluemen Sternen / beyde im mittl mit dem Buechstaben M gezaichnet; so zwar anfäncklich auff die MVSAS [p. 5] als Schuelgöttine gedeutet / aber von zweyen Himmels Botten / so auß der Sonnen Circl den Löwen und Junckfraw herab führen / auff beyde Ihre Churfürstliche Durchleuchten mit besserem grund außgelegt werden. Welches die Edle Jüngling für bekandt annemmen / unnd disen Durchleuchtigsten Glücksternen zu Ehren allen ihren Kräfften auffbietten: Thun zugleich im Namen deß gantzen Vatterlandts auff heilsame Wünsch : thailen sich in zween Chör / und tantzen in einem Pallet die Churfürstliche Nämen auß. Der erste Act. KÖnig Nabuchodonosor von grossem und stättem Glück auffgeblasen / greifft Gott nach dem Scepter / und will mit ihm das Regiment der Welt thailen. Insonderheit weil ihm nit allein mit Eroberung der Statt Jerusalem das Spiel gerathen / sonder auch König Sedecias gefangen fürgeführt wird : deme er seine zween Söhn / wider alles bitten und flehentliches anhalten / jämmerlich entleiben / und dem Vatter die Augen / nachdem er dises Land angesehen / ausstechen last. * DIse unmenschliche Tyranney strafft die Göttliche Weißheit: Legt zum Underricht aller König und Potentaten / die siben Saytten / mit welchen das Himmelische unnd Irrdische Regiment zusam gestimbt werden sollen / weitläuffig auß: Last auch die Fürstlichen Haupt Tugenden / als nemblich G o t t s f o r c h t / K l u e g h e it / G e r e c h ti g k e it / S t a r c k m ü t i g k e it / F r e y g e b i g k e it / M ilti g k e it u n d D e m u e t h selbst reden. Weil aber dise schöne Lehr Nabuchodonosor wenig eingeht / stellet sie ihme schlaffendt ein sinnreiche Bildenuß für / darinn Gott die vier Monarcheyen / als die Chaldaeisch / Persisch / Griechisch unnd Römisch / mit einem Guldinen Kopff / Silbernen Brust / Aertzinen Bauch / Eisenen Schenckel und Füeß mit Laim vermengt abgebildet. Dises Bild wird von einem Stainl / so sich selbst vom Berg ledig gemacht / gestürzt und zerschmettert : Welches die heilige Engel auff Christum / so von einer Junckfrawen geboren / auch ein König der König und Herrschafften / alle Reich under sich bringen wurde / deutten; auch beyder Bildnuß auff dem Berg fürstellen. <?page no="180"?> 3 Anhang 180 Der ander Act. DEmnach Euilmerodach König Nabuchodonosors Sohn mittels der Außlegung deß heiligen Danielis vermerckt / das Guldine Haupt bedeutte so wol ihne als seinen Herrn Vattern / will er sich danckbar erzaigen / unnd an statt daß er dem wahren Gott die Ehr geben hett sollen / richtet er dem Dracken / welcher zu Babylon für einen Gott gehalten wurd / ein Opfer und Mahlzeit zue : Last demselbigen auß neun Edlen Knaben die Wahl / welches ihren Eltern schmertzlich fürkombt. Zween darunder werden versteckt / und andere an ihr statt gestellt : Aber die ainfaltigen [p. 6] Kinder verrathen sich selbst. Dem anderen wird die Weil zu lang / und bricht herfür ; der ander schämbt sich der Weibsklaider / darein er mit fleiß verklaidt worden; klagt dem Vatter die Unbildt: Werden also beyde zum verlohrnen hauffen gezogen / unnd zu allem Unglück in der Wahl und Loß von dem Dracken zuuerzehren außerkohren : Welches ein klägliches schaiden von ihren Mitgesellen verursachet. * UNder dessen schicket es Gott / daß Nabuchodonosor sambt dem Propheten Daniel ins mittel kommen; welcher nach verstandner sachen dem schädlichen Dracken die Gottheit gantz abspricht / ja demselbigen mit kräfftigen Pilulen den garauß machet : errettet also die unschuldigen Kinder von dem grewlichen Todt / ermahnet sie zum Lob Gottes; wie sie dann voller Frewden anfangen zufrolocken / und halten den Raiff