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Jakobus in Franken

Kult, Kunst und Pilgerverkehr

0813
2018
978-3-8233-9159-3
978-3-8233-8159-4
Gunter Narr Verlag 
Robert Plötz
Peter Rückert

Die Verehrung des heiligen Jakobus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Franken steht im Fokus des Bandes. Die hier versammelten Beiträge verfolgen den Kult des Apostels in der fränkischen Sakrallandschaft. Sie fragen zunächst nach den Initiatoren und Förderern seiner Verbreitung. Insbesondere werden dabei die bildlichen Darstellungen des Pilgerheiligen vorgestellt, die sich zum Teil als Werke berühmter Meister, wie Tilmann Riemenschneider, neu ansprechen lassen. Neben der Kunst tritt der Pilgerverkehr hervor: Aus unterschiedlicher Perspektive werden die mittelalterlichen Pilger auf ihren Wegen in Franken, manche auch in Santiago de Compostela, am Grab des heiligen Jakobus, verfolgt. Diese Pilgerfahrten werden nicht zuletzt konfrontiert mit der massiven Kritik, die Martin Luther gegen das Wallfahren einbrachte, und in ihrer weiteren Entwicklung skizziert.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-8233-8159-4 16,6 - www.narr.de Die Verehrung des heiligen Jakobus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Franken steht im Fokus des Bandes. Die hier versammelten Beiträge verfolgen den Kult des Apostels in der fränkischen Sakrallandschaft. Sie fragen zunächst nach den Initiatoren und Förderern seiner Verbreitung. Insbesondere werden dabei die bildlichen Darstellungen des Pilgerheiligen vorgestellt, die sich zum Teil als Werke berühmter Meister, wie Tilmann Riemenschneider, neu ansprechen lassen. Neben der Kunst tritt der Pilgerverkehr hervor: Aus unterschiedlicher Perspektive werden die mittelalterlichen Pilger auf ihren Wegen in Franken, manche auch in Santiago de Compostela, am Grab des heiligen Jakobus, verfolgt. Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) JAKOBUS IN FRANKEN JAKOBUS IN FRANKEN Kult, Kunst und Pilgerverkehr Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) 18159_Rueckert_Umschlag.indd 1,3 05.07.2018 12: 27: 34 <?page no="1"?> Jakobus-Studien 22 im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="2"?> Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) Jakobus in Franken Kult, Kunst und Pilgerverkehr <?page no="3"?> © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany ISSN 0934-8611 ISBN 978-3-8233-9248-4 Umschlagabbildung: Der hl. Jakobus mit Pilgerstab und Muschel unter den Aposteln, Urphar, Evangelische Pfarrkirche Sankt Jakobus (© Bildarchiv Foto Marburg / Thomas Scheidt) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="4"?> In memoriam Volker Honemann (1943 - 2017) Dieser Band sei Volker Honemann gewidmet, der am 19. September 1943 im mainfränkischen Stadelschwarzach das Licht der Welt erblickte. Der unermüdliche Forscher, gute Freund und langjährige Begleiter der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft verstarb unerwartet am 28. Januar 2017 in Berlin. Er wird in unserer Erinnerung bleiben. <?page no="6"?> 7 Inhalt Robert Plötz (†) und Peter Rückert Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Robert Plötz (†) Jacobus maior in Franken: Kultspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Helmut Flachenecker Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Anja Grebe Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Annette Späth Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Wolfgang Brückner Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . 151 Peter Rückert Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter . . . . . . . . 161 Klaus Herbers Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Volker Honemann (†) Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Resúmenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 <?page no="8"?> Einführung 9 Einführung Robert Plötz (†) und Peter Rückert Die Verehrung des hl. Jakobus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Franken steht im Fokus dieses Bandes. Die hier versammelten Beiträge gehen zurück auf die Jahrestagung der Deutschen St.-Jakobus-Gesellschaft, die vom 2. bis 5. Oktober 2014 im Kloster Himmelspforten in Würzburg stattfand. Sie verfolgen den Kult des Apostels Jakobus des Älteren in der fränkischen Sakrallandschaft und fragen zunächst nach den Initiatoren und Förderern seiner Verbreitung. Insbesondere werden dabei die bildlichen Darstellungen des Pilgerheiligen vorgestellt, die sich zum Teil auch als Werke berühmter Meister, wie Tilmann Riemenschneider, neu ansprechen lassen. Neben der Kunst tritt der Pilgerverkehr hervor: Aus unterschiedlicher Perspektive werden die mittelalterlichen Pilger auf ihren Wegen in Franken, manche auch in Santiago de Compostela, am Grab des hl. Jakobus, verfolgt. Diese Pilgerfahrten waren dann am Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit nicht zuletzt konfrontiert mit der massiven Kritik, die Martin Luther gegen das Wallfahren einbrachte, und werden so auch in ihrer weiteren Entwicklung im „Konfessionellen Zeitalter“ skizziert. Mehr als 160 bekannte Kirchen- und mehr als 30 Altarpatrozinien zeigen, dass der Raum der drei mittelalterlichen fränkischen Bistümer Würzburg, Bamberg und Eichstätt stark vom Jakobuskult geprägt wurde 1 . Diesem Eindruck entspricht auch die bemerkenswerte literarische Resonanz auf die Jakobusverehrung in Franken 2 . Wann und wie entwickelte sich diese enge Beziehung zwischen Franken bzw. der fränkischen Sakrallandschaft und Jacobus maior 3 ? Die 1 Vgl. dazu auch Klaus-D. K niffKi , Jakobus in Franken. Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992); hier die Karte von Manfred Z entgraf im Umschlag. Mit diesem Band wurde bereits eine reiche Materialsammlung zum Thema vorgelegt, die willkommenen Ansatz zu weiteren Forschungen bieten konnte. 2 Für die Geschichte der Jakobusverehrung in den drei fränkischen Bistümern vgl. die Regionalstudie von Robert P lötZ , Santiago-peregrinatio und Jacobus-Kult, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31 (Münster 1984) S. 24-135, hier bes. S. 65 ff. 3 Zum mittlerweile gängigen Begriff der „Sakrallandschaft“ sei nur auf die einschlägigen Beiträge in Franz J. f elten / Harald M üller / Heidrun O chs (Hg.), Landschaft(en). Begriffe - Formen - Implikationen (Geschichtliche Landeskunde 68, Stuttgart 2012), verwiesen. <?page no="9"?> 10 Robert Plötz und Peter Rückert frühesten Hinweise auf eine Verehrung des Apostels Jakobus finden sich im frühen 11. Jahrhundert. Erste Reliquienhinterlegungen werden aufgeführt, und das Jakobusfest erscheint in den liturgischen Kalendarien und Martyrologien 4 . In der Patrozinienwahl taucht Jacobus maior ab dem 12. Jahrhundert immer häufiger auf. Es waren mehrere Faktoren, die den Jakobuskult auf dem Gebiet der drei fränkischen Diözesen zugutekamen: Offenbar sorgten zunächst die Träger der hochmittelalterlichen Kirchenreform wesentlich für seine Verbreitung 5 . Besonders in Bamberg formte sich ein frühes Kultzentrum, in dessen Mittelpunkt die Reformbestrebungen der von Gorze ausgehenden benediktinischen Bewegung standen. Zum anderen erreichte gerade im 11. Jahrhundert die peregrinatio ad limina beati Iacobi eine weite Teile Europas umspannende Ausdehnung: Sie wurde im Vorfeld der Kreuzzüge und in den Ereignissen der christlichen Reconquista, mit der Vertreibung der Mauren und der sogenannten „Repoblación“ auf der Iberischen Halbinsel gleichsam programmatisch betrieben. Auch im deutschsprachigen Raum war Jakobus der Ältere im 12./ 13. Jahrhundert zu einer Art „Modeheiligen“ geworden. Einen beeindruckenden Spiegel entsprechender religiöser und gesellschaftlicher Strömungen des Mittelalters kann die Verbreitung der Kirchenpatrozinien bieten. In Franken erscheint Jakobus bald als „Reformheiliger“, Wege- und Spitalpatron, Ritter- und Ordensheiliger, auch als Patron des iroschottischen Mönchtums, wie etwa in Würzburg. Seine Verehrung findet dann ab dem späteren Mittelalter zahlreiche Ausdrucksformen in der bildlichen Kunst, in Literatur und im Lied. Gerade in Franken wurden im 15. und 16. Jahrhundert etliche großartige Kunstwerke geschaffen, welche dem Heiligen eine herausragende Rolle im Rahmen der christlichen Ikonographie zuweisen. Wir kommen darauf zurück. Sicher hatte der hl. Jakobus im religiösen Leben der spätmittelalterlichen Gesellschaft seinen festen Platz. Bruderschaften wurden zu seiner Verehrung gegründet, die sich oft auch der Pilger annahmen, die zu seinem fernen Grab nach Santiago de Compostela unterwegs waren; aber natürlich nicht nur diesen 6 . Auch Pilgerspitäler standen den Reisenden als Herbergen zur Verfügung. Der Festtag des hl. Jakobus am 25. Juli nahm im christlichen und rechtlichen 4 Vgl. Arnold a ngenendt , Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart (München 1994) S. 192. 5 Vgl. dazu Klaus h erbers , Jakobus - der Heilige Europas. Geschichte und Kultur der Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela (Düsseldorf 2007). 6 Vgl. Robert P lötZ , Memoria des Pilgerns: Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, in: Andacht & Erinnerung. Gegenstand - Symbol - Handlung, hg. von Bärbel K erK hOff -h ader (Bamberger Beiträge zur Europäischen Ethnologie 9, Bamberg 2012) S. 213- 239. <?page no="10"?> Einführung 11 Jahreslauf wie in der Rechtspraxis eine herausragende Stellung ein. Im liturgischen Bereich zeugen der Apfel- und Pilgersegen von der Beliebtheit des Apostels. Im Kirchenlied wie im Ablasswesen fand der persönliche Zugang zu ihm breiten Ausdruck 7 . Die breite volkstümliche Verehrung des hl. Jakobus erscheint im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit in weiten Bereichen der fränkischen Ikonographie, besonders in Form von Bildstöcken, was wiederum seine Bedeutung als Wegepatron und „Pilgerheiliger“ betont 8 . Wenn man so will, wird damit die Verehrung des Heiligen gleichsam raumgreifend manifest und markiert. Im frühen 12. Jahrhundert sind die ersten fränkischen Pilger zum mutmaßlichen Apostelgrab im fernen Westen Europas dokumentiert. Der zu Beginn dieses Jahrhunderts einsetzende Strukturwandel der peregrinatio ad sanctum Jacobum 9 machte sich in der Folge auch im Sakralraum Franken bemerkbar. Waren es zunächst nur Mitglieder des hohen Klerus sowie herausgehobene Adelige, so ging das allgemein spürbare Bevölkerungswachstum damals auch mit einer verstärkten Mobilität und verdichtetem Verkehr breiter Schichten einher. Dazu zählte bald eine große Masse an Pilgern, die einzeln oder in Gruppen unterwegs waren 10 . Ab dem 14. Jahrhundert gesellten sich vermehrt auch zu Pilgerfahrten verurteilte Straftäter hinzu , was zu einer progressiven Kriminalisierung des Pilgerbetriebs führte 11 . In den Jahrzehnten um 1500 füllten „Jakobsbrüder“ und „falsche“ Pilger die Wege und Straßen in ganz Europa und benutzten deren karitative und ökonomische Infrastruktur 12 . Die damit verbundene gesellschaftliche Kritik am Pilgerwesen sollte bald mit dessen Ablehnung durch Martin Luther und die Reformatoren rigoros zugespitzt werden. Die katholische Gegenbewegung zur Reformation hat dann allerdings gerade im Franken der frühen Neuzeit deutliche Spuren des Jakobuskults hinterlassen. 7 Vgl. Robert P lötZ , Auf dem Weg und am Heiligen Ort - Pilgerbräuche, in: Pilgerziele der Christenheit. Jerusalem - Rom - Santiago de Compostela, hg. von Paolo c aucci vOn s aucKen (Darmstadt 1999) S. 75-102. 8 Zu diesem Kontext die einschlägigen Beiträge in: Klaus h erbers / Peter r ücKert (Hg.), Pilgerheilige und ihre Memoria ( Jakobus-Studien 19, Tübingen 2012). 9 Vgl. Robert P lötZ , Strukturwandel der peregrinatio im Hochmittelalter. Begriff und Komponenten, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 26/ 27 (1981/ 82) S. 129-151. 10 Grundlegend dazu Ludwig s chMugge , Die Pilger, in: Unterwegssein im Spätmittelalter, hg. von Peter M Oraw (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 1, 1985) S. 17-48. 11 Vgl. immer noch Jan van h erwaarden , Opgelegte Bedevaarten (Van Gorcums Historische Bibliotheek nr. 95, Amsterdam 1978). 12 Vgl. jetzt ausführlich dazu Peter r ücKert , Jakobusbrüder und falsche Pilger um 1500 unterwegs im deutschen Südwesten, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia a lrauM u.a. (Bochum 2016) S. 163-174. <?page no="11"?> 12 Robert Plötz und Peter Rückert Die Entwicklung der Jakobusverehrung in Franken, deren Umsetzung in verschiedenen Kult- und Kunstbereichen, in der liturgischen Memoria wie der Erinnerungskultur in ihren literarischen und populären Erscheinungsformen, soll in den nachfolgenden Beiträgen beispielhaft angesprochen werden. Damit wird nicht zuletzt die mittelalterliche und frühneuzeitliche Sakrallandschaft Frankens stärker profiliert, deren besondere Ausformung ebenso von herausragenden Beispielen der Jakobusverehrung repräsentiert wird, wie die „Franconia sacra“ noch immer die Diversität der Kultzeugnisse eindrücklich vermitteln kann 13 . *** Mit einem allgemeinen Überblick zur Verbreitung und Verwurzelung der Jakobusverehrung im Bereich der „Franconia sacra“ schließt Robert Plötz an diese einführenden Bemerkungen an und bietet eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zum Jakobuskult in Franken. Anhand beispielhafter Zeugnisse und konkreter Kultobjekte führt er durch die einschlägigen Bereiche liturgischer Praxis und deren materielle Umsetzung und künstlerische Gestaltung im Bild von den mittelalterlichen Anfängen im 11. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit. Reliquienkult und religiöse Kleindenkmale, Epitaphien und Bildstöcke spiegeln neben Zeugnissen aus der Pilgerpraxis, wie Muschelfunden, die spirituellen und sozialen Kontexte des Jakobuskults wider und lassen die zeitgenössische Sakraltopographie in Franken deutlich hervortreten. Auf die bedeutende Rolle der kirchlichen Reformbewegung des hohen Mittelalters für die Verbreitung des Jakobuskults in Franken geht Helmut Flachenecker ein. Dabei wendet er sich besonders der benediktinischen Klosterreform im Bistum Bamberg zu. Flachenecker skizziert kurz den Aufschwung der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela im 11. und 12. Jahrhundert und ihre Entwicklung vom regionalen Kult in Spanien bis hin zur spätmittelalterlichen Massenbewegung. Für Franken fällt der erste Hinweis auf die Jakobusverehrung in das Jahr 1002, als bei der Weihe der Domaltäre in Bamberg erstmals Reliquien des Heiligen erwähnt werden. Allerdings ist Jakobus für die damalige Zeit sicher noch kaum als ein „Hauptapostel im öffentlichen Heiligenbewusstsein“ Frankens ansprechbar. Eine gezieltere Förderung erfuhr sein Heiligenkult erst durch die Klosterreformbewegung, die von Cluny und Gorze getragen wurde; Jakobus war offenbar einer ihrer Leitpatrone. 13 Zum Gesamtkomplex Robert P lötZ , Pilger und Pilgerfahrt gestern und heute am Beispiel Santiago in Compostela, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, hg. von Robert P lötZ ( Jakobus-Studien 2, Tübingen 1990) S. 171-213. <?page no="12"?> Einführung 13 Bemühungen um die Förderung des Jakobuskultes durch die Klosterreform lassen sich in Bamberg auch bald nachweisen; zunächst vor allem im Kontext mit dem von Bischof Hermann im Mai 1072 gegründeten Stift und späteren Benediktinerkloster St. Jakob. Das „Gründungsbuch“ von St. Jakob mit seinen zahlreichen Eintragungen verschiedener Schenkungen und Besitzübertragungen auf das Kloster zeigt die Verbindung zwischen dem Heiligen, dem Bamberger Kloster und dem Kloster Hirsau als Zentrum der benediktinischen Klosterreform beeindruckend auf. Daneben lassen sich Spuren einer Verehrung des Apostels Jakobus auch im 1119 von Bischof Otto von Bamberg gegründeten Benediktinerkloster Michelfeld feststellen, das damals ebenfalls unter dem Einfluss der Hirsauer Reform stand. Bemerkenswert ist in diesem Kontext besonders die um 1130 entstandene Verschriftlichung der Vision des fränkischen Adeligen Heinrich von Ahorn, die eine literarische Propagierung der Wirkmächtigkeit des Apostels Jacobus maior unternimmt. Sie zeugt damit gleichzeitig von einer gewissen Popularität des Heiligen, die er in Franken bereits genoss. Ob und inwieweit irische Benediktiner und ihre Niederlassungen, die sogenannten Schottenklöster, hier zur weiteren Verbreitung des Jakobuskults beigetragen haben, wird hingegen kaum konkreter deutlich. Von den Texten zu den Bildern und der Ikonographie: Der Beitrag von Anja Grebe widmet sich zunächst dem Lebenslauf des bekannten Nürnberger Pilgers Stephan III. Praun und dessen „spanischer Prunkausstattung“. Praun hatte 1571 Santiago besucht; seine posthume Darstellung in der Familienchronik und weitere bildliche Zeugnisse erhalten hier eine grundlegende kostümgeschichtliche Analyse und kulturhistorische Einordnung. Von hier aus wird die Ikonographie des hl. Jakobus in Franken bis zur Renaissance verfolgt. Als früheste als Jacobus maior identifizierbare Darstellung gilt bislang eine auf die Zeit um 1320 datierte Steinfigur aus dem ehemaligen Schottenkloster (St. Jakob) in Würzburg. Jacobus maior wurde demnach in der bildlichen Darstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch in Franken durch den bekannten Apostelwie den Pilgertypus repräsentiert. Einige herausragende Kunstwerke und ihre kunst- und kostümgeschichtliche Bedeutung bringen diese Bewertung beeindruckend zum Ausdruck. Die Steinfigur von Jakobus dem Älteren an der Marienkapelle in Würzburg gehört zu einem Apostelzyklus, den Tilman Riemenschneider im Auftrag des Rates der Stadt für die Nischen der äußeren Strebepfeiler der Kapelle um 1500 erstellt hatte. Alle anderen Figuren wurden bereits im 19. und im 20. Jahrhundert durch gehauene oder Steingusskopien ersetzt. Die Jakobusfigur, erst 1992 als Original wiedererkannt, ist mittlerweile ebenfalls museal gesichert und durch eine Kopie ersetzt. Sie nimmt im steinplastischen Werk Riemenschneiders eine <?page no="13"?> 14 Robert Plötz und Peter Rückert besondere Stellung ein, da sie nicht nur als wichtiger Beleg für die künstlerische Entwicklung innerhalb der Figurengruppe des Apostelzyklus’ gilt, sondern auch für sein Gesamtwerk von wegweisender Bedeutung ist. Annette Späth geht ausführlich auf diese Überlieferungsgeschichte der Steinplastik und die einschlägigen schriftlichen Quellen ein und hebt als zentrale Zeugnisse besonders die Würzburger Ratsprotokolle hervor. So ergibt sich ein Entstehungszeitrahmen zwischen 1492 und 1506. Die stilistische Interpretation des Darstellungstyps und seiner Ausführung lässt die besondere Qualität des dargestellten Apostels als Pilgerpatron betonen. Die Pilger bleiben im Bild: Wolfgang Brückner fragt nach der Bedeutung, welche die Begrifflichkeit der „Jakobsbrüder“ und deren Darstellung gerade für die Jakobusverehrung in Franken greifen lässt. Dabei stellt er das bekannte Ständebuch von Hans Sachs (1494-1576) mit Holzschnitten von Jost Ammann (1539-1596), das 1568 in Frankfurt am Main gedruckt wurde, in den Mittelpunkt. Die „Jakobsbrüder“ werden hier durch ein schon in die Jahre gekommenes Pilgerpaar mit den typengemäßen „indumenta“ dargestellt. Davon abweichend wird im Text die Vielfalt der fahrenden Leute als komplexe Gruppe vorgestellt, egal ob sie als Pilger mit religiöser Absicht unterwegs sind oder sich bettelnd als „outcasts“ durch die Lande schlagen, also zum abschreckenden Straßengesindel degeneriert sind. Woher kommt diese Gleichsetzung? Es ist die „reformatorische Abscheu“, von der sich auch Hans Sachs in seiner eng gefassten, bürgerlich-protestantischen Weltsicht und Moral hier leiten lässt: Er ordnet in seinem Ständebuch die „Jakobsbrüder“ am Schluss der altkirchlichen Hierarchien vom Papst über Kardinal und Bischof zu den Priestern und Mönchen an letzter Stelle ein, um mit dieser Zuordnung einmal mehr die Notwendigkeit der Reformation zu unterstreichen. Die große Reichsstadt Nürnberg stand hierfür als Innovationsplatz, Zentrum humanistischer Bestrebungen und globaler Handelsbeziehungen, als „melting pot“, zur rechten Zeit zur Verfügung. Ausgehend von einer verstärkten Beschäftigung mit der sozialen und räumlichen Mobilität der mittelalterlichen Gesellschaft, hat sich die kulturgeschichtliche Forschung in den letzten Jahren vor allem Fragen nach Kommunikation und materiellen Überlieferungen zur Kultgeschichte gewidmet. Daran ansetzend fokussiert der Beitrag von Peter Rückert besonders die mainfränkische Sakrallandschaft und die räumlichen Kontexte der Jakobusverehrung. Im Blickpunkt steht der Pilgerverkehr an Main und Tauber und damit zunächst die mittelalterliche Verkehrstopographie in ihren Beziehungen zum Jakobuskult. In der traditionsreichen „Durchgangslandschaft“ zwischen Main und Tauber, wo die Sakraltopographie im hohen Mittelalter zunächst vor allem über die Mainzer Erzbischöfe und Würzburger Bischöfe protegiert und gestaltet wurde, <?page no="14"?> Einführung 15 war der hl. Jakobus als Patron der Reisenden und Pilger präsent und genoss entsprechende Verehrung. Mit der Verbreitung seiner Reliquien wurden einzelne Kirchen, wie in Urphar am Main, zu örtlichen Kultzentren, die zeitweise auch einen überregionalen Zulauf erschließen lassen. Der tendenziellen Regionalisierung des Pilgerbetriebs im späten Mittelalter entspricht ein Aufblühen neuer Pilgerziele gerade auch in Franken, wo ein überregionaler Zulauf allerdings nur mit einigen spektakulären Großereignissen, wie der Wallfahrt nach Niklashausen 1476, verbunden war. Gleichzeitig zeigt diese „Niklashäuser Fahrt“ das Bedürfnis der zeitgenössischen Bevölkerung nach unmittelbarer Heilsfürsorge, das damit verbundene Potential an Mobilität und sozialreligiöser Kritik an obrigkeitlichen - kirchlichen wie politischen - Zuständen. Von Franken nach Santiago de Compostela: Klaus Herbers bietet anhand der Berichte von fünf bekannten Nürnberger Pilgern für den Zeitraum von 1428 bis 1522 einen Einblick in Reisevorbereitungen und wirtschaftliche Bedingungen der Pilgerfahrten und damit auch beispielhafte mentalitätsgeschichtliche Einsichten zum Pilgerwesen. Er verfolgt die Reisen des Kaufmanns und Patriziers Hans Rieter (1428) und von dessen Sohn Sebald (1462), welche die „Tradition“ der Nürnberger Santiagopilger einläuteten. Der Nürnberger Patrizier und Altbürgermeister Gabriel Tetzel (1465-1467), der sich der Reisegruppe des böhmischen Adeligen Leo von Rozmital anschloss, verfasste ebenfalls einen einschlägigen Bericht über seine Reise, der seine umfangreiche Reiseroute (Nürnberg-London-Salamanca und Braga in Portugal) detailliert greifen lässt. Der nächste bekannte Reisebericht, den der Nürnberger Stadtarzt und Humanist Hieronymus Münzer (1494-1495) auf Latein abgefasst hat, wird im Kontext politischer und wirtschaftlicher Faktoren vorgestellt: Anlass für Münzers Reise war eine Pestwelle in Nürnberg. Seine ausführliche Beschreibung der politischen Strukturen und Zustände in Santiago de Compostela verleihen seinen Ausführungen besondere Bedeutung. Der knappe Bericht von Sebald Örtel (1521-1522), der über Konstanz auf der sogenannten „Oberstraße“ nach Spanien reiste und nur gut zwei Monate unterwegs war, bietet vor allem wirtschaftsgeschichtlich interessante Informationen und lässt die bemerkenswerte Individualität der Berichte betonen. Zu seiner Zeit waren freilich Wallfahrten und Pilgerwesen bereits mit der vehementen Kritik der Reformationsbewegung konfrontiert. Mit der Einstellung und den Aussagen Martin Luthers zum Wallfahrtswesen und speziell zur Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela beschäftigt sich der Beitrag von Volker Honemann. Dabei wird eine deutliche Entwicklung in Luthers Haltung evident: von einer gewissen Toleranz gegenüber Pilgerfahrten bis hin zu ihrer strikten Ablehnung. Nach Luther sei es „ungleich heilswirksamer“, zu Hause zu bleiben und Gott und den Nächsten zu dienen. Im Blick <?page no="15"?> 16 Robert Plötz und Peter Rückert auf den Besuch des Apostelgrabes in Santiago de Compostela kritisiert Luther gerade das „Beiseiteschieben“ Christi gegenüber dem Apostel Jakobus. Bemerkenswerterweise erwähnt Luther die Pilgerfahrt nach Compostela viel häufiger als andere. Für ihn stand Santiago geradezu stellvertretend für Pilgerfahrten überhaupt, er akzentuierte auch die nach 1500 noch immer überragende Bedeutung des Apostelgrabs als Pilgerziel. Die enormen Erfolge der Pilger- und Wallfahrtskritik Luthers, die sich an vielen Stellen durch seine Schriften zieht, spiegelt der mit der Reformation einhergehende starke Rückgang von Pilgerverkehr und Wallfahrten. Erst mit der Gegenreformation sollten die Wallfahrten „in neuen Formen“ auch in Franken wieder mächtig aufkommen. Dass dieser Beitrag von Volker Honemann einer seiner letzten sein würde, daran war bei Beginn der Drucklegung dieses Bandes nicht zu denken. Honemanns Aufsatz beschließt also nicht nur dieses Buch zu „Jakobus in Franken“, sondern auch einen gemeinsamen Kreis der Beschäftigung mit dem Jakobuskult in all’ seinen Facetten und besonders in Franken. Der Band sei ihm von Herzen gewidmet und trage zur Erinnerung an den Freund und Forscher bei. Zusätzlich zu den Beiträgen der angesprochenen Würzburger Tagung wurde der Aufsatz von Klaus Herbers zu den Nürnberger Pilgern aufgenommen, der nicht nur das Themenspektrum willkommen ergänzt, sondern auch den Blick bis Santiago de Compostela weitet. Mit diesem weiten Blick gilt es abschließend denjenigen zu danken, die zum Gelingen des Bandes beigetragen haben: Zunächst den Autorinnen und Autoren für die Bearbeitung ihrer Beiträge und die anhaltende Unterstützung der Drucklegung, Frau Malena Alderete für die Bearbeitung der „Resúmenes“ sowie des Registers und Frau Elena Gastring vom Gunter Narr Verlag für das umsichtige und instruktive Lektorat. *** Während der Arbeiten zur Drucklegung dieses Bandes ist Robert Plötz verstorben. In seinem Sinne wurden die Redaktionsarbeiten gestaltet und zu Ende geführt. „Jakobus in Franken“ hat ihn über sein wissenschaftliches Werk hinaus begleitet. <?page no="16"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 17 Jacobus maior in Franken: Kultspuren Robert Plötz (†) Einführung Ein mittelalterlicher Heiligenkult spielt sich nicht nur auf liturgischer Ebene oder in der Existenz zweier Körper des Heiligen im Himmel und auf Erden ab, sondern beeinflusst beeindruckend das tägliche Leben in existentiellen Äußerungen. Pilgerfahrten, Bildstöcke, Epitaphe und Wappenbilder, Rituale und Memoria-Vereinigungen spielen ebenso eine Rolle wie Patrozinien und kultbezogene Andachtsgrafik. Kultverästelungen, Gemeinschaft mit anderen Heiligen, Segensrituale und Mirakelgeschehen befinden sich in einem ständigen Geben und Nehmen. Das Eindringen eines neuen Kultes, die zunächst lokale und regionale Aufnahme, dann in entferntere Regionen und in fremden Ethnien spielen sich in der jeweiligen Gesellschaft im Rahmen der historischen Entwicklungen ab.Jakobuskult und Pilgerwesen wurden zunächst von Mönchen, Klerikern und Adeligen, der Oberschicht der damaligen Gesellschaft, getragen. Hand in Hand erfolgte das Eindringen und die Aufnahme in die Liturgie, in das Liedgut, in die Literatur, in die volkstümlichen Traditionen und in die Mirakelgeschehen. Die Spurensuche über die Äußerungen des Jakobuskults in Franken spielt sich in dieser Abhandlung auf verschiedenen Ebenen ab. Ausgespart blieben hier übergeordnete Bereiche, die schon ausführlich bearbeitet worden sind, wie Patrozinien 1 , 1 Vgl. R. P lötZ , Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch - Einflüsse - Wirkungen, Robert Plötz zur Vollendung des 60. Lebensjahres, hg. von K. h erbers / D. R. b auer ( Jakobus-Studien 12, Tübingen 2003) S. 175-229. Vgl. die Auflistung der Jakobuspatrozinien in den Beiträgen von E. s Oder vOn g üldenstubbe in dem Band Jakobus in Franken. Unterwegs im Zeichen der Muschel, hg. von Klaus-D. K niffKi (Würzburg 1992): Santiago wird in Franken bekannt (S. 21-38) und Die Auswirkungen der Santiago-Pilgerfahrt auf Franken (S. 39-49). Über die Patrozinien und ihre Einsetzung kann man gerade bei Jakobus die Entwicklung vom Apostelpatrozinıum über das Pilgerpatrozinium bis zum „Volksheiligen“ des späten Mittelalters gut verfolgen, die sich zudem in vielfältigen ikonographischen Umsetzungen widerspiegeln. Vgl. ferner W. b rücKner , <?page no="17"?> 18 Robert Plötz Visionen 2 , Literatur 3 und bekannte ikonographische Ausdrucksformen 4 . Die „Kultspuren“ werden daher nach ihren Überlieferungsformaten gruppiert und im Folgenden - vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungsdiskurse - möglichst chronologisch vorgestellt. Miniaturen Eine Miniatur des Jacobus maior im Kopialbuch des Klosters St. Jakob in Bamberg Die Miniatur des Apostels Jakobus des Älteren auf Pergament wird auf die Zeit um 1200 bzw. das späte 12. Jahrhundert datiert 5 . Jakobus ist hier in einem roten Stabrahmen vor einem abgesetzten blauen Hintergrund dargestellt (Abb. S. 88 f.). Die Figur im jungen Mannesalter steht barfüßig auf einem flachen Stein und ist mit einer leicht rötlichen Tunika bekleidet. Der Apostel hält in der linken Hand ein längeres schmales Schriftband, dessen ursprüngliche Aufschrift verblasst und nicht mehr leserlich ist. Frommes Franken. Kult und Kirchenvolk in der Diözese Würzburg im späten Mittelalter (Würzburg 2008). 2 Vgl. R. P lötZ / H. r öcKelein , Die Vision des Heinrich von Ahorn und das Kloster St. Georgenberg, in: Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult, hg. von K. h erbers ( Jakobus-Studien 10, Tübingen 1999) S. 29-68. 3 Vgl. E. s Oder vOn g üldenstubbe , Jakobus in der fränkischen Literatur, in: Der Jakobus-Kult in „Kunst“ und „Literatur“. Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton, hg. von K. h erbers / R. P lötZ ( Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998), S. 239-257. 4 Vgl. E. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen in Franken, in: Jakobus in Franken (wie Anm. 1) S. 55-82, und allgemein R. P lötZ , Jacobus Maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von K. h erbers / D. R. b auer ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 171-232, sowie mit Bezug zu Franken ders ., Memoria des Pilgerns: Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, in: B. K erKhOff -h ader (Hg.), Andacht und Erinnerung. Gegenstand - Symbol - Handlung, (Bamberger Beiträge zur Europäischen Ethnologie 9, Bamberg 2012) S. 213-239. 5 Staatsarchiv Bamberg B 101 Nr. 1. Eine kritische Edition des Traditionsbzw. Kopialbuchs gibt es bislang nicht. Eine Teiledition und -beschreibung liegt vor: C. A. s chweitZer , Berichte des Historischen Vereins Bamberg 21 (1858) S. 1-49. Zur Zeit bearbeitet Christine Kofer das Kopialbuch im Rahmen ihrer Doktorarbeit. Für die Auskünfte bedanke ich mich bei Archivoberrat Dr. Klaus Rupprecht vom Staatsarchiv Bamberg. <?page no="18"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 19 Das Würzburger Psalterium Eine der bemerkenswertesten Jakobus-Darstellungen bietet eine illuminierte Miniatur aus der Zeit um 1260 6 (Abb. 1). Soder von Güldenstubbe beschreibt die Darstellung wie folgt: „Das Blatt zeigt den liturgischen Kalender des Monats Juli, mit dem Eintrag des Jakobusfestes und seiner Vigil sowie die volle Gestalt des Apostels mit dem seinen Namen tragenden Schriftband“ 7 . Von Interesse ist auch die Provenienzgeschichte des Psalteriums. Die reich bebilderte Pergamenthandschrift stammt aus dem Besitz des Augsburger Bischofs Johann Egolph von Knöringen (1537-1575), der von 1564 bis 1570 Angehöriger des Würzburger Domkapitels war. Zum Fürstbischof von Augsburg wurde er 1573 ernannt 8 . Bei seinem Umzug von Würzburg nach Augsburg nahm von Knöringen seine Bibliothek, die über 6.000 Bände umfasste, ferner seine Handschriften- und Münzsammlungen, seine „Kunstkammer“ sowie eine Anzahl kostbarer Kirchenornamente, Kelche, Skulpturen usw. mit und brachte zunächst alles in seiner Kapelle in Augsburg unter 9 . Eine entlegene Quelle, die sich mit der Jakobus-Hauptreliquie des Schottenklosters in Würzburg beschäftigt, weist ausdrücklich auf das nicht zweifelsfreie Zustandekommen des Sammlungskomplexes hin: quibus tamen modis mihi non constat consecutus 10 . 6 Würzburger Psalter Clm. 15 (= 4° Cod. Ms. 24, Cim 15) in der UB München. Vgl. Studien der Buchmalerei des 13. Jahrhunderts in Franken: zum Hildgerus-Psalter (UB München 4 o Cod. Ms. 24 (Cim 5) und dem stilistischen Umfeld des Komburger Psalters (WLB Stuttgart Cod. Bibl. 2046), hg. von K. G. b eucKers (Kieler kunsthistorische Studien 14, Kiel 2011) S. 161-208. 7 s Oder vOn g üldenstubbe , Jakobus in der fränkischen Literatur (wie Anm. 3) S. 244. Vgl. ferner H. e ngelhart , Die Würzburger Buchmalerei im hohen Mittelalter. Untersuchungen zu einer Gruppe illuminierter Handschriften aus der Werkstatt der Würzburger Dominikanerbibel von 1246 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und des Hochstifts Würzburg 34, 1987) S. 393, 2. Teilband, Abb. Nr. 95. Engelhart vergleicht den Festkalender der Würzburger Psalterien. „S. Iacobus“ erscheint am 25. Juli. Vgl. ferner C. b abeniK , Gemalt mit lebendiger Farbe: llluminierte Prachtpsalterien der Bayerischen Staatsbibliothek vom 11. bis zum 16. Jahrhundert, Ausstellungskatalog 23. März bis 26. Juni 2011 (Luzern 2011) S. 64-69. 8 Vgl. G. K reuZer , Knöringen, Johannes Eglof (Egolf) von, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), Bd. 4 (Herzberg 1992) Sp. 154-156, ferner P. b raun , Geschichte der Bischöfe von Augsburg, Bd. IV (Augsburg 1815) S. 1 ff., und ADB 50 (1905) S. 683. 9 Ebd. 10 Bericht des Hofrates Anselmus Stöckel anlässlich der Übergabe der Jakobus-Hauptreliquie des Würzburger Schottenklosters am 28. Januar 1581 an König Philipp II. von Spanien im portugiesischen Grenzort Elvas (A.H.N. [Archivo Histórico Nacional Madrid], Ordenes Militares, Libro 10-C, Años 1603-1605, l ibrO de visitas a c uenca y u clés , fol. 449 r ), über die Geschichte der Reliquie (fol. 447-452). Vgl. R. P lötZ , 1 Roer de corpore S. Jacobi Apostoli, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 40 (1978) S. 95-102, hier S. 98 f., <?page no="19"?> 20 Robert Plötz Abb. 1: Jacobus maior, Miniatur auf Pergament, Würzburger Psalter, um 1260 (Vorlage: UB München) <?page no="20"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 21 Mit Testament vom 2. April 1573 vermachte Knöringen seine Bibliothek, Handschriften und Münzen an die Universität Ingolstadt, von wo aus die Bestände zum relevanten Teil an die Bayerische Staatsbibliothek in München gekommen sein dürften. Der ehemalige Würzburger Domkapitular hatte sich zweifelsohne regionales Kulturgut angeeignet, was schon seinen Zeitgenossen auffiel. Eine Amorbacher Evangelienhandschrift Es war der Domänenrat Max Walter, der auf das Schicksal des wertvollen Lektionars der Amorbacher Marien-Abtei (Gründung datiert auf 734) und deren Verwahrung in der Südafrikanischen Bibliothek in Kapstadt hinwies 11 . Das Lektionar wurde wahrscheinlich für den Eigengebrauch im Marienmünster zwischen 1430 und 1440 hergestellt und erlitt ein außergewöhnliches Schicksal. Ein Bericht erzählt, dass „am Vorabend von Philippi und Jakobi“, vor der Plünderung von Amorbach im Bauernkrieg 1525, diese wertvolle Handschrift, „die mit Gold, Silber und Edelsteinen bedeckt war, durch einen gewissen mit dem Adelstitel ausgezeichneten Gösz [Götz] von Berlingen“ 12 gestohlen worden sei. Nach ihrer Wiederbeschaffung ohne den wertvollen Einband wurde das Lektionar in die Klosterbibliothek zurückgeführt. Mit der Säkularisation 1803 gelangten die Bibliothek, die Gebäude und Ländereien in den Besitz der Fürsten von Leiningen, deren Domänenverwaltung die Bibliothek und damit auch die wertvolle liturgische Handschrift (Pergament, 216 Blätter, 25 cm x 19 cm) an die Buchhandlung C.H. Beck in Nördlingen verkaufte 13 . Die Amorbacher Bibliotheksbestände wurden in die ganze Welt verstreut, das Lektionar gelangte in den Besitz des englischen Staatsministers Sir George Grey (1812-1898), der von 1854 bis 1861 Gouverneur der Kapkolonie war und seine Büchersammlung der Südafrikanischen Bibliothek in Kapstadt vermachte 14 . Im Festkalender wird zum 25. Juli Iacobi ap . aufgeführt 15 (Abb. 2). ferner d ers ., Sancti Jacobi maioris reliquiae verae, in: Pistoia e il Cammino di Santiago. Una dimensione europea nella Toscana medioevale, Atti del Convegno Internazionale di Studi, a cura de Lucia Gai (Neapel 1987) S. 343-357, hier S. 347. 11 M. w alter , Wiederauffindung einer Amorbacher Evangelienhandschrift in Kapstadt, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebiets 1 (1952) S. 190-196. 12 Ebd., S. 194 f. 13 J. h OfMann , Das Amorbacher Evangeliar in Kapstadt, in: Amorbach. Beiträge zu Kultur und Geschichte von Abtei, Stadt und Herrschaft (1953) S. 121-158, hier S. 121 f. Den Hinweis verdanke ich Erik Soder von Güldenstubbe. 14 Ebd., S. 122. Alte Signatur: Religious Mss. 3, neue Signatur G.4.b.3. 15 Hofmann verweist bei seiner Beschreibung des Manuskripts auf „S. 283: A7: Der Apostel Jacobus d. Ä.“ (26.7.)“. Er beschreibt die dazu gehörende Miniatur folgendermaßen: „Ohne Attribute (? ). Im Brustausschnitt der Toga ein unbestimmter Schatten“ (S. 145). Da <?page no="21"?> 22 Robert Plötz Abb. 2: Jacobus maior (? ), Miniatur auf Pergament, Amorbacher Lektionar mit Festkalender zum 25. Juli, 1430/ 1440 (Vorlage: National Library of South Africa, Kapstadt) <?page no="22"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 23 Das Missale Hallense mit Jacobus maior Das Missale Hallense, das heute in der Hofbibliothek Aschaffenburg verwahrt wird, befand sich im Besitz des Kardinals Albrecht von Brandenburg und stammt aus der Zeit um 1523/ 1524 16 . Im Festkalender steht zum 25. Juli der Eintrag: Jacobi apostoli. Der Apostel ist mit Stab, Muschel und offenem Buch dargestellt. In der prachtvollen Initiale ist unterhalb von Jakobus Christophorus mit dem Jesuskind für den 25. Juli abgebildet (Abb. 3), obwohl für den deutschen Sprachraum Christophorus eigentlich den 24. Juli belegt 17 . Jacobus maior wie Christophorus gelten als Schutzpatrone der Reisenden, könnten aber auch als Sterbebzw. Transitbegleiter gesehen werden. Schon in der lateinischen Version eines Kalendariums von Córdoba, das der mozarabische Bischof von Elvira und Sekretär des Kalifen, Recemundus, unter Abd al Rahman III. (Kalif von 912-961) geschrieben hat, erscheint nach westlicher Tradition Jakobus gemeinsam mit Christophorus am 25. Juli: XXV […] Et in ipso est festum Sancti Iacobi et Sancti Christofori 18 . Ein Taufbecken aus der Benediktinerabtei Neustadt Das Taufbecken aus der ehemaligen Benediktiner-Abteikirche und heutigen Pfarrkirche in Neustadt am Main wird um die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert 19 . Dargestellt werden auf der Wandung des steinernen Beckens die Taufe Christi und die Zwölf Apostel, die in der Rechten Spruchbänder mit den Artikeln des Glaubensbekenntnisses tragen. Das Motiv geht auf die Überlieferung zurück, jeder der Apostel habe einen Satz des apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert, bevor sie sich trennten ( divisio apostolorum ), um in verschiedenen Ländern zu predigen. Hofmann den 26. Juli aufführt, könnte es sich auch um einen anderen Heiligen handeln. Mein Dank gilt Melanie Geustyn, Principal Librarian der National Library of South Africa, für die Vermittlung der Abbildungsvorlage. 