Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung
1010
2016
978-3-8233-9040-4
Gunter Narr Verlag
Michael K. Legutke
Michael Schart
Der Band versammelt empirische Arbeiten aus der fremdsprachlichen Professions-, Ausbildungs- und Fortbildungsforschung und zeigt die derzeitigen Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich auf. In den letzten zwei Jahrzehnten entstanden zahlreiche innovative Aus- und Fortbildungskonzepte, deren Auswirkungen auf die Unterrichtspraxis in Universitäten, Studienseminaren und Schulen bislang nur unzurei-
chend untersucht wurden. Dieser Band füllt diese Lücke und ist somit für all jene von Interesse, die in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften für den fremdsprachlichen Bereich tätig sind.
<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Michael K. Legutke/ Michael Schart (Hrsg.) Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung <?page no="1"?> Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung <?page no="2"?> Giessener BeiträGe zur FremdsPrachendidaktik Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Michael K. Legutke/ Michael Schart (Hrsg.) Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISBN 978-3-8233-8040-5 <?page no="5"?> 5 Inhaltsverzeichnis Michael. K. Legutke/ Michael Schart Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Michael K. Legutke/ Michael Schart Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens angehender Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in der ersten Ausbildungsphase: Wege zur Entwicklung einer quantitativen Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Petra Kirchhoff Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? Über die Auswahl von Items im FALKO -E Test zum fachspezifischen Professionswissen . . . . . . 75 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider „Dass jedoch Emotionen einen immensen Einfluss auf den Lernerfolg haben können, war mir nicht bewusst“ - Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . 99 Astrid Diener Effekte der Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Ausbildungsinhalten auf die Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden der Fachdidaktik Englisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Ralf Gießler Lexikalisches Lernen optimieren - Ausgewählte Befunde einer Mehrfachfallstudie zur Förderung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von angehenden Englischlehrpersonen mit Unterrichtsvideos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 <?page no="6"?> 6 Petra Knorr Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen - Untersuchungsergebnisse zu Unterrichtsplanungsgesprächen angehender Englischlehrender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 David Gerlach/ Ivo Steininger Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2 . Phase der Fremdsprachenlehrer(innen)bildung: Akteure, Prozesse, Themen . . . . . 197 Gesa F. Heinrich Kooperatives Sprachlernen - ein Chamäleon in Fortbildung und Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Alicia Jöckel Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? Gelingensbedingungen aus der Sicht von Lehrkräften . . . . . . 249 Nora Benitt “It’s not as academic and impossible as it seems to be” - Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Imke Mohr/ Michael Schart Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 <?page no="7"?> Vorwort 7 Vorwort Michael. K. Legutke/ Michael Schart Der vorliegende Band beruht auf der Arbeit in einer Sektion zur Aus- und Fortbildung von Lehrenden auf dem 26 . Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg ( 30 . September - 3 . Oktober 2015 ). In der Sektion sollten Forschungsprojekte zusammenfinden, die auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse eine oder mehrere der folgenden Fragen thematisieren: • Wie tragen einzelne Elemente eines Programms zur Kompetenzentwicklung bei? • Wie wirken bereits zuvor erworbene, medial vermittelte und direkte Lehrerfahrungen als Teil eines Programms zusammen? • Wie verändern sich das professionelle Selbstverständnis und die Lehrkompetenz in der Aus- und Fortbildung unter verschiedenen Kontextbedingungen? • Wie lässt sich forschendes Lehren und Lernen in die Aus- und Fortbildung integrieren? • Wie sollten einzelne Aus- und Fortbildungsinhalte gewichtet werden und welche Überlegungen sind bei dieser Entscheidung ausschlaggebend? • Wie wirkt Fort- und Ausbildung langfristig? • Welche Rolle spielen die Kompetenzen der Aus- und Fortbilder? • Wie ist das aus- und fortbildungsdidaktische Potenzial digitaler Medienarrangements mit ihren Lehr- und Lernformen (z. b. Blended Learning ) einzuschätzen? • Wie können sich Lehrkräften selbstinitiiert, kollektiv und kooperativ fortbilden? Für die Sektionsleiter war wichtig, mit den ausgewählten Beiträgen nicht nur die verschiedenen Arbeitsbereiche in der Aus- und Fortbildung abzudecken, sondern auch die Didaktiken möglichst unterschiedlicher Sprachen einzubeziehen. Das ist uns auf dem Kongress nur teilweise gelungen. Um ein umfassenderes Bild der gegenwärtigen Forschungslage zu den einzelnen Ausbildungsphasen und den im deutschen Sprachraum am häufigsten unterrichteten Fremdsprachen zu erreichen, haben wir deshalb für diesen Band neben den in <?page no="8"?> 8 Michael. K. Legutke/ Michael Schart Ludwigsburg präsentierten Forschungsprojekten weitere Beiträge aufgenommen. Im Verlauf der Sektionsarbeit zeigte sich eine große Übereinstimmung bei der Einschätzung, dass die Fremdsprachendidaktik der Lehrerbildung jahrzehntelang bestenfalls einen Nebenschauplatz in der Forschung zugestanden hat. Ebenfalls konstatiert wurde, dass die konkreten Lehr- und Lernzusammenhänge, das Zusammenspiel von inhaltlichen Angeboten, Unterstützungssystemen, Sozialformen und Lehrpraktiken an der Hochschule als eine Black Box beschrieben werden müssen. Andererseits haben die Beiträge und Diskussionen gezeigt, dass auf einem lange vernachlässigten Feld Bewegung entstanden ist, die es zu stärken gilt. Als Empfehlung wurde formuliert, dass es für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes zweifellos von Vorteil wäre, wenn es gelänge, größere Forschungsverbünde zu schaffen, und wenn qualitativ-explorative und quantitativ Hypothesen testende Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammengeführt würden. Der vorliegende Band versteht sich als ein Schritt in diese Richtung. Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für die inspirierende Zusammenarbeit während des Kongresses und bei der Vorbereitung dieses Bandes. Unser Dank gilt weiterhin der Kongressleitung für die erfolgreiche Organisation des Kongresses und ihre Unterstützung dieser Publikation. Ferner danken wir Ilse Braun und Darja Brotzmann für die kompetente Unterstützung bei der Herstellung der Druckfassung. Im August 2016 Michael Legutke und Michael Schart <?page no="9"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 9 Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven Michael K. Legutke/ Michael Schart 1 Die Ausbildung von Lehrenden: ein vernachlässigtes Forschungsfeld Die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten vierzig Jahre, die gemeinhin mit dem Begriff Globalisierung zusammengefasst werden, haben die Bedingungen, unter denen Sprachen gelehrt, gelernt und gebraucht werden, grundlegend verändert. Schulische Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und die sprachlichen Fächer im Besonderen müssen nicht nur der wachsenden sprachlichen und kulturellen Heterogenität der Lernenden Rechnung tragen, sondern gezielt die Fähigkeit junger Menschen entwickeln, selbstbestimmt mit Sprachen und Kulturen umzugehen, sich kritisch in Diskurse einzuschalten und sie zu gestalten. Diese Aufgabe, als Kernbestand einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen allgemeinen Bildung, beinhaltet die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, die die Mehrsprachigkeit, die Fähigkeit zur Sprachmittlung und die interkulturelle Kompetenz einschließen ( KMK / BMZ 2016 : 156 - 191 ). Dem Fremdsprachenunterricht kommt dabei sicher eine ganz besondere Bedeutung zu. Er muss sich zudem den Herausforderungen und Möglichkeiten stellen, die die technologischen Umwälzungen mit sich bringen. Legen doch letztere nahe, das fremdsprachliche Klassenzimmer als institutionellen Ort des Lehrens und Lernens von Sprachen neu zu bestimmen, nämlich als ein Ensemble vernetzter Lernorte. In diesem nimmt das Klassenzimmer, so wie wir es kennen, nach wie vor eine zentrale Stelle ein. Aber es ist zugleich in vielfacher Weise mit der Lebenswelt und anderen Lernorten verknüpft. Es schafft das Umfeld für virtuelle und direkte Begegnungen, fungiert als Produktionsort multimodaler Texte und stellt den Reflexionsraum für individuelles und kooperatives Lernen bereit. Didaktische Arrangements sind gefragt, die diese neuen Möglichkeiten produktiv nutzen und die Herausforderungen zu meistern helfen (vgl. Legutke 2015 ). Dass es dabei in einem erheblichen Maße auf die Lehrkraft ankommt, haben die Diskussionen um Hatties Metastudie (Hattie 2008 , 2011 ; Terhart 2014 ) eindrücklich bestätigt. Gefragt sind fremdsprachlich, fachdidaktisch und pädagogisch qualifizierte Lehrkräfte, denen es gelingt, zusammen mit den Lernenden einen lebendigen (Fremd)Sprachenunterricht zu gestalten, in dem genau jene oben angesprochenen Schlüsselkompetenzen zur Entfaltung kommen können. <?page no="10"?> 10 Michael K. Legutke/ Michael Schart Die Frage, wann, wo und wie zukünftige und bereits praktizierende Lehrkräfte entsprechend qualifiziert werden, scheint leicht beantwortet: in den im europäischen Vergleich höchst komplexen und anspruchsvollen Lehrerbildungsprogrammen der Bundesländer, die auch dort, wo die Umstellung auf BA und MA erfolgte, für die erste Ausbildungsphase an einem breit angelegten Zweifachstudium festhalten, das fachwissenschaftliche, fachdidaktische, bildungswissenschaftliche wie unterrrichtspraktische Anteile vorhält. Trotz aller Reformen hat sich die fremdsprachliche Lehrerbildung in seiner Grundstruktur kaum verändert. Sucht man jedoch nach Studien, die die Bildungsprozesse dieser komplexen Programme oder ihre Effekte für die Ausbildung der Kompetenzen der Lehrkräfte erforschen, wird man bis heute kaum fündig: Die fremdsprachendidaktische Forschung im deutschsprachigen Raum hat sich dieser Zusammenhänge erst in jüngster Zeit angenommen (Roters/ Trautmann 2014 mit Überblick). Diesen Umstand könnte man so deuten, als seien die positiven Effekte der Programme, die Angemessenheit der Inhalte und Lehr- und Lernarrangements über viele Jahre hinweg im deutschsprachigen Raum als gegeben angenommen worden. Ein Blick in die internationale fremd- und zweitsprachliche Lehr- und Professionsforschung legt hingegen nahe, die Wirkungsmechanismen in Aus- und Fortbildungsprogrammen zu hinterfragen: Sie stellen aus gutem Grund einen genuinen Forschungsgegenstand dar. In den letzten vierzig Jahren haben Studien zur Lehrerbildung (second/ foreign language teacher education and professional development) erheblich an Bedeutung gewonnen und dabei unter anderem verdeutlicht, weshalb Urteile über den Erfolg von Aus- und Fortbildungsprozessen auf empirischen Erkenntnissen beruhen sollten (z. B. Singh/ Richards 2006 ; Wideen u. a. 1998 ). Die Diskussion wird allerdings in auffälliger Weise durch Englisch als Fremd- und Zweitsprache dominiert. Forschungen, das Lehren anderer Sprachen betreffend, und nicht englischsprachige Publikationen finden international durchweg keine Beachtung. Da ein umfassender Forschungsbericht den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde, verweisen wir auf die einschlägigen Artikel zum State-of-the-Art (Man 2005 , Wright 2010 ) und vergleichbare Überblicksdarstellungen (Burns/ Richards 2009 , Benitt 2016 : 28 - 77 , Crandall/ Christison 2016 ). Wie Crandall/ Christison aufzeigen, lassen sich innerhalb der anglo-amerikanischen Forschungen seit den 1990 er Jahren die folgenden Schwerpunkte identifizieren, an denen die gesamte Breite des Forschungsfelds deutlich wird: • Language teacher cognition, teacher experience, and novice teacher development • Teacher identity, globalization, and non-native English speaking teachers • Reflection and reflective teaching <?page no="11"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 11 • Classroom research, action research, and teacher research • Language teacher learning, collaboration, communities of practice (…) and professional learning communities (Crandall/ Christison 2016 : 6 ) Bei der Durschicht der Forschungsberichte fällt auf, dass sich auch unter den englischsprachigen Publikationen so gut wie keine Studien finden lassen, die die Prozesse der universitären und postuniversitären Lehrerbildung selbst, die dort zum Einsatz kommenden Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den erarbeiteten und vermittelten fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Inhalten untersuchen. Auf dieses deutliche Manko weist auch Karen Johnson hin, wenn sie, gestützt auf soziokulturelle Lerntheorien, für eine Forschung plädiert, die sich mit dem befasst „what happens inside the the practices of L2 teacher education“ ( Johnson 2015 : 515 ). Wie wir im Folgenden darlegen werden, schreiben auch wir dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu, und Antworten aus verschiedenen Kontexten von Aus- und Fortbildung finden sich in mehreren Beiträgen dieses Bandes. Auch wenn, wie oben angedeutet, die fremdsprachendidaktische empirische Lehrerbildungsforschung im deutschsprachigen Raum kaum entwickelt ist, lässt sich während der letzten dreißig Jahre parallel zur internationalen Entwicklung ein zunehmendes Interesse an der Lehrperson feststellen; die Fachdidaktik beginnt sich zum einen für den Zusammenhang von Lehrerwissen (Erfahrungswissen) und praktischer Unterrichtskompetenz zu interessieren (Appel 2000 ), zum anderen versuchen Forschende aus unterschiedlichen fachdidaktischen Perspektiven zu ergründen, „was in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014 ). Untersucht werden u. a. subjektive Sichtweisen von Lehrkräften zu interkulturellem Lernen und zur Mehrsprachigkeit, zum beruflichen Selbstverständnis. Gegenstand sind Reflexionsprozesse und Kognitionen, Berufsbiographien, das Erfahrungswissen oder die Verarbeitung und Einschätzung der universitären Ausbildung in den ersten Phasen selbständiger Berufstätigkeit (Überblick und Zusammenfassung bei Caspari 2014 ). Ohne Frage haben diese Studien Implikationen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften; sie werden vielfach am Ende der Studien zu Empfehlungen gebündelt oder sie sind aus Vorschlägen für weitere Forschungen, mit denen die Studien enden, abzuleiten. Solche Einsichten systematisch zusammenzustellen und auszuwerten, könnte die Lehrerbildungsforschung sicher bereichern. Wir werden im Folgenden auf einige von ihnen Bezug nehmen. Neben dem deutlich gewachsenen Interesse an der Lehrperson sind wenige Arbeiten zu nennen, die fremdsprachliche Lehrerbildungsprozesse explizit untersuchen. Dem Bereich Lehrerfortbildung zuzuordnen sind beispielsweise Paul Meyermanns Fallstudie zur Qualifizierung von Deutschlehrkräften in Costa Rica <?page no="12"?> 12 Michael K. Legutke/ Michael Schart ( 1995 ) und Marita Schockers vergleichende Mehrfachfallstudie zur teilnehmerorientierten Fortbildung (Schocker-v. Ditfurth 1992 ). Die Rolle der schulpraktischen Studien als zentraler Baustein der Ausbildung wurde von Gabel ( 1997 ), Schocker-v. Ditfurth ( 2001 ), Elsner ( 2010 ) und Schädlich ( 2011 , 2015 ) untersucht. In einer vergleichenden Studie ermittelte Roters ( 2012 ) die Reflexionsniveaus von Novizen, indem sie Lerngelegenheiten für Studierende an einer deutschen und einer US -amerikanischen Universität herausarbeitete, um dann die unter diesen Lernbedingungen entstandenen studentischen Reflexionen zu analysieren. Im Kontext eines innovativen Blended-learning Master Programms für Primarschullehrkräfte im Fach Englisch erforschten Zibelius kooperatives Lernen als ein Kernelement der Ausbildung (Zibelius 2015 ) und Benitt die Funktion von Aktionsforschungsprojekten für die Ausbildung von Lehrkompetenz und die Stärkung professionellen Selbstvertrauens (Benitt 2015 ). Forschungen, die sich der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat, widmen, sucht man vergeblich. Dieses neue Forschungsfeld eröffnet der Beitrag von Gerlach/ Steiniger im vorliegenden Band. Alle bisher genannten Studien, einschließlich der von Caspari ( 2014 ) zusammengestellten, sind Einzelarbeiten, sie sind also in keinem größeren Forschungsverbund entstanden. Ferner handelt es sich fast ausschließlich um Qualifikationsarbeiten, d. h. sie wurden von Forschungsnovizen geleistet. Diese Bestimmungsmerkmale sprechen keinesfalls gegen ihre Qualität, belegen jedoch, dass sich die etablierten Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen dem Forschungsfeld bisher nicht angenommen haben. Dem Mangel an Engagement für die Erforschung der eigenen Lehre (einschließlich ihrer institutionellen Bedingungen und dynamischen Prozesse), die ja eine zentrale Aufgabe der Wissenschaftler ausmacht, stehen allerdings zahlreiche Positionspapiere gegenüber, mit denen etablierte Vertreter der Fachdidaktik den Reformprozess der letzten Jahrzehnte kommentieren und dabei Forschungsperspektiven skizzieren, die bis heute allerdings nicht konkretisiert wurden (z. B. Zydatiß 1996; Bausch u.a. 1997 , 2003 ). Am Beginn unserer Bestandsaufnahme bleibt somit festzuhalten, dass die Fremdsprachenforschung über Jahrzehnte hinweg die Aus- und Fortbildungspraxis bestenfalls als einen Nebenschauplatz empirischer Forschung behandelte. Damit manövrierte sie sich gerade in den letzten Jahren zunehmend in einen Widerspruch, werden doch Studierende in den Fremdsprachendidaktiken in den BA und MA Programmen immer öfter zum forschenden Lernen angehalten. Und auch der Umfang an Publikationen, in denen das Potenzial von Aktionsforschung für das Verstehen und die Weiterentwicklung von Lehr- und Lernsituationen aus theoretischer Perspektive dargestellt wird, hat beträchtlich zugenommen. Positiv ist indes zu vermerken, dass das Forschungsfeld in jüngster <?page no="13"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 13 Zeit bewusster wahrgenommen und aktiver erschlossen wird (vgl. z. B. Klippel 2016 ). Davon zeugen nicht zuletzt die Beiträge dieses Bandes. Welche neuen Akzente sie setzen und wie sie an Vorhandenem anschließen, möchten wir im Folgenden verdeutlichen, indem wir sie im Rahmen einer zeitgemäßen Aus- und Fortbildung verorten. 2 Professionelle Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden 2.1 Tendenzen in der empirischen Kompetenzforschung Modelle, die das professionelle Wissen und Können von Lehrenden veranschaulichen und damit der Ausbildung als Orientierung dienen können, beziehen sich zumeist auf Shulmans ( 1987 ) Typologie und seine Unterscheidung von Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen (z. B. Baumert/ Kunert 2006 : 482 ; Blömeke 2011 : 15 ; Hallett 2006 : 36 ). Eine Aufgliederung, die sich auch deshalb weitgehend durchsetzen konnte, weil sie die Grenzverläufe zwischen den an der Lehrerausbildung beteiligten akademischen Disziplinen nachzeichnet. Gleichwohl handelt es sich zunächst nur um ein theoretisches Konstrukt, von dessen empirischer Begründung wir gerade im Bereich der Fremdsprachendidaktik noch weit entfernt sind. Für die Forschung sind Shulmans Typologie und die auf ihr basierenden Modelle vor allem deshalb von besonderem Interesse, weil sie - als eine Heuristik gedeutet - Ansatzpunkte für die empirische Erfassung der für den Lehrberuf notwendigen Kompetenzen bieten. In der Fremdsprachenforschung waren empirische Studien zum Wissen und Können von Lehrenden bisher vor allem dem explorativ-qualitativen Forschungsparadigma verpflichtet (z. B. Appel 2000 ; Schocker-von Ditfurth 2001; Zibelius 2015 ). Ihnen treten erst in jüngster Zeit Arbeiten mit einem quantitativen Zugang gegenüber (Roters/ Trautmann 2014 mit Überblick). Diese knüpfen an die umfangreichen Vorleistungen an, die zum Schulfach Mathematik in Studien wie COACTIV, TEDS-M und MT 21 erbracht wurden (Überblick bei König 2014 : 625 ). Die augenfällige Konzentration auf den mathematischen Bereich erscheint naheliegend, handelt es sich doch - gerade im Vergleich zu den Fremdsprachen - um ein vergleichsweise gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet. Die für Testverfahren notwendige Operationalisierung der Wissensdomänen fällt dadurch leichter als bei den fremdsprachlichen Fächern mit ihrer deutlich stärkeren Differenzierung (z. B. in Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Kulturstudien, Fachdidaktik, Sprachpraxis). Für angehende Mathematiklehrkräfte konnte gezeigt werden, dass sich die theoretische Unterscheidung von mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen auch empirisch dokumentieren lässt und beide Domänen - zu- <?page no="14"?> 14 Michael K. Legutke/ Michael Schart mindest in Deutschland - zugleich einen hohen Zusammenhang aufweisen (Blömeke 2011 : 8 f). Ermutigt von solchen vielversprechenden Ergebnissen lässt sich in den letzten Jahren beobachten, wie der quantitative Forschungsansatz auch im Umfeld des Fremdsprachenunterrichts allmählich mehr Beachtung findet und sich die „dürftige Forschungslage“ (Roters u. a. 2013 : 156 ) zu verbessern beginnt. Eine wegweisende Rolle kommt dabei zweifelsohne der TEDS - LT -Studie zu ( Teacher Education and Development Study - Learning to Teach, Blömeke u. a. 2011 ; Blömeke u. a. 2013 ; Roters u. a. 2013 ). Sie führte zu der Erkenntnis, dass für das Fachwissen von angehenden Englischlehrenden Subdimensionen bedeutsam sind, die eher gering korrelieren. Angesichts der bereits erwähnten Heterogenität dessen, was man in den fremdsprachlichen Fächern als Fachwissen bezeichnen kann, ein nicht unerwarteter Befund. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass im Unterschied zum Fach Mathematik der Zusammenhang von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen deutlich schwächer ausfällt. Letzteres steht stattdessen eher mit dem pädagogischen Wissen in Verbindung. Die von Voss u. a. ( 2015 : 214 ) geäußerten Zweifel daran, dass das pädagogische Wissen tatsächlich fächerübergreifend konzeptualisiert werden kann, erscheinen demnach gerade vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik mit ihrer eigenständigen Forschungstradition zu wichtigen pädagogischen Aspekten wie Lehr- und Lernmethoden, Unterrichtsinteraktion oder Lernbiografien berechtigt. Es spricht einiges dafür, dass die Erforschung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden fachspezifische Herangehensweisen erfordert und gleich mehrere Arbeiten im vorliegenden Band widmen sich dieser Aufgabe. Während sich die Studien von Kirchhoff und Hoinkes/ Weigand in ihrem Design an quantitativen Vorarbeiten orientieren, verfolgen Diener und Gießler qualitativ-interpretative Ansätze, um die Entwicklung des professionellen Wissens im Verlauf der Ausbildung zu erfassen. Sowohl Kirchhoff als auch Hoinkes/ Weigand setzen sich mit dem Problem einer angemessenen Gestaltung von Testitems angesichts der spezifischen Struktur von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in den Fremdsprachen auseinander. Und beide Arbeiten thematisieren im Besonderen die Verknüpfung dieser Wissensdomänen. Kirchhoffs Beitrag ist im Kontext der Studie FALKO -E verortet, einem Populationstest, in dem Fallvignetten zum Einsatz kommen. Auf diese Weise soll über das deklarative Wissen hinaus auch die Entwicklung des Erfahrungswissens im Verlauf des Professionalisierungsprozesses im Lehrberuf nachgezeichnet werden. Hoinkes/ Weigand hingegen widmen sich im Rahmen der ZeBiG-Studie der Frage, mit welchen Messinstrumenten die Schnittmenge von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen beim Aufbau des Professionswissens angehender Lehrender für das Fach Spanisch bestimmt werden kann. <?page no="15"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 15 Am Beispiel der Bedeutung linguistischen Fachwissens für die Förderung der Sprachkompetenz veranschaulichen sie den komplexen Prozess der Item-Bildung. Mit der Kompetenzentwicklung in lokalen hochschuldidaktischen Kontexten beschäftigen sich Gießler und Diener. In beiden Studien werden die Lernfortschritte von Lehramtsstudierenden im Verlauf eines Ausbildungsabschnittes dokumentiert. Dafür entwickeln Gießler und Diener spezielle Lehreinheiten. Bei Gießlers Mehrfachfallstudie fertigen Studierende zu verschiedenen Zeitpunkten eines fachdidaktischen Seminars schriftliche Analysen zu Unterrichtsvideos an. Die Lehrkompetenz wird in dieser Studie über die stellvertretende Einschätzung von Unterricht erfasst. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Fähigkeit der Studierenden, alternative Handlungsoptionen für konkrete unterrichtliche Situationen zu benennen und zu begründen. Auch Diener verfolgt mit ihrer Lehreinheit das Ziel, die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Lehramtsstudierenden zu fördern. Ihr Forschungsinteresse richtet sich dabei vor allem auf die Frage, wie deklarative Wissensbestände in die Kompetenz einfließen, Lehr- und Lernsituationen anhand wichtiger Kriterien wie Klarheit, Strukturiertheit oder Angemessenheit zu beurteilen. Gemeinsam ist den vier Beiträgen, dass sie sehr anschaulich darstellen, welche Probleme es bei der empirischen Erforschung des Professionswissens von Lehrenden zu lösen gilt. Zugleich lässt sich an ihnen beispielhaft nachvollziehen, wie unterschiedlich die Kompetenzen angehender und praktizierender Fremdsprachenlehrender aus qualitativ-interpretativer und quantitativ-statistischer Perspektive konzeptionell gefasst und operationalisiert werden. Für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes wäre es zweifellos von Vorteil, beide Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammenzuführen. Quantitative Verfahren sind unentbehrlich, um Muster, Tendenzen oder Unterschiede in großen Datensätzen aufzudecken. Um jedoch deren Entstehen nachzuvollziehen, bedarf es tieferer Einblicke in individuelle Lernprozesse. Die Notwendigkeit der Kombination von Forschungsinstrumenten und Analyseverfahren wird auch von einem weiteren wichtigen Ergebnis der TEDS - LT - Studie unterstrichen: In allen Facetten des Professionswissens von Englischlehramtsstudierenden, den fachdidaktischen und den fachwissenschaftlichen, hat der Standort einen hochsignifikanten Einfluss auf die erreichten Leistungen (Blömeke 2013 : 14 ). Wie jede Form von Unterricht ist auch die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden untrennbar an die lokalen Bedingungen gebunden, unter denen sie stattfindet (siehe dazu auch König/ Klemenz 2015 ). Auf die zentrale Bedeutung des Kontextes werden wir daher im Folgenden immer wieder zurückkommen. <?page no="16"?> 16 Michael K. Legutke/ Michael Schart 2.2 Rahmenmodell Das Professionswissen von Lehrenden auf der Grundlage empirischer Daten zu kategorisieren, seine Herausbildung zu verstehen, Einflussgrößen zu identifizieren und schließlich seine Wirkung im unterrichtlichen Handeln zu erhellen, halten wir für Aufgaben, denen sich die Fremdsprachenforschung in den kommenden Jahren intensiver als bisher zuwenden sollte. Die methodologischen und methodischen Herausforderungen sind dabei jedoch beachtlich. So muss man beispielsweise die Kritik von Neuweg ( 2014 ) ernst nehmen, der die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung unterschiedlicher Wissensbereiche grundsätzlich hinterfragt. Die Durchdringung des Fachwissens zeigt sich für ihn gerade in der Fähigkeit, diese didaktisch aufzubereiten: Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014 : 592 ). Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014 : 592 ). Ein weiteres Problem der Typologisierung des Professionswissens von Lehrenden ergibt sich aus dem Charakter des Wissens, auf das sich die einzelnen Komponenten beziehen. Der Wissensbegriff kann sehr unterschiedlich gefasst werden. Er kann explizites, kodifiziertes und publiziertes Wissen, wie es in wissenschaftlichen Theorien zum Ausdruck kommt, ebenso umschließen wie implizites, intuitives Handlungswissen, das nur über konkretes Verhalten rekonstruiert werden kann. Zu den kognitiven Komponenten der professionellen Kompetenz kommen affektiv-motivationale Komponenten. Dazu zählen Berufsmotive, subjektive Wissensformen, Überzeugungen und Werthaltung, die sich aufgrund individueller Erfahrungen herausgebildet haben. In den Modellen der Lehrkompetenzen werden sie zwar häufig berücksichtig, denn ihre Bedeutung für das Handeln konnte in den zurückliegenden drei Jahrzehnten in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. Aber gerade in itembasierten Testverfahren lassen sich diese wichtigen Bestandteile professioneller Kompetenz nur bedingt operationalisieren. In der TEDS - LT -Studie zum Beispiel wurde dieser Kompetenzbereich auf die Aspekte selbstregulative Fähigkeiten, Zielorientierung und Selbstwirksamkeitserwartung beschränkt (Blömeke 2011 : 14 ). Neben der Unschärfe der einzelnen Wissensdomänen und der Vielgestaltigkeit des Wissensbegriffs zeigt sich bei der Unterteilung der einzelnen Wissensdomänen in Subfacetten eine dritte Schwierigkeit des Forschungsgebiets. Voss u. a. ( 2015 : 211 ) kommen bei ihrer Analyse des Forschungsstandes zum päda- <?page no="17"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 17 gogischen Wissen zu dem Ergebnis, dass sich mit Blick auf diese Subfacetten ein „Begriffswirrwarr“ herausgebildet habe. Und sie appellieren daher an die Gemeinschaft der Forschenden, sich bei der Neubildung von Begriffen zurückzuhalten und sich intensiver um Bezüge untereinander zu bemühen. Hält man sich den Forschungsstand zu den einzelnen Wissensdomänen und ihren möglichen Subfacetten vor Augen, so wird deutlich, dass es zum jetzigen Zeitpunkt als verfrüht erscheint, detaillierte Typologien von Kompetenzen zu entwerfen. Angesichts der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Struktur, dem Charakter und dem Entwicklungsprozess des professionellen Wissens und Könnens von Lehrenden möchten wir daher mit dem folgenden Modell den Blick von den Details auf das Wesentliche lenken. Das Modell versteht sich als ein Orientierungsrahmen, womit wir an Überlegungen anknüpfen, wie sie Freeman/ Johnson ( 1998 ) in ihrer viel zitierten Einleitung zu einer Sondernummer der Zeitschrift TESOL Quarterly zur Lehrerbildungsforschung anstellten. Freeman/ Johnson forderten eine Neukonzeption der Wissensbasis für die fremd- und zweitsprachliche Lehrerbildung: Die etablierte Erwartung, dass durch die Vermittlung (transmission) partialisierten und dekontextualisierten Fachwissens (z. B. aus der Angewandten Linguistik, der Zweitsprachenerwerbsforschung oder der Curriculumtheorie), kombiniert mit Kursen in Methodik und isolierten Praktika Lehrkompetenzen angemessen ausgebildet werden könnten, müsse zugunsten eines Bildungskonzepts aufgeben werden, das konsequent vom Lehren, den Lehrenden und den Kontexten, in denen sie handeln, ausgeht. Folglich skizzierten sie drei Schlüsseldimensionen der Wissensbasis. Die erste fokussiert die Personen, die das Lehren von Sprachen lernen; diese bringen nicht nur umfassende Erfahrungen aus der Zeit ihrer schulischen Sozialisation und vor allem als Sprachenlernende mit, denn sie haben Lehren umfassend aus der Lernerperspektive kennen gelernt, sondern haben Persönlichkeitsmerkmale und verfügen über Wertvorstellungen, die eigene Tätigkeit betreffend. Die zweite Dimension thematisiert die institutionellen und sozialen Bedingungen, die Kontexte, in denen Lehren angesiedelt ist. Und Drittens schließlich geht es um das Wissen zu den komplexen Prozessen, in denen sich das Lehren und Lernen von Sprachen vollzieht, die gesteuert, gestaltet und in ihren Zusammenhängen verstanden werden müssen. Auch uns geht es mit dem folgenden Rahmenmodell darum, die wichtigen Dimensionen aufzuzeigen, in denen die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden verankert werden sollte, um den eingangs geschilderten Möglichkeiten und Herausforderungen gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der Ausbildungstradition im deutschsprachigen Raum und den Entwicklungen in Europa (Kelly et al. 2004 ) sowie den Erkenntnissen, die in den letzten zwei Jahrzehnten über <?page no="18"?> 18 Michael K. Legutke/ Michael Schart den Professionalisierungsprozess von Lehrpersonen und ihre Bedeutung für das Unterrichtsgeschehen gewonnen wurden (Richards 2010 ; Singh/ Richards 2006 ) halten wir jedoch eine andere Darstellungsform für angemessener. Wir gehen von vier, eng mit einander verflochtenen Dimensionen professioneller Kompetenz aus, für deren Entwicklung in der Ausbildung die jeweiligen lokalen Kontexte und institutionellen Bedingungen von zentraler Bedeutung sind. In den folgenden Abschnitten möchten wir die einzelnen Dimensionen näher charakterisieren und sie in einen Zusammenhang mit den Beiträgen dieses Bandes stellen. Abbildung 1 Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden 2.3 Sprache, Literatur und Kultur Die Studienverlaufspläne für die Lehrämter der fremdsprachlichen Fächer der einzelnen Bundesländer zeigen in Übereinstimmung, dass der fachlichen Dimension im Professionswissen, dem Fachwissen, nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die Ausbildung der Lehrkompetenzen zugemessen wird; der fachwissenschaftliche Anteil (mit seinen Subdimensionen Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft) macht gegenüber der Fachdidaktik (ohne die schulpraktischen Studien) zwischen 40 % für den Primarbereich und 60 bis 70 % für den Gymnasialbereich aus. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Studienanteile wird zum einen durch die langen Fachtraditionen bestimmt, die zentrale fach- <?page no="19"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 19 liche Konzepte mit hohem Erklärungspotential zu Sprache, Kultur und Texten hervorgebracht haben, und zum anderen durch die Dynamik des Faches. So hat beispielsweise die Weiterentwicklung der philologischen Fächer zu interdisziplinär orientierten Kultur- und Medienwissenschaften neue Perspektiven für die Gegenstände schulischer Bildungsprozesse eröffnet, die die Fachdidaktik aufgenommen hat. Ähnliches gilt für Beiträge der Sprachwissenschaft etwa durch die Text- und Korpuslinguistik. Die institutionelle Nähe der Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft einer Philologie und deren zugehöriger Fachdidaktik im deutschsprachigen Raum zeigt sich zum Beispiel darin, dass literatur- und kulturdidaktische Forschungsarbeiten einen nicht unerheblichen Teil der Forschungen ausmachen. Hierin besteht ein bedeutsamer Unterschied zur anglo-amerikanischen fremdsprachlichen Lehrerbildung, die vorwiegend der Allgemeinen Sprachwissenschaft, der Psychologie oder der Erziehungswissenschaft zugeordnet ist. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts legt die literatur- und kulturdidaktische Forschung in zahlreichen theoretischen und zunehmend auch empirischen Arbeiten die Bildungsrelevanz literarischer (auch hybrider und mutlimodaler) Texte dar und plädieren für die gemeinsame diskursive Bearbeitung kultureller Zusammenhänge in einem lernanregenden, explorativen und offenen Fremdsprachenunterricht, für den sie Realisierungen, etwa durch Textauswahl oder Lernaufgaben, erörtern. Sie stärken damit das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung fremdsprachlichen und kulturellen Lernens. Das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung muss gerade angesichts der Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, als Leitprinzip pädagogischen Handelns gelten; es bestimmt die Auswahl der Lerngegenstände und hat Auswirkungen auf Motivation und Involviertheit der Lernenden (vgl. Kramsch 2014 ). Denn von der Grundschule bis zum fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht in der Gymnasialen Oberstufe bilden für Lernende bedeutungsvolle und relevante Themen die Referenzfolie für die gemeinsame Spracharbeit. Ohne sie und ohne ein vertieftes Verständnis ihrer Bedeutung in kulturellen Zusammenhängen wird es Lehrkräften nicht gelingen, Prozesse anzustoßen und zu strukturieren, die dabei helfen, multilinguale Individuen zu erziehen, die sensibel mit sprachlicher und kultureller Diversität umgehen können, die selbstbewusst und mit Respekt gegenüber anderen nach Lösungen suchen, Erklärungen finden und abwägen. Auch die Debatten der letzten Jahre um aufgabenorientierten und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht mit dem Kernkonzept der komplexen Lernaufgabe (Hallet 2011 ; Müller- Hartmann/ Schocker-v. Ditfurth 2013 ) bestätigen, was eigentlich eine Banalität darstellt, dass es Sprache und Sprechen ohne Inhalte nicht gibt. Damit diese Verknüpfung gelingen kann, sind Lehrkräfte vonnöten, die gelernt haben, <?page no="20"?> 20 Michael K. Legutke/ Michael Schart kulturelle Zusammenhänge zu durchdringen und zu verstehen, die über Erklärungswissen verfügen, Gattungen, ihre Ausprägungen und Entwicklungen kennen, kurz, die ihr Fach studiert haben mit einem zu erwartenden, doppelten Ertrag: Zum einen verfügen sie über ein breites und vertieftes Fachwissen und zum anderen besitzen sie, da sie im Laufe des Fachstudiums selbst als interkulturell Lernende in vielfältige Diskurse verwickelt waren, reiches Erfahrungswissen. In gleicher Weise bedeutsam für das Handeln der Lehrkräfte sind zweifelsohne die linguistischen Anteile des Faches: Um Reichweite und Funktion von Sprache anderen erklären, um sprachliche Mittel strukturieren, Äußerungen von Lernenden einschätzen und mit angemessenen Strategien weiterentwickeln zu können, um Lernschwierigkeiten und -potentiale zu erkennen, sollten Lehrkräfte über vertieftes Wissen zur Ausgangs- und zur Zielsprache, deren Strukturen und Geschichte verfügen. Unter welchen Bedingungen es gelingt, sprach-, literatur- oder kulturwissenschaftliche Wissenskomponenten in unterrichtliches Handeln zu überführen, gehört zu den bislang kaum erforschten Thematiken der Lehrerausbildung. Die Beiträge von Kirchhoff und Hoinkes/ Weigand in diesem Band verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen eine solche Forschung zu rechnen hat. Dass die über Fachtraditionen entwickelten Angebote in den Studienprogrammen dieser Aufgabe gerecht werden, kann jedoch bezweifelt werden. Sie sollen in der Regel polyvalente Funktionen erfüllen, sind also nicht in erster Linie dazu konzipiert, das Professionswissen und -können von Fremdsprachenlehrkräften zu befördern und zu bilden. Wir brauchen daher forschungsbasierte Antworten auf die Frage, wie das Fachwissen in die Lehreraus- und fortbildungsprogramme integriert werden kann, ohne dass man dabei die Belange der Praxis aus den Augen verliert oder aber in Praktizismus verfällt. Exemplarisch lässt sich die Suche nach geeigneten Wegen des Umgangs mit dem Fachwissen an den nationalen und internationalen Diskussionen um die Entwicklung von Schreib- und Lesekompetenz im Englischunterricht der Grundschule zeigen (Frisch 2013 ). Jöckel legt im Beitrag zu diesem Band dar, wie Lehrkräfte in einer Fortbildungsreihe zu diesem Thema durch die Einführung und das spiralförmige Wiederaufgreifen grundlegender linguistischer Fachinhalte, die in der Ausbildung nicht vermittelt wurden, dafür qualifiziert werden, Gelingensbedingungen für die Anbahnung von Lesen und Schreiben differenziert zu erörtern. Jöckel zeigt, wie über das Bewusstmachen ihrer alltäglichen Handlungspraxis, über das gemeinschaftliche Entwickeln und Analysieren von Übungen bei gleichzeitiger, zyklischer Bearbeitung linguistischen Fachwissens Lehrkräfte ihre Selbstwirksamkeit im eigenen Unterricht erleben, die wesentlich durch die Beiträge der Gruppe bestimmt ist. Weitere Ansatz- <?page no="21"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 21 punkte für eine enge Verzahnung der fachbezogenen Wissensdimension mit den anderen Dimensionen von Lehrkompetenz werden wir im Abschnitt 3 thematisieren. 2.4 Lehren und Lernen Dass der Fremdsprachenunterricht - wie jede andere Form institutionalisierten Lehrens und Lernens - als ein von den Beteiligten gestalteter sozialer Prozess betrachtet werden muss, gehört heute zu den konstitutiven Leitgedanken der Fremdsprachendidaktik. In Klassenräumen treffen in jeweils besonderen zeitlichen und örtlichen Konstellationen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Prägungen, Charakteren, Interessen, Erwartungen und Werten aufeinander. Sie bilden temporäre Gemeinschaften und erschaffen dabei eine ganz eigene Spielart von Kultur (vgl. Block 2003 ; Breen 1985 ). Wirft man den Blick nur wenige Jahrzehnte zurück, so wird deutlich, wie umfassend sich durch diese Erkenntnis Forschung und Lehre veränderten. Die Aufmerksamkeit verschob sich auf die handelnden Individuen, ihre Kompetenzen, ihre Wahrnehmung und ihre Entscheidungen. In dem Maße, wie die Methoden ihre vorherrschende Stellung innerhalb der Fremdsprachendidaktik verloren, gewannen also die Lernenden und die Rolle der Lehrenden an Gewicht. Eine Entwicklung, die sich auch auf die Aus- und Fortbildung auswirken musste. Wir möchten deshalb in diesem Abschnitt die Konsequenzen thematisieren, die sich für die Lehrkompetenzen ergeben, wenn der Fremdsprachenunterricht - so wie Freeman es beschreibt - ernstgenommen wird in seiner sozialen Bedingtheit: The conventional view that content is language with a social dimension needs to be recast. In the language classroom, the content is social processes, which have a language dimension. The social processes are fundamental to the classroom as a classroom; the new language fits into that ecology. (Freeman 2016: 36) Bis in die 1980 er Jahre hinein dominierte die Vorstellung, das Erlernen einer Fremdsprache ließe sich kontextunabhängig auf der Grundlage einer wissenschaftlich begründeten Methode organisieren. Deren konkrete Ausgestaltung veränderte sich zwar im Wechsel der akademischen Moden, konstant blieb jedoch die Annahme, Unterricht sollte im Sinne einer „Erzeugungsdidaktik“ (Arnold u. a. 2014 ) als ein potentiell vorhersehbarer und damit detailliert planbarer Prozess konzipiert werden. Entsprechend eng begrenzt waren die Gestaltungsspielräume, die man Lehrenden zuwies, fiel ihnen doch vor allem die Aufgabe zu, Methoden möglichst maßgerecht umzusetzen. Das wiederum wirkte auf deren Ausbildung zurück: Die Programme konzentrierten sich tendenziell darauf, neben den im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Inhalten vor allem Wissen über bestimmte Unterrichtstechniken und -verfahren zu vermitteln. <?page no="22"?> 22 Michael K. Legutke/ Michael Schart Im Zuge der Hinwendung zum sozialen Charakter des Lernens setzte sich aber auch in den Fremdsprachendidaktiken die Erkenntnis durch, dass der Unterricht in seinem grundlegenden Charakter verkannt wird, wenn man das pädagogische Handeln im Klassenraum auf das Abarbeiten von Planungsschritten beschränkt. So wie Lehrende die von Methoden formulierten Vorgaben letztlich sehr unterschiedlich interpretieren und umsetzen, nehmen auch Lernende die unterrichtlichen Inhalte und Aktivitäten verschieden war. Ihre Reaktionen auf die pädagogischen Impulse hängen von weit mehr ab als einer gewissenhaften Vorbereitung und Begleitung durch die Lehrperson und können daher nur bedingt im Voraus geplant werden. Zwischen den pädagogischen Intentionen und den Lernergebnissen lassen sich somit keine eindeutig kausalen Beziehungen knüpfen. Unterricht muss vielmehr als eine hochgradig unsichere Unternehmung verstanden werden. Sie ist stets der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt und selbst wenn sie zu den erhofften Erfolgen führt, bleibt zweifelhaft, ob diese wegen oder trotz der didaktischen Interventionen erreicht wurden. Die Komplexität reicht jedoch weit über diese Unsicherheit über die Handlungsfolgen hinaus (vgl. Doyle 2006 : 98 ) Lehrende gelangen durch das Geschehen im Klassenraum unter einen hohen Entscheidungsdruck. Es passieren ununterbrochen parallel zueinander verschiedene, zum Teil nur schwer vorhersehbare Ereignisse, die die Lehrperson im Auge behalten und koordinieren muss. Das erfordert spontanes und häufig intuitives Handeln. Es bleibt zum einen wenig Raum, um auf Theoriewissen zu referieren oder der eigenen Planung detailliert zu folgen. Zum anderen geraten Lehrende leicht in paradoxe Konstellationen, etwa wenn sie zwischen den Anforderungen eines Lehrplans und den Interessen der Lernenden abwägen müssen. Nicht zuletzt ist jeder Unterricht auch durch seine Geschichtlichkeit geprägt: Lehrende und Lernende entwickeln im Verlauf der gemeinsamen Arbeit eine bestimmte Art des Miteinanders, das sich direkt auf die Lehr- und Lernprozesse auswirkt. Affektive, emotionale und motivationale Aspekte entscheiden daher in erheblichem Maße mit darüber, wie erfolgreich das Erlernen einer Fremdsprache verläuft (vgl. Appel 1996 ). Diese kurze Charakterisierung der Bedingungen, unter denen sich pädagogisches Handeln vollzieht, macht deutlich, weshalb die Kompetenzdimension „Lehren und Lernen“ einen breiten Raum in Aus- und Fortbildungsprogrammen einnehmen muss. Diese Dimension umfasst all jene Kompetenzen, die Lehrerinnen und Lehrer für ihr Kerngeschäft benötigen: das Planen, Anleiten, Unterstützen und Evaluieren von Lernprozessen. Unterrichten zu können, ist keine Kompetenz, die sich gleichsam unvermeidlich entwickelt, indem man als Lehrperson vor eine Klasse tritt. Es gehört zu den wichtigen Erkenntnissen der Forschungen zu den Unterschieden von Novizen und Experten im Lehrberuf, dass die Länge der Berufserfahrung nicht unmittelbar zu besseren didaktischen Kompetenzen <?page no="23"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 23 führt (Krauss/ Bruckmaier 2014 : 252 ). Lehrende benötigen ein tiefes Verständnis für das Geschehen im Klassenraum und zugleich ein umfassendes didaktisches Handlungsrepertoire. Nur so können sie sich von den Einengungen befreien, die Methoden, Lehrwerken oder Traditionen erwachsen, und flexibel auf die Diversität und Komplexität des Unterrichts reagieren. Professionell zu lehren bedeutet somit, die Gestaltungsspielräume der eigenen Praxis zu erkennen und - im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“ (Arnold u. a. 2014 ) - vielfältige Lerngelegenheiten zu arrangieren (vgl. Schart/ Legutke 2012 : 63 ff). Das setzt zwar zunächst einmal fundiertes Wissen über die Einflussfaktoren institutionalisierten Lehrens und Lernens voraus, über die zu unterrichtenden Inhalte und über die Struktur von Lehrplänen und Lehrmaterialien. Entscheidend ist jedoch, wie Lehrende vor einer Klasse agieren, wie sie also die Prozessqualität des Unterrichts gestalten. Empirische Befunde zur Lehrerrolle stimmen weitgehend in ihrem Fazit überein, dass das Handeln von Lehrerinnen und Lehrern einen entscheidenden Faktor für den Lernerfolg darstellt (z. B. Helmke 2014 ; Hattie 2008 / 2011 ; Lipowsky 2005 ; Pauli/ Reusser 2009 ). Und es zeichnen sich eine Reihe von konkreten Maßnahmen ab, mit denen Lernprozesse befördern können und die daher in der Aus- und Fortbildung gezielt thematisiert und trainiert werden sollten. Dazu zählen beispielsweise die konsequente Zeitnutzung, die klare, auch für die Lernenden verständliche Struktur des Unterrichts, die vernetzte Darstellung der Unterrichtsinhalte, kognitiv ansprechende, herausfordernde und abwechslungsreiche Arbeitsaufträge sowie intensive Rückmeldungen über die Lernfortschritte. Diese Merkmale kompetenten Lehrerhandelns lassen sich mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht weiter präzisieren, indem man das Lerngeschehen sowohl in seinem individuellen als auch in seinem sozialen Charakter ernst nimmt. Beide Formen von Lernprozessen laufen im Klassenraum parallel zueinander ab, sie gehen ineinander über und können sich gegenseitig befruchten. In ihrem Zusammenspiel liegt deshalb ein erhebliches Potential für einen Fremdsprachenunterricht, der sich den eingangs beschrieben gesellschaftlichen Herausforderungen und Entwicklungen stellt und auf die Fähigkeit zu selbstbestimmten Handeln in der Fremdsprache und zur kritischen Teilnahme an Diskursen zielt. Aus dieser Perspektive gehört es zu den zentralen Aufgaben des Lehrberufs, individuelle und soziale Lernprozesse zu koordinieren. Welche konkreten Kompetenzen sollten somit in der Ausbildung angebahnt und in der Fortbildung gestärkt werden? Auf der einen Seite müssen Lehrende in der Lage sein, das Lernen als einen individuell geprägten Prozess zu begleiten. Hierbei kommt eine Kompetenz zum Tragen, auf die wir bereits im vorangegangenen Abschnitt verwiesen; und zwar <?page no="24"?> 24 Michael K. Legutke/ Michael Schart jene, Fachwissen über Sprache und Spracherwerb handlungswirksam umzusetzen. Lehrende müssen die Schwierigkeiten einzelner Lernerinnen und Lerner erkennen und deuten lernen, um konstruktive Unterstützung etwa durch Feedback zu Redebeiträgen, bei schriftlichen Korrekturen oder bei der Lernberatung geben zu können. Auch eine faire Bewertung von Leistungen hängt letztlich davon ab, inwieweit Lehrende in der Lage sind, individuelle Lernverläufe zu verstehen. Auf der anderen Seite sollten Lehrende aber auch die Fähigkeit entwickeln, das Lernen als einen sozialen Prozess zu ermöglichen und zu begleiten. Den Erkenntnissen der soziokulturellen Ansätze ist es zu verdanken, dass der Fremdsprachenunterricht heute auch als ein Ort betrachtet wird, an dem Menschen gemeinsam Bedeutungen aushandeln oder Probleme lösen. In der Interaktion generieren sie neues Wissen. Dafür müssen die Lernenden aber zunächst einmal die Möglichkeiten erhalten, aus den nach wie vor in fremdsprachlichen Klassenzimmern weit verbreiteten Frage-Antwort-Sequenzen auszubrechen (vgl. Dalton-Puffer 2007 ; DESI-Konsortium 2008 ). Lehrende sollten also in der Lage sein, einen Austausch unter den Lernenden zu initiieren und aufrechtzuerhalten, in dem diese in dialogischer Form, wechselseitig und aufeinander bezogen interagieren (vgl. Haneda/ Wells 2008 ; Schart 2015 ; van Lier 2001 ). Hierfür ist die Kompetenz grundlegend, eine anregende und angstfreie Arbeitsatmosphäre zu schaffen, Regeln, Routinen und Rituale zu etablieren und persönliche Beziehungen aufbauen. Ein förderliches Unterrichtsklima lässt sich beispielsweise an einer positiven Fehlerkultur erkennen, in der missglückte Formulierungen als Ausgangspunkte für gemeinsames Lernen betrachtet werden und auf eine Balance zwischen Korrektheit und Flüssigkeit geachtet wird. Es zeigt sich auch am Respekt für die Lernenden einer Gruppe, an der gerechten Behandlung der Einzelnen, einem reflektierten Umgang mit ihren Erwartungen, ihren Interessen und auch ihrer Kritik. Nicht zuletzt muss als ein wichtiges Merkmal einer förderlichen Arbeitsatmosphäre im Fremdsprachenunterricht der hohe Anteil von Fremdsprache im Unterrichtsgeschehen erwähnt werden, der sich aus der aktiven Mitarbeit aller Beteiligten ergeben sollte. Eine solche Aufzählung von Anforderungen an das Lehrerhandeln kann auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als würde die Lücke, die durch die Abkehr vom Methodenideal früherer Jahrzehnt entstand, nun durch ein Idealbild einer umfassend kompetenten Lehrkraft ersetzt. Tatsächlich aber zeichnet sich ein erfolgreicher Unterricht keineswegs dadurch aus, dass es Lehrenden gelingt, allen oben genannten Merkmalen gerecht zu werden (vgl. Helmke 2014 : 818 ). Diese sind nicht normativ zu verstehen, wie es in Zeiten der Methodendominanz der Fall war, sondern heuristisch. Lehrende müssen Kompetenzen in den erwähnten Bereichen entwickeln, weil sich diese aus den Rahmenbedingungen <?page no="25"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 25 ihres Berufes ergeben. In einem konkreten Kontext können jedoch einzelne Kompetenzen von vorrangiger Bedeutung sein, während andere weniger gefragt sind. Ausschlaggebend ist daher, ob Lehrende es gelernt haben, ein ihrer Praxis angemessenes unterrichtliches Arrangement zu gestalten. Hinter dieser Argumentation steht eine grundlegende Veränderung in der Konzeption von Aus- und Fortbildungen für Fremdsprachenlehrende. Freeman ( 2016 : 124 ) beschreibt sie als einen Prozess, in dem sich die Schwerpunktsetzung von einem methodologischen Denken hin zu einem heuristischen Denken verschob. Letzteres geht davon aus, dass Lehrende eine forschende Haltung gegenüber ihrem Tun einnehmen, die eigenen Handlungsspielräume erkunden und die Folgen ihrer Entscheidungen genauer in den Blick nehmen. Die Kompetenzdimension „Lehren und Lernen“ ist somit eng verknüpft mit der Fähigkeit, sowohl die Bedingungen des beruflichen Handelns als auch sich selbst zu reflektieren. Ein Gedanke, dessen Konsequenzen für die Struktur und auch die Praxis von Aus- und Fortbildungsprogrammen wir in den folgenden beiden Abschnitten genauer betrachten möchten. 2.5 Identität und Rolle Wie bereits weiter oben beschrieben wurde, erlebte die Fremdsprachenforschung seit Beginn der 1990 er Jahre eine Zeit der Neuorientierung. Mit der Lehrperson rückte ein Thema in den Fokus des Forschungsinteresses, dem in den Jahrzehnten zuvor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden war. Zugleich begann man damit, sich verstärkt lokalen Kontexten zuzuwenden. Mit einer Sammlung von Fallstudien lieferten Bailey/ Nunan ( 1996 ) einen programmatischen Titel für diese neue Tendenz der Fremdsprachenforschung: Voices from the Language Classroom . Als Ergebnis konnten solche Forschungsarbeiten (s. a. Freeman/ Richards 2006 ) eine große Vielfalt an Wechselwirkungen beschreiben, die das Unterrichtsgeschehen bestimmen und seiner Steuerung durch methodische Handlungsanweisungen enge Grenzen setzen. Es zeigte sich, weshalb das Gelingen von Lernprozessen in besonderer Weise von den einzelnen Lehrpersonen abhängt: Ihre Entscheidungen und ihr Handeln im Klassenraum sind geprägt von biografischen Erfahrungen, individuellen Überzeugungen, Motiven und auch Persönlichkeitsmerkmalen. Lehrerinnen und Lehrer wurden von nun an in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen. Diese Perspektive war zwar im Zuge der Verwissenschaftlichung der Lehrerausbildung vorrübergehend in den Hintergrund getreten, ganz neu war sie allerdings nicht. Denn mit dem „Persönlichkeitsansatz“ hatte es in der Geschichte der Pädagogik bereits einmal eine Phase gegeben, in der die Lehrpersonen im Zentrum des Forschungsinteresses standen. Dieser Ansatz musste jedoch scheitern, weil er den Zusammenhang zwischen Lehrperson und <?page no="26"?> 26 Michael K. Legutke/ Michael Schart Lernerfolg vor allem mit charakterlichen Dispositionen zu erklären versuchte (Helmke 2015 : 33 f). Dass Persönlichkeitsmerkmale im Unterrichtsgeschehen wirksam werden, steht dennoch außer Frage und empirisch lässt sich der vorteilhafte Einfluss von Enthusiasmus ebenso nachweisen wie der nachteilige von Reizbarkeit oder sozialer Befangenheit (vgl. Mayr 2014 ). Werden die Effekte des Unterrichts jedoch allein mit dem Sein von Lehrenden verknüpft und nicht mit ihrem dem geplanten oder gezielten Tun, wie Herzog/ Makarova ( 2014 : 85 ) es formulieren, bleibt man letztlich der traditionellen, aber nach wie vor sehr verbreiteten Vorstellung des „geborenen Lehrers“ verhaftet. Die Fremdsprachenforschung entdeckte daher die Lehrperson als zentralen Akteur der Lehr- und Lernprozesse wieder, folgte dabei jedoch nicht der ursprünglichen Zielsetzung des Persönlichkeitsansatzes. Es konnte nicht darum gehen, die ideale Lehrpersönlichkeit zu identifizieren. Das ergab sich schon als notwendige Konsequenz aus der fehlgeschlagenen Suche nach der idealen Methode, in die man über Jahrzehnte hinweg vergeblich investiert hatte. Vielmehr richteten sich die Forschungsbemühungen darauf, ein besseres Verständnis für das Zusammenspiel von Individualität und professionellen Kompetenzen in jeweils singulären Kontexten zu entwickeln. Diese Perspektivenerweiterung der Fremdsprachenforschung führte auch in der Aus- und Fortbildung zu einem grundsätzlichen Umdenken. Erkennt man den hohen Stellenwert des subjektiven Faktors an, kann man sich nicht mehr darauf beschränken, didaktisches Theorie- oder Methodenwissen zu vermitteln, allein in der Hoffnung, dass Lehrende es in erfolgreiche Praxis übersetzen werden. Wie wenig begründet diese Haltung ist, zeigen die ernüchternden Ergebnisse von Studien, die sich den Erfahrungen von Lehramtsstudierenden in Praktika widmen (z. B. Elsner 2010 ; Gabel 1997 ; Schädlich 2015 ) oder den Berufseinstieg untersuchen (Appel 1995 , siehe auch Wahl 2013 : 7 f.). Die Herausforderung besteht deshalb darin, dem subjektiven Faktor in allen Phasen des Aus- und Fortbildungsprozesses gerecht zu werden und die Professionalisierung als eine Form der Rollenausgestaltung und Identitätsbildung zu verstehen. Welche Kompetenzen dabei von Bedeutung sind, lässt sich anhand der Unterscheidung von Rolle und Identität beschreiben (Kanno/ Stuart 2011 ). Rollen werden von außen an die Individuen herangetragen. In dieser Hinsicht sollte in der Aus- und Fortbildung ein besseres Verständnis dafür entwickelt werden, was sich die Gesellschaft von Lehrerinnen und Lehrern verspricht, welches Lehrerbild staatliche und institutionelle Curricula zeichnen oder welche Erwartungshaltungen die Lernenden und ihre Eltern hegen. Auch die Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, wie wir sie zu Beginn <?page no="27"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 27 dieses Beitrags schilderten, gehört zweifellos zu einem kompetenten Umgang mit der eigenen Rolle. Die Identitätsbildung hingegen muss vom Individuum selbst geleistet werden. Aus- und Fortbildung können diesen Prozess anstoßen und unterstützen, indem kontinuierlich Möglichkeiten und Anreize geschaffen werden, die Selbstkompetenzen als Lehrkraft weiterzuentwickeln. Dazu zählt beispielsweise, sich der eigenen Werte und Überzeugungen bewusst zu werden, die berufliche Motivation zu klären oder charakterliche Eigenheiten zu erkennen. Kubaniyova ( 2012 : 101 ) zeigt in ihrer Studie, wie wichtig es für die Weiterentwicklung von Lehrpersonen, für ihre Offenheit gegenüber neuen Ideen und pädagogischen Innovationen ist, eine persönliche berufliche Vision zu haben. Lehrende müssen für sich entscheiden, inwieweit ihre persönliche Identität in ihrer professionellen Identität aufgehen soll und wann es sinnvoll ist, Grenzen zwischen beiden zu ziehen. Die Beschäftigung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Selbstregulation oder Selbstwirksamkeit im Lehrberuf (Schwarzer/ Warner 2014 ) kann dazu wichtige Impulse liefern. Wie stark subjektive Theorien und das berufliche Selbstverständnis das didaktische Denken und Handeln beeinflussen können, wurde seit den 1990 er Jahren in zahlreichen empirischen Forschungsarbeiten dokumentiert (z. B. Grotjahn 1998 ; Caspari 2003 ; Kubaniyova 2012 ; Schart 2003 ; Viebrock 2007 ). Es liegt daher auf der Hand, dass die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Kompetenzen zum Lehren und Lernen nur im engen Zusammenhang mit individuellen Erfahrungen und Überzeugungen herausgebildet werden können. Für die fremdsprachlichen Fächer kommt als Alleinstellungsmerkmal hinzu, dass auch die eigenen Fähigkeiten in der Fremdsprache als zentraler Bestandteil der professionellen Identität betrachtet werden müssen (Barkhuizen 2016 , Pennington 2016 ). Die Tätigkeit von Fremdsprachenlehrenden vollzieht sich immer zwischen verschiedenen Kulturen, ob sie in ihrem beruflichen Alltag nun selbst in einer Fremdsprache handeln oder ihre Muttersprache in einem mehr oder weniger fremden kulturellen Umfeld unterrichten. Wie intensiv dabei die gesamte Persönlichkeit involviert sein kann, verdeutlichen sehr lebendig die biografischen Erzählungen in Nunan/ Choi ( 2010 ). An konkreten Fällen geben Benitt und Gerlach/ Steiniger im vorliegenden Band Einblicke in das Zusammenspiel von fremdsprachlichen Fähigkeiten und Identitätsbildung. Gerlach/ Steiniger widmen sich in ihrem Beitrag in besonderer Weise der Herausbildung von Rolle und Identität im Lehrberuf. Ihr Untersuchungsfeld ist der Vorbereitungsdienst und gemeinsam zeichnen sie anhand von Vignetten nach, wie sich sowohl aufseiten der angehenden Lehrkräfte als auch aufseiten der Ausbildungskräfte bzw. Mentoren/ Mentorinnen das Rollenverständnis in dieser Phase der Ausbildung entwickelt und welche Elemente die <?page no="28"?> 28 Michael K. Legutke/ Michael Schart gegenseitige Wahrnehmung prägen. Sie verdeutlichen in ihrem Beitrag, weshalb die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und die Gestaltung der beruflichen Identität zu den Kompetenzen angehender und bereits praktizierender Lehrkräfte gezählt werden muss. In der Aus- und Fortbildung sollten sie Unterstützung dabei finden, eine berufliche Vision zu entwickeln, die ihrer Persönlichkeit entspricht. Weshalb dieser sehr individuelle Prozess zugleich aber auch als ein kollektiver gedacht werden muss, werden wir im folgenden Abschnitt diskutieren. 2.6 Kooperation und Entwicklung In den vorangegangenen Abschnitten wurde aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, weshalb der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten eingebettet ist in einen sozialen, historischen und politischen Kontext, vermittelt durch die Interaktion mit anderen, durch gemeinsames Handeln und die Auseinandersetzung mit kulturellen Artefakten. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich natürlich nicht nur Konsequenzen für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts. Wie alle akademischen Fächer, die sich neben der Erforschung pädagogischer Prozesse auch mit der Ausbildung von Expertinnen und Experten für pädagogisches Handeln befassen, muss sich die Fremdsprachendidaktik fragen, ob ihre eigene Praxis dem Forschungsstand nicht zuwiderläuft. Wird also auch in der Aus- und Fortbildung etwa das Potenzial von Kooperation genutzt? Wird damit ein Gegenmodell geschaffen zur Lehrperson als Einzelkämpfer und zur Tendenz der Privatisierung von Klassenräumen? Wird also für Novizen der Lehrberuf als eine professionelle Gemeinschaft (Lave/ Wenger 1991 ) erfahrbar, in die sie bereits während der Ausbildung durch aktive Teilnahme hineinwachsen? Der soziokulturelle Ansatz hat in besonderer Weise dazu beigetragen, dass kooperativen Prozessen in der Aus- und Fortbildung ein zunehmend größerer Stellenwert beigemessen wird (Crandall/ Christison 2016 ; Johnson 2009 ; Johnson/ Golombek 2011 ), was sich nunmehr auch in verstärkter empirischer Forschungstätigkeit zu diesem Themenbereich niederschlägt. Die Studie von Wipperfürth ( 2016 ) ist dafür ein wegweisendes Beispiel. In ihr wird darstellt, wie sich Lehrende in einem „Lernenden Lehrernetzwerk“ selbstgesteuert über Videomitschnitte aus dem eigenen Unterricht austauschen und sich dabei ihre Selbstwahrnehmung ebenso positiv verändert wie ihr unterrichtliches Handeln. Auch mehrere der in diesem Band versammelten Beiträge verdeutlichen diese Forschungstendenz anhand konkreter Lehr- und Lernszenarien. So schildern Abendroth-Timmer/ Schneider, wie sich zukünftige Fremdsprachenlehrende im Rahmen des CONFORME -Projekts in multikulturellen und mehrsprachigen Kleingruppen mit wissenschaftlichen Konzepten auseinandersetzen und durch die Interaktion professionelles Wissen ko-konstruieren. An ihrer Darstellung <?page no="29"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 29 lässt sich besonders gut nachvollziehen, weshalb Studierende bei ihren individuellen Reflexionsprozessen vom Austausch mit anderen profitieren. Gemeinsam werden Unterschiede in der Wahrnehmung und Interpretation aufgedeckt, neue Sichtweisen entwickelt und letztlich die wissenschaftlichen Konzepte tiefer durchdrungen. Im Bereich der Fortbildung ist die Studie von Heinrich verortet. In dem Beitrag wird das Spannungsverhältnis deutlich, in dem die Inhalte der Lehrerbildung und deren methodischer Gestaltung stehen. Heinrich dokumentiert die empirische Begleitforschung zu einem Fortbildungsangebot für Englischlehrkräfte im Sekundarbereich I und II . Sie sollten gezielt dabei unterstützt werden, kooperatives Sprachlernen häufiger und theoriebasierter anzuwenden. Inhaltlich wird zum einen handlungsorientiertes Wissen sowie konkretes Instruktions- und Sprachverhalten vermittelt. Zum anderen werden bestimmte Kognitionen, die die Umsetzung der Lehr-Lernform fördern oder behindern können, positiv beeinflusst. Die Autorin geht in ihrem Beitrag unter anderem auch darauf ein, wie das kooperative Lernen als Gegenstand der Fortbildung zugleich in den Fortbildungsveranstaltungen selbst erfahrbar gemacht werden kann. Erste Ergebnisse der Längsschnittstudie deuten auf positive Trainingseffekte bezüglich bedeutsamer Kognitionen sowie der Häufigkeit und Qualität der Umsetzung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht hin. Das Potenzial der Kooperation erhellt auch Knorr in ihrer Studie, für die sie Studierende bei der Vorbereitung von Tagespraktika begleitete und deren gemeinschaftliche Planung von Unterrichtsstunden analysierte. Auch hier zeigt sich, wie die Zusammenarbeit Lernprozesse unterstützt, indem sich die Studierenden gegenseitig hinterfragen, zu neuen Ideen anregen oder auch emotionalen Rückhalt bieten. Da Knorrs Studie an der Schnittstelle zwischen fachdidaktisch-theoretischer und schulpraktischer Ausbildung verortet ist, ermöglicht sie zugleich Einsichten in das Zusammenspiel von theoretischem Wissen und unterrichtlichem Handeln. Dabei wird unter anderem deutlich, dass die konkrete Unterrichtsvorbereitung anders verläuft, als die in der Ausbildung zuvor gelernten Planungsmodelle es vorzeichnen. Es sind solche Erfahrungen, die dazu beitragen, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Ausbildungsphasen als Bruch wahrgenommen werden. Mit Blick auf Fachpraktika konnten sie von Gabel ( 1997 ) ebenso beschrieben werden wie von Schädlich ( 2015 ). Und auch Gerlach/ Steiniger kommen in ihren Untersuchungen zum Vorbereitungsdienst in dieser Hinsicht zu diesem kritischen Fazit. Aus einer soziokulturellen Perspektive ist dieser viel zitierte Praxisschock unvermeidlich, solange die Begegnung mit wissenschaftlichen Konzepten während der fachdidaktischen Ausbildungsphase nicht eingebettet wird in situiertes <?page no="30"?> 30 Michael K. Legutke/ Michael Schart Lernen (Lave/ Wenger 1991 ), also die Möglichkeit, sich der Relevanz dieser Konzepte für konkrete Handlungssituationen bewusst zu werden, sie vor dem Hintergrund der eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zu reflektieren und sich mit anderen darüber auszutauschen. Eine Überlegung, die unmittelbar das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis als einem der am intensivsten diskutierten Probleme der Pädagogik berührt. Gestärkt wird die Differenzthese, der zufolge die Frage danach, wie sich wissenschaftliche Theorien und Modelle effektiver in die Unterrichtspraxis implementieren lassen, grundsätzlich falsch gestellt ist. Denn für die beiden gesellschaftlichen Bereiche „Wissenschaft“ und „Schule“ sind sehr unterschiedliche Wissensformen prägend. Professionelle Forschung zielt auf Abstraktion, Systematisierung, Präzision und Widerspruchsfreiheit. Dank dieser Qualitäten kann durch Wissenschaft generiertes Wissen dazu beitragen, soziales Geschehen besser zu erklären und verschiedene Alternativen für das Handeln der Menschen in einem bestimmten Kontext aufzuzeigen. Lehrende hingegen verfügen aufgrund der Vertrautheit mit ihrem Tätigkeitsfeld über etwas, das sie allen wissenschaftlichen Modellen voraushaben: das „Wissen in der Handlung“, wie es Schön ( 1983 ) bezeichnet. Sie haben ein Gespür für das Funktionieren der Handlungsabläufe und für die sozialen Konstellationen im Klassenraum. Dieses Erfahrungswissen von Lehrenden ist - wie wir im vorangegangenen Abschnitt darstellten - immer ein individuelles Konstrukt, durchwebt mit persönlichen Erlebnissen, Werturteilen und Vermutungen. Nicht Differenzierung und Abstraktion kennzeichnen daher diese Wissensform, sondern Komplexität, Ganzheitlichkeit und der enge Bezug zu sozialen Kontexten. Angesichts solcher grundlegenden Unterschiede können wissenschaftliche Theorien nicht ohne weiteres in unterrichtliche Praxis implementiert werden und es wird verständlich, weshalb die jahrzehntelangen Versuche der Fremdsprachendidaktik, eine ideale Methode des Fremdsprachenunterrichts zu entwerfen, letztlich zum Scheitern verurteilt waren (siehe auch Kumaravadivelu 2006 ; Prahbu 1990 ). Die häufig zitierte Kluft zwischen dem akademischen Betrieb und der unterrichtlichen Praxis beruht mithin auf einem „Rationalitätsbruch“ (Beck/ Bonß 1989 : 12 ), der zwei verschiedene Wissensformen und letztlich zwei verschiedenen Arten sozialer Praxis voneinander trennt (vgl. Fried 2003 ). Erst wenn man die Gegensätzlichkeit dieser beiden Wissensformen anerkennt, lassen sich die Möglichkeiten und Begrenzungen realistisch einschätzen, die ihnen innewohnen. Zugleich öffnet sich aber auch der Blick für eine weitere Wissensform, die beide Welten verbindet: das reflektierte Handlungswissen. Es kann nur innerhalb der professionellen Gemeinschaft von den Lehrenden selbst generiert werden. Sie müssen dafür die Unterrichtspraxis zum Gegenstand einer <?page no="31"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 31 kritischen Betrachtung machen und ihre Handlungsmuster und Routinen hinterfragen. Indem sie dabei sowohl die Perspektive von Kolleginnen und Kollegen einbeziehen als auch wissenschaftliche Erklärungsansätze, können sie das Reflexionsniveau erhöhen. Letztlich kommen Lehrende auf diesem Wege zu neuem Wissen über ihr Arbeitsumfeld und sie tragen damit zur persönlichen Entwicklung ebenso bei und wie zur Entwicklung der gesamten Profession. In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern. Auf der einen Seite finden sich theoriegeleitete Ansätze. Hier bilden wissenschaftliche Modelle und Theorien den Ausgangspunkt, die im Reflexionsprozess anhand von Erfahrungen mit oder Beobachtungen von Praxis nach ihrer Relevanz und Tragweite befragt werden. Die sogenannte Design Based Research kann als ein typisches Beispiel für diesen Ansatz gelten (vgl. Gießler in diesem Band; Grünewald u. a. 2014 ). Die eher traditionelle, an wissenschaftlichen Systematiken orientierte Struktur der Lehrerbildung wird dabei aufgebrochen, indem Elemente aus der Praxis integriert und somit situiertes Lernen ermöglicht wird. Dass dieser theoriegeleitete Ansatz momentan noch das vorherrschende Konzept darstellt, lässt sich auch an den Beiträgen in diesem Band ablesen. Sie beschreiben in der Mehrzahl Programme, die an wissenschaftlichen Theorien ansetzen und nicht an Problemstellungen, die sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden mit der Unterrichtspraxis ergeben. Aber auch dieser zweite, konträre Zugang zum reflexiven Erfahrungswissen ist natürlich möglich und sinnvoll. Beschreibungen für praktikable Modelle eines solchen praxisgeleiteten Ansatzes finden sich beispielsweise bei Allwright ( 2005 ) oder Abendroth-Timmer ( 2011 ). Und auch in den Beiträgen von Benitt und Mohr/ Schart wird dieser Prozess greifbar. Benitt untersucht mit ihrer Studie die Lern- und Entwicklungsprozesse von angehenden Englischlehrerinnen im Rahmen des Programms E- LINGO , das einen Schwerpunkt auf das reflexive und forschende Lernen legt. Sie zeigt, wie bei den Teilnehmenden durch kooperative Aktionsforschungsprojekte kognitive, interpersonale und affektive Entwicklungsprozesse angeregt werden. Auch Mohr/ Schart nehmen die forschende Tätigkeit von Lehrenden und damit die Herausbildung des reflexiven Handlungswissens in den Blick. Ihre Studie ist in dem weltweiten Fortbildungsprogramm Deutsch Lehren Lernen des Goethe Instituts verortet. Mohr und Schart analysieren Dokumentationen von kooperativ durchgeführten Praxiserkundungsprojekten und gehen der Frage nach, in wie weit sich in diesen Daten Reflexionsprozesse der Teilnehmenden spiegeln. So verschieden die Wege sind, auf denen die Reflexionsprozesse angebahnt werden, die dafür notwendigen Kompetenzen müssen kontinuierlich über die <?page no="32"?> 32 Michael K. Legutke/ Michael Schart gesamte Zeit der Ausbildung hinweg und auch im Rahmen von Fortbildungen immer wieder aufs Neue geübt und weiterentwickelt werden, um nachhaltig das professionelle Handeln zu stärken. Seit Mitte der 1990 er Jahren wurden daher verschiedene Modellen der reflexiven Lehrerbildung und des forschenden Lernens von Studierenden entwickelt (Dirks/ Hansmann 1999 ; Feindt/ Broscio 2008 / Roters et al. 2009 ; Schocker 2001 , Zibelius 2015 ; s. a. Farrell 2015 ; Wells 2009 ). Ihre gemeinsame Leitidee sind dabei Lehrende, • die eine neugierige und kritische Haltung gegenüber der eigenen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einzunehmen wissen, • die sich mit anderen zielgerichtet und sachbezogen über unterrichtliches Geschehen austauschen können, • die die Fähigkeit besitzen, wissenschaftliche Herangehensweisen, Konzepte und Modelle kritisch zu hinterfragen und für den eigenen Erkenntnisgewinn zu nutzen, • die in der Lage sind, die Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen zu übernehmen, • die die Professionalisierung als einen eigenverantwortlichen und lebenslangen Prozess des Lernens begreifen. In den zurückliegenden Abschnitten haben wir uns darauf konzentriert, Charakter und Umfang einzelner Kompetenzdimensionen zu umreißen, die für die Aus- und Fortbildung leitend sein sollten. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass sich die Inhalte der Ausbildung nicht von ihrer Praxis trennen lassen. Die Fremdsprachendidaktik muss sich der Frage stellen, wie sie ihr Konzept kompetenten Lehrens auch in den eigenen Lehrveranstaltungen umsetzen kann. Anregungen dazu möchten wir mit dem folgenden Abschnitt liefern, indem wir die Ausbildungspraxis als dialogischen Prozess beschreiben und zugleich Felder zukünftiger Forschung skizzieren. 3 Aus- und Fortbildung als dialogischer Prozess Aus der bisherigen Argumentation lassen sich vier Prinzipien gewinnen, die den Modus der Kompetenzentwicklung von angehenden und bereits praktizierenden Lehrkräften bestimmen sollten. Lehrerbildung muss: (1) die Lehrenden als Personen in den Blick nehmen, (2) die Prozessqualität von Unterricht fokussieren, (3) Modelllernen, situiertes und experimentelles Lernen ermöglichen, (4) reflektiertes Erfahrungslernen, kooperatives und forschendes Lernen fördern und unterstützen (vgl. Legutke 2016 ). <?page no="33"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 33 Im Folgenden möchten wir darauf eingehen, wie sich diese vier Prinzipien in den Lehr- und Lernmodi von Lehrerbildung widerspiegeln und dabei Bedingungen für eine synergetische Entfaltung von Professionskompetenz geschaffen werden könnten. Wir gehen dabei von der Frage aus, welchen Situationen ein besonderes Lehr- und Lernpotenzial in der Lehrerbildung erwächst. Abbildung 2 zeigt die Systematik, an der wir uns bei der Darstellung orientieren. Abbildung 2 Lehr- und Lernpotenzial in der Lehrerbildung 3.1 Der erlebte Unterricht Angehende Lehrkräfte beginnen nicht als unbeschriebene Blätter ihre Ausbildung, sondern bringen Vorstellungen von Unterricht und besonders Einstellungen zum Lehren mit, die durch viele Stunden schulischer Lernerfahrung geprägt sind - Lortie ( 1975 ) spricht hier von dem Prozess der Lehrzeit durch Beobachtung ( apprenticeship of observation ). Verschiedene Studien zeigen (Wideen et al. 1998 ; Schocker-v. Ditfurth 2001 ), dass sich solche mitgebrachten Vorstellungen über die Vermittlung von Theorie- und Methodenwissen alleine kaum beeinflussen lassen. Somit stellt sich die Frage, wie diese in den verschiedenen Phasen des Studiums systematisch bearbeitet werden können. Das betrifft in besonderer Weise die Eingangsphase, in der Studierende vor der Aufgabe stehen, einen Perspektivenwechsel von der Lernerzur Lehrersicht vorzunehmen. Da diese Anbahnung des Perspektivenwechsels in vielen Fällen in der Fachdidaktik im Modus einer Einführungsvorlesung geschieht, in der ausgewählte, fachdidaktische Kernkonzepte vorgestellt werden, müsste die Vorlesung, wenn man die o. g. Prinzipien ernst nimmt, so gestaltet werden, dass die Aneignung der Konzepte parallel zu einer systematischen Bearbeitung der mitgebrachten Erfragungen und Konzepte erfolgen kann. Fehlt eine solche Bearbeitung, dann ist mit gutem Grund zu vermuten, dass die vermittelten Konzepte und die mit ihnen anvisierten Lehrhandlungen zwar theoretisch einleuchtend sind, letzten Endes <?page no="34"?> 34 Michael K. Legutke/ Michael Schart aber „träges Wissen“ (Gräsel/ Mandl 1999 ) bleiben und nicht als Erklärungsoptionen und Handlungsmöglicheiten in das berufliche Selbstverständnis integriert werden (Knorr in diesem Band, Schocker-v. Ditfurth 2001 ). Die Vorlesung müsste deshalb so konzipiert werden, dass sie sowohl auf der Microebene, d. h. in der Vorlesung selbst, als auch in ihrer Peripherie durch Arbeitsgruppen und Tutorien dialogische Arrangements bereithält, in denen die zukünftigen Lehrkräfte, etwa durch entsprechende Aufgaben, angeleitet werden, sich des mitgebrachten Erfahrungswissens bewusst zu werden und dessen Facetten zusammen mit anderen im Lichte (neuer) fachdidaktischer Konzepte zu erkunden. Den Erkenntnisgewinn aus einem solchen Austausch könnten die Studierenden in doppelter Weise nachweisen: durch einen Wissenstest, der den Erwerb der Konzepte dokumentiert und durch ein Portfolio, in dem sie ihren Lernprozess in Hinblick auf ausgewählte Konzepte und Ereignisse erörtern. Über eine solche Einführungsvorlesung hinaus steht die Lehrerbildung generell vor der Aufgabe, Vorstellungen, Erwartungen und Visionen, die eigene Tätigkeit betreffend, zum Gegenstand gemeinsamer und individueller Arbeit zu machen. Einen Ansatzpunkt dazu bieten videographierte Ausschnitte aus dem Unterricht, denen wir uns nun zuwenden. 3.2 Der dokumentierte Unterricht Die technologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre mit der Digitalisierung der Videographie und den Möglichkeiten der Anlage von Videodatenbanken, etwa in Verbindung mit Open Source Lern-, Informations- und Arbeitskooperationsystemen wie Ilias oder Moodle, haben neue und leicht nutzbare Möglichkeiten der systematischen Integration von dokumentiertem Fremdsprachenunterricht in die Lehrerbildung eröffnet. Kurze Videosequenzen, ggf. in Verbindung mit entsprechenden Kontextdaten zur Lerngruppe, zum Curriculum und zu unterrichtsbezogenen Produkten (unterschiedliche Lerner- und Lehrertexte) erlauben Einblicke in die komplexen Prozesse des Lehrens und Lernens. Der Dialog über solche Dokumente hilft zum einen die „professionelle Unterrichtswahrnehmung“ von zukünftigen Lehrkräften auszubilden, wie Gießler mit seinem Beitrag zu dem vorliegen Band nachweist. Zum anderen können über Prozesse der Rekonstruktion und Kontextualisierung einzelner Sequenzen nicht nur Brücken zwischen unterrichtlicher Praxis und theoretischen Konzepten geschlagen, sondern auch begründete Alternativen gemeinsam entwickelt werden. Lehrerbildung hat so die Chance, den sozialen Ort Klassenzimmer mit seinem dynamischen Geschehen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Die intensive Auseinandersetzung mit dokumentiertem Unterricht kann es zukünftigen Lehrkräften erleichtern, die widersprüchlichen Anforderungen von Praxis zu erkennen und auch zu handhaben (etwa das Nichtplanbare zu planen). <?page no="35"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 35 Unter welchen Bedingungen das gelingt, gehört allerdings zu jenen Fragen, die der empirischen Erforschung harren. Es leuchtet unmittelbar ein, dass eine systematische Arbeit mit dokumentiertem Fremdsprachenunterricht in diskursiv-dialogischen Formen und im Lichte von Theorien und Konzepten erfolgen muss, damit Studierende eine multiperspektivisch informierte Sichtweise auf das Fremdsprachenklassenzimmer entwickeln. Die Arbeitsformen müssen zugleich integraler Bestandteil der Lehr- und Lernarchitektur sein und den jeweiligen Ausbildungsphasen entsprechen; so wird der Dialog über Unterricht im Kontext einer Einführungsvorlesung ein anderer sein, als der nach dem Fachpraktikum. Zweifellos sind in der Ausbildungspraxis an vielen Standorten Spielarten dialogischen Lernens entwickelt, erprobt und gelegentlich auch dokumentiert worden. Die forschungsbasierte Diskussion steckt jedoch noch in den Anfängen, weshalb den Beiträgen von Knorr und Abendroth-Timmer/ Schneider in diesem Band unter diesem Gesichtspunkt ein besonderes Gewicht zukommt. Für den Bereich der Fortbildung sei in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Studie von Wipperfürth ( 2016 ) verwiesen, die den Austausch in Lerngemeinschaften bereits praktizierender Lehrender untersucht, sowie auf den Beitrag von Mohr/ Schart. 3.3 Der beobachtete und praktizierte Unterricht Fachpraktika werden seit Jahrzenten als Kernelemente des Professionalisierungsprozesses verstanden, ihre praktische Realisierung jedoch in den wenigen vorliegenden Studien massiv kritisiert; eine gelungenere Verknüpfung von Theorie und Praxis wird ebenso bezweifelt wie die Annahme, Praktika hätten positive Effekte auf die Entwicklung der Reflexionskompetenz der Studierenden (Gabel 1997 ; Elsner 2010 ; Hascher 2012 ). Fachpraktika, die an vielen Standorten mittlerweile zu Praxissemestern erweitert wurden, könnten jedoch als organisierende Mitte des Studiums fungieren (Schocker-v. Ditfurth 2001 ), wenn mindestens zwei Bedingungen erfüllt sind: ( 1 ) wenn die verschiedenen Phasen des Praktikums (Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung) nicht nur aufeinander bezogen sind, sondern „durch fokussierte Impulse, Aufgaben und Materialien Lerngelegenheiten zur Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz“ anbieten (Schädlich 2015 : 260 ) und dabei Formen des forschenden Lernens nutzen; ( 2 ) wenn sie sowohl in die Lehrpraxis der bildungswissenschaftlichen Anteile des Studiums als auch in die Lehre der Fächer integriert sind. Die verschiedenen Erscheinungsformen von Unterricht, als geplanter, beobachteter und selbst gehaltener bilden den zentralen Gegenstand der gemeinsamen Arbeit, der sich allerdings nur in dialogisch-diskursiven Lernformen entfaltet. Solche gilt es zu systematisieren und ihre Bedeutung für die Kompetenzentwicklung zu untersuchen (vgl. Schädlich 2015 ). <?page no="36"?> 36 Michael K. Legutke/ Michael Schart Ergänzend zum Praktikum, in dem die Studierenden zunächst einmal die Routinen des Regelunterrichts erkunden und sich verständlicher Weise bei ihren ersten Schritten als Lehrende in die vorgefundenen Bedingungen einpassen müssen, sollen hier Formen dialogischer Praxis erwähnt werden, in denen Studierende in der Masterphase mit Lehrkräften kooperierender Schulen gemeinsam Unterrichtsprojekte planen und teilweise realisieren und dabei Handlungsspielräume ausloten können; der geplante und praktizierte Unterricht wird Gegenstand forschenden Lernens (Schocker-v. Ditfurth/ Legutke 2002 ; Legutke 2003 ). Lernplattformen wie Moddle und Ilias erleichtern solche Formen der Kooperation; ein vielversprechendes Forschungsfeld für zukünftige Untersuchungen zur Entwicklung von Professionalität (Benitt/ Schmidt 2016 ). 3.4 Der antizipierte Unterricht Auch in den einzelnen Phasen der schulpraktischen Studien spielt natürlich der antizipierte Unterricht (als Plan, Entwurf, als Ensemble von Themen, Texten und Aufgaben) eine Rolle und ist damit auch Gegenstand der gemeinsamen Arbeit. Wir wollen hier jedoch auf jenen antizipierten Unterricht fokussieren, der im Zusammenhang von Mastermodulen und ihren Arbeitsarrangements, den zentralen Gegenstand fachdidaktischen Bemühens ausmacht. Gemeint sind die Ideen und Pläne, die die Studierenden beispielsweise im Zusammenhang mit literarischen Texten, mit landeskundlichen Themen, mit der Erörterung von Lernaufgaben oder der Schulung bestimmter Teilkompetenzen entwickeln, präsentieren und unter Rückgriff auf fachwissenschaftliche und fachdidaktische Wissensbestände begründen. Wir weisen der dialogischen Befassung mit antizipiertem Unterricht aufgrund unserer Lehrerfahrung eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung von Professionskompetenz zu, wohl wissend, dass die konkreten Formen des Dialogs bestenfalls anekdotisch oder als Erfahrungsberichte zugänglich sind und bislang einen weißen Fleck in der akademischen Lehre darstellen. Und das gilt im Übrigen für die Hochschullehre insgesamt (vgl. Legutke 2013 ). 3.5 Der Unterricht an der Hochschule Die Räume an der Hochschule, in denen angehende Fremdsprachenlehrkräfte lernen, dürfen nicht mit den schulischen Klassenzimmern gleichgesetzt werden, in denen Fremdsprachenunterricht stattfindet. Gleichwohl weisen beide Lernorte in ihren jeweiligen Settings, ihren Lernanlässen, Aufgaben, Unterstützungssystemen und Interaktionsformen viele Parallelen zueinander auf. Hochschulen sind als Lernorte zur Professionalisierung dazu prädestiniert, ihr Verhältnis zu den künftigen beruflichen Aufgaben der Studierenden immer wieder aufs Neue zu bestimmen. In jeder Lehrveranstaltung sollten die Zusammenhänge von Inhalten und Prozessen transparent gemacht werden, indem <?page no="37"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 37 die Ausgestaltung als gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten konzipiert und kontinuierlich reflektiert wird. Dabei kommt es entscheidend auf die didaktischen Kompetenzen der Hochschullehrkräfte an: Alle bisher skizzierten Formen dialogischen Lernens setzen nämlich Lehrende an der Hochschule voraus, die sich ihrer Modellfunktion bewusst sind und ihre Lehrtätigkeit der kritischen Reflexion zugänglich machen; sie stellen damit ihre eigene Lehre (inklusive der didaktischen Begründungen zur Auswahl der Inhalte, der Sozialformen und Aufgaben, aber auch die konkret vorgenommen Inszenierungen im Lernprozess) als Professionalisierungsangebot zur Verfügung. Trotz kontextbedingter Unterschiede (Universität und Schule) bietet der Unterricht an der Hochschule unverzichtbare Möglichkeiten der Entwicklung von Professionskompetenz (Wissen und Können), wenn den Differenzen und der strukturellen Analogie der Lernorte Rechnung getragen wird: so werden Primarschullehrkräfte, die sich mit dem Potenzial narrativer Texte (etwa Bilderbücher) beschäftigen, nicht nur im Microteaching das Storytelling üben, sondern sich auch der Herausforderung stellen müssen, Geschichten in der Fremdsprache zu erzählen, die sprachlich und strukturell ihren kognitiven Möglichkeiten entsprechen; Studierende werden auf Seminarebene in kooperativen Prozessen arbeiten und größere und längerfristige Projekte durchführen und durch die systematische Bearbeitung der Erfahrungen, Herausforderungen und Möglichkeiten von Lerngemeinschaften (communies of practice) erkunden. Die berechtigte Annahme ist, dass damit Bedingungen geschaffen werden, damit zukünftige Lehrkräfte in analogen Kontexten angemessene und entsprechende Lernprozesse inszenieren können (Legutke 2013 ). Es ist kein Geheimnis, dass die hier angesprochenen Zusammenhänge „so etwas wie die black box der akademischen Lehrpraxis“ ausmachen (Schädlich 2015: 259 ). Zu dieser Black Box in den Fremdsprachendidaktiken gehört nicht zuletzt auch der universitäre Fremdsprachenunterricht. Sollte man nicht annehmen und erwarten dürfen, dass er auf Hochschulebene ein zukunftweisendes Modell liefert, das nicht nur die sprachlichen Kompetenzen der Studierenden auf hohem und höchstem Niveau schult, sondern zugleich didaktisch und methodisch dem Diskussionsstand der Profession entspricht? 