Tantz. * EVilmerodach kombt vom Dracken / auff einen anderen Abgott / Bel genannt / dem man alle Tag einen grossen Vorrath allerley Speisen fürtrueg ; darauß Nabuchodonosor darzuthuen vermaint / er müsse ja ein Lebendiger Gott seyn. Daniel vernaint es gleichfals ; sagt Bel habe ungeladne Gäst; welche in ihrem Diebstal zuertappen / er haimblich den Götzen Tempel mit Aschen ubersträet. * DIe Götzen Pfaffen fahren auff ihr Fütterey auß; zaigen deß Bels vermaintes Eß und Trinckgeschirr : Bringen ihre Fratzen auff einem Wagen mit / nennen dieselben deß Bels Stubenhündt ; heben mit ihnen ein Hasengesaidt an. Schlieffen nachmals durch ihre haimbliche Schlich in den Tempel / und raumen dem Bel den Tisch ab. Führen grosses Gspött uber Daniel / als wären sie ihme zu gescheid gewesen. <?page no="181"?> 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor 181 Der dritte Act. EVilmerodach ist frewden voll / weil der Tempel versiglet gebliben / und dannoch deß Bels Tisch lähr erschine. Daniel entdeckt den Betrug auß den Fueßstapfen / so im Aschen gespürt wurden. Nabuchodonosor erzürnet wegen der Götzenpfaffen Betrüegerey : Gibt Danieli gwalt mit dem Abgott nach gfallen umbzugehn. Der Hofmaister als ein Eyferer in der Abgötterey wiglet das Volck auff / wil Danielem todt haben : Uberlaufft den König selbst / weil er sich umb Daniel zu hart annamme : Wird auch so weit gebracht / daß er Danielem dem wütenden Volck ubergeben müste / von dem er in die Löwengruben geworffen wirdt. * DIe Göttliche Weißheit nimbt hierauß glegenheit / den Gottslästerern und Maulberern ihren falschen Wahn zunemmen / als verlasse Gott die Frommen / wie an Daniel zusehen / der mit aller seiner Heiligkeit inn die Löwengrben gerathen : Oeffnet dieselbige / zaigt Danielem frisch unnd gesundt under den wilden Thieren / umbgeben mit der U n s c h u l d t sicherem Gelayt : Darzu sich auch der Göttlichen F r e y g e b i g k e i t Chor gesellet Welche umb einander anzaigen / wie die Frombheit von Gott so fleissig bewahrt und so ehrlich belohnt werde. Under dessen führt ein Engel den Propheten Habacuc auß dem Jüdischen Land daher / welcher Danieli die Speiß / so er für seine Schnitter beraitet / darzaichet / und widerumb nach Hauß verzuckt wirdt. [p. 7] * Nabuchodonosor vergreifft sich abermal am wahren Gott / unnd befilcht seinen Guldenen Götzen zuuerehren und anzubetten. Alle drey Alter bieten sich zum fechten an: Aber die Jugendt tringt für / und haltet mit deß Königs Erlaubnuß einen Schwerdt Tantz. Darauff ergeht der Befelch / das Gulden Bild anzubetten, dessen sich allein die heilige drey Jüngling Ananias / Azarias und Misael waigeren. Reden dem König starck zu / und werden ihrer beständigkeit halber in den fewrigen Ofen geworffen : Die Engel gesellen sich zue ; einer darunder be<g>laittet sie gar in das Fewer / und behuetet sie vor aller verletzung. Die heilige Jüngling heben an Gott zu loben / und bieten den Creaturen gleichfals auff ; welche dann auff dise Ladschafft erscheinen / unnd sich gehorsamblich zu GOttes Ehr einstellen. Endtlich vermerckt der Gottlose König das unerhörte Wunderwerck / und rueffet die Edlen Bekenner auß dem Ofen. Gedenckt zugleich an den frommen Daniel / und geht der Löwengrueben zue / trawrt wegen eines so thewren Manns : findet ihn aber mitten under den Löwen unuerletzt ; hebt ihn mit Frewden herauß : last hingegen Sosarem den Hofmaister / als Anstiffter vervebter Grewlichkeiten den wilden Thieren fürwerffen. <?page no="182"?