16 Hofbibliothek Aschaffenburg Ms. 10, Blatt 409r. Vgl. J. h OfMann / h. t hurn , Die Handschriften der Hofbibliothek Aschaffenburg (Aschaffenburg 1978) S. 31; Dazu auch St. l aube , Von der Reliquie zum Ding: Heiliger Ort - Wunderkammer - Museum (Berlin 2011) S. 173 f. 17 Vgl. Fr. W. b autZ , Christophorus, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), Bd. 1 (2. unveränderte Auflage Hamm 1990) Sp. 1012-1014. 18 Liber Ordinum, hg. von M. f érOtin , Monumenta Ecclesiae Liturgica V (Paris 1904) S. 579. Vgl. R. P lötZ , VIII Kalendas Augusti (25. Juli - Festtag des Apostels Jacobus maior) (Sternenweg 34, September 2004), S. 3-14. 19 Vgl. H. M uth , Taufbecken, in: Mainfränkisches Museum. 150 Meisterwerke, hg. von P. t rensche l (Würzburg 1997) S. 56 f. mit Abb. <?page no="23"?> 24 Robert Plötz Abb. 3: Jacobus maior und St. Christophorus, Miniatur auf Pergament, Missale Hallense, (Vorlage: Hofbibliothek Aschaffenburg) <?page no="24"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 25 Das Taufbecken wurde, in mehrere Fragmente zerbrochen, gegen 1848 im Garten der ehemaligen Benediktinerabtei Neustadt am Main gefunden. Die Bruchstücke ergaben nach ihrer Zusammensetzung 1945 etwa zwei Drittel der Rundung. Die fehlenden Teile wurden beim Erwerb durch eine Gipswand ohne Figuren ergänzt. 1948 erfolgte die Ergänzung der fehlenden Wandfiguren unter Andeutung der fehlenden Figuren in Kunststein (Abb. 4). Bartholomäus, der an siebter Stelle des Glaubensbekenntnisses steht, ist gut erhalten, auch die Namensumschrift ist vorhanden. Jakobus in der Version der „traditio romana“ als Nummer drei ( qui conceptus est de Spirito Santo ) oder vier ( textus receptus ) findet sich auf dem zerstörten Teil. Es kann aber angenommen werden, dass die einzelnen Apostelfiguren nur durch Hinzufügung des Namens gekennzeichnet wurden, so dass wir schließen können, dass die Jakobusfigur wie Bartholomäus Abb. 4: Taufbecken, Stein, um 1150, aus der ehemaligen Klosterkirche Neustadt am Main, heute im Mainfränkisches Museum Würzburg (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="25"?> 26 Robert Plötz dargestellt wurde 20 . Elisabeth Petersen erwähnt eine frühe Bamberger Darstellung mit den zwölf Aposteln an den südlichen Chorschranken des Bamberger Doms aus den Jahren 1220/ 1230: „Jacobus ist nicht, wie Petrus mit dem Schlüssel, mit Attributen ausgestaltet, so daß er, nachdem die farbige Fassung verloren gegangen ist, nicht bestimmt werden kann. Auf den Schriftbändern mit dem Credo konnte man nach dem Verlust der Farbigkeit keine Identifizierung vornehmen“ 21 . Das Schottenkloster St. Jakob in Würzburg: Ein besonderes Patrozinium Der als Würzburger Bistumspatron verehrte Ire Kilian tauchte 686 in Würzburg auf und starb dort mit seinen beiden Gefährten Kolonat und Totnan den Märtyrertod. Die zweite Phase der iro-schottischen Mission stand hier in enger Verbindung mit dem irdischen Wirken des benediktinischen Schottenklosterverbundes 22 . Dessen Entstehung geht auf Marianus Scottus zurück, der 1067 mit Gefährten zu einer peregrinatio nach Rom aufbrach. Die Gruppe machte Halt in Bamberg, um als Benediktiner in das Kloster Michelsberg einzutreten. Dort führten die Iro-Schotten für kurze Zeit das religiöse Leben von Inklusen 23 . 1074 soll Marianus Scottus nach Regensburg weitergezogen sein, wo die Gruppe zunächst im dortigen Ober- und Untermünster als Inklusen unterkamen. Wie schon in Bamberg stellten sie als Gegenleistung für ihre Aufnahme und ihren Unterhalt Kodizes her, wobei vor allem Marianus mit Unterstützung und Vorbereitung durch seine Begleiter zahlreiche Pergamenthandschriften erstellte 24 . Später ließen sich die Iro-Schotten in Weih Sankt Peter nieder, das zur Keimzelle 20 Vgl. P lötZ , Jacobus Maior (wie Anm. 4) S. 184 ff. Zum Credo Apostolorum selbst vgl. R. K naPinsKi , lkonographie des Apostels Jakobus im Kontext der Darstellungen des Credo Apostolorum, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“, hg. von K. h erbers / R. P lötZ ( Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998) S. 15-49. Er erwähnt eine Aufteilung nach vier Gruppen mit verschiedenartigen Kompositionen (S. 18 f.). 21 Vgl. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen in Franken (wie Anm. 4) S. 56. 22 Vgl. H. f lachenecKer , Das Leben in der Fremde. Irische Benediktinerklöster im süddeutschen Raum (11.-14. Jahrhundert) (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 19, 1995); d ers ., Der Verband der Schottenklöster - eine kulturell-europäische Klosterlandschaft? , in: R. c Zaja / H.-D. h eiMann u.a. (Hg.), Klosterlandschaften. Methodisch-exemplarische Annäherungen (MittelalterStudien 16, München 2007) S. 101-111. Vgl. auch den Beitrag von Helmut f lachenecKer in diesem Band. 23 Vgl. d ers ., St. Jakob und die irischen Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte des Verbandes der Schottenklöster im hochmittelalterlichen Reich, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von K. h erbers / D. b auer ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 151-167, hier S. 152. 24 Vgl. ebd. <?page no="26"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 27 des ebenfalls in Regensburg gegründeten irischen Klosters St. Jakob und zum Mittelpunkt des neu entstehenden Klosterverbandes werden sollte. In zwei Gründungswellen entstanden räumlich begrenzt in Thüringen, Franken, Bayern, Schwaben und Österreich Schottenklöster. Von Regensburg aus brach der Iro-Schotte Makarius auf, um das Würzburger Schottenkloster St. Jakob ( monasterium Sancti Jacobi Scotorum extra muros Herbipolensis ) zu beziehen, das 1138 von dem Würzburger Bischof Embricho (1127-1146) für die wandernden Schottenmönche errichtet worden war 25 . Am 3. September 1139 wurde Makarius († 1153) feierlich zum Abt geweiht 26 . Was bewegte die „peregrini iroscoti“ sich in die „stabilitas in loci“ zu begeben, wo sie zunächst doch in das Exil aufbrachen: pro Christo und pro patria aeterna , pro amore Dei und salutis animae verließen sie Heimat, Freunde und Verwandte , nudum Christum nudi sequentes , um den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erlangen? 27 Vorbild waren zunächst die Eremiten des Ostens, die die asketische Heimatlosigkeit zum Prinzip wählten 28 . Aber schon im 9. Jahrhundert setzte ein Wandel ein. Neben die peregrinatio pro Christo trat bei den irischen Mönchen die peregrinatio ad loca sancta , vor allem nach Rom. Bis ins 11. Jahrhundert herrschte bei den iro-schottischen Mönchen der Gedanke der peregrinatio vor, sie waren selbst monachi peregrini ; dann wurde es bei ihnen üblich, sich als Inklusen in deutschen Klöstern einmauern zu lassen 29 . Im 12. Jahrhundert war dann schließlich von den asketischen Idealen lediglich das Verlassen der Heimat übriggeblieben. Nun führte der Weg nicht mehr in die ungewisse Fremde; die iro-schottischen Mönche ließen sich in den von ihren Landsleuten auf dem Festland errichteten Benediktinerklöstern nieder 30 . Warum wählten sie den Apostel Jakobus zu ihrem Patron? 25 Zum Gründungs- und Konsekrationsdatum vgl. P lötZ , 1 Roer (wie Anm. 10) S. 95-102. Der Hauptaltar der ersten provisorischen Kapelle war schon dem Apostel Jakobus geweiht : Capellam primam, in qua hactenus sepultura fuit Abbatum et monachorum iuxta introitum portae monasterii, vt altar vnicum in honorem S. Iacobi Apostoli maioris, sexto Iduum Iulii anno praescripto dedicavit ( Johannes t ritheMius , Compendium breve fundationis monasterii S. Jacobi Ordinis S. Benedicti, gedruckt bei: J. P. l udewig , Geschichts-Schreiber von dem Bischoffthum Wirtzburg (1713), S. 994 f.). 26 Über sein Leben vgl. D. w alZ u.a. (Hg.), Irische Mönche in Süddeutschland. Literarisches und kulturelles Wirken der Iren im Mittelalter (Lateinische Literatur im deutschen Südwesten 2, Heidelberg 2009). 27 Vgl. R. P lötZ , Peregrini - Palmieri - Romei. Untersuchungen zum Pilgerbegriff der Zeit Dantes, in: Jahrbuch für Volkskunde N.F. 2 (1979) S. 103-134, hier S. 110-114, und d ers , Homo viator (Compostellanum 36, Nr. 3-4, 1991) S. 265-281. 28 Genesis 12,1, Hebr 11,8-10, Mt 19,29, 2Kor 5,6. 29 Mariani Scotti Chronicon, in: MGH SS 5, S. 560, 784-785, 786. 30 Vgl. W. Z ahn , Schottenklöster. Die Bauten der irischen Benediktiner in Deutschland (Freiburg 1967) S. 25 f. <?page no="27"?> 28 Robert Plötz Jakobus galt als bevorzugter Heiliger der reformfreudigen Benediktinerkreise. Saint-Gilles-du-Gard bei Arles in Südfrankreich und Santiago de Compostela wurden durch Predigten der Reformmönche berühmt. Aufgrund der Patrozinienwahl lässt sich der Verband der Schottenklöster eindeutig dem Kreis der Reformklöster zuordnen 31 . In populären Darstellungen wird noch immer zum Ausdruck gebracht, dass das Würzburger Schottenkloster zur Betreuung und Beherbergung der „zahlreichen“ irischen Pilger, die das Grab des hl. Kilian besuchten, gegründet worden sei 32 . Vielleicht lässt sich jene Aussage auch auf die nicht allzu glaubwürdige ältere „Passio sti. Kiliani“ zurückführen, die berichtet, dass an dem Ort, an dem Kilian, Kolonat und Totnan in der Mordnacht eilig verscharrt worden waren, „Blinde das Gesicht, Lahme das Gehvermögen, Taube das Gehör“ wieder erhielten. „Alle“, so fährt die Passio fort, „die infolge verschiedener Gebrechen erschöpft dorthin kamen, wurden wieder gesund“ 33 . Sollte es sich hier um eines der gerade im Bereich der Heiligen- und Mirakelliteratur weit verbreiteten „Clichées“ handeln, wie der gelehrte Bollandist Hippolyte Delehaye es nennt? 34 Auch von Makarius in der Übertragung, die Ignaz Gropp (1695-1758) nach Trithemius vornahm, soll Ähnliches berichtet worden sein 35 . Den Quellen gemäß gibt es nach Hans Dünninger keine Belege, die den Schluss zulassen, dass auch Pilger und insbesondere iroschottische Pilger das Kiliansgrab in größerer Anzahl besuchten 36 . Schon die verwirrende Grabsituation mit der Stätte des Martyriums im Neumünster und später dem leeren Grab im Dom sprach dagegen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass an diesem leeren Grab Heilbräuche vollzogen wurden, wie wir sie wesentlich später 31 Vgl. f lachenecKer , St. Jakob und die irischen Benediktiner (wie Anm. 3) S. 159-161. 32 So z.B. wuerzburgwiki.de: „Im Mittelalter zog das Märtyrergrab des Wanderbischofs und seiner Gefährten unzählige Wallfahrer nach Würzburg. Die Pilger kamen auch aus der irischen Heimat Kilians“. 33 Nach der Übersetzung von A. b igelMair , Die Passio des hl. Kilian und seiner Gefährten, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 14/ 15 (1952) S. 1-26, hier S. 22-25. 34 H. d elehaye , Cinq leçons sur la méthode hagiographique (Subsidia Hagiographica 21, Brüssel 1934), besonders Kap. 2, S. 18-41. 35 Passio sti. Kiliani, hg. von W. l evisOn , in: MGH SS Rer. Merov. V (1920) S. 722-728. Vgl. auch J. b endel (Hg.), Vita Sancti Burkardi. Die jüngere Lebensbeschreibung des hl. Burkard, ersten Bischofs zu Würzburg (Paderborn 1912), Vita II, Kap. 10, S. 41, der schreibt, dass die Heiligen in aller Eile noch in der gleichen Nacht am selben Ort samt ihren Kleidern, ihrem Kreuz, ihrem Evangelienbuch und ihren kirchlichen Gefäßen verscharrt wurden. Zu Makarius siehe Ignaz g rOPP , Collectio Collectio novissima scriptorum et rerum Wirceburgensium, I (Würzburg 1752) S. 809-812. 36 Vgl. H. d ünninger , Processio peregrinationis. Volkskundliche Untersuchungen zu einer Geschichte des Wallfahrtswesens im Gebiet der heutigen Diözese Würzburg, Teil 1, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 23 (1961) S. 53-156, Teil 2, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 24 (1962) S. 52-188, besonders „Die Kilianiwallfahrt“, S. 143-168. <?page no="28"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 29 auch am Grab des Makarius beobachten können 37 . Dokumentiert sind allerdings ad-limina-Besuche von Pfarreien nemlich zu Pfingsten prozessions-weiß , die von der Diözesansynode mehrfach verordnet wurden (so 1314 und 1329). Aber hier handelt es sich weder um Wallfahrten noch um Pilgerfahrten, sondern um pfarrrechtliche Prozessionen, die im Würzburg des 11. Jahrhunderts schon üblich waren 38 . Auch Alfred Wendehorst führt keine speziellen Hinweise auf einen Grabkult an, erwähnt aber einen Quellkult 39 . Zudem fehlten auch die üblichen strukturellen Voraussetzungen für einen „Heiligen Ort“ 40 . Ein anderer iro-schottischer Heiliger, der in England, Irland und später durch die Schottenmönche in Deutschland, Flandern, Skandinavien, Frankreich und Norditalien Verehrung fand, ohne selbst je einen Fuß auf den Kontinent gesetzt zu haben, ist der hl. Oswald (um 605-642) 41 , der schon früh einem Pilgerhospital in Würzburg seinen Namen gab 42 . Das Hospital St. Oswald war schon vor Gründung des Schottenklosters in der Stadt Würzburg vorhanden, bis es der Johanniter-Ritterorden, der sich 1125 in Würzburg niederließ, im Jahr 1195 übernahm 43 . In der von Pilgern viel benutzten Altstraße von Würzburg über Rothenburg 37 Ebd., Teil 1, S. 104 f. 38 Ebd., Teil 2, S. 150 f. 39 A. w endehOrst , Über das Nachleben St. Kilians in Irland, in: Volkskultur und Geschichte, Festgabe für J. d ünninger zum 60. Geburtstag, hg. von D. h arMening / G. l utZ / B. s cheM - Mel (Berlin 1970) S. 440-451. 40 Vgl. W. b rücKner , Zur Phänomenologie und Nomenklatur des Wallfahrtswesens und seiner Erforschung. Wörter und Sachen in systematisch-semantischem Zusammenhang, ebd., S. 384-424, hier bes. S. 422 f., ferner R. P lötZ , Homo viator, in: Santiago - Al-Andalus. Diálogos artísticos para un milenio. Conmemoración del milenario de la restauración de la ciudad tras la razzia de Almanzor, 997-1997 (Santiago de Compostela 1997) S. 199-219. Dazu auch ders ., Auf dem Weg und am Heiligen Ort. Pilgerbräuche, in: Pilgerziele der Christenheit Jerusalem - Rom - Santiago de Compostela, hg. von P. c aucci vOn s aucKen (Stuttgart 1999) S. 75-102. 41 Acta Sanctorum Aug. II [1735], S. 94-103. Aufgrund seines Todes in der Schlacht bei Maserfelth gegen den heidnischen König Penda von Mercien wurde er als Märtyrer bezeichnet. Seine Bekanntheit durch die Aufnahme in verschiedene Legendarien und sein iroschottischer Hintergrund führten dazu, dass man sich den hl. Oswald gut als Hospitalheiligen für die peregrini scotti auf dem Weg nach Rom vorstellen konnte. Vgl. auch W. K Ohl , Oswald, König von Northumbria, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 6 (1993) Sp. 1325-1727, und M. l aPidge , Oswald of Northumbria, in: Enzyklopädie Medizingeschichte, hg. von W. E. g erabeK / B. D. h aage / G. K ei l / W. w egner (Berlin/ New York 2005) S. 790-796, hier S. 793, sowie U. Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 1 (Stuttgart 2001) S. 389 ff. 42 Das frühe Hospitalwesen in Würzburg stellt noch immer ein Desiderat für die landes- und stadtgeschichtliche Forschung dar. 43 W. M. b rOd , Relicta Ecclesiae Ordinis St. Johannis in Herbipoli, in: Mainfränkisches Jahrbuch (1978) S. 28 ff. <?page no="29"?> 30 Robert Plötz nach Augsburg und anschließend nach Rom 44 , die heute noch „Kaiserweg“ genannt wird, ließ Kaiser Friedrich Barbarossa um 1182 in dem Dorf Reichardsroth, ca. 10 km nördlich von Rothenburg, ein Spital zur Aufnahme von Pilgern/ Fremden und Armen ( ad receptaculum peregrinorum et pauperum ) einrichten, das er dem Johanniter-Ritterorden übergab 45 . Für das Schottenkloster St. Jakob in Würzburg hingegen fehlen Belege, um es als spezielle Pilgerherberge betrachten zu können. Ein Jakobus (? ) aus dem Schottenkloster Im Dauerausstellungsbereich des Mainfränkischen Museums auf der Feste Marienberg in Würzburg steht im Untergeschoss eine Plastik, die aus dem Würzburger Schottenkloster St. Jakob 46 stammt (Abb. S. 119). Die lebensgroße Steinfigur wurde bisher als Darstellung des Apostels Jacobus maior gesehen 47 . Sie soll aus der Zeit um 1320 stammen und kam nachweislich im Jahr 1875 48 in die Verwahrung des Historischen Vereins. Bei der Figur könnte es sich um ein Überbleibsel des ältesten Portals des Klosters handeln 49 . Der Überlieferung nach soll die Statue allerdings von der westlichen Gartenmauer des ehemaligen Schottenklosters (heute: Kirche Don Bosco) stammen und sich später am Militärspital, 44 Vgl. allgemein dazu O. s Pringer , Medieval Pilgrim Routes from Scandinavia to Rome, in: Medieval Studies 12 (1950) S. 91-122. Auch die Annales Stadenses (MGH Scriptores, in Folio, Bd. 16, hg. von G. H. P ertZ (1859) S. 272) des Stader Abtes (vor 1187-1236/ 1264) erwähnen Würzburg als Station des Rückwegs (Rom-Innsbruck-Augsburg-Rothenburg-Aub-Ochsenfurt-Würzburg-Wernigerode). 45 Vg. Igor C. b ecKer , Von Reichardsroth nach Villigen. Die Johanniter und der Jakobsweg zwischen Würzburg und Bodensee, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von K. h erbers / D. b auer ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 115-128, ferner L. s chnurrer , Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters, in: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte. Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich, hg. von K. h erbers ( Jakobus-Studien 16, Tübingen 2005) S. 69-99, hier S. 71 f. 46 Zur Geschichte des Schottenklosters vgl. M. w ieland , Das Schottenkloster St. Jakob in Würzburg, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 16 (1863) S. 1-182; E. h OchhOlZer , Anmerkungen zum Ende des irischen „Schotten“-Klosters St. Jakob in Würzburg in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 54 (1992) S. 195-206, und St. K uMMer , Die Stadt Würzburg als Gesamtkunstwerk, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 52 (2000) S. 20-45. 47 Maße: Breite 85 x Höhe 166 cm, Inv.-Nr. H 14242. Vgl. dazu auch den Beitrag von Anja g rebe in diesem Band. 48 Vgl. C. h effner , Die Sammlungen des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg (1875), Zweite Abteilung III, 70. Der Ankauf erfolgte am 4. Dezember 1869. Heute hat die Vereinigung der „Freunde Mainfränkische Kunst und Geschichte e.V.“ die Nachfolge des Vereins übernommen. 49 Leider konnte ich bei F. O swald , Würzburger Kirchenbauten des 11. und 12. Jahrhunderts (Mainfränkische Hefte 45, 1966), keinen Hinweis auf den Standort der Figur finden. <?page no="30"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 31 also am ursprünglichen Kloster selbst, befunden haben. Mit Genehmigung des königlich-bayrischen Kriegsministeriums wurde die Figur herausgenommen und an den Historischen Verein weitergegeben 50 . Sie befand sich also nie im liturgischen Raum, was auch aufgrund ihrer schlichten Ausführung der Leibpartie und des unbearbeiteten Rückenteils als Nischenfigur zu vermuten ist. Vor diesem Hintergrund und in diesem Kontext soll der Versuch unternommen werden, eine Einordnung der Steinskulptur anhand ihrer ikonographischen Ausstattung und ihres Standortes vorzunehmen. In frühen Darstellungen werden die Apostel bis um 1200 allgemein mit Buch (NT), seltener mit Rolle (AT), Tunika und Mantel dargestellt. Nur die Beischrift unterschied den Einzelnen von den Anderen 51 , genauso wie wir es am Beispiel des Neustadter Brunnens als credo Apostolorum (Glaubensbekenntnis) kennen gelernt haben. Erste Versuche einer Individualisierung beginnen dann im 12. Jahrhundert, die vor allem in Malerei und Plastik durch literarische, apokryphe und hagiographische Texte beeinflusst wurden und auch zur Zuweisung von Attributen führten. Der Apostel Jakobus wurde zunächst mit dem Schwert als „Werkzeug“ seines Martyriums als erster Blutzeuge unter den Aposteln dargestellt (z. B. in Chartres, Reims und Orense) 52 , in den meisten Fällen ergänzt durch einen Nimbus. Ab der Zeit um 1130 wurde das Schwert nach und nach durch das Attribut der Muschel ( pecten maximus ) als Pilgerzeichen ersetzt. Gleichzeitig vollzog sich der semantische Wandel von Fremder ( peregrinus ) zu Pilger, wie es etwa bei dem Pfeilerrelief in der Emmausszene des Klosters Santo Domingo de Silos vor Augen geführt wird 53 , das den auferstandenen Herrn mit einer großen Pilgermuschel auf der Tasche abbildet 54 . Die ersten Darstellungen des Apostels Jacobus maior als Pilger tauchen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert auf, also in einer der Blütezeiten der Pilgerfahrt ad limina Beati Jacobi , die aufgrund einer Reihe für sie günstiger Umstände und Faktoren zustande kam 55 . Jakobus als Pilger ist ein ikonographisches Geschöpf des Weges. Der Pilger geht nicht nur zu Jakobus, er wird auch von ihm 50 Vgl. ebd., S. 159-183. 51 Vgl. R. P lötZ , Imago Beati Jacobi, Beiträge zur Ikonographie des hl. Jacobus Maior im Hochmittelalter, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, Themenband, hg. von L. K riss -r etten becK / G. M öhler (München/ Zürich 1984) S. 248-264, und d ers ., Jacobus Maior (wie Anm. 4). 52 Vgl. P lötZ , Imago Beati Jacobi (wie Anm. 51) S. 253 f. 53 Ebd., S. 254, und neuerdings V. h OneMann , „Pilger“ oder „Wallfahrer“? , in: Jakobswege, Wege der Jakobspilger in Westfalen (Köln 2015) S. 43-47. 54 Tu solus peregrinus es in Jerusalem, et non cognivisti quae facta sunt in illa his diebus? (Lk 25,18). 55 Vgl. R. P lötZ , Strukturwandel der peregrinatio im Hochmittelalter, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 26/ 27 (1981/ 82) S. 129-151. <?page no="31"?> 32 Robert Plötz in alias effigie begleitet. Der ikonographische Bezug vom apostolus sanctus zum peregrinus sanctus vollzieht sich unterwegs auf den Pilgerwegen und nicht am heiligen Ort in Compostela selbst 56 . An der Bordüre des runden Halsabschnitts der Tunika der Steinfigur aus dem ehemaligen Schottenkloster sind drei Muscheln angebracht. Worauf können sie sich konkret beziehen? Auf Jacobus peregrinus oder auf einen anderen motivgeschichtlichen Hintergrund? Wie kann man dieses Bild in die Jakobus-Ikonographie um 1300 einordnen? Zwar werden öfter Muscheln als Umhangverschluss bei Jakobus-Darstellungen verwendet, aber eine Dreierhalsbordüre ist nicht bekannt. Einen Verschluss mit einer Muschel weist z. B. eine polychromierte Eichenskulptur (1330-1350) des hl. Jakobus auf, die aus der Jakobuskirche von Saint-Trond (Schurhoven) in der heute belgischen Maasregion stammt 57 . Gesicht, Kopfhaar und Barttracht weisen eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Würzburger Figur auf. Könnte es sich hier um einen Künstler aus der gleichen Werkstatt handeln? Ein Zusammenhang mit dem Schottenkloster dürfte augenscheinlich sein. Wenden wir uns jetzt den noch fehlenden Attributen der Figur zu. Was hält sie in den Händen? Zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand baumelt das Endstück eines geflochtenen Textilbandes mit einer Quaste oder Kordel als Abschluss. Es könnte sich hier um einen Teil eines „Cingulum“, eines Gürtels 58 , handeln, der das Endstück eines schwarzen oder andersfarbigen Gürtels einer Ordenstracht darstellen könnte. Dieser gilt als Symbol der Enthaltsamkeit ( Precinge me cingulo puritatis ). Es fehlt noch die Einordnung des Buches in der linken Hand der Standfigur in das Beziehungs- und Ordnungssystem ihrer strukturellen Elemente. In der Regel wird das Buch als Symbol des Neuen Testaments den Aposteln als Attribut zugeschrieben. Aber die Regel kennt auch Ausnahmen. Auch andere Heilige haben das Buch als Attribut, wie der hl. Benedikt als „Urvater“ des abendländischen Mönchtums 59 . 56 Vgl. d ers , Sanctus et Peregrinus - Peregrinus et Sanctus. Peregrinatio ad Sanctum Jacobum usque ad annum 1140, in: F. l óPeZ a lsina (Hg.), El Papado, la Iglesia Leonesa y la Básilica de Santiago a finales del siglo XI. El traslado de la Sede Epíscopal de Iría a Compostela en 1095 (Santiago de Compostela 1999) S. 89-105. 57 Santiago de Compostela. Mil Ans de Pèlerinage Européen, Ausstellungskatalog Europalia (Brüssel 1985) S. 337, Nr. 314, mit Abb. Auf Pelerinen von Jakobusfiguren und bei Pilgern sind manchmal drei horizontal verteilte Muscheln zu finden, z.B. auf der Darstellung „Jacobus pater peregrinorum“ aus der Pfarrkirche St. Laurentius in Bremm (Mosel) von 1631, die sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn befindet. Vgl. P löt z, Jacobus Maior (wie Anm. 4) S. 228-230. 58 Vgl. J. b raun , Liturgische Gewandung in Okzident und Orient (Freiburg im Breisgau 1907) S. 101 ff., und d ers ., Cingulum, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Sp. 969. 59 Vgl. I. M eyer -s icKendicK , Gottes gelehrte Vaganten, in: Die Iren im frühen Mittelalter (Wiesbaden 2000); Irische Mönche in Süddeutschland (wie Anm. 26). <?page no="32"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 33 Das Buch als Attribut steht auch ganz in der Memoria-Tradition der iro-schottischen Mönche, sei es in ihrer missio oder in ihrer peregrinatio pro Christo : Schon bei Bonifatius gehörte zu dessen Attributen ein von einem Schwert durchbohrtes Buch, das er der Tradition gemäß als Schutzschild gegen die angreifenden Friesen, die ihn am 3. Juni 754 oder 755 bei Dokkum erschlugen, eingesetzt haben soll 60 . Kilian, Kolonat und Totnan werden ebenfalls mit dem Buch als Attribut dargestellt 61 . Auch Johannes Trithemius (1462-1516) hat auf seinem Epitaph von Tilman Riemenschneider, das sich seit 1825 im Neumünster befindet, ein Buch in der Hand, nicht als monachus iro-scotus, sondern als Abt des Schottenklosters (1506-1516). Aufgrund dieser Überlegungen möchte ich folgern, dass es sich bei der behandelten Figur nicht um eine Darstellung des Apostels Jacobus maior handelt; vielleicht ist sie auch einer Umarbeitung unterzogen worden. Eine weitere Steinfigur, die eindeutig mit Jacobus maior zu identifizieren ist, stammt aus der Zeit um 1360 und befindet sich ebenfalls im Mainfränkischen Museum in Würzburg (Abb. 5). Der Apostel trägt ein bodenlanges Gewand und einen Umhang, der unter seinem linken Arm gerafft ist. Buch (Heilige Schrift) und drei Muscheln (rechte Hand und Hutkrempe) sind seine Attribute 62 . Jakobus im Ölberg von Prichsenstadt Neben der evangelischen St. Marienkirche von Prichsenstadt aus dem 16. Jahrhundert steht auf einem Beton-/ Steinplattenfundament ein Ölberg 63 aus der Zeit zwischen 1450 und 1500 (Abb. 6). Das Mauerwerk daneben ist älter als die Kircheneinrichtung. Der Ölberg besteht aus vier Figuren, darunter auch Jakobus und Johannes, die ausführende Werkstatt ist unbekannt. 60 Vgl. G. b echt -j ördens , Heiliger und Buch. Überlegungen zur Tradition des Bonifacius-Martyriums anläßlich der Teilfaksimilierung des Ragyndrudis-Codex, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 46 (1996) S. 1-30, hier S. 18. 61 Vgl. J. b endel , Vita Sancti Burkardi (wie Anm. 25) S. 41. 62 Vgl. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) S. 66. 63 Vgl. zu den Ölbergdarstellungen (nach Mt 26,37: „Dann nahm [Jesus] Petrus und die beiden Zebedäussöhne mit sich und begann zu trauern und zu zagen“) in Franken den Artikel von E. s Oder vOn g üldenstubbe , St. Jakobus in Figurengruppen Riemenschneiders, in: Der Heilige Jakobus im Werk von Tilman Riemenschneider, hg. von P. L. w einacht (Gerchsheim 2006) S. 76-95, hier S. 81-89. Soder weist darauf hin, dass auf unterfränkischen Friedhöfen noch heute rund 40 Ölberggruppen aus dem 15./ 16. Jahrhundert erhalten sind. Vgl. auch R. P lötZ , Kultspuren. Von Santiago de Compostela nach Franken - von Franken nach Santiago de Compostela, in: Religion, Kultur, Geschichte. Beiträge aus Geistes- und Kulturwissenschaften, Festschrift für Klaus Guth zum 80. Geburtstag, hg. von H. a lZheiMer / M. i MhOf / U. w irZ (Fulda 2015) S. 94-107, hier S. 95. <?page no="33"?> 34 Robert Plötz Der Würzburger Ratstisch von Tilman Riemenschneider 64 1506 schenkte der Fürstbischof von Eichstätt, Gabriel von Eyb 65 , der Stadt Würzburg eine Platte aus Solnhofener Stein als Gegengabe für eine Sendung Frankenweins, die der Würzburger Stadtrat dem ehemaligen Domdechanten zukommen 64 Am umfangreichsten dazu: H. M uth , Tilman Riemenschneider - Die Werke des Bildschnitzers und Bildhauers, seiner Werkstatt und seines Umkreises im Mainfränkischen Museum (1982) S. 254-259; vgl. auch C. l ichte , Würzburger Ratstisch, in: 150 Meisterwerke aus dem Mainfränkischen Museum Würzburg (Würzburg 1997) S. 106 mit Abb. auf S. 107. Herzlichen Dank an Hans-Peter Trenschel und Claudia Lichte für die Hinweise. 65 Allgemein zur Familiengeschichte H. g riMM , Eyb, fränkisches Adelsgeschlecht, in: NDB 4 (1959) S. 105; zu Gabriel von Eyb vgl. E. vOn e yb / A. w endehOrst , Gabriel von Eyb (1455-1535), in: A. w endehOrst / G. P feiffer (Hg.), Fränkische Lebensbilder, Bd. 12 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 7 A/ 12, Neustadt an der Aisch Abb. 5: Jacobus maior, Sandstein, um 1360 (Vorlage: Mainfränkisches Museum Würzburg) Abb. 6: Ölberg mit Jacobus maior, St. Marienkirche in Prichsenstadt, 1450-1500 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="34"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 35 hatte lassen. Der Würzburger Rat gab Tilman Riemenschneider den Auftrag, einen merbelsteinen disch 66 zu gestalten und ein Tischgestell zu fertigen. Auf der Tischplatte sollten eine Umschrift und die Wappen des Stifters sowie des Würzburger Bischofs Lorenz von Bibra und der Stadt Würzburg zu sehen sein (Abb. 7). Zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe gehörte Riemenschneider schon zwei Jahre dem Stadtrat an und hatte 1506 das Amt des Baumeisters inne. Ursprünglich war das Wappenfeld der Tischplatte bunt und gold und der Fuß grün 1986) S. 42-55. In dem ehemaligen Eichstätter Dominikanerkloster befindet sich ein Wappenstein von Gabriel von Eyb, der auf 1512 datiert ist. 66 Würzburg, Stadtarchiv, Ratsprotokoll 7 (1497-1510), f. 302r, zit. nach M uth (wie Anm. 64) S. 258. Abb. 7: Wappen der Familie von Eyb, um 1500, im Würzburger Dom, Sepultur (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="35"?> 36 Robert Plötz gefasst. Der Tisch hat eine Höhe von 80 cm, die Platte 144 cm Durchmesser. Er wurde noch 1506 nach dem Bericht einer Chronik lustig und hübsch gefast 67 übergeben. Zunächst befand sich der Tisch wohl in der Ratsstube, in der Barockzeit in der Ratstrinkstube und dann im Sitzungssaal, bis er 1849 den Städtischen Kunstsammlungen übergeben wurde. Die originale Steinplatte, deren ursprüngliche Umschrift schon in älterer Zeit nicht mehr vorhanden war, wurde am 16. März 1945 im ehemaligen Museumsgebäude durch eine zusammenstürzende Treppe zerstört 68 . 1950 wurden die Bruchstücke der Platte zusammengefügt und ergänzt 69 . Wie kamen die Muscheln in das Eybsche Wappen? Nach älteren Quellen 70 soll sich Ludwig von Eyb (1417-1502) in Compostela befunden haben. Reinhold Röhricht erwähnt ein unveröffentlichtes Reisebuch, das ausführliche Nachrichten über die Eybschen Pilgerfahrten nach Jerusalem, Rom und Santiago enthalten soll 71 . Da diese nicht verifizierbar sind, könnte als Beleg für eine mögliche peregrinatio Eybs nach Compostela nur der Eintrag im Eybschen Familienbuch gelten, nach dem es Ludwig V. von Eyb (1494-1535) war, der rothe Muscheln im silbernen Felde 72 in sein Wappen aufnahm: Herr Ludwich von Eyb, ritter, kaíser Carls gemahl hoffmeister, hat die flugeln vnd muschaln dem Pfobenhals [Pfauenhals] aingebracht zu bessern 73 . Die heraldische Verwendung der Muschel erlaubt allerdings keinen absoluten Rückschluss auf eine Pilgerfahrt „ad sanctum Jacobum“, sondern kann auch als konkreter Hinweis auf vollzogene Pilgerfahrten zu anderen heiligen Orten gewertet werden. So sind auch auf den Sarkophagdeckeln der Landgrafen Ludwig III. (1172-1190) und Ludwig lV. von Thüringen (Regierungszeit 1217-1227) nach der Umbettung ihrer Gebeine ins Kloster Reinhardsbrunn Pilgermuscheln auf den Deckeln der Sarkophage aufgesetzt 67 Würzburg, Stadtarchiv, Ratsbuch 1, f. 57r, zit. nach ebd. 68 M uth (wie Anm. 64) S. 256. 69 Vgl. M.H. vOn f reeden , Der Riemenschneider-Tisch, ein wiederhergestelltes Kunstwerk (Die Mainlande, Jg. 1, Würzburg 1950) Nr. 6, S. 37 ff. 70 A. f reiherr vOn b Oyneburg -l engsfeld , Ludwig von Eyb, in: J. S. e rsch / J. G. g ruber , Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 39 (1843) S. 434 u. 437. 71 R. r öhricht , Deutsche Pilgerreisen nach dem hl. Lande (Innsbruck 1900) S. 155 f. Er will die Notiz dem Reiseführer von G. s chePss (Zu den Eyb’schen Pilgerfahrten, Zeitschrift des deutschen Palästinavereins 14 (1891) S. 22-28) entnommen haben, der jedoch nur von einem Romführer spricht. 72 J. C. M. l aurent , Zur Geschichte der Gutsherren von Dettelsau, Beilage lV zum 35. Jahresbericht des Historischen Vereins von Mittelfranken (1865) S. 63-96: „Stamm der von Eyb im Land zu Francken“, hier S. 72. 73 Beilage Ill zum 34. Jahresbericht des Historischen Vereins von Mittelfranken (1865) S. 112-138, hier S. 118. <?page no="36"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 37 worden, die in die Zeit um 1300 datiert werden 74 , obwohl beide Landgrafen nachweisbar nie in Santiago waren. Die Muschel ist hier als „intersignum peregrinationis“ im Allgemeinen zu verstehen 75 . Die Stiftungsurkunde des Juliusspitals in Würzburg Am 12. März 1576 gründete der Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1545 -1617) eine Spitalstiftung, die bis heute existiert 76 . Den Gründungszweck formulierte Julius Echter nach Fertigstellung des ersten Spitalbaus folgendermaßen: dass hier allerhand Sorten Arme, Kranke unvermugliche, auch schadhafte Leut die Wund- und anderer Arzneı notdürftig sein, desgleichen Waysen und dann füruberziehende Pilgram und dörftige Personen behandelt und betreut werden sollten. Die Werke der sieben Barmherzigkeiten 77 wurden auch in der steinernen Stiftungsurkunde von 1576 eingebracht. Sie wurde von dem Bildhauer Hans Rodlein geschaffen und hängt heute noch im Durchgang zum Innenhof. Auf dem Steinrelief befindet sich ein Paar im „klassischen“ Pilgerhabit mit Stab, Tasche und Muschel, das die Aufnahme der Fremden als ein religiöses Ziel darstellt (Abb. 8). Die Wahrnehmung der Pilger als Sondergruppe auf den Fernwegen Europas wird ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts deutlich. ln den deutschen Sprachraum fand der „peregrinus“ als Pilger zwar erst Zugang, nachdem sich sein Bedeutungsinhalt in romanischen Ländern auch auf den religiösen Inhalt hin festgelegt hatte, aber seit der Jahrhundertwende war die linguistisch-semantische Adaption vollzogen 78 . Auch das Bild des Pilgers mit Tasche, Stab und Hut war bereits in der Zeit um 1100 durch Liturgie, geistliches 74 Zu Ludwig IV. vgl. D. g rOssMann , Grabmal Landgraf Ludwigs IV., in: Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige, Ausstellungskatalog Stuttgart (Sigmaringen 1981) Nr. 69, S. 412-414, mit Abb. auf S. 413. 75 Vgl. R. P lötZ , Signum peregrinationis - Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz, in: Das Zeichen am Hut, Europäische Reisemarkierungen, hg. von H. K ühne / L. l aMbacher / K. v anja (Europäische Wallfahrtsstudien Bd. 4, Frankfurt/ Main 2008) S. 47-70, hier S. 63 f. 76 Zum Juliusspital allgemein u. a. A. M ettenleiter , Unterhaltsames und Kurioses aus der Geschichte des Würzburger Juliusspitals. Bd. 1: Im Schatten des Fürstenbaus. Von der Echterzeit bis ins 18. Jahrhundert (Pfaffenhofen 2012). 77 Vgl. u.a. R. a beln / A. K ner , Vierzehn Säulen hat die Liebe. Von den Werken der Barmherzigkeit (Limburg 2002). 78 Eindeutig im Sinn von Pilger ist der Beleg im französischen Alexius-Lied (um 1040) zu verstehen: mon degret gist uns morz pelerins (Th. v alKe , Das Leben des hl. Alexis, mit Beifügungen des altfranzösischen Originals, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literatur, Bd. 73 (1885) S. 290-324, hier S. 309, Vers 71). Wegen seiner langjährigen Pilgerschaft in selbst gewählter Armut wird Alexius als Schutzpatron der Pilger verehrt, die sich „pauper et peregrinus“ - arm und fremd - auf den Weg zum heiligen Ort machen, ja ihr ganzes Leben als Pilgerfahrt, als peregrinatio pro Christo betrachten. Vgl. auch Plötz, Signum peregrinationis (wie Anm. 75) S. 51. <?page no="37"?> 38 Robert Plötz Drama und Kunst definiert und fixiert. Der motivgeschichtliche Hintergrund setzte bei dem geistlichen Drama an, mit seiner Darstellung der Emmaus-Szene und des anschließenden gemeinsamen Mahls, die sich um das Ostergeschehen Abb. 8: Steinerne Gründungsurkunde im Juliusspital Würzburg mit Darstellung der sieben Werke der Barmherzigkeit mit Pilgerpaar (Ausschnitt, Foto: Bárbara Preuschoff) <?page no="38"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 39 (Montag) gruppierte und um 1100 herausformte. In der Regieanweisung der ersten Peregrinus-Spiele für den zweiten Ostertag wurde Jakobus in den dramaturgischen Anweisungen von Saint-Benoît-sur-Loire aus dem 13. Jahrhundert folgendermaßen gekennzeichnet: „dem Herrn ähnlich, einen Ranzen und einen langen Palmzweig tragend, nach Art der Pilger wohl gekleidet, mit Hut auf dem Haupt, Mantel und Untergewand, nackte Füße“ 79 . Die Pilgerkleidung wird im 12. Jahrhundert auch von Gottfried von Straßburg im Tristan detailliert dargestellt, wobei dieser das Pilgerzeichen schlechthin, die Muschel, nicht unerwähnt ließ: und uzen an wæte mermuschelen genæte 80 , so wie auch der Apostel Jakobus die Pilger auf ihrem Weg zu seiner Grabstätte in ihrer Ikonographie begleitet. Der Pilger ist, wie schon erwähnt, ein ikonographisches Geschöpf des Weges und nicht der Kathedrale von Santiago de Compostela. Die frühesten Darstellungen erscheinen ab der Mitte des 12. Jahrhunderts. Nach Santiago de Compostela selbst kam „Jacobus peregrinus“ erst im 14. Jahrhundert. Der aus Frankreich kommende Prälat Bérenger de Landorre (1317-1330) führte als neuer Erzbischof den Typus „peregrinus“ quasi liturgisch in Santiago ein 81 . Reliquien Die Menge der erwähnten und aufgeführten Jakobus-Reliquien lässt fast eine Multiplikation des Apostelkörpers mit verschiedenen Funktionen vermuten, der in seiner Anwesenheit gerade im Spätmittelalter als populärer Heiliger zuständig war für viele Bitten und Anliegen aus allen Sozialschichten 82 . Bekannt sind sechs Kopfreliquien oder ganze Häupter, verschiedene Arm- und Beinreliquien und eine große Anzahl von kleineren Knochen, neben vielen Brandea. Franken ist in herausragender Weise mit Jakobus-Reliquien bedacht worden. Im Folgenden sollen insbesondere nur drei Hauptreliquien (Arm-, Kopf- und Fingerreliquie) sowie Reliquien des Hochmittelalters erwähnt werden. 79 […] in similitudine domini, peram cum longa palma gestans, bene ad modum Peregrini paratus, pilleum in capite habens, hacla vestituset tunica, nudus pedes (The St. Albans Psalter, hg. von O. P aecht (Studies of the Warburg-Institute, Bd. 24, London 1960) S. 73-79, hier S. 74). Vgl. K. y Oung , The Drama of the Medieval Church, Bd. 1 (Oxford 1933) S. 451-483, und L. vOn w ilcKens , Die Kleidung der Pilger, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 51) S. 174-180. 