Übersetzungstheorien
0912
2016
978-3-8233-9029-9
978-3-8233-8029-0
Gunter Narr Verlag
Radegundis Stolze
Seit der Antike machen sich Übersetzer Gedanken darüber, wie man übersetzen sollte. Heute gibt es - je nach Wissenschaftsperspektive - unterschiedliche Übersetzungstheorien, die mehr oder weniger bewusst das praktische Handeln bestimmen. Dieser "narr starter" will ein Vorverständnis dafür schaffen, wie Übersetzungstheorien in ihrer Grundidee aussehen. Ideal geeignet für Einsteiger ohne Vorkenntnisse, das Wichtigste in 7 Schritten, abgerundet durch ein hilfreiches Glossar zum schnellen Nachschlagen.
<?page no="0"?> wichtige Punkte für einen erfolgreichen Start ins Thema Übersetzungstheorien zusammengefasst von Radegundis Stolze <?page no="1"?> Dr. Radegundis Stolze ist selbständige Übersetzerin und Wissenschaftsautorin zum Übersetzen. Sie arbeitete lange als Dozentin am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. <?page no="4"?> Radegundis Stolze Übersetzungstheorien <?page no="5"?> Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr-starter.de www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISSN 2509-6036 ISBN 978-3-8233-8029-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="6"?> Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Der Begriff Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Gliederung der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Übersetzen und die Sprachsysteme . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Einheit von Sprache und Denken . . . . . . . . . 13 1.2 Universalistische Übersetzungstheorie . . . . . 14 1.3 Der Übersetzungsvorgang als interlingualer Transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.4 Die sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.5 Die Äquivalenzdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2 Textlinguistik und die pragmatische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 Die Textkonstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2 Übersetzungsorientierte Texttypologie . . . . . 20 2.3 Die Sprechakttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.4 Textsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3 Die literarische Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.1 Literarische Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2 Die Manipulation School . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.3 Literatur als Polysystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 narr-starter.de <?page no="7"?> 4 Der Blick auf die Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1 Übersetzungsforschung als Feldtheorie . . . . . 29 4.2 Deskriptive Translation Studies (DTS) . . . . 30 4.3 Korpusanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.4 Wissenschaft als Interdisziplin . . . . . . . . . . . . 33 4.5 Psycholinguistische Studien . . . . . . . . . . . . . . 34 4.6 Die Translationsprozessforschung . . . . . . . . . 36 5 Die funktionale Translationstheorie . . . . . . . . . . . 39 5.1 Die neue allgemeine Translationstheorie . . . 39 5.2 Die Skopos-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.3 Übersetzen als interkultureller Transfer . . . . 42 5.4 Translation als Expertenhandeln . . . . . . . . . . 43 5.5 Der didaktische Übersetzungsauftrag . . . . . . 44 5.6 Der interpretationstheoretische Ansatz . . . . 45 6 Übersetzen und Machtverhältnisse . . . . . . . . . . . . 47 6.1 Postmoderne und der Cultural Turn . . . . . . 47 6.2 Translation als politische Ethik . . . . . . . . . . . 49 6.3 Translatorische Sichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 51 7 Die Übersetzungshermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . 53 7.1 Hermeneutische Übersetzungskompetenz . . 54 7.2 Stimmigkeit als Übersetzungsziel . . . . . . . . . 56 Textbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Anfängerübersetzung mit Fehleranalyse . . . . . . . . . 60 Funktionale Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Die hermeneutische Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . 65 Inhalt 6 narr-starter.de <?page no="8"?> Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Inhalt 7 narr-starter.de <?page no="10"?> Einleitung Wer sich mit dem Problem des Übersetzens befasst, macht bald die Erfahrung, dass es doch schwieriger ist als gedacht. Für anspruchsvolle Texte in der Literatur, aber besonders im internationalen Wirtschaftsleben und im Rechtwesen werden daher gut ausgebildete Übersetzerinnen und Übersetzer gebraucht. Ein Merkmal professionellen Handelns in der Praxis ist es dabei, zu wissen was man tut und dies zu reflektieren und damit auch begründen zu können. Das Nachdenken über die Praxis nennt man Theorie (von gr. theoria - Zuschauen, Betrachtung) und es geht darum zu fragen, was „Übersetzen eigentlich ist“, was „ein Übersetzer tut“, was „der Inhalt einer Wissenschaft vom Übersetzen“ sein könnte, in welchem Verhältnis eigentlich „Textvorlage und Übersetzungstext zueinander stehen“ und „was eine Übersetzungskritik leisten kann“. Allein das Stellen solcher Fragen macht deutlich, dass gutes Übersetzen keineswegs selbstverständlich ist. Der Begriff Übersetzung Die Übersetzung ist das schriftliche Übertragen einer schriftlich gefassten Vorlage aus einer Sprache in eine andere, und zugleich ist eine „Übersetzung“ auch das Ergebnis dieser Arbeit, die fertige zielsprachliche Version. Die Textvorlage bleibt für einige Zeit zur Bearbeitung zur Verfügung. Das „Dolmetschen“ ist die mündliche Übertragung von Gesprochenem, die sich durch hohe Konzentrationsleistung und Nichtwiederholbarkeit auszeichnet. Als „Konferenzdolnarr-starter.de <?page no="11"?> metschen“ bezeichnet man die Tätigkeit der Sprachmittler auf internationalen Konferenzen, die meist in Form des „Simultandolmetschens“ in einer Dolmetscherkabine geschieht. Beim „Verhandlungsdolmetschen“ geht es darum, in kleinen Gruppen oder bei Besprechungen Rede und Gegenrede dialogisch hin und her zu dolmetschen. Das „Kommunaldolmetschen“ ist die sprachliche Begleitung von Migranten bei Behördengängen und Arztbesuchen, häufig durch Laiendolmetscher. Die historische Rolle der Übersetzer liegt in der Vermittlung bei der Begegnung fremder Völker. Die ältesten erhaltenen Übersetzungen reichen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück, und sie betrafen vor allem die Übersetzung der religiösen Literatur, sowie von Texten wissenschaftlichen und administrativen Charakters. Seit der griechisch-römischen Antike haben sich Übersetzer Gedanken darüber gemacht, wie man recht übersetzen sollte. So sind inzwischen verschiedene „Übersetzungstheorien“ entstanden, welche mehr oder weniger bewusst das praktische Handeln bestimmen oder eine Grundlage für die empirische Forschung bilden. Hierüber unterrichtet das Buch „Übersetzungstheorien - Eine Einführung“ (narr studienbücher, 6. Auflage, Tübingen 2011), das im Folgenden mit der Abkürzung ÜT zitiert wird. Um Studierenden nun einen Einstieg in das komplexe Thema zu erleichtern, oder um allgemein Interessierten ein paar Grundlinien der Problematik aufzuzeigen, möchte der vorliegende Band ein Vorverständnis schaffen. Es werden verschiedene Übersetzungstheorien in ihrer Grundidee vorgestellt ohne kritische Diskussion, und neben der wichtigsten Literatur wird ein Glossar wissenschaftlicher Begriffe angeboten, die ja nur im Rahmen ihrer dahinterstehenden Einleitung 10 narr-starter.de <?page no="12"?> Theorie eine spezifische Bedeutung haben, um die Lektüre entsprechender Werke zu erleichtern, und es wird anhand eines Textbeispiels englisch-deutsch aufgezeigt, wie verschiedene theoretische Grundeinstellungen eines Übersetzers zu unterschiedlichen Lösungen führen können. Aufgabenvorschläge sollen zur Rekapitulation des Gelesenen anregen. Damit soll das Interesse an der Thematik insgesamt geweckt und ein Bewusstsein von der Notwendigkeit theoretischer Überlegungen entwickelt werden. Reine Praxis im beruflichen Handeln ohne theoretisches Bewusstsein ist laienhaft, und deswegen haben sich Studierende im Bereich der Fremdsprachen auch damit zu befassen. Gliederung der Theorien Bei dem Versuch, die unterschiedlichen Übersetzungstheorien zu sichten und zu ordnen, ist es sinnvoll die Perspektive des Wissenschaftlers zu verdeutlichen. Welcher Forschungsgegenstand steht besonders im Interesse? Da gibt es in vielen Ansätzen den Blick auf die Sprachsysteme, andere Erörterungen betrachten stärker die Texte in ihrer Form, wieder andere befassen sich vor allem mit der Disziplin der Übersetzungsforschung selbst. Zu Ende des 20. Jh. stand vor allem der Blick auf das Handeln der Übersetzer im Vordergrund, und folgerichtig hat sich schließlich die Perspektive auf den Übersetzer als Person verschoben, der diese Handlungen vollbringt und selbst in einem Netz von Bedingungen steht. Der Umgang mit Sprache ist aber ein Phänomen des Denkens, weshalb die Kognitionsforschung heute die kognitiven Grundlagen des Übersetzens untersucht. Gliederung der Theorien 11 narr-starter.de <?page no="13"?> Diese Gliederung stellt keineswegs eine lineare Fortentwicklung der Übersetzungswissenschaft dar, wo dann jeweils eine jüngere Theorie die ältere verdrängt, ergänzt oder überholt hätte, denn viele Theorien sind auch unabhängig voneinander an verschiedenen Orten entstanden, nicht ohne freilich auf bislang noch unbefriedigend gelöste Fragestellungen von anderen einzugehen. Dieses Nebeneinander von zum Teil widersprüchlichen Aussagen über das Übersetzen macht das Ganze so komplex, und bis heute sind die Grenzen der Disziplin „Übersetzungswissenschaft“ nicht definiert. Dennoch lässt sich eine gewisse historische Verschiebung der Wissenschaftsperspektive von den Sprachen über die Texte hin zu den Trägern der Sprachhandlungen beobachten, welche auch der Entwicklung der allgemeinen Linguistik vom Sprachsystem über die Pragmatik zur Kulturforschung folgt. Die Sprachzeichen gelten ja als ein Indikator für eine dahinterstehende Wirklichkeit und Theorie ist der Versuch, die vielfältigen Strukturen und Zusammenhänge eines konkreten Sachverhalts in einem abstrakten Modell darzustellen, sodass eine Problematik klar hervortritt. Praxis demgegenüber bezeichnet das konkrete Handeln in der Gesellschaft und beinhaltet daher immer ein Element der Subjektivität und der Dynamik. Automatische Vorgänge sind keine Praxis. Einleitung 12 narr-starter.de <?page no="14"?> 1 Übersetzen und die Sprachsysteme 1.1 Einheit von Sprache und Denken Erst im 19. Jh. entwickelte sich ein differenziertes Nachdenken über die Sprache und deren Funktion (ÜT, 26 ff.). Man nahm an, dass in der Sprache der „Geist eines Volkes“ zum Ausdruck kommt, weshalb das Übersetzen sehr schwierig ist. Man muss sich eine Fremdsprache aneignen, in deren Kultur hineinwachsen, es zeigt sich die Verschiedenheit der Einzelsprachen. Friedrich Schleiermacher, der heute als der Begründer der modernen Übersetzungswissenschaft gilt, meinte man könne beim Übersetzen nicht einfach so schreiben, als ob der Autor „als Deutscher zu Deutschen würde geredet und geschrieben haben“. Vielmehr müsse der Übersetzer sich bemühen, die Leser zum Autor hin zu bewegen, weil eben die Übersetzung „zu einer fremden Ähnlichkeit hinüber gebogen sei“. Dadurch ergibt sich eine gewisse „Verfremdung“ beim Übersetzen. Im Rahmen dieser Vorstellung gab es die Sprachinhaltsforschung, welche nach sog. „typischen Begriffen“ im Weltbild einer Muttersprache sucht, wie z. B. esprit, charme für die Franzosen, saúde für die Portugiesen, fairness für die Engländer oder Gemütlichkeit für die Deutschen. Die Konzentration auf solche Besonderheiten führt natürlich zur Unmöglichkeit des Übersetzens, da eine andere Sprache dies formal nie einholen kann. Walter Benjamin betont das „Magische in der Sprache“ und fordert, die Übersetzung solle durchscheinend sein, dem Original nicht im Licht stehen. narr-starter.de <?page no="15"?> Ein späterer Reflex dieser Auffassung ist die postmoderne Literaturtheorie der sog. „Dekonstruktion“, in der mit Blick auf die Sinnschwankungen einzelner Wörter das Erfassen eines angeblich „logozentrischen“ Gesamtsinnes von Texten bestritten wird. Das richtete sich vor allem gegen überkommene Autoritäten im Bildungswesen und in der Gesellschaft sowie das Verbot Texte auch mal anders zu interpretieren. Hier wird vom „Unfassbaren, Unberührbaren“ gesprochen, das den Übersetzer fasziniere, aber doch sein Bemühen in eine Sackgasse lenkt. Das Ziel ist eigentlich Ideologiekritik. 1.2 Universalistische Übersetzungstheorie Eine ganz andere Ausgangssituation für das Übersetzen ergibt sich, wenn man die Sprache einfach als ein Kommunikationsinstrument sieht mit der Funktion den Gedanken Ausdruck zu verleihen. Dann kommt es nicht mehr auf die verschiedenartigen Ausdrucksformen an, sondern auf die gemeinsamen Inhalte. Alle Menschen haben ja eine Vernunft als Quelle der Erkenntnis, und dies bewirkt eine überindividuelle Geltung der Sprache. Wissenschaftlich kann nun die Sprache objektiviert werden, ihr System wird untersucht und die verschiedenen Sprachen werden verglichen und in ihren Zeichen auf gemeinsame indogermanische Wurzeln zurückgeführt (ÜT, 37 ff.). Ferdinand de Saussure unterschied zwei Ebenen der Sprachanalyse: Objekt der Sprachwissenschaft ist das Sprachsystem (langue) als abstraktes Inventar von Sprachzeichen und einem grammatischen Regelsystem zu ihrer Verknüpfung, das alle Individuen internalisiert haben. Empirisch beobachtbar sind allerdings nur die tatsächlichen 1 Übersetzen und die Sprachsysteme 14 narr-starter.de <?page no="16"?> Sprachäußerungen, die Rede (parole). Die nun entstandene Linguistik untersucht systematisch die Zeichen aus Form und Inhalt, die für einen Begriff stehen und bei ihrer Verwendung eine Bezeichnungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion haben. Die Semantik untersucht den Bedeutungsgehalt von Wörtern und stellt dies in Relation zu ähnlichen Wörtern in anderen Sprachen. Man geht von einer „absoluten Übersetzbarkeit“ von Zeichen aus und unterscheidet hier sogar zwischen „intralingualer Übersetzung“ (als Umschreibung mit Zeichen derselben Sprache), „interlingualer Übersetzung“ (mit Zeichen einer anderen Sprache) sowie der „intersemiotischen Übersetzung“ (mit nichtsprachlichen Zeichen). Für die Übersetzung braucht man also nur nach der gemeinsamen Bedeutung quasi als Tiefenstruktur von zwei verschiedenen Ausdrücken zu suchen. Diese aufklärerische Entmythologisierung der Sprache als einem Zeichensystem zum Zweck der Kommunikation hat es ermöglicht, diese zu analysieren. 1.3 Der Übersetzungsvorgang als interlingualer Transfer Folgerichtig wird die Übersetzung als Kommunikationsvorgang mit Kodierungswechsel aufgefasst (ÜT, 50 ff.). Wichtig ist, dass die zu übermittelnde Information unverändert bleibt: Der Sender enkodiert eine Information, der Übersetzer als erster Empfänger wandelt diese um und schickt sie weiter, und der Empfänger im Zielbereich dekodiert sie wieder (Otto Kade). Das Übersetzen ist somit ein interlingualer Transfer, und das Fehlen von Eins-zu-Eins-Entsprechungen wirkt sich nachteilig aus. So wurde es zur Aufgabe der linguistischen Übersetzungswissenschaft, die Zuord- 1.3 Der Übersetzungsvorgang als interlingualer Transfer 15 narr-starter.de <?page no="17"?> nungsbeziehungen auf der Systemebene zu beschreiben, als da sind 1: 1-, 1: viele-, viele: 1-Entsprechungen, Teilübereinstimmungen und 1-zu-Null-Entsprechungen (Lücken) auf der Wortebene. Dies wird heute in der Lexikographie aufgelistet. Übersetzen wurde definiert als die „Ersetzung von Textmaterial in einer Sprache durch äquivalentes Textmaterial in einer anderen Sprache“ (John Catford). Sog. „translation shifts“ erfolgen dann, wenn wörtliches Übersetzen nicht möglich ist und stattdessen eine andere grammatische Konstruktion eingesetzt wird. Die Übersetzungsqualität kann durch eine möglichst umfassende grammatisch-syntaktische Beschreibung der Texte nachgewiesen werden (Juliane House). Der standardisierte Transfer kann als Übersetzungsfertigkeit gelernt werden (Wolfram Wilss). 