> 3 Anhang 182 Der vierdte Act. König Nabuchodonosors Schutz Engel zaigt etlichen anderen himmlischen Geistern den Wunderbaum / welchen Gott der HErr dem König als ein Ebenbild seines Ubermuts wolte fürstellen lassen : beklagt sich ab seinem ungerathnen Pflegkind / bei welchem alle Laster / unnd Ungeheur ihren underschluff haben : Uber Nabuchodonosor gehet im Himmel / nach geschehner Anklag / der Sententz / daß er vom Reich und den Menschen verstossen werde ; wird zugleich der Baum als seines Ubermuths Abriß umbgehawen / und die Aest von den Engeln in alle thail der Welt den Hoffärtigen zu einer Witzigung vertragen. * DIe Hoffart sorgt / dises schröckliche Gesicht möcht König Nabuchodonosor das Hirn verzucken / unnd das Hertz zu Erkenntnuß seiner selbs bewegen / will derhalben vorkommen; ziehet mit ihrem verführischen Hofgesindt auff: Lasst erstlich durch den Dracken ihme siben falsche schätliche Mainungen und Teufflische Wandsprüch einspeyen : und weil Nabuchodonosor seltzame und ihr mißfällige ding auß dem Schlaf redet / unnd sich ab dem Traum hart entsetzet / schläfft sie ihn mit einer Lust-Music wider zue. Last ihm einen andern Ehren Baum fürführen; Zugleich legt ihm das Glück die gantze Welt under die Füeß : Der Atlaß will gar den Himmel auff ihn schieben : Hercules vermacht ihm seinen Streit Kolben: Die Ehr biettet ihm in einem Credentz ganze Königreich an : Dardurch Nabuchodonosor widerumb gantz würffig und zerrüttet wirdt: Bocht mit GOtt / und trutzt denselben mit unleidenlichem Ubermuth : Wird aber von der Göttlichen Gerechtigkeit in der That uberfallen / und gezwungen seine Königkliche Klaider und Clainoder von sich zuwerffen / und sich selbs zuberauben. * ZUgleich kombt Nabuchodonosor von seiner Vernunfft / redet seltzam ab ; hebt mit Gott [p. 8] ein unsinniges Gefecht an : Vermaint er hab ein gantzes Kriegsvolck umb sich / und stellt solches in die Schlachtordnung : Under dessen kombt sein Hofgesind herfür / welches er für lauter Götter ansicht / fallt den Hofmaister an / ihne zuertroßlen ; daß er nothwendig zu vermeydung mehrers Unglücks in die Eysen geschlagen werden mueß. Daniel nimbt denen Hofherrn das Wunder ; Entdeckt ihnen das Göttliche Urtl wider disen Hoffärtigen Kopff : Besticht demselbigen seinen Gang die siben Jahr / die er wie ein Viech leben werde / zulassen / und Gott nit einzureden. * EVilmerodach Nabuchodonosors Sohn aller verloffnen ding unwissendt / schlagt uber den heiligen Daniel als einen falschen Propheten ein Gspött <?page no="183"?> 3.1 Perioche zu Andreas Brunners Nabuchodonosor 183 und Glächter auff : Weil das Jahr / darvor er seinen Vattern gewarnet / ohne schaden verflossen : Wirfft das Klag Kleid sambt den unnötigen sorgen von sich. Last aber im ersten Anblick deß Erbärmlichen Zustandts seines Vatters / die Flügel bald fallen : Unnd noch vilmehr / da er von Daniel einen gründtlichen Bericht / von allen Umbständen vorhabender straf GOTtes eingenommen. Nabuchodonosor verfahrt in seiner unsinnigen Einbildung / vermaint es seyen Hund ob ihm; denen zuentfliehen / lauffet er dem nechsten Wald zue. Die Hofherren understehn sich den Printzen zubereden / die Königklichen Clainoder / so sein Vatter abgelegt / anzuziehen : Hat aber keinen lust darzue : Bietet sie auß Danielis anweisung Jechoniae dem gefangnen König der Juden an : Welcher es anfäncklich für ein Gespött unnd Vexation haltet : Aber endtlich als ein sonderbare schickung von Gott annimbt : Erkennt Gottes wunderbarliches Regiment / der in der Welt so seltzame Spiel anrichtet / die Demütige erhöhet / und die Stoltzen ernidriget. Der fünffte Act. DIe Göttliche Weißheit spottet der hoffärtigen Statt Babylon / daß sie einen so hübschen König bekommen : Unnd weil selbige mit ihren hangenden Lustgärten so große