80 Gottfried von Strassburg, Tristan und lsolde, hg. von F. r anKe (Berlin 1958) V. 2629-2649, hier V. 2635, S. 33. 81 Vgl. R. P lötZ , Jacobus Maior (Anm. 4) S. 202-204. 82 Vgl. d ers ., Sanctus et peregrinus (wie Anm. 56) S. 105 sowie A. a ngenendt , Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart (München 1994) S. 192, und H.-J. b ecKer , Patrozinien, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte 3 (Berlin 1984) Sp. 1564-1568. <?page no="39"?> 40 Robert Plötz Die erste Nachricht über eine Jakobus-Reliquie ist in der Weihenotiz des Bamberger Doms am 6. Juni 1012 enthalten, die eine reliquie [...] Jacobi erwähnt 83 . An das Reformpatronat des Apostels Jakobus erinnern zwei Reliquien, die anlässlich der Weihe der Klosterkirche zu Michelfeld am Mai 1120 84 sowie der Marienkirche in Kolberg (Kotorzeg) am 18. Oktober 1125 durch Bischof Otto von Bamberg (um 1060-1139) hinterlegt wurden. Auch für die noch von Kaiser Heinrich erbaute Michaelskirche in Bamberg liegen zwei Weihenotizen mit Niederlegung von Jakobus-Reliquien vor. Sowohl zur Weihe des Benediktsaltars am 1. September 1160 85 als auch anlässlich der Weihe einer Seitenkapelle am 30. September 1331 86 werden Jakobus-Reliquien erwähnt. Zwischen dem 23. und 24. Oktober 1187 legte der Würzburger Bischof Gottfried l. von Spitzenberg in der von ihm geweihten Kapelle des heiligen Kaisers Heinrich im Würzburger Dom einen umfangreichen Reliquienschatz nieder 87 . In der Weihenotiz wird auch eine Jakobus-Reliquie aufgeführt: Item de reliquiis [...] De digito sancti Mathie apostoli. Sancti Jacobi apostoli 88 . 1 Roer de corpore S. Jacobi Apostoli Die erste Hauptreliquie, eine Armreliquie des Apostels, wurde der Überlieferung nach von Abt Makarius (vor 1100-1153) 89 anlässlich der Gründung des Schottenklosters im Jahr 1138 90 im Hochaltar der Kirche St. Jakobus in Würzburg eingelassen. Zur Zeit des Todes von Abt Matthias († 1535) ist im Klosterinventar der Custorey verzeichnet: 1 Roer de corpore s. Jacobi Apostoli 91 . Diese Reliquie 83 W. d einhardt , Dedicationes Bambergenses, Weihenotizen und -urkunden aus dem mittelalterlichen Bistum Bamberg (Freiburg i. Br. 1936) S. 4, Nr. 2; dazu R. P lötZ , Santiagoperegrinatio und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, hg. von Odilo e ngels , Erste Reihe, Bd. 21 (Münster 1984) S. 24-135, hier S. 67 und 93. 84 d einhardt (wie Anm. 83) S. 12, Nr. 15. 85 Ebd., S. 22 f., Nr. 31. 86 Ebd., s. 35, Nr. 52. 87 O. M eyer , Eine Kapelle des hl. Kaisers Heinrich im Würzburger Dom, in: Volkskultur und Geschichte, Festschrift für Josef d ünninger (Berlin 1970) S. 452-462. 88 Ebd., S. 461. 89 Makarius wurde angeblich 1615 von Fürstbischof Julius von Mespelbrunn heilig gesprochen. 90 Zur Geschichte des Klosters vgl. w ieland , Das Schottenkloster St. Jakob (wie Anm. 46) S. 46. 91 Text bei: A. v áZqueZ M artíneZ , Datos históricos sobre una reliquia del Apóstol Santiago (Boletin de la Comisión Prov. Hist. y Artísticos de Orense 18, 1953/ 54) S. 26 f., korrigiert, erweitert und neu hg. von P lötZ , 1 Roer (wie Anm. 10) S. 95-102, vgl. ferner d ers ., Sancti Jacobi maioris reliquiae verae, in: Pistoia e il Cammino di Santiago. Una dimensione europea nella Toscana medioevale, a cura de L. g ai (Neapel 1987) S. 343-357. <?page no="40"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 41 soll von Bischof Embricho (1127-1146) und einem Herzog Otto von Ostfranken im Jahr 1138 aus Anlass der Gründung des Würzburger Schottenklosters von Compostela nach Würzburg geholt worden sein 92 . Die Reliquie kam im 16. Jahrhundert auf ungeklärte Weise in den Besitz des Augsburger Bischofs Johann Eglof von Knöringen (1537-1575) 93 und später in die Hände von Herzog Wilhelm V. von Bayern. Auf die Reliquie und ihre weitere Geschichte bezieht sich eine Kopie der Übergabeurkunde, die von dem Auftrag Herzog Wilhelms V. von Bayern berichtet, eine Armreliquie des hl. Jakobus an König Philipp II. von Spanien zu übergeben. Das geschah am 28. Januar 1581 im portugiesischen Grenzort Elvas durch den bayerischen Hofrat Anselmus Stöckel 94 . Nach dem Tod Philipps II. kam die Reliquie in den Besitz des Jakobus-Ritterordens in Uclés und wurde bei großen Anlässen in feierlichen Prozessionen mitgeführt. Die letzte Erwähnung erfolgte am 30. Dezember 1739. Anlass war die feierliche Hinterlegung der Reliquie in einem neuen Reliquiar aus edelsten Materialien mit einem Kristallfenster am Tag der „translatio“ des Apostels 95 . Das Bamberger Heiltum Seit 1846 befindet sich in der British Library London (Signatur Add. MS 15689) eine Papierhandschrift in Großfolio 96 , die mit Sicherheit aus Bamberg stammt und 1508/ 1509 erstellt wurde. Sie könnte von Hans Wolf 97 angefertigt worden sein, einem Maler aus dem Umkreis Albrecht Dürers, der seit März 1508 in Bamberg nachgewiesen ist. Eine Hand des 19. Jahrhunderts auf dem nachträglich 92 Sancti Jacobi maioris reliquiae verae, quas dominus embrucus episcopus herbi. Fundator Huius monasterii de Compostella Heruipoli attulit, et sancto Machario primo abbati dedit anno MC XXX Vll (Madrid, A.H.N, Ordenes Militares, Libro 10-C, Años 1603-1605. Libro de visitas a Cuenca y Uclés, fol. 447- 452, Aufschrift des 16./ 17. Jahrhunderts auf der Reliquie in Tinte). 93 Das Vorhaben des Augsburger Bischofs war, eine Kapelle in Altötting ( Oetingen ) zu Ehren der Reliquie zu errichten, ein Projekt, das wegen seines plötzlichen Todes ( morte sublato ) nicht zum Tragen kam: apud Oetingam […], in earundem honorem et asseruationem Sacellum suis sumptibus fabricaret in hoc eas deponere proposuerit (Übergabebericht des Hofrats Anselmus Stöckel, ebd., Libro de visitas a Cuenca y Uclés, fol. 449r und v., zit. nach P lötZ , 1 Roer (wie Anm. 10) S. 98 f.). 94 S. vOn r ieZler , Geschichte Bayerns (Gotha 1878 ff.) Bd. 6, S. 332. 95 Madrid A.H.N. (wie Anm. 92) carpeta 339, Nr. 96, S. 547. 96 Das Bamberg Heiltum von 1508/ 1509 der British Library (Add Ms 15689), mit Kommentar von R. b auMgärtel -f leischMann , Faksimile-Druck Historischer Vereins Bamberg (1977 und 1998). 97 Hans Wolf alias Hans Wolff Glaser († 1573) war ein Holzschneider und Buchdrucker, der zwischen 1538 und 1573 in Nürnberg arbeitete. Vgl. G. M eissner u.a. (Hg.), Saur - Allgemeines Kirchenlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 56 (München/ Leipzig 2007) S. 28. <?page no="41"?> 42 Robert Plötz eingeklebten Blatt 1 gibt über den Inhalt Auskunft: Heiligthümer in Bamberg in der Domkirche . Dieser Titel ist insofern irreführend, als die aquarellierten Federzeichnungen (65 Seiten) insgesamt 137 Reliquien bzw. Reliquiare abbilden, die nicht nur aus dem Bamberger Dom stammen, sondern auch Heiltümer aus den Nebenstiften St. Stephan, St. Jakob und St. Gangolph sowie aus dem Benediktinerkloster auf dem Michelsberg umfassen. Die Herkunft aus dem Dombereich weist auf den Zweck hin, den die einzige großformatige Federzeichnung in der Handschrift darstellt: Die große Reliquienprozession mit Reliquienschrein, der die Gebeine des heilig gesprochenen Bistumsgründers, Kaiser Heinrichs II., enthält. Es ist zu vermuten - darauf weisen auch die Gebrauchsspuren hin -, dass die Handschrift bei den Bamberger Heiltumsweisungen 98 mitgeführt wurde, und dass mit der „Verlesung“ die einzelnen Brandea, Reliquien und Reliquiare den Gläubigen erklärt worden sind. Heiltumsweisungen stellen eine typisch spätmittelalterliche Frömmigkeitsform dar, die seit Mitte des 14. Jahrhunderts im deutschsprachigen Bereich u.a. in Aachen, Magdeburg, Wien und Würzburg, also in Orten mit Bischofskirchen und reichen Reliquienschätzen, durchgeführt wurde. ln Bamberg fand die letzte öffentliche Heiltumsweisung im Jahr 1509 und die Weisung der Domreliquien allenfalls im Jahr 1545 statt, acht Jahre vor dem großen Aderlass der Bamberger Kirchenschätze, deren Edelmetallanteile durch den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg zum Einschmelzen in die Würzburger Münze gebracht wurden. Die beste Einsicht in die Fülle des einstigen Bestands an Sakralobjekten des Bamberger Doms, der Nebenstifte und des Klosters Michelsberg geben die Heiltumsverzeichnisse, deren herausragender Vertreter das in London verwahrte und hier behandelte Heiltumsbuch von 1508/ 1509 ist. Das Bamberger Heiltumsbuch weist auch auf eine der deutschen Hauptreliquien des Apostels Jakobus hin - andere sind für Eichstätt, Erfurt und Würzburg 99 nachgewiesen -, was bisher weniger bekannt war. Auf Blatt 23v wird ein Büstenreliquiar des Apostels abgebildet, das im Brust- und Schulterbereich mit drei Pilgermuscheln versehen ist. Die Beischrift lautet: In diesem haubt ist die hirnschal Sant Jacobs des grössern und zwelffbotten 100 . 98 Vgl. R. P lötZ , Aachenfahrt und Heiligtumsweisung - Formen und Inhalte, in: Der Aachener Marienschrein. Eine Festschrift, hg. von D. P. J. w ynands (Aachen 2000) S. 135-158. 99 Vgl. J. e MMert / W. s chneider , Domschatz Würzburg (Regensburg 2 2016). 100 Alle Zitate aus: Das Bamberg Heiltum, Kommentar von R. b auMgärtel -f leischMann (wie Anm. 96). <?page no="42"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 43 Das Eichstätter Reliquiar Erwähnenswert ist noch ein nicht unumstrittener „Exot“ unter den Jakobus-Reliquien in Franken, der auf unerklärlicher Weise in das Eichstätter Dommuseum kam 101 . Auch heute herrscht noch nicht völlige Klarheit darüber, ob die Reliquie dem Jacobus maior oder minor zugesprochen werden kann. Das Fingerreliquiar mit der stattlichen Höhe von 50 cm besteht aus Gold mit aufgelegten gedrehten Goldfäden nach byzantinischem Stil und ist mit einer Büstendarstellung des hl. Jakobus in Email (Zellschmelztechnik) versehen. Der neugotische Aufbau in Turmform ist eine Arbeit aus der Werkstatt von Ferdinand Harrach in München (1821-1898) (Abb. 9). Bis vor wenigen Jahren wurde die Reliquie als digitus S. 101 Vgl. u. a. Die Kunstdenkmäler von Bayern, Regierungsbezirk Mittelfranken, Stadt Eichstätt (München 1924) S. 132 ff.; J. b raun , Die Reliquiare des christlichen Kultes und ihre Entwicklung (Freiburg im Breisgau 1948) S. 385; Ornamenta Ecclesiae, Kunst und Künstler der Romanik, Bd. 3 (Köln 1985) Nr. 54 (E. b raun ), und R. P lötZ , Dedo-relicario de Santiago, in: Santiago, Camino de Europa. Culto y Cultura en la Peregrinación, hg. von S. M OralejO á lvareZ (Santiago de Compostela 1993) S. 369 f., n°. 85. Abb. 9: Jacobus maior (? ), Fingerreliquiar, 12./ 13. Jahrhundert, im Diözesanmuseum Eichstätt (Vorlage: Robert Plötz) <?page no="43"?> Matthei ausgegeben, obwohl sie die Inschriften des Medaillons und auf dem Türchen des Reliquiars ausdrücklich Jakobus zuweisen. Epitaphe und Bildstöcke Eine kurze Vorbemerkung zu diesen Frömmigkeitszeugnissen, die auch für die fränkische Sakrallandschaft den räumlichen Kontext in Hinblick auf die Verehrung des hl. Jakobus weiten lassen. Als Epitaph wird eine Grabinschrift oder ein Grabdenkmal für Verstorbene an einer Kirchenwand oder einem Pfeiler bezeichnet. Epitaphe müssen sich im Unterschied zum Grabmal nicht zwangsläufig am Bestattungsort befinden. Die Funktion der Bildstöcke ist mannigfacher Art, sie weist Züge der Rechtswirksamkeit ebenso auf wie solche des religiösen Gemeinschaftslebens. Bildstöcke finden sich auch als Grenzzeichen zwischen den Territorien, am Rande der Dorfgemarkung oder im Weichbild der Siedlung. Manche Orte sind mit solchen Grenzzeichen gleichsam gegen die Außenwelt abgeschirmt, „gefeit“ 102 . Epitaphe In Frickenhausen befindet sich außen am Langhaus der St. Galluskirche in Südlage ein Epitaph von 1461 (Abb. 10). Die Inschrift über und unter dem Relief lautet in gotischen Minuskeln: A nno. Dni. m°. cccc°. LXi°. Iar. da./ stift. Hans. Holtzkirchner. Vnser libe. frawe./ altar. vnd. diese. vigur. dem. got. gnad 103 . Das Relief zeigt die Kreuzigungsszene mit Johannes und Maria, zu deren Füßen die Stifter knien. Der Stifter wird mit der Muschel auf der Tasche in Pilgertracht dargestellt und hat offenbar auch die „peregrinatio ad limina beati Iacobi“ durchgeführt, wie es auch die große Muschel neben dem Stifter zeigt. In Eckartshausen ist außen am Chor der Pfarr- und Wallfahrtskirche „Maria Heimsuchung“ ein Epitaph angebracht. Auf einer glatten Steinplatte wird das etwa lebensgroße Konturenbild eines bürgerlich gekleideten Ehepaars dargestellt. Während die Ehefrau rechts im Bild kaum mehr zu erkennen ist, ist die Linienführung des Mannes deutlich sichtbar (Abb. 11). Er trägt in den zum Gebet erhobenen Händen einen Rosenkranz. Ein breitkrempiger Hut, Pilgerstab und Jakobus-Muschel weisen ihn als Pilger aus. In der unteren Randleiste sind 102 Vgl. R. P lötZ , Religiöse Kleindenkmäler: Bildstöcke, Heiligenhäuschen, Hagelkreuze, Kalvarienberge, Kreuzschlepper, Prozessionsstationen, Sühnekreuze, Wegekreuze, in: „An dieser Stelle sollst Du mir ein Kapellchen bauen“ - Heiligenhäuschen und Heiligenverehrung in Kevelaer und Umgebung (Führer des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer 46, Goch 2003) S. 8-16. 103 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 24-135, hier S. 10 f. 44 Robert Plötz <?page no="44"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 45 die Jahre 1499 und 1502 eingeritzt, sie stellen vermutlich die Todesjahre des Paares dar 104 . Ein Wappen, das auf einem Epitaph im Karner der St. Michaelskapelle zu Ochsenfurt zu sehen ist 105 , weist auf eine Pilgerfahrt nach Santiago hin. Die Inschrift, die das im Renaissancestil gehaltene Epitaph umläuft, lautet: Anno 1537 den Octobris - Ist in Gott vers chieden der - Ersam Jungling Hans Leuchse nring - Gott gnad . In der Mitte, etwa 34 cm unter der zweiten oberen Zeile sind zwei gekreuzte Jakobus-Pilgerstäbe mit Doppelknäufen abgebildet, und 104 Vgl. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) S. 74 f., mit Abb. auf S. 95. 105 Ursprünglicher Standort: Ostchor der Andreaskirche. Abb. 10: Epitaph für Hans Holtzkirchner, 1461, St. Galluskirche Frickenhausen, Langhaus außen (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="45"?> 46 Robert Plötz darunter ist eine Pilgermuschel, unter der sich noch ein Handgemahl des Steinmetzen befindet, in den Grabstein eingelassen. Auch in der Totenmatrikel der St. Andreas-Kirche ist der Sterbefall eingetragen 106 . Der Tote dürfte 21 bis 22 Jahre alt gewesen sein. Der Name Leuchsenring erscheint öfter in den Amts- und Recessbüchern der Stadt Ochsenfurt 107 . Das Wappen selbst wird noch einmal auf einer langen Holztafel mit der Jahreszahl 1662 aufgeführt, auf der vom Schultheiß bis zum Schreiber alle Ratsmitglieder verewigt wurden 108 . Ein Epitaph aus 106 Anno domini 1537 Der Verstorbenen Gedechtnus [zweiter Eintrag] D. 8. Octobris. Ist Joannes, deß Ersamen Hannsen / Leuchsenrings Mitburger des Eusser Rats alhie / ehelicher sun nun Mannbar, in gott selig verstorben (Sterbematrikelverzeichnis der Pfarrei St. Andreas, Bd. 2, S. 208). Vgl. zum Vorgang P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 111 f. 107 Receß-Buch der Stadt Ochsenfurt für 1660-1662, alte Nr. 28 (neu 33), fol. 1 und 4. 108 ln der oberen Reihe erscheinen die Mitglieder des Inneren Rates mit ihren bürgerlichen Wappen, an siebter Stelle befindet sich das Wappenschild eines Alexander Leuchsen- Abb. 11: Epitaph, Eckartshausen, um 1500 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="46"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 47 dem frühen 17. Jahrhundert an der Kirche St. Jakob in Machtilshausen ist einem Jakob Köberlein gewidmet 109 . Bildstöcke Eine Apostelfigur aus der Zeit um 1500 befindet sich in Eggolsheim (Kreis Forchheim). Jacobus maior wird mit einer Kreuzgruppe (Stirnseite) und dem Winzerheiligen Urban abgebildet. Sie steht in einer der vier Prozessionslauben an den Ausfallstraßen des Ortes aus dem 17./ 18. Jahrhundert, die mit spätgotischen Sandsteinbildstöcken ausgestattet worden sind 110 . Von 1501 datiert ein Bildstock neben der Kirche St. Jakob von Großlangheim 111 . Jakobus wird als Assistenzfigur abgebildet. Aus Geldersheim im Landkreis Schweinfurt auf dem Weg nach Eggenhausen am südlichen Ortsende stammt ein Bildstock von 1536 112 (Abb. 12). Auf gefastem Schaft sitzt ein vierseitiger Bildtabernakel mit einer Kreuzigungsszene auf der Vorder- und einem Vesperbild auf der Rückseite. Das Kreuz steht auf einer Wappenkartusche, deren Ausstattung aus drei Pilgermuscheln, einem Stab und einer Sense bestehen könnte. Das Wappen auf dem Pfeiler unter dem Bildtabernakel zeigt wohl ein Standes- oder Berufszeichen mit Pflug und Dreschschlegel, und darüber zwei Pilgermuscheln und -stäbe. Ein weiterer Bildstock aus Geldersheim ist im Haus Nr. 116 im Ort eingemauert. Josef Dünninger erwähnt für den Bildstock „einen Aufsatz mit Ansatzstück mit der Inschrift JACOW.PAVN I HANS MERGEN / JACOW SCHMIT / PETER. DORN , Relief vorn Kreuzigungsgruppe, links S. lACOWVS mit Pilgermuscheln, -stab und -flasche, rechts S. PETRVS . Ein steinernes Kleeblattkreuz bildet den Abschluss, darauf steht HH / NM / 1621 113 . Eine Jakobus-Pilgerdarstellung wird für Poppenhausen für das Jahr 1598 aus der Sammlung Popp erwähnt 114 . ring, wie ein Spruchband über dem Helmbusch anzeigt. Das in Ölfarben gemalte Wappen selbst weist in der Mitte zwei gekreuzte Pilgerstäbe und in den äußeren Zwischenwinkeln je eine Pilgermuschel auf. Zwischen die Stabenden oben und unten ist je ein perspektivisch rechteckiger Steintrog gemalt. 109 Vgl. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) Abb. S. 95. 110 Vgl. J. d ünninger / B. s cheMMel , Bildstöcke und Martern in Franken (Würzburg 1970) S. 168, Nr. 15, mit Abb. auf S. 156, 56 a. Vgl. allgemein P lötZ , Kultspuren (wie Anm. 63) S. 102-104. 111 Kunstdenkmäler von Unterfranken, Bd. 2: Stadt und Bezirksamt Kitzingen (München 1911) S. 133. 112 Vgl. J. d ünninger / K. t reutwein , Bildstöcke in Franken (Konstanz 1960, S. 87, mit Abb. 13, und d ünninger / s cheMMel (wie Anm. 110) S. 184. 113 d ünninger / s cheMMel (wie Anm. 110) S. 184, Abb. 56 b, mit markanter Jakobus-Pilgerdarstellung. 114 Ebd., S. 73. <?page no="47"?> 48 Robert Plötz Zusammen mit dem hl. Laurentius wird Jakobus auf den Schmalseiten eines Bildstockes abgebildet, der vor Rettern an der Straße nach Kauernhofen steht. Der Bildstock dürfte aus dem 17. Jahrhundert stammen 115 . Aus einem Stück gearbeitet ist der Bildstock, der in der Nähe der Jakobus-Kirche (erste Erwähnung 1453) von Herlheim an der Straße nach Brünnstadt steht (Abb. 13). Auf der Vorderseite befindet sich eine Kreuzigungsszene, auf der Rückseite ein Relief Maria mit Kind. In einer Kartusche auf der Vorderseite stehen die Stifter: NICLAVS DIMETER / VND MARGARET SEIN / HAVSFRAW 10 NOVEMBRI / ANNO / 1609 . Als rechte Seitenfigur assistiert Jakobus mit Stab und Rosenkranz 116 . 115 Ebd., S. 168, Nr. 14. 116 Hans K OPPelt / Friedrich g rOsch , Bildstöcke und Steinkreuze im Landkreis Schweinfurt, 1. Teil: Raum Gerolzhofen, hg. von Deutsche Steinkreuzforschung, H. 3 (1975) S. 80-85, Bildstock Nr. 15. Abb. 12: Bildstock Geldersheim, 1536, Detail mit Wappenkartusche und Pilgermuscheln (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="48"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 49 Die glückliche Heimkehr von der gefahrenvollen Pilgerfahrt nach Compostela veranlasste 1625 einen Andreas Wirsinc aus Schnackenwerth zur Stiftung eines Bildstockes mit der Inschrift : ANDREAS WIRSINC / STIFT DIESES BIELT / ALS ER VON S: IACOB / KOMMEN / 1. 6. 2. 5 117 . Der Bildstock von Hollstadt von 1720 steht vor der Pfarrkirche St. Jakob. Auf einer Säule befinden sich beiderseits Reliefs. Von Interesse ist das Relief, dessen Abbildung den mit betend erhobenen Händen, am Boden knienden Jacobus maior (mit Pilgermuschel und -flasche sowie den am Boden liegenden Pilgerhut und -stab) darstellt. Ein Mann mit entblößtem Oberkörper schlägt mit einer Keu- 117 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatío (wie Anm. 83) S. 113, und d ünninger / s cheMMel (wie Anm. 110) S. 38. Erwähnenswert und namentliche belegt sind zwei weitere Darstellungen von Jacobus maior als Assistenzfiguren auf Bildstöcken in Schnackenwerth, einmal von 1712 ( IACOB TREVTLEIN ) und zum anderen von 1747 ( jakob / happ ). Mein Dank gilt Manfred Zentgraf für die Hinweise. Abb. 13: Jakobus als Assistenzfigur, Bildstock Herlheim, 1609 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="49"?> 50 Robert Plötz le auf den Betenden ein. In den Wolken sieht man eine Märtyrerkrone, die Inschrift lautet: S IACOBE/ Ora / pro nob / is. Hier handelt es sich in der Darstellung offensichtlich um eine Verwechslung mit dem Martyrium des Jacobus minor 118 . Ebenfalls von 1720 ist der Bildstock von Giech am Wallfahrtsweg nach Vierzehnheiligen, der Jakobus als Seitenfigur aufweist 119 (Abb. 14). Auf einem Bildstock an der Zeller Straße in Würzburg unterhalb der Deutschhauskirche wird Jakobus als Assistenzfigur abgebildet (Abb. 15). Der Bildstock von 1721 wurde 118 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 133. 119 Der Bildstock ist als Hausmarter oder Bäckermarter am Weg von Windischschletten nach Wiesengiech bekannt und wurde von der Bäckerzunft von Giech aus Anlass eines Doppelmordes, der dort stattgefunden haben soll, errichtet. Die zum Teil noch lesbare Inschrift im Sockel lautet Hans Lange Starkenschwind […] den 1. Merz 1720 . Vgl. H. r aMer , Martern und Bildstöcke im östlichen Landkreis Bamberg. Zulassungsarbeit an der PH Bamberg (1968) S. 54 f. mit Abb. 27. Zur Aufstellungsgeschichte vgl. H. s chMittinger , Windischschletten. Ein oberfränkisches Dorf, hg. von Heimatkundlicher Verein Scheßlich und Umgebung e. V. (1978) S. 81. Abb. 14: Jakobus als Assistenzfigur, Bildstock (Hausmarterl) Giech, 1720 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="50"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 51 im Jahr 1951 aus den Beständen des Mainfränkischen Museums dort aufgestellt 120 . An einer sechsteiligen „Wegspinne“ ist in Oberschwarzach ein Bildstock aus Sandstein aufgestellt. Ein Relief zeigt eine Pietá-Darstellung. Es handelt sich hier um eine Stiftung der Familie Füglein, u.a. von Johan Jakob Füglein / Anno 1772 mit einer Darstellung von S. IAKOBH an der linken Schmalseite 121 (Abb. 16). Weitere fränkische Bildstöcke mit Jakobus-Bezug befinden sich beispielsweise in Eggenhausen, Iphofen, Kleinrinderfeld, Marktschorgast, Mömlingen, Rettern, Röthlein bei Schweinfurt, Saal und Scheßlitz (unsicher). Es sind vor allem die oben angeführten Beispiele an religiösen Kleindenkmälern, die einen deutlichen Eindruck von der Popularität, Einbindung und religiöse Aufnahme eines 120 H. h OPf erwähnt als Inschrift „Jacob Walter“ (Studien zu den Bildstöcken in Franken insbesondere im Stadtbereich und Landkreis Würzburg (Würzburg 1970) S. 189). 121 r aMer , Martern und Bildstöcke (wie Anm. 119) S. 121, Bildstock Nr. 13. Abb. 15: Jakobus als Assistenzfigur, Bildstock Würzburg, Zeller Straße (Deutschhauskirche), 1721 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="51"?> 52 Robert Plötz Abb. 16: Jakobus als Assistenzfigur, Bildstock Oberschwarzach, 1772, Stiftung der Familie Füglein (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="52"?> Kultes geben dürften, der die sakrale Topographie der fränkischen Landschaft gerade in der frühen Neuzeit nachhaltig geprägt hat. Der Behaim-Globus Von 1492 bis 1494 ließ Martin Behaim auf eigenen Vorschlag hin im Auftrag des Rates der Stadt Nürnberg den berühmten Behaim-Globus 122 anfertigen. Der Globus sollte das ganze vorkolumbische Wissen über die außereuropäische Welt in enzyklopädischer Dimension darstellen. Allein ca. 2.000 Toponyme und 110 Miniaturen wurden von Georg Glockendon dem Älteren 123 auf dem Globus aufgebracht. Unter den Miniaturen befindet sich eine Darstellung des Apostels Jakobus neben Galicien auf der Höhe von Santiago de Compostela, ganz so, wie in der Kathedrale selbst, wo er auf dem Hauptaltar über seinem Grab thront 124 . Die Nürnberger Humanisten waren in besonderem Maße an Mathematik und Astronomie, besonders aber an Kosmographie und Geographie interessiert. Hier wären in erster Linie Regiomontanus, Hartmann Schedel, Albrecht Dürer, Conrad Celtis, Willibald Pirkheimer und Martin Behaim zu nennen, die das damalige intellektuelle und geistige Klima Nürnbergs prägten. 122 Martin Behaim (1459-1507) war ein weit gereister Tuchhändler, der auch gute Verbindungen zum portugiesischen Hof unterhielt. lm Zeitraum von Mai 1484 und Februar 1485 soll er eine Seereise entlang der afrikanischen Küste unternommen haben. Am 18. Februar 1485 wurde er in Alcáçovas von König Jo-o ll. zum Ritter des Militärordens „Ordem de Cristo“ geschlagen, dem auch Stephan lll. Praun angehörte, vgl. Die Praun, Zur Geschichte einer Nürnberger Patrizierfamilie, Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek, hg. von P. Z ahn / H. b artelMass (Nürnberg 1972) Nr. 29-42, ferner J. K. W. w illers / P. J. b räunlein / R. h ilsenbecK / G. l esZcysKi (Hg.), Focus Behaim-Globus, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 1992, Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums, 2 Teile (Nürnberg 1992). Zu Martin Behaim R. j aKOb , Wer war Martin Behaim? Auf den Spuren seines Lebens, in: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Ausgabe 3/ 2007 (Nürnberg 2007) S. 32-47. 123 Georg Glockendon der Ältere († 1514) war Maler, Graphiker und llluminator. Er führte auch die Etzlaub‘sche Romkarte aus, die aus Anlass des Heiligen Römischen Jahres im Jahr 1500 angefertigt wurde. Vgl. I. K uPcíK , Karten der Pilgerstraßen im Bereich der heutigen Schweiz und des angrenzenden Auslandes vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (Cartographica Helvetica 6, 1992) S. 17-228, hier S. 24 mit Abb., und R. P lötZ , Peregrinatio Germanorum ad Romam, in: Giuseppe M anZOni di c hiuscO (Hg.), Le vie del cielo: Itinerari di pellegrini attraverso la Lombardia, Milano 22/ 23 Novembre 1996 (Mailand 1998) S. 33-45. 124 Vgl. R. P lötZ , Reloj solar plegable con mapa, in: Santiago, Camino de Europa (wie Anm. 101) S. 454 f., n°. 139, und K. h erbers , Vom Bodensee nach Spanien. Eigenes und Fremdes im Blick eines Reisenden um 1500, in: Oberschwaben und Spanien an der Schwelle zur Neuzeit. Einflüsse - Wirkungen - Beziehungen, hg. von D. R. b auer / K. h erbers / E. L. K uhn (Oberschwaben - Ansichten und Aussichten 6, Ostfildern 2006) S. 13. Jacobus maior in Franken: Kultspuren 53 <?page no="53"?> 54 Robert Plötz Jacobus „auctor epistulae apologeticae (catolicae)“ Einen besonderen ikonographischen Beitrag speziell aus Deutschland stellt die Darstellung des Apostels Jakobus als Schreiber des apologetischen Briefes dar 125 . Der lnhalt des Ps.-Jakobus-Briefes spricht die geistigen und spirituellen Auseinandersetzungen an, die am Vorabend der Reformation Gott und die Welt bewegten. Die hier beschriebenen bildlichen „Äußerungen“ entsprechen der häufigen Annahme, Jacobus maior sei der Verfasser des Jakobus-Briefes gewesen, der an die Stämme in der Diaspora gerichtet war 126 . Der fränkische Künstler Lukas Cranach hat sich mit der Thematik in besonderer Weise in einem Holzschnitt auseinandergesetzt, der sich in der Lutherbibel befindet. Der auf der Rückseite notierte Text spricht davon, dass der Mensch aus den Werken gerechtfertigt werde und nicht aus dem Glauben allein. Das war ein Kernthema für Luther und auch für Erasmus von Rotterdam. Demütiget euch vnter die hand Gottes 127 lautet der Text des Jakobus-Briefes an die 12 Stämme in der Vertreibung, den Luther einmal die „stroherne Epistel“ 128 genannt hat, welche zu seiner Zeit wieder einmal fälschlicherweise Jakobus zugeschrieben wurde, obwohl sie allem Anschein nach von Jakobus dem Gerechten, dem Herrenbruder und ersten Oberhaupt der christlichen Gemeinde in Jerusalem abgefasst wurde. Auf dem Holzschnitt sitzt Jakobus der Ältere als Pilger auf einer Bank an einem Tisch im Weinberg des Herrn und taucht seinen Federkiel in ein Tintenfass. Vor ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch, augenscheinlich das Neue Testament, in das der Apostel seine Einträge zu machen scheint (Abb. 17). Wann könnte der Holzschnitt entstanden sein? Alles spricht dafür, dass er aus der Cranach-Werkstatt kommt. Der Künstler Lukas Cranach der Ältere (1472- 1553) ging als Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen im Jahr 1505 nach Wittenberg, um vor Ort eine Werkstatt zu gründen. Dort schloss er Freundschaft mit Martin Luther 129 . Es ist allerdings bekannt, dass sich Lukas Cranach der Ältere kaum an der Illustrierung der damals stark aufkommenden reformatorischen Schriften beteiligte. Die Holzschnitte aus seiner Hand sind 125 Vgl. P lötZ , Jacobus Maior (wie Anm. 4) S. 230, und d ers ., Der Jacobus der Reformation - Ein nachgereichter Beitrag zum Lutherjahr, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive, hg. von K. h erbers / D. R. b auer ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 67-83. 126 „Jakobus, Gottes und des Herrn Jesus Christus Knecht, [sagt] den zwölf Stämmen in der Zerstreuung: Gruß“ ( Ja. 1,1). 127 P lötZ , Der Jacobus der Reformation (wie Anm. 125) S. 70. 128 G. K awerau , Die Schicksale des Jakobusbriefes im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben 10 (1889) S. 359-370, hier S. 359. 129 Vgl. Luther und die Folgen der Kunst, hg. von W. h OffMann , Ausstellungskatalog Hamburger Kunsthalle (München 1983). <?page no="54"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 55 Abb. 17: Jacobus maior beim Schreiben des apologetischen Briefes, kolorierter Holzschnitt, Atelier Lukas Cranach d. J., Leipzig 1541/ 1542 (Vorlage: Robert Plötz) <?page no="55"?> 56 Robert Plötz datiert und von ihm signiert und entstanden im Wesentlichen in der Zeit bis 1509 130 . Lukas Cranach der Jüngere (1515-1586) war vermutlich von Jugend auf und ohne eine nennenswerte Unterbrechung in der Werkstatt seines Vaters tätig. Die nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1553 datierten und mit dem Schlangenzeichen signierten Holzschnitte werden ihm sämtlich zugeschrieben, während seine wahrscheinlich sehr beträchtliche Arbeit vor 1553 noch nicht gänzlich erfasst und das Problem der Erstellung eines Werkverzeichnisses noch nicht gelöst zu sein scheint. In diese Werkstattperiode ist auch der Holzschnitt mit „Jacobus im Weinberg“ einzuordnen. Er befindet sich in der „Biblia. Das ist die gantze Heilige Schrifft / deudsch / Auffs new zugericht. D. Mart. Luth.“, die 1541/ 42 in Leipzig bei Nikolaus Wolrab erschienen ist 131 . Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang weitere Darstellungen des schreibenden Apostels, davon eine aus Franken 132 . Eine ähnliche Darstellung als Holzschnitt befindet sich in der Bibel von Günther Zainer, Augsburg 1477 133 . Zu verweisen ist auch auf farbig gefasste Holzfiguren in der Pfarrkirche St. Dionys und Valentin in Kiedrich bei Eltville am Rhein 134 und in der Kapelle St. Jakobus in Nonnenhorn 135 sowie in entsprechender Ausführung in der bischöflichen Hauskapelle in Trier, die Meister Johannes Ruhlans aus Ruhlands signiert hat. Jakobus sitzt auf einem Thron oder einer „cathedra“ und hält mit beiden Händen ein Schriftband, das die Inschrift Subdite estote Deo, 4.7 136 zeigt. 130 Vgl. L. j ahn , Lukas Cranach als Graphiker (Leipzig 1955). 131 Vgl. Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. 2. Abt., Bd. 1, Deutsche Bibeldrucke (Stuttgart-Bad Cannstatt 1987) S. 190, und Anm. 61. In der Wolrab’schen Bibel von 1541 in Bd. 2, S. 339, Nr. 3. Die Holzschnitte in der Bibel von Wolrab wurden auch in seiner lateinischen Bibel von 1544 verwendet. Vgl. C. d OdgsOn , Catalogue of Early German and Flemish Woodcuts Preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum (London 1911) Bd. 2, S. 341, Nr. 7. Dort weitere Hinweise. 132 Initiale, Holzschnitt, in: Bibel, gedruckt bei Johan Sensenschmidt, Nürnberg 1475, vgl. A. s chraMM , Der Bilderschmuck der Frühdrucke dl. 18 (Leipzig 1935) Nr. 292. 133 Ebd., dl. 2 (Leipzıg 1920) Nr. 674. 134 W. e insingbach , Kiedrich im Rheingau, überarbeitet und ergänzt von J. s taab (Rheinische Kunststätten 12, Neuss 6 1995) S. 4 f. Die Darstellung ist auf 1530 datiert, sie wird dem Umkreis der Werkstatt des Meisters mit dem Brustlatz zugeschrieben. Vgl. P lötZ , Jacobus Maior (wie Anm. 4) S. 230. 135 Nach Angaben der Broschüre „St. Jakobus-Kapelle Nonnenhorn - Bodensee“, hg. von Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat (Nonnenhorst o. J.). 136 „Unterwerft Euch also Gott“ ( Jak 4,7). <?page no="56"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 57 Merkhand Zur Credo-Apostolorum-Thematik kann die Merkhand mit einer Darstellung der zwölf Apostel und zwölf Glaubensartikel beigefügt werden. Sie wird in einem frühneuhochdeutschem Erbauungsbuch, dem „Schatzbehalter“ des Franziskaners Stephan Fridolin (1430-1498) 137 , mit folgendem Text für Jakobus aufgeführt: Sanct Jacob der grosse. Der enpfangen ist von dem heiligen gaist. Geboren auss maria der iunkvrauen . Pilgermuscheln Ein Latrinenfund bei Schloss Uffenheim von Ferdinand Seehars, dem langjährigen Sekretär der Fränkischen St. Jakobus-Gesellschaft, brachte unter anderem eine Naturmuschel mit zwei Öffnungen an das Licht des Tages 138 (Abb. 18). Weitere Funde wurden zum Beispiel auf der Karlburg getätigt. Dort fand man eine Pilgermuschel, die nach dem Fundkontext dem 12. Jahrhunden zugeordnet werden kann 139 . Bei Ausgrabungen in einem Badehaus der Stadt Nürnberg wurde ebenfalls eine Pilgermuschel gefunden 140 . Sühne- oder Strafpilgerfahrten Im kanonischen wie später auch im zivilen Recht war die Auferlegung einer Sühnepilgerfahrt vielfach üblich. Neben Fahrten nach Rom und Aachen war die „peregrinatio poenaliter causae“ nach Santiago de Compostela eine der bekanntesten 141 . Die erste Notiz über weltliche Pilger, die der Sühne halber nach San- 137 Der Schatzbehalter oder Schrein der wahren Reichtümer des Heils und wahren Seligkeit, Nürnberg: Anton Koberger, 1491. Vgl. P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) S. 56, und D. b artl , Der Schatzbehalter. Optionen der Bildrezeption (Heidelberg 2010). Vgl. neuerdings W. b rücKner , Die Hand für das Bildgedächtnis. Digitale Kulturtechniken der Verständigung (Regensburg 2016). 138 Latrinenfund Pilgermuschel (Naturmuschel mit zwei Öffnungen). Latrinenfund Schloß Uffenheim (Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken, hg. vom Bezirk Mittelfranken, zusammengestellt von Martin n adler / Ulrich P fauth , Bd. 2, 2008) S. 1-6. Ich bedanke mich bei Ferdinand Seehars für seine Mithilfe. 139 Vgl. P. r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar und der Pilgerverkehr im Mittelalter, in: Wertheimer Jahrbuch 1993, S. 9-32, hier S. 17 mit Anm. 30. 140 M. l angbein / J. P. Z eitler , Bürgerhaus - Eisenverhüttung - Badehaus. 1000 Jahre Stadtgeschichte in Nürnberg, in: Archäologisches Jahrbuch Bayern 2005, S. 119 ff., S. 251, S. 254 f. Zu weiteren Pilgerzeichen vgl. B. f riedel , Auf den Spuren des hl. Jakobus. Pilgerzeichenfunde in Mittelfranken (Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken 3/ 1997), S. 191 ff. 141 Vgl. u.a. die grundlegende Arbeit von J. van h erwaarden , Opgelegte Bedevaarten. Een studie over de praktijk van opleggen van bedevaarten (met name in de stedelijke rechtspraak) in de Nederlanden gedurende de late middeleeuwen (Van Gorkum Assen/ Amsterdam 1978). <?page no="57"?> 58 Robert Plötz tiago kamen, geht auf das Jahr 1306 zurück 142 . Von da an häufen sich die Fälle, in denen die Pilgerfahrt nach Compostela als Sühne für Verbrechen jedweder Art auferlegt wurde. Im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurden zahlreiche Verurteilte auf den Pilgerweg geschickt, bis hin zu Schwerverbrechern, was beträchtlich zur Kriminalisierung der Pilgerwege beitrug 143 . 142 Ebd., S. 49 ff., hier S. 63. 143 Vgl. auch I. M iecK , Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650, Resonanz, Strukturwandel und Krise, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 1. Reihe, Bd. 29 (Münster 1978) S. 502-505; jetzt dazu P. r ücKert , Jakobusbrüder und falsche Pilger um 1500 unterwegs im deutschen Südwesten, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia a lrauM u.a. (Bochum 2016) S. 163-174 mit Abb. S. 467 f. Abb. 18: Pilgermuschel, 1390-1420, archäologischer Fund in Uffenheim (Foto: Ferdinand Seehars) Abb. 19: Sühnebildstock von Cuntz Rudiger, Heidingsfeld, 1432 (Foto: Ernst Weckert, Randersacker) <?page no="58"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 59 Auch im fränkischen Raum fanden Sühnepilgerfahrten zum mutmaßlichen Grab des Apostels Jacobus maior statt, wie ein Rechtsdenkmal in Heidingsfeld bei Würzburg zeigt: Der Bildstock stand ursprünglich an der alten Stadtmauer von Heidingsfeld bei Würzburg vor dem Nikolaustor 144 (Abb. 19). Er bezeugt eine Bluttat von 1428 und war Teil einer Todschlagsühne. So erzählt die in gotischen Minuskeln gefertigte Inschrift des Bildstocks: Cuncz.rudiger. / .hot. hannsen. / virenkoren.der / .stochen.und das. ist / geschen.Do man / zalt. von.krist. gepurt / M cccc vnd xxviii ior. / uff.vnsers.hern.auffer/ tag.dornoch.ist.die. / besserung. geschehen. / in dem.firden.ior. am / nehsten.suntag.noch / obersten. 13.5.1428 / 13.1.1432 145 . In einem Heidingsfelder Gerichtsprotokoll vom 26.1.1428 wird die Tat geschildert und auf das anschließende Sühneverfahren eingegangen: Als dann der ytztgenannt Cuntz Rudiger den egenanten Hansen Virnkorn seligen vortzeyten deslagen hat, also haben wir eynmuttlichen darinnen vnd daran beteydingt vnd berett mit ofenn nemlichen wortten, das der egenent Cuntz Rudinger eyn seyne crewtz zewgen sol […] , vnd solI auch geben XX Pfd. Wachs auff diese zukunfftig ostern vnverzogenlichen, vnd sol auch drey walfrıt thun die tzwii in eym iar gen Ache vnd eyne zu dn Eynsiedeln, vnd die tritte zu sant Jachs, vnd in dem andern iar, die dritten auch zu thun, vnd sol auch darzu geben XV gulden auff zwey iar, […] 146 . Der Todschlag ist in einer Teydigung bereinigt worden, einem mittelalterlichen Sühneverfahren, das bei Todschlag im Strafverfahren angewandt wurde. Bei dem Vergleich erhielt der Täter demgemäß die Auflage, ein steinernes Kreuz zu errichten, 20 Pfund Wachs für gottesdienstliche Zwecke für die Seelenruhe des Getöteten zu stiften und drei Sühnepilgerfahrten zu machen: nach Aachen, nach Maria Einsiedeln und nach Santiago de Compostela. Selbst Präsenzzeiten waren vorgeschrieben 147 . Aachen und Einsiedeln konnten zusammen in einem Jahr durchgeführt werden, für Santiago war ein ganzes Jahr vorgesehen. Diese drei Verpflichtungen, dazu eine Geldentschädigung für die unmündigen Kinder 144 Das Original wurde in das Rathaus gebracht. Heute befindet sich eine Kopie des Bildstockes von 1935 in einer kleinen Anlage an der Kreuzung Wenzelstraße/ Julius-Echter- Straße. Vgl. J. g OttschalK / B. s cheMMel , Entwurf zur Erfassung freistehender religiöser Male. Bildbaum - Bildstock - Wegkapelle, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 24 (1972) S. 14-16, mit ausführlicher Bibliographie. 