1.4 Die sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft Wegen der formalen Verschiedenheit der Einzelsprachen entstand die sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft, die sich auf die Transferproblematik eines Sprachenpaars konzentriert. Die Grundlage hierfür ist die „Stylistique comparée“ (ÜT, 69 ff.), die von den Kanadiern Vinay und Darbelnet für Französisch und Englisch entwickelt wurde. Sie beschreibt die möglichen Übersetzungsverfahren in einem Sprachenpaar in Bezug auf Wörter und Syntagmen, wobei es sieben Verfahren gibt, was interessanterweise auch für andere Sprachenpaare gilt. Neben der Wortentlehnung (emprunt) gibt es die Lehnübersetzung (calque) und die wortgetreue Übersetzung (traduction littérale). Die Transposition ist ein Wortartwechsel, während die Modulation 1 Übersetzen und die Sprachsysteme 16 narr-starter.de <?page no="18"?> einen inhaltlichen Perspektivenwechsel darstellt. Die Adaptation ist eine textuelle Kompensation von soziokulturellen Unterschieden. Bis heute werden diese Bezeichnungen vor allem in der Fremdsprachendidaktik und Fehleranalyse verwendet, das Vergleichskriterium ist jeweils die Sprachform. So kann man auch wörtliches (Substitution) vom nichtwörtlichen Übersetzen (Paraphrasieren) unterscheiden. Die sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft ist mikrostilistisch orientiert und steht dem Sprachvergleich und der kontrastiven Grammatik sehr nahe. Sie klassifiziert deskriptiv das Verhalten von Übersetzern und verwendet die gewonnenen Kategorien dann präskriptiv für die Übersetzungsdidaktik als „Technik des Übersetzens“. Die Bindung an die ausgangssprachlichen Strukturen erscheint als ein Garant für die unverfälschte Wiedergabe des Textinhalts. Entsprechend steht die Forderung dieser Übersetzungswissenschaft nach der „Herstellung von eigentlichen Übersetzungswörterbüchern“ im Raum. Die Idee ist, dass mit der Summe der festgestellten, vor allem syntaktischen Einzelmerkmale das dahinterliegende Gemeinte, die gedankliche Tiefenstruktur, quasi objektiv und restlos gegeben sei. Dies kommt von Saussures Theorie des unauflöslichen Zeichens her. 1.5 Die Äquivalenzdiskussion In der Praxis zeigten sich allerdings, exemplarisch in der Bibelübersetzung für die Überseemission, einige konkrete Schwierigkeiten. Im Zielbereich hatten die Übersetzungen nicht dieselbe erwartete Wirkung wie die Ausgangstexte (ÜT, 87 ff.). So schlägt Eugene Nida eine „dynamische Äquivalenz“ der Übersetzung vor, die sich in nichtwörtlicher 1.5 Die Äquivalenzdiskussion 17 narr-starter.de <?page no="19"?> oder veränderter Form als das „natürliche Gegenstück zur Ausgangsbotschaft“ anbietet. Virulent wird nun die Aporie zwischen „Treue und Freiheit“ in der Wiedergabe von Textstrukturen als ein Grundproblem des Übersetzens. Man bemüht die „philologische Genauigkeit“, um kommunikativ induzierte Abweichungen zu rechtfertigen, die eben dem Inhalt besser entsprechen und nicht so gestelzt wirken. Der Unterschied zwischen Übersetzung und Bearbeitung ist ein Thema (Michael Schreiber). Schließlich werden normative Äquivalenzforderungen (Werner Koller) aufgestellt, nach denen auf Gesamttextebene verschiedene Äquivalenzen realisiert werden sollen: Übersetzungen haben nach fünf Bezugsrahmen äquivalent zu sein: denotativ, konnotativ, textnormativ, pragmatisch, formalästhetisch, das bedeutet: es sollen der außersprachliche Sachverhalt sowie die Nebenbedeutungen wie z. B. Stilschicht wiedergegeben werden, dann auch sollen die Gebrauchsnormen für bestimmte Texte beachtet werden und die Übersetzung soll auf die Empfänger eingestellt werden, nicht ohne schließlich bestimmte formalästhetische Eigenschaften des Ausgangstextes zu wahren. Hierzu ist freilich eine Hierarchisierung nötig. „Äquivalenz“ ist allerdings ein Zustand, den man als Übersetzer nicht herstellen kann, sondern der erst im Nachhinein in der Übersetzungskritik konstatiert wird. 1 Übersetzen und die Sprachsysteme 18 narr-starter.de <?page no="20"?> 2 Textlinguistik und die pragmatische Dimension In den 1970er Jahren wandte sich die Linguistik verstärkt satzübergreifenden Strukturen zu, es entstand die Textlinguistik. Dies ist für das Übersetzen relevant, denn es werden ja nicht Wörter und Sätze übertragen sondern ganze Texte (ÜT, 104 - 136). Die Textlinguistik fragt nach den Grundbedingungen der Textkonstitution und hat Methoden zur Beschreibung von Textkohärenz entwickelt. Ferner hat sie textexterne und -interne Merkmale von Textsorten benannt, deren Vergleich beim Übersetzen wichtig ist. 2.1 Die Textkonstitution Texte entstehen grammatisch durch Satzverknüpfung, und so sieht die Textlinguistik den Text als ein komplexes sprachliches Zeichen. Buchteile, Kapitel, Sektionen, Paragraphen, Sätze, Wörter usw. sind als „Textsegmente“ zu betrachten. Syntaktische, semantische und pragmatische Dimensionen spielen hier eine Rolle. Sprachspezifische Unterschiede der Syntax werden deutlich, da das Deutsche z. B. mehr Freiheiten in der Wortstellung besitzt als andere Sprachen, was übersetzerisch relevant ist. Auch Gliederungssignale in Texten wurden untersucht, denn bestimmte Textarten sind in einer Kultur standardmäßig aufgebaut, doch in einer anderen haben sie eine andere Struktur, wie z. B. Gerichtsurteile. narr-starter.de <?page no="21"?> 2.2 Übersetzungsorientierte Texttypologie Ausgehend von dem Gedanken, dass die Struktur eines Textes dessen Übersetzung beeinflusst, hat Katharina Reiß eine sog. „übersetzungsorientierte Texttypologie“ entwickelt (ÜT, 112). Sie unterscheidet zwischen verschiedenen Texttypen, anhand derer auch die Übersetzungskritik besser begründbar wird. Nicht jeder Text erfordert dieselben Maßnahmen, und dass es Unterschiede zwischen literarischen und fachlichen Texten gibt, ist klar. Bezugnehmend auf die drei kommunikativen Zeichenfunktionen (Bezeichnung, Ausdruck, Appell) werden funktionale Texttypen bestimmt. Die Textvorkommen werden in drei Gruppen eingeteilt, wobei Überschneidungen nicht ausgeschlossen sind: 1) Informativer Texttyp (sachorientiert): Textsorten Bericht, Aufsatz, Urkunde, Gebrauchsanweisung, Kommentar, Sachbuch, Zeitungsartikel; 2) Expressiver Texttyp (senderorientiert): Textsorten Roman, Novelle, Lyrik, Schauspiel, Komödie, Lehrgedicht, Biographie; 3) Operativer Texttyp (verhaltensorientiert): Textsorten Predigt, Propaganda, Reklame, Demagogie, Pamphlet, Satire, Tendenzroman, usw. Reiß vertritt nun die Meinung, dass der Texttyp infolge seines je spezifischen Charakters über die zu wählende Übersetzungsmethode entscheide. Dabei soll die Textfunktion erhalten bleiben. Übersetzungskritisch ist zu vermerken, dass z. B. bei einem „informativen Texttyp“ gewisse expressive Elemente für die Übersetzung nicht so wichtig sind. Die Dominanz des Empfängerbezugs bei appellbetonen Texten und im operativen Texttyp bewirkt dagegen, dass der 2 Textlinguistik und die pragmatische Dimension 20 narr-starter.de <?page no="22"?> Übersetzer sich fragt, „ob dieselben sprachlichen Mittel in der Zielsprache (ZS) ihre Appellwirkung behalten“. Die textlinguistische Erweiterung der Übersetzungswissenschaft hat das Augenmerk auf wertvolle Aspekte der Textkonstitution, Kohärenz und Textgliederung von Textsorten gelenkt. Mit dem Blick auf außersprachliche, textexterne Bedingungen wurde auch die linguistische Fixierung auf rein lexikalische und syntaktische Strukturen aufgebrochen. 2.3 Die Sprechakttheorie Der Blick weitete sich auf die pragmatische Einbettung von Sprache, jenseits rein strukturalistischer Analyse (ÜT, 124). Als „Vater der Pragmatik“ ist Ludwig Wittgenstein genannt worden, der Sprechen und Handeln unter dem Begriff „Sprachspiel“ gefasst hat. Sprechen ist auch ein Handeln: „Worte sind auch Taten“. Damit muss man aber diese konkrete Verwendung auch als Bestandteil ihrer Zeichenbedeutung ansehen. John L. Austin nimmt diese These auf und entwickelt die „Sprechakttheorie“. Ausgehend von sprechaktbezeichnenden „performativen Verben“ (wie z. B. versprechen, warnen, taufen, wetten, bitten, versichern, verbieten, usw.) erörtert Austin den Wortgebrauch. Ein „lokutionärer Akt“ ist ein sprachliches Ereignis, ein „illokutionärer Akt“ ist es, wenn damit die Handlung des Versprechens vollzogen werden soll, und ein „perlokutionärer Akt“ ist es, wenn das Versprechen geglaubt und so das beabsichtigte Ziel erreicht wird. Für das Übersetzen ist dies relevant, da einerseits die Sprechakte genau zu beachten und korrekt zu übertragen sind, und da andererseits auch ein und dieselbe Äußerung 2.3 Die Sprechakttheorie 21 narr-starter.de <?page no="23"?> mit verschiedenen Illokutionen verknüpft sein kann. Ein grammatischer Fragesatz etwa ist nicht immer eine Frage, sondern beispielsweise auch mal eine „rhetorische Frage“ und damit eine emphatische Behauptung. Wichtig ist es daher für Übersetzer, die Illokutionsindikatoren in den Texten zu erkennen, wie etwa performative und verdeckte performative Verben, Modalverben, Adverbien und Partikel. Die illokutionäre Funktion von Äußerungen beruht auf der sozialen Relation zwischen Sprecher und Hörer, dem Vertrautheitsgrad, Höflichkeitsformeln usw. Als „Strategie der Übersetzung“ unterstreichen Hönig und Kußmaul die Bedeutung solcher Aspekte, die dann auch begründet zu Transpositionen führen können. Auch die funktionale Satzperspektive (wer redet? ) und die Betonung in Sätzen ist in der Übersetzung zu beachten, denn die Wortstellung ist in den Einzelsprachen unterschiedlich streng geregelt. 2.4 Textsorten Die Frage nach Signalen der Pragmatik, also des Sprachgebrauchs in Rede und beschreibbaren Textformen führt zur Beobachtung wiederkehrender textinterner Strukturen, aufgrund deren sich Texte generieren lassen. Sie sind stets mit bestimmten wiederkehrenden Gebrauchssituationen verknüpft. Zur Beschreibung bestimmter Textsorten werden textinterne Merkmale, wie z. B. Invarianten der Textgliederung, als auch textexterne oder situative Merkmale wichtig. Textsorten sind überindividuelle Sprech- oder Schreibakttypen, die an wiederkehrende Kommunikationssituationen gebunden sind und bei denen sich aufgrund ihres wiederholten Auftretens charakteristische Kommunikations- und 2 Textlinguistik und die pragmatische Dimension 22 narr-starter.de <?page no="24"?> Textgestaltungsmuster herausgebildet haben. Nicht jeder einzelnen Situation entspricht also eine eigene Textsorte. Textsorten sind wichtig fürs Fachübersetzen, denn im Zielbereich sollte die dort übliche Form der Textsorte verwendet werden, so dass nicht durch wörtlichen Zeichentransfer ein unangebrachter Text entsteht. Solche Textsorten lernt man am besten durch Paralleltexte kennen. 2.4 Textsorten 23 narr-starter.de <?page no="25"?> 3 Die literarische Übersetzung Die literarische Übersetzung, das heißt die Übertragung künstlerischer, religiöser und philosophischer Texte bildet von jeher einen zentralen Bereich des Übersetzens. Literarische Texte zeichnen sich durch eine besondere kreative Gestaltung aus (ÜT, 137 ff.). So gilt hier vielen Übersetzern und Wissenschaftlern deren Übersetzung als eine „Kunst“. 3.1 Literarische Qualität Literarische Texte weisen besondere stilistische Eigenschaften auf, deren Vorkommen und Wirkung auch in Übersetzungen analysiert wird, wobei es um die Beschreibung dynamischer Übersetzungslösungen geht, wie auch schon die Rede vom „expressiven Texttyp“ andeutete. Hinsichtlich der formalen Besonderheiten, welche die „Literarizität“ ausmachen, hat Jiří Levý eine normative Theorie des literarischen Übersetzens entworfen. Er isoliert und betrachtet systematisch bestimmte Oberflächenstrukturen an Texten, wie etwa Aspekte von Rhythmus, Klang, kreative Formen, Metaphern und Normabweichungen, die diese als „literarisch“ im Gegensatz zu gewöhnlichen Texten auszeichnen. Levý definiert diese stilistischen literarischen Merkmale als Elemente innerhalb eines semiotischen Systems, in Relation zu anderen Textsegmenten (synchronisch) und zu anderen Wörtern in Texten der literarischen Tradition (diachronisch), und gründet darauf seine Forderung nach einem Erhalt der Literarizität im Übersetzen. Für Levý ist die literaturwissenschaftliche Theorie der Übersetzung eine narr-starter.de <?page no="26"?> „illusionistische“. Der Übersetzer verbirgt sich hinter dem Original mit dem Ziel, beim Leser eine übersetzerische Illusion zu wecken, nämlich dass er ein Original lese. Es soll die „Qualität des Originals beibehalten“ werden. Wichtig ist nicht so sehr der Text des Werkes, sondern dessen ästhetischer Wert. Von der Kreativität des Übersetzers hängt es dann ab, welche formalen Veränderungen er einführt. Auf eine ähnliche Lösung der Nachahmung des Originals als Mimesis läuft auch der Ansatz von George Steiner hinaus. „Übersetzen“ ist die zentrale Metapher seines Denkens: indem wir sprechen und verstehen, übersetzen wir. Man „übersetzt“ die eigenen Gedanken in ein artikuliertes Zeichensystem, Texte aus früheren Epochen in die Sprache der Gegenwart, und aus entfernten Kulturen in die eigene Sprache. Steiner liefert den Entwurf eines Prozessmodells des Übersetzungsaktes, das er in der Tradition der Hermeneutik situiert. Im verstehenden Vorgang des zwischensprachlichen Übersetzens identifiziert er vier Phasen, nämlich Sinnvertrauen, Aggression, Einverleibung und ein Ausgleichsstreben in Form einer kreativen Übersetzung. Seine Betonung der Kreativität, des schöpferischen Sprechens und Schreibens hat besonders im englischen Sprachraum Resonanz gefunden. 3.2 Die Manipulation School Bei einer Betonung der übersetzerischen Kreativität und der Orientierung an den Lesern, die illusionistisch einen leicht lesbaren Text erwarten, ist es nicht ungewöhnlich, dass in umgekehrter Perspektive entsprechende nichtwörtliche Textveränderungen als „Manipulation“ bezeichnet wurden (ÜT, 144 ff.). 3.2 Die Manipulation School 25 narr-starter.de <?page no="27"?> In Belgien und den Niederlanden entstand in den 1970er Jahren eine übersetzungstheoretische Schule, die Übersetzungsforschung als Teil der Vergleichenden Literaturwissenschaft behandelt (Theo Hermans). Hier werden Übersetzungen, einfach so wie sie sind, anhand von Fallstudien analysiert, um daraus theoretische Rückschlüsse über das Übersetzen ziehen zu können. Aufgrund der festgestellten formalen Textveränderungen gelangte man zu der Feststellung, dass „jegliche Übersetzung einen gewissen Grad an Manipulation des Quelltextes für einen bestimmten Zweck“ darstelle. Diese Schule bekam bald den Namen „Manipulation School“. Gefragt wird, welche gesellschaftlichen Faktoren denn das Übersetzen als ein „rewriting“ (André Lefevere) beeinflussen, wie etwa Patronage, regelhaftes Übersetzerverhalten oder die Kompensation fremdkultureller Gegebenheiten. Diese Art der deskriptiven Analyse von Übersetzungen eröffnete ein unendliches Feld literaturwissenschaftlicher und auch kolonialismuskritischer Untersuchungen im angelsächsischen Sprachraum, das bis heute wirksam ist. 3.3 Literatur als Polysystem Die manipulationistischen Fallstudien greifen einen Perspektivenwechsel auf und untersuchen das Umfeld der Übersetzungen. Damit öffnet sich der Blick auch auf Auswirkungen, die von literarischen Übersetzungen in ihrer Zielkultur ausgehen. Die Übersetzung wird nicht mehr nur als ein „produziertes“, sondern auch als ein „produzierendes“ Objekt gesehen, ein Gedanke der auch bei Steiner auftrat. Hauptanliegen ist es, die Wirkung von Übersetzungen innerhalb der Nationalliteratur einer Zielkultur zu unter- 3 Die literarische Übersetzung 26 narr-starter.de <?page no="28"?