Hoffart unnd Muethwillen getriben / stellet sie ein noch seltzamers Schauspiel an / und lasset etliche Felsen laufen / nachdem sie auff alle Fragen von Nabuchodonosors Zuestand durch den Widerhall ordenliche Antwort geben. mittler weil wird auch Nabuchodonosor von den wilden Männern wie ein Pferdt oder Maulthier auffgezämbt / und wie ein vierfüssig Thier herfür gebracht: Welche ihm das Wappen redlich visiern / Hew wie einem Viech zuessen geben; unnd deren Possen mehr darmit treiben: Die Engel stellen disen Spiegel und noch etlich andere den Hoffärtigen für : Zaigen ihnen deß Lucifers Contrafeih / Item unsers ersten Vatter Adams / wie auch deß Absalons / so alle durch Hoffart in Jammer unnd Noth gerathen : Demnach aber der heilige Daniel von der Zukunfft Messiae auch verdient verständigt zuwerden / wird ihme zugefallen / Christus am Creutz hangend fürgestellt / dessen aintziger Anblick ja billich aller Welt die Hoffart verlaiden soll / weil selbige den Sohn Gottes / zu widerbringung alles Verlursts / so vom Ubermuth hergerührt / gar ans Creutz gebracht. Endtlich wird Nabuchodonosor durch ein liebliche Music und himmlische Krafft zugeschläfft / unnd von der wilden Art erledigt. * ETliche Babylonische Landherrn / so den König zusuechen außgeschickt worden / treffen [p. 9] denselbigen schlaffendt an : Weil er aber gantz verwildet unnd verwachsen / kennen sie ihn aigentlich nit. * <?page no="184"?> 3 Anhang 184 EVilmerodach fahrt auf anweisung Danielis dem Vatter mit einem Triumpf Wagen entgegen / guter Hoffnung / selbigen zufinden : Wird von seinen Landherren uber das Abentheurisch Thier geführt / darzu er schlechten Lust erzaigt / biß ihm endtlich Daniel bekennt / es seye sein Vatter : Nabuchodonosor erwacht vom Schlaff : Kombt wider zu ihm selbst : Erkennt sein Thorheit : Thuet einen stattlichen Widerrueff / underwirfft sich Gott mit aller Demueth : Thuet was ein rechtgeschaffner Büesser thuen solle: Wird widerumb nach Hauß unnd zum Reich geladen : Dessen er sich so lang waigert / biß er von Daniel verstanden / es sey Gottes Will / daß er sein alte Stell antrette : Gehorsamet also / unnd gleichwol ihme die Königkliche Klaider anerbotten werden / will er doch in der wilden gestalt / vor seinen Underthonen erscheinen : Stellet sich selbst allen Stoltzen unnd Hoffärtigen für ; wünschet daß sich die Welt an ihm wol erspiegle / und ihr Nichtigkeit erkenne : Evilmerodach spannet sich selbst sambt seinen Edlen Knaben in den Wagen ein / unnd ziehet den Vatter / wie ein trewes Kind / nach Hauß. Beschluß. DIe wilden Männer widerholen Euilmerodachs letzten Spruch / welchen er zu Ehren seines Vatters dises Innhalts gethon: Die Hoffnung einer Newen Welt / Ist alle auff den Fürsten gstellt. Ziehen denselben mit besserem grund auff Ihre Churfürstl: Durchl: denen zu underthänigsten gefallen dises Ehrnwerck angestellt / und nochmalen mit einer Satyrischen Music und Tantz d e d i c i e r t und verehrt wirdt. <?page no="185"?> 3.2 Indices 185 3.2 Indices Die Indices verzeichnen alle im Argumentum und im Epithalamion vorkommenden Namen mit den zugehörigen Verszahlen (Asterisk verweist auf die Zeile im Argumentum). Die Schreibung orientiert sich an P. Winde bzw. Windgötter wurden ins Eigennamenverzeichnis aufgenommen; Flüsse bzw. Flussgötter, Landesallegorien und Völkernamen sind im geographischen Teil verzeichnet. Eigennamen Adolphus 331 Alcides 69 Amazonides 263 Amores 114 Anguipedes 268 Anna 224; 359; 383; 525; 606 Anthaeus 69 Aquilo 326 Astraea 444 Atlas 76 Aurora 1 Bacchus 671 Bellerophon 609 Bootes 346 Britomartis 521 Cadmus 277 Caesar *11; 251; 326; 338; 476; Caesareus 