145 Ebd., S. 15. 146 Das Protokoll ist in einem Heidingsfelder Gerichtsbuch des Würzburger Stadtarchivs enthalten (Abt. Heidingsfeld, Gerichtsbuch Nr. 1, fol. 121r und 122). Vgl. immer noch P. J. j örg , Der Heidingsfelder Sühnebildstock. Ein Beitrag zur fränkischen Rechtsgeschichte (Würzburg 1948) S. 5. Dazu auch D. w illOweit , Wallfahren als Strafe und Sühne, in: Jakobus in Franken (wie Anm. 1) S. 50-55. 147 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 115. <?page no="59"?> des Erschlagenen, waren Teil der Sühneverpflichtung gegenüber dem getöteten Hansen Virnkorn. Pilger und Votive Das „Gelübde“ ( votum ) ist eng mit dem Votivbrauchtum verbunden und auch bei fränkischen Pilgern nachweisbar. Das Weihegeschenk als Bitte um Erfüllung eines Wunsches und die Votivgabe (ex voto) als Dank für Gewährung werden beide auch als Opfer bezeichnet 148 . Die Votive oder „Opfer“ beziehen sich im religiös-sozialen und historischen Kontext in ihrer bildlichen Gestaltung auf konkrete Gegebenheiten oder Dinge 149 . Die Leistung spiegelt in der Regel die sozialen Verhältnisse wieder; der materielle Wert des Opfers drückt das Vermögen des Spenders aus. Kaiser Karl IV. schickte beispielsweise zum Dank für die glückliche Geburt seines Sohnes dessen Gewicht in 16 Mark Goldes nach Aachen 150 . Noch heute stehen oder hängen in zahlreichen Wallfahrtskirchen und Kapellen Bayerns, Österreichs und anderer katholischer Länder Opfergaben aus Silber, Eisen, Wachs, Holz, Ton, Papier, je nach dem Vermögen des Opfernden oder nach der Schwere des Falles, wobei Wachs eine Ausnahme bildete und - in Formen gegossen - für alle Arten von Opfergaben vorkam 151 . Während man es den figürlichen Opfergaben nicht anmerkt, ob sie Bitt- oder Dankopfer darstellen, sind die Votivtafeln oder -bilder als Weihgeschenke für Errettung aus Krankheit, Bedrängnis, Unglücksfällen anzusehen. Sie stellen in den meisten Fällen den Unglücksfall sowie das Erscheinen oder Eingreifen des oder der Angerufenen dar, zu deren Ehre sie angefertigt wurden 152 . Diese Bilder auf Holz, Leinwand, Blech, Papier oder hinter Glas (Hinterglasbilder) wurden 148 Vgl. u.a. R. a ndrée , Votive und Weihegaben des katholischen Volks in Süd-Deutschland (Braunschweig 1904); L. K riss -r ettenbecK , Bilder und Zeichen religiösen Volksglaubens (München 1971) und R. c reux , Die Bilderwelt des Volkes, Brauchtum und Glaube (Zürich 1980). 149 Vgl. v.a. K.-S. K raMer , Votiv-Tafeln als kulturgeschichtliche und volkskundliche Quelle (Schönere Heimat 42, München 1953) S. 84-87 und W. b rücKner , Volkstümliche Denkstrukturen und hochgeschichtliches Weltbild im Votivwesen, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 59 (1963) S. 186-203. 150 Vgl. P lötZ , Aachenfahrt und Heiligtumsweisung (wie Anm. 98) S. 140. 151 Vgl. die immer noch unentbehrliche Arbeit von G. g ugitZ , Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topographisches Handbuch in fünf Bänden (Wien 1955-1958). 152 Vgl. u.a. L. K riss -r ettenbecK , Ex Voto. Zeichen, Bild und Abbild im christlichen Volksbrauchtum (Zürich 1972); K. b eitl , Votivbilder, Zeugnisse einer alten Volkskunst (Salzburg 1973, Neuausgabe 1982) und E. h arvOlK , Votivtafeln. Bildzeugnisse von Hilfsbedürftigkeit und Gottesvertrauen (München 1979). 60 Robert Plötz <?page no="60"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 61 in ihrer Mehrheit als Opfergaben an Wallfahrtskirchen und Gnadenstätten vorwiegend marianischer Prägung gestiftet 153 . Das leider nicht mehr vorhandene Votivschiff von Dettelbach 154 ist ein Beispiel dafür. Die Notiz über fränkische Jakobus-Pilger, die sich in ihrer Not nach Dettelbach 155 verlobten, erscheint in der lateinischen Beschreibung des Weihbischofs von Julius Echter, Eucharius Sang, die er 1607 über die Wallfahrt von „Maria im Sand“ bei Dettelbach unter dem Titel „Beneficia vetera et nova Divae virginis Dettelbacensis“ veröffentlichte und die der Würzburger Ratschreiber Johann Vietor in die deutsche Sprache seiner Zeit übertrug 156 . Der Bericht erzählt von drei Karlstädtern Martinus, Paulus und Conrad, die auf der Rückkehr von Compostela in Seenot gerieten und sich im Fall ihrer Rettung zu „Maria im Sand“ nach Dettelbach verlobten 157 . Nach der glücklichen Heimkehr erfüllten sie ihr Gelöbnis und opferten ein wächsernes Schiff 158 . Der sehr lebendig ge- 153 Nochmals g ugitZ , Österreichs Gnadenstätten (wie Anm. 151). 154 Auch in: R. P lötZ , ein wächsen Schifflein daselbst geopffert . Zum Votivbrauchtum, in: Der Kult des Apostels Jakobus d.Ä. in norddeutschen Hansestädten, hg. von H. r öcKelein ( Jakobus-Studien 15, Tübingen 2005) S. 109-134, hier S. 125-127, ferner d ers ., Los barcos de María, in: Maria y Iacobus en los caminos europeos, Actas del IX Congreso del Comité Internacional de Expertos del Camino de Santiago, 21-14 Oct. 2015, hg. von Adeline r uc quOi (im Druck). 155 Zur Wallfahrt nach Dettelbach vgl. H. d ünninger , Maria siegt in Franken. Die Wallfahrt nach Dettelbach (Würzburg 1979). 156 Der Alerseeligsten Jungfrawen MARIAE Alte und Neue zu Dettelbach geschehene Wunderzeichen. Durch den Hochwürdigen in Gott Vatter und Herrn / Herrn EVCHARIUM SANG, der Heyligen Schrifft Doctorn / Bischoff zu Augustopoli / und Weihbischoff zu Würtzburg / mit sonderbarer Trew und Fleiß in Latein beschriben. Jetzunder aber / durch den Ehrenhaften Wolgelehrteen Herrn Johann v ietOrn Fürstl: Würtzb.: Rathschreibern / dem gemeinen Mann zur Nachrichtigung in Teutsche Sprach transferirt. Getruckt in der Fürstlichen Statt Würtzburg durch Georgium Fleischmann, Anno Domini M. DC. VII. 157 […] so uberfellt sie ein grausames und erschröckliches Ungewitter / die Schiffleuth machen ein Geschrey / meniglich im Schiff wäre von Sorge und Gefahr erblichen / und erwarteten des Todts / alle stundt und augenblick. Niemandt kondte helffen / sintemal vom Landt / als welches sie nicht sahen / ihnen keine Hülff zukommen kundte / so brauseten die Winde schrecklich zusamen / unnd triben gleichsamb die Wellen deß zornigen Meers / das Schiff mit allem was darinnen wäre / uff einmal zuverschlicken unnd ruffeten die Mutter Gottes inbrünstig an / mit Gelübdt / wann sie auß dieser Gefahr errettet / unnd glücklich zu Hauß anlangen würden / daß sie ihr vor solche Wolthat / bevorab aber Gott dem Allmächtigen / zu Dettelbach dancken wollen. Welche sie denn auch gehört und erhöret hat. Dann die Wasserwellen sich also gestillet / die Sturmwindt in einen sanfften Lufft verendert / unnd ist also den jenigen / welche gleichsamb albereit vor verlohren geachtet / ein gut Wetter angestanden. Als sie nun heimkommen / haben sie Gott dem Allmächtigen / und seiner werthen Mutter in der Capellen zu Dettelbach danckgesagt / ein wächsen Schifflein daselbst geopffert / unnd dieses Wunderwerck überall außgebreitet (ebd., S. 21-24). Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 107 f. 158 Leider konnte das Votiv aus Wachs nicht mehr ausfindig gemacht werden, es wird wohl wie die große Mehrzahl der wächsernen Votive für liturgische Zwecke eingeschmolzen <?page no="61"?> 62 Robert Plötz schriebene Bericht über ihre Pilgerfahrt geht auf verschiedene Elemente der Jakobus-Legendentradition ein und erwähnt zum Beispiel volksfromme Züge der Jakobus-Verehrung, wie die Lösung des Teufelsbanns durch das Schweißtuch des Apostels oder die Brechung der Macht des Teufels durch den Stab des Pilgerpatrons. Über das Ereignis gibt auch ein Mirakelbild von etwa 1660 Auskunft. Es befand sich bis vor kurzem im Langhaus der Wallfahrtskirche und wird jetzt im „Museum Dettelbach - Pilger und Wallfahrer“ gezeigt. Ein kurzer Text berichtet darüber: Anno 1507. Dreÿ Burger Martinus / Paulus vnd Conrad von Carlstatt als Pilgram von St. lacob heimfahrnt, werden nach anruffung der M. Gottes vnd gethanem gelübdt, von vngestümigkeit des Meers augenscheinlich entlödiget . Das Mirakelbild und 23 andere Mirakel- und wohl auch Votivbilder gehen sicher auf die von Eucharius Sang 1607 veröffentlichten „Beneficia vera“ zurück. Der aus Königshofen im Grabfeld stammende Maler Georg Haydt fertigte sie an 159 . Aber auch Pilger, die den Landweg benutzten, um nach Santiago zu kommen, verlobten sich in Not und Heimweh an den heimatlichen Gnadenort. Eine Folgeerscheinung der Rettung aus Seenot ist vermutlich die Stiftung eines wertvollen Altarantependiums im Jahr 1519, das vielleicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pilgerfahrt der drei Karlstädter stehen könnte. Es befindet sich heute im Mainfränkischen Museum Würzburg 160 . Das gestickte und gut erhaltene Nadelbild stammt aus der Spitalkirche in Karlstadt, die 1438 errichtet wurde. Das Antependium stellt Jakobus, dessen Ganzkörperfigur mit Flachstichen auf ein dunkelrotes Wollgewebe gestickt ist, als Pilger dar. Die Inschrift O heiliger her sant Jacob bit got fur vns - 1519 und der Heiligenschein (Nimbus) am oberen Rand belegen das. Leider lassen sich die Wappen nicht lesen, die rechts und links an einem geflochtenen Zaun hängen. Es dürfte sich um die Wappen der Stifter handeln, so dass wir annehmen können, dass diese Karlstädter Pilger nicht unvermögend waren 161 (Abb. 20). worden sein. 159 Vgl. d ünninger , Maria siegt in Franken (wie Anm. 155) S. 63-67. 160 Inv.-Nr. H. 4081. Dank an H.-P. Trenschel und Bianca Bernstein M.A. vom Mainfränkischen Museum in Würzburg. 161 Zu den drei Karlstädter Pilgern vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 107, zum Antependium H. M uth , „O heiliger her sant Jacob …“, in: Fränkische Bilder - und Wappenkalender, Jg. 84 (1985) S. 10 f. Weitere Zeugnisse der Jakobus-Verehrung in Karlstadt sind eine spätgotische Holzfigur des hl. Jakobus, die sich im Auszug des Hochaltars der Spitalkirche befindet und als Arbeit von Tilman Riemenschneider ausgewiesen wird (G. d ehiO , Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern 1: Franken, bearbeitet von T. b reuer / Fr. O swald u.a. (München 2 1999) S. 506), sowie eine spätromanische Pilgerfigur am Westportal der Pfarrkirche St. Andreas. Vgl. dazu den Beitrag von Peter r ücKert in diesem Band. <?page no="62"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 63 Abb. 20: Jacobus maior als Pilger, Antependium aus der Spitalkirche Karlstadt, 1519, heute im Mainfränkischen Museum Würzburg (Foto: Kunstschätzeverlag, Gerchsheim) Von einem unbekannten fränkischen Jakobus-Pilger aus dem Jahr 1515 berichtet das 48. Mirakel des ersten Mirakelbuchs von Vierzehnheiligen: Anno D [omi] ni M.D. XV. am Sambstag nach der Heyligen Himelfart Christi vnsers Herrn / zu mittag / ist hie gewest ein Pawerßman / vnd hat gesagt / wie er sey gelegen drey Jahr kranck / zu dem ferren S. Jacob / vnnd also in grawsamliche schwere Kranckheyt gefallen / das ist abgesuendert worden von den Menschen / vnd ist gelegen vnter einem bawn / vnd also verdort / das er nichts ahn gehabt hat den haut vnd bein / vnd auß im gewachssen die wuermer / also in solcher kranckheit hat er sich gelobt zu den Heyligen viertzehen nothelffern / [...] 162 . Pilger aus Franken in Santiago de Compostela Die Krankenbücher des Hospital Real in Santiago de Compostela 163 erwähnen für 1715 unter den Kranken eine kleine Würzburger Gruppe, die sich aus Hors 162 Histori vnd vrsprung der Wallfahrt vnd wunderzeichen zun viertzehen heyligen Nothelffern in Franckenthal bey Staffelstein gelegen / Erstlich / Anno, Domini 1519 zu Nürnberg / in Teitscher sprach allein / durch Anordnung vnnd vnkosten deß Ehrwirdigen in Gott Praelaten u. Herrn / Herrn Johan Abten deß Closters Langheimb / Cistercier Ordens / Bamberger Bistums / von wortten Teutsch vnd Lateinisch dem alten Exemplari nachgedruckt zu Bamberg Anno 1596, durch Anthonium h OritZ . 163 Das Hospital wurde von den Katholischen Königen lsabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon 1489 gegründet und 1504 eröffnet. Vgl. A. l OPeZ f erreirO , Galicia en el último <?page no="63"?> 64 Robert Plötz Foril, Gregorio de Franconia und Juan Girante (phonetische Namensaufnahme) zusammensetzte. Foril wird nach der Krankeneintragung am 6. März 1715 im Hospital Real aufgenommen 164 . Von seinen persönlichen Umständen wird mitgeteilt, dass seine Eltern, Mathias und Barbara Foril, verstorben seien und aus Würzburg stammten. Seine Habschaften werden genau aufgeführt. Er war ärmlich gekleidet, in einem Rock aus blauem Tuch mit Knöpfen aus einer Legierung von Blei und Zinn. Ferner trug er ein altes ärmelloses Wams, Hosen aus Leder, einen alten schwarzen Hut, Strümpfe aus gewalkter Wolle, alte Stiefel nach Moskauer Mode und alte Wollhandschuhe. Seine Pässe und die geringe Barschaft befanden sich in einem Blechbehälter, der auch ein Paar alter Schuhe, ein altes und zerrissenes Hemd, drei Reservesohlen aus Leder und eine Schachtel mit 17 Rosenkränzen enthielt. Die übrigen Requisiten bezeichnet der Schreiber verächtlich als Lumpen, was auf einen niedrigen Sozialstatus unseres Pilgers hinweist. Am 2. April 1715 wurde Foril entlassen. Die letzte Nachricht über fränkische Pilger nach Santiago im 18. Jahrhundert stammt aus dem Hochstift Bamberg: Ihr vater seye zu Dormitz amtes Neukirchen gebürtig gewesen 165 , berichtet eine aufgegriffene Landfahrerin, und habe sich Stephan Buchlader genannt, welcher mit ihrer mutter nach St. Jakob zu Compostell gewalfahret, unterwegs aber in Frankreich wäre ihre mutter mit ihr niedergekommen . Pilger, die nie ankamen Bischof Hermann von Bamberg gehört zu den vielen, die eine Pilgerfahrt nach Santiago unternehmen wollten, aber ihren Wunsch nicht ausführen konnten. In tercio del siglo XV (Vigo 1908) S. 247-254. Zu dem Komplex siehe P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 113-115. 164 Santiago, Arch. Hist. Univ., H. R. C., Serie enfermos, Lib. 26, fol. 59r. Der Eintrag unter Aufführung der Habe des Pilgers lautet: Dicho dia 6 marzo de 1715 a Jorxe Foril, hijo de Matias Foril y de Vanvora Foril, difuntos, vezinos que fueron de Vispurgo en Alemania. Trajo una chupa de paño azul mediana con votones de Peltu, un justillo de paño hordinario sin mangas viejo, calzón de pellicai viejo, sonbrero riegro viejo, medias de lana avatanadas viejas, zapatos viejos de Moscovia, un par de guantes de lana avatonadas viejos, una cartera de oja de lata con sus pasaportes, tres pesos y un real de plata en monedas de Francia y se conponen de cinço piezas las dos de peso, dos de medio y la una dicho reals de plata, y dentro della un par de zapatos viejos, una caja y en ella diez y siete rosarios de madera negros, una camisa vieja y rota, tres pedazos de suela de cuero nueva y lo demas andrajos. Fuese en dos de abril de 1715. Zu den Krankenbüchern J. M a. f ernandeZ c atón , El Archivo del Hospital de los Reyes Católicos de Santiago de Compostela, lnventario de Fondos (Santiago de Compostela 1972), hier S. 273-276. 165 Staatsarchiv Bamberg, ZentHös 11/ lll, 623 v , 1769. Siehe K.-S. K raMer , Volksleben im Hochstift Bamberg und im Fürstentum Coburg (1500-1800) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX, Bd. 24, Würzburg 1967) S. 167. <?page no="64"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 65 einem Brief wahrscheinlich vom März 1073 tat er seine Absicht kund, nach Santiago de Compostela zu pilgern, da er in Angelegenheiten des Reichs sowieso an die Grenzen von Burgund und des jenseitigen Galliens käme 166 . Diese wohl nicht unternommene Pilgerfahrt und die ihr zugrunde liegende Verehrung des hl. Jakobus könnte in Zusammenhang mit der Stiftung einer Kapelle zu Ehren des hl. Jakobus im Kloster Münsterschwarzach durch den Bamberger Dompropst Udalrich stehen, so nach einer relativ späten Überlieferung 167 . Nach seiner Absetzung 1075 zog sich Hermann nach Schwarzach zurück und starb dort 1084. Wahrscheinlich folgte Udalrich († 1086/ 87), über den wir sonst wenig wissen, seinem Bischof nach Münsterschwarzach und teilte mit ihm die Verehrung für den hl. Jakobus. Ebenfalls nicht ausführen konnte der Nürnberger Stefan Seussinger seine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Er war von seiner, im frühen 16. Jahrhundert in Blüte stehenden Wallfahrt nach Grimmental im Hennebergischen nach Fulda unterwegs, um von dort aus weiter zum hl. Jakobus nach Santiago zu pilgern. Auf seinem Weg im nördlichen Franken griffen ihn Mangold von Eberstein und dessen Leute auf und setzten ihn in der Burg Schlüchtern fest. Mangold von Eberstein führte 1516 bis 1521 eine hartnäckige Fehde gegen die Reichsstadt Nürnberg, in deren Verlauf er viele Nürnberger gefangen nahm und bis zu ihrer Auslöse festhielt 168 . Der Text des Briefes, in dem sich Seussinger mit der Bitte um Auslösung an seine Eltern wandte, ist erhalten geblieben 169 . 166 Text und Datierungsvorschlag in: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, bearbeitet von E. f rhr . vOn g uttenberg , Bd. 1 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Vl. Reihe, Nr. 2, Würzburg 1963) S. 217. 167 Eodem anni tempore Vdalricus Praepositus maioris ecclesiae Bambergensis inter alia multa bona, quae contulit monasterio, vineas multas emit in Summerach, et eas monasterio tradidit. Hic etiam aedificauit oratorium Sancti Jacobi (Ms. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch. f. 345 fol. 12r aus dem 16. Jahrhundert). Vgl. H. t hurn , Die Handschriften nach benediktinischen Provenienzen I (Wiesbaden 1973) S. 63. 168 J. d ünninger , Ein Nürnberger St.-Jakob-Pilger gerät in Gefangenschaft, in: Frankenland 16 (1964) S. 97 f. 169 Fehde Mangolds von Eberstein zum Brandensteın gegen die Reichsstadt Nürnberg, 1516- 1522, hg. von L. F. f rhr . v . e berstein (Dresden 2 1879) S. 47-49, hier ein Auszug aus dem Brief: O mein hertz lieber vater und auch mein hertz liebe muter ich bit euch bayde umb gots willen und des heiligen zwolfboten Sannd Jacobs. lr wolt mich yetzund nit lassen in meinen grossen noten und leyden, das Ich yetzund hab, lr woll mir zu hilff kommen mit disem gelt und solch für mich geben, das ich aus solcher schwerer fenngknus erlost werde […]. <?page no="65"?> 66 Robert Plötz Jakobus-Bruderschaften Die Jakobus-Bruderschaften spiegeln in mehrfacher Weise die Verehrung des Heiligen wie die Volksfrömmigkeit gerade im späten Mittelalter 170 . Sie sollten nicht mit den fraternitates , die nur den Geistlichen offenstanden, verwechselt werden. Beispiele dafür sind Allobroges (Bewohner des heutigen Vienne) 171 und Bamberg, wo schon 1128 eine Kongregation zu Ehren des Apostels Jakobus erwähnt wird, deren Mitglieder wahrscheinlich aus dem Konvent des Chorherrenstiftes St. Jakob kamen 172 . Gegen Ende des 14. und im 15. Jahrhundert waren es dann im städtischen Bereich vor allem Handwerker, die sich und ihre Zünfte in den Schutz des Apostels begaben. Die Bruderschaften wurden in großer Zahl mit eigenen Satzungen, Häusern und Kirchen gegründet und verbreitet. Für Franken seien nur die Bruderschaften in Städten oder Märkten aufgeführt. Sie sahen sich auch zur Förderung der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela und der Verehrung ihres Patrons verpflichtet, obwohl man in keinem der Fälle in Franken von Pilgerbruderschaften sprechen kann 173 . Jakobus-Bruderschaften gab es in den alten fränkischen Bistümern etwa in Heilbronn, Würzburg, Wimpfen (alle 1453), Hof (1487), Bamberg (1496), Münchberg (1499), Eibelstadt (1500), Neustetten (1516), Königsberg (1528), Coburg (1529), Ingolstadt (1601), Impfingen (1625), Dettelbach (ab 1709) und Sindlbach (1757) 174 . Die Bamberger St. Jakobus-Bruderschaft Die Bamberger Jakobus-Bruderschaft wurde unter Bischof Heinrich Freiherr Groß von und zu Trockau 1496 errichtet, an der alten St. Martins-Kirche an- 170 Vgl. zum Jakobus-Bruderschaftswesen in Europa R. P lötZ , Misericordia, fraternidade e confrarías de Santiago, in: Misericordia e peregrinación, Xornadas Internacionais de Estudo e Actualidade (Actas del Comité Internacional de Expertos del Camino de Santiago 2016), hg. von K. h erbers (im Druck). 171 Als 1120 der Bischof von Porto in der Curia des Papstes Calixt II. in Rom war, um für die Erzbischofswürde für Diego II. Gelmírez zu werben, hielten sich dort auch Allobroges viri potentes atque nobilis contribules Papae scilicet Dux Burgundiae Guido de Albione, et ceteri quam plures Ecclesiae B. Jacobi confratres, qui B. Jacobum olim adierant & seipsos Apostolo subjugaverant. Propterae Ecclesiam B. Jacobi usquequaque diligebant, et ejus Episcopum auf (Historia Compostelana, in: España Sagrada, hg. von E. f lOreZ (Madrid 1765) Lib. II, Cap. XV, S. 298) auf. 172 J. l OOshOrn , Geschichte des Bistums Bamberg (München/ Bamberg 1886-1907) Bd. 1, S. 60. 173 Die erste mir bekannte Jakobus-Bruderschaft, die sich nur aus Jakobus-Pilgern zusammensetzte, ist die Confrèrie de Saint Jacques in Paris, die offiziell am 19. Oktober 1350 gegründet wurde. Vgl. A. s aunier , La Confrèrie et les Confrères de Saint-Jacques de Paris entre 1460 et 1523, d’après leur comptabilité, in: Actes du Colloque des 18 et 19 janvier 2001 à la Fondation Singer, Polignac, hg. von A. r ucquO i (Paris 2003) S. 39-63, hier S. 39. 174 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 116-122. <?page no="66"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 67 gesiedelt und durch Papst Clemens VII. bestätigt 175 . Sie lebt bis heute fort. Die Bruderschaft war zunftähnlich organisiert, die erste sogenannte „Ordnung“ stammt von 1496. Sie wurde unter den Vorstehern Hanns Görtler, Hanns Burkhart, Kaspar Schleimhauff und Hanns Kautler am 24. Februar 1629 erneuert und wahrscheinlich etwas abgeändert 176 . Die Satzung behandelt ausführlich die frommen Werke, die von den Mitgliedern ausgeführt werden mussten, die Eintrittsbedingungen, die Versorgung verstorbener Mitglieder mit Seelmessen und Totenwachen, den Ausschluss und die Organisation der Bruderschaft 177 . Eine Pilgerfahrt nach Compostela galt nicht als Eintrittsbedingung, obwohl die innere Gestaltung der Bruderschaft daraufhin angelegt war und unter den Mitgliedern auch einige Jakobus-Pilger zu finden sind 178 . Aus den angeführten Stiftungen und Zuschüssen geht hervor, dass die Bruderschaft sehr wohlhabend gewesen sein muß. Während des Bauernaufstandes 1525 liehen die „Viermeister“ der Bruderschaft eine große Geldsumme an die Stadt Bamberg aus. Die Rückzahlungsvermerke von 1526 und 1527 finden sich unter den Wochenstubenrechnungen der Stadt 179 . Noch im Jahr 1829 zählte sie 11.547 Mitglieder, von denen viele außerhalb des Bistums Bamberg wohnten 180 . Zwei Ablassbriefe, ausgestellt vom Kardinalskollegium in Rom am 11. Januar und am 29. August 1500, bezeugen die wohlgefällige Aufnahme der Bruderschaft in geistlichen Kreisen 181 . Die Bruderschaft besaß auch ein eigens angelegtes Andachtsbüchlein : Besondere Andacht, wie alle der uralten in der Sanct Martins=Pfarrkirche 1496 unter dem hochwürdigen Bischof Heinrich Groß von und zu Trockau aufgerichteten Bruderschaft des heil. Apostels Jakobs des größeren einverleibte Brüder und Schwestern ihren heil. Patron verehren sollen 182 . Ihr Siegel ist an einer Reversurkunde für den 17. Oktober 1497 im Staatsarchiv Bamberg zu finden 183 . 175 Vgl. zum Gesamtkomplex N. h aas , Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg und sämmtlicher milden Stiftungen der Stadt (Bamberg 1845) S. 190-197 und Anhänge; P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 118 f.; W. s charrer , Laienbruderschaften in der Stadt Bamberg bis zum Ende des Alten Reiches, in: 126. Bericht des Historischen Vereins Bamberg 1990, S. 114-118. 176 h aas (wie Anm. 175) S. 191. 177 Ebd., S. 191-195. 178 Ebd. Es kam auch zu Streitigkeiten zwischen den gemeinen Brüder, die nit zu St. Jacob und den Wegk genießen hetten (Ebd., S. 194, 708 f., Nr. 105). 179 Stadtarchiv Bamberg, Rep. B, Nr.77, fol. 101 u. 144. Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 119, Anm. 523. 180 h aas (wie Anm. 175) S. 197. 181 Ebd., S. 193. 182 Ebd., S. 197. 183 Es zeigt ein Wappenschild mit zwei gekreuzten Pilgerstäben und weist in der Mitte eine Pilgermuschel auf. Die Umschrift lautete: . fraternitas . S . Iacobi . Stadtarchiv Bamberg A 95, 1, Nr. 125. Vgl. s charrer , Laienbruderschaften (wie Anm. 175) S. 115 und Anm. 402. <?page no="67"?> 68 Robert Plötz Von den Folgen der Säkularisation erholte sich die Bruderschaft relativ schnell, aber die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert in Verbund mit einer zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft führten zu einem fast vollständigen Mitgliederschwund, die Prozessionsstäbe und die Prozessionsfigur kamen in das Diözesanmuseum, die Bruderschaft ging in die Verwaltung durch die Pfarrei St. Martin über 184 . Um 1960 verstarb das letzte Mitglied. Gemäß dem kanonischen Recht lebt die Bruderschaft dann noch weitere hundert Jahre, bevor sie erlischt. Nach der Niederschrift einer Satzung erfolgte am 22. November 2006 die Anerkennung der wieder gegründeten Jakobus-Bruderschaft durch den Erzbischof von Bamberg, Dr. Ludwig Schick. Eine Jakobus-Bruderschaft anderer Art in Hof Um 1548 entstand in Hof eine ehrliche geselschaft der jacobsbruder , die das gesellschaftliche Leben des Hofer Bürgertums bereicherte. Die Gesellschaft stand ganz in der Tradition der religiösen, gelehrten und geheimen Gesellschaften, die sich zu dieser Zeit in vielen Städten des deutschen Sprachraums zum Zeitvertreib, zu wissenschaftlichen Studien und zur bürgerlichen Selbstverwirklichung bildeten. Sie entsprach in keiner Weise einer Jakobus-Bruderschaft. Die Ziele dieser bürgerlichen Vereinigung waren rein gesellschaftlicher Art: Zu dieser zeit ist die ehrliche geselschaft der jacobsbruder allhie entstanden, da etliche erbare burger an sonn= und feiertagen zu gewisen Zeiten nach vollendter vesper zusammen kommen, sich mit einem lieblichen gesprech, kurtzweiligen spiel und einer eingezogenen malzeit mit essen und trinken geburlich ergötzet und erlustiget haben. Deren ein ieder eine silbern jacobsmuschel am ermel getragen und sich daher die frölichen jacobsbruder genennet, zu unterscheid der jacobsbruder im babstumb, die das elend bawen, in Spanien gen Compostell zu S. Jacob in grosser muhseligkeit wallen und doch nicht anders ausrichten, dann daß sie vergebene uncosten machen, ihr haushalten, hantirung und gewerb versaumen, mude bein und ein versehrtes gewissen, mit allerlei aberglauben beflecket, zu haus bringen 185 . Ein Jakobus-Mirakel der Pilgerwege Die Wundermächtigkeit des Apostels auf dem Weg zu seinem Heiligtum schlägt sich in einer Mirakelgeschichte nieder, die das europäische Wegenetz eng mit dem spanischen Teil des Pilgerwegs verbindet. Ursprünglich im „Codex Calix- 184 Vgl. ebd., S. 118. 185 Quellen zur Geschichte der Stadt Hof, I: Die Chronik des M. Enoch (München 1983), S. 544. Vgl., P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 118, sowie ausführlicher zur Jakobus-Bruderschaft in Hof P. r ücKert , Die Jakobusbruderschaft in Hof, in: Miscellanea Curiensia 1 (Hof 1996) S. 25-28. <?page no="68"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 69 tinus“ 186 nur als Gehängtenwunder mit der Wiederbelebung eines zu Unrecht gehängten Pilgers dargestellt, wurde das Mirakelgeschehen im 13. Jahrhundert in Santo Domingo de la Calzada verortet und um das Zeugnis der „Brathühner“ erweitert 187 . Dieses Mirakel spielte sich noch nach dem Zeugnis der „Legenda Aurea“ aus dem 13. Jahrhundert in Toulouse ab 188 . Mutter, Vater und Sohn aus Deutschland pilgerten gemeinsam nach Santiago. Sie kehrten unterwegs in einem Wirtshaus in Toulouse ein. In der Nacht versteckte der betrügerische Wirt einen goldenen Becher im Reisesack seiner Gäste. Nach ihrem Aufbruch am nächsten Tag bezichtigte er sie des Diebstahls und ließ sie verfolgen. Die Pilger wurden festgenommen und der mutmaßliche Dieb zum Tod am Strang verurteilt. Nach den Anschuldigungen will zunächst der Vater für den Sohn, dann der Sohn für den Vater sterben. Schließlich wurde der Sohn gehenkt, und Vater und Mutter zogen weiter nach Santiago. Dort offenbarte ihnen der Apostel, dass ihr Sohn zwar am Galgen gehängt worden wäre, aber noch am Leben sei. Als die Eltern in der Version von Santo Domingo de la Calzada nach 38 Tagen zurückkamen, fanden sie ihren Sohn tatsächlich lebend vor. Es wird erzählt, dass der Richter, der den Sohn zum Tod verurteilt hatte, gerade beim Essen war, als die Eltern zu ihm kamen. Die Eltern schlugen ihm vor, zum Galgen zu gehen, weil ihr Sohn noch lebte. Da antwortete er: „Euer Sohn lebt genauso wenig wie die Hühner, die ich jetzt gleich verspeisen werde“. In diesem Moment sollen die Brathühner vom Spieß geflattert sein und so den Richter widerlegt haben. Ein Wunder des Weges, an dem Jakobus selbst als Toter Tote zum Leben erwecken konnte? Der Legende nach ja. Aber es ist vor allem ein Mirakel der Wege, das als Galgen- und Hühnerwunder hundertfach erzählt, bildlich dargestellt und als Drama aufgeführt wurde und wird. Die Mirakelerzählung ist auch in Franken bezeugt, am bekanntesten wohl auf Friedrich Herlins Rothenburger Altar (vollendet 1466) 189 . Er befindet sich 186 Lib. II, Capitulum V, Exemplum Sancti Iacobi a Dom[i]no Papa Calixtino conscriptum in: K. h erbers / M. s antOs n Oya , Liber Sancti Jacobi, Codex Calixtinus (Santiago 1998) S. 164 f. 187 Für den Gesamtzusammenhang vgl. R. P lötZ , Res est nova er adhuc inaudita. lndice de motivos y evolución literario-oral del relato del milagro del peregrino que fue rescatado de la horca, in: Santiago e l`ltalia (Atti del Convegno lnternazionale di Studi 5, Perugia 2005) S. 531-573, und H. j acOMet , Une geographie des miracles de Saint Jacques propre à l’art méditerranéen (XIII e - XV e siècles)? A propos des exempla lV, V, et XlV du Codex Calixtinus, in: ebd., S. 290-459, mit zahlreichen Abb. 188 Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von R. b enZ (Köln 1969) S. 493 f. Zur literarischen Tradition vgl. auch R. P lötZ , Der hunlr hinder dem altar saltu nicht vergessen. Zur Motivgeschichte eines Flügelalters der Kempener Propsteikirche, in: Epitaph für Gregor Hövelmann (Geldern 1987) S. 119-170, hier S. 127-137. 189 Friedrich Herlin wurde wahrscheinlich in Rothenburg geboren und erlebte seine Ausbildung am Niederrhein bzw. in den spanischen Niederlanden, vgl. Chr. M etZger , Friedrich <?page no="69"?> 70 Robert Plötz im Ostchor der heute evangelischen Stadtkirche St. Jakob in Rothenburg. In seiner Dimension und im Aufbau und Disposition ist der Rothenburger Altar sehr eng mit einem Nördlinger Vorgängerwerk verbunden 190 , das allerdings 1683 modernisiert und entscheidend verändert wurde 191 . Der Jakobus-Zyklus mit den relevanten Mirakelbezügen ist auf den beiden Außenflügeln untergebracht, das heißt, auf der ehemaligen Werktagsseite des Flügelaltars. Die Altarbilder zeigen drei Szenen aus der Legende des Kirchenpatrons St. Jakobus und anschließend fünf Darstellungen des Galgen- und Hühnermirakels, nämlich die Szene des Pilgermahls in der Herberge, dann die Entwendung eines Bechers, dann die Erhängung des Sohnes und die Rückkehr seiner Eltern, ferner das eigentliche Hühnermirakel und zum Schluss die Bestrafung des Wirtes (Abb. S. 127). Die historischen Schauplätze sind in das Rothenburg der Zeit von Herlin verlegt. Die Pilgerdarstellungen ergeben ein Idealbild und zeigen gut gekleidete Personen, so dass sich die Vermutung aufdrängt, hier könne es sich um stadtbekannte Persönlichkeiten handeln, die von ihrer Pilgerfahrt zurückkehrten. Weitere Darstellung des Galgen- und Hühnermirakels in Franken befinden sich in Themar in Thüringen 192 (Abb. 21), Neudrossenfeld und Kleinrheinfeld. Der Flügelaltar in der evangelischen Hl. Dreifaltigkeitskirche (ehem. St. Jakob der Ältere) in Neudrossenfeld (Kr. Kulmbach) wird dem Kulmbacher Maler Hans Süß (um 1480-1522) zugeschrieben. Er gestaltete 1519 zwei gefasste Flügel mit vier Szenen aus der Jakobus-Legende. Man vermutet, dass der Alter in die neue Saalkirche (1753-57) verschleppt worden ist 193 . Herlins Rothenburger Altar, in: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte. Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich, hg. von K. h er bers ( Jakobus-Studien 16, Tübingen 2005) S. 100-117. Vgl. dazu auch den Beitrag von Anja g rebe in diesem Band. 190 Klaus Herbers verweist auf einen interessanten Vergleich deutscher Flügelaltäre der Spätgotik mit Jakobusmotiven: Göttingen, Rothenburg und Winnenden (K. h erbers , Die lkonographie und das Programm des Göttinger Jakobusaltares im Vergleich, in: Der Kult des Apostels Jakobus d. Ä. in norddeutschen Hansestädten, hg. von H. r öcKelein ( Jakobus-Studien 15, Tübingen 2005) S. 159-180). 191 Vgl. M etZger , Friedrich Herlins Rothenburger Altar (wie Anm. 189) S. 102. 192 P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) S. 72 f. Die Darstellung befindet sich auf den Rückteilen des an der Nordostwand aufgestellten 3. Altarwerkes, des Wallfahrtsaltares, wie Georg Voss es nennt (Paul l ehfeldt , Georg v Oss , Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Bd. 3: Der Amtsgerichtsbezirk Themar ( Jena 1904) S. 228). Der Altar selbst dürfte aus der Zeit um 1500 stammen, als die Stadtkirche errichtet wurde (1488- 1502). Die Verfasser erwähnen auch die Legendendarstellungen auf den Außenseiten der Flügel, verwechseln allerdings das Galgen- und Hühnerwunder mit einer Legende des hl. Oswald (ebd., S. 229). 193 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 131. <?page no="70"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 71 Abb. 21: Galgen- und Hühnermirakel, St. Bartholomäus-Kirche Themar (Thüringen), Altaraußentafeln, um 1500 (Foto: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="71"?> 72 Robert Plötz In der Fränkischen Galerie in Kronach wird eine Tafel (Öl auf Fichtenholz) eines ehemals vierteiligen Retabels mit der Darstellung des Galgen- und Hühnerwunders ausgestellt, die aus der Nürnberger Schule um 1520/ 30 stammen soll. Das Bild trägt das Nürnberger Stadtwappen. Als Vorlage könnte die Holzschnittfolge eins unbekannten oberdeutschen Künstlers aus dem Jahr 1460 gedient haben, die in Kurzform vita, passio und das erwähnte Wunder darstellt 194 . In Kleinrheinfeld (Gemeinde Donnersdorf, Kr. Schweinfurt), in der Katholischen Kirche St. Jacobus maior (Bau 1712), sind Altäre aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts aufgestellt, die vermutlich aus der abgegangenen Benediktinerkirche St. Stephan und Vitus in Obertheres stammen. Ein Altarbild zeigt Jacobus maior mit interessanten Hintergründen: links ist die Galgenszene des betreffenden Mirakels abgebildet. Rechts befindet sich die Darstellung einer großen Kirche mit zwei Osttürmen. Elisabeth Petersen spricht von einer „Idealdarstellung“ von Santiago de Compostela 195 . Ein weiteres Mirakelthema aus dem „Libellus miraculorum“ des „Codex Calixtinus“ ist in Franken vertreten, nämlich das des „miles Christi“ alias „Santiago Matamoros“. In Königsfeld (Kr. Bamberg), in der Pfarrkirche St. Jakob und Kilian, wird die legendäre Schlacht von Clavijo in einem Deckengemälde von 1622 dargestellt 196 . Thematisch entspricht diesem Bild die Darstellung des Santiago Matamoros („Jacobus miles Christi“) von Franz Melchior Kamm auf dem rechten Seitenaltar der Staffelbergkirche St. Adelgundis aus der Zeit um 1819 197 . Summarium Über die Verbreitung des Jakobuskults und der Apostelverehrung in den drei Bistümern Frankens kann man aufgrund des vorgestellten Materials zusammenfassend kurz Folgendes bemerken: Frühe Hinweise auf eine Verehrung des Apostels Jacobus maior finden sich im 11. Jahrhundert. Erste Reliquienhinterlegungen werden erwähnt, und in den Patrozinien erscheint Jakobus immer häufiger als Kirchenpatron. Besonders zwei Faktoren förderten den Jakobuskult in den drei fränkischen Bistümern: Einmal erfuhr die peregrinatio ad limina Beati Jacobi internationales Ansehen und erreichte gerade im 12. Jahrhundert ihre erste Blütezeit. Zum anderen nahmen sich die Reformorden des großen Pilgerpatrons an. 194 Inv.-Nr. R 52. Vgl. A. f reiherr vOn r eitZenstein , Galgenwunder des hl. Jakobus, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, Katalog der Ausstellung, bearb. von Th. r aff (Müchen 1984) S. 136 f. Nr. 192. 195 P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen (wie Anm. 4) S. 73. 196 Ebd., S. 62. 197 Vgl. P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 83) S. 131. <?page no="72"?> Jacobus maior in Franken: Kultspuren 73 In regionaler Hinsicht nimmt der Apostel Jakobus bald einen festen Platz in den liturgischen und paraliturgischen Verehrungsformen ein. Ob in Reliquien, Epitaphen und Bildstöcken, ob in Andachtsbildern oder anderen literarischen und bildlichen Zeugnissen, Jakobus ist ab dem späten Mittelalter omnipräsent im fränkischen „Heiligenhimmel“. Von zentraler Bedeutung sind die Pilgerfahrten, die einen nachhaltigen Eindruck von der Verehrung des heiligen Jakobus weit über die fränkische Sakraltopographie hinaus vermitteln, aber gerade auch dieser ihr besonderes Profil verliehen. <?page no="74"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 75 Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken Helmut Flachenecker Der hl. Jakobus hat schon für Vieles als Begründung und Vorwand herhalten müssen. Bereits im Frühmittelalter soll er als Beschützer der einheimischen Bevölkerung der Francia Orientalis vor Fremden gedient haben. In diesem Fall ging es vielleicht um die slawische Bevölkerung im Grabfeld, die von den nichtslawischen Bewohnern als „Gefahr“ betrachtet worden sei 1 . Derartige Einschätzungen kursieren immer mal wieder in einschlägigen Büchern, meist ohne nähere Literaturangaben, bestätigt haben sie sich aber bis jetzt nicht. Der hl. Jakobus war als Verteidiger der Christen gegen den Islam auf der spanischen Halbinsel angesehen (als Matamoros , sog. „Maurentöter“). Ob er aber vor diesem Engagement im Westen bereits in Franken zugange war, mag dahingestellt bleiben und soll auch nicht Gegenstand der folgenden Erörterungen sein. Jakobusverehrung in Europa Die Verehrung des Jacobus maior in West- und Mitteleuropa setzt im 11. Jahrhundert ein und wird in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu einer großen Bewegung. Zur gleichen Zeit, ab dem 11. Jahrhundert etwa, wird die Legende von der Predigttätigkeit des Jakobus in Spanien von der westlichen Christenheit in weiten Teilen akzeptiert. Schriftliche Quellen über die Grabauffindung, angeblich im Jahre 813, finden ebenfalls weite Verbreitung. Einher geht ein massiver Aufschwung der Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Das setzte zum einen eine entsprechende Verbreitung der Legende in ganz Europa voraus, zum anderen musste sich eine ansprechende Infrastruktur mit Straßen, Brücken und Hospitälern entwickelt haben, um die Pilger in den äußersten Nordwesten der iberischen Halbinsel zu bringen. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts wurde dann der „Liber Sancti Jacobi“ kompiliert, mit dessen Verbreitung Wallfahrt und Verehrung massiv gefördert wurden 2 . 