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Kontrastive Linguistik

0912
2016
978-3-8233-9033-6
978-3-8233-8033-7
Gunter Narr Verlag 
Joachim Theisen

Im Fokus der kontrastiven Linguistik steht der Vergleich zwischen zwei oder mehr Sprachen: Wie wird jeweils ein und derselbe Sachverhalt ausgedrückt? Das Bändchen führt anhand zahlreicher Beispiele in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Griechisch in das Thema ein. Dabei werden alle Ebenen zwischen Sprechen und Sprache und auch zwischen Mündlichem und Schriftlichem bedacht.

<?page no="0"?> wichtige Punkte für einen erfolgreichen Start ins Thema Kontrastive Linguistik zusammengefasst von Joachim Theisen <?page no="1"?> Dr. Joachim Theisen ist Dozent für Geschichte der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Athen. <?page no="4"?> Joachim Theisen Kontrastive Linguistik <?page no="5"?> Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr-starter.de www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISSN 2509-6036 ISBN 978-3-8233-8033-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="6"?> Inhalt 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik . . . . . 7 1.1 Universalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.2 Kontraste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Laute und Silben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 Phonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2 Silbensprachen und Wortsprachen . . . . . . . . 24 3 Wortschätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Wortfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4 Sätze und ihre Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 SOV - SVO - . . . - kdR . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.2 Sprache und Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5 Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.1 Sprechen ist Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.2 „Auf Wiedersehen! “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6 Sparmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.1 Allgemeines und Besonderes . . . . . . . . . . . . . 59 6.2 Eingespart in D-E-F-G-. . . . . . . . . . . . . . . . . 64 narr-starter.de <?page no="7"?> 7 Machtspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 7.1 Dominanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7.2 . . . und Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Inhalt 6 narr-starter.de <?page no="8"?> 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik Abb. 1: universell Abb. 2: kontrastiv © J. Theisen In den Abbildungen 1 und 2 sind jeweils Personen versammelt, die alle ziemlich gleich aussehen. In der ersten Abbildung sieht man jedoch eher das Gemeinsame, in der zweiten das Besondere (und man würde es noch besser sehen, wenn die Abbildungen farbig wären). Der Unterschied besteht im Kontrast: ganz wenig Kontrast (damit überhaupt etwas zu sehen ist) links gegen sehr viel Kontrast rechts. In diesem ersten Kapitel geht es zunächst um die Gemeinsamkeiten aller menschlichen Sprachen: Was macht menschliche Sprache als solche aus? Im Anschluss wird gefragt, was Sprachen voneinander unterscheidet. Dann kann nämlich auch bestimmt werden, mit was sich kontrastive Linguistik (in Zukunft: KL) beschäftigt. Eine vorläufige Antwort lautet: mit dem Vergleich zweier (oder mehrerer) Sprachen in möglichst klar definierter Perspektive. narr-starter.de <?page no="9"?> 1.1 Universalien Treffen sich zwei Heringe. Sagt der eine: „Hi! “ Der andere erschrocken: „Wo? ! “ Dass Fische in Wirklichkeit nicht sprechen können, ist sprichwörtlich, im Gegensatz z. B. zu Papageien. Aber auch andere Vögel können immerhin etwas, was „Singen“ genannt wird, und Hunde können bellen, Pferde wiehern, und eine Kuh macht „Muh“. All diese Laute haben für andere Vögel, Hunde, Pferde und Kühe (sehr wahrscheinlich) so etwas wie eine Bedeutung; man kann auch sagen: Diese (und viele andere) Tiere verfügen über eine Sprache, sogar wenn es so gut wie lautlos zugeht wie bei den Bienen, die mit ihren Tänzchen den Stockgenossinnen den Weg zur nächsten Apfelwiese beschreiben. Und die Heringe? Dass sich genau zwei von ihnen begegnen, ist höchst unwahrscheinlich, denn Heringe sind Schwarmfische, und als solche schwimmen sie niemals allein, sondern stets zu Tausenden oder gar Millionen in sehr dicht gedrängten Gruppen, die eine höchst interessante Eigenschaft haben: Schwärme bewegen sich wie ein einziger Organismus, ohne dass sich die einzelnen Individuen gegenseitig behindern. Anrempeln, wie bei Menschen auf Weihnachtsmärkten, gibt es nicht. Die kommunikativen Möglichkeiten von Heringen mögen sehr beschränkt, ihre Sprache höchst rudimentär sein: In mindestens dieser einen Hinsicht hat sie menschlicher Sprache aber etwas voraus. Wenn man von „menschlicher Sprache“ spricht, ist damit gemeint, dass alle menschlichen Sprachen etwas Gemeinsames haben - diese Gemeinsamkeiten sind sprachliche Universalien. Welche das genau sind, darüber wird gestritten. Manches steht jedoch durchaus fest. Um mit dem Fun- 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 8 narr-starter.de <?page no="10"?> damentalsten zu beginnen, was menschliche Sprache allerdings auch mit allen tierischen Sprachen gemeinsam hat: Sie funktionieren in der Zeit. Anders als ein Bild hat jede sprachliche Äußerung einen Anfang und ein Ende. In der Heringssprache ist dieses Universale selbstverständlich ebenfalls realisiert, wenn auch mit sehr starker Tendenz zur Punktualität: Es gibt unter Heringen keine fortlaufenden Äußerungen, sondern immer nur momentane, allerdings ca. siebenfache wechselseitige Versicherungen darüber, wie schnell und in welche Richtung jeder einzelne von ihnen sich zu bewegen hat, damit alle zusammen möglichst eng beisammen bleiben und in derselben Geschwindigkeit in derselben Richtung schwimmen, ohne übereinander zu stolpern und sich die Flossen zu verletzen. Von hier aus stellt sich bereits eine andere, für die KL sehr wichtige Frage: die nach dem Verhältnis zwischen Kommunikation und Sprache, genauer nach dem Stellenwert von Sprache innerhalb der Kommunikation. Kommunikation ist, wie alle anderen Ereignisse und Handlungen auch, ebenfalls der Zeit unterworfen, doch anders als Sprache findet sie gleichzeitig über ganz verschiedene Kanäle statt: Während ich mit jemandem spreche, sehe, rieche, vielleicht berühre, höre ich ihn (und er mich) - all das tritt zur Sprache hinzu oder umgekehrt: Die Sprache tritt zu all dem hinzu, nicht nur bei frisch Verliebten, die einander in den Armen liegen, oder zwischen einer Mutter und ihrem Kind, das in ihren Armen schläft. Es lohnt sich deshalb einerseits, das eine vom anderen zu trennen. Andererseits aber (in der KL) muss beides zusammengesehen werden. Doch eins nach dem anderen. Die sprachlichen Universalien lassen sich einteilen in theoretische und empirische. Zu den theoretischen gehört, 1.1 Universalien 9 narr-starter.de <?page no="11"?> neben der schon festgestellten Sequenzialität, dass sich mit menschlicher Sprache nicht nur über Gegenwärtiges sprechen lässt, sondern auch über Vergangenes, dass sich Welten entwerfen lassen, sowohl in zeitlicher, räumlicher als auch psychischer Dimension, einfach gesagt: Wahrheit ist eine Kategorie, aber kein Merkmal sprachlicher Äußerungen - in menschlicher Sprache und nur in ihr lässt sich, wenn man‘s kann, hervorragend lügen. Warum trotzdem nicht jede Äußerung darauf hin befragt werden muss, ob sie auf Welt referiert oder Welt entwirft, ob sie wahr ist oder falsch (gelogen? ), liegt ganz einfach daran, dass wir normalerweise ein großes Interesse daran haben, uns unproblematisch zu verständigen oder uns unterhalten zu lassen - den Unterschied kennen wir ohne weiteres als kompetente Benutzer menschlicher Sprache. Andere theoretische Universalien sind z. B. Rekursivität (ein und dasselbe syntaktische Element kann in verschiedener Position in denselben Satz eingebettet sein: Jutta glaubt, sie sei verliebt.) und Reflexivität: Man kann über Sprache sprechen, ohne eine andere Sprache als diese selbe Sprache verwenden zu müssen. Empirische Universalien werden üblicherweise in „Wenn . . . dann“-Formeln gefasst: Wenn eine Sprache über den Vokal / o/ verfügt, hat sie auch die Vokale / a e i/ ; wenn eine Sprache über eine Vergangenheitsform verfügt, hat sie auch eine Gegenwartsform; wenn eine Sprache einen Dual hat, hat sie auch einen Plural, usw. Damit sind strukturelle Gesetzmäßigkeiten benannt, von denen man, aufgrund der Fülle an bisher erhobenen Daten, annehmen kann, dass sie auf alle Sprachen zutreffen. Mit dem, was allen menschlichen Sprachen gemeinsam ist, weil es menschliche Sprache ausmacht, muss sich keine 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 10 narr-starter.de <?page no="12"?> einzelsprachige Linguistik befassen, die KL aber durchaus, weil, wie schon bemerkt, Sprache immer eingebettet ist in Kommunikation - aber wie? 1.2 Kontraste Vergleichen lässt sich alles miteinander, sogar Äpfel und Birnen. Sprachen und sprachliche Varietäten wurden schon sehr früh einander gegenübergestellt, aus weit vorwissenschaftlichen, nämlich „nationalen“ Gründen: Unser Griechisch ist natürlich viel besser als euer Barbarisch! Und dasselbe hatten schon die Ägypter über ihr Ägyptisch behauptet, und später dann behaupteten es die Römer über ihr Latein usw. Bis man damit begann, Sprachvergleiche zu systematisieren, dauerte es aber noch eine Weile, nämlich fast bis zum 19. Jh. Die damals sehr fleißig und mit großem Erkenntnisgewinn betriebene Vergleichende Sprachwissenschaft ging historisch vor: Man stöberte in der Vergangenheit und fand verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Sprachen heraus. Griechisch hört sich zwar ganz anders an als Deutsch, doch beide Sprachen gehören zur indoeuropäischen Sprachfamilie; Deutsch und Englisch hören sich zwar etwas ähnlicher, aber auch anders an, doch beide sind germanische Sprachen. Nach welchen Gesetzmäßigkeiten haben sie sich im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich entwickelt? Das ist der historische Ansatz. Inwiefern unterscheiden sie sich heute voneinander? Das ist der Ansatz, von dem aus die KL sich seit den 50er Jahren des 20. Jhs., beginnend in den USA, mit ihren heutigen Fragestellungen herausgebildet hat. Ihr sehr praktischer Ursprung liegt im Fremdsprachenunterricht und der Überlegung, dass es hilfreich ist, die spezifischen Unterschiede zwischen zwei Spra- 1.2 Kontraste 11 narr-starter.de <?page no="13"?> chen offen zu legen und didaktisch fruchtbar zu machen. Ein Amerikaner lernt leichter Japanisch, wenn ihm genau gesagt wird, worin sich das Japanische vom Amerikanischen unterscheidet - und das gilt in gleicher Weise für alle Sprachenpaare. Lohnt es sich deshalb, alle Sprachen einander gegenüberzustellen? Natürlich nicht. Auch weil das (bei den ca. 7000 bekannten Sprachen) immerhin 50 Millionen Paare wären. Stattdessen gibt es zwar mittlerweile eine Menge kontrastiv vorgehende Lehrbücher, doch hat gleichzeitig die KL selbst ihren Schwerpunkt aus der Schule in die Universität verlagert. Dort stellt sie nicht mehr nur Fragen, deren Antworten in den Fremdsprachenunterricht münden, sondern sie arbeitet, wie sich das auf einer Universität gehört, theoretisch. Dabei muss sie sich auch nicht mehr auf einen kontrastiven Vergleich zwischen nur zwei Sprachen beschränken, sondern kann grundsätzlich Strukturen einander gegenüberstellen. Ihre Position innerhalb der Linguistik ist daher die in Abb. 3 dargestellte; jeder Binde-Strich steht für einen Sprachvergleich, und die Auflösung der Abkürzungen für die Sprachen ist auch mitgegeben: D-E D-F D-G D-S D-I E-C Deutsch Französisch Englisch G-T T-D Spanisch Allgemeine Linguistik Griechisch E-G F-D Türkisch Chinesisch Italienisch C-D D-E-F D-E-G D-E-F-G E-F-G-T F-E Abb. 3: KL innerhalb der Linguistik Während die Allgemeine Linguistik (im Zentrum) nach den Eigenschaften von Sprache fragt und die einzelsprachigen 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 12 narr-starter.de <?page no="14"?> Linguistiken (im mittleren Umlauf) nach den je eigenen Regeln und Strukturen von Sprachen, stellt die KL (außen) eine oder mehrere Sprache(n) in das Licht einer oder mehrerer anderer. Es lassen sich sowohl einander ganz fremde als auch miteinander verwandte Sprachen kontrastieren und ebenso Gemeinsamkeiten wie Unterschiede feststellen, die dann aber auch in der Allgemeinen Linguistik bedacht werden müssen. Bis hierher wurde reflektiert, was menschliche Sprache ist (und sie von tierischen Kommunikationsmöglichkeiten unterscheidet), doch noch nicht, was, von einem innersprachlichen Standpunkt aus, eine „Sprache“ eigentlich ist. Es wurden kurz Griechisch, Ägyptisch und Latein einer- und Barbarisch andererseits gegenübergestellt, doch Griechisch war nicht gleich Griechisch. Stattdessen gab es (vor 2500 Jahren) vier große Dialektgruppen auf dem griechischen Festland und rund ums Mittelmeer. Zeitweise wurden durchaus Versuche unternommen, den einen Dialekt als „besser“ als den anderen zu erweisen - in der Regel gewann das Attische, wie dann auch bei der Konstituierung einer griechischen Nationalsprache im 19. Jh. In Italien war es das Toskanische Dantes, Petrarcas und Boccaccios des 14. Jhs., das (ebenfalls im 19. Jh.) zur offiziellen Sprache des italienischen Staats wurde, während in Deutschland, basierend auf dem „Luther-Deutsch“ des 16. Jhs. ein Dialekt-Mischmasch zu dem aufgebaut wurde, was heute Standard- Deutsch ist. Es fällt nicht sehr leicht, „Sprache“ von „Dialekt“ zu unterscheiden, da „Sprache“ in den meisten Kontexten sehr viel mit Nationalstaaten zu tun hat, vor allem in historischer Perspektive. Mit der Nationalstaaterei und dem Entstehen der (historischen) Sprachwissenschaft im 19. Jh. lautete das Motto: „Ein Staat, eine Sprache! “, und es ist sehr 1.2 Kontraste 13 narr-starter.de <?page no="15"?> bezeichnend, dass man dafür auf weit, zum Teil sehr weit zurückliegende Sprachstufen zurückgriff. Dänisch, Norwegisch und Schwedisch können unter linguistischem Aspekt als drei Dialekte einer Sprache klassifiziert werden, was zur sehr praktischen Folge hat, dass sich Dänen, Norweger und Schweden (jedenfalls die meisten) heute noch mit ein bisschen gutem Willen in ihrer jeweiligen „Landessprache“ miteinander verständigen können; aus politischen Gründen wurden aus den Dialekten aber Sprachen. In der Schweiz gibt es erhebliche Probleme, „Schwyzerdütsch“ als mehr als einen deutschen Dialekt zu konstituieren, während in Österreich aber für die eigene Abgrenzung gegen die „Piefkes“ eher der Weg des kulturellen Vorurteils gewählt wird. - Mit der Identität und Unterschiedenheit von Dialekten beschäftigt sich die Dialektforschung oder Dialektologie. Dass man im 19. Jh. überhaupt auf frühere Sprachstufen zurückgreifen konnte, verdankte man selbstverständlich der Schrift. Schriftliche Sprache unterschied sich aber - bis zur Einrichtung der ersten Chatrooms - eklatant von mündlicher, auch deshalb, weil sie in Europa jahrhundertelang nicht die Volkssprache war, sondern Latein. Außerdem folgt schriftliche Sprache ganz anderen Regeln als mündliche: Diese dient der unmittelbaren Kommunikation, jene hingegen der nur mittelbaren. Die Tatsache, dass Schriftliches über die Zeit hinweg erhalten bleibt, zwingt sie in spezifische Muster: So (und nicht anders! ) sieht ein juristischer Traktat aus, so! ein Vertrag, so! ein wissenschaftlicher Artikel usw. Weil deshalb Sprache in ihrer schriftlichen Form von sprachfremden Gepflogenheiten überlagert ist, wurde Schriftlichkeit von Ferdinand de Saussure, dem Begründer der modernen Linguistik, gründlich aus der Linguistik hinausgekehrt. - Heute beschäftigen sich Mündlich- 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 14 narr-starter.de <?page no="16"?