4 Fazit und Ausblick Die Reformen der letzten 15 Jahre führten zu einer fast flächendeckenden Umstellung der Lehrerbildung im deutschsprachigen Raum auf BA / MA -Programme, die ideologisch der Kompetenzorientierung folgen. Zugleich wurden Lehrbildungszentren an den Hochschulen geschaffen, die sich die Aufgabe stellen, Curricula zu harmonisieren und Transparenz zwischen fachdidaktischen, fach- <?page no="38"?> 38 Michael K. Legutke/ Michael Schart wissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Ausbildungsanteilen herzustellen. Dennoch ist die Feststellung sicher nach wie vor zutreffend, dass die Integration der verschiedenen Wissensdimensionen immer noch weitgehend den Studierenden überlassen bleibt. Daraus entstehen, wie Roters zutreffend diagnostiziert „Diskrepanzerfahrungen“ (Roters 2012 : 273 ), die, so ist zu vermuten, vielfach unbearbeitet bleiben und die Entwicklung des beruflichen Selbstverständnisses stören könnten; theoretische Konzepte und praktisches Handeln werden als unvereinbar wahrgenommen, neue Handlungsmöglichkeiten nicht als Alternativen in die Handlungsinventare integriert. Andererseits zeigen die in diesem Band versammelten Beiträge, dass Bewegung in die fremdsprachendidaktische Professionsforschung gekommen ist, deren Ergebnisse möglicherweise auch eine Veränderung der Strukturen (zumindest langfristig) zur Folge haben könnten. Auf jeden Fall deuten erste Ergebnisse darauf hin, dass sich in der Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrenden Prinzipien durchzusetzen beginnen, die für den Fremdsprachenunterricht selbst bereits seit langem gefordert werden. Dazu gehören Konzepte handlungsorientierten, aufgabenbasierten und problemlösenden Unterrichts, bei denen Lern- und Anwendungssituationen zusammengeführt werden. Dazu zählt die Überzeugung, dass das Potenzial von Interaktion in Lerngemeinschaften umfassend genutzt werden sollte, und es zugleich geschützter Räume bedarf, damit Lernende sich für das Experimentieren mit Neuem öffnen. Und nicht zuletzt können dazu auch das reflektierte Erfahrungslernen und Ansätze forschenden Lernens gerechnet werden, die eine distanziert abwägende und verstehende Sicht auf das Unterrichtsgeschehen und das eigene Lernen schulen. Die weitere Entwicklung der Aus- und Fortbildung hängt somit in besonderer Weise davon ab, inwieweit es der Fremdsprachendidaktik gelingt, ihre Konzepte eines modernen Fremdsprachenunterrichts auf die Lehr- und Lernsituationen an den Hochschulen zu übertragen. Forschungen zur Lehrerbildung sollten sich diesem Prozess intensiver zuwenden als das bisher geschehen ist. Die Beiträge des vorliegenden Bandes verdeutlichen, wie unterschiedlich die Themenstellungen und Forschungsperspektiven sind, die sich dabei ergeben. So widmen sich zu Beginn die Studien von Hoinkes/ Weigand und Kirchhoff dem Problem einer angemessenen Konzeption der Kompetenzdomänen von Lehrenden und deren empirischer Erforschung. Es folgen die Beiträge von Abendroth-Timmer/ Schneider, Diener und Gießler, die diese Überlegungen konkretisieren, indem sie an lokalen Ausbildungsarrangements darstellen, wie sich die Kompetenzentwicklung im Rahmen von Hochschulunterricht vollziehen kann. Die sich daran anschließenden beiden Beiträge führen uns an die Schnittstelle zwischen universitärer Ausbildung und unterrichtlicher Praxis an den Schulen. <?page no="39"?> Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven 39 Während Knorr Prozesse der kollektiven Unterrichtsplanung bei Tagespraktika schildert, nehmen Gerlach/ Steininger in ihrem Beitrag verschiedene Aspekte des Vorbereitungsdienstes in den Blick. Den Abschluss des Bandes bilden vier Beiträge, die in der Fort- und Weiterbildung verortet sind. Heinrich und Jöckel beleuchten dabei Programme für Englischlehrende, die auf deutlich umrissene Kompetenzbereiche zielen (kooperatives Lernen in den Sekundarstufen I und II , Schreib- und Lesekompetenz in der Grundschule) und daher zeitlich eng begrenzt sind. Die Programme, die von Benitt und Mohr/ Schart untersucht werden, sind auf eine umfassende Kompetenzentwicklung von Lehrenden für Englisch in der Primärstufe bzw. Deutsch als Fremdsprache angelegt. Es handelt sich um mehrsemestrige Programme, in denen Elemente des forschenden Lernens einen zentralen Bestandteil der Konzeption bilden. In der Zusammenschau erbringen die Beiträge dieses Bandes vielfältige Evidenz für die Annahme, dass ein reflexives und dialogisches Lernen, das sich eng an den Anforderungen unterrichtlichen Handelns orientiert, die Aus- und Fortbildung von Lehrenden verbessern kann. Sie ermöglichen Einblicke in die Bedingungen, unter denen eine nachhaltige Kompetenzentwicklung von Lehrenden gefördert wird. 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Es geht in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur allein um die allgemein gültigen Aspekte der guten Lehrbefähigung bzw. des erfolgreichen Lehrens, sondern immer auch um fachspezifische Kompetenzen in ihrer Wirkung auf die Durchführung eines gelungenen Unterrichts. Im konkreten Fall unseres Untersuchungsinteresses verfolgen wir die Frage: Wie werden interessierte Abiturientinnen und Abiturienten nach entsprechender Studiengangwahl zu guten Lehrerinnen und Lehrern im Fach Spanisch ausgebildet und was bedeutet das konkret für die Anforderungen an unser fachbezogenes Ausbildungssystem? Ergänzend hierzu stellen wir uns die Frage: Auf welche Weise können sie aus fachlicher Sicht optimal auf die curricularen Anforderungen des Schulsystems, in dem sie arbeiten wollen, vorbereitet werden? Diese Fragen sind in der Tat viel spezifischer auf das einzelne Fach bezogen als es der komplexen Aufgabe des schulischen Lehrerberufs grundsätzlich zu entsprechen scheint. Sie spiegeln aber nach wie vor die institutionelle Realität wider und können - gerade in Bezug auf die erste Ausbildungsphase mit dem Ziel Lehramt - nicht in Visionen einer fächerübergreifenden oder fächernivellierenden Ausbildungsstruktur für Lehramtsstudierende umgeleitet werde. Im Rahmen der auf verschiedene Berufsfelder bezogenen Professionalisierungsforschung spielt der Lehrerberuf insofern eine besondere Rolle, als dass der Lehrer - dem traditionellen Bild des Wissensvermittlers entsprechend - innerhalb seiner professionellen Kompetenz wesentliche Wissensbereiche für sein professionelles Handeln im Unterricht mit primär fachlichem Wissen für den Aufbau einer lebens- und berufsbezüglichen Kompetenz bei seinen Schülern <?page no="48"?> 48 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand miteinander in Verbindung bringen muss (vgl. Neuweg 2014 ). Wir schlagen vor, diese komplexe Situation, die maßgeblich durch die institutionellen Rahmenbedingungen in den Schulen geprägt ist, sehr grundsätzlich anhand der folgenden Unterscheidung zu verdeutlichen. Die professionelle Kompetenz im Lehrerberuf umfasst: 1. das deklarative und prozedurale Wissen für einen qualitätsvollen Unterricht als Kombination von Fachwissen und pädagogischem Wissen in Verbindung mit den biographisch begründeten Kompetenzen des Lehrenden, 2. das spezifische Fachwissen und fachdidaktische Wissen als Grundlage für den curricular basierten erfolgreichen Aufbau von fachbezogenen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Der erste von uns unterschiedene Wissensbereich steht für die grundsätzlichen Bedingungen eines qualitätsvollen Unterrichts und lässt sich in der Regel unter dem Aspekt der professionellen Handlungskompetenz zusammenfassen. So muss die Lehrperson, deren Unterricht gelingen soll, über breit angelegte Dimensionen von deklarativem Fachwissen und pädagogischem Wissen verfügen, deren Nutzung und Anwendung in der beruflichen Tätigkeit selbstverständlich ineinandergreifen. Es sind diese zum einen die inhaltlichen und handlungsorientierten Wissensanteile in den Unterrichtsfächern - also etwa gemäß der Frage: Welches Wissen und welche Handlungsformen bestimmen in welcher Art einen guten Unterricht in den von mir vertretenen Fächern? Zum anderen sind auch alle Dimensionen des Wissens zum ‚Lehrfach‘ an sich relevant, d. h. ein ebenfalls auf Inhalte und Handlungen bezogenes Wissen, das im Rahmen der Ausbildung ebenso wie der Unterrichtspraxis durch jegliche Form der wissenschaftlichen bzw. wissenschaftsaffinen Reflexion über das Unterrichtsgeschehen aufgebaut wird. Große Anteile dieses gesamten ‚Lehrtätigkeits-Wissens‘ sind im beruflichen Alltag als implizit einzustufen, und sie werden ergänzt und verstärkt durch die vornehmlich in der Praxis gewonnenen Bereiche des prozeduralen Wissens, das in der Berufsausübung des Lehrenden besonders stark als ‚Unterrichten Können‘ wahrgenommen wird (vgl. Neuweg 2014 : 585 ). Die Gesamtheit dieses ersten und fundamentalen Wissensbereichs der professionellen Kompetenz des Lehrenden macht also in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung die ‚gute Lehrerin‘ bzw. den ‚guten Lehrer‘ aus, selbstverständlich unter Hinzuziehung aller Kompetenzbereiche, die der Lehrerpersönlichkeit und ihrer Biographie im engeren Sinne zuzuordnen sind (vgl. Mayr in Terhart [et al.] 2014 : 203 f.) und auf die im Anschluss an die einflussreiche Studie von John Hattie (vgl. Hattie 2015 ) verstärkt hingewiesen worden ist. Hierzu gehören die Bereiche <?page no="49"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 49 der Motivation, der Selbstwirksamkeit, der Überzeugungen (bzw. beliefs ) und einiges mehr, die sehr wichtig für das Gelingen des Unterrichts sind, allerdings nicht im Fokus unseres Beitrags stehen (vgl. hierzu ergänzend Terhart [et al.] 2014 : 642 - 711 ). Es ist in der Forschung bisher eher unüblich, von dem komplexen Kompetenzbereich des ‚guten Lehrens‘ und des ‚Unterrichten Könnens‘ in theoretischer Hinsicht einen Professionswissensbereich abzuheben, der auf die Bedingungen der curricular basierten erfolgreichen Weitergabe von Bildungsinhalten in dem jeweiligen Unterrichtsfach fokussiert ist. Es handelt sich hier selbstverständlich nur um den Versuch einer bildungswissenschaftlichen Abstraktion, die nicht impliziert, dass die professionelle Kompetenz des Lehrenden grundsätzlich ‚teilbar‘ sei. Es ist aber andererseits so, dass die Anforderungen an Wissen und Können des Lehrenden sich in unserem modernen Bildungssystem hinsichtlich der einzelnen Fächer als so genau definiert und zielgerichtet erweisen, dass eine Bildungsforschung, die auf Qualitätssicherung und die Optimierung dieser fachbezogenen Anforderungen ausgerichtet ist, durch einen geeigneten Präzisierungsversuch des zugehörigen Professionswissens zu einer besseren Erreichung ihrer Ziele gelangen kann. Die gesonderte Hervorhebung dieses zweiten Kompetenzbereichs des Lehrenden ist allerdings in seiner Abgrenzung zu dem ersten Bereich sorgfältig zu begründen. Zunächst ist davon auszugehen, dass eine Lehrperson, die ihre Aufgabe des Unterrichtens in der beruflichen Praxis gut erfüllt, über ein hohes Maß an ‚ tacid knowing ‘ im Rahmen ihres Professionswissens verfügt. Dabei verwenden wir den Begriff traditionell in Anlehnung an Michael Polanyi ( 1966 ). Allerdings sind wir der Meinung, dass dieses tacid knowing , also ‚stillschweigendes Wissen‘, idealerweise nur zu einem geringen Teil eine Form des intuitiven Wissens darstellt, d. h. größtenteils aus erlernbaren Wissensanteilen besteht, die durchaus konkret sind und als solche auch im Verlauf der Ausbildung erworben werden bzw. erworben werden sollten. Darüber hinaus ist es aber eine Tatsache, dass im Lehrerberuf viel Professionswissen erst durch Erfahrung gefestigt und wirklich angeeignet wird und dass in Folge dieses spezifischen Lernprozesses von Seiten der Lehrenden Wissen aufgenommen wird, das sie später oft unbewusst (im Sinne von spontan, automatisch) anwenden und kaum zu verbalisieren, d. h. explizit zu machen, in der Lage sind. Solche Formen des impliziten Wissens gehören nicht nur in den Bereich der pädagogischen Handlungskompetenz bzw. zu der für den Lehrenden erforderlichen Expertise in der Unterrichtsgestaltung und Klassenführung, sie betreffen auch in einem hohen Maße rein fachliche Wissensanteile, die in der unterrichtlichen Praxis von Seiten des Lehrenden eben als implizites Wissen zur Anwendung kommen. Wer beispielsweise sicher im normativen Gebrauch <?page no="50"?> 50 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand der Fremdsprache ist, kann als Fremdsprachenlehrender kommunikative Kompetenz vermitteln und besitzt zugleich diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf den defizitären Sprachgebrauch seiner Schüler, ohne in jedem Fall sein Wissen explizit machen zu können oder auch zu müssen. Wir können uns dieses implizite Wissen des Lehrenden als Erweiterungsrahmen eines expliziten Wissens vorstellen, d. h. quasi als eine Form der Einbettung ( embedding ) des klar definierten Wissens, das in jedem Fall vorhanden sein muss und sich im engeren Sinne auf die Vermittlung der curricular vorgeschriebenen Bildungsinhalte bezieht. Zugegebenermaßen kann über den impliziten Charakter dieses erweiterten Wissenshorizonts des Lehrenden gestritten werden. Wir wollen mit dieser Charakterisierung darauf hinweisen, dass die Lehrkraft mit zunehmender Professionalisierung ihres Handelns und der erforderlichen Konzentration auf die Vorgaben der Curricula die über deren Inhalte hinausgehenden Fachwissensdimensionen in der Regel nicht mehr explizit abrufbar hält, sondern sie nur noch als Form einer Verständnisvertiefung des Unterrichtsstoffs nutzt. Wir sind mit dieser Auffassung prinzipiell recht nah an Shulman, der jedoch ein Konzept von ‚ understanding ‘ hineinbringt, das dem Lehrenden eine eher noch größere Expertise im verständnisvollen Umgang mit fachlichen Inhalten abverlangt. Seine entsprechenden Hinweise finden sich vor allem im Zusammenhang mit dem ‚ curricular knowledge ‘. Hier verlangt Shulman von den Lehrenden eine extreme Kompetenz und Einsicht im Umgang mit curricularen Anforderungen, die in jedem Fall einen ebenso hohen Anteil an fachlicher wie an fachdidaktischer Expertise erforderlich machen (vgl. Shulman 1986 : 10 ). Wenn es also wahr ist, dass ein guter Lehrer auch fachinhaltlich über seine konkrete Vermittlungsaufgabe hinaus kompetent sein muss, dann ist dies in weiten Teilen als eine Form des impliziten Professionswissens aufzufassen. Denn aus großen Teilen des expliziten und umfangreichen Fachwissens, welches im Laufe des Fachstudiums erworben wurde, wird im beruflichen Alltag des Lehrenden ein implizites Professionswissen, das dessen professionelle Kompetenzstruktur maßgeblich mitprägt. Eine Diskussion darüber, inwieweit dieses implizit wirksame Fach-Professionswissen im Unterricht genutzt wird oder zur Anwendung gelangt, ist sicherlich noch nicht abschließend erfolgt, betrifft in ihrer Konsequenz aber in jedem Fall die inhaltliche Gestaltung von Ausbildungsgängen, so auch diejenigen für angehende Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer. Ist es etwa, so könnte man fragen, für einen Spanischlehrer von Vorteil, Kenntnisse des klassischen Lateins zu haben, um lexikalische und grammatische Strukturen des Spanischen tiefer zu durchdringen und dadurch auch besser vermitteln zu können bzw. um ihn dazu in die Lage zu versetzen, Formen ro- <?page no="51"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 51 manischer Mehrsprachigkeit für seinen Unterricht zu nutzen oder Strukturvergleiche zu der im Wortschatz stark romanisierten englischen Sprache herzustellen? Oder beispielsweise auch: Ist es besser möglich, den für Deutschsprecher schwierigen Gebrauch der Vergangenheitstempora des Spanischen oder den Subjuntivo-Gebrauch Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, wenn sich der Lehrende in der sprachwissenschaftlichen Analyse dieser komplexen Phänomene auskennt? Wir würden diese Fragen grundsätzlich bejahen und ziehen daraus den Schluss, weiterhin einen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil für den Lehrerberuf zu fordern, der deutlich über die curricularen Bildungsinhalte des jeweiligen Schulfachs hinausgeht. Das Besondere unserer Sichtweise liegt vielleicht darin, dass wir gerade diese oft diskutierten und in ihrer Relevanz hinterfragten Fachwissensanteile des Professionswissens sehr bewusst in den Bereich einer professionellen Kompetenz von Lehrkräften legen, die für einen gelungenen Unterricht durch eine rundum kompetente, überzeugte und motivierte Lehrerpersönlichkeit maßgeblich ist. Im Rahmen dieser Funktionalität gewinnt das erweiterte Fachwissen als notwendiges implizites Professionswissen somit einen wichtigen Status. Kommen wir nun zu dem von uns eigens ausgewiesenen zweiten Kompetenzbereich im Lehrerberuf zurück: das spezifische Fachwissen und didaktische Wissen für den curricular basierten erfolgreichen Aufbau von fachbezogenen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Aus der Perspektive einer allgemein-öffentlichen Wahrnehmung der Institution Schule, die deren zentrale Aufgabe als Weitergabe von Bildungsinhalten bestimmt, würde dieser Bereich als ‚Wissen über den Unterrichtsstoff und seine Vermittlung‘ zu deklarieren sein. Dabei verbindet dieser Kompetenzbereich des Lehrenden in jedem Fall das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen in einer untrennbaren Art und Weise. Wüssten wir nicht inzwischen so viel über die Bedeutung des ersten, zuvor kommentierten Kompetenzbereichs im Lehrerberuf, so könnte man dem Irrtum erliegen, den hier angesprochenen Professionswissensbereich als Kernkompetenz des Lehrenden - bzw. genauer: des Fachlehrers - anzusehen. Wir plädieren im Gegensatz dazu dafür, ihn als fachspezifische Kernkompetenz der Fachlehrkraft zu bestimmen und bei dieser Bestimmung die Begriffskomponenten ‚fachspezifisch‘ und ‚Kern‘ stringent zu interpretieren. Es ist also der Bereich, in dem Fach-Wissen und fach-didaktisches Wissen streng aufeinander bezogen sind und der sich an den fachbezogenen institutionellen Rahmenbedingungen des schulischen Bildungsauftrags orientiert. Genau genommen ist es aber auch aus der Perspektive des Fach-Unterrichts nur ein Kern-Bereich der professionellen Kompetenz des Lehrenden, da die Übergänge zu dem unter 1 ) dargestellten Kompetenzbereich nahtlos und zur Qualitätssicherung eines möglichst erfolgreichen Unterrichts unabdingbar sind. <?page no="52"?> 52 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand 2 Der fachspezifische Kernkompetenzbereich des Professionswissens Zwei wesentliche Aspekte sollen nun zur weiteren Legitimation des von uns hervorgehobenen fachspezifischen Kernkompetenzbereichs des Professionswissens ausführlicher erläutert werden: 1) die Einbettung dieses professionellen Kompetenzbereichs in den Rahmen des aktuellen standard- und kompetenzbasierten Schulbildungskonzepts 2) seine besondere Relevanz im Hinblick auf die fachspezifische Ausbildung für den Lehrerberuf. Da es uns in diesem Beitrag, wie bereits erläutert, um die fachspezifische Kernkompetenz von Lehrenden und damit um die Fokussierung auf einen abstrahierbaren Teilbereich ihrer Professionskompetenz geht, werden wir von nun an genauer - und in gewisser Weise exemplifizierend - das Schulfach Spanisch und seine spezifische Lehramtsausbildungssituation im Auge behalten. Wir konzentrieren uns dabei auf den Teilbereich Lehramts-Master Spanisch der universitären Fremdsprachenausbildung und seine Folgen für den angehenden Lehrer bzw. die angehende Lehrerin im Schulfach Spanisch. Für die Schule gibt es bislang in der Tat noch keinen offiziellen Beschluss der Kultusministerkonferenz zu den Bildungsstandards im Fach Spanisch. Dieses Versäumnis ist gravierend, da sich das Fach Spanisch seit Jahren eines hohen Zulaufs an Schülern erfreut und mit seinen besonderen Bedingungen einer ‚zweiten Fremdsprache‘ und oft auch einer ‚spät einsetzenden Fremdsprache‘ (ab Kl. 10 ) dringend einer besonderen Berücksichtigung bedarf. Bis jetzt gibt es aber nur die im Rahmen von Bildungsplänen einzelner Schulen entwickelten Standard-Formulierungen zum Spanischen, die sich in der Regel an den verfügbaren KMK -Beschlüssen zum Englisch- und Französischunterricht orientieren. Die KMK hat Ende 2003 einen Beschluss zu den „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss“ verfasst und Ende 2012 die „Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife“ folgen lassen (siehe KMK 2003 und KMK 2012 ). In beiden Beschlüssen geht es um die Grundlagen eines kompetenzorientieren Ausbildungssystems, das Bildungsinhalte eben nicht mehr als fixen Lehr- und Lernstoff, sondern auf dem Wege einer Kompetenzerweiterung der Schülerinnen und Schüler zu vermitteln versucht. Die für die Fremdsprachen wesentlichen Kompetenzbereiche werden im Beschluss von 2003 : 8 wie folgt differenziert: 1) Kommunikative Fertigkeiten 2) Verfügung über die sprachlichen Mittel <?page no="53"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 53 3) Interkulturelle Kompetenzen 4) Methodische Kompetenzen Im Beschluss für die fortgeführte Fremdsprache von 2012 : 12 erfolgt knappe neun Jahre später bereits eine modifizierte und erweiterte Differenzierung in: 1) Funktionale kommunikative Kompetenz 2) Interkulturelle kommunikative Kompetenz 3) Text- und Medienkompetenz 4) Sprachbewusstheit 5) Sprachlernkompetenz Das zu dem KMK -Beschluss von 2012 gehörige Schema sieht wie folgt aus (vgl. KMK 2012 : 12 ): Abbildung 1 Kompetenzbasiertes Schulbildungskonzept Die Erforschung und Messung des Professionswissens in dem von uns hervorgehobenen fachspezifischen Kompetenzbereich muss genau an den hier ausdifferenzierten komplexen Anforderungen an den Fremdsprachenlehrer ansetzen. Sein Fachunterricht muss darauf ausgerichtet sein, all die hier genannten Kompetenzbereiche seiner Schülerinnen und Schüler zu fördern und sie bei den entsprechenden Lernprozessen durch geeignete Bildungsinhalte und Vermittlungsmethoden zu unterstützen. Die für die Schülerschaft relevanten Kompetenzbereiche sind letztlich alle handlungsorientiert, so dass es sich beim modernen Fremdsprachenunterricht längst nicht mehr um eine statische <?page no="54"?> 54 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Vermittlung deklarativen Wissens handelt. Im Vordergrund stehen die kommunikativen Kompetenzen sowie der kompetente Umgang mit Sprache, Texten und Medien auf einem reflektierten Niveau. Diese Zielsetzungen sind letztlich nur von den Schülerinnen und Schülern selbst umzusetzen, so dass Aspekte wie Motivation, Selbstregulation und konstruktivistisches Lernverhalten eine zentrale Rolle spielen. Die Fremdsprachenlehrkraft braucht zur Anregung solcher Lernprozesse bei ihren Schülerinnen und Schülern einen hohen Anteil an professioneller Kompetenz des ersten von uns unterschiedenen Bereichs (vgl. Kap. 1 ). Sie ist und bleibt aber bei der konkreten Unterrichtsgestaltung auf festgelegte fachliche Bildungsinhalte und ihre Vermittlungswege konzentriert, um die Kompetenzerweiterung ihrer Schülerinnen und Schüler innerhalb eines angemessenen Fachunterrichts unter Berücksichtigung curricularer Vorgaben und vergleichbarer Aufgaben- und Prüfungsstandards zu gewährleisten. Diese Konzentration aber betrifft das Professionswissen des von uns dargestellten Bereichs 2 (vgl. Kap 1 ). Insofern stellt sich aus der Sicht der Fremdsprachenlehrkraft die Frage, inwieweit ihr professionelles Fachwissen zu Problemfeldern der interkulturellen Begegnung, zu kommunikativen Fertigkeiten und ihrer Perfektionierung sowie zur kritischen Analyse des Einsatzes von Texten in Medien bei der unterrichtlichen Umsetzung der für ihr Fach geltenden Bildungsstandards zweckdienlich sein kann. Von genau dieser Fragestellung wird auch, wie weiter unten noch erläutert wird, die von uns unternommene empirische Untersuchung zum Professionswissen im Fach Spanisch geleitet. 3 Die Entwicklung eines Erhebungsinstruments zum Professionswissensstand im Lehramts-Studienfach Spanisch 3.1 Inhaltliche Parameter der Studie Das von uns durchgeführte Projekt nimmt die direkte Ableitung des fachspezifischen Professionswissens im Lehrerberuf von der Lehramtsausbildung an Universitäten in den Blick. Das Forschungsinteresse am Zusammenhang von Ausbildung und beruflicher Praxis ist seit einiger Zeit besonders stark. Auslöser dieses Interesses aus der Sicht der Fachlehrerausbildung ist ein weiterer KMK - Beschluss von 2008 in ergänzter Fassung von 2015 , betitelt als „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“. Dieser Beschluss ist als Ergänzung zu dem Beschluss von 2004 über die Standards für die Lehrerbildung in den Bildungswissenschaften gefasst worden (vgl. KMK 2004 ). Er trägt damit grundsätzlich der in der Bundesrepublik Deutschland gegebenen Ausbildungsstruktur für das Lehramt Rechnung, die jeweils einen bildungswissenschaftlichen und einen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil an den Universitäten umfasst. Unser Versuch <?page no="55"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 55 einer theoretischen Differenzierung des Professionswissens im Lehrerberuf ist dieser Ausbildungsstruktur angepasst, allerdings ohne sich ihr vollständig zu unterwerfen. Er geht aber durchaus davon aus, dass die erfolgreiche Qualitätssicherung eines Ausbildungsbereichs für das Lehramt an Schulen nur mit dem Postulat gelingen kann, dass diesem Ausbildungsbereich auch ein definierbarer Bereich des Professionswissens im Lehrerberuf entspricht. Der KMK -Beschluss von 2008 definiert diesen fachspezifischen Professionswissensbereich in der Form von Kompetenzstrukturen angehender Lehrerinnen und Lehrer mit einer dreifachen Differenzierung. Dementsprechend sollen Lehramtsstudierende am Ende des Masters (vgl. KMK 2008 : 3 f.): 1) über anschlussfähiges Fachwissen verfügen 2) über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden der Fächer verfügen 3) über anschlussfähiges fachdidaktisches Wissen verfügen. In den relativ knappen Erläuterungen dieser drei von dem Lehramtskandidaten mit Masterabschluss eingeforderten Kompetenzbereichen werden prinzipiell nur die wesentlichen Inhaltsstrukturen der drei angesprochenen Ausbildungsdomänen - nämlich Fachwissenschaft, Fachmethodologie und Fachdidaktik - in grob differenzierender Weise angesprochen. So ergeben sich etwa laut des Beschlusses im Bereich der Fachwissenschaft die folgenden Wissensdimensionen (vgl. KMK 2008 : 3 ): - Verfügungswissen zu den grundlegenden Gebieten der Fächer, wohl vornehmlich als fachinhaltliches Wissen zu verstehen - Orientierungswissen über den Zugang zu den grundlegenden Fragestellungen der Fächer, wohl vornehmlich als Wissen über fachliche Forschungsanliegen zu verstehen - Metawissen als Reflexionswissen über das Fach und zu ideengeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Konzepten, sowie - transdisziplinäres Wissen zum Aufbau fächerübergreifender Qualifikationen. Diese Differenzierung erweist sich als konform mit den grundsätzlichen Zielsetzungen einer wissenschaftlichen Fachausbildung. Sie lässt aber nicht erkennen, auf welche Weise die Lehramtsstudierenden ein Professionswissen zur Erfüllung ihrer späteren lehrplangeleiteten beruflichen Unterrichtstätigkeit entwickeln sollen. Dieselbe Kritik gilt auch für die Beschreibung der Domänen Fachmethodologie und Fachdidaktik. Hinsichtlich der Fachdidaktik ist zusätzlich anzumerken, dass der KMK-Beschluss von 2008 von Kompetenzbereichen der Lehramtskandidaten nach dem Master-Abschluss ausgeht, die nur mit einer intensiven und länger anhaltenden Praxiserfahrung des Unterrichtens erlangt werden können. Insbesondere sind dies die Bereiche der Leistungsbeurteilung, der lern- <?page no="56"?> 56 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand erfolgsbestimmenden Merkmaldifferenzierung in Bezug auf Schülerinnen und Schüler und der praxisbasierten Gestaltungskompetenz von Lernumgebungen. Diese Bereiche, traditionell in der zweiten Ausbildungsphase schwerpunktmäßig verankert, können durch die schulpraktischen Anteile zwar ins Studium implementiert werden, allerdings sind bei der Dichte der Curricula und den knappen Zeitanteilen sicher nicht mehr als erste Grundlagen zu vermitteln. Jede anderslautende Erwartung verführt zu Fehlannahmen und dient nur zur fehlerhaften Abstimmung zwischen der ersten und zweiten Ausbildungsphase. Die KMK ergänzt ihren Beschluss zu den ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen durch fachspezifische Kompetenzprofile der einzelnen Schulfächer. Für das Fach Spanisch muss dabei auf das Kompetenzprofil ‚Neue Fremdsprachen‘ rekurriert werden, das nicht mehr als eine gute halbe Seite umfasst (vgl. KMK 2008 : 39 ). Die hier benutzten Formulierungen sind wiederum sehr allgemein gehalten und bilden nach wie vor in der Hauptsache die groben Strukturierungsmerkmale der bundesdeutschen Lehramts-Ausbildungsgänge in den neuen Fremdsprachen ab. Exemplarisch führen wir nur eine der insgesamt neun Teilkompetenznennungen an, um ihren grundsätzlichen Grad an Vagheit zu illustrieren. So heißt es in dem entsprechenden Profil: „(Die Studienabsolventinnen und -absolventen) kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen“ ( KMK 2008: 39). Auch die Differenzierungen des Kompetenzprofils erscheinen somit wenig hilfreich, um nachzuvollziehen, wie die Lehramtsstudierenden im Laufe ihres Studiums ein fachspezifisches Professionswissen nun tatsächlich aufbauen sollen, um ihr Wissen später für den Unterricht zu nutzen. Aber genau das ist der erforderliche Fokus, um eine Studie zum Aufbau des Professionswissens der Lehramtsstudierenden während ihres Studiums durchzuführen. In einem vorläufigen Fazit lässt sich festhalten, dass die Professionswissensforschung durch ihre sehr profunde und differenzierte Aufdeckung verschiedenster Dimensionen und Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften den Zugang zu einer empirisch-quantitativen Erhebung von Professionswissensanteilen, die im Verlauf des Fach-Lehramtsstudiums erlangt werden, per se nicht erleichtert hat. Aus diesem Grund haben wir die Abstraktion eines auf die institutionellen Rahmenbedingungen beziehbaren Professionswissensanteils vorgeschlagen, ihn als fachspezifischen Kernkompetenzbereich beschrieben und versuchen, genau diesen zur Grundlage unserer empirischen Arbeit zu machen. <?page no="57"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 57 3.2 Die methodische Ausrichtung der ZeBiG-Studie Das in Kiel begonnene Projekt zur Erforschung des Professionswissens von Studierenden geisteswissenschaftlicher Fächer stand von Anfang an unter der Prämisse, dass ein methodologisch enger Anschluss an die seit über zehn Jahren bestehende empirische Forschung zu Fragen der professionellen Kompetenz von Lehrkräften beibehalten wird. Unser konkretes wissenschaftliches Vorhaben begann Ende 2013 in der Gründungsphase des „Zentrums für empirische Bildungsforschung in den Geisteswissenschaften“ (ZeBiG) an der Universität Kiel in Zusammenarbeit mit dem dortigen Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik ( IPN ). Das Projekt bewegt sich in der Tradition des einschlägig bekannten Forschungsprogramms COACTIV , das in den Jahren 2003 - 2006 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unter der Leitung von Jürgen Baumert durchgeführt wurde und dessen Abschlussbericht seit 2011 in publizierter Form vorliegt (vgl. Kunter/ Baumert/ Blum/ Klusmann/ Krauss/ Neubrand 2011 ). COACTIV geht in seiner grundsätzlichen Interpretation des Professionswissens von einem Modell aus, das Jürgen Baumert und Mareike Kunter 2006 vorgelegt haben und das seinerseits in der Tradition des programmatischen Beitrags Knowledge and Teaching. Foundations of the new reform von Lee S. Shulman ( 1987 ) steht. Das Kompetenzmodell von COACTIV differenziert den Bereich des Professionswissens in fünf Teilbereiche, die ohne weitere Strukturbezüge nebeneinanderstehen. Im Einzelnen werden genannt: 1) Fachwissen 2) pädagogisches Wissen 3) fachdidaktisches Wissen 4) Organisationswissen 5) Beratungswissen <?page no="58"?> 58 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Abbildung 2 Kompetenzmodell von COACTIV (in Anlehnung an Baumert/ Kunter 2006: 482). Es handelt sich bei dieser Aufteilung stärker um den Leitgedanken der theoretischen Separierung als um den Versuch, Strukturzusammenhänge innerhalb des Professionswissensbereichs darzustellen. Kunter/ Trautwein ( 2013 : 147 ) erweitern diese Ausdifferenzierungsvorschläge in einem aktuelleren Modell sogar noch auf alle anderen Aspekte der professionellen Kompetenz. Es ist aber ein bis heute bestehendes Desiderat, als Grundlage konkreter empirischer Forschungsvorhaben auf Aspekte der Teilkompetenzen hinzuweisen, die ihrerseits Strukturzusammenhänge hervorheben. Diesem Ansatz entspricht der hier skizzierte Versuch. Während in der COACTIV-Studie noch separate Befragungsinstumentarien für die unterschiedlichen Teilwissensbereiche erhoben wurden, sind wir im ZeBiG darum bemüht, im Sinne der bislang vorgestellten Überlegungen einen Erhebungsweg und ein Messinstrument zu entwickeln, das insbesondere die Verbindung von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen im Rahmen einer kombinierten Befragung zu ermitteln versucht. Im Anschluss an die von Shulman geprägte englischsprachige Begrifflichkeit versuchen wir also, die Schnittmenge von Content Knowledge ( CK ) und Pedagogical Content Knowledge ( PCK ) beim Aufbau des Professionswissens angehender Spanischlehrerinnen und -lehrer zu bestimmen. Dabei beziehen wir uns ausschließlich auf die erste, traditionell als fachwissenschaftlich qualifizierte Ausbildungsphase in der Lehramtsausbildung, die universitär verortet ist - was sogar auch für die Verantwortlichkeit der in diese Phase integrierten schulpraktischen Studien gilt. <?page no="59"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 59 4 Zum Forschungsstand in der empirischen Professionsforschung Das ZeBiG-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, das professionelle Wissen angehender Lehrkräfte in den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen Theologie, Germanistik und Romanistik empirisch überprüfbar zu machen. Zu diesem Zweck wird in den drei genannten Fächern jeweils ein Messinstrument entwickelt, das im Sinne der Gütekriterien Reliabilität, Objektivität und Validität den gängigen Konstruktionsparametern entspricht. Im Einzelnen will die Professionalisierungsstudie des ZeBiG den folgenden Fragen nachgehen: Wie ist das Professionswissen angehender Lehrkräfte strukturiert? Entspricht das an den Universitäten vermittelte Wissen, also der Ist-Zustand, dem Soll-Zustand? Wann und unter welchen Bedingungen wird das Professionswissen im Verlauf des Studiums erworben? Inwieweit sind das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen zwei voneinander getrennte Wissensbereiche oder kann man von einer Verknüpfung beider Bereiche ausgehen? Der sich anschließende Abschnitt soll die einzelnen Schritte und die damit verbundenen Herausforderungen in Bezug auf die Konstruktion des Messinstruments im Fach Spanisch veranschaulichen. Im Zentrum der Untersuchungen stehen zunächst die Spanischlehrkräfte, wobei in einigen ausgewählten Teilbereichen eine Übertragung auf die Erforschung des Professionswissens anderer angehender Fremdsprachenlehrkräfte, insbesondere auch derjenigen weiterer romanischer Sprachen, denkbar ist. 4.1 Der Forschungsstand zur Professionsforschung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern Nachdem sich die empirische Bildungsforschung in ihren Anfängen vordergründig mit der Messung von Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern auseinandergesetzt hat, rückten in den letzten Jahren nach und nach die Kompetenzen der Lehrkräfte in den Fokus. Man hat sich vermehrt die Frage gestellt, über welche Kompetenzen die Lehrerinnen und Lehrer im Schulsystem verfügen sollten, um die Schülerkompetenzen angemessen zu diagnostizieren und die Schülerinnen und Schüler möglichst effektiv zu fördern. Bisher wurde jedoch insbesondere das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen (künftiger) Lehrkräfte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer in den Blick genommen. Mit Hilfe empirischer Messverfahren wurde das Professionswissen Studierender der Mathematik bzw. der Naturwissenschaften in einigen größeren Studien erhoben. Zwei dieser Studien sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, da diese einer ähnlichen theoretischen Grundlage und einer vergleichbaren methodischen Vorgehensweise folgen wie die Studie des ZeBiG. Es handelt sich dabei zum einen um die COACTIV -Studie, deren Fokus auf dem Fach Mathematik lag. Das zweite hier kurz vorzustellende Forschungsprojekt nennt <?page no="60"?> 60 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand sich KiL (http: / / www.ipn.uni-kiel.de/ de/ forschung/ projekte/ kil), welches nicht nur Messinstrumente für das Fach Mathematik, sondern in Erweiterung auch für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie und Chemie entwickelt hat. Das Forschungsprogramm COACTIV untersucht seinem Selbstverständnis nach das Professionswissen von Lehrkräften im Rahmen eines kognitiv aktivierenden Mathematikunterrichts mit dem Ziel der Entwicklung mathematischer Kompetenz bei den Schülern. Dabei ist die Analyse der Genese, Struktur und Handlungsrelevanz professioneller Kompetenz von Lehrkräften als zentrale Aufgabe definiert. Die theoretische Grundlage der Studie ist das von den Verantwortlichen des Programms selbst entwickelte Kompetenzmodell, welches das Professionswissen von Mathematiklehrkräften auf der Grundlage der von Shulman entwickelten Taxonomie des Lehrerwissens und ihrer Erweiterung durch Rainer Bromme in Abhängigkeit von den professionellen Kompetenzen Motivation, Selbstregulation und Überzeugungen darstellt (vgl. hierzu Frey 2014 : 716 f. u. 719 - 721 ). COACTIV hat das fachabhängige Professionswissen von Mathematiklehrkräften in zwei unterschiedlichen Hauptstudien und diversen Ergänzungsstudien gemessen. In der ersten Hauptstudie in den Jahren 2003 und 2004 wurden in Ergänzung zur PISA -Studie bereits ausgebildete und in unterschiedlichen Schulformen berufstätige Mathematiklehrkräfte der von PISA getesteten Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I befragt. In den Jahren 2007 bis 2009 wurde in einer zweiten Hauptstudie das Professionswissen der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter getestet (“ COACTIV -Referendariat”), nachdem im Jahr 2008 in der Ergänzungsstudie “ COACTIV -Studierende” das Testinstrumentarium an Mathematikstudierenden erprobt wurde. Die zentralen Fragestellungen der Studie sind: Lassen sich die theoretisch erfassten Aspekte des Professionswissens empirisch identifizieren? Welche Kompetenzaspekte beeinflussen das unterrichtliche Handeln einer Lehrkraft? Welche direkten und indirekten Einflüsse hat die Kompetenz einer Lehrkraft auf die Lernerfolge ihrer Schülerinnen und Schüler? Demnach hat die COACTIV -Studie alle Facetten der professionellen Kompetenzen und das Wissen von Lehrkräften mit den Kernvariablen des guten Unterrichts in Beziehung zueinander zu setzen versucht, um sodann die Auswirkungen auf Lernerfolg und die Lernmotivation zu analysieren. Die zweite wichtige Studie im Bereich der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer ist im Rahmen eines Forschungsprojekts des Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik ( IPN ) an der Universität Kiel entstanden. Die Abkürzung KiL steht für „Messung professioneller Kompetenzen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehramtsstudiengängen“. In Zusammenarbeit mit Vertretern der Erziehungswissenschaften und der pädagogischen Psychologie gehen Fachdidaktiker der naturwissenschaft- <?page no="61"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 61 lichen Fächer u. a. der Frage nach, unter welchen Bedingungen Lehramtsstudierende im Laufe des Studiums Professionswissen erwerben und wie dieses strukturiert ist. Die KiL-Studie entwickelte innerhalb von drei Projektjahren ( 2011 - 2013 ) Testinstrumente für die Bereiche Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisches Wissen. Als Orientierungsrahmen für die Entwicklung der Items hat man die KMK -Standards für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung herangezogen. Nach einer Pilotierungsphase in den Jahren 2011 und 2012 konnte im Jahr 2013 eine abschließende bundesweite Erhebung mit 1085 angehenden Lehrkräften durchgeführt werden (vgl. Kleickmann/ Großschedl et al. 2014 : 281 f). 4.2 Der Forschungsstand zur Professionsforschung in den geisteswissenschaftlichen Fächern Im Bereich der Fremdsprachendidaktik hat die empirische Forschung eine eher kürzere Tradition (vgl. Trautmann 2010 ; Doff 2012 ). Insbesondere zum Unterrichtsfach Englisch sind seit den 1990 er Jahren eine Reihe von Studien qualitativer Art entstanden, welche sich mit ausgewählten Aspekten der Professionalisierung sowohl bereits ausgebildeter Lehrer, als auch angehender Lehrkräfte beschäftigen (vgl. u. a. Gabel 1997 ; Schocker-v. Ditfurth 2001 ). In diesen Studien werden einzelne Aspekte untersucht, die dem Professionswissen angehender Lehrkräfte zuzuordnen sind bzw. die zu seiner Entwicklung unterstützend beitragen, wie z. B. das forschende Lernen im Rahmen des Lehramtsstudiums der Fremdsprachen. Darüber hinaus ist eine gößer angelegte quantitative Studie entstanden, die u. a. einen umfassenderen Blick auf das Professionswissen der Englischlehrkräfte wirft: die sog. TEDS - LT -Studie, aufgeschlüsselt “ Teacher Education and Development Study: Learning to Teach ”. Das Ziel dieser Studie ist „die Beschreibung des professionellen Wissenserwerbs und der Lerngelegenheiten von Lehramtsstudieren“ (Buchholtz/ Doll [et al.] 2011 : 25 f) der Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Hier wurde in einer Längsschnittuntersuchung das professionelle Wissen von Studierenden für das Lehramt der Sekundarstufe I an acht unterschiedlichen Universitäten zu zwei verschiedenen Messzeitpunkten am Ende des Bachelorstudiums (erster Messzeitpunkt) und am Ende des Masterstudiums (zweiter Messzeitpunkt) getestet. Da im Hinblick auf unser eigenes Projekt insbesondere der Studienteil für ein Fach der schulischen Fremdsprachenlehre interessant ist, soll hier kurz auf das methodologische Vorgehen der TEDS - LT -Studie bei der Untersuchung des Fachs Englisch eingegangen werden. Wie später auch in der KiL-Studie orientierte man sich bei der Entwicklung der Testaufgaben bereits explizit an den inhaltlichen Vorgaben der KMK -Standards für die Lehrerinnen- und Leh- <?page no="62"?> 62 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand rerbildung ( KMK 2008 ). Darüber hinaus wurden curriculare Analysen sowie Expertengespräche durchgeführt, die jedoch nicht alle öffentlich dokumentiert worden sind. Als Ergebnis dieser Analysen konnte eine inhaltliche Struktur des Testinstruments für den ersten Messzeitpunkt vorgenommen werden, welche in zwei fachspezifische Grobbereiche untergliedert ist: Britische und US -amerikanische Literaturwissenschaft mit insgesamt vier Unterthemen und Linguistik mit sieben Unterthemen. Den umfangreichsten Teil des Testinstruments nimmt der Bereich Fachdidaktik mit insgesamt acht Unterthemen ein (Nold/ Roters 2011 : 83 ). Zum zweiten Messzeitpunkt wurde dem letztgenannten Bereich noch mehr Bedeutung beigemessen, da sich die Probanden bereits im Masterstudium befanden, welches sich in der Regel durch eine stärkere Konzentration auf die fachdidaktischen Inhalte auszeichnet. 5 Zum forschungsmethodologischen Vorgehen im Fach Spanisch Bei der Konstruktion unseres eigenen Kompetenztests, der den Aufbau des Professionswissens angehender Lehrkräfte innerhalb ihrer ersten Ausbildungsphase erfassen soll, sind wir zunächst der Frage nachgegangen, welche Studieninhalte denn tatsächlich zum späteren professionellen Wissen der Lehrkräfte für das Fach Spanisch beitragen. Wir beziehen uns dabei weiterhin grundsätzlich auf das Kompetenzmodell von Jürgen Baumert und Mareike Kunter ( 2011 ), das im Rahmen der COACTIV -Studie entstanden ist, modifizieren es aber, wie bereits ausführlich begründet, in Richtung der in diesem Beitrag anfänglich vorgeschlagenen Differenzierung in zwei für den Lehrerberuf pragmatisch unterscheidbare Kompetenzprofilbereiche. Nach Baumert und Kunter ist das professionelle Wissen von (angehenden) Lehrkräften in die folgenden Wissensbereiche strukturiert: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, pädagogisches Wissen und Beratungs- und Organisationswissen. Nach diesem Modell läge der Fokus in unserem Forschungsprojekt einerseits auf dem Fachwissen, andererseits aber auch auf dem fachdidaktischen Wissen. Konsequenterweise gilt es nun zu ermitteln, welche Inhalte das Professionswissen angehender Lehrkräfte genau in der Schnittstelle der fachwissenschaftlichen Perspektive einerseits und der fachdidaktischen Perspektive andererseits bestimmen. Dies soll mit Hilfe eines eigens dafür entwickelten Paper-and-Pencil-Tests versucht werden, der eben diesen (Prä-)Professionswissensstand angehender Spanischlehrkräfte am Ende des Masterstudiums empirisch erfassen soll. Da das Modell von Baumert und Kunter wie dargelegt eben keine Verbindungslinien der Kompetenzbereiche ‚Fachwissen‘ und ‘fachdidaktisches Wissen‘ aufzeigt, erscheint es uns hilfreich, die von uns anfänglich vorgeschlagene theoretische Differenzierung zum Maßstab des Untersuchungsaufbaus zu machen und dabei ausschließlich auf den <?page no="63"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 63 zweiten Kompetenzbereich zu fokussieren. Zur Erinnerung sei seine Formulierung hier noch einmal wiederholt. Es handelt sich um die folgende praxisrelevante Abstraktion aus dem gesamten Professionswissensspektrum der in Ausbildung befindlichen Lehrkräfte, nämlich: Das spezifische Fachwissen und fachdidaktische Wissen der (angehenden) Lehrkraft in der Form korrelierender Wissensbereiche als Grundlage für den curricular basierten erfolgreichen Aufbau von fachbezogenen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. 5.1 Item-Entwicklung nach vier Säulen Da das Projekt sich zum Ziel gesetzt hat, einen „objektiven“, d. h. übertragbaren Test zu entwickeln, der an allen Universitäten bundesweit Anwendung finden kann, ist es erforderlich, für die inhaltliche Ausgestaltung einen gemeinsamen Nenner zu ermitteln. Dies dient dazu sicherzustellen, dass alle Items von Probanden an unterschiedlichen Universitätsstandorten bearbeitet werden können und aussagekräftig sind. Innerhalb der ZeBiG-Forschergruppe haben wir uns auf vier inhaltliche „Säulen“ geeinigt, welche für die Item-Entwicklung in den jeweiligen Fächern als Orientierungsrahmen Anwendung finden sollen. Abbildung 3 Orientierungrahmen für Item-Entwicklung Die folgenden Darstellungen beziehen sich ausschließlich auf die erste und zweite Säule. Um ein differenziertes Bild davon zu erhalten, welche Inhalte an den Universitäten vorwiegend gelehrt werden, wurde je Fach eine Modul- <?page no="64"?> 64 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand handbuchanalyse durchgeführt, bei der die Vorgaben der Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung der KMK (Säule 1 ) mit den Modulhandbüchern (Säule 2 ) von insgesamt 16 Universitäten abgeglichen wurden. Modulhandbücher eignen sich im besonderen Maße für diese inhaltliche Erhebung, weil sie die universitären Curricula stabil wiedergeben. Es wäre nicht möglich gewesen, diese notwendigen Informationen aus den wechselnden Veranstaltungsverzeichnissen zu entnehmen. Aus der Analyse resultiert ein Themenspektrum, das die an allen untersuchten Universitäten weitgehend übereinstimmend gelehrten Fachinhalte widerspiegelt. Diese Schnittmenge an Lehrinhalten diente uns als Grundlage für die Item-Entwicklung. Betrachtet man in diesem Zusammenhang beispielhaft den Bereich Sprachwissenschaft, so würde aus der vergleichenden Modulhandbuchanalyse als ein Ergebnis resultieren, dass Themen wie „Spracherwerb“ oder „Mehrsprachigkeit“ nicht mit in den Leistungstest aufgenommen werden könnten, da diese Themenbereiche gemäß der geltenden Modulhandbücher nicht fester Bestandteil der untersuchten Fachcurricula an den deutschen Universitäten sind. Dieses Ergebnis wirft grundsätzliche Fragen auf, denn gerade diese Themen erscheinen für einen Test, der das relevante Professionswissen angehender Fremdsprachenlehrkräfte messen soll, von besonderer Relevanz. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für die Teildisziplinen Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft. Eine Beschränkung auf den bundesweit kleinsten gemeinsamen Nenner kann demnach nicht der Weg zum Ziel sein, professionelles Wissen angehender Fremdsprachenlehrkräfte zu erheben. Das Ziel muss vielmehr sein, alle in den KMK Standards für die Lehrerbildung erwähnten Themen angemessen zu berücksichtigen. In Bezug auf die Item-Entwicklung ergibt sich nun aber folgendes Problem: Die hohe Anzahl an Teilbereichen in den einzelnen Fachdisziplinen, die innerhalb der Ausbildung relevant sind, und die geringe Spezifizierung bei der Themenvorgabe würden die Entwicklung eines repräsentativen Tests erheblich erschweren. Untersucht man beispielhaft die Rahmenvorgaben für den Bereich „Sprachwissenschaft“ ( KMK 2008 : 40 ), so ist festzustellen, dass den einzelnen Stichpunkten diverse Unterthemen zuzuordnen sind. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass aufgrund zeitlicher Einschränkungen bei der Testdurchführung nicht genügend Items pro zuzuordnendem Inhaltsbereich gestellt werden können, weshalb in jedem Fall eine repräsentative Auswahl getroffen werden muss. <?page no="65"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 65 5.2 Thematische Auswahl zur Item-Entwicklung In Anerkennung der dargelegten praktischen Probleme bei der Testkonstruktion ist die Projektgruppe darin übereingekommen, jeweils nur einen der in den KMK Standards für die Lehrerbildung genannten Teilbereiche zu operationalisieren. Für das Fach Romanistik fiel die Entscheidung auf den Bereich Sprachwissenschaft. Allerdings wirft diese Einschränkung bei aller Notwendigkeit auch Fragen auf: Inwiefern ist es gerechtfertigt, einen reinen „Linguistiktest“ als Kompetenztest für angehende Lehrkräfte auszugeben? Würde in diesem Fall wirklich das Professionswissen angehender Lehrkräfte gemessen werden, wenn in einem Item beispielsweise geprüft wird, worin der Unterschied zwischen einem Phonem und einem Phon liegt, oder sollten das nicht auch diejenigen Studierenden wissen, die nicht das Lehramtsprofil gewählt haben? Welche weiteren Parameter sind bei dieser Messung notwenig, um die Spezifika bei der Ausbildung von Lehramtsstudierenden zu ermitteln? Lehramtsstudierende der Fächer Spanisch und Französisch und vermutlich weiterer Fremdsprachen lernen in ihrem Studium, so die Curricula, die Strukturen der Sprache kennen, können sprachliche Varietäten erkennen und beschreiben und werden mit sprachwissenschaftlichen Modellen vertraut. Bei zahlreichen informellen Gesprächen mit Studierenden stellt man allerdings fest, dass auf den ersten Blick für viele nicht klar zu sein scheint, wofür sie dieses Fachwissen als Lehrkraft später benötigen, da sie davon ausgehen, dass sie eine wissenschaftliche Disziplin wie z. B. die Linguistik in der Schule gar nicht unterrichten müssen. Als wichtigen Professionalisierungsbereich für ihre später im Lehrerberuf erforderliche Kompetenz begreifen viele Studierende die Linguistik erst spät im Verlauf des Studiums - manche wohl auch gar nicht. Insbesondere erscheint vielen Lehramtsstudierenden die Diskrepanz zwischen ihren eigenen Studieninhalten und den bei den Schülerinnen und Schülern zu fördernden Kompetenzen, recht groß zu sein, eine wohl nicht nur in den fremdsprachlichen Fächer, sondern auch darüber hinaus sehr verbreitete Kritik. Aus unserem Blickwinkel verweisen wir hierzu auf den am Anfang dieses Beitrags diskutierten ersten Teil eines lehramtsbezogenen Kompetenzprofils, in dem die fachliche Breite und Tiefe eine wesentliche Rolle spielen. Wir müssen aber zugleich einräumen, dass die Einschränkung unserer eigenen Untersuchung auf den Kompetenzprofilbereich zwei dieser verbreiteten Kritik in gewissem Maße Rechnung trägt. In jedem Fall führten uns die hier angerissenen Problematisierungen und die daraus resultierenden Erkenntnise zu dem Vorsatz, das linguistische Wissen ausdrücklich zu der späteren Tätigkeit als Lehrkraft in Bezug zu setzen und diese Verbindung in den Items fest zu verankern. Für die inhaltliche Ausgestaltung des Tests war es somit erforderlich, genau diejenigen Wissensbereiche zu <?page no="66"?> 66 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand ermitteln, welche die Lehrkräfte in Ausübung ihres Berufs zur Förderung der fremdsprachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler benötigen. 5.3. Operationalisierung der Kompetenzbereiche für die Item-Bildung Die Schülerkompetenzen werden in den KMK -Bildungsstandards für die erste und die fortgeführte Fremdsprache definiert ( KMK 2003 und KMK 2012 ). Demnach sollen die Schülerinnen und Schüler die folgenden funktional-kommunikativen Fertigkeiten erwerben: Hörverstehen, Leseverstehen, Schreiben, Sprachmittlung und Sprechen. Dazu werden bei den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache ( KMK 2003 : 8 ) die sprachlichen Mittel Grammatik, Wortschatz, Orthographie und Aussprache/ Intonation aufgeführt, bei denen für die fortgeführte Sprache wird lediglich auf das Verfügen über sprachliche Mittel und kommunikative Strategien hingewiesen ( KMK 2012 : 12 ). Eine Lehrkraft soll selbstverständlich nicht nur selbst über diese Fertigkeiten verfügen, sondern sie soll vor allem dazu in der Lage sein, diese auch bei den Schülerinnen und Schülern zu fördern, wozu sie allerdings selbst umfassende Strukturkenntnisse der zu unterrichtenden Sprache benötigt. Im Unterricht einer modernen Fremdsprache ist die zu vermittelnde Sprechfertigkeit als besonders wichtige kommunikative Fertigkeit anzusehen, was im Allgemeinen auch der besonderen Erwartungshaltung der Schülerinnen und Schüler im Fremdsprachenunterricht entspricht. Es ist gerade der Kompetenzaufbau im aktiven Gebrauch der Fremdsprache, der in erheblichem Maße zu der Motivation der Lernenden beiträgt. Auch stets wiederkehrende kritische Haltungen zum Unterricht lassen sich daraus bisweilen ableiten: […] in einschlägigen empirischen Untersuchungen wurde übereinstimmend eine aus Schülersicht beklagte Überbetonung formalsprachlicher Vermittlung im Französischunterricht sowie eine Vernachlässigung des Trainings mündlicher Kommunikationsfähigkeit konstatiert. Eine Fremdsprache „können“ heißt für viele Schüler in erster Linie einmal sie sprechen zu können (Tesch/ Grotjahn 2010: 202). Genau auf diese Teilkompetenz des Sprechens soll das Augenmerk in unserer Teilstudie zum Fach Spanisch gelegt werden. Im Hinblick auf die Testkonstruktion ergibt sich somit die Aufgabe, all diejenigen linguistischen Inhalte herauszufiltern, welche für die Förderung der Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht relevant sind. Zu diesem Zweck wurden die Bildungsstandards für die erste und die fortgeführte Fremdsprache analysiert. Da die kommunikative Kompetenz zu dialogischem und monologischem Sprechen nicht als isolierte Fertigkeit gilt, sondern nur mit Hilfe des aktiven Gebrauchs sprachlicher Mittel realisiert werden kann, wird diese in die Untersuchung mit einbezogen. Für die Sprechkompetenz sind aber insbesondere die Grammatik, der Wortschatz und <?page no="67"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 67 die Aussprache bedeutsam. In den entsprechenden Ausführungen zu den einzelnen Kompetenzbereichen in den Standards für die Schülerinnen und Schüler lassen sich Hinweise auf notwendige linguistische Ressourcen entdecken. Anhand des folgenden Beispiels zur Aussprache und Intonation kann dies verdeutlicht werden: “Aussprache und Intonation Die Schülerinnen und Schüler • können verschiedenartige Aussprachevarianten der Zielsprache verstehen, • beherrschen die Aussprache in der Weise, dass diese i. d. R. weder auf der Wortnoch auf der Satzebene zu Missverständnissen führt, • können die Zeichen der Lautschrift sprachlich umsetzen.” ( KMK 2003 : 15 ). Bei der Durchsicht der Beschreibungen zu den übrigen Bereichen (Grammatik, Wortschatz, zusammenhängendes und dialogisches Sprechen) sind wir in vergleichbarer Weise verfahren. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die KMK vorwiegend Hinweise auf sprachbeschreibende Disziplinen gibt. Man kann daher beispielsweise dem Bereich der Aussprache und Intonation als Schwerpunkte die sprachbeschreibenden Disziplinen Phonetik und Phonologie zuordnen. Analysiert man die Beschreibungen zum Bereich Grammatik, so stehen die Disziplinen Syntax und Flexionsmorphologie im Vordergrund. Zur Förderung des Wortschatzes wird auf Kenntnisse in den Gebieten Semantik und Lexikologie hingewiesen. Für das zusammenhängende und dialogische Sprechen als funktionale-kommunikative Fertigkeit ist es darüber hinaus hilfreich, sich mit pragmatischen und textlinguistischen Inhalten auszukennen. (vgl. KMK 2003 : 14 f.) In dem Textabschnitt zur Aussprache und Intonation (s. o) werden im ersten Punkt die Aussprachevarianten genannt. Dies deutet darauf hin, dass neben dem Thema der Sprachbeschreibung auch weitere linguistische Disziplinen sekundär relevant sind. Im genannten Beispiel handelt es sich um den Bereich der Varietätenlinguistik. Ebenso kann man die grundlegenden sprachwissenschaftlichen Theorien bei der Item-Entwicklung nicht außer Acht lassen. So stellt sich an dieser Stelle erneut die Frage nach der inhaltlichen Schwerpunktsetzung innerhalb des Kompetenztests: Beschränkt man sich auf die aus der Analyse der Bildungsstandards herausgearbeiteten Hauptthemen Phonetik/ Phonologie, Syntax, Morphologie und Pragmatik, oder sollte man nicht auch ebenfalls die sekundär relevanten Themen in der Erhebung berücksichtigen? Unsere Entscheidung fiel zugunsten der erweiterten Einbeziehung fachwissenschaftlicher Aspekte. Eine mögliche Lösung zum Problem der Integration aller <?page no="68"?> 68 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Teilbereiche bei einer gleichzeitig schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf die sprachbeschreibenden Disziplinen wird im folgenden Modell dargestellt: Abbildung 4 Modell für die Item-Entwicklung <?page no="69"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 69 Der entwickelte Test ist demnach in vier Hauptbereiche gegliedert, die bei der Itementwicklung vordergründig zu berücksichtigen sind. In diese Items fließen aber die für die Sprechkompetenz zusätzlich relevanten Bereiche mit ein. Innerhalb der Studie ist es aus den weiter oben genannten Gründen darüber hinaus wichtig, den erwähnten Praxisbezug auch in den Items sichtbar werden zu lassen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass im Item-Stamm eine möglichst authentische Unterrichtssituation evoziert wird, die ein Item in drei Schritten veranschaulichen soll: Eine erste Teilfunktion des Items besteht darin, die Unterrichtssituation transparent zu machen. In einem weiteren Schritt ist es die Aufgabe der Probanden, das dysfunktionale Element aus linguistischer Sicht zu begründen, um abschließend Konsequenzen oder Lösungsansätze für den Fremdsprachenunterricht zu benennen. 6 Ausgewählte Item-Beispiele Die konzipierten Items sollen vor der grundsätzlich geplanten bundesweiten Durchführung der Studie eine Experten-Validierung erfahren und in einer Pilotstudie auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden. Die gesamte Item-Batterie hier vorzustellen würde den vorgegebenen Rahmen sprengen und wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch verfrüht, da die definitive Item-Auswahl noch nicht abschließend feststeht. Die hier beispielhaft vorgestellten Items aber sollen die Konzeptualisierung illustrieren und zu einer ersten kritischen Diskussion hinführen. 6.1 Item-Beispiel aus dem Bereich Phonetik und Phonologie Dieses Item ist dem Bereich Phonetik und Phonologie zugeordnet. Im Vordergrund steht der Umgang mit Aussprachevarietäten im Spanischunterricht, was aufgrund sprachlicher Unterschiede zwischen Spanien und den hispanophonen Ländern Süd- und Mittelamerikas von besonderer Bedeutung ist. Eine Spanischlehrkraft ist dazu angehalten, nicht nur die Existenz und die nennenswerten Charakteristika der verschiedenen Varietäten zu kennen, sondern dieses Themenfeld auch in ihren Unterricht zu integrieren. Dabei geht es sowohl darum, besondere Eigenschaften zu thematisieren, als auch das Bewusstsein darüber bei den Lernenden zu schärfen. Damit befinden wir uns mit diesem Item an einer Übergangsstelle zu angrenzenden Bereichen wir z. B. dem der interkulturellen kommunikativen Kompetenz. Im hier dargestellten Beispiel wird der Proband dazu angehalten, eine sprachliche Varietät im Unterricht zu behandeln: <?page no="70"?> 70 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Stellen Sie sich folgende Situation in der Schule vor: Sie üben mit Ihrer Klasse die Aussprache des folgenden Lautes: <ll> [ʎ]. Dabei beziehen Sie sich auf das castellano estándar. Ein Schüler/ Eine Schülerin erzählt, er/ sie habe einen Freund/ eine Freundin in Argentinien, der/ die diesen Laut eher wie einen Zischlaut aussprechen würde. a. Geben Sie Ihrem Schüler/ Ihrer Schülerin eine kurze linguistisch-basierte Erklärung! b. Stellen Sie die Lautentwicklung mit Hilfe des API dar! c. Nennen Sie ein weiteres Beispiel aus einer weiteren Varietät und erläutern Sie Ihren Schülern, warum die spanische Sprache in so vielen Varietäten vorkommt. Das vorgestellte Beispiel zeigt eindeutig, worin die Komplexität der Item-Bildung besteht. Versucht man den Fokus, so wie im aktuellen fachdidaktischen Diskurs postuliert, von dem Fehler wegzuführen und sprachpragmatische Aspekte in den Unterricht zu integrieren, kann sich die Fragestellung nicht auf die bloße phonetische Ebene reduzieren lassen und muss zahlreiche Bereiche integrieren. An sich erhalten die Probanden hier die Gelegenheit, nicht nur ihr Fachwissen unter Beweis zu stellen (bei b und Anteilen von a), sondern auch die Fähigkeit zur Bewältigung einer unterrichtspraktischen Situation. Ein Risiko stellt zunächst die Tatsache dar, dass bereits in der Fragestellung Wissen vorausgesetzt wird, welches - sollte es nicht vorhanden sein - die richtige Bearbeitung derselben verhindert. Ferner kann der Proband - selbst wenn er über das linguistische Fachwissen verfügt - daran scheitern, dass er vielleicht nicht dazu in der Lage ist, auf die richtigen fachdidaktischen Strategien zu rekurrieren, um a und c überzeugend zu meistern. Überprüft man weitere Eigenschaften dieses Items, so stellt sich die Frage, inwiefern sich dieses konstruierte Szenario für den Spanischunterricht authentisch gestaltet. Eine kritische Diskussion um diesen so relevanten Aspekt zieht sich durch die gesamte Item-Batterie. Die Validierung durch Experten und die Pilotierung durch Probanden werden daher unabdingbare Maßnahmen zur Überprüfung sein, so dass festgelegt werden kann, welche Kompromisse zugunsten der Beantwortung der Forschungsfragen in Kauf genommen werden müssen. 6.2 Item-Beispiel aus dem Bereich Semantik und Lexikologie Lesen Sie folgende Schüleraussage und füllen Sie im Anschluss den Lückentext aus. „ Ayer busqué un libro pero no lo pude encontrar en mi regalo. “ <?page no="71"?> Der Aufbau des fachspezifischen Professionswissens 71 a. Der Fehler in diesem Satz liegt in dem Wort _____________! b. Aus semantischer Sicht entspricht hier das _____________ nicht dem _____________ gemäß der grundlegenden Dichotomie von Ferdinand de Saussure. c. Im schulalltäglichen Gebrauch kennt man dieses linguistische Phänomen auch unter dem Begriff __________. Die hier vorgestellte Aufgabe besteht darin, einen sogenannten „falschen Freund“ zu ermitteln, welcher im oben genannten Satz dem Wort regalo entspricht. Diesem Item kann durchaus eine hohe Authentizität attestiert werden, da derartige Interferenzen bei der Lernersprache oft vorkommen und durch den Einsatz mehrsprachiger Lernstrategien auch noch begünstigt werden können. Aus linguistischer Sicht kann man das Phänomen der „falschen Freunde“ mit den Fachtermini signifiant und signifié von Ferdinand de Saussure untermauern. Sicher drängt sich die Frage auf, ob an dieser Stelle nicht eine weitere Rubrik notwendig wäre, um den Umgang mit diesem Phänomen im Unterricht zu problematisieren. Dabei ergibt sich dieser allerdings implizit aus der Auseinandersetzung mit Teil b. Inwiefern dadurch aber die “Brücke” zwischen Fachwissen und fachdidaktischer Implementierung im Spanischunterricht geschlagen werden kann, wird stets von anderen Fertigkeiten der Lehrkraft abhängen. Nicht zu leugnen ist aber, dass die erwartbare Kompetenz der Fremdsprachenlehrkräfte im Bereich des Wortschatzes eine zentrale Rolle für die Vermittlung von Semantisierungsstrategien für die Lerner spielt, so dass das hier vorliegende Item eine hohe Legitimationskraft aufweist. 7 Fazit Anhand der beiden kommentierten Item-Beispiele konnte vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen gezeigt werden, dass das geplante Testverfahren in der Praxis auf Grenzen stößt, die jedoch die gewünschte Messung und Beantwortung der Forschungsfragen letztlich nicht unmöglich machen. In den einführenden Kapiteln dieses Beitrags haben wir dazu Gedanken einer neuen theoretischen Basis vorgestellt und darauf aufbauend die problematische Konstruktion eines geeigneten Messinstruments zur Erfassung der sich im Fachstudium entwickelnden Professionskompetenz von Lehramtsstudierenden der Fremdsprachen diskutiert. Betrachtet man die zunehmend laut werdenden Forderungen nach Optimierung der universitären Ausbildung - gerade in Anbetracht der tendenziell kürzer werdenden zweiten Ausbildungsphase - so führt kein Weg daran vorbei, die curricularen Inhalte im Studium verstärkt mit den in der beruflichen Realität gegebenen Anforderungen abzustimmen. Dabei darf aber keineswegs der bloßen Reduktion der Studieninhalte auf die passgenauen <?page no="72"?> 72 Ulrich Hoinkes/ Pirko Weigand Bedarfe im Klassenraum Tür und Tor geöffnet werden, wie es von manchen Akteuren gefordert wird. Vielmehr gilt es, den heutigen Anforderungen in der sich stets weiterentwickelnden Schullandschaft durch eine Neumodellierung der Professionskompetenz von Lehrkräften gerecht zu werden. Messinstrumente wie das von uns im Rahmen unseres Forschungsprojekts entwickelte und hier vorgestellte sind Skizzen gangbarer Wege, die zwar nur Minimalanteile innerhalb der Gesamtausbildung abdecken, aber - so hoffen wir zumindest - durchaus einen gültigen Mustercharakter für weitere Studien haben können. 8 Literatur Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9/ 4, 469-520. Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV . In: Kunter et al., 29-54. Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike/ Blum, Werner/ Klusmann, Uta/ Krauss, Stefan/ Neubrand, Michael (2011). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Unterricht und die mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern ( COACTIV ) - Ein Forschungsprogramm. In: Kunter et al., 7-26. 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Über die Auswahl von Items im FALKO -E Test zum fachspezifischen Professionswissen Petra Kirchhoff Bei der Entwicklung und Auswahl von Testitems zum fachspezifischen Professionswissen von Englischlehrkräften stehen psychometrische Testkriterien häufig im Widerstreit mit der Augenscheinvalidität eines Tests sowie mit normativen Setzungen aus der Heuristik des Fachs. In dieser Auseinandersetzung entscheidet sich, welche Inhalte des Professionswissens von Englischlehrkräften objektiv, reliabel und valide abgeprüft werden sollten und können. Dieser Beitrag beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Kriterien und dem Prozess der Auswahl von Items für FALKO -E, einem itembasierten Populationstest zum domänenspezifischen Lehrerwissen im Fach Englisch. Als Datenbasis dient eine Vorstudie zu FALKO-E mit insgesamt 125 Teilnehmern. 1 Damit macht FALKO-E einen wichtigen Schritt in der empirisch basierten Konzeption und Entwicklung eines domänenspezifischen Professionswissenstests. FALKO -E entsteht im Rahmen der Zusammenarbeit der interdisziplinären FALKO -Arbeitsgruppe an der Universität Regensburg und fügt sich in ein eng abgeglichenes Rahmenkonzept ein, das sich an der Grundkonzeption der COACTIV -Studie (Krauss et al., 2011 ) orientiert. An FALKO beteiligen sich neben Englisch die Fächer Deutsch, Mathematik, Latein, Musik, Evangelische Religion und Naturwissenschaft und Technik. Diese Fachdisziplinen gehen folgenden Fragen zu manifesten und latenten Korrelationen nach: Welcher Grad an Homogenität kann in dieser gering strukturierten Domäne des Professionswissens von Englischlehrkräften überhaupt nachgewiesen werden? Wie eng sind fachdidaktisches und fachwissenschaftliches Wissen vernetzt? Ergeben sich signifikante Unterschiede zwischen Lehrkräften und Studierenden sowie zwischen den Lehrkräften und Studierenden unterschiedlicher Schularten? Welche manifesten Korrelationen zeigen sich zwischen fachdidaktischem Wissen sowie Fachwissen und Indikatoren des Schulbzw. Studienerfolgs? Welche Aussagen können beispielsweise bezüglich der Geschlossenheit der Konstrukte Fachwissen und fachdidaktisches Wissen im Vergleich der beteiligten Fächer gewonnen werden? 1 Eine ähnliche Vorstudie zur Kompetenzmessung von Lehrkräften im Fach Latein (FAL- KO-L) publizierten Lindl und Kloiber ( 2015 ). <?page no="76"?> 76 Petra Kirchhoff 1 Konzeption domänenspezifischen Professionswissens in FALKO-E 1.1 Gesamtkonstrukt Da Englisch den gering strukturierten Wissensdomänen zugerechnet wird (Blömeke, 2014 ), stellt die Modellierung des domänenspezifischen Professionswissens die Forschung vor keine leichte Aufgabe (vgl. ausführliche Diskussion in Kirchhoff, 2016 ). Zur Modellierung des domänenspezifischen Professionswissens greift die Studie FALKO-E teilweise auch auf qualitative und hermeneutische Forschungsarbeiten zurück (z. B. Appel, 2000 ; Borg, 2003 , 2006 ; Caspari, 2003 ; Freeman, 2002 ; Freeman & Johnson, 1998 ; Freeman, McBee Orzulak, & Morrisey, 2009 ; Müller-Hartmann & Schocker-v. Dithfurth, 2001 ; Schockerv. Ditfurth, 2001 ). Quantitative Arbeiten zum Professionswissen von Lehrkräften gibt es bislang nur vereinzelt. Ein Beispiel hierfür ist die TEDS-LT Studie (Roters, Nold, Haudeck, Keßler, & Stancel-Piatak, 2011 , S. 80 ), die auf den Vorgaben für die Lehrerbildung in den Bildungsstandards der KMK sowie auf Expertenwissen von Fachdidaktikern an Hochschulen basiert. TEDS - LT entwickelte und beforschte ein Testinstrumentarium für den Zugewinn an professionellem Wissen im Verlauf des Lehramtsstudiums. Mit dem Teacher Knowledge Test ( TKT ) legt das Cambridge English Language Assessment (Cambridge English Language Assessment, 2016 a) jedes Jahr ein Testinstrument zum Professionswissen von Englischlehrkräften vor. Dieses kommerzielle, weltweit vertriebene Testangebot richtet sich an Englischlehrkräfte mit geringer beruflicher Praxis und ohne Qualifikationsnachweis durch ein Lehramtsstudium. Für diesen Test stehen umfangreiches kostenpflichtiges Trainingsmaterial zur Testvorbereitung (Spratt, Pulverness, & Williams, 2011 ) und Online-Weiterbildungsmodule zur Verfügung (Cambridge English Language Assessment, 2016 b). Der TKT enthält ausschließlich Multiple-Choice-Items zu basalem Fachwissen sowie zu grundlegenden Kenntnissen über Oberflächenprozesse der Stundenplanung und der Klassenführung im Englischunterricht. Damit entspricht er nicht den inhaltlichen Anforderungen eines Professionswissenstests für Lehrkräfte mit einem abgeschlossenen Lehramtsstudium. Im Gegensatz zu TEDS - LT und dem TKT steht bei FALKO -E nicht nur der Zugewinn an deklarativem fachdidaktischen Wissen und Fachwissen, das während des Studiums oder in einer kurzen Phase der Tätigkeit als gering qualifizierte Lehrkraft erworben wurde, im Fokus der Untersuchung. FALKO -E will vielmehr das Erfahrungswissen in der Phase intensiver Lehrerbildung sowie im Berufsverlauf erfassen. Erfahrungswissen wird hier im Sinne der Erfahrung im fachspezifischen unterrichtlichen Handeln verstanden. 2 Daher werden die 2 Appel unterscheidet drei Ebenen des Erfahrungswissens: „Erfahrung zu haben bedeutet, etwas tun zu können, zum Beispiel mit der Unterrichtssituation zurecht zu kommen. <?page no="77"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 77 fachdidaktischen Testitems in FALKO-E in Form von Fallvignetten abgefragt, die einen Entscheidungs- und Handlungsbedarf in einer realistischen Unterrichtssituation sichtbar machen. Um eine hohe Vergleichbarkeit herzustellen, wurden im FALKO -Projekt sowohl die Testkonstrukte als auch das methodische Vorgehen in den unterschiedlichen Fachdomänen aufeinander abgestimmt. Dies bedeutet konkret, dass sich alle FALKO-Teilprojekte im Kern an Shulmans Wissenstaxonomie für Lehrkräfte orientieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Konzeptualisierung des domänenspezifischen Professionswissens. Neben zwei in allen Fächern vertretenen Facetten des fachdidakischen Wissen (Wissen um Schülerkognition und Wissen um schülergerechtes Erklären und Darstellen) fokussiert jedes Fach zudem eine dritte fachspezifische Subfacette: So wurde bei FALKO-E das Wissen um das Lehr-/ Lernpotential von Aufgaben und Texten hinzugefügt. Folgende Facetten des Professionswissens werden in FALKO -E erfasst. 3 Abbildung 1 Facetten des Professionswissens Erfahrung wird zweitens im Laufe einer Biografie als Lebenserfahrung erworben […] Erfahrung ist drittens sozial. Sie wird in vergleichbaren Situationen von mehreren Personen gemacht. Diese haben hierdurch Wissen, Ansichten und Wertvorstellungen miteinander gemeinsam.“ (Appel, 2001 , S. 187 ). Auf die erste Ebene nimmt FALKO-E Bezug. 3 Die fremdsprachliche Kompetenz der individuellen Lehrkraft im Englischen konnte in FALKO-E aus Gründen der Testpraktikabilität und der beschränkten Ressourcen nicht abgeprüft werden. <?page no="78"?> 78 Petra Kirchhoff Ein besonderer Fokus dieser Forschungsarbeit liegt in der Erstellung und Validierung der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Items. Insbesondere die Konstruktion der fachdidaktischen Items erwies sich im Laufe der Testerstellung im Gegensatz zur vergleichsweise einfachen Entwicklung des fachwissenschaftlichen Fragebogens als besondere Herausforderung, da hier vor allem das Erfahrungswissen der Lehrkräfte erhoben werden soll. FALKO -E hat nicht den Anspruch, die gesamte Bandbreite des Schulfachs Englisch abzudecken. Vielmehr orientiert sich der Test an den Erfordernissen der Sekundarstufe I in allen Schularten. Der in dieser Vorstudie durchgeführte Test beinhaltet Items zu Professionswissen, das zwei Kriterien erfüllt: erstens die von Experten zugemessene Augenscheinvalidität und zweitens die weitestmögliche wissenschaftliche Absicherung. Unter Relevanz wird hier die von Experten geschätzte Relevanz des Wissens als eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit im Fach Englisch verstanden. Somit orientieren sich die Auswahl und die Erstellung der Items für die Vorstudie an normativen Setzungen für das Fach. Zudem sollten die Items nur von Lehrkräften des jeweiligen Fachs und nicht von Lehrkräften anderer Fächer oder von Laien zufriedenstellend beantwortet werden können. 1.2 Fachdidaktisches Professionswissen (FDW) Kategorisiert man die Items nach der Heuristik der fachdidaktischen Forschung und Lehre, so ergibt sich folgende Übersicht der inhaltlichen Dimensionen von FALKO -E: Fachliche subdimensionen themen Sprachdidaktik • Grammatik: Kompetenzorientierte Erklärung in Selbstlernmaterialien • Grammatik: Erwerb des 3. Person-Singular-s • Grammatik: Spontane Erklärung zur Semantik von sprachkontrastiv relevanten Formen des Futurs • Vokabular: Korrektur eines fehlerhaften Eintrags in ein Vokabelheft • Aussprache: Intervention bei Auslautverhärtung • Schreiben: Optimierung einer Aufgabenstellung • Mediation: Auswahl eines Ausgangstextes Literaturdidaktik • Drama: Inszenierung eines Mini-Dialogs • Narrativer Text: Voraussetzung für Textverstehen Interkulturelles Lernen Faktoren: Wissen, Können, Einstellungen anhand eines literarischen Textes Tabelle 1 Inhaltliche Dimensionen der Testung Fachdidaktik <?page no="79"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 79 Auf den ersten Blick wird deutlich, dass FALKO -E überwiegend sprachdidaktische Aspekte testet. Da sich FALKO an den Erfordernissen der Sekundarstufe I orientiert, ist diese Fokussierung nur folgerichtig, denn der Englischunterricht in dieser Lernphase beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Aufbau der fremdsprachlichen kommunikativen Kompetenz. Der bilinguale Sachfachunterricht wurde nicht berücksichtig, weil es sich dabei nicht in erster Linie um Englischunterricht handelt. Die Bearbeitung des fachdidaktischen Fragebogens mit insgesamt 14 Items nimmt in etwa 60 Minuten in Anspruch. Die folgende Abbildung 2 gibt einen ersten Einblick in die Gestaltung der Items sowie in die Lösungsansätze, die im Kodiermanual detailliert festgelegt sind. Ausgewählt wurden Beispiele, die im Rahmen der Itemselektion diskussionswürdig waren (vgl. Kap. 4 ). An allen folgenden Beispielen lassen sich sowohl die Kriterien als auch der Prozess der Itemauswahl exemplarisch veranschaulichen. In dem ersten Beispielitem werden die Testteilnehmer aufgefordert, aus zwei Textversionen mit dem Titel „Potter fans, don’t buy pet owls! “ einen Ausgangstext für eine konkrete Mediationsaufgabe zu wählen. In der Vorstudie schrieben Lehrkräfte diesem Item gute Werte in der Augenscheinvalidität ( MW : 3 , 10 SD : , 752 ) zu. BeisPieLitem 1 : Fachdidaktisches Wissen (FDW), Schülerkognitionen ITEM IN FRAGEBOGEN Sie möchten mit ihrer Klasse im dritten Lernjahr folgende Mediationsaufgabe durchführen: MEDIATION : Look at this Internet article. Your little brother asks you what it is about. He doesn’t speak any English. Explain it to him in four German sentences. Dazu stehen Ihnen die folgenden zwei Versionen eines Texts zur Verfügung: Version A Potter fans, don’t buy pet owls! Animal experts are warning Harry Potter fans not to buy pet owls but to sponsor them instead. Lots of children around the world are crazy about Harry Potter and his owl, Hedwig. So more and more children are buying owls as pets, which cost around £30 to £40. But very soon some of the children find their owls boring and set them free in the wild, where a lot of them die. <?page no="80"?> 80 Petra Kirchhoff BeisPieLitem 1 : Fachdidaktisches Wissen (FDW), Schülerkognitionen Why do they die? This is because many of them have lived all their life with people. They have never learned how to find food and live with other owls in the wild. Agatha Dowling, who works at a bird rescue centre, said: “Life for a pet owl is very sad. Their lives are not the same as normal owls. Not many people buy two owls, so they are often on their own.” She added: “It is a much better idea to go to a local bird rescue centre. Here you can sponsor and visit young owls that hopefully can go back into the wild. This way, anyone who really likes owls can do a lot of good for the beautiful birds.” Version B Potter fans, don’t buy pet owls! Animal experts are warning Harry Potter fans not to buy pet owls but to go to animal rescue centres instead. Lots of children around the world are crazy about Harry Potter and his owl, Hedwig. So a lot of children are buying owls as pets. But very soon some of the children find their owls unexciting and set them free in the wild, where a lot of them die. Why do they die? This is because many of them have lived all their life without their fellow animals. They don’t know how to hunt for their food and live with other owls. Agatha Dowling, who works at a bird rescue centre, comments: “They live a very sad life and they are often on their own.” She added: “Go to a local bird rescue centre. There you can sponsor and visit young owls that hopefully can go back into the wild.” Welche der beiden Textversionen würden Sie für die Mediationsaufgabe wählen? Kreuzen Sie an. A B KODIERMANUAL Richtige Lösung: A ITEM IN FRAGEBOGEN b) Geben Sie mindestens drei Gründe für Ihre Auswahl an. ...................... KODIERMANUAL Dichte an Informationen und Textlänge: Version A ist länger und weist zahlreiche redundante Stellen auf. Höhere Kohärenz und Kohäsion in Version A Lexik: Elaboriertes Vokabular in Version B, Vokabular in Version A eher dem Sprachniveau der Schüler entsprechend Abbildung 2 Beispielitem aus den FALKO-E-Tests zum fachdidaktischen Wissen (FDW) von Englischlehrkräften und verkürzte Darstellung des Lösungsansatzes im Kodiermanual <?page no="81"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 81 Die Dramendidaktik bietet vielfältige Möglichkeiten für den Englischunterricht auf allen Jahrgangs- und Niveaustufen (Bredella, 2008 ; Hallet & Surkamp, 2015 ; Maley & Duff, 1978 , 2005 ; Phillips, 1999 ; Wilson, 2008 ). Dies muss nicht zwangsläufig das In-Szene-Setzen eines längeren dramatischen Textes sein. Auch bereits ein Rollenspiel auf der Basis eines dialogischen Lehrbuchtextes ist eine erste dramendidaktische Umsetzung, die von Seiten der Lehrkraft angeleitet werden will, soll die Darstellung gelingen. Daher ist es bedauerlich, dass gerade diese zweite Aufgabe von den Testteilnehmern mit den niedrigsten Werten in Augenscheinvalidität ( MW : 2 , 52 SD : , 743 ) im fachdidaktischen Testteil bedacht wurde. BeisPieLitem 2 : Fachdidaktisches Wissen (FDW), Potential von Texten ITEM IN FRAGEBOGEN Sie möchten mit Ihren Schülern in der 7. Klasse zum ersten Mal ein kurzes Theaterstück aufführen. Die Schüler sollen folgenden Text inszenieren. Wie bereiten Sie die Schüler bis zur Aufführung vor? Nennen Sie mindestens vier konkrete Vorschläge. KODIERMANUAL • Antwortmöglichkeiten: • Anknüpfen an Eigenerfahrung • Perspektivübernahme • Gespräch über die Situation und die damit verbundene Thematik • Sprachliche und gattungsspezifische Erarbeitung im Unterricht • Lockerungsübungen/ Aktivierung • Dramaturgischen Rahmen schaffen (casting, Kostüme, props) • Körpersprache • Organisation und Proben • Tipps zum Memorieren Abbildung 3 Beispielitem aus den FALKO-E-Tests zum fachdidaktischen Wissen (FDW) von Englischlehrkräften und verkürzte Darstellung des Lösungsansatzes im Kodiermanual 1.3 Fachwissen (FW) Fachwissen wird in FALKO -E weniger als „reines Universitätswissen, das vom Curriculum der Schule losgelöst ist“ interpretiert, sondern analog zur COAC- TIV -Studie vielmehr als „tieferes Verständnis der Fachinhalte des Curriculums der Sekundarstufe I“ (vgl. Krauss et al., 2008 , S. 237 ). Im Fach Englisch wäre dies beispielsweise ein tieferes Verständnis von Wortbildungsmustern des Eng- <?page no="82"?> 82 Petra Kirchhoff lischen oder die Kenntnis von Interferenzfehlern, die deutschen Muttersprachlern im Englischen unterlaufen. 4 Zur Entwicklung des fachwissenschaftlichen Teils wurden für die sprachwissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Bereiche die Empfehlungen von universitären Experten der jeweiligen Fachrichtungen an der Universität Regensburg eingeholt. Die Bearbeitung des fachwissenschaftlichen Fragebogens mit 10 Items nimmt in etwa 45 Minuten in Anspruch. Fachliche subdimensionen themen Sprachwissenschaft (synchron) • Syntax: Analyse syntaktischer Strukturen unter Verwendung von Fachterminologie • Lexik: Benennung gängiger Wortbildungsmuster in aktuellen Zugängen zum Oxford English Dictionary • Spracherwerb: Identifikation von Interferenzfehlern bei deutschen Englischlernern • Aussprache: Identifikation der korrekten Transkription in British Received Pronunciation • Pragmatik: Identifikation der zutreffenden Beschreibung von nicht-wörtlichen Aussagen, z. B. hinsichtlich Verbindlichkeit oder Angemessenheit Literaturwissenschaft • Titelkenntnisse: Nennung von Titeln der modernen Kinder- und Jugendliteratur • Zuordnung von Autoren und Autorinnen zum amerikanischen, kanadischen und britischen Kulturraum • Literarische Formen: Erklärung einfacher literaturwissenschaftlicher Konzepte Kulturwissenschaft Bildanalyse: Kulturgeschichtliche Bezüge einer bedeutenden Darstellung aus der amerikanischen Kulturgeschichte am Beispiel von „Freedom from Want“ (Rockwell, 1942) Tabelle 2 Inhaltliche Dimensionen der Testung Fachwissen Die folgenden Abbildungen 4 und 5 geben einen ersten Einblick in die Gestaltung der fachwissenschaftlichen Items und in die Lösungsansätze. Es muss besonders hervorgehoben werden, dass auch bei diesen Beispielitems aufgrund der errechneten Werte Diskussionsbedarf bestand. Beispielitem 3 fokussierte 4 Gerade das Beispiel der Interferenzfehler zeigt sehr deutlich, wie sehr sich das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen vor allem im Bereich des Spracherwerbs und dem damit verbundenen Konzept der Interlanguage überschneiden. In FALKO-E wurde das Item zur kontrastiven Linguistik dem Fachwissen zugeordnet. <?page no="83"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 83 Basiskenntnisse der englischen Syntax. Dieses Item wurde in Zusammenarbeit mit fachwissenschaftlichen Experten erarbeitet und folgt dementsprechend in seiner Art der Form der Grammatikanalyse im Rahmen des Lehramtsstudiums. Diesem Item fehlt damit die unmittelbare Übertragbarkeit in schulische Kontexte, dennoch ist das zugrunde liegende Wissen für ein vertieftes Verständnis der englischen Sprache seitens der Lehrkraft für die notwendige Durchdringung des Unterrichtsstoffes entscheidend. Es wurde hier ausgewählt, da es im Vergleich niedrige Werte in Augenscheinvalidität ( MW : 2 , 21 SD : 1 , 04 ) erzielte. Abbildung 4 Beispielitem aus den FALKO -E-Tests zum Fachwissen ( FW ) von Englischlehrkräften und verkürzte Darstellung des Lösungsansatzes im Kodiermanual Beispielitem 4 beschäftigt sich anhand von Neuzugängen im Oxford Englisch Dictionary mit Wortbildungsmustern des Englischen. Die hier abgefragten Wörter sind für schulische Englischlerner durchweg relevant, dennoch wird dieses Item von den Lehrkräften als „kaum relevant“ erachtet ( MW = 2 , 32 , SD =, 90 ). <?page no="84"?