> suchen, denn Übersetzungen bringen immer ein fremdes Element mit sich und spielen daher auch eine innovative Rolle innerhalb dieser Literatur. Diese literarische Übersetzungstheorie ist Ende der 1970er Jahre in Tel Aviv von einer Gruppe um Itamar Even-Zohar entwickelt worden. Man sieht die Literatur in einer gegebenen Kultur als ein „Polysystem“, in welchem verschiedene Genres, Schulen, Strömungen und anderes ständig miteinander im Wettstreit um die Gunst des Lesers liegen. Und dann ist „Literatur“ nicht mehr der feierliche, statische Gegenstand der Kanoniker, sondern ein höchst wandelbares „kinetisches Gebilde“. Es gibt Zentrum und Peripherie, und Veränderungen treten oft an den Rändern auf und werden erst später oder auch nie zum Mainstream. Jede Kultur ist ein Polysystem aus hierarchischen Subsystemen, und Übersetzungen greifen hier verändernd ein. Viele Untersuchungen betreffen auch das Übersetzen zwischen den europäischen dominanten Kolonialsprachen und den Texten in einheimischen Sprachen. In diesem Sinne kann man deskriptiv auch eine „Kulturgeschichte der Übersetzung“ erstellen (ÜT, 150), denn der Beitrag der Übersetzung zur interkulturellen Bereicherung des literarischen Lebens ist hoch. Für den deutschen Sprachraum wurde dies in den 1980er Jahren untersucht am „Sonderforschungsbereich literarische Übersetzung“ in Göttingen. Vielerlei Studien über die Weltliteratur in Übersetzungen und deren Wege entstanden, was besonders auch die Sensibilität für die Problematik der Repräsentation fremder Kulturen in Texten geschärft hat. Das so verstandene Übersetzen spielt sich in einem institutionellen Geflecht von Verlegern, Herausgebern und literarischen Promotern/ Kritikern ab. Die Tätigkeit 3.3 Literatur als Polysystem 27 narr-starter.de <?page no="29"?> der Übersetzer impliziert dabei deren Absicht „Äquivalenzen“ herzustellen, auch wenn sie Differenzen formulieren. Die Tätigkeit der zielsprachigen Leser impliziert, dass sie das Werk nur im Kontext der Zielliteratur aufnehmen, und nicht etwa eine Übersetzungskritik anfertigen, also der Illusion folgen. Der Status repräsentativer historischer Kulturereignisse wird untersucht, denn sie beeinflussen die Übersetzungskultur, es gab sog. Kometenschweifanalysen. Zielkulturen werden durch Übersetzungen bereichert, indem neue Gedanken eingeführt werden und Sprachformen stilbildend wirken können. 3 Die literarische Übersetzung 28 narr-starter.de <?page no="30"?> 4 Der Blick auf die Disziplin Nach wie vor wird immer wieder gefordert, die Grenzen der Disziplin „Übersetzungswissenschaft“ genauer zu umreißen. Dies ist nicht leicht, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten sich mit dem Problem der Übersetzung zu befassen. 4.1 Übersetzungsforschung als Feldtheorie Da sind einerseits theoretische Überlegungen zum Übersetzen, wie zum Beispiel solche der linguistischen Übersetzungswissenschaft, wo der Vorgang als „interlingualer Transfer“ bezeichnet wurde, oder man kann fertige Übersetzungen empirisch untersuchen. Letzeres hilft der Übersetzungswissenschaft vor allem, sich nicht länger als ein Teilgebiet der Sprach- oder der Literaturwissenschaft zu sehen (ÜT, 155 ff.). James S. Holmes bestimmte die Übersetzungsforschung als eine „Feldtheorie“, in welcher verschiedene Forschungsansätze angesiedelt sind. Im Bereich der „reinen“ Forschung sieht er allgemein theoretische (zum Transfer) und teilweise theoretische Ansätze (zu Medien, Textarten, Zeitlichkeit, Problemspezifik u. a.) sowie deskriptive Forschungsansätze (zu Produkt, Prozess, Funktion). Daneben gibt es die angewandte Forschung zur Übersetzerausbildung, zu Hilfsmitteln, Übersetzungskritik. Dies befreite die Übersetzungswissenschaft von der Fixierung auf rein theoretische Fragestellungen wie etwa der Übersetzbarkeit, und machte andererseits angewandte Arbeitsgebiete wie die Didaktik auch „hoffähig“. Holmes spricht deshalb nicht von „science narr-starter.de <?page no="31"?> of translation“ (Nida), sondern von „translation studies“, doch besonderes Augenmerk liegt auf der empirischen Forschung. 4.2 Deskriptive Translation Studies (DTS) In einer empirischen Wissenschaft kommt der Deskription eine entscheidende Rolle zu, denn nur aus der Analyse beobachteter Fakten können wissenschaftliche Schlüsse gezogen werden. Dies ist vor allem von Gideon Toury ausführlich dargestellt worden. Ziel ist die Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Phänomenen im Bereich des Übersetzens, was mit der Analyse fertiger Übersetzungen (nicht mehr nur literarischer Natur) erfolgt. Es sollen Ergebnisse erzielt werden, die die bestehende Theorie vom inhaltsgetreuen, äquivalenten Übersetzen überprüfen, überwinden und speziell modifizieren könnten. Die Reziprozität zwischen theoretischen und deskriptiven Bereichen soll zu immer besser ausgefeilten und interessanten Studien führen. Empirie ist ein Wert an sich und produziert ständig neue Forschungsdesiderate. Im Sinne der empirischen Wissenschaft sollten so wenig wie möglich vorab bestimmte Annahmen gemacht werden, die dann angesichts realer Beobachtungen wieder zunichte würden. Es werden kulturinterne Fakten zum Ausgangspunkt genommen und deren Variabilität untersucht. Dagegen hat die Übersetzung systemisch keinen gemeinsamen Raum mit ihrem (echten oder angeblichen) Ausgangstext, auch „Pseudoübersetzungen“ werden zu ihren Wirkungen untersucht. 4 Der Blick auf die Disziplin 30 narr-starter.de <?page no="32"?> 4.3 Korpusanalysen Weil Wissenschaft (science) als solche dadurch gekennzeichnet sei unablässig nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen, indem z. B. alle Relationen zwischen den festgestellten Variablen in einem bestimmten Forschungsfeld bestimmt werden, fordert Toury zur theoretischen Herausarbeitung übersetzerischer Gesetzmäßigkeiten oder Regularitäten, den „laws of translational behavior“ auf. Zunächst wird festgestellt, dass die altbekannten Generalisierungen, wie z. B. der Umgang mit Metaphern natürlich keine Gesetze darstellten, sondern vielmehr Listen von Möglichkeiten sind (Übersetzung mit Metapher oder ohne, einer kreativen oder lexikalisierten, etc.). Auch die in der äquivalenzorientierten Übersetzungswissenschaft üblichen Anweisungen (man sollte, muss . . . übersetzen) seien keine Regeln, sondern simple präskriptiv-normative Vorschriften, die nur befolgt oder eben ignoriert werden könnten.Ihm geht es wissenschaftlich darum, die Faktoren der Translation als solcher zu entdecken, nämlich die Relationen zwischen Variablen. Jedes Relationsgesetz (relational law) ist probabilistischer Natur, denn es wird konditional formuliert: wenn X (der bedingende Faktor) gegeben ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Y (ein beobachtetes übersetzerisches Verhalten) auftritt, größer oder kleiner. Es geht um die Suche nach Universalien des Übersetzens. Um allerdings bestimmte übersetzerische Reaktionen auf Textstrukturen wirklich vorhersehbar zu machen, sind unzählige Faktoren mit einzubeziehen. Die Anregungen wurden in den 1990er Jahren systematisch in der korpusbasierten Übersetzungsforschung auf- 4.3 Korpusanalysen 31 narr-starter.de <?page no="33"?> genommen, ein Forschungsbereich, der bis heute aktiv ist. Mit empirisch-statistischen Methoden wird der übersetzerischen Reaktion auf Textstrukturen nachgegangen. Vor allem im englischen Sprachraum wurden mit dem Vergleich von Texten und ihren Übersetzungen sowie im Vergleich zu nicht übersetzten Paralleltexten ähnlichen Typs bestimmte Regularitäten eruiert: explicitation, simplification, standardization, the “law of interference” und “the unique items hypothesis” wurden gefunden. Althergebrachte Überzeugungen (predictive hypotheses), wie etwa Übersetzungen seien oft „flacher“ als das Original, oder Übersetzer würden implizites Wissen bisweilen überdeutlich ausdrücken, oder sie würden der Interferenz als Einfluss der Ausgangssprache unterliegen, konnten so verifiziert werden. Verwendet werden hierfür „annotierte Korpora“. Ein Korpus ist eine elektronisch erfasste Sammlung möglichst vieler authentischer Texte sowie Übersetzungen in einer Sprache, die mit bestimmten Softwaremethoden auf diversen linguistischen Ebenen (phonologisch, morphologisch, semantisch, lexikalisch, syntaktisch, diskursanalytisch, stilistisch, usw.) gekennzeichnet, d. h. annotiert werden. Hier wird auf die Erkenntnisse der Stylistique comparée und auf Catfords Shifts zurückgegriffen. Es können Stilvorlieben eines Übersetzers nachgewiesen werden. Manche, einem Übersetzer intuitiv als kreativ erscheinende Lösungen können sich auch als Spiegel des sprachlich Üblichen herausstellen. Die Korpusanalysen zeigen Muster des mikrostilistischen übersetzerischen Verhaltens auf, geben aber keine Anweisungen zum konkreten richtigen Handeln. Allerdings werden Parallelkorpora sowie Analyseergebnisse auch in der Übersetzungsdidaktik und Fehleranalyse verwendet, um idiomatische Ausdrucksweisen zu erlernen 4 Der Blick auf die Disziplin 32 narr-starter.de <?page no="34"?> und Bewertungskriterien objektiver zu machen (House). Die Kriterien sind dabei grammatisch-syntaktischer Natur, und so findet die Korpusanalyse auch in der Maschinellen Übersetzung eine Anwendung. 4.4 Wissenschaft als Interdisziplin Nach Meinung von Mary Snell-Hornby könnte die Übersetzungstheorie auch im Sinne einer interdisziplinären Integration verschiedener Methoden Profil gewinnen (ÜT, 165). Sie plädiert für ein Aufweichen festgefahrener Systematiken in der Übersetzungstheorie. Für sie ist Übersetzungswissenschaft weiterhin übersetzerische Produktionstheorie, bemüht um die Klärung der Voraussetzungen für das Anfertigen von Übersetzungen und die Entwicklung von Anweisungen, wie dies am besten geschehen soll. Diese Aufgabe bleibt, trotz der forcierten Betonung der Deskription in den DTS, weiterhin legitim und gehört mehr zum theoretischen Teil der Übersetzungsforschung. Man sollte von der als wissenschaftliches Axiom geltenden Tendenz zur starren Kategorisierung loskommen. Von den 5 Arten der „potentiellen Entsprechungen“ der linguistischen ÜW über die 7 Übersetzungsprozeduren der Stylistique comparée, von Kollers 5 Äquivalenzforderungen bis u. a. zu Reiß’ 3 Texttypen und diversen Sprechakten blieb bislang jede Vorstellung von schwimmenden Übergängen im Sprachlichen ausgeklammert. Snell-Hornby beklagt unter Verweis auf Steiner, der stets die Interdisziplinarität betont hatte, die bis dahin mangelnde Berührung zwischen Literatur- und Fachübersetzern, die doch fruchtbar sein könnte. Sie postuliert einen gleitenden Übergang zwischen dem literarischen, dem gemeinsprach- 4.4 Wissenschaft als Interdisziplin 33 narr-starter.de <?page no="35"?> lichen und dem fachlichen Übersetzen und listet verschiedene Textsorten sowie erforderliche soziokulturelle Kenntnisse auf. Es wird eine „Prototypologie“ ins Spiel gebracht, bei der unscharfe Ränder möglich sind und strenge Kategorisierungen in ein Spektrum der Phänomene rund um einen Fokus übergehen. Snell-Hornby entwirft, ausgehend von Textsorten und „übersetzungsrelevanten Gesichtspunkten“ ein Schichten- oder Stratifikationsmodell, das sich ohne scharfe Trennungslinien und mit fließenden Übergängen von der Makroebene bis zur Mikroebene bewegt. Diese Vorstellung kommt sicherlich der Realität von Texten näher, die ja immer vielerlei Aspekte enthalten. Die Übersetzungswissenschaft wird zur Interdisziplin, wenn sie verschiedene linguistische Forschungserträge für das Übersetzen fruchtbar integriert. Begriffe wie „Prototypologie“ und „Spektrum“ deuten eine oszillierende Beweglichkeit im Sprachlichen an, die den streng klassifikatorischen Ansatz anderer übersetzungstheoretischer Modelle sprengt. Es sollten verschiedene linguistische Theorien integriert werden. Ferner ist es naheliegend, auch das Denken von Übersetzern zu erforschen, um eventuell Hinweise für die Didaktik zu gewinnen (ÜT, 260 ff.). 4.5 Psycholinguistische Studien In der älteren Übersetzungswissenschaft wurde vornehmlich die Übersetzung als Produkt im Blick auf Äquivalenz untersucht, jetzt zeichnet sich ein wachsendes Interesse am Übersetzungsprozess ab. Nachdem in den 1990er Jahren die allgemeine Kognitionsforschung einen starken Aufschwung genommen hatte, wirkt dies auch auf die Übersetzungsforschung ein. 4 Der Blick auf die Disziplin 34 narr-starter.de <?page no="36"?> Ein wichtiger Anstoß waren empirische Untersuchungen anhand von Protokollen des „Lauten Denkens“ (Hans P. Krings), man wollte einen Blick in die Black Box des menschlichen Gehirns wagen. Fortgeschrittene Studenten sollten alle ihre Gedanken laut verbalisieren, die Tonbandaufnahmen wurden danach für die Analyse transkribiert. Insgesamt wurden dabei hochinteressante Ergebnisse erzielt, so dass festgestellt werden kann, dass das introspektive Verfahren durchaus einen Aufschlusswert besitzt. Lexikosemantische Probleme nahmen den größten Raum ein, indem sich die Übersetzer fragten was ein bestimmtes Wort bedeutet, wobei Berufsübersetzer zahlreichere Varianten zur Verfügung hatten. Das Übersetzen wird als sprachorientierte Problemlösungsoperation und als Entscheidungsprozess gesehen, wobei auch die Kreativität durchaus eine Rolle spielt. Das Denken verläuft, wie gezeigt werden konnte, assoziativholistisch und der Übersetzungsprozess sollte konstruktiv von einer Makrostrategie gesteuert sein, damit weder bloße Kreativität noch verabsolutierte Einzelstrategien das Ziel verdunkeln (Hans G. Hönig). In der Psycholinguistik lassen sich auch Einsichten in das Wirken der Intuition gewinnen. Es zeigt sich, dass sowohl in Bezug auf Texte, als auch hinsichtlich des Verstehens einzelner Wörter ein assoziatives holistisches Denken vorherrscht. Hönig hat mit psycholinguistischen Tests nachgewiesen, dass Intuition und Kognition beim Suchen und Finden zielsprachlicher Formulierungen nicht dem Prinzip einer linearen Progression folgen sondern interdependent sind. In einem „nicht kontrollierten Arbeitsraum“ wirken die intuitiven Assoziationen, die hernach überprüft und mit strategischer Suche korrigiert werden können. 4.5 Psycholinguistische Studien 35 narr-starter.de <?page no="37"?> Durch eine Kombination der Analyse qualitativer und quantitativer Daten gelingt es, die Einflussfaktoren des Übersetzens zu erforschen. Auch die kognitiven Grundlagen der Expertentätigkeit wurden untersucht (Hanna Risku). Hier wird vor allem auf die Anwendung des deklarativen und prozeduralen Wissens abgehoben, indem Experten eine klare Makrostrategie für ihre Entscheidungen anwenden. Umgekehrt wurden die Verhaltensmuster von Übersetzerstudenten empirisch untersucht, wobei sich etliche sog. Störquellen als Ursachen von Übersetzungsproblemen ergaben (Gyde Hansen). Dies sind u. a. ungünstige Haltungen, Absicherungsmanie, Überheblichkeit bis hin zu Bequemlichkeit. 4.6 Die Translationsprozessforschung Da die introspektiven empirischen Untersuchungen natürlich immer noch ein gewisses Element der Unschärfe und Subjektivität mit sich bringen, wird neuerdings das translatorische Verhalten mit technischen Mitteln untersucht. Die Aufzeichnung des Schreibprozesses am Computer erfolgt mittels speziellen „Keystroke-Logging-Programmen“. Diese erfassen während der Arbeit im Hintergrund alle Tastenanschläge, Mausaktionen, die dazwischen vergehende Zeit, sowie ggf. weitere Aktivitäten wie das Suchen in einem programmintegrierten Wörterbuch. Mit der Replay-Funktion der Software kann dann der ganze Prozess wieder abgespielt werden um dies kritisch zu analysieren. Aufschlussreich ist das Pausenverhalten, das sich bei manchen Übersetzern als typisch erwies, unabhängig von der Sprachrichtung. 4 Der Blick auf die Disziplin 36 narr-starter.de <?page no="38"?