> keits-/ Schriftlichkeitsforschung und Schriftlinguistik mit diesem Kontrast. Während die Allgemeine Linguistik sich ausschließlich für Sprache als in sich geschlossenem System interessiert, können einzelsprachige Linguistiken und muss vor allem KL auch danach fragen, wie Kommunikationen bewältigt werden. Dies geschieht nicht in allen Sprachen auf dieselbe Weise. An der Schnittstelle zwischen Sprache und Gesellschaft haben sich zwei Wissenschaften etabliert. 1) Die Interkulturelle Kommunikationswissenschaft nimmt eine Perspektive ein, die von Verhaltensweisen ausgeht, in denen Sprache eine je unterschiedliche Rolle spielt. Höflichkeit äußert sich in Europa, nicht nur sprachlich, ganz anders als in (Ost-)Asien. 2) Im Zentrum der Kulturwissenschaftlichen Linguistik steht der Vergleich zwischen den Arten und Weisen, wie in unterschiedlichen Kulturen Sprechakte (mündlich und schriftlich) erfolgreich durchgeführt werden. Dass es zwischen beiden Disziplinen zu Überschneidungen kommt, leuchtet ein. Noch zwei Bereiche am Rand der KL sollen kurz erwähnt werden. Eine Standardsprache ist etwas anderes als die ihr zugrundeliegenden Dialekte, aber es gibt auch ganz andere und unterschiedliche Sprachverwendungsweisen: Erwachsenen- und Jugendsprache, Wissenschafts- und Alltagssprache, Frauen- und Männersprache usw. - Seit den 1960er Jahren hieß dieser Zweig Soziolinguistik, heute, da die ausdrücklich soziologische Ausrichtung der Sprach- (und Literatur)wissenschaft pluralistisch aufgelöst ist, heißt er sinnvoller Varietätenlinguistik. Die indoeuropäische Sprachwissenschaft zeigt auf, was mit ein- und derselben Sprache geschieht, wenn ihre Benutzer sich räumlich entfremden: Auch ihre Sprachen leben 1.2 Kontraste 15 narr-starter.de <?page no="17"?> sich auseinander. Und sie treten mit je anderen Sprachen in Kontakt. Das kann in verschiedener Weise geschehen. Auf der einen Seite in vertikaler Beziehung: Ein Volk erobert das Gebiet eines anderen, sei es militärisch, sei es kulturell, oder beides, dann ergeben sich eine Superstratsprache (oben und dominant) und eine Substratsprache (unten und dominiert), die sich aber durchaus wechselseitig beeinflussen. Einerseits konstituierte Latein die deutsche Grammatik, andererseits wandelte sich im Mund volkssprachlicher Sprecher das klassische Latein zum Küchenlatein des Mittelalters. Sprachen stehen aber auch in horizontaler Beziehung zueinander: Latein neben Germanisch, F neben D und E, und normalerweise findet dabei mehr oder weniger reger Austausch zwischen den Kulturen und auch ihren Sprachen statt. Zu Internets Zeiten muss dabei nicht einmal geographisches Nebeneinander gegeben sein. - Diese wechselseitigen Einflüsse sind Gegenstand der Sprachkontaktforschung. In diesem Büchlein geht es vorwiegend um die Sprachen D-E-F-G. Die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen ihnen zeigt Abb. 4; die Auswahl an romanischen Sprachen ist kursiv gedruckt, die der germanischen Sprachen fett, und Griechisch steht im Normaldruck ganz allein: 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 16 narr-starter.de <?page no="18"?> Abb. 4: Indoeuropäische Sprachen in Europa Schließlich eine kurze Antwort auf die Frage, wo in diesen Linguistiken die KL zu verorten ist: Sie setzt beim Systematischen an (Phonologie, Lexik, Morphologie, Syntax) und muss sich, da Sprachen innerhalb der Kommunikation unterschiedliche Rollen spielen, auch der Pragmatik öffnen, doch es sind auch unterschiedliche Formen des Sprachwandels zu untersuchen. Allerdings stellt sich in ihr auch die wichtige Frage, wie in verschiedenen Sprachen die sprachlichen und kommunikativen Lasten zwischen Sprecher und Hörer verteilt sind. 1.2 Kontraste 17 narr-starter.de <?page no="19"?> Selbstverständlich können in einem so knapp bemessenen Bändchen nicht alle Aspekte der KL beleuchtet werden. Stattdessen beschränkt es sich auf einige Schlaglichter, die Geschmack auf mehr machen wollen. Im Anhang gibt es zu jedem Kapitel zwei Fragen oder Aufgaben. Ihre Antworten und Lösungen können als knappe Wiederholungen formuliert werden. Und hier folgt eine klitzekleine Abkürzungsliste und Lesehilfe - eine sehr praktische schriftliche Sparmaßnahme (Kap. 6). Ahd. Althochdeutsch AG Altgriechisch D Deutsch E Englisch F Französisch G Griechisch (= Neugriechisch) KL Kontrastive Linguistik L Latein Mhd. Mittelhochdeutsch Plur./ Sing. Plural/ Singular d/ th (in G) sind als stimmhaftes/ stimmloses englisches th zu lesen z/ s (in G) sind als stimmhaftes/ stimmloses s zu lesen 1 Linguistik(en) und kontrastive Linguistik 18 narr-starter.de <?page no="20"?> 2 Laute und Silben Abb. 5: Vokalinventar in D-E-F-G (Mitte) und in D, E, F und G In allen Sprachen der Welt zusammen gibt es ungefähr 200 Phoneme, also bedeutungsunterscheidende Laute. In den ersten Monaten seines Lebens kann ein Mensch sie alle unterscheiden, doch um am Leben bleiben zu können (worauf es ja ankommt), muss er das später gar nicht mehr. Deshalb werden die in der eigenen Muttersprache nicht verwendeten Phoneme dauerhaft vergessen, aus Gründen der Ökonomie. In diesem Kapitel geht es um die Laute einer Sprache sowie um den phonologischen Aufbau von Wörtern in unterschiedlichen Sprachen. narr-starter.de <?page no="21"?> 2.1 Phonologie Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm beginnt, im Jahr 1854, mit einer Lobeshymne: A, der edelste, ursprünglichste aller laute, aus brust und kehle voll erschallend, den das kind zuerst und am leichtesten hervor bringen lernt, den mit recht die alphabete der meisten sprachen an ihre spitze stellen. a hält die mitte zwischen i und u, in welche beide es geschwächt werden kann, welchen beiden vielfach es sich annähert. (Grimm/ Grimm) Solche Wertungen haben wir uns außerhalb des ganz privaten Geschmacks längst abgewöhnt, auch wenn Ernie und Bert in der Sesamstraße nicht nur ihre Lieblingszahlen, sondern auch ihre Lieblingsbuchstaben haben. Nur wenige, in der Regel lang gedehnte, Laute haben (wahrscheinlich sprachübergreifend) so etwas wie eine Bedeutung: aaa, iii, mmm, ooo, schschsch! . Diese Bedeutungen sind zudem höchst kontextuell, sie ergeben sich aus der jeweiligen kommunikativen Situation. Wörter und Sätze bestehen aber normalerweise nicht aus einzelnen Lauten, sondern aus Lautkombinationen. Und erst damit entstehen dann für alle nachvollziehbare, weil kontextfreie Bedeutungen. In der Mitte von Abb. 5 stehen nach dem Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) die 44 Laute, aus denen das Vokalinventar der vier Sprachen D-E-F-G besteht. Darüber und darunter ist zu sehen, wie sich dieses Inventar aus den Vokalphonemen der einzelnen Sprachen zusammensetzt. Bevor einige Beobachtungen hervorzuheben sind, muss kurz der Status von Phonemen innerhalb einer Sprache geklärt werden: Erst seit de Saussure die „langue“ (die Sprache, das System) den „paroles“ (dem Sprechen, den aktuellen und 2 Laute und Silben 20 narr-starter.de <?page no="22"?> kommunikativen Realisierungen) gegenübergestellt hat, und konkret erst seit Nikolai Sergejewitsch Trubetzkoys Entwurf einer strukturalistischen Phonologie in den 1930er Jahren kann man vernünftigerweise von Phonemen sprechen: Ein Phonem ist, platonisch gesagt, die Idee eines Lauts innerhalb des Systems der „langue“, sehr abstrakt, während die in den „paroles“ tatsächlich artikulierten Laute, die Phone, sich je voneinander unterscheiden. Diese Unterschiede haben etwas mit den sehr konkreten Bedingungen der Sprecher zu tun: Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht, Kopfform, Gebiss, Tages- und Jahreszeit, Laune usw. Die Feststellung, dass kein Phon (bei den Vokalen kein [a e i o u]) dem anderen gleicht, ist zwar richtig, doch lässt sie sich erst treffen, seit es technische Möglichkeiten der Aufzeichnung und Analyse gibt, in die das menschliche Ohr selbst gar nicht reicht. Im Alltag geht es eher zu wie am Roulettetisch: Die Kugel liegt am Ende genau in einem Fach zwischen 0 und 36. Allerdings gibt es doch einen kleinen Unterschied, denn so ganz genau nehmen wir es gar nicht immer, auch eine falsche Aussprache kann nämlich eindeutig einem Wort zugewiesen werden; Ich bin weg lautet korrekt: ɪç bɪn vɛk 1 , aber bei ɪç bɪn ve: k wird niemand annehmen, dass der Sprecher sich in einen Weg verwandelt hat - der Kontext macht’s. Jenseits bzw. (je nach Standpunkt) vor den konkreten Aussprachevarianten sind Phoneme als kleinste lautliche Einheiten einer Sprache auf strikte Unterscheidbarkeit angewiesen. Schon diese Formulierung zeigt, dass es hier um das System geht und nicht um die wirklich gesprochenen und gehörten Laute. Es gibt in jeder Sprache sogenannte Minimalpaare, zwei Wörter, die sich in genau einem Laut an 1 Phonetische Umschriften aus Pons-Online (www.pons.com). 2.1 Phonologie 21 narr-starter.de <?page no="23"?> derselben Stelle voneinander unterscheiden; die Laute sind dann distinktiv: Paar - Bar, big - pig, baie - paie, παπάς - μπαμπάς (papás - babás, ‚Priester - Papa‘). 2 Diese Minimalpaare gibt es jedoch nur in den jeweils zugrunde gelegten Systemen, hier den Standardvarietäten von D-E-F-G, die auch in Abb. 5 abgebildet sind. - Dazu nun folgende Bemerkungen: 1. E hat 20, D hat 19, F hat 16, G hat 5 vokalische Phoneme; G hat also mit Abstand die wenigsten. 3 2. Nur in F gibt es Nasale ( ɛ̃ ɑ̃ œ̃ ɔ̃ ). 3. F und G haben keine Diphthonge und unterscheiden auch nicht zwischen Kurz- und Langvokalen. 4. E hat am meisten Diphthonge, aber die drei, die es in D gibt, hat es nicht. 5. Nur die germanischen Sprachen D-E haben kurze und lange Vokale, doch nur in D sind sie distinktiv: Bann - Bahn, Kämme - käme. 6. Es gibt kein einziges Phonem, das in allen vier Sprachen vorkommt. Auch die germanischen Sprachen D-E haben, bei insgesamt 19 bzw. 20 Vokalphonemen, nur 5 gemeinsam (i: ɪ ə u: ʊ). Nach dieser Analyse stellt sich eine interessante Frage: Wie werden Fremdwörter ausgesprochen? Werden fremdsprachige Phoneme in das eigene System integriert (z. B. Nasale aus 2 In G gibt es keinen Buchstaben für / b/ ; AG β (beta) ist zu β (vita) geworden, weshalb für / b/ die Konsonantenkombination μπ einspringen muss, die stellungsbedingt als [b] oder [mb] ausgesprochen wird. 3 Solche Zählungen sind nicht absolut zu verstehen, da die Anzahl der festgestellten Phoneme vom theoretischen Ansatz abhängt, was hier aber nicht berücksichtigt werden kann. 2 Laute und Silben 22 narr-starter.de <?page no="24"?> F in D-E-G) oder werden sie umgelautet? Die Antwort kann nur historisch gegeben werden. Es genügen drei Beispiele, die aus F bzw. E in D und G übernommen wurden; in alphabetischer Reihenfolge der Sprachen (also D-E-F-G), mit phonetischer Umschrift: D Balkon [bal ˈ kɔŋ, bal ˈ koːn] - Zigarette [tsiga ˈ rɛtə] - Tunnel [ ˈ tʊnl ̩ , tʊ ˈ nɛl] E balcony [ ˈ bælkəni] - cigarette [ˌsɪg ə ˈ ret] - tunnel [ ˈ tʌn ə l] F balcon [bal ˈ kɔ͂] - cigarette [siga ˈ ʀɛt] - tunnel [ty ˈ nɛl] G μπαλκόνι [balˈkɔni] - τσιγάρο [tsiˈɣarɔ] - τούνελ [ˈtunɛl] Der Nasal im ersten Beispiel findet sich höchstens noch bei Leuten, die auf ihre perfekte französische Aussprache stolz sind. Ansonsten wird der Balkon hinten wie Gong gesprochen oder einfach so, „wie man ihn schreibt“. Dasselbe gilt für die Zigarette, wobei das anlautende c des Französischen wie in Caesar als [z] gesprochen und dann auch so geschrieben wird. Ob man durch einen Túnnel oder durch einen Tunnél fährt, hing früher davon ab, in welcher Gegend Deutschlands und damit in welchem fremdsprachlichen Einflussbereich man aufgewachsen ist, E oder F. Der Unterschied liegt jedoch allein im Betonungsort, kein neuer Vokal (weder / y/ aus F, noch / ʌ/ aus E) kommt in D an. In E-G geschieht dasselbe, wenn die Wörter nicht (grob gesagt) morphologisch eingebürgert werden wie bei den Entsprechungen zum balkon oder bei dem τσιγάρο (tsigáro) (Neutrum) in G, das etwas kürzer geworden ist; die Zigarre ( πούρο , puro) in G kommt aus dem Spanischen puro, weil die Havanna halt doch die Zigarre in Reinform ist. Bei dem Umgang mit Fremdwörtern muss man jedoch bedenken, dass solche Eingliederungen in das eigene Laut- 2.1 Phonologie 23 narr-starter.de <?page no="25"?> system vor dem Boom des Fremdsprachenlernens stattfanden. Wer als Deutscher weder E noch F beherrschte, konnte (und selbstverständlich kann) den französischen Jean getrost genauso aussprechen wie den englischen Dramatiker Shaw, nämlich [ ʃɔ ]. 2.2 Silbensprachen und Wortsprachen Sprachen lassen sich u. a. nach dem Verhältnis zwischen Silben und Wort und nach ihrer Silbenstruktur unterscheiden: Es gibt Wortsprachen, deren Wörter tendenziell aus einer einzigen Silbe bestehen, und Silbensprachen, deren Wörter nur in Ausnahmefällen mit nur einer Silbe auskommen. Sehr deutlich hört und sieht man den Unterschied in den Wortgleichungen, die in D-E-F-G aufgrund ihrer gemeinsamen indoeuropäischen Herkunft erhalten sind; einige Beispiele (ich empfehle, die Wörter laut zu lesen, um die Verwandtschaft zu hören): D E F G Herz heart coeur καρδιά (kardiá) Knie knee genou γόνατο (gónato) Fuß foot pied πόδι (pódi) Nagel nail ongle νύχι (níchi) Zunge tongue langue γλώσσα (glóssa) Zahn tooth dent δόντι (dóndi) ich I je εγώ (egó) du you tu εσύ (esí) ist is est είναι (íne) eins one un, une ένα (éna) zwei two deux δύο (dío) drei three trois τρεις, τρία (tris, tría) Abb. 6: Ein paar indoeuropäische Wörter in D-E-F-G 2 Laute und Silben 24 narr-starter.de <?page no="26"?> Der Unterschied zwischen einer Wort- und einer Silbensprache zeigt sich am deutlichsten im Vergleich zwischen E und G. Während in E alle Wörter aus nur einer Silbe bestehen, müssen es in G (mit Ausnahme von τρεις ) mindestens zwei sein. Grundsätzlich können Silben aus Onset (= [K]onsonantischer Anfang), Nukleus (= [V]okalischer Kern) und Koda (= [K]onsonantisches Ende) bestehen, allerdings gibt es auch Silben nur aus KV (du), aus VK (ich) oder auch nur aus V (I). Andererseits können sowohl Onset (Knie, drei) als auch Koda (Herz) konsonantisch ergänzt werden. Das ist zwar kein exklusives Merkmal der germanischen Sprachen D-E, doch ist es dort systematisch genutzt, um möglichst einsilbige Wörter zu bilden. Dahinter steht eine historische Entwicklung, die damit begann, dass germanische Wörter auf der Stammsilbe betont wurden, die in den meisten Fällen auch die erste Silbe war. Diese Betonung führte u. a. dazu, dass die folgenden unbetonten Nebensilben nach und nach abgeschwächt wurden oder ganz weggefallen sind; insgesamt nimmt die Silbenzahl ab; nur zwei Beispiele: Ahd. herza → D Herz Altenglisch heorte → E heart Abb. 7: Deutsche und englische Herzen Vermutlich ist die Stammbetonung im Germanischen auf Einfluss derjenigen Sprachen zurückzuführen, in deren Verbreitungsgebiet Indoeuropäer in Mitteleuropa gesiedelt haben. G hat sich demgegenüber ganz anders entwickelt: Schon in AG müssen die drei letzten Silben eines Wortes in der Lage sein, den Akzent zu tragen. Es handelt sich dabei nicht um eine bedeutungshervorhebende Betonung, vgl. D Kínder 2.2 Silbensprachen und Wortsprachen 25 narr-starter.de <?page no="27"?