232 Calliope 619; 665 Camoena 162; 688 Ceres 508; 677 Charites 49; 209 Charon 315 Chloris 94 Clio 672 Clymenaeus 7 Cymodoce 511; 679 Daedaleus 166 Daphne 447; 592 Diana *19; 587; 608 Dictynna 517 Dies 8 Enceladus 273 Euphrosyne 210 Europa 477 Eurus 53 Euterpe 57; 669 Fauni 42; 638 Favonius 115 Fortuna 254; 285; 483 Galatea 200 Ganymedaeus 639 Gigantes 268 Gradivus 271 Hamadryades 42 Hannibal 352 Hercules 63 Hesperides 3 Hesperus 45; 682 Horae 184; 457 Hyacinthos 32; 425 Hymen *15; 11; 139; 163; 365; 420; 438; 592; 644; 657; Hymenaeus *4; *9; 119; 452 Io 585 Iuno 382; 566 Iuppiter 78; 205; 247; 274; 369 Lares 385 Latona 434; Latonius 517 Lenaeus 465 Leucothoe 513 Liber 509 <?page no="186"?> 3 Anhang 186 Maius 81, 229 Maria 388 Minerva 466 Musa 12; 169; 609; 683 Nabuchodonosor *22 Nais 171 Nebrophone 521 Neptunus 187 Nereides 412 Nereus 192 Ninus 563 Nympha 109; 413 Opis 521 Orpheus 125 Palaemon 190 Pales 638 Pallas 271; 497 Pan 638 Pegaseus 154 Phaëthon 167 Philomela 130; 227. Phineus 555 Phlegon 183 Phoebus *18; *23; 122; 169; 430; 460; 468; 526 Phoenix 10 Polihymnia 669 Pomona 100 Python 122 Roscius 598 Saturnus 675; Saturnius 267 Satyri 196; 675 Semiramis 3 Silenus 674 Siren 172 Sirius 168 Stentor 671 Stephanus 642 Thalia 57; 409 Thalassius 132 Theseus 463 Thetis 191 Tilliacus 295 Tiphoeus 372 Titan 458; Titanius 273 Tonans 16 Triton 654 Tritonia 607; ~ Pallas 271 Venus 39 Victoria 377 Zephyrus 118 Geographisches aetna 620 Africa 628 Albanus mons 288 Anglipolis 323 Aonides aquae 153 Argivus 499 Assyrius 604 Athenae 499 Austria *13; 262; 326; 395; Austriacus 220; 247 Babylon 561 Bactra 571 Badensis 302 Balthicus 311 Bistonis 549 Boiaria *8; *13; Boicus 220; 231; 299; 385; 591; Boii 586 Britones 617 Chaldaeus *22; 595 <?page no="187"?> 3.2 Indices 187 Cimbri 306 Clarius 497; 607 Creta 521 Cyllenius 514 Cynthus 521; Cynthius 109; 696 Cyprius 13 Cyrrha 434 Cythereus 199 Danubius 318 Delius 467 Dodonaeus 535 Eleusinus 235 Euphrates 544 Europa 476 Fescenninus *2; 443 Ganges 29 Germanus 2 Getae 40; Geticus 127 Getulus 243 Gotthus 332 Helicon 121 Hermus 29 Indicus 198 Isara *15; 411; 676 Ister 322 Lacaenus 329 Latinus 17; 557 Libycus 63 Lycus 317 Milesius 90 Moenala 586 Moldavia 289 Monachium *17; Monacensis *6 Nilus 309 Niphateus 583 Oenus 318; 543; 651 Orontes 544 Othrysius 41 Paestanus 85 Phlegra 370 Phocis 498 Phrygius 565 Pierius 498 Praga 291 Punicus 107; Puniceus 83 Ratisbona 355 Rhenus 312 Rhodopeïus 128; 129 Roma *4; cf. *12; 14; 216; 357 Sabaeus 233 Sabinus 482 Saguntum 353 Scythicus 334 Siculus 257 Stella 290 Stymphalus 554 Suecus 314; 337 Susa 571 Theutonicus 370 Thracius 126 Tiberia 325 Tirynthius 71 Turca 41 Turlacius 300 Tyberinus 14 Vienna *9; *16; 230; 435; 641 <?page no="188"?> 3 Anhang 188 3.3 Verwendete Abkürzungen für Baldes Werke Antag. = Antagathyrsus (= op. omn. 4, 299 366) Batr. = Batrachomyomachia Homeri (= op. omn. 3, 1 152) Chor. mort. = Chorea mortualis (= op. omn. 7, 385 393) Cris. = Fragmenta Satyrae Crisis inscriptae (= op. omn. 4, 513 547) Ecl. = De eclipsi solari (= op. omn. 4, 127 298) Eleg. var. = Elegiae variae (= op. omn. 5, 243 335) Torv. Encom. = Torvitatis Encomium (= op. omn. 3, 357 393) Epod. = Epodi (= op. omn. 1, 261 308) Fam. Laur. = Fama laureata (= op. omn. 3, 255 259) El. Gen. Carm. = Eleonorae ... geniale carmen (= op. omn. 3, 203 207) Poes. Osc. = Poesis Osca sive Drama Georgicum (= op. omn. 6, 337 418) Jepht. = Jephtias (= op. omn. 6, 1 193) Lyr. = Lyrica (= op. omn. 1, 1 260) Magn. Till. = Magnus Tillius redivivus (= op. omn. 8, 1 322) Med. glor. = Medicinae Gloria (= op. omn. 4, 367 437) Mus. Neob. = Musae