> 84 Petra Kirchhoff KODIERMANUAL Richtige Antworten: Beschreibungen der Phänomene ohne Fachterminologie werden ebenso positiv gewertet. sciency (adj) Transposition durch Affigierung mit Suffix -cy/ derivation App (n) Abkürzung von application program/ clipping au pair (v) Konversion/ Nullableitung/ Nullderivation zu Verb defriend (v) Affigierung mit Präfix de- und Transposition durch Konversion/ Nullableitung/ Nullderivation des Nomens friend/ Derivation mouseover (n) Komposition/ Zusammensetzung aus mouse und over to review (v) Konversion/ Nullableitung/ Nullderivation - a review (n) LASER Akronym (aus Light Amplification by the Stimulated Emission of Radiation) Abbildung 5 Beispielitem aus den FALKO -E-Tests zum Fachwissen ( FW ) von Englischlehrkräften und verkürzte Darstellung des Lösungsansatzes im Kodiermanual <?page no="85"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 85 2 Validierung des Testinstruments und Entwicklung des Kodiermanuals 2.1 Validierung des Testinstruments Zur ersten Validierung des Tests für die Vorstudie von FALKO -E wurden Experteninterviews (n= 15 ) im Laut-Denken-Verfahren durchgeführt und ausgewertet. An den Interviews nahmen je eine Lehrkraft einer Realschule, Mittelschule, Berufsschule bzw. eines Gymnasiums sowie ein Universitätsangestellter teil. Darüber hinaus gaben zehn in der englischdidaktischen Forschung und Lehre tätigen Wissenschaftler verschiedener Universitäten schriftliche Rückmeldungen zur Augenscheinvalidität der ersten Version des Testheftes. Darüber hinaus wurden die Testitems in der FALKO -Arbeitsgruppe vorgestellt und diskutiert. Hier standen vor allem die deutliche Erkennbarkeit der Domänenspezifik, die Plausibilität der Items neben Formulierungsfragen sowie die Praktikabilität und die Kodierbarkeit zur Sicherstellung einer hohen Interraterreliability im Vordergrund. Insgesamt durchliefen die Testhefte drei Fassungen. Im Experteninterview zur Validierung der Vorstudie erwies sich vor allem die Passung für alle weiterführenden Schulformen als wichtiges Kriterium. In den ersten Experteninterviews zeigte es sich sehr deutlich, dass nicht alle Vermittlungsbereiche von den Lehrkräften unterschiedlicher Schulformen als relevant eingeschätzt wurden. So stuften beispielsweise Lehrkräfte an Real-, Mittel- und Berufsschulen die Verwendung von Kinder- und Jugendliteratur und das interkulturelle Lernen als nicht oder nur wenig relevant für ihre Unterrichtspraxis ein. Aus diesem Grund wurde die Anzahl der Items zu den beiden genannten Themenbereichen reduziert. Folglich weist die in der Vorstudie getestete Version einen deutlichen Schwerpunkt im Spracherwerb auf, der für alle Schulformen gleichermaßen von Bedeutung ist. Die Bearbeitungszeit und die Praktikabilität der Durchführung spielte ebenso eine Rolle. So wurde ein Testitem, bei dem Aussprachefehler einer Englischlernerin anhand einer Tonbandaufnahme diagnostiziert werden sollten, aus dem Testheft genommen. 2.2 Entwicklung des Kodiermanuals Das Kodierschema von FALKO -E wurde von Fachdidaktikern und Lehramtsstudierenden der Universität Regensburg in mehreren Sitzungen entwickelt. Die Fragebögen enthalten jeweils 12 geschlossene und 12 offene Items, wobei halbgeschlossene zu den offenen Items gezählt wurden. So mussten für die 12 offenen Items ausführliche Kodiermanuale entwickelt und deren Effekte auf die Werte der Interraterreliability berechnet werden. In einigen Items war es zudem erforderlich, eine ausreichende Bandbreite an Antworten, z. B. eine Reihe an substantiell unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen, zu beschreiben, um eine hohe Bewertungszahl zu erreichen. Teilweise konnte die Kodierung einzelner Antworten in komplexen offenen Items erst im Diskurs der Kodierer <?page no="86"?> 86 Petra Kirchhoff eindeutig bestimmt werden. Auch wenn dies einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeutet, so sind gerade diese Items von großer Bedeutung, denn mit ihnen kann die im Lehrberuf so entscheidende Bandbreite des individuellen Handlungsrepertoires (Bromme, 2008 , p. 161 ) in einem Test erfasst werden. In einem ersten Schritt zur Entwicklung des Kodiermanuals wurde zunächst ein Erwartungshorizont auf der Basis von Expertenaussagen und Erkenntnissen aus der fachwissenschaftlichen Literatur erstellt. Dieser erste Entwurf des Kodierschemas wurde im zweiten Schritt von den Ratern (geschulte Lehramtsstudierende und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen) immer weiter ausgeschärft und mit zahlreichen Antwortbeispielen aus den eingegangenen Testheften in einem kumulativen Prozess angereichert. Insbesondere diese konkreten Beispiele erweisen sich im Verlauf der Kodierung als überaus hilfreich. 5 3 Durchführung der Vorstudie zu FALKO-E 3.1 Stichprobe und Durchführung An der Vorstudie zu FALKO -E beteiligten sich in insgesamt 125 Studienteilnehmer. Darunter waren sowohl Studierende des Lehramts Englisch (n= 51 , davon weiblich: 78 , 4 %, Durchschnittsalter: M = 26 , 14 ; SD = 1 , 73 ; range [ 22 - 29 ], Studienerfahrung: M = 10 , 42 ; SD = 1 , 85 ; range [ 6 - 13 ], Schularten: 51 GY ) und Unterrichtende (n= 74 , 58 Lehrkräfte, 14 Referendare; 2 Fachwissenschaftler, die aber LA GY studiert und teilw. das 2 . Staatsexamen haben; davon weiblich: 70 , 3 %, Durchschnittsalter: M = 42 , 83 ; SD = 10 , 25 ; range [ 26 - 65 ], Berufserfahrung: M = 8 , 47 ; SD = 7 , 02 ; range [ 1 - 25 ], Schularten: 32 RS ; 35 GY ; 5 Sonstige; 2 keine Angabe). Die Versuchspersonen der Vorstudie wurden für die Teilnahme nicht vergütet. Die Bearbeitung des pen-and-paper tests fand im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Lehrveranstaltungen an der Universität in Anwesenheit der Lehrgangsleiter/ innen statt. 3.2 Psychometrische Gütekriterien Ein wichtiger Schritt in der Konstruktion eines Tests ist die Evaluation der Testgüte anhand der üblichen psychometrischen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität. Diese drücken sich unter anderem in den Werten zur Skalenreliabilität, zur Trennschärfe, zur Augenscheinvalidität und zur Interraterreliabilität aus (vgl. Tabelle 3 im Anhang). Alle diese Aspekte müssen bei der Entscheidung, welche dieser Items in die Endauswertung der Hauptstudie Eingang finden sollen, erwogen werden. 5 Zu einer genauen Vorstellung eines komplexen Kodiermanuals sowie zur Frage der Normativität vgl. Kirchhoff ( 2016 ). <?page no="87"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 87 Nach einer Diskussion der einzelnen Ergebnisse, die in Tabelle 3 zusammengestellt sind, werden die psychometrischen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität anhand der in Kapitel 1 vorgestellten Beispielitems exemplarisch aufgezeigt Skalenreliabilität und Trennschärfen Die ermittelte Skalenreliabilität erreichte mit einem Cronbachs Alpha (α) von . 71 im fachwissenschaftlichen Testteil einen guten Kennwert. 6 Der Test des fachdidaktischen Wissens erreichte mit einem Cronbachs Alpha (α) von . 60 einen eher schwachen Wert. 7 Allerdings könnten diese Werte mit Hilfe einer fokussierten Selektion von Items verbessert werden. Hierzu ist es erforderlich, die Werte der einzelnen Items hinsichtlich ihrer Trennschärfe zu evaluieren. Die Trennschärfen der Items im fachwissenschaftlichen Test bewegen sich in einer Spannweite von . 22 < r it < . 56 und damit alle deutlich über dem als akzeptabel angesehenen Wert. 8 Im fachdidaktischen Wissen ergibt sich allerdings eine Spanne von . 00 < r it < . 48 . So gilt es nun zu erwägen, ob Items mit Trennschärfe < . 20 in der Hauptstudie entfernt oder aus theoretischen oder normativen Gründen beibehalten werden sollten, weil sie didaktisch oder fachlich besonders wichtig sind. Augenscheinvalidität (Face Validity) Ein bedeutendes Gütekriterium für den entwickelten Test ist die Augenscheinvalidität, d. h. die Berufsrelevanz des im jeweiligen Item abgefragten Professionswissens, die den einzelnen Testitems von den Studienteilnehmern zugewiesen wird. Diese ist besonders bedeutsam, da das Ziel von FALCO-E die Entwicklung eines Tests mit außerordentlicher Berufsrelevanz ist. Die Werte in Tabelle 3 beziehen sich auf die von den Testpersonen angegebene Augenscheinvalidität (N = 125 ). Die Bewertung zur Ausbildungsrelevanz 6 Cronbachs Alpha (α) ist ein Maß für die interne Konsistenz (Genauigkeit bzw. Reliabilität) des Tests (= der Skala), das Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Nach Field sind Werte für Cronbachs Alpha ab α ≥ . 70 gut (Field, 2013 , S. 712 f.). 7 Im Vergleich dazu erreichte TEDS-LT . 50 im fachdidaktischen und . 64 im literaturwissenschaftlichen und .77 im linguistischen Teil der Studie ( 2013 , S. 709 f.). 8 Die Trennschärfe (rit) eines Items ist dessen Korrelation mit dem Summenwert der übrigen Items der Skala. Die in Tabelle 6 angeführte durchschnittliche Trennschärfe (M von rit) berechnet sich als arithmetisches Mittel der Trennschärfen der zur jeweiligen Skala gehörigen Einzelitems, wobei das jeweilige Item aus dem Summenwert ausgenommen wurde, um Autokorrelationen zu vermeiden. Die Trennschärfe eines Items (die ebenfalls zwischen 0 und 1 liegen kann) gibt an, wie repräsentativ dieses Item für die Gesamtskala ist. Trennschärfen von rit ≥ . 20 sind in der Regel als akzeptabel anzusehen (Roters et al., 2011 , S. 94 ). <?page no="88"?> 88 Petra Kirchhoff der Testitems wurde sowohl nach jedem einzelnen Item als auch in der Gesamteinschätzung mit folgender vierstufiger Skala erhoben. Ich halte diesen Inhalt für die Ausbildung von Lehrkräften für-… nicht relevant □ kaum relevant □ ziemlich relevant □ sehr relevant □ Abbildung 6 Skala zur Einschätzung der Augenscheinvalidität einzelner Items Insgesamt erreichte die Vorstudie gute Ergebnisse in der durchschnittlichen Augenscheinvalidität (M = 2 , 99 ; SD = , 77 ; Min = 2 , 21 ; Max = 3 , 52 ). Dies bedeutet, dass die Ausbildungsrelevanz des Tests als „ziemlich relevant“ beurteilt wird und keines der Items im Durchschnitt als „nicht relevant“ eingestuft wird. Im Hinblick auf die beiden Testteile fällt auf, dass im fachdidaktischen Testteil (M = 3 , 17 ; SD = , 85 ; Min = 2 , 52 ; Max = 3 , 50 ) insgesamt höhere Werte in der Augenscheinvalidität erreicht werden als im fachwissenschaftlichen Testteil (M = 2 , 73 ; SD = , 70 ; Min = 2 , 21 ; Max = 3 , 52 ), was angesichts der unmittelbaren Nähe des fachdidaktischen Wissens zur beruflichen Praxis auch nicht verwundert. Im Detail ist auffällig, dass Studierende das Fachwissen mit Cohen’s d = . 90 9 als deutlich relevanter einschätzten als Unterrichtende. Dies könnte auf den Einfluss einer hohen Erwünschtheit von unterrichtsrelevanten Inhalten des Lehramtsstudiums in der Gruppe der Studierenden zurückzuführen sein. Über die Ausbildungsrelevanz hinaus müssen allerdings noch weitere Validitätsfragen gestellt werden (vgl. Diskussion der Beispielitems). Interraterreliabilität (Auswertungsobjektivität) In der Vorstudie zu FALKO -E wurden 94 % der Antworten zur Bestimmung von der Interreliabilität mit Spearmans ρ jeweils von zwei geschulten Kodierern doppelt geratet. Lediglich 6 % der Gesamtstichprobe wurden einfach kodiert. Bei der Übereinstimmung der Kodierungen können zufriedenstellende Werte erzielt werden. Die Interraterreliability beträgt ρ = . 85 im fachdidaktischen Teil sowie ρ = . 88 im fachwissenschaftlichen Testteil und kann damit als hoch eingeschätzt werden. 10 Im Verlauf der Testentwicklung wurden Modifikationen zur Steigerung der Interraterreliability vorgenommen, sodass in der letzten Fassung 9 Mit Cohen d lassen sich die Mittelwertunterschiede zweier verschieden großer Gruppen bestimmen. Die Effektstärke berechnet sich aus der Mittelwertdifferenz beider Gruppen dividiert durch die gepoolte Standardabweichung. Nach Cohen entspricht ein d = . 20 einem kleinen, d = . 50 einem mittleren und d = . 80 einem großen Effekt ( 1992 ). 10 Spearmans Rho ist für . 50 < ρ ≤ . 70 als mittel, für . 70 < ρ ≤ . 90 als hoch und für . 90 < ρ ≤ 1 . 0 als sehr hoch zu beurteilen (Wirtz & Caspar, 2002 ). <?page no="89"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 89 des Testhefts nur noch vereinzelte Zweifelsfälle bei der Bewertung der Lehrerantworten geklärt werden mussten. Diese konnten von den Kodierern im Diskurs gelöst werden. Daher ist es nicht notwendig, einzelne Items mit womöglich unbefriedigenden Werten in der Auswertungsobjektivität für die Hauptstudie aus dem Test zu entfernen. 4 Auswahl der Items für die Hauptstudie Ziel der Vorstudie ist die Selektion der Items für die Hauptstudie, wobei eine Vielzahl von Kriterien eine Rolle spielt. Zunächst sind erste psychometrische Analysen ausschlaggebend bei der Auswahl der Testitems. So wird beispielsweise auf den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Subfacetten geachtet. In einem weiteren Schritt gehen die Werte der Augenscheinvalidität in die Abwägung ein. In wenigen Fällen geben normative Setzungen der Testentwickler den Ausschlag für den Verbleib des Testitems in der Hauptstudie. Des Weiteren spielen die Heuristiken der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Teildisziplinen, das Verhältnis offener und geschlossener Textitems sowie mögliche Aktualitätsprobleme eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Items. Kommentare der Lehrkräfte aus den offenen Evaluationsfragen spielen aufgrund ihrer geringen Zahl bei der Auswahl der Items keine Rolle. Dennoch werfen sie ein wichtiges Schlaglicht auf die bei der Einschätzung der Items und können dabei helfen, Hypothesen zu möglichen Ursachen aufzustellen. Aufgrund der psychometrischen Kennwerte mussten zunächst zwei Testitems des fachdidaktischen Testteils mit einer geringen diskriminatorischen Validität (Trennschärfe) aus der Gesamtauswertung genommen werden: In einem der aus der Hauptstudie entfernten Items werden die Testteilnehmer aufgefordert, aus einer Liste geeignete Maßnahmen zu wählen, um dem wiederholt fehlerhaften Auslassen des 3 . Person-Singular-s zu begegnen. Obwohl dieses Item mit 3 , 50 hohe Werte in der Augenscheinreliabilität erhielt, war der Aussagewert des einzelnen Items für das Gesamtergebnis mit r it = . 003 zu gering. Ein weiteres Item, das ebenfalls nicht mehr in die Hauptstudie eingehen wird, fokussiert die Auswahl zielführender Erklärungen eines häufig vorkommenden grammatikalischen Phänomens. Auch hier wurden zwar hohe Werte in der Augenscheinvalidität erfüllt (. 3 , 28 ), jedoch liegt dieses Item mit r it = . 035 ebenso deutlich unter dem erwünschten Grenzwert von r it > . 30 . Da diese beiden Items sich inhaltlich sehr nah am Fachwissen bewegen und im fachwissenschaftlichen Teil von FALKE -E bereits zwei Items grammatikalisches Wissen abfragen, wurden diese beiden Items aus der Auswertung genommen. <?page no="90"?> 90 Petra Kirchhoff Nicht in allen Fällen war ein niedriger Wert der Trennschärfte ausschlaggebend für eine Streichung des Items aus der Auswertung in der Gesamtstudie. So erreichten beide Teilaufgaben in Beispielitem 1 zum Themenfeld Mediation nur geringe Trennschärfenwerte (Teilaufgabe a: r it = . 035 und Teilaufgabe b: r it = . 181 ). Eine Ursache für die geringe Trennschärfe könnte unter Umständen ein Aktualitätsproblem sein, da die Mediation doch noch ein relativ junges Aufgabenformat der Fremdsprachendidaktik ist (Kolb, 2009 ). So könnte es sein, dass Lehrkräfte zwar in anderen Bereichen über Professionswissen verfügen, jedoch vertieftes Wissen über die Prozesse der Mediation und die dafür erforderlichen Texte noch nicht in der Breite vorhanden sind. Die Mediation entwickelte sich zu einer zentrale Aufgaben- und Prüfungsform im Englischunterricht und so stehen viele Lehrkräfte in ihrem beruflichen Alltag vor der im Item simulierten Entscheidung der Auswahl geeigneter Ausgangstexte. Dementsprechend wünschte sich ein Testteilnehmer eine stärkere Berücksichtigung der Mediation: „mehr Betonung auf Listening, Role play, Mediation and Speaking activities “ Zudem ergab der fachliche Austausch mit einem Vertreter der Schulaufsichtsbehörde in Bayern, dass gerade eine Fehleinschätzung der Lehrkräfte in der Textauswahl für Mediationsaufgaben unlängst zu gehäuften Beschwerden von Eltern führte. Vor diesem Hintergrund wird das Item aus normativen Gründen beibehalten. Im Falle von Beispielitem 2 lag ein umgekehrtes Bild vor: Mit der Aufgabe aus der Dramendidaktik wurden zwar relativ geringe Werte an Augenscheinvalidität erreicht, jedoch wies dieses Item mit r it = . 41 eine im Gesamtkontext des fachdidaktischen Teils als relativ hoch einzuschätzende Trennschärfe auf. Ein Grund hierfür könnte sein, dass manche Lehrkräfte der sogenannten nicht-vertieften Schulformen die Aufgabenstellung zu einem literarischen Text generell als zu spezifisch für das Gymnasium und damit als irrelevant für ihre eigene berufliche Ausbildung ablehnen. Folgende Kommentare von Lehrkräften geben darauf einen Hinweis: „Aufgabe 8 hat sich mir auch nicht ganz erschlossen“ „Was Literatur betrifft, wird an der RS auf sehr niedrigem Niveau gearbeitet. Fragen hierzu nicht alle relevant! “ Der didaktische Text in Beispielitem 1 ist zwar ein literarischer, jedoch ist dieser sehr stark vereinfacht (A 1 -Niveau) und damit für eine performative Umsetzung mit Schülern an Mittel- und Realschule ebenso geeignet wie für gymnasiale Schüler der Unterstufe. Aufgrund der guten Trennschärfenwerte wird dieses Testitem in die Hauptstudie eingehen. <?page no="91"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 91 Beispielitem 3 erreichte im fachwissenschaftlichen Teil den niedrigsten Mittelwert in der Augenscheinvalidität ( MW = 2 , 21 , SD = 1 , 04 ) bei einem Trennschärfewert von r it = . 30 . Besonders auffällig ist, dass dieses Item in der Gruppe der Studierenden als deutlich relevanter für die Ausbildung von Lehrkräften (MW = 3 , 00 , SD = , 86 ) erachtet wird als in der Gruppe der unterrichtserfahrenen Testpersonen ( MW = 1 , 60 , SD = , 75 ). (Mit Cohens d = 1 . 78 wird hier ein großer Effekt ersichtlich.) Da Studierende sich gerade unmittelbar mit dieser Art der Grammatikbetrachtung befassen, könnten Effekte der sozialen Erwünschtheit zu einer positiveren Bewertung führen. Bei der Auswertung von Beispielitem 4 zum Themenfeld Wortbildung zeigten sich erstaunliche Ergebnisse: Zwar schnitt dieses Item mit eher schlechten Relevanzwerten ab ( MW = 2 . 32 , SD = . 90 ), jedoch erreichte dieses Item mit r it = . 560 den höchsten Trennschärfewert des gesamten Tests. Die schlechten Augenscheinrelevanzwerte und die negativen Einzelkommentare von Testteilnehmern stehen hier im Gegensatz zur Bedeutung der Vermittlung von Wortbildungsmuster im Englischunterricht. So ging man bisher davon aus, dass das Wissen um Wortbildungsmuster die Lerner zum einen bei Semantisierungsprozessen und zum anderen bei der eigenständigen und kreativen Sprachverwendung unterstützen kann. Vor diesem Hintergrund wird das Item Eingang in die Hauptstudie nehmen. Auf eine negative Einschätzung der Relevanz des Fachwissens sowie auf eine mögliche Überforderung deuten folgende freie Kommentare der Testteilnehmer hin: „zum Fachwissensheft: Das Meiste davon (Syntax, Wortbildung) habe ich ausführlich für mein erstes Staatsexamen gelernt, bereits fast komplett wieder vergessen und seitdem nie verwendet -> vollkommen irrelevant nach Studium und Examen und sollte daher in der Ausbildung/ Studium keine (so große) Rolle spielen“ „Aufgabe 3 im Fachwissen Englisch ist auf diesem Uniniveau völlig unwichtig und unpassend für Lehrer“ „Lehramt für berufliche Schulen ( FOS / BOS / Berufsschule/ Wirtschaftsschule) wurde nicht berücksichtigt; aufgrund der überaus theoretischen und praxisfernen Aufgaben zu Beginn des Fachwissen-Fragebogens und der verwendeten Terminologie trat bei mir relativ schnell eine Frustration auf“ „Grammatikfragen viel zu detailliert mit Begriffen, die man noch nie gehört hat“ Wie sich zeigt, schätzen einige Testteilnehmer die Relevanz des als „universitär“ und „gymnasial“ empfundenen Fachwissens eher negativ ein. Diese Einzeläußerungen müssen jedoch im Gesamtkontext positiver Relevanzwerte des gesamten fachwissenschaftlichen Testteils relativiert werden. <?page no="92"?> 92 Petra Kirchhoff Anhand der Beispiele wurde deutlich, dass bei der Auswahl der Items für den Test die Einschätzungen der Lehrkräfte mit einer normativen Setzung seitens des Forschers in Widerstreit treten können. Es stand die Frage im Raum, ob Lehrkräften die alleinige Kompetenz in der Auswahl von relevanten Testitems zugesprochen werden soll. So stellt sich an dieser Stelle eine grundsätzliche Frage: Sollte man Lehrkräften die Deutungsmacht über Fachwissen und fachdidaktisches Wissen zuschreiben? Dies hätte zwangsläufig bedeutet, dass Items mit geringen Werten in der Augenscheinvalidität nicht in die Hauptstudie eingehen dürften. Es gilt jedoch zu bedenken, dass das wünschenswerte Wissen nicht immer dem vorhandenen Wissen der Testteilnehmer entspricht und die Werte der Augenscheinvalidität diesem Umstand geschuldet sein können. Insofern kann ein niedriger oder hoher Augenscheinwert von Lehrkräften nicht zwangsläufig als zuverlässiges Anzeichen für die tatsächliche Validität einzelner Items gewertet werden, sondern sie sind lediglich Ausdruck einer subjektiven Einschätzung. 11 Daher werden für die Hauptstudie von FALKE -E auch Items mit geringer Augenscheinvalidität der Testteilnehmer aufgrund von psychometrischen Testkriterien sowie aus theoretischen oder normativen Gründen beibehalten. Folglich gehen 11 Items, die in der Vorstudie positive psychometrische Werte zeigten, in die Berechnungen der Hauptstudie ein. Ein weiteres Item zur Textauswahl für eine Mediation (Beispielitem 1 ) wird aus normativen Gründen beibehalten. 5 Ausblick auf die Hauptstudie Auf der Basis der hier getroffenen Itemauswahl kann davon ausgegangen werden, dass das Testinstrument in der Hauptstudie die entscheidenden testwissenschaftlichen Gütekriterien erfüllen wird. Inhaltlich möchte die Hauptstudie Erkenntnisse über das Professionswissen von Lehrkräften aus unterschiedlichen Perspektiven beziehen. Dabei werden in der Hauptstudie folgende Fragen zum Professionswissen von Englischlehrkräften untersucht: - Welche Skalenmittelwerte und Interkorrelationen manifestieren sich zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen und seinen Subfacetten? - Welche Gruppenunterschiede gibt es zwischen Lehrkräften und Studierenden im Fachwissen und fachdidaktischen Wissen? - Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem fachbezogenen Professionswissen und Indikatoren des Schul- und Studienerfolges? Gibt es manifeste 11 Catell, Eber und Tatsuoka sprechen daher auch von „faith validity“ (Catell, Eber & Tatsuoka, 1970 ). Ebenso kritisch äußert sich Popham in Bezug auf die Validierung von Testverfahren für Lehrkräfte (Popham, 1990 , S. 8 ). <?page no="93"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 93 Korrelationen zwischen Professionswissen und Indikatoren des Schulbzw. Studienerfolges? - Welche Dimensionalität hat das fachbezogene Professionswissen in einem konfirmatorischen Faktorenmodell des Fachwissens und des fachdidaktischen Wissens im Rahmen einer latenten Modellierung auf Basis der Gesamtstichprobe? Die Ergebnisse werden sowohl innerhalb der jeweiligen Fächer als auch im Querschnitt durch alle beteiligten Fachdidaktiken verglichen. 6 Weitere Perspektiven FALKO-E ist ein Populationstest, der zum Ziel hat, Auskunft auf Fragen zu einer Gesamtheit von Lehrkräften mit unterschiedlichen Qualifikationsstufen und darüber hinaus auch Qualifikationsprofilen zu geben. Dieser Populationstest könnte zu einer Komponente eines Individualtests weiterentwickelt werden. Ein umfassender Individualtest müsste neben der Erfassung von Professionswissen im Rahmen eines pen-and-paper tests ebenso die Dimension des beobachtbaren Lehrerhandelns in der Interaktion im Klassenzimmer sowie die Lernfortschritte der Schüler und Schülerinnen einbeziehen, um eine aussagekräftige Basis für eine Gesamtbewertung der domänenspezifischen Lehrerkompetenz zu erhalten (vgl. Freeman et al., 2009 ). Des Weiteren könnten neue Testformate analog zu Entwicklungen mit videobasiertem Testmaterial aus der Mathematikdidaktik entwickelt werden (Bruckmaier, Krauss, Blum, & Leiss, 2016 ). <?page no="94"?> 94 Petra Kirchhoff <?page no="95"?> Was sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? 95 <?page no="96"?> 96 Petra Kirchhoff Literaturverzeichnis Appel, Joachim (2000). Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. In: English Language Teaching (Bd. 1). München: Langenscheidt-Longman. 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In: Blömeke, Siegried/ Bremerich-Vos, Albert/ Haudeck, Helga/ Kaiser, Gabriele/ Nold, Günther/ <?page no="98"?> 98 Petra Kirchhoff Schwippert, Knut/ Willenberg, Heiner (Hg.). Kompetenzen von Lehramtsstudierenden in gering strukturierten Domänen: Erste Ergebnisse aus TEDS - LT . Waxmann, 77-99. Schocker-von Ditfurth, Marita (2001). Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung: Grundlagen, Erfahrungen, Perspektiven . Tübingen: Narr. Spratt, Mary/ Pulverness, Alan/ Williams, Melanie (2011). The Teacher Knowledge Test Course. Modules 1, 2 and 3 (2nd ed.). Cambridge: Cambridge University Press. Wilson, Ken (2008) . Drama and Improvisation: Resource Books for Teachers . Oxford: OUP . Wirtz, Markus/ Franz Caspar. (2002) . Beurteilerübereinstimmungen und Beurteilerreliabilitäten. Methoden zur Bestimmung und Verbesserung der Zuverlässigkeit von Einschätzungen mittels Kategoriensystem und Ratingskalen . Göttingen: Hogrefe. <?page no="99"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 99 „Dass jedoch Emotionen einen immensen Einfluss auf den Lernerfolg haben können, war mir nicht bewusst“-- Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider 1 Einleitung und Kontext des Ausbildungsprojektes Das Ausbildungsprojekt CONFORME ( cognition, émotions et médiations en formation des enseignants de langues ) ist ein binationales Blended Learning-Projekt zwischen der Universität Siegen und der Université Paris 3 - Sorbonne Nouvelle, welches sich Emotionen und Selbstkonzepten in der Ausbildung und Professionalisierung von zukünftigen Fremdsprachenlehrer/ inne/ n widmet. In Kleingruppen erarbeiteten die Studierenden wissenschaftliche Synthesen und ein Analyseraster zur Unterrichtsevaluation. Abschließend verfassten die Studierenden individuelle Reflexionsberichte über das Ausbildungsprojekt. Das in diesem Beitrag vorgestellte Forschungsprojekt untersucht exemplarisch ausgewählte Reflexionsberichte, um individuelle Reflexionsverläufe der Studierenden auf unterschiedlichen Ebenen zu skizzieren. Blended Learning ermöglicht kooperatives und selbstgesteuertes Lernen und bietet einen authentischen fremdsprachlichen Kommunikationskontext, der zu interkultureller und fremdsprachlicher Kompetenzförderung beitragen kann. Angehenden Fremdsprachenlehrer/ innen, für die sowohl der fremdsprachliche Austausch in Begegnungssituationen als auch die fachdidaktischen Inhalte relevant sind, bietet Blended Learning daher Potenzial im Hinblick auf die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen (sprachlich, interkulturell, medial etc.) sowie die Reflexion ihrer späteren Lehrtätigkeit (Abendroth-Timmer/ Aguilar Río 2013 ). Sowohl das berufliche Handeln wie die Reflexion über hiermit verbundene Kompetenzen können nicht allein über handlungsleitende Kognitionen (vgl. Abendroth-Timmer/ Frevel 2013 ) beschrieben werden. Beides enthält immer eine starke emotionale Komponente. Diese Überlegungen waren Ausgangspunkt des Ausbildungsprojektes CON- FORME , das von Dagmar Abendroth-Timmer und Jose Aguilar tutoriell betreut und evaluiert wurde. 1 1 An dem Projekt nahmen neben den benannten Tutoren weiterhin als Forschende teil: Cédric Brudermann, Grégory Miras, Ramona Schneider, Sofia Stratilaki, Donatienne <?page no="100"?> 100 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider An dem Projekt nahmen zwischen Oktober 2014 bis Juni 2015 elf Siegener und 43 Pariser Studierende teil. Bei den Siegener Studierenden handelte es sich um Lehramtsstudierende für das Fach Französisch. Die Pariser Teilnehmer/ innen studierten FLE ( français langue étrangère ) für den Französischals-Fremdspracheunterricht im außerschulischen Bereich oder den schulischen Französisch-als-Zweitspracheunterricht. Insgesamt verfügten die Studierenden über elf verschiedene Muttersprachen, darunter waren neben Deutsch und Französisch häufig Chinesisch oder Spanisch vertreten. Während des Wintersemesters 2014 / 2015 arbeiteten die Studierenden in Kleingruppen an zwei wissenschaftlichen Synthesen 2 und einem Analyseraster zur Unterrichtsevaluation. 3 Die Arbeit lief über eine Google-Webseite, auf der Gruppenforen eingebettet waren und die das Aufgabenmaterial bereitstellte. Diese bestand neben den detaillierten Aufgabenstellungen 4 aus einem umfangreichen Korpus wissenschaftlicher Texte in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache zu Themen wie Emotionen von Lehrenden und Lernenden, Interaktion und Motivation. Die Studierenden wählten je nach Verlauf ihrer Gruppendiskussionen inhaltlich passende Texte für ihre Synthesen aus. Daneben wurde ein gemeinsamer Workshop in Paris durchgeführt. Hierbei wurden die Ergebnisse der beiden theoretischen Synthesen ausgewertet und die Studierenden daran herangeführt, auf dieser Basis Kriterien der Unterrichtsbeobachtung zu entwickeln. Zur Überprüfung, Erprobung und Weiterentwicklung ihrer Beobachtungsraster standen den Studierenden Unterrichtsvideos zur Verfügung. Zum Abschluss des Projektes verfassten die Studierenden einen individuellen Reflexionsbericht über Lernzuwächse durch die Teilnahme am CONFORME - Projekt auf theoretischer, linguistischer, sprachlicher, emotionaler, kooperativer, medialer, motivationaler und autonomer Ebene. 5 Darüber hinaus sollten sie Möglichkeiten des Transfers im Bereich der Gruppenarbeit und der medialen Woerly, Lin Xue. Projekthomepage: http: / / www.univ-paris3.fr/ projet-jeunes-chercheurs- 2014-2015-cognitions-emotions-et-mediationsen-formation-des-enseignants-delangues-conforme-255 059.kjsp. 2 Hierbei handelte es sich um einen zweiseitigen argumentativen Text, in dem sich die Studierenden anhand einer Ausgangshypothese mit wissenschaftlichen Artikeln auseinandersetzten und diese Konzepte mit ihren eigenen Erfahrungen verknüpften. 3 Die Studierenden sollten drei fremdsprachendidaktische Konzepte aus der vorherigen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Artikeln auswählen und diese Konzepte in Beobachtungsparameter zergliedern. In der zweiten Phase des Ausbildungsprojektes wurden die Analyseraster von den Studierenden anhand von videographierten Unterrichtsstunden selbst erprobt. 4 Siehe Anhang. 5 Siehe Anhang. <?page no="101"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 101 Kommunikation reflektieren. Abschließend ging es im Reflexionsbericht um die Frage, welche professionellen Kompetenzen die Studierenden durch das Projekt weiterentwickeln konnten. Die Reflexionsberichte wurden auf Französisch (Pariser Studierende) oder Deutsch (Siegener Studierende 6 ) verfasst. Vorgaben zur Sprachverwendung gab es nicht. Die Studierenden konnten im Bericht ebenso wie zuvor bei allen Aufgaben die Projektsprachen Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch wählen. Ziel des Forschungsprojektes war es, zukünftige Fremdsprachenlehrkräfte für die Verantwortung im Lernprozess ihrer Schüler/ innen zu sensibilisieren und ihre diesbezüglichen Reflexionsprozesse zu erfassen. In multikulturellen und mehrsprachigen Kleingruppen kokonstruierten die Studierenden über digitale Kommunikationsmedien professionelles Wissen (vgl. Block 2003 , Würffel 2008 ), verknüpften theoretische Konzepte mit eigenen Erfahrungen und setzten diese praktisch um, wodurch vielfältige Entwicklungsprozesse angeregt werden sollten (vgl. Esteve 2013 ): Die Studierenden sollten interkulturelle und multimediale Erfahrungen sammeln und diese vor dem Hintergrund eigenen Lernens und Lehrens von Sprachen reflektieren. Diese Reflexionsprozesse werden in einer exemplarischen Analyse von sieben Reflexionsberichten in dem vorliegenden Artikel analysiert. Die theoretische Basis der Analysen wird nachfolgend dargestellt. 2 Der Reflexionsbegriff als theoretische Basis Zunächst ist der hier zugrunde gelegte Begriff der Reflexion zu beleuchten. Mälkki versteht unter Reflexion die Bewusstmachung der Vorannahmen, die das eigene Denken, die Gefühle und Handlungen leiten (vgl. Mälkki 2012 : 45 ). Damit betont er - wie oben bereits angemerkt - die Verzahnung von Kognition, Emotion und Handlung. Emotionen im Reflexionsprozess beziehen sich auf den Gegenstand der Reflexion (die eigene Person, andere Akteure, Kontextelemente), auf das konkrete berufliche Handeln, auf theoretische Konzepte, aber auch auf den Reflexionsprozess selbst. In einer Selbstbefragung der Forschungsgruppe zu Beginn des CONFORME - Projektes wurden die eigenen Vorannahmen zu einer Definition von Emotion ermittelt (vgl. Abendroth-Timmer/ Aguilar/ Schneider, erscheint). Insgesamt wurden Emotionen darin als individuelle und spontane, external oder internal ausgelöste Konstruktionen erachtet. Emotionen werden demgemäß von physischen und diskursiven Merkmalen begleitet. Da sie Kognitionen hervorrufen, 6 Die Reflexionsberichte hatten eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ausbildungsprojekt zum Ziel. Hierbei sollte verhindert werden, dass mangelnde Ausdrucksfähigkeit in der Fremdsprache die Reflexionsprozesse beeinflusst. <?page no="102"?> 102 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider können sie vom Individuum benannt werden. Das Lehrer-Lerner-Verhältnis ist von Emotionen, einer implizit geteilten Kultur (Verständnis von Autorität, Verantwortung etc.) sowie von instabilen und nicht vorhersagbaren Situationen geprägt. Diese Emotionen werden bezogen auf konkrete Situationen abgespeichert bzw. erinnert und wieder hervorgerufen, um negative Erfahrungen zu verhindern oder positive Situationen aufzusuchen (vgl. ebd.). 7 Mälkki hebt ebenso hervor, dass Reflexion nicht nur an sich Emotionen auslöst, sondern unter Umständen auch die mit der betrachteten ursprünglichen Handlung verbundenen Emotionen erneut hervorruft. Sich auf das Hinterfragen eigenen (beruflichen) Handelns, Denkens und Fühlens einzulassen, ist damit ein Wagnis. Es erfordert das Verlassen der comfort zone und kann zu Verunsicherungen führen ( edge emotions, Mälkki 2012 : 48 ). Es stellt sich daher die Frage, welche Qualitäten Reflexion aufweisen kann. Hierzu wird das Modell von Müller ( 2010 ) herangezogen. Müller unterscheidet drei Ebenen oder Qualitäten von Reflexion. An erster Stelle steht der Reflex. Hierbei handelt es sich um die spontane Beschreibung von Fakten auf ihrer Oberfläche (vgl. Müller 2010 : 32 ). Dies ist dann der Fall, wenn Lehrende unkommentiert und ohne Rückgriff auf weitere Erklärungszusammenhänge Unterricht oder sich selbst in einem Unterrichtsvideo beschreiben. Auf einer nächsten Ebene, die als Refle-kt-ion [Hervorhebung durch die Verfasserinnen] bezeichnet wird, erfolgt eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Objekt der Refle-kt-ion (vgl. Müller 2010 : 32 f.). Nun spielt das In-Beziehung-Bringen mit dem Subjekt der Reflektion eine Rolle. Gemäß einem Modell für die reflexive Lehrerbildung, das Esteve ( 2013 : 18 ) in Anlehnung an erkenntnistheoretische Überlegungen zum Sprachenlernen von van Lier ( 2004 : 143 - 145 , 161 ) entwirft, entspricht dies einer Interaktion mit sich selbst 8 , die wiederum mit einer Interaktion mit theoretischen Konzepten verbunden sein kann und in sozialer Interaktion (Interaktion mit Experten oder peers ) situiert ist. Es handelt sich also um eine Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt der Refle-kt-ion, wobei die Interaktion nicht über ihre Konstituenten hinausgeht (vgl. Müller 2010 : 34 ). Es bleibt bei einer Erklärung und Begründung von Handeln (vgl. ebd.). Nach Esteve ( 2013 : 29 , in Anlehnung an Galperin 1992 ) entspricht dies der Herstellung eines Bezugs zwischen Erfahrung und Konzept ( OBA = Orienting Basis of Action ) und der Verbalisierung einer Wissenskonstruktion. Dagegen wird die wissenschaftliche Theorie als SCOBA (= Schema for Complete Orienting Basis of an Action ) bezeichnet. Das Ziel ist eine individuelle 7 Umfassende definitorische Ausführungen zum Begriff der Emotion und zu seiner Bedeutung im Projekt siehe Schneider/ Xue 2015 . 8 Das Selbst soll hier mit van Lier ( 2004 : 107 ) verstanden werden als „real entity, but one that is dialogically and socially constructed.“ <?page no="103"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 103 Annäherung von OBA und SCOBA , d. h. eigene Wissensbestände werden über die Interaktion mit Theorien verifiziert und erweitert. Eine zentrale Fragestellung reflexiver Lehrerbildung ist jedoch die, wie eine Integration neuer theoretischer Konzepte in Wissensbestandteile (angehender) Lehrkräfte erfolgen kann und welche Wirkung dies auf das berufliche Handeln hat. Eine wirkliche Interaktion mit theoretischen Konzepten und ihre Verbindung mit dem Selbst und beruflichen Handlungserfahrungen sind demnach angezielt. Müller geht daher in seinem Modell einen wesentlichen Schritt weiter, in dem er als dritte Ebene jene der Refle-x-ion [Hervorhebung durch die Verfasserinnen] einführt. Auf dieser Ebene nimmt das reflektierende Subjekt die Bedingungen und den Kontext seines Erkenntnisprozesses auf einer Meta- Ebene in den Blick. Es wird also danach gefragt, was den Erkenntnisprozess ermöglicht oder verstellt hat. Nur so werden laut Müller Handlungsmöglichkeiten erweitert (vgl. Müller 2010 : 35 ). Das bedeutet, dass an dieser Stelle neue Erkenntnis emergiert 9 und sich das reflektierende Subjekt in seiner beruflichen Identität 10 weiterentwickelt (vgl. van Lier 2004 : 79 ff.). In diesem Verständnis reflexiver Lehrerbildung ist Wissen nicht statisch (vgl. Hannay 2011 : 60 ) und wird in Problemlösungsprozessen immer neu strukturiert und angepasst. Hannay ( 2011 : 61 ) unterscheidet zwischen implizitem Wissen, auch im Sinne von intuitivem Handlungswissen, und pädagogischem bzw. theoretischem Wissen ( ebd. : 61 ). Sie geht davon aus, dass Lehrende ihr Handlungswissen nur dann ändern, wenn ihnen dieses als sinnvoll für ihre Lernenden erscheint, nicht aber, wenn dieses von außen eingefordert wird. Insofern ist der berufsbezogene Erkenntnisprozess immer mit sozialer Praxis verwoben (vgl. ebd.: 63 ). Über den „ professional dialogue as the centre of the professional knowledge construction process “ (ebd.: 71 ) werden Widersprüche zwischen verschiedenen Wissens- oder Handlungsebenen aufgedeckt und neue Strategien können gemeinsam entwickelt und erprobt werden (vgl. Hannay 2011 : 62 - 64 ). Diese reflexive Auseinandersetzung mit Widersprüchlichkeiten im Berufsfeld bezeichnet Viebrock mit dem Begriff der Professionalität ( 2014 : 74 , in Anlehnung an Helsper 2004 : 89 ). Bezüglich eines solchermaßen verstandenen Emergenz fördernden Kontextes von reflexiver Lehrerbildung wird im Weiteren ein Modell der Bildungsgang- 9 „(…) emergence is a reorganization of simple elements into a more complex system “ (van Lier 2004 : 81 ). 10 Identitäten sind nach van Lier verschiedene Rollen (vgl. ebd.: 122 , 125 ) oder „ a project as well as a projection of the self, in interaction with social groups, institutions, and particular political contexts. Identities are formed from within as well as from without, so that they can become a site of struggle for individuals and groups “ (ebd.: 131 , Hervorhebung im Original). <?page no="104"?> 104 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider forschung 11 herangezogen. Im Mittelpunkt steht das Konzept der Entwicklungsaufgabe, die wie folgt definiert wird: „Unter Entwicklungsaufgaben werden gesellschaftliche Anforderungen an Menschen in je spezifischen Lebenssituationen verstanden; sie stellen Anforderungen der Gesellschaft an ihre Mitglieder dar und sind insofern ‘objektiv‘. Sie sind zugleich ‘subjektiv‘, insofern sie individuell als Aufgaben eigener Entwicklung angenommen und ausgedeutet werden müssen. Dabei wird die Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben als notwendige Voraussetzung für fachliche Kompetenzentwicklung und für Bildungsprozesse angesehen (vgl. Hericks 2004, S. 117 ff.)“ (Hericks 2008: 65). Die Entwicklungsaufgabe bewirkt Momente der Kontingenz- oder Widerspruchserfahrungen (vgl. Peukert 1998 : 22 ). Im Rahmen reflexiver Lehrerbildung können dies die Konfrontation mit dem eigenen Handeln über Videographie, die Auseinandersetzung mit einem neuen theoretischen Konzept oder eigene neue Handlungserfahrungen wie im hier beschriebenen Projekt sein. Zu einem Widerspruch kann sich das Individuum nicht nicht verhalten. Der Widerspruch kann aufgelöst werden, indem es zu einer Transformation kommt oder sich das Individuum entscheidet, seine Meinung oder sein Verhalten etc. aufrecht zu erhalten. Der Emergenzprozess ist komplex im oben beschriebenen Sinne der Refle-x-ion, den nachfolgende Ausführungen Peukerts ( 1998 : 26 ) nachzeichnen: „Wenn es in pädagogischer Interaktion um die Eröffnung von Lebensmöglichkeiten und in zugespitzter Form darum geht, Entwicklungsmöglichkeiten gerade dann zu eröffnen, wenn das bisher erreichte Niveau von Interpretations- und Handlungsfähigkeit, das seine Selbstverständlichkeit verloren hat, überschritten und transformiert werden muß, dann geht es in dieser Interaktion um Handlungen, die ihre verbindliche Kraft nicht einfach aus bestehenden Konventionen beziehen können, sondern dem Interaktionspartner die Möglichkeit geben müssen, die eigenen Verständnismöglichkeiten kreativ zu erweitern und erst neu zu erfinden, von dem bisherigen Selbst Abschied zu nehmen und ein neues Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur sachlichen Wirklichkeit zu gewinnen. Solche Handlungsweisen scheinen zur Überwindung von Krisen von einzelnen und in einer Beziehung ebenso notwendig zu sein wie zur Transformation von Gesellschaften.“ Um zu diesen Transformationsprozessen zu gelangen, wird sich das Individuum mit seinem Welt- oder Selbstverhältnis auseinandersetzen. Dies entspricht der Vorstellung von Esteve ( 2013 ), dass Lehrerbildungsprozesse durch die Interaktion mit dem Selbst, mit Konzepten, Experten oder peers erfolgen. 11 Zur Bildungsgangforschung siehe Hericks/ Kunze 2002 . <?page no="105"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 105 Demgemäß wurde im Projekt zwischen Paris und Siegen das Modell reflexiver Lehrerbildung von Esteve umgesetzt. Dieses ermittelt in einem thinkpair-share -Vorgehen persönliche Grundannahmen zum Lehren und Lernen von Fremdsprachen, initiiert den kollegialen Dialog mit peers hierüber und leitet im Weiteren zur selbstbestimmten Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien an. 12 Diese werden wieder an die subjektiven und kooperativen Ausgangsüberlegungen zurückgebunden und bewertet, um Vermutungen über eigenes berufliches Handeln auf dieser Basis zu entwickeln. Dieses Pendeln zwischen Theorie und Praxis, persönlicher Positionierung und kollegialem Dialog beschreibt abschließend nachfolgende Definition beruflicher Entwicklungsaufgaben: „Berufliche Entwicklungsaufgaben beschreiben die von jeder Lehrkraft im Verlauf ihres Berufslebens stets aufs Neue zu lösende Aufgabe einer subjektiv tragfähigen Vermittlung zwischen den eigenen Berufsvorstellungen und Idealbildern und den quasi-objektiven (auch: institutionellen) Anforderungen des Lehrerhandelns. (…) Diese betreffen (1) die berufsbezogenen Kompetenzen der Referendare und berufstätigen Lehrkräfte, ihre Ressourcen und deren Grenzen, ( 2 ) ihre Rolle als Vermittler von Fachinhalten und kulturellen Sachverhalten, ( 3 ) die pädagogische Fremdwahrnehmung der Schülerinnen und Schüler sowie (4) die Beachtung und Gestaltung institutioneller Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Grenzen“ (Hericks 2008: 69). Die durch berufliche Entwicklungsaufgaben ausgelösten Transformationsprozesse beziehen sich im jeweiligen Fall auf die eigene Persönlichkeit, auf frühere Lehr- und Lernerfahrungen, auf projiziertes berufliches Handeln oder auf theoretische Konzepte. Dies sind Aspekte, die in den Daten zum CONFORME -Projekt, wie im Folgenden dargestellt, analysiert wurden. 3 Forschungsmethodik zur Analyse der Reflexionsberichte Ermittelt wurden im Forschungsprojekt zu CONFORME die bis hierher definierten Reflexionsprozesse auf der Basis eines fragegeleiteten individuellen Reflexionsberichts. Reflexive Lehrerbildung verwendet verschiedenste Methoden zur Anleitung und Erfassung von Reflexion. Dabei sind Verfahren der reflexiven Lehrerbildung in großen Teilen identisch mit Verfahren der empirischen Erforschung reflexiver Lehrerbildung. Das benannte Modell von Esteve ist eine Möglichkeit der Strukturierung und Entwicklung individueller und kollegialer Reflexion. Weiterhin wurde an anderer Stelle aufgezeigt, welche Wirkungen Videoaufzeichnungen oder Un- 12 Die einzelnen Arbeitsschritte und Inhalte können den Aufgabenstellungen im Anhang entnommen werden. <?page no="106"?> 106 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider terrichtssimulationen auf Reflexionsprozesse haben (vgl. Abendroth-Timmer 2011 ) und inwiefern sich autonome schriftliche von gelenkten mündlichen Reflexionsprozessen unterscheiden (vgl. Abendroth-Timmer/ Frevel 2013 ). Grundsätzlich sind an dieser Stelle wissenssoziologische Überlegungen anzuführen und mit Stein ist positiv festzustellen: Indem die Studierenden ihr Praxiswissen artikulieren, distanzieren sie sich von ihrem Handeln und können darüber nachdenken. In der Auseinandersetzung mit ihren Erfahrungen können diese strukturiert, in ihrer steuernden Funktion wahrgenommen und hinsichtlich ihrer Angemessenheit analysiert werden (Stein 2005: 40). Damit ist Verbalisierung von Handlung in einem sozialen Kontext der Interaktion (z. B. mit einem Experten) überhaupt erst Voraussetzung der Möglichkeit von Reflexion. Gleichzeitig wirkt das Moment der Vermittlung, d. h. das Produkt der Reflexion, der Reflexionsbericht, ist nicht gleichzusetzen mit dem Gegenstand und dem kognitiven, emotionalen oder konativen Ergebnis der Reflexion, wie Stein ausführt: Das empirische Problem, das Denken der Studierenden zu untersuchen, bleibt prinzipiell unlösbar, solange es methodologisch in die Subjekte verlagert wird. Wenn Reflexion in mentalen Vorgängen gefasst wird, stellt sich die Frage, wie valide deren verbale Abbildung sein kann. Umgekehrt lassen sich symbolische Güter dann wissenschaftlich analysieren, wenn man sie nicht ‚dem Geistigen‘ zuordnet. Beobachtet werden kann, wie die Studierenden ihre Erfahrungen kommunizieren - ohne die Implikation, dass diese interaktive Bedeutungsverhandlung mit ihrem Denken irgendwie identisch ist (Stein 2005: 34 f.). Nicht unbedeutend ist die Überlegung, bis zu welchem Punkt Reflexion nützlich ist bzw. ob Aufrechterhaltung im Sinne eines Konfliktes überhaupt erst dadurch generiert wird. Mit dieser Überlegung versucht Stein eine Überbewertung der Ergebnisse reflexiver Lehrerbildung zu vermeiden: „Ein differenzierter Reflexionsgrad ist nicht per se nützlich, sondern erhöht zunächst die Anforderungen an Aushandlung und Integration. Diese Identitätsarbeit ist nicht zweitrangig zu betrachten: Erleichtert das Nachdenken über Praxis die Erfahrungsintegration oder führt es zu konstanten Spannungen und Konflikten? (Stein 2005: 383). Deutlich wird auch hier, dass Emotionen eine tragende Rolle in diesem Entwicklungsprozess spielen. Zugleich verweist die Aussage implizit auf die Rückkopplungsfunktion oder Vermittlungsrolle der Tutor/ innen oder Forscher/ innen im angeleiteten Reflexionsprozess. Rückkopplungen an die Studierenden folgten im Fall des CONFORME -Projektes Kriterien zur Bewertung wissenschaftlichen Schreibens und erfolgten <?page no="107"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 107 bezogen auf die Synthesen. Eine Rückkopplungs- und Vermittlungsrolle (gerade auch im Hinblick auf Gruppenprozesse) übernahmen die Tutor/ innen insbesondere während der Präsenzveranstaltung oder über Mail-Kontakt. Zugleich wurde auf Basis einer methodenkritischen Analyse vorheriger Projekte entschieden, für die individuellen Reflexionsberichte sehr detaillierte Leitfragen für die Studierenden zu formulieren. Dies machte die Reflexionsberichte zum einen vergleichbarer, führte aber auch zu einer angeleiteten Betrachtung der zentralen strukturellen Parameter und inhaltlichen Ziele des Projektes. Die Studierenden hatten damit genaue Anhaltspunkte für ihre Reflexion, was Verunsicherungen vermeiden konnte. Für eine erste Analyse der Reflexionsberichte wurden zunächst sieben Berichte auf Basis ihrer inhaltlichen Tiefe exemplarisch ausgewählt. Anhand der dargelegten Theorien wurde ein Codebaum mit der Software zur qualitativen Datenanalyse MAXQDA entwickelt. Während die erste Forscherin den Codebaum in einem ersten Durchgang erprobt hat, ging die zweite Forscherin strikt datengeleitet bei ihrer Analyse vor. Diese Einsichten in die Daten wurden genutzt, um den Codebaum zu überprüfen und anzupassen. Daraufhin wurde im Sinne der Interraterreliabilität die erste Codierung der Daten von der zweiten Forscherin an den veränderten Codebaum angepasst und einzeln überprüft. Die Ergebnisse wurden eingehend diskutiert und die Codes und Codings wurden in einem weiteren Durchlauf nachjustiert. Die erste Forscherin unternahm auf dieser Basis dann eine erste Verschriftlichung von Einzelfallanalysen und überprüfte damit erneut die Codes und Codings. Die zweite Forscherin sichtete diese ihrerseits nochmals auf der Grundlage ihres datengestützten Zugangs. Letztendlich gestaltete sich der Codebaum wie nachstehend abgebildet: Qualitäten von Reflexion Reflex, Spontanbeschreibung Refle-kt-ion, Selbstbesinnung auf Subjekt-Objektverhältnis Refle-x-ion, Kontext der Reflexion Interaktionen in der Reflexion mit sich, Selbstreflexion mit peers, Ko-Konstruktion mit Experten, Validierung mit Konzepten <?page no="108"?> 108 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider Emotionen, Haltungen, Werte positive Emotionen ( comfort zone ) negative Emotionen (edge emotions) zum beruflichen Handeln zum theoretischen Wissen zu Veränderungsprozessen zum Gegenstand der Reflexion, Emotionen werden wiedererlebt Wirkung von Reflexion: Transformation durch Kontingenz- und Widerspruchserfahrung Rekonstruktion von theoretischem Wissen in Vorstellungen beruflichen Handelns Rekonstruktion von Lernerfahrungen in Vorstellungen beruflichen Handelns Rekonstruktion erster Lehrerfahrungen bezüglich theoretischer Konzepte Rekonstruktion spezifischer Erfahrungen in CONFORME in berufliches Handeln Rekonstruktion spezifischer Erfahrungen in CONFORME in theoretische Konzepte Wirkung von Reflexion: Aufrechterhaltung bei Kontingenz- und Widersprucherfahrung Selbstverhältnis Weltverhältnis Abbildung 1 Codebaum Dieser Codebaum folgt den übergeordneten Fragestellungen des Forschungsprojektes: Wie können angehende Lehrkräfte autonom und kooperativ professionelle Kompetenzen entwickeln und auf welchen Ebenen läuft dies ab (interpersonal, kognitiv, affektiv-emotional)? Welche Reflexionsprozesse werden durch die Verzahnung von theoretischem Wissen und praktischem Erfahrungswissen angestoßen? Für die exemplarischen Analysen wurden hier die Forschungsfragen fokussiert auf die Ebenen und Inhalte der Reflexion und die hiermit verbundenen Emotionen. Weiterhin wurde betrachtet, ob und durch welchen Anlass es zu Transformations- oder Aufrechterhaltungsprozessen kam. <?page no="109"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 109 4 Exemplarische Einzelfallanalysen Für die nachfolgende Einzelfallanalyse wurden vier der zunächst sieben analysierten Berichte für diese schriftliche Darstellung ausgewählt, die besonders prägnante Reflexionsprozesse darstellen. Laura 13 Laura geht von früheren Lernerfahrungen eines anderen Gruppenmitglieds aus. Dieses Beispiel wurde in der Gruppe eingehend diskutiert. Laura verknüpft diese Kontextanalyse eingehend mit theoretischem Wissen. Daraus leitet sie weiterhin Vorstellungen über Unterricht im Allgemeinen ab. Das Besondere in ihrer Selbstreflexion ist die durchgehende Verzahnung dieser drei Ebenen. Damit erreicht sie die Ebene der Refle-x-ion. Das zentrale Moment ist für ihren Erkenntnisprozess die Ko-Konstruktion von Wissen innerhalb ihrer Gruppe. Darüber hinaus ist für sie die Validierung durch die Lehrperson wichtig, damit im Sinne von Esteve ( 2013 ) generalisierbare Konzepte entstehen: Auch dies würde ich für den späteren Einsatz von „blended learning“ - Projekten im Hinterkopf behalten: eine Messung des Lernzuwachses ist schwierig. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf den Zuwachs von interkulturellen Kompetenzen. Ich würde mir, ganz persönlich gesprochen, in dieser Hinsicht eine abschließende Diskussion wünschen. Mein Lösungsvorschlag wäre der Einsatz von Portfolios, in denen die Lernenden während der Projektphase ihren Wissenszuwachs dokumentieren können oder eben auch, so wie hier geschehen, ein ausführlicher Reflexionsbericht unter Einbeziehung von Fachwissen 14 [Laura, RB 13]. Dies in Kombination mit neuem theoretischem Wissen führt bei ihr zu veränderten Sichtweisen, was sie als bereichernd darstellt. Insbesondere eine gute Kooperation wird dabei mit positiven Emotionen belegt: Meiner Meinung nach, ist auch das vorangehende Kennenlernen und Herstellen einer angenehmen Gruppenatmosphäre ein Teilaspekt der emotionalen Seite von Motivation. Deutlich merkte ich dies auch daran, dass ich mich selbst nach der Präsenzsitzung im November demotiviert sah, da ich enttäuscht darüber war, dass die anderen Gruppenmitglieder zum einen offenbar außerhalb der Gruppenarbeit kein Interesse an einem Austausch hatten, und zum anderen auch teilweise gar nicht oder nur teilweise erschienen waren [Laura, RB 11]. Auf der Ebene der Reflexion betrachtet sie den Möglichkeitsraum ihres Erkenntnisgewinns (sowohl hinsichtlich ihrer sprachlichen Kompetenz als auch bezüglich der Kooperationsbereitschaft der Gruppe) und erachtet diesen zu einem 13 Alle Namen wurden anonymisiert. 14 Alle Zitate wurden unverändert, d. h. ohne Korrektur übernommen. <?page no="110"?> 110 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider Zeitpunkt als eingeschränkt. Es kommt dadurch zu einer Aufrechterhaltung ihrer Position: Ein Aspekt, der mir während der Diskussion aufgefallen ist, ist allerdings der, dass meiner Meinung nach, das Verständnis der Lehrerrolle und der Umgang mit Heterogenität innerhalb der Klassen lediglich im interkulturellen Kontext betrachtet wurde. Mein Vorschlag, dass auch in einheitlichen Klassen eine Anpassung des Lernstoffes an die Lernenden vorgenommen werden sollte, da Interkulturalität nicht der einzige Faktor mit Konfliktpotential darstellt, wurde nicht angenommen und damit abgetan, dass eine Umsetzung nicht möglich sei. Im Moment der Diskussion habe ich meinen Punkt, sicherlich auch aufgrund der Kommunikation in der Fremdsprache Französisch, nicht deutlich genug argumentativ unterlegen können, aber im Nachhinein denke ich, dass dies sehr spannend gewesen wäre, da offenbar hier deutlich unterschiedliche Vorstellungen von Heterogenität und dem Umgang damit herrschen. [Laura RB 10]. Insgesamt verbinden sich im Reflexionsbericht alle Ebenen der Reflexion. Lernerfahrungen (wenn auch nicht die eigenen) werden genuin auf die Erfahrungen im Projekt, auf die angeeignete Theorie und auf späteres berufliches Handeln bezogen. Tom Ein zentrales Moment des Reflexionsberichts von Tom ist die neue Betrachtung und Neubewertung eigener Lernerfahrungen im Lichte der Theorie. Er erfährt in der Lektüre Widerspruchserfahrungen im Hinblick auf frühere Lernerfahrungen und ist in der Lage, auf dieser Basis eine Vorstellung späteren beruflichen Handelns zu entwickeln: Grâce à la lecture des différents articles étudiés au cours du semestre, j’ai pu, sur le plan théorique, découvrir ou redécouvrir différentes notions et idées liées à l’apprentissage/ enseignement des langues étrangères. Les sujets qui m’ont le plus marquée sont la question de la motivation et l’atmosphère émotionnelle dans la salle de classe et sont deux notions liées l’une à l’autre dans l’enseignement/ apprentissage des langues étrangères [Tom, RB10]. Übers.: Dank der Lektüre der Artikel während des Semesters habe ich auf theoretischer Ebene verschiedene fremdsprachendidaktische Konzepte (wieder)entdecken können. Die Themen Motivation und emotionale Atmosphäre im Unterricht sind die Themen, die mich am meisten beschäftigt haben und es sind zwei Konzepte, die in Lehr-Lernsituationen miteinander verknüpft sind [Tom, RB 10]. Hierbei kommen Emotionen im Hinblick auf den persönlichen Wert der Theorie ins Spiel. Veränderungsprozessen steht Tom positiv gegenüber und sieht im kooperativen Diskurs im Projekt eine gute Möglichkeit, über frühere Lernerfahrungen und späteres berufliches Handeln nachzudenken: <?page no="111"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 111 La théorie vient donc confirmer ces impressions et c’est en ce sens qu’elle est nécessaire. Si les facteurs affectifs ont joué un rôle important lors de mon apprentissage et notamment de mon apprentissage des langues, j’aurais pu être un cas à part. Je n’aurais peut-être alors pas osé prendre en compte ces facteurs sans l’apport de la théorie [Tom, RB 8]. Übers.: Die Theorie hat diese Eindrücke bestätigt und deshalb ist sie notwendig. Wenn affektive Faktoren eine wichtige Rolle in meinem Lernprozess gespielt haben und insbesondere beim Lernen von Fremdsprachen, hätte ich ein Einzelfall sein können. Ich hätte ohne die Unterstützung der Theorie vielleicht nicht gewagt, diese Faktoren in Betracht zu ziehen [Tom, RB 8]. Damit erfolgen die Überlegungen auf der Ebene der Refle-x-ion, denn er beschreibt nicht nur die Inhalte, sondern auch den Kontext oder Möglichkeitsraum seiner Reflexion. Bezüglich der Projekterfahrungen verbleibt er zunächst auf der deskriptiven Faktenebene (Reflex) und beschreibt die Schwierigkeiten, sich als große Gruppe mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen und institutionellen Voraussetzungen zu organisieren. Seine Betrachtung schließt er mit einer Neueinschätzung der Praktikabilität theoretischer Konzepte und der Umsetzbarkeit in späteres berufliches Handeln ausgehend von den eigenen Projekterfahrungen: L’expérience m’a apporté une plus grande sérénité quant à une pratique de classe différente de ce qui se fait traditionnellement. L’approche par tâche me semble désormais tout à fait réalisable, et je pense que je mettrai ce type d’approche lorsque je serai professeur [Tom, RB20]. Übers.: Die Erfahrung hat mir sehr viel Gelassenheit gegenüber neueren Unterrichtsmethoden vermittelt. Der aufgabenorientierte Ansatz scheint mir nun umsetzbar zu sein und ich denke, dass ich diesen Ansatz zukünftig als Lehrer nutzen werde [Tom, RB 20]. Weiterhin bezieht er sich auf die Aktivierung der Lernenden und teilt kooperativen Lernformen eine wichtige Bedeutung zu. Allerdings nimmt er nicht explizit Bezug auf seine persönlichen Projekterfahrungen, wenn er schreibt: Le travail en groupe permet également d’être un acteur social de son apprentissage dans le sens où les apprenants sont directement confrontés à d’autres personnes. Je pense qu’en tant que professeur, je mettrai en place le plus souvent possible des travaux de groupe [Tom, RB21]. Übers.: Die Gruppenarbeit erlaubt es, ein sozialer Akteur des eigenen Lernprozesses zu sein, wenn es um Situationen geht, in denen Lerner direkt mit anderen Personen konfrontiert sind. Ich denke, dass ich als Lehrer so oft wie möglich Gruppenarbeiten durchführen werde [Tom, RB 21]. <?page no="112"?> 112 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider Insgesamt ist festzustellen, dass die Theorie zur Neubewertung früherer Lernerfahrungen genutzt wird. Daraus werden erste Folgerungen für eine spätere Praxis gezogen. Léo Léo beschreibt auf der Faktenebene des Projektes (Reflex) Schwierigkeiten bei der Kooperation, die er auf die Distanz und virtuelle Vermitteltheit zurückführt: (…) je reste persuadé que la communication médiatisée n’a pas été à notre avantage et que nous aurions dû nous rencontrer [Léo, RB20]. Übers.: Ich bleibe davon überzeugt, dass die medial-vermittelte Kommunikation nicht vorteilhaft für uns war und dass wir uns hätten treffen sollen [Léo, RB 20]. Im Nachhinein stellt er fest, dass er anders hätte handeln müssen und dass ihm dies vor dem Projekt noch nicht bewusst war: Maintenant que j’ai vécu cette expérience et que je n’ai pas agi comme il l’aurait fallu, je me dis que je ne reproduirai plus ce scénario si j’y suis encore confronté dans ma future carrière d’enseignant de français langue étrangère [Léo, RB23]. Übers.: Jetzt, da ich diese Erfahrung erlebt und nicht so reagiert habe, wie ich hätte reagieren müssen, sage ich mir, dass ich nicht noch einmal so handeln würde, falls ich in meiner zukünftigen Berufslaufbahn als Französischlehrer erneut mit so einer Situation konfrontiert wäre [Léo, RB 23]. Mehrfach erwähnt er die kooperativen Prozesse in der Gruppe. Dabei betont er, dass gerade der interkulturelle Aspekt für die Bedeutungsaushandlung von Gewinn war: D’autre part, l’interculturalité, c’est-à-dire la rencontre des deux cultures française et allemande, a également été un véritable atout. En effet, nous Français pouvons avoir des idées différentes de nos voisins Allemands et c’est ce mélange de cultures, d’idées et de perceptions des choses qui m’ont permis de me rendre compte de l’importance de cette notion d’interculturalité dans mon futur métier d’enseignant [Léo, RB8]. Übers.: Andererseits war die Interkulturalität, d. h. das Aufeinandertreffen der deutschen und der französischen Kultur, ein richtiger Pluspunkt. Wir Franzosen hatten manchmal unterschiedliche Ansichten als unsere deutschen Nachbarn und es ist diese Mischung der Kulturen, Ansichten und Wahrnehmungen von Dingen, die mir die Wichtigkeit des Begriffs Interkulturalität für meinen zukünftigen Beruf als Lehrer bewusst gemacht hat [Léo, RB 8]. Zugleich führte dies zu einer vertieften Betrachtung des Konzeptes der Interkulturalität. Der Theoriebezug des Projektes ist ferner bewusstseinsbildend für ihn. Die Bedeutung einzelner Konzepte war ihm zuvor nicht klar, wie er anmerkt: <?page no="113"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 113 Je pense vraiment que Conforme m’a fait réfléchir sur des concepts que je connaissais, mais auxquels je ne pensais pas forcément, et qui me semblaient si évidents que je ne m’étais jamais posé la question de savoir pourquoi ils étaient importants et en quoi ils l’étaient (…) [Léo, RB7]. Übers.: Ich denke, dass Conforme mir geholfen hat über Konzepte nachzudenken, die ich bereits kannte, aber an die ich nicht zwangsläufig dachte und die mir so offensichtlich erschienen, dass ich mir nie die Frage gestellt hatte, warum sie wichtig waren und inwiefern sie das waren [Léo, RB 7]. An anderer Stelle betont Léo, dass er sich an die Konzepte im späteren Berufsleben erinnern wird und voraussichtlich bestimmte unterrichtliche Aspekte kritischer betrachten kann: Enfin, avec une perspective de futur enseignant de français langue étrangère, je pense que cette expérience m’apportera beaucoup car il y aura moins de choses abstraites, floues dans ma manière de percevoir l’enseignement et dans ma future manière d’enseigner. Je pourrai ainsi avoir un regard plus critique sur certaines pratiques d’enseignement par exemple [Léo, RB35]. Übers.: Abschließend denke ich aus der Perspektive des zukünftigen Französisch-als- Fremdsprache Lehrers, dass diese Erfahrung mir viel bringen wird, weil es weniger abstrakte und unklare Dinge bezüglich des Unterrichts und meiner zukünftigen Lehrmethoden geben wird. Ich werde daher zum Beispiel einen kritischeren Blick auf bestimmte Unterrichtspraktiken haben [Léo, RB 35]. Hervorzuheben ist hier der Hinweis darauf, dass Konzepte nun weniger abstrakt für ihn seien. Es ist anzunehmen, dass dies durch die Übertragung der theoretischen Konzepte in die praktische Erstellung der Tabelle zur Unterrichtsbeobachtung gelingen konnte, so stellt Léo am Schluss fest: Par cela, j’entends que le travail que nous avons fait m’a appris beaucoup de choses sur l’enseignement (notamment grâce à la conception de la grille d’observation d’une part, et de l’articulation des notions propres à l’enseignement comme motivation, authenticité etc … d’autre part) [Léo, RB31]. Übers.: Hierunter verstehe ich, dass die Arbeit, die wir gemacht haben, mich viele Dinge über Unterricht gelehrt hat (insbesondere Dank des Analyserasters zur Unterrichtsbeobachtung auf der einen Seite und der Unterrichtskonzepte wie Motivation, Authentizität etc. … auf der anderen Seite) [Léo, RB 31]. Ein theoretisches Konzept, das für ihn durch das Projekt Bedeutung gewonnen an, ist jenes der Emotionen: Je n’en oublierai d’ailleurs aucune [des notions] et je les prendrai toutes en considération lorsque je commencerai ma carrière d’enseignant. Je porterai, de manière <?page no="114"?> 114 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider personnelle, une attention particulière à la notion d’‹ émotions ›, qui me semble être l’une des notions les plus importantes [Léo, RB36]. Übers.: Ich werde keinen [der Begriffe] davon vergessen und ich werde sie alle berücksichtigen, sobald ich meinen Beruf als Lehrer ausüben werde. Ich werde dem Konzept der ‚Emotionen‘, welches mir eines der wichtigsten zu sein scheint, besondere Aufmerksamkeit schenken [Léo, RB 36]. Hier zeigt sich, dass ein theoretisches Konzept praktische Bedeutung erzielt, ohne dass schon definiert werden kann, wie sich dies genau im Unterricht zeigen wird. Schließlich kann festgestellt werden, dass Léo überwiegend von der Faktenebene des Projekts (Reflex und Refle-kt-ion) ausgeht. Er betrachtet, ob und wie medial vermittelte kooperative Prozesse funktioniert haben und überträgt dies auf einen späteren Berufskontext ohne schon konkrete Handlungsweisen zu entwerfen. Die Überlegungen beziehen sich dann zumeist direkt auf ihn als (Lehr)Person und weniger auf allgemeine Erkenntnisse zu Lehrenden, Lernenden oder Unterricht. Gleichermaßen veranlasst ihn das Projekt, theoretische Konzepte besser zu erfassen. Diese verknüpft er unmittelbar mit den zwischenmenschlichen Erfahrungen im Projekt. Nachstehende Aussage kann seinen Blick auf die Projekterfahrungen, auf theoretische Konzepte und die Praxis illustrieren: La motivation, justement a aussi été importante car nous en avions beaucoup parlé avec mon groupe durant la séance en présentielle avec les Allemands. Nous nous sommes tous dits que le fait de se rencontrer, d’être à plusieurs pour travailler nous a tous motivés et que sans cette rencontre, sans la participation des autres membres du groupe, la motivation aurait été bien moindre. Par ailleurs, je réalise que le travail en groupe, lorsque je serai enseignant, sera primordial pour motiver des personnes comme moi qui aiment travailler en équipe [Léo, RB7]. Übers.: Motivation war auch sehr wichtig, da wir in meiner Gruppe sehr viel darüber in der Präsenzsitzung mit den Deutschen gesprochen haben. Wir haben uns alle gesagt, dass uns die Tatsache sich zu treffen, mit mehreren zusammenzuarbeiten, uns alle motiviert hat, und dass die Motivation ohne dieses Treffen, ohne die Beteiligung der anderen Gruppenmitglieder sehr viel geringer ausgefallen wäre. Darüber hinaus stelle ich fest, dass für meinen Beruf als Lehrer Gruppenarbeit entscheidend sein wird, um Personen wie mich, die gerne in Gruppen arbeiten, zu motivieren [Léo, RB 7]. Manuel Hervorzuheben ist, dass Manuel bereits als Fremdsprachenlehrer arbeitet und für seine Sprache einen Mangel an Unterrichtsmaterial feststellt, von daher steht er der universitären Ausbildung sehr aufgeschlossen gegenüber [Manuel, RB 8 ]. Mit seinen Überlegungen begibt er sich unmittelbar auf die Ebene der Refle-x-ion, wenn er feststellt, dass seine eigene Haltung zu Ausbildungsgegen- <?page no="115"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 115 ständen wiederum Lehrende beeinflusst, die er eines Tages ausbilden wird. Ferner beschäftigt er sich - ausgehend von dem für ihn im Gegensatz zu seiner Arbeitsgruppe wichtigen Konzept der Autonomie - mit seinem beruflichen Selbstkonzept und kommt zum Schluss, dass er sich als Moderator von Lernprozessen betrachtet: Mon expérience dans le projet m’a montré d’une façon assez évidente la relation triangulaire dont parle Rogers dans son Liberté pour apprendre: Le ‹ rôle de facilitateur implique en effet une nécessaire triangulation. La relation de l’apprenant au savoir est directe et fonctionne d’une manière autonome; le facilitateur est celui qui écoute et, de ce fait, accède à la demande de l’autre considéré comme une personne distincte › (MAURIN, 2004: p. 202). L’apprentissage complètement actif pendant ces deux mois, m’a confirmé que le rôle de facilitateur me convient davantage, quand on pense au rôle de l’enseignant [Manuel, RB15]. Übers.: Die Erfahrungen im Projekt haben mir die dreiseitige Beziehung aufgezeigt, von der Rogers in ‚Liberté pour apprendre? ‘ spricht: Die ‚Rolle des Lernberaters erfordert in der Tat einen notwendigen Abgleich. Die Beziehung des Lerners zum Wissen ist unmittelbar und erfolgt autonom; der Lernberater hört zu und hat dadurch Zugang zu den Fragen des anderen, der deutlich als eine von ihm sich unterscheidende Person verstanden wird‘ (Maurin, 2004: 202). Der aktive Lernprozess während dieser zwei Monate hat mir bestätigt, dass mir die Rolle des Lernberaters immer mehr zusagt, wenn man an die Rolle des Lehrers denkt [Manuel, RB 15]. Manuel bezieht sowohl die konkrete Projektebene wie theoretische Artikel und Lehrerfahrungen ein. Zugleich erfasst er in seinen Überlegungen den Kontext seines Entwicklungsprozesses (Refle-x-ion): La récupération par les discussions initiales de nos anciennes représentations de l’apprenant et enseignant idéals a été fructueuse pour leur confrontation avec les nouveaux concepts trouvés dans les textes [Manuel, RB17]. Übers.: Der Abgleich unserer ursprünglichen Vorstellungen des idealen Lerners und Lehrers durch die anfänglichen Diskussionen war sehr fruchtbar für die Auseinandersetzung mit den neuen Konzepten aus den Texten [Manuel, RB 17]. Ein wesentlicher Schritt des Erkenntnisprozesses ist schließlich für Manuel die Erstellung der Tabelle zur Unterrichtsbeobachtung. Hier gelingt es ihm in besonderer Weise, Theorien und Praxis in Einklang zu bringen. Zugleich besinnt er sich auf eigene Lehrerfahrungen: Enfin, le concept d’authenticité m’a motivé pour la création de la grille de la dernière tâche. L’observabilité de ces concepts n’étant pas toujours facile, les réflexions ont été menées dans ma salle de classe et je me suis posé plusieurs fois la question : ‹ Ai-je un intérêt authentique par mes élèves et comment je le montre ? ›. La gestion de la parole <?page no="116"?> 116 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider et du corps de l’enseignant pendant les échanges avec les élèves est où se trouve le plus de données. Combien de fois n’ai-je pas fait attention au contenu des énoncées des apprenants dû à une attention exacerbée à la forme? La création de la grille à la dernière partie du cours m’a permis de réintroduire la théorie à ma pratique. Il est important que les concepts déclenchent des actions concrètes. Finalement, je valoriserai davantage un hochement de tête, un rire après une blague ou un commentaire après avoir écouté l’opinion d’un élève [Manuel, RB20]. Übers.: Schließlich hat mich das Konzept der Authentizität für die Konstruktion des Analyserasters der letzten Aufgabe motiviert. Die Beobachtung dieser Konzepte ist nicht immer einfach, die Reflexionen habe ich in meinem Unterricht durchgeführt und ich habe mich mehrmals gefragt: ‚Habe ich ein authentisches Interesse an meinen Schülern und wie zeige ich das? ‘. In der Kontrolle der Sprache und des Körpers eines Lehrers, während er mit den Schülern spricht, gibt es am meisten zu beobachten. Wie viele Male habe ich nicht auf den Inhalt von Schüleräußerungen geachtet, weil ich zu sehr auf die Form geachtet habe? Die Konstruktion des Analyserasters im letzten Projektteil hat mir eine Integration der Theorie in meine Praxis ermöglicht. Es ist wichtig, dass die Konzepte konkrete Handlungen nach sich ziehen. Schließlich werde ich ein Kopfnicken/ -schütteln, das Lachen bei Witzen oder Kommentare im Anschluss an Schülermeinungen stärker aufwerten [Manuel, RB 20]. Schließlich greift er auf theoretische Erkenntnisse zurück um zu erklären, an welchem Punkt die Kooperation nicht gut verlaufen ist. Es geht hierbei um einen Mangel an gegenseitigem Zuhören und Wertschätzen der (schriftlichen) Beiträge der Gruppenmitglieder. Dies betrachtet er als berufliche Kompetenzen und sieht in dieser Erkenntnis einen zentralen Gewinn des Projektes für sich selbst: Nous sommes tous de futurs enseignants de langue, donc ne pouvons pas être insensibles à notre échec au moment de faire preuve de cette ‹ qualité d’écoute › dont parle Beacco, de cette ‹ attitude d’affection et de compréhension › dont parle Arnold, qui pourraient peut être aussi être traduite par le concept d’agape travaillé par Cosmopolous (1999: p. 103). Si nous ignorons tout cela, l’estime de soi de nos futurs apprenants sera blessée de la même manière qu’a été blessée celle des participants de notre groupe. Cette remise en question a été peut être un des apports les plus importants de la participation dans ce projet [Manuel, RB24]. Übers.: Wir sind alle zukünftige Fremdsprachenlehrende, d. h. wir können nicht gefühllos gegenüber Situationen sein, die Beacco mit ‚Qualität des Zuhörens‘ bezeichnet, dieser ‚affektiven Einstellung und des affektiven Verständnisses‘, von der Arnold spricht, die auch mit dem Konzept der ‚Agape/ liebevollen Zuwendung‘ in Verbindung gebracht werden könnten, von dem Cosmopolous spricht (1999: 103). Wenn wir das alles nicht wissen, wird das Selbstwertgefühl unserer zukünftigen Lerner auf die gleiche Art und Weise verletzt werden wie das der Teilnehmer unserer Gruppe. Dieses <?page no="117"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 117 In-Frage-Stellen war vielleicht eine der wichtigsten Erkenntnisse der Teilnahme an diesem Projekt [Manuel, RB 24]. Abschließend kann man anmerken, dass Manuel die Ebenen eigener Lehrerfahrungen, Theorien und Konsequenzen für die weitere berufliche Entwicklung genuin aufeinander bezieht. Zudem betrachtet er den Kontext dieses Erkenntnisgewinns. Er gelangt so zu begründeten Stellungnahmen und entwickelt zugleich explizit sein berufliches Selbstkonzept. 5 Zusammenführung der Ergebnisse Die betrachteten Einzelfälle beschäftigen sich in strukturell unterschiedlicher Weise mit den Erfahrungen im Projekt. Die Faktenebene des Projektes mit gruppendynamischen Prozessen wird entweder allein beschrieben oder aber mit Folgerungen für den späteren Beruf verbunden. Auf einer Ebene der Reflekt-ion treten bei einzelnen Personen theoretische Erklärungen hinzu. Weniger häufig wird der Kontext des Erkenntnisgewinns als solcher betrachtet. Weiterhin unterscheiden sich die Herangehensweisen der Gestalt, ob vom Projekt, früheren eigenen Lernerfahrungen oder Lernerfahrungen anderer Gruppenmitglieder, eigenen Lehrerfahrungen oder theoretischen Konzepten ausgegangen wird. Schließlich besteht ein Unterschied darin, ob Theorie, Unterrichtspraxis, Projekterfahrungen und spätere berufliche Praxis in einer Pendelbewegung aufeinander bezogen werden. Ist dies der Fall, setzen sich die Studierenden verstärkt mit einem zentralen Erkenntnisgewinn oder ihrem beruflichen Selbstkonzept auseinander. Sodann kann von der Annäherung von OBA und im Weiteren von Reflexion von SCOBA die Rede sein. Im Sinne der Bildungsgangforschung ist dies sicherlich bei Widerspruchserfahrungen besonders der Fall. In den Einzelfallanalysen wird deutlich, dass einige Studierende erst über die Projekterfahrungen die Bedeutung einzelner theoretischer Konzepte für sich persönlich erkannt haben. Weiterhin wird offensichtlich, dass die Ko-Konstruktion von Wissen, d. h. der intensive inhaltliche Austausch über Konzepte zu ihrer inhaltlichen Erfassung beitrug. Dies scheint ebenfalls durch Widerspruchserfahrungen verstärkt zu werden. In einem Fall wird hervorgehoben, dass auch interkulturell bedingte unterschiedliche Sichtweisen diesen Erkenntnisprozess befruchtet haben. Die Betrachtung dieser Veränderungsprozesse wird mit positiven Emotionen verbunden. Dahingegen werden mangelnde Kooperations- und Leistungsbereitschaft oder technische Probleme mit negativen Emotionen versehen. Schließlich zeigt sich, dass die Handlungsebene des späteren Lehrberufs noch recht vage ist. Die Reflexion bleibt hier auf der Ebene allgemeiner Prämissen, <?page no="118"?> 118 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider wie der Wunsch, Lernberater zu sein und Emotionen der Lernenden wahrzunehmen etc. Eine Konkretisierung der Unterrichtsebene erbrachte die Erstellung der Tabelle zur Unterrichtsbeobachtung. Dies zeigt, dass die Qualität der Reflexion und die Möglichkeit, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden, stark mit der Art der Aufgabenstellung verbunden sind. 6 Fazit: Entwurf eines theoretischen Modells individueller Reflexionsverläufe Anhand der detaillierten Analyse der hier dargestellten und zusätzlich analysierten Einzelfälle ergeben sich Ansätze für ein theoretisches Modell individueller Reflexionsverläufe. Dieses gestaltet sich grafisch wie hier abgebildet: Abbildung 2 Individuelle Reflexionsverläufe und Formen des Wechselverhältnisses von Theorie und Praxis Folie für die Reflexionsverläufe ist die Entwicklungsaufgabe, die konkrete Aufgabenstellungen für die Reflexion vorgibt, aber auch die Gestaltung der Lernumgebung betrifft. Das reflektierende Subjekt ist ebenso wie die peers Teil des Kontextes. Diese Personengruppen bringen sich zudem mit ihren individuellen Kompetenzen (z. B. sprachlichen oder interkulturellen) und Persönlichkeiten <?page no="119"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 119 (z. B. Ängstlichkeit, Neugier, Offenheit etc.) ein. Hiervon sind der Umgang mit der Entwicklungsaufgabe und schließlich der Reflexionsprozess beeinflusst. Die Tutor/ innen könnten ergänzt werden, spielen aber für den Reflexionsbericht in dem hier präsentierten Fall eine weniger tragende Rolle. Wichtiger ist die durch sie gestaltete Entwicklungsaufgabe, wobei bezogen auf den Reflexionsprozess die Tatsache der Verschriftlichung der Reflexionen eine wie oben nach Stein ( 2005 ) dargestellte Wirkung hat. Gegenstände der Reflexion können sein: eigene schulische Lernerfahrungen, frühere Lehrerfahrungen, praktische Erfahrungen im Projekt, Diskussions- und Kooperationsprozesse im Projekt, theoretische Konzepte und Erkenntnisse sowie projiziertes berufliches Handeln und damit verbundene Kompetenzen. Im Kontext des Projektes konnte es allein um projiziertes Handeln gehen, da die Studierenden selbst nicht unterrichtet haben. Allein die Arbeit an den bereitgestellten Unterrichtsvideos führte die Studierenden an ihren Berufskontext heran. Ansonsten war das Projekt selbst eine praktische Erfahrung, deren Umsetzung in die spätere Berufspraxis die Studierenden andenken sollten. Als ein sehr wichtiges Ergebnis für die weitere Forschung im Rahmen reflexiver Lehrerbildung ergaben die Analysen eine Vielfalt individueller Reflexionsverläufe unter ähnlichen Rahmenbedingungen (Projekt/ Aufgabenstellung des Reflexionsberichts etc.). Ein Unterschied bezüglich dieser Bedingungen liegt hauptsächlich in der jeweiligen Bedeutung des Kurses für den Leistungserwerb (besonders auf Pariser Seite) und die persönliche Entwicklung in der Fremdsprache (besonders auf Siegener Seite). Dies wirkte sich zum Teil auf die Motivation aus, steht aber nicht in Zusammenhang mit den eigentlichen Reflexionsverläufen hinsichtlich unterrichtspraktischer und theoretischer Konzepte. Die Pfeile in der Grafik bilden diese individuellen Reflexionswege ab. So kann eine theoretische Erkenntnis ebenso zur Rückbesinnung auf schulische Lernerfahrungen wie unmittelbar zur Projektion späteren Handelns führen. Die Projekterfahrung kann Anlass zur kooperativen Vertiefung hiermit verbundener Theorien (z. B. Medieneinsatz oder kooperatives Lernen im Fremdsprachenunterricht) geben. Die gemeinsame Betrachtung von Theorien kann wiederum zur Auswertung früherer Lehrerfahrungen beitragen. Überhaupt kann der kooperative Diskurs zu theoretischer Erkenntnis beitragen, ohne dass dies unmittelbar in Vorstellungen praktischer Umsetzung münden muss. Die Tatsache, dass die Studierenden in den Reflexionsberichten beschriebene Transformationsprozesse durchweg emotional positiv und Aufrechterhaltungsprozesse eher negativ belegen, muss noch breiter quantitativ überprüft werden. 15 15 An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass hier nur eine Auswahl an Reflexionsverläufen einzelner Studierender exemplarisch skizziert werden konnte. Genera- <?page no="120"?> 120 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider Schließlich stellt sich die Fragen nach der Unterscheidung von Reflex, Reflektion und Reflexion. In den bislang gesichteten Daten kommen weitaus häufiger die ersten beiden Ebenen vor. Dies ist zum einen methodenkritisch damit zu begründen, dass in den Leitfragen nicht explizit dazu aufgefordert wurde, die Bedingungen des Erkenntnisprozesses auf einer Meta-Ebene zu hinterfragen. Weiterhin ist es wissenssoziologisch überaus wichtig zu unterstreichen, dass die reine Beschreibung einer Situation oder einer fachlichen Theorie kein Indiz dafür sein kann, dass eine innere argumentative Interaktion und eine subjektive In-Beziehung-Setzung nicht stattgefunden haben. Die Verschriftlichung ist mit persönlichen Schreibstilen und spezifischen kognitiven Prozessen verbunden und bewirkt hierbei eine ganz eigene Dynamik, die es zu berücksichtigen gilt. Das hier entwickelte theoretische Modell von Reflexionsverläufen für die reflexive Lehrerbildung erfordert zugleich weitere Studien in anderen Lernumgebungen und mit weiteren Entwicklungsaufgaben sowie Forschungsmethoden, insofern als eine deutliche kontext- und persönlichkeitsgebundene Variabilität von Reflexion feststellbar ist. In ganz besonderem Maße führen bei diesem Forschungsgegenstand unterschiedliche Settings und Erhebungsinstrumente zu sich ergänzenden Ergebnissen, die Triangulation erfordern. 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Anhang Tâche 1: “Avec quel type d’apprenant(s) aimeriez-vous travailler ? ”/ Tâche 2: “Y a-t-il des enseignants qui vous ont fait une impression (dé)favorable au cours de votre apprentissage d’une langue ? ” 1. Pensez à la question suivante et notez les idées qui vous viennent à l’esprit: “Avec quel(s) apprenant(s) aimeriez-vous travailler? ” [tâche 1]/ “Y a-t-il des enseignants qui vous ont fait une impression (dé)favorable au cours de votre apprentissage d’une langue? ” [tâche 2]. Face à vos idées, essayez de trouver <?page no="122"?> 122 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider celles qui comportent une dimension subjective, émotionnelle. Rapportez votre réflexion individuelle dans le forum de votre groupe. 2. Au sein de votre groupe - sur le forum ou sur Skype (pensez à enregistrer la discussion) - échangez sur les différentes idées individuelles et développez ensuite une réponse co-construite à la question posée. Documentez à nouveau le résultat collectif de votre groupe, en forme d’un seul remue-méninge. 3. Choisissez au moins 3 textes par groupe dans “Articles” sur le site CON- FORME. Pour la tâche 1 (2), nous vous proposons de choisir des textes qui portent les notions émotions et/ ou intérêt/ motivations (authenticité et/ ou interaction). Vous pouvez également chercher des textes scientifiques supplémentaires, que vous nous soumettrez pour validation. 4. Réalisez collaborativement une synthèse de 2 pages dans une des langues de travail du projet (en prenant en considération les critères pour l’évaluation). Illustrez votre point de départ, expliquez les différentes théories susceptibles à donner une réponse à la question de départ, donnez une conclusion théorique avec un retour sur vos théories subjectives et vos propres expériences. Vous déposerez votre synthèse finale, en format doc de préférence, dans l’Espace de dépôts en respectant la date signalée. Vous donnerez à votre fichier le nom de la tâche en cours, suivi du numéro de votre groupe, par exemple : “Tâche1_ Groupe1.doc”. Il est aussi possible de déposer un document créé directement sur votre google drive - pourvu que vous en ayez un -, en suivant les mêmes indications pour le nom du fichier. Grille d’analyse 1) => Grille + justification 2) => Pour justification: réutiliser critères rédactionnels tâches 1 et 2 . 3) => Pour grille: réutilisation aspects théoriques tâches 1 et 2 . 4) => Modèles de grille Aspects formels: Dans la mesure où votre grille prendra appui sur des notions choisies dans les tâches 1 et 2, la justification servira à situer les notions retenues et les descripteurs proposés. Votre justification tiendra sur le nombre de pages nécessaire pour expliquer la genèse de la grille, préciser les sources bibliographiques, les choix effectués, le mode d’utilisation, et tout autre commentaire que vous estimerez nécessaire en vue d’un emploi réel de la grille. Vous devrez donc faire apparaître clairement les définitions choisies, de manière à ce qu’elles soient facilement repérables. Vous pourrez intégrer ces définitions dans un document collaboratif qui aura la fonction de Wiki. La grille tiendra sur 1-2 pages. Elle <?page no="123"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 123 devra être un outil opérationnel (même si elle ne porte que sur les 3 notions choisies), permettant la conduite d’une observation auprès d’un(e) enseignant(e) en situation d’interaction didactique. Vos grilles vous serviront pour analyser des observations au semestre 2. Elles seront rédigées dans un français académique. Dans la mesure où les grilles sont censées être un travail original, aucune référence ou citation ne sont attendues au sein de ces dernières; cependant, ces références académiques peuvent apparaître dans la justification. À tout moment vous disposerez du corpus audiovisuel de situations de classe. Vous pourrez utiliser ces extraits pour repérer des faits observables, ainsi que pour tester la validité de votre grille. Rapport réflexif individuel Le rapport réflexif individuel est votre dernière tâche. Il s’agit d’indiquer ce que votre participation au dispositif d’apprentissage vous a apporté : - apports de la théorie concernant le développement des compétences professionnelles : quels gains professionnels au niveau des compétences théorique, linguistique, interculturelle, émotionnelle, coopérative, médiatique, motivationnelle, de pratique de classe ou d’autonomie etc. ? - apports de l’expérience de travail en équipe et de communication médiatisée : quelle transférabilité en tant que (futur) enseignant ? quelles difficultés, quels moyens pour les contourner et/ ou dépasser ? - apports de l’expérience en tant que participant, apprenant, futur enseignant: quel sont les gains professionnels au niveau des compétences pratiques maintenant et pour votre projet professionnel ? La longueur de votre rapport sera de 4 pages environ. Vous devez utiliser les trois questions ci-dessus pour articuler votre raisonnement. Le rapport peut aussi être l’occasion de donner aux tuteurs un retour plus précis à propos de questions spécifiques qui concernent la formation et l’expérience, et que vous n’avez pas pu aborder précédemment. Vous pouvez vous inspirer des échanges qui ont lieu au sein de votre groupe, et/ ou de la séance en présentiel. Il est attendu que vous utilisiez un style académique (attention aux références) et que vous montriez que vous vous êtes approprié les idées que vous avez manipulées lors des tâches précédentes, en les intégrant dans votre argumentaire. À ce propos, les consignes formelles précédemment signalées quant aux citations restent valables. <?page no="124"?> 124 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider Aufgabe 1: Mit welchem Lernertyp würden Sie gerne arbeiten? Aufgabe 2: Welche Lehrer haben bei Ihnen einen positiven/ negativen Eindruck hinterlassen? 