> Solche Forschungen werden präzisiert durch Videoaufzeichnungen des Verhaltens, wobei mit zwei Kameras einmal das Gesicht mit seiner Mimik und zum anderen Papier und Hilfsmittel beobachtet werden. Manche Probanden sind sich ja ihrer tatsächlichen Aktivität gar nicht bewusst. Weiter ergänzt wird dies mit der Beobachtung der Augenbewegungen durch einen Eye-Tracker (S. Göpferich). So kann man herausfinden, auf was genau der Übersetzer beim Lesen schaut, ob er zum Beispiel Wort für Wort vorgeht oder doch größere Einheiten ins Auge fasst. Und inzwischen gibt es auch Geräte, welche die Hirnströme messen, sodass man erkennen kann, ob der Proband ein kognitives Problem oder Stress zu bewältigen hatte. Diese äußeren Messverfahren, die die Arbeit mit dem Schreibcomputer untersuchen, betrachten natürlich nur die Reaktion auf die formalen Textstrukturen. Demgegenüber können die Lauten Protokolle auch zeigen, ob die Übersetzer sich inhaltlich mit dem Sinn befassen oder nur mechanisch reagieren. Eine Verknüpfung der prozessorientierten mit der produktorientierten Forschung anhand von Korpora unternimmt Silvia Hansen-Schirra. Gesucht wird hier nach prototypischen Mustern der Textsegmentierung aus linguistischer und kognitiver Perspektive. Da diese Untersuchungen an der kontrastiven Linguistik ausgerichtet sind, schließt sich hier wieder der Kreis zum Übersetzen als interlingualem Sprachtransfer und dem sprachenpaarbezogenen Übersetzen. Anhand phänomenologisch-empirischer Beobachtung von Gesprächen in international besetzten Gruppen, oder durch teilnehmende Beobachtung wird auch versucht, kulturell unterschiedliches Verstehen von Texten und den 4.6 Die Translationsprozessforschung 37 narr-starter.de <?page no="39"?> Umgang damit zu erkunden. Schließlich kann mit Fragebögen das für die Übersetzung nötige Vorwissen oder die Wirkung des Inputs bestimmter Lektüren erkundet werden, was auch positive Erträge für die Didaktik haben könnte. 4 Der Blick auf die Disziplin 38 narr-starter.de <?page no="40"?> 5 Die funktionale Translationstheorie Der in den 1980er Jahren erfolgten „pragmatischen Wende“ der Linguistik folgt auch die Umorientierung der Übersetzungstheorie (ÜT, 177 - 202). Reden, sprachliches Verhalten, ist ja auch ein zielgerichtetes Handeln, und so bietet sich als Rahmen für eine Übersetzungstheorie, die sich nicht auf eine Deskription des Faktischen wie bei den DTS beschränken sondern produktionsorientiert Anhalte geben will, die allgemeine Handlungstheorie an. 5.1 Die neue allgemeine Translationstheorie Diese neue Sicht der Dinge im Bereich der Übersetzungswissenschaft wurde im Wesentlichen durch Hans J. Vermeer initiiert. Sie tritt mit dem Anspruch absoluter Gültigkeit auf und besteht daher auf einer neuen, eigenen Begrifflichkeit. Übersetzen und Dolmetschen als Handeln werden unter dem Oberbegriff „Translation“ zusammengefasst. Das Ziel ist eine grundsätzliche Neubestimmung der Theorie von der Sprachmittlung, was eine genauere Begriffsbestimmung voraussetzt (ÜT, 177 ff.). Diese Translationstheorie wird im Wesentlichen vorgestellt in dem Buch „Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie“ (Reiß/ Vermeer). Ziel ist auch eine Konformität mit den Bedingungen wissenschaftlicher Beschreibung, wie Objektivität und intersubjektiver Gültigkeit durch Nachvollziehbarkeit. Die Darstellung bewegt sich auf hoher Abstraktionsebene mit einem aufwendigen wissenschaftlichen Formelapparat. Anders als bisher, wo von ausnarr-starter.de <?page no="41"?> gangs- und zielsprachlichem Text, von Autor, Leser, Sender und Empfänger usw. gesprochen wurde, ist hier vom Ausgangs- und Zieltext und vom Zielrezipienten die Rede. Analysiert werden soll „Translation“ als Prozess und dessen Produkt, das „Translat“, eine Benennungsweise, mit der die Doppeldeutigkeit von „Übersetzung“ als Produkt und als Prozess im Deutschen sinnvoll überwunden wird. Der Handelnde ist der „Translator“. Die Wissenschaft vom Dolmetschen und Übersetzen heißt Translatologie, die Praxis ist Translatorik. Dies überwindet den Ausdruck „Sprachmittlung“, der eben doch stark an der Sprache orientiert war. Wenn jemand an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit etwas Sinnvolles äußert, so „produziert er einen Text“, könnte man sagen. Dadurch tritt man mit einem anderen in Interaktion, im Sprachlichen ist dies eine ‚Kommunikation‘. Produzent und Rezipient eines Textes gehören als ‚Kommunikationspartner‘ zur ‚Situation‘. Die ‚Situation‘ ist wiederum eingebettet in den Kontext einer ‚Kultur‘. All diese Faktoren sind ins Modell aufzunehmen. Der Begriff Kultur basiert auf einer handlungstheoretischen Kulturdefinition, die weiter ist als bei der literarischen Übersetzung: „Kultur ist all das, was man wissen, beherrschen und empfinden können muss, um beurteilen zu können, wo sich Einheimische in ihren verschiedenen Rollen erwartungskonform oder abweichend verhalten, und um sich selbst so zu verhalten“ (Heinz Göhring). Diese Translationstheorie will also zunächst einmal die allgemeinen Bedingungen und Regeln angeben, unter denen die „Translationshandlung“, das Übersetzen abläuft. Je größer der Abstand zwischen den Kulturen ist, umso mehr wächst auch der Bedarf nach dem Einsatz einer „neuen“ 5 Die funktionale Translationstheorie 40 narr-starter.de <?page no="42"?> Situation in der Translation. Weil ein Translat ein „anderer Text“ ist, gibt es keine identische Weitergabe von Information mittels einfacher Transkodierung. Ziel ist eine Angemessenheit des Translats. 5.2 Die Skopos-Theorie Die Bedeutung der Handlungstheorie für die Translationstheorie hat noch einen weiteren Effekt. Texte werden zu einem bestimmten Zweck und für jemanden produziert, sie sind „Handlungen“. Menschliches Handeln ist stets intentional. Durch eine solche Handlung tritt man mit anderen in Interaktion, in Kommunikation. Translation ist daher „Sondersorte interaktionalen Handelns“. Eine Handlung bezweckt die Erreichung eines Ziels und damit die Änderung eines bestehenden Zustands. Der bestimmende Grund für die Adäquatheit des Translats ist also der Zweck der Translation. Und so gilt das Postulat: „Die Dominante aller Translation ist deren Zweck“ (Reiß/ Vermeer), wobei die Ausdrücke „Zweck“, „Ziel“, „Funktion“, „Skopos“ synonym verwendet werden. In diesem Sinne ist es gar keine allgemeine, sondern eine „funktionale Translationstheorie“, und sie heißt auch „Skopostheorie“. Es werden Regeln aufgestellt. Weil der Skopos alles regiert, ist es wichtiger, dass ein gegebener Translationszweck erreicht, als dass eine Translation in bestimmter Weise durchgeführt wird. Der Skopos eines Translats kann auch von dem des Ausgangstexts abweichen (Funktionsänderung). Schließlich sollte ein Translat auch Ähnlichkeit mit dem Ausgangstext aufweisen (intertextuelle Kohärenz), doch ist diese Regel den anderen nachgeordnet. Von einem Translat kann nur verlangt werden, dass es möglichst nahe an 5.2 Die Skopos-Theorie 41 narr-starter.de <?page no="43"?> den Ausgangstext herankommt. Aber der ausgangssprachliche Text im bisherigen Sinn ist „entthront“, eine Feststellung, die sehr viel Resonanz fand und gut zehn Jahre lang die Diskussion beherrschte. 5.3 Übersetzen als interkultureller Transfer Weil beim Übersetzen im Zielbereich eine „andere Situation“ vorliegt, führt die Translationshandlung zu einem Transfer zwischen den Kulturen. Ein Translator muss also die Ausgangs- und die Zielkultur kennen, er muss „bikulturell“ sein. Ein Ereigniswert kann sich interkulturell bei der Translation in seiner Art oder seinem Grad oder beidem ändern. In der Praxis sind die Konventionen und Normen der Zielkultur zu verwenden, das heißt man kann und darf „schlechte Ausgangstexte“ auch zielorientiert verändern. Martin Luther hatte im 16. Jh. die Heilige Schrift vom Griechischen ins Deutsche übersetzt und nannte dies „verdeutschen“. Es ging ihm besonders darum, dass die Menschen die Bedeutung der Botschaft verstehen können, weshalb er funktional Wortänderungen vornahm. Und Reiß/ Vermeer gehen noch einen Schritt weiter und stellen fest, dass es wegen des kulturellen Abstandes überhaupt keine Situationskonstanz geben könne. Dann bleibt aber auch die Botschaft nicht unverändert. Der Translator formuliert vielmehr eine neue, „andere“ Botschaft für seine Zielrezipienten, insbesondere indem fremdkulturelle Aspekte erklärt werden. So kann ein Translat tatsächlich nicht mehr sein als ein „Informationsangebot in einer Zielkultur und deren Sprache über ein Informationsangebot aus der Ausgangskultur und deren Sprache“ (Reiß/ Vermeer). Die 5 Die funktionale Translationstheorie 42 narr-starter.de <?page no="44"?> Translation ist also keine Transkodierung von Wörtern oder Sätzen. Um dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, wird ein „Faktorenmodell der Translation“ entworfen, in welchem im Ausgangs- und im Zielbereich alle möglichen die Konstitution von Texten beeinflussenden Faktoren aufgelistet sind, wie z. B. Text, Textsorte, Situationskontext, soziokultureller Kontext, Ausgangskultur usw. So kann auch die Einbettung des Translators in ein soziales Handlungsgefüge gesondert analysiert werden. 5.4 Translation als Expertenhandeln Die Berufspraxis verlangt oft genug vom Translator sehr weitreichende Entscheidungen (bis hin zur Nichtübersetzung, weil der herzustellende Zieltext für den Bedarfsträger irrelevant wäre), doch solche Handlungsentscheidungen sind ja nicht allein der Subjektivität des Translators zu überlassen. Um diese situative Einbettung in die Theorie mit einzubeziehen, hat Justa Holz-Mänttäri das translatorische Handeln modellhaft zu fassen versucht. Ihre „Theorie über translatorisches Handeln als umfassendes Handlungskonzept“ soll den Faktorenrahmen für „Professionalität“ liefern. In der modernen arbeitsteiligen Welt gilt die Spezialisierung, und der Translator ist „Experte für die Produktion von transkulturellen Botschaftsträgern, die in kommunikativen Handlungen von Bedarfsträgern zur Steuerung von Kooperation eingesetzt werden können“. Dieser ursprünglich eigenständig entwickelte und mehr an der Berufspraxis als an den Textinhalten orientierte Ansatz ist leicht mit der funktionalen Translationstheorie zu verknüpfen und dies wurde auch getan. Von nun an nimmt diese für 5.4 Translation als Expertenhandeln 43 narr-starter.de <?page no="45"?> sich in Anspruch, einen wichtigen Beitrag zum Fachübersetzen geliefert zu haben, da ja viele andere Theorien überwiegend nur literarische Texte behandeln. Ein weiterer Ertrag ist ein „Konzept der Berufsprofile“, was Impulse für eine bessere Ausbildung von Übersetzern liefern sollte. 5.5 Der didaktische Übersetzungsauftrag Das translatorische Handeln wird didaktisch in Form eines „Übersetzungsauftrags“ dargestellt (ÜT, 196). Insbesondere hat sich Christiane Nord der didaktischen Realisierung der funktionalen Translationstheorie angenommen. Um die Orientierung am Zieltextzweck einzuüben, muss didaktisch immer erst ein Übersetzungsauftrag gestellt werden, von dem her dann die Übersetzung angegangen wird. Der Translator hat hier aber eine „doppelte Loyalität“ gegenüber dem Autor und den Lesern zu beachten. Die radikale Entthronung des Ausgangstextes wird etwas relativiert. Der Translator sei verpflichtet zur „Loyalität“, und zwar sowohl gegenüber dem Zielrezipienten im Sinne einer funktionsgerechten Übersetzung, als auch gegenüber dem Ausgangsautor, dessen Intention er nicht verfälschen darf. Die vorgängige Bestimmung eines Übersetzungsauftrags, die in der Praxis durch den „Initiator“ erfolgt, wird nun zur Grundlage eines didaktischen Konzepts im Übersetzungsunterricht gemacht, indem in einem „zirkelförmigen Ablauf“ die Analyse der „Zieltextvorgaben“ noch vor der „detaillierten Analyse des Ausgangstextes“ im Hinblick auf das „Translationsmaterial“ steht. Funktionale Übersetzungsprobleme in einem Sprachenpaar können erläutert werden. „(Die relevanten) inhaltlichen oder formalen AT-Elemente 5 Die funktionale Translationstheorie 44 narr-starter.de <?page no="46"?> werden isoliert und mit Blick auf die Zielsituation in die Zielsprache bzw. -kultur übertragen, so dass ein ZT hergestellt werden kann, der den ZT-Vorgaben entspricht und damit funktionsgerecht ist“ (Nord). Übersetzungsqualität wird definiert als Erfüllung der durch den Übersetzungsauftrag bestimmten Anforderungen. Die Orientierung an den AT-Elementen führt wieder zurück zur linguistischen Textanalyse, wobei jetzt die „Funktion-in-Kultur“ des Ausgangstextes festzustellen ist. Ausführlich werden „kulturpaarspezifische“ oder „sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme“ diskutiert, die eben für die Studierenden schwierig sind. 5.6 Der interpretationstheoretische Ansatz Als eine Weiterentwicklung des handlungstheoretischen Ansatzes mit dem didaktischen Übersetzungsauftrag versteht sich eine neuere Theorie, nämlich die sog. „interpretationstheoretische Übersetzungstheorie“ von Holger Siever. Er versucht, die Einsichten der Peirceschen und der Ecoschen Semiotik der Interpretation als Inferenz mit der Interpretationsphilosophie der Literaturwissenschaft zu verbinden. Die Basis dieser Übersetzungstheorie bildet die Einsicht in die interpretative Grundstruktur der Zeichen und in den „abduktiv-inferentiellen Charakter“ jeder Art von Sprachverwendung, einschließlich des Übersetzens. Übersetzen kann daher nicht mehr ausschließlich als Handlung konzipiert werden, sondern es sind auch die mentalen Prozesse zu beachten. Und diese Prozesse werden als Inferenzbzw. Interpretationsprozesse konzeptualisiert. Einer jeden Handlung gehen ja Interpretationen voraus, die nicht selbst wieder als Handlung gelten können. Grundbegriffe 5.6 Der interpretationstheoretische Ansatz 45 narr-starter.de <?page no="47"?> sind jetzt Implikation und Differenz, nicht mehr Äquivalenz und Identität. Dadurch wird die Relation zwischen Ausgangs- und Zieltext dynamisiert. Bedeutung liegt nicht durch den Bezug (Referenz) auf ein Objekt vor, sondern entsteht durch die Schlussfolgerung, dass ein bestimmtes Zeichen auf ein bestimmtes Objekt zu beziehen ist und deshalb in diesem Kontext eine bestimmte Bedeutung bekommt, beispielsweise bei Metaphern und bei ironischer Sprechweise. Sinnbildung ist eine Semiose. Differenz ist eine logische Folge des zeitlichen Nacheinanders von Ausgangs- und Zieltext und ihres sprachlichen und kulturellen Nebeneinanders, der Zieltext ist Interpretant des Ausgangstextes. Die These von der „doppelten Kreativität des Übersetzers“ besagt dabei, dass dieser sowohl während der Rezeptionsphase als auch während der Produktionsphase kreativ sein muss. „Kreativität“ wird als formale Abweichung vom Ausgangstext definiert (Paul Kußmaul), was mit Gedankensprüngen erreicht werden soll. Durch Interpretation des Textes und adressatenorientiertes Schreiben wird das wörtliche Übersetzen vermieden. Die gewählte Übersetzungsstrategie muss dann den Skopos operationalisieren. In diesem Sinne wird hier wieder auf die traditionellen Übersetzungsverfahren verwiesen, welche die Mikrostrategien als „syntaktische, semantische und pragmatische“ manifestieren (Siever). 5 Die funktionale Translationstheorie 46 narr-starter.de <?page no="48"?> 6 Übersetzen und Machtverhältnisse 6.1 Postmoderne und der Cultural Turn In einem sog. „postmodernen Ansatz“ werden die Machtstrukturen beim Übersetzen erforscht. Das übersetzerische Handeln wird nicht nur präskriptiv-funktional behandelt. Daneben hat sich eine beschreibende Analyse, wo die äußeren Zwänge des Übersetzens, Machtfaktoren, Zensur usw. behandelt werden, aus den manipulationistischen literarischen Untersuchungen heraus entwickelt (ÜT, 202 ff.). Man kann nämlich fragen, warum manche Texte gar nicht übersetzt werden und wer Übersetzungen zu welchem Ziel veranlasst. Dieser deskriptive Untersuchungsbereich hat sich in den 1990er Jahren stark in den Vordergrund geschoben. Der Forschungsgegenstand ist v. a. die Reaktion von Autoren, Übersetzern und Lesern auf Texte aus ehemaligen europäischen Kolonialländern und der Umgang mit deren Sprache und Weltbild. Bald ist die Rede vom Übersetzen als „Prozess der Macht“. Die „Postmoderne“ ist im allgemeinen Sinn der Zustand der abendländischen Gesellschaft, Kultur und Kunst „nach“ der Moderne. Im besonderen Sinn ist sie eine politischwissenschaftlich-künstlerische Richtung, die sich gegen bestimmte Institutionen, Methoden, Begriffe und Grundannahmen der Moderne wendet und diese aufzulösen und zu überwinden versucht. Dem wird relativistisch die Möglichkeit einer Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander bestehender Perspektiven gegenübergestellt. Die Vorstellung von einer Art „Assimilation des Fremden“ beim Übersetzen wurde im Zuge postmoderner Abnarr-starter.de <?page no="49"?