Neoburgicae (= op. omn. 3, 208 233) Pan. Equ. = Panegyricus equestris (= op. omn. 3, 153 196) Phil. = Paraphr. lyr. in Philomelam (= op. omn. 6, 194 258) Podagr. = Solatium Podagricorum (= op. omn. 4, 1 125) Pud. = Pudicitia Vindicata (= op. omn. 3, 305 317) Regn. Poet. = Regnum Poetarum (= op. omn. 3, 266 286) Stud. Poet. = De studio poetico (= op. omn. 3, 319 357) Sylv. = Sylvae (= op. omn. 2, 1 380) Tab. = Satyra contra abusum tabaci (= op. omn. 4, 438 468) Templ. Hon. = Templum Honoris (= op. omn. 8, 437 490) Uran. = Urania Victrix (= op. omn. 5, 1 240) Van. = Poema de Vanitate Mundi (= op. omn. 7, 1 205) 3.4 Literaturverzeichnis Adlzreiter von Tettenweiß, Johann bzw. Johannes Vervaux: Andreæ Brunneri, e Societate Jesu, Annalium Boicorum ... Partes III, München 1663. Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573 1651, München 1998. v. Albrecht, Michael: P. Ovidius Naso. Metamorphosen. Erklärt von Moriz Haupt. Unveränderte Neuausgabe der Auflage von Rudolf Ehwald, korrigiert und bibliographisch ergänzt von M. v. A., 2 Bde., Hildesheim u. a. 1966. <?page no="189"?> 3.4 Literaturverzeichnis 189 Albrecht, Michael: Christian Wolff: Rede über die praktische Philosophie der Chinesen. Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von M. A., Hamburg 1985. Axelson, Bertil: Unpoetische Wörter. Ein Beitrag zur Kenntnis der lateinischen Dichtersprache, Lund 1945. Bach, Joseph: Jakob Balde. Ein religiös-patriotischer Dichter aus dem Elsass, Freiburg i. 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Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder, München 2009. <?page no="196"?> NeoLatina herausgegeben von Thomas Baier, Wolfgang Kofler, Eckard Lefèvre und Stefan Tilg in Verbindung mit Achim Aurnhammer Bereits erschienen: 1 Ulrike Auhagen / Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Horaz und Celtis 2000, 338 Seiten €[D] 54,- ISBN 978-3-8233-5791-9 2 Ulrike Auhagen / Eckart Schäfer (Hrsg.) Lotichius und die römische Elegie 2001, 322 Seiten €[D] 54,- ISBN 978-3-8233-5792-6 3 Eckard Lefèvre / Karin Haß / Rolf Hartkamp (Hrsg.) Balde und Horaz 2002, 393 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-5793-3 4 Thomas Baier (Hrsg.) Pontano und Catull 2002, 321 seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-5794-0 5 Eckart Schäfer (Hrsg.) Johannes Secundus und die römische Liebeslyrik 2004, 370 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6080-3 6 Joachim Camerarius Eclogae / Die Eklogen herausgegeben von Lothar Mundt 2004, XXXVII, 327 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-6081-0 7 Tamara Visser Antike und Christentum in Petrarcas Africa 2004, V, 411 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6117-6 8 Gérard Freyburger / Eckard Lefèvre (Hrsg.) Balde und die römische Satire/ Balde et la satire romaine 2005, 343 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6141-1 9 Ulrike Auhagen / Stefan Faller / Florian Hurka (Hrsg.) Petrarca und die römische Literatur 2005, 337 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6142-8 10 Eckart Schäfer (Hrsg.) Sannazaro und die Augusteische Dichtung 2005, 278 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6193-0 <?page no="197"?