1 Karl K Olb , Wallfahrtsland Franken (Würzburg 1979) S. 15. Als Beleg für seine These führt er die oberfränkischen Wehrkirchen in Marktschorgast, Berg, Herreth, Teuschatz und Niedermirsberg an. Das Buch kennt keine Anmerkungen und Literaturhinweise. 2 Klaus h erbers , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der „Liber Sancti Jacobi“. Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im Hohen Mittelalter (Histori- <?page no="75"?> 76 Helmut Flachenecker Im Folgenden sollen die frühe Jakobusverehrung und ihre Verbindungen zur Kirchen- und Klosterreform des 11. und 12. Jahrhunderts näher in den Blick genommen werden. Noch frühere Hinweise auf den Namen „Jacobus“, etwa in den Freisinger Traditionsbüchern des 9. Jahrhunderts, dürften sich, da ist Robert Plötz zuzustimmen, in ihrer Mehrheit auf den alttestamentlichen Jakob bezogen haben. Insgesamt haben sich wenige gesicherte Nachweise zu Jakobuspatrozinien für Kirchen im alemannisch-bayerischen Bereich erhalten. Die Verbreitung des Werkes von Isidor von Sevilla († 636) „De ortu et obitu patrum“, in dem er die Predigttätigkeit des Jakobus in Spanien erwähnt, könnte eine Rolle beim Prozess des Bekanntwerdens des Apostels gespielt haben 3 . So dürfte beim Benediktinerkloster Benediktbeuren, welches bereits seit dem 8. Jahrhundert das Jakobuspatrozinium innehatte, der hl. Apostel gemeint sein 4 . Die Verbreitung eines Heiligenkultes muss auf regionaler Ebene näher analysiert werden. Eine Regionalstudie kann dann im Vergleich Gemeinsamkeiten wie Besonderheiten herausfiltern. Für Franken fällt der erste Hinweis auf Jakobus in das Jahr 1012: Bei der Weihe der Domaltäre in Bamberg im Mai dieses Jahres werden erstmals Jakobusreliquien in einer Beschreibung, die sich allerdings nur in einer Abschrift aus dem 15. Jahrhundert erhalten hat, aufgezählt. Im Hauptaltar, der vom ersten Bamberger Bischof Eberhard (1007-1040) konsekriert worden war, finden sich reliquie Jacobi . Diese werden aber nicht an prominenter Stelle genannt, sondern reihen sich in die Aufzählung der übrigen, fast 20 Reliquien ein, darunter viele von Aposteln. Die Hauptpatrozinien bilden bei diesem Altar Petrus und Paulus sowie Kilian, letzterer wohl in Erinnerung daran, dass das Bamberger Gebiet bis zu diesem Zeitpunkt ja einen Teil der Würzburger Diözese gebildet hatte 5 . Jakobus spielte zu dieser Zeit allenfalls als sche Forschungen 7, Wiesbaden 1984), S. 1-12; Klaus h erbers / Hans-Wilhelm K lein (Hg.), Libellus Sancti Jacobi. Auszüge aus dem Jakobusbuch des 12. Jahrhunderts ( Jakobus-Studien 8, Tübingen 1997); Klaus h erbers / Manuel s antOs n Oya (Hg.), Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus (Santiago de Compostela 1998); Klaus h erbers , „Wol auf sant Jacobs straßen! “ Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskults in Süddeutschland (Ostfiltern 2002). 3 Robert P lötZ , Santiago-peregrinatio und Jakobuskult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31 (1984) S. 25-135, hier S. 60-62. 4 Leo w eber , Benediktbeuren, in: Germania Benedictina II. Bayern, bearb. v. Michael K auf - Mann / Helmut f lachenecKer / Wolfgang w üst / Manfred h eiM (St. Ottilien 2014) S. 293- 322. St. Jakob wurde bereits nach ca. 1031 vom hl. Benedikt als Hauptpatron verdrängt. 5 Wilhelm d einhardt , Dedicationes Bambergenses, Weihenotizen und Urkunden aus dem mittelalterlichen Bistum Bamberg (Beiträge zur Kirchengeschichte Deutschlands 1, Freiburg i. Br. 1936) S. 4 Nr. 2 (1012 Mai 6): Altare occidentale, quod in eadem ecclesia precipuum est et principali, consecravit ueneraribilis Eberhardus, primus eiusdem sedis episcopus, in honorem s. et individue Trinitatis ac s. et victoriosissime Crucis et in honorem ss. Apostolorum Petri et Pauli omniumque apostolorum et s. Kiliani sociorumque eius. Reliquie autem <?page no="76"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 77 einer der Hauptapostel im öffentlichen Heiligenbewusstsein eine vermutlich untergeordnete Rolle. Quellen für eine Verifizierung dieser Vermutung fehlen. Die Informationen verdichten sich erst am Ende des 11. Jahrhunderts. Gefördert wurde die Jakobusverehrung von einer Klosterreformbewegung, die entscheidend von Cluny und Gorze getragen wurde. Jakobus war einer ihrer Leitpatrone als Pilgerheiliger. Es war Cluny, das sich als universale „Mönchskirche“ verstand, die in weitest gehender Freiheit von irdischen Bindungen einen besonderen Auftrag in der Welt „mit eigener apostolischer Geltung“ erfüllen wollte 6 . Cluny, so die mehrheitliche Forschungsmeinung, habe die Jakobusverehrung im Allgemeinen und die Wallfahrt nach Santiago im Besonderen gefördert 7 . Aber auch diese Aussage kann quellenmäßig nicht vollständig erhärtet werden. Der „Liber Sancti Jacobi“ beginnt und endet mit einem Hinweis auf Cluny. Das Einleitungsschreiben Calixts II. zu Beginn weist auf dessen Wahl zum Papst in Cluny im Jahre 1119 hin. Am Ende heißt es, dass dieser Codex an verschiedenen Orten geschrieben worden sei, besonders aber in Cluny 8 . Diese Darstellung der Dinge ist, soweit wir heute wissen, konstruiert. Aus der Sicht der Propagatoren der Jakobuswallfahrt ist es verständlich, Cluny in ihr Bemühen um eine Belebung derselben einzuschließen, denn viele Pilger aus Mittel- und Osteuropa mussten schon aus topographischen Gründen über Burgund nach Nordwestspanien reisen und kamen damit zumindest in die Nähe des bedeutenden Klosters. Jakob als Patrozinium für von Cluny abhängige Abteien und Priorate tritt allerdings sehr selten auf - und wenn dieses Patrozinium bekannt ist, dann zumeist bei englischen Klöstern. Stattdessen überwiegen, wenig überraschend, Petrus und Paulus bzw. Maria als Klosterpatrozinien 9 . Die cluniazensischen Klosterpatrozinien erhärten also die angebliche Santiago-Begeisterung des Klosterverbandes nicht. Lampert von Hersfeld († 1082/ 85) berichtete in seinen Annalen, dass viele Bischöfe des Reiches Reformmönche aus Cluny und Gorze in ihre Klöster beriefen und die Reformanliegen auf diesem Wege mit verbreiteten. Die Klosterreform in eodem altari posite sunt […] sanctorumque apostolorum reliquie Johannis apostoli et evangeliste, Jacobi, Andree, Thome, Philippi et Jacobi, Bartolomei […] - P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 69. 6 Gert M elville , Die Welt der Mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen (München 2012), Zitate S. 73 f. 7 Joachim w Ollasch , Cluny - „Licht der Welt“. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft (Zürich u.a. 1996). 8 h erbers / n Oya , Liber Sancti Jacobi (wie Anm. 2) S. 7, 258: […] et precipue apud Cluniacum . 9 Dietrich P OecK , Cluniacensis ecclesia (10. - 12. Jahrhundert) (Münstersche Mittelalterschriften 71, München 1998). In dem langen Verzeichnis, das alle cluniazensische Klöster aufnimmt, gibt es lediglich sechsmal den Hinweis auf Jakob, davon viermal in England und je einmal in Spanien und Italien. <?page no="77"?> 78 Helmut Flachenecker wurde in weiten Teilen vom Episkopat unterstützt 10 . Ein Teil dieser Reformen betraf auch die Bedeutung von Heiligen in der kirchlichen Liturgie. Erneut fehlen jedoch ausreichend detaillierte regionale Hinweise. Jakobusverehrung in Franken Entsprechende Bemühungen lassen sich vermutlich auch in Franken nachweisen. Einer allerdings nicht zeitgenössischen Überlieferung zufolge habe der Dompropst von Bamberg, Udalrich († 1086/ 87), eine Kapelle zu Ehren von Jakob in Münsterschwarzach - in einem der Reformzentren - gestiftet. Der Hinweis steht in einer Gründungsgeschichte des Klosters ( De fundatione monasterii Swarzach ) in einer Handschrift des ausgehenden 16. Jahrhunderts 11 . Vermutlich dürfte die erwähnte Stiftung, worauf bereits Gerd Zimmermann hingewiesen hatte 12 , zu Lebzeiten des Bamberger Bischofs Hermann I. entstanden sein. Letzterer lebte nach seiner Amtsenthebung im Jahre 1075 bis zu seinem Tode 1084 in diesem Kloster. Beziehungen zwischen Hermann und Udalrich können durch ihre gemeinsame Tätigkeit am Dom in Bamberg wahrscheinlich gemacht werden. Ob man aber soweit gehen kann, die Kapellenweihe mit der beabsichtigten Santiagowallfahrt Bischof Hermanns selbst in Verbindung zu setzen 13 , würde bedeuten, dass letztere auch tatsächlich durchgeführt worden wäre. Auf die Wallfahrtspläne Hermanns kommen wir noch einmal zurück. Der Mönch Ekkebert († um 1076) 14 aus der lothringischen Reformabtei Gorze wurde vom Würzburger Bischof Adalbero (1045-1090) in Münsterschwarzach als Abt eingesetzt 15 . In Franken spielten Bischöfe augenscheinlich eine wichtige 10 Lampert von Hersfeld, Annalen, neu übersetzt von Adolf s chMidt , erläutert von Wolfgang Dietrich f ritZ (Freiherr vom Stein Ausgabe 13, Darmstadt 1975), zum Jahr 1075 S. 332: Quod eis factum imitati caeteri Galliarum episcopi, alii ex Gorzia, alii ex Cloniaca, alii ex Sigiberg, alii ex aliis monasteriis monachos evocantes, novam divini servicii scolam in suis singuli monasteriis instituerunt. 11 Universitätsbibliothek Würzburg M.ch.f. 345 fol. 12r: Eodem anni tempore Vdalricus Praepositus maioris ecclesiae Bambergensis inter alia multa bona, quae contulit monasterio, vineas multas emit in Suommerach, et eas monasterio tradidit. Hic etiam aedificavit Oratorium Sancti Jacobi. - Zur Handschrift siehe Hans t hurn , Die Handschriften aus benediktinischen Provenienzen: Hälfte 1. Amorbach. Kitzingen. Münsterschwarzach ... (Wiesbaden 1973), S. 63 f. 12 Gerd Z iMMerMann , Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, dargestellt an Beispielen aus dem alten Bistum Würzburg II, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 21 (1959) S. 5-124, hier S. 34. 13 So P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 73. 14 Alfred w endehOrst , Ekkebert, in: LexMA 3 (1999) Sp. 1764. 15 Alfred w endehOrst , Das Bistum Würzburg 1 (Germania Sacra Neue Folge 1, Berlin 1962), S. 113; Kassius h allinger , Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter (1950/ 51), Bd. 1, S. 320-324. <?page no="78"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 79 Rolle bei der Durchsetzung der Klosterreformen. Die weiter oben eingeforderten regionalen Hinweise könnten in diesem Falle geliefert werden. Lampert nennt Ekkebert dann auch einen Gorziensis diciplinae monachus 16 . Er wollte damit dessen herausragende Verbindung zur neuen Reformrichtung darstellen. Von Schwarzach verbreitete sich das Reformanliegen nach St. Burkard in Würzburg 17 , Neustadt/ Main, Theres, Banz und Michelsberg in Bamberg 18 . Letzteres geschah durch den bereits erwähnten Bischof Hermann I. (1065-1075, † 1084). Mit ihm, den einige Zeitgenossen wie spätere schriftliche Darstellungen als Simonisten und Antireformer brandmarkten, gelangte die - um mit Kassius Hallinger zu sprechen - sog. junggorzische Reformbewegung in das Bamberger Bistum 19 . Die Bewertung dieses Bamberger Bischofs zeigt sich in einer großen Widersprüchlichkeit. Lampert von Hersfeld, der die Kirchenreform energisch vertrat, hoffte er doch damit auf eine Wiedereinführung der alten monastischen Traditionen und Werte, hat in seinen Annales keineswegs eine „neutrale“ Darstellung der von ihm selbst miterlebten Ereignisse angestrebt 20 . Ironischerweise handelte er in einem Punkt ebenso wie der von ihm übel beleumdete Bamberger Bischof: Lampert wandelte ein Kanonikerstift - Hasungen - in ein Benediktinerkloster um und unterzog es der Reform. Lampert musste bei Hermanns Bewertung einen gedanklichen Spagat vornehmen. Die Umwandlung St. Jakobs in Bamberg von einem Kanonikerstift zu einem Benediktinerkloster geschah mit Unterstützung Ekkeberts, also eines vom Geschichtsschreiber geförderten Reformers! Es sei die „Eleganz und Reinheit monastischen Lebens“ ( mundicia monasticae conversationis ) gewesen, die ihn zu diesem Schritt bewogen haben. Aber - nun muss Lampert die Kurve in seiner Argumentation hinbekommen - habe sich die Lage von St. Jakob für 16 Lampert von Hersfeld, Annalen zum Jahr 1071 (wie Anm. 10) S. 148. 17 Alfred w endehOrst , Die Benediktinerabtei und das adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg (Germania Sacra Neue Folge 40, Berlin/ New York 2001), S. 41, zu Ekkeberts Engagement ebd., S. 192. 18 Elmar h OchhOlZer , Die Lothringische (‚Gorzer‘) Reform, in: Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, hg. v. Ulrich f aust / Franz q uarthal (Germania Benedictina 1, St. Ottilien 1999), S. 43-87, hier S. 83. h allinger , Gorze-Kluny, Bd. 1 (wie Anm. 15) S. 335-339, S. 390 f. 19 Helmut f lachenecKer , Kaiser oder Papst? Drei Antworten fränkischer Bischöfe aus dem 11. Jahrhundert, in: Reichtum des Glaubens. Festgabe für Bischof Friedhelm Hofmann zum 70. Geburtstag, hg. v. Karl h illenbrand und Wolfgang w eiss (Würzburger Diözesangeschichtsblätter 74 (2012), Würzburg 2012), S. 71-86. 20 Rudolf s chieffer , Lampert von Hersfeld, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, Bd. 5 (1985) Sp. 513-520; Tilman s truve , Lampert von Hersfeld. Persönlichkeit und Weltbild eines Geschichtsschreibers am Beginn des Investiturstreites, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 19 (1969) S. 1-123; 20 (1970) S. 32-142. <?page no="79"?> 80 Helmut Flachenecker ein Reformkloster als denkbar ungeeignet erwiesen, zudem seien in Bamberg zu wenige Kanonikerstifte gewesen. Lampert konnte die Reformmönche nicht kritisieren, daher konzentrierte er sich stattdessen darauf, den Bischof in seiner Lebensform wie in seiner simonistischen Amtsübernahme moralisch zu diskreditieren. Seine Motivation sei letztendlich ein Akt der Heuchelei ( subdolus simulator ) gewesen. Deshalb mussten seine Absetzung vom Bischofsstuhl wie auch die folgende Rückumwandlung St. Jakobs in ein Kanonikerstift als gerechtfertigt erscheinen 21 . Die Schwarzacher Sicht der Person Hermanns ist etwas differenzierter. In der bis in das 17. Jahrhundert weiter geführten Chronik De Fvndatione Monasterii Swarzach - auf die bereits hingewiesen wurde - wird der Bischof zunächst als Mönch von Münsterschwarzach geführt - was nicht stimmt -, ehe er anschließend Bischof in Bamberg geworden sei. Die Absetzung wegen Simonie wird erwähnt wie auch sein Begräbnis im Kloster in der Benediktskapelle 22 . Die Darstellung ist also durchaus ambivalent - wie auch die Frage, in welchem Umfang die wenigen benediktinischen Jahre das Leben in Hermanns Stiftung St. Jakob geprägt haben könnten und wie der Baustil der Stiftsbzw. Klosterkirche von der Reform beeinflusst gewesen sei. Abt Ekkebert aus Münsterschwarzach gilt landläufig als Erbauer der dortigen Klosterkirche 23 . Dabei seien Gorzer Baugewohnheiten bei der Krypta, beim Querschiff und bei den Doppelchören eingeflossen. Die entsprechende These von Benno Ulm, von P. Adalhard Kaspar wieder aufgenommen, bleibt anregenswert, aber nicht belegbar: „Die Junggorzer aus Schwarzach begannen sofort einen neuen Kirchenbau [in Bamberg], den die Kanoniker nach der Rückkehr in der begonnenen Form von 1075 bis 1105 21 Lampert von Hersfeld, Annalen zum Jahr 1075 (wie Anm. 10) S. 262-274. 22 Universitätsbibliothek Würzburg M.ch.f. 345 fol. 12r: Hermannvs Episcopus Bambergensis, prout in Chronica nostri Monasterii et in legenda Sancti Ottonis legitur, primo fuit monachus nostri monasterii, sub venerabili abbate Eggeberto, deinde fuit electus in episcopum Bambergensem, et tandem fuit depositus per Papam Hildebrandum, qui et Gregorius Septimus dicitur, propter flammam accusationis simonicae pravitatis. […] Hic etiam apud nos in Capella Sancti Benedicti obtinuit sepulturam. Obiit autem septimo Calendas Julii. - Zur Diskussion der Darstellung siehe auch Heinrich w agner , Die Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach im Mittelalter, in: Pirmin h ugger (Hg.), Magna Gratia. Festschrift zum 50jährigen Weihejubiläum der Abteikirche Münsterschwarzach 1938-1988 (Münsterschwarzacher Studien 41, Münsterschwarzach 1992), S. 71-152, hier 106. 23 Universitätsbibliothek Würzburg M.ch.f. 345 fol. 11r. Allerdings tritt unter den Heiligen, denen die Altäre in Kirche und Krypta geweiht wurden, kein Jakob hervor. <?page no="80"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 81 vollendeten.“ 24 Immerhin zeigt ein Plan von 1602 eine doppelchörige Anlage mit Westwerk und zwei Türmen 25 . Die Vision eines fränkischen Adeligen Mit der Reform dürfte eine verstärkte Jacobus-Verehrung in die Diözese gekommen sein 26 . In der um 1130 entstandenen Vision des Heinrich von Ahorn wählt sich dieser Jakobus als Führer durch die Unterwelt. Eventuell wurde sie ursprünglich von einem Kanoniker aus St. Jakob in Bamberg aufgezeichnet 27 . Robert Plötz und Hedwig Röckelein haben diesen Text ediert. Sehr viele, so der Beginn der Vision, würden sich um den Schutz, d.h. das patrocinium beati Jacobi Apostoli bemühen, deshalb sei es wichtig, von einigen seiner Wohltaten ( beneficium ) zu berichten 28 . In der Vision erscheint Jakob als der „helfende Alte“, der Heinrichs Seele den teuflischen Qualen entreißt. Erst im Paradies gibt er sich zu erkennen: „Ich bin Jakob, der Apostel Christi! “ Er hilft, damit Heinrich von Ahorn seine dem Heiligen versprochene Wallfahrt nach Santiago de Compostela nach dessen Läuterung doch noch antritt, nachdem der Adelige anfangs nicht wollte. Die Vision propagiert die Jakobuswallfahrt, da sich ja bereits viele (um 1130) bemühten, die Nähe zu diesem wichtigen Fürsprecher zu erwirken. Die Propagierung der Wirkmächtigkeit Jakobs soll noch mehr Personen aus dem fränkischen Umfeld zur Wallfahrt nach Santiago bewegen. Allerdings sind konkrete Aussagen darüber kaum möglich, da sich die Vision nur in einer Handschrift erhalten hat 29 . Die starke Betonung der Notwendigkeit der Verbreitung der Wundertaten des Jakob spricht für eine große Öffentlichkeit, die hier aber nicht nachgewiesen, sondern nur postuliert werden kann. Eigentlich, so die Vision, gehe es nicht um Heinrichs Seele allein. Denn als Heinrich nach seiner Rückkehr in die irdische Welt einschlief, weckte ihn der Apostel zornig mit dem Hinweis, dass er nun endlich von seiner Reise in die Ober- und Unterwelt wie auch von 24 Benno u lM , Die Westanlage der Stiftskirche von Lambach, in: Christliche Kunstblätter 99 (1961) S. 52-62, Zitat 60; P. Adelhard K asPar OSB, St. Jakob in Bamberg und Münsterschwarzach. Ein Hinweis, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 100 (1964) S. 137-143, hier S. 139. - Zum Kirchenbau auch h allinger , Gorze-Kluny, Bd. 1 (wie Anm. 15) S. 323. 25 Robert Z inK , St. Jakob und sein Umfeld, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 118 (1982) S. 25-30, Planabdruck S. 24. 26 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 68 f. 27 Robert P lötZ / Hedwig r öcKelein , Die Vision des Heinrich von Ahorn und das Kloster St. Georgenberg, in: Klaus h erbers (Hg.), Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult ( Jakobus-Studien 10, Tübingen 1999), S. 29-68 [mit Edition / Übersetzung]. 28 P lötZ / r öcKelein , Vision (wie Anm. 27) S. 58. 29 Ebd., S. 29: Pergamenthandschrift London, British Museum, Add. 18371. <?page no="81"?> 82 Helmut Flachenecker dem heilwirkenden Eingreifen des Apostels erzählen solle. Erschrocken erfüllt dann der Gescholtene den Auftrag. Und zum Ende des Textes ermahnt dieser noch einmal die Anhänger des Apostels, um so energischer in der Zukunft auf ihren Heiligen zu vertrauen: „Er verlässt seine Verehrer durchaus nicht, sondern er entreißt sie aus jeder Trübsal und Bedrängnis. Er geleitet sie zur Schau des ewigen Friedens …“ Die appellative Funktion des Textes ist eindeutig auf eine weite Verbreitung ausgerichtet. Verbreitung des Jakobuspatroziniums in Franken: St. Jakob in Bamberg Diese Vision könnte ebenso zur Verbreitung der Jakobusverehrung beigetragen haben wie die Weihe einiger Kirchen zu Ehren des Jacobus maior, wenn auch mit Einschränkungen. Der Eichstätter Bischof Gundekar II. (1057-1075) weihte ein paar Pfarrkirchen in seiner Diözese dem Jacobus maior 30 . Allerdings besaß er, im Gegensatz zu seinem Vorgänger gleichen Namens, der zuvor Domkustos in Bamberg gewesen war, keine erkennbaren Beziehungen zum Bamberger Reformzentrum 31 . Zum anderen wäre einschränkend zu fragen, ob man bei vier nachweisbaren Jakobuskirchen unter circa 120 Kirchenweihen tatsächlich von einer bewussten Förderung des Jakobskultes im Bistum Eichstätt sprechen kann. 30 In Abenberg, Ornbau, Pölling, Schönberg allerdings werden die Patrozinien in den Weihelisten meist nicht angegeben: Brun a PPel , Die Altar- und Kirchenweihen der Bischöfe Gundekar und Otto, in: Andreas b auch / Ernst r eiter (Hg.), Das Pontificale Gundecarianum. Faksimile-Ausgabe des Codex B 4 im Diözesanarchiv Eichstätt. Kommentarband (Wiesbaden 1987), S. 148-174. 31 Franz h eidingsfelder , Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt (Innsbruck/ Würzburg/ Erlangen 1915-1938), Nr. 154 (Gundekar I (1015? -1019); keine Hinweise in den Regesten für Gundekar II. Keine Hinweise auf Beziehungen zu Bamberg auch bei den Eichstätter Bischofsgesten des Herriedener Anonymus, der im Gegenteil die Herkunft Gundekars II. aus der Eichstätter Domschule sehr betont: Stefan w einfurter , Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis (Eichstätter Studien NF 24, Regensburg 1987), S. 42. Dasselbe Ergebnis bei Alfred w endehOrst , Das Bistum Eichstätt 1. Die Bischofsreihe bis 1535 (Germania Sacra NF 45, Berlin/ New York 2006), S. 51 (Gundekar I.), 64 (Gundekar II.). - Den Ausführungen von P lötZ / r öcKelein , Vision (wie Anm. 27) S. 47 liegt daher vermutlich eine Verwechslung zugrunde. Für eine Verwechslung auch Hubert P öPPel , Frühe Jakobusverehrung in Bamberg. Geschichten um den niederträchtigen Bischof Hermann, drei irische Mönche und eine Fegefeuervision (Vortrag gehalten in Regensburg 22. April 2013 anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Rund um den Jakobsweg“): http: / / www.uni-regensburg.de/ sprache-literatur-kultur/ romanistik/ medien/ vortragsantiagobamberg.pdf (zuletzt eingesehen am 23.5.2015), S. 7. <?page no="82"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 83 Das von Hermann im Mai 1072 gegründete Stift St. Jakob in Bamberg 32 wurde, wie bereits angedeutet, noch im selben Jahr von ihm in ein Benediktinerkloster umgewandelt und dem bereits erwähnten Ekkebert übergeben. Damit tat Hermann einen vergleichbaren Schritt wie der Würzburger Bischof Adalbero mit St. Stephan in dessen Bischofsstadt. Dieses Vorgehen entfachte in Bamberg jedoch nach Lambert einen großen Aufstand unter den Domherren. Ursprünglich hatte Heinrich dort ein Stift für 25 Chorherren eingerichtet. Nach dem Tod des ersten Vorstehers vertrieb Hermann die Chorherren und setzte Reformbenediktiner ein. Heinrich - und dies passt nun ganz und gar nicht zu Lampert von Hersfelds tendenziösem Bild eines ausschließlich auf weltliche Macht gierigen Bischofs - sah im Mönchsleben eine höherwertige Lebensform als in der kanonikalen. Diese religiöse Diskussion hätte aber für die Bamberger Domherren eine fatale Wirkung gehabt, konnten sie doch nicht mehr mit einer Doppelbepfründung im Domstift wie im Stift St. Jakob hoffen. Hermann dotierte „sein“ Kloster u.a. aus eigenem Besitz. Ob er selbst zu dessen Grab gepilgert ist, wird in der bisherigen Forschung sehr mit einem Fragezeichen versehen. Er könnte einer Anregung aus Mainz gefolgt sein, woher Hermann kam. Denn der Mainzer Erzbischof Siegfried I. († 1084) hat St. Jakob besonders verehrt. Zusammen mit Hermann trat er im Oktober 1069 als Intervenient bei König Heinrich IV. auf, als dieser dem Mainzer Kloster St. Jakob Güter schenkte 33 . Die Anregung dazu, so die Forschungsmeinung, habe Siegfried anlässlich eines Aufenthaltes in Cluny erhalten, vorausgesetzt natürlich, das Kloster in Burgund war tatsächlich ein solches Zentrum der Jakobsverehrung 34 . Um 1072 nach Cluny zu gelangen, wo er sich als Mönch zurückziehen wollte, habe er in Mainz sogar eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela vorgetäuscht 35 . Die Mainzer Bevölkerung schickte ihrem Erzbischof einen mahnenden Brief nach, dass er als Weltkleriker nicht das Recht hätte, sich in ein Kloster zurückzuziehen, sondern in einer apostelgleichen Stellung für sei- 32 Christine Kofer promoviert über St. Jakob (Universität Bayreuth). Siehe Dissertationsverzeichnis: http: / / www.kbl.badw.de/ dissverz/ start.htm (zuletzt eingesehen am 23.5.2015). 33 Mainzer Urkundenbuch Bd. 1: Die Urkunden bis zum Tode Erzbischof Adalberts I. (1137), bearb. v. Manfred s tiMMing (Darmstadt 1932), S. 215 f. Nr. 325 (1069 Okt. 6). 34 P öPPel , Jakobusverehrung (wie Anm. 31) S. 6, 8. - Hinweis auf die Cluny-Reise auch bei John e ldeviK , Episcopal Power and Ecclesiastical Reform in the German Empire: Tithes, Lordship, and Community, 950-1150 (Cambridge 2012), S. 225. 35 Rainer r udOlf , Erzbischof Siegfried von Mainz (1060-1084). Ein Beitrag zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe im Investiturstreit (Frankfurt/ Main 1971); Rudolf s chieffer , Siegfried I., in: NDB 24 (2010) S. 347 f. - Franz s taab , Die Mainzer Kirche. Konzeption und Verwirklichung in der Bonifatius- und Theonesttradition, in: Stefan w einfurter (Hg.), Die Salier und das Reich, Bd. 2: Die Reichskirche in der Salierzeit (Sigmaringen 1991), S. 31-77, bes. 57-59. <?page no="83"?> 84 Helmut Flachenecker ne „Herde“ da sein müsste 36 . Papst Gregor VII. sprach diesen geplanten Rückzug ebenfalls an, als er Siegfried und andere Bischöfe, u.a. Bischof Hermann, zur Fastensynode nach Rom im Jahr 1075 einlud 37 . Der „Codex Udalrici“, 1125 von einem Bamberger Kleriker zusammengestellt und um 1134 überarbeitet, enthält nicht nur den zitierten Brief an den Mainzer Erzbischof, sondern auch einen Brief Bischof Hermanns an Papst Gregor VII. Wir wissen nicht, ob der Brieftext in der vorliegenden Form dem Original entspricht oder für Lehrzwecke stilistisch umgearbeitet worden ist, da die Intention der Briefsammlung in der Ausbildung von Notaren und Kanzlisten lag und weniger in der Tradierung authentischer Briefinhalte 38 . Bischof Hermann dürfte jedenfalls sein Schreiben im Januar oder Februar 1075 abgeschickt haben. Darin entschuldigte er sich beim Papst, nicht zur nächsten römischen Synode kommen zu können. Einer der Gründe sei, dass er im Auftrage des Reiches nach Burgund müsse. Bei dieser Gelegenheit wolle er dann sein Gelöbnis erfüllen, den hl. Jakob zu besuchen, dessen Fürsprache er sich besonders verbunden fühle 39 . Ob dieser Grund nur vorgeschoben oder tatsächlich den Intentionen des Bischofs entsprach, wird heftig diskutiert. Die von Papst Gregor VII. im Dezember 1074 an den Mainzer Erzbischof Siegfried und an sechs von seinen Suffraganen gerichtete Einladung zur kommenden Fastensynode, die bereits angesprochen wurde, war eher eine Vorladung zur Rechtfertigung der in päpstlichen Augen viel zu engen Zusammenarbeit mit dem salischen Herrscher. Für Hermann lag stattdessen in der Königsnähe eine der wichtigsten Grundlagen seiner eigenen Bischofsautorität. Daher verweigerte er sich zunächst der päpstlichen Aufforderung. Aber die Zeitläufte verliefen gegen ihn, und der Druck auf ihn wurde stärker. Als er dann doch nach Rom aufbrach, war es zu spät. Im April 1075 verurteilte ihn der Papst wegen der alten Simonievorwürfe und setzte ihn schließlich ab 40 . Hermann wurde nach seinem Ableben in das klösterliche Totengedenken Münsterschwarzachs aufgenommen. Im Nekrolog ist er für den 25. Juni einge- 36 Giles c Onstable , The Reformation of the Twelfth Century (Cambridge 1996), S. 192; Brief in Codex Udalrici, ed. Philipp j affé , Monumenta Bambergensia (Bibliotheca Rerum Germanicarum, Bd. 5, Berlin 1869) (ND 1964), Nr. 39, S. 82 f. 37 Mainzer Urkundenbuch Bd. 1 (wie Anm. 33) S. 234 Nr. 339 (1074 Dez. 4): Cuius rei gratia licet ex eo tempore bene de te speravimus, ex eo tamen, quod Cluniacensi monasterio reliquum vite tue conferre voluisti, maiorem ex religione tua fidem suscepimus . 38 Timothy r euter , Codex Udalrici, in: LexMA 2 (1999), Sp. 2210. 39 Codex Udalrici, ed. j affé , Monumenta Bambergensia (wie Anm. 36) Nr. 43, S. 92: Et quia susceptae regni rationes Burgundiae et ulterioris Galliae fines me adire compulerunt, qua etiam occasione votiva beati Iacobi visitatione me decrevi absolvere, cum illius intercessio et vestra oratio me […] invocaverit . 40 Erich f reiherr vOn g uttenberg (Bearb.), Das Bistum Bamberg (Germania Sacra 2/ 1, Berlin 1937), S. 109 f.; f lachenecKer , Kaiser oder Papst (wie Anm. 19) S. 80. <?page no="84"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 85 tragen. Allerdings hat dies erst eine Hand aus dem 17. Jahrhundert getan und ihn dann auch noch fälschlich als episcopus Herbipolenses wie auch als Mönch des Klosters bezeichnet 41 . Dies zeigt das weitgehende Vergessen Hermanns in der Klostertradition! Im Übrigen war Hermann nicht der einzige Bischof, dem eine Wallfahrt nach Santiago zugetraut wird. Sein später wirkender Würzburger Kollege Embricho (1127-1146) soll eine Jakobusreliquie aus Santiago für das von ihm gegründete Würzburger Schottenkloster mitgebracht haben. Die Nachricht erscheint zweifelhaft, da die Urkundenüberlieferung nur einen Zeitraum zwischen August 1136 und Mai 1137 als argumentum e silentio zuließe. Auch fehlen Hinweise in den einschlägigen Wallfahrtsdokumenten, worauf Robert Plötz hingewiesen hat 42 . Woher kam Hermanns Nähe zu Jakob? Die Gründung und sofortige Umwandlung in eine monastische Institution zu Ehren des Apostels Jakobus spricht für eine gewisse Attraktivität. Leider ist nur die Weihenotiz für die Krypta der Klosterkirche überliefert, die als ältester Hinweis auf den 3. Mai 1072 datiert ist 43 . In der Aufzählung der Reliquien fehlt Jakob! Gewissheit erhalten wir erst bei der Weihe der Stiftskirche und ihrer vier Altäre durch Bischof Otto I. vom 25. Juli 1109: Hier werden für den Altar im westlichen Hochchor an erster Stelle Reliquien des Jakobus - und zwar noch vor jenen von Petrus und Paulus - genannt 44 . Robert Plötz stellte die Vermutung auf, diese Reliquien seien eventuell schon bei der Weihe der Westkrypta im Mai 1072 vorhanden gewesen 45 . Bei einer weiteren Altarweihe auf dem Lettner der Jakobuskirche werden unter den 41 Erwin M uth , Bleibende Gemeinschaft. Das Nekrolog der Abtei Münsterschwarzach Staatsarchiv Würzburg Standbuch 588 (Münsterschwarzacher Studien 52, Münsterschwarzach 2006), S. 120: Reverendissimus Dominus Hermannus Episcopus Herbipolensis Monasterii nostri quondam professus . 42 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 95; Robert P lötZ , „I Roer de corpore S. Jacobi Apostoli“, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 40 (1978) S. 95-103; Helmut f lachen ecKer , St. Jakob und die irischen Benediktiner, in: Klaus h erbers / Dieter R. b auer (Hg.), Der Jakobuskult in Süddeutschland ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995), S. 151-167, hier 164. 43 Notae Sancti Iacobi Bambergenses: MGH SS 17, S. 637-639, hier 637; d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 10, S. 9 (1072 Mai 3): Die Weihe wurde von Bischof Hermann vorgenommen. - Bei einer weiteren Altarweihe in der Krypta am 3. November 1112 fehlt wiederum eine Jakobusreliquie (d einhardt , Dedicationes Bambergenses [wie Anm. 5] Nr. 14, S. 11). 44 d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 12, S. 10 (1109 Juli 25) : In altari autem in occidentali parte continentur reliquie ss. Apostolorum Jacobi, Petri et Pauli, Andree, Bartholomei, Mathie […] - K asPar , St. Jakob (wie Anm. 24) S. 143, der hier einen Vergleich der Reliquien von Münsterschwarzach mit jenen von St. Jakob vornimmt und einige Gemeinsamkeiten feststellt. Allerdings finden sich in der Münsterschwarzacher Kirche zunächst keine Jakobusreliquien. 45 P lötZ / r öcKelein , Vision (wie Anm. 27) S. 48 Anm. 109. <?page no="85"?> 86 Helmut Flachenecker Apostelreliquien jene für Bartholomäus und Matthäus aufgeführt 46 . Im Jahre 1122 wurde schließlich eine Kapelle auf dem Friedhof von St. Jakob von Bischof Otto geweiht 47 . Hier fehlen Informationen über Jakobusreliquien ebenso wie bei der Kapellenweihe auf der Altenburg über Bamberg: Der Hinweis auf das Doppelpaar Philipp und Jakob (3. Mai) lässt in diesem Fall eher an Jacobus minor denken 48 . Irische Pilger in Bamberg Hubert Pöppel hat bei einem Vortrag in Regensburg 2013 die interessante Hypothese vertreten, dass die Gründung von St. Jakob in Bamberg mit dem Auftauchen irischer Mönche in Verbindung zu bringen sei. Er stellte die steile These auf, dass unter Umständen St. Jakob von Bischof Hermann für die Iren gegründet worden sei 49 . Er bezieht sich dabei auf die Vita Mariani , welche das Wirken einer kleinen Gruppe irischer Peregrini auf dem Weg nach Rom beschreibt, die letztlich in Regensburg landen werden. Dort gründen sie das Kloster Weih Sankt Peter und um 1110 ein Kloster St. Jakob als Zentrum eines Verbandes irischer Benediktinerklöster. In dieser Vita wird in der Tat von einem Aufenthalt der Iren in Bamberg berichtet. Um 1068/ 69 müsste die Gruppe, nach den Zeitvorgaben der Vita, dort gewesen sein. Zunächst lebten sie isoliert und beeindruckten den Bischof mit ihrer mönchisch-asketischen Lebensweise. Er überzeugt sie, sich in Michelsberg als Mönche in den dortigen Konvent aufnehmen zu lassen. Aber es scheint zu Problemen zwischen den Einheimischen und den Fremden gekommen zu sein, weil letztere, laut der Vita, der einheimischen Sprache nicht mächtig gewesen seien. Daraufhin separierte sie der Bischof von den anderen Mönchen und gab ihnen eine Cellula an einem heute unbestimmbaren Ort am Fuß des Bamberger Michelsberges 50 . Damit wäre eine Verbindung zwischen 46 Notae Sancti Iacobi Bambergenses: MGH SS 17, S. 638; d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 16, S. 13 (1120 Juli 25). 47 Notae Sancti Iacobi Bambergenses: MGH SS 17, S. 638 (1122 Juni 15): Bischof Otto weiht oratorium in cimiterio sancti Iacobi in honore sancti Leonardi confessoris et aliorum sanctorum . 48 Notae Sancti Iacobi Bambergenses: MGH SS 17, S. 638 (1124 Mai 1): Bischof Otto weiht oratorium super Altenburg in honore sanctorum apostolorum Philippi et Iacobi et sanctae Waltpurgis virginis et aliorum sanctorum . 49 P öPPel , Jakobusverehrung (wie Anm. 31) S. 4: „Es sei daher hier als Gedankenexperiment die These formuliert, dass er eventuell das Kanonikerstift St. Jakob zugunsten der drei Iren, die sich in St. Michael niedergelassen hatte, umgestiftet haben könnte.“ Pöppel bezeichnet diese Aussage als „reine Spekulation“. 50 Neueste Textedition der Vita Mariani , cap. V, bei Stefan w eber , Iren auf dem Kontinent. Das Leben des Marianus Scottus und die Anfänge der irischen „Schottenklöster“ (Heidelberg 2010), S. 108-112. <?page no="86"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 87 Bischof Hermann und dem Reformzentrum Michelsberg - auf das später noch eingegangen wird - hergestellt. Allerdings wird in der Vita der Name Hermanns nicht genannt; dafür wird in zeitlich anachronistischer Weise Otto als Klosterreformer den Iren gegenübergestellt. Bei der Abfassung der Vita im 12. Jahrhundert war der Bamberger Bischof Hermann bereits weitgehend der damnatio memoriae verfallen. Die Iren wären laut Vita nur ein Jahr in Bamberg geblieben. Zeitangaben in mittelalterlichen Quellen sind meist unpräzise und wollen, wie hier, wohl eher eine kürzere oder längere Zeitdauer letztlich unbestimmten Ausmaßes andeuten. Dennoch bleibt es reine Spekulation, ob sie um 1072/ 73, zum Zeitpunkt der Gründung von St. Jakob, noch dort waren. Die Vita berichtet nur, dass die Iren Bamberg nach dem Tod des Bischofs verlassen hätten, was für Hermann sinnvollerweise das Jahr 1075, das Jahr seiner Absetzung gewesen sein müsste. Somit wären die Iren jedoch über sieben Jahre lang in Bamberg geblieben. Pöppel möchte eine derartige Zeitkonstruktion annehmen, ferner auch, dass für die Fremden aus dem fernen Westen Bamberg als „das Rom des Nordens“ (seine sieben Hügel analog zu Rom) als Erfüllung des Wallfahrtsgelübdes genügt haben könnte. Nur die zentrale Quelle zu den Ereignissen, die Vita Mariani , erwähnt dies nicht, auch nicht, ob die irische Gruppe eine spezifische Verehrung des hl. Jakob bereits zu diesem Zeitpunkt im Auge gehabt haben könnte und eben auch nicht, ob eine bereits in Bamberg vorhandene Jakobusverehrung die Fremden beeinflusst haben könnte 51 . Damit bleiben praktisch keine belastbaren Hinweise auf eine Gründung von St. Jakob zugunsten der kleinen irischen Gemeinschaft. Das Gründungsbuch von St. Jakob/ Bamberg Zu Beginn des Gründungsbuchs von St. Jakob 52 werden ein Heiliger mit Heiligenschein und ein Klostergründer dargestellt (Abb. 1 und 2). Beim Bischof dürfte es sich relativ sicher um Bischof Hermann handeln, beim Heiligen wird von Schweitzer vermutet, dass es sich um den hl. Jakobus handele 53 . Sicher ist das nicht, möglich schon. In jenem Gründungsbuch gibt es einen Hinweis für eine Besitzübertragung ad altarem s. iacobi für das Jahr 1108 54 . Damit wäre die bereits besprochene Lücke zwischen 1072 und 1109 etwas verkürzt. 51 P öPPel , Jakobusverehrung (wie Anm. 31) S. 5. 52 Staatsarchiv Bamberg B 101 Nr. 1 fol. 4v und 5r. - Druck bei Caspar Anton s chweitZer , Das Gründungsbuch des Collegiat-Stiftes St. Jacob zu Bamberg, in: Bericht über das Wirken des historischen Vereins zu Bamberg 21 (1858) S. 1-49. 53 s chweitZer , Gründungsbuch St. Jakob (wie Anm. 52) S. IV. 54 Ebd., S. 1: Anno M. C. VIII. ind. II Poppo albus de Steine Wecelonem sue fidei proprietario iure traditum ex petitione eiusdem Wecelonis delegavit ad altarem s. iacobi ea conditione ut sit ministerialis s. iacobi et habeat ius ministerialium s. Georgii maioris ecclesie . - Unergiebig <?page no="87"?> 88 Helmut Flachenecker Abb. 1: Der hl. Jakobus (? ) als Eingangsminiatur des Gründungsbuchs von St. Jakob in Bamberg, spätes 12. Jahrhundert (Staatsarchiv Bamberg B 101 Nr. 1 fol 4 v) <?page no="88"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 89 Abb. 2: Bischof Hermann von Bamberg als Miniatur des Gründungsbuchs von St. Jakob in Bamberg, spätes 12. Jahrhundert (Staatsarchiv Bamberg B 101 Nr. 1, fol 5 r) <?page no="89"?