> lehnung des kulturellen Eurozentrismus und Kolonialismus sehr kritisch gesehen, und Übersetzer werden aufgefordert, sich diese Situation bewusst zu machen (L. Venuti). Es ist kritisch zu hinterfragen, wie etwa fremde Kulturen durch Übersetzungen in ihrem Image konstruiert werden (Bassnett und Lefevere). Reflektiert wird die Repräsentation fremder Kulturen durch Übersetzung und das Machtspiel um Wissens- und Sinnkonstruktionen zwischen herrschenden und beherrschten Kulturen. „Ein Hauptproblem kulturanthropologischer Übersetzung besteht darin, fremde Kulturen insbesondere außerhalb Europas in die Sprache, die Kategorien und die Vorstellungswelt westlicher Rezipienten hinein zu ‚übersetzen‘“ (Bachmann-Medick). Moderne afrikanische Autoren sehen in den ehemaligen Kolonialsprachen heute nicht mehr ein Mittel der Orientierung an der europäischen Norm, sondern der kreativen Betonung des Unterschiedes, um das eigene Denken in der mündlichen Lokalsprache in einer erlernten Sprache auszudrücken. Wie wird damit übersetzerisch umgegangen? In dieser Wissenschaftsperspektive werden ideologische Probleme der literarischen Übersetzung abgehandelt, und es zeigt sich, dass bei Übersetzungsanthologien z. B. oft gewisse exotisierende Tendenzen sichtbar werden, was auf gesellschaftliche Asymmetrie hindeutet. Das postmoderne Streben nach Sichtbarkeit fand auch einen Kristallisationspunkt in feministischen Theorien. Untersuchungen zum vermeintlich „anderen Schreiben“ von Frauen, das kreativer sei, führten bald zu der Frage nach Strategien „feministischer Translation“ (v. Flotow). An der Universität Graz wurde ein Projekt zur feministischen Übersetzungsforschung durchgeführt, wobei Arbeiten über vergessene Übersetzerinnen, die Diskriminierung der Frau 6 Übersetzen und Machtverhältnisse 48 narr-starter.de <?page no="50"?> durch die Sprache, die Entwicklung frauengerechter Sprache, das Bild der Frau in Romanen und deren Übersetzung usw. entstanden sind (Messner und Wolf). Eine „Bibel in Gerechter Sprache“ bietet seit 2006 eine neue Übersetzung des Alten und Neuen Testaments. Aus feministischer Perspektive wurde oft die „Treue“ zum Originaltext nur selektiv angewendet, stattdessen gab es eine „kreative Fehlübersetzung“. Das durch den Feminismus geschärfte kritische Bewusstsein bleibt aber schlussendlich nicht bei den Frauenfragen stehen. Der Feminismus als politische Theorie und Befreiungsideologie setzt sich ganz allgemein mit Herrschaftsverhältnissen auseinander. 6.2 Translation als politische Ethik Es entsteht die Frage, wie Translatoren ihre kritische Einstellung in der Praxis selbst einbringen können oder dürfen. Ist es sinnvoll, nur solche Texte zu übertragen, die man politisch vertreten kann? Erich Prunč deutet einen Paradigmenwechsel zur „Translationssoziologie“ an, wo die gesellschaftliche Bedingtheit der Berufsfelder von Translatoren untersucht werden soll. Die zuerst aus deskriptiven Analysen von Literaturübersetzungen gewonnenen Einsichten in ideologische Zusammenhänge des Übersetzens führten nach und nach zu der expliziten Forderung nach einer politischen Einstellung der Übersetzer im postkolonialen Diskurs. Der „Postkolonialismus“ entstand um 1980 als internationale, zumeist englischsprachige Intellektuellenbewegung, die mit Polemik und Analysen den fortdauernden Kolonialismus in den Köpfen der eurozentrischen „Westler“ kritisierte. Verpönt war das Reden über das Wesen „fremder“ Kulturen, betont 6.2 Translation als politische Ethik 49 narr-starter.de <?page no="51"?> wurde kulturelle „Hybridität“. Man sucht nach möglichen Strategien, mit deren Hilfe quasi „translationspolitisch“ die Übersetzung als Mittel der (geistigen) Entkolonialisierung eingesetzt werden könnte (Maria Tymoczko). In zahlreichen Aufsätzen hat Homi K. Bhabha Repräsentationsformen der „kulturellen Differenz“ und die Konzepte der „Hybridität“ und des überkulturellen „Dritten Raumes“ dargestellt. Durch Globalisierung und Migration entstehen heute überall sog. hybride Kulturen, kosmopolitische Räume, deren Kommunikationsmittel oftmals eine hybride Sprachvarietät im Rahmen der etablierten Sprachgemeinschaft ist. Die Vorstellung einer „treuen Übersetzung“ durch einen unparteilichen Translator wird dann zunehmend fragwürdig, und umgekehrt hieße das, die verordnete Norm der Objektivität diene nur dem Versuch, die Machtspiele zwischen den Kulturen zu verdecken. „Weil Translation per se parteiisch ist, ist es legitim, sie in den Dienst eigener politischer und kultureller Anliegen zu stellen. Die ethische Wertigkeit eines solchen translatorischen Handelns ist . . . von dem Ziel, dem die Manipulation dient, abzuleiten“ (Prunč). Die Übersetzungen sollten sich also von überkommenen (Äquivalenz-)Normen lösen. Aus Brasilien stammt das sog. Anthropophagie-Konzept. Als Gegenbewegung zu der europäischen Kulturdominanz wurde hier die Metapher des Verschlingens und Transformierens der Originale und das Etablieren in den Übersetzungen von Gegenwerten wie Absorption, Naivität, Wildwuchs und Poesie proklamiert (M. Wolf). Übersetzungen sollen als eigenständige Texte in die einheimische Literatur eingehen, indem sie etwa europäische Ideen nicht einfach genau präsentieren sondern anverwandeln. 6 Übersetzen und Machtverhältnisse 50 narr-starter.de <?page no="52"?> Die ethische Aufgabe des Übersetzers weltweit wird nun darin gesehen, die traditionelle Marginalität lokaler Texte und Sprachen zu überwinden und das Übersetzen selbst in den Vordergrund zu rücken. So tragen auch die Übersetzungen zum steten Bedeutungswandel der sogenannten Originale bei. Die übersetzerische Ethik hat sich theoretisch von einer Loyalität zum Ausgangstext hin zu politischem Aktivismus gewandelt. 6.3 Translatorische Sichtbarkeit Die beobachteten Asymmetrien der Macht führen alsbald zur Forderung nach Widerstand. Sie sollen überwunden werden, indem man den früher üblichen „weird act of selfannihilation“ (Venuti) in ethnozentrischer Unsichtbarkeit und des imperialistischen Komplizentums ablegt, wo fremdartige Texte nur nach dem Diktat der flüssigen Lesbarkeit adaptiert wurden. Die Unsichtbarkeit, in die sich die Übersetzer hineinmanövriert hätten, sei vor allem die Folge der Translationsnorm der fluent translation, die seit dem 16. Jh. in der anglo-amerikanischen Übersetzungspraxis vorherrsche, meint Lawrence Venuti. Er vertritt ein ideologisches Verständnis des Berufsübersetzers. Weit entfernt von dem gesichtslosen Schreiber als Diener seines Autors oder Auftraggebers in der philologischen Tradition steht der postmoderne Übersetzer mit dem korrekten kritischen Bewusstsein da. Die domesticating translation, bei der um der Lesbarkeit willen das Fremde verwischt, quasi domestiziert wird, sollte durch eine foreignizing translation ersetzt werden, die als Widerstand gegen die in einer Zielkultur vorherrschenden literarischen Normen auftritt. Dem früher von Levý geforderten „illusionistischen Effekt“ solle gerade ent- 6.3 Translatorische Sichtbarkeit 51 narr-starter.de <?page no="53"?> gegengewirkt werden um so die eigene Übersetzungsarbeit sichtbarer zu machen. Mit „foreignizing“ ist nicht dasselbe gemeint wie bei Schleiermachers „verfremdendem“ Übersetzen, doch wurde in Reaktion auf Venuti dieser Gedanke in der Literatur ausgiebig diskutiert. 6 Übersetzen und Machtverhältnisse 52 narr-starter.de <?page no="54"?> 7 Die Übersetzungshermeneutik „Hermeneutik“ ist eine Sprachphilosophie, die sich mit den Bedingungen und der Möglichkeit des Verstehens befasst. Nachdem seit der Antike gewisse Auslegungsregeln für verschiedene Textarten entwickelt wurden, hat sich im 19. Jh. der Blick auf die Individuen selbst gerichtet und es wurde das Verstehen als existenzielle Bedingung grundsätzlich problematisiert (Schleiermacher, Heidegger, Gadamer). Die „Übersetzungshermeneutik“ geht nun von dem Grundgedanken aus, dass eine übersetzende Person den vorgelegten Text zuerst verstehen muss, und dann nur das übersetzen wird, was er oder sie davon verstanden hat. Diese Problematik wird in ihren Implikationen durchleuchtet (ÜT, 236 ff.). Der „hermeneutische Zirkel“ als wichtigste Erkenntnis besagt, dass alles Verstehen von Fremdem nicht objektiv möglich ist, sondern von dem jeweils gegebenen oder erlernten kulturellen und fachlichen Vorwissen abhängt: im Lichte dessen wird Neues verstanden und angeeignet. Dies ist dann freilich nicht eine Reduktion auf Bekanntes, sondern vielmehr eine Erweiterung des schon Gewussten. Der hermeneutische Zirkel ist keine Drehbewegung, sondern eine Wissensgrenze, die freilich jederzeit durch Recherche, Lernen und Erfahrung erweitert werden kann. Dies führt auch zu einer stärkeren Präsenz der Phänomenologie in diesem Forschungsbereich. narr-starter.de <?page no="55"?> 7.1 Hermeneutische Übersetzungskompetenz Übersetzungskompetenz ist die Fähigkeit Texte recht zu verstehen und das Verstandene rhetorisch angemessen in einer Zielsprache neu zu formulieren. Phänomenologisch relevant ist aber zunächst die Frage, wie denn ein Translator diese Texte überhaupt wahrnimmt, die ja nicht objektiv gegeben sind sondern im Verstehen (je spezifisch) erfasst werden. Modalitäten der Textwahrnehmung sind: (1) die Einstellung, indem Übersetzer ihr emotionales Interesse oder die politischen Zwänge ihrer Arbeit reflektieren. (2) Die Übersummativität, denn Texte werden ganzheitlich im Rahmen ihrer Kultur verstanden und ihr Sinn ist mehr als die Summe der Einzelbedeutungen von Wörtern. (3) Die Multiperspektivität, denn in Texten sind unterschiedliche Perspektiven angelegt, die bei mehrfacher Lektüre zu immer neuen Verständnisaspekten führen. (4) Die Individualität, denn jeder Text ist jenseits von Textsortenmustern eine einzelne Mitteilung an Leser (Fritz Paepcke). Der Bezugspunkt des Übersetzens ist der im Translator mental präsente Textinhalt, also die verstandene Textmitteilung, die den Leser ansprechen soll, welche dann in zielsprachliche Formulierungen hinüber fließt. Die mentale Repräsentation basiert auf dem wissensgebundenen Verstehen. So besteht nur eine indirekte Beziehung zwischen Übersetzungstext und Vorlage und es ist unerheblich, ob später etwa wörtliche oder nicht wörtliche Relationen sichtbar werden. Entscheidend ist vielmehr das relevante Vorwissen, und Ziel ist die Genauigkeit der Wiedergabe im Ganzen, damit eben Leser auch auf die Mitteilung des Textes reagieren können oder eine Fachkommunikation über 7 Die Übersetzungshermeneutik 54 narr-starter.de <?page no="56"?> Sprachgrenzen hinweg fortgesetzt werden kann. Eine angewandte „hermeneutische Übersetzungskompetenz“ (R. Stolze) ist kein operationalisierbares Verfahren, sondern ein kritisch zu reflektierendes strategisches Handeln in Sprache. Nicht wie man intersubjektiv nachvollziehbar zu einer Lösung gelangt, ist wichtig, sondern ob diese angemessen ist, was man freilich begründen können muss. Natürlich sind die konkreten Formulierungen im Zieltext sprachliche Ereignisse und sie können daher mit sprachwissenschaftlichen Kriterien wie Semantik, Syntax, Pragmatik, Rhetorik beschrieben und auch begründet werden. Nicht jede Übersetzung ist gut, und das kann an mangelndem Textverständnis aber auch an fehlender idiomatischer und funktionaler Formulierungskompetenz liegen. Der Translator benötigt daher „Orientierungsfelder“ (Stolze), anhand deren er sich in der Rezeptionsphase (Verstehen) und in der Produktionsphase (Schreiben) der Übersetzung zurechtfinden kann. Orientierungsfelder fürs holistische Verstehen sind: Kultur, Diskursfeld, Begrifflichkeit und Aussagemodus. Der Übersetzer wird also fragen: aus welcher Kultur oder welchem Fachbereich stammt der zu übersetzende Text, in welches gesellschaftliche Diskursfeld (Milieu, Domänenspezifik) gehört er, welche wichtigen Schlüsselbegriffe/ Termini fallen auf, wie ist der Stil? Dabei betrachtet er den Text nicht analytisch satzorientiert, sondern vertikal holistisch. Die Wiedergabe der verstandenen Botschaft erfolgt dann nach rhetorischen Regeln, welche die anvisierte Textfunktion im Zielbereich sichern sollen. Orientierungsfelder fürs Formulieren sind: Kohärenz, Medialität, Stilistik, Textfunktion, Inhaltsspezifik. Es soll ja ein kohärenter, in sich verständlicher Text in der Zielsprache entstehen, der dem 7.1 Hermeneutische Übersetzungskompetenz 55 narr-starter.de <?page no="57"?> Medium auch angemessen ist. Die Stilistik reflektiert sprachwissenschaftlich die angemessene Ausdrucksweise, welche der gewünschten Textfunktion entsprechen soll. Der Blick auf die Inhaltsspezifik hilft, fremde kulturelle Aussagen zu erklären oder fachlich unpassende Behauptungen auszumerzen. Fachliche Sprachkenntnisse und Kulturwissen sind unverzichtbar. 7.2 Stimmigkeit als Übersetzungsziel Es geht darum, Worte, Formulierungen zu finden, die genau das zu sagen vermögen, was man verstanden hat und ausdrücken möchte (Stolze). Wenn dies zunächst in einem Rohentwurf entlang des Ausgangstextes erfolgt, und nicht selten auch wörtlich ist, dann soll die Lösung hernach nach den rhetorischen Kriterien revidiert werden. Schreiben ist ja ein Koordinierungsproblem, denn jede Änderung an einer Stelle zieht eine Umformulierung an anderer Stelle nach sich. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis die Übersetzung zur Zufriedenheit der übersetzenden Person eine „Stimmigkeit“ erreicht hat. Natürlich stellt jede Übersetzung eine Art Entwurf dar, der jederzeit veränderlich ist. Ein neuer Wissensinput modifiziert das Verstehen eines Textes, und ein neuer Formulierungsvorschlag wird nötig. Dieser halb intuitive Prozess bleibt immer vorläufig, das ist nicht zu umgehen. Die Stimmigkeit ist aber dann erreicht, wenn der Translator das „Gefühl“ hat, dass das Ganze jetzt klar, kohärent und überzeugend dargestellt ist. Im Blick auf kulturelle Besonderheiten in Ausgangstexten ist die Aufgabe zu bedenken, nicht nur zielsprachlich eine leichte Lesbarkeit zu erzielen, sondern das originäre Fremde auch durchscheinen zu lassen. 7 Die Übersetzungshermeneutik 56 narr-starter.de <?page no="58"?> Dies ist nicht mit gestelzten, verfremdenden, sondern mit prägnanten Formulierungen möglich. Dann kann sich auch beim Leser mental ein Bild der verstandenen Botschaft bilden. Die Betonung des notwendigen Vorwissens zu den Texten führt zu einer anderen Übersetzungsdidaktik, die das inhaltliche Interesse, ganzheitliche Selbstlernen und freie Formulieren fördert. Solches stärkt das übersetzerische Selbstbewusstein. Deskriptive Studien zu Übersetzungen können aufzeigen, inwieweit Übersetzer sich tatsächlich an die Lebenswelt des Ausgangstextes herangearbeitet haben oder ob sie nicht vielmehr ihre eigene Interpretation in den Text hineinlegen. Ein solches Verfahren ist in der Praxis Gang und Gäbe, doch wo es nicht an mangelndem Fremdverstehen liegt, gerät es in Ideologieverdacht. Es entspricht dann nicht mehr der hermeneutischen Vorstellung einer möglichst präzisen Wiedergabe der vorgefundenen Textmitteilung. Es bleibt immer die Aufgabe des aufrichtigen Bemühens um epistemische Klarheit und der Wissensvernetzung. Hermeneutik ist in der Praxis eine informierte, verantwortungsvolle Haltung zu Texten. 7.2 Stimmigkeit als Übersetzungsziel 57 narr-starter.de <?page no="59"?