> 11 Eckart Schäfer (Hrsg.) Sarbiewski Der polnische Horaz 2006, 321 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6224-1 12 Reinhold Glei (Hrsg.) Virgilius Cothurnatus - Vergil im Schauspielhaus Drei lateinische Tragödien von Michael Maittaire 2006, 220 Seiten €[D] 49,- ISBN 978-3-8233-6238-8 13 Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Daniel Heinsius Klassischer Philologe und Poet 2007, 443 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6339-2 14 Thorsten Fuchs Philipp Melanchthon als neulateinischer Dichter in der Zeit der Reformation 2007, 428 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6340-8 15 Eckart Schäfer / Eckard Lefèvre (Hrsg.) Michael Marullus Ein Grieche als Renaissancedichter in Italien 2008, 288 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6435-1 16 Eckart Schäfer (Hrsg.) Conrad Celtis: Oden / Epoden / Jahrhundertlied Libri Odarum quattuor, cum Epodo et Saeculari Carmine (1513) 2012, 394 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6635-5 17 Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Ianus Dousa Neulateinischer Dichter und Klassischer Philologe 2009, 360 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6525-9 18 Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Beiträge zu den Sylvae des neulateinischen Barockdichters Jakob Balde 2010, 351 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6614-0 19 Marie-France Guipponi-Gineste / Wolfgang Kofler / Anna Novokhatko / Gilles Polizzi (Hrsg.) Die neulateinische Dichtung in Frankreich zur Zeit der Pléiade / La Poésie néo-latine en France au temps de la Pléiade 2015, 340 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6702-4 20 Wolfgang Kofler / Anna Novokhatko (Hrsg.) Cristoforo Landinos Xandra und die Transformationen römischer Liebesdichtung im Florenz des Quattrocento 2016, ca. 400 Seiten ca. €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6785-7 21 Stefan Tilg / Isabella Walser (Hrsg.) Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit/ The Neo-Latin Novel in its Time 2013, VIII, 262 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6792-5 <?page no="198"?> 22 Iris Heckel (Hrsg.) Floris van Schoonhoven Lalage sive Amores Pastorales - Lalage oder Bukolische Liebesgedichte (1613) 2014, 468 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6897-7 23 Thomas Baier / Jochen Schultheiß (Hrsg.) Würzburger Humanismus 2015, X, 295 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6898-4 24 Thomas Baier / Tobias Dänzer / Ferdinand Stürner (Hrsg.) Angelo Poliziano Dichter und Gelehrter 2015, X, 278 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6977-6 25 Patrick Lucky Hadley Athens in Rome, Rome in Germany Nicodemus Frischlin and the Rehabilitation of Aristophanes in the 16th Century 2015, 185 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6923-3 26 Philipp Weiß Jacob Balde Epithalamion 2015, 195 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6993-6 <?page no="199"?> Jacob Balde, den schon die Zeitgenossen als „teutschen Horatius“ feierten, ist heute vor allem wegen seines lyrischen und satirischen Werks bekannt. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an seinem Gesamtwerk nehmen aber die Gelegenheitsgedichte ein, die Balde für konkrete öffentliche Anlässe verfasst hat. Dazu gehört auch das Epithalamion für die Hochzeit Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit Maria Anna von Österreich (1635), das in diesem Band erstmals kritisch ediert und mit einer Übersetzung und einem Kommentar erschlossen wird. Balde gibt seiner Wittelsbacherpanegyrik eine anspruchsvolle poetische Form: Der eingehenden Beschreibung des Münchener Hofgartens zu Beginn des Gedichts folgt ein Abriss der jüngeren Geschichte, den die Bayerngöttin Bavaria vor Kaiser Ferdinand in Form einer Werbungsrede vorträgt, bevor das Gedicht in einem bewegten Finale endet, das virtuos mit Versatzstücken aus dem Drama Nabuchodonosor des Tiroler Jesuiten und älteren Zeitgenossen Andreas Brunner spielt. Neo L atina