> vs. G παιδιά (pediá; der Stamm ped bleibt unbetont! ). Auch in L gibt es diese Notwendigkeit der Betonung auf den letzten Silben. Endbetonung hat sich dann (anders als im Italienischen) sehr auffallend in F durchgesetzt, etwa im Konjugationsparadigma: avais, avais, avait; avions, aviez, avaient ( avˈɛ, avˈɛ, avˈɛ, avjˈɔ͂ , avjˈe, avˈɛ ). Darauf, dass vier Formen in der Aussprache (im Code phonologique) identisch sind, wird in Kap. 3.1 zurückzukommen sein. In D-E-F gab es im Verlauf ihrer Geschichte systematische Wortkürzungen, in G nicht. Dort blieb das alte Betonungssystem erhalten, allerdings wurde das Vokalinventar radikal reduziert. AG verfügte über 23 vokalische Phoneme, darunter 13 Diphthonge, die allesamt aufgegeben wurden, auch wenn sie teilweise in der Schrift noch erhalten sind. Sie wurden aber entweder vokalisiert ( αι, οι = AG [ai, oi] → G [e, i]), oder zu einer VK-Silbe erweitert ( ευ = AG [eu] → G [ev]). Hinter dieser Kürzung des Vokalsystems steht die Antwort auf die saloppe Frage: Wozu braucht man 23 Vokale, wenn man auch mit 5 auskommt? Eine einfache Rechnung zeigt, dass das so ist: In einer Sprache mit ca. 20 Konsonanten und 5 Vokalen (was ungefähr G entspricht), deren Silben nur aus KV und deren Wörter aus höchstens zwei Silben bestehen, gibt es 100 einsilbige und 10 100 zweisilbige Wörter. Das ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass es in D nicht einmal 8500 Wortstämme gibt; die weitaus meisten Wörter sind zusammengesetzt oder wurden aus anderen Sprachen übernommen (und zusammengesetzt). Der Unterschied zwischen einer Wort- und einer Silbensprache (und zwischen der Struktur von D-E und G) wird auch an Folgendem deutlich: Als die Griechen vor ca. 2800 Jahren das Alphabet von den Phöniziern übernahmen, 2 Laute und Silben 26 narr-starter.de <?page no="28"?> konnten sie damit zunächst einmal gar nicht zurechtkommen, weil das phönizische ein rein konsonantisches Alphabet war. Man sieht das Problem recht deutlich an dem Satz des Bias von Priene (ca. 590 - 530 v. Chr.), einem der πτ σφ (pt sf), sbn Wsn, der griechischen Antike; erst die deutsche Übersetzung - ebenfalls ohne Vokale und Großbuchstaben geschrieben - gibt Aufschluss darüber, was Bias (angeblich) wirklich sagte: G πλστ νθρπ κκ D d mstn mnschn snd schlcht 4 Es ist, in diesem Beispiel, nicht nur die Anzahl der Vokale, in denen sich AG (8) und D (6) unterscheiden, sondern noch mehr die konsonantische Füllung von Onset und Koda. Die fünf Vokale in G treten außerordentlich häufig auf, während andererseits D und E möglichst viele verschiedene Vokale brauchen, wenn sie ihrer Idealstruktur „ein Wort = eine Silbe“ gerecht werden wollen. Tatsächlich verfügte das Urgermanische (das allerdings nur erschlossen werden kann) über lediglich zwölf vokalische Phoneme: vier kurze, vier lange sowie vier Diphthonge. Man kann schließlich auch die Frage stellen, welche Sprachen einfacher zu sprechen sind, Wort- oder Silben- 4 Das Zitat des Bias, er war einer der sieben Weisen ( ἑπτά σοφοί, heptá sofoí ): Οἱ πλεῖστοι ἄνθρωποι κακοί (hoi pleístoi ánthropoi kakoí). E ist in dieser Hinsicht nicht vergleichbar, weil die Trennung zwischen Vokalen und Konsonanten schriftlich nicht mehr deutlich ist, F gar nicht, da sich mittlerweile die Aussprache (der Code phonologique) zu weit von der Schreibung (dem Code graphique) entfernt hat. - Dass es in früher (griechischer) Schriftlichkeit keine Wortzwischenräume gab, führt in ein anderes Thema, das kurz in Kap. 7 zu beleuchten ist. 2.2 Silbensprachen und Wortsprachen 27 narr-starter.de <?page no="29"?> sprachen. Folgt man dem Kindermund, so hat eine Silbensprache eindeutig die Nase vorn: Mama, Papa, Dada, Nana usw. sind die ersten „Wörter“, die die lieben Kleinen sprechen, das Muster ist: KV - perfekt! Doch das ist ein Kurzschluss. Krabbeln ist für Kinder zunächst leichter als Laufen, doch sobald sie laufen können, lohnt sich das Krabbeln nur noch in Ausnahmesituationen, weil Laufen viel bequemer und schneller ist und auch nicht so weh tut. Sobald das Kind sprechen kann, in der Sprache seiner Umgebung, in der es lernt, sich mit anderen zu verständigen, geht es nur noch darum. Es muss möglichst schmerzfrei und erfolgreich funktionieren, was nur eine Frage der Gewohnheit ist, und das ist wirklich alles. 2 Laute und Silben 28 narr-starter.de <?page no="30"?> 3 Wortschätze Schreibtisch Schreibtischstuhl Schreibtischlampe Computer Tastatur Buch desk office chair desk lamp computer keyboard book bureau chaise de bureau lampe de bureau ordinateur clavier livre γραφείο καρέκλα γραφείου λάμπα γραφείου υπολογιστής πληκτρολόγιο βιβλίο Abb. 8: Ein Arbeitsplatz Wie kommen Gegenstände und andere Weltausschnitte zu ihren Namen? Im ersten Buch der Bibel war das einfach: Adam, noch im Paradies, gab jedem Tier, das Gott ihm vorführte, einen Namen, und fand so heraus, dass keines zu ihm passte, weshalb Gott ihm, dem Mann, schließlich eine Mennin (so Luther) erschuf - kostete nur eine Rippe. Ob Wörter von Natur oder durch Konvention ihre Bedeutung haben, war auch für Platon ein Thema, im „Kratylos“-Dialog. Selbstverständlich ist das Verhältnis zwischen Wort und Bedeutung (Signifikant und Signifikat) arbiträr, es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Gegenstand, der neben der Tastatur auf dem Tisch liegt und den Wörtern Buch - book - livre - vivlío. Bei dem Stuhl und der Lampe sieht es aber, wie gleich zu zeigen ist, ganz anders aus. narr-starter.de <?page no="31"?> 3.1 Wörter Die Wörter einer Sprache sind nicht beliebig zusammengewürfelt, sondern sie bilden ein Lexikon. Darin sind sie aber nicht alphabetisch, sondern in ganz verschiedener Hinsicht assoziativ geordnet, und zwar sowohl auf Wortebene (z. B. lautlich) als auch auf Bedeutungsebene (z. B. inhaltlich, kontextuell). In diesen Assoziationen ist in je unterschiedlicher Weise Welt geordnet - mittelalterliche Mönche konnten überzeugt sein, dass Enten Fische seien, weil sie ja im Wasser schwimmen und deshalb auch an Fasttagen schmackhaft auf dem Tisch und dann auch sättigend im Magen landen durften. Dieses Beispiel sollte nicht unterschätzt werden: Sprachen haben sich nicht (erst) in aufgeklärten Zeiten gebildet, sondern sehr lange davor - Sprichwörter und Redewendungen legen ein beredtes Zeugnis davon ab: Man verwendet sie, ohne eigentlich zu wissen, was sie ursprünglich einmal bedeutet haben, was aber auch keine Rolle mehr spielt, Hauptsache, der Gegenüber weiß, was damit gemeint ist. Und trotz Galilei geht nach wie vor die Sonne auf, auch in E-F-G. Dennoch lohnt sich selbstverständlich auch in der KL die Frage: Wie und wo haben sich Wörter und ihre Bedeutungen getroffen? Die 24 Beispiele, die in Abb. 8 einen sehr kleinen Weltausschnitt zeigen, geben ein wenig darüber Auskunft. Der Schreibtisch ist zugegebenermaßen eigentlich gar kein Schreibtisch, sondern er stand im Möbelhaus einmal in der Küchenabteilung. Heute steht er jedoch im Arbeitszimmer, und es gibt keine Instanz, die es mir verbietet, ihn meinen Schreibtisch zu nennen. Das Wort ist erkennbar zusammengesetzt: Essen und Lesen kann man eigentlich überall, fürs Schreiben ist ein Tisch als Unterlage ziemlich praktisch, was 3 Wortschätze 30 narr-starter.de <?page no="32"?> ihm zu seinem spezifischen Namen verhalf. Dasselbe gilt für den dazu gehörigen Stuhl und die Lampe, und dasselbe ebenfalls in den anderen Sprachen, auch wenn E die beiden Wörter nicht zusammenschreibt (office chair, desk lamp), und F-G eine Genitivkonstruktion verwenden. In jedem Fall sind die Benennungen motiviert, wenn auch in unterschiedlicher Weise. desk stammt aus dem mittelalterlichen L (abgeleitet von AG δίσκος , dískos) und ist schon dort der Tisch, an dem man schreibt. Allerdings ist der office chair nicht auf diesen desk bezogen, sondern auf das Zimmer, in dem er steht. In F weiß man das nicht ohne weiteres, doch steht im etymologischen Wörterbuch, dass erst der Tisch und nach dem Tisch das Zimmer bureau genannt wurde. Das gilt auch für G: grafío ist sowohl der Schreibtisch als auch das Büro. - Der Lampe - lamp - lampe sieht man nicht an, dass es sich bei ihnen ursprünglich nicht um indigene (also eigensprachliche) Wörter handelt. Jedoch macht die lámba in G hellhörig. Tatsächlich kommt sie in D-E-F aus dem Mittellateinischen (lampas), das auf das lateinische Verb lampo zurückgeht, das aus dem griechischen Verb λάμπω (‚leuchten‘) übernommen wurde. - Auffallend ist der Zusammenhang zwischen englischem chair und französischer chaise. Offenbar handelt es sich um eine kulturelle Übernahme aus F nach E. Lateinisch cathedra ist der Lehnsessel, der zu F chaire wird und von dort nach E kommt; bei chaise handelt es sich um eine Dialektvariante des 15. Jhs. Und L stammt, wie nicht anders zu erwarten, vom gleichlautenden AG καθέδρα , das nach ein paar Lautveränderungen zu G karékla wird. - Auch der Computer geht über L (computo, ‚[zusammen] rechnen‘) auf AG zurück: puto (‚annehmen, rechnen‘) ergibt sich aus der Vergangenheitsform πυϑέσϑαι (pythésthai) des Verbs πυνθάνομαι (pynthánomai, ‚fragen, erforschen‘). Dem E 3.1 Wörter 31 narr-starter.de <?page no="33"?> hört man diese Herkunft nicht an, wohl aber dem D die englische. Auch F kommt ohne L nicht aus: ordino ist u. a. ‚ordnen‘. Und die Benennung in G kommt zustande wie bei den Deutschen, die keine Fremdwörter mögen: ipolojistís ist eine Substantivableitung des Verbs υπολογίζω , (ipolojízo, ‚rechnen‘), woraus der ‚Rechner‘ wird. - Die Tastatur ist eine Analogiebildung zu den Tasten des Klaviers. Noch im 18. Jh. wurden sie aber Klaven genannt, von F cle(f) ‚Schlüssel‘, „weil sie durch berührung der saiten den laut gleichsam aufschlieszen“ (Grimm/ Grimm). F clavier ist nicht nur die Tastatur schon einer Schreibmaschine und heute des Computers, sondern auch der ‚Schlüsselring‘, die ‚Klaviatur‘ und der ‚(Stimm-)Umfang‘. G pliktrolójio kommt von plíktro, mit dem man in D Gitarre spielt (‚Plektrum‘) oder (wie hier) „Plekkis“ zeichnet, in G ist es allerdings ‚Taste‘. Bleibt schließlich doch noch das Buch, das ebenso wie E book auf ein urindoeuropäisches Wort zurückgeht (das nicht belegt ist, deshalb der Stern): *bhāĝo-s ist die Buche. Die Erklärung: Germanische Runenzeichen wurden in Bretter aus Buchenholz geritzt, die stabförmigen Runen ergaben die Buchstaben, das Holz das Buch und book. livre stammt von lateinischem liber, ursprünglich ‚Bast‘, weil auf Bast geschrieben wurde, dann ‚Schrift, Buch‘ und allerhand anderes Schriftliche. ‚Bast‘ ist in AG βίβλος (bíblos), konkreter der Bast der Papyrusstaude; vivlío, das Buch der Bücher, als Fremdwort Bibel, kommt also ebenfalls von nichts anderem als dem ursprünglichen Schreibmaterial. Die Motivation der Benennungen dieses kleinen Weltausschnitts ist in allen Sprachen mehr oder weniger gleich. Das liegt vor allem daran, dass dahinter überall dieselben Assoziationsmuster stehen. Arbiträre Wörter werden schon lange nirgendwo mehr gebildet: Das meiste Neue kommt 3 Wortschätze 32 narr-starter.de <?page no="34"?> irgendwo her, man übernimmt es gemeinsam mit seinem Namen, als handele es sich dabei um einen Eigennamen; Beispiele gibt es schon in Kap. 2.1. Sobald die fremden Wörter sich dann in der neuen Umgebung wohlfühlen, und das geht erstaunlich rasch, werden sie wie Familienmitglieder behandelt: Alle einheimischen (Wort-)Bildungs- und auch morphologischen Möglichkeiten stehen ihnen unmittelbar zur Verfügung, sie bringen nicht etwa ihre eigenen Formen mit, höchstens in ganz wenigen und sehr besonderen Ausnahmefällen (der Genitiv von Jesus Christus lautet eigentlich korrekt Jesu Christi, wenn man’s noch weiß). Schon in Kap. 2.2 wurde ein Konjugationsparadigma aus F erwähnt (avoir im Indicatif imparfait). Um den Unterschied zwischen den Formen zu erkennen, genügt die Verbform allein nicht, die Endung ist nicht mehr aussagekräftig genug; stattdessen muss ein Personalpronomen oder sonstiges Subjekt hinzutreten. In G ist das nicht der Fall, da es eine sogenannte Pro-Drop-Sprache ist: Das Pronomen kann (oder muss) wegfallen, weil die Information über die Person im Verb selbst gegeben wird. Seit dem 19. Jh. unterscheidet man synthetische und analytische Sprachen: Die Verben und Substantive der synthetischen tragen nicht nur inhaltliche Informationen, sondern auch grammatische (über Numerus, Tempus, Modus; Kasus); die der analytischen haben nur eine einzige, nämlich inhaltliche, Bedeutung, während die grammatischen Bedeutungen von anderen Wörtern getragen werden: von Pronomen, Hilfsverben; Präpositionen, Artikeln. D war ehemals eine synthetische Sprache; der erste Satz einer ahd. (Interlinear-)Übersetzung des Glaubensbekenntnisses vom Ende des 8. Jhs. zeigt das sehr deutlich; eine mhd. Version 3.1 Wörter 33 narr-starter.de <?page no="35"?> aus dem 12. Jh. wird auch gleich mitgegeben und außerdem die Übersetzung in heutigem D: L Credo in deum patrem omnipotentem, Ahd. Gilaubiu in got fater almahtîgon, Mhd. Ich geloube an got vater almechtigen D Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, L creatorem caeli et terrae. Ahd. scepphion himiles enti erda. Mhd. schephaer himels unde der erde. D Schöpfer des Himmels und der Erde. In Gilaubiu ist die 1. Sing. Präsens zu hören und zu lesen, himiles und erda haben eine Genitivendung, ein Artikel ist nicht vorhanden und nicht nötig, in L, an dem sich Ahd. erkennbar orientiert, gab es überhaupt keinen. - Im 12. Jh. (frühes Mhd.) lässt sich dann sehr genau der Übergang beobachten: Die Endung des Verbs ist abgeschwächt, die Person in ein Personalpronomen ausgelagert (Ich geloube), der Genitiv ist am Substantiv nur noch teilweise sichtbar; wo nicht, wird er nun durch einen vorangestellten Artikel markiert: himels unde der erde. Wenig später ist er dann aber systematisiert. Das ist im Gebrauch auch viel bequemer, als sich stets fragen zu müssen: Brauch ich ihn oder nicht? Deshalb schon wenig später: des himels und der erde. - G (was hier nicht genauer dokumentiert werden muss) war und ist aufgrund seines sehr differenzierten Akzentsystems gegen eine solche Analytisierung gefeit: Das aktuelle griechische Glaubensbekenntnis lautet genauso wie das spätantike, nur die Spiritus (‘ ’) sind in Aussprache und Schrift verschwunden, und der Plural wir glauben wurde zum Singular ich glaube, morphologisch hat sich aber nichts geändert. 3 Wortschätze 34 narr-starter.de <?page no="36"?