> 90 Helmut Flachenecker Ab 1124 sind im Gründungsbuch vielfältige Schenkungen an die ecclesia s. Jacobi bzw. ad altarem s. Jacobi belegt; 1128 wird von einem ministerialis s. Jacobi berichtet. Inwieweit diese Rechtsgeschäfte auf eine vertiefte Jakobusverehrung hinweisen können, verbleibt schwierig zu bewerten 55 . Derartige Zweifel bestehen auch, wenn 1136 von einem Sigefrit berichtet wird, der seinen Schwur auf die Reliquien des hl. Jakob ablegte 56 . Hier ging es um ein Rechtsgeschäft mit dem Jakobsstift, dessen Patron folgerichtig als oberste Rechtsperson auftreten musste. Von einer Wallfahrt eines Stiftspropstes nach Santiago de Compostela wird erst für das Jahr 1185 berichtet 57 . Bereits 1114 kam es im Rahmen einer Testamentsverfügung zu einer Güterverleihung an die Präbende der Kanoniker. Auffällig ist die Datierung: Dies sei zur Zeit des Abtes Gebhard von Hirsau, des Propstes Gebhard von St. Jakob und unter Vermittlung Bischof Ottos von Bamberg geschehen. Damit wären alle Reformkräfte zusammengebracht: Dabei handelte es sich um Güter, die von Hirsau für 100 Mark Silber von einem gewissen Diemarus gekauft worden waren. Diese wurden vom Kloster an einen Freien namens Herold übertragen mit der Auflage, die Güter wiederum an St. Jakob zur Erhöhung der Kanonikerpräbenden zu transferieren, d.h. wohl zur Verbesserung der Verköstigung der Stiftsherren 58 . Der Zusatz bei den Kanonikern zeigt die besondere Nähe zu Jakobus: […] ad praebendam canonicorum in eadem ecclesia domino et sancto Iacobo servientium 59 . Die Kanoniker dienten also in besonderer Weise ihrem Patron. Diese Schenkung dokumentiert einmalig die Verbindung zwischen dem Heiligen, dem Bamberger Stift und dem Kloster Hirsau 60 . Es gab keinen Automatismus, dass Angehörige des Jakobstifts für alle Zeiten in Jakob ihren ausschließlichen großen Fürsprecher sahen. Hier waren die Möglichkeiten sehr individuell ausgelegt, auch im Bamberger Stift. Die Vita Ottos von Bamberg, verfasst von Ebo († 1163), berichtet beispielsweise von einem Kanoniker des Stiftes St. Jakob, der zu einem anderen, bei den Reformern beliebten zweiten Pilgerheiligen gezogen wäre. Er sei zum hl. Ägidius nach für die vorliegende Fragestellung: Caspar Anton s chweitZer , Das Copialbuch des Collegiat-Stiftes St. Jakob zu Bamberg in vollständigen Auszügen der Urkunden von 1143-1557, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 11 (1848) S. 1-60. 55 s chweitZer , Gründungsbuch (wie Anm. 52) S. 18 u.ö. 56 Ebd., S. 28 (1136 März 29): Sigefrit […] iuravit super reliquias s. Jacobi […] 57 Ebd., S. 39 (1185): Es war Eberhard d. J., Diakon der Bamberger Domkirche und Propst der Stiftskirche St. Jakob, der sich Jakob als seinen besonderen Patron auserwählt hatte und sich daher auf die peregrinatio ad s. Jacobum begab. 58 Staatsarchiv Bamberg B 101 Nr. 1 fol. 27v-28v: Testamentv(m) de Brvnnen . - s chweitZer , Gründungsbuch (wie Anm. 52) S. 16 (1114). 59 Dieser Zusatz fehlt bei s chweitZer , Gründungsbuch (wie Anm. 52) S. 16! 60 Siehe zu diesem Kontext auch Peter r ücKert , Die Verehrung des heiligen Jakobus im Umfeld des Klosters Hirsau, in: Der Landkreis Calw 21 (2003) S. 171-188. <?page no="90"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 91 Saint-Gilles gepilgert und habe dort Reliquien erworben, die er dem Bamberger Reformbischof übergeben habe. Dieser wiederum tradierte sie der Ägidienkirche in Bamberg 61 . Jakobusverehrung in fränkischen Benediktinerklöstern Eine Jakobusverehrung lässt sich darüber hinaus im Jahre 1119 in dem von Bischof Otto gegründeten Benediktinerkloster Michelfeld feststellen. Das Kloster war Michael und Johannis Evangelist geweiht, jedoch werden auch Reliquien des hl. Jakob im Petrusaltar erwähnt. Inwieweit daraus eine verstärkte Verehrung gerade dieses Apostels abgeleitet werden kann, muss zweifelhaft bleiben, angesichts der Fülle der beim Weihevorgang aufgeführten Reliquien in den insgesamt sechs Altären der Klosterkirche. Jakob hat selbst keinen eigenen Altar erhalten. Damit trat er in der Bedeutung für das Kloster schon einmal in die zweite Reihe zurück 62 . Auch Michelfeld stand unter dem Einfluss der Hirsauer Reform, jedoch zog dieser nicht automatisch eine besondere Verehrung des hl. Jakob nach sich. Bei der Weihe einer Marienkapelle im Kloster Michelfeld im Oktober 1125 werden Jakobusreliquien - erneut in einer großen Reihe mit anderen - erwähnt 63 . Deutlicher wird die Propagierung des Jakobuskults durch zwei Michelsberger Patronatskirchen: Die Kirchen in Etzelskirchen und Rattelsdorf waren dem Pilgerpatron geweiht. Damit überschritt der Heilige die engeren Klostergrenzen und wurde bei der Landbevölkerung bekannt 64 . Dieselbe Vorgehensweise lässt sich dann auch bei Michelfeld erkennen; seit 1128 ist in Sindlbach eine vom Kloster abhängige Jakobuskirche nachweisbar 65 . 61 Ebo von Michelsberg, Vita Ottonis episcopi et confessoris cap. 1, 19, in: Lorenz w einrich (Hg.), Heiligenleben zur Deutsch-Slawischen Geschichte. Adalbert von Prag und Otto von Bamberg [Lat. u. Dt.] (Freiherr-vom-Stein Gedächtnisausgabe 23, Darmstadt 2005), S. 204-206. 62 d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 15, S. 11 f. (1120 Mai 6): Altare istud dedicatum est in honore s. Petri apostoli. Reliquie autem hic continentur Jacobi, Pauli apostoli, Bartholomei, Mathei apostoli […] - Aus der Abschrift aus dem 15. Jahrhundert wird auch klar, dass Jakobus nicht zu den Kirchenpatronen - neben Michael und Johannes Evangelist - gehörte, dafür aber Philippus und Jacobus minor. Im Marienaltar im Chor waren auch Reliquien von Jacobus fratris Domini . Philippus und Jacobus minor wird als Patrozinium auch für eine Kapelle auf der Bamberger Altenburg erwähnt: d ein hardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 21, S. 15 (1124 Mai 1). 63 d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 23, S. 16 (1125 Oktober 18). 64 Z iMMerMann , Patrozinienwahl (wie Anm. 12) S. 35. Weitere Jakobuspatrozinien lassen sich bei den Zisterziensern und Prämonstratensern nachweisen, jedoch sind die Weihedaten erst ab dem 13. Jahrhundert belegt. Siehe Hinweise ebd., S. 35 f. - Ferner P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 71. 65 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 70. <?page no="91"?> 92 Helmut Flachenecker Zum Einfluss der hirsauischen Reform auf Michelsberg zu Zeiten Ottos von Bamberg hat sich Joachim Wollasch grundlegend geäußert. Dabei hat er das berühmte Michelsberger Totenbuch - angelegt wohl zwischen 1139 und 1147 - mit seinen mehr als 2.000 Namen analysiert 66 . In den zahllosen Namen spiegelt sich die Stellung eines bischöflichen Eigenklosters mit einem energischen Reformbischof an der Spitze. Die Einträge beinhalten u.a. zahlreiche Kanoniker aus St. Jakob (insgesamt 17) 67 , was nicht weiter verwundert, da auch die anderen Bamberger Stifte vertreten sind. Es überrascht nicht, dass Bischof Hermann, der Gründer von St. Jakob, nicht genannt wurde, da er ja als Simonist in Verruf geraten war 68 . Das Totenbuch enthält aber keine Hinweise auf eine spezifische Liturgie, in unserem Falle für die Verehrung des hl. Jakob. Stattdessen ermöglicht es Aussagen über bestimmte Verbindungstraditionen mit anderen Klöstern. Der Austausch mit Münsterschwarzach ist dabei natürlich besonders eng, woraus Joachim Wollasch mutmaßt, ob nicht die ersten Michelsberger Mönche aus Münsterschwarzach gekommen sein könnten. Hier wäre erneut auf das Wirken des Münsterschwarzacher Abtes Ekkebert in Michelsberg hinzuweisen. Dass die einzelnen Lager nicht immer einfach abzugrenzen sind, zeigt, dass jener Abt Ekbert, wie bereits erwähnt, den Simonisten Hermann nach dessen Absetzung in Münsterschwarzach aufnahm, wo er dann als Mönch bis zu seinem Tode lebte 69 . Die Reformen begannen in Michelsberg im Jahr 1112 mit maßgeblicher Unterstützung durch Bischof Otto mit Hilfe herbei gerufener Hirsauer Mönche. Michelsberg führte dann seinerseits eine hirsauische Reformgruppe an, die aus den Klöstern Theres, Ensdorf (bei Amberg) und Deggingen (im Ries, vormals ein Nonnenkloster) bestand. Die Cella St. Fides in Bamberg wurde Michelsberg als Priorat direkt unterstellt, in den übrigen zogen Michelsberger Reformmönche ein. Mit der Reform wurde Michelsberg wieder nach außen hin attraktiv. Die Zahlen für Konversen und Ministerialen stiegen beträchtlich 70 . Hier lässt sich ein Jakobuspatrozinium, wenn auch nicht an prominenter Stelle, finden: Eine Weihenotiz für einen Benediktsaltar im dortigen Kloster für 1160 erwähnt unter 66 Joachim w Ollasch , Mönchtum des Mittelalters zwischen Kirche und Welt (Münstersche Mittelalter-Schriften 7, Münster 1973), S. 93-135. Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. von Johannes n OsPicKel (MGH Libri Memoriales et Necrologia VI, Hannover 2004). 67 Necrolog Michelsberg (wie Anm. 66) S. 445-447. 68 w Ollasch , Mönchtum (wie Anm. 66) S. 98, 114. 69 Ebd., S. 116, 118. 70 Hermann j aKObs , Die Hirsauer. Ihre Ausbreitung und Rechtsstellung im Zeitalter des Investiturstreits (Köln/ Graz 1961), S. 55, 68 f., 141 f., 181-183. <?page no="92"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 93 den übrigen Reliquien auch solche von Jakob 71 . Ein weiteres Jakobuspatrozinium besaß das bereits erwähnte Ensdorf. Mehrere monachi s. Iacobi sind im Michelsberger Totenbuch verzeichnet 72 . Ein Jakobuspatrozinium gab es noch in Mallersdorf, ebenfalls ein von der Klosterreform und von den Initiativen Bischof Ottos von Bamberg beeinflusster Ort 73 . Unter der Hirsauer Reform versteht man eine Klosterreformbewegung des 11. und 12. Jahrhunderts, die auf die Reformansätze aus dem burgundischen Cluny und Gorze aufbauend sowie die gregorianische Kirchen- und Klosterreform unterstützend neue monastische Gewohnheiten in die Lande östlich des Rheins bringen wollte 74 . Zugleich war sie in die allgemeine Kirchenreform im Umfeld des sog. Investiturstreites eingebettet. Neben Hirsau fungierten Siegburg 75 und St. Blasien im Schwarzwald als weitere Reformzentren. Dabei ging es um eine größere innere wie äußere Freiheit des Konvents ( integra libertas coenobii ), dem im berühmten Hirsauer Formular - zumindest normativ - die freie Abtswie Vogtswahl zugestanden bekam. Der Einfluss der Eigenkirchenherren sollte zurückgedrängt werden. Eigene Consuetudines , also Auslegungen der Regel des hl. Benedikts, sollten zu einer strengeren Wiederbeachtung der mönchischen Regeln führen 76 . Diese Reform umfasste zu Zeiten des berühmten Abtes Wilhelm von Hirsau († 5. Juli 1091) viele Klöster in Süddeutschland. Hirsau selbst gründete eigene Priorate zur Durchsetzung des neuen Ansatzes; in Franken gehörte dazu das Kloster Schönrain bei Lohr am Main. Letzteres war Maria und Johannes Evangelist geweiht, von einem Jakobuspatrozinium erfahren wir leider nichts. Die Kirche und 71 d einhardt , Dedicationes Bambergenses (wie Anm. 5) Nr. 31, S. 22 (1160 September 1): In der Reihe der Apostel kommt Jakobus nach den führenden Petrus und Paulus und vor Bartholomäus und Matthäus. 72 Necrolog Michelsberg (wie Anm. 66) S. 343 f. - Michael K aufMann , Ensdorf, in: Germania Benedictina II (wie Anm. 4) S. 573-586. 73 Radegund b auer , Mallersdorf, in: Germania Benedictina II (wie Anm. 4) S. 1063-1090. 74 Klaus s chreiner , Hirsau und die Hirsauer Reform. Lebens- und Verfassungsformen einer Reformbewegung, in: Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner (wie Anm. 18) S. 89-124; M elville , Welt der mittelalterlichen Klöster (wie Anm. 6) S. 80-82; zur These von j aKObs , Hirsauer (wie Anm. 70) S. IV u.ö. 75 Josef s eMMler , Die Klosterreform von Siegburg. Ihre Ausbreitung und ihr Reformprogramm im 11. und 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv 53, Bonn 1959); Edeltraud K lue ting , Monasteria semper reformanda. Kloster- und Ordensreformen im Mittelalter (Historia profana et ecclesiastica 12, Münster 2005), S. 19-25. 76 Candida e lvert / Pius e ngelbert (Hg.), Willehelmi abbatis Constitutiones Hirsaugienses (Corpus Consuetudinum Monasticarum 15, Siegburg 2010). - Vgl. Guilelmus abbas Hirsaugiensis, Constitutiones Hirsaugienses, in: http: / / www.geschichtsquellen.de/ repOpus_02533.html,2014-07-09 (eingesehen am 28.7.2014). <?page no="93"?> 94 Helmut Flachenecker damit auch der Hochaltar waren vielmehr dem hl. Laurentius, die Seitenaltäre waren Johannes und Maria bzw. dem hl. Nikolaus geweiht 77 . Nicht unmittelbar in die monastische Reformzeit fallen dann noch zwei weitere Jakobuskapellen in Benediktinerklöstern: Im Jahre 1165 wurde ein Jakobusaltar im Kapitelsaal in Ansbach errichtet. Wenige Jahre später, 1182, wurde eine Jakobuskapelle im Kloster Amorbach geweiht 78 . Insgesamt aber bleiben die Jakobuspatrozinien in fränkischen Klöstern überschaubar. Eine besondere Jakobusverehrung in den fränkischen Klöstern und Stiften lässt sich also nicht belegen. Inwieweit die Klöster der irischen Benediktiner, die sog. Schottenklöster, zur Propagierung des Jakobuskultes beigetragen haben, bleibt eine offene Frage. Die Klosterkirchen in Regensburg, Würzburg, Erfurt und Konstanz waren dem hl. Jakobus geweiht. Viel eher dürften aber die irischen Mönche, da ihre Heiligen in der neuen Umgebung kaum zu vermitteln waren, die allgemeine Reformentwicklung für sich genutzt haben. Um ihr Ideal einer lebenslangen Wallfahrt in der Fremde besser vermitteln zu können, dürften sie den Wallfahrtsheiligen par excellence, den hl. Jakob, für ihre Bedürfnisse eingesetzt haben. Eine spezifische Jakobusverehrung in Irland ist in dieser Zeit schwierig nachzuweisen, es hat sie aber - allerdings erst im 15. Jahrhundert belegt - im Priorat in Rosscarbery gegeben. Das Siegel des Konventes des Klosters zu Ehren der hl. Maria führte im Siegelbild die Darstellung des hl. Jakob. Vielleicht sollte damit der Pilgerheilige in Irland populärer gemacht werden 79 . Ausklang Die Ausbreitung des Jakobuskults hat sicherlich Aufwind erhalten, als er auch beim Adel als Patron akzeptiert worden ist 80 . Selbst der Deutsche Orden hat ihn für sich entdeckt als großen Heiligen gegen die Mauren, gegen die Ungläubigen und Heiden. Allerdings bestehen hier etliche Fragezeichen und vor allem regio- 77 Helmut f lachenecKer / Katharina K eMMer , Schönrain, in: Germania Benedictina II, Bayern (wie Anm. 4) S. 2139-2148. 78 Z iMMerMann , Patrozinienwahl (wie Anm. 12) S. 35. 79 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Reichstadt Regensburg Urkunden 1456 Oct. 11 - James c OOMbes , The Benedictine Priory of Ross, in: Cork Historical and Archaeological Society 73 (1968) S. 152-161, hier 160-161. Dagmar ó r iain -r aedel , Mit dem Schiff auf Pilgerfahrt. Die Rolle der Hospize in irischen Hafenstädten, in: h erbers , Stadt und Pilger (wie Anm. 27) S. 109-123, hier 114 f. zur Seltenheit des Jakobuspatroziniums in Irland. - Demnächst wird erscheinen: Helmut f lachenecKer , Benedictine monks from Rosscarbery in Würzburg - A remarkable Cultural Exchange in the Middle Ages, in: Cork Historical and Archaeological Society 123 (2018). 80 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 80; h erbers , Wol auf sant Jacobs straßen (wie Anm. 2) S. 37-39. <?page no="94"?> Jakobusverehrung und Klosterreform in Franken 95 nale Unterschiede 81 . Damit wären wir in gewisser Weise wieder am Beginn des Beitrags angelangt. Jakobus galt nicht nur als Beschützer der Pilger, sondern auch als ein Mächtiger gegen die Feinde der Christen. 81 P lötZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 3) S. 82; Magda f ischer , Jakobus - ein Deutschordenspatron? , in: h erbers / b auer , Jakobuskult (wie Anm. 42) S. 129-142. <?page no="96"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Anja Grebe Stephan III. Praun - Ein Nürnberger Jakobspilger Zu den bekanntesten Exponaten des Germanischen Nationalmuseums zählt der Pilgermantel des Nürnberger Patriziers Stephan III. Praun (1544-1591) 1 (Abb. 1). Es handelt sich nicht nur um einen der wenigen erhaltenen Pilgermäntel aus Spätmittelalter und Früher Neuzeit, sondern zugleich auch um ein wichtiges Zeugnis der vormodernen Pilgerkultur in Franken. Der Ledermantel ist mit einem weiteren Mantel aus Wollfilz sowie Hut, Pilgerstab und Schuhen Teil einer ganzen Pilgerausstattung, die sich als Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung seit 1876 im Germanischen Nationalmuseum befindet 2 . Alle Kleidungs- und Ausrüstungsgegenstände bestehen aus ebenso qualitätsvollen wie sorgfältig verarbeiteten Materialien und sind reich verziert. Der Familienüberlieferung zufolge sollen sie von Stephans III. Pilgerreise nach Santiago de Compostela im Jahre 1571 stammen, die auch archivalisch belegt ist 3 . Neuere Forschungen zu Schnitt bzw. Form, Materialien und Dekor der einzelnen 1 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. T 551 (Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung), vgl. Kunst des Sammelns. Das Praunsche Kabinett. Meisterwerke von Dürer bis Carracci, bearb. von Rainer s chOch / Katrin a chilles -s yndraM (1994) S. 312, Kat. 142; Anja g rebe , Pilgrims and Fashion. The Functions of Pilgrims’ Garments, in: Art and Architecture of Late Medieval Pilgrimage in Northern Europe and the British Isles, hg. von Sarah b licK / Rita t eKiPPe (2005) S. 3-27, bes. S. 4 f.; Renaissance, Barock, Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, hg. von Daniel h ess / Dagmar h irschfelder (Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums 3, 2010) S. 388, Kat. 11. 2 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, T 550-554, KG 303 (Leihgaben der Friedrich von Praunschen Familienstiftung), vgl. Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 311-313, Kat. 141-146; Faszination Meisterwerk. Dürer, Rembrandt, Riemenschneider, bearb. von Rainer K aMMel u. a. (2004), S. 86-88 ( Jutta Zander-Seidel); g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 4-6; Renaissance, Barock, Aufklärung (wie Anm. 1) S. 388 f., Kat. 11-15, 17. 3 In der von Stephans III. jüngerem Bruder Jakob 1615 begonnenen Familienchronik „Gedechtnus der Praun“ befindet sich ein posthumes Porträt Stephans III. als Jakobspilger, überschrieben mit: „Anno 1571 Ist er solcher gestallt, nach Sanct Jacob zu Compostell <?page no="97"?> 98 Anja Grebe Ausrüstungselemente bestätigen eine Lokalisierung nach oder zumindest eine enge Verbindung mit Spanien. So entspricht der kurze, capeartig geschnittene Pilgermantel aus schwarzem Leder mit bestickten Borten zwar dem europaweit gebräuchlichen Typus des Übermantels, doch verweisen die an Brust und Kragen aufgenähten Jakobsmuscheln und elfenbeinern Pilgerstäbe als ortstypische Pilgersouvenirs nach Santiago de Compostela. Noch expliziter ist der Spanien-Bezug bei dem etwas längeren Untermantel aus ungefärbtem Wollfilz, bei dem nicht primär der aufgenähte Dekor, sondern der Schnitt sowie die spitz zulaufende, abnehmbare Kapuze einen iberischen Ursprung nahelegen. So wird ein ähnlich geschnittener und mit bogenförmigen Seidenstickereien verzierter, ebenfalls aus zwei im Rücken zusammengenähten Halbkreisen bestehender Mantel in Abraham de Bruyns „Divesarvm gentivm armatvra equvestris“ (1577) als Tracht eines in Callitia, mit Jann Baptista Prockh zogen“, Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 11, fol. 61r (II). Abb. 1: Pilgermantel des Stephan III. Praun, um 1571 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. T 551; Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung; Foto: Georg Janßen) <?page no="98"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 99 „Hispanische(n) Reuter(s)“ bezeichnet 4 . Beim Nürnberger Stück unterstützt auch der Schlitz am unteren Rücken eine ehemalige Funktion als Reitermantel. Seine Verarbeitung mit verzierten Seidenschließen, ursprünglich blaugrünen Ziernähten und besticktem Samtkragen ist aufwendig. Ebenfalls einst blaugrün waren die gestickten Blattornamente auf der Kapuze. Das mit Abstand am reichsten dekorierte Ausstattungsstück ist der Hut aus dickem schwarzem Filz (Abb. 2). Im Gegensatz zur nur auf der Vorderseite verzierten Kapuze ist er nahezu vollständig mit Pilgermuscheln und Pilgerzeichen bedeckt 5 . Die hellen Jakobsmuscheln, elfenbeinernen Miniatur-Pilgerstäbe und -Pilgerflaschen und Figürchen der hll. Jakobus und Antonius von Padua aus schwarzem Gagat bilden ein ebenso dekorativ wie möglicherweise auch symbolisch zu verstehendes Arrangement. Denn ausgehend von einem Medaillon mit dem hl. Jakobus Matamorus im Zentrum des Hutes sind die hellen Pilgerstäbe und Pilgerflaschen in konzentrischen, lose von Pilgermuscheln und Gagat-Fi- 4 Abraham de b ruyn , Divesarvm gentivm armatvra equvestris. Ubi fere Europae, Asiae atque Africae equitandi ratio propria expressa est (1577), Taf. 19; vgl. In Mode. Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock, hg. von Jutta Z ander -s eidel (2015) S. 119, Kat. 59; Janet a rnOld , Patterns of Fashion. The cut and construction of clothes for men and women c. 1560-1620 (1985) S. 36 f. 5 Gabriel l lOMPart , El sombrero de peregrinación compostelana de Stephan Praun III (1544-1591), Revista de Dialectología y Tradiciones Populares 17 (1961) S. 321-329. Abb. 2: Pilgerhut des Stephan III. Praun, um 1571 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. T 552; Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung; Foto: Georg Janßen) <?page no="99"?> 100 Anja Grebe guren unterbrochenen Kreisen angeordnet (Abb. 3). In der Zusammenschau ergibt sich ein sternförmiges Ornament, das Gabriel Llompart als Anspielung auf die zeitgenössische Deutung des Ortsnamens von Santiago de Compostela als campus stellae („Sternenfeld“) versteht 6 . Der Träger war also buchstäblich nicht nur von den applizierten Heiligen und Devotionalien behütet, sondern stand in Fortwirkung seiner Pilgerfahrt gleichsam unter dem ausstrahlenden Schutz der Wallfahrtsstätte. Ebenfalls reich verziert ist der Pilgerstab (Abb. 4). Der 138 Zentimeter lange, unten schmalere Stab war ursprünglich vollständig mit einem Rautenmuster aus Perlmuttplättchen bedeckt. Das kleinteilige Netzmuster erinnert an sogenannte taracea -Arbeiten aus Spanien. Diese sind jedoch mehrheitlich aus Elfenbein oder Silber gefertigt, während die Verwendung von Perlmutt im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien eine Ausnahme darstellt, obwohl sie in anderen Gegen- 6 Vgl. l lOMPart , El sombrero (wie Anm. 5) S. 326. Abb. 3: Pilgerhut des Stephan III. Praun, Oberseite, um 1571 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. T 552; Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung; Foto: Georg Janßen) <?page no="100"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 101 den im Mittelmeerraum häufiger war 7 . Von Form und Material her typisch spanisch erscheinen hingegen die Sandalen aus ungefärbtem Leinen, sogenannte Alpargatas oder Espadrilles , die sich am Knöchel binden lassen und bis heute in vielen Gegenden Spaniens und Lateinamerikas gebräuchlich sind. Der 165 cm lange Rosenkranz besteht aus 63 kleineren und sieben größeren Perlen aus Kokospalmenholz, die ebenso wie der gedrechselte Kreuzanhänger 7 Vgl. Mariam r Osser -O wen , Islamic Arts From Spain (2010) S. 88 ff.; María P aZ a guiló , Mobiliario, in: Historia de las artes aplicadas e industriales en España, hg. von Antonio b Onet c Orrea (2002) S. 271-323, hier S. 280, verweist auf die zeitgenössische Bezeichnung „de Chipre“ (= aus Zypern) für Perlmuttarbeiten: „El mismo origen tiene la llamada en los inventarios del siglo XVI ‚obra de Nápoles o Sicilia‘, nogal y marfil en menudas piezas, y la ‚de Chipre‘ en la que en vez des nogal se utiliza el nácar.“ Abb. 4: Pilgerstab des Stephan III. Praun, um 1571 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. T 554; Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung; Foto: Georg Janßen) <?page no="101"?> 102 Anja Grebe Abb. 5: Nürnberger (? ) Maler, Porträt des Stephan III. Praun als Pilger, um 1600 (? ) (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Gm 655; Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung; Foto: Jürgen Musolf) <?page no="102"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 103 durch Metallösen verbunden sind. Die Verwendung von Kokospalmenholz könnte auf eine außereuropäische Herkunft des Rosenkranzes hinweisen, den Stephan III. vielleicht erst während seiner Pilgerreise ins Heilige Land 1585 erworben hatte. In der Praunschen Familienchronik findet sich ein posthumes Bildnis Stephans III. als Jerusalempilger, auf dem ein ähnlicher Rosenkranz mit Kreuzanhänger zu sehen ist 8 . Dagegen schmücken den Rosenkranz des dortigen Santiago-Porträts ein Totenkopf-Anhänger mit Kreuz und ein Anhänger in Form eines griechischen Kreuzes. Die Pilgerausstattung wird erstmals im Anhang eines Konzepts zum Inventar der Praunschen Kunstkammer von 1616 erwähnt. Hier beschreibt Jakob Praun, der Bruder des Sammlungsgründers Paulus Praun, unter den Stücken aus seinem Besitz, die er zu der kunstkamer gethan und verehrtt hat, auch die von seinem Bruder Stephan III. stammenden Objekte: Main Turckische sachen wie auch den Jacobsstab, huett, mandell, patternoster sampt andern sachen mehr soll auch darbeij verpleiben, so ich von mein prueder Steffan seeligen bekommen hab. 9 Die genannten „sachen“ werden in den späteren Inventaren des Praunschen Kabinetts allerdings nicht mehr erwähnt, möglicherweise, weil man sie nicht als vollgültigen Bestandteil der von Paulus Praun testamentarisch verfügten Vorschickung erachtete 10 . Physisch war das Pilgerornat jedoch fester Bestandteil des Kabinetts und zählte zu den besonderen Attraktionen der Sammlung, wie seine Erwähnung in den „Nürnbergischen Münzbelustigungen“ vom 30. August 1766 belegt, wo unter den Sammlungsbeständen des Praunschen Kabinetts in der Klasse der Armaturen und allerhand Curiosa das Pilgrimshabit eines alten Prauns eigens hervorgehoben ist 11 . Nach der Auflösung des Praunschen Kabinetts 1801 verblieb die Pilgerausstattung bis zur Übergabe an das Germanische 8 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 11, fol. 61r (III). 9 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 225, zit. nach Katrin a chil les -s yndraM , Die Kunstsammlung des Paulus Praun. Die Inventare von 1616 und 1719 (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 25, 1994), S. 174, Nr. 17. 10 Vgl. die Inventareditionen in a chilles -s yndraM , Die Kunstsammlung (wie Anm. 9). Auch in dem wohl bereits im Hinblick auf einen möglichen Verkauf hin publizierten Sammlungskatalog von Christoph Gottlieb von Murr wird die Pilgerausrüstung nicht erwähnt, vgl. Christoph Gottlieb vOn M urr , Description du Cabinet de Monsieur Paul de Praun à Nuremberg (1797). Zur Geschichte des Praunschen Kabinetts vgl. Gerhard w eber , Das Praun’sche Kunstkabinett, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 70 (1983) S. 125-195; Katrin a chilles -s yndraM , „... und sonderlich von großen stuckhen nichts bey mihr vorhanden ist.“ Die Sammlung Praun als kunst- und kulturgeschichtliches Dokument, in: Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 35-55. 11 Der Nürnbergischen Münzbelustigen 35. Stück, 30. August 1766, in: Der Nürnbergischen Münz-Belustigungen Dritter Teil [...], hg. von Georg Andreas w ill (1766) S. 273-279, bes. S. 279. <?page no="103"?> 104 Anja Grebe Nationalmuseum im Besitz der Familie, was ihre besondere Wertschätzung als Teil der familiären Erinnerungskultur deutlich macht 12 . Dass das Wissen um den einstigen Besitzer der Pilgergegenstände mit der Zeit verlorenging, zeigt ein im Praunschen Kabinett befindliches Gemälde, das im Inventar von 1719 als ein Praun mit einem pilgramskleid beschrieben wird und sich heute im Germanischen Nationalmuseum befindet 13 (Abb. 5). Dem von einem unbekannten, vermutlich Nürnberger Maler gefertigten Bildnis liegt eine Porträtminiatur Stephans III. als Santiagopilger in der sog. Praunschen Familienchronik zugrunde 14 (Abb. 6). Der riesenhaft wirkende Porträtierte steht aufrecht inmitten einer weiten, im Verhältnis wesentlich kleiner dargestellten Landschaft mit mehreren Reisenden und einer Stadt im Hintergrund. In der ausgestreckten Rechten hält er den mit einem schimmernden Rautenmuster verzierten Pilgerstab und einen dickperligen Rosenkranz. Um den Oberkörper schwingt ein kurzer schwarzer, mit einigen Pilgermuscheln besetzter Radmantel, unter dem ein ähnlich geschnittener, etwas längerer heller Mantel hervorscheint. Am Kragen und den Handgelenken blitzt ein weißes Spitzenhemd hervor. Der breitkrempige schwarze Hut ist über und über mit Pilgermuscheln und -abzeichen verziert. An den Beinen trägt er eine kurze helle Hose mit ausgepolsterten Beinen und hohe, bis über die Knie reichende schwarze Stiefel. Bis auf die Alpargatas sind alle in der Praun-Sammlung überlieferten Teile des Pilgerornats auf dem Gemälde dargestellt. Ungeachtet der Detailtreue ist das Gemälde im Hinblick auf Stephans III. Santiago-Wallfahrt nur bedingt von dokumentarischem Charakter 15 . Wie schon Kurt Löcher feststellte, „(gehört) das Stadtpanorama so wenig nach Spanien wie der Bildstock und der Orientale mit dem Turban“ 16 . Gleiches gilt für die „franki- 12 Zur Geschichte des Pilgerornats im 19. Jahrhundert vgl. den Kommentar in a chilles -s yn draM , Die Kunstsammlung (wie Anm. 9) S. 174, Nr. 17. 13 a chilles -s yndraM , Die Kunstsammlung (wie Anm. 9) S. 190, Nr. 68. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Gm 655 (Leihgabe der Friedrich von Praunschen Familienstiftung); vgl. Die Gemälde des 16. Jahrhunderts. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, bearb. von Kurt l öcher (1997) S. 367-368; Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 341-342, Nr. 170; Renaissance, Barock, Aufklärung (wie Anm. 1) S. 387, Kat. 6. 14 Bildnis Stephans III. als Santiagopilger, Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, Geschlechter- und Wappenbuch („Gedechtnus der Praun“), E 28 II, Nr. 11, nach fol. 60 v. 15 Dagegen Birgit h aase , Kleider und Bilder von Kleidern. Erhaltene Objekte und ihre künstlerische Darstellung im historischen Überblick, Waffen- und Kostümkunde 44,1 (2002) S. 1-19, die von einem dokumentarischen Charakter ausgeht. Diesbezügliche Vorbehalte äußert Jutta Z ander -s eidel , Bild - Text - Original. Zur Zusammenarbeit von Kunsthistoriker und Restaurator in der historischen Textilforschung, Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2,2 (1988) S. 265-374, z. B. S. 373 („vermeintlich abzulesende historische Realität“). 16 l öcher , Die Gemälde des 16. Jahrhunderts (wie Anm. 13) S. 368. <?page no="104"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 105 sierte“ spanische Landschaft mit dem Stadtprospekt, die vermutlich nicht nach Angaben Stephans III. entstanden ist. Auch der Stil der nicht zum erhaltenen Pilgerornat gehörenden Kleidungsstücke sowie der auffällige Wolkenkranz um Stephans Kopf legen ein posthumes, um oder nach 1600 entstandenes Bildnis nahe, das seine Brüder möglicherweise anfertigen ließen, nachdem sie seine Abb. 6: Stephan III. Praun als Santiagopilger, Porträtminiatur aus der Praunschen Familienchronik, um 1600 (Nürnberg, Stadtarchiv, Inv. E 28 II, Nr. 11, nach fol. 60 v) <?page no="105"?> 106 Anja Grebe Hinterlassenschaften aus Rom nach Nürnberg transportiert und ihre Aufbewahrung beschlossen hatten 17 . Diese These, dass es sich um ein posthumes Porträt handelt, wird von einem Eintrag im Praunschen Inventar von 1719 gestützt, der sich auf ein zweites, etwas größeres Bildnis, darauf eben dieser Praun in Türckischer kleidung gemahlt , bezieht 18 . Das verschollene Gemälde stellte analog zum Bildnis Stephans III. als Santiagopilger wohl eine Art gemaltes Pendant zu den Turckischen sachen dar, die Stephan von seiner Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel mitgebracht, und die Jakob Praun ebenfalls dem Praunschen Kabinett einverleibt hatte 19 . Derartige museale Dopplungen von dreidimensionalen Objekten und zweidimensionaler künstlerischer Dokumentation von Gegenständen und Besitzer sind auch aus anderen zeitgenössischen Kunstkammern bekannt 20 . Die Gemälde geben im Falle Prauns nicht zuletzt Auskunft über die (ideale) Trageweise der erhaltenen Kleidungsstücke. Allerdings muss bezweifelt werden, dass Stephan III. Praun die Schuhe wirklich getragen hat, denn sie weisen keine erkennbaren Gebrauchsspuren auf. Wie die meisten wohlhabenderen Pilger wird der Patriziersohn nach Santiago de Compostela geritten sein, worauf auch der Schnitt des Spanischen Mantels und die (nicht erhaltenen) Schaftstiefel im Porträtgemälde hinweisen. Was Stephan III. Praun zu seiner Pilgerreise nach Santiago de Compostela veranlasst hatte, ist nicht bekannt. Der Patriziersohn, der laut Familienchronik Lust gehabt (hat), an Herren Höfen zu sein, Vnnd die Länder zubesehen 21 , verbrachte schon früh ein unstetes Leben als Offizier, Gesandter und Reisebegleiter verschiedener europäischer Adliger und Fürsten, was ihn durch zahlreiche europäische Länder bis nach Nordafrika, Kleinasien und ins Heilige Land führte 22 . 17 Renaissance, Barock, Aufklärung (wie Anm. 1) S. 387, Kat. 6, mit Datierung „um 1600“. 18 Zit. nach a chilles -s yndraM , Die Kunstsammlung (wie Anm. 9) S. 208, Nr. 150. 19 a chilles -s yndraM , Die Kunstsammlung (wie Anm. 9) S. 209; Edition des Reiseberichts in Friedrich vOn P raun , „Was sich auf meiner Reise zugetragen, da ich Stephan Praun von Nürnbergkh, den 20. Jenner bis 31. May, A° 1569 mit Kaysers Maximillian Pottschafft, dem Herrn Kaspar von Minckwitz von Wien zu Landt nach Constantinoppol mit dem Tribut gezogen“. Mitgeteilt nach den Manuskripten und Tagebüchern im Archive des von Praun’schen Gesamtgeschlechts, Teil 1, Mitteilungen des Germanischen Nationalmuseums (1916) S. 45-62. 20 Z.B. Angela f ischel , Natur im Bild. Zeichnung und Naturerkenntnis bei Conrad Gessner und Ulisse Aldrovandi (2009). 21 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 11, fol. 60v. 22 Vgl. die biographische Zusammenfassung in Friedrich vOn P raun , „Was sich auf meiner Reise“ (wie Anm. 19) S. 45-48; Horst b ielMeier , Das Familien-Stammbuch der Nürnberger Kaufmannsfamilie Praun, in: Festgabe Gerd Zimmermann zum 65. Geburtstag, hg. von deMs ./ K laus r uPPrecht (1989) S. 181-192 (Historischer Verein für die Pflege der Geschichte des Ehemaligen Fürstbistums Bamberg, Beiheft 23). <?page no="106"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 107 Für die Santiagofahrt, die er von Madrid aus unternahm, hatte sich Stephan III. Praun einen spanischen Pass ausstellen lassen, der auf den 5. bzw. 8. März 1571 datiert und neben seinem Namen auch den seines Reisegefährten Johann Baptist Prock (Brock) enthält 23 . Ein am 15. März 1571 in Compo stella ausgestelltes Absolutions-Zertifikat bestätigt, dass der nobilis vir D Stephanus Braun als Pilger gebeichtet und die Absolution sowie die Kommunion empfangen habe 24 . Stellen die genannten Schriftstücke schriftliche Dokumente der Wallfahrt dar, kann Stephans III. Praun Pilgerkleidung rückblickend gleichsam als vestimentäres Zertifikat seiner Santiagofahrt bezeichnet werden. Dabei sind die Ausstattungsstücke doppelt codiert - zum einen durch ihre Form, die der zeittypischen Reisekleidung entsprach, zum anderen durch die applizierten Pilgerandenken. Hier sind allerdings gewisse Einschränkungen anzumerken. Der landläufigen Meinung zufolge dienten Pilgerzeichen wie die Jakobsmuschel als Erkennungsmerkmale eines Pilgers, der auf seiner Reise einen besonderen Schutz genoss 25 . Allerdings trifft die Zeichen- und Schutzfunktion allein auf der Rückreise zu, denn offiziell wurden die ortsspezifische Pilgerzeichen wie die Jakobsmuschel, Pilgerplaketten oder Heiligenfigürchen nur an der Pilgerstätte selbst verkauft. An der Kleidung getragen, dienten sie als sichtbarer Ausweis, dass der Träger tatsächlich die Wallfahrt zu diesem Ort unternommen hatte 26 . Stephan Prauns Hut geht mit seiner Überfülle an Pilgerzeichen und seiner dekorativen Anordnung jedoch weit über das übliche Maß hinaus. Um die Wallfahrt nach Santiago de Compostela zu belegen, wären eine einzige Jakobsmuschel, ein Heiligenfigürchen oder ein anderes Zeichen ausreichend gewesen. Auch angesichts des guten Zustands des Hutes, aber auch der meisten anderen 23 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 160. Über die Identität des in der Familienchronik als „Jann Paptista Prockh“ bezeichneten Reisegefährten ist nichts Gesichertes bekannt. Im von 1588 bis 1635 geführten Stammbuch des oberösterreichischen Adligen Simon Engl zu Wagrein, der sich 1589-1590 in Nürnberg aufhielt, findet sich der Eintrag eines „Johann Baptist Prock, Altdorf, 22.7.1590“; vgl. Die Autographensammlung des Stuttgarter Konsistorialdirektors Friedrich Wilhelm Frommann (1707-1787), bearb. von Ingeborg K reKler (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Sonderreihe 2, 1992) S. 667. 24 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 161. 25 Zu Pilgerzeichen und ihren verschiedenen Funktionen vgl. Klaus h erbers / Hartmut K üh ne , Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen - Zur Geschichte und den gegenwärtigen Perspektiven ihrer Erforschung, in: Pilgerzeichen - „Pilgerstraßen“, hg. von dens . ( Jakobus-Studien 20, 2013) S. 7-27, u. a. S. 9 („als sichtbares Zeichen für den Pilgerstand“). 26 Zu missbräuchlichen Verwendungen durch sogenannte Bettlerpilger vgl. die Passage im Liber vagatorum. Der Betler orden (o.O. 1510), Bl. A 6 v: Calmierern, das seynd betler die zeichen an den hütten tragen besunder römisch veronica vnd muscheln vnd ander zeichen / vnd gibt ie einer dem andern zeichen zu kauffen / das man wenen sol sie sein an den steten vnd enden gewesen dar von sie die zeichen tragen / wie wol sie doch nie dar komen / vnd betriegen die leut da mit ., zit. nach h erbers / K ühne , Einführung (wie Anm. 25) S. 8. <?page no="107"?> 108 Anja Grebe Teile seines Pilgerornats, sind Zweifel angebracht, ob Stephan III. die aus edlen Materialien gefertigten, aufwendig dekorierten Kleidungsstücke tatsächlich auf seiner Reise getragen hat, wie das Porträtgemälde und die Beschreibung in der Familienchronik suggerieren. Den breitkrempigen Hut könnte Stephan III. zwar ebenso wie den Mantel bereits mitgebracht und selbst mit den in Santiago de Compostela erworbenen Devotionalien bestückt haben. Jedoch spricht ein ganz ähnlich gestalteter Hut im Ethnologischen Museum in Posen dafür, dass solche Hüte, welche buchstäblich die gesamte Kollektion an Santiago-Pilgerzeichen in dekorativer Anordnung darbieten, bereits weitgehend fertig konfektioniert in Santiago de Compostela erworben werden konnten 27 . Ein weiterer Hinweis ist ein Ölgemälde von Pieter Brueghel d. Ä. mit der „Predigt Johannes des Täufers“ im Museum der Schönen Künste in Budapest 28 27 Vgl. Andrzej M.w yrwa , Święty Jakub Apostoł i ślady pielgrzymowania pątników z ziem polskich do jego „grobu“ w Santiago de Compostela (St. James the Apostle and traces of pilgrimages from Polish lands to his grave in Santiago de Compostela), in: Mnisi i pielgrzymki w średniowieczu. Ląd na szlakach kulturowych europy, hg. von Michała b rZOstO wicZa / Henryki M iZersKiej / Jacka W rzesińskiego (2007) S. 61-102, hier S. 85-87; Transit. Brügge - Novgorod. Eine Straße durch die europäische Geschichte (1997) S. 342, Nr. IV/ 169. 28 Pieter Brueghel d.Ä., Die Predigt Johannes des Täufers, Öl auf Holz, 1566, Budapest, Szépmüvészeti Muzeum. Zur Frage der „Geschichtlichkeit“ des Gemäldes vgl. Christian Abb. 7: Pieter Brueghel d.Ä., Die Predigt Johannes des Täufers, 1566 (Budapest, Szépmüvészeti Muzeum) <?page no="108"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 109 (Abb. 7). Das 1566 datierte Bild zeigt links im Vordergrund einen sitzenden Pilger mit einem auffallend ähnlich verzierten, demonstrativ dem Blick des Betrachters dargebotenen Pilgerhut. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch ein Taufbecken in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Hall in Tirol. Der aus dem 14. Jahrhundert stammende Taufstein wurde um 1600 mit einem kuppelförmigen Holzdeckel versehen, der umlaufend mit Standfiguren der 12 Apostel in Arkadennischen bemalt ist 29 . Jakobus erscheint in zeitgenössischer Pilgerkleidung in einem knielangen, dunklen Gewand, von seinem Gürtel baumelt eine Trinkflasche (Abb. 8). Sein wehender Mantel ist am Kragen in der Art des Praunschen Mantels üppig mit übergekreuzten Pilgerzeichen und einer großen Jakobsmuschel verziert. Die v öhringer , Pieter Bruegel der Ältere. Malerei, Alltag und Politik im 16. Jahrhundert. Eine Biographie (2013) bes. S. 131-133, der jedoch nicht auf Figur oder Hut des Pilgers eingeht. Vgl. auch den Pilgerhut im Vordergrund von Pieter Bruegels Gemälde „Triumph des Todes“ (1562), Madrid, Prado, vgl. den Artikel von Matías Díaz Padrón im Online-Katalog des Prado, https: / / www.museodelprado.es/ aprende/ enciclopedia/ voz/ triunfo-de-la-muerte-elpieter-bruegel-el-viejo/ 5a1ea2bf-a269-44be-8466-95e5ae34396e (letzter Abruf am 31.8.16). 29 Vgl. Verena f riedrich / Romedio s chMitZ -e sser , Pfarrkirche St. Nikolaus und Kapellen (2007) S. 32. Abb. 8: Der hl. Jakobus am Taufbecken in St. Nikolaus in Hall in Tirol, um 1600 (Foto: G. U. Großmann) <?page no="109"?> 110 Anja Grebe auffälligste Parallele zum Pilgerornat des Stephan III. Praun bildet jedoch der schwarze, breitkrempige Hut, der dem Nürnberger Stück nicht nur in der Form, sondern vor allem im Hinblick auf das sternförmige Arrangement der hellen Pilgerzeichen sehr ähnelt. Das von der Forschung bislang wenig beachtete Haller Taufbecken stellt einen weiteren wichtigen zeitgenössischen Beleg für die Kenntnis der sternförmig dekorierten Pilgerhüte an ganz verschiedenen Orten Europas im ausgehenden 16. Jahrhundert dar, was für eine gewisse Modeerscheinung spricht. Die realen und gemalten Beispiele legen nahe, dass es sich bei den Hüten um Schaustücke handelte, die als textile Kunstwerke wohl von Anfang an weniger als Gebrauchsgegenstände denn als Andenken und Sammlerstücke gedacht waren. Ähnliches gilt für den perlmutternen Pilgerstab Stephans III., der eher ein kostbares Repräsentationsstück, denn ein zweckmäßiges Reiseutensil war. Stephan III. bewahrte die vestimentären Andenken an seine Pilgerfahrt zusammen mit den Dokumenten seiner verschiedenen Pilger- und Gesandtschaftsreisen offenbar sorgfältig auf 30 . Sie überstanden seine zahlreichen Reisen und militärischen Einsätze einschließlich seiner Flucht aus Portugal 1581 und seiner langen Orient- und Nordafrikareise 1585-1588. Mit der Eingliederung in das Praunsche Kabinett hatte die Pilgerausstattung den doppelten Status von familiären Erinnerungsstücken und Kunst- und Kuriositätenobjekten erlangt 31 . Selbst wenn die sakrale Aura, die mit dem Ornat verbunden war, im Umfeld des Kunstkabinetts weniger zum Tragen kam, haftete dem Ensemble dennoch eine gewisse Ehrwürdigkeit an, die auch in den Inventarbeschreibungen zum Ausdruck kommt. Das hohe Ansehen der Pilgerandenken in der Praun-Familie erstaunt mit Blick auf den protestantischen Hintergrund der Reichsstadt Nürnberg 32 . Stephan III. war jedoch nicht das einzige Mitglied einer angesehenen Nürnberger Familie, das auch nach Einführung der Reformation 1525 eine Pilgerreise unternahm oder Mitglied in (katholischen) Ritterorden wurde 33 . Möchte man bei Stephan III. 30 Vgl. die Archivalien zu Stephan III. Praun in Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II. 31 Zu Wallfahrtsobjekten als „Medien der Erinnerung“ vgl. Carola f ey , Wallfahrtserinnerungen an spätmittelalterlichen Fürstenhöfen in Bild und Kult, in: Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen, hg. von Carola f ey / Steffen K rieb / Werner r ösener (Formen der Erinnerung 27, 2007) S. 141-165. 32 Vgl. Karl Georg K aster u. a., Reformation in Nürnberg. Umbruch und Bewahrung (1979). 33 Im Sommer 1585 bricht er mit einer Gruppe fränkischer und tirolischer Adliger zu einer Pilgerreise ins Heilige Land auf, die ihn über Venedig nach Jerusalem führt, wo er am 30. November 1585 zum Ritter des Heiligen Grabes geschlagen wird. Zum Zeremoniell des Ritterschlags zum Grabesritter vgl. die Zusammenfassung in Detlev K raacK , Jerusalem als Reiseziel brandenburgischer Fürsten. Mittelalterliche Markgrafen und neuzeitliche Monarchen auf dem Weg ins Heilige Land, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 62 (1999) S. 37-61, bes. S. 56-57. <?page no="110"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 111 zunächst Karrieregründe vermuten, um sich bei den überwiegend katholischen Fürsten im Habsburgerreich Anerkennung - und darüber möglicherweise eine Anstellung - zu verschaffen, scheint es daneben auch private Motivationen gegeben zu haben. So stiftete er im Oktober 1579 für seinen verstorbenen Vater in Lissabon eine Seelenmesse: Vbi iussit cantari et offerri Deo officium nouem Sectionem cum sacrifficio missae, pro anima Stephani Braun senioris 34 . Stephans III. Pilgerfahrt und seine Annäherung an den Katholizismus spielen im familiären Streit um das väterliche Erbe 1581-1583 keine Rolle. Stephan II. Praun hatte seinen Vngehorsamen, Vngevolgigen, vnnd widerspenstigen Sohn vom weiteren Erbe mit Hinweis auf seine Faulenzerei, sein verschwenderisches Wesen und bereits erfolgte Vorauszahlungen zur Schuldenbegleichung ausgeschlossen, sollte er nicht einen kompletten Wandel zu einer ehrenwerten Lebensführung ( biß er ain beharrlich, Warhafft Burgerlich wesen angestellt haben würdt ) vollziehen 35 . In seiner Gegenargumentation verwies Stephan III. auf seine diplomatischen und militärischen Taten und seinen aus seiner Sicht tugendhaften Lebenswandel - da er sich nit zu unehrlicher gesellschaft gehalten, sondern an kaiser, könig und herrn höff, auch in iren diensten und kriegsexpeditionen neben anderen von adell, rittern und freiherrn ...] ebenermaßen zu dienen gewürdet worden -, nicht aber auf seine Pilgerfahrt 36 . Nachdem seine Klage gegen die Enterbung erfolglos blieb, scheint sich Stephan III. endgültig von seiner Familie und dem Protestantismus gelöst zu haben. 1585 unternahm er mit einer größeren Reisegesellschaft eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, wo er u.a. am Berg Sinai der hl. Katharina opferte und sich zum Ritter des Heiligen Grabes schlagen ließ 37 . Nach längeren Reisen durch den Orient ließ er sich in Rom nieder, wo er 1591 verstarb und auch bestattet wurde 38 . Im protestantischen Umfeld wurden Pilgerfahrten ebenso wie die Heiligenverehrung insgesamt vielfach als „teuflische Abgötterei“ gebrandmarkt 39 . Mar- 34 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 162. 35 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 171, fol. 3v, 6r, vgl. auch fol. 13r. 36 Zit. nach vOn P raun , „Was sich auf meiner Reise“ (wie Anm. 19) S. 46. 37 Vgl. Stephans III. Schreibkalender für 1585 mit eigenhändigen Notizen, Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 177 sowie Anm. 33. 38 Nürnberg, Stadtarchiv, Familienarchiv von Praun, E 28 II, Nr. 11, fol. 61r: Hat endlich ein Zeittlang zu Rom sein leben zubracht, Alda er gestorben den 29. Aprill, Stillo Nouo A° 1591, an ainem Pestilenzischen fieber, daran er bey 16. tag gelegen etc. Vnnd vff Primo May. In La Ciesa Noua alla fraternita di sancta Maria della Nauizella alpozo biancho daselbst begraben worden. 39 Verfügung Kurfürst Johann Friedrichs von Sachsen vom 12.11.1540 zur Einstellung der Wallfahrt von Burgstein im Vogtland, zit. nach Hartmut K ühne , Zwischen Bankrott und Zerstörung vom Ende der Wallfahrten in protestantischen Territorien, in: Wallfahrt und Reformation. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in <?page no="111"?> 112 Anja Grebe tin Luther hatte das von ihm so genannte „geläuff“ wiederholt scharf kritisiert und als „papistische Verführung“ bezeichnet. Dem Reformator zufolge stand eine Pilgerfahrt dem Weg zu Gott geradezu entgegen und lief Gefahr zum Götzendienst zu werden. Zudem, so sein Argument, seien die hohen Kosten unvereinbar mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe - statt eine Pilgerreise zu unternehmen, solle man das Geld lieber an die Armen spenden. Luthers Kritik galt sowohl den Nahals auch den Fernwallfahrten 40 . In Bezug auf die Santiago-Wallfahrt wurde er in seiner Predigt am Jakobstag 1522 besonders deutlich, in der er die Gläubigen geradezu vor einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela warnt, zumal man überhaupt nicht wisse, wer denn im sogenannten Jakobus-Grab liege: Darumb laß man sy ligen und lauff nit dahin, dann man waißt nit ob sant Jacob oder ain todter hund oder ain todts roß da ligt [...] . Hat aber yemand ain gelübt gethon, der stee fein ab, dann got hat kain gefallen in den narrenwercken, darumb sehe man, das man allain mit got handel mit dem glauben und mit dem nechsten in liebe, so ist es gnug 41 . Das Beispiel Stephan III. Prauns zeigt, dass die Praxis der Pilgerfahrt einschließlich Beichte, Absolution, Kommunion und Mitgliedschaft in Ritterorden auch im protestantischen Kontext weiterhin gepflegt wurde und dass das bzw. die Andenken von Pilgern in hohen Ehren gehalten wurden 42 . So hielt die väterliche Kritik und Enterbung Stephans III. Brüder nicht davon ab, sich nach seinem Tod seiner Hinterlassenschaft, darunter auch des Pilgerhabits, zu bemächtigen. Zumindest posthum scheint Stephan III. in der Familie insoweit rehabilitiert worden zu sein, als dass diese sein Andenken als Pilger in Ehren hielt. Stephan III. war nicht das einzige Mitglied der Familie Praun, das sich dem Katholizismus annäherte. Sein Bruder Paulus Praun, der Begründer des Praunschen Kabinetts, der über viele Jahre die Faktorei des Familienunternehmens in Bologna leitete und dort 1616 verstarb, wurde auf eigenen Wunsch in der dortigen Klosterden Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan h rdina (Europäische Wallfahrtsstudien 3, 2007) S. 201-220, hier S. 218, mit Nachweis. Vgl. Ulrich K öPf , Protestantismus und Heiligenverehrung, in: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, hg. von Peter D inZelbacher / Dieter R. B auer (1990) S. 320-344; Peter M ann , Luther und die Heiligen, in: Reformatio Ecclesiae. Beiträge zu kirchlichen Reformbemühungen von der Alten Kirche bis zur Neuzeit. Festgabe für Erwin Iserloh, hg. von Remigius B äuMer (1980) S. 535-580. 40 Vgl. Hartmut K ühne , „die do lauffen hyn und her, zum heiligen Creutz zu Dorgaw und tzu Dresen...“. Luthers Kritik an Heiligenkult und Wallfahrten im historischen Kontext Mitteldeutschlands, in: „ich armer sundiger mensch“. Heiligen- und Reliquienkult am Übergang zum konfessionellen Zeitalter, hg. von Andreas t acKe (2006) S. 499-522. Vgl. dazu auch den Beitrag von Volker h OneMann in diesem Band. 41 Martin l uther , Ain Sermon von sant Jacob dem meereren und hailigen zwo(e)lffpotten, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe) 10,3 (1966) S. 235-241, hier S. 235 f. 42 K ühne , „die do lauffen hyn und her“ (wie Anm. 40). <?page no="112"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 113 Abb. 9: Hans Hoffmann, Miniatur des hl. Jacobus maior aus dem Stammbuch des Jakob Praun, 1582 (Nürnberg, Stadtbibliothek, Solg. Ms.14.8°, fol. 1 r) <?page no="113"?> 114 Anja Grebe kirche S. Catarina di Strada Maggiore in einer von ihm gestifteten Kapelle bestattet 43 . Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das „Stammbuch des Jakob Praun“ (1558-1627), das der jüngere Bruder von Stephan III. und Paulus Praun zwischen 1577 und 1607 führte 44 . Die Titelminiatur von 1582 ist mit dem ligierten „Hh“-Monogramm des Nürnberger Malers Hans Hoffmann signiert und zeigt Jakobs Namenspatron, den hl. Jacobus Maior, in bewegter Pose mit himmelwärts gerichtetem Blick (fol. 1 r) (Abb. 9). Die Figur geht auf einen Kupferstich des Niederländers Cornelis Cort zurück, der auch in einer 1580 datierten Stichkopie des Italieners Agostino Carracci überliefert ist 45 . Die Kupferstiche zeigen allerdings nicht den hl. Jakobus, sondern den Pestheiligen Rochus, der an dem Hund als Attributtier und der Pestbeule auf dem Oberschenkel eindeutig zu identifizieren ist 46 . Beides fehlt auf Hoffmanns Bild, der auf diese Weise den hl. Rochus in einen hl. Jakobus verwandelte. Die auffällige Voranstellung des Namenspatrons im Stammbuch eines protestantischen Besitzers erstaunt, war jedoch offenbar kein Einzelfall 47 . Auch hier zeigt sich, wiederum in Bezug auf den hl. Jakobus, eine Überlagerung katholischer und protestantischer Lebenswelten und religiöser Praktiken, die noch wenig erforscht ist. Zur Jakobus-Ikonographie im Mittelalter Das Titel-Aquarell im Praunschen Stammbuch ist nicht nur im Hinblick auf die religiöse und konfessionelle Haltung Jakob Prauns interessant, es ist auch äußerst aufschlussreich für die Frage der Jakobus-Ikonographie in Franken. Dargestellt ist ein bärtiger alter Mann in einem weiten Mantel mit breitem Umlegekragen, der darunter ein langes, vorne hochgeschürztes Gewand, einen breitkrempigen Schlapphut, lockere Strümpfe und Schuhe trägt und mit der Linken einen langen Stab mit Doppelknauf vor sich hält. Gewandung, Stab, Kopfbedeckung und Schuhwerk entsprechen dem typischen Bild eines Reisenden oder Wanderers, so wie er in zahlreichen spätmittel- 43 Vgl. Der Nürnbergischen Münzbelustigen (wie Anm. 11) S. 278; Katrin a chilles -s yndraM , „... und sonderlich von großen stuckhen nichts bey mihr vorhanden ist.“ Die Sammlung Praun als kunst- und kulturgeschichtliches Dokument, in: Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 35-56, bes. S. 38-39; Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 321, Nr. 158. 44 Nürnberg, Stadtbibliothek, Solg. Hs. 14, vgl. Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 307-308, Nr. 139. 45 Cornelis Cort, bearb. von Manfred s ellincK , hg. von Huigen l eeflang (The New Hollstein Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts 1450-1700 8/ 1, 2000) Nr. 136. 46 Artikel „Rochus (Roch) von Montpellier“, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 8, hg. von Wolfgang b raunfels (1976), Sp. 275-278. 47 Vgl. Kunst des Sammelns (wie Anm. 1) S. 307, Nr. 139, Anm. 3. <?page no="114"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 115 alterlichen und frühneuzeitlichen Darstellungen überliefert ist. So zeigt Albrecht Dürer auf seinem Holzschnitt der „Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten“ (um 1504/ 1505) aus dem „Marienleben“ den Nährvater Josef in einer ganz ähnlichen Bekleidung mit Wanderstab, allein der breitkrempige Hut ist gleichsam zu Maria „gewandert“ 48 . Fehlen spezifische körperliche Merkmale, z.B. die Pestbeule bei Rochus, oder eindeutig zuordenbare Attribute wie die Jakobsmuschel, kann die Identität einer Figur letztlich nur aus dem Kontext erschlossen werden - im Falle des Praunschen Stammbuchs durch den Vornamen des Bucheigners. Im Gegensatz zu anderen Heiligenleben bot die Passion des hl. Jakobus nur wenig Erzählstoff für bildende Künstler - der Heilige erlitt keine langen Qualen, sondern wurde unmittelbar nach der Verurteilung enthauptet. Zwar erwähnen etliche Legendenfassungen Jakobus’ Reisetätigkeit - so soll er insbesondere als Prediger und Maurenbekämpfer in Spanien gewirkt haben - doch gibt es kaum entsprechende Darstellungen 49 . Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Anekdotenarmut wurde Jakobus nicht nur in Franken lange nach der in der Spätantike entwickelten, wenig individualisierten Ikonographie als älterer Mann mit langem Mantel und Buch bzw. Rotulus dargestellt, der letztlich nur durch eine Namensinschrift von anderen Aposteln unterscheidbar war 50 . Die ältesten Beispiele für diesen Darstellungstypus aus der Mitte des 6. Jahrhunderts finden sich in den Mosaiken von San Vitale und der erzbischöflichen Palastkapelle in Ravenna 51 . Eine spezifischere Darstellungsweise des hl. Jacobus maior entstand erst im 12. Jahrhundert in Nordspanien und Südwestfrankreich, 48 Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen, bearb. von Rainer s chOch / Matthias M ende / Anna s cherbauM u. a. (2002) S. 259-262, Nr. 179 (A. Scherbaum). 49 Zu den Schriftzeugnissen vgl. Jan van h erwaarden , The origins of the cult of St James of Compostela, in: Journal of medieval history 6 (1980) S. 1-35; Robert P lötZ , Der Apostel Jacobus in Spanien bis zum 9. Jahrhundert, Spanische Forschungen der Goerresgesellschaft, Reihe 1, 30 (1982) S. 19-145. 50 Artikel „Jakobus der Ältere (Major)“, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 7, hg. von Wolfgang b raunfels (1974) Sp. 23-39; Karl K ünstle , Ikonographie der Heiligen (Freiburg 1926) S. 316 ff. Zu Beispielen des hl. Jakobus mit Schwert vgl. Robert P lötZ , „Benedictio perarum et baculorum“ und „coronatio peregrinorum“. Beiträge zur Ikonographie des Hl. Jacobus im deutschsprachigen Raum, in: Volkskultur und Heimat. Festschrift für Josef Dünninger zum 80. Geburtstag, hg. von Dieter h arMening / Erich w iMMer (1986) S. 339- 376, bes. S. 348; Robert P lötZ , Imago Beati Jacobi. Beiträge zur Ikonographie des Hl. Jacobus im Hochmittelalter, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins, München, hg. von Lenz K riss -r ettenbecK / Gerda M öhler (1984) S. 246-264, bes. S. 253. 51 Zu den frühesten Beispielen von Apostelzyklen zählen die Mosaiken des 6. Jahrhunderts in Ravenna, hier allerdings häufig mit Kranz statt Codex, vgl. Carola J äggi , Ravenna. Kunst und Kultur einer spätantiken Residenzstadt. Die Bauten und Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts (2013). <?page no="115"?> 116 Anja Grebe was in Zusammenhang mit der Ausweitung der Wallfahrten nach Santiago de Compostela und des Jakobsweges zu sehen ist 52 . Zu den frühesten Zeugnissen des neuen Typus gehört die Jakobusfigur am Südportal der spanischen Klosterkirche Santa Marta de Tera (Zamora) 53 . Die vermutlich im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts geschaffene Steinskulptur weist mit Mantel und langem Untergewand sowie Bart weiterhin die bekannten Merkmale eines Apostels auf, doch trägt sie mit dem langen Stab und der muschelbesetzten Tasche die typischen Erkennungszeichen eines Jakobspilgers. Stab ( baculus ) und Tasche ( pera ) waren laut den „Libri peregrinationis“ die signa eines Pilgers, die beim Aussendungsgottesdienst vom Priester gesegnet wurden 54 . Erst die Segnung verlieh dem Wanderstab und der (Dokumenten-)Tasche jene sakrale Symbolik, die sie zu Pilgerinsignien werden ließ 55 . Wie wichtig die beiden signa als Erkennungszeichen eines Pilgers waren, zeigt das um 1130 entstandene Weltgerichtstympanon am Westportal der Kathedrale St. Lazare von Autun 56 (Abb. 10). Die Verehrungsstätte des hl. Lazarus von Bethanien war auch eine wichtige Station auf den internationalen Pilgerstraßen nach Jerusalem und Santiago de Compostela 57 . Darauf verweist auch der Türsturz, in dem unterhalb der eigentlichen Weltgerichtsszene die Auferstandenen friesartig aufgereiht sind. Auf der vom Betrachter aus gesehen linken Seite, d.h. zur Rechten Gottes, ist der Zug der erretteten Seelen zu sehen, an dessen Spitze, unmittelbar unter der Fußspitze des Weltenrichters, zwei Figuren schreiten, die zwar wie alle anderen Seelen nackt sind, sich jedoch durch den (abgebrochenen) baculus und die pera eindeutig als Pilger identifizieren lassen. Die Muschel auf der Tasche der vorderen Figur kennzeichnet sie als Jakobs-Pilger, während die Tasche des nachfolgenden Mannes mit einem gleichschenkligen Kreuz geziert ist, das wohl auf Jerusalem als Wallfahrtsziel verweisen soll. Der neue, im 12. Jahrhundert entstandene Bildtypus des „Jacobus peregrinus“ geht nicht auf eine spezifische Episode aus seiner Legende zurück, vielmehr 52 Robert P lötZ , Imago Beati Jacobi (wie Anm. 50) S. 246-264; Artikel „Jakobus der Ältere (Major)“ (wie Anm. 50). 53 José Manuel r OdrígueZ M Ontañés , Santa Marta de Tera, in: ders ., Zamora (Enciclopedia del Románico en Castilla y León, 2002) S. 135 ff. 54 Zur Predigt „Veneranda dies“ vgl. Klaus h erbers , Der Jakobsweg. Mit einem mittelalterlichen Pilgerführer unterwegs nach Santiago de Compostela (1986) S. 57 ff., bes. S. 64-67. 55 Leonie vOn w ilcKens , Die Kleidung der Pilger, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 50) S. 174-180. 56 Linda s eidel , Legends in Limestone. Lazarus, Gislebertus, and the Cathedral of Autun (1999); g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 16 f. 57 Zu Autun als Wallfahrtsstätte vgl. s eidel , Legends in Limestone (wie Anm. 56) bes. Kap. 2. <?page no="116"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 117 Abb. 10: Pilgerfiguren, Türsturz des Westportals von St. Lazare in Autun, um 1130 (Foto: Anja Grebe) wurde der Heilige der äußeren Erscheinung seiner Verehrer anpasst 58 . Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Ikonographie des hl. Jakobus mit baculus und pera ist damit aus kunsthistorischer Sicht das Ergebnis eines Assimilationsprozesses, bei dem die frühmittelalterliche Darstellungsweise als Apostel mit der Erscheinungsweise eines zeitgenössischen Santiago-Pilgers vereint wurde. Aus dem Apostel wurde so der bis heute bekannte Pilgerheilige, wobei die signa peregrinationis zu Attributen des Heiligen wurden. Die Jakobusfigur in Santa Marta de Tera unterscheidet streng genommen nur der Nimbus und ihre Platzierung am Kirchenportal von einem Jakobspilger. Wie schwierig die Identifizierung einer Heiligenfigur ohne spezifische Attribute und (hier unleserlicher) Namensinschrift ist, zeigt die bislang nicht sicher gedeutete 58 P lötZ , Imago Beati Jacobi (wie Anm. 50) S. 256, spricht von der „klassischen Kontamination des Apostels Jacobus mit dem Jacobus-Pilger“. Der Begriff „Kontamination“ scheint in diesem Zusammenhang etwas zu negativ und je nach Beispiel nicht ganz zutreffend. Statt einer ungewollten „Ansteckung“ handelt es sich aus kunsthistorischer Sicht um eine reflektierte Aneignung neuer ikonographischer Formen. <?page no="117"?> Skulptur, die in Zamora gegenüber der Jakobusstatue an der rechten Portalseite angebracht ist und zumeist als „ein Apostel“ beschrieben wird 59 . Die Jakobus-Ikonographie in Franken bis zur Renaissance Sowohl der „ältere“ „Apostel“-Typus als auch der „neue“ „Jacobus peregrinus“-Typus lassen sich auch in Franken nachweisen, letzterer allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung gegenüber dem westlichen Europa, was dort wohl primär mit der höheren Zahl an „Pilgerwegen“ und dem insgesamt wesentlich höheren Pilgeraufkommen zusammenhängt. Die Gemälde und Bildwerke wurden zumeist für eine Kirche oder Kapelle mit Jakobuspatrozinium geschaffen oder stehen in Zusammenhang mit einer entsprechenden Altarweihe oder sakralen Stiftung 60 . Aufgrund von Umbauten, bilderstürmerischen Aktionen, natürlichem Verfall und Verkäufen sind zahlreiche, insbesondere mittelalterliche Sakralwerke verloren gegangen, sodass sich keine lückenlose Entwicklung der Jakobus-Ikonographie in Franken zeichnen lässt. Der Fokus liegt im Folgenden daher auf den Hauptformen und wichtigsten Entwicklungstendenzen in der Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Zu den frühesten erhaltenen, eindeutig als hl. Jacobus maior identifizierbaren Werken gehört eine Statue aus dem 1138/ 39 gegründeten, 1803 säkularisierten und 1945 bzw. 1955 zerstörten Schottenkloster St. Jakob in Würzburg 61 (Abb. 11). Die angesichts des leichten Körperschwungs der Epoche der Frühgotik zuordenbare, um 1320 datierte Figur war einst an einem unbekannten Standort in bzw. an der Kirche oder auf dem Klosterareal angebracht und gelangte im 19. Jahrhundert in das Mainfränkische Museum. Der Heilige hält in der Rechten einen kordelartigen Gegenstand mit Anhänger, vielleicht den Rest eines 59 Vgl. r OdrígueZ M Ontañés , Santa Marta de Tera (wie Anm. 53) bes. S. 148 („otro apóstol“). Zur Frage des ursprünglichen Anbringungsortes der Skulpturen vgl. r OdrígueZ M On tañés , Santa Marta de Tera (wie Anm. 53) S. 147. Ein herzlicher Dank gilt Gottfried Wiedemer für seine Hinweise zur Anbringung der Skulptur und Zurverfügungstellung von Fotoaufnahmen. 60 Robert P lötZ , Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch, Einflüsse, Wirkungen, hg. von Klaus H erbers ( Jakobus-Studien 12, 2003) S. 175-229. Vgl. dazu auch die Beiträge von Robert P lötZ und Peter r ücKert in diesem Band. 61 Friedrich O swald , Würzburger Kirchenbauten des 11. und 12. Jahrhunderts (Mainfränkische Hefte 45, 1966), S. 159-186 und Abb. 74-81; Helmut F lachenecKer , St. Jakob und die irischen Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte des Verbandes der Schottenklöster im hochmittelalterlichen Reich, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus H er bers ( Jakobus-Studien 7, 1995), S. 151-167, zu Würzburg bes. S. 160, 164 f. Vgl. dazu auch den Beitrag von Helmut f lachenecKer in diesem Band. 118 Anja Grebe <?page no="118"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 119 Rosenkranzes 62 , und in der eng vor die Brust gehaltenen Linken einen durch eine Buchschließe geschlossenen Codex. Allein die drei muschelförmigen Applikationen entlang des Halsausschnitts, die wahrscheinlich zur Tasselschnur des Mantels gehören, verweisen auf die Identität als hl. Jacobus maior, davon abgesehen steht die barfüßige Figur ganz in der ikonographischen Tradition der frühmittelalterlichen Aposteldarstellungen. Der Apostel-Tradition ist auch bei der Jakobsfigur im Mittelfenster des Ostchores der Kirche St. Jakob in Rothenburg o.d.T., das Mitte des 14. Jahrhunderts 62 Ebenfalls denkbar wäre, dass es sich um die Reste eines Gürtelmessers handelt, wie es auf einem um 1520/ 30 entstandenen Gemälde eines fränkischen Meisters mit dem Galgenwunder des hl. Jakobus (Kronach, Fränkische Galerie) zu sehen ist. Zu diesem Gemälde siehe unten. Abb. 11: Jakobusstatue vom Würzburger Schottenkloster, um 1320 (Würzburg, Mainfränkisches Museum) <?page no="119"?> 120 Anja Grebe Abb. 12: Der hl. Jakobus mit Pilgern, Mittelfenster des Ostchores von St. Jakob in Rothenburg o.d.T., Mitte 14. Jahrhundert (Foto: G. U. Großmann) <?page no="120"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 121 von Gottfried (Götz) Lesch gestiftet wurde, noch deutlich erkennbar 63 (Abb. 12). In der untersten Zeile sind Jakobus und die Deutschordenspatronin Elisabeth in jeweils einem Bildfeld dargestellt, gerahmt vom knienden Stifter und seinem Wappen 64 . Das dem hl. Jakobus gewidmete Fenster zeigt den recht jugendlich wirkenden Heiligen 65 als barfüßigen Apostel mit einem Buch, dessen Deckel eine große Jakobsmuschel ziert. Die seitliche Inschrift bestätigt die Identifikation der Figur als Jakobus, die mit Ausnahme der Jakobsmuschel auf dem Buchdeckel keine für Jakobus spezifische Attribute oder Kleidungsmerkmale aufweist. Im Gegensatz dazu sind die beiden seitlich knienden Männer eindeutig als Pilger ausgewiesen, die den Beistand des Heiligen erflehen. Nicht nur tragen sie weite Umhangmäntel, einen doppelknäufigen Stab und große Schultertaschen, der Vordere ist zudem mit einem Hut mit Muschelapplikation und Rosenkranz ausgestattet. Neben Jakobus dargestellt, werden sie gleichsam zu figürlichen Attributen des Heiligen und weisen auf seine Bedeutung als Pilgerpatron hin 66 . Ganz dem „Jacobus peregrinus“-Typus folgt hingegen die Schnitzfigur des Kirchenpatrons im Schrein des 1466 vollendeten Hochaltars der Rothenburger Kirche 67 (Abb. 13). Der hl. Jakobus ist frontal und aufrecht stehend, mit leicht 63 Zur Baugeschichte des Ostchores von St. Jakob vgl. Anton r ess , Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken 8: Stadt Rothenburg o.d.T. Kirchliche Bauten (1959) S. 73-233, bes. S. 119-126. Zur Stifterzone mit dem Jakobusfenster vgl. Hartmut S chOlZ , Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros) (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland, Bd. X/ 1, 2002), Bd. 1, S. 417 ff., bes. S. 442-445, Nr. 1a-1d, Abb. 316; Ludwig s chnurrer , Ritter Götz Lesch (ca. 1282-1250). Der Stifter des mittleren Farbfensters im Chor von St. Jakob zu Rothenburg, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 89 (1977-1981) S. 42-49. 64 Die Patronatsrechte des Deutschen Ordens sind seit dem späten 13. Jahrhundert bezeugt und galten bereits für die romanische Vorgängerkirche der heutigen Jakobskirche, vgl. Karl b Orchardt , Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg, in: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte. Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich, hg. von Klaus H erbers ( Jakobus-Studien 16, 2005) S. 25-67, zum Jakobsfenster bes. S. 55-56. Zur Rekonstruktion des ursprünglichen Programms vgl. S chOlZ , Die mittelalterlichen Glasmalereien (wie Anm. 63) S. 428-435, der die „ungewöhnliche Stifterzone“ für original hält. 65 Nach S chOlZ , Die mittelalterlichen Glasmalereien (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 443, wurde der Kopf „wohl aus anderem Zusammenhang hierher versetzt“. 66 Vgl. Ludwig s chnurrer , Kapelle und Wallfahrt Zum Heiligen Blut in Rothenburg, in: 500 Jahre St. Jakob Rothenburg o.d.T. 1485-1985 (1985) S. 89-96; d ers ., Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters, in: Die oberdeutschen Reichsstädte (wie Anm. 64) S. 69- 99. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte Rothenburg ob der Tauber. Geschichte der Stadt und ihres Umlandes, hg. von Horst F. r uPP / Karl B Orchardt (2016). 67 Zum Rothenburger Hochaltar vgl. Ralf K rüger , Friedrich Herlin. Maler und Altarbauunternehmer ( Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg e.V., 2004) bes. S. 88-120, zu den Schreinfiguren und Hypothesen zur Identität des Bildschnitzers bes. S. 94-105; Hartmut K rOhM , Bemerkungen zur kunstgeschichtlichen Problematik des Herlin-Retabels in Ro- <?page no="121"?> 122 Anja Grebe Abb. 13: Hl. Jakobus, Schreinfigur vom Hochaltarretabel von St. Jakob in Rothenburg o.d.T., um 1466 (Foto: G. U. Großmann) <?page no="122"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 123 nach oben rechts in Richtung der zentralen Figur des Gekreuzigten gerichtetem Blick dargestellt 68 . Die Barfüßigkeit der Figur und der lange Kräuselbart stehen in der ikonographischen Tradition des Apostel-Typus. Ansonsten entspricht die Figur mit dem weiten, vorne offenen Mantel, dem breitkrempigen Hut mit Jakobsmuschel und dem langen Stab mit Doppelknauf der Darstellungsform der Pilger im Glasfenster. Im Unterschied dazu sind die hll. Johannes und Leonhard auf der rechten Schreinseite nach der spätantiken Darstellungstradition von Aposteln und Heiligen mit togaartigen Mänteln bekleidet, während der rechts außen stehende Antonius Abbas das Ordenshabit der Antoniter mit Umhängemantel, breitem Kragen, Kappe sowie Stab und Glocke trägt. Zu den Besonderheiten der Rothenburger Jakobsfigur gehören neben dem echten ovalen Bergkristall als Gewandschließe die echten Jakobsmuscheln, die auf die Hutkrempe appliziert sind bzw. an Lederriemen vom linken Handgelenk herabhängen. Als reale, zudem aus Santiago de Compostela stammende und somit gleichsam doppelt authentische Gegenstände steigern sie die lebensnahe Wirkung der Figur, die mit ihren weit geöffneten Augen, konzentriert zusammengezogenen Augenbraun, wie zum Sprechen geöffneten Lippen und dem dynamischen Hochschürzen des Gewandes geradezu aus dem Altar heraus zu ihrer Pilgerfahrt zu schreiten scheint 69 . Dem „Pilger-Typus“ entspricht auch die schräg unterhalb platzierte Büste des hl. Jakobus in der Predella (Abb. 14). Mit dem üppigen, in der Mitte gespaltenen Bart, dem Schlapphut mit applizierter Muschel an der Stirn, dem ebenfalls leicht nach oben gerichteten Blick und dem Stab erscheint er wie ein Alter Ego des geschnitzten Heiligen. Ein kleines illusionistisches Meisterstück des Rothenburger Malers Friedrich Herlin (um 1435-1500) 70 ist die Jakobsmuschel, die der thenburg o.T., in: Jahrbuch der Berliner Museen 33 (1991) S. 185-208; Volker l iedKe , Zwei Rechnungsbelege zur Ausführung des Hochaltars in der Jakobskirche zu Rothenburg ob der Tauber, ein Werk des Nördlinger Malers Friedrich Herlin vom Jahr 1466, in: Ars Bavarica 13 (1979) S. 43-52; Christof M etZger , Friedrich Herlins Rothenburger Altar, in: Die oberdeutschen Reichsstädte (wie Anm. 64) S. 101-118. 68 K rOhM , Bemerkungen (wie Anm. 67) S. 197, hält den Kopf des hl. Jakobus für eine Zweitanfertigung des Meisters des Kruzifixus (Veit Stoß? ); Elmar Dionysius S chMid , Der Nördlinger Hochaltar und sein Bildhauerwerk (1971) S. 191. Zum technologischen Befund siehe Eike O ellerMann , Die Schnitzaltäre Friedrich Herlins im Vergleich der Erkenntnisse neuerer kunsttechnologischer Untersuchungen, in: Jahrbuch der Berliner Museen 33 (1991) S. 213-238, bes. S. 219. 69 Möglicherweise handelt es sich um Votivgaben, was bislang jedoch noch nicht näher untersucht wurde. 70 Artikel „Herlin (Herlein; Hoerlein), Friedrich (Friedrich I)“, in: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker 72 (2012) S. 176-178 (S. Franke); Ernst b uchner , Die Werke Friedrich Herlins, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 13 (1923) S. 1-51, bes. S. 15-33. K rüger , Friedrich Herlin (wie Anm. 67). <?page no="123"?> 124 Anja Grebe Heilige über die Brüstung hinweg vorweist und scheinbar in die Betrachterwelt hineinragen lässt. Herlin, dem auch das Gesamtkonzept des Altars zugeschrieben wird, hat sein Werk zwischen den Jakobus-Szenen auf den Außenflügeln signiert und datiert, wobei er die Autorangabe mit einer Fürbitte an den Titel- Abb. 14: Friedrich Herlin, Hl. Jakobus. Predella des Hochaltarretabels von St. Jakob in Rothenburg o.d.T., um 1466 (Foto: G. U. Großmann) <?page no="124"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 125 heiligen verbindet: Dis werck hat gemacht Fridrich Herlein Moler. M.CCCC.L.XVI. Sant Jakob. Bit Got fur In. Der Jakobus-Zyklus auf den beiden Außenflügeln, d.h. der ehemaligen Werktagsseite des Altars, gehört zu den ausführlichsten Jakobus-Zyklen überhaupt 71 . Er ist Herlins wichtigster Beitrag zur Jakobus-Ikonographie weit über Franken hinaus 72 . Die acht Bildfelder sind in zwei Ebenen angeordnet, die - im geschlossenen Zustand des Altars - von oben links nach unten rechts zu betrachten sind. Die ersten drei Szenen sind dem Leben und Martyrium des Heiligen gewidmet, die fünf weiteren Szenen dem Wunderwirken nach seinem Tod 73 . Dabei hat Herlin oft mehrere Episoden auf einer Tafel untergebracht, sodass in Wirklichkeit wesentlich mehr Szenen der Vita wiedergegeben sind. Eine weitere Besonderheit des Altars ist seine realistische Darstellungsweise, mit der das Heiligenleben ungeachtet der jeweiligen Zeit und den historischen Schauplätzen in das Rothenburg der Herlin-Zeit versetzt wird. Diese Tendenz zur Vergegenwärtigung im buchstäblichen wie übertragenen Sinne zeigt sich besonders bei der Architektur, den Interieurs, der Kleidung und den Gegenständen der Sachkultur. Das erste Bildfeld zeigt in einer simultanen Darstellung links die Predigt und rechts die Gefangennahme des Heiligen, der als Protagonist herausgehoben im Zentrum steht. Auf der nächsten Tafel sind die Enthauptung des Jakobus und im Hintergrund die Überführung seines Leichnams per Schiff nach Spanien zu sehen. Die dritte Tafel zeigt den Heiligen, dessen hier intakter Leichnam auf einem Ochsenkarren durch das Stadttor von Santiago de Compostela transportiert wird, von wo er zum Palast der Königin Lupa gebracht worden sein soll, die sich zum Christentum bekehrte und Jakobus in ihrem Palast beisetzen ließ. Statt Santiago de Compostela füllte Herlin den Hintergrund allerdings mit einer zeitgenössischen Ansicht von Rothenburg aus, die derart detailgetreu ist, dass der Platz und die Gebäude bis heute identifiziert werden können 74 . So gab er dem Palast der Lupa die Gestalt des Rothenburger Rathauses. Bei geschlossenem Altar scheinen sich die Bauwerke mit dem Stadthintergrund der nebenstehenden Tafel zu einem zusammenhängenden Stadtprospekt zu verbinden. Auch wenn sich diese Sicht als Trugschluss erweist, so verstärkt das ins Zentrum 71 Vgl. Artikel „Jakobus der Ältere (Major)“ (wie Anm. 50). 72 K rüger , Friedrich Herlin (wie Anm. 67) S. 111-113. Die Jakobus-Szenen wurden 1582 von Martin Greulich mit einem Passionszyklus übermalt und erst 1922 wieder aufgedeckt, vgl. K rüger , Friedrich Herlin (wie Anm. 67) S. 88 f., mit Nachweisen. 73 Zu den verschiedenen Fassungen der Jakobus-Vita vgl. den Artikel „Jakobus der Ältere (Major)“ (wie Anm. 50). 74 Zu ähnlichen Stadtansichten im Werk Herlins siehe M etZger , Friedrich Herlins (wie Anm. 67) S. 106. <?page no="125"?> 126 Anja Grebe gesetzte, scheinbare Raumkontinuum doch den Eindruck der oben erwähnten Gegenwärtigkeit der Bilderzählung. Der Hauptteil des Zyklus ist der sogenannten Galgen- und Hühnerwunder-Legende gewidmet, die bereits in einigen früheren Jakobus-Zyklen eine prominente Rolle eingenommen hatte 75 . In den verschiedenen Fassungen der Jakobus-Vita wird berichtet, dass ein böser Wirt in Toulouse heimlich des Nachts einen Silberbecher im Gepäck einer deutschen Pilgerfamilie oder Pilgergruppe versteckt und sie anderntags des Diebstahls beschuldigt habe, worauf der Sohn der Familie als mutmaßlicher Dieb gehenkt wurde (Abb. 15). Auf seiner Rückreise von Santiago de Compostela kam der Vater wieder an den Richtplatz und sah, dass sein Sohn noch lebte. Rasch ging er in die Stadt, wo der böse Wirt seiner Missetat dank des in der vorletzten Tafel dargestellten sogenannten Hühnerwunders, bei dem gebratene Tauben wieder lebendig wurden, überführt und anschließend bestraft wurde. Hinsichtlich der Darstellungsweise von Jakobspilgern und der Frage nach einer spezifischen Pilger-Ikonographie besonders interessant ist die nachfolgende Tafel mit dem Galgenwunder, auf der Herlin nicht nur Vater und Sohn, sondern eine ganze Gruppe von Pilgern, die mutmaßlichen Reisegefährten des Vaters, wiedergegeben hat 76 . Im Vordergrund sind vier Pilger zu sehen, die auf das Stadttor zuschreiten. Sie sind beschuht und tragen jeweils knielange Leibröcke und capeartige Mäntel, die sich in Farbe und Stofflichkeit jedoch stark unterscheiden. Hinsichtlich der bereits diskutierten Frage der Jakobsmuschel als Pilgersymbol ist die Beobachtung interessant, dass die Muschel hier erstmals im Zyklus an den Hüten und Mänteln auftaucht. Herlin hat die Jakobsmuschel also im Gegensatz zu den stilisierten Pilgerstäben, die die Mäntel der Pilgergruppe bereits auf den Szenen ihrer Hinreise zieren, historisch korrekt verwendet, indem er sie als Zeichen für den absolvierten Santiago-Besuch erst bei der Rückreise der Pilger als Abzeichen zum Einsatz bringt. Der vordere Mann mit weißem Bart trägt ein graues Gewand, das von einem Gürtel gehalten wird und darüber ein dunkelblaues, vorne geöffnetes Cape, das den Blick auf das weiße Innenfutter frei gibt. Auf dem Cape und seinem Hut sind die erwähnten, für Santiago de Compostela typischen Pilgerzeichen 75 Z.B. die 1441 datierten Wandmalereien in St. Jakob in Kastelaz (Tramin, Südtirol), vgl. Verena f riedrich , St. Jakob in Kastelaz (2015). Zu weiteren nordalpinen Beispielen vgl. Erich b aierl , „Da sprungen due huener zu hant ab dem spiesz ...