1. Notieren Sie ausgehend von folgender Frage, was Ihnen in den Sinn kommt: „Mit welchen Lernern würden Sie gerne arbeiten? “ [Aufgabe 1 ]/ „Welche Lehrer haben bei Ihnen einen positiven/ negativen Eindruck hinterlassen? “ [Aufgabe 2 ]. Finden Sie Aspekte, die sich auf eine subjektive und emotionale Dimension beziehen. Halten Sie Ihre individuelle Reflexion im Forum Ihrer Gruppe fest. 2. Tauschen Sie sich im Rahmen Ihrer Gruppe aus - im Forum oder über Skype (denken Sie daran, die Diskussion aufzuzeichnen) - und halten Sie eine gemeinsame Antwort auf die formulierte Frage in Form eines Brainstormings fest. 3. Wählen Sie mindestens 3 Texte pro Gruppe aus der Rubrik „Artikel“ auf der CONFORME -Seite aus. Für Aufgabe 1 ( 2 ) empfehlen wir die Auswahl von Texten zum Thema Emotionen und/ oder Interesse/ Motivation (Authentizität und/ oder Interaktion). Sie können auch zusätzliche wissenschaftliche Artikel recherchieren, über deren Auswahl Sie uns vorher informieren. 4. Verfassen Sie gemeinsam eine zweiseitige Synthese in einer der Arbeitssprachen des Projektes. (Berücksichtigen Sie die Bewertungskriterien.) Benennen Sie zunächst Ihre Ausgangsüberlegungen, erläutern Sie die verschiedenen Theorien, die für die Beantwortung der Ausgangsfrage geeignet sind, formulieren Sie eine Schlussfolgerung, in der Sie die theoretischen Konzepte auf Ihre subjektiven Theorien und eigenen Erfahrungen beziehen. Laden Sie ihre Synthese im doc-Format auf der Projektseite fristgerecht hoch. Ihre Datei sollte folgendermaßen benannt sein: „Aufgabe 1 _Gruppe 1 .doc“. Es ist auch möglich, ein gemeinsam erstelltes Google Doc-Dokument hochzuladen. Analyseraster zur Unterrichtsbeobachtung 1) => Analyseraster + Erklärung 2) => Für die Erklärung gelten die gleichen formalen Kriterien wie für die Aufgaben 1 und 2 . 3) => Für das Analyseraster benutzen Sie die theoretischen Konzepte der Aufgaben 1 und 2 . 4) => Beispiele von Analyserastern Formale Aspekte: Ihr Analyseraster zur Unterrichtsbeobachtung stützt sich auf die Konzepte, die Sie für die Aufgaben 1 und 2 ausgewählt haben. Die Erklärung dient dazu, <?page no="125"?> Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung 125 die Konzepte und die Deskriptoren zueinander in Beziehung zu setzen. Ihre Erklärung beinhaltet die Genese des Analyserasters, die bibliographischen Angaben, die Auswahl der Konzepte, Hinweise zur Benutzung sowie alle weiteren Kommentare, die Sie für einen tatsächlichen Einsatz des Rasters im Unterricht als wichtig erachten. Die Seitenanzahl ist nicht begrenzt. Sie sollen demnach Definitionen entwickeln und diese in einem gemeinsam erstellten Dokument in Form eines Wikis festhalten. Das Analyseraster bemisst sich auf 1 - 2 Seiten. Es soll für die Beobachtung einer Lehrperson im Unterricht einsatzbereit sein (auch wenn es nur um 3 ausgewählte Konzepte geht). Die Analyseraster erproben Sie im zweiten Semester. Der Text ist in einem wissenschaftlichen Sprachstil zu verfassen. Da die Analyseraster eine eigenständige Leistung darstellen, werden keine Zitate oder bibliographischen Angaben erwartet. Diese können jedoch in der Erklärung des Analyserasters auftauchen. Es steht Ihnen ein Korpus audiovisueller Daten mit Unterrichstsituation zur Verfügung. Sie können diese Ausschnitte nutzen, um beobachtbare Aspekte zu identifizieren und um Ihr Analyseraster zu validieren. Individueller Reflexionsbericht Der individuelle Reflexionsbericht ist Ihre letzte Aufgabe. Es geht darum aufzuzeigen, was Ihnen die Teilnahme am Ausbildungsprojekt gebracht hat: - Lernfortschritte auf theoretischer Ebene bezüglich der Entwicklung professioneller Kompetenzen: Welchen professionellen Nutzen hinsichtlich theoretischer, sprachlicher, interkultureller, emotionaler, kooperativer, medialvermittelter, motivationaler, unterrichtspraktischer, autonomer Kompetenzen sehen Sie? - Lernfortschritte durch die Erfahrung der Gruppenarbeit und der medial-vermittelten Kommunikation: Welche Transfermöglichkeiten als zukünftige Lehrperson sehen Sie? Welche Schwierigkeiten, welche Mittel, diese zu überwinden und/ oder zu vermeiden, sehen Sie? - Lernfortschritte durch die Erfahrung als Teilnehmer/ in, Lerner/ in, zukünftige Lehrperson: Welchen professionellen Nutzen bezüglich praktischer Kompetenzen zum derzeitigen Zeitpunkt und für Ihre zukünftige Lehrtätigkeit sehen Sie? Die Länge Ihres Berichtes sollte etwa vier Seiten betragen. Benutzen Sie die drei o. g. Fragestellungen, um Ihre Gedankengänge auszudrücken. Der Bericht kann auch die Gelegenheit sein, den Tutoren eine genauere Rückmeldung zu spezifischen Fragestellungen bezüglich des Ausbildungsprojektes und zu Ihren Erfahrungen zu geben, falls dies zuvor nicht möglich war. Sie können sich vom Austausch in Ihrer Gruppe und/ oder der Präsenzsitzung inspirieren lassen. Es <?page no="126"?> 126 Dagmar Abendroth-Timmer/ Ramona Schneider werden ein wissenschaftlicher Schreibstil (denken Sie an die Quellennachweise) und die Integration der während des Semesters erarbeiteten Konzepte in Ihre Argumentationsstruktur erwartet. Es gelten dieselben formalen Kriterien wie für die bereits bearbeiteten Aufgaben. <?page no="127"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 127 Effekte der Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Ausbildungsinhalten auf die Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden der Fachdidaktik Englisch Förderung des Transfers von der Theorie in die Praxis astrid diener 1 Einführung Vor dem Hintergrund der Theorie-Praxis-Debatte in der Lehrerbildung (z. B. Nölle 2002 ; Niggli 2004 ; Blömeke 2009 ; Einsiedler 2010 ) befasst sich der vorliegende Beitrag mit der Bedeutung wissenschaftlicher Ausbildungsinhalte in der Fachdidaktik Englisch und außerdem mit der Frage nach den empirisch messbaren Effekten dieser Inhalte auf die Kompetenzentwicklung der Studierenden. Die Studie, die hier vorgestellt wird, untersucht den Effekt einer Lehreinheit über die Gestaltung von Englischunterricht mit dem Fokus auf Lesen. Die Lehreinheit bildete die Studierenden zu einer gezielten Beobachtung und Bewertung von Unterrichtsqualität aus. In einem längsschnittlichen Design wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung wissenschaftlichem Wissen beim Aufbau von Kompetenzen in der Beurteilung von Lehr-Lernprozessen im englischsprachlichen Leseunterricht zukommt. Hintergrund für diese Fragestellung ist der Anspruch an die universitäre Lehrerbildung, die angehenden Lehrkräfte kompetenzorientiert auf die Schulpraxis vorzubereiten; d. h. bereits auf universitärer Ebene sollen Kompetenzen angebahnt werden, die für die schulische Tätigkeit handlungsrelevant sind ( KMK 2004 , KMK 2013 ). Jedoch steht die universitäre Ausbildung in der Kritik, dass sie diesen Anspruch nur unzulänglich einlöst. Beispielsweise wird bemängelt, dass der Brückenschlag von der universitär vermittelten Theorie in die Praxis nur unzureichend gelingt (vgl. Seidel/ Stürmer 2014 ; Vogel 2011 ). In der vorliegenden Lehreinheit wurde der Versuch unternommen, die Ausbildung so zu gestalten, dass dieser Brückenschlag gelingt: Ziel der Lehreinheit war es, die Studierenden zu einer professionellen Unterrichtswahrnehmung anzuleiten; d. h. sie sollten lernen, das zunächst noch rein deklarative wissenschaftliche Wissen zu nutzen , um damit die Qualität von Fachunterricht wissenschaftlich begründet zu beurteilen . Die Ausbildung zielt also auf die praktische Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der konkreten Unterrichtsbeobachtung ab und soll damit den nächsten Schritt in die Praxis vorbereiten: die Umsetzung <?page no="128"?> 128 astrid diener dieses Wissens in eigene Unterrichtsplanung, -durchführung und -reflexion. Die Lehreinheit wurde vor dem Hintergrund der aktuellen Lehrerkompetenzforschung entwickelt und war von den folgenden Fragestellungen geleitet: 1. Wie sollte eine Lehreinheit gestaltet sein, um die Kompetenzentwicklung der Lehramtstudierenden in der professionellen Unterrichtsbeobachtung effektiv zu fördern? 2. Welches Wissen benötigen die Lehramtsstudierenden für eine kompetente Beurteilung von fremdsprachlichem Leseunterricht? 3. Wie gelingt im Rahmen der universitären Ausbildung der Transfer von theoretischem Wissen über effektive Unterrichtsgestaltung auf den praktischen Unterrichtskontext? In einer an die Lehreinheit anschließenden Evaluationsstudie wurden die Effekte der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens auf die Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudierenden untersucht. Es wurde geprüft, inwiefern ein Transfer von der Theorie auf den praktischen Unterrichtskontext gelungen ist und ob die erwünschte Kompetenz in professioneller Unterrichtswahrnehmung im Verlauf der Lehreinheit angebahnt werden konnte. In dem folgenden Beitrag wird zunächst der theoretische Rahmen gespannt, und es wird auf die aktuelle Forschungslage zur Lehrerkompetenz eingegangen, welche für die Entwicklung der Lehreinheit maßgeblich war. Daraufhin werden die Inhalte und die Lehr- Lernszenarien beispielhaft dargelegt. Und schließlich werden erste Ergebnisse der Evaluation der Lehreinheit vorgestellt. Die Ergebnisse werden unter den folgenden Gesichtspunkten diskutiert: 1. Welche qualitativen Veränderungen der Urteilsstrukturen bezüglich effektiver Unterrichtsgestaltung sind dokumentierbar, und inwieweit schlägt sich das in der Lehreinheit vermittelte Wissen in diesen Urteilsstrukturen nieder? 2. Welche Aussagen können über die Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudierenden gemacht werden? 3. Welche Implikationen haben die Ergebnisse für theorie- und forschungsorientierte Lehrangebote in der ersten Phase der Lehramtsausbildung? 2 Theoretischer Rahmen und Forschungslage 2.1 Kompetenzbegriff Ausgangspunkt für die vorliegende Studie über die Kompetenzenzentwicklung von Lehramtsstudierenden ist der in der Professionsforschung verwendete Kompetenzbegriff. Richtungsweisend für die Forschung in diesem Feld ist Wei- <?page no="129"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 129 nerts Definition. Er unterscheidet zwischen kognitiven Problemlösefähigkeiten und Fähigkeiten, die sich auf der Ebene von Einstellungen und Bereitschaften bewegen. Die vorliegende Studie konzentriert sich vorrangig auf die Ebene der kognitiven Fähigkeiten. Kompetenz in diesem engeren Sinn umfasst nach Weinert […] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen (Weinert 2002: 27 f.). Ergänzend zu Weinerts Definition herrscht in der Professionsforschung gemeinhin ein Konsens darüber, dass zu den Voraussetzungen für kompetentes Lehrerhandeln der Zugriff auf unterrichtsrelevantes Professionswissen zählt. Dieses wird als zentral für die Bewältigung komplexer Handlungssituationen betrachtet (vgl. Shulman 1987 ; Baumert/ Kunter 2006 ). Der hier dargelegte Kompetenzbegriff bildet den theoretischen Rahmen für die Konzeption der sog. professionellen Unterrichtswahrnehmung. Darunter versteht man die Fähigkeit, bei der Beobachtung von authentischem Unterricht auf Wissen über effektive Unterrichtsgestaltung zurückzugreifen und dieses bei der Beurteilung des Unterrichts anzuwenden (vgl. Sherin 2007 ; Stürmer 2011 ; Seidel/ Stürmer 2014 ). Die so definierte professionelle Wahrnehmungskompetenz wird als eine „handlungsrelevante, unterrichtsnahe“ Kompetenz angesehen ( Jahn et. al.: 171 ); denn es wird angenommen, dass „[…] bereits in der Phase der Wahrnehmung eine Vorbereitung auf die professionellen Handlungen erfolgt“ (Stürmer 2011 : 6 ). Die Ausbildung zur professionellen Unterrichtswahrnehmung wird daher als förderlich für den Aufbau weiterer Kompetenzen wie der Planung, Durchführung und Analyse eigenen Unterrichts erachtet. In Anlehnung an den dargelegten Kompetenzbegriff wurde die vorliegende Lehreinheit entwickelt. Deren Aufgabe war die Ausbildung von Kompetenzen in der professionellen Unterrichtswahrnehmung bezogen auf fremdsprachlichen Leseunterricht. Es wurde das hierfür relevante Professionswissen über effektives Lehren und Lernen vermittelt. Das Ziel war es, die Studierenden in die Lage zu versetzen, die Qualität des Leseunterrichts kompetent zu beurteilen. Das bedeutet, es sollte die Fähigkeit entwickelt werden, auf wissenschaftliches Professionswissen über Merkmale lernförderlichen Unterrichts zurückzugreifen, um die Qualität des Unterrichts kriterienorientiert zu analysieren und zu beurteilen. Bevor die Lehreinheit selbst beschrieben und erste Ergebnisse ihrer Evaluation dargestellt werden, soll zunächst geklärt werden, was in der Lehrerbildungsforschung als wissenschaftliches Professionswissen bezeichnet wird, in welche Facetten dieses ausdifferenziert wird und welche Aussagen über die Zusammenhänge zwischen den Facetten gemacht werden. <?page no="130"?> 130 astrid diener 2.2 Professionswissen Das professionelle Wissen von (angehenden) Lehrkräften wird in drei Facetten ausdifferenziert: Fachwissen (subject matter content knowledge), fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) und pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge) (vgl. z. B. Baumert/ Kunter 2006 : 482 ). Diese Ausdifferenzierung geht auf Shulman ( 1986 , 1987 ) zurück und dient in der aktuellen Forschung als theoretischer Rahmen zur Beschreibung und Messung von Lehrerkompetenzen. Während diese drei Facetten empirisch nachweisbar voneinander abgrenzbar sind, bestehen zwischen ihnen dennoch Zusammenhänge, wie bereits Shulman feststellt. So bezeichnet dieser z. B. die Fachdidaktik als „[…] Amalgam aus fachlichem und pädagogischem Wissen […]“ ( 1987 : 8 ; Übersetzung A. D.). Das Zusammenspiel aller drei Domänen wird in der aktuellen Lehrerbildungsforschung im Anschluss an Shulman folgendermaßen charakterisiert: Im Fachunterricht greifen Lehrkräfte auf Fachwissen und fachdidaktisches Wissen zurück und vernetzen das Wissen aus beiden Domänen mit dem fachübergreifenden pädagogischen Wissen über die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen (Blömeke/ König 2010 : 242 ). Auch empirisch wurden Zusammenhänge zwischen den drei Domänen nachgewiesen (vgl. die Ergebnisse der Studien COACTIV , TEDS -M und TEDS - LT : Voss/ Kunter 2011 ; Bremerich-Vos et al. 2011 ; Roters et al. 2011 ; König/ Blömeke/ Doll 2011 ). Der Zusammenhang zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen wird damit erklärt, dass Fachwissen für die Entwicklung von fachdidaktischem Wissen bedeutsam ist und somit indirekt auch die Unterrichtsqualität beeinflusst (Baumert/ Kunter 2011 : 185 ). „Mängel im Fachwissen limitieren die Entwicklungsmöglichkeiten fachdidaktischer Ressourcen“, so die Einschätzung (ebd.). Der Zusammenhang zwischen Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik wird so erklärt, dass bestimmte fachübergreifende Inhalte der Erziehungswissenschaft, wie z. B. allgemeindidaktische Modelle oder Lerntheorien, sich fachspezifisch unterschiedlich ausgestalten und damit fachdidaktisch unterschiedlich verarbeitet werden. Dabei gibt es trotz der Abgrenzung der beiden Domänen deutliche inhaltliche Überschneidungen (Blömeke/ König 2010 : 240 ). Im Einklang mit diesen Befunden geht die Forschung im Bereich der professionellen Unterrichtswahrnehmung davon aus, dass die Wahrnehmungskompetenz von der Integriertheit und Vernetztheit des relevanten Wissens abhängig ist: „Ist das Wissen über effektives Lehren und Lernen integriert und vernetzt, sind Personen in der Lage, Verbindungen zwischen Wissenselementen herzustellen und damit spezifische Unterrichtssituationen differenziert zu erklären und weitere Lehr-Lernprozesse vorherzusagen“ ( Jahn et al. 2014 : 172 ). Ausgehend von diesen Einschätzungen wurde in der Lehreinheit angestrebt, <?page no="131"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 131 relevantes Wissen aus den verschiedenen Wissensfacetten miteinander zu vernetzen: Fachdidaktisches Wissen über Lehr-Lernprozesse beim fremdsprachlichen Lesen wurde mit fachwissenschaftlichem Wissen verknüpft, welches für das Verständnis dieser Prozesse relevant ist und wurde in Bezug gesetzt zu fachübergreifendem Wissen aus der Erziehungswissenschaft über Kriterien für die Beobachtung und Bewertung von Lehr-Lernprozessen. Damit ist allerdings noch nicht unbedingt gewährleistet, dass dieses (so vernetzte) theoretische Wissen automatisch auch auf praktische Handlungskontexte angewandt werden kann. Ein Überblick über die Befundlage über Bedingungen eines erfolgreichen Theorie-Praxis-Transfers und die Schlussfolgerungen daraus für die vorliegende Lehreinheit sollen im Folgenden dargelegt werden. 2.3 Forschung zum Verhältnis von Theorie und Praxis im Aufbau von professioneller kompetenz In der Diskussion um die Entwicklung professioneller Kompetenz von Lehrkräften spielt die Frage nach den Bezügen des wissenschaftlichen Wissens zur Unterrichtspraxis eine wesentliche Rolle. Empirische Vergleichsstudien über die Theorie-Praxis-Relation legen nahe, dass eine Verzahnung von theoretischem Wissen mit Anwendungsbezügen zu praktischen Handlungskontexten in der universitären Ausbildung für den Erwerb professioneller Kompetenz von zentraler Bedeutung ist. So konnte nachgewiesen werden, dass angehende Lehrkräfte, die zu einer theoriebezogenen Reflexionsfähigkeit ausgebildet wurden, bessere didaktische Leistungen in der Schulpraxis erbringen als solche, bei denen das weniger der Fall ist (vgl. Niggli 2004 ). Wesentlich dabei ist nach Einsiedler ( 2010 ) der Transfer von wissenschaftlichen Aussagesystemen auf praktische Handlungskontexte. Niggli spricht in diesem Zusammenhang davon, dass von der Wissenschaft in die Praxis eine „Übersetzungsleistung“ zu erbringen sei, und zwar aus dem „[…] Spezialdiskurs der Fachdisziplin in die Sprache der Praxis“ (ebd.: 359 ). Ob der Transfer von der Theorie zur Praxis gelingt, hängt von den Bedingungen der Ausbildung und der Frage ab, ob diese durch entsprechende Lehr-Lernszenarien einen solchen Transfer unterstützt (vgl. z. B. Nölle 2002 ). Vieles weist darauf hin, dass entsprechend gezielt ausgewählte Lehr-Lernszenarien den Transfer von der Theorie in die Praxis unterstützen und damit den Aufbau von professionellem Handlungswissen im Rahmen der universitären Lehrerausbildung fördern (vgl. z. B. Nölle, ebd.; für eine Zusammenfassung der gesamten Befundlage, s. Blömeke 2009 : 188 - 189 ). Dies trifft nach neueren Erkenntnissen auch auf die Entwicklung der professionellen Wahrnehmungskompetenz zu (vgl. Jahn et. al. 2014 ). Maßgeblich sind hier Erkenntnisse aus der Expertiseforschung über unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten von Novizen und Experten bei der Beobachtung von Unterricht: Novizen verfügen <?page no="132"?> 132 astrid diener in einem geringeren Maß über Konzeptwissen, mit dem sie Aspekte der Lernwirksamkeit im Unterrichtsgeschehen identifizieren können als Experten und sind seltener in der Lage, Unterrichtshandlungen in ihrer Lernwirksamkeit adäquat zu erfassen. Experten hingegen verfügen über ein größeres Repertoire an Konzeptwissen und sind häufiger in der Lage, Unterrichtshandlungen in ihrer Lernwirksamkeit adäquat zu erfassen (vgl. Stürmer 2011 ; Star/ Strickland 2008 ; Carter et al. 1988 , Seidel/ Prenzel 2007 ; Seidel/ Stürmer 2014 ). Es wird angenommen, dass solches Konzeptwissen mit zunehmender Unterrichtserfahrung in der Berufspraxis aufgebaut wird, indem aus wiederholten Erfahrungen mit lernwirksamen Unterrichtshandlungen übergeordnete Konzepte über Bedingungen der Lernwirksamkeit entwickelt werden (vgl. Berliner 2001 ; Putnam/ Borko 2000 ; Darling-Hammond 2006 ). Jedoch spricht vieles dafür, dass Kompetenzen in der Erfassung der Lernwirksamkeit von Unterrichtshandlungen mit Hilfe von übergeordneten Konzepten nicht erst in der Berufspraxis erworben, sondern bereits bei angehenden Lehrpersonen auf Universitätsebene angebahnt werden können. Eine tragende Rolle spielt dabei die Vermittlung des relevanten Professionswissens in anwendungsbezogenen Lehr-Lernszenarien, welche den Transfer von der Wissenschaft in die Praxis fördern (vgl. Star/ Strickland 2008 ; Seidel/ Stürmer 2014 ). Im Anschluss an die hier skizzierte Befundlage wurde in der vorliegenden Lehreinheit dafür gesorgt, dass Anwendungsbezüge von der Theorie zur Praxis hergestellt wurden: Qualitätsanalysen von Unterricht wurden gleichzeitig theoriebasiert und praxisnah eingeübt, und zwar anhand von Übungsmaterial aus der Schulpraxis (z. B. Schulbuchtexten, Übungsaufgaben, Unterrichtsverlaufsplänen). Mit diesem Vorgehen ist die Erwartung verbunden, dass der Erwerb von Kompetenzen in der professionellen Unterrichtswahrnehmung bereits nach Ende der Lehreinheit nachgewiesen werden kann. 3 Die Lehreinheit Im folgenden Abschnitt wird erläutert, welches Wissen konkret in der Lehreinheit vermittelt und wie dieses unterrichtsnah miteinander vernetzt wurde. Der erste Baustein der Lehreinheit sind Erkenntnisse aus der Lehr-Lernforschung über Merkmale lernwirksamen Unterrichts. Wissen über solche Merkmale ist in Orientierung an Shulman ( 1986 , 1987 ) der Wissensfacette „pädagogisches Wissen“ zuzuordnen und bewegt sich innerhalb dieses Großgebietes an der Schnittstelle zwischen Didaktik und pädagogischer Psychologie. Zu den Merkmalen, die sich in der Forschung als entscheidend für die Förderung von Lernprozessen im Unterricht erwiesen haben, gehören u. a. die Aspekte Klarheit, Strukturiertheit und Angemessenheit einer Unterrichtsstunde (vgl. Brophy 1999 ; Walberg/ <?page no="133"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 133 Paik 2000 ; Seidel/ Shavelson 2007 ; Hattie 2009 ; Helmke 2010 ). Auf diese vier Merkmale konzentrierte sich die Lehreinheit. Die Studierenden wurden mit den wissenschaftlichen Befunden über die Bedeutung dieser Merkmale für die Unterrichtsqualität vertraut gemacht. Dabei erwarben sie (bezogen auf die jeweiligen Merkmale) Kenntnisse über Indikatoren, mit deren Hilfe der Fokus dafür geschärft wird, woran man die Qualität einer Unterrichtshandlung erkennen kann. In einem nächsten Ausbildungsschritt wurden die zunächst noch eher allgemeinen und noch wenig zielgerichteten Kenntnisse über die Qualitätsmerkmale und deren Indikatoren inhaltlich für das konkrete Unterrichtsfach spezifiziert. Denn wenn die Klarheit, Strukturiertheit und Angemessenheit von Aufgaben und Zielen speziell im fremdsprachlichen Leseunterricht anhand solcher Merkmale und Indikatoren erfasst werden sollen, so muss die Lehrkraft in der Lage sein, • die kognitiven Anforderungen speziell von fremdsprachlichen Texten, Aufgaben und Zielen zu durchdringen und klar (eindeutig) zu bestimmen, • ein Verständnis für eine lernwirksame didaktische Strukturierung der Aufgaben, Ziele und der einzelnen Phasen des fremdsprachlichen Leseunterrichts zu entwickeln, • die fremdsprachenbezogenen Lern- und Wissensvoraussetzungen sowie potentielle Probleme bei der Bewältigung der einzelnen fremdsprachlichen Leseaufgaben einzuschätzen und • über das notwendige Erklärungs- und Förderwissen verfügen, um die Lernenden in ihrem Fortschritt bei der Bewältigung von Leseaufgaben in der Fremdsprache angemessen zu unterstützen. Um Klarheit, Strukturiertheit und Angemessenheit des fremdsprachlichen Leseunterrichts kompetent beurteilen zu können, bedarf es also einer fachspezifischen Konkretisierung; d. h. bezogen auf die Merkmale und ihre Indikatoren bedarf die Lehrperson spezifischen fachdidaktischen Wissens über die Anforderungen von Lehr-Lernprozessen speziell im fremdsprachlichen Leseunterricht. Solches Wissen wurde in der Lehrveranstaltung vermittelt. Es handelt sich hier u. a. um Wissen aus Theorie und Forschung über • Leseprozesse, wie sie in theoretischen Lesemodellen (z. B. Kintsch 1988 ) angenommen werden, • Herausforderungen in Erst- und Fremdsprache, die sich bei den einzelnen Leseprozessen ergeben sowie Probleme, die sich beim fremdsprachlichen Lesen ergeben können (z. B. Ehlers 1988 ; Grabe/ Stoller 2010 ; Lutjeharms 2010 ), • Instrumente zur Identifikation der Anforderungsniveaus von fremdsprachlichen Lesetexten und Aufgaben, wie sie von den einschlägigen Lesekom- <?page no="134"?> 134 astrid diener petenzmodellen bereitgestellt werden (z. B. das Modell des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen [GeR 2001 ] und das empirisch geprüfte DESI -Modell [Nold/ Rossa 2007 ], das sich auf den GeR bezieht) oder • Forschung zu Merkmalen von starken und schwachen Leserinnen und Lesern im fremdsprachlichen Leseprozesses sowie Maßnahmen zu deren Förderung (z. B. Grabe/ Stoller 2010 ; Ehlers 2006 ; Ehlers 2007 ). Ergänzend zu diesem fachdidaktischen Wissen wurde fachwissenschaftliches Wissen herangezogen, welches für das Verständnis fremdsprachlicher Lehr- Lernprozesse relevant ist. Dies sind vornehmlich Kenntnisse aus der anglistischen Sprachwissenschaft, wie z. B. Kenntnisse aus Phonetik, Semantik, Morphologie und Syntax oder Kenntnisse aus der Textlinguistik der englischen Sprache. Diese sind für ein Verständnis des komplexen Leseprozesses in der englischen Sprache unabdingbar, da nachvollzogen werden muss, welche linguistischen Herausforderungen sich auf den verschiedenen Ebenen dieses Prozesses ergeben, beispielsweise bei der Schrift-Laut-Erkennung (Graphem- Phonem-Korrespondenz), bei der Erschließung von Wortbedeutungen, der Entschlüsselung komplexer Syntax oder bei dem Umgang mit den Komplexitäten englischsprachlicher Texte. In welcher Weise pädagogisches, fachdidaktisches und fachliches Wissen in der Lehreinheit zusammengeführt und vernetzt wurde, soll am Beispiel des Unterrichtsmerkmals Qualität der Aufgabenstruktur dargelegt werden. Eine kohärente Aufgabenstruktur zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Aufgaben und Lernschritte beziehen zuvor erworbene Kenntnisse und Kompetenzen ein und bauen diese im Lernfortgang schrittweise bis zum Erreichen des vorgesehenen Kompetenzziels auf. Die kohärente Strukturierung ist daran zu erkennen, dass in der Aufgabensequenz zu große Sprünge in den Lernvoraussetzungen vermieden werden (Brophy 1999 ). Für eine kompetente Beurteilung der Aufgabenkohärenz muss das Konzept der Kohärenz einer Aufgabenabfolge verstanden (pädagogisches Wissen) und auf die konkrete Unterrichtssituation angewandt werden; für die korrekte Anwendung muss ein Beobachter in der Lage sein, das Kompetenzniveau der textbezogenen Aufgaben korrekt einzuschätzen (fachdidaktisches Wissen) und die sprachliche Komplexität des Textes, der gelesen werden soll, korrekt zu analysieren (Fachwissen aus der Linguistik), bevor er die Kohärenz der Aufgabenabfolge korrekt erfassen kann. An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine kompetente Beurteilung alleine durch die Kenntnis der zu beurteilenden Unterrichtsmerkmale kaum gelingen kann, wenn das dafür relevante fachspezifische Wissen aus Fachdidaktik und Fachwissenschaft nicht vorhanden ist. Fehlt das fachspezifische Wissen über <?page no="135"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 135 die Anforderungen, welche Unterrichtshandlungen an die Lernenden stellen, können diese und damit die Kohärenz des Aufgabenaufbaus nicht korrekt eingeschätzt werden. Der komplexe Vorgang, die drei unterschiedlichen Wissensfacetten Fachdidaktik, Pädagogik und Fachwissenschaft zu vernetzen und für eine Beurteilung der Unterrichtsqualität verfügbar zu machen, wurde abschließend mit praxisrelevantem Übungsmaterial eingeübt. So wurden beispielsweise Schulbuchtexte und -aufgaben oder Aufgabensequenzen sowie Unterrichtsverlaufspläne mit Hilfe des vernetzten Wissens im Hinblick auf die Qualitätsmerkmale Klarheit, Strukturiertheit und Angemessenheit analysiert. 4 Curriculare Verankerung der Lehrinhalte Die Inhalte der Lehreinheit richten sich nach den gültigen übergreifenden Richtlinien der KMK für die Erziehungswissenschaft und die Fachwissenschaften mit Fachdidaktik ( KMK 2004 und 2013 ) sowie der in Baden-Württemberg gültigen Gymnasiallehrerprüfungsordnung (Gym PO I 2009 ) und deren Ausgestaltung in der Studien- und Prüfungsordnung und den Modulhandbüchern an der Universität Stuttgart ( SPUS 2011 a und b, MHB Englisch 2011 , MHB Erziehungswissenschaft 2011 ). Laut Studien- und Prüfungsordnung ist im Studienplan der Erziehungswissenschaft in den ersten beiden Semestern der Besuch des Grundlagenmoduls zur Didaktik vorgesehen. Darin werden „Grundbegriffe der Didaktik und Methodik, didaktische Modelle und Prinzipien, Unterrichtsmethoden, Formen der inneren Differenzierung“ behandelt ( SPUS 2011 b: 124 ). Die Modulbeschreibung spezifiziert diese Inhalte noch weiter. Es werden didaktische Konzepte „von sinnvollem Lernen und gutem Unterricht“ vermittelt und deren „Leistungsfähigkeit […] und Bedeutung für die Gestaltung von Lehr-Lernsituationen […]“ untersucht (MHB Erziehungswissenschaft 2011 : 12 ). Auf dieses Grundlagenwissen über Konzepte eines lernwirksamen Unterrichts wurde im Laufe der Lehrveranstaltung Bezug genommen, und das Konzeptwissen wurde anwendungsbezogen vertieft und vernetzt. Laut Studienplan für das Fach Englisch wird das linguistische und textbezogene Grundlagenmodul „Grundlagen der Literaturwissenschaft und der Linguistik“ ebenfalls im ersten Semester besucht und ist Bestandteil der Orientierungsprüfung ( SPUS 2011 b: 21 ). Die Orientierungsprüfung muss bis spätestens zu Beginn des 4 . Fachsemesters erfolgreich abgelegt sein ( SPUS 2011 a: 5 ), so dass auch auf das Wissen aus diesem Modul Bezug genommen werden konnte, um es zu vertiefen und zu vernetzen. Das Fachdidaktikmodul wird laut Studienplan im 3 . und 4 . Fachsemester belegt ( SPUS 2011 b: 22 ) und besteht aus zwei Teilen (Grammatik und Textarbeit). Grammatikdidaktik wird routinemäßig im 3 . Semester und Lesedidaktik im 4 . Semester gelehrt. Die vorliegende Lehreinheit bezieht sich auf <?page no="136"?> 136 astrid diener den Modulteil mit dem Schwerpunkt Lesedidaktik im 4 . Semester. Hier wurden alle Inhalte ohne vorliegende Wissensvoraussetzungen neu vermittelt, wobei sich zu gewissen Themen aus der Grammatik-Didaktik des vorangegangenen 3 . Fachsemesters auch Überschneidungspunkte ergeben. Der Besuch des Didaktik-Grundlagenmoduls aus der Erziehungswissenschaft wird als Voraussetzung für den Besuch des Fachdidaktikmoduls empfohlen ( MHB Englisch 2011 : 43 ). Dies wird in der Regel von den Studierenden so eingehalten. Beide Module bereiten die Studierenden auf das Schulpraxissemester vor, das in der Regel im 5 . Fachsemester absolviert wird. In dem Falle, dass einzelne Studierende ein abweichendes Studierverhalten zeigen, wurde angestrebt, für alle Studierenden im Laufe des Semesters eine gemeinsame Wissensbasis in allen Bereichen zu schaffen, welche für die Unterrichtsbeurteilung relevant sind. 5 Kompetenztest und Stichprobe Um die Effekte der Lehreinheit auf die Kompetenzentwicklung der Studierenden festzustellen, hat die Autorin dieses Beitrags einen Test entworfen und durchgeführt, der sich an einem Konzept von Helmke orientiert (Helmke et al. 2013 ). Der Test bestand aus einem Fragebogen, mit dessen Hilfe die Studierenden eine Englischunterrichtsstunde mit Schwerpunkt Textkompetenz beurteilen sollten. Die Urteile sollten im Hinblick auf die Lernwirksamkeit der beobachteten Unterrichtshandlungen gefällt und begründet werden. Es handelt sich um eine videografierte Englischstunde zum Thema „Jobs“, durchgeführt in einer 9 . Realschulklasse (Video: Helmke ebd.). Getestet wurden 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 1 . Fachdidaktikmoduls (Vorbereitungsmodul für das Schulpraxissemester) im Sommersemester 2014 ; diese befanden sich zum größten Teil im 3 ./ 4 . Fachsemester (zwei Studierende waren im 4 ./ 5 . Fachsemester). Bei dem verwendeten Testmaterial handelt es sich um das Unterrichtsvideo selbst sowie einen schriftlichen Verlaufsplan der Stunde und um das verwendete Lehrbuchmaterial. Die Testzeit betrug insgesamt 90 Minuten. Den Studierenden wurde das Unterrichtsvideo gezeigt ( 45 Minuten). Sie hatten anschließend die Aufgabe, die Qualität der beobachteten Unterrichtshandlungen zu beurteilen. Die Urteile sollten begründet werden, und zwar mit Hilfe von übergeordneten Konzepten, die die Lernwirksamkeit der beobachteten Handlungen kennzeichnen. Konkret ging es um die Beurteilung des Unterrichts im Hinblick auf die Qualitätsmerkmale Klarheit, Strukturiertheit und Angemessenheit. Um ein gemeinsames Vorverständnis für die genannten Qualitätsmerkmale zu schaffen, wurden zu Beginn des Tests Definitionen der Qualitätsmerkmale vorgegeben. Danach wurde das Video gezeigt (dabei waren Notizen möglich). Von den Studierenden wurden anschließend die Bewertungen und Begründungen schriftlich auf dem <?page no="137"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 137 Testbogen vermerkt. Der Test wurde zu zwei Messzeitpunkten durchgeführt: zu Beginn des Semesters (vor dem wissenschaftlichen Input) und zum Ende des Semesters (nach dem wissenschaftlichen Input). Die Studierenden mussten folgende Leistungen erbringen: Sie mussten nachweisen, dass sie die übergeordneten Konzepte der Lernwirksamkeit verstanden haben und mit Hilfe dieses Wissens (Nutzung relevanter Indikatoren) effektive und ineffektive Unterrichtshandlungen korrekt erfassen. Dafür mussten sie an der betreffenden Stelle in der Aufgabensequenz die vorliegenden Stärken oder Mängel identifizieren und mussten aufzeigen, worin sich die beobachteten Stärken oder Mängel innerhalb der Aufgabensequenz konkret äußern. 6 Hypothesen Mit dem oben beschriebenen Lehrprogramm (Vermittlung von vernetztem wissenschaftlichem Wissen und dessen Anwendung in praxisorientierten Übungen) ist die Erwartung verbunden, dass der Erwerb von Kompetenzen in der professionellen Unterrichtswahrnehmung nach Ende der Lehreinheit nachgewiesen werden kann. Es wird erwartet, dass die Studierenden zum Messzeitpunkt eins (also vor der Intervention) seltener in der Lage sind, Unterrichtsqualität anhand von übergeordneten Kriterien für Lernerfolg kompetent zu beurteilen als zum Messzeitpunkt zwei (nach der Intervention); d. h die Studierenden können zum Messzeitpunkt zwei effektive und ineffektive Unterrichtshandlungen häufiger identifizieren als zum Messzeitpunkt eins, und sie können mit Hilfe relevanter Indikatoren häufiger aufzeigen, worin sich die beobachteten Stärken oder Mängel konkret äußern. 7 Erste Ergebnisse und Diskussion Erste Ergebnisse aus der Studie deuten 1 darauf hin, dass zum zweiten Messzeitpunkt, also am Ende der Lehreinheit, die Studierenden häufiger in der Lage waren, die beobachteten Unterrichtshandlungen mit Hilfe der übergeordneten Konzepte bezüglich ihrer Lernwirksamkeit adäquat zu beurteilen, als zum ersten Messzeitpunkt. So hat z. B. bezüglich des Merkmals „Kohärenz der Aufgabenstruktur“ zum Messzeitpunkt zwei eine größere Anzahl der Studierenden einen 1 Ein ausführlicher Ergebnisbericht zusammen mit einer Präsentation der Items und der Auswertungsmethode wird an anderer Stelle erfolgen, in: Astrid Diener. Förderung des Transfers von der Theorie in die Praxis. Effekte der Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Ausbildungsinhalten auf die Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden der Fachdidaktik Englisch. Arbeitstitel der Habilitationsschrift. Universität Stuttgart (Abschluss voraussichtlich 2017 ). <?page no="138"?> 138 astrid diener Mangel in der Kohärenz der Aufgabenstruktur erkannt und konnte mit Hilfe relevanter Indikatoren aufzeigen, worin sich dieser Mangel äußert. Auch bei der Beurteilung der übrigen Merkmale waren die Studierenden zum zweiten Messzeitpunkt häufiger in der Lage, Stärken oder Mängel in der Lernwirksamkeit zu identifizieren und mit Hilfe relevanter Indikatoren zu erklären als vorher. Dies deutet darauf hin, dass aufgrund der Intervention die Beobachtungsgenauigkeit gestiegen ist und dass die Urteile über die Lernwirksamkeit der beobachteten Unterrichtshandlungen mit Hilfe relevanter Indikatoren differenzierter begründet werden können. Unter professioneller Unterrichtsbeobachtung versteht man die Fähigkeit, bei der Beobachtung von authentischem Unterricht auf Wissen über effektive Unterrichtsgestaltung zurückzugreifen und dieses bei der Beurteilung des Unterrichts anzuwenden. Die ersten Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass im Laufe der Lehreinheit Kompetenzen in der professionellen Unterrichtswahrnehmung erfolgreich angebahnt werden konnten. Aus den Ergebnissen sollten jedoch zunächst noch eher vorsichtige Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn es konnte zwar ein deutlicher Lernzuwachs verzeichnet werden, jedoch handelt es sich mit 18 Personen um eine kleine Stichprobe. Um die Aussagekraft der Studie zu erhöhen, wäre daher eine Wiederholung der Untersuchung mit einer größeren Stichprobe wünschenswert. Auch sollte sichergestellt werden, dass der Effekt tatsächlich auf die Lehreinheit zurückzuführen ist und nicht etwa z. B. das Resultat einer Wiederholung ist. Eine Möglichkeit, einen solchen Wiederholungseffekt auszuschließen, wäre eine Befragung der Studierenden über ihre Wahrnehmungen zu ihrem eigenen Lernprozess. Beispielsweise könnten sie darüber befragt werden, welche Bedeutung sie selbst dem vermittelten Wissen für die Entwicklung ihrer Beobachtungskompetenz beimessen und inwiefern sie dieses Wissen bei der Beurteilung des vorgeführten Unterrichts aus ihrer Sicht nutzbar machen konnten. Zusätzlich könnte eine Studie mit einer Kontrollgruppe durchgeführt werden, die ein anderes (z.B. weniger vernetztes und weniger praxisorientiertes) Treatment erhält. Falls im Anschluss an solche Folgeuntersuchungen bestätigt werden kann, dass der Kompetenzzuwachs auf die Lehreinheit zurückführbar ist, so kann mit dieser Studie bestätigt werden, dass es innerhalb eines Semesters gelingt, relevantes Wissens aus drei Disziplinen so zu vermitteln, dass es in einer komplexen Anwendungssituation (bei der Beobachtung und Bewertung von authentischem Unterricht) kompetent genutzt werden kann. Voraussetzung dafür scheint die Vernetzung und anwendungsbezogene Einübung dieses Wissens zu sein. Die Ergebnisse für den Messzeitpunkt eins zeigen, dass bei den Urteilsbegründungen auf das Wissen über Kriterien lernwirksamen Unterrichts aus dem Grundlagenmodul der Erziehungswissenschaft nur sehr rudimentär zurückgegriffen <?page no="139"?> Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen ausbildungsinhalten 139 wurde. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass den Studierenden im Verlauf des erziehungswissenschaftlichen Studiums die Anwendungsbezüge zum konkreten Fachunterricht unklar geblieben waren, so dass das Wissen im konkreten Anwendungsfall nicht aktiviert oder angewendet werden konnte. Ein anderer Grund dafür könnte darin liegen, dass einzelne Studierende ein abweichendes Studierverhalten zeigten und das Grundlagenmodul der Erziehungswissenschaft vor dem Besuch der Fachdidaktikveranstaltung noch nicht absolviert hatten, so dass diesen die Wissensvoraussetzungen aus der Erziehungswissenschaft fehlten. In einer nachfolgenden Untersuchung sollte daher geklärt werden, ob dies der Fall ist, wie viele Studierende es möglicherweise betrifft und welchen Effekt dies auf die Testleistung der betreffenden Studierenden evtl. hat. Geht man aber davon aus, dass die meisten oder alle Studierende den Regelstudienplan eingehalten und das erziehungswissenschaftliche Grundlagenwissen über effektives Unterrichten vor Belegung der Fachdidaktiklehrveranstaltungen erworben hatten, so legt das Ergebnis der Studie folgende Schlussfolgerungen nahe: Das allgemeindidaktische Wissen über Kriterien lernwirksamen Unterrichts bedarf der Konkretisierung für den speziellen Fachunterricht. Die Studie legt nahe, dass eine Vernetzung dieses Wissens mit dem fachbezogenen fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Wissen sowie dessen Anwendung in praktischen Übungsbeispielen dazu geführt hat, dass dieses Wissen bei der konkreten Unterrichtsbeobachtung erfolgreich angewendet werden konnte. Diese Vermutung wird gestützt von der Forschung in diesem Feld, die davon ausgeht, dass Vernetzheit und Integriertheit wissenschaftlichen Wissens mit praktischen Anwendungskontexten eine wesentliche Voraussetzung für kompetentes Lehrerhandeln ist. Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung war die Frage, inwiefern ein Transfer von theoretischem Wissen zu praktischen Unterichtskontexten im Rahmen der universitären Ausbildung gelingen kann. In der Studie konnte gezeigt werden, dass es gelingt, einen solchen Transfer in einem ersten Schritt anzubahnen: nämlich auf der Ebene der Beobachtung und Bewertung von authentischem Unterricht mit Hilfe von relevantem wissenschaftlichem Professionswissen. Es konnte gezeigt werden, dass am Ende der Lehreinheit Kompetenzen in der professionellen Unterrichtswahrnehmung angebahnt werden konnten. Vernetztheit und Integriertheit des Wissens scheinen eine tragende Rolle beim Aufbau dieser Kompetenzen zu spielen. Bisher agieren die einzelnen Lehramtsdisziplinen jedoch noch weitgehend unabhängig voneinander, was die inhaltlichen Ausgestaltungen der Ausbildungscurricula der einzelnen Disziplinen angeht. Das Resultat der Untersuchung legt nahe, dass ein höheres Maß an Abstimmung darüber, wie die Disziplinen inhaltlich aneinander anknüpfen können, sich positiv auf die Kompetenzentwicklung der Studierenden auswir- <?page no="140"?> 140 astrid diener ken könnte. Daneben gilt es dafür Sorge zu tragen, dass das wissenschaftliche Wissen, das auf Universitätsebene aufgebaut wird, anwendungsorientiert gelehrt wird, damit ein Transfer zur Praxis gelingen kann. Professionelle Unterrichtswahrnehmung gilt als Vorstufe für professionelle Handlungskompetenz. In diesem Sinne dient die Ausbildung zu professioneller Unterrichtswahrnehmung als Vorbereitung auf eine Umsetzung des erworbenen Beobachtungswissens in der eigentlichen Unterrichtspraxis. Es sollte daher für Anschlüsse des universitären Wisses in die Unterrichtspraxis gesorgt werden. Unmittelbar nach dem Besuch der Fachdidaktiklehrveranstaltungen absolvieren die Studierenden der Universität Stuttgart im Regelfall das Schulpraxissemester. Hier sollte das an der Universität erworbene Wissen vertieft und ausgebaut werden. So wäre es wünschenswert, wenn die Studierenden in der Schulpraxisphase von ihren Ausbilderinnen und Ausbildern dazu angeleitet würden, ihr wissenschaftliches Wissen über effektives Unterrichten proaktiv zu nutzen, und zwar nicht nur in der Unterrichtsbeobachtung, sondern auch in eigener Unterrichtsplanung, -durchführung und -reflexion. Wünschenswert wäre es, wenn die Lehrenden aus Wissenschaft und Praxis verstärkt dabei zusammenarbeiteten, die Kompetenzen der angehenden Lehrerinnen dadurch zu stärken, dass Handlungswissen und wissenschaftliches Professionswissen stärker miteinander vernetzt und im schulpraktischen Handeln integriert werden. 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Im Nachgang zu den individuellen schriftlichen Analysen ( ISA ) werden ausgewählte Situationen aus den Unterrichtsvideos mit dem Ziel diskutiert, fachdidaktische Konzepte zu situieren und ihr Verständnis abzusichern. Eine inhaltsanalytische Auswertung der studentischen Texte ergibt, dass die meisten Probanden am Ende des Seminars in zunehmendem Maße in der Lage sind, Situationen aus den Unterrichtsvideos mit Hilfe von im Seminar erworbenen fachdidaktischen Konzepten zu klassifizieren. Dieses Ergebnis wird als eine Professionalisierung der Unterrichtswahrnehmung interpretiert, die neben dem Selektieren und Abstrahieren die wissensbasierte Verarbeitung von Situationen umfasst. Im Vergleich der einzelnen Fälle treten jedoch Unterschiede in der Fähigkeit, Lerneffekte vorherzusagen oder Alternativen zu entwickeln zu Tage. Das Aufzeigen von alternativen Handlungsmöglichkeiten und Inszenierungsmustern haben Oser et. al. ( 2010 ) in ihrem sogenannten „advokatorischen Ansatz“ im Zusammenhang mit einer kontextnahen und validen Erfassung von Lehrerkompetenzen vorgeschlagen. Im „advokatorischen Ansatz“ werden Lehrerkompetenzen situativ und kontextnah über die stellvertretende Einschätzung von Situationen aus Videovignetten erfasst. Entscheidend ist, ob die vorgeschlagene Alternative so begründet wird, dass plausibel wird, warum und wie sie zu einer Optimierung des Lehr-Lerngeschehens beiträgt. „Die Qualitätsnorm zur Kompetenzmessung bildet im entwickelten Instrument ein diskursiv ausgehandeltes Expertenurteil, das jeweils begründet wird“ (Oser et. al. 2010 : 24 ). Entsprechend wird die Kategorie „Alternative“ dann vergeben, wenn die vorgeschlagene Alternative zu einer Optimierung des Lehr-Lerngeschehens beiträgt und diese aus der konkreten Unterrichtssituation heraus begründet wird. <?page no="146"?> 146 ralf Gießler Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf eine Teildimension der professionellen Unterrichtswahrnehmung: dem Aufzeigen von Alternativen für konkrete Unterrichtssituationen, in denen es um lexikalisches Lernen geht. Inwieweit sind angehende Lehrpersonen in der Lage, fachdidaktische Notwendigkeiten zu erkennen und alternative Handlungs- und Herangehensweisen für bestimmte Situationen des Unterrichts zu entwickeln? 2 Theoretische Ausgangspunkte Das diesem Beitrag zugrunde liegende Dissertationsprojekt versucht das aktive Forschungsfeld der professionellen Unterrichtswahrnehmung (Seidel et. al. 2010 ; Seidel et. al. 2011 ; Seidel & Hoppert 2011 ; Stürmer et. al. 2012 ; Seidel/ Stürmer 2014 ; Blomberg et. al. 2013 ; Stürmer et. al. 2015 ; Sherin 2008 ; Sherin/ Han 2004 ) für die Lehrerbildungsforschung im Bereich der Didaktik des Englischen aufschließen. Professionelle Unterrichtswahrnehmung beschreibt allgemein die Fähigkeit, eine Unterrichtssituation basierend auf lernpsychologischen, allgemeindidaktischen oder fachdidaktischen Wissensbeständen zu beschreiben, zu erklären oder begründet zu optimieren. In mehreren Validierungsstudien mit Studierenden unterschiedlicher Fächer, Studienstandorten und Abschlussarten „konnte die Struktur Professioneller Unterrichtswahrnehmung mit den drei Teilaspekten empirisch abgebildet werden“ (Stürmer/ Seidel/ Kunina-Habenicht 2015: 346.). Das Konzept der professionellen Unterrichtswahrnehmung hat sich bewährt, um „die Aneignung theorie-praxisintegrierter Wissensbestände bei Studierenden“ zu beschreiben (Stürmer/ Seidel/ Kunina-Habenicht 2015 : 346 ). Die Analyse von Unterrichtsvideos in der universitären Lehre kann einen Beitrag zu einer Ausbildung leisten, die „begriffliches Verständnis, interpretatives Fallverstehen und eine Haltung analytischer Distanz auch gegenüber dem eigenen Handeln erzeugt - alles zentrale Elemente von Professionalität“ ( MIWFT 2007 : 30 ). Studien aus den Bildungswissenschaften zeigen, dass sich professionelle Unterrichtswahrnehmung mit Hilfe von Unterrichtsvideos fördern lässt (z. B. Seidel et. al. 2011 ). Aus dem Bereich der Englischlehrerausbildung liegen einzelne Projekte mit Unterrichtsvideos vor (z. B. Minarikova/ Janik 2013; Wipperfürth 2015 ); ein Desiderat sind jedoch Untersuchungen, welche die fachspezifische Unterrichtswahrnehmung von angehenden Lehrpersonen in fremdsprachendidaktisch relevanten Domänen explorieren. Die bislang fehlende Fachlichkeit in den Studien zur Unterrichtswahrnehmung wird daher im Rahmen eines Dissertationsprojektes anhand der Domäne „Lexikalisches Lernen ermöglichen“ exploriert. Die Unterrichtswahrnehmung von Englischlehrpersonen wird dann als professionell angenommen, wenn <?page no="147"?> Lexikalisches Lernen optimieren 147 • Merkmale einer guten Wortschatzvermittlung anhand von etablierten Theorien identifiziert und beschrieben werden, • Bedingungen und Ergebnisse lexikalischer Lernprozesse erklärt werden können und wenn • alternative Lern- und Vermittlungswege benannt und begründet werden können. Das Lehren und Lernen von Wortschatz stellt eine relevante Domäne dar, weil eine zentrale Aufgabe von Englischlehrpersonen jedweder Schulform darin besteht, Gelegenheiten zum Gebrauch, Verstehen und Behalten lexikalischer Mittel zu schaffen - kurzum: lexikalisches Lernen zu ermöglichen. Der Einsatz von Unterrichtsvideos in der Ausbildung von Lehrpersonen hat in der amerikanischen Lehrerbildungsforschung und dort vor allem in der Ausbildung von Mathematiklehrkräften Tradition. Mit Hilfe von Videoreflexionszirkeln ( video clubs ) konnte in verschiedenen Untersuchungen eine Verbesserung der Reflexionsfähigkeit von Lehrpersonen ermittelt werden (Brophy 2004 ; Seago 2004 ; Sherin/ Han 2004 ; Sherin 2008 ; Sherin; van Es 2005 ; van Es 2010 ). Aber auch in der deutschsprachigen Forschung hat die empirische Erforschung der videobasierten Lehrerbildung in den verschiedenen Fachdidaktiken deutliche Fortschritte gemacht (Schramm & Aguado 2010 ; Trautmann & Sacher 2010 ). In dem Projekt LUV („Lernen aus Unterrichtsvideos“) an der Universität Jena wird die professionelle Unterrichtswahrnehmung der Zielorientierung von Physikunterricht mit Hilfe von Fremdvideos erhoben (Seidel et al. 2010 ; Seidel 2007 ). LUV ist der Vorläufer des nunmehr breit aufgestellten Projekts OBSER- VER, in dem ein Instrument entwickelt worden ist, um "die professionelle Unterrichtswahrnehmung standardisiert und unter Berücksichtigung ihrer situierten und kontextualisierten Natur zu erfassen" (Stürmer/ Seidel/ Kunina-Habenicht 2015 : 345 - 346 ). In dem Projekt v-share stellen Studierende eigene Unterrichtsaufzeichnungen in eine webbasierte Plattform ein und reflektieren ihren Unterricht unter Anleitung und in Kooperation (Massler et al. 2009 ; Huppertz et al. 2005 ; Henning et al. 2007 ). Bevor die Übertragung des Konzepts der professionellen Unterrichtswahrnehmung auf die Englischlehrerbildung weiter verfolgt wird, soll zunächst kurz auf die Problematik des Wissensbegriffs in der universitären Phase der Lehrerausbildung eingegangen werden. Der Wissensbegriff ist im Rahmen der Lehrerausbildung in Misskredit geraten, weil unklar ist, in welchem Maße durch die Vermittlung expliziten Wissens Handlungskompetenzen angebahnt werden können. In diesem Zusammenhang wird gerne von dem Technologiedefizit pädagogischen Handelns gesprochen, welches eben keine Anwendung tech- <?page no="148"?> 148 ralf Gießler nischen Wissens auf pädagogische oder fachdidaktische Fälle erlaubt (hierzu kritisch Wipperfürt 2015: 31). 2.1 Wissensverwendungsforschung Die Vorstellung einer technischen Wissensanwendung im pädagogischen Beruf ist von der Wissensverwendungsforschung geradezu weggefegt worden. Stadelmann ( 2006 : 52 ) formuliert hierzu pointiert: „Die Ergebnisse der erziehungswissenschaftlichen Verwendungsforschung haben die Vorstellung eines individuell bestimmbaren und kontrollierbaren Transfers des an der Universität erworbenen Theoriewissens in die nachgeschaltete Berufspraxis als Mythos aufgedeckt.“ Die Verwendungsforschung hat „eine strukturelle Andersartigkeit von Wissenschafts- und Professionswissen“ festgestellt, wenngleich auf der institutionellen Ebene der ersten Phase der Lehrerausbildung der Anspruch herrscht, dass man dem Anspruch Wissenschafts- und demjenigen der Berufsfeldorientierung gleichermaßen gerecht werden solle. „Nachdem von der Akademisierung eine professionalisierende Wirkung erwartet worden ist, wird die akademische Lehrerbildung nun selber zum Gegenstand der Kritik: Die mangelnde Berufsvorbereitung kann ihr nämlich - jedenfalls aus der Perspektive eines kompetenzorientierten Professionalisierungskonzeptes - als Deprofessionalisierung vorgeworfen werden“ (Stadelmann 2006: 53). Professionalitätszuschreibungen sind dennoch möglich, wenn „einer sich in Übereinstimmung mit dem verhält, was wir wissen“ (Neuweg 2011 : 38 ). Neuweg ( 2011 ) folgt Tenorth ( 2006 ), der „jedenfalls rät, mit der Wissensanalogie radikal zu brechen und von „professionellen Schemata“ zu sprechen, um die Grundlage zu benennen, aus der Könner ihre immer neuen Performanzen schöpfen“ (Neuweg 2011 : 37 ). Andererseits lässt sich posthum durchaus rekonstruieren, ob eine Englischlehrperson beispielsweise in Übereinstimmung mit Prinzipien des gesteuerten Zweitsprachenerwerbs (Ellis 2005 ) handelt. 2.2 Wie hängen Wissen und Wahrnehmung zusammen? Für die Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang von Wissen und Wahrnehmung wird in der Expertiseforschung häufig auf den Schemabegriff verwiesen. Der Schemabegriff bietet sich an, um „Ordnungen bzw. Strukturen von Wissen zu beschreiben, die es dem Experten ermöglichen, in einer Problemsituation eine bestimmte Ordnung zu erkennen und zu konstruieren (z. B. den Unterrichtsverlauf zu gestalten)“ (Bromme 1992 : 151 ). Schemata sind abstrakter Natur, weil eine Allgemeinheit bzw. gewisse Abstraktheit des Wissens eine Vo- <?page no="149"?> Lexikalisches Lernen optimieren 149 raussetzung für das Erkennen von Bedeutungsstrukturen ist. Der höhere Grad an Abstraktheit ist wichtig, um nicht nur identische Situationen zu erfassen, sondern auch um „neue Informationen als Instanzen eines bestimmten Typs oder einer Klasse von Informationen zu erkennen“ und zu kategorisieren (Bromme 1992 : 151 ). In einem komplexen Geschehen wie Unterricht ist die Fähigkeit gefragt, Einzelereignisse oder Episoden schnell einzuordnen und zu bilanzieren (z. B. den Hörverstehenserfolg oder dem Verstehen einer Semantisierung). Das Konzept der professionellen Unterrichtswahrnehmung wirft die Frage auf, wie sich Novizen (in diesem Fall Studierende in einem Master of Education- Studiengang) von Experten unterscheiden. Während sich Novizen „aufgrund des fehlenden Gefühls für den Kontext eher an explizite Regeln und Prozeduren“ (Schart 2014 : 45 ) halten, verfügen „Experten […] über die besser entwickelten Schemata“, die ihnen helfen in einer Vielzahl von Unterrichtssituationen routiniert zu agieren. Um die Unterschiede zwischen Novizen und Experten zu fassen, führt Bromme ( 1992 ) den Begriff der „kategorialen Wahrnehmung“ ein. Kategoriale Wahrnehmung beinhaltet drei Aspekte: • Die Anwendung von Wissen im Prozess der Wahrnehmung der Problemsituation, • die kognitive Unterteilung eines Ereignisstroms oder von gegebenen Sachverhalten in Einheiten und • die Strukturierung gegebener Situationen für den Handelnden durch verfügbare Begriffe (Bromme 1992 : 42 ). Bromme ( 1992 ) spricht auch von „kategorialen Schnitten“ durch Situationen. Dies meint die Fähigkeit gleiche Sachverhalte oder Vorkommnisse kognitiv zu gliedern und Ereignisstrukturen zu identifizieren (z. B. Episoden von negotiation of meaning ). Der kurze Exkurs in die Expertiseforschung zeigt, dass Wahrnehmung nicht ohne Wissen auskommt. Allerdings werden aus fachdidaktischen Theorie nicht ohne weiteres Schemata, die für die „kategoriale Wahrnehmung“ im Sinne von Bromme ( 1992 ) entscheidend sind. Mit Hilfe von Unterrichtsvideos kann die „kategoriale Wahrnehmung“ (Bromme) bei angehenden Lehrpersonen entwickelt werden. Jede Situation eines Unterrichtsvideos kann hierbei zu einer „Lehrstunde“ und Bewährungssituation für fachdidaktisches Wissen werden. 2.3 Die Situation als Bewährungsfall für fachdidaktisches Wissen Stundenverläufe bzw. Situationen aus dem Fachunterricht sind „keine Addition separater Versatzstücke“ (Baumert/ Kunter 2006 : 487 ), sondern sind durch sogenannte Inszenierungsmuster gekennzeichnet (z. B. Routinen für die Einfüh- <?page no="150"?> 150 ralf Gießler rung von Wortschatz). Inszenierungsmuster sind an „Unterrichtsziele geknüpfte Verlaufsbilder“ von Unterricht, die einen „Orientierungsrahmen unterrichtlichen Handelns“ liefern; sie haben eine eigene Gestalt und sind „als solche auch kognitiv repräsentiert“. Hervorzuheben ist, dass diese Inszenierungsmuster und „ihre interne Logik […] an pädagogische und didaktische Theoriekulturen gebunden zu sein“ scheinen (ebd.). Innerhalb der unterschiedlichen Fachkulturen „ist die Anzahl der Inszenierungsmuster und deren interne Variabilität durchaus begrenzt, so dass sich insgesamt der Eindruck einer hohen Stabilität der didaktischen Grundmuster zumindest innerhalb von Fächern ergibt“ (Baumert/ Kunter 2006 : 487 ). Für den Englischunterricht sind hier als Beispiele pre-, while- und post-listening zu nennen sowie wiederkehrende Muster der Vorentlastung von Wortschatz oder der Semantisierung von unbekanntem Wortgut im laufenden Unterrichtsprozess. Anders formuliert: Es gibt bestimmte, wiederkehrende Unterrichtssituationen, die durch ganz bestimmte Inszenierungsmuster gekennzeichnet sind. Situationen des Fachunterrichts werden durch Inszenierungsmuster gerahmt, so dass deren Beginn und Ende auf der Sichtebene beobachtbar ist. Auf der kognitiven Ebene sind „kategoriale Schnitte“ durch das „Material“, sprich das laufende Unterrichtsgeschehen, möglich. (In diesem Zusammenhang wird in der zweiten Phase der Lehrerbildung über Übergänge oder „Gelenkstellen“ des Unterrichts gesprochen.) Lehrerhandeln ist die Bewältigung von Situation, wobei „konkrete Situationskomplexe spezifische Handlungsformen“ erfordern (Oser 2007 ): „Pädagogische Situationen […] sind dadurch gekennzeichnet, dass sie einen ganz bestimmten Aufforderungsgehalt manifestieren […]. Es gibt also Situationen, in denen die handlungsbezogene Umsetzung bestehender Kompetenzen von der Situation selbst eingefordert wird. Dies ist als pädagogische Notwendigkeit zu bezeichnen“ (Oser 2007: 109). Es sind die Elemente einer Situation, „welche den Einsatz eines bestimmten Kompetenzprofils erfordern“ (Oser/ Curcio/ Düggeli 2007 : 21 ). Der Begriff des „Kompetenzprofils“ bedarf der Erläuterung bzw. Definition: Oser/ Heinzer/ Salzmann ( 2010 : 7 ) verstehen darunter ein "Bündel von Kompetenzen, das sich ganzheitlich auf eine abgrenzbare Situation bezieht“. Diese Einzelkomponenten werden an der Situation ausgerichtet und stehen im Dienst“ einer „abgrenzbaren Handlungseinheit“ (Oser/ Heinzer/ Salzmann 2010 : 7 - 8 ). Oser/ Curcio/ Düggeli ( 2007 ) unterscheiden verschiedene Typen der Notwendigkeit, die durch stoffliche Erfordernisse oder die Notwendigkeit der Lernunterstützung oder der fachlichen Explikation oder interaktive Notwendigkeiten bestimmt sind. Jeder Typ der Notwendigkeit ist auf eine andere Erwartung <?page no="151"?> Lexikalisches Lernen optimieren 151 gerichtet und hat eine andere Dringlichkeit „und nur wer diese Dringlichkeit erkennt, handelt bzw. setzt sein Kompetenzprofil performativ (optimal) ein“ (ebd., 111 ). Innerhalb der Domäne „Lexikalisches Lernen ermöglichen“ gibt es Situationen, wie z. B. die Einführung oder Umwälzung von Wortgut, die bestimmte Handlungen erfordern (z. B. das Aushandeln von Bedeutungen; das Stellen von Aufgaben zur paradigmatischen und syntagmatischen Vernetzung von Wortschatz). 2.4 Konzeptualisierung der Domäne „Lexikalisches Lernen ermöglichen“ Der Begriff „Lexikalisches Lernen“ wurde in der Fremdsprachendidaktik wahrscheinlich zuerst von dem Wuppertaler Romanistik- und Wortschatzdidaktiker Peter Scherfer ( 1985 , 1994 ) geprägt. Das Konzept „Lexikalisches Lernen“ beschränkt sich nicht auf die klassische „Wortschatzarbeit“; vielmehr geht es darum, lexikalisches Lernen auf unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlichen Teilzielen vor Augen zu inszenieren. Der Begriff „Lexis“ wird dem Begriff „Vokabular“ oder „Wortschatz“ vorgezogen, um die Abkehr von der Einzelwortorientierung und die Hinwendung zu einem erweiterten Gegenstandsbereich (inklusive idioms, multi-word units ) zu signalisieren (vgl. Willis 2003 ; Schmitt 2010 : 8 - 10 ; Siepmann 2007 ). Scherfer ( 1985 ) unternimmt eine Modellierung des Wortschatzlernens im Fremdsprachenunterricht und steckt das Entscheidungs- und Gestaltungsfeld lexikalischen Lernens wie folgt ab: • Die gegenstandsbezogene Perspektive: Auswahl des Wortschatzes, Umfang der lexikalischen Einheiten, Häufigkeit, Reichweite von Wortschatz (Scherfer 1985 : 413 f.). • Die vermittlungsbezogene Perspektive: z. B. Auswahl von relevantem Wortschatz, Semantisierungsstrategien, Bestimmung der Lernschwierigkeit. • Die lernprozessbezogene Perspektive: Behalten, Vergleichen und Abrufen fremdsprachiger Wörter sowie von Lern- und Merkhilfen (Scherfer 1985 : 413 f.). Für die Systematisierung der Konzepte der Wortschatzdidaktik (Nation 2001 ; Nation 2007 ; Nation 2011 ; Schmitt 2010 ) in dem fachdidaktischen Seminar mit dem Titel „ Supporting lexical learning “ wird die von Reusser ( 2008 ) wiederbelebte, allgemeindidaktische Denkfigur des didaktischen Dreiecks fachdidaktisch gefüllt. Das didaktische Dreieck hilft „die strukturelle Grundsituation didaktischen Handelns und damit die Kernaufgabe institutionell gerahmten Lernens aus der Perspektive der zentralen Elemente und Akteure zu bestimmen“ und stellt somit „einen geeigneten Ausgangspunkt zur Deutung der Dynamik der zentralen operativen Aufgaben von Lehrpersonen“ dar (Reusser 2008 : 224 ). <?page no="152"?> 152 ralf Gießler Die Ziel- und Stoffkultur des Unterrichts wird vor allem in der Unterrichtsvorbereitung eine zentrale Rolle spielen. Die Lern- und Verstehenskultur hilft sowohl auf Lernergebnisse ( memorisation ) wie auch auf Lernprozesse in den Blick zu nehmen ( recall, recognition ). Der „Qualität der personalen Kommunikations- und Lernhilfeaufgaben von Lehrerinnen und Lehrern [kommt] in Bezug auf eine pädagogisch förderliche Interaktion, Lernunterstützung und Beziehungsgestaltung“ eine herausragende Bedeutung zu (ebd. 228 ). Gelegenheiten lexikalisches Lernen zu optimieren beschränken sich daher nicht nur auf die Phasen der Semantisierung oder Umwälzung von Wortschatz, sondern schließen das Sprach- und Kommunikationsverhalten der Lehrkraft mit ein. Für die Analyse der Unterrichtsvideos unter dieser Perspektive wird ein entsprechender Beobachtungsprompt (vgl. 3.2) formuliert: How is lexical learning supported through interaction and communication in the classroom? Reusser ( 2008 ) ergänzt damit das von Scherfer ( 1985 ) abgesteckt Entscheidungs- und Gestaltungsfeld didaktischen Handelns um eine Perspektive. Das didaktische Dreieck hat für das Formulieren von Alternativen im Kontext der professionellen Unterrichtswahrnehmung eine heuristische Relevanz, weil es als Denkfigur erlaubt, fachdidaktische Notwendigkeiten und Optimierungen fachlichen Lernens auf verschiedenen Ebenen zu beschreiben. Diese können die lernprozessbezogene Perspektive betreffen, bei der es um die Lernaufgaben und Verstehenshilfen geht. Optimierungen sind je nach Situation auf einer oder sogar mehreren Ebene möglich oder durch die Situation gefordert. Die Inszenierung von Lernhilfedialogen mit dem Ziel Bedeutungen und ihre Reichweiten auszuhandeln ( negotiation of meaning ) berührt sowohl die lernprozessbezogene Perspektive (Lern- und Verstehenskultur) wie auch die Vermittlungsperspektive (Kommunikations- und Unterstützungskultur). Im vierten Abschnitt dieses Beitrags werden hierzu konkrete Beispiele aus den Analysen der Unterrichtsvideos vorgestellt. Lehrpersonen können lexikalisches Lernen auf ganz unterschiedliche Arten ermöglichen bzw. inszenieren. Neben den eher explizit zu nennenden Semantisierungstechniken und Aushandlungen ( rich instruction ) gehört auch der Strategieerwerb, die Reflexion von Vokabellernstrategien oder die gemeinsame Reflexion über Bedeutungsreichweiten von Wörtern im Sinne der „ lexical awareness “ (Nation 2008 ) zu einer Ermöglichungskultur lexikalischen Lernens, die es Lernenden zugesteht (zumindest phasenweise) die Verantwortung für ihren eigenen Wortschatzerwerb zu übernehmen. Dabei kann die Steuerung des Lernprozesses mal mehr bei den Lernenden, mal mehr bei den Lehrenden liegen oder auch über das Materialangebot erfolgen. Die Lernprozesse können expliziter oder eher impliziter Natur sein (indem zum Beispiel das Aushandeln von Bedeutungen oder das Verstehen eines Textes im Zentrum steht). Lehrper- <?page no="153"?> Lexikalisches Lernen optimieren 153 sonen müssen sowohl Lerngegenstände in ihrer Breite erfassen können, um auf etwaige Lernschwierigkeiten angemessen reagieren zu können. Strittig ist, ob Entscheidungen darüber, welche Kollokationen oder Registerinformationen den Lernenden zusätzlich vermittelt werden, primär in die Entscheidungsbefugnisse des professionellen Englischlehrers fallen oder ob Entscheidungen über die zu lernenden Lexeme auch den Lernenden überlassen werden können. Auf der Suche nach Alternativen zum konventionellen Vokabeltest schlägt Herten ( 2012 : 6 ) vor, Schülergruppen eine Liste der " most useful words or expressions " einer Lehrwerkseinheit erstellen zu lassen. Dieses Vorgehen habe den Vorteil, "dass es sich an den Bedürfnissen der der Schüler orientiert, indem der potentielle Anwendungsnutzen von ihnen selbst und nicht aus der subjektiven Sicht der Lehrperson bewertet wird" (ebd.). Inwieweit Entscheidungen über den zu übenden oder wiederholenden Wortschatzes den Lernenden übertragen werden können, ist sicherlich stark lerngruppenabhängig. „Clevere“ Schüler könnten beispielsweise Kognate und internationale Fremdwörter auswählen, um den Test aus ihrer Sicht „machbar“ zu gestalten. Entscheidungen über die wirklich wichtigen, d. h. frequenten Wörter im Sinne Miltons ( 2009 : 44 ) wird die Lehrperson jedoch allein schon auf Grund ihres größeren Wortschatzes kompetenter treffen können als Lernende der Mittelstufe. Auf der anderen Seite kann das Delegieren der Testerstellung an die Lernenden durchaus zu einer Lerngelegenheit werden, wenn bestimmte Auswahlentscheidungen (z. B. Kognate, internationale Fremdwörter, idiomatische Wendungen) anschließend mit der Lerngruppe reflektiert werden. Zu Ende gedacht würde dies eine Optimierung lexikalischen Lernens im Hinblick auf die Förderung der Sprachlernbewusstheit bedeuten. 3 Methodisches Vorgehen 3.1 Zum Forschungsdesign: Design-based research Das Forschungsdesign der vorliegenden Studie orientiert sich am Ansatz der Design-based research (im Folgenden als DBR abgekürzt). DBR ist in Deutschland bislang noch wenig bekannt und wenig verwendet worden. Im Bereich der fachdidaktischen Forschung in Deutschland werden Designexperimente erst in jüngerer Zeit als Forschungsdesign erprobt. 1 DBR ist innerhalb der Lehr-/ Lernforschung entstanden und wird auch aus dieser Forschungsrichtung heraus 1 So veranstaltete die Universität Bremen im Dezember 2015 einen mit BMBF-Mitteln geförderten „Workshop zum Einsatz von design-based research in der Empirischen Bildungsforschung und in den Fachdidaktiken unter besonderer Berücksichtigung der grundlegenden Planung und praktischen Durchführung“ (http: / / www.uni-bremen.de/ cu-fabit/ design-based-research.html, zuletzt geöffnet am 27 . 2 . 2016 ). <?page no="154"?> 154 ralf Gießler begründet. Designexperimente im Bereich der Bildungswissenschaften verfolgen das Ziel nicht nur zu überprüfen "what works", sondern auch Theorien zu fach- und domänenbezogenen Lernprozessen zu entwickeln. A theory of this type would specify successive patterns in students’ reasoning together with the substantiated means by which the emergence of those successive patterns can be supported (Cobb et. al. 2003: 9). Der Begriff „ Design “ soll zum Ausdruck bringen, dass der Akt der Gestaltung und Entwicklung von Maßnahmen auch ein Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses ist. Dabei nutzt DBR einen Methoden-Mix, um die Resultate einer Maßnahme zu analysieren und zu optimieren. On the prospective side, designs are implemented with a hypothesized learning process and the means of supporting it in mind in order to expose the details of that process to scrutiny (Cobb et. al. 2003: 10). In Abgrenzung zur Evaluationsforschung werden in DBR Erkenntnisse auf der Basis bestehender theoretischer Modelle und empirischer Erkenntnisse erzielt. On the reflective side, design experiments are conjecture driven tests, often at several levels of analysis. The initial design is a conjecture about the means of supporting a particular form of learning that is to be tested (Cobb et. al. 2003: 10). Da Kontext (das fachdidaktische Seminar) und Maßnahmen (die strukturierte Analyse von Unterrichtsvideos) zusammenwirken und für beobachtbare Ergebnisse verantwortlich sind, wird der Kontext der Maßnahme stets mit in den Blick genommen. Zusammengefasst orientiert sich die vorliegende Untersuchung an den folgenden Prinzipien von Designexperimenten: Merkmal von Designexperimenten realisierung in dieser untersuchung Theorieentwicklung für eine professional community Desiderat die fachbezogene, domänenspezifische Unterrichtswahrnehmung von angehenden Englischlehrpersonen zu explorieren Interventionistische Natur von DE („ test bed for innovation “): Ausloten von Möglichkeiten für die Optimierung von Lehr-Lernprozessen Erprobung eines hochschuldidaktischen Konzepts zur Integration von Unterrichtsvideos in die fachdidaktische Lehre <?page no="155"?> Lexikalisches Lernen optimieren 155 Merkmal von Designexperimenten realisierung in dieser untersuchung Theoretische Annahmen fließen in das Design des Experiments ein Beschreibungsmatrix „Lexikalisches Lernen ermöglichen“; Dimensionen der professionellen Unterrichtswahrnehmung; kategoriale Wahrnehmung; Schemabegriff Theoretische Annahmen werden reflektiert und mit den Ergebnissen verglichen. Qualität der Nutzung fachdidaktischer Konzepte bei der wissensbasierten Verarbeitung von Situationen aus den Unterrichtsvideos (z. B. Passung zwischen Fachkonzept und Situation; argumentative Stringenz bei der Verknüpfung von Fachkonzept und Situation) Tabelle 1 Gegenüberstellung allgemeiner Merkmale von Designexperimenten und deren Realisierung in der eigenen Untersuchung 3.2 Die Datenerhebung und ihre theoretischen Grundlagen Die Verbaldaten dieser Untersuchung (schriftliche Analysen von Unterrichtsvideos) sind in einer fachdidaktischen Lehrveranstaltung zum Wortschatzlernen mit dem Titel „ Supporting Lexical Learning “ an der Bergischen Universität Wuppertal erhoben worden. Dieses Seminar besteht aus zwei Teilen: In einem theoretischen Teil werden zentrale Konzepte der Wortschatzdidaktik (Vermittlungsmethoden, Lernprozesse, Kommunikations- und Unterstützungsstrategien) vermittelt und mit Hilfe von kurzen Vignetten aus unterschiedlichen Unterrichtsvideos veranschaulicht. Im zweiten Teil des Seminars fertigen die Studierenden insgesamt sechs schriftliche, fragegeleitete Analysen von Unterrichtsvideos an, die unterschiedliche Situationen lexikalischen Lernens zeigen. Die Clips sind jeweils ca. 15 Minuten lang und zeigen Englischunterricht der Jahrgangsstufen 2 , 6 , 7 , 9 und 12 . Die Clips sind so ausgewählt worden, dass sich jedes Unterrichtsvideo schwerpunktmäßig zu einem der „ four strands of language teaching “ (Nation 2007 ) zu ordnen lässt. Auf diese Weise soll ein breites Spektrum sowohl impliziter wie auch expliziter Situationen lexikalischen Lernens abgedeckt werden. Four Strands of Language Teaching (Nation 2001: 2; Nation 2007) Meaning-focused output Festigen der lexikalischen Kenntnisse durch Sprech- und Schreibaktivitäten Language-focussed development Explizites Lernen & Vermitteln von Wortschatz; Bewusstmachen von Besonderheiten der Form, der Bedeutung und im Gebrauch, Strategietraining und -erwerb <?page no="156"?> 156 ralf Gießler Meaning focussed input Inzidentelles Lernen von euem Wortschatz & Erweiterung des Wissens über bekanntes Wortgut; Fokus: Verstehen; „ enjoying the material “ Fluency development Entwickeln von Geläufigkeiten beim Gebrauch von bereits bekanntem Wortschatz; Kommunikative Aktivitäten („ message focussed activities “), die alle vier Fertigkeiten integrieren Tabelle 2 Four strands of language teaching (Nation 2001, 2007) Nation ( 2007 ) argumentiert, dass ein ausgewogenes, fremdsprachliches Curriculum auf vier „Standbeinen“ steht, die sowohl inzidentelles wie auch intentionales lexikalisches Lernen beinhalten (vgl. Tab. 3). Liegt der Scherpunkt einer Unterrichtsstunde z. B. auf dem Verstehen von Hör- oder Lesetexten ( meaningfocused input ), findet lexikalisches Lernen eher beiläufig statt, indem Lernende vorhandenes Wissen um weitere Wortwissensaspekte anreichern (z. B. Kollokationen, Wortbestandteile, Registereinschränkungen). Die eher pessimistischen Forschungsbefunde zur Aufnahme von neuem Wortschatz durch extensives Lesen ( pick-up rate ), werden in der jüngeren Forschung relativiert und ausdifferenziert (vgl. zusammenfassend Schmitt 2008 : 347 ). Lernende profitieren durch extensives Lesen in ihren orthographischen Kenntnissen, sind aber nur selten in der Lage das Wort anhand eines Prompts aus der L 1 abzurufen. Schmitt ( 2008 : 347 ) resümiert: This indicates that incidental vocabulary learning from reading is more likely to push words to a partial rather than full level of mastery. Die „Standbeine“ unterscheiden sich auch in ihrer Sprach- oder Bedeutungsorientierung (focus on form vs. focus on meaning) . Liegt der Schwerpunkt hingegen explizit auf dem Vermitteln und Behalten von Wortschatz, steht Lexis als Objekt des Lernens im Vordergrund. Solche Phasen intentionalen Lernens ereignen sich beispielsweise in Reaktion auf einen Fehler, im Nachgang zu lebensweltlichen, mündlichen Produktionsaufgaben ( tasks ) oder im Vorfeld einer komplexen Lernaufgabe mit dem Ziel der Vorentlastung. Für die ausgewählten Unterrichtsvideos lässt sich daher meist ein „Haupt-Standbein“ ermitteln, welches häufig durch ein weiteres „Standbein“ (meist language-focused development) ergänzt wird. <?page no="157"?> Lexikalisches Lernen optimieren 157 Charakteristik lexikalischen Lernens Meaningfocused output Languagefocused development Meaningfocused input Fluency development Inzidentell x x x Lernergesteuert x Unterrichtlich gesteuert x x x x Sprachfokus (explizites Lernen) x Bedeutungsfokus (implizites Lernen) x x Tabelle 3 Charakterisierung der „four strands“ als „Standbeine“ eines ausgewogenen Englischunterrichts Nach der Anfertigung der individuellen schriftlichen Analysen ( ISA ) durch die Studierenden werden die jeweiligen Unterrichtsvideos in einer Seminarsitzung erneut betrachtet und ausgewählte Situationen analysiert. Ausgangspunkt der Diskussion und vertieften Analyse in diesen sogenannten video clubs (vgl. Sherin/ Han 2004 ) sind von den Studierenden ausgewählte Situationen, die ihnen als besonders relevant und aufschlussreich für lexikalisches Lernen im jeweiligen Unterricht erscheinen. 3.3 Kurzbeschreibung des Unterrichtsvideos „Practicing new words“ Die in diesem Beitrag vorgestellten Beispielanalysen (Kapitel 4 ) basieren auf einem Unterrichtsvideo, das eine Unterrichtsstunde aus dem zweiten Lernjahr zeigt ( MSW , Online verfügbares Video). Ein Ziel dieser Stunde ist das Training der korrekten Aussprache von Wörtern aus dem Wortfeld food durch chorisches Nachsprechen. Im ersten Teil der Stunde soll die Form-Bedeutungsverknüpfung zuvor eingeführter Wörter gefestigt werden. Im zweiten Teil fragen sich die Kinder mit Hilfe der Kugellagermethode ein weiteres Mal ab, nachdem die Lehrerin zuvor mit Hilfe von Bildkarten die Wörter abgefragt hat. Die Pluralbildung von Nomen wird beiläufig und eher implizit thematisiert. Ein weiteres Ziel der Stunde ist die Verbesserung der Erkennung des Schriftbildes von Wörtern. Hierzu deckt die Lehrerin die Schriftform auf der Rückseite der Karte nur für den Bruchteil einer Sekunde auf ( flash reading ). Die Schüler müssen das Wort ganzheitlich erfassen und trainieren die Worterkennung (vgl. ausführlich Schmitt 2000 : 45 ff.) schneller wie üblich durchzuführen, was somit der <?page no="158"?> 158 ralf Gießler Flüssigkeit bzw. Automatisierung von Fähigkeiten in diesem Bereich zu Gute kommt. Die Zielorientierung der Stunde lässt sich zusammengefasst mit den „Standbeinen“ language-focused learning und fluency development (Nation 2007 ) charakterisieren. Die Lehrerin strebt in dieser Stunde intentionales lexikalische Lernen an, wobei die Aspekte memory, aspect of word knowledge: spoken form klar im Vordergrund stehen. Die Schüler erhöhen ihre Merkfähigkeit von Einzelwörtern aus dem Wortfeld „Essen und Trinken“. Sie müssen die Form der Wörter honey, jam, egg, roll, hot chocolate aktiv erinnern ( recall ). Dank einer Dekontextualisierung des Lexems roll und einer Erläuterung seitens der Lehrerin ist zu erwarten, dass ihnen auffällt ( noticing ), wie die Pluralform ( rolls ) gebildet wird. Die Schüler reflektieren implizit die Lernschwierigkeit von Wörtern, wenn die Lehrerin sie fragt, wie oft ein bestimmtes Wort geübt werden müsse. Im Zentrum des Übungsgeschehens steht die Aussprache. Die Lehrerin unterstützt das lexikalische Lernen ihrer Schüler in dieser Unterrichtsstunde, indem sie den Lernprozess unter Beteiligung der Schüler organisiert und die Zielrichtung der beiden Phasen transparent macht („Who can move the birdie? “). Sie gibt kurze Erläuterungen zur Wortform ( hot chocolate ) und weist auf mögliche Interferenzen zum Deutschen hin (Kakaogetränk ~ *cold chocolate ). Sie beteiligt die Lernenden am Übungsgeschehen, indem sie für jedes zu übende Wort fragt, wie oft es aus Sicht der Schüler „geübt“, d. h. nachgesprochen werden sollte („ How many times do we need to practice? “ ). Welche Alternativen sind für diesen Unterricht denkbar? Auch wenn das Übungsgeschehen als variantenreich und schülerorientiert gelten kann, vermisst man eine stärkere Verknüpfung der Wörter aus dem Wortfeld mit dem Ziel ihrer Integration in das mentale Lexikon. Das Übungsgeschehen geht nicht über das Abfragen von Einzelwörtern, gesteuert durch einen Bildimpuls, hinaus. Eine stärker kommunikativ ausgerichtete Umwälzung (z. B. „ I like … , but I don’t like …“ ) würde die Verfügbarkeit des Wortschatzes in kommunikativen Situationen erhöhen und das Wortwissen im Bereich use ( aspects of word knowledge ) steigern. Zwar hat die Frage der Lehrerin „ How many times do we need to practice? “ das Potential, Schüler anzuregen über die subjektiv empfundene Schwierigkeit von Wörtern nachzudenken und damit die lexikalische Bewusstheit zu erhöhen. Damit es dazu kommt, müsste die Lehrerin jedoch bei den Schülern nachfragen, warum sie der Meinung sind, dass ein bestimmtes Wort häufiger als ein anderes Wort wiederholt werden sollte. Erst diese Nachfrage könnte auf der Metabene ein altersangemessenes Nachdenken über die Lernschwierigkeit ( learning burden ) einzelner Wörter initiieren. <?page no="159"?> Lexikalisches Lernen optimieren 159 3.4 Datenauswertung Die Richtung der inhaltsanalytischen Auswertung der schriftlichen Analysen der Studierenden wird durch die Fragestellung vorgegeben. Für die Beantwortung dieser Frage bietet sich ein Basisverfahren qualitativer Inhaltsanalyse an, welches dem Verfahren der skalierenden Strukturierung nach Mayring ( 2010 : 101 ) ähnelt. Eine evaluative, qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz 2012 : 98 ff.) bietet sich an, wenn es um die „Einschätzung, Klassifizierung und Bewertung von Inhalten durch die Forschenden“ geht (Kuckartz 2012 : 98 ). Das evaluative Moment drückt sich in der Formulierung der Forschungsfrage aus: Inwieweit sind angehende Lehrpersonen in der Lage, fachdidaktische Notwendigkeiten zu erkennen und alternative Handlungs- und Herangehensweisen für bestimmte Situationen des Unterrichts zu entwickeln? Die deduktiven Kategorien werden zunächst aus den vorliegenden Studien zur professionellen Unterrichtswahrnehmung übernommen (Beschreiben, Erklären, Vorhersagen, Alternativen, Wertungen). Weil aber angenommen wird, dass sich die jeweiligen Teildimensionen (hier: die Alternativen für eine Optimierung lexikalischen Lernens) in unterschiedlicher Qualität in den schriftlichen Analysen der Studierenden finden, werden nach einer initiierenden Textarbeit für jede Kategorie Ausprägungen, sogenannte Einschätzdimensionen, gebildet (für den genauen Verfahrensablauf vgl. Kuckartz 2012 : 99 f.). dimension Definition der Kategorie Niveau 3 Beschreibung einer konkreten Alternative für eine Unterrichtssituation (Lehrerprompt, Aufgabe, Interaktionssequenz) mit Begründung der fachdidaktischen Notwendigkeit und Erläuterung, wie lexikalisches Lernen optimiert würde Niveau 2 Benennung einer Alternative, deren Potential für die Optimierung von lexikalischen Lernprozessen nur ansatzweise deutlich wird, weil die Alternative eher allgemein beschrieben wird und der Bezug zum Video unspezifisch ist Niveau 1 Alternative ohne Potential für die Verbesserung lexikalischen Lernens. Die Alternative hätte keine Auswirkung auf die Lern- und Verstehenskultur. Niveau 0 Die Alternative bezieht sich auf andere Aspekte des Unterrichtsgeschehens und wir mit Hinweis auf lernpsychologische oder allgemeindidaktischen Prinzipien begründet. Tabelle 4 Kodierleitfaden „Alternativen“ mit Einschätzdimensionen (Gießler, i. V.) <?page no="160"?> 160 ralf Gießler Die Entwicklung der Einschätzdimensionen entlang des empirischen Datenmaterials kommt einem „Zangengriff“ (Kelle/ Kluge 2010 : 23 ) gleich, „bei dem der Forscher oder die Forscherin sowohl von dem vorhandenen theoretischen Vorwissen als auch von empirischem Datenmaterial ausgeht“ (Kelle/ Kluge 2010 : 23 ). Das Verfahren trägt dazu bei, dass „qualitativ entwickelte Konzepte und Typologien gleichermaßen empirisch begründet und theoretisch informiert“ sind(ebd.). Die Sprach- und Interpretationskompetenz des Kodierenden ist bei der evaluativen Inhaltsanalyse stärker gefragt, weil die Kategorien formaler Natur sind und nicht aus Themen oder Subthemen bestehen. Eine diskursive Plausibilität und intersubjektive Überprüfbarkeit der Kodevergabe wird über eine ausführliche Kommentierung und Kontextualisierung der kodierten Textteile angestrebt (siehe Kapitel 4 ). 4 Beispiele aus den schriftlichen Analysen der Studierenden Im Rahmen einer explorativ-qualitativ ausgerichteten Mehrfachfallstudie mit insgesamt sieben Probanden wurden schriftliche Unterrichtsanalysen inhaltsanalytisch ausgewertet. Im folgenden Abschnitt werden Beispiele für die Kategorie „Alternative“ auf unterschiedlichen Niveaus vorgestellt und diskutiert. Es wird eine diskursive Plausibilität und argumentative Interpretationsabsicherung der Kategorienvergabe angestrebt, damit die Auswertung Gütekriterien qualitativer Forschung genügt. In einer allgemeinen Alternative (Niveau 2 ) kritisiert Kate, dass die Lehrerin die zu übenden Lexeme ohne Artikel verwendet. Kate sieht eine grundsätzliche, fachdidaktische Notwendigkeit für längere Äußerungen seitens der Lernenden als gegeben an und begründet die Notwendigkeit von mehr Produktion mit Hinweis auf die Entwicklung der lernersprachlichen Systeme. Kate stellt als zusätzliches Lernergebnis die Kenntnis der Artikel in Aussicht und betont auf diese Weise die Wichtigkeit des Lehrers als Sprachvorbild. Die Verwendung der Artikel seitens der Lehrerin einzufordern, wie Kate dies tut, hat eine Optimierung des Sprachvorbilds der Lehrerin zur Folge. Aus dem Unterrichtsverlauf und dem Ziel der Aktivität ergibt sich jedoch keine konkrete fachdidaktische Notwendigkeit den Gebrauch der Artikel einzufordern. Im Hinblick auf die Lernenden und deren Output bezieht sich Kate auf das allgemeine Gebot der Output-Maximierung. It is important to use the words with the articles from the very beginning of learning English. At least the teacher should demonstrate that there are articles in English. It would be better for her to say “an egg” instead of “egg”. Besides, it would be also useful to encourage the pupils to speak some simple sentences. For example, “This is a roll.” instead of “roll”. (Kate ISA II, 4) <?page no="161"?> Lexikalisches Lernen optimieren 161 Eine andere Probandin, Anna, beobachtet, dass die Lehrerin keine Übungsmöglichkeit für die geschriebene Form des Wortes anbietet und entwickelt hierzu eine plausible Alternative (Niveau 3 ), die dem Schreiben insgesamt mehr Raum in der Stunde geben würde. If I were to teach this lesson, I would definitely pay more attention on writing tasks. The teacher provided no activities in order to facilitate learners’ knowledge of how to write these words correctly, and gave no learning strategies with respect to proper writing. I would encourage pupils to write lexical items several times on the blackboard, or provide a word dictation in order to see whether their writing is correct. To know a core meaning and pronunciation of a word is not enough for lexical learning. I would also provide some tasks which would support using these words in sentences, dialogues or different contexts (Anna ISA II, 32-38). Die Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Schriftbild wird von Rymarczyk ( 2008 , 2010 ) als sinnvolle und wichtige Ergänzung von frühem Englischunterricht angesehen. Das Schreiben von Einzelwörtern und Satzfragmenten sind jedoch - zumindest in NRW - curricular klar verankerte Erwartungen an den Grundschulenglischunterricht. Aus diesem Grund ist die von Anna vorgeschlagene Einbettung der Wörter in Schreibaufgaben eine sinnvolle Erweiterung, die zur Optimierung lexikalischen Lernens in dieser Situation beiträgt. Auf der anderen Seite wird man der unterrichtenden Lehrerin zugestehen müssen, dass man nicht alle Aspekte des Wortschatzwissens gleichzeitig üben kann und sie sich in dieser Stunde entschieden hat, den Schwerpunkt auf die gesprochene Form und die Bedeutung zu legen. Bei der Umsetzung der gut begründbaren Alternative würde man über den Rahmen der für diese kurze Sequenz gesteckten Ziele hinausgehen. Dennoch verweist die Alternative von Anna auf einen erweiterten Lernbegriff und ein differenziertes Verständnis des Lerngegenstands Lexis im Hinblick auf die verschiedenen Aspekte des Wortwissens ( form, meaning, use ). Auch Janes plausible Alternative (Niveau 3 ) zielt auf die Optimierung des Übungsgeschehens. Die vorgeschlagene Alternative trägt zur Optimierung lexikalischen Lernens bei, weil lexikalisches Wissen strukturiert würde, was die Integration im mentalen Lexikon wahrscheinlicher macht. Janes Vorschlag zielt außerdem auf eine Erhöhung der Verarbeitungstiefe der Lexeme. Der Orientierungsrahmen für diese Alternative ist die Variation des Übungsgeschehens und das Fachkonzept depth of processing . Die fachdidaktische Notwendigkeit besteht darin, dass isolierte Wörter, die durch den Bildimpuls aufgerufen werden, kaum miteinander vernetzt werden. Eine kognitiv stärker stimulierende Strukturierung des Wortfeldes könnte den Aufbau semantischer Relationen im mentalen Lexikon aufbauen, z. B. süße/ herzhafte Speisen, Speisen versus Getränke etc. (vgl. hierzu die Vorschläge von Doyer 1975 ). <?page no="162"?> 162 ralf Gießler I think that a certain depth of processing can help memorizing at least as good as ‘simple’ repetition. An activity involving sorting or ranking items might be useful. For instance, the students could rank the food and drinks known to them according to how much they like it. Probably, they would even want to ask for additional lexical items they are interested in and which they could mentally connect to familiar words. What could also have made sense would be using headwords like food or drinks, sweet and savoury (hyponymy) in order to help the learners organise lexical information with regard to semantic relations when the teacher puts the picture cards on the blackboard ( Jane ISA II , 11). In eine etwas andere Richtung zielt Kates Alternative für die Optimierung des Übungsgeschehens in der ersten Unterrichtsphase. Nachdem die Lehrerin Bildkarten gezeigt hat und die Schüler die Lexeme aufgerufen haben, lässt sie die Wortkarten nur kurz aufblitzen, so dass die Schülerinnen und Schüler das Wortbild ganzheitlich erinnern müssen. Die Wortkarte verschwindet dann jedoch und wird nicht unter die Bildkarte gehängt. Kates Vorschlag, die Wort- und Bildkarten nicht voneinander zu trennen, sondern die Wortkarte unter die Bildkarte zu hängen, unterstützt das Abspeichern der Form-Bedeutungs-Verknüpfung. Kate hat nicht nur eine fachdidaktische Notwendigkeit erkannt, sondern ist außerdem in der Lage den potentiellen Lerneffekt ihres Vorschlags zu antizipieren. Allerdings wird das dahinterliegende konnektionistische Gedächtnismodell eher umgangssprachlich umschrieben ( “quicker links between …“ ). With the task “who can read this word? ” it would be better not to hide the words at once, but to stick them under the pictures on the board. So the pupils could quicker make links between the meaning, the pronunciation and the spelling of the words (Kate ISA II , 5). Kate schlägt vor, mehr kommunikative Aufgaben und Kontexte zu finden, innerhalb derer die neuen Wörter des Wortfeldes umgewälzt werden. Obwohl diese Alternative ein Potential zur Optimierung lexikalischen Lernens hat, weil die lernersprachliche Produktion durch die Verwendung von Adjektiven und Kurz-Fragen sowie die Verwendung von Mehrwort-Sätzen deutlich ausgeweitet würde, wie Kate anhand eines konkreten Dialogs demonstriert, fehlt dieser Alternative eine konkrete, sich aus dem Stundenverlauf ergebende fachdidaktische Notwendigkeit. To support the lexical learning through communication, it would be better to create some communicative task for two circles. For example, Circle-One children could guess what products Circle-Two learners have. The pupils surely know some simple adjectives. Their dialogues could be like the following one: C1: Is it red? <?page no="163"?