> 3.2 Wortfelder Dass die Lampe für den Schreibtisch nicht Tiefgarage heißt, sondern Schreibtischlampe, ist ziemlich praktisch, und dasselbe gilt für die desk lamp - lampe de bureau - lámba grafíu. Das klingt albern, ist es aber keineswegs, denn ebenso selbstverständlich lernt man als Bestandteil eines Schreibtischs die Schublade - drawer - tiroir - συρτάρι (sirtári), als Bestandteil einer Schreibtischlampe den Schalter - switch - interrupteur - διακόπτης (diakóptis) oder die Glühbirne - light bulb - ampoule - λαμπτήρας (lambtíras) - nur hier und nur in G! ist tatsächlich ein lautlicher, weil morphologischer, Zusammenhang zu erkennen! Wenn auch, wie gesehen, zahlreiche Wortbedeutungen und Wortbildungen auf gleiche oder ähnliche Assoziationsmuster zurückgreifen, ist doch in jeder Sprache Welt tendenziell anders geordnet. Das liegt daran, dass Welt in jeder Kultur und damit Sprache eine andere Geschichte hat. Zugleich wird Welt, wie ebenfalls gesehen, aber von relativ wenigen einfachen Wörtern erschlossen. Ich beschränke mich nun auf ganz Weniges aus der Arbeits(losigkeits) welt und ordne zunächst einmal nach Substantiv, Verb und Adjektiv. Arbeit - Arbeiter/ in work - worker travail - ouvrier(-ière) δουλειά , εργασία (duliá, ergasía) - εργάτης (ergátis) arbeiten work travailler δουλεύω , εργάζομαι (dulévo, ergázome) arbeitslos - arbeitsscheu unemployed - work-shy sans travail / en chômage - réfractaire au travail άνεργος - φυγόπονος (ánergos - figóponos) Abb. 9: Arbeit oder nicht 3.2 Wortfelder 35 narr-starter.de <?page no="37"?> Als erstes ist bemerkenswert, dass es in dieser Darstellung keine Leerstelle gibt. Dabei wird jedoch ein- und derselbe Weltausschnitt ganz unterschiedlich repräsentiert: unten rechts adjektivisch (D-G), mit einem Partizip (E) oder mit einer Präpositionalphrase bzw. einer Kombination aus Adjektiv und Präpositionalphrase (F). Nur in D bleibt dabei insgesamt das Ausgangswort (Arbeit) durchgehend erhalten, auch E weicht in unemployed, allerdings konsequenterweise, ab, denn wer in D arbeitslos ist, kann durchaus den ganzen Tag in seinem Garten arbeiten, doch verdient er damit kein Geld, weil er nicht ‚angestellt‘ ist. Arbeit ist (ursprünglich) etwas sehr Unangenehmes, nach der Bibel ein Fluch Gottes. Im Paradies lebten Adam und Eva in süßem Nichtstun, erst nachdem sie rausgeworfen wurden, mussten sie, als Strafe, schwitzen und (die Frauen) unter Schmerzen gebären. Seither, aber ebenso im vorchristlichen Griechenland, gab es in Gesellschaften zwei Klassen von Menschen: Die einen brauchten nicht zu arbeiten, die meisten anderen mussten umso mehr (als Strafe) für die wenigen Glücklichen. Grundsätzlich hat sich daran nicht viel geändert, allerdings ist Arbeit heute von eher positiven Assoziationen umgeben. In G ist dieser Wechsel intonatorisch markiert: AG δουλεία (dulía) ist in G ‚Sklaverei‘ geblieben. Im hellenistischen G wird aber durch Akzentverschiebung ein neues, weniger belastetes Wort gebildet: δουλειά (duliá) als ‚Arbeit‘. Das Verb δουλεύω (dulévo) wechselte seine Bedeutung: von ‚ich bin Sklave‘ zu ‚ich arbeite‘. F travail ist zu Beginn des 12. Jhs. zum ersten Mal belegt als traval d’enfant, das ist der ‚Schmerz der Geburt‘ und erklärt sich (s. o.) aus der Bibel. sans travail ist unspektakulär, en chômage umso interessanter; dazu gibt es auch das Verb chômer: sowohl ‚arbeitslos sein‘ als auch ‚nicht arbeiten‘. Das 3 Wortschätze 36 narr-starter.de <?page no="38"?> Wort kommt von lateinischem cauma, einem griechischen Fremdwort ( καῦμα ), das ‚Brand‘, vor allem ‚Sonnenbrand‘, aber auch ‚Sommerhitze‘ bedeutet. Tatsächlich lässt sich bei 40 und mehr Grad im Schatten nur sehr mühselig oder kaum arbeiten; wer heutzutage über faule Griechen schwadroniert, sollte es einmal versuchen. - E work gibt es auch in D als Werk, in G έργο , aus dem άνεργος ‚arbeitslos‘ gebildet ist, und D wirken hängt ebenfalls damit zusammen. Bemerkenswerterweise findet das lateinische labor, laboro in diesem Wortfeld kaum eine Fortsetzung, aber selbstverständlich ist es nicht verlorengegangen, sondern wurde z. B. in Labor - lab(oratory) - laboratoire, laborieren, elaborate usw., aber auch (ausgehend von dem hart arbeitenden labourer, dem ‚Landarbeiter‘) für die englische Labour Party verwendet. In F gibt es (nur noch in literarischer Sprache) labeur als ‚harte, mühsame Arbeit‘, also auch etwas, was Arbeit schon am Anfang war: eine Qual; dazu das Adjektiv laborieux ‚mühsam‘. Diese Herleitungen, auch wenn sie noch so interessant sind, spielen in der aktuellen Kommunikation natürlich keine Rolle. Man weiß, was arbeitslos usw. bedeutet, dass der Arbeiter aber etwas anderes ist als der Angestellte - employee - employé - υπάλληλος (ipállilos) kann und muss man halt lernen. Noch eine Kleinigkeit: Das griechische Wort für streiken ( απεργώ , apergó) geht auf ein altgriechisches ἄπεργος (ápergos) zurück: ‚müßig, untätig‘, wörtlich etwa ‚weg von der Arbeit‘. - In D wird ein ehemals gemeinsames germanisches Wort (streichen - strike) aus E als Fremdwort zurückübernommen: In der nautischen Fachsprache bedeutete strike ‚die Segel streichen‘. Im 19. Jh. wurde es in den Kohlengruben in Wales als ‚die Arbeit niederlegen‘ verwendet. - F grève 3.2 Wortfelder 37 narr-starter.de <?page no="39"?> (‚Streik‘) ist ursprünglich ‚Kies‘: die Place de Grève in Paris, die heutige Place de l‘Hôtel-de-Ville, war ein Kiesplatz, auf dem sich anfangs des 19. Jhs. Arbeitslose versammelten und auf Arbeit warteten. - Deutlich zu sehen: Jede Sprache hat ihre eigene Laune, weil Geschichte. Wo auch immer Wörter ihren Ursprung haben, kann sehr interessant sein, spielt aber für die aktuelle Verwendung keine Rolle. So merkwürdige Geschichten, wie hier angedeutet, gibt es, soweit wir wissen, in allen Sprachen, doch sprechen wir üblicherweise nicht vor einem historischen Hintergrund; selbst die Wörter Etymologie - etymology - étymologie - ετυμολογία sind semantisch längst entlastet. Früher war man überzeugt, über die „wahre Bedeutung“ (AG ἔτυμος , étymos, ‚wahr, echt‘) zum wahren Wesen der Dinge zu gelangen - im 7. Jh. meinte der spanische Gelehrte Isidor von Sevilla in seiner Enzyklopädie mit dem bezeichnenden Titel „Etymologiae“ der Welt etymologisch auf den Grund gehen zu können: Fenestrae [. . .] dictae eo quod lucem fenerent ‚Fenster heißen so, weil sie Licht leihen‘) (XV, 7, 6). Heute geht es der Etymologie nur noch und sehr nüchtern um Wortgeschichte. Sie mag interessant sein, doch hat sie mit aktueller Bedeutung herzlich wenig zu tun, denn: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ (Ludwig Wittgenstein), und Gebrauch ist immer nur jetzt, wie auch bei jeder Pizza, jedem Döner, jeder Pommes- Schranke oder wie auch immer. 3 Wortschätze 38 narr-starter.de <?page no="40"?> 4 Sätze und ihre Welt Abb. 10: Eine Rose als Geschenk © J. Theisen Die obige Szene zeigt jemanden, der jemand anderem eine Blume überreicht. Der eine (links) hat zwei Beine, der andere (rechts) ebenfalls. Würde das linke Männchen sich aufrichten (wenn man so etwas von einem Plekki erwarten könnte), wäre es noch größer als das rechte. Man kann annehmen, dass es sich bei dem rechten Männchen um ein Weibchen handelt, nämlich ein Mädchen, weshalb sinnvolle Sätze, die diesen Weltausschnitt sprachlich repräsentieren, so lauten könnten: D Der Florist schenkt dem Mädchen eine Rose. E The florist is giving a rose to the girl. F Le fleuriste offre une rose à la fille. G Ο ανθοπώλης χαρίζει στο κορίτσι ένα τριαντάφυλλο. (O anthopólis charízi sto korítsi éna triantáfillo.) narr-starter.de <?page no="41"?> 4.1 SOV - SVO - . . . - kdR Wörter referieren in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich auf Welt; mit Sätzen gerät man in größere Schwierigkeiten. Sie haben nämlich, in ganz anderem Maßstab als Wörter, einen Anfang und ein Ende, was zu der Frage führt: Mit was wird ein Hörer zuerst konfrontiert - mit dem Subjekt, mit dem Objekt oder mit dem Verb? (Nehmen wir zunächst einfach mal an, dass es nur diese Möglichkeiten gibt.) Tatsächlich verteilen sich die Reihenfolgen (in den 1377 Sprachen, die auf WALS.info ausgewertet sind) folgendermaßen (S = Subjekt, O = Objekt, V = Verb, kdR = keine dominante Reihenfolge): SOV 565 41,03 % SVO 488 35,44 % 76,47 % VSO 95 6,90 % VOS 25 1,82 % 8,72 % OVS 11 0,80 % OSV 4 0,29 % 1,09 % kdR 189 13,73 % Abb. 11: Satzgliedstellungen in 1377 Sprachen Man erkennt ein sehr deutliches Übergewicht des Subjekts an erster Stelle. Irgendwie scheint das auch einzuleuchten, denn man will ja als Erstes wissen, wer etwas tut oder getan hat, das ist schließlich das Wichtigste, hat auch etwas mit Verantwortung zu tun . . . - oder leuchtet das nur ein, weil man es (sprachlich) so gewöhnt ist? E-F sind SVO-Sprachen; in diesen (aber auch in allen anderen außer kdR) gibt ausschließlich die Satzgliedstellung im Satz darüber Auskunft, ob es sich bei einer Substantivphrase um das Subjekt oder um ein Objekt handelt, an den Wortformen selbst lässt sich das nicht erkennen, da sie keine 4 Sätze und ihre Welt 40 narr-starter.de <?page no="42"?> Kasusmarkierungen aufweisen, einfach gesagt: Es muss gar keine Wortformen geben, nur noch Wörter, da allein die Stellung im Satz die grammatische Bedeutung macht. D-G sind demgegenüber kdR-Sprachen, sie haben eine ganze Reihe Möglichkeiten, Satzgliedstellung unter stilistischem Aspekt zu variieren. Außerdem hat in D die Besetzung des Vorfelds erheblichen Einfluss auf die Satzgliedstellung (Heute schenkt der Florist dem Mädchen . . .), und im Nebensatz unterscheidet sie sich zudem (fast grundsätzlich) vom Hauptsatz. Nicht nur beziehen sich aber, in Kommunikation und schriftlichen Texten, aufeinanderfolgende Sätze aufeinander und nutzen dabei selbstverständlich Einsparmöglichkeiten, sondern dabei entfalten sich auch andere syntaktische Möglichkeiten. Das betrifft z. B. die Reihenfolge der Pronomina (Kap. 4.2). Zunächst lauten aber die Fortsetzungen der obigen kleinen Geschichte so: D Sie ist wunderschön. E She is wonderful. F Elle est magnifique. G Είναι πανέμορφο . (Íne panémorfo.) Wer ist wunderschön? She - Elle müssen sich auf ein vorangegangenes Substantiv im Femininum Sing. beziehen, bei Sie käme auch Plur. in Frage, dann könnten alle Substantive im ersten Satz gemeint sein, doch steht das Verb im Sing. Der Florist und Le fleuriste können es nicht sein, wohl aber eine Rose, The florist, the girl, a rose, une rose und la fille; außerdem aber auch das Mädchen, wenn man es nicht ausschließlich grammatisch nimmt, sondern berücksichtigt, dass es ein weibliches Wesen ist. Ähnliches gilt für G, wo es zwar kein Personalpronomen gibt, aber doch eine eindeutige 4.1 SOV - SVO - . . . - kdR 41 narr-starter.de <?page no="43"?> Neutrumendung im Adjektiv: Das Mädchen kann auch hier gemeint sein, ebenso die Rose. Entscheidend für die Eindeutigkeit der Bezüge ist u. a. das Genussystem. D-G haben das ausgeprägteste, F hat nur noch zwei Genera, Neutrum gibt es (im Unterschied zu L) nicht mehr, und in E spielt die Kategorie Genus allein in der Wiederaufnahme durch Pronomina eine Rolle. Darin kann aber auch eine rein emotionale Bindung zum Ausdruck gebracht werden: . . . my car. She is so nice! Selbstverständlich kann überall für Eindeutigkeit gesorgt werden, doch muss das mitunter recht aufwendig werden. - So geht’s hier weiter: D Er schenkt sie ihr, damit sie aufhört zu weinen. E He is giving it to her so that she stops crying. F Il la lui offre pour qu'elle arrête de pleurer. G Της το χαρίζει για να σταματήσει να κλαίει. (Tis to charízi ja na stamatísi na kléi.) Das sind komplexe Sätze. In den hiesigen Hauptsätzen sind die Substantivphrasen gegenüber den Ausgangssätzen teilweise umgestellt, nämlich überall dort, wo sie umgestellt sein müssen, weil das die jeweilige Grammatik bei der Besetzung der Phrasen mit Pronomen so verlangt - hört sich kompliziert an, ist aber (für Muttersprachler) ganz einfach. Die Position der Satzglieder ist nämlich keineswegs starr, sondern davon abhängig, wie sie besetzt sind, was nicht von inhaltlichen Variationen abhängt, wohl aber von grammatischen. Hier die Umstellungen in der Übersicht - die Objekte müssen hier differenziert werden in direkte (D) und indirekte (I). 4 Sätze und ihre Welt 42 narr-starter.de <?page no="44"?> substantivisch pronominal D SVID → SVDI E SVDI → SVDI F SVDI → SDIV G SVID → IDV(S) Abb. 12: Satzgliedstellungen in D-E-F-G Jemand, der E als Fremdsprache lernt, hat in syntaktischem Bereich offensichtlich weniger zu beachten als ein Lerner der anderen Sprachen. Bei einer Sprache ohne Morphologie erstaunt das nicht: Nur die Syntax kann für die Klärung der Beziehungsfragen herhalten, die Ordnung SVO bleibt stets erhalten und auch konkret SVDI. 5 Dasselbe gilt aber nicht einmal für die andere SVO-Sprache, F, in der beide pronominalen Objekte vor das Verb bewegt werden, wodurch eine unmittelbare Abfolge aller drei Substantivphrasen entsteht. - In D müssen indirektes und direktes Objekt getauscht werden, während in G beide Objekte vor das Verb treten, das in seiner Endung auch die Person benennt, daher S in Klammern. An den Nebensätzen interessiert vor allem: Wie werden sie eingeleitet? Die Einleitung finaler Nebensätze geschieht konjunktional - jedoch gibt es in D, aber nur bei Subjektgleichheit! , auch die Möglichkeit einer satzwertigen Infinitivgruppe mit um . . . zu, was D-Lernern verständlicherweise erhebliche Probleme bereitet. 5 Im englischen Satz auf Seite 39 ist auch eine andere Reihenfolge der Objekte möglich (allerdings nur präpositional: . . . the girl a rose), und ebenso in F und G, nicht aber in D. 4.1 SOV - SVO - . . . - kdR 43 narr-starter.de <?page no="45"?> Interessant ist nun vor allem Folgendes: Die deutschen Konjunktionen weisen ein sehr hohes Maß an Lexikalisierung auf; die am häufigsten gebrauchten sind (seit dem Ahd.) zu einem Wort verdichtet: Das finale dar zuo daz, noch im „Älteren Physiologus“ von ca. 1070 verwendet, wird in E zu so that, in D sodass, was später aber durch damit ersetzt werden kann und heute normalerweise wird. - In F bestehen sehr viele Konjunktionen aus einer Kombination von Präpositionen und dem sehr universell einsetzbaren Marker que (der allerdings auch selbstständige Konjunktion sein kann). - G geht ähnlich vor wie F: για (ja) ist als Präposition ‚für‘ und wird mit der Konjunktion να (na) zu ‚damit‘. Dasselbe να wird aber auch verwendet, wo in D-F ein (mit zu bzw. de erweiterter) Infinitiv steht, der auf dem Weg von AG zu G auf der Strecke geblieben ist. In E muss nach stop (wie nach einigen anderen Verben auch) ein Gerundium verwendet werden, das in D, zugunsten der bloßen Grundform des Infinitivs, weggekürzt wurde. - Insgesamt ziemlich viel Bewegung! 4.2 Sprache und Sprechen Gerade wurden drei aufeinanderfolgende Sätzchen eines harmlosen Textes analysiert. Üblicherweise wird Sprache nicht in solchen linguistischen Beispielen verwendet, sondern zur Kommunikation, Information, Unterhaltung, Archivierung usw. Von Kap. 1 ausgehend kann man zwei Perspektiven einnehmen: Für die eine (der es um die Universalien geht) ist es egal, was mit Sprache gemacht wird: Sprache, im Sinne einer Universalgrammatik und eines beliebigen Wörterbuchs, ist angeboren, und deshalb spielt 4 Sätze und ihre Welt 44 narr-starter.de <?page no="46"?