> Textbeispiel Es gibt also verschiedenste Übersetzungstheorien. Und es wurde angedeutet, und auch schon vielfach in literarischen Übersetzungskritiken herausgearbeitet, dass die mehr oder weniger bewusst vertretene Übersetzungstheorie des Translators tatsächlich Auswirkungen hat auf das Ergebnis, die vorgelegte Übersetzung. Dies soll nun am Beispiel der Übersetzung eines (stark gekürzten) amerikanischen Zeitungsartikels ins Deutsche gezeigt werden. Water wars are coming to the boil in Florida Scott Morrison and Henry Hamman report on a city versus country dispute that has parallels in several other US states Florida’s urban developers are a thirsty lot. They need billions of gallons of fresh water to sustain their housing projects, shopping malls, and office parks in the populous southern half of the Sunshine State. (. . .) Florida is already running out of water and some hope the state’s rural north can fill the deficit. The issue has simmered for years but appears set to boil into a full-blown water war after a group of influential Florida business leaders issued a report recommending that the state divert some of the north’s water to the urban south. “The powerful business community sees growth and development as inevitable, but environmentalists and rural residents want to preserve what’s left of a subtropical paradise,” says Roy Carriker, a resource economist at the University of Florida. Both sides agree that north Florida is south Florida’s only readily available source of extra water; they disagree over the economic and ecological impact of water diversion, Prof Carriker says. (. . .) narr-starter.de <?page no="60"?> Florida is fighting Georgia and Alabama over each state’s allocation from the shared Apalachicola-Chattahoochee-Flint river basin (. . .) But a recent settlement in southern California offers hope. The accord - a complex series of 30 interlocking agreements - ends years of infighting over who gets to use water from the Colorado River, the primary source of fresh water for seven southwestern US states. Each state along the Colorado River agreed to usage limits in the 1930 s when the Hoover Dam was built. But more recently, California’s growing cities pushed the state to rely on excess Colorado River water to feed the state’s booming south. That practice eventually drew protests from neighboring states and the federal government, which this year prohibited California from exceeding its limits. Farmers in southern California were wasting water, the federal government said. To give the cities more, the state would have to divert water from agricultural users. The farmers were loath to give up first-use rights to the bulk of California’s water supply, which they had held for decades. Last week, after nine years of sporadic negotiations, enormous federal pressure and generous economic incentives from San Diego, the region’s farmers agreed to sell as much as 90bn gallons a year to the city’s water authority for 75 years. (. . .) “You cannot do it through the court system,” says Pat Mulroy, general director of the Southern Nevada Water Authority. “You will be without water before it is resolved.” Florida, Alabama and Georgia do not seem to be heeding that advice. After a decade of litigation and five years of negotiations, culminating in a tentative agreement in July, the tri-state fight is back before a federal judge in Alabama. (Financial Times, 25 Oct. 2003) Textbeispiel 59 narr-starter.de <?page no="61"?> Anfängerübersetzung mit Fehleranalyse Die folgende Beispielübersetzung wurde von einem Studierenden ohne Sprachausbildung und ohne vorherige Recherche zum Inhalt angefertigt. In Florida fangen die Wasserkriege zu kochen an. Scott Morrison und Henry Hamann berichten über eine Stadt gegen Nation-Auseinandersetzung, die Parallelen zu anderen US- Staaten hat. Die Stadteinwohner von Florida sind sehr durstig. Sie brauchen Milliarden von Frischwassergallonen für Ihre Haushalte, Einkaufszentren und Officeparkanlagen in dem dicht besiedelten Teil vom Sonnenscheinstaat. Und tatsächlich wird nach Einschätzungen einiger Experten der Süden von Florida bis zu 700 Milliarden zusätzliche Wassergallonen pro Jahr bis zum Jahr 2020 gebrauchen, um alleine dem Tempo regionaler Entwicklung folgen zu können. (. . .) So gehen in Südflorida die Wasservorräte zu Ende und Hoffnung besteht, der ländliche Norden vom Staat könne das Defizit ausgleichen. Die Angelegenheit, die man jahrelang auf kleiner Flamme hatte kochen lassen, scheint in einen richtigen Wasserkrieg auszubrechen, nachdem eine Gruppe von Floridas führenden Wirtschaftsleuten einen Bericht veröffentlichte, in welchem dem Staat nahegelegt wird, einen bestimmten Anteil von Wasser aus dem Norden in den städtischen Süden umzuleiten. „Die starke Wirtschaftsgemeinschaft hält Wachstum und Entwicklung für unvermeidlich aber die Umweltschützer und die ländlichen Bewohner wollen das, was vom subtropischen Paradies noch übrig blieb, aufrechterhalten“, - sagt Roy Carriker, Wirtschaftswissenschaftler für Ressourcen an der Universität von Florida. Beide Seiten sind sich darüber einig, dass der Norden von Florida eine bereitwillige zusätzliche Wasserquelle für den Süden von Florida ist, sie sind sich aber nicht einig, was die ökonomische Textbeispiel 60 narr-starter.de <?page no="62"?> und ökologische Wirkung der Wasserumleitung angeht, sagt Prof. Carricer. (. . .) Florida kämpft mit Georgia und Alabama um den für jeden Staat zugeteilten Anteil von dem gemeinsam genutzten Wasserbecken der Appalachicola - Chattahoochee - Flint - River. (. . .) Die vor kurzem im Südkalifornien erreichte Einigung gibt aber Hoffnung. Die Übereinkunft - eine komplexe Serie von 30 miteinander zusammenhängenden Verträgen - setzt den jahrelang andauernden internen Machtkämpfen um das Recht, das Wasser vom Colorado River nutzen zu dürfen, der als Hauptquelle von frischem Wasser für 7 südwestliche US-Staaten dient, ein Ende. Jeder Staat entlang des Colorado River willigte in die Nutzungsregelungen von 1930, der Zeit wo der Hoover Damm errichtet wurde, ein. Aber in letzter Zeit brachten die wachsenden Städte Kalifornien dazu, dass der Staat zusätzliches Wasser vom Colorado River braucht, um den boomenden Süden zu versorgen. Solche Vorgehensweise rief Proteste bei benachbarten Staaten und der Federalregierung hervor, die es Kalifornien untersagte in diesem Jahr ihre Beschränkungen zu verändern. Die Federalregierung meinte, die Bauern in Südkalifornien verschwenden das Wasser. Um den Städten mehr zu geben müsste der Staat das Wasser von landwirtschaftlichen Nutzern umleiten. Die Bauern geben ungern die Urheberrechte in der Höhe von Kaliforniens Wasserbedarf, die sie jahrzehntelang behalten haben, ab. Letzte Woche erklärten sich die regionalen Bauern nach 9 Jahren sporadischer Verhandlungen, enormem federalen Druck und beachtlichen Leistungsprämien von Seiten San Diegos, für einverstanden, so viel wie 90 Milliarden Gallonen pro Jahr der städtischen Wassergemeinschaft für 75 Jahre zu verkaufen. (. . .) „Man kann es nicht gerichtlich regeln“, - sagt Pat Mulroy, der Generaldirektor von Southern Nevada Water Authority. „Man wird ohne Wasser bleiben noch bevor es gelöst wird“. Florida, Alabama und Georgia scheinen diesem Rat keine Beachtung zu schenken. Nach einem jahrzehntelangen Rechtsstreit und fünfjährigen Verhandlungen, die mit einer vorläufigen Anfängerübersetzung mit Fehleranalyse 61 narr-starter.de <?page no="63"?> Vereinbarung endeten, kämpfen die drei Staaten wieder, und zwar, noch vor dem Federalgericht in Alabama. Bei dieser Anfängerübersetzung fällt auf, dass Fehler vor allem in der Grammatik und Semantik vorliegen. Neben fehlerhafter Orthografie bei Namen fehlt der Genitiv völlig, ein Spiegel der neuesten Sprachentwicklung im Deutschen. Wörter wurden losgelöst einzeln analysiert, und dies ging gelegentlich schief. Ein Bewusstsein vom amerikanischen Rechtssystem, wo der Wasserverbrauch zwischen Einzelstaaten vertraglich geregelt oder durch Einzelrichter entschieden werden muss, anders als z. B. nach einer europäischen Grundwasserverordnung wie in Deutschland, liegt nicht vor. Ebenso mangelt es an funktionaler Formulierungskompetenz im wirtschaftlichen Bereich. Die Übersetzung verfolgt satzorientiert den Ausgangstext, ein übergreifender Blick aufs Ganze fehlt. Fehleranalyse: 1) auf Lexemebene: country - Nation statt Land; urban developers - Stadteinwohner statt Stadtentwickler, office parks - Officeparkanlagen statt Büroviertel; business leaders - Wirtschaftsleute statt Geschäftsleute; economic incentives - Leistungsprämien statt wirtschaftliche Anreize; readily available source of fresh water - bereitwillige Wasserquelle statt leicht zugängliche Quelle für Süßwasser, river basin - Wasserbecken statt Flussbecken, um nur einiges zu nennen; 2) mangelnde fachsprachliche Wortbildung: Frischwassergallonen statt Kubikmeter Süßwasser; ländliche Bewohner statt Landbevölkerung; interne Machtkämpfe statt Gerangel, Streit; 3) die Verbzeiten stimmen nicht, was den temporalen Zusammenhang der Darstellung unklar macht; 4) die Metaphorik des Kochens passt im Deutschen nicht zu „Krieg“ oder Rechtsstreit, was es hier ja ist. Textbeispiel 62 narr-starter.de <?page no="64"?> Hier wird noch nicht klar, worum es in dem Text wirklich geht. Funktionale Translation Funktionale Ansätze des Übersetzens versuchen Fremdkulturelles zu erläutern um ein Verständnis bei den Rezipienten zu bewirken. Damit sind auch Abweichungen von der Textstruktur begründbar. Wasserkonflikte in Florida erreichen neuen Höhepunkt. Scott Morrison und Henry Hamman berichten über einen Streit zwischen Stadt und Land, der mehrere Parallelen in anderen Bundesstaaten der USA hat. Floridas Stadtentwickler sind sehr durstig. Sie benötigen Milliarden von Gallonen, also unzählige Kubikmeter Frischwasser, um Hausbauprojekte, Shopping Malls und Bürokomplexe in der bevölkerungsreichen südlichen Hälfte des sog. Sonnenschein- Staats zu unterhalten. (. . .) Florida geht jetzt schon das Wasser aus, und manche hoffen, der ländliche Norden könnte dem Mangel abhelfen. Die Problematik hat jahrelang vor sich hin gebrodelt, scheint aber jetzt in einen regelrechten Wasserkrieg auszuarten, nachdem eine Gruppe einflussreicher Wirtschaftsvertreter einen Bericht herausbrachte, in dem empfohlen wild, dass der Staat etwas vom Wasser des Nordens in den städtischen Süden umleiten solle. Die mächtige Gemeinschaft der Geschäftsleute sieht Wachstum und Entwicklung als unausweichlich, aber Umweltaktivisten und Landbewohner wollen erhalten, was von einem subtropischen Paradies noch übrig ist“, sagt Roy Carriker, der an der Universität Florida über wirtschaftliche Ressourcen forscht. Beide Seiten sind sich einig, dass der Norden Floridas die einzige leicht zugängliche Quelle zusätzlichen Wassers für Südflorida darstellt, doch sie sind sich uneins darüber, welche Aus- Funktionale Translation 63 narr-starter.de <?page no="65"?> wirkungen auf Wirtschaft und Umwelt eine Wasserumleitung haben würde, meint Prof. Carriker. (. . .) Florida liegt im Streit mit Georgia und Alabama wegen der Zuteilung für jeden Staat aus dem gemeinsamen Flussgebiet der Apalachicola-Chattahoochee-Flint River. Ein juristischer Vergleich, der vor kurzem in Südkalifornien erzielt wurde, ist jetzt Anlass für Hoffnung. Die Einigung - eine komplexe Serie von 30 ineinandergreifenden Verträgen - beendet Jahre von Streitereien darüber, wer Wasser aus dem Colorado River nutzen darf, der wichtigsten Frischwasserquelle für sieben US- Bundesstaaten im Südwesten. Jeder Staat entlang des Colorado River hatte in den 1930er Jahren, als der Hoover-Staudamm gebaut wurde (1931 - 35) gewissen Nutzungsbegrenzungen zugestimmt. Aber in letzter Zeit drängten Kaliforniens wachsende Städte den Staat dazu, auf überschüssiges Wasser aus dem Colorado zurückzugreifen, um dem boomenden Süden des Staates Nachschub zu verschaffen. Dieses Vorgehen zog schlussendlich Proteste benachbarter Staaten und der Zentralregierung in Washington nach sich, die dieses Jahr Kalifornien verbot, seine Limits zu überschreiten. Die Bauern in Südkalifornien würden Wasser verschwenden, behauptete die US-Zentralregierung. Um den Städten mehr zu geben, müsse der Staat eben Wasser von landwirtschaftlichen Nutzern umleiten. Die Landwirte waren aber nicht bereit, Erstnutzungsrechte am größten Teil der Wasservorräte abzugeben, die sie seit Jahrzehnten innegehabt hatten. Letzte Woche nun, nach neun Jahren sporadischer Verhandlungen zwischen einzelnen Staaten, gewaltigem Druck seitens der Zentralregierung und großzügigen wirtschaftlichen Anreizen aus San Diego, der zweitgrößten Stadt Kaliforniens, stimmten die Bauern der Region zu, 75 Jahre lang ca. 340 Mrd. Kubikmeter Wasser pro Jahr an die städtische Wasserbehörde zu verkaufen. (. . .) „Man kann das nur über Abkommen und nicht über Gerichtsentscheidungen lösen, wenn es keine gesetzlichen Bestimmungen Textbeispiel 64 narr-starter.de <?page no="66"?> gibt“, meint Pat Mulroy, Generaldirektor der Wasserbehörde für Südnevada. „Das dauert einfach zu lange.“ Florida, Alabama und Georgia scheinen diesen Rat nicht zu befolgen. Nach einem Jahrzehnt der Verhandlungen, die im Juli in einem vorläufigen Vertrag gipfelten, ist der Konflikt zwischen den drei Staaten im Osten der USA jetzt wieder zurück vor einem Bundesgericht in Alabama. Hier wird versucht, ausgehend von der Sprachstruktur den dahinter stehenden Wissenshorizont in Form von Erläuterungen einzubauen, weil man annimmt, dass die Zielrezipienten über die Ausgangskultur nicht Bescheid wissen. Dies führt zu nichtwörtlichen Adaptionen und bläht den Text gelegentlich banalisierend und überdeutlich auf. Die hermeneutische Übersetzung Der hermeneutische Übersetzer versucht, den ausgangskulturellen Text im Licht des relevanten Vorwissens zu verstehen. Dadurch kann er beim Formulieren der Übersetzung stärker auf rhetorische Elemente des Stils für eine authentische Mitteilung achten. Neuer Höhepunkt im Wasserstreit in Florida Scott Morrison und Henry Hamman berichten über einen Stadt- Land-Konflikt mit Parallelen in mehreren anderen US-Bundesstaaten Die Stadtentwickler in Florida sind ein durstiger Haufen. Sie brauchen Milliarden Kubikmeter Süßwasser, um ihre Wohnungsbauprojekte, Einkaufszentren und Büroviertel im dicht besiedelten Süden des Sonnenschein-Staats zu unterhalten. (. . .) Südflorida geht schon jetzt das Wasser aus und manche hoffen, der ländliche Norden des Staates könne das Defizit auffüllen. Die hermeneutische Übersetzung 65 narr-starter.de <?page no="67"?> Das Problem hatte jahrelang vor sich hin geköchelt, doch jetzt scheint es in einen regelrechten Wasserkrieg auszuarten, nachdem eine Gruppe einflussreicher Geschäftsleute in Florida einen Bericht veröffentlichte, in dem vorgeschlagen wird, der Staat möge Wasser aus dem Norden in den städtischen Süden umleiten. „Die mächtige Geschäftswelt sieht Wachstum und Entwicklung als unausweichlich an, doch Umweltschützer und die Landbevölkerung möchten erhalten, was von einem subtropischen Paradies noch übrig ist“, sagt Roy Carriker, ein Ressourcenökonom an der University of Florida. Beide Seiten sind sich einig, dass Nordflorida die einzige leicht zugängliche Quelle von zusätzlichem Wasser für Südflorida darstellt; uneins sind sie über die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen einer Wasserumleitung, stellt Professor Carriker fest. Florida streitet mit Georgia und Alabama über die Zuteilung eines jeden Staates aus dem gemeinsamen Apalachicola- Chattahoochee-Flint-Flussbecken. (. . .) Aber eine kürzlich im südlichen Kalifornien erzielte Übereinkunft gibt nun Anlass zur Hoffnung. Der Vergleich - ein komplexes Paket aus 30 ineinandergreifenden Verträgen - beendet das jahrelange Gerangel darüber, wer das Wasser aus dem Colorado River nutzen darf, der primären Süßwasserquelle für sieben US- Bundesstaaten im Südwesten. Jeder Staat entlang des Colorado River stimmte seinerzeit Nutzungsbegrenzungen zu, als in den 1930er Jahren der Hoover- Damm gebaut wurde. Doch neuerdings drängten Kaliforniens wachsende Städte den Staat dazu, auf überschüssiges Wasser aus dem Colorado zurückzugreifen, um den boomenden Süden zu versorgen. Diese Praxis zog schließlich Proteste benachbarter Staaten und der US-Zentralregierung nach sich, welche dieses Jahr Kalifornien untersagte, seine Limits zu überschreiten. Die Farmer in Südkalifornien würden Wasser verschwenden, stellte die Bundesregierung fest. Um den Städten mehr zu geben, Textbeispiel 66 narr-starter.de <?page no="68"?