> Lexikalisches Lernen optimieren 163 C2: No. It is white. C1: Is it big? C2: No. It is little. C1: It is an egg. C2: Yes, it is. (Kate, ISA II , 7-13) Kate scheint sich vielmehr auf das Leitprinzip eines kommunikativen Unterrichts zu beziehen ( „to support lexical learning through communication“ ) und wählt eine klassische Technik des kommunikativen Ansatzes, wenn sie vorschlägt, dass die Lernenden bestimmte Wörter des Wortfeldes „Essen und Trinken“ durch Ja-Nein-Fragen erraten sollen ( information gap ). Auch in den anderen vier Analysen weiterer Unterrichtsvideos (Gießler, i. V.) lässt sich dieser Orientierungsrahmen von Kate erkennen: die vorgeschlagenen Alternativen zielen meist auf eine kommunikative Variation des Übungsgeschehens, eine Ausweitung der syntaktischen Komplexität des Inputs und eine Erweiterung der Sprachverwendungsmöglichkeiten für die Lernenden. 5 Zusammenfassung und Diskussion Im Rahmen der universitären Lehrausbildung und der sie begleitenden Lehrerbildungsforschung wird das Konzept der professionellen Unterrichtswahrnehmung in zunehmendem Maße genutzt, „um die Aneignung theorie-praxisintegrierter Wissensbestände bei Studierenden zu beschreiben“ (Stürmer/ Seidel/ Kunina-Habenicht 2015 : 346 ). Im Bereich der Fremdsprachendidaktik sind Untersuchungen, die Kompetenzunterschiede zwischen Novizen und Experten beim Erklären und Bewerten von Unterrichtssequenzen im fremdsprachendidaktischen Bereich zum Gegenstand machen, „von großem Interesse“ (Schramm/ Aguado 2010 : 206 ). Die professionelle Unterrichtswahrnehmung ist erstmals im Kontext der fachdidaktischen Ausbildung von Englischlehrpersonen innerhalb einer spezifischen fachdidaktischen Domäne untersucht worden. Die schriftlichen Analysen von Unterrichtsvideos, die unterschiedliche Situationen lexikalischen Lernen zeigen, liefern nicht nur Einblicke in die Repräsentation fachdidaktischer Wissensbestände, sondern zeigen wie fachdidaktische Konzepte zur Beschreibung von fachdidaktischen Notwendigkeiten und der Ermittlung von situationsspezifischen Optimierungen - quasi auf allen drei Achsen des didaktischen Dreiecks (Reusser 2008 ) - zum Einsatz kommen. Gegenüber den konventionellen Begriffen der Wortschatzarbeit bzw. Wortschatzdidaktik beschreibt die hier geprägte Begrifflichkeit „Lexikalisches Lernen ermöglichen“ (Gießler, i. V.) in geeigneter Weise die Ganzheitlichkeit lexikalischen Lernens im <?page no="164"?> 164 ralf Gießler weiter oben beschriebenen Sinne. Insofern hat die Spiegelung fachdidaktischer Konzepte am Unterricht der Unterrichtsvideos auch zur Weiterentwicklung der fachdidaktischen Konzepte beigetragen. Die Begründungen und Erläuterungen von Alternativen für bestimmte Unterrichtssituation liefern „Hinweise auf die Qualität der Wissensrepräsentationen und ihre Anwendung im Unterrichtskontext“ (Stürmer/ Seidel/ Kunina-Habenicht 2015 : 347 ) und deuten auf ein „konzeptuelle[s] Verständnis des Vermittlungsgegenstandes“ hin, was als ein „zentrales Moment pädagogischer Könnerschaft“ (Baumert/ Kunter 2006 : 507 ) gilt. Die fragegeleitete Detail analyse von Situationen aus dem Unterrichtsvideo bringt „situative Notwendigkeiten als handlungsleitende Aspekte“ (ebd.) an die Oberfläche und eröffnet aus hochschuldidaktischer Sicht die Möglichkeit professionsbezogene, fachdidaktische Diskurse mit den Studierenden zu führen. Unterrichtsvideos konfrontieren angehende Lehrpersonen mit unterrichtlichen Situationsbeschreibungen und fordern sie heraus ihre Einschätzung zu fachdidaktischen Notwendigkeiten auszudrücken und „ihr Urteil bezüglich einer erforderlichen Handlung abzugeben“ (Oser/ Curcio/ Düggeli 2007 : 22 ). Die in den Unterrichtsvideos enthalten Lehr-Lernsituationen erweisen sich insofern als Bewährungsfall für fachdidaktische Wissensbestände, die in diesem Fall der Wortschatzdidaktik und zweitsprachlichen Vokabelerwerbsforschung (vgl. Nation 2011 ) entstammen. Mit Hilfe der Fachkonzepte lassen sich die Zielrichtung vorgeschlagener Alternativen und deren mögliche Effekte präziser formulieren, was auf die Bedeutung einer Fachsprache verweist. Einige Probanden verfügen am Ende des Seminars über einen erweiterten Lernbegriff, der über ein naives Verständnis von „Vokabellernen“ hinausreicht und sie in die Lage versetzt, Teillernergebnisse zu beschreiben (z. B. aspects of word knowledge ). Die beispielhaften Analysen haben gezeigt, dass Alternativen nicht von allen Probanden auf der Basis einer zuvor erkannten konkreten fachdidaktischen Notwendigkeit entwickelt werden. Das Designexperiment und die vergleichende Analyse von mehreren Fällen in einer Mehrfachfallstudie haben sich dabei als forschungsmethodologisch sinnvolle Wege erwiesen, anhand derer sich individuelle Ausprägungen der professionellen Unterrichtswahrnehmung fallbezogen beschreiben lassen (Gießler, i. V.). Die zentrale Herausforderung für die universitäre Lehrerausbildung besteht in der Frage, wie sich „berufsrelevantes Wissen folgenreich für berufliches Handeln vermitteln“ lässt (Czerwenka/ Nölle 2011 : 372 - 373 ). Der strukturierte Einsatz von Unterrichtsvideos in der fachdidaktischen Lehrerausbildung der ersten Phase ist ein hochschuldidaktischer Ansatz, welcher das Potential hat, „das erfahrungsbasierte Wissen und das Fachwissen in neuer Form“ zu integrieren (Baumert/ Kunter 2006 : 507 ) und die Anhäufung trägen Wissens zu vermeiden. <?page no="165"?> Lexikalisches Lernen optimieren 165 Die wiederholte Analyse von Unterrichtsvideos vermag die fachbezogene, domänenspezifische Unterrichtswahrnehmung angehender Englischlehrpersonen dahingehend zu schärfen, dass sie lernwirksame Komponenten und fachdidaktische Notwendigkeiten an Gelenkstellen des Unterrichts identifizieren und sie - quasi stellvertretend und ohne unmittelbaren Handlungsdruck - Optimierungen des Lehr-Lerngeschehens auf der Grundlage ihres fachdidaktischen Wissens entwickeln können. Literatur Aguado, Karin (Hg.) (2010) . Fremdsprachliches Handeln beobachten, messen, evaluieren. 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Mit dem Untersuchungsgegenstand der kooperativen Unterrichtsplanung sind sowohl Ausbildungsals auch Forschungsziele verbunden, denn die Gespräche gewähren einerseits wertvolle Einblicke in die Planungstätigkeit von Studierenden, da in der Interaktion mit einer Partnerin/ einem Partner Gedanken ausgetauscht werden, die bei einer individuellen Planung verborgen bleiben würden. Andererseits stellte sich vor allem die Frage, inwiefern das interaktive Aushandeln von Bedeutungen in kooperativen Planungsgesprächen nicht nur der Unterrichtsvorbereitung zuträglich ist, sondern auch Lernpotentiale in Bezug auf die professionelle Entwicklung der Studierenden bietet. Damit fügt sich die Studie in gegenwärtige Tendenzen ein, Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung als situierte Praktiken zu verstehen. Vor dem Hintergrund soziokultureller Theorien wird Lernen hier als situiert, interaktiv und kontextgebunden verstanden (vgl. u. a. Burns/ Richards 2009 ; Johnson 2006 , 2009 ; Johnson/ Golombek 2011 ; Legutke/ Schocker-v. Ditfurth 2009 ). Burns und Richards betonen vor allem die Kontextgebundenheit allen Lernens und die Notwendigkeit zur aktiven Teilhabe der Studierenden in diesem Kontext: […] learning takes place in a context and evolves through the interaction and participation of the participants in that context. Teacher learning is not viewed as translating knowledge and theories into practice but rather as constructing new knowledge and theory through participating in specific social contexts and engaging in particular types of activities and processes (ebd. 2009: 4). Vor diesem Hintergrund bieten meiner Ansicht nach vor allem die schulpraktischen Studienanteile in der Lehrer/ innenausbildung die Gelegenheit, eben jene <?page no="172"?> 172 Petra knorr Prozesse der aktiven Partizipation und Kooperation der Studierenden und das Ko- Konstruieren von Wissen an der Schnittstelle von Theorie und Praxis anzuregen. Meine Studie lässt sich daher im Kontext der schulpraktischen Studien ( SPS ) im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung an der Universität Leipzig verorten. Im Speziellen werden hier die von den Studierenden durchzuführenden Tagespraktika ( SPS II / III ) im Fach Englisch fokussiert, die neben mehreren mehrwöchigen Praktika einen Baustein der insgesamt fünfteiligen SPS darstellen. Die Studierenden übernehmen in den SPS II/ III einmal wöchentlich den Englischunterricht in einer Schulklasse. Sie werden in Kleingruppen von 3 - 6 Studierenden von einer Mitarbeiterin/ einem Mitarbeiter der Universität, einer erfahrenen Lehrkraft oder einer ausgebildeten Mentorin betreut. Nach einer ersten Hospitation bei der Lehrerin werden die Themen und Inhalte für die darauf folgenden Stunden besprochen, anschließend wird der Unterricht von den Studierenden vorbereitet, bevor die geplante Stunde mit der Betreuerin/ dem Betreuer besprochen wird. Die Studierenden werden in unserem Fachbereich dazu angeregt, ihre Unterrichtsstunde gemeinsam mit einem/ einer Ko-Planenden vorzubereiten. Die Stunde wird im Beisein der Gruppe, der/ dem Kursleitenden/ m und der Lehrperson durchgeführt und anschließend gemeinschaftlich ausgewertet. Darauf folgt die Themenabsprache für die nächste Stunde und der Ablauf beginnt von vorn. Ziel der SPS ist es, dass jede Person mindestens zwei Unterrichtsstunden durchführt. 2 Zugänge und theoretische Verortung Für die hier vorgestellte Untersuchung wurde das Augenmerk auf die kooperative Planung einer Unterrichtsstunde im Fach Englisch im Rahmen der SPS gerichtet. Den beiden analytischen Schwerpunkten der Unterrichtsplanung und der Kooperation der Studierenden wurde in Form von drei Forschungsfragen und entsprechenden Teilanalysen nachgegangen, die im Folgenden vorgestellt und weiter ausgeführt werden. 2.1 Unterrichtsplanung Ein erster Zugriff auf das Datenmaterial fand unter dem Blickwinkel der von den Studierenden in den Gesprächen verhandelten Themen statt. Von Interesse war hier zunächst, durch welche Gesprächsinhalte die gemeinsame Vorbereitung von Englischunterricht gekennzeichnet ist. In den bildungswissenschaftlichen sowie fremdsprachendidaktischen Ausbildungsanteilen in der ersten Phase der Lehrer/ innenausbildung wird meist mit Theorien und Handlungsempfehlungen für die Unterrichtsplanung gearbeitet, die auf den klassischen Modellen der allgemeinen Didaktik basieren, wie z. B. <?page no="173"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 173 auf Klafkis Didaktischer Analyse ( 1964 ) oder dem Berliner bzw. Hamburger Modell der Didaktik (Heimann/ Otto/ Schulz 1965 ). Fremdsprachendidaktisch modellierte Planungsempfehlungen weisen auf Dimensionen oder Aspekte der Unterrichtsplanung hin, die sich auf jene grundlegenden Modelle stützen, selbst wenn dies so nicht immer expliziert wird. Es wird empfohlen, sich bei der Vorbereitung von Unterricht mit Zielen, Inhalten und Methoden auseinanderzusetzen, des Weiteren sind die Voraussetzungen der Lernenden und die Rahmenbedingungen zu beachten und die Folgen zu antizipieren (vgl. Haß et al. 2006 ; Mindt 1995 ; Thaler 2012 ). Da die Mehrzahl der in der Ausbildung verwendeten Planungskonzeptionen jedoch rein theoretischer Art ist, d. h. keine empirische Fundierung vorliegt, stellt sich die Frage, wie erfahrene und angehende Lehrende tatsächlich bei der Vorbereitung von Unterrichtsstunden vorgehen. Dazu gibt es eine Reihe an Studien (zur Übersicht s. Knorr 2015 ), die jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, je nachdem welche Untersuchungsmethoden verwendet, welche Unterrichtsfächer fokussiert und ob erfahrene oder angehende Lehrende untersucht wurden. Es gibt sehr wenige Studien zur Vorbereitungstätigkeit von Novizinnen und Novizen und nahezu keine Erkenntnisse darüber, wie angehende Fremdsprachenlehrende ihren Unterricht planen. Lehrer/ innen mit Berufserfahrung verfügen über eine Vielzahl an mentalen Skripten zu möglichen Unterrichtsabläufen, die ihnen eine spontane und flexible Vorgehensweise im Unterricht ermöglicht, während Anfänger/ innen oftmals viel Zeit investieren müssen, Unterrichtssituationen im Voraus zu durchdenken. Interessant ist hier die Frage, welchen Aspekten der Unterrichtsplanung Studierende oder Berufsanfänger/ innen besonders viel Aufmerksamkeit schenken. Gemein ist allen Befunden, dass die Formulierung oder Bewusstmachung von Zielen eine deutlich untergeordnete Rolle spielt. Weiterhin zeigen die wenigen Befunde zur Vorbereitungstätigkeit von Novizen jedoch ein inkohärentes Bild: So wurde z. B. herausgestellt, dass angehende Lehrer/ innen sich vordergründig mit Unterrichtsinhalten beschäftigen. Gleichzeitig wurde ermittelt, dass das planerische Denken angehender Lehrender auf Unterrichtsaktivitäten und auf die Schüler/ -innen gerichtet ist. Diese Unterschiede sind vermutlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Unterrichtsplanung als allgemein didaktisches Phänomen betrachtet und selten aus einer fachspezifischen Perspektive untersucht wird. Gerade für den Ausbildungskontext wäre von Interesse, mehr darüber zu erfahren, womit sich Studierende bei der Planung von Fremdsprachenunterricht besonders intensiv beschäftigen. Richten sie ihren Unterricht an Unterrichtszielen aus? Beachten sie den Lernkontext und die Voraussetzungen der Schüler/ innen? Analysieren sie die Inhalte ihres Fremdsprachenunterrichts? Die folgende Forschungsfrage fokussiert eben jene Aspekte: <?page no="174"?> 174 Petra knorr Forschungsfrage 1 : Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? Ein weiteres Forschungsdesiderat in Bezug auf die Vorbereitung von Fremdsprachenunterricht besteht vor allem hinsichtlich der Untersuchung von Unterrichtsplanung als absichtsvolle Handlung und als ein sich schrittweise entfaltender Prozess. Planungsmodelle und -empfehlungen bestehen meist aus einer Auflistung zentraler Aspekte, die bei der Unterrichtsplanung zu durchdenken sind. Oftmals wird hier auch von einer bestimmten Reihenfolge dieser Gedankengänge ausgegangen. Nur vereinzelt wird jedoch ausgeführt, welche Handlungen durchgeführt werden müssen, d. h. wie bei der Planung vorzugehen sei, um ein Planungsprodukt zu erstellen. Ausführliche schriftliche Unterrichtsentwürfe erheben mitunter den Anspruch, das Planen durch die Vorgabe spezifischer Analysen (Sachanalyse, Didaktische Analyse, etc.) anzuleiten. Es handelt sich dabei aber eher um nachträglich angefertigte Unterrichtsskizzen, die oftmals zu Prüfungszwecken erstellt werden, d. h. um zuvor getroffene Entscheidungen zu begründen und um andere Personen zu informieren, weniger sind es Dokumente, die der Entscheidungsfindung und Plangestaltung dienen. Einsichten in das tatsächliche planerische Handeln von Studierenden könnten demnach wertvolle Impulse liefern, um Planungsprozesse in der Lehrer/ innenausbildung zielgerichteter anleiten zu können. Die wenigen bestehenden Forschungsbefunde, die Aussagen über die Abfolge von Teilhandlungen im Planungsprozess machen, beziehen sich größtenteils auf die Vorbereitungstätigkeit erfahrender Lehrender (Bromme 1981 ; Kolbe 1998 ; Tebrügge 2001 ; Yinger 1980 ) oder bleiben relativ allgemein ( John 1991 ). Broeckmans ( 1986 ) erforschte die Planungshandlungen von Grundschulstudierenden in ihren Tagespraktika und erarbeitete ein Prozessmodell, das dieser Studie als Vergleichsrahmen dienen konnte, obgleich die Rahmenbedingen (individuelle statt kooperative Planung), die Erhebungsmethoden (Daten aus einem logbook on planning ) und der Fächerbezug (Primarstufe/ verschiedene Fächer) sich deutlich unterschieden. Ein Ziel der Datenauswertung der hier dargestellten Studie war es dennoch, zu ermitteln, welche der von Broeckmans postulierten Phasen auch in kollaborativen Planungsgesprächen zwischen Studierenden für den Englischunterricht an Sekundarschulen auszumachen sind. Die zweite Forschungsfrage richtet sich demnach auf die Rekonstruktion des Verlaufs von Planungsgesprächen und fragt nach typischen Gesprächshandlungen. Auf einer stärker mikrostrukturellen Ebene wurde weiterhin der Blick auf die Generierung des Unterrichtsplans und die Konzeption einzelner darin enthaltener Unterrichtsaktivitäten gelenkt: <?page no="175"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 175 Forschungsfrage 2 : a) Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf ? b) Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? 2.2 Kooperation und kooperative Lernprozesse Die zweite Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand der Planungsgespräche nimmt die Zusammenarbeit der Studierenden in diesem spezifischen Kontext in den Blick. Trotz einschlägiger Befunde zu den Potentialen kooperativen Lernens in anderen Kontexten sowie zum Lernen durch schulpraktische Erfahrungen liegen derzeit jedoch kaum Untersuchungen vor, die das kollaborative Planen im Kontext schulpraktischer Ausbildungsphasen untersuchen. Als ein Erkenntnissinteresse der vorliegenden Studie kann daher die Frage nach den Potentialen sowie den Problemen einer kollaborativen Unterrichtsvorbereitung herausgestellt werden. Dieser Untersuchungsschwerpunkt basiert u. a. auf soziokulturellen Ansätzen zum Lernen, die gegenwärtig auch für den Kontext der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden nutzbar gemacht werden. Unter Rückgriff auf Wygotski, wird teacher learning hier als Resultat gemeinsamer Aushandlungsprozesse verstanden, in denen sich Studierende durch die Interaktion mit Anderen und durch vermittelnd wirkende Personen innerhalb ihrer jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung verorten und weiterentwickeln können. Betont wird außerdem, dass die Entwicklung professioneller Kompetenzen eng mit den entsprechenden Situationen verbunden ist, in denen Lernprozesse stattfinden. Lave/ Wenger ( 1991 ) prägten hier den Begriff des situated learning . Betrachtet man Lernen als Prozess, der untrennbar mit Aktivitäten und Handlungen in spezifischen Kontexten sowie mit den daraus resultierenden Erfahrungen verbunden ist, so müssten Handlungssituationen und Kontexte in der Ausbildung viel stärker reflektiert und berücksichtigt werden. Gegenwärtige Auffassungen zur Lehrer/ innenausbildung gehen davon aus, dass eine Verzahnung von Lernorten (Hochschule und Schule) und Wissensarten (biografisches Wissen, Wissen um die Unterrichtssituation, spezifisch fachdidaktisches Wissen, Schocker-v. Ditfurth 2001 : 31 ) nötig ist, um der starken Dichotomisierung von Theorie und Praxis entgegen zu wirken. Für den Ausbildungskontext leitet sich daraus ab, dass Erfahrungsräume geschaffen werden müssen, in denen eine Integration verschiedener Erfahrungen, Perspektiven und Wissensbereiche möglich ist und es vor allem zu einer reflexiven Auseinandersetzung sowohl mit theoretischen Inhalten als auch mit praktischen Erfahrungen, im Idealfall in direkter Verbindung miteinander, kommen <?page no="176"?> 176 Petra knorr kann. Die dritte Analyse fragt daher danach, ob Planungsgespräche im Kontext der SPS eine Lernumgebung im oben dargestellten Sinn darstellen können: Forschungsfrage 3 : Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? 3 Untersuchungsdesign Um die Forschungsfragen bestmöglich beantworten zu können, kamen verschiedene Verfahren der Datenerhebung sowie unterschiedliche Analyseverfahren zum Einsatz (s. Abb. 1 ). Zunächst wurden die von den Studierenden paarweise durchgeführten Unterrichtsplanungsgespräche videografisch dokumentiert. Auf die Anwesenheit einer Forschungsperson während des Gesprächs konnte damit verzichtet werden. Im Anschluss an die Erhebung der Interaktionsdaten wurden die Videodaten für ein sogenanntes Lautes Erinnern verwendet (Knorr/ Schramm 2012 ), eine Art stimulated recall-V erfahren, in dem die Studierenden nun einzeln mit mir die Videoaufnahme ihres Planungsgesprächs betrachteten und dazu aufgefordert wurden, retrospektiv das zu verbalisieren, was sie während des Gesprächs gedacht haben. Sie wurden gebeten, die Aufnahme eigenständig zu unterbrechen, um ihre Erinnerungen an ihre Gedanken während des Gesprächs zum Ausdruck bringen. Neben den Einblicken in die interaktive Dimension der Gespräche, die durch die Videodaten erfasst wurde, konnten durch das Laute Erinnern zusätzliche Einblicke auf der mentalen und emotionalen Ebene gewonnen werden. Wenngleich das Verbalisieren von Erinnerungen keineswegs die Gedanken während einer Handlung exakt abbilden kann, so gelang es dennoch, aus den retrospektiven Äußerungen der Untersuchungsteilnehmenden individuelle Einstellungen, Auffassungen, Wissen und auch Gedanken während des Gesprächs zu rekonstruieren (vgl. Knorr 2013 ; 2015 ). Darüber hinaus führten die kontextualisierenden und erklärenden Aussagen der Studierenden zu einem deutlich besseren Verständnis der Interaktionsdaten. Direkt im Anschluss an das Laute Erinnern befragte ich die Studierenden dazu, wie die Datenerhebung, die Durchführung und Gestaltung der SPS sowie die Zusammenarbeit mit einer Partnerin/ einem Partner bei der Unterrichtsplanung wahrgenommen wurden. <?page no="177"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 177 Forschungsfrage datenmaterial auswertung Forschungsfrage 1 Inhalte der Planungsgespräche Interaktionsdaten der videografierten Planungsgespräche (schriftliche Planungsnotizen als flankierende Daten) Qualitative Inhaltsanalyse Forschungsfrage 2A Verlauf von Unterrichtsplanungsgesprächen Makrostrukturelle Gesprächsanalyse Forschungsfrage 2B Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten Meso- und mikrostrukturelle Gesprächsanalyse Forschungsfrage 3 Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen von Planungsgesprächen Sinnrekonstruktive Sequenzanalyse Protokolle Lauten Erinnerns Daten der nachträglichen Befragung Abb. 1 Untersuchungsdesign Es konnten 14 Studierende für die Untersuchung gewonnen werden. Zwei Personen nahmen an zwei Gesprächen teil, so dass insgesamt acht Planungsgespräche mit einer Länge von 50 - 115 Minuten aufgenommen wurden. Ich selbst agierte im Semester der Datenerhebung nicht als Betreuerin einer SPS - Gruppe, sondern primär als Forschende, d. h. eine Doppelung der Rollen konnte hier vermieden werden. Mit der Kombination von videografierten Gesprächen, Lautem Erinnern und der Befragung der Untersuchungsteilnehmer/ innen konnte die Perspektive auf den Gegenstand triangulierend erweitert und um weitere Erkenntnisse ergänzt werden (vgl. Knorr/ Schramm 2016 ). Durch die Beobachtung der Studierenden in quasi natürlichen Gesprächen wurde einerseits eine etische Perspektive eingenommen, während das Laute Erinnern und die Befragung eher die emische Perspektive, d. h. die Innensicht der Forschungsteilnehmenden widerspiegeln. 4 Analysen I, II und III: Vorgehen und ausgewählte Ergebnisse Im Folgenden werde ich die drei Analysen meiner Studie vorstellen, indem ich mein Vorgehen kurz erläutere und zentrale Ergebnisse präsentiere und diskutiere. <?page no="178"?> 178 Petra knorr 4.1 Inhalte der Unterrichtsplanung Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurde ein kategorienbasiertes Verfahren der Datenauswertung gewählt. In Anlehnung an die induktiv vorgehende, zusammenfassende Qualitative Inhaltsanalyse, die vor allem durch Mayring beschrieben wurde ( 2010 , s. auch Gläser-Zikuda 2008 ; Kuckartz 2012 ), sind in einem ersten Analyseschritt direkt vom Material ausgehend Kategorien auf einem niedrigen bis mittleren Abstraktionsniveau gebildet worden (bottomup) . Auf der Basis dieser induktiv gebildeten Kategorien sowie unter Rückgriff auf Theorie und Empirie (top-down) kam es anschließend zur Formulierung von Oberkategorien. Das auf diese Weise entstandene Kategoriensystem wurde in weiteren Kodierdurchgängen sukzessive erweitert, überarbeitet und modifiziert, bevor abschließend das gesamte Datenmaterial mit dem bestehenden Kategoriensystem analysiert wurde. Insgesamt konnten 13 Oberkategorien und 67 Subkategorien sowie weitere differenzierende Unterteilungen auf einer dritten Ebene gebildet werden (s. Knorr 2015 : 221 ff.). Abbildung 2 zeigt den Umfang (Wie intensiv wurde ein Thema besprochen? = Anzahl an Zeichen im Transkript) sowie die Häufigkeit (Wie oft wurde ein Thema angesprochen? ) der jeweiligen Thematisierung der 13 Oberkategorien. Auffällig ist zunächst die intensive Beschäftigung der Studierenden mit der Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten. Die Kategorie beinhaltet nicht nur die Auseinandersetzung der Studierenden mit Übungen oder Aufgaben, sondern mit jeglicher Aktion bzw. Interaktion der Schüler/ innen oder der Lehrperson, die einen bestimmten Unterrichtsabschnitt markiert und bestimmt (z. B. Textarbeit, Erarbeitung/ Semantisierung von Lexik, Rollenspiel, Kognitivierung von Grammatik etc.). Neben der Kategorie Unterrichtsaktivitäten , zielen auch andere Kategorien, die eine Beschäftigung der Studierenden mit Aspekten wie z. B. das classroom management, die Strukturierung des Unterrichtsablaufs oder die Schüler/ innen aufzeigen, auf methodische Fragen. Es kann daher festgestellt werden, dass die Studierenden sich insgesamt vor allem den methodischen Aspekten der Unterrichtsgestaltung zuwenden. Unterrichtsinhalte spielen im Vergleich dazu eine weit geringere Rolle. Dieser Befund deckt sich nicht mit den Ergebnissen einiger anderer Studien, die herausstellten, dass gerade Berufsanfänger/ innen viel Zeit darauf verwenden, sich mit den Inhalten einer Biologie- oder Mathematikstunde auseinanderzusetzen (Borko/ Livingston 1989 ; Seel 1996 ). Hier scheint eine Spezifik in Bezug auf die Planung von Fremdsprachenunterricht vorzuliegen, die interessante Fragen aufwirft. Widmen sich die Studierenden weniger den Inhalten ihres Unterrichts, da sie davon ausgehen, den Inhalt, d. h. die Zielsprache, zu beherrschen? Führt <?page no="179"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 179 die Arbeit mit einem Lehr- und Lehrerhandbuch dazu, Inhalte direkt zu übernehmen, ohne diese zu hinterfragen bzw. zu analysieren? Die Daten machen an einigen Stellen deutlich, dass eine ausführlichere Analyse des Unterrichtsgegenstands der Unterrichtsvorbereitung zuträglich gewesen wäre, wenn z. B. grammatische Strukturen oder Lesetechniken nicht in der Abbildung 2 Umfang und Häufigkeit der Thematisierung von Kategorien <?page no="180"?> 180 Petra knorr nötigen Tiefe durchdrungen wurden. Vor allem die Arbeit mit dem Lehrwerk führt teilweise dazu, Übungen oder Aufgaben in den Unterricht zu integrieren, ohne dass die Studierenden in Gänze verstanden haben, wie sie aufgebaut sind, welchen Zweck sie erfüllen oder welche Antworten zu erwarten wären. Ein Grund dafür, dass Fragen zur Auswahl geeigneter Inhalte eher selten vorkommen, könnte auch mit den Vorgaben der Lehrerin zusammenhängen, da diese oft bereits konkrete Inhaltsangaben enthalten. Die Beschäftigung mit Zielen ist ein Aspekt, der auffällig wenig Berücksichtigung findet, obgleich er in Planungsmodellen und -anleitungen eine so zentrale Rolle spielt. Dieses Phänomen ist bereits von vielen anderen Studien herausgestellt worden’. Befunde dieser Art wurden vielfach mit Verweisen auf die Interdependenz von Zielen, Inhalten und Methoden interpretiert, d. h. es könne nicht geschlussfolgert werden, dass Lehrende nicht zielgerichtet vorgehen würden, wenn sie Ziele nicht explizit formulieren. Vielmehr würden Ziele bei der Beschäftigung mit Inhalten oder Methoden implizit mit bedacht werden. Es stellt sich hier die Frage, ob dies auch für die Unterrichtsplanung von Berufsanfänger/ innen gilt und wie Studierende in der Lehrer/ innenausbildung noch besser dabei unterstützt werden können, Unterrichtsziele zu formulieren und sich bewusster daran zu orientieren. 4.2 Der Prozess der Unterrichtsplanung Der zweite Analyseschritt innerhalb meiner Studie hatte zum Ziel, das Gesprächsmaterial auf seine linear-prozessuale Struktur hin zu untersuchen sowie typische planerische Handlungen der Studierenden zu rekonstruieren. In Anlehnung an gesprächsanalytische Verfahren der Datenauswertung (Brinker/ Sager 2006 ; Henne/ Rehbock 2001 ) wurden die Planungsgespräche zunächst nach kommunikativ-funktionalen Gesichtspunkten in relativ große Segmente unterteilt. Es wurde dabei danach gefragt, welche Handlungen von den Studierenden gerade ausgeführt werden (z. B. Überblick über das Material verschaffen, Planung der ersten Unterrichtsphase , etc.). Die sich aus der Analyse ergebende allgemeine Verlaufsstruktur entspricht auf einer Makroebene den Erkenntnissen der Gesprächsforschung: In den Planungsgesprächen der Studierenden ließen sich Phasen der Gesprächseröffnung , der Gesprächsmitte und der Gesprächsbeendigung nachweisen. Der Gesprächsmitte geht zusätzlich in den meisten Fällen eine Orientierungsphase voraus, die durch Handlungen wie das Erfassen der Ausgangssituation, das Reaktivieren der Planungsaufgabe oder dem Bestimmen von Unterrichtszielen und Inhalten bestimmt ist. Die Eröffnung des Gesprächs kann für die untersuchten Planungsgespräche kaum beschrieben werden, da die Datenerhebung erst einsetzte, nachdem sich die Studierenden begrüßt hatten und erste Worte gewechselt wurden. Die Beendigung der Ge- <?page no="181"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 181 spräche ist durch folgende Handlungen gekennzeichnet: das Gesprächsende beschließen, das Gespräch bzw. den Plan resümieren, weitere Arbeitsschritte bestimmen und das Gespräch beenden. Die Gesprächsmitte stellt die Kernphase der Planungsgespräche, d. h. den zentralen Teil der Unterrichtsplanung dar und ist in mehrere Teilphasen gegliedert. Die Analyse der Daten ergab, dass sich die Studierenden hier im Wesentlichen der Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen ( UP , vgl. Abb. 3 ) widmen. Dabei ist der Verlauf der Unterrichtsstunde größtenteils strukturgebend für den Verlauf des Planungsgesprächs, d. h. die Studierenden beginnen meist mit der Planung des Unterrichtseinstiegs, auf die dann in linearer Abfolge die Vorbereitung der weiteren Unterrichtsphasen folgt, wobei es vielfach auch zu rekursiven und zyklischen Bewegungen kommt, wie die gestrichelten Pfeile in Abbildung 3 zeigen. Als Unterrichtsphase wird hier eine Zeiteinheit innerhalb einer Stunde verstanden, die eine spezifische Funktion erfüllt (z. B. Hinführung, Erarbeitung, Übung etc., vgl. Hallet 2006 : 115 ff.). Die Vorbereitung einer Unterrichtsphase durch die Studierenden umfasst die Planung einer oder mehrerer Abschnitte bzw. Aktivitäten. Abbildung 3 Planung einzelner Unterrichtsphasen (UP) und Aktivitäten in der Kernphase der Planungsgespräche Der zweite Analyseschwerpunkt (Forschungsfrage 2 b) zielte darauf, die Planung jener Aktivitäten durch die Studierenden umfassender zu rekonstruieren. <?page no="182"?> 182 Petra knorr Von Interesse war hier, welche konkreten Gesprächshandlungen zur Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen oder Aktivitäten führen. Gesprächsanalytisch wurden in dieser Auswertungsphase auf einer noch stärker differenzierenden Ebene weitere planerische Handlungen rekonstruiert und kategorisiert. Dabei wurde zwischen ausführenden und orientierenden Teilhandlungen unterschieden (vgl. hierzu auch Broeckmans 1986 ). Als ausführende Handlungen wurden jene Gesprächsschritte kodiert, die dazu dienten, ein jeweils übergeordnetes Teilhandlungsziel (z. B. das Konzipieren einer Aktivität) zu erreichen. Orientierende Handlungen hingegen beeinflussen bzw. unterstützen das Erreichen dieses Ziels (z. B. das Berücksichtigen der Voraussetzungen der Schüler/ innen). Die in diesem Sinne durchgeführte Analyse der Gesprächsdaten ergab, dass die Forschungsteilnehmenden Planungshandlungen ausübten, die im Wesentlichen drei Ebenen bzw. drei Teilhandlungszielen zugeordnet werden konnten: Abbildung 4 Vorbereitung von Unterrichtsphasen Auf einer ersten Ebene sind die Studierenden mit der Suche und Auswahl von Aktivitäten beschäftigt. Beeinflusst wird die Auswahl z. B. durch orientierende Handlungen wie die Analyse des vorhandenen Materials, das Aktivieren von <?page no="183"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 183 Wissen über entsprechende Unterrichtsprinzipien, das Verständigen über die von der Lehrerin gemachten Vorgaben und das Bedenken der Voraussetzungen der Schüler/ innen. Auf einer zweiten Ebene werden die ausgewählten Aktivitäten weiter konkretisiert; es kommt zu Phasen des Konzipierens und Gestaltens . Stehen Übungen oder Aufgaben im Fokus, die die Schüler/ innen lösen sollen (z. B. Rollenspiele oder Leseaufgaben) geht es darum, das Übungs- oder Aufgabendesign zu entwerfen, d. h. den task as workplan zu erarbeiten (Breen 1987 : 24 ). Geht es eher um lehrerzentrierte Unterrichtsphasen wie z. B. Stundeneinstiege oder die Erarbeitung von Redemitteln, werden entsprechende Aktivitätsschritte geplant und die Handlungen der Lehrperson präzisiert. Es wird auf dieser Ebene außerdem über Inhalte und Materialien, Sozialformen oder den zeitlichen Umfang einer Aktivität nachgedacht. Auf einer dritten Planungsebene fokussieren die Studierenden die Realisierung von Aktivitäten im Unterricht (d. h. den task as process ), d. h. sie spezifizieren Aspekte der Durchführung (s. Abb. 4 ; vgl. auch Broeckmans 1986 ). Die Gesprächshandlungen beziehen sich hier vor allem auf die konkreten Handlungen der Lehrperson im Unterricht, d. h. hier geht es z. B. um die Aufgabenstellung, um konkrete Gesprächsimpulse der Lehrperson oder um die antizipierten Handlungen der Schüler/ innen. Orientierende Handlungen beziehen sich auf dieser Ebene auf die Berücksichtigung des zeitlichen Rahmens der Stunde sowie vor allem, wie auch schon auf der zweiten Ebene, auf das Aktivieren von Erfahrungen aus den selbst durchgeführten oder beobachteten SPS -Stunden sowie auf die Rückmeldungen und Reaktionen der betreuenden Dozentin oder der Klassenlehrerin. Wie in Abbildung 4 sichtbar wird, kommt es nicht zwingend immer zur Abfolge von Gesprächshandlungen auf allen Ebenen. Zum Teil werden Ebenen übersprungen oder gar nicht ausgeführt. Dennoch verläuft der Prozess des Planens einer Unterrichtsphase in den meisten Fällen stufenweise, d. h. es wird mit der Suche nach einer Aktivität (Ebene 1 ) begonnen, bevor die Vorbereitung auf der zweiten und dritten Ebene folgt. Die Pfeile in Abbildung 4 stellen die aus den Daten rekonstruierten möglichen Abfolgen von Planungshandlungen dar, wobei die gepunkteten Linien gegenüber den übrigen Linien eher marginale Abläufe visualisieren. Während die Empirie zur Unterrichtsplanung bislang vor allem Planungsfelder fokussierte und herausstellte, was Lehrende bei der Vorbereitung bedenken, kann die hier durchgeführte, an den Gesprächshandlungen der Studierenden orientierte Auswertung der Daten Befunde darüber liefern, welche konkreten Handlungen von den Studierenden vollzogen werden (ausführende Handlungen auf drei Ebenen) und durch welche Faktoren diese Teilhandlungen beeinflusst <?page no="184"?> 184 Petra knorr werden (orientierende Handlungen) (s. Knorr 2015 ). Interessant ist hier u. a., dass bestimmte Orientierungen an spezifischen Punkten des Planungsprozesses stattfinden. Das fachdidaktische Wissen der Studierenden zum Unterrichten einer Fremdsprache wird z. B. eher aktiviert, wenn Aktivitäten ausgewählt (Ebene 1 ) oder konzipiert (Ebene 2 ) werden, während das Erfahrungswissen der Studierenden aus den schulpraktischen Ausbildungsphasen vor allem zum Tragen kommt, wenn die Durchführung des Unterrichts (Ebene 3 ) in den Blick genommen wird. Während Seel ( 1996 ) z. B. herausstellte, dass die Studierenden ihrer Studie die Feinplanung von Unterricht, d. h. Aspekte der Umsetzung von Handlungen im Unterricht, vernachlässigen würden, zeigt sich in den hier erhobenen Daten, dass durchaus Überlegungen auf der dritten Planungsebene angestellt werden. Die Bedeutung unterrichtspraktischer Erfahrungen aus dem Kontext der SPS als Orientierung legt nahe, dass erst aus der praktischen Erfahrung heraus ein Bewusstsein darüber erwächst, dass diese dritte Planungsebene existiert und entsprechend bedacht werden muss. Folglich scheint die Einbettung der Planungserfahrung in den Kontext der SPS Überlegungen auf der dritten Ebene, die aufgrund ihrer präzisierenden Funktion als fortgeschrittene Planungshandlungen betrachtet werden, zu fördern. 4.3 Kooperatives Planen und situiertes Lernen In einem dritten Analyseschritt sollte das Datenmaterial hinsichtlich der Auswirkungen untersucht werden, die mit der Zusammenarbeit der Studierenden bei der Vorbereitung von Unterricht einhergehen. Die Auswertung der Daten erfolgte in Anlehnung an rekonstruktiv-hermeneutische bzw. gesprächsanalytische Verfahren der Datenauswertung mit dem Ziel des deutenden Verstehens von Sinnstrukturen über die Datenoberfläche hinaus (Deppermann 2008 ; Kruse 2010 ). Dazu wurden einzelne Sequenzen aus dem Gesprächsmaterial ausgewählt, die in Hinblick auf die Beantwortung der dritten Forschungsfrage potentielle Antworten oder neuartige Erkenntnisse versprachen (vgl. Deppermann 2008 : 52 zum sampling ). Nach der Auswahl der Gesprächssequenzen, wurden diese paraphrasiert und detailliert sinnrekonstruktiv analysiert. Die Auswertung der Interaktionsdaten wurde in einem zweiten Schritt um die Innensicht der Studierenden erweitert, indem die Daten aus dem Lauten Erinnern und aus der Befragung hinzugezogen wurden. Hierfür wurden Sequenzen ausgewertet, die sich entweder direkt auf die zuvor analysierten Textstellen bezogen (Kommentierungen aus dem Lauten Erinnern) oder mit Themen in Verbindung standen, die aus den Interaktionsdaten entwickelt wurden. Ersten konzeptuellen Erkenntnissen, die zunächst noch hypothetischen Charakter trugen, wurde anschließend fallvergleichend nachgegangen, um zu überprüfen, ob sie auch in <?page no="185"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 185 Bezug auf weitere Fälle Bestand haben oder um sie weiter zu differenzieren oder zu präzisieren. Im Prozess der Datenanalyse waren u. a. Prinzipien forschungsleitend, wie eine Fokussierung auf sprachlich-kommunikative Phänomene, eine offene, suspensive Haltung im Forschungsprozess, in der verschiedene Lesarten entwickelt und verfolgt werden und ein Befremden des eigenen Normalitätshorizonts (vgl. Breidenstein/ Tyagunova 2012 ; Deppermann 2008 ; Kruse 2010 ). Die Phänomene, die sich bei der sequenzanalytischen Datenauswertung als charakteristisch für die Zusammenarbeit der Studierenden während der Unterrichtsplanung herausstellten, können drei Themenbereichen zugeordnet werden. So zeigten sich Auswirkungen der Kooperation vor allem in Bezug auf die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde, auf die gemeinsame Konstruktion von professionellem Lehrerwissen sowie auf die Möglichkeit der Studierenden, sich innerhalb ihrer Praxisgemeinschaft zu verorten. 4.4 Das gemeinsame Planen einer Unterrichtsstunde Die Analyse der Daten konnte aufzeigen, dass die Gespräche bzw. einzelne Gesprächsphasen unterschiedliche Gesprächsmuster aufweisen, wobei sich vor allem kollaborative und beratende Interaktionen herausstellen ließen. Von einer kollaborativen Zusammenarbeit kann ausgegangen werden, wenn beide Planer/ innen gleichermaßen aktiv involviert sind und als gleichberechtigte Partner/ innen agieren (vgl. Arnold 2003 ; Feick 2016 ; Naujok 2000 ; Storch 2002 ). Neben kollaborativen Phasen der Unterrichtsvorbereitung, in denen vielfältige konstruktive Aushandlungsprozesse zwischen beiden Studierenden stattfanden, wurden im Datenmaterial auch zahlreiche Sequenzen sichtbar, in denen die Gesprächshandlungen und Ideen der unterrichtenden Person stärker im Vordergrund stehen und der/ die Ko-Planende eher eine beratende Rolle einnimmt. Der Planungspartner/ die -partnerin unterstützt in diesen Sequenzen die unterrichtende Person bei der Unterrichtsvorbereitung, indem er/ sie z. B. auf zusätzliche Aspekte hinweist, Vorschläge macht, Ideen hinterfragt oder als ein Gegenüber agiert, der die unterrichtende Person bestätigt und ihr/ ihm emotionale Unterstützung bietet. Gerade weil die Durchführung der ersten Unterrichtsstunden für die Studierenden mit viel Aufregung und Nervosität verbunden ist, erleben sie den Austausch mit einer zweiten Person als beruhigend und erfahren im Gespräch eine erste Wertschätzung und Absicherung ihres Plans. Dieses sehr typische Interaktionsverhalten, in dem eine Person als Berater/ in agiert, führt u. a. dazu, dass der Unterrichtsentwurf komplexer und detailreicher wird. Während die unterrichtende Person stark auf den Unterrichtsablauf aus der Perspektive der Lehrperson konzentriert ist, scheint gerade die ko-planende Person stärker auf Details der Unterrichtsdurchführung und auf die Perspektive der Schüler/ <?page no="186"?> 186 Petra knorr innen achten zu können, da sie nicht dem Druck ausgesetzt ist, die Stunde selbst auch unterrichten zu müssen. Zu einer Präzisierung oder Konkretisierung von Ideen kommt es außerdem allein aufgrund der Tatsache, dass im Gespräch mit einer/ einem Mitstudierenden zuvor Geplantes oder gerade entwickelte Gedanken verbalisiert, erklärt oder begründet werden müssen. Ebenso förderlich für die Erarbeitung eines Unterrichtskonzeptes ist das bildliche Vorstellen von Unterrichtssituation im Gespräch - ein Phänomen, das vor allem in den videografierten Daten sichtbar wurde. Während die Studierenden ihre Gedanken in Worte fassen, ist ihr Blick dabei ins Leere gerichtet und es scheint, als würde die Unterrichtssituation vor ihrem inneren Auge ablaufen. Dabei kommt es dazu, dass sukzessive über weitere Details der Unterrichtsgestaltung nachgedacht wird. Neben den weitestgehend positiven Auswirkungen auf die Unterrichtsplanung, die mit der Kooperation der Studierenden eingehen, wird in einigen Gesprächssequenzen auch deutlich, dass einige Studierende dazu tendieren, die Verantwortung an die unterrichtende Person abzugeben und sich infolgedessen weniger aktiv am Planungsprozess beteiligen. Seitens der Unterrichtenden kommt es auch zum Phänomen des Einzelkämpfers, d. h. hier wird eine individuelle Vorbereitung favorisiert und Ideen werden teilweise mit dem Hinweis darauf, dass man später noch weiter darüber nachdenken werde, nicht weiter verfolgt. Des Weiteren geht aus den Daten hervor, dass das Planungsgespräch mitunter an Grenzen stößt, wenn es z. B. dazu kommt, dass die Ideen der Studierenden durch das Gespräch mit einer zweiten Person schnell Bestätigung erfahren, wenngleich eine tiefergehende Analyse des Sachverhalts der Sache zuträglich gewesen wäre. Insgesamt kann jedoch resümiert werden, dass die Kooperation bei der Vorbereitung von Unterricht mit zahlreichen Potentialen verbunden ist und die Zusammenarbeit auch aus Sicht der Studierenden als gewinnbringend wahrgenommen wird. 4.5 Kooperative Lernprozesse Eine zentrale Fragestellung der Studie richtete sich auf das mögliche Potential der Planungsgespräche, Lernprozesse hinsichtlich der Entwicklung professioneller Kompetenzen anzuregen. Die rekonstruktiv interpretative Analyse einzelner Datensequenzen konnte hier zunächst offenlegen, dass im Prozess der Unterrichtsplanung Vorstellungen und Wissensbestände der Studierenden über das Unterrichten einer Fremdsprache auf verschiedene Weise zum Tragen kommen und in die Gestaltung der Unterrichtsstunde einfließen. Das Wissen der Studierenden wirkt teils implizit, teils wird es explizit verhandelt: <?page no="187"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 187 (1) Die implizite Wirkung unterrichtsbezogenen Wissen zeigt sich z. B. wenn Aktivitäten entsprechend spezifischer Prinzipien geplant werden, ohne dass es jedoch zur Explizierung oder zu Aushandlungsprozessen darüber kommt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Studierenden über geteiltes Wissen verfügen und Konsens über die entsprechenden Unterrichtsprinzipien besteht. (2) An anderen Stellen im Datenmaterial kommt es dazu, dass Vorstellungen von Unterricht als Inhalte des konkreten planerischen Denkens und Handelns an die Gesprächsoberfläche kommen und verhandelt werden. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn diskutiert wird, ob ein Text durch die Semantisierung von Lexik vorentlastet oder ob erst nach dem Hören des Textes der Fokus auf unbekanntes Vokabular gerichtet wird. (3) Darüber hinaus lässt sich in den Planungsgesprächen beobachten, dass Vorstellungen von Unterricht in einer von der Unterrichtssituation abstrahierten Weise expliziert und diskutiert werden. In diesen Fällen ist das Augenmerk der Studierenden zunächst noch auf die Planung der entsprechenden Unterrichtsphase gerichtet. Im Verlauf der Diskussion wird jedoch eine Perspektive eingenommen, die sich von der konkreten Unterrichtssituation löst und sich dem Verständnis von Unterrichtsprinzipien im Allgemeinen zuwendet. In Bezug auf Prozesse der Wissenskonstruktion und der Herausbildung unterrichtsbezogener Schemata kann jede dieser drei Ebenen als lernförderlich betrachtet werden. Die Verwendung von Wissen auf der ersten Ebene wirkt vor allem konsolidierend, Wissen wird hier im Prozess des Planens aktiviert und erprobt. Auf der zweiten und dritten Ebene kommt es zur Aushandlung von Bedeutungen, wobei Vorstellungen von Unterricht im Gespräch mit einer zweiten Person ausgeführt, begründet und neu verhandelt werden, Wissen wird hier ko-konstruiert. Das Aktivieren von Wissen zeigt sich in den Daten vor allem in der Verwendung fachspezifischer Termini, die sich in den untersuchten Planungsgesprächen meist auf fremdsprachendidaktische Zusammenhänge beziehen, wie z. B. im folgenden Beispiel aus PG 7 : 167 C Dann würd ich die sentences , die wir zuerst verwendet hatten, noch mal umformen lassen in reported speech , das ist ja dann, sozusagen, diese guided practice . <?page no="188"?> 188 Petra knorr PG 7 : 167 , Clara Die Aktivierung fachdidaktischen Wissens zeigt sich aber ebenso in Gesprächssequenzen, in denen Unterricht unter Beachtung spezifischer didaktischer Prinzipien geplant wird, ohne dass diese jedoch fachsprachlich verbalisiert werden. Zum Teil ringen die Studierenden hier um adäquate Worte oder es wird auf alltagssprachliche Begriffe und Paraphrasierungen zurückgegriffen. Im folgenden Beispiel sucht Greta nach passenden Ausdrucksmöglichkeiten, um ihre Idee zu versprachlichen: 201 G […] Also, das ((zeigt auf Aufg. 18b)) würde ich halt als Vor • • geplänkel wirklich sehen, dass die einfach diese Struktur begreifen. 202 J Hm̌. Hm̌. 203 G Der eine sagt was, der andere sagt was. Es geht eben nicht nur: „Ja. Nein.“, sondern es würde eben richtig ausdiskutiert. Ich denk mal, das ist so dieses • • • Hinführen, was man eben [hier] irgendwie bringen müsste. 204 J [Hm̌. Hm̌.] Ja. 205 G Das wäre hier wirklich nur Stoffsammlung. PG 1 : 201 ff., Greta & Jennie Es lässt sich feststellen, dass die Studierenden teils über umfassende fachdidaktische Kenntnisse verfügen, wenn sie Unterricht entsprechend fachdidaktischer Prinzipien planen und sich auch unter Verwendung der entsprechenden Fachsprache darüber verständigen können. An zahlreichen Stellen im Datenmaterial wird aber auch ersichtlich, dass fachdidaktisches Wissen erst im Prozess der Entstehung ist. Das Planungsgespräch bietet hier die Gelegenheit, Wissen in einem geschützten Rahmen einer nicht-hierarchischen Gesprächskonstellation zu erproben und mit fachspezifischen Begriffen zu experimentieren, auch wenn die Vorstellungen von zugrundeliegenden Konzepten noch vage oder diffus sind. Gerade vor dem Hintergrund soziokultureller Ansätze lässt sich hier schlussfolgern, dass durch die Anwendung von Begriffen im Kontext, Prozesse des Erwerbs fachspezifischer Konzepte und Begriffe gefördert werden. Extern verhandelte Konzepte können dadurch internalisiert werden (vgl. Fischer 2002 : 124 ). Es wird damit außerdem ein wichtiger Beitrag geleistet, die didaktische Diskursfähigkeit der Studierenden zu fördern. Hallet ( 2006 : 127 ) weist ausdrücklich darauf hin, dass professionelle Handlungskompetenzen der Lehrperson auch kommunikative Kompetenzen umfassen, die bislang jedoch meist nur indirekt Beachtung finden. <?page no="189"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 189 Prozesse der Aushandlung von Bedeutungen werden oft initiiert, wenn die Studierenden unterschiedlicher Meinung sind oder wenn eine Person ein Wissensdefizit aufweist. Interessant sind diesbezüglich Gesprächssequenzen, in denen es zu Prozessen dialogischer bzw. strategischer Mediation kommt. In Anlehnung an Wertsch ( 2007 ), der sich u. a. auf Wygotski ([ 1925 - 34 ] 1987 ) bezieht, lässt sich hier eine Art scaffolding beobachten, bei dem eine Person mit einer umfänglicheren Wissensbasis eine weniger erfahrene Person unterstützt. Während meist davon ausgegangen wird, dass scaffolding -Prozesse von Experten durchgeführt werden, konnte im vorliegenden Datenmaterial beobachtet werden, dass strategische Mediationshandlungen durchaus auch von den Mitgliedern der Lerngruppe ausgehen. Insbesondere das adäquate Einschätzen der jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung und die Wahl entsprechender "Werkzeuge" (z. B. einer verständlichen Sprache), um Prozesse kognitiver Wissenstransformation anzuregen, kann von Mitstudierenden mitunter besser geleistet werden, als von Experten, denen es aufgrund der größeren Distanz u. U. schwer fällt, sich auf die weniger erfahrene Person einzulassen. Gleichzeitig sind jedoch in den Daten auch Gesprächssequenzen auszumachen, in denen deutlich wird, dass die Studierenden ein spezifisches Verständnis eines Unterrichtskonzepts teilen, Entscheidungen daher rasch getroffen werden, obwohl durchaus bessere Alternativen dazu denkbar gewesen wären. In diesen Fällen kommen die Studierenden nicht über ihre ZPD hinaus, da keine der beiden Personen über mehr Erfahrungswissen verfügt. Interessante Ergebnisse liefern die Daten auch in Bezug auf die Rückmeldungen und Hinweise der an den SPS beteiligten Experten, d. h. der Betreuerin seitens der Universität oder der Lehrerin, die in den Vorbesprechungen oder in den Auswertungsgesprächen gegeben werden. Die Studierenden beziehen sich an vielen Stellen im Planungsgespräch auf diese Empfehlungen, ihnen wird insgesamt ein hoher Stellenwert beigemessen. Interessant ist jedoch, dass die damit verbundenen Vorstellungen über Unterricht oftmals nur in Erinnerung gerufen werden, um sie anschließend unhinterfragt zu übernehmen. 146 A Ja: "Look at those phrases. What do they mean? " • • • Ja und dann hoffentlich wissen sie s. Also ja meinste, dass ich dann äh, dann ne Übersetzung dazu auch brauche oder nicht? Oder (lass ich die)/ kann ich die auch einfach an die Tafel schreiben? Da brauch ich nicht extra ne Folie drucken. <?page no="190"?> 190 Petra knorr 147 H Nee, die Übersetzung würd ich nicht aufschreiben. Das hab ich doch mal gemacht irgendwie mit den Vokabeln. Und das war ganz schlecht. Das soll man doch nicht machen, bei der Semantisierung, dass man die Übersetzung irgendwie direkt 151 A Hm̌. 152 H aufschreibt. Aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, was da jetzt das Problem dran war. Aber ich denke mal … Also … 153 A Na ja gut. Die sind ja jetzt auch nicht schwer. PG 8 : 146 ff., Anja/ Heike Die Expertenmeinung scheint hier als eine Art Richtlinie oder Vorgabe verstanden zu werden, denn es wird kaum diskutiert, wie diese Hinweise zu verstehen sind oder ob sie auch auf die zu planenden Stunde übertragbar und angemessen sind. Die Aussagen über bereits erfolgreich durchgeführte Unterrichtshandlungen besitzen einen ähnlich hohen Stellenwert für die Studierenden. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass erst wenige unterrichtspraktische Erfahrungen vorliegen, sich das eigene Erleben jedoch fest im episodischen Gedächtnis verankert. 4.6 Verortung in der Praxisgemeinschaft Die Kooperation bei der Unterrichtsvorbereitung stellt darüber hinaus eine wertvolle Möglichkeit dar, sich in der community of practice zu verorten. Durch die Zusammenarbeit mit Kommilitonen lernen die Studierenden sich selbst, d. h. die eigenen Stärken, Schwächen, Einstellungen und Vorlieben kennen. Sie können beobachten, wie andere Personen agieren und sich dazu in Beziehung setzen. Crafton/ Kaiser ( 2011 ) unterstreichen die Rolle, die die Praxisgemeinschaft in Prozessen professioneller Entwicklung einnimmt und plädieren für eine Lehrer/ innenausbildung, die von dialogischen und symmetrischen Formen der Kommunikation bestimmt ist: The language we use signals the meanings we construct; the quality of our discourse determines the quality of our knowledge and how situated identities are shaped. Those meanings move beyond the content embodied in an idea to our very being - we learn who we are and who we can become through the discourse communities to which we belong (Crafton/ Kaiser 2011: 114). <?page no="191"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 191 5 Implikationen für die Lehrer/ innenausbildung Neben einer besseren Abstimmung und Verschränkung bildungswissenschaftlicher und fachdidaktischer Curricula in Bezug auf den Themenkomplex der Unterrichtsplanung, sprechen die Forschungsbefunde vor allem dafür, über alternative Planungskonzeptionen nachzudenken, die der Tatsache Rechnung tragen, dass Unterrichtsvorbereitung anders verläuft, als in der Ausbildung verwendete Planungsmodelle vorgeben. Interessante Ansatzpunkte bieten hier Planungskonzeptionen wie sie z. B. von Tulodziecki/ Herzig/ Blömeke ( 2009 : 155 ff.) beschrieben werden, die als Alternative zu einem komponentenbezogenen Planen von einer prozessbezogenen Unterrichtsvorbereitung sprechen. Sie schlagen vor, sich bei der Vorbereitung einer Unterrichtseinheit den einzelnen Phasen einer Unterrichtstunde zu widmen und für jede Phase verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die Fragen zum jeweiligen Inhalt, zu Teilzielen, zur Interaktion mit den Schüler/ innen etc. berühren. Ein solches Vorgehen orientiert sich deutlich stärker am tatsächlichen Planungshandeln der hier untersuchten Studierenden, da es sich am Unterrichtsverlauf orientiert und die Interdependenz einzelner Planungsdimension berücksichtigt. Ein daran anknüpfendes Ziel für Empirie und Ausbildungspraxis müsste weiterführend darin bestehen, die Phasen und entsprechenden Fragestellungen zur Anregung unterrichtsplanerischen Denkens fremdsprachendidaktisch zu spezifizieren. Es kann außerdem hervorgehoben werden, dass Studierende insgesamt stärker für Prozesse des Planens und des Planen-Lernens sensibilisiert werden sollten. Neben der Reflexion von Planungsprozessen gilt es Studierenden bewusst zu machen, dass Planungsgespräche (und andere Formen der interaktiven Bedeutungsaushandlung) mit den Mitgliedern ihrer Praxisgemeinschaft die Gelegenheit bieten, sowohl die Vorbereitungstätigkeit zu erleichtern oder zu verbessern, als auch Vorstellungen von fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen und damit professionelles Handlungswissen sowie professionelle diskursive Kompetenzen interaktiv zu entwickeln. So könnten angehende Lehrende zu einer aktiven, forschenden und reflexiven Teilhabe an der Praxisgemeinschaft ermutigt werden. Es wäre hier wichtig, Gelegenheiten zu schaffen, in denen positive Erfahrungen mit kooperativen Arbeitsweisen gesammelt werden können. Damit könnte u. U. auch ein Beitrag geleistet werden, dem vielfach vorherrschendem Einzelkämpferphänomen an Schulen entgegen zu wirken und Lehrer/ innen auszubilden, die Kooperation schätzen gelernt haben oder gar für notwendig erachten und die somit später in der Schule Praxisgemeinschaften suchen oder etablieren, die stärker kooperieren. Die Befunde der Untersuchung stützen des Weiteren die Annahme, dass das Einbetten von Planungstätigkeiten in den Kontext schulpraktischer Studien von enormem Wert für Lern- und Entwicklungsprozesse in der Ausbildung ist. <?page no="192"?> 192 Petra knorr Aufgrund der Tatsache, dass Planen hier kein Trockenschwimmen darstellt, können alle relevanten Planungskomponenten sinnvoll aufeinander bezogen und Theorie und Praxis tatsächlich verknüpft werden. Auf diese Weise kann hier wie in keinem anderen Bereich universitärer Lehre eine Verzahnung von fachdidaktischem, fachlichem, pädagogischem und kontextuellem Wissen sowie Wissen über die Lernenden gelingen. Die SPS bieten den Rahmen, in vielfältige Aushandlungsprozesse zu treten, wobei die Aufgaben und Rollenverständnisse aller an den SPS Beteiligten immer wieder reflektiert werden sollten, um die Potentiale der Zusammenarbeit auch entsprechend ausschöpfen zu können. So sollten die Unterrichtsvorbesprechungen oder Auswertungsgespräche im Rahmen von Tagespraktika als Teil der Ausbildungspraxis verstanden werden, der allen Beteiligten eine gleichermaßen aktive Rolle zugesteht. Die Gruppendynamik und Gesprächsatmosphäre in diesem Kontext sollte es erlauben, Unverständnis zu äußern und kritisch nachzufragen, so dass Kritik oder Hinweise von allen Beteiligten als Anlass verstanden werden, in gleichrangige Prozesse der Bedeutungsaushandlung einzutreten. Einer relativ unreflektierten Orientierung der Studierenden an den Rückmeldungen der Experten könnte dadurch u. U. entgegengewirkt werden. Außerdem könnten die Rahmenbedingungen der SPS durch mehr Transparenz hinsichtlich der Erwartungen, die an alle Beteiligten gestellt werden, deutlich verbessert werden. Die Daten konnten zeigen, dass die Studierenden sich stark an den Vorgaben, die im Vorfeld bezüglich der zu behandelnden Themen und Inhalte gemacht wurden, orientieren. Meist werden diese Vorgaben als normative Richtlinien wahrgenommen, wobei im Planungsgespräch jedoch oft ausgehandelt werden muss, wie diese zu verstehen sind, was konkret damit gemeint ist und welcher Interpretationsspielraum besteht. Ein besser abgestimmtes Vorgehen wäre hier von Vorteil, um Unsicherheiten seitens der Studierenden zu reduzieren. Resümierend lässt sich feststellen, dass sich die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden gerade vor dem Hintergrund soziokultureller Ansätze dahingehend weiterentwickeln sollte, zunehmend interaktive, im schulischen Handlungskontext verortete und das Planen als Handlung verstehende Lernangebote zu entwickeln. Für die Gestaltung von Lernumgebungen wäre es als besonders wertvoll einzuschätzen, wenn es noch stärker als bisher zu einer Verschränkung verschiedener Dimensionen käme. Lernangebote sollten auf einer theoretisch-reflexiven Ebene die Auseinandersetzung sowohl mit einzelnen Planungsdimensionen als auch mit Möglichkeiten planerischen Handelns erlauben, das Erproben planerischen Handelns in authentischen Kontexten ermöglichen, von Expertinnen und Experten initiiert und adäquat begleitet werden und die Studierenden anregen, im Diskurs mit Mitgliedern der Praxisgemeinschaft pla- <?page no="193"?> Unterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen 193 nerisches Handeln zu üben, eigene unterrichtsplanerische Vorgehensweisen zu reflektieren und eine eigene Planungspraxis zu entwickeln. Literatur Arnold, Patricia (2003). Kooperatives Lernen im Internet. Qualitative Analyse einer Community of Practice im Fernstudium . Münster: Waxmann. 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Anerkannt wird damit im Zuge der Kompetenzorientierung und in Zusammenhang mit Fragen nach den Effekten von Faktoren, die den Unterricht beeinflussen, dass das fachdidaktische Wissen und Können der Lehrenden eine wesentliche Rolle für die Gestaltung von qualitativen Lernprozessen im Fremdsprachenunterricht spielt. Von Interesse ist für die Disziplin dabei insbesondere die Verortung innerhalb der durch die Begrifflichkeiten ‚Professionalisierung‘ und ‚Kompetenzentwicklung‘ geöffneten Raums. Hier gilt es das genuin Eigene der Domäne Fremdsprachendidaktik zu konturieren und mit bereits bestehenden Rahmensetzungen abzugleichen. Während die Forschung zur ersten (universitären) Phase der Lehrerbildung in zunehmender Zahl vorangetrieben wird (siehe dazu v. a. die Beiträge in diesem Band), sind Forschungsprojekte zur zweiten Phase der Lehrerbildung, insbesondere solche mit spezifisch fremdsprachendidaktischer Fragestellung, deutlich weniger an der Zahl. Hier zu nennen wären aktuell z. B. als Studien mit quantitativen Ansätzen TEDS - LT (Blömeke et al. 2013 ) sowie die Professionelle Kompetenz von angehenden Englischlehrkräften ( PKE ) aus Köln (z. B. Roters et al. 2013 ) und qualitative Forschungen wie die laufenden Projekte von Rossa ( 2016 ) und unsere eigenen (Steininger/ Gerlach im Druck). Was gute Lehrende ausmacht und wie sich dies empirisch zugänglich machen lässt, wie sich also empirische Komplexität in Form von Fragestellungen und Kategorien dahingehend reduzieren lässt, dass mit Forschung auch ein Beitrag zur Entwicklung der Disziplin in Aus- und Weiterbildung geleistet werden kann, ist nicht zuletzt auch abhängig von Zugängen zur Professionalisierung. Die Forschungsprojekte zur zweiten Phase, die wir hier vorstellen, wählen einen qualitativen Zugang und zielen somit darauf, die an der zweiten Phase beteiligten Akteure nicht nur als Forschungsobjekte zu untersuchen, sondern vielmehr als Subjekte zu Wort kommen zu lassen, um ein Stück weit auch dem <?page no="198"?> 198 David Gerlach/ Ivo Steininger „Verschwinden der Lehrenden im Prozess-Produkt-Ansatz“ (Schart 2014 , S. 38 ) entgegenzuwirken. Professionstheoretische Forschungsansätze sind im wissenschaftlichen Diskurs zahlreich, der Blick auf oder gar die Notwendigkeit und Messbarkeit der Lehrerprofessionalisierung/ -professionalität mit ihren hochkomplexen Strukturen wird zuweilen kontrovers diskutiert (Baumert/ Kunter 2006 ; Helsper 2007 ). International ist auch für die fachspezifische Fremdsprachenlehrerprofessionalität kaum eine einheitliche Definition greifbar (Leung 2009 ). Der Komplexität des Untersuchungsfeldes möchten wir daher im Folgenden in Form eines Werkstattberichts Rechnung tragen, der erste Daten aus Erhebungen unserer Forschungsprojekte zur 2 . Phase der Fremdsprachenlehrer(innen)bildung 1 vorstellen und damit einige Einblicke in Forschungsfragen und das Feld geben soll. Dazu umreißen wir im ersten Schritt diese Phase, stellen aktuelle Forschung hierzu vor und charakterisieren damit den Vorbereitungsdienst unter forschungsmethodologischen Gesichtspunkten. In den darauffolgenden Kapiteln werden wir sowohl das Personal als auch bedeutende Themen und Prozesse im „Professionalisierungsprozess Vorbereitungsdienst“ auf der Grundlage bereits vorliegender Daten und Erkenntnisse aus unseren Projekten anhand von Vignetten diskutieren und an bestehende Forschung anknüpfen. Im Zusammenhang mit diesen Forschungsfeldern möchten wir erste Empfehlungen sowie Desiderate für Forschung und Ausbildung formulieren, die die Lehrerbildung verbessern und den Berufseinstieg für die angehenden Lehrkräfte erleichtern können, aber auch weiter empirisch abgesichert werden müssten. 2 Forschungsfeld Vorbereitungsdienst/ Referendariat Während international die unterschiedlichsten Professionalisierungsphasen und -institutionen für (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte vorherrschen, gilt in Deutschland weiterhin primär die Dreiphasigkeit der Lehrerbildung in Studium, Vorbereitungsdienst und Schuldienst (mit Weiterqualifikationen und Fortbildungen als sogenannte „dritte Phase“). Der Vorbereitungsdienst wird dabei nicht selten als die Professionalisierungsphase gesehen und auch schulrechtlich so charakterisiert. 2.1 Struktur des Vorbereitungsdienstes Der Vorbereitungsdienst (zunehmend veraltet: Referendariat) hat im Rahmen der strukturellen Lehrerausbildung in Deutschland das Ziel, Hochschulabsolventen mit 1 . Staatsexamen oder Master im Lehramt, auch sogenannte Quer- 1 Eine Zusammenfassung beider Forschungsprojekte mit theoretischer Einbettung sowie methodischer Vorgehensweise findet sich in Steininger/ Gerlach (im Druck). <?page no="199"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 199 einsteiger mit Hochschulabschluss ohne pädagogische Vorausbildung, auf ihren Schuldienst vorzubereiten. Der Vorbereitungsdienst wird nach länderspezifischen Ausbildungsverordnungen bzw. -gesetzen dabei primär von den Studienseminaren gestaltet, an denen die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) zur Hälfte ihrer Arbeitszeit Lehrveranstaltungen besuchen. Die andere Hälfte verbringen sie in ihren Ausbildungsschulen primär mit Unterricht(en) und allgemeindienstlichen Verpflichtungen wie Elternberatungen, Teilnahme an Konferenzen etc. Die Dauer des Vorbereitungsdienstes schwankt aktuell je nach Bundesland zwischen 18 Monaten (z. B. NRW ), 21 Monaten (z. B. Hessen) und 2 Jahren (z. B. Bayern), kann teilweise aber z. B. durch bereits vorher absolvierten Vertretungsunterricht oder weitere besondere Eignungen auf Antrag der LiV verkürzt werden. Die Gliederung des Vorbereitungdienstes innerhalb dieses Zeitraums wird schulhalbjahrsabhängig gestaltet, teilweise modulartig, wobei die Module sich auch jeweils über gesamte Halbjahre erstrecken oder nur punktuell aus einzelnen Lehrveranstaltungen bestehen können. 2 Nach den Ländergemeinsamen Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die abschließende Staatsprüfung der KMK ( 2012 ) muss sich der Vorbereitungsdienst inhaltlich an den bildungswissenschaftlichen Standards der Lehrerbildung ( KMK 2004 a) und den darin enthaltenen Inhaltsfeldern orientieren. Dies gilt auch für die den Vorbereitungsdienst abschließende Prüfung zum zweiten Staatsexamen. Die Lehrveranstaltungen innerhalb des Studienseminars sind in der Regel sowohl allgemein-pädagogisch/ -didaktischer Natur als auch spezifisch für die mitgebrachten Fächer fachdidaktischer Natur. Primär im Rahmen der Ausbildung in den Fächern werden die LiV dann in Unterrichtsbesuchen indikatorhaft durch das Ausbildungspersonal dahingehend bewertet, inwiefern sie den Lehrerbildungsstandard der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Begründung und Planung von Unterricht ( KMK 2012 , S. 7 ) erreichen. 2.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst Während an die Lehrerbildung insgesamt weiterhin diverse Forschungsdesiderate herangetragen werden (vgl. Blömeke 2004 , Blömeke et al. 2008 ), ist „[das] Forschungsdefizit […] ganz besonders gravierend im Blick auf Prozesse und Wirkungen der 2 . Phase der Lehrerausbildung“ (Terhart 2000 , S. 153 ). 3 Die oben 2 Eine umfassende Übersicht der Strukturen und Bedingungen des Vorbereitungsdienstes in den unterschiedlichen Bundesländern haben Walke ( 2007 ) sowie Walm/ Wittek ( 2014 ) zusammengestellt. 3 Auch der Transfer internationaler Forschung zur Lehrerbildung ist im Kontext des deutschen Vorbereitungsdienstes schwierig, da ähnliche Makrostrukturen zwar in anderen Ländern vorhanden sind, diese dann allerdings bei detaillierterer Betrachtung an Aus- <?page no="200"?> 200 David Gerlach/ Ivo Steininger skizzierten Rahmenbedingungen erschweren dabei die Greifbarkeit des Vorbereitungsdienstes aus wissenschaftlicher Perspektive, denn die Vielfalt der länderspezifischen Regelungen, die Fülle an Programmen und Prüfungsordnungen der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung und auch der Weiterbildung nehmen rapide zu, während gleichzeitig die Kohärenz der Ziele und das geteilte Wissen der verantwortlichen Akteure in den verschiedenen Organisationen (Hochschulen, Studienseminaren, Schulen), die daran beteiligt sind, - jedenfalls nach meinem Eindruck aus dem Flächenland Hessen - auf einem Tiefpunkt angelangt sind (Rauin 2014, S. 572). Dieser Komplexität an Struktur und Personal mag es damit auch geschuldet sein, dass Forschung zum Vorbereitungsdienst nur sporadisch stattfindet und dabei zudem selten extern abgesichert wird (vgl. Walke 2007 ). Erkenntnisse aus den überschaubaren Evaluationen sind dabei außerdem höchst spezifisch für die Ausbildungsstruktur in dem beforschten Bundesland, wenn nicht direkt länderübergreifend geforscht wird. Bestehende Forschung des letzten Jahrzehnts - auch als Folge der Entwicklungen in der Lehr- und Lernforschung sowie Lehrerbildung in den anderen Phasen - fokussiert für den Vorbereitungsdienst häufig auf Sichtweisen und Perspektiven der angehenden Lehrkräfte (z. B. Schulte 2008 ), im Speziellen z. B. den ‚Praxisschock‘ oder das Theorie-Praxisverhältnis in Abgrenzung zur ersten Phase (z. B. Werner-Bentke 2010 ), untersucht Innovationen (z. B. Hertle 2007 ), Bewertungskriterien (Strietholt/ Terhart 2009 ) oder beforscht den Vorbereitungsdienst umfassend und mehrperspektivisch durch Einbeziehen aller Strukturen und beteiligter Personen (z. B. Potsdamer LehramtskandidatInnen-Studie , Schubarth et al. 2007 ). 4 Beim Durchblick der einschlägigen Forschungsarbeiten fällt auf, dass insbesondere fachdidaktisch orientierte Untersuchungen und Fragestellungen zum Vorbereitungsdienst weitgehend fehlen, vermutlich bedingt durch die oben bereits angesprochene Komplexität dieser Phase, welche die Greifbarkeit empirischer Ansätze auf der Ebene von allgemeiner Pädagogik, Ausbildungsstrukturen und Innovationen innerhalb bestehender Systeme einfacher macht. Nichtsdestotrotz entsteht durch den mangelnden Fokus auf fachdidaktische - in unserem nun folgenden Beispiel fremdsprachendidaktische - Elemente von Lehrerbildung in der 2 . Phase ein echtes Forschungsdesiderat. Innerhalb dieses sagekraft und Vergleichbarkeit verlieren. Wir beziehen internationale Ergebnisse zur Lehrerbildung und den daran beteiligten Prozessen und Akteuren (insbesondere in fachdidaktischer Hinsicht) daher erst in den nachfolgenden Kapiteln gezielt ein. 4 Überblicke der Forschung zum Vorbereitungsdienst liefern Krüger ( 2014 ) (auch mit einem Fokus auf Ausbildungskräfte), Böhner ( 2009 ) sowie Abs und Anderson-Parks ( 2014 ). <?page no="201"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 201 Bereichs setzen unsere Forschungsprojekte an, welche sowohl fachdidaktischkompetenzorientiert als auch ausbildungsdidaktisch/ berufbiographisch sowie struktur- und professionstheoretischer Natur sind. Wir möchten in den nächsten Abschnitten daher Akteure sowie Prozesse und Themen der 2 . Phase sowohl auf Grundlage bestehender Forschungserkenntnisse sowie unserer eigenen fremdsprachendidaktisch orientierten Untersuchungen der an der zweiten Phase Beteiligten im Bundesland Hessen darlegen und somit das Forschungsfeld „Vorbereitungsdienst“ näher beleuchten. 3 Akteure Fragt man nach den Akteuren in der zweiten Phase der Lehrerbildung, so sind neben den angehenden Lehrkräften (in Hessen „Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst“, LiV) auch die Ausbilder und Ausbilderinnen an den Studienseminaren sowie die Mentorinnen und Mentoren an den Ausbildungsschulen zu nennen. Mit Blick auf die LiV ist als Qualifikationserwartung im Hessischen Lehrerbildungsgesetz ( HL bG) formuliert, dass die Lehrerbildung zum Ziel hat, „alle Lehrkräfte zur sachkundigen Mitgestaltung der Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu befähigen“ (§ 1 Abs. 1 HL bG). Daneben wird auch formuliert, dass „allen Lehrkräften erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen“ zu vermitteln sind (§ 1 Abs. 2 HL bG). Mit der Lehrerbildung in Hessen geht darüber hinaus die Zielsetzung einher, „die für Funktionsstellen in Schule und Bildungsverwaltung erforderliche Qualifizierung des an der Übernahme dieser Funktionen interessierten und geeigneten oder für diese Funktionsstellen vorgesehenen und ausgewählten pädagogischen Personals“ zu leisten (§ 1 Abs. 3 HL bG). Mit diesen drei Absätzen ist die ganze Bandbreite der Lehrerbildung zu umreißen (§ 3 HL bG), klingen doch Ziele der universitären Ausbildung insbesondere in Absatz eins und zwei durch Begriffe wie „sachkundig“ und „fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen“ an. Die zweite Phase der Lehrerbildung ist in Absatz 2 zu finden, in dem von „pädagogischer Professionalisierung“ zu lesen ist (§ 1 Abs. 2 ). Zu beziehen ist diese Professionalisierung insbesondere auf den vierten Teil im HL bG, da hier die zweite Phase der Lehrerbildung als pädagogische Ausbildung benannt wird. Die dritte Phase der Lehrerbildung als berufsbegleitende Qualifizierung klingt im zuletzt zitierten Absatz an. Hier ist das Ziel der Lehrerbildung, auf die Übernahme von Funktionsstellen im Schuldienst bzw. in der Schulaufsicht vorzubereiten. In der Regel treten zukünftige Lehrende ihren Vorbereitungsdienst in Hessen mit einer abgelegten ersten Staatsprüfung an, die dazu dient festzustellen, „ob die Bewerberin oder der Bewerber die durch das Studium zu erwerbenden <?page no="202"?> 202 David Gerlach/ Ivo Steininger fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungssowie gesellschaftswissenschaftlichen Voraussetzungen für das angestrebte Lehramt besitzt“ (§ 17 HL bG). Näheres zum Vorbereitungsdienst ist in der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes ( HL b GDV ) geregelt. Während des 21 Monate dauernden Vorbereitungsdiensts (§ 38 Abs. 1 HL bG) „sollen die während des Studiums erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften in engem Bezug zum erteilten Unterricht“ erweitert und vertieft werden (§ 41 Abs. 2 HL b GDV ). Die Ausbildung an den Studienseminaren umfasst Module (fachdidaktische wie allgemeinpädagogische), Ausbildungsveranstaltungen sowie die Unterrichtsverpflichtung an der Ausbildungsschule (§§ 41 - 45 Hlb GDV ). Im Folgenden soll von Interesse sein, welche Anforderungen an die Akteure im hessischen Vorbereitungsdienst - namentlich die LiV, Ausbildende an den Studienseminaren sowie Mentorinnen und Mentoren an den Ausbildungsschulen - gestellt werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, wie die verschiedenen Akteure auf bestimmte Wissensdomänen zugreifen bzw. dies formulieren. 3.1 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (Referendarinnen und Referendare) 3.1.1 Anforderungen für den Vorbereitungsdienst: Wissen und Können nach der ersten Phase der Lehrerbildung Blickt man auf die Kompetenzen und Inhalte, die nach der universitären Ausbildung erworben sein sollen, so findet sich in der hessischen Verordnung eine Unterteilung entlang der auf die Grundwissenschaften, die Fachwissenschaften sowie die Fachdidaktik bezogenen Kompetenzen (§ 15 HL b- GDV Abs. 1 - 3 ). In Zusammenhang mit den hier skizzierten Forschungsfragen ist insbesondere interessant, was dort zu den fachdidaktischen Kompetenzen zu finden ist: Zentrale Kompetenzen in den Fachdidaktiken sind: 1. die Bildungsziele des Faches und der beteiligten Fächer begründen sowie ihre Legitimation und Entwicklung im gesellschaftlichen und historischen Kontext darstellen und reflektieren, 2. fachdidaktische Theorien und die fachdidaktische Forschung für Lehren und Lernen kennen und darstellen, 3. fachdidaktische Ansätze zur Konzeption von fachlichen Unterrichtsprozessen kennen, in exemplarische Unterrichtsentwürfe umsetzen und mit Methoden der empirischen Unterrichtsforschung auswerten und weiter entwickeln, 4. schulische und außerschulische fachbezogene Praxisfelder erfassen und kritisch analysieren, <?page no="203"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 203 5. die Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern theoretisch analysieren und empirisch beschreiben, 6. Grundlagen der fach- und anforderungsgerechten Leistungsbeurteilung und der Lernförderung darstellen und reflektieren, 7. fachspezifische Lernschwierigkeiten analysieren und exemplarisch erläutern sowie Förderungsmöglichkeiten einschätzen, 8. Konzepte der Medienpädagogik kennen sowie den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien, von Schulbüchern und anderen Medien in fachlichen Lehr- und Lernprozessen analysieren und begründen und 9. Persönlichkeits- und Rollentheorien kennen und für das spezifische Unterrichtshandeln als Fachlehrerin oder Fachlehrer weiterentwickeln. (§ 15 HL b GDV Abs. 3). Fachdidaktische Kompetenzen werden hier gelöst vom Fach betrachtet und allgemein formuliert. Kompetenzen, die v. a. im schulischen Kontext als „individuelles Potenzial dessen, was eine Person unter idealen Umständen zu leisten imstande ist“ (Groeben 2002 , S. 13 ) verstanden werden und sich „in konkreten Situationen als spezifisches Verhalten manifestiert“ (ebd.) werden durch Operatoren wie „kennen“, „beschreiben“, „darstellen“, „einschätzen“, „begründen“, „erläutern“, „reflektieren“ und „analysieren“ auf der einen Seite sowie „umsetzen“ und „weiter entwickeln“ auf der anderen Seite transportiert. Während erstere weitgehend das Reproduzieren und Reorganisieren von fachdidaktischen Inhalten umschreiben (wobei nicht ersichtlich ist, ob die unterschiedlichen Operatoren weitgehend synonym oder als Stufenfolge Verwendung finden), werden erst mit letzteren produktive Aspekte (bzw. anwendungsbezogene Situationen) berücksichtigt. Damit bleibt die Verbindung von Wissen und Können (vgl. Weinert 2001 ; Klieme 2004 ) als Baustein eines Kompetenzkonstrukts - nicht zuletzt geschuldet der fachunspezifischen Formulierung - außen vor. Länderübergreifend werden fachdidaktische Kompetenzen, die nach der universitären Phase erworben sein sollen, in den von der Ständigen Konferenz der Kultusminister ( KMK ) herausgegebenen Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung ( 2015 ) als fachspezifisches Kompetenzprofil für die neueren Fremdsprachen beschrieben (hier für die Sekundarstufe I): Die Absolventinnen und Absolventen … • besitzen die Fähigkeit zur Analyse und Didaktisierung von Texten, insbesondere von literarischen, Sach- und Gebrauchstexten sowie von diskontinuierlichen Texten, • können fachliche und fachdidaktische Fragestellungen und Forschungsergebnisse wissenschaftlich adäquat und reflektiert darstellen sowie die <?page no="204"?> 204 David Gerlach/ Ivo Steininger gesellschaftliche Bedeutung der Disziplin und des Fremdsprachenunterrichts in der Schule analytisch beschreiben, • kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen, • verfügen über ausbaufähiges Orientierungswissen und Reflexivität im Hinblick auf fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse auch unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit • verfügen über vertieftes Wissen zur Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kompetenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern • verfügen über erste reflektierte Erfahrungen in der kompetenzorientierten Planung und Durchführung von Unterricht in modernen Fremdsprachen und kennen Grundlagen der Leistungsdiagnose und -beurteilung im Fach (ebd., S. 39 ). Neben den angeführten Kompetenzbeschreibungen sind im Kompetenzprofil auch solche zu finden, die sich auf Sprachpraxis, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft beziehen und hier aufgrund des angelegten Fokus nicht berücksichtigt werden. Ergänzend findet man zum Kompetenzprofil entsprechend der Teilbereiche eine Auflistung der Studieninhalte (ebd., S. 40 f.). Im Kompetenzprofil steht der Anwendungsbezug stärker im Vordergrund, da in den Kompetenzbeschreibungen enthalten ist, dass domänen-spezifisches Wissen auf unterrichtliche Teilhandlung zu beziehen ist, indem bspw. Wissen - gekennzeichnet durch den Operator „kennen“ - auf die Nutzung im Unterricht bezogen wird. Nicht ersichtlich ist dabei allerdings, um welche „Ansätze“, „Fragestellungen und Forschungsergebnisse“ es sich dabei konkret handelt. Auch in Zusammenschau mit den eher abstrakt gehaltenen Studieninhalten bleibt dies unspezifisch. Geschuldet ist dieser Umstand nicht zuletzt der Absicht, professionsrelevante Fähigkeiten und Fertigkeiten als Könnens-Beschreibungen darzustellen und keinen Katalog von Inhalten vorzugeben. 3.1.2 Anforderungen für den Vorbereitungsdienst: Wissen und Können nach der zweiten Phase der Lehrerbildung Für die zweite Phase der Lehrerbildung sind die von der KMK vorgelegten Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften ( 2004 a) richtungsweisend; „sie beziehen sich auf Kompetenzen und somit auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügt“ (ebd., S. 4 ). Diese Anforderungen sind wiederum nicht <?page no="205"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 205 fachspezifisch realisiert. Im Bericht der Arbeitsgruppe zu den Standards für die Lehrerbildung wird dahingehend formuliert, dass eine „auf die einzelnen Fächer bzw. Lernbereiche bezogene Formulierung von konkreten fachdidaktischen Kompetenzen und Standards […] als Aufgabe für die Zukunft bestehen“ bleibt ( KMK 2004 b, S. 14 ). Zu finden sind in den Standards die vier Kompetenzbereiche „Unterrichten, Erziehen, Beurteilen, Innovieren“. Im Zusammenhang mit fachdidaktischen Kompetenzen ist dabei vor allem der Bereich „Unterrichten“ von Interesse. Als Anforderungen werden drei Kompetenzen beschrieben, die mit Deskriptoren in Standards für sowohl theoretische als auch praktische Ausbildungsabschnitte unterteilt werden: 1. Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch. (ebd., S. 7) 2. Lehrerinnen und Lehrer unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren Schülerinnen und Schüler und befähigen sie, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen. (ebd., S. 8) 3. Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten (ebd.). Im Gegensatz zu den zwei oben angeführten Dokumenten wird durch die Teilbereiche für die theoretischen und die praktischen Ausbildungsabschnitte die Dimensionierung der Kompetenzbereiche hinsichtlich der Verbindung von Wissen und Können stärker vorangetrieben. So findet sich bspw. für die erste Kompetenz in der Gliederung der dazugehörigen Teilkompetenzen folgende Formulierung, die auf das fachdidaktische Wissen zu beziehen ist: „Die Absolventinnen und Absolventen kennen allgemeine und fachbezogene Didaktiken und wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss“ (ebd., S. 7 ). Dem wird als Anwendungsbezug in Form der ausbildungsbezogenen Standards gegenübergestellt: „Die Absolventinnen und Absolventen verknüpfen fachwissenschaftliche und fachdidaktische Argumente und planen und gestalten Unterricht.“ (ebd.) Auch hier ist zu konstatieren, dass spezifisches Verhalten nur umrissen wird und - schon bedingt durch den fehlenden fachdidaktischen und eher allgemeindidaktisch gehaltenen Bezug - Situationen nicht konkret, sondern vielmehr allgemein gehalten formuliert werden. Durch die Gegenüberstellung theoretischer wie praktischer Anforderungen ist allerdings bereits die Möglichkeit angelegt, die abstrakteren Formulierungen der Standards zu nutzen, um Indikatoren zu beschreiben, die die Kompetenzbeschreibungen dann konkretisieren und somit auch der Beurteilung und Diagnose dienen können. <?page no="206"?> 206 David Gerlach/ Ivo Steininger Ein weiteres Dokument, in dem Anforderungen an angehende Lehrkräfte beschrieben werden, ist das vom Europarat ( 2007 ) herausgegebene Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung ( EPOSA / EPOSTL ). Anders als in den Standards für die Lehrerbildung werden hier explizit Sprachlehrkompetenzen formuliert. Dabei handelt es sich zwar nicht um explizit fremdsprachliche fachdidaktische Kompetenzen, die im Dokument angelegte Dimensionierung aus Kompetenzbereichen, Teilkompetenzen und zugehörigen Deskriptoren kommt dem Desiderat einer fachdidaktischen Dimensionierung - so wie sie im Bericht der Arbeitsgruppe zu den Standards in der Lehrerbildung gefordert wird - am nächsten. Das Dokument fokussiert explizit auf (Fremd-)Sprachenlehrende, dient aber mit seinen sieben Kompetenzbereichen „Kontext, Methodik, Ressourcen, Unterrichtsplanung, Durchführen einer Unterrichtsstunde, Selbstständiges Lernen, Beurteilung des Lernens“ vornehmlich der reflexiven Funktion des self-assessment . Eingesetzt werden soll es ausbildungsbegleitend, wobei damit sowohl die universitäre als auch die zweite Phase gemeint ist - sofern es diese Unterscheidung denn in den jeweiligen europäischen Ländern gibt. Die Dimensionierung der Anforderungen werden als Bereiche beschrieben, „in denen von Lehrenden Wissen und eine Vielzahl an Kompetenzen in Bezug auf den Unterricht gefordert werden und in denen sie entsprechende Entscheidungen treffen müssen“ (ebd., S. 6 ). Die Deskriptoren sollen in ihrer reflexiven Funktion „eine systematische Herangehensweise an die Beurteilung“ von Kompetenzen bieten und „Lehramtsstudierenden sowie AusbilderInnen und MentorInnen als Anregung“ für Reflexion und Lerngelegenheiten dienen (ebd., 7 ). Resümierend bleibt festzuhalten, dass Anforderungen an Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst bislang wenig konzeptualisiert sind. Zwar lässt sich entlang der (föderalen) Gesetzes- und Verordnungslage sowie den nationalen Richtlinien zu Anforderungen für die erste Phase skizzieren, welches Wissen und Können als outcome erwartet wird und wie diese Beschreibungen auf die Teilbereiche der Domäne Fremdsprachendidaktik zu beziehen sind, allerdings wird dies durch sehr allgemein gehaltene Formulierungen realisiert. Bei den Dokumenten, die auf die zweite Phase der Lehrerbildung fokussieren, gilt, dass in den Standards für die Lehrerbildung fachdidaktische Kompetenzen als Leerstelle zurückbleiben. Die in EPOSA angelegte Dimensionierung kann in diesem Lichte als vielversprechender Ausgangspunkt gesehen werden, diese Leerstellen zu füllen, indem sie als Referenzen bzw. potentielle Kategorien für empirische Arbeiten dienen können. Auf diesen Aspekt soll in Abschnitt 4 . 1 genauer eingegangen werden. <?page no="207"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 207 3.2 Lehrende und Mentorinnen/ Mentoren im Vorbereitungsdienst Die ländergemeinschaftlichen Anforderungen der KMK für die 2 . Phase sehen im Rahmen der Ausbildung bestimmtes Personal vor: Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst findet in der Verantwortung von Ausbildern mit besonderer wissenschaftlicher und schulpraktischer Expertise statt. Die Ausbildung an der Schule wird durch geeignete Lehrkräfte unterstützt ( KMK 2004a, S. 4). Neben der Tatsache, dass der Vorbereitungsdienst an sich zu einem wenig beforschten Bereich der Lehrerbildung gehört, ist auch den im Referendariat Lehrenden bislang nur knapp Beachtung geschenkt worden. Dabei ist anzunehmen, dass sowohl die Ausbilderinnen und Ausbilder als auch die Mentorinnen und Mentoren der angehenden Lehrkräfte einen bedeutenden Einfluss auf die LiV und ihren Kompetenzerwerb in der intensiven Lern- und Arbeitszeit des Referendariats haben dürften. Beide Gruppen von Lehrenden betreuen die LiV in der Regel über ihren gesamten Vorbereitungsdienst hinweg (insbesondere die fachspezifischen Ausbildungskräfte), wodurch ein intensives, möglicherweise auch abhängiges Verhältnis entsteht, welches innerhalb der Schule und der LiV- Mentoren-Betreuung lockerer, auch nicht formal institutionalisiert ist. Innerhalb des Forschungsprojekts zu Rolle und Identität von Ausbildungskräften und Mentorinnen/ Mentoren in der 2. Phase der Fremdsprachenlehrerbildung (Arbeitstitel; David Gerlach) wird untersucht, wie diese zu Lehrenden im Vorbereitungsdienst wurden und welche mittels der Dokumentarischen Methode herausgearbeiteten Orientierungsrahmen sich bezogen auf ihre Tätigkeit z. B. durch (berufs-)biographische oder ausbildungsbezogene Erzählungen erkennen lassen. Im Folgenden sollen sowohl anhand bestehender Forschung zu den Ausbildungskräften und Mentoren als auch anhand bereits vorliegender Vignetten aus dem Projekt Aspekte von Rolle und Identität der Lehrenden gezeigt werden, um sie auch forschungsmethodologisch charakterisieren zu können und greifbar zu machen. 