> es auch keine Rolle, wozu sie genutzt wird. Mit den Händen kann man (wenn man’s kann) wunderbar Klavier spielen, doch lässt sich deshalb selbstverständlich nicht argumentieren, die Hände gäbe es fürs Klavierspielen. Mit der Sprache ist es ein wenig anders, was die zweite Perspektive (ausgehend von Kap. 1.2) verdeutlicht: Sprache wird genutzt zur Kommunikation und findet in Kommunikation statt. Dabei kommt es zwangsläufig zum Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sprachverwendungsweisen, aber auch zu einer sehr spezifischen Zusammenarbeit aller Teilnehmer, die sich normalerweise irgendwo einpendelt, und zwar zwischen dem Wunsch, sich selbst verständlich zu machen und den anderen zu verstehen, und dem Bedürfnis, nur zu und für sich selbst zu sprechen und sich allem anderen gegenüber stur zu stellen. Für die Universalgrammatik ist dieses kommunikative Hin- und Herpendeln natürlich irrelevant. In der KL jedoch, die sich mit dem Kontrast zwischen natürlichen Sprachen beschäftigt, muss auch danach gefragt werden, wie in diesen Sprachen jeweils kommunikative Aufgaben bewältigt werden. - Ich wähle drei Beispiele. 1) Die Antwort auf die Frage „Wie spät ist es? “ lautet nur im Fremdsprachenunterricht: „Es ist fünf Uhr.“ Im Alltag funktioniert der Dialog so: „Wie spät? (oder irgendwie höflicher) - Fünf.“ Das muss hier nicht in E-F-G wiederholt werden, weil Ellipsen (Auslassungen von Satzgliedern) in allen Sprachen vorkommen. Eine Auffälligkeit sind sie ausschließlich in syntaktischer Perspektive; unter kommunikativem Aspekt handelt es sich keineswegs um Defekte, da die syntaktischen Lücken selbstverständlich kommunikativ gefüllt werden. Allerdings sind (standardsprachlich) nicht überall dieselben Lücken zulässig. 4.2 Sprache und Sprechen 45 narr-starter.de <?page no="47"?> D Was machst du am Dienstag? - Urlaub. / Schlafen. E What are you doing on Tuesday? - Holydays. / I’ll sleep. F Qu'est-ce que tu fais mardi? - Je suis en congé. / Je dors. G Τι κάνεις την Τρίτη; - Διακοπές. / Θα κοιμηθώ . (Ti kánis tin tríti? - Diakopés. / Tha kimithó.) In D stehen Grundformen (unflektierte Form beim Substantiv und Infinitiv beim Verb) zur Verfügung, in E nur das Substantiv, allerdings im Plural, während das Verb eine dezidierte Form braucht. Dasselbe gilt für G: Substantiv im Plural und normale Verbform (Futur); hier lässt sich nichts kürzen, weil das System es nicht zulässt. F hat überhaupt keine Kürzungsmöglichkeiten. 2) Viele Sprachen 6 haben Verbformen, die ausschließlich kommunikativ verwendet werden können: Imperative. Sie haben - in ihrer einfachen Form - immer einen oder mehrere Angesprochene. Sie lassen sich deshalb paraphrasieren mit „Ich will, dass du / ihr das und das tust / tut.“ Da Imperative nur in Kommunikation Bedeutung ergeben, ist ihre Verwendung in ganz anderer Weise als sonstige Äußerungen auf den Gegenüber einzustellen, denn ich, Sprecher, will etwas von dir, Hörer. Es handelt sich um eine Frage der Macht (Kap. 7): Der Offizier kann es sich leisten, die ganze Kompanie zusammenzubrüllen, und die gehorcht aufs Wort, alltäglich ist das glücklicherweise aber nicht. Die Imperativformen sind folgendermaßen in D-E-F-G verteilt - ich nehme die Verben gehen - go - aller - πηγαίνω / πάω (pijéno / páo): 6 WALS (17. 04. 16) nennt folgende Zahlen: 292 Sprachen haben 2. Sing. und Plur., 42 nur 2. Sing., 2 nur 2. Plur., 89 numerusneutralen Imperativ und 122 haben gar keinen Imperativ der 2. Person. 4 Sätze und ihre Welt 46 narr-starter.de <?page no="48"?> Singular Plural D-E 2. geh! - go! 2. geht! - go! F-G 2. va! - πήγαινε! (pijéne! ) 1.+2. allons! + allez! - πάμε! πάτε! (páme! páte! ) 7 Abb. 13: Imperative Den Formen in D sieht man nicht unbedingt den Imperativ an, immerhin gibt es aber im Sing. eine eigene Form, der sich allerdings (mündlich) die 1. Sing. Indikativ Präsens annähert (ich geh). - In E liegt überhaupt alles an der Intonation und der Anzahl der Angesprochenen, Sing. und Plur. lassen sich morphologisch nicht unterscheiden. Selbstverständlich kann auch eine Aufforderung in der 1. Plur. formuliert werden, die andere Anwesende zum Mitmachen ermuntert, doch nur syntaktisch, in D (in der ersten Variante) immerhin mit Unterscheidung zwischen insgesamt nur zwei und mehr Personen: Lass(t) uns gehen! / Gehen wir! - Let’s go! - F-G sind etwas flexibler, allerdings sind auch hier die pluralischen Imperativformen identisch mit den 1./ 2. Plur. Indikativ Präsens, jedoch fällt in F das Personalpronomen weg (das es in G, als Pro-Drop-Sprache, nicht geben muss). Im Sing. ist die Form in G exklusiv, während F überraschenderweise dieselbe Form wie in der 3. Sing. Indikativ Präsens hat. E hat die Eindeutigkeit der Verbformen bekanntlich schon lang aufgegeben, aber auch in den Imperativen in D-F (und auch im griechischen Plur.) sind sie ausschließlich kommunikativ unmissverständlich. Anders formuliert: Das System reguliert sich in seiner Verwendung. 7 Außerdem gibt es in G als Nebenformen in 2. Plur.: πηγαίνετε, πηγαίντε (pijénete, pijénte); auf die Unterscheidung zwischen Imperativ Präsens und Aorist muss hier nicht eingegangen werden. 4.2 Sprache und Sprechen 47 narr-starter.de <?page no="49"?> 3) Unter Kongruenz versteht man (im Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat eines Satzes) die Übereinstimmung von Person und Numerus: Steht das Subjekt in der 1. Sing., muss auch das Prädikat in der 1. Sing. stehen. Das ist nicht sehr schwierig zu realisieren, problematisch wird es jedoch, wenn das Subjekt in spezifischer Weise mehrgliedrig ist, z. B.: D Weder Klaus noch Eva geht / gehen nach Hause. E Neither Klaus nor Eva is going home. F Ni Klaus ni Eva ne rentre / rentrent chez eux. G Ούτε ο Klaus ούτε η Εύα πάνε στο σπίτι. (Úte o Klaus úte i Éva páne sto spíti.) Das Spannende ist hierbei, dass eine Entscheidung gefällt werden muss zwischen Syntax und Semantik. Syntaktisch ist die Subjektstelle pluralisch besetzt, semantisch jedoch singularisch. Man kann das in beiden Richtungen vereindeutigen: Klaus und Eva gehen nicht . . ., Klaus geht nicht, und Eva (geht) auch nicht . . . und so auch in E-F-G. An dieser Schnittstelle sind jedoch häufig nicht-sprachliche Gründe ausschlaggebend; ein Beispiel war schon das Mädchen - το κορίτσι , beides Neutrum und doch weiblich. In F-G, die in der 3. Plur. des Personalpronomens eine Genusunterscheidung haben, muss man sich - satzübergreifend - für ein Genus entscheiden (wenn in G auch nur in markierter Verwendung); diese Entscheidung wird jedoch gesellschaftlich getroffen: D Klaus und Eva, sie gehen nach Hause. F Klaus et Eva, ils rentrent chez eux. G Ο Klaus και η Εύα, αυτοί πάνε στο σπίτι. (O Klaus ke i Éva, aftí pane sto spíti.) 4 Sätze und ihre Welt 48 narr-starter.de <?page no="50"?> Die Normalform ist, wenig verwunderlich, männlich. Feministische Linguistik hat (in D) bei solchen Genusfestlegungen angesetzt, was im öffentlichen Sprachgebrauch zu Schülerinnen und Schülern geführt hat, und zu Studentinnen und Studenten, die mittlerweile aber partizipial und damit geschlechtslos benannt werden: Studierende. Alle Berufsbezeichnungen müssen in D geschlechtlich festgelegt werden, entweder grammatikalisch (Lehrer und Lehrerin) oder semantisch: Krankenschwester, aber Krankenpfleger. Das ist nicht gar zu problematisch, wenn man von der einen oder dem anderen spricht, doch wiederum ist es der Plural aus beiden, der, wenn nicht Probleme, so doch Umständlichkeiten mit sich bringt, z. B. im Relativpronomen. In E gibt es (bei Berufsbezeichnungen) dieses Problem überhaupt nicht, da es keine Genusunterscheidung, auch nicht bei Relativpronomen, gibt. F und G sind im Verweis des Relativpronomens ebenfalls nicht so kompliziert, weil es geschlechtsneutrale Standardformen gibt, in G z. B. που (pu), was (allerdings standardsprachlich! ) dem schwäbischen wo entspricht: Die Lehrerinnen und Lehrer, wo an dieser Schule arbeiten. 4.2 Sprache und Sprechen 49 narr-starter.de <?page no="51"?> 5 Handlungen Abb. 14: Der Anfang aller Tage und einige Abschiede © J. Theisen Wann immer wir sprechen, tun wir etwas über das bloße Sprechen hinaus. Das ist seit Anbeginn der Welt der Fall: Es werde Licht! - Darunter steht Romeo unter Julia: Der Schmerz trinkt unser Blut. Leb wohl, leb wohl! Goethes lyrisches Ich: Lass mein Aug den Abschied sagen, / Den mein Mund nicht nehmen kann! Hektor zu Andromache: Unglückliche, nimm es dir nicht zu bitter zu Herzen! und sehr klein unten rechts: „Französisch Abschied nehmen“. narr-starter.de <?page no="52"?> 5.1 Sprechen ist Handeln In welcher Sprache Gott befahl, dass es hell werde, ist nicht eindeutig überliefert. Immerhin handelte es sich um einen sehr kraftvollen Sprechakt, der aber auch gelang: Gott sprach, und es wurde. Grundsätzlich sind Sprechakte Handlungen, die Welt verändern. Ob ich die Schreibtischlampe einschalte oder zu jemandem „Auf Wiedersehen! “ sage: Die Welt ist danach nicht mehr, wie sie einmal war, denn zuvor war das Zimmer dunkel und niemand verabschiedet. Das ist, gegenüber dem ersten Sprechakt der Bibel, eine Kleinigkeit, aber in meiner kleinen Welt doch relativ wichtig. Solche individuellen Welten sind nämlich die Kontexte, in denen wir nicht nur leben, sondern auch handeln und sprechen und handeln, indem wir sprechen. Tatsächlich waren jahrtausendelang, bis zur Entfaltung der neuen Medien, diese Kontexte höchst beengt, nämlich nur soweit meine Stimme und meine Ohren reichten. Es dauerte außerordentlich und überraschend lang, bis die sprachphilosophische Grundlage der Schöpfung wissenschaftlich fruchtbar gemacht wurde. Erst in den 1960er Jahren wurde (von John Langshaw Austin und John Searle) die Sprechakttheorie (speech act theory) formuliert: Sprache ist zwar relativ kostenlos, kann aber auch ganz schön teuer werden, etwa nach einem Schimpfwort gegen einen humorlosen Beamten oder einem nicht ganz überlegten Ja! auf dem Standesamt. Die Sprechakttheorie besagt, dass wir beim Sprechen immer etwas über das Sprechen hinaus tun: jemanden über etwas informieren, jemanden um etwas bitten, jemandem etwas versprechen, jemanden grüßen, 5.1 Sprechen ist Handeln 51 narr-starter.de <?page no="53"?> jemanden zu etwas oder jemanden ernennen - auch wenn sich das langweilig anhört, ist es doch ziemlich spannend. Sprechakte und ihr Funktionieren sind nicht an eine Einzelsprache gebunden: ich verspreche dir etw. - I promise you sth. - je te promets qc. - σου υπόσχομαι κάτι (su ipóschome káti) sind jeweils ein- und derselbe Sprechakt, nämlich: ‚Ich verpflichte mich dir gegenüber zu etwas.‘ Ob du das ernst nimmst oder nicht, und wie ernst ich selbst das nehme, hat mit Sprache natürlich nichts zu tun. Denn wie Sprechakte vollzogen werden, hängt von der Kultur ab, in der eine Sprache gesprochen wird. Zahlreiche Sprechakte sind darin sehr stark formalisiert. Ein Beispiel: Ob eine Ehe gültig geschlossen ist (mit allen z. B. auch steuerlichen Konsequenzen), hängt von einer Menge Faktoren ab. In einigen Ländern müssen bestimmte Formeln zu einem bestimmten Zeitpunkt von bestimmten Leuten gesagt werden, in anderen ist das nicht der Fall. Bis ins Mittelalter galten in Europa Ehen als geschlossen, wenn Mann und Frau das Bett miteinander geteilt hatten, ganz ohne (öffentliches) Sprechen. In der heutigen katholischen Kirche darf eine Ehe hingegen nur in der Gemeindekirche der Braut vom Pfarrer dieser Gemeinde geschlossen werden - für alles andere (andere Gemeinde, anderer Pfarrer) bedarf es einer besonderen Erlaubnis (Dispens), und geistig gesund muss man auch sein. Doch muss man ja schon lang nicht mehr kirchlich heiraten, in Frankreich ist das (erst wieder) seit der Französischen Revolution erlaubt, in England seit 1836, in Deutschland seit 1876, in Griechenland hat es noch etwas länger dauert, nämlich bis 1982. - Sprechakte, Sprache als Handlung, haben viel mit Gesellschaft und umso weniger mit Grammatik zu tun. 5 Handlungen 52 narr-starter.de <?page no="54"?> Mittlerweile sind viele Sprech- und vor allem Schreibakte in erheblichem Maße globalisiert. Ohne das mit Beispielen belegen zu müssen (denn ein Blick auf entsprechende Internetseiten genügt): Fußballergebnisse, Börsenkurse, Bus- oder Eisenbahnfahr-, vor allem Flugpläne, aber auch Horoskope und Wetterkarten sehen weltweit ziemlich gleich aus. In ganz besonderer Weise auf möglichst weltweite Standardisierung ist man im Straßenverkehr angewiesen. In England fährt man zwar auf der anderen Seite, doch die Straßenschilder sind die gleichen wie in Festlandeuropa. Und sobald es innerhalb dieser Standards zu Abweichungen kommt, kommt es selbstverständlich auch zu Kommunikationsproblemen: In Griechenland gibt es fast keine „Vorfahrt beachten“-Schilder, weshalb jeder Deutsche, der seinen Wagen an einem „Stop“-Schild gewohnheitsmäßig zum Stehen bringt, auf wenig Verständnis stößt und sogar einen Auffahrunfall riskiert. 8 5.2 „Auf Wiedersehen! “ Wenn zwei oder mehrere Menschen sich begegnen, kommt es vor, dass sie sich wechselseitig begrüßen, bei Unbekannten nicht immer, unter Freunden und Bekannten relativ regelmäßig. Dabei werden mehr oder weniger standardisierte Begrüßungsformeln verwendet (Guten Morgen / Hallo - Good Morning / Hello - Bonjour / Allô - Καλημέρα / Γειά 8 Seit der Rechtschreibreform wird in D interessanterweise zwischen einer nationalen und einer internationalen Schreibweise von Stopp unterschieden: Mit zwei p ist es deutsch korrekt, mit einem p auf dem Straßenschild, das immerhin auch Ausländer verstehen sollen. 5.2 „Auf Wiedersehen! “ 53 narr-starter.de <?page no="55"?> σου (Kaliméra / Jiá su). . .) oder auch irgendetwas anderes (Hi, . . .), das die Begegnung eröffnet, was aber auch Küsschen links, Küsschen rechts sein kann. - Zu diesen Begrüßungen nur ein ganz kurzer Kommentar: Weder F noch G haben einen „Guten Morgen“, während in D-E ein Guten Tag (kann allerdings zu Tag gekürzt werden) - Good Day eher ungewöhnlich ist. Hallo und die Entsprechungen werden in unterschiedlicher Weise verwendet, ganz salopp auf der Straße oder vorwiegend am Telefon: Darin wird ein sehr bedeutsamer Unterschied offenbar, nämlich zwischen einem einigermaßen komplexen Sprech- und Handlungsakt und einem (mehr oder weniger) reinen Sprechhandlungsakt (am Telefon). Ebenso wie Eröffnungsgibt es auch Abschiedsrituale, was wiederum Küsschen hier, Küsschen da sein kann, doch gibt es auch (standard-)sprachliche Formeln, um die es nun gehen wird. Rituale leben davon, immer nach demselben Muster aktiviert zu werden. Ein sprachenübergreifendes Beispiel ist die Liturgie der katholischen Kirche, die jahrhundertelang und weltweit in (fast) derselben Form gefeiert wurde, bis das zweite Vatikanische Konzil in den 1960er Jahren die Volkssprachen an die Stelle des vorher global verwendeten Latein setzte und damit auch die konkreten gesellschaftlichen Umstände der jeweiligen Aktualisierung systematisierte. Die Handlungssequenzen, die Skripte, selbst blieben dabei selbstverständlich erhalten. Unter einem Skript versteht man so etwas wie ein Drehbuch, welchem Menschen in alltäglichen, aber auch besonderen Situationen und Verrichtungen folgen: Tankstellen- und Restaurantbesuche, ein sonntägliches Frühstück, eine Fahrt in den Urlaub und eine Geburtstagsparty, und eben auch Begrüßungen und Verabschiedungen laufen 5 Handlungen 54 narr-starter.de <?page no="56"?