> müsste der Staat eben Wasser von landwirtschaftlichen Nutzern abzweigen. Die Farmer freilich waren nicht gewillt, Erstnutzungsrechte am Großteil von Kaliforniens Wasserversorgung aufzugeben, die sie seit Jahrzehnten innegehabt hatten. Letzte Woche nun, nach neun Jahren sporadischer Verhandlungen, enormem Druck seitens der Bundesregierung, und großzügigen wirtschaftlichen Anreizen aus San Diego willigten die Farmer der Region ein, die nächsten 75 Jahre lang ungefähr 340 Mio. Kubikmeter jährlich an die städtische Wasserbehörde zu verkaufen. (. . .) „Man kann das nicht über den Gerichtsweg lösen“, meint Pat Mulroy, Generaldirektor der Wasserbehörde für Südnevada. „Man steht nämlich ohne Wasser da, bevor es entschieden ist.“ Florida, Alabama und Georgia scheinen diesen Ratschlag allerdings nicht zu beherzigen. Nach einem Jahrzehnt des Prozessierens und fünf Jahren Verhandlungen, die im Juli in einem provisorischen Vertrag gipfelten, ist der Drei-Staaten-Konflikt jetzt wieder vor einem Bundesrichter in Alabama gelandet. Der hermeneutische Übersetzer versucht so zu formulieren wie ein Originalautor, die Mitteilung also durchsichtig zu machen. Er achtet auf diskursfeldspezifische Wortfelder im Zielbereich, hier also die Welt der Wirtschaft sowie Recht und Politik. Auch Stilelemente der journalistischen Sprache versucht er zu verwenden. Eine Beispieldiskussion kann immer nur ganze Texte betreffen, nicht einzelne Sätze. Er gestattet es freilich dem Leser im Zielbereich, die Übersetzung selbst aufgrund gegebenen Vorwissens zu interpretieren, ohne dass ein bestimmtes Verständnis erzwungen werden kann. Die hermeneutische Übersetzung 67 narr-starter.de <?page no="69"?> Zusammenfassung Mit dem Problem des Übersetzens kann man sich also auf verschiedenste Art und Weise befassen. Es gibt nicht nur eine einzige alles umfassende „Übersetzungstheorie“ oder gar ein einheitliches Paradigma im Sinne eines Musterbeispiels. Ausgehend von dem forschenden Blick auf den vermeintlichen Gegenstand hat sich eine allmähliche Verlagerung des Forschungsinteresses von den Sprachen über die Texte im Gebrauch und die Stellung literarischer Texte bis hin zur Translation als zweckgerichtetem Handeln, dem Translator als verstehendem Individuum und der Frage nach dessen Kognitionsleistung herauskristallisiert. Es zeigt sich auch, dass Übersetzungswissenschaft zwar durchaus eine eigenständige Disziplin mit einem genuinen Forschungsbereich - eben dem Prozess und Produkt des Übersetzens - ist, dass sie aber immer interdisziplinär Erkenntnisse aus anderen Bereichen, wie der kontrastiven Grammatik, der Pragma-, Sozio-, und Psycholinguistik, der Kommunikations- und Handlungstheorie, der Hermeneutik, der Literaturwissenschaft und den Kulturwissenschaften sowie der Kognitionsforschung mit einbezogen hat. Wollte man nun fragen, „was denn das alles fürs Übersetzen bringt“, so gelangt man zu einer weiteren Differenzierung. Unter den Übersetzungstheorien gibt es solche, die rein theoretisch an einem Modell des Übersetzungsvorgangs interessiert sind, während andere die Ordnung der Disziplin einer Übersetzungsforschung selbst zum Gegenstand haben. Wieder andere Forschungsarbeiten wenden sich mehr der Frage zu, „wie die Ergebnisse des konkreten Übersetzens narr-starter.de <?page no="70"?> aussehen sollten“, sind also am Unterricht interessiert. Hier gibt es normativ-didaktische aber auch textbezogen-deskriptive Ansätze, die Schlussfolgerungen zur gesellschaftlichen Ethik ziehen. Im Hinblick auf die verschiedenen Forschungsvorhaben dürfte es schwierig sein zu sagen, „was besser oder was schlechter ist“. Jede wissenschaftliche Darstellung ist legitim, solange sie wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Und dann bringt sie auch einen Erkenntnisfortschritt. Die einzelnen Studien bieten Resultate jeweils aus einem speziellen Forschungsinteresse heraus, und sie wären vielfach ohne andere vorhergehende Arbeiten gar nicht denkbar. Ein solcher Überblick kann daher kaum mehr leisten als ein kritisches Problembewusstsein im Bereich der Übersetzungstheorien zu schaffen - und vielleicht auch ein wenig Interesse für eigene weiterführende Studien anzuregen. Zusammenfassung 69 narr-starter.de <?page no="71"?> Glossar Adaptation → s. auch Modulation textliche Kompensation kultureller Unterschiede in der stylistique comparée Adressaten → s. auch Zielrezipienten anvisierte Leser einer Übersetzung, die im Übersetzungsauftrag mit ihren Vorgaben zu beachten sind. Begriff der funktionalen Translationstheorie Anthropophagie-Konzept brasilianische Vorstellung vom Übersetzen als Einverleibung und einheimische Umgestaltung europäischer Originale Äquivalenz bezeichnet die Gleichwertigkeit von Übersetzungslösungen auf der Wort- und Syntaxebene nach der stylistique comparée, sowie die Wirkungsgleichheit von Texten. Sie wird übersetzungskritisch verifiziert. Äquivalenzforderungen auf Textebene sollen verschiedene Äquivalenzen realisiert werden: der außersprachliche Sachverhalt, Gebrauchsnormen, ästhetische Eigenschaften usw. (Koller) Arbeitsraum im nicht-kontrollierten kognitiven Arbeitsraum wirken Assoziationen intuitiv, im kontrollierten Arbeitsraum erfolgt eine bewusste Suchstrategie. (Hönig) ausgangssprachlicher Text → s. auch zielsprachlicher Text Das Original zur Übersetzung, die Textvorlage. Der Ausdruck kommt v. a. in der linguistischen ÜW vor. Ausgangstext → s. Zieltext Bezeichnung im Rahmen der funktionalen Translationstheorie, abgrenzend von der linguistischen ÜW. narr-starter.de <?page no="72"?> Bearbeitung → s. auch philologische Genauigkeit Übersetzung als etwas freiere Wiedergabe, die Empfängererwartungen bedient. (Schreiber) Bedeutung → s. auch Zeichen begrifflicher Inhalt eines Sprachzeichens, eines Lexems als Wort Begriff geistige Vorstellung von einem Gegenstand. Wird bezeichnet mit einem Wort oder Lexem Bilingualismus eine Person spricht zwei Sprachen gleich gut, wie eine Muttersprache Black Box → s. Kognitionsforschung Teil eines kybernetischen Systems, dessen Aufbau und innerer Ablauf erst aus den Reaktionen auf eingegebene Signale erschlossen werden kann. (Duden) constructing cultures die ideologische Art wie fremde Kulturen in literarischen Übersetzungen präsentiert werden. (Bassnett) Cultural Turn Neuausrichtung der Literatur- und Übersetzungsforschung in den 1990er Jahren auf die Analyse von Bedingungen, Zwängen und Wirkungen der Übersetzungen in Kulturen. (Bachmann-Medick) Dekonstruktion Mit Blick auf die Sinnschwankungen einzelner Wörter wird das Erfassen eines angeblich „logozentrischen“ Gesamtsinnes von Texten bestritten. Ziel ist die Ideologiekritik. (Derrida) Descriptive Translation Studies Teil der Übersetzungsforschung, der auf deskriptive Analysen setzt, indem fertige Übersetzungen analysiert werden um übersetzerische Regularitäten aufzuspüren. (Toury) Deverbalisierung Kernforderung der „théorie interprétative“ der Pariser Schule aus den 1980er Jahren. Der Übersetzer soll sich vom Wortlaut lösen und Glossar 71 narr-starter.de <?page no="73"?> den Sinn übertragen, wie dies beim Dolmetschen einsichtig ist. (Seleskovitch/ Lederer). Dichotomie Zweiteilung der Übersetzungsmöglichkeiten, wie z. B. übersetzbar/ unübersetzbar, treu/ frei, schriftlich/ mündlich, Form/ Inhalt, Fremdes/ Eigenes, Explizitation/ Implizitation, wörtlich/ umschreibend, usw. Dolmetschen → s. auch Übersetzung Die mündliche Übertragung von Gesprochenem, auch Sprachmittlung genannt. Dient der Verständigung im Gespräch. domestication → s. auch foreignizing Streben nach flüssigem Stil für eine leicht lesbare Übersetzung, Anpassung an die in einer Zielkultur vorherrschenden literarischen Normen. (Venuti) Eigenes personbezogener, relativer Begriff. Wissenselemente, die einem bekannt sind von der eigenen Kultur her, aus dem Fachbereich, aus der eigenen Erfahrung. Alles andere ist demgegenüber „fremd“. Der Ausdruck wird besonders in der Übersetzungshermeneutik verwendet. eindeutschen der dt. Sprache anpassen, z. B. ein französisches Wort e.; eindeutschend aussprechen (Duden). Es geht nicht ums Übersetzen. Empfänger → s. auch Sender Beim Übersetzen als interlingualer Transfer nimmt er die unveränderte Information entgegen. Entsprechungen, potentielle von der Kontrastiven Linguistik entwickelte Wortäquivalenzen, in der Lexikographie verzeichnet. Epistemologie (von gr. episteme - Verstehen, Wissenschaft): Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie (Duden) Glossar 72 narr-starter.de <?page no="74"?> Expertenhandeln Der Translator ist „Experte für die Produktion von transkulturellen Botschaftsträgern für kommunikative Handlungen.“ (Holz-Mänttäri) Fehleranalyse → s. stylistique comparée dient in der Fremdsprachendidaktik zur Feststellung inhaltlicher und syntaktischer Abweichungen im zielsprachlichen Text. Feldtheorie Idee, dass die Disziplin der Übersetzungsforschung ein Feld bildet, auf welchem sowohl theoretische, als auch deskriptive und angewandte Forschungsarbeiten angesiedelt sind. (Holmes) feministische Translation versucht die Diskriminierung der Frau durch die Sprache zu überwinden, entwickelt eine frauengerechte Sprache, untersucht kritisch das Bild der Frau in Romanen und deren Übersetzung, beschreibt die Arbeit vergessener Übersetzerinnen. (v. Flotow) foreignizing translation → s. auch domestication politisch bewusste Übersetzungsstrategie, die als Widerstand gegen die in einer Zielkultur vorherrschenden literarischen Normen auftritt und Formen kolonialisierter Kulturen herausstellt. (Venuti) Formulieren zielsprachliche Textproduktion im Sinne der Übersetzungshermeneutik als Ausformulieren des Verstandenen Freiheit, übersetzerische → s. auch philologische Genauigkeit; s. Treue Die Übersetzung weicht vom Wortlaut und oft auch vom Inhalt der Textvorlage ab, zeigt lexiko-semantische Variation. Fremdes → s. auch Eigenes persönlich unbekannte Phänomene; ist ein relativer Begriff. Hermeneutik Sprachphilosophie, welche die Bedingungen und Möglichkeiten des Verstehens erörtert. Wichtigste Einsicht: der hermeneutische Zirkel als Vorbedingung des Verstehens. (Heidegger, Gadamer) Glossar 73 narr-starter.de <?page no="75"?> Horizontverschmelzung subjektive Erfahrung des Verstandenhabens, wenn der Horizont des eigenen Wissens mit dem eines fremden Textes in eins geht. (Gadamer) Illokutionsindikatoren Sprachelemente in Texten, an welchen die Illokution, d. h. die Intention eines Sprechakts zu erkennen ist. (Hönig/ Kußmaul) illusionistische Übersetzung Man übersetzt kreativ so, dass der Leser meint ein Original zu lesen. Wichtig ist die ästhetische Qualität des Originals. (Levý) Individualität Modalität der Textwahrnehmung: jeder Text ist eine individuelle Einheit und nicht bloß ein Exemplar einer Textsorte. (Paepcke) Information beim interlingualen Transfer zu erhaltender Zeicheninhalt (Kade) Initiator Auftraggeber der Übersetzung Interdisziplin Übersetzungswissenschaft, die eine Prototypologie von Texten und verschiedene sprachwissenschaftliche Theorien integriert. (Snell- Hornby) interkultureller Transfer Vermittlung zwischen zwei Kulturen durch Übersetzung. Dies impliziert Textänderungen (Reiß/ Vermeer) interlingualer Transfer Weiterleitung der Information nach Kodierungswechsel vom Sender zum Empfänger (Kade) interlinguale Übersetzung Ersetzen ausgangssprachlicher Zeichen durch solche der Zielsprache (Catford, House) intralinguale Übersetzung Umschreibung der Information mit Zeichen derselben Sprache Glossar 74 narr-starter.de <?page no="76"?> intersemiotische Übersetzung Übertragung in ein anderes Zeichensystem (Sprache-Bild, Bild- Ton, usw.) Interpretation Suchprozess nach dem Sinn eines Textes (Stolze) Deutung eines Textes im Licht des Vorwissens Kodierungswechsel beim Übersetzen als interlingualem Transfer das Switching von der Ausgangsin die Zielsprache. (Kade) Kognitionsforschung Untersuchung des Denkens von Übersetzern durch Laute Protokolle, introspektive Interviews, Fragebögen und mit Prozessanalyse. Das Gehirn ist eine Black Box. Kohärenz Zusammenhalt eines Textes durch syntaktische Vollständigkeit und semantische Kompatibilität Kommunikation Menschen sprechen miteinander und tauschen Gedanken aus. (umgangssprachlich) Interaktion zwischen Produzent und Rezipient eines Textes als Kommunikationspartner, Begriff der funktionalen Translationstheorie. (Vermeer) Kommunikationsvorgang Eine Information wandert vom Sender zum Empfänger, ggf. als zweisprachig vermittelte Kommunikation. (Kade) Kontrastive Linguistik vergleicht die Sprachsysteme zweier Einzelsprachen Korpus eine elektronisch erfasste Sammlung möglichst vieler authentischer Texte in einer Sprache Korpusanalyse elektronische Untersuchung von annotierten Textkorpora auf der Suche nach universalen, wiederkehrenden Elementen Glossar 75 narr-starter.de <?page no="77"?> Kreativität, doppelte Der Übersetzer soll sowohl während der Rezeptionsphase als auch der Produktionsphase kreativ sein. (Siever) Kultur All das, was man wissen und empfinden können muss, um beurteilen zu können, wo sich Einheimische in ihren verschiedenen Rollen erwartungskonform verhalten. (Göhring) Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung. (Duden) language material Zeichenmaterial, das beim Übersetzen in einer vergleichbaren Situation ausgetauscht wird. (Catford) Lehnübersetzung Wörtliche Übersetzungsprozedur für ein Lexem in der stylistique comparée Leipziger Schule Gruppe von Wissenschaftlern in den 1970er Jahren in Leipzig, die die linguistische Übersetzungswissenschaft entwickelt haben (Kade, Jäger, Neubert). Lemma einzelnes Wort im Lexikon Lexem linguistische Bezeichnung für ein Wort Linguistik systembezogene Sprachwissenschaft. (Saussure) Literarizität stilistische Qualitäten literarischer Texte, etwa Aspekte von Rhythmus, Klang, kreative Normabweichungen, die diese als „literarisch“ im Gegensatz zu gewöhnlichen Texten auszeichnen. (Levý) Glossar 76 narr-starter.de <?page no="78"?> Lokalisierung Anpassung von Produkten und der Bedienungsanleitungen an eine Zielkultur unter Beachtung unterschiedlicher rechtlicher Vorschriften Loyalität, übersetzerische Der Translator ist sowohl dem Autor als auch den Zielrezipienten gegenüber verpflichtet. (Nord) Manipulation School Wissenschaftliche Richtung der vergleichenden Literaturwissenschaft (comparative literature), welche formale Textveränderungen, also nichtwörtliche Übersetzungen als Manipulation bezeichnet. (Lefevere, Hermans) Mitteilung gemeinte Aussage eines Textautors, von der sich ein Leser angesprochen fühlt. (Paepcke) Modell Ergebnis des Versuchs, die vielfältigen Strukturen und Zusammenhänge eines konkreten Sachverhalts abstrakt vereinfachend darzustellen, sodass eine Problematik klar hervortritt. Modulation → s. auch Adaptation Inhaltliche Perspektivenverschiebung in der stylistique comparée, Paraphrasierung, nicht-wörtliches Übersetzungsverfahren Multiperspektivität Modalität der Textwahrnehmung: ein Text wird von verschiedenen Lesern aufgrund deren unterschiedlichen Vorwissens verschiedenartig wahrgenommen. Dieses Potential ist im Text angelegt. (Paepcke) Orientierungsfelder Beobachtungspunkte bei der holistischen Betrachtung des Textes und fürs Formulieren der Übersetzung. (Stolze) Paralleltexte Beispiele einer Textsorte in mehreren Sprachen; mehrere Übersetzungen eines Textes in einer Sprache Glossar 77 narr-starter.de <?page no="79"?