3.2.1 Ausbilderinnen und Ausbilder In den meisten Vorbereitungsdiensten übernehmen Ausbilderinnen und Ausbilder die strukturierte Lehre im Rahmen von modularisierten Halbjahren oder Semestern. Dabei können die Ausbildungskräfte in allgemein-pädagogischen Modulen wie etwa im hessischen „ DFB - Diagnostizieren, Fördern, Beraten “ tätig sein oder in den fachspezifischen Modulen, in denen sie dann teilweise auch Fachleiterinnen/ Fachleiter genannt werden. In der Regel sind Ausbilderinnen und Ausbilder mit einer geringen Stundenzahl weiterhin als Lehrkräfte an ihren Stammschulen tätig oder als nicht-hauptamtliche Ausbilderinnen und Ausbilder (Ausbildungsbeauftragte) mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit oder bedarfweise <?page no="208"?> 208 David Gerlach/ Ivo Steininger abgeordnet an das Studienseminar. Der Kontext, in dem Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst arbeiten, ist damit bereits strukturell komplex angelegt und in hohem Maße von länderspezifischen Rahmenbedingungen bestimmt (Walke 2004 ). Krüger ( 2014 ) hat im Zusammenhang des Vorbereitungsdienstes für Lehrkräfte an beruflichen Schulen Ausbilderinnen und Ausbilder untersucht, wie diese zu Lehrerbildnern geworden sind und wie sie ihre Ausbildungstätigkeit gestalten. Dabei offenbarte sich unter anderem, dass sich zahlreiche Ausbildungskräfte zu Beginn ihrer Tätigkeit nicht auf diese vorbereitet fühlten, was auch schon von anderen kritisch betrachtet wurde (z. B. Lenhard 2004 , Walke 2004 ). Dies mag allerdings auf bestimmte Spezifika in unterschiedlichen Vorbereitungsdiensten zurückzuführen sein, denn in den bereits geführten episodisch-narrativen Interviews zeigt sich diese Unsicherheit nicht in einer solchen Deutlichkeit. Präsent ist hingegen eine starke berufsbiographische Orientierung und gewisse Vorprägung, die einen Einfluss auf die spätere Ausbildungstätigkeit nimmt. Vignette 1 (Datenmaterial Gerlach: Interview Ausbildungskraft 7, 00: 05-00: 36) Interviewer: Ähm können Sie erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie jetzt angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? […] Ausbildungskraft: Mhm (bejahend). Ähm ja, also angefangen mit meiner eigenen Ausbildung. Ähm ich hatte einen/ einen/ einen richtig tollen Französischausbilder. Also ich habe bei dem ganz viel gelernt. Und ähm bin dann in die Schule gekommen, habe ähm nach kurzer Zeit schon Mentorenschaft übernommen. Und ähm habe gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß macht, ähm ja, nach so zehn bis fünfzehn Jahren Unterrichtserfahrung etwas ähm Men/ Mentorin zu sein. Obwohl gewisse Vorprägungen beispielsweise durch eigene Mentorentätigkeiten erkennbar sind, besteht dennoch eine hohe Heterogenität der Berufsbiographien sowie der teils extern bestimmten Intensität der Lehrtätigkeit, auch den fachlich-inhaltlichen Schwerpunkten, die die Ausbilderinnnen und Ausbilder wählen (müssen). Hierdurch wird die empirische Greifbarkeit, klare Abgrenzung sowie Definition der Berufsgruppe deutlich erschwert (vgl. auch Felbrich et al. 2008 ). Gleichzeitig ist die Professionalität und Identität von Lehrerbildnern von wachsendem Interesse, wie Izadinia ( 2014 ) anhand einer Zusammenfassung von 52 allein in den letzten zehn Jahren erschienenen Publikationen diskutiert. Obwohl die zugrunde gelegten Ergebnisse sich auf verschiedene teacher educators beziehen, bestätigen sie die teils mangelhafte Einführung der Berufsgruppe als „Lehrkräfte von Lehrkräften“, betonen gleichzeitig aber auch die Chance, diese Krise durch geeignete Reflexionsübungen bzw. einen angeleiteten Austausch mit anderen Lehrerbildnern zu überwinden (Izadinia 2014 ). <?page no="209"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 209 Krisenhaft belegt ist im hessischen Vorbereitungsdienst für Ausbilderinnen und Ausbilder auch die antinomische Struktur des gleichzeitigen Beratens und Bewertens der LiV. Lenhard ( 2004 ) hat diese Struktur zwar als „reflexiv einholbar“ charakterisiert, allerdings bleibt unklar, inwiefern die Ausbildungskräfte dieses Rollenverhalten und insbesondere das Wechseln der verschiedenen Rollen produktiv nutzen können. Inwiefern Ausbildungskräfte bestimmte Strukturen beachten bzw. welche ausbildungsdidaktischen Schwerpunkte sie auf Basis epistemologischer Überzeugungen setzen, haben Felbrich et al. ( 2008 ) im Vergleich von in Hochschulen tätigen Lehrerbildnern und Ausbilderinnen und Ausbildern im Vorbereitungdienst für angehende Mathematiklehrkräfte untersucht. Hier zeigte sich interessanterweise, dass sich bestimmte beliefs der beiden Berufsgruppen verglichen mit den (angehenden) Lehrkräften zum Ende des Vorbereitungsdienstes ähnelten, sodass man der Ausbildungstätigkeit (zumindest) hinsichtlich der Entwicklung von epistemologischen Überzeugen eine gewisse Wirkung zusprechen kann (Felbrich et al. 2008 ). Die Prägung und Einfärbung der Ausbildungsarbeit durch beliefs (Übersicht in Blömeke 2004 ) spielt damit offensichtlich eine ebenso bedeutende Rolle wie eigene beliefs der LiV (und späteren Lehrkräfte) in ihrer Unterrichtstätigkeit (z. B. für die 2 . Phase: Rossa 2016 ). Aus der Perspektive der Fremdsprachenforschung interessant ist dabei die Bedeutung fachdidaktischer Inhalte im Rahmen der zweiten Phase: Vignette 2 (Datenmaterial Gerlach: Interview Ausbildungskraft 12, 15: 26-16: 55) Interviewer: Würden Sie sagen, Sie bilden mehr allgemeinpädagogisch als fachdidaktisch aus? Ausbildungskraft: Manchmal habe ich den Eindruck ja. Aber ich finde das anmaßend. Denn ich bin ja eigentlich in der Fachdidaktik derjenige/ oder ich bin ja eigentlich als fachdidaktischer Ausbilder bestellt - und die Expertise im allgemeinpädagogischen Bereich liegt ja eigentlich bei den genuinen DFB , ähm LLG , BRB -Menschen [d. h. Ausbildende in allgemeinpädagogischen Modulen, D. G.]. … Ich sehe manchmal die Trennung als schwierig. Weiß nicht, ob es tatsächlich - wirklich trennbar ist. … Ich versuch/ habe jetzt gerade natürlich Bilder vor Augen. Bilder von Referendaren, die - im pädagogischen Bereich, im empathischen Bereich unheimlich gut sind. Wo man sagen kann, vielleicht im fachlichen Bereich, … hapert ein bisschen, ist nicht so/ also nicht die Speerspitze der Innovation. Aber sind gute Lehrer. Können sehr gut mit Menschen umgehen. Da geht es natürlich eher in eine fachdidaktische Diskussion. In/ bei Referendaren, die/ die eher ähm fachlich top/ gibt es ja auch, fachlich top, aber halt wenig Kontakt zur Lerngruppe, wenig Bezug eigentlich auch nicht/ man/ man sieht auch, also sie sehen auch nicht, was ein/ was so in der Klasse passiert (..). Die Ausbildungskraft beschreibt damit ein Dilemma, dem sie sich konfrontiert sieht, zum einen eher fachdidaktisch ausbilden zu sollen, allerdings auch auf- <?page no="210"?> 210 David Gerlach/ Ivo Steininger grund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale der LiV eher allgemeinpädagogische Förderung leisten zu müssen. Dies spiegelt sich in anderen Interviews ähnlich wider und zeigt sich primär in frühen fremdsprachendidaktischen Ausbildungskontexten wie ersten Unterrichtsnachbesprechungen, in denen die Reflexion allgemeinpädagogischen Handelns einen größeren Stellenwert einnimmt als fremdsprachendidaktische Prinzipien, die sich tendenziell stärker in späteren Reflexionsgesprächen wiederfinden. Die Frage ist bei einem solch großen Stellenwert allgemeiner Didaktik und Pädagogik im Vorbereitungsdienst, inwiefern die LiV fachdidaktisches Wissen aufbauen und fachdidaktische Kompetenzen entwickeln bzw. welche Ressourcen sie nutzen, um diese Wissensdomänen auszufüllen, wenn „[zu] den Urerfahrungen von Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern gehört, dass Teilnehmer nachher oft nicht tun, was sie - offenbar nur träge, aber eben nicht handlungssteuernd - wissen“ (Neuweg 2010 , S. 36 ). Welchen Einfluss nehmen dann in dieser Hinsicht die Ausbilderinnen und Ausbilder im Vorbereitungsdienst bezogen auf Kompetenzentwicklung und Professionalisierung der ihnen anvertrauten LiV tatsächlich ein und welchen Anteil an der Ausbildung hat dann auch noch die zweite Gruppe der Lehrenden im Vorbereitungsdienst, die Mentorinnen und Mentoren? 3.2.2 Mentorinnen und Mentoren Während es in einigen Bundesländern eine klare Unterteilung gibt in Seminarausbilder/ innen an Studienseminaren und Ausbildungslehrer/ innen an den Schulen, wird diese Unterscheidung in vielen Ländern wiederum nicht getroffen. Insbesondere der Ausbildungsanteil an der Schule ist selten formal geregelt, gleichwohl die Übernahme eines Mentorats in der Regel erwartet wird (Walke 2007 ). In Hessen ist die Betreuung von LiV als Mentorinnen und Mentoren eine der Dienstpflichten für hessische Lehrkräfte (neben z. B. dem Unterrichten, der Teilnahme an Schulentwicklung und Fortbildung, der Gebundenheit an Weisungen der Vorgesetzten sowie der Einhaltung eines pünktlichen Unterrichtsbeginns und -endes; § 4 Lehrerdienstordnung LDO ). Laut Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes ( HL b GDV ) und „[auf] Vorschlag der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst bestimmt die Leitung der Ausbildungsschule im Benehmen mit der Leiterin oder dem Leiter des Studienseminars für die jeweiligen Unterrichtsfächer oder Fachrichtungen eine anleitende Lehrkraft als Mentorin oder Mentor“ (§ 11 HL b GDV Abs. 1 ). Diese formale Regelung über mehrere Ebenen wird jedoch auf Schulebene (auch aus pragmatischen Gründen) scheinbar nur selten durchgeführt: Vignette 3 (Datenmaterial Gerlach: Interview Mentor 7, 00: 04-00: 26) Interviewer: Schildern Sie mir, wie es dazu gekommen ist, dass Sie ein Mentorat übernehmen. <?page no="211"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 211 Mentor: Ähm. Oh, das ist schnell gesagt. Weil es nicht/ es stellen sich nicht viele Kollegen zur Verfügung und irgendwer muss es machen und - ich habe immer … die Möglichkeit/ also meine Tür ist immer offen. Es kann jeder gucken. Können auch Referendare kommen. Es zeigt sich wie bei den Ausbildungskräften nicht selten eine mangelhafte Begleitung und Einführung in ihre Aufgaben auch bei den Mentorinnen und Mentoren, deren Rolle im Gegensatz zu den Ausbildungskräften trotz schulrechtlicher Grundlage kaum innerhalb der Schulen institutionalisiert erscheint. Es wird gleichsam vorausgesetzt, dass Lehrkräfte an Schulen jederzeit ansprechbar sind, Hospitationen im Unterricht erlauben und dann auf Anfrage die zeitintensive, beratende Funktion in Form eines Mentoring übernehmen, für die sie in der Regel weder eine Entlastung noch eine strukturierte Einführung oder Fortbildung im Kontext von Supervision in Erwachsenenbildung oder kollegialer Beratung erhalten. Der Mentor aus obiger Vignette offenbart sowohl seine nicht institutionalisierte Wahl durch eine LiV anhand vorheriger Hospitationen, gleichzeitig aber auch der systemimmanente Zwang, dass „irgendwer es machen muss“. Gleichzeitig kommt er unmittelbar danach in einen gewissen Rechtfertigungszwang: Vignette 4 (Datenmaterial Gerlach: Interview Mentor 7, 00: 27-00: 41) Mentor: (…) Und, ähm, ich habe auch immer das Gefühl, ich lerne ganz viel selber dabei. Die Referendare sind ja immer ganz dicht dran an allem, was neu ist. Die/ die wühlen sich immer so richtig in den Stoff. Großartig! Interviewer: Mhm (bejahend). Mentor: (lachend) Dann ziehe ich da einfach ganz viel und klaue ganz viel. Das Potential der persönlichen Weiterentwicklung, sich durch die Mentorentätigkeit zu professionalisieren, wird sowohl von zahlreichen Interviewpartnern als auch durch die Literatur trotz systembedingter Einschränkungen als ein motivationaler Faktor bestätigt (z. B. da Rocha 2014 , Malderez 2009 ). Huling und Resta ( 2001 ) vermuten sogar in der Summe einen höheren Effekt der Mentorentätigkeit für den Mentor im Vergleich zum Effekt beim Mentee. In welchen Domänen z. B. professionellen Wissens und Handels sich diese Mentorentätigkeit niederschlägt, kann dabei allerdings nur schwer erhoben werden, zumal sich die Unterstützungsmaßnahmen auf Basis einer überblicksartigen Sichtung der Mentorenerzählungen auf strukturelle Anforderungen des Vorbereitungsdienstes (wie z. B. Unterstützung bei der Ausarbeitung von Unterrichtsentwürfen) und allgemein-pädagogische Aspekte wie der Umgang mit Unterrichtsstörungen beschränken. Dies konnten auch Richter et al. ( 2011 ) in einem Vergleich der sozialen Unterstützung von LiV durch Mitreferendare und <?page no="212"?> 212 David Gerlach/ Ivo Steininger Mentoren bestätigen: So tragen Mentoren „besonders zur Entwicklung unterrichtsnaher Fertigkeiten, zum Beispiel im Bereich Klassenführung und Leistungsbeurteilung“ bei, Mitreferendare eher zu Aspekten wie „tägliche Arbeitsorganisation, das Zeitmanagement sowie die Bewältigung von Belastung und Stress“ (ebd., S. 52 ). Inwiefern konkret fachdidaktisches Wissen in der Mentorentätigkeit eine Rolle spielt und entwickelt werden kann, muss im Forschungsprojekt noch tiefergehend im Zuge der Herausarbeitung der Orientierungsrahmen analysiert werden. Brisanter scheint auf den ersten Blick allerdings weiterhin die allgemeine Situation der Mentorinnen und Mentoren aufgrund der Rahmenbedingungen und unzureichender Qualifizierungsmaßnahmen zu sein. 4 Prozesse und Themen Neben dem beteiligten Personal sind der zweiten Phase Prozesse und Themen genuin, die aufgrund der spezifischen Strukturierung und der sichtbaren wie verdeckten Ambivalenzen der Handelnden als charakteristisch für den Vorbereitungsdienst zu werten sein dürften. Diese Prozesse und Themen sollen nachfolgend analog zum vorherigen Abschnitt durch vorliegende einschlägige (meist allgemein-/ schulpädagogische) Forschung sowie erste Erkenntnisse und vorliegende Vignetten aus den Forschungsprojekten zur zweiten Phase der Fremdsprachenlehrerbildung diskutiert werden. 4.1 Prozesse und Kompetenzentwicklung Wie sich Kompetenzen im Sinne von Wissen und Können im Laufe der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden verändern bzw. entwickeln, ist bislang als black box zu werten. Dies gilt insbesondere für die in Abschnitt 3 . 1 angesprochenen spezifisch fachdidaktischen Kompetenzen. Um diese black box zu erhellen, sind Fragen danach, wie sich domänenbezogenes Wissen und Können operationalisieren und empirisch diagnostizieren lässt, Gegenstand unterschiedlicher quantitativ ausgerichteter Forschungsprojekte, von denen zwei bereits in der Einführung Erwähnung fanden. Dazu zählt das Projekt TEDS - LT (Blömeke et al. 2013 ), in dem professionelle Kompetenzen angehender Lehrkräfte mit den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch diagnostiziert werden. In der Studie wird fachliches, fachdidaktisches und pädagogisches Wissen von Lehramtsstudierenden während ihrer universitären Ausbildung und im darauf folgenden Vorbereitungsdienst getestet. In der Studie Professionelle Kompetenz von angehenden Englischlehrkräften ( PKE ) aus Köln (z. B. Roters et al. 2013 ) werden vermittels Items verschiedene Wissensdomänen angehender Englischlehrender getestet, die auf die Studien- <?page no="213"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 213 inhalte des Faches bezogen werden können und darüber hinaus auch Aspekte des pädagogischen Wissens umfassen. Die COACTIV -R-Studie untersucht professionelle Kompetenzen von angehenden Mathematiklehrkräften. Zurückgegriffen wird dabei auf Ergebnisse der COACTIV -Hauptstudie (z. B. Kunter et al. 2011 ), die anzeigen, dass die Kompetenzen von Mathematiklehrkräften der Sekundarstufe I unterschiedlich ausgeprägt sind. Untersucht wird in CO- ACTIV -R, wie sich Kompetenzen über den Verlauf der Ausbildungsphase verändern. Gemein ist den angeführten Forschungsprojekten, dass insbesondere fachliches und pädagogisches bzw. fachdidaktisches Wissen im Vordergrund steht. Anders nähert sich das hier vorgestellte Forschungsvorhaben Entwicklung von fachdidaktischen Kompetenzen in der 2. Phase der Fremdsprachenlehrerbildung (Arbeitstitel; Ivo Steininger) der Kompetenzentwicklung angehender Englischlehrender. 5 Untersucht wird eine Gruppe hessischer LiV (Fälle), die über den gesamten Zeitraum der zweiten Phase der Lehrerausbildung begleitet werden. Als Datensätze dienen Interviews, die an unterschiedlichen Zeitpunkten der Ausbildung geführt werden (Beginn, Mitte, Ende), die schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen sowie Aufnahmen der Reflexionsgespräche. Gefragt wird danach, wie sich Kompetenzentwicklung über den Zeitraum der Ausbildung in einem qualitativen Forschungsdesign analysieren, interpretieren und darstellen lässt. Um Prozesse der Kompetenzentwicklung nachzuzeichnen, soll hier beispielhaft auf einen Fall eingegangen werden. Es handelt sich um eine männliche LiV mit den Fächern Englisch und Geographie (Lehramt Haupt- und Realschule), die im November 2014 ihren Vorbereitungsdienst angetreten hat. Mit dem Ziel, Informationen zum Ausbildungsstand der LiV nach der universitären Phase zu elizitieren, wurde die LiV im ersten Interview zu Beginn des Vorbereitungsdienstes gebeten, über den bisherigen Verlauf der eigenen Ausbildung zu berichten. Dabei erzählt die LiV zunächst vom eigenen Interesse für Englisch, das sich während der Schulzeit entwickelt hat: Vignette 5 (Datenmaterial Steininger: Interview T1 LiV3, 2: 51-4: 04) LiV3: Oder im - sportlichen Bereich, durch die Betreuung von Fußballmannschaften, ähm dementsprechend war der Umgang mit Kindern eigentlich schon immer (betont) da. Ähm und für Englisch habe ich mich aufgrund des wachsenden Interesses dann im Laufe der gymnasialen Oberstufe entschieden und Geographie, was mein zweites Fach ist, äh - das war schon immer eine Passion für mich. Und ja - dann hat das Lehramtsstudium (betont) begonnen. Und … ich hab, bezogen auf Englisch, die Zeit sehr genossen, hab auch viel gelernt. Ähm - aber … So rückblickend muss ich sagen - 5 Für eine ausführlichere Darstellung zu Fragestellung, Forschungsdesign sowie Datenanalyse und -interpretation siehe Steininger/ Gerlach (im Druck). <?page no="214"?> 214 David Gerlach/ Ivo Steininger wurde ich in Geographie besser auf die Arbeit in der Schule vorbereitet als in Englisch. Das ist jetzt so, was ich - zusammenfassend sagen kann. Und das hat sich auch jetzt in den ersten Monaten des Referendariats bestätigt. Also, dass man da in Geographie mit einem ganz anderen … Selbstbewusstsein eigentlich auftritt als das in Englisch ist. Beginnend schon mit der Planung von Unterricht - was nämlich an der Uni so gut wie überhaupt nichtbearbeitet wurde. Da wurde man (betont) fachwissenschaftlich wirklich sehr gut ausgebildet … aber fachdidaktisch ähm ist da doch durchaus noch Luft nach oben. Das ist so meine persönliche Empfindung, mag auch mit der - Wahl der einzelnen Veranstaltungen zusammenliegen. Aber - ja … soweit erstmal. Blickt man auf die Äußerung von LiV 3 , so fällt nach einer Begründung für die Berufswahl im Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse sowohl an der pädagogischen Arbeit als auch am Fach auf, dass direkt die Vorbereitung auf die schulische Praxis thematisiert wird. Die LiV spricht davon, sich im Fach Geographie durch die Inhalte des Studiums darauf besser vorbereitet zu fühlen als im Fach Englisch. Als Beispiel dafür wird die Planung von Unterricht angeführt. Die LiV spricht davon, sich fachwissenschaftlich gut ausgebildet zu fühlen, identifiziert aber fachdidaktische Kompetenzen im Fach Englisch als entwicklungsbedürftig. Bezieht man diese Aussage auf die in Abschnitt 3 . 1 untersuchten Anforderungen an die angehenden Englischlehrkräfte, dann fällt auf, dass der LiV zwar der Bereich des erworbenen fachlichen und fachdidaktischen Wissens bewusst ist, der Stellenwert aber in der Aussage nicht den gleichen Raum einnimmt, wie es in den Dokumenten der Fall ist. Für die LiV ist berichtenswert, dass sie sich hinsichtlich des Anwendungsbezugs unzureichend vorbereitet fühlt, wobei der Unterschied zum zweiten Fach herausgestellt wird. Auf Nachfrage, wie sich denn die im Fach Englisch als sehr gut empfundene fachwissenschaftliche Ausbildung konkret an einem Beispiel veranschaulichen lässt, geht die LiV im Verlauf des Interviews zunächst auf Aspekte der Sprachlerntheorie und Psycholinguistik ein, um dann darauf zu antworten, in welchen Bereich sie sich anwendungsorientiert im Sinne der Unterrichtsplanung sicher fühle: Vignette 6 (Datenmaterial Steininger: Interview T1 LiV3, 17: 34-18: 27) LiV3: Mhm. Also - ich hab mich in der Schule schon und im Studium schon immer unheimlich (schmunzelt) für Grammatik interessiert. Was eigentlich, ja, ne (betont) Rarität war. Weil viele können damit überhaupt nicht (lächelnd), aber gerade in den Seminaren an der Uni, ähm … da hab ich (lächelnd) unheimliche Freude dran gehabt. An Grammatik. Ja - wird zwar - mittlerweile auch ein bisschen kritisch gesehen - also Grammatik und Englischunterricht ähm focus on forms, focus on (betont) form, die Diskussion. Aber ich bin nach wie vor - Also ich mach nach wie vor auch im Unterricht Grammatik gerne … Und da fühl ich mich auch durchaus kompetent. <?page no="215"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 215 Hier spricht die LiV von eigenen Lehrvoraussetzungen, stellt den Teilbereich der Grammatik heraus und kommt dabei beiläufig auf damit einhergehende Aspekte der Sprachdidaktik zu sprechen ( focus on forms vs. focus on form ). Das hier angesprochene Wissen nutzt die LiV dann auch in einem auf das Interview folgenden Unterrichtsbesuch (zwischen Interview und Unterrichtsbesuch vergingen ca. 2 Monate). Im Datensatz der schriftlichen Vorbereitung formuliert die LiV als zentrales Anliegen der Stunde Folgendes: Vignette 7 (Datenmaterial Steininger: Unterrichtsvorbereitung LiV3, 2015b, S. 2) Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Kommunikative Kompetenz, indem sie häufig verwendete grammatische Strukturen in authentischen und simulierten Kommunikationssituationen intentions- und situationsangemessen anwenden und festigen (conditional I). Im Sinne von Kompetenzen als Verbindung von Wissen und Können sind diese Vignetten aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen zeigen sie, wie sich diese Aspekte in den Datensätzen der Studie niederschlagen, indem nämlich im Studium erworbenes Wissen für die Unterrichtsplanung genutzt wird. Zum anderen deuten sie an, wie bspw. die in 3 . 1 . 2 thematisierten ausbildungsbezogenen Standards (KMK 2004 b) in einer qualitativen Studie durch Äußerungen und Produkte der Studienteilnehmenden konkretisiert werden können. Hinsichtlich der Kompetenzentwicklung ist zu sagen, dass im Verlauf des Vorbereitungsdienstes durch die Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht im Studium erworbenes Wissen und angelegtes Können vertieft und entfaltet wird und den LiV durch die vertiefte Auseinandersetzung bewusst wird, was sie an Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten aus der universitären Phase mitbringen. LiV 3 führt nach einem halben Jahr im Vorbereitungsdienst in einem Folgeinterview gefragt nach Veränderungen und Entwicklungen an: Vignette 8 (Datenmaterial Steininger: Interview T2 LiV3, 00: 37-01: 08) LiV 3 : Wenn man von einer Routine sprechen darf überhaupt … dann würde ich sagen, dass man … ja - bei der Planung der einzelnen Stunden oder auch Einheiten bisschen sicherer vorgeht, als vielleicht direkt am Anfang, als man dann (betont) eigenverantwortlich unterrichtet hat - da hat man dann wirklich - ja schon - unabhängig jetzt vom Unterrichtsinhalt auch so was das Auftreten vor der Klasse betrifft, immer so ein bisschen … ja - war man etwas nervös. Dahingehend hat sich da ne Routine, ähm, eingestellt. Die LiV kommt auf die Planung der Stunden und Einheiten zu sprechen, hebt aber besonders hervor, dass sich „Routine“ hinsichtlich des Auftretens vor der Klasse entwickelt habe. Hier wird ein Aspekt des Rollenverständnisses bzw. der Gestaltung der eigenen Rolle als Lehrender berührt, der in dieser Form nicht in <?page no="216"?> 216 David Gerlach/ Ivo Steininger den Ländergemeinsamen Anforderungen an angehende Lehrkräfte zur Sprache kommen. Nur in der Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes ( HL b GDV ) findet sich zur Ausgestaltung der Rolle eine Vorgabe (vgl. 3 . 1 . 1 ). Hiermit ist ein Problembereich berührt, der oft als ‚Praxisschock‘ der angehenden Lehrkräfte umschrieben wird - neben die fachdidaktischen Herausforderungen der Unterrichtsgestaltung treten solche, die Aspekte des classroom management und der Rollengestaltung in Unterricht und Institution Schule betreffen. Eine weitere LiV (Lehramt für Grundschule, weiblich) äußert sich im zweiten Interview zu Veränderungen wie folgt: Vignette 9 (Datenmaterial Steininger: Interview T2 LiV6, 02: 35-03: 50) LiV6: Mhm. Also konkret bezogen auf Englisch würde ich sagen, es hat sich auf jeden Fall verändert, dass ich mich jetzt in der Planung von Unterrichtseinheiten und Unterrichtsstunden wesentlich sicherer fühle, wie ich das Ganze angehe. Also, dass ich eine Struktur habe, an die ich mich halte. Dass mir jetzt auch das Lernprozessmodell, was immer wieder bei uns in den Englischseminaren einen sehr - starken Fokus hat, dass mir das jetzt auch wirklich hilft. Und auch bei der Unterrichtsplanung hilfreich ist. Und auch es mir leichter fällt, Lernziele klar zu definieren und zu wissen, worauf kommt es sprachlich an. Am Anfang hatte ich den Eindruck - Man hat sich mehr methodisch verzettelt, weil man so viele Ideen, und irgendwie äh warm-ups und Spielchen, was weiß ich was, im Hinterkopf hatte, die man irgendwann mal kennengelernt hat, in der Uni oder in Praktika, und jetzt fällt es mir wesentlich leichter das - gezielt runterzubrechen auf das, worauf es sprachlich ankommt und was dienlich ist für meine Einheit und für das letztendliche Ziel, auf das ich mit den Schülern hinarbeite. Kompetenzentwicklung wird hier ganz deutlich benannt, indem die LiV zum einen auf Inhalte des Seminars (Unterrichtsplanung mit dem Lernprozessmodell) und zum anderen auf die Formulierung von Lernzielen sowie methodische Entscheidungen zur Förderung dieser Ziele zu sprechen kommt. Anders als in der oben gezeigten Vignette werden hier auch fachdidaktische Aspekte zur Sprache gebracht, erwähnt LiV 6 neben sprachlichen Zielen auch Aspekte der didaktischen Reduktion sowie das vom outcome ausgehende backward planning . Mit Blick auf beide Vignetten lässt sich Kompetenzentwicklung zunächst deskriptiv zugänglich machen, nutzt man als Kategorien Teilbereiche, die in der Dimensionierung fachdidaktischer Kompetenzen in EPOSA zu finden sind (vgl. 3 . 1 . 2 ). Während im ersten Fall „Klassenführung“ als Teilaspekt des Bereichs „Durchführen einer Unterrichtsstunde“ (Europarat 2007 , S. 6 ) mit der Ausbil- 6 Die Überzeugung der Praxisferne universitärer Lehrerbildung wird in nahezu allen einschlägigen Studien und Beiträgen zur Lehrerbildung der letzten Jahre angeführt (z. B. u. a. in Felbrich et al. 2008 , Schubart et al. 2007 , Abs/ Anderson-Parks 2014 ). <?page no="217"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 217 dung von Routinen im Vordergrund steht, zeigt sich die Äußerung von LiV 6 deutlich komplexer. Hier sind es gleich mehrere Bereiche und deren Teilaspekte, die angesprochen werden: Der „Kontext“ (als Arbeit mit dem Lernprozessmodell, Formulierung von Lernzielen), die „Unterrichtsplanung“ (didaktische Reduktion des Inhalts, Strukturierung/ Phasierung) sowie die darauf abgestimmte „Methodik“ (ebd.). 4.2 Themen und Problemfelder Sowohl von Seiten der Ausbildungskräfte und Mentoren als auch der angehenden Lehrkräfte tauchen in beiden Forschungsprojekten wiederholt und gegenseitig überschneidend vier Aspekte, Themen und Problemfelder auf, die als charakteristisch für die zweite Phase der Fremdsprachenlehrerbildung gesehen werden dürften. 4.2.1 Die Rolle der 1 . Phase der Fremdsprachenlehrerbildung Der zu Beginn des Vorbereitungsdienstes auftretende und oben schon angesprochene Praxisschock in fast logischer Folge der praxisferneren universitären Ausbildung wird in unseren Forschungsprojekten von allen beteiligten Personen im Vorbereitungsdienst angesprochen. Gefragt nach dem, was man an der Universität lernen kann, was durch die Ausbildungskräfte am Studienseminar und die Mentoren und Mentorinnen an den Schulen zu lernen ist, antwortet LiV 2 im Interview wie folgt: Vignette 10 (Datenmaterial Steininger; Interview T2 LiV2, 06: 20-08: 07) Interviewer: Was können Sie - was kann man denn von Mentoren an der Schule lernen - also bezogen auf den Englischunterricht, gell - was lernt man aus dem - was lernt man am Studienseminar über den Englischunterricht und was bringt man aus der Universität mit? Und wie unterscheiden sich diese, wenn sie sich unterscheiden. - Verstehen Sie, was ich fragen will? LiV2: (bestätigend) Mhm. Also - bei mir persönlich ist das so, dass ich aus der Uni äh nicht ganz so viel mitgenommen habe, wobei Englisch jetzt noch besser war als Deutsch. Also grad weil man in Englisch auch didaktisch was gemacht hat - da hab ich auch schon ein paar gute Seminare gehabt, wo ich einiges mitgenommen habe, auch als Idee für Unterricht. Ansonsten würde ich sagen, aus der Uni nimmt man generell sehr viel Wissen mit. Ähm, vom Seminar selbst ähm Wissen auch, aber ich finde schon auch viel Praktisches - also ein-einfach so Praxisbeispiele, die man immer auch gut anwenden kann, oder sich - selbst wenn’s nur ist, wie geh ich mit so einem Lehrbuch um. Ja, so, also sowas. Und, ähm - jetzt von der Schule aus vom-vom Mentor … ähm … ist es eher spezifischer, also vielleicht auch ein bisschen Schüler angepasster. Ähm … man hat zwar so ein Muster, oder so [… durch den Mentor; I. S.] es wird auf jeden Fall spezifischer. Also ich würde sagen, es ist so ne - vom sehr Allgemeinen von der <?page no="218"?> 218 David Gerlach/ Ivo Steininger Uni, bis hin zum Seminar, was ja natürlich auch noch ein bisschen allgemein ist auf Englischunterricht generell, ist es dann in der Schule vielleicht sehr spezifisch auf die Klasse, die man unterrichtet. Kriegt man da die Hilfe für … (leise) ja. Die LiV gibt zu erkennen, dass im Verlauf ihrer Ausbildung Inhalte und institutionalisierte ‚Hilfen‘ eine Wandlung vom Abstrakten, über Allgemeines hin zum Speziellen vollziehen. Ausbildungskräfte erklären sich im Schnitt mit den aus der 1 . Phase mitgebrachten fremdsprachendidaktischen Konzepten und Kompetenzen zufrieden, bemängeln jedoch im Kontext von Fachwissen teilweise mangelhafte sprachliche Kompetenzen der ihnen anvertrauten LiV (s. 4 . 2 . 2 ). Mentoren und LiV fehlen hingegen Anknüpfungspunkte und die Integration linguistischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher Schwerpunkte ihres Studiums im Vorbereitungsdienst: „Aus der subjektiven Sicht der befragten Referendarinnen und Referendare scheinen oft Ausbildung und eigener Unterricht parallel nebeneinander, mit nur wenigen inhaltlichen Vernetzungen durch Unterrichtsbesuche der Ausbilderinnen und Ausbilder herzulaufen“ (Gerlach et al. 2012 , S. 11 ). Dementsprechend dürfte die Diagnose bereits bestehenden Wissens und Kompetenzen aus dem Studium gerade für den Einstieg in den Vorbereitungsdienst von besonderer Bedeutung sein, um sowohl den LiV bewusst zu machen, dass sie kein „totes Wissen“ in der ersten Phase angehäuft haben, als auch dieses theoretische Fundament in gezielte Planung, unterrichtsbezogen sachanalytische sowie methodisch-didaktische Überlegungen einfließen lassen können. Die erfolgreiche Diagnose und Integration bestehender Fähig- und Fertigkeiten der angehenden Lehrkräfte in die Ausbildungsarbeit erfordert sowohl hochqualifizierte Ausbilderinnnen und Ausbilder sowie einen flexiblen Freiraum für diese Lehrenden in ausbildungsdidaktischer Hinsicht die mitgebrachten Vorkenntnisse nutzbar zu machen und sie perspektivisch mit den erwünschten Kompetenzen und Standards der Lehrerbildung individuell an der LiV ansetzend zu verknüpfen und zu entwickeln. 4.2.2 Sprachliche Qualifikation der Fremdsprachen-LiV Verbunden mit der Rolle der 1 . Phase bemängeln Ausbilderinnen und Ausbilder - seltener bis kaum die Mentorinnen und Mentoren - mangelhafte sprachliche Qualifikationen ihrer LiV. Diese seien in ihren Augen unzureichend für den angestrebten Fremdsprachenunterricht und ermöglichten kaum sprachliche Flexibilität. Vignette 11 (Datenmaterial Gerlach: Interview Ausbildungskraft 7, 06: 06-07: 01) Ausbildungskraft: Es hakt ganz (betont) häufig an der Sprachkompetenz. Also ich musste einigen Referendaren/ Ich glaube, es waren jetzt insgesamt so sechzig, 65 Referendare, die ich jetzt ausgebildet habe. Und da waren so - mindestens fünf oder sieben <?page no="219"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 219 ähm Referendare dabei, denen ich empfehlen musste, entweder zu unterbrechen und ein halbes Jahr mindestens mal nach [Zielsprachenland, D. G.] zu gehen. Oder sich ganz intensiv um ein Sprachtraining zu kümmern. Ähm das hat - bei Zwei, Dreien gefruchtet. Aber es gibt auch Zwei, Drei, die sind am Ende dann durch/ auch durch die zweite Prüfung gefallen. Weil es einfach eklatant ist, welche Mängel da zum Teil sind. Also die machen dann Fehler bei Arbeitsanweisungen, das ist Niveau zweites Lernjahr. Und sie merken es nicht mal. Als Gründe für die geringe sprachliche Qualifikation werden meist geringe Auslandserfahrungen aufgeführt, um „vertieftes Sprachwissen und ‚nativnahes‘ Sprachkönnen in der Fremdsprache“ ( KMK 2013 , S. 39 ) als angestrebten Standard erfüllen zu können. Die Lehrenden formulieren dabei seltener bestimmte Niveaustufen z. B. anhand des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen , sondern charakterisieren die Notwendigkeit und Bedeutung des Faktors Sprachkompetenz insofern, als dass sie über alle Jahrgangsstufen und Lernstände hinweg eine gewisse Flexibilität in kommunikativen, auch stärker lehrerbezogenen Phasen ermöglicht. Die Sprachkompetenz der LiV, welche sich performativ in Unterrichtsbesuchen wie in der Examenslehrprobe scheinbar deutlich positiv wie negativ niederschlägt, kann damit als einer der beherrschenden Faktoren bzw. Voraussetzungen für den Vorbereitungsdienst gesehen werden. Inwiefern die insbesondere aus Ausbilderperspektive geäußerten Vorbehalte generalisierbar sind, müsste ggf. im Rahmen weiterer Forschung überprüft werden. 4.2.3 Anforderungen und Belastung der Fremdsprachen-LiV Wie oben bereits ausgeführt wurde, fokussiert Forschung zur Lehrerbildung aktuell in besonderem Maße auf den Berufseinstieg nach dem Vorbereitungsdienst, da diese Zeit mit der damit verbundenen Unterrichtsbelastung und gewonnenen Unabhängigkeit eine oftmals deutliche Überforderung der Lehrkräfte darstellt. Während der vielzitierte ‚Praxisschock‘ oft bereits im Vorbereitungsdienst in Abstraktion zum mitgebrachten Fachwissen aus der 1 . Phase stattfindet, ist auch weiterhin bedeutsam, eine Prävention der sogenannten „Konstanzer Wanne“, einen Rückfall in Lehrmethoden aus der eigenen Schulzeit der neuen Lehrerinnen und Lehrer (Dann et al. 1981 ), bereits im Vorbereitungsdienst zu forcieren. Die im Vorbereitungsdienst bei geringerer Stundenzahl angelegten Anforderungen an die qualitativ hochwertige Unterrichtsplanung und -reflexion mit einer im Vergleich zum Examenshalbjahr teils vierbis fünffachen Steigerung an Unterrichtsstunden im Berufseinstieg (teils verbunden mit Schul- oder Wohnortswechseln und weiteren Aufgaben wie Klassenleitungen und einem in den sprachlichen Fächern höherem Korrekturaufwand) scheint systemlogisch kaum nachhaltig erfüllbar. Eine logische Folge wäre, den Berufseinstieg sowohl von <?page no="220"?> 220 David Gerlach/ Ivo Steininger der Stundenzahl zu entlasten als auch eine strukturierte Begleitung (z. B. in Form eines Mentorats) einzusetzen, wie dies in anderen Ländern schon selbstverständlich ist (vgl. Blömeke 2014 ). Inwiefern konkrete Empfehlungen für die zweite Phase bzw. eine Entlastung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst tatsächlich nötig sind, muss weiterhin untersucht werden. Schulrechtliche Neustrukturierungen und länderspezifische (auch regionale oder schulbezogene, teils von Seiten der LiV hochindividuelle und persönlichkeitsbezogene) Besonderheiten erschweren auch hier häufig die wissenschaftliche Begleitung. 4.2.4 Qualifikation der Lehrenden im Vorbereitungsdienst Ein letzter Aspekt, der im Zusammenhang mit den im Vorbereitungsdienst Lehrenden diskutiert werden sollte, ist deren Qualifikation bzw. auch Fort- und Weiterbildung sowie Arbeitsentlastung. Insbesondere die nicht zu unterschätzende Rolle der Mentorinnen und Mentoren als Vorbilder in Feldern wie Unterrichtsplanung, aber auch persönlicher Entlastung der Lehrkräfte, sollte strukturell (z. B. durch Entlastungsstunden) berücksichtigt und nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Gleichzeitig könnten gezielte Qualifizierungsmaßnahmen das Mentoring effizienter gestalten und mittels einer stärkeren Anbindung an und Kooperation mit Ausbilderinnen und Ausbilder der LiV hier Synergieeffekte nutzbar machen. Gleichzeitig besteht bei einer zunehmenden Formalisierung der Rolle von Mentorinnen und Mentoren auch immer die Gefahr, dass sich dies einschränkend auf das Verhältnis der LiV zu den ihnen anvertrauten Betreuungslehrkräften auswirken kann, wenn letztere bestimmte Voraussetzungen oder Formalia erfüllen müssen (da Rocha 2014 ). Auch die zunehmende Arbeitsbelastung der Ausbildungskräfte muss bei der gleichzeitigen Möglichkeit der Weiterqualifizierung im Blick behalten werden. Erste Hinweise zur Evaluation des hessischen Vorbereitungsdienstes weisen beispielsweise darauf hin, dass „[die] Intensität der Nutzung von Lerngelegenheiten [der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, D. G.] […] zum einen durch die Modularisierung, durch Merkmale der Mentoren- und Ausbilderqualität sowie den Gebrauch von Lernstrategien erhöht“ wird (Abs/ Anderson-Parks 2014 , S. 502 ). Inwiefern dabei z. B. die Qualität der Ausbildungsarbeit als „Lehrer der Lehrer“ durch aktuell diskutierte Maßnahmen wie Forschungsarbeit („ teacher educators as researchers “, Livingston et al. 2010 ) mit einer stärkeren Anbindung an Universitäten oder im Sinne von gemeinsamen Aktionsforschungsprojekten mit LiV dabei der individuellen professionellen Entwicklung der Ausbilderinnen und Ausbilder zuträglich sein kann, sollte zum Gegenstand zukünftiger Forschung gemacht werden. Dass auch Lehrende im Sinne von Lehrerbildner/ <?page no="221"?> Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase 221 innen ihren Einfluss, ihre Methoden und Inhalte in der Ausbildung mit effektiv implementierbaren Ansätzen beforschen, scheint dabei die logische Folge aktueller Erkenntnisse und Ansätze aktionsforschender Lehrerinnen und Lehrer zu sein, die ihre Lehrkompetenz und Praxis strukturiert, reflexiv und kritisch betrachten und damit potentiell weiterentwickeln (Schart 2014 ; Legutke/ Schocker-v. Ditfurth 2009 ; auch Legutke/ Mohr/ Schart in diesem Band). Ob dabei im Sinne von Anforderungsprofilen oder Qualifizierungsmaßnahmen auch Standards für Ausbildungskräfte entwickelt werden sollten, wie dies z. B. bereits in den USA geschehen ist, ist dabei noch zu diskutieren. Bemerkenswert an den Standards for Teacher Educators ( ATE o. J.) der amerikanischen Association of Teacher Educators ist allerdings, dass diese innerhalb eines Berufsverbands, also von den Ausbilderinnen und Ausbildern selbst, gewissermaßen „ bottom up “ entwickelt wurden. Inwiefern diese auch für die Spezifik des deutschen Ausbildungssystems hinreichend bzw. übertragbar sind (z. B. auch für Ausbilderinnen und Ausbilder in den anderen Phasen), könnte ebenfalls Gegenstand zukünftiger Forschung werden, möchte man auch die Lehrenden der Lehrkräfte professionalisieren. 5 Ausblick Ziel des Beitrags war es, aus den beiden laufenden Forschungsprojekten zum Vorbereitungsdienst für angehende Fremdsprachenlehrkräfte schlaglichtartig Problembereiche zu identifizieren und mögliche Entwicklungspotenziale für Forschung und Ausbildung sowie die beteiligten Personen anzureißen. Als eins esder zentralen Desiderate bleibt mit Blick auf Akteure, Voraussetzungen und Anforderungen eine Transparenz durch Operationalisierung und (wo möglich auch) Skalierung fachdidaktischer Kompetenzen zu nennen. Dadurch würde einerseits die Arbeit der Lehrenden (als Ausbildende) und Mentorierenden im Sinne einer Diagnose und Beurteilung von Kompetenzentwicklung erleichtert werden. Andererseits würden transparente fachdidaktische Kompetenzprofile auch für die LiV bedeuten, die Anforderungskomplexität des Berufsbildes gemäß des Ausblindungsstandes nachvollziehen und für Lerngelegenheiten und Prozesse des self-assessment zu nutzen. Der Komplexität des Forschungsfeldes „ 2 . Phase“ ist es dabei geschuldet, dass viele Aspekte und Fragen offen bleiben, die es gilt, in beiden Projekten zu untersuchen und herauszustellen. Dabei dürfte die Komplexität der Phase und Erkenntnisse, die aus den Ausbildungscharakteristika herausgearbeitet werden, auch für die Kompetenzentwicklung der (angehenden) Lehrkräfte und die Lehrenden in anderen Phasen und auch für andere Fächer von Relevanz sein (und werden). Dem häufigen Phasenbruch zwischen Studium und Vorbereitungs- <?page no="222"?> 222 David Gerlach/ Ivo Steininger dienst, der auch von den von uns befragten Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern wiederholt formuliert wird, gilt es vorzubeugen und eine stärkere Verknüpfung und Progression der Entwicklung und den Aufbau von Lehrer- Wissen und -Können zu fördern. Die Verzahnung von Theorie und Praxis und der verschiedenen Phasen der Lehrerbildung ist seit jeher ein Desiderat (z. B. Hericks 2004 ), die große Bedeutung der ersten beiden Phasen dürfte ohne Frage auch in diesem Beitrag wieder deutlich geworden sein. Die Tatsache aber, dass Fortbildung und Weiterqualifikation von Lehrkräften in der sogenannten 3 . Phase in Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich selten verpflichtend und damit primär lediglich individuell interessengesteuert ist, spricht dafür, zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen zu integrieren, wie z. B. die Position der Mentorinnen und Mentoren mit flankierenden Maßnahmen zu stärken, da diese ihre Tätigkeit in gewissem Sinne ebenfalls als Fortbildung erleben. Es bleibt in dem Zusammenhang der Weiterqualifikation auch die Frage, inwiefern die Förderung eines forschenden Habitus bspw. aufgrund erschwerter Rahmenbedingungen im Vorbereitungsdienst oder auf Seiten der Lehrenden in der zweiten Phase zielführend umgesetzt bzw. für die spätere Berufspraxis angebahnt werden kann. Hier bedarf es in unseren Augen stärkerer systematischer Förderung bei gleichzeitiger Entlastung der LiV sowie der Lehrenden im Vorbereitungsdienst, um nachhaltige Entwicklung und Professionalisierung zu (be) fördern. Literaturverzeichnis Abs, Hermann Josef/ Anderson-Parks, Eva (2014). Programme zur Berufseinführung: Die zweite Phase der Lehrerbildung. In: Ewald Terhart/ Hedda Bennewitz/ Martin Rothland (Hg.). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. 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Englischunterricht ausgerichtet (z. B. Zibelius, 2015 ). Darüber hinaus wird Professionalisierung häufig ausschließlich als erfahrungsbasierter Erwerb von Handlungswissen verstanden, obwohl aussagekräftige Studien zeigen, dass weitere intrapersonale Faktoren die Umsetzung kooperativen Lernens beeinflussen (z. B. Ghaith, 2004 ). Letztlich mangelt es an Evaluationen, die die Effektivität von Fortbildungen belegen und damit die wissenschaftliche Diskussion um die „beste“ Gestaltung versachlichen würden. Dieser Beitrag stellt die Grundlagen und zentrale Evaluationsergebnisse einer empirischen Pilotstudie vor, deren Ziel die Professionalisierung von Lehrkräften für die Umsetzung kooperativen Lernens im Englischunterricht der Sekundarstufe I und II war. Anhand der Studie soll exemplarisch gezeigt werden, wie Fortbildung aussehen und beforscht werden kann und welche Vorteile die Integration quantitativer und qualitativer Ansätze hat. 2 Die Gestaltung von Fortbildungen für Kooperatives Sprachlernen 2.1 Das Konzept und seine Methoden in der Lehrerfortbildung Kooperatives Lernen oder kooperatives Sprachlernen, wie es teilweise in der anglo-amerikanischen Literatur bezeichnet wird (Richards & Rodgers, 2001 ), scheint eine Möglichkeit zur Förderung von Lerneraktivität und -autonomie (Grieser-Kindel, Henseler & Möller, 2009 ) und eine Antwort auf kulturelle und sprachliche Heterogenität (Holt, 1993 ; Werning & Avci-Werning, 2015 ) zu sein. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass es nur unter bestimmten Bedingungen positive Auswirkungen auf den Kompetenzerwerb der Lernenden hat (z. B. Slavin, Hurley & Chamberlain, 2003 ). <?page no="228"?> 228 Gesa F. Heinrich Fraglich ist, wie Fortbildungen konzipiert sein müssen, um Fremdsprachenlehrkräfte dazu zu befähigen, kooperatives Sprachlernen so einzusetzen, dass es zu positiven Effekten führt. Zur Klärung dieser Frage bedarf es zunächst einer disziplinübergreifenden Begriffsbestimmung kooperativen Sprachlernens, da die Ursprünge des Konzepts außerhalb der Fremdsprachendidaktik liegen. Aus psychologischer Sicht bezieht sich der Begriff auf Instruktionsansätze, bei denen Lernende in Kleingruppen von mindestens zwei Personen neben fachlichen auch soziale, affektive, meta-kognitive und interkulturelle Kompetenzen erwerben (z. B. Hold, 1993 Slavin, 2006 ). Die Effektivität kooperativen Lernens wird häufig auf der Grundlage von sozial-, lern-, entwicklungs- und motivationspsychologischen Theorien erklärt sowie Ansätzen des situierten, handlungsorientierten und selbstgesteuerten Lernens (z. B. Konrad & Traub, 2008 ). Im Gegensatz dazu heben erziehungswissenschaftliche Arbeiten den Unterschied zwischen „natürlichen“, eher traditionellen Formen der Partner- und Gruppenarbeit und „strukturierten“, neuen Formen hervor (Huber, 1991 ). Teilweise wird kooperatives Sprachlernen als eine Erweiterung oder Spezifikation „Offenen Unterrichts“ (Meyer & Heckt, 2008 ) betrachtet oder mit reformpädagogischen Ansätzen in Verbindung gebracht (Traub, 2004 ). In der fremdsprachendidaktischen Diskussion werden, insbesondere auf internationaler Ebene, beide Betrachtungsweisen miteinander verknüpft und durch spracherwerbstheoretische und linguistische Aspekte ergänzt (z. B. McCafferty, Jacobs & DaSilva Iddings, 2006 ). Hier wird es häufig als eine Unterrichtsmethode angesehen, die eine Weiterentwicklung des Kommunikativen Fremdsprachenunterrichts und ähnlicher neuerer Ansätze darstellt und demgemäß konstruktivistischen Theorien zugeordnet (Bonnet, 2009 ). Betrachtet man die Fachliteratur insgesamt lassen sich zwei koexistierende Konzepte kooperative Sprachlernens unterscheiden. Zum einen wird es als Sammelbegriff für Unterrichtstechniken verwendet, in deren Fokus strukturierte Formen der Partner- und Gruppearbeit stehen. Der Erwerb sozialer Kompetenzen wird häufig als Beiwerk angesehen (z. B. Oxford, 1997 ). Zum anderen wird es als Unterrichtsmethode gedeutet, die sich auf wissenschaftliche Theorien und Forschungsergebnisse stützt, partner- und teambasierte Lernformen maximal nutzt und teilweise Techniken der kognitiven Aktivierung (Helmke, 2010 ) und der Klassenführung integriert (z. B. Jacobs & Goh, 2007 ). Der Erwerb sozialer Kompetenzen ist in diesem Verständnis ein zentraler Unterrichtsinhalt (Farell & Jacobs, 2010 ). Diese Unterscheidung lässt sich auch in der Lehrerfortbildung wiederfinden. Johnson, Johnson, Cornett et al., ( 1999 ) unterscheiden zwei auf einem Kontinuum liegende Ansätze kooperativen Sprachlernens. Sie fußen auf unterschiedlichen etablierten Methoden kooperativen Sprachlernens (vgl. Sharan <?page no="229"?> kooperatives sprachlernen 229 ( 1994 ) für einen Überblick) und machen unterschiedliche Annahmen über Lehrerfortbildung. Auf der einen Seite des Kontinuums findet sich der direkte/ präskriptive Ansatz. Bei diesem Ansatz werden Lehrkräfte dafür ausgebildet bestimmte kooperative Lernaktivitäten, Unterrichtsstunden oder -einheiten umzusetzen (z. B. Student Teams-Achievement Division ). Auf der anderen Seite befindet sich der konzeptionelle Ansatz. Dieser beinhaltet die Vermittlung eines allgemeinen konzeptionellen Systems bestehend aus bestimmten Prinzipien, um kooperatives Sprachlernen einzusetzen (z. B. Group Investigation ). Beide Ansätze und die dazugehörigen Methoden sind empirisch validiert (z. B. Slavin, 1995 ; Johnson & Johnson, 1989 , 2005 ) und ermöglichen die flexible Anpassung an unterschiedliche Rahmenbedingungen (Kagan, 1993 ; Johnson & Johnson, 2002 ). Dadurch stehen Fortbilder vor dem Problem, eine Wahl zu treffen oder sich für eine Kombination zu entscheiden (z. B. Krol, Veenman & Voeten, 2002 ). In der Pilotstudie wurde der Learning Together Ansatz von Johnson und Johnson ( 1999 ) ausgewählt und an die Bedingungen des Englischunterrichts in der Sekundarstufe I und II durch fremdsprachendidaktische Erweiterungen und Spezifikationen angepasst. Zudem wurden einzelne Techniken des Structural Approach (Kagan & Kagan, 1994 ) integriert. Diese Auswahl wurde aus drei Gründen getroffen. Der erste Grund ist, dass die Ergebnisse einer Metaanalyse von Johnson und Johnson ( 2002 ) daraufhin deuten, dass Methoden, denen ein präskriptives Technikverständnis zugrunde liegt, geringere Effekte auf Schülerleistungen haben, als solche, die auf einem prozeduralen Verständnis basieren. Zudem sind die theoretischen Grundlagen des Learning Together Ansatzes klar definiert (z. B. Johnson, Johnson & Holubec, 2002 ) und empirisch in unterschiedlichen Kontexten validiert ( Johnson & Johnson, 2005 ). Der Ansatz ist eine Weiterentwicklung der Theorie sozialer Interdependenz (Deutsch, 1949 ) in Form einer Unterrichtsmethode, in deren Zentrum positive (soziale) Abhängigkeit in Paaren und Kleingruppen steht ( Johnson & Johnson, 2008 ). Nach der Theorie entsteht gegenseitige soziale Abhängigkeit, wenn das Erreichen der Ziele einer Person von dem Verhalten anderer beeinflusst wird. Soziale Abhängigkeit kann positiv, negativ oder nicht existent sein. Aus der Art der Abhängigkeit ergeben sich unterschiedliche Interaktionsmuster. Bei positiver Abhängigkeit, erkennen die Mitglieder, dass sie ihre Ziele nur erreichen können, wenn alle anderen ihre ebenfalls erreichen. Das sich ergebende Verhalten ist gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung, d. h. Kooperation. Bei negativer Abhängigkeit erkennen die Mitglieder, dass ihre Zielerreichung vom Scheitern der anderen mit denen sie im Wettbewerb stehen, abhängt. Sie setzen also alles daran, um sich gegenseitig bei der Zielerreichung zu behindern. Keine Abhängigkeit besteht, wenn die Mitglieder wissen, dass sie ihre Ziele <?page no="230"?> 230 Gesa F. Heinrich losgelöst von den anderen erreichen können. Das Verhalten ist individuelles Arbeiten an der Zielerreichung ohne jegliche Interaktion. In der Praxis wird positive soziale Abhängigkeit durch das Einbinden von fünf Unterrichtprinzipien und konkreten Instruktionsstrategien erzeugt. In Tabelle 1 sind die fünf Basiselemente und Beispiel für Instruktionsstrategien dargestellt. Basiselement instruktionsstrategien Positive gegenseitige Abhängigkeit Gemeinsames Ziel, einen Satz an Material, Rollen (z. B. Vorleser, Schreiber), etc. Individuelle Verantwortung Ankündigung der Präsentation der Ergebnisse nach dem Zufallsprinzip, etc. Unterstützende Interaktion von Angesicht zu Angesicht Physische Nähe der Gruppenmitglieder durch Sitzordnung Soziale Kompetenzen Bewusstmachung, Operationalisierung, Übung und Reflexion Evaluation der Gruppenprodukte und -prozesse Elaboration; strukturierte mündliche oder schriftliche Reflexion, Bewertung und Zielsetzung Tabelle 1 Basiselemente kooperativen Lernens (vgl. Johnson & Johnson, 1999) Das vierte Basiselement (Soziale Kompetenzen) wurde in der Pilotstudie, um eine sprachliche Komponente erweitert (sozial-sprachliche Kompetenzen), da es um die angemessene Verwendung sprachlicher Mittel in unterschiedlichen Kontexten geht (Heinrich, 2015 ). Daraus ergibt sich der zweite Grund für die Wahl des Ansatzes, nämlich die Bereitstellung eines Rahmenkonzeptes zur Umsetzung der Prinzipien Kommunikativen Unterrichts (Richards & Rogers, 2001 ). Wie bei allen Methoden kooperativen Lernens erhalten die Lernenden vielfältige Möglichkeiten des authentischen Sprechens in realen Situationen. Das Modell der Johnsons ermöglicht darüber hinaus die Integration von Lernaktivitäten, mit denen gezielt funktionale kommunikative, interkulturelle und strategische Kompetenzen aufgebaut werden können (vgl. Heinrich 2015 zum task design ). Der dritte Grund für die Wahl des Ansatzes sind Übereinstimmungen mit forschungsbasierten Merkmalen von Unterrichtsqualität nach Helmke ( 2009 ) sowie Kriterien „guten“ Unterrichts nach Meyer ( 2004 ). Gruppendynamische Elemente (siehe Theorie soziale Interdependenz) und Elemente, die der Lernerautonomie und dem Erwerb sozial-sprachlicher Kompetenzen dienen, werden <?page no="231"?> kooperatives sprachlernen 231 in der praktischen Umsetzung durch Techniken der Klassenführung (z. B. differenzielle Verstärkung von gewünschtem Verhalten) und der kognitiven Aktivierung (z. B. Einsatz von Mediationsstrategien während der Arbeitsphasen) ergänzt (vgl. Johnson et al., 2002 ). In der Pilotstudie wurde der flexible Rahmen ebenfalls genutzt, um relevante fremdsprachendidaktische Theorien zu integrieren. Hierzu gehört: der Einsatz der Muttersprache ( Jacobs & Goh, 2007 ), die Verständlichkeit der Sprache (Grieser-Kindel et al., 2009 ), der Einsatz von Symbolen (z. B. Jacobs & Goh, 2007 ), die Fehlerkorrektur ( Jacobs & Goh, 2007 ) und die Sprachmittlung (z. B. Webb, 2008 ). 2.2 Ziele, Inhalte und Methoden von Lehrerfortbildungen Kooperatives Sprachlernen passt sich wie ein Chamäleon den Interessen der Fortbilder an. Diese beantworten die Frage nach der Professionalisierung von Lehrkräften in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Methode kooperativen Lernens und der damit verbundenen Orientierung (direkt/ präskriptiv vs. konzeptionell/ prozedural) inhaltlich und methodisch unterschiedlich. Das allgemeine Ziel von Fortbildungen ist die Erhöhung der Umsetzung kooperativen Sprachlernens. Teilweise wird dabei ein qualitativ besserer Einsatz unterstellt, teilweise wird er extra ausgewiesen. Die Inhalte von Fortbildungen umfassen die Methode oder Methoden kooperativen Sprachlernens, die ausgewählt wurden. Teilweise geht es auch um Techniken der Klassenführung (z. B. Krol et al. 2002 ) und sprachliches Lehrerverhaltens (z. B. Gillies, 2004 ) sowie bestimmte kognitive Variablen, wie die Einstellungen zu (z. B. Johnson & Johnson, 1998 ) oder die subjektiven Theorien über kooperatives Sprachlernen (z. B. Brody, 1998 ) und die wahrgenommene Unterstützung durch Kollegen und äußere Rahmenbedingungen (z. B. Ishler, Johnson & Johnson, 1998 ). Methodisch gehen die meisten Programme handlungsorientiert (vgl. Brody & Davidson, 1998 ) vor. Einige werden als Trainings benannt. Dieser Begriff bezeichnet […] in der pädagogisch-psychologischen Praxis den Versuch, durch zielgerichtete und regelmäßige Übung gewünschte Kompetenzen und/ oder Handlungstendenzen aufzubauen, zu verbessern oder zu erhalten. (Bromme & Rheinberg, 2006: 328). Trainings zu kooperativem Sprachlernen weisen im Vergleich zu „normalen“ Fortbildungen andere methodische Ansätze auf. Insgesamt lassen sich fünf methodische Ansätze unterscheiden: Der erste und am häufigsten verwendete ist der des Erfahrungslernens. Er basiert auf der Theorie des Erfahrungslernens von Kolb und Frey ( 1975 ) und umfasst vier Schritte: die Erfahrung, Reflexion, Konzeptualisierung und den <?page no="232"?> 232 Gesa F. Heinrich Transfer (Sharan & Sharan, 1987 ). In manchen Ausführungen wird dieses Vorgehen als pädagogischer Doppeldecker bezeichnet (Schnebel, 2003 ). Ziel dieses Vorgehens ist es, handlungsorientiertes Wissen über kooperatives Sprachlernen ( Johnson & Johnson, 1998 ) und positive Einstellungen (Koutselini, 2008 / 2009 ) aufzubauen. Inhaltlich geht es insbesondere um den Unterschied zwischen kooperativem Sprachlernen und traditionellen Formen der Partner- und Gruppenarbeit (Cohen, Brody & Sapon-Shevin, 2004 ). Der zweite Ansatz ist der des Lernens durch Berichte positiver Erfahrungen anderer. Er leitet sich ab von der Sozialen Lerntheorie Banduras ( 1986 ). Ziel ist es, stellvertretend positive Erfahrungen mit kooperativem Sprachlernen zu haben, um dadurch die Erwartungen kooperatives Sprachlernen unter den vorliegenden Rahmenbedingungen selbst effektiv einsetzen zu können, zu erhöhen ( Johnson & Johnson, 1998 ; Ross, 1994 ). Der dritte Ansatz ist der der Verhaltensmodifikation durch Microteaching . Beim Microteaching werden Handlungsstrategien in komplexitätsreduzierten Situationen mithilfe vorgegebener Instruktionen geübt. Die Übenden erhalten unmittelbar Rückmeldung (vgl. z. B. Havers & Toepell, 2002 ). Ziel ist es, angemessenes Lehrerverhalten beim kooperativen Lernen zu üben ( Johnson & Johnson, 1998 ). Der vierte Ansatz ist der der kognitiven Verhaltensmodifikation. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass das Lehrerverhalten durch subjektive Theorien gesteuert wird (Brody, 1998 ; Dann, 2007 ). Um gewünschtes Verhalten aufzubauen, müssen daher zunächst die kognitiven Strukturen und ihre handlungsleitende Funktion bewusst gemacht werden. Danach werden theoriebasierte Handlungsalternativen präsentiert und geübt. Auch hier erhalten die Übenden direkt Rückmeldung (Dann, 2007 ). Der fünfte Ansatz ist der der persönlichen und fachlich/ organisatorischen Unterstützung. Grundlagen dieses Ansatzes bilden Forschungsergebnisse zu förderlichen Rahmenbedingungen für die langfristige Umsetzung kooperativen Sprachlernens (z. B. Ishler et al., 1998 ). Ziel ist es, durch Lehrerkooperation in- und außerhalb der Fortbildung sowie externe Unterstützung über den Zeitraum der Fortbildung hinaus, die dauerhafte Umsetzung zu gewährleisten ( Johnson & Johnson, 1998 ; Rotering-Steinberg, 2010 ). 2.3 Forschungsbasierte Inhalte und Methoden in der Lehrerfortbildung Mit Blick auf die Forschung zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens lässt sich die Frage nach der optimalen Gestaltung von Fortbildungen versachlichen. Fortbildungen, scheinen dann besonders effektiv zu sein, wenn sie nicht nur auf eine „rezeptartige“ Anleitung zur Verwendung kooperativen Sprachlernens setzen, sondern theoriebasiertes handlungsleitendes Wissen (z. B. Krol et al., <?page no="233"?> kooperatives sprachlernen 233 2002 ) aufbauen und weitere intrapersonale Faktoren positiv beeinflussen. Dazu gehört die Entwicklung: • positiver Einstellungen (z. B. Ganser, 2005 ) • „passender“ subjektiver Theorien (z. B. Brody, 1998 ; Dann, Diegritz & Rosenbusch, 2002 ; • „unterstützender“ subjektiver Normen, d. h. die Wahrnehmung, dass bedeutende Andere die Umsetzung kooperativen Sprachlernens befürworten (z. B. Ghaith, 2004 ) • hoher Kontrollerwartungen, d. h. die Wahrnehmung unterstützender Rahmenbedingungen (z. B. Ishler et al., 1998 ) • hoher Selbstwirksamkeitserwartungen, d. h. sich selbst als Lehrkraft kompetent wahrzunehmen (z. B. Shachar & Shmuelewitz, 1997 ) • theorie- und forschungsbasierten Instruktions- und Sprachverhaltens (z. B. Haag, Fürst & Dann, 2000 ; Johnson et al., 2002 ). Diese und ähnliche Befunde sprechen für einen Dialog „fremder Schwestern“ (Terhart, 2002 ), d. h. für die Entwicklung disziplinübergreifende Fortbildungen sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Hinsicht. Das Lehrertraining für kooperatives Sprachlernen , das im Rahmen der Pilotstudie entwickelt wurde, ist ein Beispiel dafür. Auf der Grundlage von Forschungsergebnissen zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens wurden zwei Hypothesen in Bezug auf die Gestaltung des Trainings formuliert: Hypothese 1 : Das Training muss handlungsorientiertes Wissen sowie konkretes Instruktions- und Sprachverhalten vermitteln. Hypothese 2 : Das Training muss Kognitionen, die die Umsetzung kooperativen Sprachlernens fördern oder behindern können, positiv beeinflussen. Anknüpfend an die Hypothesen war das Ziel des Trainings die quantitative Erhöhung und die qualitative Verbesserung der Verwendung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht der Sekundarstufe I und II . Um dieses Ziel auf inhaltlicher Ebene zu erreichen, wurden relevante Inhalte des Trainings Kooperation im Klassenraum ( Johnson & Johnson, 1998 ) und des Gruppentraining[s] sozialer Kompetenzen (Hinsch & Pfingsten, 2007 ) adaptiert und durch fremdsprachendidaktische Theorien (siehe oben) und weitere bedeutende Forschungsergebnisse (z. B. Haag et al., 2000 ) erweitert. Es wurden drei Trainingseinheiten mit jeweils zwei Sitzungen geplant. In den ersten beiden Sitzungen ging es um die theoretischen Grundlagen kooperativen Sprachlernens (u. a. Fünf Basiselemente, Theorie sozialer Interdependenz). Die folgenden Sitzungen thematisierten die prinzipiengeleitete, gemeinsame Unterrichtsplanung. In den letzten beiden Sitzungen wurde angemessenes Lehrerverhalten geübt. Tabelle 2 stellt die Trainingsinhalte zusammenfassend dar (vgl. Heinrich, 2015 ). <?page no="234"?> 234 Gesa F. Heinrich Kooperatives Sprachlernen (Sitzung 1 und 2) Erfahrungen mit KSL / Think-Pair-Share Fünf Basiselemente KSL s/ Reading Comprehension Triads Positive Effekte KSL s/ Placemat Theoretische Grundlagen KSL s/ Jigsaw Unterrichtsplanung (Sitzung 3 und 4) Lehrerverhalten/ Pairs Check Aufgabengestaltung Beobachten und Bewerten beim KSL Förderung sozial-sprachlicher Kompetenzen Gemeinsame Unterrichtsplanung und -präsentation/ Gallery Tour Verhalten und Sprache (Sitzung 5 und 6) Erklärungsmodell, Differenzierungsübung, Rollenspiel Situationstyp 1: Präsentation einer Aufgabe Situationstyp 2: Eingreifen in die Gruppenarbeit Situationstyp 3: Evaluations der Gruppenprodukte und -prozesse Tabelle 2 Trainingsinhalte Methodisch kombiniert und adaptiert das Training Prinzipien des Trainings Kooperation im Klassenraum ( Johnson & Johnson, 1998 ) und des Gruppentraining[s] sozialer Kompetenzen (Hinsch & Pfingsten, 2007 ). Vom Training der Johnsons wurde der Ansatz des Erfahrungslernens, des Lernens durch positive Berichte anderer sowie der persönlichen und fachlich/ organisatorischen Unterstützung adaptiert. Überdies wurden der Trainings- und Sitzungsaufbau größtenteils übernommen. Dadurch sollten theorie- und forschungsbasiertes Handlungswissen, positive Einstellungen und subjektive Normen sowie hohe Kontrollerwartungen aufgebaut werden. Um die langfristige Umsetzung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht zu gewährleisten, war die Trainingsphase einbettet in eine Vor- und eine Nachtrainingsphase. In der Vortrainingsphase wurden die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Training geschaffen. Dazu gehörten Vortreffen mit den TeilnehmerInnen, bei denen die Bedingungen der Teilnahme und Inhalte des Trainings präsentiert wurden, sowie Stundenentlastungen an Trainingstagen in Absprache mit den jeweiligen Schulleitungen (vgl. Abbildung 1 ). <?page no="235"?> kooperatives sprachlernen 235 Abbildung 1 Der Trainingsaufbau Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen (Hinsch & Pfingsten, 2007 ) ist ein Training aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie. Von diesem Training wurde der Ansatz der kognitiven Verhaltensveränderung adaptiert. Hierzu wurde ein Erklärungsmodell zur Entstehung von Verhalten auf der Grundlage von Kognitionen (Selbstverbalisationen genannt), Übungen zur Einschätzung eigener Kompetenzen und zur Selbstverbalisation, eine Differenzierungsübung zu angemessenem und unangemessenem Verhalten, drei Situationstypen sowie Rollenspiele mit Instruktionen und Videofeedback eingesetzt. Der Einsatz von adaptierten Elementen aus diesem Training sollte zu positiven subjektiven Theorien über kooperatives Sprachlernen, einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung und theorie- und forschungsbasiertem Instruktions- und Sprachverhalten führen. Zentral für die Übung von angemessenem Verhalten waren die drei Situationstypen, die in den Sitzungen 5 und 6 thematisiert wurden (vgl. Tabelle 2 ). Sie orientierten sich an relevanten fremdsprachendidaktischen Theorien (siehe oben), empirischen Forschungsergebnissen zu erfolgreichem Lehrerverhalten (Haag et al., 2000 ) und zur effektiven Umsetzung kooperativen Lernens (Gillies, 2003 ; Johnson & Johnson, 1999 ; Lou, Abrami, Spence et al., 1996 ) und Techniken der Klassenführung, die im Training Kooperation im Klassenraum ( Johnson & Johnson, 1998 ) geübt werden. Von beiden Trainings wurde der Ansatz des Trainers als Modell für angemessenes Verhalten übernommen und die Herstellung einer vertrauensvollen Atmosphäre (vgl. Cooper & Boyd, 1998 ) bzw. eines „Schonraums“ ( Jürgens, 1983 ), in dem neues Verhalten gelernt werden kann. <?page no="236"?> 236 Gesa F. Heinrich Eine detaillierte Beschreibung des Lehrertrainings für kooperatives Sprachlernen findet sich in Heinrich ( 2015 ). 3 Die Evaluation von Fortbildungen für kooperatives Sprachlernen 3.1 Evaluation-- quantitativ, qualitativ oder beides? Evaluation liegt im Trend. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird fast jede Form von Gutachten als Evaluation bezeichnet (Stockmann & Meyer, 2014 ). Wissenschaftliche Evaluation ( evaluation ) bzw. Evaluationsforschung ( evaluation research ) lässt sich von Alltagsevaluation abgrenzen. Sie ist gekennzeichnet durch die Nutzung […] sozialwissenschaftliche Methoden, um einen Evaluationsgegenstand (z. B. ein Produkt oder eine Maßnahme) unter Berücksichtigung der relevanten Anspruchsgruppen (z. B. Patienten, Angehörige, Produktentwickler, Evaluationsauftraggeber) anhand bestimmter Evaluationskriterien (z. B. Akzeptanz, Wirksamkeit, Effizienz, Nachhaltigkeit) und Maßgaben zu ihren Ausprägungen zu bewerten. Die durch den Prozess der Evaluationsforschung im Ergebnis erlangte Bewertung soll in der Praxis unterschiedliche Evaluationsfunktionen erfüllen (z. B. Legitimations- oder Optimierungsfunktion), was eine aktive Evaluationsnutzung, d. h. ein praktisches Aufgreifen der laufenden und/ oder abschließenden Evaluationsergebnisse verlangt (z. B. unterstützt durch schriftliche Reports, mündliche Berichte und/ oder Workshops des Evaluationsteams für die relevanten Arbeitsgruppen) […] (Döring & Bortz, 2016: 979). Neben dieser Definition gibt es in der Fachliteratur weitere Definitionen von Evaluation sowie unterschiedliche Einteilungen in Ansätze, Modelle und Typen. Nach Döring und Bortz ( 2016 ) lassen sich vier Typen von Evaluationsstudien sowie weitere Mischformen auf der Grundlage von bestimmten Kennzeichen unterscheiden. Tabelle 3 stellt die vier Typen dar. Typ kennzeichen Beschreibung Selbstsowie interne und externe Fremdevaluation Rollen zwischen Evaluationsteam und Evaluierten Evaluation vom Entwickler selbst oder im Auftrag Dritter formative und summative Evaluation Evaluationsfunktion Optimierungsfunktion, Bewertung einzelner Aspekt; Legitimierungsfunktion, zusammenfassende Bewertung <?page no="237"?> kooperatives sprachlernen 237 Typ kennzeichen Beschreibung Konzept-, Prozess- und Ergebnisevaluation Evaluationsgegenstand; Zeitpunkt der Untersuchung Konzept, Durchführung und Wirksamkeit der Maßnahme prospektive, begleitende und retrospektive Evaluation Zeitpunkt der Studie Evaluation vor, während oder nach der Maßnahme Tabelle 3 Typen von Evaluationsstudien Daneben ist eine Klassifizierung in Bezug auf die wissenschaftstheoretische Grundlage nach quantitativen, qualitativen und integrativen bzw. Mixed-Methods Studien möglich. Diese Klassifizierung scheint jedoch an Bedeutung zu verlieren, da neuere Evaluationsstudien häufig auf Mixed-Methods Designs basieren (ebenda, 2016 ). In der Evaluationsforschung als Anwendungsforschung ist dieser Ansatz in zweierlei Hinsicht besonders lohnend. Zum einen ermöglicht die Vielzahl der Mixed-Methods Designs eine flexible und optimale Anpassung an die Evaluationsfragestellung. 1 Die Integration führt zum anderen zu umfangreicheren und mehrperspektivischen Forschungsergebnissen, die sich gegenseitig ergänzen. Die Vorteile quantitativer und qualitativer Methoden können durch die Integration genutzt und die jeweiligen Schwächen ausgeglichen werden (Stockmann & Meyer, 2014 ). Durch den Einsatz quantitativer Methoden steigt zum Beispiel die Möglichkeit der Generalisierung, größere Stichproben können untersucht und exakte Ergebnisse erzielt werden. Qualitative Verfahren ermöglichen wiederrum einen stärkeren Einbezug der individuellen Erfahrungen der einzelnen Untersuchungsteilnehmer und ein besseres Verständnis des sozialen Kontextes. 3.2 Erste Evaluation des Lehrertrainings für kooperatives Sprachlernen Evaluationen von Lehrerfortbildungen für kooperatives Sprachlernen sind eher selten. Es ist jedoch ein positiver Trend erkennbar. Wie die Fortbildungskonzeptionen passen sich auch die Evaluationen an die Interessen bzw. Forschungsfragestellungen der Evaluatoren an. Es gibt quantitative, qualitative und Mixed-Methods Evaluationen. Häufig handelt es sich um Selbstevaluationen und teilweise um externe Fremdevaluationen. 1 Die Festlegung des Untersuchungsdesigns ist abhängig von der Evaluationsfragestellung sowie methodischen und ethischen Überlegungen. In der Evaluationsforschung gelten die allgemeinen Prinzipen der Wissenschaftlichkeit sowie verbindliche Evaluationsstandards (Gesellschaft für Evaluation, 2008 ). <?page no="238"?> 238 Gesa F. Heinrich Die Studien weisen oft die Wirksamkeit einer Maßnahme in Bezug auf die Qualität (z. B. Krol et al., 2002 ) und die Häufigkeit der Umsetzung kooperativen Lernens (z. B. Ishler et al., 1998 ) sowie des Konzepts und der Durchführung der Maßnahme (z. B. Haag & Mischo, 2003 ) nach. Während sich einige Studien eher mit der Legitimation von Maßnahmen beschäftigen, zielen andere eher auf die Optimierung von Programmen durch den Blick auf Details, wie zum Beispiel die Konzeptionen kooperativen Lernens einzelner Lehrkräfte (z. B. Brody, 1998 ) ab. Andere wiederrum beziehen den sozialen Kontext als eine entscheidende Determinante zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens in die Studie ein (z. B. Schnebel, 2003 ) und verstehen die Implementierung als Teil von Schulentwicklung. Auf einer ähnlichen Sichtweise basiert auch die Pilotstudie zur Evaluierung des Lehrertrainings kooperativen Sprachlernens (Heinrich, 2015 ). Das Evaluationsdesign ist eine theoriegeleitete Mischform. Die theoretischen Grundlagen bilden forschungsbasierte Rahmenmodelle zur effektiven Umsetzung kooperativen Lernens (z. B. A. A. Huber, 1999 ). Diese sehen die Effektivität im Zusammenhang von kontextuellen, lehrer- und schülerseitigen Faktoren. Zur Evaluation wurde demgemäß die Theorie der geplanten Handlung von Ajzen ( 1991 ) herangezogen. Sie besagt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht erhöht, wenn es im Training gelingt, die Verhaltensabsicht der TeilnehmerInnen positiv zu beeinflussen. Die Verhaltensabsicht wird wiederum von den Einstellungen, den wahrgenommenen subjektiven Normen (das, was bedeutende andere erwarten) und den „äußeren“ (Rahmenbedingungen) und den „inneren“ Kontrollerwartungen (Selbstwirksamkeitserwartung) einer Person bestimmt. Die Kontrollerwartungen und die Verwendung kooperativen Sprachlernens können zudem direkt von den „Ist-Kontrollerwartungen“ in einer bestimmten Situation beeinflusst werden (Ajzen, 2006 ). Abbildung 2 stellt die Theorie modellhaft dar. Abbildung 2 Die Theorie der geplanten Handlung <?page no="239"?> kooperatives sprachlernen 239 Ziel der Evaluation war einerseits die Legitimation und andererseits die Optimierung der Lehrerfortbildung. Es sollte das Konzept, die Durchführung und das Ergebnis bewertet werden. In Anlehnung an die Forschungsergebnisse zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens und der Theorie der geplanten Handlung wurde drei Fragestellungen formuliert: 1. Welche Auswirkungen hat das Training auf die Kognitionen der Lehrkräfte? 2. Welche Auswirkungen hat das Training auf den Gebrauch der Lehrkräfte von kooperativem Sprachlernen im Englischunterricht? 3. Wie nehmen die Lehrkräfte die Qualität des Trainings wahr? Die abgeleiteten Variablen wurden quantitativ und qualitativ operationalisiert. Tabelle 4 zeigt die Variablen im Überblick. 1. Kognitionen Konzeption kooperativen Sprachlernens (qualitativ) Verhaltensabsicht (quantitativ) Einstellungen, Subjektive Normen, Kontrollerwartungen, Selbstwirksamkeitserwartung (quantitativ) Ist-Kontrollerwartungen (qualitativ) 2. Gebrauch kooperativen Sprachlernens Häufigkeit der Umsetzung (quantitativ) Qualität der Umsetzung, die die Instruktionsprinzipien und die Verwendung der deutschen Sprache (quantitativ) 3. Akzeptanz der Fortbildung Wahrgenommene Qualität jeder Trainingssitzung und der Nützlichkeit der Inhalte für die Umsetzung kooperativen Sprachlernens (quantitativ und qualitativ) Wahrgenommene Qualität der Trainings insgesamt (quantitativ und qualitativ) Tabelle 4 Übersicht der erhobenen Variablen Quantitative und qualitative Methoden wurden über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg integriert und im Zusammenhang interpretiert. Nach Kuckartz ( 2014 ) handelt es sich somit um ein komplexes Mixed-Method-Design mit einer Priorität auf quantitativen Methoden ( QUANT + qual). Das quantitative Erhebungsdesign ist quasi-experimentell. Daten zu den abhängigen Variablen wurden in einem nicht-randomisierten Zwei-Gruppenplan an drei Messzeitpunkten (Prätest, Posttest und Follow-up Test) von 19 Englisch- <?page no="240"?> 240 Gesa F. Heinrich lehrkräfte und 355 SchülerInnen erhoben. Elf Lehrkräfte gehörten zur Versuchsgruppe (VSG), acht zur Vergleichsgruppen (VGG). Die Lehrkräfte unterrichteten an vier niedersächsischen Schulen. An zwei dieser Schulen wurden identische Trainings durchgeführt. Fünf Lehrkräfte waren männlich und 14 weiblich. Das Alter lag zwischen 29 und 59 Jahren ( M = 44 . 21 , SD = 10 . 94 ). Die Berufserfahrung lag bei ein bis 37 Jahren ( M = 18 . 48 , SD = 13 . 93 ). Die SchülerInnen ( n VSG = 207 , n VGG = 148 ) gehörten zu jeweils einer Lerngruppe der beteiligten Lehrkräfte. Sie besuchten die Klassen 5 bis 11 . Die schriftlichen Befragungen der LehrerInnen und SchülerInnen wurden in der gleichen Woche durchgeführt. Die qualitativen Daten zu den Konzeptionen kooperativen Sprachlernens, den Ist-Kontrollerwartungen sowie der wahrgenommenen Trainingsqualität wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben und mithilfe der strukturierenden Inhaltsanalyse (Mayring, 2008 ) ausgewertet. Die schriftliche Erhebung der Konzeptionen kooperativen Sprachlernens erfolgte zum Prä-, Post- und Follow-up Test. Die Ist-Kontrollerwartungen wurden ein Jahr nach Trainingsende erhoben. Die Qualität des Trainings insgesamt wurde mit geschlossenen und offenen Items zum Posttest erhoben. Die Qualität der einzelnen Sitzungen (Inhalte und ihre Nützlichkeit für die Verwendung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht) wurden ebenfalls mit geschlossenen und offenen Items am Ende jeder Trainingssitzung schriftlich erfasst (vgl. Heinrich, 2015 ). 2 Effekte in die gewünschte Richtung ließen sich in allen Bereichen feststellen. Außerdem wurde die Qualität der Trainings hoch eingeschätzt (Heinrich, 2015 ). 3 Durch die Integration quantitativer und qualitativer Methoden ist es gelungen, die Effektivität der Fortbildung zu belegen und tiefere Einblicke in die Umsetzung zu gewinnen sowie konkrete Hinweise für deren Optimierung zu sammeln. Dies soll anhand der Ergebnisse zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens mit Bezug auf die Ergebnisse zur Häufigkeit und Qualität der Umsetzung sowie zu den Konzeptionen kooperativen Sprachlernens, den Ist- Kontrollerwartungen und Kommentaren zu einer Trainingssitzung verdeutlicht werden. Das Ziel der Pilotstudie war die Erhöhung und Verbesserung des Einsatzes kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht in der Sekundarstufe I und II durch das Lehrertraining für kooperatives Sprachlernen. Sowohl die deskriptiven als auch die inferenzstatistischen Auswertungen zur Häufigkeit und Qualität der Umsetzung belegen, dass dieses Ziel erreicht wurde. 2 Details zum Untersuchungsaufbau, den verwendeten Instrumenten und der Auswertung finden sich in Heinrich ( 2015 ). 3 Die Ergebnisse gelten jedoch nur für die Pilotstudie und können aufgrund methodischer Einschränkungen (z. B. Größe der Stichprobe und Gruppenzuordnung) nicht generalisiert werden. <?page no="241"?> kooperatives sprachlernen 241 Die Einschätzung der Häufigkeit der Umsetzung kooperativen Sprachlernens beruht auf den Schüler- und Lehreraussagen beider Gruppen. Die deskriptive Auswertung zeigte, dass Lehrer und Schüler der Versuchsgruppe die Umsetzung kooperativen Sprachlernens ähnlich wahrgenommen haben, wobei die Einschätzungen der Schüler ( M prä = 0 . 22 , SD = 0 . 18 ; M post = 0 . 43 , SD = 0 . 22 ; M fo-up = 0 . 26 , SD = 0 . 19 ) unter denen der Lehrer ( M prä = 0 . 25 , SD = 0 . 29 ; M post = 0 . 57 , SD = 0 . 32 ; M fo-up = 0 . 33 , SD = 0 . 28 ) lagen. Die Einschätzungen der Vergleichsgruppenlehrer und -schüler waren ähnlich zum Prä- und Posttest. Auch hier lagen die Schülereinschätzungen ( M prä = 0 . 33 , SD = 0 . 21 ; M post = 0 . 27 , SD = 0 . 19 ) unter denen der Lehrer ( M prä = 0 . 36 , SD = 0 . 23 ; M post = 0 . 36 , SD = 0 . 17 ). Zum Follow-up-Test lagen die Schülereinschätzungen ( M = 0 . 25 , SD = 0 . 21 ) über denen der Lehrkräfte ( M = 0 . 09 , SD = 0 . 12 ). Zum Prätest war die Häufigkeit der Umsetzung der Versuchsgruppe unter der der Vergleichsgruppe. Zum Post- und Follow-up-Test lag sie darüber. In beiden Gruppen stieg die Verwendung vom Präzum Posttest und sank vom Postzum Follow-up-Test (vgl. Abbildung 3 ). Abbildung 3 Häufigkeit der Umsetzung kooperativen Sprachlernens Die Ergebnisse der inferenzstatistischen Auswertung mittels zweier gerichteter Permutationstests deuteten ebenfalls darauf hin, dass die Verwendung kooperativen Sprachlernens in der Versuchsgruppe zum Post- und Follow-up Test höher war als in der Vergleichsgruppe. In dem zweiten Test wurden die Schüler- und Lehreraussagen gemittelt. Es ergaben sich 24 310 Permutationen. Davon hatten 177 eine größere Mittelwertsdifferenz als 0 . 800 : p = 177 / 24 310 = 0 . 007 . Die Effektstärken waren r s = 0 . 63 (prä/ post), r s = 0 . 37 (prä/ follow-up) und r s = 0 . 70 (prä/ post-follow-up). 4 4 Als Effektmaß dienten Spearman-Rangkorrelationen der Veränderung, d. h. die Differenz zwischen den Messzeitpunkten (Prä- und Posttest, Prä- und Follow-up Test, Prätest und der Mittelwert des Post- und Follow-up Tests) und der Zugehörigkeit zur Versuchsgruppe. <?page no="242"?> 242 Gesa F. Heinrich Die deskriptive Auswertung zur Qualität der Umsetzung zeigte, dass die Verwendung der Prinzipien kooperativen Sprachlernens in der Versuchsgruppe vom Prä- ( M = 0 . 47 , SD = 0 . 15 ) zum Posttest ( M = 0 . 68 , SD = 0 . 22 ) zunahm und zum Follow-up Test konstant ( M = 0 . 68 , SD = 0 . 20 ) blieb. Das sahen sowohl die Lehrer als auch die Schüler so, wobei die Schülereinschätzungen ( M prä = 0 . 44 , SD = 0 . 17 ; M post = 0 . 60 , SD = 0 . 04 ; M fo-up = 0 . 59 , SD = 0 . 12 ) unter denen der Lehrer lagen. In der Vergleichsgruppe war die relative Häufigkeit der Verwendung von Prinzipien zum Prätest ( M = 0 . 58 , SD = 0 . 26 ) höher als in der Versuchsgruppe und zum Post- ( M = 0 . 55 , SD = 0 . 23 ) und Follow-up Test ( M = 0 . 44 , SD = 0 . 17 ) niedriger (vgl. Abbildung 4 ). Abbildung 4 Verwendung von Prinzipien kooperativen Sprachlernens Die inferenzstatistische Prüfung mittels eines gerichteten Permutationstests auf der Grundlage der Lehrerdaten ergab, dass die Versuchsgruppe mehr Prinzipien kooperativen Sprachlernens zum Post- und Follow-up Test eingesetzt hatte, als die Vergleichsgruppe. Bei diesem Test gab es 75 582 Permutationen. Davon hatten 396 eine größere Mittelwertsdifferenz als 0 . 262 : p = 396 / 75 582 = 0 . 0052 . Die Effektstärken waren moderat r s = 0 . 43 (Prä- und Posttest) und stark r s = 0 . 77 (Prä- und Follow-up Test), r s = 0 . 62 (Prätest und Mittelwert aus Post- und Follow-up Test). Die qualitativen Ergebnisse zu den Konzeptionen kooperativen Sprachlernens bestätigen die quantitativen Ergebnisse zur Qualität der Umsetzung. Sie verdeutlichten, was genau die UntersuchungsteilnehmerInnen unter kooperativen Sprachlernen verstanden und welche Instruktionsprinzipien aus ihrer Sicht mehr oder weniger bedeutend waren. Die Konzeptionen kooperativen Sprachlernens wurden qualitativ zum Prä-, Post- und Follow-up-Test erhoben. Die Auswertung erfolgte mithilfe der strukkooperatives <?page no="243"?> sprachlernen 243 turierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ( 2008 ) sowie drei Chi²- Tests. Beim Vergleich der Daten vom Prätest zum Follow-up-Test ergab sich in der Versuchsgruppe insgesamt eine Veränderung von der technikorientierten ( n prä = 11 ) zur methodenorientierten Sichtweise ( n post/ fo-up = 7 ) kooperativen Sprachlernens. Während die meisten Trainingsteilnehmer kooperatives Sprachlernen als eine Methode definierten, betrachteten es die meisten Lehrer der Vergleichsgruppe zu allen Messzeitpunkten als eine Technik ( n prä = 7 ; n post = 7 ; n fo-up = 5 ). Die drei Chi²-Tests ergaben einen Zusammenhang zwischen der Definition von kooperativen Sprachlernen als Methode und der Zugehörigkeit zur Versuchsgruppe zum Posttest ( X 2 ( 1 , N = 17 , 8 . 33 , p < . 0039 ( p = . 05 ) und Follow-up-Test X 2 ( 1 , N = 14 , 7 . 02 , p < . 008 041 ( p = . 05 ). Zum Prätest ergab sich kein statistischer Unterschied in Bezug auf die Konzeptionen und die Gruppenzugehörigkeit X 2 ( 1 , N = 19 , 1 . 45 , p < . 228 305 ( p = . 05 ). Auffallend war, dass einige, zentrale Instruktionsprinzipien (z. B. positive gegenseitige Abhängigkeit) bei den Konzeptionen kooperativen Lernens häufiger genannt und genauer erklärt wurden als andere. Die systematische Vermittlung sozial-sprachlicher Kompetenzen wurde zum Post- und Follow-up Test von einigen Trainingsteilnehmerinnen zwar erwähnt, aber nicht genauer erklärt. Dieser Befund gewinnt mit Bezug auf die quantitativ-deskriptiven Ergebnisse zur Umsetzung kooperativen Sprachlernens, den Ist-Kontrollerwartungen und der Bewertung einer Trainingssitzung, in der die systematische Vermittlung sozial-sprachlicher Kompetenzen thematisiert wurde, an Bedeutung. Die deskriptive Auswertung zur Vermittlung sozial-sprachlicher Kompetenzen deutete darauf hin, dass sozial-sprachliche Kompetenzen sowohl in der Versuchsals auch in der Vergleichsgruppe zu allen Messzeitpunkten regelmäßig bis sehr regelmäßig strukturiert vermittelt wurden. In Bezug auf die Ist-Kontrollerwartungen wurden neben hinderlichen institutionellen Rahmenbedingungen (z. B. viel Vertretungsunterricht) die fehlenden sozial-sprachlichen Kompetenzen der Lernenden als besonders störend für die Umsetzung kooperativen Sprachlernens empfunden. Außerdem nahm eine Trainingsteilnehmerin die Vermittlung sozial-sprachlicher Kompetenzen als schwierig wahr. Aufgrund dieser Ergebnisse ist nicht klar, ob und wie sozial-sprachliche Kompetenzen vermittelt wurden. Für die Optimierung des Lehrertrainings lässt sich hieraus die Hypothese ableiten, dass die Förderung sozial-sprachlicher Kompetenzen vertieft und vereinfacht werden sollte. Um einen besseren Einblick in das tatsächliche Instruktions- und Sprachverhalten der Lehrkräfte zu erhalten, könnten zukünftige Studien videobasierte Anteile haben. Folgetrainings sollten außerdem mit einer größeren Stichprobe und Randomisierung evaluiert werden. Weiterhin sollte die Wirkung des Trainings auf den Lernerfolg der Lerner erhoben werden. <?page no="244"?> 244 Gesa F. Heinrich Literatur Ajzen, Izak (1991). 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Der Bereich der schriftsprachlichen Fertigkeiten im Englischunterricht der Grundschule wurde in diesem Feld lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt und es wurden Nachteile für den Schriftspracherwerb in der Erstsprache in Form von Interferenzen befürchtet (vgl. Bleyhl 2000 ). Dieser Bereich gewann in den letzten Jahren jedoch sowohl im wissenschaftlichen Diskurs der Fremdsprachendidaktik Englisch, als auch in den Curricula an Bedeutung. Seit die Forderung nach einem stärkeren Einbezug der schriftlichen Fertigkeiten beispielsweise im Bildungsplan Englisch für die Grundschule in Bremen im Jahr 2013 (vgl. Senatorin für Bildung Bremen 2013 ) dokumentiert wurde, stehen Lehrkräfte in der Pflicht, diese Fertigkeiten im Unterricht stärker zu fördern. Um dieser Forderung nachzukommen und aktuell unterrichtende Lehrkräfte zu unterstützen, wurde im Rahmen der Dissertationsstudie „Anbahnen von Schrift im Englischunterricht der Grundschule mithilfe von Phonics - Ein Ansatz für den Schriftspracherwerb in der Fremdsprache Englisch“ eine Lehrerfortbildung zur Förderung der schriftlichen Fertigkeiten mit Bremer Grundschullehrkräften durchgeführt und wissenschaftlich begleitet. Diese hatte zum Ziel, Gelingensbedingungen für den Einbezug der in der Fortbildung vorgestellten Übungen und Ideen aus der Perspektive der Lehrkräfte zu identifizieren. Im Rahmen dieses Artikels wird die Lehrerfortbildung als Format sowie das Fortbildungskonzept, wie es in der genannten Studie zum Einsatz gekommen ist, vor dem theoretischen Hintergrund von Erfolgsfaktoren gelingender Fortbildungen reflektiert und daraus Rückschlüsse auf die in der Studie gewonnenen empirischen Daten gezogen. Zunächst werden dazu die im Zusammenhang mit <?page no="250"?> 250 Alicia Jöckel der Studie relevanten theoretischen Hintergründe zu professionellen Entwicklungsprozessen im Zusammenhang mit Schule und Lehrenden dargelegt. 