> mehr oder weniger immer gleich ab. Selbstverständlich gibt es immer auch Variationen, aber sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich von einem vorgegebenen Muster (individuell) abheben. So etablieren sich neben standardisierten Formeln auch solche, die sich anfangs relativ originell geben können und früher oder später doch konventionell werden: „Guten Hunger! “ - Hier folgen der deutsche Standardgruß zur Mittagspause und seine „Übersetzungen“ aus pons.com (inkl. Kommentaren). Wie deutlich zu sehen, gibt es keine annähernd passende Entsprechung, was aber sehr viel mit der Fragerichtung zu tun hat: Einen Schottenrock gibt es in Mittel- und Südeuropa nicht, Röcke aber durchaus. D Mahlzeit! E ≈ [good] afternoon! (greeting used during the lunch break in some parts of Germany) F salut! (se dit à l'heure du déjeuner) G καλή όρεξη ! (kalí óreksi ‚Guten Appetit! ‘) Bei der folgenden Kurzanalyse des Sprechakts der Verabschiedung müssen alle Individualitäten und Originalitäten ausgeblendet werden. Einige (wortreiche) sind jedoch in Abb. 14 wiedergegeben: Hektor verabschiedet sich von Andromache (in Homers „Ilias“), ein unbekannter Mann von einer unbekannten Frau aus einem Gedicht Goethes, ein sehr bekanntes Liebespaar, das sich anfänglich schwer tut, Nachtigall und Lerche zu unterscheiden (Shakespeares Romeo und Julia), und eine Art der Verabschiedung, die in vielen Ländern anders heißt: polnisch / englisch / deutsch und eben in Deutschland französisch - wer sich so verabschiedet, schleicht sich wortlos davon, ohne Tschüss zu sagen. Die Beispiele zeigen: Die Individualität von Abschieden ist weitgehend universell. 5.2 „Auf Wiedersehen! “ 55 narr-starter.de <?page no="57"?> Ich beschränke mich jetzt auf einige Einträge im Wörterbuch. Die üblichen Abschiedsformeln lassen sich in einem sehr einfachen Raster klassifizieren; in der linken Hälfte der Abb. 15 stehen die Partner, die dabei eine Rolle spielen, in der rechten ihr Verhältnis zueinander: 3 a Gott 1) Ich - Du 2) Du 3) Du - Gott | Du - Teufel 1 Ich 1 2 3 Du 3 b Teufel Abb. 15: Abschiedsformeln schematisch Aufgrund der Ritualisierung des Abschieds kommt es selbstverständlich zu Abschleifungen der ursprünglichen Inhalte, zu Konventionalisierungen, die früher einmal vorhandene Bedeutungen auslöschen. Dabei lassen sich, dies vorweg, deutliche Tendenzen beobachten, die Gott aus den Formeln eliminieren, den Teufel aber keineswegs. Zu 1) gehören Abschiede, die akzentuieren, dass sich Sprecher und Hörer wieder begegnen werden, z. B. auf Wiedersehen, bis bald (später, morgen, nächsten Mittwoch . . .) - see you (later. . .), until then - au revoir, à bientôt - τα ( ξανα ) λέμε, θα τα ( ξανα ) πούμε (ta [ksana]léme, tha ta [ksana]púme, ‚wir sehen, sprechen uns wieder‘). Unter 2) lassen sich Formeln zusammenfassen, in denen der Sprecher sich selbst nicht nennt, sondern nur dem Gegenüber alles Gute für die Zukunft wünscht: Mach’s / Machen Sie‘s gut, etwas traditioneller: Leb / Leben Sie wohl, mit Entsprechungen: take care, farewell - salut - γεια σας / σου, χαίρετε (jia sas / su, wörtlich: ‚Gesundheit Ihnen / dir, chérete: ‚seien Sie gegrüßt‘). In G werden diese Wünsche sowohl für die Begrüßung als auch für den Abschied verwendet; es ist also ein sehr hohes Maß an Formalisierung 5 Handlungen 56 narr-starter.de <?page no="58"?> realisiert, was sich auch darin zeigt, dass die Pluralform χαίρετε ebenfalls als Gruß an eine einzige Person gesagt wird. Schließlich gibt es (3) religiös aufgeladene Varianten der Verabschiedung, deren religiöser Horizont allerdings schon weitgehend verblasst ist, während ihre teuflischen Spielarten nach wie vor im Vordergrund stehen. Mit Gott - bye (als Zusammenziehung seit dem späten Mittelalter von God be with ye) - Adieu (das auch in D-G übernommen ist: Tschüss, Ade - αντίο ‚adío‘) - . . . wünscht dem Gegenüber alles Gute in höherem Namen: Ich selbst kann nicht mehr auf dich aufpassen - soll Gott das machen! Dabei wird diesem aber immer öfter der Garaus gemacht: Aus (bayrisch) ursprünglichem Pfiat di Gott (‚Behüte dich Gott‘), wird ein elliptisches oder eher sinnentleertes Pfiati. - Dass es nicht immer freundlich zugeht, zeigt die nicht ungern gewählte negative Variante: Geh zum Teufel! / Fahr zur Hölle! - go to hell! - va au diable! - να πας στο διά ( β ) ολο / να σε πάρει ο διά ( β ) ολος! (na pas sto diá(v)olo / na se pári o diá(v)olos! ‚fahr zum Teufel / dass dich der Teufel hol! ‘) Aber nun Alles Gute! - all the best! - bonne chance! - τις καλύτερές μου ευχές (tis kalíterés mu evchés) bis zum nächsten Kapitel. - Die Formeln lauten überall gleich. 5.2 „Auf Wiedersehen! “ 57 narr-starter.de <?page no="59"?> 6 Sparmaßnahmen Abb. 16: Automobile Diese Abbildung zeigt fünf Autos, denen u. a. gemeinsam ist, dass sie 4 Räder haben und sich bewegen, wenn jemand am Steuer das will und dafür auch bezahlt. Welches ist das beste? - Die Frage lässt sich nicht beantworten. Denn eines taugt am besten für den Umzug, ein anderes braucht am wenigsten Benzin, mit dem dritten kann man erfolgreich protzen, das vierte ist was für Oldtimer-Fans, und es gibt eines, das sich in seiner Unauffälligkeit ganz gut für den Alltag eignet, und wenn man umziehen will, fährt man halt ein paar Mal mehr, und frisch aus der Waschstraße kann es vielleicht sogar doch ein bisschen Eindruck machen (wenn man Glück hat). narr-starter.de <?page no="60"?> 6.1 Allgemeines und Besonderes Mit Sprachen ist es ganz ähnlich wie und doch ganz anders als mit Autos. Ähnlich: Sie taugen für einen bestimmten Zweck. Mit dem D des 17. Jhs. ließ sich besonders gut z. B. über Bergbau reden, aber nicht über Philosophie (kommentierte Gottfried Wilhelm Leibniz am Ende des 17. Jhs.). Doch Sprachen sind höchst flexibel: 100 Jahre später (mit und nach Kant) war D zur führenden Philosophiesprache in Europa geworden. Spezialisierungen in Sprachen widersprechen Alltagstauglichkeit aber keineswegs. Auch Goethe, Shakespeare, Voltaire, Homer kamen mit ihrem persönlichen D-E-F-G ganz gut durch den Tag, aber dichteten und schrieben (für andere, auch in der Nachwelt) völlig anders. Schiller konnte zum stilistischen Vorbild mehrerer Generationen von Gymnasiallehrern (und gezwungenermaßen deren SchülerInnen) werden, obwohl sich ganz Weimar über sein furchtbares und unverständliches und furchtbar unverständliches Schwäbisch lustig gemacht hatte. In mündlichen Kulturen kommt Sprache naturgemäß eine ganz andere Funktion und Bedeutung zu als in schriftlichen. Schriftliche Texte unterliegen nämlich sehr strikten außersprachlichen Vorgaben, was einfach daran liegt, dass sie tendenziell öffentlich und tendenziell anonym sind: Sie sind ganz auf sich selbst gestellt und können nur für sich einstehen - das waren schon zwei zentrale Punkte der Schriftkritik des Sokrates vor knapp zweieinhalbtausend Jahren (in Platons „Phaidros“-Dialog). Schriftliche Sprache ist daher auch „besser“ als mündliche, weil sie ja bleibt. Man kann mit großer Treffsicherheit folgern: Eine Sprache, die eine lange Schriftgeschichte hat, entwickelt sich anders als 6.1 Allgemeines und Besonderes 59 narr-starter.de <?page no="61"?> eine Sprache, die ohne Schrift auskommt. Die ersten Zeugnisse, die sich einem deutschen Dialekt zuordnen lassen, stammen aus der Mitte des 8. Jhs., die ältesten griechischen Inschriften in Alphabetschrift sind 1500 Jahre älter - das ist eine sehr lange Zeit, wenn man bedenken will, dass schriftliches D seit nicht einmal 1300 Jahren existiert! Es gab in AG schon eine höchst ausgeprägte Schriftlichkeit sowohl in Wissenschaft, Philosophie, Rechtswesen und Literatur, sowohl lyrisch als auch episch als auch dramatisch, als man in Mitteleuropa noch auf den Bäumen saß. - In der folgenden Abbildung sind (sehr grob nach Vierteljahrtausenden) die ersten Überlieferungen einiger Sprachen eingetragen: 750 500 250 0 250 500 750 1000 1250 1500 1750 2000 Griechisch Italisch Latein Germanisch Armenisch Deutsch Slawisch Albanisch Abb. 17: Erste Verschriftlichungen Während G zudem sein eigenes Alphabet hat, blieben alle Versuche, ein deutsches zu schaffen, das den Dialekten im „deutschen“ Sprachgebiet einigermaßen entsprach, erfolglos. Man blieb beim lateinischen, das jedoch ganz und gar nicht geeignet war, weder für germanische noch für die späteren romanischen Sprachen. Schrift ist als Medium äußerst konservativ. Während es in der frühen Schriftlichkeit in D noch selbstverständlich dialektale Schreibvarianten gab, sind sie spätestens mit der Standardisierung der Schreibung, mit Ansätzen seit dem 16. Jh., am Verschwinden und stehen heute nur noch unter der Überschrift „Mundartdichtung“ und etwas unbeholfen, weil ebenfalls in lateinischer Schrift, in sehr kleinen Regalen von ein paar Buchhandlungen. 6 Sparmaßnahmen 60 narr-starter.de <?page no="62"?> Einfach gesagt: Nasale und insgesamt fremde Laute lassen sich notfalls lernen (Kap. 2.1), neue Buchstaben finden in absehbarer Zeit mit Sicherheit keinen Eingang mehr in heute verwendete Alphabete. Außerdem in höchstem Maße konservativ ist aber ein moderner Textbegriff, der davon ausgeht, dass es eine einzige textuelle Identität gibt, die mit wissenschaftlichen Mitteln herzustellen und zu verteidigen sei. Als hätten Schiller, Shakespeare, Rabelais, Homer ihre Dichtungen wortwörtlich genau so und nicht anders gesagt, geschrieben und gemeint. Vor diesem historistischen Ansatz, der mit Vergangenem und mit Traditionen nicht mehr produktiv umgeht, sondern konservierend, war jahrhundertelang immer wieder neu ein äußerst kreativer Umgang mit Vorlagen üblich, von Homer bis mindestens in den Barock: Der Autor (ebenso wie der Maler, Bildhauer, Architekt, Musiker) war nichts anderes als ein Diener seiner Gesellschaft und als solcher tat er gut daran, deren Bedürfnisse zu befriedigen und sich selbst und sein Urheberrecht nicht gar zu wichtig zu nehmen, Hauptsache, er hatte (wie jeder andere Arbeiter auch) etwas zum (Über)Leben und konnte am nächsten Morgen einigermaßen gesund aufwachen. Von hier aus zurück zur lebendigen, zwischen dir und mir verwendeten Sprache: Du und ich und ich und du leben immer im Hier und Jetzt, aber das ändert sich bekanntlich, mindestens von Tag zu Tag. Und deshalb ändert sich Sprache. Aber in welche Richtung? Sie wird einfacher, vornehmer gesagt: ökonomischer. Die banale Erklärung: Es muss immer und überall gespart werden, denn Sparmaßnahmen sind der Motor jeglicher Evolution. Sprache ändert sich und wandelt sich, um effektiver zu werden. 6.1 Allgemeines und Besonderes 61 narr-starter.de <?page no="63"?> Das Schöne und fast Einmalige am Sprachwandel und den damit einhergehenden Einsparungen ist, dass er sowohl produktiv als auch rezeptiv erfolgt: Die Ökonomisierung kommt sowohl den Sprechern als auch den Hörern zugute. Dabei kann sie aber nur genau so weit gehen, wie die Äußerung für den aktuellen Partner verständlich bleibt; doch nur in ganz seltenen Fällen und unter ganz besonderen Umständen geht das so weit wie zwischen Lewin und Kitty in Tolstois „Anna Karenina“. Die beiden lieben einander, doch Kitty wollte es sich lange nicht eingestehen. Dann folgende Szene: Die beiden sitzen in einem Biergarten, Kitty malt mit Kreide auf dem Tischtuch herum und will schließlich aufstehen: Lewin will sie aber noch, sehr schüchtern, etwas fragen: „Sehen Sie hier“, sagte er und schrieb folgende Anfangsbuchstaben hin: A. S. m. a.: d. k. n. s. - s. d. h.: n. o. n. d.? Die Buchstaben sollten bedeuten: ‚Als Sie mir antworteten: das kann nicht sein - sollte das heißen; niemals oder nur damals? ‘ Aber obgleich es natürlich ganz unwahrscheinlich war, daß sie den Sinn dieser Buchstabenreihe verstehen könnte, [. . .] Sie aber schrieb: D. k. i. n. a. a.! [. . .] Plötzlich strahlte seines ganzes Gesicht: er hatte begriffen. Es bedeutete: „Damals konnte ich nicht anders antworten.“ (Tolstoi 1996: 479 f.) So geht das auch noch einmal zurück (natürlich auf Russisch), und nur mit Anfangsbuchstaben sind die beiden jetzt aber endlich ein Herz und eine Seele, schließlich auch öffentlich, nämlich verheiratet. Dass Liebende sich blind verstehen, ist wunderbar, und sie brauchen dafür auch nicht immer eine gesprochene oder geschriebene Sprache. Sprachliche Äußerungen haben jedoch den Vorteil, nachprüfbare und einigermaßen belastbare Bedeutungen zu haben, auch noch nach der Liebe. 6 Sparmaßnahmen 62 narr-starter.de <?page no="64"?> Schon in Kap. 2.2 wurde gesehen, dass Sprachen unterschiedliche Schwerpunkte haben, um die herum sie sich entwickeln; nun anders gesagt: Es gibt ganz unterschiedliche Einsparmöglichkeiten. Auf dem Weg von AG zu G wurden zahlreiche Vokale und alle Diphthonge rausgeworfen, weil sie systematisch nicht mehr gebraucht wurden. Auf dem Weg von Ahd. zu D wurden Nebensilben systematisch an die (ersten = Stamm-)Silben, die den Hauptton des Worts tragen, angedockt. In diesem Kapitel werden nun einige andere Sparmaßnahmen vorgestellt. Zunächst muss aber kurz die Frage beantwortet werden, warum Sprachen nicht von vornherein sparsam sind. Ganz einfach: Weil es bei ihnen genauso ist wie im richtigen Leben. Aber noch zwei konkretere Antworten: 1) Sparmöglichkeiten ergeben sich (nicht nur sprachlich! ) immer dann, wenn Dinge spezialisiert werden, und wenn es Raum für diese Spezialisierungen gibt. Das sieht man an den Autos in Abb. 16. Ein Sportwagen ist in ganz anderer Weise optimiert als ein Lieferwagen, aber eben in eine ganz andere Richtung: Schnelligkeit, Aussehen, Prestige vs. Ladevolumen . . . 2) Sparmöglichkeiten gibt es (nicht nur sprachlich! ) immer dann, wenn Dinge verallgemeinert werden können. Der Schreibtisch in Abb. 8: Heute legt man eher keinen Wert mehr darauf, dass er wie ein Schreibtisch aus dem 19. Jhs. aussieht, schwere Eiche mit jeder Menge Schubladen usw. Ganz allgemein formuliert: Alles „usw.“ ist teuer, entweder monetär oder lexisch, syntaktisch usw. 6.1 Allgemeines und Besonderes 63 narr-starter.de <?page no="65"?> 6.2 Eingespart in D-E-F-G-. . . In D-E-F-G und vielen anderen Sprachen gibt es seit einiger Zeit sehr deutliche Tendenzen zu Standardisierungen auf verschiedenen sprachlichen Ebenen, die mit Sprache selbst nicht sehr viel zu tun haben. Die Schreibung wird als Rechtschreibung (Orthographie) normiert, die korrekte Aussprache vor-, in Wörterbüchern die Bedeutung von Wörtern festgeschrieben und in Grammatiken (denen in Buchform) die korrekten Regeln formuliert, an die man sich zu halten hat, wenn man anstandslos sprechen oder schreiben will. Gleichzeitig wird aber mehr als je zuvor drauflos kommuniziert, nicht nur, weil die Weltbevölkerung wächst, sondern weil die Kommunikationsradien immer größer werden: Briefe, Reisen, Telefon, Email, Internet, Skypen, Chatten, und mal sehen, was sonst noch kommt. Das führt aber auch dazu, dass Kommunikationen nicht mehr nur monolingual ablaufen, sondern bi-, tri-, usw.