> Paraphrase Nichtwörtliche Übersetzungsprozedur der Umschreibung eines Ausdrucks mit anderen Wörtern in der stylistique comparée. Freie, nur sinngemäße Übertragung in eine andere Sprache. (Duden) Phänomenologie Lehre, die von der geistigen Anschauung des Wesens der Gegenstände ausgeht und nach der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen fragt. (Husserl) philologische Genauigkeit Übersetzungsweise, welche die Struktur des Ausgangstextes möglichst genau, wörtlich nachbildet. Dies soll „Treue“ zum Text gewährleisten. Polysystem literarisches System in einem Land, wo nicht jeder literarische Text gleichwertig ist. Es gibt Zentrum und Peripherie. (Even-Zohar) Postmoderne ist eine politisch-wissenschaftlich-künstlerische Richtung, die sich gegen bestimmte Institutionen, Methoden, Begriffe und Grundannahmen der Moderne wendet und diese aufzulösen und zu überwinden versucht. (Wikipedia) Pragmatik Bereich der Linguistik, der die Beziehungen zwischen Zeichen und Benutzer beim Sprachgebrauch untersucht. Praxis → s. auch Theorie Bezeichnet das konkrete Handeln in der Gesellschaft und beinhaltet daher immer ein Element der Subjektivität und der Dynamik. Prototyp stellt als bestes Exemplar einer Kategorie eine Kernvorstellung mit unscharfen Rändern dar. Die Einzelelemente sind nicht analysierbar, sondern weisen eine Familienähnlichkeit auf. Dies gilt für Wortbedeutungen, aber auch für Textsorten. (Snell-Hornby) Glossar 78 narr-starter.de <?page no="80"?> Psycholinguistik Wissenschaft von den psychischen Vorgängen beim Erlernen der Sprache und bei ihrem Gebrauch. (Duden) Regularitäten, übersetzerische → s. auch Universalien Gesetzmäßigkeiten übersetzerischen Verhaltens als Reaktion auf Textstrukturen Relevanztheorie Übersetzungstheorie nach der für die mündliche Kommunikation entwickelten Relevanztheorie. Es gelten die Konversationsmaximen der Informativität, Wahrhaftigkeit, Relevanz und Direktheit des angemessenen Redens. Die Übersetzung ist dann eine Interpretation des Originals (interlingual interpretive use). (Gutt) Rewriting Neuschreiben von Literatur unter ethischer Zielorientierung. Die Genauigkeit zum Ausgangstext ist nicht so wichtig. (Lefevere) Rhetorik Lehre von der wirkungsvollen Gestaltung der Rede. (Duden) Schlüsselwörter Wörter, die in einem Text signifikant auftreten und über die wesentlichen Grundgedanken informieren. Semantik Teilgebiet der Linguistik, das sich mit den Bedeutungen sprachlicher Zeichen befasst. Bedeutung, Inhalt eines Wortes, Satzes oder Textes. (Duden) Semiose Sinn ist nicht einfach gegeben, sondern entsteht durch Zeichenprozesse im Denken. In diesem dynamischen Denkprozess regt ein Zeichen (Wort, Text) die Sinnbildung an und produziert neue Zeichen. (Peirce) Sender → s. auch Empfänger Ausdruck der linguistischen Übersetzungswissenschaft. Beim Übersetzen als interlingualer Transfer enkodiert er die unveränderte Information Glossar 79 narr-starter.de <?page no="81"?> Skopos Zweck und Ziel der Translation in der funktionalen Theorie. (Vermeer) sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft Als Technik des Übersetzens werden Probleme des Übersetzens zwischen zwei bestimmten Sprachen diskutiert, s. Stylistique comparée Sprachmittler ist ein Oberbegriff für Übersetzer und Dolmetscher. Im Ausbildungssystem der DDR gab es auch den akademischen Grad des „Diplom-Sprachmittlers“. Der Schwerpunkt liegt auf sprachlichem und nicht auf kulturellem Transfer. Sprachnorm Gesamtheit der in einer Sprachgemeinschaft (in Bezug auf Rechtschreibung, Aussprache, Grammatik und Stil) als üblich und richtig festgelegten Regeln. (Duden) Sprachphilosophie Ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Rolle der Sprache im Leben, mit dem Ursprung und Wesen sprachlicher Zeichen, mit Ideen und Logik befasst. (Duden) Sprachspiel bezeichnet Sprechen als Handeln. (Wittgenstein) Sprechakte bestimmte Akte, die mittels Wörtern erzielt werden, z. B. versprechen oder verbieten. (Austin) Stilistik Lehre von der Gestaltung des sprachlichen Ausdrucks, vom Stil. (Duden) Stimmigkeit Übersetzungsziel des Hermeneutikers, wenn Formulierungen gefunden werden, die gelingend das aussagen, was man ausdrücken möchte. (Stolze) Glossar 80 narr-starter.de <?page no="82"?> Stylistique comparée beschreibt die möglichen Übersetzungsverfahren in einem Sprachenpaar in Bezug auf Wörter und Syntagmen (Vinay/ Darbelnet) Syntax befasst sich mit den Verknüpfungsregeln sprachlicher Zeichen, untersucht Satzstrukturen, Grammatik. Symbol → s. auch Zeichen ein Sinnbild, steht für einen Gegenstand oder eine Aussage: „ein religiöses S.“ - Fachspr.: ein Formelzeichen. (Duden) Systemtheorie Die Linguistik untersucht die Sprache auf der Ebene des Systems (langue) der Zeichen mit Bedeutung und ihren Verknüpfungsregeln. (Saussure) Technik des Übersetzens → s. Stylistique comparée Anwendung der Transferprozeduren im Einzelfall Textsorten überindividuelle Sprech- oder Schreibakttypen, die an wiederkehrende Situationen gebunden sind, wodurch sich charakteristische Textgestaltungsmuster herausgebildet haben. (Beispiel: Gerichtsurteil) Texttypologie nach den Zeichenfunktionen definierte Gruppierung von Textsorten: informativer, expressiver, operativer Texttyp, relevant für die Übersetzungskritik. (Reiß) Theorie → s. auch Praxis; Modell Der Versuch, die vielfältigen Strukturen und Zusammenhänge eines konkreten Sachverhalts in einem abstrakten Modell theoretisch darzustellen, sodass eine Problematik klar hervortritt. Theorem aus Axiomen einer wissenschaftlichen Theorie gewonnener Satz; Lehrsatz. (Duden) Glossar 81 narr-starter.de <?page no="83"?> Think-aloud-Protokolle auch Laute Protokolle genannt: Aufzeichnung von Gedanken der Übersetzer, die sie während ihrer Arbeit gesprochen haben Translat wissenschaftliche Bezeichnung des Produkts von Übersetzungsbemühungen, die Übersetzung Translator Der Übersetzer und die Übersetzerin in der Handlungsrolle als übersetzende Person, Begriff initiiert in der funktionalen Translationstheorie. (Vermeer) Transkreation Bezeichnung fürs Übersetzen von Marketing- und Werbetexten im Bereich der Wirtschaft translation laws → s. auch Universalien anhand von Korpusanalysen eruierte Regularitäten übersetzerischen Verhaltens als Reaktion auf ausgangsspr. Textstrukturen, z. B. Interferenz, Verflachung, Erklärungen translation rules präskriptive Übersetzungsregeln besonders im Blick auf Wörter, didaktisch zu lehren anhand der Generalisierung von Einzelbeispielen. (Newmark) translation shifts erfolgen dann, wenn wörtliches Übersetzen nicht möglich ist und stattdessen eine andere grammatische Konstruktion eingesetzt wird. (Catford) Translationstheorie, funktionale neu konzipierte Theorie der Sprachmittlung als interkulturellem Transfer, welche den Zweck des Handelns in der Vordergrund stellt. Richtet sich gegen die linguistische Ausrichtung an der Textstruktur. (Reiß/ Vermeer) Translationsprozessforschung Beobachtung des translatorischen Verhaltens mittels Key-Logging, Eye-Tracker, Video und EEG. (Göpferich) Glossar 82 narr-starter.de <?page no="84"?> Translationssoziologie wissenschaftliche Erforschung der Übersetzung als kultur- und sozialwissenschaftliches Produkt. (Prunč) Translatologie Wissenschaft vom Dolmetschen und Übersetzen, Begriff initiiert in der funktionalen Translationstheorie, überwindet den Ausdruck Sprachmittlung. (Vermeer) Transposition → s. auch Modulation syntaktische Paraphrasierung als Transferprozedur in der stylistique comparee Treue, übersetzerische → s. auch philologische Genauigkeit genaue Nachbildung des Ausgangstextes Übersetzung → s. auch Dolmetschen Die schriftliche Übertragung einer schriftlichen Vorlage aus einer Sprache in eine andere. Bezeichnet auch das Ergebnis, den zielsprachlichen Text. Übersetzungsauftrag, didaktischer Der (fiktive) Übersetzungsauftrag gibt die Zieltextvorgaben an und steht in der Didaktik vor der übersetzungsrelevanten Ausgangstextanalyse im Dienste der funktionalen Translation. (Nord) Übersetzungsfertigkeit standardisierter Transfer anhand gelernter Übersetzungsprozeduren. (Wilss) Übersetzungsforschung umfasst alle empirischen Studien zum Übersetzen, seien sie prozessorientiert (Denken und Handeln eines Translators), oder produktorientiert (Stellung und Wirkungen eines Translats), oder angewandt (Didaktik, Forschung zum Lernfortschritt, Vergleiche Anfänger vs Profis) Übersetzungshermeneutik beleuchtet die Implikationen des Grundsatzes, dass ein Translator den Text erst verstehen muss und dann translatorisch immer nur das präsentiert, was er oder sie verstanden hat. (Stolze) Glossar 83 narr-starter.de <?page no="85"?> Übersetzungskritik Beurteilung einer Übersetzung mit ihrer Vorlage nach bestimmten Kriterien, v. a. im Unterricht Übersetzungskultur Komplex der Lesekultur, Literaturkritik, Verlagspolitik und kulturvermittelnden Tätigkeit von Übersetzern in zwei Ländern. (Krysztofiak) Übersetzungsprobleme, sprachenpaarspezifische betreffen die textinternen Faktoren wie Lexis, Syntax und suprasegmentale Merkmale wie Eigennamen, Konnotationen, Wortbildung, Attribuierung, Fokussierung, usw. Werden beim didaktischen Übersetzungsauftrag analysiert. (Nord) Übersetzungsprozeduren lexikalische und syntaktische Verfahren des Transfers vom ausgangssprachlichen zum zielsprachlichen Text nach der stylistique comparée Übersetzungsstrategie planvolles Vorgehen des Translators, häufig auch als Makrostrategie, welche die Übersetzung als Textganzes konzipiert Übersetzungswissenschaft linguistisch orientierte Theorie des Übersetzens aus den 1970er Jahren, gemeinsprachlich auch „Wissenschaft vom Übersetzen“ Übersummativität Modalität der Textwahrnehmung: ein Text wird holistisch verstanden. Einzelelemente haben ihre Beziehung zum Gesamtsinn, der aber mehr als die Summe seiner Teile ist. (Paepcke) Universalien Eigenschaften, die alle natürlichen Sprachen aufweisen. Auch: gleiches Verhalten von Sprechern. Universalismus Lehre, Denkart, die den Vorrang des Allgemeinen, des Ganzen gegenüber dem Besonderen und Einzelnen betont. (Duden) Glossar 84 narr-starter.de <?page no="86"?> Unübersetzbarkeit → s. auch Dekonstruktion Bestimmte Übersetzungseinheiten (Wort, Satz) gelten als unübersetzbar, v. a. im wörtlichen Transfer. verdeutschen Luther nannte so seine Übersetzungsmethode, die weniger an der Ausgangstextform als an der Botschaft orientiert war. verfremden Übersetzungsstrategie, etwas fremd klingen zu lassen, evt. durch wörtliches oder historisierendes Übersetzen. Verständlichkeit Qualität von Texten. Dies hängt aber vom Wissen des Lesers ab, nicht alle Texte sind für jeden verständlich. Verstehen holistische Erfassung des Sinnganzen eines Textes, dessen Aussage als Mitteilung angenommen wird. Auch: Gesprochenes deutlich hören. Weltbild In der Muttersprache zeigt sich der Geist eines Volkes (Humboldt, Schleiermacher). Es kristallisiert sich in charakteristischen Wörtern. (Wandruszka) Werkzeuge Hilfsmittel der praktischen beruflichen Tätigkeit, wie Wörterbücher, Computer, Translation Memoires und Software für Maschinelle Übersetzung, Korrekturprogramme, Internet etc. Wissenschaft Eine ein (begründetes, geordnetes, für gesichert erachtetes) Wissen hervorbringende forschende Tätigkeit in einem bestimmten Bereich. (Duden) Zeichen → s. auch Symbol Buchstabe, Silbe oder Wort als Einheit einer Schriftsprache. Es besteht aus Ausdrucksform und Inhalt. (Saussure) Glossar 85 narr-starter.de <?page no="87"?> Zeichenfunktionen Im Sprachgebrauch haben die Zeichen die Funktionen Bezeichnung, Ausdruck, Signal oder Denotation, Symptom, Appell. Als „Konnotationen“ haften diese Aspekte an der Zeichenbedeutung. Zielrezipienten Adressaten, anvisierte Empfänger eines Translats. Bezeichnung im Rahmen der funktionalen Translationstheorie, in Abgrenzung von der linguistischen ÜW. zielsprachlicher Text → s. ausgangssprachlicher Text Die Übersetzung, die zielsprachlich formulierte Version. Der Ausdruck kommt v. a. in der kontrastiven Linguistik vor. Zieltext → s. auch Ausgangstext Bezeichnung des Translats im Rahmen der funktionalen Translationstheorie, in Abgrenzung von der linguistischen ÜW. Zweck → s. auch Skopos Zielsetzung des Übersetzens und auch Zweck einer Übersetzung. Glossar 86 narr-starter.de <?page no="88"?> Aufgaben [Die Lösungen können abgerufen werden unter www.narr-starter.de] Kapitel 1 Welche Konsequenzen hat die Vorstellung einer Einheit von Sprache und Denken? Diskutieren Sie die Vorstellung von der Sprache als Kommunikationsinstrument. Nennen Sie die verschiedenen Transferverfahren der Vergleichenden Stilistik. Kapitel 2 Was beschreibt die Textlinguistik? Diskutieren Sie die Grundidee der übersetzungsorientierten Texttypologie. Wie entsteht eine Textsorte? Kapitel 3 Diskutieren Sie die literaturwissenschaftliche Forderung der illusionistischen Übersetzung. Was ist die Grundidee der Manipulation School? Welche Wirkungen können Übersetzungen in einem literarischen Polysystem haben? Kapitel 4 Was heißt Übersetzungsforschung als Feldtheorie? Beschreiben Sie den Inhalt der Descriptive Translation Studies DTS. Was wird mit Korpusanalysen untersucht? Wozu dienen Protokolle des Lauten Denkens? Was geschieht kognitiv im „nicht kontrollierten Arbeitsraum“? Diskutieren Sie die Translationsprozessforschung. narr-starter.de <?page no="89"?> Kapitel 5 Wodurch unterscheidet sich die „Allgemeine Translationstheorie“ von anderen? Definieren Sie den Ausdruck „Skopostheorie“. Was steht im „Faktorenmodell der Translation“? Inwiefern ist Übersetzen ein interkultureller Transfer? Diskutieren Sie den „Didaktischen Übersetzungsauftrag“. Kapitel 6 Was meint die Behauptung, Übersetzen sei ein „Prozess der Macht“? Nennen Sie Gegenstände der feministischen Übersetzungsforschung. Wann ist Translation politische Ethik? Diskutieren Sie den „Cultural Turn“ und den „Postkolonialismus“. Was heißt eine foreignizing translation? Kapitel 7 Erläutern Sie den „hermeneutischen Zirkel“. Benennen Sie Modalitäten der Textwahrnehmung. Diskutieren sie die Orientierungsfelder fürs Übersetzen. Was heißt Stimmigkeit als Formulierungsziel? Aufgaben 88 narr-starter.de <?page no="90"?> Literatur Albrecht, Jörn (1998): Literarische Übersetzung. Geschichte - Theorie - Kulturelle Wirkung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Austin, John L. (1972): Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam. Bachmann-Medick, Doris (2006): Cultural Turns. Neuorientierung in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Baker, Mona (1993): “Corpus linguistics and Translation Studies: Implications and applications.” In: M. Baker/ G. Francis/ E. 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Literatur 93 narr-starter.de <?page no="95"?> Sachregister Äquivalenz 34 Äquivalenzforderung 18 Ausgangstext 57 Cultural Turn 47 Deskriptive Translation Studies (DTS) 30 Dolmetschen 9 Dolmetscher 10 doppelte Loyalität 44 Ethische Aufgabe des Übersetzers 51 hermeneutischer Zirkel 53 Illokutionsindikator 22 Intention 44 interkultureller Transfer 42 Interpretation 45 Kommunikation 41 Kontext 28, 40 Korpus 32 Kultur 27, 40 Literarizität 24 Manipulation 25 Polysystem 27 Prototypologie 34 Skopostheorie 41 Sprachinhaltsforschung 13 Sprachsystem 14 Sprechakttheorie 21 Stylistique comparée 32 f. Textsorte 22 Texttyp 20 Textwahrnehmung 54 Translat 40 translation studies 30 Translationshandlung 40 Translationsprozessforschung Translationssoziologie 49 Translatologie 40 Translator 40 Translatorik 40 Übersetzer 10 Übersetzung 9, 15 f. Übersetzungsforschung - feministische 48 - Übersetzungsforschung 31 f. Übersetzungskritik 20 Übersetzungsqualität 16, 45 Vorwissen 57 Zeichen 15 Zeichenfunktion 20 Zieltext 40 narr-starter.de <?page no="96"?> für einen schnellen Einstieg ins Thema Grundbegriffe und wichtige Zusammenhänge schnell erfasst ideal für die Seminarvorbereitung in den ersten Semestern Seit der Antike machen sich Übersetzer Gedanken darüber, wie man übersetzen sollte. Heute gibt es - je nach Wissenschaftsperspektive - unterschiedliche Übersetzungstheorien, die mehr oder weniger bewusst das praktische Handeln bestimmen. Dieser „narr starter“ will ein Vorverständnis dafür schaffen, wie Übersetzungstheorien in ihrer Grundidee aussehen. Ideal geeignet für Einsteiger ohne Vorkenntnisse, das Wichtigste in 7 Schritten, abgerundet durch ein hilfreiches Glossar zum schnellen Nachschlagen. www.narr-starter.de www.narr-studienbuecher.de www.narr.de