2 Professionsforschung und Lehrerfortbildungen Im Zusammenhang mit Schulentwicklungsbzw. Professionsforschung im Bereich der Lehreraus- und -fortbildung sind unter anderem die Innovations- und die Implementationsforschung maßgebend, welche sich mit den Umständen und dem Potenzial und der Notwendigkeit von Veränderungen im Kontext Schule beschäftigen (Schaumburg, Prasse/ Blömeke 2009 : 596 ). Moderne Interpretationen rational-struktureller Ansätze gehen nach Schaumburg et al. von einer „sorgfältigen Analyse interner und externer schulischer Bedingungen“ als Basis für eine individuell entwickelte Implementationsstrategie aus. Dennoch sind sie als „ top-down “ zu betrachten. Innovationsmodelle wie die Innovationsdiffusion nach Rogers hingegen betrachten das Individuum als zentralen Faktor für das Gelingen von Innovationen innerhalb komplexer und zeitintensiver Veränderungsprozesse ( 2003 , nach Schaumburg et al. 2009 : 597 ). Eine Innovation könne nach Rogers dann angenommen werden, wenn die Betroffenen einen „relativen Vorteil gegenüber bestehenden Praktiken“ sähen, die Innovation „kompatibel mit bestehenden Werten, Erfahrungen und Bedürfnissen des Individuums bzw. des sozialen Systems wahrgenommen“ werde, das gelieferte Wissen und Können nicht zu komplex für die Betroffenen sei, die Innovation gefahrlos erprobt und dessen positive Auswirkungen sichtbar seien, sodass die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Systems angeregt werde (vgl. Rogers 2003 , nach Schaumburg et al. 2009 : 598 ). Im Zusammenhang mit dem Gesamtsystem Schule sei demnach das komplexe Zusammenspiel einer Vielfalt von Faktoren und dessen Dynamik, Nicht-Linearität und Unvorhersehbarkeit der veränderlichen Prozesse zu berücksichtigen, die wesentlich durch die Einbindung und Übernahme von Verantwortung der am Innovationsprozess Beteiligten beeinflusst werde (Schaumburg et al. 2009 : 598 ). Tyack und Tobin beschreiben ebenfalls die schwer veränderlichen schulischen Organisationsprozesse und bezeichnen diese schwer veränderbaren Strukturen und das damit verbundene Erfahrungswissen, welches sich von Generation zu Generation weitertrage, als „ grammar of schooling “ (Tyack/ Tobin 1994 : 454 ). Obwohl Tyack und Tobin diese „ grammar of schooling “ systemisch denken, d. h. im Sinne einer Umwälzung der gesamten Schulstruktur, scheinen einige der Faktoren für oder gegen gelingende Schulentwicklungsprozesse auch auf Ebene des Unterrichts von Einzellehrkräften relevant zu sein. Ein als notwendig erachteter, von den Beteiligten wahrgenommenen Handlungsdruck und einen wahrgenommenen nennenswerten Vorteil gegenüber bewährter Praktiken <?page no="251"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 251 (vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 478 ). Dennoch seien Routinen in kulturell geprägten Kontexten wie Schulen zu träge, als dass alles Etablierte komplett negiert und durch vollständig andere und neue Praktiken ersetzt werden könnte (vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 478 ). Eine Erklärung für die Trägheit sehen Tyack und Tobin in der Funktionalität der bestehenden Routinen und im Abwägen von Kosten und Nutzen über den Status Quo und den erwarteten Mehrwert der Neuerungen (vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 456 , 476 ). Anhand von Daten aus empirischen Studien schlussfolgern sie, dass Ziele nur im Sinne von Rahmenvorgaben formuliert werden können, da einzelne Akteure diese kontextuell angepasst umsetzen und interpretieren würden (vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 478 ). Diese Ziele sollten stattdessen eher als Hypothesen betrachtet und anhand ihrer Effekte überprüft und präzisiert werden (vgl. ebd.). Ähnlich Senges Idee der gemeinsamen Vision von lernenden Organisationen müssten die vom Entwicklungsprozess Betroffenen „ shared beliefs “ besitzen, damit die „ grammar of schooling “ verändert werden könne (vgl. Senge 2003 : 326 ff, vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 478 ). Wie auch Tyack und Tobin enthält Senges lernende Organisation als Erfolgsfaktoren das Lernen im Team sowie die individuelle Selbstverbesserung, d. h. die Verbesserung der professionellen Fähigkeiten, sowie die mentalen Modelle, d. h. die gedanklichen, schwer veränderlichen Muster (vgl. Senge 2003 : 326 ff). Die mentalen Modelle seien während des Lernprozesses zu hinterfragen oder wie Tyack und Tobin bemerken: „ This would require not only questioning what is taken for granted but also preserving what is valuable in existing practice “ ( 1994 : 478 ). Das Denken in Systemen rundet Senges Modell der Lernenden Organisation ab, da ohne dieses der politische und kulturelle Kontext der Organisation, hier die Schule, und deren gesellschaftliche Einflüsse nicht vollständig erfasst würden (vgl. Senge 2003 : 326 ff). Unterrichtsentwicklungsprozesse als Bestandteil von Schulentwicklungsprozessen unterliegen demnach einem komplexen Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren und beteiligten Personen. Nach Rolff können Schulentwicklungsprozesse nur durch ein Zusammenspiel von Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung erfolgreich initiiert werden (vgl. Rolff 2007 : 26 ff). In Bezug auf die Studie zum Anbahnen von Schrift im Englischunterricht der Grundschule wurde die Einflussnahme bereits reflektiert und auf diese Weise das systemische Zusammenspiel zwischen den bestehenden Praktiken und dem damit einhergehenden Wissen auf unterrichtlicher, curricularer und bildungspolitischer Ebene näher beschrieben (vgl. Jöckel 2016 : 137 ff). Im Rahmen dieses Artikels werden hingegen stärker die Einflussfaktoren auf individueller professioneller bzw. unterrichtlicher Ebene der Lehrkräfte in den Blick genommen, auch wenn aus der systemischen Einbettung heraus nicht vollständig auf Verweise auf andere Ebenen verzichtet werden kann. Die bereits erwähnte Studie setzt auf der Ebene der <?page no="252"?> 252 Alicia Jöckel Personalentwicklung mithilfe einer Lehrerfortbildung an, da diese als zentral für die Initiierung von Schulentwicklungsprozessen eingestuft werden. Personalentwicklung beinhaltet nach Rolff unter anderem die Personalfortbildung sowie im pädagogischen Prozess zusätzlich die Weiterentwicklung der Lehrerpersönlichkeit, welche aufgrund der empirischen Datenlage in der vorliegenden Studie vorrangig von Interesse sind (vgl. Rolff 2007 : 26 ). Das Ziel, Lehrkräfte sollten eine language teaching awareness entwickeln und somit zum reflective practitioner werden, welcher sich „subjektive Theorien, Einstellungen und Wertzuschreibungen“ bewusst mache, gilt als Eigenschaft von guten Fremdsprachenlehrenden als erstrebenswert (vgl. Bach 2013 : 317 ). Laut Bach müsse die „verbreitete Annahme, dass Lehrverhaltensweisen nicht wirklich lernbar oder modifizierbar seien, sowie der bei erfahrenen Lehrkräften anzutreffende Zweifel, dass die Veränderung von Lehrverhalten auch strukturverändernde Wirkung haben [könne]“, im Sinne des lebenslangen Lernens nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Lehrkräfte gelten (Bach 2013 : 317 ). Durch Reflexion angestoßen sei es möglich, dass Lehrkräfte positive Auswirkungen auf ihre Motivation, die Kontrolle ihrer handlungsleitenden Überzeugungen, ihr Selbstkonzept und ihr Selbstwirksamkeitskonzept als Lehrpersönlichkeiten, ihre Berufszufriedenheit, ihre Wahrnehmung von Ressourcen, ihr Einschätzungsvermögen von Belastungen und der Beurteilung ihrer eigenen Kompetenz identifizieren (vgl. Bach 2013 : 319 ). Die Lehrerprofessionalität, so auch bei Combe und Kolbe zu finden, bedürfe daher einer kritischen Überprüfung berufsbezogener Erfahrungs- und Wissensbestände (vgl. 2008 : 872 ). Nach Mayr ist für Lehrkräfte und angehende Lehrkräfte zentral, sich der Merkmale ihrer Lehrerpersönlichkeit bewusst zu werden und Strategien zu entwickeln, diese Merkmale gewinnbringend, sowohl für den Lernzuwachs der Lernenden, als auch für ihre eigene Arbeitszufriedenheit, im Unterrichtsalltag einzusetzen (vgl. Mayr 2010 : 240 ff). An diesen Ausführungen wird deutlich, dass dem Individuum Lehrkraft eine zentrale Rolle zukommen muss, da sie das Unterrichtsgeschehen leitet bzw. moderiert. Zusätzlich wurde erläutert, dass das Individuum Lehrkraft sich in „Verstrickung“ mit seiner sozialen und kulturellen Umwelt befindet. Dieses komplexe Bedingungsgefüge und insbesondere die Möglichkeit, die Struktur einer „ grammar of schooling “ zu verändern, stellt Burow in seiner Theorie des kreativen Feldes in den Mittelpunkt von Schulentwicklungsprozessen. Wahre Kreativität, so Burow in Anlehnung an Bourdieu, entstehe nur in Feldern durch synergetische Effekte der beteiligten Menschen (vgl. Burow/ Hinz 2005 : 45 ). Diese Betroffenen können demnach nur gemeinsam die Routinen ihrer Organisation selbstgesteuert ändern, d. h. die Beteiligten müssen die Notwendigkeit für die Veränderung sehen und gleichberechtigt bearbeiten wollen (vgl. Burow/ Hinz 2005 : 48 ). <?page no="253"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 253 Das folgende Modell von Lipowsky verdeutlicht das komplexe Zusammenspiel der Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg von Lehrerfortbildungen (Lipowsky 2011 : 401 ff). Maßgebend sind die Fortbildenden und Teilnehmenden als zentrale Akteure sowie die Konzeption der Fortbildung selbst, aber auch der Schulkontext, d. h. das Kollegiumsgefüge sowie die Schulleitung und das Schulprogramm. Die Fortbildenden müssen nach diesem Modell ein geeignetes Maß an Wissen von der Fortbildungsmaterie, dazu zählen auch fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen, vorweisen. Darüber hinaus müssen Fortbildende eine hohe eigene Motivation und Begeisterungsfähigkeit für die Inhalte der Fortbildung sowie Innovationsfreude zeigen. Hinzu kommt die Fähigkeit, die Lerngelegenheiten in der Fortbildung angemessen planen, gestalten und durchführen zu können. Im Idealfäll können Fortbildende die teilnehmenden Lehrkräfte motivieren und kognitiv aktivieren, an die Vorerfahrungen der Teilnehmenden anknüpfen und sie den Zusammenhang zwischen Lehrer- und Schülerhandeln erleben lassen. Eine Fortbildung müsse angemessen auf die Voraussetzungen der Fortbildungsteilnehmenden eingehen, d. h. nicht nur deren Vorwissen aufnehmen, sondern auch Präkonzepte, deren Motivation für die Inhalte, deren Ausdauer und deren familiäre und berufsbiografische Situation eingehen. Nicht nur die teilnehmenden und die fortbildenden Personen, sondern auch die Konzeption der Fortbildung sowie die Wahrnehmung und Nutzung der Lerngelegenheiten beeinflussen die Wirksamkeit und den Erfolg von Fortbildungen. Die Fortbildungsdauer beispielsweise habe nur dann einen wesentlichen Effekt, wenn die lernenden Lehrkräfte Gelegenheiten zur Erprobung und Reflexion des eigenen Handelns bekommen. Das Fortbildungskonzept müsse außerdem Input -, Erprobungs- und Reflexionsphasen gleichwertig verschränken. Darüber hinaus sollten die Lehrkräfte in der Veranstaltung erfahren, dass sie von der Fortbildung profitieren, d. h. Selbstwirksamkeit erleben, was die persönliche Relevanz des Lerngegenstands und damit die Motivation und das Engagement erhöhe (vgl. Deci/ Ryan 1985 , nach Lipowsky 2010 : 53 , Lipowsky 2011 : 402 f). Hinsichtlich des Umfangs der Fortbildungsinhalte gebe es empirische Hinweise, dass es ein eher eng gefasster fachlicher Fokus den Teilnehmenden erleichtere, z. B. das fachdidaktische Wissen weiterzuentwickeln, sich mit konkreten Inhalten und Ereignissen auseinandersetzen, die ihnen im Unterrichtsalltag begegnen, sowie Lernschwierigkeiten der Lernenden zu erkennen. Des Weiteren müsse sich ein Fortbildungskonzept an Merkmalen lernwirksamen Unterrichts, z. B. inhaltliche Klarheit, Feedback , direkte Instruktion, eine gute Struktur sowie eine anspruchsvolle Fragekultur aus metakognitiven und kognitiven Fragen orientieren (vgl. Hattie 2009 , nach Lipowsky 2011 : 401 ff). Inhaltliche Klarheit als ein solches Merkmal zeichne sich durch verständliche Lehrersprache, Beschränkung auf inhaltlich Wesentliches, Wiederholung schwieriger <?page no="254"?> 254 Alicia Jöckel Aspekte, Veranschaulichung und variantenreiche Erklärungen, den Einsatz unterschiedlicher Darstellungsformen, schrittweises Vorgehen, Kohärenz, inhaltliche Korrektheit und Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse aus (vgl. ebd.). Des Weiteren wird Feedback an die Fortbildungsteilnehmenden als zentral angesehen, um Motivation und Engagement aufrecht zu erhalten (vgl. Lipowsky 2011 : 405 f). Die Wahrnehmung und Nutzung von Fortbildungsangeboten durch die Teilnehmenden, auch mit wohldurchdachtem und passend integriertem Feedback, stellt einen Einflussbereich von Fortbildungserfolg oder -misserfolg dar, der sich aufgrund der individuellen Lernbedingungen der Teilnehmenden diffus auffächert und daher schwer zu fassen ist. Diese Bedingungen sind geprägt von unterschiedlichen Beständen an Wissen, ihrem Können und den Überzeugungen zu ihrer Rolle im Klassen- und Schulkontext (vgl. Bromme/ Haag 2008 : 809 in Anlehnung an Shulman 1986 ). Die soeben beschriebenen Faktoren können den Erfolg oder Misserfolg der Fortbildung auf den drei Ebenen Wissen und Motivation der Fortbildungsteilnehmenden, Veränderung des Lehrerhandelns bzw. der Unterrichtsqualität und das Beeinflussen der Lernenden, z. B. deren Leistungen und Motivation beeinflussen (vgl. Lipowsky 2010 : 52 ff). 3 Die Lehrerfortbildung als Initiator zum Anbahnen von Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule Nachdem das lange vorherrschende Primat des Mündlichen im Englischunterricht der Grundschule in den letzten Jahren durch empirische Befunde dem behutsamen Einbezug der englischen Schriftsprache den Weg geebnet hat, stellt sich aktuell die Frage nach der Art und Weise, wie dies erfolgen kann. Studien wie beispielsweise von Reichart-Wallrabenstein ( 2004 ), Duscha ( 2007 ), Rymarczyk ( 2008 ), Treutlein ( 2011 ), Frisch ( 2013 ) und Gerlach ( 2013 ) haben deutlich gezeigt, dass sich die in mehreren Sprachen gleichzeitig entwickelnden schriftsprachlichen Fertigkeiten als nicht nachteilig für die Lernenden erweisen. Es zeigte sich dort, dass die englische Schrift, sofern sie strukturiert und systematisch einbezogen wird, nicht nur eine Merkhilfe darstellt, sondern besonders die fremdsprachliche Aussprache und das Leseverstehen fördert (vgl. Rymarczyk 2008 , Frisch 2013 ). Insbesondere sollen die schriftlichen Fertigkeiten nicht nur für leistungsstarke Lernende zugänglich gemacht werden, sondern gerade lernschwache und lese-rechtschreibschwache Lernende im Fremdsprachenunterricht Englisch durch gezielte schriftsprachliche Förderung unterstützt werden können (vgl. Gerlach 2013 ). Im Bundesland Bremen sieht der Bildungsplan für die Grundschule im Fach Englisch seit 2013 vor, Lesen und Schreiben verstärkt einzubeziehen. Dies solle <?page no="255"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 255 zunächst behutsam angebahnt, aber spätestens ab Jahrgangstufe vier explizit einbezogen werden (vgl. Senatorin für Bildung Bremen 2013 : 7 ). Die unterstützende Funktion der schriftlichen Fertigkeiten bleibt im Vergleich zur Vorversion zwar im Bildungsplan erhalten, dennoch besteht ein gewisser Handlungsdruck für Lehrkräfte, beispielsweise hinsichtlich der Gestaltung des fließenden Übergangs zur weiterführenden Schule, da dort die gleichwertige Förderung aller sprachlichen Fertigkeiten angestrebt wird (vgl. Thaler 2012 : 189 ff, 198 ff). Seit der Einführung des Studiengangs Englisch für die Grundschule im Jahr 2003 an der Universität Bremen unterrichten noch viele Lehrkräfte an Bremer Grundschulen fachfremd, d. h. diese Lehrkräfte haben ihre Qualifikation, Englisch zu unterrichten über Fort- und Weiterbildungen erworben. Sie unterrichten häufig stark lehrwerkorientiert und unter der Prämisse, so wenig Schrift wie möglich einzubeziehen, wie die teilnehmenden fachfremd unterrichtenden Lehrkräfte der Fortbildung zum Anbahnen der Schrift im Englischunterricht der Grundschule angaben. Die Anfänge des Englischunterrichts in der Grundschule setzten einen starken Schwerpunkt, nicht nur auf die mündlichen Fertigkeiten, sondern auch auf das Motivieren für (weiteres) Fremdsprachenlernen durch zahlreiche Spiele, Reime und Lieder (vgl. Böttger 2012 : 78 ff). Diese Grundlagen für den Englischunterricht an Grundschulen wurden zwar in den letzten Jahren nicht ad acta gelegt, jedoch wesentlich durch ergebnisorientierte Ziele wie den basalen Aufbau aller Fertigkeitsbereiche mit dem Ziel A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erweitert (vgl. Senatorin für Bildung Bremen 2013 : 12 ). Der Englischunterricht der Grundschule befindet sich darüber hinaus aktuell in der Pflicht, inklusiven Lernsituationen gerecht zu werden sowie die oft bekundete Uneinheitlichkeit im Hinblick auf die von den Lernenden zu erwartenden Leistungen am Ende der Grundschulzeit. Diese Überlegungen zum Kontext Bremen haben die inhaltliche Ausrichtung der Dissertationsstudie zum Anbahnen von Schrift im Englischunterricht der Grundschule mithilfe von phonics-informierten Verfahren geprägt. Die Studie legt den Schwerpunkt auf die Perspektive der Lehrkräfte, die vor der Aufgabe stehen, Lesen und Schreiben verstärkt einzubinden, aber noch Informationsbedarf haben, was die inhaltliche Ausgestaltung und die Unterrichtsmethoden betrifft. Die Bedingungen, unter denen aktuell unterrichtende Lehrkräfte an Bremer Grundschulen mithilfe der in der Fortbildung nahegebrachten Inhalte Lesen und Schreiben in ihren regulären Unterricht integrieren können, sind hier von besonderem Interesse, da sich die Lehrendenschaft aus den genannten Gründen als sehr heterogen darstellt. Um in einen Austausch mit Bremer Lehrkräften treten zu können, wurde deshalb eine Lehrerfortbildung zum Anbahnen des Lesens und Schreibens im Englischunterricht der Grundschule im Mai und Juni 2014 durchgeführt. <?page no="256"?> 256 Alicia Jöckel Bei der Konzeption der Fortbildungsveranstaltung musste berücksichtigt werden, dass unter den Lehrkräften noch Bedenken bestehen könnten, der Schriftspracherwerb Deutsch der Lernenden könne unter dem Einbezug der schriftlichen Fertigkeiten im Englischunterricht leiden, da diese Annahme bislang stark den Englischunterricht an Grundschulen, die Curricula und die fachdidaktische Forschung beeinflussten. Diesen möglichen Ängsten musste eine Fortbildungsveranstaltung unter Umständen angemessen begegnen, inhaltlich aufklären und Wege des Möglichen eröffnen. Darüber hinaus musste die Veranstaltung auf die Frage antworten liefern, wie genau Lesen und Schreiben methodisch und inhaltlich im Unterricht bearbeitet werden sollen und können, d. h. Methoden und Materialien mussten geliefert werden und den Lehrkräften musste Zeit zur ersten Sichtung und Erprobung gegeben werden. Des Weiteren wurde antizipiert, dass es sinnvoll sein würde, für alle Teilnehmenden schriftlinguistisches Fachwissen einzubeziehen um die Grundlage für den fachdidaktischen und methodischen Anschluss zu bilden. Des Weiteren wurde antizipiert, dass die Lehrkräfte aufgrund der freiwilligen Teilnahme ein grundsätzliches Interesse am Thema zeigen würden. Die Art der Präsentation und des Einbezugs der Lehrkräfte wurde darüber hinaus als zentral für die ausdauernde Motivation und das Engagement angesehen. Die Konzeption sollte daher inhaltlich und methodisch abwechslungsreich, aber nicht überladen sein, bei Bedarf flexibel auf konkrete Wünsche der Lehrkräfte reagieren und ansprechende Materialien liefern. Des Weiteren wurde angenommen, dass die teilnehmenden Lehrkräfte erfahren im Englischunterrichten sind, und ihrerseits viel vornehmlich implizites Handlungswissen durch zumeist langjährige Berufserfahrung besteht, das wertvoll in der Fortbildung genutzt werden könnte. Die durchgeführte Fortbildung bestand aus drei Sitzungen zu jeweils 2 Stunden, welche im Abstand von zwei Wochen stattfanden. Es nahmen 24 Lehrkräfte an der Veranstaltung teil. Die drei Sitzungen bauten inhaltlich aufeinander auf, beinhalteten jedoch auch rekurrierende, automatisierende und transferierende Elemente wie im Folgenden erläutert wird. Die erste Sitzung diente inhaltlich der Sensibilisierung der Lehrkräfte für das englische Schriftsystem, beinhaltete daher eine Input -, gefolgt von einer Übungsphase. Während der Übungsphase nahmen die Lehrkräfte einen Beispieltext aus dem Lehrwerk zur Hand und untersuchten die Graphemstruktur dieses Textmaterials auf der Basis eines aus England stammenden Lese- und Schreiblernrasters. Auf diese Weise erhielten die Lehrkräfte einen Eindruck davon, welche Grapheme des Englischen im erstsprachlichen Kontext als komplex oder weniger komplex eingestuft werden. Diese Einteilung stellt in Lese- und Schreiblehrgängen im erstsprachlichen Kontext das Referenzraster dar, nach der bestimmte Worte mit den Lernenden <?page no="257"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 257 nach und nach bearbeitet werden. Zunächst werden in diesen sogenannten Phonics-Programmen einfache Graphem-Phonem-Beziehungen bearbeitet (z. B. <s>, <a>, <n>), bevor Mehrgraphen (z. B. <oa>, <igh>), alternative Schreibweisen für ein Phonem (vgl. die Vokallaute in meet, niece oder tea ) oder unterschiedliche Aussprachevarianten eines Graphems (vgl. die Vokallaute in bear oder ear ) thematisiert werden. Diese Übung hatte zum Ziel, die schriftlinguistische Komplexität der in Englischlehrwerken enthaltenen Schriftsprache, z. B. in Arbeitsanweisungen und Beispielsätzen, einschätzen zu lernen und den Blick auf die Besonderheiten der englischen Schriftsprache zu lenken. Es bleibt anzumerken, dass dieses „Etikett“ der aus dem Programm Letters and Sounds (DfES 2007 ) entnommenen Phaseneinteilung, ob ein Graphem als komplex oder weniger komplex gilt, bisher nicht für Fremdsprachenlernende adaptiert wurde. Dennoch kann mit dem vorhandenen Material hinsichtlich der Sensibilisierung für die Inkonsistenzen des englischen Schriftsystems zielführend gearbeitet werden, da es das Bewusstsein auf diese Besonderheiten lenkt. Die Lehrkräfte wurden nicht dazu angehalten, diese Einteilung als Richtlinie zu verwenden, bestimmte Wörter in ihrem Fremdsprachenunterricht einzuführen oder zu vermeiden. Sie diente lediglich der Orientierung und der Sensibilisierung für die Schriftsprache. Für die Lehrkräfte wurde als wichtig erachtet, dass sie dieses sich entwickelnde Bewusstsein in ihren didaktischen Entscheidungen, geeignetes Textmaterial auszuwählen und mögliche Schwierigkeiten der Lernenden zu antizipieren, bestärkt und dass dieses handlungsleitend wirkt. Darüber hinaus wurde mit den Teilnehmenden gesammelt, welche Vorerfahrungen die Fremdsprachenlernenden im Schriftspracherwerb Deutsch bereits gemacht hatten, worauf im Englischunterricht aufgebaut werden könnte. Die Anregung wurde von den Lehrkräften aufgenommen und Überlegungen dazu angestellt, mit Laut-Buchstaben-Zuordnungen zu arbeiten. Hinsichtlich der Bearbeitung von Rechtschreibregeln wurden die Pluralbildung sowie die Arbeit mit Wortfamilien, mit Anlauten sowie der Betonung von Silben als relevante Aspekte der Gruppe im Schriftspracherwerb Deutsch angesprochen. Bereits bekannte Methoden und Materialien beispielsweise, das Vorwissen in Bezug auf die Verwendung von Schrift sowie die bestehenden Graphem-Phonem-Beziehungen und deren Gültigkeit für das englische Schriftsystem wurden von den Teilnehmenden herausgearbeitet. Die Lehrkräfte bekamen eine umfangreiche Handreichung ausgehändigt, die sowohl Informationen zum englischen Schriftsystem, als auch zahlreiche Unterrichtsvorschläge für konkrete Übungen und Materialien zum Einsatz im Unterricht enthielten. Sie erhielten am Ende der ersten Fortbildungssitzung den Auftrag, zwei Übungen auf der Ebene der Entwicklung phonologischer Bewusstheit (aus der Handreichung ersichtlich) in ihrem Unterricht zu erproben. <?page no="258"?> 258 Alicia Jöckel In der zweiten Sitzung lag der Schwerpunkt auf der Anknüpfung an den lehrwerkgestützten Englischunterricht. Zunächst berichteten die Lehrkräfte von ersten Erfahrungen mit Übungen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit. Mehrere Lehrkräfte berichteten positive Erfahrungen mit dem Spiel „ I spy with my little eye something that starts with … “. Nach Angaben der Lehrkräfte fanden die Lernenden selbst viele Wörter und die Lehrkräfte äußern, selbst überrascht gewesen zu sein, dass die Lernenden so viele Wörter gefunden hätten. Dieses Spiel sowie einige Kinderreime wie „ Incy Wincy Spider “ oder „ Hickory dickory dock “ wurden als erfolgreich, motivierend und interessant für die Lernenden eingestuft, z. B. in Verbindung mit bestimmten Gesten sowie bei der fremdsprachlichen Aussprache. Hinsichtlich des Inputs wurde den Teilnehmenden in dieser Fortbildungssitzung verschiedene linguistische Ebenen wie Anlaute und Silbenreime und die high frequency tricky words vorgestellt, welche bei der Auswahl von geeigneten Übungen zu beachten sind. Erstsprachliche Lese- und Schreiblehrgänge wie die Phonics- Programme integrieren die Arbeit mit der Schriftsprache nicht nur auf Graphem-Phonem-Ebene, sondern auch hinsichtlich größerer Einheiten wie Anlauten und Silbenreimen (vgl. in sing, ring und king oder light und bright ). In der englischen Schriftsprache führt die auch als „alphabetische Phase“ bekannte Verschriftlichung von gesprochener Sprache aufgrund von eingeführten regulären Graphem-Phonem-Beziehungen seltener zur korrekten englischen Schreibweise, als dies für die deutsche Sprache der Fall ist (vgl. Frith 1985 , nach Füssenich/ Löffler 2005 : 74 ). Darüber hinaus werden mit Beginn des Lesen- und Schreibenlernens im erstsprachlich englischen Unterricht high frequency tricky words eingeführt, eine feste Auswahl an häufig in Kinderliteratur vorkommenden Wörtern wie Artikeln oder Pronomen (wie the, to, you ), die von den zunächst eingeführten regulären Graphem-Phonem-Beziehungen abweichen. Sie ermöglichen jedoch den Einbezug von Erstleselektüren und kindgerechten Geschichten. Die aus dem Anfangsunterricht Deutsch bekannte tendenziell lineare Vorgehensweise beginnend mit dem „lautgetreuen“ Lesen oder Verschriften von Wörtern hin zum graduellen Einbezug von Rechtschreibregeln erfolgt also im erstsprachlich englischen Lese- und Schreibunterricht aufgrund der Inkonsistenzen der englischen Schriftsprache nicht. Stattdessen sehen Schriftspracherwerbsprogramme vor, mehrere Strategien der Lernenden parallel von Beginn an zu entwickeln. Daraus ergibt sich auch für Fremdsprachenlernende die didaktische Konsequenz für die erfolgreiche Nutzung der englischen Schriftsprache, mehrere Strategien parallel entwickeln zu müssen, auch wenn sie bereits Vorerfahrungen mit einer Schriftsprache gesammelt haben (vgl. Ziegler/ Goswami 2005 : 18 ). Aus diesem Grund wurden die verschiedenen relevanten Ebenen, die Graphem-Phonem, die Anlaut-Silbenreim, die Wortebene und die Ebene der gram- <?page no="259"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 259 matischen Morpheme innerhalb von Inputphasen in die Fortbildung integriert und auf diesen Ebenen mögliche Übungen vorgestellt (für eine Übersicht möglicher Übungen vgl. Jöckel 2015 : 31 ff). In dieser Fortbildungssitzung wurde besonderes Augenmerk auf die Anlaut-Silbenreim-Ebene sowie die Wortebene gelegt. Mithilfe eines Beispieltexts aus einem bekannten Lehrwerk wurden die Lehrkräfte dazu motiviert, die sogenannten high frequency tricky words (z. B. the, to, go, my ) zu identifizieren und mögliche Übungen zu deren Festigung entweder mithilfe der Handreichung auszuwählen oder auch eigene zu entwickeln. Die Lehrkräfte arbeiteten mithilfe der Lehrwerktexte ebenfalls den Unterschied zwischen Silbenreim und lautlichem Reim heraus ( rime vs. rhyme ), identifizierten diese in den Beispieltexten und schärften somit ihr eigenes Bewusstsein für die Besonderheiten der englischen Schriftsprache. Die dritte Fortbildungssitzung diente einerseits der Vertiefung und Festigung des Inputs sowie der daraus resultierenden didaktischen Konsequenzen. Andererseits wurde in dieser Sitzung die Anbindung der Übungen und Materialien an die Arbeit mit Kinderbüchern als einem weiteren zentralen Element des Englischunterrichts an Grundschulen diskutiert. Die Lehrkräfte brachten, zusätzlich zu von der Konzeption eingebrachten Ideen, eigene Vorschläge für Kinderbücher, mit denen sie selbst bereits arbeiten oder gerne arbeiten würden, in die Fortbildungssitzung mit und analysierten mithilfe der Fortbildenden den sprachlichen Anspruch des Buches, identifizierten Anknüpfungspunkte auf verschiedenen linguistischen Ebenen und wählten aus den Übungen eine mögliche aus, um einen spezifischen schriftsprachlichen Aspekt zu fördern. Den Lehrkräften wurden darüber hinaus Phonic Readers als Mischform zwischen einer Reflexion über die Schriftsprache und der Arbeit mit Kinderbüchern vorgestellt (z. B. Oxford Reading Tree ). Diese im Zusammenhang mit den Phonics-Programmen z. B. im Vereinigten Königreich eingesetzten Erstleselektüren orientieren sich sprachlich an der bereits erwähnten gestuften Komplexität hinsichtlich der Struktur der Schriftsprache und ermöglichen somit motivierende Erstleseerfahrungen im erstsprachlichen Anfangsunterricht. Im Fremdsprachenunterricht könnten diese Lektüren den Blick der Lernenden auf schriftsprachliche Aspekte richten und gleichzeitig Bekanntes und Bewährtes, die Arbeit mit Kinderliteratur, integrieren (vgl. dazu auch Frisch 2014 : 29 ff). In dieser Sitzung wurde erneut Raum zum Austausch der Lehrkräfte untereinander, sowie mit den Fortbildenden zu weiteren Erfahrungen mit den Materialien, aber auch zu Ideen für die Arbeit mit Kinderliteratur, gegeben. Der Abschluss der Fortbildungsveranstaltung in dieser Sitzung diente nochmals der Wiederholung und Festigung der schriftlinguistischen Inhalte und didaktischen Schlussfolgerungen, sodass die Lehrkräfte die souveräne Auswahl inhaltlich korrekter und diagnostisch angemessener Übungen mehr und mehr automati- <?page no="260"?> 260 Alicia Jöckel sieren und sich somit ihr Mehraufwand für diese Zusatzübungen reduzieren könnte. Die Arbeitsnotizen der Lehrkräfte sowie die vorgestellten Anregungen für den Unterricht geben Hinweise darauf, dass der starke Schwerpunkt auf die Sicherung der linguistischen Inhalte in den ersten beiden Sitzungen sinnvoll und notwendig waren, damit die Lehrkräfte diese nachfolgend für didaktischmethodische Rückschlüsse angemessen nutzen können. Am Beispiel einer Seite aus dem Kinderbuch „ From tadpole to frog “ führten zwei Lehrkräfte zunächst eine schriftlinguistische Analyse durch, um einfache und komplexe Grapheme zu identifizieren. Sie identifizierten dort korrekt verstärkt Graphem-Phonem- Beziehungen wie in den Wörtern whistle, mates oder stretching , die laut dem Programm Letters and Sounds erst etwa im dritten Lernjahr des Schriftspracherwerbs von Erstsprachenlernenden eingeführt würden (aufgrund von geteilten Digraphen sowie grammatischen Morphemen). Sie schlossen daraus, dass das Buch „sehr anspruchsvolles Vokabular“ enthalte und sich daher Aufgaben zum Bewusstmachen dieser Wörter z. B. in Gruppenarbeit eignen könnten. Die Lernenden könnten ihrer Einschätzung nach mithilfe von Postern Besonderheiten in Wörtern sammeln oder mithilfe des Spiels Bingo bestimmte Graphem-Phonem-Beziehungen üben. Das spiralförmige Wiederaufgreifen der linguistischen Inhalte im Ablauf der Fortbildungssitzungen und das Finden möglicher Anknüpfungspunkte stellten ein zentrales Anliegen der Veranstaltung dar, da davon ausgegangen wurde, dass die Lehrkräfte selbst genug Unterrichtserfahrung mitbringen würden, als dass Sie grundlegende Hilfe bei der methodischen Umsetzung brauchen könnten. Dennoch wurde darauf geachtet, Vorschläge für konkrete Übungen zu liefern und gemeinsam zu analysieren. Die Lehrerfortbildung wurde zur Beantwortung der Frage nach den Gelingensbedingungen für den Einbezug phonics -informierter Übungen zum Anbahnen von Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule durch die Erhebung von Fragebogendaten und Interviewdaten wissenschaftlich begleitet. Der erste Fragebogen erhob die Vorerfahrungen und das professionelle Vorwissen der Lehrkräfte in Bezug auf den Schriftspracherwerb Deutsch sowie auf den Englischunterricht generell und den damit bisher erfolgten Einsatz der Schrift bezogen. Der zweite Fragebogen erhob Anknüpfungspunkte aus Sicht der Lehrkräfte an ihren aktuellen Englischunterricht in Bezug auf Prinzipien, Methoden und Materialien ihrer aktuellen Handlungspraxis. In Fragebogen drei wurden schließlich Hinweise auf Erfolgsfaktoren für den dauerhaften Einbezug der vorgestellten Übungen im laufenden Unterricht der Lehrkräfte erhoben. In den ca. vier bis sechs Wochen nach Ende der Fortbildungsveranstaltung durchgeführten qualitativen Interviews wurden die Lehrkräfte mit ersten Ergebnissen der Fragebögen konfrontiert und um eine <?page no="261"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 261 Einschätzung gebeten, inwiefern der langfristige Einbezug der Fortbildungsinhalte aus ihrer Sicht realistisch erscheint. Dieses Vorgehen ermöglichte es, mit den Lehrkräften in einen intensiven Austausch über die Fortbildungsinhalte und ihre individuellen Unterrichtsbedingungen zu treten. 4 Kontextabhängige Faktoren für Erfolg und Misserfolg der Fortbildung zum Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule in Bremen Die Studie zum Anbahnen von Schrift im Englischunterricht der Grundschule geht in Anlehnung an die oben genannten theoretischen Grundlagen davon aus, dass sich Veränderungsprozesse an Schulen, nicht „ top-down “ initiieren lassen (vgl. Tyack/ Tobin 1994 , Lipowsky 2011 , Burow/ Hinz 2005 ). Die Lehrkräfte und deren Sichtweise als Individuen werden als zentral erachtet und deren Perspektive und Expertise als Ausgangspunkt genommen (vgl. Schaumburg et al. 2009 : 597 ). In Anlehnung an Tyack und Tobin’s Vorstellung von gelingenden Reformen wurden die Inhalte in der Lehrerfortbildung der Studie als Rahmenrichtlinie für die teilnehmenden Lehrkräfte vermittelt (vgl. 1994 : 478 ). Die Lehrkräfte wurden in ihrer Expertise des Unterrichtens einbezogen, um die inhaltlichen und methodischen Vorschläge zu interpretieren, analysieren und auf der Basis ihres Erfahrungswissens zu erproben und gegebenenfalls zu adaptieren. Insbesondere konnte ihre Erfahrung im Anfangsunterricht Deutsch sowie im Englischunterricht genutzt und daran inhaltlich angeschlossen werden. Hinsichtlich der Diagnosefähigkeiten bezüglich der Leistungen der Lernenden sowie der methodischen Machbarkeit wurde ebenfalls davon ausgegangen, dass die Lehrkräfte viel Erfahrung, wenn auch implizit, in die Veranstaltung einbringen können würden. Aus diesen Gründen wurde im Fortbildungskonzept ein kleinschrittiges Vorgehen zum Anknüpfen an bewährte Praktiken gewählt. Dies diente dem Bewusstmachen ihrer alltäglichen Handlungspraxis und zielte somit auf das erleichterte Anknüpfen der neuen Ideen und Übungen aus der Fortbildungsveranstaltung ab. Die Studie setzte nach Senge auf der Ebene des Personal Mastery , der persönlichen Verbesserung des professionellen Handelns und Wissens, an und sah die an der Fortbildung teilnehmenden Lehrkräfte als reflective practitioners bzw. hielt die Lehrkräfte zur Reflexion ihrer Unterrichtspraxis an (vgl. Senge 2003 , Bach 2013 ). Die Konzeption der Fortbildung sah vor, durch die Erprobung der Unterrichtsideen in ihrem eigenen Unterricht zwischen den Fortbildungssitzungen ein Selbstwirksamkeitserleben zu ermöglichen und über diese Erfahrungen im Rahmen der Veranstaltung in einen Austausch mit anderen Lehrkräften zu gelangen. Auf diese Weise konnten die Lehrkräfte gemeinschaftlich ihre eigenen <?page no="262"?> 262 Alicia Jöckel Praktiken und das damit verbundene Wissen reflektieren, möglicherweise Synergieeffekte im Sinne Burows kreativen Feldes entstehen lassen und sie selbst konnten somit zur Weiterentwicklung der Basisideen zum Unterrichten des Lesens und Schreibens in der Fremdsprache beitragen (vgl. Burow/ Hinz 2005 ). Das gemeinschaftliche Analysieren vorgestellter Übungen und das Entwickeln eigenständiger abgewandelter Übungen als positives Veränderungselement des eigenen Unterrichts könnten sich als motivierend für die Arbeit in der Veranstaltung erweisen. Die kognitive Aktivierung und das Weiterentwickeln fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Wissensbestände und Konzepte wurden inhaltlich im Rahmen der Sensibilisierung für die englische Schriftsprache und daraus resultierender möglicher didaktischer Konsequenzen berücksichtigt. Die inhaltliche Ausrichtung ist zwar von den Teilnehmenden nicht selbstgesteuert gewählt worden, dennoch konnte für die Gruppe der Teilnehmenden ein gemeinsames Ziel und damit ein gemeinsamer Handlungsrahmen formuliert werden. Durch ihre freiwillige Teilnahme an der Veranstaltung zeigten sie neben dem inhaltlichen Interesse auch ihren Bedarf und ihre Motivation für Veränderungen in der eigenen Unterrichtspraxis. Die dreiteilige Fortbildung nahm darüber hinaus in jeder Sitzung Erfahrungen aus den Erprobungen mit ersten Übungen und Materialien in das Fortbildungsgeschehen auf und ließ Raum für kollegialen Austausch der Teilnehmerinnen untereinander. Der Austausch sollte nach Lipowsky (siehe oben) bei einer langfristig angelegten Fortbildungsveranstaltung, z. B. durch dauerhaft bestehende Lernteams sowie durch Coachings der Fortbildenden unterstützt werden, damit der gegenseitige Austausch nicht zufällig erfolgt oder gar negativen Einfluss auf Wahrnehmung und Nutzung der Lerngelegenheiten hat. Mithilfe der Informationen aus den Fragebögen zu den unterrichtlichen Vorerfahrungen sowie ihres Qualifikationshintergrundes wurde an die in der Gruppe bestehende langjährige Expertise mit dem Schriftspracherwerb Deutsch angeknüpft, bekannte Methoden auf ihre Kompatibilität mit dem Englischunterricht geprüft und davon ausgehend passende Übungen für den eigenen Englischunterricht und die aktuellen Lerngruppen gemeinsam erarbeitet. Auf fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Ebene wurde der thematische Schwerpunkt präsentiert und die didaktischen Konsequenzen sowie mögliche Übungen je nach linguistischem Fokus, d. h. Graphem-Phonem-Ebene, Morphemebene, Wortebene oder Anlaut- Silbenreim-Ebene passend ausgewählt oder (weiter)entwickelt. Somit erhielt die Veranstaltung einen eng gefassten fachlichen Fokus, bezog das Vorwissen der Teilnehmenden ein und versuchte die professionelle Relevanz zu verdeutlichen. Didaktisch-methodisch wurden durch teilnehmerzentrierte Arbeitsformen sowie Raum für Mitentscheidung hinsichtlich der Vertiefung der Inhalte Eigenschaften lernwirksamen Unterrichts in das Konzept der Fortbildungsveranstal- <?page no="263"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 263 tung integriert. Durch eine wertschätzende Diskurskultur wurden die ersten Erfahrungen mit den neuen Materialien und Übungen in der Fortbildungsgruppe geteilt und mehrfach Wiederholungen der Inhalte mit Anteilen neuer Inhalte, z. B. die Antizipation von Problemen in ihren Lerngruppen im Zusammenhang mit den Besonderheiten der englischen Grapheme, einbezogen und die Bedürfnisse der Lehrkräfte als fester Bestandteil der Fortbildung ernst genommen. Die Konzeption sah auf diese Weise eine Festigung bereits eingeführter Inhalte, z. B. des Unterschieds zwischen lautlichem Reim und Silbenreim, in verändertem Kontext vor, hier z. B. bei den Vorteilen für das Lesen beim Wiedererkennen von Silbenreimen. In Bezug auf die Merkmale lernwirksamen Unterrichts legte die Konzeption der Fortbildung besonderen Wert auf inhaltliche Klarheit durch den eng gefassten inhaltlichen Rahmen, beispielhafte Übungen und Materialien zum Lesen und Schreiben mithilfe von phonics -informierten Verfahren, sowie eine Struktur, die Inputsowie Festigungs- und Mitbestimmungsphasen gleichberechtigt einschloss. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass der Zeitpunkt, eine Fortbildung zum Thema Lesen und Schreiben im Englischunterricht anzubieten, passend gewählt werden konnte, da der Bildungsplan Bremen den stärkeren Einbezug der englischen Schrift vorsieht und die Lehrkräfte nach eigenen Aussagen der teilnehmenden Lehrkräfte entweder bereits die englische Schriftsprache in ihren Englischunterricht mit einbezogen oder den Bedarf danach sahen und aus diesem Grund an der Fortbildung freiwillig teilnahmen. Der Handlungsdruck schien also spürbar zu sein. Die dreiteilige Anlage der Fortbildungsveranstaltung über die Dauer von vier Wochen mit regelmäßigem Wiederaufgreifen des Vergangenen diente dazu, die Teilnehmenden mindestens für die Dauer der Fortbildungsreihe zur Auseinandersetzung mit den Inhalten zu motivieren. Nach den oben genannten Kriterien für eine voraussichtlich förderliche Fortbildungsdauer war die genannte Fortbildung zwar zu kurz angelegt, dennoch überstieg sie den Rahmen einer einmaligen Veranstaltung und konnte somit die oft kritisierten kurzlebigen Wirkungen von Einzelveranstaltungen zumindest laut den Aussagen der interviewten Teilnehmenden vermeiden. Da die Erhebung der Fragebogen- und Interviewdaten auf der Freiwilligkeit der Teilnehmenden basierte, kann im Rahmen der Studie eine Aussage anhand dieser freiwilligen, durch die subjektive Perspektive dieser Lehrkräfte beeinflussten Daten hinsichtlich der Wahrnehmung und Nutzung der Fortbildung getroffen werden. Die Ergebnisse müssen entsprechend vor dem Hintergrund der Freiwilligkeit und des qualitativen Charakters interpretiert werden. Dennoch berichteten die interviewten Lehrkräfte von einem veränderten Bewusstsein ihrerseits bei der Planung von Unterricht unter Einbezug der englischen Schriftsprache. Das Beispiel einer Lehrkraft in der Aussage eines qualitativen <?page no="264"?> 264 Alicia Jöckel Interviews macht besonders deutlich, dass die Veranstaltung ihr ermöglichte, zu reflektieren „ what is taken for granted “ bzw. die eigenen mentalen Modelle zu überdenken (siehe oben, vgl. Tyack/ Tobin 1994 : 478 , vgl. Senge 2003 : 326 ff). Sie berichtet davon, dass sie immer davon ausgegangen sei, dass Englisch eine „leichte Sprache“ sei und sie dies auch immer den Lernenden gegenüber postuliert habe. Durch die Fortbildung jedoch sei ihr bewusst geworden, dass dies hinsichtlich der Schriftsprache nicht stimme. Alle Interviewpartnerinnen äußerten, ihnen sei durch die Fortbildung bewusst geworden, dass das englische Schriftsystem durch seine Inkonsistenzen hinsichtlich der Graphem- Phonem-Beziehungen sehr komplex sei und sie demnach Schwierigkeiten mit besonderen Graphemen seitdem stärker zu antizipieren versuchen und diese dann mit den Lernenden im Sinne einer Reflexion über Sprache häufiger in den Unterricht einbinden. Die Frage nach den für die Lehrkräfte ersichtlichen nennenswerten Vorteilen gegenüber bewährten Praktiken muss ebenfalls mit Blick auf erste empirische Ergebnisse beantwortet werden. Das veränderte Bewusstsein für die Struktur der englischen Schriftsprache und die damit für Fremdsprachenlernende an deutschen Schulen bestehenden Herausforderungen im Englischunterricht wurde von allen interviewten Lehrkräften angesprochen und als positiv bewertet. Die Anpassungsleistung, selbst Anknüpfungspunkte im eigenen Unterricht finden und geeignete Übungen auszuwählen oder gar abzuwandeln, war für eine interviewte Lehrkraft ein im Alltag nicht zu leistender Aufwand, der ihrer Ansicht nach den Nutzen für ihren Unterricht nicht überstieg („Englisch ist bei uns nicht das wichtigste Fach“, Interview mit Lehrkraft P 28 ). Zwei der interviewten Lehrkräfte merkten an, dass ihnen der Einbezug erleichtert würde und sie es inhaltlich für sinnvoll hielten, wenn die Lehrwerkverlage die Schriftsprache bewusstmachende Übungen und Materialien in ihre Lehrwerke einarbeiten würden, da ihnen insbesondere die Vorteile für die Leseunterstützung sowie die Ausspracheverbesserung deutlich geworden seien. Im Tenor beurteilten die interviewten Lehrkräfte die Übungen und Materialien als sinnvolle Ergänzung und Verstärkung ihres aktuellen Unterrichts und äußerten den Willen, vier Wochen nach dem Ende der Fortbildung gefragt nach der Häufigkeit, mit der sie die kennengelernten Ideen nach Abschluss der Veranstaltung einbeziehen würden, die genannten Elemente im Sinne einer Sprachbetrachtung regelmäßig einbis zweimal im Monat integrieren wollen. Hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung, die bis zum Abschluss der Interviews bis etwa vier bis sechs Wochen nach dem Ende der Fortbildung erfragt werden konnte, berichteten die Lehrkräfte vornehmlich von Übungen zu besonderen Graphemen oder der Arbeit mit Kinderbüchern und einer Sammlung von Silbenreimen zur Förderung des Lesens. Die dauerhafte Nutzung der Fortbildungs- <?page no="265"?> Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? 265 inhalte im Unterricht der Lehrkräfte, die an der Veranstaltung teilnahmen, steht in einer Folgestudie noch aus. Im Rahmen dieser Studie kann zunächst zusammengefasst werden, dass die Lehrkräfte die gemeinsam analysierten Übungen und Inhalte auch nach ersten Erprobungen nach eigenen Angaben als sinnvoll empfunden sowie zumeist als leicht in ihren Unterricht integrierbar wahrgenommen haben. 5 Fazit Die Idee der Studie war es, Fremdsprachenlernenden an Schulen in Deutschland die Vorteile der Schriftspracherwerbszugänge im erstsprachlichen Kontext zugänglich zu machen. Diese erwarteten Vorteile, nämlich die Verbesserung der fremdsprachlichen Aussprache, die Erhöhung der Lesegeschwindigkeit sowie die Erarbeitung von Lese- und Rechtschreibstrategien für alle Lernenden, konnten bislang nur in Teilen empirisch für den fremdsprachlichen Zusammenhang bestätigt werden (vgl. Frisch 2013 , Piszczan 2014 ). Damit die Lernenden Lese- und Rechtschreibstrategien in der Fremdsprache entwickeln können und nicht ausschließlich auf ihre Gedächtnisleistung angewiesen sind, müssen Lehrkräfte diese zu fördern imstande sein. Bei der Förderung schriftsprachlicher Fertigkeiten bestehen jedoch Unterschiede in verschiedenen Wissens- und Könnensbereichen der Lehrkräfte, zum einen hinsichtlich des linguistischen Fachwissens und zum anderen hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise seitens der Lehrkräfte sowie bei der Diagnose möglicher Schwierigkeiten der Lernenden. Aus diesem Grund wurden die Übungen und Materialien aus dem Schriftspracherwerb in England an die Bedürfnisse der Fremdsprachenlernenden angepasst und im Rahmen einer Lehrerfortbildung Lehrkräften in Bremen vorgestellt und mit diesen gemeinsam weiterentwickelt. Die Vorannahme war, dass Lehrkräfte viel implizites Handlungswissen aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung besitzen und dies innerhalb einer Fortbildungsveranstaltung zu Synergien bezüglich eines neu zu entwickelnden Unterrichtsbereichs führen könnte mit dem Ziel der Weiterentwicklung. Das Konzept der Fortbildung verschränkte daher linguistisches Fachwissen und daraus resultierende didaktische Konsequenzen mit dem Handlungswissen der Lehrkräfte, vor allem hinsichtlich ihrer Vorerfahrung mit dem Englischunterricht sowie ihrer Einschätzung von Lerngruppen. Die Fortbildung hielt die Lehrkräfte an, ihr Erfahrungswissen aus ihrem Deutschunterricht hinsichtlich des Schriftspracherwerbs zu reflektieren und auf diesem für den Englischunterricht aufzubauen. Im Sinne eines Spiralcurriculums wurde wiederholt Input zum englischen Schriftsystem eingepflegt, bekannte und bewährte Unterrichtsmethoden und -materialien analysiert und Anknüpfungen mit den neuen Übungen und <?page no="266"?> 266 Alicia Jöckel Materialien zum Anbahnen der Schrift vorgenommen, insbesondere bei der Arbeit mit Kinderbüchern sowie dem Lehrwerk. Die empirischen Daten der Fragebögen und qualitativen Interviews deuten darauf hin, dass der Erfolg dieser Fortbildung von mehreren Faktoren maßgebend beeinflusst wurde. Einerseits scheint die wahrgenommene Relevanz des Themas im individuellen Berufskontext ein motivationaler Türöffner zu sein. Andererseits scheint eine Art der Kommunikation der fortbildenden Personen, die die Lehrkräfte die Wertschätzung ihrer Erfahrung und ihres Wissens und gleichberechtigte Machtverhältnisse zwischen den Beteiligten in der Veranstaltung erfahren lässt, zentral zu sein, um das wertvolle Erfahrungswissen zum einen bewusst machen und zum anderen synergetisch in den Fortbildungsprozess einfließen lassen zu können. Dies entsprach in der Studie einer Gratwanderung, da dem Wunsch der Lehrkräfte, Materialien für die Förderung schriftlicher Fertigkeiten zu erhalten, einerseits entsprochen wurde, ihnen andererseits in dieser Fortbildung die Mitverantwortung für die Weiterentwicklung ihres Unterrichts übertragen wurde und sie somit die Unsicherheit, „unfertige“ Ideen kennen zu lernen, aushalten mussten. Das ambitionierte inhaltliche Ziel der Veranstaltung war es, den Prozess von der Identifikation des schriftsprachlichen Niveaus in Unterrichtsmaterialien zur didaktischen Konsequenz der relevanten Inhalte für die entsprechende Lerngruppe und schließlich zur Auswahl angemessener Übungen und Materialien für den Unterricht zu gelangen. Dieser Automatisierungsprozess scheint jedoch auch von äußeren Faktoren, wie dem Schulkontext entstammende, welche beispielsweise das Fach Englisch weniger im Vergleich zu anderen Fächern priorisieren, beeinflusst zu werden und entsprechend nicht abgeschlossen zu sein. Im Rahmen einer Fortbildung und dem hier ausgeführten individuumsbezogenen Kontext spielen also zunächst die sorgfältige Konzeption sowie die fortbildenden Personen eine zentrale Rolle, um die Initialzündung der Innovation im Unterricht zu gewährleisten sowie den „Habitus des sich ständig selbst Hinterfragens“ als reflective practitioners unter Lehrkräften zu implementieren (vgl. 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Das titelgebende Zitat dieses Beitrags stammt von Elisabeth 1 , einer Englischlehrerin und Studentin des Fern-/ Kontakt-Masterstudiengangs ‚E- LINGO - Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens‘. Ihre Einschätzung bezieht sich auf die Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von Aktionsforschungsprojekten, die sie im Rahmen ihres Studiums gemeinsam mit ihrer Teampartnerin Clarissa durchgeführt hat. Aktionsforschung ist fester Bestandteil der Englischlehrerausbildung in E- LINGO . Das übergeordnete Ziel ist dabei die theoriegeleitete, reflektierte Erforschung des eigenen Unterrichts, um diesen zu verbessern (vgl. Altrichter & Posch 2007 : 13 ). In E- LINGO werden insgesamt drei Aktionsforschungsprojekte bzw. Classroom Action Research Projects ( CARP s) zu vorgegebenen Rahmenthemen bearbeitet (vgl. Schocker-von Ditfurth 2008 b). Während einer zweijährigen Begleitforschung habe ich in Form einer qualitativ-explorativen Studie die Lern- und Entwicklungsprozesse von zwölf (angehenden) Englischlehrerinnen 2 untersucht (vgl. Benitt 2015 ). In diesem Beitrag soll ein Teilaspekt meiner Studie näher betrachtet werden: das Konzept des professionellen Selbstvertrauens. Elisabeths Feststellung, dass Aktionsforschung nicht so ‚wissenschaftlich und unmöglich‘ sei, wie sie im Vorfeld angenommen hatte, ist höchst interessant: Zunächst einmal gibt die Aussage Aufschluss über Elisabeths Auffassung von Forschung bzw. Aktionsforschung. Des Weiteren lassen sich Vermutungen darüber anstellen, wie sie ihre Rolle als Lehrerin wahrnimmt und ihre eigenen Kompetenzen einschätzt (siehe Abschnitt 4 ). Ziel dieses Beitrags ist es, die verschiedenen Facetten des 1 Die Namen der Studienteilnehmerinnen (alle weiblich) wurden geändert 2 In diesem Beitrag ist im Kontext von E-LINGO von (angehenden) Lehrerinnen die Rede. Während einige Studierende bereits mehrere Jahre als Englischlehrerinnen gearbeitet hatten, kamen andere aus gänzlich anderen Tätigkeitsfeldern und hatten keinerlei Berufserfahrung im Englischunterricht der Primarstufe. <?page no="270"?> 270 nora Benitt Begriffs des beruflichen Selbstvertrauens im Detail zu betrachten und mit Datenbeispielen aus der o. g. Studie zu veranschaulichen. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Mittelpunkt: Welche Rolle spielt Aktionsforschung für das berufliche Selbstkonzept der (angehenden) Lehrerinnen? Welche Faktoren beeinflussen das Vertrauen der Lehrkräfte in ihre eigenen pädagogischen, methodischen, fachdidaktischen und sprachlichen Handlungskompetenzen? (Wie) kann berufliches Selbstvertrauen in der Aus- und Fortbildung von Fremdsprachenlehrkräften systematisch gefördert werden? Der Beitrag gliedert sich in vier Hauptabschnitte. In Abschnitt 2 wird zunächst die Rolle der Aktionsforschung in der fremdsprachlichen Lehrerbildung erläutert. Darüber hinaus wird der Forschungskontext, d. h. der Masterstudiengang E- LINGO , vorgestellt. Im nächsten Schritt (Abschnitt 3 ) widme ich mich dem Konstrukt des beruflichen Selbstvertrauens aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln und nähere mich einer Definition für den Kontext der fremdsprachlichen Lehrerbildung an. In Abschnitt 4 werden beispielhaft Datenauszüge aus meiner Studie (vgl. Benitt 2015 ) besprochen, die im Zusammenhang mit dem Konstrukt des beruflichen Selbstvertrauens der (angehenden) Englischlehrerinnen stehen. Schließlich werden in Abschnitt 5 die zentralen Punkte des Beitrags zusammengefasst. 2 Aktionsforschung in der fremdsprachlichen Lehrerbildung Bevor ich mich der Rolle von Aktionsforschung im Kontext der fremdsprachlichen Lehrerbildung zuwende, soll einführend der Begriff ‚Aktionsforschung‘ erläutert werden. Eng mit der Aktionsforschung verwandte bzw. teilweise synonym verwendete Termini sind Lehrerforschung, Handlungsforschung, Lehrerhandlungsforschung, Praxisforschung, Klassenforschung oder die englischen Begriffe action research bzw. classroom action research . All diese Begriffe haben gemeinsam, dass sie sich auf Forschung beziehen, die aus der Praxis und für die Praxis generiert wird. Burns ( 2010 : 2 ) fasst die zentralen Merkmale von Aktionsforschung wie folgt zusammen: " [Action research] involves taking a self-reflective, critical and systematic approach to exploring your own teaching contexts ". Der Einsatz von Aktionsforschung als Instrument zur professionellen Entwicklung ist nicht neu, sondern bereits seit etwa Mitte der 1980 er Jahre in der fremdsprachlichen Lehrerbildung etabliert. Das aus der Soziologie bzw. Sozialpsychologie stammende Instrument wurde entwickelt, um soziale Situationen jeglicher Art - wie zum Beispiel eine Lehr- und Lernsituation - zu verstehen und zu verbessern (ebd.). Aktionsforschung ist mittlerweile weitgehend als Forschungsansatz anerkannt und es existieren zahlreiche Publikationen, die sich der Thematik widmen. Darunter finden sich praktische Anleitungen für <?page no="271"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 271 Lehrkräfte (z. B. Altrichter & Posch 2007 ; Burns 2010 ; Parsons & Brown 2002 ), Handbücher (z. B. Noffke & Somekh 2009 ) und Fachzeitschriften (z. B. Educational Action Research ). Allerdings ist der Einsatz von Aktionsforschung in der frühen Phase der fremdsprachlichen Lehrerbildung noch nicht ausreichend erforscht; es existieren nur wenige empirische Studien (z. B. Warneke 2006 ; Ado 2013 ; Ulvik 2014 ; Cabaroglu 2014 ; Benitt 2015 ), die sich den Herausforderungen und dem Potenzial von Aktionsforschung im Rahmen der Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften widmen. Durch Aktionsforschung haben Lehrkräfte die Möglichkeit, erfahrungsbasiert und forschend zu lernen (vgl. Schocker-von Ditfurth 2001 ) sowie Wissen aus ihrer eigenen Praxis zu generieren, das eine direkte Relevanz für ihren beruflichen Alltag hat. Dadurch werden sie zu ‚ agents of knowledge ‘ (Burns 2009 : 116 ) und können theoretisches und praktisches Wissen (vgl. Golombek 2009 ) miteinander verbinden. Zwar scheinen die Vorteile von Aktionsforschung auf der Hand zu liegen, dennoch bringen Vorbereitung, Umsetzung und Auswertung von Forschungsprojekten auch einige Herausforderungen mit sich. So stellen beispielsweise Parsons & Brown ( 2002 : 5 ) fest, dass viele Lehrkräfte den Begriff ‚Forschung‘ bzw. ‚Aktionsforschung‘ oft skeptisch betrachten, grundsätzlich ablehnen und/ oder missverstehen. Hancock listet in diesem Zusammenhang mögliche Gründe auf, die dazu führen, dass Lehrkräfte nicht mit Aktionsforschung arbeiten: • die fehlende Erwartung, dass Lehrkräfte ihre Erfahrungen erforschen und wissenschaftlich abhandeln sollten; • die anspruchsvolle Natur des Lehrberufs, der wenig Zeit und Energie für Forschung lässt; • das Fehlen beruflichen Selbstvertrauens sowie politischer und gesellschaftlicher Unterstützung; • die Unvereinbarkeit verfügbarer Forschungsmethoden mit der professionellen Arbeit im Klassenzimmer (vgl. Hancock 2001 : 127 ). Eine weitere Herausforderung, die mit Aktionsforschung einhergeht, steht im engen Zusammenhang mit den Aufgaben der Lehrkraft. Lehrkräfte, die Aktionsforschung im eigenen Unterrichtskontext betreiben, nehmen automatisch eine Doppelrolle ein - sie sind Lehrende und Forschende zugleich. Diese Tatsache ist nicht nur aus pragmatischen, sondern auch aus ethischen Gründen nicht unproblematisch (vgl. Burns 2010 : 1 ; Mockler 2014 ). Darüber hinaus ist die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Aktionsforschungsprojekten ein komplexer Prozess, der viel Zeit und Arbeit mit sich bringt. Die Unterstützung und Begleitung von Lehrkräften, die Aktionsforschung betrei- <?page no="272"?> 272 nora Benitt ben, ist deshalb gerade am Anfang wichtig (vgl. Bevins & Price 2014 ; Ulvik 2014 ). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es vielen Lehrkräften an Wissen über Aktionsforschung fehlt und sie aus Mangel an Erfahrungen und Berührungspunkten mit Forschung im Allgemeinen nicht ausreichend Selbstvertrauen für die eigenständige Durchführung eines Aktionsforschungsprojekts mitbringen. Darüber hinaus sehen viele keinen Mehrwert bzw. nicht die Notwendigkeit forschend tätig zu werden, da Forschung grundsätzlich nicht ihrem Aufgabengebiet zugeschrieben wird (vgl. Hancock 2001 ; Nunan 2006 ). Dennoch bringt der Aktionsforschungsansatz zahlreiche Vorteile mit sich und wird deshalb seit einigen Jahren im Rahmen des Masterstudiengangs E- LINGO als Professionalisierungsinstrument eingesetzt. Im Folgenden sollen die zentralen Merkmale von E- LINGO vorgestellt werden. 2.1 E-LINGO-- Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens Der Masterstudiengang E- LINGO , der von den Pädagogischen Hochschulen Freiburg und Heidelberg sowie der Justus-Liebig-Universität Gießen entwickelt wurde, dient der Aus- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften im Vor- und Grundschulunterricht. 3 E- LINGO ist angesichts des blended-learning Formats, d. h. einer Kombination aus Online- und Präsenzlernphasen, und aufgrund der integrierten Aktionsforschungsprojekte in festen Teams deutschlandweit einzigartig. Der Studiengang wurde bisher für die Sprachen Englisch und Französisch angeboten; die in diesem Beitrag vorgestellten Teilnehmerinnen sind ausschließlich (angehende) Englischlehrerinnen eines Jahrgangs. Eine weitere Besonderheit des Studiengangs ist die multimediale Lernplattform auf der Texte, Unterrichtsmaterialien, Studienratgeber und -richtlinien, Praxisvideos etc. für das Selbststudium bereitgestellt werden und den Studierenden über Chats , Foren und ein Online-Lerntagebuch diverse Möglichkeiten zum Austausch und zur Reflexion bietet (vgl. Kämmerer & Morkötter 2008 ). E- LINGO wurde gemäß der folgenden Leitprinzipien und Vermittlungsziele entwickelt: 1 . Kritische Reflexion von Erfahrungswissen, 2 . Erweiterung und Anpassung dieses Wissens durch die Auseinandersetzung mit Themen der aktuellen Forschungsdiskussion, 3 . Adaption einer theoriegeleiteten Perspektive bei der Analyse von Praxisbeispielen und Materialien, und 4 . Vermittlungskompetenz 3 Für eine detaillierte Diskussion des bildungspolitischen Hintergrundes, der der Genese von E-LINGO zugrunde liegt, und ausführliche Informationen zu den einzelnen Entwicklungsphasen des Studiengangs siehe Landesstiftung Baden-Württemberg, Legutke & Schocker-von Ditfurth ( 2008 ) und Zibelius ( 2015 ), Kapitel 4 . Der Studiengang befindet sich nach zweijähriger Unterbrechung zurzeit im Prozess der Umgestaltung und Reakkreditierung und wird ab Wintersemester 2016 / 2017 wieder angeboten. <?page no="273"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 273 bei der Durchführung von Aktionsforschungsprojekten im eigenen Lehr-/ Lernkontext (vgl. Schocker-von Ditfurth 2008 a: 28 f; Benitt 2014 : 44 ). Zur Vorbereitung dieser Forschungsprojekte formulieren die Studierenden zunächst eine Forschungsfrage und Hypothesen, setzen sich mit dem Lehr-/ Lernkontext auseinander, planen ihren Unterricht und entwickeln ihren Forschungsfragen und den Hypothesen entsprechende Indikatoren. Nach dem Unterricht, der kritischen Beobachtung der Unterrichtsprozesse sowie der Datensammlung werden die Erkenntnisse systematisch ausgewertet und in der nachfolgenden Präsenzphase vorgestellt (vgl. Schocker-von Ditfurth 2008 b: 73 f; Benitt 2014 : 45 ). Dieser komplexe Ablauf birgt, wie oben ausführlich diskutiert, Potenzial und Herausforderungen zugleich und regt verschiedene Lern- und Entwicklungsprozesse, unter anderem auf affektiver Ebene, an. Im folgenden Abschnitt steht das Konzept des beruflichen Selbstvertrauens im Mittelpunkt und soll aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und für den Kontext der fremdsprachlichen Lehrerbildung definiert werden. 3 Berufliches Selbstvertrauen Der Begriff des ‚beruflichen Selbstvertrauens‘ ( professional confidence ) ist noch nicht fest in der fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskussion etabliert (Freeman 2014 ). Auch in anderen Disziplinen herrscht Unklarheit die genaue Definition des Begriffs und die Abgrenzung zu anderen Konzepten betreffend. Der englische Terminus ‚ self-efficacy ‘ bzw. das deutsche Äquivalent der ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘ (Bandura 1997 ) bezeichnen gängige Konzepte in der Psychologie. Auch ‚ teacher efficacy ‘, im direkten Bezug auf Lehrkräfte, ist ein Begriff, der laut Schmitz & Schwarzer ( 2012 : 193 ) seit den 1970 er Jahren im US -amerikanischen Forschungsdiskurs verankert ist. Schwarzer und Jerusalem ( 2002 : 35 ) definieren Selbstwirksamkeit wie folgt: Selbstwirksamkeitserwartung wird definiert als die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungssituationen auf Grund eigener Kompetenz bewältigen zu können. Dabei handelt es sich nicht um Aufgaben, die durch einfache Routine lösbar sind, sondern um solche, deren Schwierigkeitsgrad Handlungsprozesse der Anstrengung und Ausdauer für die Bewältigung erforderlich macht. Die subjektive Einschätzung der eigenen Handlungsmöglichkeiten - und nicht die tatsächlichen Kompetenzen - ist demnach das Kernelement des Selbstwirksamkeitsprinzips. Eine hohe Selbstwirksamkeit entsteht, wenn sich eine Person in der Lage sieht, sich Dinge anzueignen und zu erlernen. Im Umkehrschluss ist bei einer Person, die nicht an die eigene Begabung oder Lernfähigkeit glaubt, die Selbstwirksamkeit schwach ausgeprägt. Schwarzer und Jerusalem ( 2002 : <?page no="274"?> 274 nora Benitt 37 ) heben hervor, wie wichtig eine hohe Selbstwirksamkeit für eine effiziente Selbstregulation ist: Selbstwirksamkeit bzw. optimistische Selbstüberzeugung stellt somit einen Schlüssel zur kompetenten Selbstregulation dar, indem sie ganz allgemein das Denken, Fühlen und Handeln sowie - in motivationaler wie volitionaler Hinsicht - Zielsetzung, Anstrengung und Ausdauer beeinflusst. Diese Einflüsse der Selbstwirksamkeit auf die Selbstregulation sind weitgehend unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten der Person. Durch eine systematische Analyse des Begriffs des beruflichen bzw. professionellen Selbstvertrauens im Feld der Arbeitstherapie ( occupational therapy ), haben Holland, Middleton und Uys ( 2012 : 219 ) ein Model entwickelt, das professionelles Selbstvertrauen als ein Konstrukt mit vier Komponenten beschreibt: affect, reflection, higher cognitive functioning und action . Innerhalb der affektiven Komponente ( affect ) spielen Aspekte wie allgemeines Wohlbefinden und Leichtigkeit bei der Bewältigung von Aufgaben eine Rolle, während in der reflektiven Komponente ( reflection ) z. B. Feedback von anderen zum Tragen kommt. Der kognitiven Komponente ( higher cognitive functioning ) ordnen die Autorinnen die Aspekte Wissen, Überzeugungen, Einsichten und Akzeptanz zu; die Komponente Aktion ( action ) ist durch Intitiativübernahme, aktives Handeln und Erfolgserlebnisse charakterisiert. All diese Attribute interagieren miteinander und gestalten das berufliche Selbstvertrauen dynamisch und situationsabhängig. In direktem Bezug zum Lehrberuf kann berufliches Selbstvertrauen noch in zwei Teilkomponenten aufgegliedert werden. Lipowsky schlägt vor, die persönliche Selbstwirksamkeit als Lehrkraft (personal teacher efficacy) von der allgemeinen Selbstwirksamkeit als Lehrkraft ( general teacher efficacy ) zu unterscheiden: Personal teacher efficacy drückt das Vertrauen und die Überzeugung einer bestimmten Lehrperson aus, die Lernentwicklung von Schülern persönlich beeinflussen zu können, während sich demgegenüber die general teacher efficacy als grundsätzliche Lehrerüberzeugung deuten lässt, auf Lernende, angesichts mächtiger außerschulischer Einflüsse, überhaupt Wirkungen zu haben (Lipowsky 2006: 55). Selbstwirksamkeit kann laut Lipowsky ( 2006 : 55 ) den sogenannten selbstbezogenen Kognitionen zugeordnet werden, die neben fachlichem, fachdidaktischem und pädagogischem Wissen, Berufserfahrung und epistemologischen Überzeugungen zentrale Merkmale von Lehrerkompetenz sind und einen Einfluss auf die Leistung von Lernenden haben: Lehrpersonen mit einer hohen Wirksamkeitsüberzeugung setzen sich höhere Ziele, verwenden mehr Zeit auf die Planung von Unterricht, sind offener für neue Ideen, <?page no="275"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 275 probieren öfter etwas Neues aus, arbeiten länger und ausdauernder mit schwächeren Schülern, nutzen Rückmeldungen ihrer Schüler eher für eine Weiterentwicklung ihres Unterrichts, sind enthusiastischer und haben eine höhere Bindung an den Lehrerberuf. Gemäß Vieluf, Kunter und van de Vijver ( 2013 : 101 ) hat eine positive Selbstwirksamkeitserwartung unmittelbaren Einfluss auf die Jobzufriedenheit und die Unterrichtsqualität. Im Hinblick auf die Ergebnisse meiner Studie betrachte ich die Beziehung zwischen beruflichem Selbstvertrauen und Jobzufriedenheit als reziprok (vgl. Benitt 2015 : 210 ) - diejenigen Lehrerinnen, die Vertrauen in sich selbst und ihre beruflichen Fähigkeiten haben, scheinen zufrieden in ihrem Beruf zu sein und formulieren Ziele für sich und ihren Unterricht, die oftmals von der Vorstellung eines idealen Selbstbildes ( ideal self ) (Higgins 1987 ) geprägt sind. Im Umkehrschluss können positive und erfüllende Erfahrungen aus dem beruflichen Alltag zu höherem Selbstvertrauen führen (vgl. Benitt 2015 : 179 f). Berufliches Selbstvertrauen ist jedoch keinesfalls ein stabiles Konstrukt bzw. ein anhaltender Zustand und unterliegt Schwankungen, die in verschiedenen Situationen oder Lebensphasen spürbar werden. In Situationen, in denen sich eine Person wohlfühlt und einer Aufgabe mit Leichtigkeit nachgeht, kann berufliches Selbstvertrauen zunehmen; durch Stress, Unsicherheit oder ein Gefühl der Überforderung jedoch auch wieder abnehmen (vgl. Holland, Middleton & Uys 2012 : 219 ). Darüber hinaus spielen diverse andere Faktoren für die Entwicklung von beruflichem Selbstvertrauen eine Rolle, wie zum Beispiel der kulturelle Hintergrund sowie die eigene Bildung als auch die der Eltern (vgl. Santiago & Einarson 1998 ). Auch frühere Lehrerinnen und Lehrer haben einen Einfluss darauf, wie angehende Lehrkräfte sich selbst und ihre Fähigkeiten wahrnehmen (vgl. Schunk 1998 ). Für den Bereich des Gesundheitswesens identifizieren Hecimovich und Volet ( 2011 : 187 f) insbesondere praxisbezogenes und kooperatives Lernen ( peer learning ) als wichtige Katalysatoren für professionelle Entwicklung und den Ausbau beruflichen Selbstvertrauens. Cabrera und Terenzini ( 2001 : 185 f) fanden des Weiteren heraus, dass eine klare Aufgabenstellung, konstruktives Feedback und kooperative Lernformate angehenden Lehrkräften dabei helfen, berufliches Selbstvertrauen zu entwickeln. Ihre empirische Studie im Feld der Naturwissenschaften und im Ingenieurwesen hat gezeigt, dass die Selbstwirksamkeitserwartung von fortgeschrittenen Studierenden eng mit dem Lehr-/ Lernkontext im Allgemeinen und mit der Lehrkraft im Besonderen verknüpft ist: Our findings indicate that faculty efforts in the classroom indeed have important influences on student self-perceptions. Students’ gains in confidence, motivation, responsibility, and intent to persist were influenced more by teaching practices than <?page no="276"?> 276 nora Benitt by the students’ background characteristics. Both male and female undergraduate students’ gains in self-perceptions can be fostered in the classroom by frequent interaction with and feedback from the instructor, by opportunities to work collaboratively with peers, and by clear instructions and structure from the instructor (Colbeck, Cabrera & Terenzini 2001: 185 f). Im Hinblick auf die fremdsprachliche Lehrerbildung ist dies höchst interessant, da sich das berufliche Selbstvertrauen einer Lehrkraft direkt auf die (zukünftigen) Lernenden auswirken kann. Die systematische Förderung des beruflichen Selbstvertrauens sollte also stärker in den Fokus der Lehrerbildung gerückt werden, damit diese selbstbewusste Lernende hervorbringen kann. Wie Pajares ( 1996 : 596 ), Brophy ( 1998 : 60 ) und Dörnyei ( 2001 : 57 ff) argumentieren, können Lernerfolg und Selbstwertgefühl durch Erfolgserlebnisse und ein Gefühl von Kompetenz gesteigert werden. Pajares ( 1996 : 569 ) erläutert: to increase achievement, educational efforts should focus on raising students’ feelings of self-worth or of competence. This is usually accomplished through programs that emphasize building self-beliefs through verbal persuasion methods. Social cognitive theory shifts that emphasis and focuses on a joint effort to raise competence and confidence primarily through successful experience with the performance at hand, through authentic mastery experiences. Murdoch ( 1994 : 254 ) stellt fest, dass die Sprachkompetenz von Englischlehrkräften das Kernelement ihres beruflichen Selbstvertrauens ist: “[N]on-native English teachers’ language proficiency will always represent the bedrock of their professional confidence” . Er geht von einer direkten Beziehung zwischen Sprachkompetenz und Lehrkompetenz aus: In our concern for fostering interactive methodological practice and the ability of teachers to develop their students’ knowledge of the language system, we may tend to underestimate how inadequate teachers themselves will feel if they lack confidence in their own language performance. We must question the effectiveness of a pedagogical focus which fails to address this core anxiety. All the evidence suggests that a greater concern with language training, particularly during early phases of the training programme, would produce more competent teachers (Murdoch 1994: 259). Die Ergebnisse meiner Studie bestätigen, dass Sprachkompetenz eine wichtige Rolle für das professionelle Selbstvertrauen von Englischlehrkräften spielt. Bemerkenswerterweise hat nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch die subjektive Wahrnehmung derselben, einen Einfluss auf das professionelle Selbstvertrauen der Lehrerinnen. Die Mehrheit der befragten Lehrkräfte hat ihre Sprachkompetenz nicht explizit angesprochen, was entweder bedeuten kann, dass das Thema für sie nicht relevant ist oder dass sie die Arbeit an ihren fremd- <?page no="277"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 277 sprachlichen Fertigkeiten als Teil ihres Berufsbildes verstehen. Eine Lehrerin, Nicole, die über ihre fremdsprachlichen Fertigkeiten reflektiert, sieht Verbesserungsspielraum. Sie betrachtet jedoch den Ausbau ihrer sprachlichen Fertigkeiten selbstbewusst als positive Herausforderung, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten, d. h. innerhalb ihrer persönlichen zone of proximal development (ZPD) (Vygotsky 1978 ) liegt. Im Gegensatz dazu zeigt eine andere Teilnehmerin der Studie, Barbara, die ihre sprachlichen Fertigkeiten als unzulänglich betrachtet und sich auch allgemein ihrer Eignung als Lehrerin nicht sicher ist, wesentlich weniger Selbstvertrauen, die Entwicklung ihrer sprachlichen Fertigkeiten betreffend. Richards et al. ( 2013 : 245 ) ist also zuzustimmen, wenn sie sagen, dass der systematische Ausbau sprachlicher Kompetenzen ein zentraler Bestandteil der fremdsprachlichen Lehrerbildung und als langfristige Investition in betrachtet werden sollte. Neben den sprachlichen Kompetenzen spielen jedoch auch eine Reihe weiterer Fertigkeiten für Fremdsprachenlehrkräfte eine Rolle. In Bezug auf die vom Arbeitskreis „Beratung, Information und Gespräche“ ( BIG ) vorgelegten Kompetenzstandards für Grundschullehrkräfte (vgl. BIG 2007 ) listet Legutke ( 2008 : 17 ) „sprachliche, pädagogische, fachdidaktische, fachwissenschaftliche, methodische, diagnostische und interkulturelle Kompetenzen“ auf. Entsprechend ist also auch das berufliche Selbstvertrauen von Englischlehrkräften ein vielschichtiges Phänomen und lässt sich analog zu den oben genannten Kompetenzen in verschiedene Teilbereiche gliedern, d. h. in Vertrauen in die eigenen sprachlichen, pädagogischen, fachdidaktischen, fach-wissenschaftlichen, methodischen, diagnostischen und interkulturellen Kompetenzen. Diese Teilbereiche werden im Folgenden näher erläutert und mit ausgewählten Datenbeispielen veranschaulicht. 4 Selbstvertrauen durch Aktionsforschung? Wie kann nun also berufliches Selbstvertrauen in der Aus- und Fortbildung von Englischlehrkräften gefördert werden? Die Ergebnisse meiner Studie deuten darauf hin, dass mittels kooperativer Aktionsforschungsprojekte verschiedene Lern- und Entwicklungsprozesse angeregt werden, die kognitiver, interpersonaler und/ oder affektiver Natur sind (vgl. Benitt 2015 : 198 ). Im Hinblick auf das berufliche Selbstvertrauen ist besonders die emotionale Dimension des Lernens von Bedeutung, die im Folgenden anhand verschiedener Datenbeispielen aus meiner Studie veranschaulicht werden soll. Die Datenauszüge stammen aus leitfadengestützten Gruppeninterviews, Lerntagebüchern und Portfolios. Sie geben in erster Linie Aufschluss darüber, inwieweit Aktionsforschung die professionelle Entwicklung von Fremdsprachenlehrkräften unterstützen kann <?page no="278"?> 278 nora Benitt und wie Lehrkräfte ihre eigenen Lern- und Entwicklungsprozesse wahrnehmen. Laut Zeichner ( 2003 : 317 ) kann Aktionsforschung in Kombination mit kritischer Selbstreflexion zur Entwicklung beruflichen Selbstvertrauens und Lehrkompetenz beitragen: [T]he experience of engaging in self-study research helps teachers to become more confident about their ability to promote student learning, to become more proactive in dealing with difficult situations that arise in their teaching, and to acquire habits and skills of inquiry that they use beyond the research experience to analyze their teaching in an in-depth manner. Wie genau kann sich Aktionsforschung auf das berufliche Selbstvertrauen von (angehenden) Englischlehrerinnen auswirken? Welche Faktoren spielen bei der Entwicklung von Selbstvertrauen eine Rolle? Ist berufliches Selbstvertrauen an den Umfang der Berufserfahrung gekoppelt oder eher ein Persönlichkeitsmerkmal? Um diesen Fragen nachgehen zu können, werden nachfolgend ausgewählte Datenbeispiele diskutiert. Einleitend sollen zunächst die Studienteilnehmerinnen und die zentralen Forschungsfragen der Studie vorgestellt werden. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten biographischen Informationen der zwölf Studienteilnehmerinnen zusammen; die farblichen Hervorhebungen zeigen die festen Teams 4 an, in denen die insgesamt drei Aktionsforschungsprojekte vorbereitet, durchgeführt, evaluiert und präsentiert wurden: name altersgruppe Lehrerfahrung vor E-LINGO 5 erstsprache Wohn- und Arbeitsort Ursula 30-35 Jahre 5-10 Jahre Deutsch Deutschland Karen unter 30 Jahre keine Bosnisch Vereinigte Arabische Emirate Daniela unter 30 Jahre keine Englisch Deutschland Nicole über 35 Jahre 10-15 Jahre Deutsch Deutschland Clarissa unter 30 Jahre keine Englisch Deutschland 4 Die Teams wurden vor Beginn des Studiums von den Tutorinnen zusammengestellt. Ziel der Teambildung war, dass die Teampartnerinnen sich möglichst in ihren Stärken (z. B. viel Berufserfahrung, hohe Sprachkompetenz, etc.) ergänzen und voneinander lernen können. 5 Der Zeitraum der Lehrerfahrung bezieht sich ausschließlich auf frühen Englischunterricht (Grundschule, Vorschule, Kindergarten). Einige der Studienteilnehmerinnen hatten bereits vor Studienbeginn Lehrerfahrung in anderen Disziplinen oder mit anderen Lernergruppen. <?page no="279"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 279 name altersgruppe Lehrerfahrung vor E-LINGO 5 erstsprache Wohn- und Arbeitsort Elisabeth über 35 Jahre 15-20 Jahre Deutsch Österreich Melanie unter 30 Jahre 1-3 Jahre Deutsch Deutschland Rebecca über 35 Jahre keine Rumänisch Deutschland Simone 30-35 Jahre keine Deutsch Deutschland Patricia über 35 Jahre 5-10 Jahre Deutsch Neuseeland/ Deutschland Barbara über 35 Jahre 5-10 Jahre Deutsch GB / Kambodscha Anita unter 30 Jahre 1-3 Jahre Deutsch Deutschland Tabelle 1 Biographische Daten der Studienteilnehmerinnen (Benitt 2015: 131) Wie aus der obigen Tabelle hervorgeht, handelt es sich bezogen auf das Lebensalter, die Spanne der Berufserfahrung sowie die Wohn- und Arbeitsorte um eine relativ heterogene Gruppe. Gemeinsam haben alle Teilnehmenden, dass sie weiblich sind. Die zentralen Forschungsfragen der Studie fokussierten die durch Aktionsforschung initiierten Lern- und Entwicklungsprozesse der (angehenden) Lehrerinnen, die in dem spezifischen Kontext des Masterstudiengangs E- LINGO gemeinsam Aktionsforschungsprojekte durchgeführt haben (vgl. Benitt 2014 : 45 ; Benitt 2015 : 94 ): • Was passiert, wenn Fremdsprachenlehrerinnen (verschiedener kultureller und professioneller Hintergründe) gemeinsam Aktionsforschung innerhalb eines blended-learning Arrangements betreiben? • Welche Indikatoren, die dafür sprechen, dass Aktionsforschung den Prozess professioneller Entwicklung unterstützt, können identifiziert werden? • Wie und unter welchen Umständen fördert Aktionsforschung die professionelle Entwicklung? Diesen Forschungsfragen wurde mit einem qualitativ-explorativen Forschungsdesign über einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren nachgegangen. Die Datenanalyse erfolgte nach den Auswertungsschritten der Dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 1989 , 2010 ; Nohl 2006 , 2010 ). Die Analyse der Daten hat gezeigt, dass die Erfahrungen der Teilnehmerinnen in Form von verschiedenen kritischen Lernereignissen ( critical learning incidents ), ein Begriff, der auf Flanagan ( 1954 ) zurückgeht, systematisiert werden können. Tripp ( 2011 : 24 f) definiert kritische Lernereignisse wie folgt: <?page no="280"?> 280 nora Benitt mostly straightforward accounts of very commonplace events that occur in routine professional practice which are critical in the rather different sense that they are indicative of underlying trends, motives and structures. These incidents appear to be ‘typical’ rather than ‘critical’ at first sight, but are rendered ‘critical’ through analysis (Tripp 2011: 24 f). Es handelt sich also um Ereignisse, die den angehenden Lehrerinnen in besonderem Maße aufgefallen sind und die sie im Interview, im Lerntagebuch und/ oder in ihrem Portfolio näher beschreiben und kritisch reflektieren. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie acht verschiedene Typen kritischer Lernereignisse, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Aktionsforschungsprojekte aufgetreten sind, identifiziert (vgl. Benitt 2014 : 51 ; Benitt 2015 : 154 f): • ‘Teamwork means team work! ’ • ‘We learn together and from each other’ • ‘Now I understand the theory! ’ • ‘This is action research? I can do that! ’ • ‘The camera is not the enemy’ • ‘I’m a central figure in the teaching and learning context’ • ‘My English isn’t good enough. Or is it? ’ • ‘Is teaching English to children my cup of tea? ’ Wie sowohl die Forschungsfragen als auch die Liste der kritischen Lernereignisse zeigen, stand das berufliche Selbstvertrauen nicht im Mittelpunkt der Studie. Dennoch trat während der Datenanalyse und durch informelle Gespräche mit den Teilnehmerinnen immer wieder die Rolle des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten in den Vordergrund. In diesem Beitrag soll diesem Phänomen umfassend nachgegangen werden - dazu werden ausgewählte Datenbeispiele aus diesem Blickwinkel neu betrachtet. Im Rahmen des Beitrags kann nicht auf alle Typen kritischer Lernereignisse eingegangen werden. Der Fokus liegt deshalb auf Datenbeispielen, die in direktem Zusammenhang mit beruflichem Selbstvertrauen stehen und den Lernereignistypen ‘ This is action research? I can do that! ’, ‘The camera is not the enemy’, ‘My English isn’t good enough. Or is it? ’, ‘Is teaching English to children my cup of tea? ’ zugeordnet wurden. Diskutiert werden Datenauszüge, in denen die Studienteilnehmerinnen Bezug auf ihre sprachlichen, pädagogischen, methodischen, fachdidaktischen und ihre fachwissenschaftlichen Kompetenzen nehmen. Datensätze, die Aufschluss über das Vertrauen in diagnostische und interkulturelle Kompetenzen geben könnten, liegen leider nicht vor. <?page no="281"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 281 4.1 Vertrauen in sprachliche Kompetenzen Eine Besonderheit des fremdsprachlichen Unterrichts ist, dass die Lehrkräfte nicht nur über Fachwissen, pädagogische und methodisch-fachdidaktische Fähigkeiten verfügen müssen, sondern auch die Sprache, die sie vermitteln, gut beherrschen sollten. Wie in Abschnitt 3 diskutiert, ist Sprachkompetenz und wie diese wahrgenommen wird, eine wichtige Komponente des beruflichen Selbstvertrauens. Vor allem bei Lehrkräften, deren Erstsprache nicht Englisch ist, wird mangelnde Sprachkompetenz oftmals als Herausforderung wahrgenommen. Der folgende Datenauszug aus dem Portfolio von Barbara (vgl. Benitt 2015 : 189 ) verdeutlicht diesen Aspekt: Another reason that prevented me from becoming fully committed to working as an English teacher was the fact that I was not a native speaker. […] Rating my competence in English, I am sure I gained a lot through reading and writing in the target language during the course. Also living in the UK for the last year naturally added to my skills. Nevertheless, especially as I am living among native speakers, I realise how far away I am from feeling absolutely confident. My doubts about grammar issues and pronunciation will probably always be there, as it is just difficult to achieve native-like speaking skills later in life (Barbara, Portfolio, Juli 2012). Wie einige andere Studienteilnehmerinnen auch war Barbara vor E- LINGO keine ausgebildete Englischlehrerin. In informellen Gesprächen während der Präsenzphasen stellte sich jedoch heraus, dass Barbara bereits seit etwa zehn Jahren im Ausland lebt und ihre beiden Kinder mehrsprachig aufwachsen. Angesichts dieser Tatsache und aufgrund ihrer sprachlichen Performanz, die sie in den Präsentationen der Aktionsforschungsprojekte zeigte, ist diese pessimistische Einschätzung die eigene Sprachkompetenz betreffend sehr überraschend. Im direkten Vergleich mit anderen Studienteilnehmerinnen ist Barbaras Selbstvertrauen in ihre fremdsprachlichen Fähigkeiten sehr gering. Stellt man ihrer Selbsteinschätzung die Aussage von Nicole, einer ausgebildeten und erfahrenen Lehrerin ungefähr im selben Alter, gegenüber, werden die unterschiedlichen Einstellungen und Selbstbilder erkennbar (vgl. Benitt 2015 : 190 ): To use the target language in written and spoken language fluently will be a real challenge for me as I know that I have to do a lot of work in this field too. I have never been to an English speaking country for longer than holidays and I improved my English only at the night school. So I guess that I will need another course in essay writing and some other opportunities to use English for academic purposes (This is one of my reasons to be so happy having [Daniela] 6 as a team partner. I am sure I can learn a lot from her) (Nicole, Lerntagebuch, 17. 10. 2010). 6 Daniela ist gebürtige US-Amerikanerin, ihre Erstsprache ist Englisch. <?page no="282"?> 282 nora Benitt Nicole, die keinerlei Auslandserfahrung hat und nach meiner subjektiven Einschätzung in Aussprache und Grammatik schwächer ist als Barbara, betrachtet den Ausbau ihrer sprachlichen Fertigkeiten optimistisch als Herausforderung und benennt Strategien, die ihr bei der Bewältigung der Aufgabe behilflich sein werden ( “I will need another course in essay writing and some other opportunities to use English for academic purposes” ). Auch Melanie, eine jüngere und weniger erfahrene Lehrerin, steht ihrer sprachlichen Entwicklung sehr optimistisch gegenüber und konnte bereits durch die Unterrichtsvideographie und die Präsentation ihrer Forschungsergebnisse in den Präsenzphasen ihre Nervosität beim Sprechen vor Publikum ablegen (vgl. Benitt 2014 : 55 f; Benitt 2015 : 181 ): E- LINGO has introduced me to new ways of reflection. While the idea that required me to be filmed - an aspect that I had successfully sneaked out of during my first course of study as well as during teacher training - made me very anxious at the beginning. By now, however, I consider it to be an excellent means for self-affirmation and self-improvement. In addition to that, I have also become a more confident public speaker. Since I have become aware that I can successfully present an academic content in a language that it is not my mother tongue, I no longer have stage fright when I have to speak to a large audience. (Melanie, Portfolio, Juli 2012). In Melanies Fall ist festzustellen, dass sie zum einen Berührungsängste im Umgang mit der Kamera im Unterricht abbauen und zum anderen an Selbstvertrauen in ihre sprachlichen Fertigkeiten gewinnen konnte ( “I have also become a more confident public speaker. […] I no longer have stage fright when I have to speak to a large audience” ). Die Arbeit mit Videographie im Rahmen des Aktionsforschungsprojektes hat bei Melanie offenbar zu einer positiveren Wahrnehmung ihrer eigenen fremdsprachlichen Fertigkeiten und einem Selbstvertrauenszuwachs geführt. 4.2 Vertrauen in pädagogische Kompetenzen Neben dem Vertrauen in die eigenen fremdsprachlichen Fertigkeiten tragen weitere Aspekte zum beruflichen Selbstvertrauen einer Lehrkraft bei. Einige der kritischen Lernereignisse können im Hinblick auf das Vertrauen der Lehrerinnen in ihre pädagogischen Fähigkeiten interpretiert werden. In der folgenden Interviewpassage erzählt Melanie von ihren positiven Erfahrungen mit Unterrichtsvideographie 7 (vgl. Benitt 2014 : 55 ; Benitt 2015 : 180 f): M1: I really like the idea that (…) I had to be filmed throughout the CARP s, because I always kind of tried to get around being filmed at university (laughs) and now 7 Die Transkription erfolgte nach den Richtlinien für eine einfache Transkription von Dresing, Pehl & Schmieder ( 2013 ). <?page no="283"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 283 I had to be filmed and I really like the insights you get when you’re looking at your own videos, about your own teaching and what you can improve on. Also, it gives you some self-assurance, when you look at it and see things that work out well. I: Can you specify that? What was it that you recognised / / watching the videos? / / M2: / / As something that worked well? / / Sometimes I have the (.) feeling that I’m kind of (.) not angry, but it’s just a lot of things to do, but in the movies, I’m always smiling and I’m happy, so it must be just like an inner feeling, because a day at school is so busy, but still I’m able to switch on that light during English and be motivational. (Melanie, Interview, Februar 2012). Das obige Beispiel zeigt, dass die Arbeit mit videographiertem Unterricht aus Melanies Sicht einige Vorteile mit sich bringt. Die Kamera ermöglicht eine neue Perspektive auf den Unterricht und eine veränderte Selbstwahrnehmung der Lehrkraft (vgl. Benitt 2014 : 55 ). Im Hinblick auf die Entwicklung von Melanies Vertrauen in ihre pädagogischen Fähigkeiten ist besonders der letzte Teil der Interviewpassage interessant. Durch die vielen Aufgaben im beruflichen Alltag hatte Melanie offenbar zeitweise das Gefühl, nicht in der Lage zu sein, den Englischunterricht motivierend zu gestalten - ein Eindruck den sie durch die Analyse ihrer Unterrichtsvideos revidiert. Die Erkenntnis, dass es ihr entgegen ihres ursprünglichen Eindrucks gelingt, freundlich und motivierend mit den Lernenden umzugehen ( “I’m able to switch on that light during English and be motivational” ), kann als Zeichen dafür interpretiert werden, dass Melanies Selbstvertrauen in ihre pädagogischen Fähigkeiten gestärkt wurde. Ein weiteres Datenbeispiel, das in diesem Zusammenhang diskutiert werden soll, stammt von Simone, eine Novizin im Lehrberuf, die aus einem anderen beruflichen Kontext kommt und durch E- LINGO ihre Leidenschaft für den frühen Fremdsprachenunterricht entdeckt (vgl. Benitt 2015 : 186 f): I would hate to go back to an office job, where it seems like you only change things on paper, but not in real and where your email account is filling up faster than you can respond. And I would prefer to stick with these very young learners. They are not spoilt yet and you have more freedom to actually adjust your teaching and your activities to what the learners need. Furthermore, there is no need to look at only one small part of the whole being. You can support them in whatever is needed at that time. On the one hand their motivation, their fantasy, their emotions, their way of living is so much better for me than anything I have experienced so far and, on the other hand, I think that I can contribute to a good childhood of these children. We have fun together and we learn a lot from each other and this process is not over yet, not at all. […] (Simone, Portfolio, Juli 2012). <?page no="284"?