-, und wohin das führt: Global gesehen einigt man sich (im mehr oder weniger westlichen Teil der Welt) wie früher auf Latein, heute auf E. Aber trotz des immer enger gewordenen Korsetts durch Normen, an die sich jedoch nach der Schulzeit niemand mehr halten muss (es dürfte schwierig sein, z. B. einen höchst begabten Gamedesigner zu finden, der wegen mangelnder Rechtschreibkenntnisse nicht zu seinem Job gefunden hat), können ein paar Tendenzen (und Korrekturen) festgestellt werden - selbstverständlich nur in historischer Perspektive. Neben der Konzentration auf den Wortstamm (Kap. 2.2) gab es in D eine sehr konsequente Tendenz, wortbildungsbedingte Präfixe vokalisch zu kürzen: gelouben wurde zu 6 Sparmaßnahmen 64 narr-starter.de <?page no="66"?> glauben, gelücke zu Glück. Vokalische Umwege wurden ebenfalls vermieden: gasti wurde zu geste, was, gemeinsam mit unzähligen anderen Beispielen, dem deutschen Mund erhebliche Arbeit ersparte. Der Hauptvokal wurde in D das relativ unauffällige e, allerdings in verschiedenen Varianten: e: , ɛ, ɛ: , œ, ə. Außerdem gab es in D (ebenso wie in E) im morphologischen Bereich eine markante Entwicklung von Ausnahmen zu relativ einfachen (und einfach zu lernenden und anzuwendenden) Regeln. Das machte die Sprache zwar nicht schöner, könnte man einwenden - aber warum sollte man das tun? , zumal diese Entwicklung sie doch erheblich effizienter machte. - Bei Verben verlief die Tendenz von suppletiven Formen (bin - ist - war - sein), die morphologisch nichts miteinander gemeinsam haben, weil sie von ganz unterschiedlichen Wörtern stammen, über sogenannte „starke“ Formen, die mit Hilfe von Ablauten gebildet werden (singen, sang, gesungen; hängen, hing, gehangen) bis zu schwach gebildeten Formen, die alle und ausnahmslos regelmäßig sind (machen, machte, gemacht; lachen, lachte, gelacht); deshalb heißt es auch nicht mehr backen, buk, gebacken, sondern backen, backte, gebackt. Viel unaufwendiger in der Bildung, viel verständlicher für den Hörer! Der Konjunktiv 2 hieß übrigens einmal büke, wurde aber so selten verwendet, dass er irgendwann verschwand. Das System trauert ihm nicht nach. In E gibt es gewissermaßen von Anfang an eine ganze Menge von Vereinfachungen, die dazu führten, dass E als Weltsprache auf Dauer unschlagbar wurde. Die britischen Inseln standen sehr früh im Einflussbereich mehrerer Sprachen: Dazu gehörten selbstverständlich L, andere germanische Sprachen (deutsche Dialekte, Sächsisch, Schwedisch, Dänisch), und außerdem, lange als Sprache der Eroberer, F. All diese Sprachen mussten sparen, zumal in einer Gesell- 6.2 Eingespart in D-E-F-G-. . . 65 narr-starter.de <?page no="67"?> schaft, in der sich diese verschiedenen Sprachen irgendwie miteinander verständigen mussten, und in der eine Sprache, die für alltägliche Kommunikation sich auf relativ wenige Grundstrukturen verlassen konnte, von unschätzbarem Wert war. Den vielfältigen Reiz einer Literatursprache musste E deshalb aber selbstverständlich nicht aufgeben. Auch in F wurde gespart, mitunter ging man dabei aber etwas zu weit. Wegen der besonderen Betonungsregeln in F, wo nicht primär Wörter, geschweige denn Silben, sondern Satzsegmente (je nach Aussageintention) betont werden, wird auf einzelne Wörter kein allzu großer Wert gelegt. Das hat zur Folge, dass Wörter ihre phonologische Gestalt ganz einbüßen: ou wird nicht mehr [o-u] gesprochen, sondern [u], aber auch der Monat zwischen Juli und September heißt (fast bis) heute nicht [août], sondern [u]. F ist vor allem aufgrund seiner Satzbetonung völlig offen für Homonyme, die jedes unmittelbare Wortverständnis erschweren. Seit einiger Zeit wird darauf reagiert, indem mögliche Homonyme aufgelöst werden: Der gerade genannte Monat kann heute wieder - der besseren Verständlichkeit wegen und um Nachfragen zu ersparen - als [ut] ausgesprochen werden. Grundsätzlich sind Homonyme aber gar kein Problem, weil jedes gesprochene Wort, und damit auch jedes Homonym einen eindeutigen Äußerungskontext hat. Nur kleine Kinder können einander fragen, was ihre Lieblingsfarbe sei, rot, grün, blau, gelb - später kommt es immer auf Gegenstand und Kontext an: Rote Soße auf gelben Spagetti, aber bitte nicht umgekehrt! - F spart ebenfalls in den Konjugationen, ganz erheblich sogar (Kap. 2.2). Es hat aus seiner lateinischen Tradition eine sehr detaillierte Grammatik übernommen, die zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit jahrhundertelang tradiert wurde. Schließlich trennten sich aber die beiden 6 Sparmaßnahmen 66 narr-starter.de <?page no="68"?> Medien, was sehr deutlich zu beobachten ist; z. B.: Passé simple wird heute fast ausschließlich schriftlich verwendet, Passé composé fast nur noch mündlich. Einigermaßen gutwillige Zuhörer können Zeitenabfolgen durchaus kompetent nachvollziehen, ohne auf ein strikt grammatikalisch ausgerichtetes System angewiesen zu sein. In D, wo es ursprünglich nur eine Gegenwarts- und eine Vergangenheitsform gab, hat das auch jahrhundertelang funktioniert, bevor die lateinische Grammatik auch in Deutschland entdeckt wurde. Und dann gab es Grammatik, und die musste man (in der Schule) lernen, aber für was oder wen? Für die Korrektheit der Sprache, aber nicht für den Erfolg in der Kommunikation. Wie aus AG eine Sprache fürs Volk wurde, steht schon in Kap. 1.2, hier nur noch dieses: Die Καθαρεύουσα (Katharévousa ‚reine Sprache‘), die lange Zeit öffentliche und damit auch offizielle mündliche und vor allem schriftliche Sprache Griechenlands war, wurde 1976, kurz nach dem Ende der Diktatur, durch die Δημοτική (Dimotiki, ‚Volkssprache‘) ersetzt. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang: Auch die Wörter für Deutsch, Englisch, Französisch kamen zustande aus dem Gegensatz der lateinischen Hochsprache und der Sprache des ganz normalen, selbstverständlich ungebildeten Volks - eine lange Entwicklung in aller Kürze dargestellt: Oben immer L, und unten deutsch < diot ‚Volk‘ englisch < angels (germanische Volksgruppen, die im 5. Jh. vom europäischen Kontinent auf die britischen Inseln auswanderten) französisch < lat. Francia ‚das Land, das von Franken bewohnt wird‘ 6.2 Eingespart in D-E-F-G-. . . 67 narr-starter.de <?page no="69"?> 7 Machtspiele Abb. 18: Mündliche Kommunikation und schriftliche Kommunikation © J. Theisen Zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation besteht ein riesiger Unterschied. In Abb. 18 ist er ins Bild gebracht, und um ihn auch auf den Punkt zu bringen: Mündlich verständigt man sich, schriftlich muss man etwas (einen Text) verstehen. Das trifft selbstverständlich nicht auf jede Unterhaltung und jede Lektüre zu, doch es gilt konzeptionell, und darauf kommt es hier an: Schriftlichkeit wurde erfunden, um nicht nur Raum, sondern auch Zeit zu überwinden, auch wenn man ihr das heute, z. B. in Facebook, nicht mehr unbedingt ansieht. narr-starter.de <?page no="70"?> 7.1 Dominanzen . . . Es ist ein (gar nicht so alter) Irrglaube, dass zwei Menschen, die miteinander sprechen, vorwiegend sprachlich gebundene Informationen austauschen. Vielmehr tauschen die beiden sich aus. Es geht um zwischenmenschliche Verhältnisse, die mit Sprache nur insofern etwas zu tun haben, als diese eine höchst bequeme und kostengünstige Möglichkeit ist, sich zu verständigen. Um es anders zu formulieren: Affen lausen einander, und dabei gibt es viel Körperkontakt. Nicht nur aufgrund hygienischen Fortschritts, sondern auch wegen des immer größer werdenden Kommunikationsradius, zu dem auch die Entwicklung der Kultur gehört und beigetragen hat, werden mittlerweile die meisten Kontakte sprachlich geknüpft und aufrechterhalten. Wir knutschen nicht ständig oder suchen in fremden Frisuren herum, um uns der Aufmerksamkeit eines oder einer anderen zu vergewissern und uns seine oder ihre Hilfe zu sichern, sondern müssen (und können, dürfen) einfach nur sprechen. Das ist nicht nur sehr praktisch, sondern, noch einmal, viel hygienischer - vgl. auch schon Kap. 1. In der Perspektive der KL ist es, anders als in der Allgemeinen Linguistik, durchaus von Bedeutung, ob sich Kommunikation sprachlich abspielt oder mimisch, gestisch, haptisch oder sonst wie. Selbstverständlich gibt es auch die Möglichkeit, den Gesprächspartner in Grund und Boden zu reden, was durchaus ein generelles kommunikatives Phänomen ist. Es blieb jedoch dem Deutschen vorbehalten, es sprachlich zu systematisieren - was aber selbstverständlich nicht korrekt formuliert ist, wie jeder weiß, der einmal versucht hat, einen ausgewachsenen homerischen oder ciceronischen Satz auf Anhieb zu verstehen. Aber weil’s 7.1 Dominanzen . . . 69 narr-starter.de <?page no="71"?> so schön ist, bleibe ich mit Mark Twain bei D. In seinem Mittelalterroman „Ein Yankee aus Connecticut an König Artus‘ Hof“ trifft sein Held, der Yankee, eine Dame namens Alisande, genannt Sandy, und die hatte genau die deutsche Art, was immer sie die Absicht hatte von sich zu geben, ob es nun eine bloße Bemerkung, eine Predigt, eine ganze Enzyklopädie oder die Geschichte eines Krieges war - sie brachte es in einem Satz unter, und wenn es sie das Leben kosten sollte. Jedesmal, wenn der literaturkundige Deutsche in einen Satz taucht, bekommt man ihn nicht wieder zu sehen, bis er auf der anderen Seite seines Atlantischen Ozeans mit dem Verb zwischen den Zähnen wieder auftaucht. (Twain 1973: 141) Wer hierbei den Kürzeren zieht, ist klar: der Hörer. Er braucht sehr viel Geduld, auch heute noch, jedenfalls in Gegenden, in denen Perfekt als Vergangenheitsform verwendet wird, und überhaupt in Nebensätzen: Das Verb als sehr wichtiger Mitspieler des Satzes kommt ganz am Ende, wie übrigens in 4 von 10 Sprachen (Abb. 11). Ohne weiteres kann man dem Hörer (und Leser) gegenüber freundlicher sein, doch genau darin entscheidet sich, ob man ihn ernst nimmt oder nicht. Ganz offensichtlich werden diese Machtspielchen mittlerweile wieder im Internet gespielt: In Nachrichtenportalen werden Meldungen in drei bis vier Zeilen (eventuell mit Foto) nicht kurz und bündig transportiert (wie nach wie vor in der Zeitung mit den großen Buchstaben), sondern das Wichtigste wird bloß angekündigt, denn nur durchs Weiterklicken hat die jeweilige Seite Chancen, Geld zu verdienen. Gut für den Autor, schlecht, weil unbequem und schrecklich umständlich, für den Leser. Das gilt mittlerweile für alle Sprachen, D ist also keine Ausnahme mehr. Immerhin ist’s noch kostenlos. 7 Machtspiele 70 narr-starter.de <?page no="72"?> Worum es hier aber vor allem geht, ist wieder der Unterschied zwischen Kommunikation und Sprache: Sich verstehen und etwas verstehen sind zwei ganz verschiedene Dinge, genauso wie umgekehrt sich verständlich machen und etwas verständlich machen. Wilhelm von Humboldt war (schon) vor 200 Jahren der Meinung, dass eine Sprache mit möglichst viel Grammatik am geeignetsten sei, um das Innerste nach außen zu kehren und die eigenen Gedanken am adäquatesten zu äußern. Der Hörer hinkt dabei zwangsläufig hinterher, oder mit einer griechischen Formulierung des 5. Jhs. v. Chr. (aus Sizilien) geschrieben, also immerhin sehr alt, wenn auch etwas derb: ὁ δὲ γράψας τὸν ἀννέμοντα πυγίξει. (ho de grápsas ton anémonta pygíksei.) „Der Schreiber paedicabit den Leser.“ Den Ausflug in ein Wörterbuch Latein-Deutsch kann ich Ihnen hier leider nicht ersparen. Oder vielleicht doch, denn die Vorstellung, dass der Autor den Leser vergewaltigt, dass auch der Sprecher den Hörer nicht nur vollkommen in der Hand hat, sondern ganz und gar beherrscht, passt nicht mehr in eine weitgehend schriftlich funktionierende Gesellschaft, in der es (fast überall nur) einen Schreiber, aber sehr viele unbekannte Leser gibt: Wer ihnen nicht entgegenkommt, wird nicht wahrgenommen und betreibt stattdessen als Autor seinen eigenen Tod. Die Frage, die hier allerdings interessiert, ist, welcher Stellenwert einer Sprache in der Kommunikation zukommt. Das Vietnamesische beispielsweise wurde sinngemäß so charakterisiert: Ich sage etwas, mach du als Hörer damit, was du willst! Kommt es - zumal in vorschriftlicher Zeit - wirklich darauf an, eine Äußerung Wort für Wort (was immer das bedeutet) zu verstehen? Es ist nur wenig übertrieben zu sagen, dass mündliches G immer noch nach 7.1 Dominanzen . . . 71 narr-starter.de <?page no="73"?> folgendem Prinzip funktioniert: Was meinst du eigentlich? - Keine Ahnung, sag du’s mir. Und ich vermute, dass das in den meisten (nicht-akademischen) Äußerungen auch in allen anderen Sprachen genauso der Fall ist - wenn man nicht gerade Streit sucht oder als Streitpartner gesucht wird. Tatsächlich haben wir nämlich alle nach diesem Prinzip sprechen gelernt. Wenn Kinder Lautkombinationen als ihre ersten Wörter und dann Wörter als ihre ersten Sätze versuchen, sind sie darauf angewiesen, von ihren Gesprächspartnern interpretiert zu werden. Die kleine Doris weiß nicht, was ihre Äußerung Ball bedeutet (zumal sie nicht einmal weiß, was bedeutet bedeutet), doch wenn die Mama sagt: Genau, das ist ein Ball oder: Ich hol dir gleich den Ball oder: Wir spielen später Ball, dann kann sie lernen, dass es das oder das oder das bedeutet, und sie das oder das oder das gesagt hat. Und das ist nicht nur bei Doris so, sondern auch bei Eve, François, Giannis. Doch schon kurz danach in der Schule - wenn es sie gibt, was nicht selbstverständlich ist - gehen Sprachen getrennte Wege. Die Frage bleibt aber überall (und kann nicht so ganz leicht beantwortet werden), wer für das Gelingen der Kommunikation verantwortlich ist. Im Idealfall: Beide! Das hat zunächst etwas mit den Menschen zu tun. Doch gibt es eben auch die sprachliche Seite. Zwei Beispiele: Sprachen haben die Möglichkeit, zwischen einem syntaktischen und einem semantischen Subjekt zu differenzieren (vgl. Kap. 4.2). Das ist einerseits systematisiert (in den genera verbi, also der Unterscheidung von Aktiv und Passiv), aber auch rein verbal möglich, da es nicht nur Tätigkeitsverben, sondern auch Vorgangsverben gibt. In beiden Fällen lässt sich durch Verschweigen wunderbar lügen, oder es lassen sich die schönsten Krimis erzählen - den Passivsätzen hört und sieht man den Mörder nicht an, 7 Machtspiele 72 narr-starter.de <?page no="74"?> den nun folgenden jeweils dritten Varianten nicht mal ein Verbrechen: D Irene erschoss ihren Freund. - Irenes Freund wurde erschossen. - Irenes Freund starb. E Irene shot her boyfriend. - Irene’s friend was shot. - Irene's friend died. F Irène abattait son ami. - L’ami d’Irène a été abattu. - L’ami d’Irène mourait. G Η Ειρήνη πυροβόλησε το φίλο της. - Ο φίλος της Ειρήνης πυροβολήθηκε. - Ο φίλος της Ειρήνης πέθανε. (I Iríni pirovólise to fílo tis. - O fílos tis Irínis pirovolíthike. - O fílos tis Irínis péthane.) Hinter diesen Möglichkeiten gibt es jedoch auch noch andere Feinheiten; so wird in D strikt unterschieden zwischen Vorgangspassiv und Zustandspassiv: Das eine wird mit werden gebildet, das andere mit sein. In E-F-G gibt es eine solche Unterscheidung nicht, allein der Kontext entscheidet dort über die Bedeutung, d. h. der Hörer muss mehr leisten als der Sprecher, oder aber: Der Sprecher ist ausführlicher, wenn er die von ihm gewünschte Eindeutigkeit herstellen will; hier nur ein Beispiel: D Der Film ist verboten. - Der Film wird verboten. E The film is prohibited. - The film is prohibited. F Le film est interdit. - Le film est interdit. 