> 284 nora Benitt Für Simone sind die Aktionsforschungsprojekte der erste Berührungspunkt mit dem Berufsfeld 8 , deshalb ist einschränkend zu sagen, dass ihre Erfahrungen nicht nur von den Aktionsforschungsprojekten selbst, sondern auch von den ersten Unterrichtserfahrungen allgemein geprägt sind. In dieser Portfoliopassage beschreibt sie ausführlich, wie sich der Englischunterricht mit Kindern von ihrer bisherigen Tätigkeit in der freien Wirtschaft unterscheidet. Simone ist sich ihrer Verantwortung und ihrer Wirksamkeit in ihrem neuen Beruf offenbar bewusst; sie geht in verschiedenen Textstellen ( “change things […] in real”; “I think that I can contribute to a good childhood of these children” ) explizit auf ihre Rolle und ihren Einfluss auf die Lernenden ein. Sie begegnet ihren pädagogischen Aufgaben und der damit einhergehenden Verantwortung scheinbar sehr selbstbewusst. Die Tatsache, dass Simone neu im Lehrberuf ist und dennoch sehr reflektiert und engagiert wirkt, indiziert, dass langjährige Berufserfahrung nicht unbedingt zentral für berufliches Selbstvertrauen ist. Vielmehr scheint es eine enge Verbindung zwischen der Freude am Lehrberuf und beruflichem Selbstvertrauen zu geben. 4.3 Vertrauen in methodische und fachdidaktische Kompetenzen Neben dem Vertrauen in die eigenen sprachlichen und pädagogischen Kompetenzen ist eine weitere Facette des beruflichen Selbstvertrauens von (angehenden) Fremdsprachenlehrkräften ihr Vertrauen in ihre methodischen und in ihre fachdidaktischen Fähigkeiten. Als erstes Beispiel für neu entwickeltes Vertrauen in die eigenen methodischen Fähigkeiten - in diesem Fall in Bezug auf die Durchführung von Aktionsforschung - soll der Interviewausschnitt von Elisabeth und Clarissa dienen (vgl. Benitt 2014 : 52 ; Benitt 2015 : 175 ), aus dem das titelgebende Zitat dieses Beitrags stammt: E: When I heard about the CARP , I thought ‘Hm, it sounds so important and so (.) wissenschaftlich’? (searching for the English word) C: / / Scientific/ / I: / / Academic/ / E: Academic. And I haven’t done any academic things for the last 20 years, so I thought how could I come up to the level to do these things, but at least it worked. It’s not as academic and impossible as it seems to be (laughs). (Elisabeth, Interview, Februar 2011). 8 E-LINGO kann berufsbegleitend von Lehrkräften studiert werden, die sich weiterqualifizieren möchten - in diesem Fall führen die Lehrkräfte die Aktionsforschungsprojekte in ihrem eigenen Lehr-/ Lernkontext durch. Alternativ müssen diejenigen Studierenden, die keine Anstellung haben, mit einer Institution ihrer Wahl kooperieren, um die Aktionsforschungsprojekte durchführen zu können. <?page no="285"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 285 Wie bereits in der Einleitung dieses Beitrags angedeutet, ist Elisabeths Einschätzung die Aktionsforschung betreffend in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens scheint sie eine konkrete Vorstellung von Forschung zu haben und beschreibt diese ihrer ursprünglichen Auffassung nach als “academic and impossible” . Es ist anzunehmen, dass Elisabeth den Begriff ‚Aktionsforschung‘ innerhalb des quantitativ-positivistischen Forschungsparadigmas verortet und von großen Datenmengen und komplexen Auswertungsverfahren ausgeht (vgl. Benitt 2014 : 53 ). Durch ihre erste Erfahrung mit Aktionsforschung wurde diese Ansicht revidiert und Elisabeth hat ihre Einstellung dazu geändert. Gleichzeitig sagt diese Passage etwas über ihr Rollenverständnis als Lehrerin aus. Offenbar gehörte Aktionsforschung bzw. eine forschende Haltung dem Unterricht gegenüber ihrem Verständnis nach weder zu ihren Aufgaben, noch hatte sie ausreichend Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, Forschung jeglicher Art zu betreiben (vgl. auch Hancock 2001 : 127 ; Parsons & Brown 2002 : 5 ; Hancock 2001 : 127 ). Ein weiteres Datenbeispiel lässt sich ähnlich deuten. In einem Interview mit Anita und Barbara findet ein Aushandlungsprozess darüber statt, was Forschung bzw. Aktionsforschung ist und welchen Regeln sie folgen sollte (vgl. Benitt 2014 : 53 f; Benitt 2015 : 177 ): A: I still (…) in my opinion, if you want to find out something, you need to compare two groups, you use one group were you tell the story, and in my opinion, you need another group where you do the same without the story, and this is not the case in CARP , and I have some problems with that. I: OK . B: So to see actually, if it’s the story, because what we were thinking is maybe they would have produced that language anyway (…) but on the other hand, maybe not, because what I saw from the film, is that performing the story they really, really enjoyed and this is where we were saying that as a result that they seem to produce language much faster by doing it with a story, because otherwise, like in my class, I actually didn’t expect them at ALL to say language chunks, because what (…) before the lessons were mainly like one-word sentences, maximum two-word-sentences […] (Anita & Barbara, Interview, Februar 2011 ). Auch Anita und Barbara scheinen eine feste Vorstellung von Forschung zu haben. Barbara stellt jedoch im Verlauf des Interviews fest, dass das von ihr durchgeführte Aktionsforschungsprojekt durchaus erkenntnisreich für sie war. Im Gegensatz zum oben diskutieren Beispiel von Elisabeth spezifiziert Barbara auch inhaltlich, was sie aus dem Aktionsforschungsprojekt zum Thema storytelling gelernt hat: Sie hat durch ihre Beobachtungen festgestellt, dass die Arbeit mit Geschichten im Unterricht offenbar dazu führt, dass die Lernenden - anders als in anderen Methoden - zusammenhängende sprachliche Äußerun- <?page no="286"?> 286 nora Benitt gen produzieren können ( “I actually didn’t expect them at ALL to say language chunks, because what (.) before the lessons were mainly like one-word sentences, maximum two-word-sentences.” ) Diese Erkenntnis ist für den Ausbau von Barabaras Vertrauen in ihre methodischen und fachdidaktischen Fähigkeiten sehr wichtig - ihr wurde nicht nur bewusst, dass Aktionsforschung helfen kann, ihren Unterricht zu verbessern, sondern auch, dass der Einsatz von storytelling positive Auswirkungen auf die sprachlichen Fertigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler hat. 4.4 Vertrauen in fachwissenschaftliche Kompetenzen Der letzte Aspekt des beruflichen Selbstvertrauens von Fremdsprachenlehrkräften bezieht sich auf die Wahrnehmung des eigenen Fachwissens. Folgende Beispiele machen deutlich, dass vorhandenes Fachwissen allein nicht ausreicht, um sich fachlich kompetent zu fühlen. Das erste Datenbeispiel stammt aus einem Interview mit Nicole, nachdem sie ein Aktionsforschungsprojekt zu aufgabenorientiertem Lernen durchgeführt hat (vgl. Benitt 2014 ; Benitt 2015 : 260 f): […] the CARP about task-based language learning was VERY impressive for me, because I would have never suggested that it is possible to use the approach of taskbased language learning in the primary. And using this for the CARP - it was a given topic, so I had never chosen it - I realised, ok, it is possible when I break it down to the very, very base […] (Nicole, Interview, Februar 2012) Das Lernereignis, das Nicole hier beschreibt, zeigt, dass sie bereits Vorwissen und bestimmte Annahmen zu aufgabenorientiertem Lernen hatte. Gleichzeitig wird jedoch auch die Lücke zwischen ihrem theoretischen und ihrem praktischen Wissen deutlich. Sie hatte zwar im universitären Kontext etwas über Aufgaben im Unterricht gelernt, jedoch bis zum Zeitpunkt des Aktionsforschungsprojekts nie ausprobiert, aufgabenorientiert in der Grundschule zu arbeiten - in der Annahme, dass dies nicht funktionieren würde. Nachdem ihre Erfahrung sie eines Besseren belehrt hat, räumt sie ein, dass aufgabenorientiertes Lernen in der Grundschule unter bestimmten Bedingungen möglich ist ( “it is possible when I break it down to the very, very base” ). Das Lernereignis kann sowohl als Zuwachs von Erfahrungswissen als auch als Vertrauen in bereits vorhandenes Wissen interpretiert werden. Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet Melanie. In einem Interview im Februar 2012 (vgl. Benitt 2015 : 173 ) teilt sie ihre ursprünglichen Bedenken mit, durch E- LINGO nichts dazulernen zu können, da sie bereits vor Beginn des Masterstudiums ausgebildete Lehrerin war und Berufserfahrung sammeln konnte: <?page no="287"?> Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen 287 I’m already an English teacher, so (.) I knew some things before I started with E-LINGO (laughs) […] before E-LINGO, I was bit afraid that there was nothing new for me in the course of studies, but actually, I’ve learned so much, it’s more like a picture or puzzle putting itself together now, it’s more connected and there were insights into new things, like the whole intercultural competence thing. We had talked about it at my first university, but it was just like something in my brain that I had never really done and with the CARPs I (.) HAD to do it, and that was good (laughs), because now I know what they’re talking about and I feel more comfortable about repeating it in the future. Genauso wie Nicole hat Melanie theoretisches Vorwissen mit in das E- LINGO - Studium gebracht, das sie jedoch bisher nicht in der Praxis nutzbar machen konnte, weil ihr Erfahrung und Vertrauen für den Umgang mit diesem Fachwissen fehlten ( “We had talked about it at my first university, but it was just like something in my brain that I had never really done.“ ). Durch die Aktionsforschungsprojekte konnte auch Melanie ihr theoretisches Wissen mit Erfahrungswissen verknüpfen und kann zukünftig nun selbstbewusster mit ihrem Fachwissen umgehen ( “with the CARP s I (.) HAD to do it, and that was good (laughs), because now I know what they’re talking about and I feel more comfortable about repeating it in the future.” ). Anhand dieser Datenbeispiele wird deutlich, dass die systematische Verschränkung theoretischer und praktischer Elemente in der fremdsprachlichen Lehrerbildung der Entwicklung der Schlüsselkompetenzen zuträglich ist (vgl. Legutke 2008 : 17 ) und das berufliche Selbstvertrauen stärken kann. 5 Fazit und Ausblick Das Konzept des beruflichen Selbstvertrauens ist eine bislang vernachlässigte Komponente innerhalb der fremdsprachlichen Lehrerbildung. Die oben diskutierten Beispiele zeichnen zwar kein umfassendes Bild des vielschichtigen Phänomens, veranschaulichen jedoch, dass die Auseinandersetzung mit dem Konstrukt viel Potenzial bietet und weiterer Erforschung bedarf. Ziel dieses Beitrags war es, zum Nachdenken über die Rolle des beruflichen Selbstvertrauens von (angehenden) Fremdsprachenlehrkräften anzuregen, deren Schlüsselkompetenzen im Vergleich zu Lehrkräften anderer Fächer zusätzlich zu pädagogischen, fachdidaktischen, fachwissenschaftlichen, methodischen, diagnostischen und interkulturellen Kompetenzen auch sprachliche Kompetenzen umfassen. Wie die Beispiele gezeigt haben, hängt berufliches Selbstvertrauen nicht unbedingt mit Lebensalter und Berufserfahrung zusammen - sondern wird auch von Persönlichkeitsmerkmalen, Einstellungen und Reflexionskompetenz beeinflusst. Die Einblicke in die Daten lassen keine verallgemeinerbaren Schlüsse darüber zu, wie berufliches Selbstvertrauen entsteht und welche Faktoren dabei <?page no="288"?> 288 nora Benitt eine Rolle spielen. Allerdings lässt sich schlussfolgern, dass Aktionsforschung und eine kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit der eigenen Unterrichtspraxis dazu beitragen können, individuelle Stärken und Entwicklungspotenziale zu entdecken und dadurch berufliches Selbstvertrauen zu entfalten. 6 Literatur Ado, Kathryn (2013). Action research: professional development to help support and retain early career teachers. Educational Action Research 21/ 2, 131-146. Altrichter, Herbert/ Posch, Peter (2007) . Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. 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( John Dewey [1916]; 1993: 198) John Dewey wurde mit seinen Überlegungen zu einem der wichtigen Impulsgeber für ein besonderes Verständnis von Professionalität im Lehrberuf. Es betont die Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern, ihre alltäglichen Erfahrungen mit Unterricht und Schule systematisch zu analysieren und anhand der gewonnenen Erkenntnisse das eigene Handeln zu verbessern. Die neue Fort- und Weiterbildungsreihe Deutsch Lehren Lernen ( DLL ) des Goethe-Instituts knüpft daher an eine lange pädagogische Tradition an, wenn sie in Form so genannter Praxiserkundungsprojekte ( PEP ) das selbstständige Forschen von Lehrenden als einen zentralen Bestandteil des Professionalisierungsprozesses konzipiert. DLL richtet sich an Lehrkräfte weltweit und soll in erster Linie dazu beitragen, die unzureichende fachdidaktische und pädagogische Kompetenzentwicklung (siehe Legutke/ Schart in diesem Band) in universitären Ausbildungsgängen für Deutsch als Fremdsprache in vielen Ländern auszugleichen und Lehrende im Rahmen der Bildungskooperation zu qualifizieren. Nachdem über mehr als drei Jahre hinweg Erfahrungen mit Fortbildungen auf der Grundlage von DLL gesammelt werden konnten, ist nun eine erste Bilanz zu der Frage möglich, inwiefern sich der forschende Ansatz bewährt hat. Dieser Beitrag verortet das Konzept der Praxiserkundungsprojekte im Bereich der Aktionsforschung und stellt es als ein auf Nachhaltigkeit angelegtes Instrument zur Qualifizierung von Lehrkräften vor. Anhand erster Daten von Fortbildungen in Brasilien, Griechenland, Indonesien, Kenia und Russland wird aufgezeigt, wie Lehrkräfte mit dem Instrument in der Fortbildungspraxis umgehen und welche Erkenntnisse sich daraus über die Wirksamkeit von Praxiserkundungsprojekten ableiten lassen. Auf dieser Grundlage kommt der Beitrag <?page no="292"?> 292 Imke Mohr/ Michael Schart zu Empfehlungen für die weitere Arbeit mit Praxiserkundungen in der Fort- und Weiterbildung. 2 Aktionsforschung als Professionalisierungs- und Entwicklungsstrategie Seit Deweys Tagen erlebte die Idee von forschenden Lehrenden eine sehr wechselvolle Geschichte: Zeiten der besonderen Aufmerksamkeit folgten Jahrzehnte, in denen sie kaum Beachtung fand. Sie wurde immer wieder neu entdeckt und mit unterschiedlichen Akzentsetzungen beschrieben, so dass sie uns heute in einer zuweilen verwirrenden Vielfalt von Begriffen begegnet: als Aktionsforschung oder Handlungsforschung, LehrerInnenforschung oder Praxisforschung (siehe auch Altrichter u. a. 2014 : 285 f). Noch weitaus facettenreicher stellt sich die Situation im englischsprachigen Raum dar, wo sich unter dem Oberbegriff action research zahlreiche Konzepte subsummieren lassen. Im Umfeld der Fremdsprachendidaktik gehören dabei practioner research, teacher research, reflective practice, exploratory practice und practioner teacher inquiry zu den am weitesten verbreiteten. Ungeachtet der Unterschiede im Detail und der - nicht immer überzeugenden - gegenseitigen Abgrenzungsbemühungen steht bei all diesen Konzepten nach wie vor der bereits von Dewey formulierte Grundgedanke im Zentrum: Lehrenden kann und sollte man es zutrauen, die kontinuierliche Weiterentwicklung ihres Arbeitsumfeldes selbstverantwortlich voranzutreiben, indem sie die eigene Praxis beforschen. Mit der so gewonnenen empirischen Evidenz ergänzen sie ihre Intuition und ihre Erfahrungen. Sie schaffen sich gleichsam einen weiteren Trittstein, der ihnen Standsicherheit verleiht, wenn sie in den komplexen, ungewissen und mitunter auch paradoxen Situationen ihres Berufsalltags Entscheidungen treffen müssen. Seit den 1990 er Jahren lässt sich beobachten, wie dieses Verständnis von Professionalität eine stetig wachsende Bedeutung erfährt und sich auch in der Aus- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrenden etabliert (Benitt 2015 ; Landesstiftung Baden-Württemberg 2008 ; Schart/ Schocker 2013 ; Schocker- Ditfurth 2001 , Warneke 2007 ). Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Diskussionen um die Aktionsforschung von Beginn an immer auch geprägt waren von den Zweifeln an ihrer Realisierbarkeit und ihrem Potenzial. Kritisiert wurden und werden in erster Linie all jene Aspekte, die diese Form einer vermeintlichen Laienforschung vor dem Hintergrund akademischer Qualitätskriterien als mangelbehaftet erscheinen lassen. Die Argumente der Skeptiker haben über die zurückliegenden Jahrzehnte hinweg mehrfach eingehende Erwiderungen erfahren - von Blum ( 1955 ) über Altrichter ( 1990 : 157 ff), Zeichner <?page no="293"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 293 & Noffke ( 2001 ) bis hin zu Greenwood ( 2015 ). Sie brauchen daher an dieser Stelle nicht ausführlich diskutiert zu werden. Wir möchten uns auf die beiden zentralen Kritikpunkte an einer von Lehrenden in Eigenregie betriebenen Forschung konzentrieren, da sich an ihnen die Praxiserkundungsprojekte der Fort- und Weiterbildungsreihe DLL anschaulich charakterisieren lassen. Diese betreffen zum einen das methodische Vorgehen beim Forschungsprozess und zum anderen die Art des Wissens, das dabei hervorgebracht wird. Im Hinblick auf die wissenschaftlichen Gütekriterien ist die Kritik an der Aktionsforschung leicht nachvollziehbar. Daten zu sammeln und sie zu analysieren, ergibt noch keine Wissenschaft, wie Greenwood ( 2002 : 136 ) treffend bemerkt. Wer einen bestimmten Wissenschaftsbereich mit neuen Erkenntnissen bereichern will, kommt nicht umhin, die Vorleistungen anderer Forscherinnen und Forscher zu rezipieren und sich mit den methodologischen und methodischen Gepflogenheiten des betreffenden Gebietes auseinanderzusetzen. Gütekriterien wie die Objektivität, verstanden als Distanz zum untersuchten Gegenstand, und die Validität, verstanden als Gültigkeit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse, können dabei - je nach Fragestellung und Gegenstand - unerlässliche Qualitätskriterien darstellen. Die Schwäche dieser Argumentation zeigt sich jedoch, sobald man die Beweggründe forschender Lehrerinnen und Lehrer in Augenschein nimmt. Einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten, gehört sicher nicht zu ihren dringlichsten Anliegen. Ihr Fokus ist vielmehr auf das eigene Arbeitsumfeld gerichtet. Der Versuch, persönliche Distanz zum Untersuchungsfeld zu schaffen, wäre somit geradezu kontraproduktiv. Und auch die Forderung nach generalisierbaren Erkenntnissen erscheint aus dieser Perspektive wenig zielführend. Ausschlaggebend ist letztlich, ob bzw. in welcher Weise der Forschungsprozess dazu beiträgt, die Praxis besser zu verstehen und sie weiterzuentwickeln. Deshalb können forschende Lehrkräfte auch auf den zweiten der oben genannten Kritikpunkte - die Zweifel am Wert des generierten Wissens - mit Gelassenheit reagieren, liegt es doch im Wesen von Aktionsforschungsprojekten begründet, dass idiosynkratische Erkenntnisse entstehen. Eine enge Verknüpfung des Wissens an einen lokalen Kontext erscheint unabdingbar und es ist für die Qualität solcher Unternehmungen vollkommen unerheblich, ob dabei der Stand des wissenschaftlichen Diskurses letztlich nur ein weiteres Mal bestätigt wird. Diese Argumentation lässt sich allerdings nur solange aufrechterhalten, wie Aktionsforschung als eine Strategie der beruflichen Weiterentwicklung und der Verbesserung von Schule und Unterricht konzipiert wird und explizit nicht als ein Beitrag zu einem bestimmten Wissenschaftsgebiet. Whitehead ( 2008 : 105 ) versucht diesen substanziellen Unterschied begrifflich zu fassen, indem er die <?page no="294"?> 294 Imke Mohr/ Michael Schart in wissenschaftliche Disziplinen eingebundene education research vom Begriff educational research abgrenzt: In my view, educational research is distinguished as the creation and legitimation of valid forms of educational theory and knowledge that can explain the educational influences of individuals in their own learning, in the learning of others and in the learning of the social formations in which we live and work. (Whitehead 2008: 105) Der Frage, mit welcher Intention Lehrerinnen und Lehrer beginnen, ihr berufliches Umfeld systematischer in den Blick zu nehmen, kommt somit eine maßgebliche Rolle zu. Als Professions- und Entwicklungsstrategie verstanden muss die Aktionsforschung akademischen Qualitätsstandards nur sehr bedingt gerecht werden. Sie muss weder generalisierendes Wissen anstreben noch muss sie sich punktgenau im wissenschaftlichen Diskurs verorten. Was in erster Linie zählt, ist die ökologische Validität des hervorgebrachten lokalen Wissens im Sinne der Bewährung im Unterrichtalltag. Diese Sichtweise „demystifiziert“ (Bray et. al 2000 : 2 ) den akademischen Betrieb und stellt das traditionelle Prestigefälle zwischen Wissenschaft und Unterricht in Frage: eine nicht zu unterschätzende Triebkraft für das professionelle Selbstbewusstsein von Lehrenden. In unserem Zusammenhang ist jedoch noch weitaus wichtiger, dass diese Perspektive den Blick für eine Konzeption von Forschung öffnet, die Lehrende trotz ihrer vielfältigen Arbeitsaufgaben bewältigen können. Solche alltagskompatiblen Ansätze von Aktionsforschung, zu denen auch die in diesem Beitrag thematisierten Praxiserkundungsprojekte ( PEP ) gehören, sollen das forschende Denken und Handeln von Lehrenden anstoßen und unterstützen, so dass es sich zu einem permanenten Bestandteil ihrer beruflichen Identität entwickeln kann. Es werden dabei verschiedene Wege aufgezeigt, auf denen Lehrende die kritische Reflexion des eigenen Arbeitsumfeldes mit Evidenz anreichern können, ohne dafür einen wissenschaftlich fundierten und dementsprechend aufwändigen Forschungsprozess initiieren zu müssen. 3 Reflexion, Dialog und Evidenz: die Grundsätze alltagskompatibler Aktionsforschung Wenn sich eine alltagskompatible Aktionsforschung nicht - oder nur bedingt - am akademischen Betrieb orientieren kann, dann stellt sich die Frage nach ihren charakteristischen Merkmalen. Bevor wir anhand der Praxiserkundungsprojekte auf die konkrete Umsetzung in Fortbildungen mit DLL eingehen, möchten wir daher drei grundlegende Prinzipien aufzeigen. Sie finden sich in den zahlreichen Modellen von Praxisforschung der letzten Jahre, wenn auch in unterschiedlicher <?page no="295"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 295 Ausprägung und Gewichtung, und lassen sich unter den Schlagworten Reflexion, Dialog und Evidenz fassen. Reflexion Das Prinzip der Reflexion steht für die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen in Unterricht und Schule. Dem Forschungsprozess geht der Impuls des Verstehenwollens voraus. Vorschnelle Urteile aufgrund von Intuition und Routinen müssen dafür zurückgestellt und gängige Denkmuster in Zweifel gezogen werden. Ein solches Innehalten erscheint vor allem dann notwendig zu sein, wenn im Unterrichtsablauf unverhofft schwierige Situationen entstehen. Das große Potenzial von Praxisforschung bliebe jedoch in weiten Teilen ungenutzt, beschränkte sie sich auf das Lösen einzelner Probleme. Fruchtbarer und auch nachhaltiger ist ein Ansatz, der das Verstehen größerer Zusammenhänge und damit auch die eigene Lernbiografie und die Lehrphilosophie ins Blickfeld rückt (vgl. Schart/ Legutke 2012 : 9 ff). Darüber hinaus ist die Frage, weshalb eine Unterrichtsphase als problematisch oder missglückt wahrgenommen wird, nicht weniger aufschlussreich als die Frage nach den Ursachen ihres Gelingens. Allwright ( 2005 ) weist zurecht darauf hin, dass Probleme in einem neuen Licht erscheinen können, wenn man die betreffende Situation nicht isoliert betrachtet. Er bevorzugt in seinem Konzept einer exploratory practice daher auch die Metapher des Puzzles, das es zu verstehen gelte. Denn ein problemorientierter Ansatz bringe Lehrende in eine defensive Position, stelle Defizite ins Zentrum, anstatt Fähigkeiten und Möglichkeiten zu betonen. Die Reflexion bezieht sich in diesem Sinne daher nicht nur auf Geschehenes. Sie ist zugleich auch zukunftsgerichtet, trägt projizierenden und experimentellen Charakter. Die Voraussetzung für einen als Forschung verstandenen Reflexionsprozess bildet jedoch eine neugierige und zugleich kritische Einstellung gegenüber dem eigenen beruflichen Denken und Handeln. Es geht mithin nicht um eine intellektuelle Übung, sondern um die Herausbildung einer bestimmten Haltung zur eigenen Praxis und einen unmittelbaren Bezug zum Alltag (vgl. Farrell 2015 ). Der Reflexionsprozess setzt daher an Themen und Fragestellungen an, die von den Lehrenden selbst als relevant empfunden werden und in konkreten Erfahrungen wurzeln. Er strebt danach, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und folgt einer bestimmten Systematik. Und nicht zuletzt ist entscheidend, dass er selbstmotiviert und in eigener Regie erfolgt, Lehrende ihn also nicht als Pflichtübung auferlegt bekommen (vgl. Borg 2013 ). <?page no="296"?> 296 Imke Mohr/ Michael Schart dialog Es darf damit jedoch nicht der Eindruck entstehen, der Reflexionsprozess sollte - wie es im Fall des Unterrichtens leider häufig der Fall ist - in Isolation betrieben werden. Vielmehr verfolgen alltagskompatible Modelle der Aktionsforschung zugleich das Ziel, Praxis zu deprivatisieren (vgl. Rolff 2015 : 565 , siehe auch Mann/ Walsh 2015 ) und die Reflexion mit einem kollegialen Austausch zu verknüpfen. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, wie sich dieses zweite Prinzip des Dialogs in Form von professionellen Lerngemeinschaften fördernd auf die Kompetenzen der beteiligten Lehrenden auswirkt. Sie gestalten den Unterricht flexibler und den Bedürfnissen der Lernenden angemessener. Ihr Verständnis für die eigene Rolle vertieft sich, ihre Berufszufriedenheit wird positiv beeinflusst und auch ihre Motivation, nachhaltig und aktiv an die Weiterentwicklung der Institution mitzuwirken, nimmt zu (Rollf 2015 : 566 f, siehe auch Fauser u. a. 2012 ). Professionelle Lerngemeinschaften generieren neues, geteiltes Wissen, etwa indem sich Lehrkräfte über Unterrichtsentwürfe austauschen und Leistungsstandards diskutieren, indem sie sich gegenseitig im Unterricht besuchen oder fächerübergreifend Unterrichtseinheiten erstellen. Solche kooperativen Formen der Schulentwicklung gehören vielerorts bereits zum Alltag. Als ein Beispiel lässt sich hier das System der lesson studies (jugyōkenkyū) anführen, das an japanischen Schulen seit mehr als fünf Jahrzehnten praktiziert wird, aber im internationalen Kontext erst in jüngster Zeit Beachtung findet (z. B. Dudley 2015 ). Es zeichnet sich dadurch aus, dass Gruppen von Lehrenden einer Schule kontinuierlich Ideen für die Verbesserung des Unterrichts entwickeln und deren Umsetzung gemeinsam reflektieren. In Fortbildungen wird seit einigen Jahren in zunehmendem Maße versucht, das Potenzial professioneller Lerngemeinschaften systematisch zu nutzen, wie es auch bei den Praxiserkundungsprojekten der Fall ist. Fortbildungen mit DLL verdeutlichen zudem, dass dieser dialogische Ansatz von Reflexion nicht auf die Lehrkräfte einer Institution beschränkt bleiben muss. Angesichts der Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel lässt sich der Kreis von Dialogpartnerinnen und -partnern relativ einfach über institutionelle und auch nationale Grenzen hinweg erweitern. Im Rahmen von DLL werden diese Chancen genutzt, indem sich Kursteilnehmende lokal und regional vernetzen (siehe auch das Programm E-Lingo , Landesstiftung Baden-Württemberg 2008 ; Benitt in diesem Band). Zu den Akteuren, die in den dialogischen Prozess einbezogen werden können, gehören neben Kolleginnen und Kollegen natürlich auch alle anderen Akteure im Umfeld des Unterrichts, nicht zuletzt die Lernenden. Ein Gedanke, den Allwright im weiter oben bereits genannten Konzept einer exploratory practice (Allwright 2005 ) sehr konsequent verfolgt. Allwright grenzt sich ausdrücklich <?page no="297"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 297 von einem wissenschafts- und methodenorientierten fixierten Verständnis der Aktionsforschung ab. Er beschreibt einen verstehenden Ansatz, bei dem alle am Unterricht Beteiligten am Prozess eines forschenden Lernens mitwirken und einzelne Aspekte der gemeinsamen Praxis ergründen. Die Alltagstauglichkeit dieses Ansatzes zeigt sich vor allem darin, dass Aufgabenformate aus dem alltäglichen Unterricht als potenzielle Datenquellen (siehe z. B. das Konzept der PEPAs - potentially exploitable pedagogic activities bei Hanks 2015 ) wahrgenommen und dafür genutzt werden, ein besseres Verständnis für die Lernprozesse zu entwickeln. Die Übergänge zwischen der Reflexion des beruflichen Denkens und Handelns und dessen empirischer Erforschung anhand von systematisch erhobenen Daten gestalten sich somit fließend. evidenz Das lenkt den Blick auf das dritte Grundprinzip alltagstauglicher Modelle der Aktionsforschung: die Bedeutung von Evidenz für das Verstehen von Unterricht. Forschende Lehrende dürfen sich nicht auf den Augenschein und spontane Bewertungen verlassen. Sie sollten sich fragen, welche Alternativen es gibt, um eine Situation zu deuten und wie sich die notwendige Informationsgrundlage für ihre Urteile verbreitern lässt. Erfahrungen mit und Vorgänge im Unterricht müssen jedoch festgehalten werden, damit sie einer derart abwägenden Betrachtung zugänglich werden - und das nicht zuletzt, weil Lehrende aufgrund der Komplexität des Geschehens nur sehr eingeschränkt Lehr- und Lernprozesse zugleich organisieren und beobachten können. Welcher Vorgehensweisen sich forschende Lehrende dabei bedienen, hängt allerdings sehr stark von den jeweiligen Kontextbedingungen ab. Hierfür lassen sich keine allgemeingültigen Regeln formulieren. Die Methoden und Instrumente der empirischen Sozialforschung bieten ein umfangreiches und wertvolles Repertoire, das Lehrende nutzen können, ohne sich in die methodologischen Kontroversen des akademischen Diskurses vertiefen zu müssen. Dazu gehören neben Video- und Audioaufnahmen auch Umfragen, Beobachtungen, Tagebücher bzw. narrative Textformen oder Portfolios. Das Beispiel der potentially exploitable pedagogic activities (Hanks 2015 ) zeigt aber auch, wie Lehrende eigene Forschungsinstrumente entwickeln können, indem sie zum Beispiel die Funktion von Lernaufgaben erweitern (andere Beispiele: Cooke 2013 ; Mennim 2012 ; Rowland 2011 ; Schart 2013 ). Es ließen sich an dieser Stelle noch viele weitere Modelle anführen, die in ganz ähnlicher Art und Weise versuchen, Forschung in den beruflichen Alltag von Lehrkräften zu integrieren. Whiteheads ( 2008 ) Konzept einer living educational theory beispielsweise oder die Classroom Action Research Projects (CARPs) <?page no="298"?> 298 Imke Mohr/ Michael Schart aus dem bereits erwähnten E-Lingo -Projekt (Landesstiftung Baden-Württemberg; Benitt 2015 ; Zibelius 2015 ). Auf die Unterschiede zum Forschen professioneller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird dabei manchmal explizit durch die Wahl der Begriffe verwiesen. Eine offensive Formulierung findet man beispielsweise bei einer Forschungsgruppe von Lehrenden innerhalb der International Association of Teachers of English as a Foreign Language ( IATEFL ). Sie stellt ihre Veranstaltungen und Publikationen unter den Titel „Teacher Research! “. Mit dem Ausrufezeichen soll Selbstbewusstsein gegenüber der Wissenschaft demonstriert werden (Bullock/ Smith 2015 ). Der Ansatz von Baumfield et al. ( 2015 ) hingegen stellt eher eine defensive Variante der Wortwahl dar. Sie verzichten bewusst auf den Begriff research und bevorzugen stattdessen inquiry , um die Unterschiede zur akademischen Forschung hervorzuheben. Für die Fortbildungsmaterialien DLL hat man sich ebenfalls dafür entschieden, den Begriff Forschung zu vermeiden und von Erkundungen zu sprechen. Das soll zum einen die konzeptionellen Differenzen zur akademischen Forschung kenntlich machen, die wir in diesem Abschnitt thematisierten. Zum anderen geht es aber auch darum, den Lehrenden vor übertriebenem Ansprüchen, falschen Erwartungen und letztlich Überforderung zu schützen. Wir wissen aus Studien zum Selbstbild von Lehrenden, dass das Forschen für viele von ihnen nicht zum Berufsverständnis zählt und die Skepsis gegenüber dem akademischen Betrieb beträchtlich ist (z. B. Borg 2013 ). Wenn in Fortbildungsmaßnahmen forschende Elemente integriert werden sollen, müssen solche Bedenken berücksichtigt und alltagsadäquate Modelle von Aktionsforschung entwickelt werden. Wie man durch das Zusammenspiel der drei Grundprinzipien Reflexion, Dialog und Evidenz diesem Ziel näherkommen kann, wurde in diesem Abschnitt beschrieben. Das traditionelle Verständnis der Aufgabenverteilung zwischen wissenschaftlichem Betrieb und unterrichtlicher Praxis muss dabei unweigerlich ins Schwanken geraten, denn Lehrende werden nicht mehr (nur) als Empfänger von Wissen betrachtet, sondern als aktive Produzenten neuen Wissens. In einem dialogischen Prozess treffen ihre Erfahrungen auf die Erfahrungen anderer und fließen in ein gemeinsames Bemühen um ein besseres Verstehen ein. Der Wert akademischer Wissensbestände für den Erkenntnisgewinn forschender Lehrkräfte bleibt dabei unbestritten. Sie sind eine ergiebige Quelle akkumulierter Erfahrungen, aber sie werden nicht mehr als die bessere Form des Wissens verstanden und ihr eng beschränktes Potenzial beim Verstehen lokaler Gegebenheiten wird realistischer betrachtet. Die Praxiserkundungsprojekte, die DLL initiiert, so lässt sich abschließend festhalten, stellen kein neuartiges Modell der Aktionsforschung dar. Gleichwohl <?page no="299"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 299 besitzen sie innovatives Potenzial, weil es bislang kein Fortbildungsprogramm im Bereich Deutsch als Fremdsprache gab, in dem der forschenden Perspektive auf Unterricht ein so bedeutsamer Stellenwert eingeräumt wurde. Mit welchen Ergebnissen diese PEP s bisher eingesetzt wurden, möchten wir im Folgenden genauer beleuchten. 4 Praxiserkundungen im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen mit DLL Da wir den Schwerpunkt dieses Beitrags auf die Praxiserkundungsprojekte legen, können wir das Konzept der Fort- und Weiterbildungsreihe DLL an dieser Stelle nur umreißen (für eine detailliertere Darstellung siehe Legutke/ Mohr 2015 ) DLL orientiert sich am gegenwärtigen Wissenstand über effektive Professionalisierungsmaßnahmen und lässt sich anhand der folgenden zehn grundlegenden Prinzipien beschreiben (Legutke 2016 ; Lipowski 2014 ; siehe auch Legutke/ Schart in diesem Band): 1. Die Lehrerpersönlichkeiten und ihr Arbeitsumfeld bilden den Ausgangspunkt der Beschäftigung mit fachdidaktischen Themen. Der Relevanz der Inhalte für die unterrichtliche Praxis kommt daher eine besondere Bedeutung zu. 2. Es wird an das bereits vorhandene Wissen der Teilnehmenden angeknüpft, an ihre Überzeugungen, Werte und Erfahrungen. Diese gelten weder als grundsätzlich defizitär noch als eine minderwertige Wissensform. 3. Die (angehenden) Lehrenden werden jedoch dazu angeregt, sich subjektiver Sichtweisen und Handlungsmuster bewusst zu werden, ihre Wirkung auf die Unterrichtspraxis zu reflektieren und sie gegebenenfalls auch zu hinterfragen. 4. In der Auseinandersetzung mit fachdidaktischen Wissensbeständen, mit dem Handeln von Kolleginnen und Kollegen oder mit eigenen Unterrichtsversuchen erweitern die Teilnehmenden ihr Handlungsrepertoire, erkennen persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und setzen sich neue Ziele. 5. Phasen des Inputs, der Reflexion und der Erprobung wechseln sich ab und sind eng verzahnt. Der Wissenserwerb hat somit ebenso seinen Platz wie das Modelllernen anhand von Unterrichtsdokumentationen (Videos, Lehrmaterialien u. a.) oder das selbständige experimentelle Handeln. 6. Im Zentrum steht dabei jedoch immer die Prozessqualität des Unterrichts, also die Frage, wie unterschiedliche Faktoren im Unterricht zusammenwirken und was Lehrende mit ihrem Handeln dazu beitragen können, die Lernbedingungen zu verbessern. <?page no="300"?> 300 Imke Mohr/ Michael Schart 7. Mit Blick auf die Prozessqualität entwickeln die Teilnehmenden ihre Kompetenz weiter, Intuition und Erfahrungswissen einerseits sowie Evidenz andererseits bewusst voneinander zu trennen und in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. 8. Daher spielen die Praxiserkundungsprojekte eine hervorgehobene Rolle. Sie helfen den Teilnehmenden, einzelne Aspekte des Unterrichts besser zu verstehen und die Folgen bestimmter Vorgehensweisen abzuschätzen oder zu reflektieren. 9. Kooperative Lernformen gehören zu den konstitutiven Elementen in DLL . Der Austausch von Erfahrungen, das Voneinander-Lernen und die gemeinsame Erarbeitung neuen Wissens werden in allen Phasen angestrebt. 10. Der Aufbau solcher professioneller Lerngemeinschaften ist eingebunden in eine umfassende Betreuung durch Tutorinnen und Tutoren. Die Praxiserkundungsprojekte bieten das Umfeld, in dem diese Prinzipien zu einem Zusammenspiel finden können, woraus sich ihr herausgehobener Stellenwert im Rahmen der Fortbildungsreihe ergibt. Zugleich sind mit ihnen aber auch besondere Herausforderungen für alle Beteiligten verbunden, wie wir im Folgenden zeigen möchten. Die Praxiserkundungsprojekte stehen jeweils am Ende jeder Fortbildungseinheit. In Kleingruppen (ca. 3 Personen) sollen die Teilnehmenden gemeinschaftlich eine Untersuchung planen, durchführen und auswerten, die Ergebnisse anschließend anderen Lehrkräften präsentieren und darüber ins Gespräch kommen. Idee und Prozess einer Praxiserkundung lernen die Lehrkräfte am besten während einer ersten Präsenzphase kennen. Dadurch, dass die Teilnehmenden die Erkundungen gemeinschaftlich durchführen, sollen das Gespräch und die Reflexion über Unterricht untereinander vertieft werden und die Gruppenmitglieder können sich gegenseitig bei der Durchführung der Praxiserkundung unterstützen. Es werden grundsätzlich drei Typen von Praxiserkundungen durchgeführt: 1. Verstehen: Erkundungen mit dem Ziel der Bestandsaufnahme nach dem Muster „Wie ist mein Unterricht in Bezug auf einen bestimmten Aspekt? Wie bewerte ich dies aus meiner täglichen Praxis heraus? Was sagen meine Lernerinnen und Lerner oder meine Kollegen dazu? “ 2. Verändern: Erkundungen mit dem Ziel, Veränderungen anzustoßen und deren Auswirkungen zu verstehen. Eine typische Fragestellung wäre hier: „Was passiert, wenn ich in meinem Unterricht von einem gewohnten Vorgehen abweiche? “ <?page no="301"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 301 3. Versuchen: Erkundungen mit dem Ziel, Lehraktivitäten oder Instrumente, die man in der Fortbildung kennen gelernt hat, auszuprobieren und dafür ggf. auch zu modifizieren. In diese Kategorie fallen PEP s mit einer Fragestellung wie: „Wie kann ich diesen Aufgabentyp auch in meinen Unterricht integrieren? Welche Wirkungen lassen sich beobachten? “ Der Zyklus einer Praxiserkundung gestaltet sich in den folgenden fünf Schritten: Abbildung 1 Zyklus eines Praxiserkundungsprojekts Es ist ganz entscheidend, dass dieser Prozess dokumentiert und gemeinschaftlich nachbesprochen wird. Dadurch kann es zu Reflexion und Bewusstmachung von Ergebnissen, zur Vertiefung von Lernprozessen und vor allem zur Kontextualisierung von neu erworbenem Wissen im persönlichen und kulturell geprägten Unterrichtskontext kommen. 5 Datenkorpus: Die PEP-Dokumentationen Die bisherigen Erfahrungen mit DLL zeigen, dass es vor allem die Praxiserkundungsprojekte sind, die von den Lehrenden als herausfordernd empfunden werden. Dazu trägt nicht zuletzt die mangelnde Erfahrung mit dieser Form des forschenden Blickes auf das eigene unterrichtliche Handeln bei. Erste empirische Forschungsergebnisse zum Einsatz von DLL in unterschiedlichen Kontexten und zur Wahrnehmung der beteiligten Lehrenden lassen einerseits <?page no="302"?> 302 Imke Mohr/ Michael Schart darauf schließen, dass diese das Potenzial der gemeinschaftlichen Arbeit an den PEP s zu schätzen wissen, der Austausch innerhalb der Tridems sich jedoch zugleich als schwierig erweisen kann und der intensiven Unterstützung bedarf (Benkelmann-Zhang 2016 ; Dejanović 2013 ; Niewalda erscheint 2016 ). Wir werden in diesem Beitrag eine andere Perspektive einnehmen und uns den Produkten der Praxiserkundungsprojekte zuwenden. An einigen Standorten, an denen an Goethe-Instituten intensiv fortgebildet wird, haben Lehrkräfte inzwischen z. T. sechs Fortbildungseinheiten in Folge im Blended-Learning-Format (Präsenzveranstaltung - Online-Selbstlernphase (ca. 9 - 11 Wochen) - Präsenzphase) bearbeitet; einige Teilnehmende haben damit fünf bis sechs Praxiserkundungsprojekte durchgeführt und eine Basisqualifizierung absolviert. Die Lehrkräfte wurden dabei von erfahrenen Tutorinnen und Tutoren begleitet. Aus den daraus hervorgegangenen schriftlichen Dokumentationen zu Praxiserkundungsprojekten wurden für diesen Beitrag 60 Texte zu jeweils ca. 6 000 Zeichen (ergänzt um Anhänge wie z. B. Lehrskizzen zu den durchgeführten Unterrichtseinheiten, Beobachtungs- oder Fragebögen usw.) ausgewertet. Die Teilnehmenden haben ihre Dokumentationen nach folgendem standardisierten Muster verfasst: • Darstellung der Fragestellung, der mit der Praxiserkundung nachgegangen wurde • Darstellung des Bezugs der Fragestellung zum übergreifenden Thema der Fortbildung • Beschreibung der Durchführung der Praxiserkundung • Beschreibung der Ergebnisse der Erkundung • Reflexion der Ergebnisse der Erkundung und ihrer Folgen für die individuelle professionelle Weiterentwicklung. Die schriftlichen Dokumentationen zu Praxiserkundungsprojekten, deren Auswertung hier beschrieben wird, stammen von Teilnehmenden, die an Goethe-Instituten in Brasilien, Griechenland, Indonesien, Kenia und Russland fortgebildet wurden; fast alle sind fremdsprachige Deutschlehrkräfte mit einer Ausbildung im Ausland. Die Mehrheit hat mehrere Praxiserkundungsprojekte durchgeführt, 7 Lehrkräfte führten sechs Praxiserkundungen hintereinander durch. Diese Teilnehmenden sind Lehrkräfte an Goethe-Instituten und befanden sich in einem internen Ausbildungsprozess. Deswegen sind die vorliegenden schriftlichen Dokumentationen teilweise sicher „gefiltert“ in dem Sinne, dass die Lehrkräfte die Praxiserkundungsprojekte, die Ergebnisse und das, was sie für die Durchführenden bedeuten, insgesamt eher positiv bewerten. Schließlich werden sie in der internen Ausbildung auch bewertet, weswegen die Teilnehmenden sicher etwas seltener kritische Aspekte äußern. <?page no="303"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 303 Die Daten des vorliegenden Korpus wurden hinsichtlich dreier Thesen ausgewertet, die für die Fortbildung auf der Grundlage von Aktionsforschung als zentral und als wirksam beschrieben wurden (vgl. auch Legutke/ Mohr 2015 : 329 ). Diese Thesen werden zunächst kurz vorgestellt und anhand von Textbeispielen wird anschließend erörtert, inwieweit sie im Datenkorpus Bestätigung finden. Abschließend wird der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen sich aus den schriftlichen Dokumentationen der Praxiserkundungsprojekte für die Betreuung von Teilnehmenden in Praxiserkundungsprojekten ziehen lassen. Ein Überblick über die analysierten Aspekte findet sich am Ende dieses Beitrags. 6 Drei Thesen zur Wirksamkeit von Praxiserkundungen für die Weiterqualifizierung von Lehrkräften these 1 Lernen findet statt, wenn Lehrkräfte durch Fortbildung für sie selbst bedeutungsvolle Impulse erhalten, diese zu Fragen an ihr unterrichtliches Handeln werden, und diesen Fragen im eigenen Unterricht nachgegangen wird. In Praxiserkundungsprojekten gehen Lehrkräfte also von ihrem Unterricht und ihren Erfahrungen aus. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass sie Neues über ihren Unterricht in Erfahrung bringen möchten und daraus Konsequenzen ableiten. Dieser These entsprechend ist vorgesehen, dass Lehrkräfte mit einem Praxiserkundungsprojekt eine konkrete Fragestellung verfolgen, die sich für sie selbst im Zuge der Beschäftigung mit dem Fortbildungsthema als besonders interessant und relevant erweist. Mit diesem Fokus rückt ein ganz bestimmter Aspekt des Unterrichts in den Mittelpunkt und wird gegebenfalls verändert durchgeführt, im konkreten Kontext des eigenen Unterrichts genau betrachtet, nachvollzogen und ausgewertet. Zentral ist dabei, dass individuell bedeutsame Aspekte des unterrichtlichen Handelns oder der Unterrichtssituation im Fokus stehen. Die Lehrkräfte machen sich auf diese Weise durch Fortbildungsangebote gesetzte Themen zu eigen und bringen sie autonom in Verbindung mit ihrer Praxis. Die schriftlichen Dokumentationen zu den Projekten zeigen, dass sich die Fragen für die Praxiserkundungsprojekte zum großen Teil auf sehr konkrete Aspekte beziehen, die in der jeweiligen Fortbildungseinheit zuvor thematisiert wurden, z. B.: • Eine Übung, die verändert durchgeführt wird: „Kann ich Lückenübungen zu Partnerübungen umarbeiten und was verändert sich dadurch? Was sagen meine Lernenden zu solchen kooperativen und spielerischen Übungen? “ (erfolgsorientierte Übungen, vgl. DLL 4 , Funk u. a. 2014 ). <?page no="304"?> 304 Imke Mohr/ Michael Schart • Eine veränderte Art und Weise den Unterricht zu planen: „Wie funktioniert es, wenn ich eine Stunde mit Projektarbeit nach dem Prinzip der Rückwärtsplanung entwickle? “ (Rückwärtsplanung ausgehend von einer Zielaufgabe, vgl . DLL 1 , Schart/ Legutke 2012 ). • Die Wahl einer Arbeitsform, die sonst eher selten eingesetzt wurde: „Sprechen meine Schüler wirklich intensiv Deutsch miteinander, wenn ich einen Klassenspaziergang organisiere“ (Organisation einer Lernaktivität in einer bisher nicht benutzten Arbeitsform, um mehr Aktivität unter den Lernenden auszulösen, wo eine Lernaktivität zuvor eher für das Plenum angeboten worden wäre, vgl. DLL 6 , Ende u. a. 2013 ). Eine konkrete, auf zentrale Aspekte des Unterrichts bezogene Fragestellung ist die Voraussetzung dafür, dass eine neue Idee oder ein Impuls aus der Fortbildung im eigenen Unterricht ausprobiert und in seiner Wirkung auch beobachtet und dokumentiert werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, können Kollegen dieselben oder ähnliche Fragestellungen verfolgen und im Anschluss die Ergebnisse der Erkundung teilen und diese diskutieren. Das Korpus umfasst überwiegend sehr konkrete PEP -Fragen, mit denen die Teilnehmenden Impulsen nachgehen, die neu für sie sind, und die vielleicht in ihrer Lehr- und Lerntradition auch wenig bekannt sind. Diese Tendenz verändert sich mit der Zahl der durchgeführten PEP s nicht. Die Impulse für die Praxiserkundungen kommen zum überwiegenden Teil aus den Fortbildungseinheiten und werden durch die konkrete Planung des PEP s mit Blick auf den eigenen Unterricht neu kontextualisiert. Hier ist je ein Beispiel für eine PEP-Frage zur Fortbildungseinheit „Aufgaben, Übungen, Interaktion“ (Funk u. a. 2014 ) aus zwei Regionen: a) „Wir haben beobachtet, dass unsere Kursteilnehmer höfliche Bitten nicht flüssig sprechen können. Verbessert sich die Sprechflüssigkeit von höflichen Bitten durch den Einsatz von Automatisierungsübungen? “ (Impuls aus Kapitel 1 und 3 ) b) „Wird die Projektarbeit besser steuerbar, wenn ich mich bei der Planung an den Kategorien der Projektskizze (Ziele des Projekts, Teilaktivitäten, Arbeitsschritte, Materialien, Produkt/ e, Präsentationsform, Projektauswertung) orientiere? “ (Impuls aus Kapitel 4 ). Mit Erkundung a) bringen die durchführenden Lehrkräfte bestimmte Lernaktivitäten (Übungen zur Automatisierung) in Verbindung mit Lernerproduktionen; in Erkundung b) prüft eine Lehrkraft, ob ihr die in der Fortbildungseinheit neu eingeführten Kategorien zur Planung von Projektarbeit bei der Durchführung von projektorientiertem Lernen behilflich sind. <?page no="305"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 305 Solche Fragen bedeuten Herausforderungen für die Lehrkräfte in vielerlei Hinsicht: • Sie werden zumeist mit dem Wunsch formuliert, etwas Neues und Innovatives für den eigenen Unterricht auszuprobieren, und vielleicht selbst auch die Wirksamkeit der Fortbildung zu bestätigen: Die Lehrkräfte betreten also Neuland. • Die Formulierung einer PEP -Frage bedeutet immer eine Fokussierung auf einen Aspekt, was nicht leicht fällt, weil die Fortbildung meist mehrere interessante Impulse ergeben hat. • Eine PEP -Frage bedeutet oft auch einen Kompromiss eingehen zu müssen, weil die Arbeitsgruppe vielleicht unterschiedliche Interessen hat, aber nur eine Idee für eine Erkundung verfolgt werden soll, oder weil ein bestimmtes Interesse nicht realistisch erkundet werden kann und dies durch die Beratung deutlich wird. • PEP -Fragen sollen natürlich auch didaktisch-methodisch sinnvolle Vorgehensweisen auslösen. Die Teilnehmenden erhalten durch die Fortbildung einen Input und Impuls, den sie nachvollzogen und verstanden haben müssen und den sie nun in den Kontext einer ihrer Unterrichtseinheiten übertragen. Letzteres ist mitunter schwierig und gelingt trotz Zusammenarbeit und Beratung durch die Tutorinnen und Tutoren nicht immer. Die folgende PEP -Frage eines Tridems illustriert diese Herausforderung: • Sind Lernende während einer Gruppenarbeit aktiver, wenn die Aufgaben unter den Gruppenmitgliedern klar verteilt sind (wenn es also einen Zeitwächter, eine Protokollantin, einen Berichterstatter usw. gibt)? Der Impuls zu dieser Praxiserkundung kommt aus der Fortbildungseinheit „Aufgaben, Übungen, Interaktion" (Funk u. a. 2014 ), in der die Arbeits- und Sozialformen vorgestellt werden. Die Arbeitsgruppe ist offensichtlich interessiert daran, den Effekt, den eine Verteilung von bestimmten Aufgaben an Gruppenmitglieder für die Bearbeitung einer Lernaufgabe haben kann, bei ihren eigenen Lernenden zu erkunden. Die These der drei Kollegen lautet, dass die Lernenden mit einer klaren Rollenteilung „aktiver“ in der Gruppenarbeit sein werden. Ein Missverständnis, denn in der Fortbildungseinheit wird vermittelt, dass wechselnde Arbeits- und Sozialformen dazu führten, dass Lernende die deutsche Sprache häufiger verwendeten und sie insgesamt aktiver im Lernprozess seien. Über die Rollenverteilung argumentieren die Autoren hingegen, sie könne die Interaktion der Lernenden in der Gruppenarbeitsphase erleichtern und auf diese Art und Weise ließen sich unterschiedliche Persönlichkeiten und Fähigkeiten der Lernenden berücksichtigen (Funk u. a. 2014 : 72 ff.). Was die <?page no="306"?> 306 Imke Mohr/ Michael Schart Kollegen genau mit „aktiver“ Teilnahme durch die Rollenverteilung meinen, ist in ihrer Dokumentation nicht beschrieben, und der Zusammenhang zwischen Rollenverteilung und Lerneraktivität wird durch das Fortbildungsmaterial auch nicht nahegelegt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass durch die Auswahl der in der Erkundung untersuchten Aspekte, durch die Perspektivierung und die Planung konkreter Praxisprojekte die Inhalte unter den Kollegen neu verhandelt und kontextualisiert werden müssen. Dem Team hätte (vielleicht auch mithilfe der Tutorin/ des Tutors) auffallen können, dass die PEP -Frage, so wie sie gestellt ist, kaum beantwortet werden kann, außer man versteht „aktiv“ im Sinne von „Gruppenmitglied X erfüllt die ihm zugewiesene Rolle im Gruppenarbeitsprozess“. Dann würde die PEP-Frage aber vielleicht so lauten: „Gelingt es den Gruppenmitgliedern, ihre Rolle im Gruppenarbeitsprozess auszufüllen, und sind sie dabei erfolgreich? “ Klären könnte man diese Frage durch genaues Beobachten des Arbeitsprozesses und durch eine Befragung der Lernenden im Anschluss an die Gruppenarbeit. In Praxiserkundungen ergeben sich also ab und zu auch Einbahnstraßen, die zeigen, dass die didaktisch-methodische Argumentation hinter einem Lehrverfahren oder einer Art und Weise, eine Übung aus dem Lehrwerk zu verändern, noch nicht vollständig nachvollzogen werden konnte. Dass diesen neuen Überlegungen aber so konkret in Form eines Projekts im eigenen Unterricht nachgegangen wird, ist die Voraussetzung dafür, ihre Bedeutung und Wirkung zu erkennen. An der Fragestellung und an der Durchführung der Projekte offenbart sich auch das Verständnis von didaktisch-methodischen Konzepten. Durch die gemeinsame Diskussion von Projekt und Ergebnissen kann also Wissen vertieft und erweitert werden. Zentral ist dabei die Kooperation der Lehrkräfte im Team und mit den Fortbildenden, also der Dialog in den professionellen Lerngemeinschaften, wie wir es weiter oben bezeichneten. Für die Herausforderung, die PEP-Frage so anzulegen, dass sie einerseits Ausgangspunkt für ein spezifisches Erkenntnisinteresse in der Unterrichtspraxis ist, dieses aber auch umfassend durch Beobachtung, Datenerhebung und Auswertung beantworten werden kann, bringen Lehrkräfte weltweit sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Hilfestellung im Prozess der Praxiserkundung bieten dabei die intensive Begleitung durch die Fortbildenden im Prozess der Fragefindung und der Festlegung der Durchführung und Datenerfassung; auch Anleitungen zur Erstellung von Beobachtungs-, Reflexions- oder Fragebögen, die kontinuierliche Schulung von medientechnischer und methodischer Kompetenz schon durch die Aufgaben in den Fortbildungseinheiten (z. B. eine Unterrichtssequenz auf Video aufnehmen und auswerten). Die Fortbildenden, die diese Prozesse oft auch online betreuen, müssen - das liegt auf der Hand - <?page no="307"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 307 fachdidaktisch und auch in der Moderation von Gruppenarbeitsprozessen hoch qualifiziert sein, um die Entwicklung von PEP-Fragen moderierend unterstützen und beraten zu können. these 2 Durch Praxiserkundungenz beobachten Lehrkräfte ihren eigenen Unterricht und lernen dadurch unterrichtliche Vorgänge, Lehrverfahren und sich selbst als Lehrkraft besser kennen. Sie verändern ein Detail ihres Unterrichts oder entwickeln Bestehendes weiter. Dies wird durch die Projekte greifbar. Der Prozess der Erkundung basiert immer auf einer genauen Beobachtung und systematischen Beschreibung von unterrichtlichen Abläufen oder Lernvorgängen. Die Erkenntnisse, die die Lehrkräfte dabei gewinnen, sind die Grundlage für den Austausch über Unterricht unter den Kollegen. Videosequenzen aus dem Unterricht spielen daher in der Fortbildungsreihe eine wichtige Rolle. In der Einheit „Aufgaben, Übungen, Interaktion“ (Funk u. a. 2014 ) sehen die Lehrkräfte beispielsweise einen Ausschnitt aus einer Deutschstunde in einer Schule in New Delhi und beobachten den Einsatz der Arbeitsform „Rückendiktat“. Aufgabenstellungen wie diese regen dazu an, Abläufe genau zu beobachten: Abbildung 2 Funk u. a. 2014: 65 Die schriftlichen Dokumentationen zeigen, dass es den Lehrenden oft schwerfällt, diejenigen Aspekte des Unterrichts zu identifizieren, an denen man Zusammenhänge festmachen und beschreiben kann. Eine PEP -Frage zu formulieren, stellt eine erste Hürde dar. Doch nicht weniger wichtig sind die damit verbundenen Entscheidungen. Die Lehrenden müssen festlegen, an welchen un- <?page no="308"?> 308 Imke Mohr/ Michael Schart terrichtlichen sichtbaren oder zu erfragenden Aspekten genau man Antworten auf diese Frage ablesen wird, welches also die Indikatoren sind, und wie genau man an diese Daten kommt. Das Wissen über geeignete Verfahren der Datenerhebung (Fragebögen, Beobachtungsbögen, Interviewleitfäden usw.) lässt sich nicht voraussetzen, denn diesem Thema wird in der Lehrerausbildung weltweit nicht überall Aufmerksamkeit geschenkt. Viele Fortzubildenden müssen deshalb im Zuge ihrer Praxiserkundungen darin unterstützt werden. Das folgende Beispiel für eine Praxiserkundung, rekonstruiert aus einer schriftlichen Dokumentation, verdeutlicht diese Problematik: Die Lehrerin plant die Arbeit an einem Lesetext mit einer Lernaktivität, die sie in der Fortbildungseinheit „Lernmaterialien und Medien“ (Rösler/ Würffel 2014) kennen gelernt hat und sehr interessant findet. Als Praxiserkundungsfrage formuliert sie: „Inwieweit unterstützt es das Leseverstehen, wenn die Lernenden selbstständig W- Fragen zu einem Lesetext formulieren“? Sie wählt einen Lesetext aus und bereitet ein Arbeitsblatt vor, das auch die Lernaktivität vorgibt und auf dem bereits jeweils der Beginn von vier W-Fragen formuliert ist (Was ist …? Wer …? usw.). Die Lehrerin beobachtet dann eine Gruppe von Lernenden bei der Durchführung der Aktivität und fertigt dabei Feldnotizen an: Sie registriert, wie ihre Lernenden den Text zunächst in Einzelarbeit lesen, dann versuchen, ihn global zu verstehen, dass sie schließlich mit einiger Mühe gemeinsam W-Fragen zum Text und Antworten auf diese Fragen formulieren, und unterdessen ihre sprachlichen Probleme bei der Formulierung der W-Fragen untereinander klären. Im Anschluss an die Übung testet die Lehrerin das Leseverstehen mithilfe eines kurzen Leseverstehenstests und stellt fest, dass der Textinhalt von den meisten Lernenden richtig erfasst wurde. Schließlich erfragt sie eher allgemein über einen Fragebogen, wie hilfreich die Lernenden selbst die Aktivität und Strategie „W-Fragen zum Text formulieren“ für den Verstehensprozess finden; sie erhält überwiegend positive Antworten („hilfreich“) auf die Optionen „nicht hilfreich, wenig hilfreich, hilfreich“. In der schriftlichen Dokumentation schreibt die Lehrerin, dass sie positiv überrascht worden sei von der Lernaktivität „Formulierung von W-Fragen zu einem Lesetext“, obwohl sie beobachten konnte, dass die Lernenden größere Schwierigkeiten mit dieser Aufgabe hatten. Inwieweit die positiven Ergebnisse in Bezug auf das Textverstehen in Verbindung mit der eingesetzten Aktivität „W-Fragen zum Text formulieren“ stehen, bleibt ebenso offen, wie die sehr interessante Frage, auf welche Weise die Lernenden beim Lesen denn nun tatsächlich vorgegangen sind. Dies hätte sie in Erfahrung bringen können, wenn sie ihre Lernenden im Anschluss an die Übung intensiv nach ihrem Lernprozess befragt hätte oder wenn sie einzelne Lernende gebeten hätte, beim Lesen des Textes und Bearbeiten der Lernaktivität ihre Gedanken zu versprachlichen. Den Zugang zum Leseverstehen konnte die Lehrkraft in ihrer Erkundung also nicht <?page no="309"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 309 herstellen, dennoch zeigt sie sich zufrieden mit der Bewertung der Lernaktivität durch ihre Kursteilnehmenden und deren Ergebnissen und schließt ihre Dokumentation mit den Worten: Für mich ist es wichtig zu wissen, dass wir als Lehrkräfte die W-Fragen nicht unbedingt vorgeben müssen, um das Textverstehen zu unterstützen. Die Kursteilnehmer können sie in Zukunft selbst formulieren und darauf antworten, um den Inhalt des Textes zu erfassen. Außerdem ist ihnen nun bewusst geworden, dass es mehrere Lesestrategien gibt, die ihnen beim Leseverstehen helfen können. Besonders die schriftlichen Dokumentationen zu ersten Praxiserkundungsprojekten zeigen, dass es wichtig ist, realistische Erwartungen an die Beobachtung und die Dokumentation von Beobachtbaren im Rahmen von Erkundungen zu entwickeln. Lehrkräfte, die in ihrer Ausbildung niemals Unterricht beobachtet und systematisch besprochen haben, die auch nie empirisch gearbeitet haben, sollten Gelegenheit haben, im Rahmen der ersten PEP s ausgewählte unterrichtliche Vorgänge zu beobachten, sie genau zu beschreiben, zu erläutern und mit Blick auf die Themenstellung und den Input der Fortbildung zu diskutieren. Dies kann im Unterricht einer Kollegin oder eines Begleitlehrers geschehen, dafür können aber auch Videoaufzeichnungen von Unterricht genutzt werden. Hilfreich ist auch, zu Beginn unterrichtliches Handeln im Unterricht zu beobachten, das bereits im Fortbildungsmaterial thematisiert wurde, zu dem sich vielleicht auch schon beobachtbare Indikatoren finden lassen. Unterstützend ist auch, wenn die PEP s von weiter fortgeschrittenen Kollegen gemeinsam besprochen und das Vorgehen und die Ergebnisse diskutiert werden. Daraus können alle lernen. Im weiteren Verlauf des Fortbildungsprozesses können die Fortzubildenden zusehends mehr darin unterstützt werden, in ihren Erkundungen neues unterrichtliches Handeln auszuprobieren und sich dabei klar zu machen, was genau sie interessiert und was sie erkunden möchten; dafür sind Indikatoren zu bestimmen, die Abläufe müssen festgehalten, nachbesprochen und gemeinsam bewertet werden. Diese Prozesse können sich aufwändig in der Betreuung gestalten und die Ansprüche an die Datenerhebung sollten nicht zu hoch sein, insbesondere dann, wenn die teilnehmenden Fortzubildenden aus Lernkulturen kommen, in denen diese Arbeitsweisen nicht eingeübt sind. Erfahrungsgemäß eignen sich am besten Tridems, die aus Kollegen zusammengesetzt sind, die unterschiedliche Fortbildungserfahrungen haben, sodass Lehrkräfte ohne PEP - Erfahrung Unterstützung finden. Wie die Kooperation mit den Kollegen im Einzelnen eingeschätzt wird, kann über die schriftlichen Dokumentationen allerdings kaum nachvollzogen werden. In Interviews bzw. in der Kommunikation im Online-Kursraum finden sich jedoch einige Spuren, die zeigen: Das <?page no="310"?> 310 Imke Mohr/ Michael Schart gemeinsame Arbeiten ist mit Blick auf die gegenseitige Entlastung und das Voneinander-Lernen sinnvoll, viele Lehrkräfte bestätigen jedoch, dass auch das Zusammenarbeiten gelernt sein will. Sie machen ähnliche Erfahrungen wie die, von denen ein Lehrer aus Eritrea berichtet: Problematisch war das Arbeiten an PEP s in den Tridems. Viele sind die Teamarbeit nicht gewöhnt und sind dadurch noch mehr unter Druck geraten. Man schafft den Alltag mit drei Arbeitsstellen, wenn man sehr gut organisiert ist, aber man schafft sie nicht, wenn man sich absprechen und noch aufeinander warten muss. Deshalb ist es bis zum 6. PEP so gewesen, dass einer im Tridem einen Vorschlag für ein PEP gemacht hat und die anderen zugestimmt und irgendwie mitgemacht haben. Das Ziel, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen, erreicht man so aber nicht. Und wie das immer ist: Wenn der Vorteil der Pflichten nicht gleich zu merken ist, schafft man sie ab. Ich glaube, dass wir besser Individual- PEP s machen sollten. Lehrer, Eritrea (Interview) Die Ergebnisse aus den oben erwähnten Forschungsprojekten von Niewalda (erscheint 2016 ) oder Dejanović ( 2013 ) können demnach bestätigt werden. Es ist daher sicher sinnvoll, wenn Fortbildende zum richtigen Zeitpunkt Alternativen zur Durchführung von Praxiserkundungsprojekten ansprechen. Sie können natürlich auch in Tandems oder - wenn Teilnehmende schon mehrere Projekte durchgeführt haben - auch in Einzelarbeit gelingen. Dies sollte jedoch die Ausnahme bleiben; die Vorteile gemeinsamen Arbeitens überwiegen und sollten frühzeitig angesprochen werden: Gegenseitige Unterstützung in Planung und Durchführung der PEP s, das Kennenlernen anderer Unterrichtskontexte und Unterrichtsstile (die der Kollegen), Überwindung von Vereinzelung durch die Fortbildung usw. Die Teilnehmenden können auch durch strukturelle Hilfen in der gemeinsamen Arbeit unterstützt werden (z. B. Zeitvorgabe zur Erarbeitung des PEPs, feste Termine für Chats oder Videokonferenzen, Wikis für Vorstellung und Absprachen zu PEP -Fragen usw.). these 3 Lehrkräfte entwickeln ihre Lehrkompetenz weiter, indem sie in ihrem eigenen Unterricht auf der Grundlage von fachdidaktischem Wissen, mithilfe ihrer Kompetenzen und ihrem Erfahrungswissen auf eine neue Art und Weise handeln. Dabei ist die Reflexion ihres Handelns zentral. Durch reflektierendes Erfahrungslernen kann die Schwelle zwischen Theorie (eingebracht durch Fortbildung) und Praxis (eigener Unterricht) überwunden werden. Reflexion kommt in Praxiserkundungen eine entscheidende Rolle zu. Die Reflexion des eigenen Tuns wird schon in den Fortbildungsmaterialien der Reihe DLL intensiv initiiert. Die Teilnehmenden sind immer wieder aufgefordert, zu <?page no="311"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 311 beschreiben und sich damit zu verdeutlichen, wie sie in bestimmten Unterrichtssituationen vorgehen oder reagieren, warum sie dies tun bzw. was sie damit bewirken möchten und wie dies gelingt. Mit solchen Reflexionen werden Prozesse des Nachdenkens auf der Grundlage des Wissens über den eigenen Unterricht und auf der Grundlage von den eigenen Erfahrungen als Lehrkraft angeregt. In der Praxiserkundung wird der Prozess der Reflexion noch etwas weiter gefasst. Reflexion kann prüfend und vergleichend erfolgen • auf der Grundlage konkreter Beobachtungen zu Vorgängen im Unterricht, zu Lernprodukten, Einschätzungen von Lernenden usw., • auf der Grundlage von neu erworbenem fachlichen Wissen zu Fragen wie „Was genau bedeutet...? “, „Wie lassen sich Zusammenhänge erklären? “ und „Was ist durch Erkenntnisse der Unterrichtsforschung, der Fremdsprachendidaktik oder der Sprachlehrforschung empirisch abgesichert und erwiesen? “, • auf der Grundlage von bereits vorhandenen Kenntnissen der Lehrkraft zu Vorgängen/ Rahmenbedingungen/ Lernenden und ihren persönlichen Kompetenzen, • und auf der Grundlage von kollegialem Austausch, wenn die Ergebnisse der Erkundung unter Kolleginnen und Kollegen diskutiert werden. Bei der Implementierung von DLL wurde hinsichtlich der Bereitschaft zur Reflexion und vor allem hinsichtlich der Reflexionsfähigkeit der Fortzubildenden vielfach Skepsis geäußert. In manchen Lern-/ Lehrkulturen sei es außerdem unüblich, dass Lehrkräfte überhaupt über Alternativen in Bezug auf ihr unterrichtliches Handeln nachdenken. Dieses in Frage zu stellen und mit einem Praxiserkundungsprojekt an alternativen unterrichtlichen Handlungsmöglichkeiten zu arbeiten, widerspreche dem Lehrerbild in manchen Kulturen, so ein Einwand. Deshalb kommt dem Aspekt der Reflexion in der Evaluation der Fortbildungen auf der Grundlage von DLL auch besonderes Interesse zu. Die Notwendigkeit, die Ergebnisse des PEP s mit Blick auf den eigenen Unterricht sowie persönliche Entwicklungen zu reflektieren, wird mit der fünften Leitfrage, die für die Abfassung der schriftlichen Dokumentationen vorgegeben ist, explizit gemacht. Die Lehrkräfte werden hier gebeten, - die Erkenntnisse, die ihnen im Praxiserkundungsprojekt wichtig sind, darzustellen, - Konsequenzen aus den Befunden für das eigene unterrichtliche Handeln zu beschreiben, - und die Bedeutung der Ergebnisse für die individuelle professionelle Weiterentwicklung zu verdeutlichen. <?page no="312"?> 312 Imke Mohr/ Michael Schart In den schriftlichen Dokumentationen des Korpus sind dementsprechend Reflexionen unterschiedlicher Art zu finden. Der folgende Überblick verdeutlicht, woran sich Reflexion jeweils zeigt; je ein Auszug aus einer schriftlichen Dokumentation illustriert den jeweiligen Bezugspunkt der Reflexion beispielhaft: Reflexion zeigt sich daran, dass-… Beispiel/ Auszüge aus schriftlichen Dokumentationen a) die TN einen ausgewählten Fortbildungsinhalt vor dem Hintergrund ihrer konkreten Erfahrungen im PEP und ihren persönlichen Rahmenbedingungen prüfen und bewerten. „Binnendifferenzierung ist sehr wichtig; das ist keine Frage. Besonders, wenn man Erwachsene unterrichtet. Es macht aber auch sehr viel Arbeit, denn die verschiedenen Lernaktivitäten müssen vorbereitet sein. Das ist für mich im Moment nicht zu schaffen, wenn das immer so aufwendig wie in meiner Praxiserkundung ist. Wenn ich mehrmals diesen Kurs hintereinander unterrichten könnte, könnte ich viele Übungen ausarbeiten und diese immer wieder benutzen. Oder ich könnte mit meinen Kolleginnen Material austauschen. Aber das kostet alles viel Zeit.“ ( PEP im Anschluss an DLL 6, Ende u. a. 2013) b) die TN Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen des PEP s für ihr unterrichtliches Handeln ziehen und diese Entscheidung begründen. „Die Ergebnisse des Projekts bestätigen mich darin, dass die Lesestrategie „Wörter genau analysieren“ den Verstehensprozess unterstützen kann, obwohl die Prozentzahl (derer, die das Lesen des Textes, unterstützt durch die vorgeschlagene Strategie, positiv bewerten. I. M.) noch nicht so hoch war. Vermutlich sind viele Teilnehmer noch nicht daran gewöhnt, ohne Wörterbuch einen Text zu bearbeiten, deshalb haben auch viele die Frage 3 mit „es geht“ beantwortet. Wichtig ist aber für mich, dass die TN nun noch eine andere Strategie kennen, die sie bei der Bearbeitung eines Textes ohne Wörterbuch verwenden können. Das ist sehr wichtig und jetzt weiß ich, dass sie damit gut zurechtkommen.“ ( PEP im Anschluss an DLL 5, Rösler/ Würffel 2014) <?page no="313"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 313 Reflexion zeigt sich daran, dass-… Beispiel/ Auszüge aus schriftlichen Dokumentationen c) die TN Ergebnisse problematisieren, die das PEP sichtbar gemacht hat, und sich dabei auf ihre Erfahrungen und ihr neu erworbenes fachdidaktisches Wissen beziehen. „Ich wusste schon, dass die Videoaufnahmen vom eigenen Unterricht etwas schwierig sind. Man kann sich genau ansehen und entdeckt alle Fehler bei sich selbst. Meine Kolleginnen haben mich gewarnt. Aber das war auch eine Entdeckung. Ich habe nicht gewusst, dass ich so viel spreche, dass ich den Schülern so viel helfe beim Sprechen, dass ich so dominant bin. Eigentlich denke ich nicht, dass Fehler von Schülern bei anderen Schaden machen. Also ist das nicht der Grund für diese extreme Korrekturweise. (…) Nach dieser Fortbildung mit DLL 1 ist klar, dass ich daran etwas ändern will. Der erste Schritt dafür ist gemacht, denn ich weiß jetzt, dass ich mich zurücknehmen möchte. Ich will für Rückmelden und Korrigieren eine andere Lösung finden.“ ( PEP im Anschluss an DLL 1, Schart/ Legutke 2012) d) sich die TN Beobachtungen und Erkenntnisse bewusst machen und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten beschreiben. „Ich unterrichte seit vielen Jahren mit Tangram und habe mich immer über das reichhaltige Übungsangebot des Lehrwerks gefreut. Nie habe ich Übungen ausgelassen oder den Weg des Lehrwerks verlassen. Wir haben ein Lehrwerk nicht als ein Angebot kennengelernt, aus dem wir wählen können, wir haben es als Vorgabe akzeptiert und haben besonders als junge Lehrer davon profitiert. Immer wusste ich, wie ich weiterarbeiten muss. (…) Die Teillernziele, die die Kursteilnehmer erreichen müssen, sind ein neuer Richtwert für mich. Dahin können wir arbeiten und so kann man sich ein bisschen von Tangram emanzipieren, wenn man das so sagen kann, wenn man diese Ziele fokussiert. Wir haben in der Gruppe darüber gesprochen, dass wir uns mehr an den Teillernzielen orientieren wollen. Man braucht auch Kontrollen, die in der Stunde zeigen, ob das Ziel erreicht ist. Diese Kontrollen während den Stunden müssen wir jetzt machen. Dann sind wir sicher, dass wir das nächste Ziel anstreben dürfen.“ ( PEP im Anschluss an DLL 6, Ende u. a. 2013) <?page no="314"?> 314 Imke Mohr/ Michael Schart Reflexion zeigt sich daran, dass-… Beispiel/ Auszüge aus schriftlichen Dokumentationen e) die TN die Durchführung des PEP s und die Bedeutung der Ergebnisse kommentieren/ bewerten. „Die Durchführung des PEP s war eine schöne Erfahrung für mich. (…) Über die Evaluationsmethode muss ich noch mal nachdenken. Und sollte das vielleicht in der Zukunft anders machen. Eine Kollegin hatte das bei der Präsentation der PEP s gefragt, warum unsere Ergebnisse alle unterschiedlich sind (die Ergebnisse der Mitglieder des Tridems, I. M.). Jetzt bin ich unsicher mit dem Ergebnis. Mir war auch gleich erstaunlich, dass die Durchführung des Praxiserkundungsprojekts allen Lernern gut gefallen hat. Und alle fanden, dass die Aufgabe leicht war. Aber die meinten es ehrlich. Ich habe sie gleich am Ende der Evaluation noch einmal gefragt. Vielleicht wäre es viel besser, wenn ich den Lernenden das Evaluationsblatt verteile. Sie können dann das Blatt geheim und angstfrei und sogar ehrlicher ausfüllen. (…) Ich hoffe sehr, dass ich meine nächsten Praxiserkundungsprojekte besser durchführen könnte.“ ( PEP im Anschluss an DLL 5, Rösler/ Würffel 2014) Tabelle 1 Reflexionen in den schriftlichen Dokumentationen mit Beispielen Die schriftlichen Dokumentationen der Praxiserkundungsprojekte zeigen also Reflexionen von Lehrkräften auf unterschiedlichen Ebenen. Man muss nicht befürchten, dass es Lehrkräfte aus bestimmten Regionen geben könnte, die sich der Reflexion ihrer Erkenntnisse aus den Praxiserkundungen entziehen oder daran scheitern. Der Teil der schriftlichen Dokumentation mit reflektierenden Anteilen (Textteil zu Leitfrage 5 ) ist zwar im Durchschnitt vom Umfang her deutlich kürzer als die Textteile zu den Leitfragen 2 , 3 und 4 (Textteil 1 spielt eine Sonderrolle, weil hier nur die PEP -Frage genannt werden soll), aber der Versuch, Praxiserkundungen zu reflektieren, ist selbst bei den Durchführenden erster Erkundungen durchgehend erkennbar. Auffällig ist, dass Reflexionen zum Themenbereich e) „Bewertung der Durchführung des Praxiserkundungsprojekts und seine Bedeutung“ sehr häufig in den schriftlichen Dokumentationen anzutreffen sind, auch bei jenen Fortzubildenden, die bereits mehrere PEP s durchgeführt haben. Dagegen kommen Reflexionen wie in c) und d) deutlich seltener vor. Eine Begründung dafür könnte sein, dass die Einübung in den Prozess der Durchführung der PEP s viel Zeit <?page no="315"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 315 und Aufwand in der Fortbildung in Anspruch genommen hat und das Instrument bzw. das Vorgehen an sich dadurch sehr betont wurden. Selbstkritische Reflexionen wie im vorliegenden Beispiel zu e) zeigen, dass sich die Lehrkräfte mit der Frage beschäftigten, ob sie ihr PEP wohl „richtig“ gemacht haben, sodass oftmals der zentrale Inhalt der Erkundung und seine Bedeutung für den Unterricht etwas aus dem Blick geraten sind. Reflexionen des Typs a) „Ergebnisse der Praxiserkundung bewerten“ und b) „Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen“ können häufiger beobachtet werden; die Leitfrage 5 , die nach konkreten Ergebnissen aus dem PEP und deren Bedeutung für die Lehrperson fragt, konnte offensichtlich diese Reflexionen auslösen. Dahingegen finden sich im Korpus nur sehr vereinzelt Reflexionen, im Rahmen derer individuelle Lernprozesse beschrieben werden, die durch PEP s ausgelöst oder verdeutlicht wurden. Inwieweit diese Ergebnisse dadurch zu erklären sind, dass die Lehrkräfte, deren Daten vorliegen, dazu neigen, persönliche Erfahrungs- oder Lernprozesse nicht gern zu kommentieren, zumal die Dokumentationen ja auch in den Online-Kursraum hochgeladen wurden und damit für andere zugänglich waren, kann auf der Grundlage der Daten nicht beantwortet werden. In einem Gespräch mit einer Teilnehmenden zu Praxiserkundungsprojekten bezeichnete diese das PEP als bisher unbekannte „Methode“, sich mit der eigenen Unterrichtspraxis zu beschäftigen: PEPs sind doppelt arbeitsintensiv: Man muss lernen, die Methode durchzuführen. Was PEP s bedeuten, weiß man ja erst, wenn sie auch klappen. Wenn die ersten Ergebnisse da sind, die etwas Interessantes über den Unterricht zeigen, Ergebnisse, die dir selbst wichtig sind, durch die du sehen kannst „Das war gut! “ oder „Ah, so geht es noch besser! “ Und man muss akzeptieren, dass die Arbeit am Ende des Kurses nicht zu Ende ist. Um ehrlich zu sein: Es ist angenehm mit guten Tipps für den Deutschunterricht nach Hause zu gehen. Aber wir gehen zurück in den Unterricht mit PEP s. Das ist anstrengend. Mit PEP s tun wir aber noch einen Schritt weiter in den Unterricht. Und dadurch hat die Fortbildung noch mehr mit uns selber zu tun. Lehrerin, Äthiopien (Interview) Im Korpus fällt auch auf, dass konkrete Formulierungen in den reflektierenden Textteilen wiederholt verwendet werden. Die in einem der Beispiele für schriftliche Dokumentationen zu findende Formulierung „Die Durchführung des Praxiserkundungsprojekts war für mich eine wertvolle Erfahrung.“ kann man in vielen schriftlichen Dokumentationen entdecken, was darauf hinweist, dass die Fortzubildenden bei der Abfassung dieses reflektierenden Textteils nach Orientierung im Beispieltext oder bei den Kolleginnen und Kollegen gesucht <?page no="316"?> 316 Imke Mohr/ Michael Schart haben. Es spricht aber an sich auch nichts dagegen, Reflexionsprozesse mit Formulierungen oder Satzanfängen zu initiieren, wie man sie im Korpus finden kann, z. B. „Eine ganz neue Erfahrung war für mich …“ oder „Ich frage mich, was/ ob …“ Die Frage nach der Bedeutung reflexiver Kompetenz und ob sie eine Voraussetzung dafür ist, dass Aktionsforschung zu professioneller Entwicklung führt, liegt nahe. Die Daten, die im Zuge weiterer Fortbildungen mit Praxiserkundungsprojekten gewonnen werden, könnten zu ihrer Beantwortung beitragen, und das insbesondere dann, wenn Korpora mit Daten zusammengestellt werden, die sechs Praxiserkundungen umfassen und uns damit professionelle Entwicklungen nachzeichnen lassen. Welche Spuren reflexiver Kompetenz gibt es und werden sie mehr, je mehr Praxiserkundungsprojekte eine Lehrkraft durchgeführt und präsentiert hat? 7 Perspektiven Die weltweite Implementierung von Fort- und Weiterbildungen auf der Grundlage von DLL hat gerade erst begonnen. Teilnehmende wie Fortbilderinnen und Fortbilder sammeln ihre ersten Erfahrungen mit dem für viele Beteiligte zunächst ungewohnten Instrument der Praxiserkundungen. Anhand der in diesem Beitrag vorgestellten Analyse von schriftlichen Dokumentationen wird jedoch deutlich, dass man optimistisch sein darf: Aktionsforschung, umgesetzt durch ein für die Zielgruppe bewältigbares Instrument (Praxiserkundungen) und begleitet von fachdidaktisch kundigen und in der Moderation von Gruppenarbeitsprozessen erfahrenen Fortbilderinnen und Fortbildern, setzt Reflexion und Gespräch über den Unterricht in Gang. Die Praxiserkundungsprojekte machen unterrichtliches Handeln und seine Folgen sichtbar und verständlicher. Sie werden zum Ausgangspunkt für Überlegungen, den eigenen Unterricht weiterzuentwickeln. In den letzten Jahren wurden bereits einige empirische Forschungsprojekte initiiert, die sich unterschiedlichen Aspekten von DLL widmen (Benkelmann- Zhang 2016 ; Dejanović 2013 ; Niewalda erscheint 2016 ). Diese Tendenz sollte sich in der kommenden Zeit weiter verstärken, um die Gestaltung dieser Fortbildungsreihe weiter optimieren zu können. Vor allem aus den Online-Lehrerfortbildungen auf der Basis von DLL ergibt sich eine große Menge unterschiedlichster Daten, die tiefere Einsichten ermöglichen in die Abläufe und Lernprozesse während der Qualifizierung: neben den schriftlichen Dokumentationen von Praxiserkundungsprojekten stellt beispielsweise auch der Austausch von Lehrkräften in Foren, Chats oder per Email während der Vorbereitung auf die PEP s und deren Durchführung eine wertvolle Datenquelle dar. Die Kommunikation <?page no="317"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 317 in Online-Kursräumen zeigt, wie Lehrkräfte Aufgaben kooperativ bearbeiten, wie sie ihr Wissen über Unterricht teilen, auf fachdidaktische Neuerungen oder Vorschläge eingehen oder diese vor dem Hintergrund ihres unterrichtlichen Kontexts diskutieren. Besonders interessant wäre es nun, Fortzubildende über längere Zeit hinweg zu begleiten und ihre Kompetenzentwicklung zu verfolgen. Nur auf der Grundlage solcher Erkenntnisse lassen sich letztlich Aussagen zur Wirksamkeit der Fortbildungsreihe treffen. Daneben stellen sich eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung dazu beitragen könnte, die Fortbildungen gezielter an die kulturellen und unterrichtlichen Bezüge der Lehrenden anzupassen. Einige dieser Fragen liegen nach der Analyse der schriftlichen Dokumentationen in diesem Beitrag auf der Hand: - Welche Fragestellungen wählen Lehrkräfte bevorzugt für ihre Praxiserkundungen, welche Impulse wirken motivierend auf sie und hat dies etwas mit der Art und Weise der Darstellung der didaktisch-methodischen Inhalte zu tun? Wann und wodurch entstehen also Impulse dafür, Veränderungen im Unterricht vorzunehmen, und sagt uns dies etwas über die Gestaltung von Fortbildungen? - Welche Bedeutung hat die Weiterentwicklung von Beobachtungs- und Reflexionskompetenz für eine als positiv empfundene Weiterentwicklung von Unterricht und die einzelne Lehrkraft? - Wie kommunizieren Lehrkräfte miteinander über Unterricht, wie empfinden sie selbst diesen durch Fortbildung angestoßenen Dialog? Welcher Art sind die Rückmeldungen, die sie einander geben, welche Impulse werden aufgenommen und wie kann man den Austausch in Gruppen tutoriell unterstützen und intensivieren? - Wie entwickelt sich die Kooperationsfähigkeit von Lehrkräften, wenn sie mehrere Erkundungen in Kleingruppen durchgeführt haben, welche Strategien werden bei der Einigung auf PEP -Fragen, bei der Organisation der gemeinsamen Arbeit und bei der Präsentation der Ergebnisse sichtbar, die für die Betreuung durch die Fortbilderinnen und Fortbilder nutzbar gemacht werden können? - Welche Datenerhebungsmethoden sind gerade für die ersten Praxiserkundungsprojekte erfolgreich und zugleich zumutbar? Welche bringen Lehrkräften verlässlich Einblick in Abläufe des Unterrichts, und wie kann man zu ihrem Einsatz ermutigen? - Wie können Lehrkräfte darin unterstützt werden, selbstständig Erkundungsdesigns zu entwickeln und zu dokumentieren? Dies ist eine große Herausforderung auch für Fortbildende, die unterstützendes Material wie Beispiele für die Datenerhebung in Praxiserkundungen und Leitfäden zur Erstellung <?page no="318"?> 318 Imke Mohr/ Michael Schart von Fragebögen usw. brauchen, um während der Fortbildung zeitökonomisch beraten zu können. - Inwiefern verändern sich lernkulturspezifische Überzeugungen und Haltungen von Lehrkräften zu ihrem Deutschunterricht durch die Praxiserkundungen? Fortbildungen auf der Grundlage von DLL bergen - nicht zuletzt aufgrund ihres weltweiten Einsatzes - ein gewaltiges Potenzial für die Implementierung und Entwicklung der empirischen Forschung im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Das betrifft zum einen natürlich die Lehrkräfte, die über die Praxiserkundungsprojekte mit dem forschenden Blick auf unterrichtliches Geschehen vertraut werden. Zum anderen könnte sich aber auch das akademische Fach Deutsch als Fremdsprache profilieren, wenn die Fortbildung nicht nur als Möglichkeit der Professionalisierung der Lehrerschaft verstanden würde, sondern auch als ein Gegenstand empirischer Untersuchung. Anhang Analysierte Aspekte in schriftlichen Dokumentationen: nachweisbar in 60 schriftlichen dokumentationen von PePs Die TN entwickeln konkrete, auf zentrale Aspekte ihres Unterrichts bezogene Fragen, die sich prinzipiell im Rahmen von Praxiserkundungsprojekten beantworten lassen. 95 % Die TN nehmen ausgewählte Inhalte der Fortbildungseinheiten auf und entwickeln daraus ihre Erkundungen. 75 % Die TN erproben didaktisch-methodisch sinnvolle Vorgehensweisen/ Lehrverfahren/ Lernmaterialien usw. 68 % Die TN erarbeiten Indikatoren, anhand derer sie erkennen und ablesen können, was sie durch ihre Erkundung herausfinden möchten. 45 % Die TN wählen zielführend Methoden/ Verfahren aus, durch die sie Abläufe im Unterricht beobachten/ festhalten und auf deren Grundlage sie sie dokumentieren können. 42 % <?page no="319"?> Praxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung 319 Analysierte Aspekte in schriftlichen Dokumentationen: nachweisbar in 60 schriftlichen dokumentationen von PePs Die TN reflektieren, prüfen und bewerten ausgewählte Fortbildungsinhalte vor dem Hintergrund ihrer konkreten Erfahrungen im PEP und ihrer persönlichen Rahmenbedingungen. (a) 97 % Die TN ziehen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen des PEP s für ihr unterrichtliches Handeln und begründen diese Entscheidung. (b) 92 % Die TN problematisieren Ergebnisse, die das PEP sichtbar gemacht hat, beziehen sich dabei auf ihre Erfahrungen und ihr neu erworbenes fachdidaktisches Wissen. (c) 22 % Die TN machen sich Beobachtungen und Erkenntnisse bewusst und sprechen explizit persönliche Entwicklungsmöglichkeiten an. (d) 13 % Die TN kommentieren/ bewerten die Durchführung des Praxiserkundungsprojekts und die Bedeutung der Ergebnisse. (e) 78 % Literatur Allwright, Dick (2005). Developing principles for practitioner research: The case of exploratory practice. The Modern Language Journal 89, 353-66. Allwright, Dick/ Hanks, Judith (2009). The developing language learner: An introduction to exploratory practice . New York: Palgrave Macmillan. Altrichter, Herbert (1990). Ist das noch Wissenschaft? 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Bergische Universität Wuppertal giessler@uni-wuppertal.de Heinrich, Gesa F., Dr. Nibelungen-Realschule Braunschweig gesa_heinrich@mail.de Hoinkes, Ulrich, Prof. Dr. Universität Kiel hoinkes@romanistik.uni-kiel.de Jöckel, Alicia Grundschule am alten Postweg, Bremen joeckel@uni-bremen.de Kirchhoff, Petra, Prof. Dr. Universität Regensburg petra.kirchhoff@sprachlit.uni-regensburg.de <?page no="324"?> 324 Liste der autorinnen und autoren Knorr, Petra, Dr. Universität Leipzig pknorr@uni-leipzig.de Legutke, Michael, Prof. em. Dr. Justus-Liebig-Universität Gießen michael.k.legutke@anglistik.uni-giessen.de Mohr, Imke, Dr. Goethe-Institut München imke.mohr@goethe.de Schart, Michael, Dr., Associate Professor Keio Universität Tokyo m.schart@keio.jp Schneider, Ramona, M. A. Universität Siegen schneider@romanistik.uni-siegen.de Steininger, Ivo, Dr. Justus-Liebig-Universität Gießen Ivo.Steininger@anglistik.uni-giessen.de Weigand, Pirko, M.Ed. Universität Kiel pweigand@romanistik.uni-kiel.de <?page no="325"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik ISBN 978-3-8233-8040-5 Der Band versammelt empirische Arbeiten aus der fremdsprachlichen Professions-, Ausbildungs- und Fortbildungsforschung und zeigt die derzeitigen Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich auf. In den letzten zwei Jahrzehnten entstanden zahlreiche innovative Aus- und Fortbildungskonzepte, deren Auswirkungen auf die Unterrichtspraxis in Universitäten, Studienseminaren und Schulen bislang nur unzureichend untersucht wurden. Dieser Band füllt diese Lücke und ist somit für all jene von Interesse, die in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften für den fremdsprachlichen Bereich tätig sind.