9 G Η ταινία απαγορεύεται. - Η ταινία απαγορεύεται. (I tenía apagorévete. - I tenía apagorévete.) 9 Der Satz ist sprachlich korrekt, aber wahrscheinlich gibt es keinen Franzosen, der ihn mit dieser Bedeutung sagen oder schreiben würde. Stattdessen eher: On interdit le film. Die Eindeutigkeit ist hier in anderer Weise als in D systematisiert. 7.1 Dominanzen . . . 73 narr-starter.de <?page no="75"?> Ähnliches gilt für den Umgang einer Sprache mit Homonymen. In E sind sehr viele Wortformen homonym: Die Verbformen eines Tempus oder Aspekts (im Indikativ Präsens mit Ausnahme der 3. Sing.) lauten exakt gleich, was kommunikativ allerdings kein allzu großes Problem darstellt, da E eine SVO-Sprache ist, was u. a. heißt, dass die semantische Auflösung aus anderen Gründen, nämlich syntaktischen, feststeht. Dieses Phänomen gibt es umso häufiger, je analytischer eine Sprache und je unflexibler die Satzgliedstellung ist; das gilt auch für F. Dort gibt es jedoch zudem eine Menge Homonyme im Sinn von Kap. 6.2, die nur kontextuell aufgelöst werden können. Im Chinesischen wimmelt es aber nur so von ihnen. Homonyme rechnen immer mit Zeit, und deshalb sind sie auch ohne weiteres eindeutig zu verstehen, denn Sprache funktioniert in der Zeit (Kap. 1.1) und eine sprachliche Äußerung, in welcher Sprache auch immer, ist erst dann vollständig, wenn der Mund wieder zu ist oder am Ende der Punkt steht. 7.2 . . . und Verständnis Wie schon in Kap. 6.1 dargestellt, unterscheiden sich Sprachen unter anderem und sehr wesentlich darin, welche und eine wie lange Tradition ihre Schrift hat. Die Faustregel: Je länger es Schriftlichkeit gibt und je wichtiger Schrift in einer Gesellschaft ist, desto stabiler werden grammatische Strukturen. Als Dionysius Thrax im 2. Jh. v. Chr. die erste europäische Grammatik schrieb, widmete er sich ausdrücklich schriftlicher = literarischer Sprache. - Latein hat erst mit den römischen Eroberungen seit dem 3. vorchristlichen Jh. und der damit einhergehenden Notwendigkeit schriftlicher Kommunikation semantisch eindeutige Konjunktionen er- 7 Machtspiele 74 narr-starter.de <?page no="76"?> funden: temporal, kausal, adversativ usw. - D kam lange mit nur zwei Zeitstufen aus, nämlich Präsens und Präteritum, für eine Aussage über die Zukunft konnte man - übrigens sehr konsequent - den Optativ (von L optare ‚wünschen‘) verwenden: Da ja niemand eine Verfügung über morgen und übermorgen hat, kann man darüber grundsätzlich nur Wünsche und Vorsätze äußern, in E ist das (I will come) bis heute erhalten. Die deutschen Futurformen wurden im späten Mittelalter erfunden, um das Verbparadigma, das aus dem Lateinischen übernommen wurde, komplett zu machen; verwendet wird es heute aber nur noch in Ausnahmefällen. Normalerweise komme ich morgen, und dass ich morgen kommen werde, sage ich eher, wenn ich meine Glaubwürdigkeit herausstellen will, aber meine Nachbarin macht das möglicherweise ganz anders, und ein Hamburger Bekannter und die Germanistikstudentin in Frankfurt auch. - In G gibt es hingegen ein etwas aufwendig gebildetes Futur, das ein Sprecher, der über etwas Zukünftiges spricht, jedoch (von ganz wenigen und speziellen Ausnahmen abgesehen) zwingend verwenden muss, aufwendig, weil es nicht nur mit Hilfe einer einführenden Partikel markiert wird, sondern sich auch in einer spezifischen Verbform artikuliert. Diese Bildung ist höchst interessant und das Ende einer Entwicklung, die, im Vergleich zu D-E, gerade in die Gegenrichtung verläuft: In AG gab es einmal eine selbstständige (synthetisch gebildete) Verbform, doch seit dem byzantinischen (mittelalterlichen) G entwickelt sich aus θέλω ἵνα (thélo hína, ich will, dass . . .) über θένα (théna) die Partikel θα (tha). Mit diesem eigentlichen Optativ kehrt der semantische Aspekt des Wollens in die Tempusbildung zurück und macht sich dort erstmal als solcher bemerkbar, woraus aber schließlich nur noch ein 7.2 . . . und Verständnis 75 narr-starter.de <?page no="77"?> reiner Futurmarker übrig bleibt: θα έρθω (tha értho, ‚ich werde kommen‘; Futurmarker plus Futurform). 10 Die hier nur kurz angedeuteten und spärlich ausgewählten Entwicklungen spielen sich zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ab. Die übliche mündliche Sprachverwendung geschieht zwischen Ich und Du, und beide kennen sich. Die ursprüngliche schriftliche Sprachverwendung jedoch geschieht zwischen Ich (einer) und Sie (viele), und wir kennen uns alle nicht. Daraus ergibt sich, wie schon bemerkt, ein fundamentaler Unterschied zwischen Kommunikation (wir wollen uns verständigen und uns verstehen) und Sprache (ich will etwas verstehen). Im Schriftlichen steht ein Text, Schrift gewordene Sprache, zwischen uns, mündlich aber fungiert sie, die Sprache, als Brücke. Mündlich sollte ich mich auf den anderen verlassen, schriftlich ist nur, und wenn‘s gut geht, auf die Sprache Verlass. Die, welche auch immer es ist, muss beherrscht werden. Wie jeder Urlauber weiß, ist das aber nicht so ganz einfach (in Athen gibt es z. B. immer noch Restaurants, die mit „Air Condition - Konditionierte Luft“ Touristen anlocken), weshalb man auch in vielen Situationen lieber auf Sprache verzichtet und sich, z. B. im Straßenverkehr, auf Zeichen beschränkt. Und weltweit Möbel verkaufende Möbelhäuser bezahlen mittlerweile ebenfalls keine Übersetzer mehr, sondern ziehen Comics vor, die mir erklären, wie man einen Tisch oder Stuhl oder Schrank zusammenbaut, zumal Comics heute wohl die frühesten Leseerfahrungen sind. In dem Zusammenhang lohnt sich noch ein kurzer Blick auf die Zeichensetzung: Ich stelle einige Versionen der 10 Es gibt in G noch eine andere Futurform, die aus dem Marker θα und der Präsensform des Verbs gebildet wird. 7 Machtspiele 76 narr-starter.de <?page no="78"?> Ereignisse des ersten Schöpfungstags, nachdem es hell geworden war (Gen 1,5), nebeneinander, und zwar alt (links) und neu (rechts); G kann hier fehlen, da es seit der Septuaginta, der ersten griechischen Bibelübersetzung aus dem 2. Jh., keine (offizielle) Bibelübersetzung gibt. D vnd nennet das liecht / Tag / vnd die finsternis / Nacht. (Luther 1543) und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. (Einheitsübersetzung 2016) E he clepide the liyt, dai, and the derknessis, nyyt. (Wyclif 1395) And God called the light, Day, and the darknesse he called Night (King James 1611) And God called the light Day, and the darkness he called Night (King James online 2016) F et appella la lumiere / iour: et les tenebres / nuict (Olivetan 1535) Dieu appela la lumière jour, et les ténèbres nuit. (Segond 21 2007) In den alten Übersetzungen sind die Satzzeichen sehr deutlich mündlich gesetzt: Sie markieren Pausen und sind deshalb eine sehr hilfreiche Vorlesehilfe. Die neueren Bibelausgaben jedoch gehen in der Zeichensetzung grammatisch vor. Auch darin spiegelt sich eine eindeutige Verschiebung von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit. Ob es sich hierbei um ein (schrift)sprachliches Universale handelt, muss noch untersucht werden. Allerdings ist ebenfalls festzuhalten, dass sich der Schwerpunkt der Schriftlichkeit zugunsten der Leser verschoben hat - kein Wunder: Sie sind heute deutlich in der Überzahl. Für sie wurden Wortzwischenräume, Satzzeichen, Absätze und Seitenzahlen erfunden. Abschließend ist noch eine grundsätzliche Frage zu stellen, die sich im Horizont der KL zwangsläufig ergibt: Wie stabil sind grammatische Strukturen angesichts weltweiten Sprachkontakts? Bis vor kurzem war Sprachkontakt 7.2 . . . und Verständnis 77 narr-starter.de <?page no="79"?> nur als körperlicher Kontakt möglich, nahezu wie bei den sich lausenden Affen, heute ist das schon lange nicht mehr so. Und seit ich mit meinem Kommunikationspartner nicht mehr auf Tuchfühlung und weder er mir noch ich ihm ins Gehör gehen muss, verwischen sich außerdem die Grenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, und zwar in einer Weise, die weit außerhalb des Horizonts de Saussures liegt. Die Dominanz einer Sprache, in Europa zunächst AG, dann in größerem Maß Latein, im (weltlichen) Mittelalter F und heute fast weltweit und in fast allen Registern E, bringt enorme Vorteile mit sich, und wenn ich E vielleicht doch nicht so gut beherrsche - you ’ll understand what I mean, because you want to understand me - I hope so. Solange ich meine Identität jedoch aus meiner Sprache gewinne, muss ich selbstverständlich an ihr, und möglichst in Reinform (was ist das? ), festhalten. Das hat allerdings nichts mit Linguistik zu tun. Am 27. 04. 2016 sprachen sich laut einer „Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Magazins ‚Stern‘ [. . .] 53 Prozent der Befragten für ein ‚Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache‘ aus“ (n-tv.de), was auch immer das bedeuten können - oh Gott! wird man in Zukunft für einen solchen Fehler bestraft? , vielleicht nach § 147 b StGB: Inverkehrbringen von Falschdeutsch (1) Wer falsches Deutsch als echt in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Jede dokumentierte Sprache kann mit jeder anderen, nach denselben Maßstäben dokumentierten Sprache verglichen werden. Aus der Tatsache, dass mittlerweile viele Sprachen in 7 Machtspiele 78 narr-starter.de <?page no="80"?> sehr engem Kontakt zueinander stehen, in dem die Sprecher sich verständigen wollen, ergibt sich jedoch ein Ausblick, der hier sehr provokativ formuliert wird: KL wird sich voraussichtlich immer mehr damit beschäftigen (müssen und dürfen), wie eine Sprache mit den Einflüssen anderer Sprachen umgeht, sie möglicherweise, aus welchen Gründen auch immer, integriert oder nicht. Spannend bleibt’s, wie überall, solang man (egal, in welcher Sprache) darüber nachdenkt und diskutiert. 7.2 . . . und Verständnis 79 narr-starter.de <?page no="81"?> Fragen und Aufgaben Antworten und Lösungen finden Sie unter der Adresse www.narrstarter.de - und bitte bei den Antworten nicht die kontrastivlinguistische Perspektive vergessen. Kapitel 1: Was haben alle menschlichen Sprachen gemeinsam? Warum ist eine kontrastive Perspektive in der Linguistik sinnvoll? Kapitel 2: Warum vergessen Menschen die meisten Phoneme wieder, die sie in ihrer frühen Kindheit noch beherrschten? Wie unterscheiden sich Wort- und Silbensprachen voneinander? Kapitel 3: Trotz der grundsätzlichen Arbitrarität des Wortschatzes ist die Bildung der meisten Wörter einer Sprache doch nachvollziehbar - warum? Nennen und erläutern Sie möglichst viele Wörter, die es im Umkreis von Liebe - love - amour gibt. Kapitel 4: Worin besteht der systematische Unterschied zwischen einer SOV- Sprache und einer kdR-Sprache? Welche Folgen hat er? Wenn man mehrere Sätze aneinanderreiht, ergeben sich ganz eigene Satzgliedstellungsreihenfolgen. Erläutern Sie unter diesem Gesichtspunkt Abb. 12. Kapitel 5: Die Sprechakttheorie besagt, dass jeder, der spricht, eine Handlung vollzieht. Was bedeutet das? Verabschiedungen sind in hohem Maße standardisiert. Wie und warum? narr-starter.de <?page no="82"?> Kapitel 6: Was meint der Satz: „Sprache ist eine sehr effiziente Möglichkeit, Energie zu sparen.“? Unterschiedliche Sprachen sparen in unterschiedlicher Hinsicht. Nennen Sie ein paar Beispiele. Kapitel 7: Zwischen Sprecher und Hörer ist es häufig wie auf einer Wippe: Der eine ist oben, der andere unten. Erläutern Sie dieses Verhältnis. Mittlerweile ist auch schriftliche Sprache sehr flexibel und das heißt: längst nicht mehr so starr wie früher. Warum? Fragen und Aufgaben 81 narr-starter.de <?page no="83"?> Literaturverzeichnis Aarts, Bas (2011): Oxford Modern English Grammar, Oxford: University Press. Barbour, Stephen/ Stevenson, Patrick (1998): Variation im Deutschen. Soziolinguistische Perspektiven, Berlin: de Gruyter. Beller, Sieghard/ Bender, Andrea (2010): Allgemeine Psychologie. Denken und Sprache, Göttingen u. a.: Hogrefe. 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Genus 42, 48 f. handeln 9, 50 ff., 54, 80 Homonym 66, 74 Humboldt, Wilhelm von 71 Imperativ 46 f. indoeuropäisch 11, 15, 24, 32 Interkulturelle Kommunikationswissenschaft 15 Internet 16, 52, 64, 70 Isidor von Sevilla 38 Kanal 9 Koda 25, 27 Kommunikation 8 f., 11, 13 ff., 17, 20 f., 37, 41, 44 ff., 53, 64 f., 67 ff., 71 f., 74, 76 Kommunikationsradius 64, 69 Kongruenz 48 Kontext 13, 20 f., 30, 51, 66, 73 f. Kultur 14 ff., 31, 35, 52, 59, 69 Kulturwissenschaftliche Linguistik 15 langue 20, 24 Lexikon 30 Lüge 10, 72 Macht 46, 68 Morphologie 17, 23, 33 ff., 43, 47, 64 Motivation 32 Mündlichkeitsforschung 15 Nationalsprache 13 Nukleus 25 Ökonomie 19, 61 Onset 25, 27 paroles 20 Passiv 72 narr-starter.de <?page no="90"?> Perspektive 7, 13, 15, 44 f., 64, 69, 80 Phon 21 Phonem 19 ff., 26 f., 80 Phonologie 17, 20 f. Platon 21, 29 Präposition 33, 36, 43 f. Pro-Drop-Sprache 33, 47 Pronomen 33 f., 41 ff., 47 ff. Rechtschreibung 53, 63 f. Reflexivität 10 Rekursivität 10 Runen 32 Satzglied 40 ff., 45, 74 Saussure, Ferdinand de 14, 20, 78 Schrift 14, 26, 32, 34, 41, 59 f., 74, 76 Schriftkritik 59 Schriftlichkeit 14, 18, 27, 60, 66 ff., 74, 76 ff., 81 Schriftlichkeitsforschung 15 Schriftlinguistik 15 Schwarm 8 Semantik 38, 48 f., 72, 74 Sequenzialität 10 Signifika(n)t 29 Silbe 19, 24 ff., 62, 65 Silbensprache 24 ff., 80 Skript 54 Soziolinguistik 15 sparen 41, 58, 61 ff., 65, 71, 81 Sprachkontakt 77 Sprachkontaktforschung 16 Sprachwandel 16 f., 61 Sprechakt 15, 51, 55 Sprechakttheorie 51, 80 Standard 49, 53 f., 63 Standardsprache 13, 15, 22, 45, 49 Substratsprache 16 Superstratsprache 16 Syntax 10, 17, 41, 43, 45, 47 f., 63, 72, 74 synthetische Sprache 33, 75 Text 41, 44, 59 f. Trubetzkoy, Nikolai Sergejewitsch 21 Universalgrammatik 44 Universalien (sprachliche) 8 ff., 44, 77 Varietätenlinguistik 15 Vergleichende Sprachwissenschaft 11 verstehen 22, 45, 53, 62, 68 f., 71, 74, 76 Welt 10, 19, 29 f., 32, 35 f., 38 ff., 50 f., 64 Wittgenstein, Ludwig 38 Wortfeld 35, 37 Wortschatz 29, 80 Wortsprache 24 Zeichensetzung 76 f. Register 89 narr-starter.de <?page no="91"?> ISBN 978-3-8233-8033-7 für einen schnellen Einstieg ins Thema Grundbegriffe und wichtige Zusammenhänge schnell erfasst ideal für die Seminarvorbereitung in den ersten Semestern Im Fokus der kontrastiven Linguistik steht der Vergleich zwischen zwei oder mehr Sprachen: Wie wird jeweils ein und derselbe Sachverhalt ausgedrückt? Das Bändchen führt anhand zahlreicher Beispiele in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Griechisch in das Thema ein. Dabei werden alle Ebenen zwischen Sprechen und Sprache und auch zwischen Mündlichem und Schriftlichem bedacht. www.narr-starter.de www.narr-studienbuecher.de www.narr.de