“ Die Legende des Galgen- und Hühnerwunders des hl. Jakobus mit besonderer Berücksichtigung der Tradition Frankens (2004). Albrecht g ribl , Die Legende vom Galgen- und Hühnerwunder in Bayern. Eine ikonographische Gegenwartsspur der mittelalterlichen Fernwallfahrt nach Santiago de Compostela, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1976/ 77) S. 36-52. 76 Vgl. g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 20 f. <?page no="126"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 127 Abb. 15: Friedrich Herlin, Beschuldigung und Bestrafung des unschuldigen Sohnes (links) und Galgenwunder des hl. Jakobus (rechts). Flügelaußenseiten des Hochaltarretabels von St. Jakob in Rothenburg o.d.T., um 1466 (Foto: G. U. Großmann) appliziert. In der einen Hand trägt er einen langen Stab, in der anderen einen kurzen Rosenkranz. Der Mann in der Mitte zeichnet sich durch besondere Eleganz aus. Sein leuchtend rotes Gewand besitzt ebenfalls ein weißes Innenfutter. Sein schwarzer Mantel hängt über dem geschulterten Stab. Das rote Gewand wird in der Hüfte von einem Gürtel gehalten, von dem eine Trinkflasche und ein Messer in einer Scheide hängen. Über die Schultern ist der Riemen einer Umhängetasche zu erkennen. Der hinterste Mann trägt ein hellgrünes Gewand und einen grauen, ärmellosen Überwurf. Er hat seinen Hut mit der Jakobsmuschel in den Nacken geschoben und stattdessen eine graue Kappe aufgesetzt. Seine weißen Strümpfe sind nach unten gerollt. Vom vierten Mann ist nur die Büste zu sehen, er trägt jedoch ähnlich geschnittene, farblich wiederum differierende Kleidungsstücke und Accessoires. Die Kleidungsstücke der Pilger wirken makellos, selbst die weißen Strümpfe sind absolut sauber, was angesichts des staubigen Weges eigentlich unmöglich erscheint. Dass es sich hier offenbar um eine bewusste Setzung des Malers han- <?page no="127"?> 128 Anja Grebe delt, zeigt ein Blick auf die letzte Tafel, wo der Henker, der den scheinheiligen Wirt zum Galgen führt, mit löchriger Hose und zerrissenem Hemd dargestellt ist. Ebenso wie das zerschlissene Gewand des Henkers seine Armut und seinen niederen Stand anzeigt, ebenso lässt sich die einwandfreie Kleidung der Pilger als Hinweis auf ihren höheren Stand deuten. Es handelt es sich nicht um ärmliche Jakobsbrüder, sondern um gut situierte Pilger. Hingegen sind sogenannte Bettler-Pilger in der Kunst der Zeit deutlich durch ihre zerschlissene Kleidung und die Verwendung einfacher Stoffe und Materialien gekennzeichnet 77 . Das auffälligste Merkmal der Pilger auf der Rothenburger Tafel ist jedoch die Diversität ihrer Kleidung. Während auf vielen Gemälden ein relativ einheitlicher Kleidungsstil bei den Pilgern vorherrscht, suggeriert Herlins Gemälde, dass sich jeder individuell nach seinem Geschmack und seinen finanziellen Möglichkeiten ausstatten konnte. Dabei zeigt die Wahl von Schnitten, hier z.B. der kürzeren Mantelform, und buntfarbigen Stoffen sowohl Modesals auch Standesbewusstsein an 78 . Dass geänderte Moden auch Einfluss auf die Darstellungsweise des hl. Jakobus hatten, belegen einige nach 1500 entstandene Jakobusdarstellungen aus Franken. Hierzu gehört ein um 1515 wohl in Nürnberg entstandener Altarflügel, der Jakobus als Pilger in einer Landschaft zeigt 79 . Der Heilige ist mit einer knielangen, braunen Tunika und einem roten Überwurfmantel bekleidet und trägt neben den typischen Insignien Stab, Umhängetasche und Hut mit Pilgerzeichen zusätzlich einen Rosenkranz in der rechten Hand. Im Gegensatz zu den üblichen repräsentativen Standfiguren des Pilgerpatrons ist Jakobus hier als Wanderer dargestellt. Das Wappenschild in der unteren linken Ecke verweist auf einen Stifter aus der Nürnberger Patrizierfamilie Haller, in welcher der Vorname Jakobus bzw. Jobst sehr verbreitet und die Verbundenheit mit dem Heiligen somit sehr eng war 80 . Zu den seltenen Darstellungen von Pilgerinnen in der fränkischen Kunst gehört eine Tafel mit dem Galgenwunder des hl. Jakobus, die einem Nürnber- 77 Z.B. der Flügel mit „Joachim und Anna geben Almosen“, St. Annenaltar (um 1500/ 1505), Frankfurt a.M., Historisches Museum, vgl. g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 21-24; Der Annenaltar des Meisters von Frankfurt, hg. von Wolfgang P. c illessen (Frankfurt a.M. 2012). 78 Vgl. Jutta Z ander -s eidel , Textiler Hausrat. Kleidung und Haustextilien in Nürnberg von 1500-1650 (1990). 79 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Gm 189; l öcher , Die Gemälde des 16. Jahrhunderts (wie Anm. 13) S. 360-361; Sabine l ata , Wolf Traut als Maler (2005) S. 365-366. 80 Vgl. Die Haller von Hallerstein. Eine Nürnberger Patrizierfamilie im europäischen Raum, bearb. von Heinz Z irnbauer (1961). Zur Stiftungstätigkeit der Familie siehe u.a. Georg s tOlZ , St. Lorenz und die Familie Haller, in: St. Lorenz N.F. 53 (2005), S. 9-55; Hans K ressel , Kleinod im Frankenland. Die St.-Andreas-Kirche zu Kalchreuth (1975). <?page no="128"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 129 ger Maler um 1520/ 30 zugeschrieben wird 81 . Sie bildete mit weiteren Szenen aus der Jakobuslegende wohl ursprünglich die Flügel eines größeren Retabels. Das Bild zeigt den am Galgen hängenden, ganz in Weiß gekleideten Knaben, der vom hl. Jakobus gehalten wird, während rechts im Hintergrund die beiden dankbar betenden Eltern stehen. Während der Heilige als bärtiger Mann nach der Aposteltradition ohne die typischen Pilgerinsignien wiedergegeben ist, sind die Eltern als Pilger gekleidet. Beide sind mit wadenlangen, in der Leibmitte gegürteten Gewändern, Beinkleidern und niedrigen Stiefeln sowie etwa hüftlangen weiten Umhangmänteln bekleidet. Ihre breitkrempigen Hüte sind vorn mit einer großen Pilgermuschel und Pilgerstäben geschmückt, als weitere Ausrüstungsgegenstände trägt der Mann eine Umhängetasche und ein Gürtelmesser, die Frau einen unter den Arm geklemmten Pilgerstab. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen der Kleidung des Mannes und jener der Frau ist der weiße Schleier, der ihr Gesicht und ihren Hals vollständig einfasst und sie als verheiratet ausweist. Geht man nach dieser und anderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Darstellungen, so scheint es, dass es abgesehen vom Schleier keine spezielle Bekleidung für Pilgerinnen gegeben hat 82 . Jakobus und Dürer Rund ein Jahrzehnt vor der Kronacher Tafel entstand in Nürnberg Albrecht Dürers sogenannter „Heller-Altar“ (1509) 83 (Abb. 16). Auftraggeber des mehrteiligen Retabels war der Frankfurter Kaufmann und zeitweilige Bürgermeister Jakob Heller (um 1460-1522). Angefertigt wurde es als Altarretabel für die Grablege der Eheleute Heller in der Frankfurter Dominikanerkirche. Der „Heller-Altar“ enthält einige der wenigen Jakobus-Darstellungen im Oeuvre Albrecht Dürers. Nürnberg besaß zwar mit der zur dortigen Deutsch- 81 Kronach, Fränkische Galerie, Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums, Inv. R 52; vgl. Heinz b raune u.a., Katalog der Gemälde des Bayerischen Nationalmuseums (Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums 8, 1908), S. 128, Nr. 410; Wallfahrt kennt keine Grenzen. Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum, München 28. Juni bis 7. Oktober 1984, bearb. von Thomas R aff u.a. (1984), S. 136 f., Nr. 192. Zu den erhaltenen Tafeln vgl. b aierl , „Da sprungen due huener“ (wie Anm. 75) S. 49 f. 82 Vgl. g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 24 f. 83 Jochen s ander / Johann s chulZ , „Will ich noch etwaß machen, das nit viel leut khönnen machen.“ Dürer und der „Heller-Altar“, in: Dürer. Kunst - Künstler - Kontext, hg. von Jochen S ander (2013) S. 219-233; Bernhard d ecKer , Dürer und Grünewald. Der Frankfurter Heller-Altar. Rahmenbedingungen der Altarmalerei (1996). Der Flügelaltar befindet sich heute im Historischen Museum Frankfurt. Die Mitteltafel mit der Krönung Mariens ist jedoch eine Kopie des Nürnberger Malers Jobst Harrich von 1613; das Original wurde 1613 von Herzog Maximilian I. von Bayern erworben und beim Münchner Residenzbrand 1729 zerstört. <?page no="129"?> 130 Anja Grebe ordenskommende gehörenden Jakobskirche einen wichtigen Stützpunkt der Jakobus-Verehrung in Franken, doch ist die Reichsstadt insgesamt nicht als „Jakobus-Stadt“ ins kunsthistorische Bewusstsein getreten. Dies mag nicht zuletzt an der Prominenz des mit ganz ähnlichen Attributen versehenen Stadtheiligen Sebaldus liegen, der Jakobus in Kult und Kunst als Pilgerheiliger deutlich überlagerte 84 . Im Zentrum des „Heller-Altars“ ist die Marienkrönung mit den um das leere Grab versammelten Aposteln zu sehen. Die Mitteltafel wird von zwei Seitenflügeln flankiert, die Szenen aus der Vita der Namensheiligen der Stifter zeigen, die in den gemalten Steinnischen darunter knien. Auf dem linken Flügel ist die Enthauptung des hl. Jakobus, dem Patron Jakob Hellers, dargestellt, auf dem rechten Flügel das Martyrium der hl. Katharina, der Patronin seiner Gattin Katharina von Melem 85 . 84 Der heilige Sebald, seine Kirche und seine Stadt. Ausstellung im Stadtmuseum Nürnberg (Ausstellungskataloge des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg Nr. 8, 1979); Gerhard w eilandt , Die Sebalduskirche in Nürnberg. Bild und Gesellschaft im Zeitalter der Gotik und Renaissance (2005). 85 Zur Frage der ursprünglichen Anordnung der Tafeln vgl. d ecKer , Dürer und Grünewald (wie Anm. 83). Abb. 16: Albrecht Dürer, Heller-Altar, 1509 (Frankfurt a. M., Historisches Museum) <?page no="130"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 131 Ähnlich wie Friedrich Herlin, dessen Rothenburger Jakobus-Altar Dürer möglicherweise bekannt war, stellte auch Dürer im Hintergrund des Jakobus-Martyriums den Weitertransport des Leichnams, hier auf einem mit einem schwarzen Leichentuch bedeckten Sarg auf einem Ochsenkarren, dar. Ein deutlicher Unterschied zwischen Dürer und Herlin besteht jedoch in der Darstellungsweise des hl. Jakobus. Stellte Herlin ihn historisch korrekt im Apostelgewand dar und verzichtete bis auf die Muschel am Hut auf weitere Attribute, so ist Dürers Jakobus deutlicher als Pilger(-Heiliger) ausgewiesen. Unter dem weiten roten Umhangmantel trägt er ein blaues, wadenlanges Gewand, helle Beinkleider und Wanderschuhe. Weitere Ausstattungsgegenstände sind ein doppelknäufiger Stab, eine große Schultertasche und ein breitkrempiger, in den Nacken gerutschter Hut, der mit einer Jakobsmuschel zwischen zwei schwarzen Figürchen verziert ist, die an die Azabache-Pilgerzeichen am Hut des Stephan III. Praun erinnern. Im Kontext des „Heller-Altars“ ging es nicht um eine stimmige Darstellung der Jakobs-Vita, sondern um eine möglichst deutliche Kennzeichnung des Stifterpatrons durch entsprechende Attribute. In ergebener Haltung empfängt der Heilige sein Martyrium. Sein Blick und die betend bzw. fürbittend gefalteten Hände sind auf die Mitteltafel mit der Krönung Mariens und den um das leere Mariengrab versammelten Aposteln gerichtet. Unter diesen muss sich auch sein Alter Ego, der Apostel Jacobus maior, befinden. Allerdings lässt er sich in der Menge der ohne Attribute dargestellten Apostel nicht eindeutig identifizieren. Auch ein Vergleich der Physiognomien von Seitenflügel und Mitteltafel gibt keinen Aufschluss, welcher der um das Grab versammelten Apostel als hl. Jakobus zu identifizieren ist 86 . Dürers „Heller-Altar“ ist damit ein wichtiges Beispiel für die Koexistenz der verschiedenen Darstellungstraditionen des hl. Jakobus, die bis in die Neuzeit hinein weiterbestanden und hier in einem Werk vereint wurden. Fazit Wie die in diesem Beitrag diskutierten Beispiele aus vier Jahrhunderten verdeutlichen, gab es in Franken im Mittelalter und der Frühen Neuzeit verschiedene Darstellungstypen des hl. Jakobus, unter denen sich zwei Haupttypen unterscheiden lassen. Neben dem im frühen Mittelalter entstandenen „Apostel-Typus“ tritt ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts der „Pilger-Typus“. Es kommt jedoch zu keiner Ablösung des einen durch den anderen Typus, viel- 86 Allgemein wird angenommen, dass es sich bei der Tafel Harrichs um eine getreue Kopie handelt, was durch zeitgenössische Quellen bestätigt wird. Die Apostelfiguren auf der Mitteltafel waren also wohl bereits im Original typisiert. Zur Kopie Jobst Harrichs vgl. Anja g rebe , Dürer - Die Geschichte seines Ruhms (2013) bes. S. 190. <?page no="131"?> 132 Anja Grebe mehr existieren beide, wie sich u.a. am Beispiel von Dürers „Heller-Altar“ sehen lässt, bis in die Neuzeit hinein parallel. Den Künstlern standen ab der Mitte des 13. Jahrhunderts demnach zwei Grundmuster zur Verfügung, die sie je nach Bildaufgabe anpassen und abwandeln konnten. So lassen sich immer wieder Mischformen bzw. Assimilationen beobachten, wie im Falle der Jakobusstatue aus dem Würzburger Schottenkloster oder der Jakobusfigur des Rothenburger Chorfensters. Bei beiden handelt es sich vom Grundtyp her um einen „Apostel-Jakobus“, der allerdings einige Pilger-Elemente angenommen hat. Statt eines Wandels oder gar Bruchs muss also von einer Diversifizierung der Formen gesprochen werden. Weder der „Apostel-Typus“ noch der „Pilger-Typus“ sind eine spezifisch fränkische Entwicklung. Vielmehr adaptierten die Künstler Grundmuster aus anderen Kulturregionen, insbesondere Spanien und Frankreich als den Hauptregionen der Pilgerbewegung und Jakobusverehrung in Europa. Die dort entwickelten Darstellungsweisen des Heiligen erhielten mit einigen Jahrzehnten Verzögerung in Franken Einzug, wo sie von den Künstlern entsprechend des jeweiligen Bildthemas und den örtlichen Stilen bzw. der individuellen Manier abgewandelt wurden. Insgesamt ergibt sich in Franken das Bild eines eher konservativen - oder, anders ausgedrückt: traditionsbewussten - Umgangs mit den verschiedenen Darstellungsweisen des hl. Jakobus. Aus der Menge der oft sehr ähnlich wirkenden Jakobus-Darstellungen ragen einzelne Werke, allen voran Herlins Altartafeln in der Rothenburger St. Jakobskirche, heraus. Im Gegensatz zu anderen Regionen, etwa Schwaben, dem Oberrhein oder Tirol, finden sich unter den erhaltenen Bildwerken Frankens nur wenige erzählende Szenen, was allerdings auch durch die durch Reformation, Kriege und Kirchenrenovierungen bedingte lückenhafte Überlieferungssituation beeinflusst sein kann. Im Spätmittelalter bekam Jakobus zudem „Konkurrenz“ durch örtliche Pilgerheilige, allen voran dem hl. Sebald in Nürnberg, oder durch den in Franken ebenfalls vielerorts verehrten Pestheiligen Rochus 87 . Die ikonographische Angleichung, die für den hl. Rochus am Beispiel des Titelblatts des Stammbuchs von Jakob Praun beschrieben wurde, fand ähnlich auch im Falle des hl. Sebald statt. Wie u.a. Albrecht Dürers Holzschnitt des hl. Sebald in einem großformatigen Einblattdruck mit einer Ode des Konrad Celtis an den „Sanctus Sebaldus“ (um 1501/ 02) zeigt, entspricht die Ikonographie des hl. Sebald mit Pilgerstab, Tasche, Pilgerhut mit Pilgerzeichen, Pilgermantel und Schuhen fast exakt jener des „Pilger-Jakobus“, oft ist der Heilige sogar mit einer Jakobsmuschel wiedergege- 87 Vgl. Der heilige Sebald (wie Anm. 84); g rebe , Pilgrims and Fashion (wie Anm. 1) S. 26. <?page no="132"?> Jakobus in Franken im Spiegel der Bildkünste des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 133 ben 88 (Abb. 17). Das einzige Unterscheidungsmerkmal und zugleich spezifische Attribut des hl. Sebald ist das Kirchenmodell, das er in seiner Linken trägt. Als Miniaturmodell der Nürnberger St. Sebaldus-Kirche weist es auf die Grablege 88 s chOch / M ende / s cherbauM , Albrecht Dürer (wie Anm. 48) S. 112, Nr. 129. Abb. 17: Albrecht Dürer, Hl. Sebaldus. Holzschnitt zu Conrad Celtis, Deo optimo Maximo & diuo Sebaldo Patrono, um 1501/ 1502 (Foto: Trustees of the British Museum) <?page no="133"?> 134 Anja Grebe des Heiligen als Zentrum seiner Verehrung und Hauptort seines Wunderwirkens hin. Während die Wallfahrt zum Sebaldusgrab nach 1525 offiziell beendet war, begaben sich Nürnberger Bürger weiterhin auf Santiagofahrt. Wie prägend die Figur des hl. Jakobus in Franken war, zeigt sich nicht zuletzt an dieser Wirkmächtigkeit über die Einführung der Reformation hinaus. <?page no="134"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider Annette Späth Die Steinfigur von Jakobus dem Älteren, die einst am Strebepfeiler der Marienkapelle in Würzburg stand, ist für das steinplastische Werk von Tilman Riemenschneider (1460-1531) bedeutend. Die Wiederentdeckung der verschollen geglaubten Steinfigur war 1990 eine kleine Sensation für die Riemenschneiderforschung 1 (Abb. 1-3). Die Jakobusfigur gehört zu einem Apostelzyklus, den der Bildhauer mit seiner Werkstatt für die Nischen der äußeren Strebepfeiler des Kirchengebäudes geschaffen hat (Abb. 4-6). Die Nischenfiguren zählen zu den urkundlich gesicherten Werken Riemenschneiders. Da die Marienkapelle die einzige stadteigene Kirche Würzburgs war, erhielt der Bildhauer den Auftrag für die vierzehn monumentalen Sandsteinfiguren vom Rat der Stadt. Mit Christus, Johannes dem Täufer und den zwölf Aposteln standen die überlebensgroßen Steinskulpturen einst in den äußeren Strebepfeilernischen der Kapelle. Zahlreiche schriftliche Quellen bieten Anhaltspunkte für ihre Entstehung. Längst schmücken nicht mehr die originalen Bildwerke das Äußere des Kirchengebäudes am Würzburger Markt. Bereits im 19. und 20. Jahrhundert wurden fast alle Figuren bei Kirchenrenovierungen durch gehauene Kopien oder Steinabgusskopien ersetzt. Abgesehen von der Figur Jakobus’ des Älteren befinden sich die originalen Sandsteinfiguren heute im Würzburger Dom und im Mainfränkischen Museum (jetzt: Museum für Franken). Die Jakobusfigur ist über 400 Jahre bis 1992 in ihrer ursprünglichen Aufstellung in der südöstlichen Strebepfeilernische an der Kirche verblieben und hat am 16. März 1945 die starke Zerstörung der Marienkapelle unbeschadet überdauert. Heute ist sie als Leihgabe der Katholischen Marienkapellenstiftung Würzburg im Museum am Dom ausgestellt. 1 Annette s Päth , Tilman Riemenschneiders Nischenfiguren an der Würzburger Marienkapelle (Magisterarbeit masch. Würzburg 1990). Der am 3. Oktober 2014 anlässlich der Jahrestagung der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft in Würzburg gehaltene Vortrag baut auf den Ergebnissen der Magisterarbeit auf und kann diese freilich nur im Überblick und unvollständig wiedergeben. <?page no="135"?> 136 Annette Späth Abb.1-3: Tilman Riemenschneider: Jakobus der Ältere, Sandstein, 1503/ 1504 (Museum am Dom, Würzburg. Leihgabe der Katholischen Marienkapellenstiftung Würzburg; Aufnahme: Winfried Berberich, Kunstschätzeverlag) <?page no="136"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 137 Die Nischenfiguren der Marienkapelle sind das größte bekannte steinplastische Werk Riemenschneiders. Einige Sandsteinfiguren sind in ziemlich schlechtem Zustand erhalten. Dies dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, dass der Figurenzyklus von der kunsthistorischen Forschung lange kaum beachtet wurde und bis 1990 weitgehend unerforscht blieb 2 . Die Figur von Jakobus dem Älteren galt bis 1990 als verloren, die originale Apostelfigur in der Nische hielt man irrtümlich für eine Kopie. Forschungsgeschichte 1841 werden die Nischenfiguren erstmals von Carl Gottfried Scharold erwähnt, der eine Datierung von 1500-1506 vorschlug 3 . Die erste Monographie über das Werk Tilman Riemenschneiders hat Carl Becker im Jahr 1849 verfasst 4 . Er pu- 2 Die Bearbeitung der Nischenfiguren im Rahmen einer Magisterarbeit erfolgte auf Anregung von Prof. Dr. Stefan Kummer an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 3 Carl Gottfried s charOld , Kleeblatt Würzburger Künstler, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 6 (1841) S. 144-153. 4 Carl b ecKer , Leben und Werke des Bildhauers Tilmann Riemenschneider, eines fast unbekannten aber vortrefflichen Künstlers am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts (Leipzig 1849) S. 11 f. Abb. 4: Jakobus der Ältere (Original) und Jakobus der Jüngere (Kopie) in den Strebepfeilernischen der Würzburger Marienkapelle (Aufnahme von 1990: Annette Späth) <?page no="137"?> 138 Annette Späth blizierte u.a. die Zahlungsbelege der Marienkapellenrechnungsjahre 1502/ 1503 und 1505/ 1506, die sich auf die Steinfiguren beziehen. Davon ausgehend schloss er auf eine Entstehungszeit zwischen 1500 und 1506. Diese von der späteren Forschung fast ausschließlich übernommene Datierung geht allerdings nicht eindeutig aus den Quellen hervor. Einige Figuren dürften schon früher, nämlich seit 1493, entstanden sein 5 . Die kunsthistorische Einordnung der Nischenfiguren als Gehilfen- oder Meisterwerk Riemenschneiders wird seit dem 19. Jahrhundert kontrovers diskutiert. Denn einige Sandsteinfiguren waren wohl schon im 19. Jahrhundert in schlechtem Zustand und mehrfach restauriert, was die Beurteilung der Ausführung schon damals erschwert haben dürfte. Schon Becker bedauerte den abgewitterten Erhaltungszustand einiger Figuren und bemerkte, dass die einzelnen Apostel untereinander „sowohl in Erfindung als auch in Ausführung sehr ungleich seien“. Dabei hob Becker die Qualität der Figur von Jakobus dem Älteren besonders hervor. „In der Freiheit des Gefühls und im Ausdruck“ gehört sie seiner Auffassung nach zu den „besten Darstellungen dieser Art aus jener Periode.“ Auch der Bad Kissinger Kunst- und Riemenschneidersammler Carl Streit bezeichnete 1888 Jacobus Maior und Minor, Andreas, Bartholomäus, Simon und Matthäus „als höchst gelungene Schöpfungen unseres Meisters.“ 6 Erst über vierzig Jahre später beschäftigte sich Justus Bier in seiner grundlegenden Riemenschneider-Monographie von 1930 wieder umfassender mit den Nischenfiguren 7 . Dabei hielt er Jakobus den Älteren für das Werk eines Gehilfen. Beim Apostelzyklus sei die persönliche Beteiligung Riemenschneiders überwiegend im Entwurf der Figuren zu sehen. Riemenschneider habe die Ausführung der Figuren weitgehend seinen Gehilfen überlassen, vielleicht habe er einzelne Figuren auch im Stein angelegt. Nach dem Erscheinen von Biers Monographie hat sich die kunsthistorische Forschung nur noch am Rande mit dem Apostelzyklus beschäftigt. Max H. von Freeden war 1981 der Auffassung, dass Riemenschneider die Häupter aller Figuren eigenhändig gearbeitet habe 8 . Justus Bier gab dann in einer Publikation von 1982 den wertvollen Hinweis, dass nämlich Jakobus der Ältere als einzige an der Kapelle verbliebene originale Steinfigur anzusehen sei; er ging aber nicht näher darauf ein 9 . Diese Aussage er- 5 Ausführlicher dazu s Päth (wie Anm. 1) S. 101. 6 Carl s treit , Tylman Riemenschneider 1460-1531. Leben und Kunstwerke des fränkischen Bildschnitzers quellenmäßig zusammengestellt (Berlin 1888) S. 24. 7 Justus b ier , Tilman Riemenschneider. Die reifen Werke (Augsburg 1930) S. 126-145. 8 Max H. vOn f reeden , Tilman Riemenschneider. Leben und Werk (München 5 1981) S. 24. 9 Justus b ier , Tilman Riemenschneider. His life and work (Lexington 1982) S. 93. <?page no="138"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 139 schien zunächst auch unwahrscheinlich, insbesondere da sich die Jakobusfigur im Vergleich zu den anderen von der Kapelle abgenommen Originalen erstaunlich gut erhalten hatte. Hanswernfried Muth 10 , Kurt Gerstenberg 11 und Max H. von Freeden 12 hielten Jakobus den Älteren für eine spätere Kopie. Die im Rahmen meiner Magisterarbeit 1990 vorgenommene Auswertung der Quellen, die stilistische Betrachtung und möglichst genaue Untersuchung des Erhaltungszustands hat ergeben, dass es sich bei der Figur von Jakobus dem Älteren um das verschollen geglaubte Original handelt 13 . Als Studentin war es mir damals nicht möglich, ein Gerüst an der Kirche aufzustellen oder einen Hubsteiger anzumieten. So nahm ich mit Fernglas und Teleobjektiv möglichst genaue Beobachtungen an der in hoher Aufstellung an der Kirche stehenden Figur vor. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass sich die Jakobusfigur als einziges Original in mehrfach restauriertem Zustand noch in seiner ursprünglichen Aufstellung an der Marienkapelle befand. Um die für Riemenschneiders Gesamtwerk bedeutende Figur erhalten zu können, sollte der Apostel umgehend vom Strebepfeiler herabgenommen werden. Dies geschah dann auch zwei Jahre später, am 14. Oktober 1992, als die Marienkapelle restauriert wurde. Bei der Kirchenrenovierung wurde ein Gerüst gestellt und somit die Inaugenscheinnahme der Figur in der Nische möglich. Daraufhin nahm man zur Vorbereitung der Ausstellung „Jakobus in Franken“ eine chemische Untersuchung des Steinmaterials vor. Die Untersuchung bestätigte das Ergebnis, dass es sich bei Apostelskulptur um ein Original handelt 14 . Jakobus der Ältere zählt seitdem zu den bedeutenden Figuren des steinplastischen Werks von Tilman Riemenschneider. Die hohe Qualität der Figur spricht meiner Auffassung nach für ein eigenhändiges Werk des Meisters, und es ist gut, dass der Apostel nicht mehr länger der Verwitterung und Verschmutzung 10 Hanswernfried M uth , Tilman Riemenschneider. Die Werke des Bildschnitzers und Bildhauers, seiner Werkstatt und seines Umkreises im Mainfränkischen Museum Würzburg (Mainfränkisches Museum Würzburg, Sammlungskatalog 1, Würzburg 1982) S. 52-80; d ers ., Adam und Eva am Südportal der Marienkapelle in Würzburg, in: Tilman Riemenschneider. Frühe Werke. Ausstellungskatalog Mainfränkisches Museum (Würzburg 1981) S. 243. Dazu s Päth (wie Anm. 1) S. 45. 11 Kurt g erstenberg , Die Bauplastik der Marienkapelle zu Würzburg, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 21 (1958) S. 107-121; d ers ., Tilman Riemenschneider (München 5 1962) S. 58. 12 Schreiben von Max H. von Freeden an Burkard Held, Verschönerungsverein, vom 15.3.1977, in: Dokumentationsmappe Marienkapelle. Diözesanarchiv Würzburg (ohne Signatur). 13 s Päth (wie Anm. 1) S. 39-48, 67-72, 100, 101. 14 Wolfgang s chneider , Jakobus der Ältere aus der Apostelreihe der Würzburger Marienkapelle, in: Klaus D. K niffiKi (Hg.), Jakobus in Franken. Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992) S. 68. <?page no="139"?> 140 Annette Späth durch Taubenkot ausgesetzt ist, sondern seinen Platz im Museum am Dom gefunden hat. Über die Riemenschneider-Entdeckung in Würzburg berichteten die Medien 1992 ausführlich 15 . Im Ausstellungskatalog der Würzburger Riemenschneiderausstellung wurde die Figur erstmals 2004 umfassend abgebildet und ihr Erhaltungszustand analysiert 16 . In seinem Katalogbeitrag würdigte Michael Koller 17 die hohe Qualität der Figur, ebenso Stefan Kummer 18 und Claudia Lichte 19 in der vom wissenschaftlichen Beirat der Fränkischen Jakobusgesellschaft 2006 herausgegebenen Publikation. Der Bildhauer, sein Auftrag und die Quellen Eine nicht geringe Zahl von Urkunden zur Apostelreihe der Marienkapelle, Ratsprotokolle und Marienkapellenrechnungen hat Justus Bier 1925 20 und 1930 21 publiziert. Hierbei konnte er auch auf die von Becker entdeckten und veröffentlichten Archivalien zurückgreifen 22 . Bier publizierte zusätzlich umfangreiches Quellenmaterial. Die Ratsbeschlüsse und Ratsprotokolle sind heute noch im Würzburger Stadtarchiv erhalten 23 . Im Fall der Marienkapellenrechnungen ist man jedoch allein auf die bei Bier zu findenden Angaben angewiesen, denn die Rechnungen sind 1945 im Dompfarrarchiv verbrannt. Der Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Würzburg und Tilman Riemenschneider, der für den Beginn der Arbeiten einen konkreten Anhaltspunkt hätte geben können, ist nicht überliefert. 15 Barbara s chnabel , Jakobus, der Echte. Die Riemenschneider-Entdeckung in Würzburg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 251 vom 18. Oktober 1992, S. 36. 16 Bodo b ucZynsKi , Der Skulpturenzyklus Tilman Riemenschneiders für die Würzburger Marienkapelle - eine Bestandsaufnahme, in: Claudia l ichte (Hg.), Tilman Riemenschneider - Werke seiner Blütezeit (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg, Regensburg 2004) S. 175-193. 17 Michael K Oller , Heiliger Jakobus der Ältere, in: Jürgen l enssen (Hg.), Tilman Riemenschneider - Werke seiner Glaubenswelt (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum am Dom, Würzburg, Regensburg 2004) S. 308-309. 18 Stefan K uMMer , Typisierung und Individualisierung spätgotischer Heiligenfiguren, in: Paul-Ludwig w einacht (Hg.), Der Heilige Jakobus im Werk von Tilman Riemenschneider (Gerchsheim 2006) S. 30 f. 19 Claudia l ichte , Zwei Jakobusfiguren Riemenschneiders aus Münchner und Stuttgarter Museumsbesitz, in: w einacht , Der Heilige Jakobus (wie Anm. 18) S. 57. 20 Justus b ier , Tilmann Riemenschneider. Die frühen Werke (Würzburg 1925) S. 99. 21 d ers ., Tilmann Riemenschneider. Die reifen Werke (wie Anm. 7) S. 185-189. 22 b ecKer (wie Anm. 4) S. 11 f. 23 Vgl. dazu Rolf s Prandel , Das Würzburger Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts. Eine historisch-systematische Analyse (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 11, Würzburg 2003). <?page no="140"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 141 Abb. 5: Die Marienkapelle in Würzburg (Aufnahme: Annette Späth) <?page no="141"?> 142 Annette Späth Abb. 6: Die Marienkapelle in Würzburg. Ansicht von Südosten mit Apostelzyklus (Aufnahme: Annette Späth) <?page no="142"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 143 Die Marienkapelle, eine dreischiffig gewölbte Hallenkirche mit langegezogenem Polygonchor, ersetzt eine erste hölzerne Kapelle, an deren Stelle einst die Synagoge der Stadt stand. Die Synagoge wurde im Jahr 1349 während der Judenverfolgung zerstört. Die Einwölbung des Chores ist für das Jahr 1393 urkundlich belegt, der Bau des Langhauses ist nur langsam vorangeschritten und war erst um 1440 fertig. Der bauplastische Schmuck an der stadteigenen Kirche war am Ende des 15. Jahrhunderts noch nicht vollständig ausgeführt oder befand sich wohl schon wieder in schlechtem Zustand, so dass der Rat Handlungsbedarf sah. Es war naheliegend, den Bildhauer und Bildschnitzer Tilman Riemenschneider mit der Ausführung des bauplastischen Schmucks an der Ratskirche zu beauftragen. Riemenschneider war seit 1483 in Würzburg ansässig und im Jahr 1485, nach der Heirat mit der Witwe eines Goldschmieds, Bürger der Stadt geworden. Durch seine Heirat erlangte er die Meisterwürde, die es ihm möglich machte, in der Franziskanergasse in Würzburg eine eigene florierende Werkstatt zu betreiben. Am 8. November 1490 beschloss der Rat, neben Riemenscheiders Beauftragung zur Ausführung der Figuren von Adam und Eva, die das Südportal der Marienkapelle flankieren sollten, dem Bildhauer furter anndere bylde zu hawn auswenndigs der Capellenn bevelhenn 24 . Im Ratsbeschluss vom 4. Februar 1492 wurde der Auftrag dann konkretisiert: die pfleger und bawemeister unser lieben frawen capellen sollen von stein hawen lassen die hyligen Zwelfbotten in die leren stette aussen herumb an der capellen gegen den judenplatz . Da es insgesamt 14 Nischen zu schmücken galt, fügte man die Figuren des Salvators und Johannes des Täufers hinzu. Bereits 1492 entlohnte der Rat die Arbeit im Steinbruch: 2 Gulden werden an den steinbrecher von den stein zubrechen uff die 14 Stück steins zun apposteln ausgezahlt . 1499 erfolgten weitere Zahlungen für den Transport der Steine nach Würzburg. Endres Scheffer wird für die Hereinführung von zwey großen steyn zu den zweyen großen bilden unßer liben frawen capellen gehörende bezahlt; elf stück steyns hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt geliefert. Marienkapellenrechnungen dokumentieren Zahlungen an Riemenschneider für die Jahre 1502 bis 1505, die Kapellenrechnungen der Vorjahre sind leider nicht mehr erhalten. Von November 1505 bis Januar 1507 belegen die Rechnungen verschiedene Ausgaben für die Aufstellung der Figuren an der Kirche. Dabei handelte es sich um die Kosten zur Herstellung eines Zuges zu der bild sätzung sowie um Beträge für die Anbringung der Figuren in den Strebepfeilernischen. 24 Hier und im Folgenden vgl. die Quellenzitate bei b ier , Tilmann Riemenschneider. Die frühen Werke (wie Anm. 20), S. 99, Quelle Nr. 14. <?page no="143"?> 144 Annette Späth Ein Mühlmeister, seine Knechte und andere Mitarbeiter erhielten für diese Arbeiten 24 Gulden. Dass der Bau des Kapellenzugs und die Aufstellung der Figuren eine schwere Arbeit war, die Geschick und Können verlangte, wusste der Rat zu würdigen. Denn am 12. Dezember 1506 beschloss er, dem Mühlmeister Jorge 4 Gulden und dem Meister Hanns Weysacker 2 Gulden zu einer vererung zu schenken, darumb das sie itzt groß mühe und vleys gehabt mit auffrichtung der bild an der capellen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Sandsteinblöcke für die Figuren zwischen 1492 und 1499 im Steinbruch gebrochen und geliefert wurden. Es ist naheliegend, dass Riemenschneider bald nach dem Eintreffen der ersten Steine in seiner Werkstatt mit der Arbeit an den 14 monumentalen Sandsteinfiguren begonnen hatte. Denn dieser Großauftrag sollte den Bildhauer und seine Werkstatt mehrere Jahre beschäftigen. Erst am 5. Januar 1507 erhielt Riemenschneider, nachdem bereits alle Figuren an der Kapelle zur Aufstellung gekommen waren, eine Abschlusszahlung für zwei Standbilder 25 . Die der Forschung bisher bekannten Quellen überliefern somit für den Apostelzyklus einen möglichen Entstehungszeitraum zwischen 1492 und 1506. Anhand der Stilanalyse kann dieser für die einzelnen Figuren genauer eingegrenzt und damit auch die künstlerische Entwicklung Riemenschneiders innerhalb der Figurenreihe anschaulich nachvollzogen werden. In diesem Zyklus gehört Jakobus der Ältere zu den später entstandenen Apostelfiguren. Das Original in der Nische Fotografische Aufnahmen aus dem Jahr 1990 zeigen den damaligen Erhaltungszustand der Jakobusfigur in ihrer originalen Aufstellung in der Strebepfeilernische der Marienkapelle (Abb. 7-8). Dass sich die Figur zu diesem Zeitpunkt bereits in einem mehrfach restaurierten Zustand befunden hat, dokumentiert eine Fotografie des Würzburger Fotografen Gundermann, die Justus Bier 1930 publiziert hat und den Zustand der Sandsteinfigur vor 1930 zeigt (Abb. 9): Deutlich ist hier die rechte Hand in ihrer plump ausgebildeten Form als Ergänzung zu erkennen. Die linke Fußspitze ist abgebrochen. Der den rechten Unterarm umschlingende und seitlich herabfallende Umhang ist an seinen Faltenstegen beschädigt. Auch der Mantelsaum, der sich oberhalb des linken Ellenbogens aufwirft, ist von Witterungsschäden betroffen. Vergleicht man diese Aufnahme mit dem im Jahr 1990 vorgefundenen Erhaltungszustand, so ist zu erkennen, dass die Jakobusfigur ein zweites Mal restauriert wurde. 25 Ausführlicher wiederum s Päth (wie Anm. 1) S. 7-15. <?page no="144"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 145 Die abgewitterten Partien des Mantels um und unterhalb des rechten Arms wurden ausgebessert. Ebenso hat man an der Tunika am linken Unterarm und an dem sich über den Pilgerstab legenden Mantelende Ergänzungen vorgenommen. Die linke Hand wurde ergänzt. Die an Händen und Mantel vorgenommenen Ergänzungen zeigen, dass die Figur mehrfach restauriert wurde und sich somit nicht in außergewöhnlich gut erhaltenem Zustand befunden hat, was auf eine Kopie hätte hinweisen können. Es erschien daher unwahrscheinlich, dass die Jakobusfigur eine Steingusskopie sein könnte, an der man bereits 1930 Ergänzungen vorgenommen hatte. Die gut erhaltenen Oberflächen der Steingusskopien, durch die man Anfang des 20. Jahrhunderts andere originale Apostelfiguren ersetzt hatte, sprach dagegen. Eine gehauene Nachbildung konnte man aufgrund der hohen Qualität der Figur ausschließen. Die Untersuchung des Erhaltungszustands von 1990 mit Teleobjektiv und Fernglas im Vergleich mit der vor 1930 zu datierenden historischen Aufnahme legte somit die These nahe, dass die originale Jakobusfigur seit 400 Jahren in Abb. 7 und 8: Jakobus der Ältere in originaler Aufstellung in der Strebepfeilernische der Würzburger Marienkapelle (Aufnahmen von 1990: Annette Späth) <?page no="145"?> ihrer ursprünglichen Aufstellung an der Kirche verblieben war. Das Ergebnis der Stilanalyse konnte dies bestätigen 26 . Stilistische Betrachtung Mit weitem Umhang und Pilgerhut bekleidet steht Jakobus in sich ruhend, in gelöster Haltung vor der Nische am Südosteck des Langhauses. Er hat seinen kantigen Pilgerstab vor sich hingestellt und hält inne. Leicht dreht er sein Haupt nach links, um sich Jakobus dem Jüngeren in der Nische des östlich am Chor benachbarten Strebepfeilers zu zuwenden (Abb. 4). Stand- und Spielbein werden klar voneinander geschieden. Jakobus stellt sein linkes Bein leicht nach außen gedreht vor, so dass es plastisch unter seiner langen Tunika hervortritt. Über seinem rechten Bein fällt sein Gewand mit glattem Stoff hinab. Seine Hände, die seinen Umhang hochziehen und den Stab halten, betonen die vertikale Beruhigung des Standmotivs, das die monumentale Wirkung der auf Untersicht angelegten Figur noch verstärkt. Der Aufstellung in der Nische des Eckpfeilers entsprechend rechnet die Figur nicht nur mit Vorder-, sondern auch mit Seitenansicht. So tritt Jakobus unter Nutzung der gesamten Tiefe des Blocks plastisch aus dem Stein hervor. Durch die Bewegung der Arme fällt der Umhang seitlich herab, so dass die Figur räumliche Präsenz entwickelt, einen geschlossenen Umriss erhält und ihre volle plastische Wirkung an ihrem hohen Aufstellungsort entfalten konnte. Das Gewand folgt dabei der Bewegung des Apostels, dessen Körper plastisch darunter hervortritt. Selbstsicher und natürlich aus sich heraus bewegt steht Jakobus vor uns. Sein natürlich proportioniertes Gesicht wird von ebenso sorgfältig wie differenziert gearbeiteten, miteinander verschlungenen herabfallenden Haarsträhnen gerahmt. Die Gestaltung des Barts in gebohrten, sich verschiedentlich kringelnden Locken ist von ebenso hoher Qualität. Auf die Belebung der Steinoberfläche durch die Summe realistischer Einzelbeobachtungen, wie sie noch bei früheren Figuren Riemenschneiders zu finden ist, wird verzichtet. Vielmehr gehen die fein gearbeiteten Gesichtszüge organisch auseinander hervor und beleben den Ausdruck von innen heraus. Dargestellt ist das ausdrucksstarke Gesicht eines alten Mannes. In der minutiös wie aus Metall gearbeitet wirkenden Brosche, der Muschel am Hut und der Schnalle am Träger der diagonal über die Brust gehängten prallen Pilgertasche, die detailliert in den Nähten und ihrem Verschluss gearbeitet 26 Ebd., S. 67. 146 Annette Späth <?page no="146"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 147 ist, wird das Bestreben, verschiedene Materialien in ihrer Stofflichkeit im Stein wiederzugeben, deutlich. Die hohe Qualität hinsichtlich der Ausführung dieser Apostelfigur weist Jakobus als eigenhändiges Meisterwerk Tilman Riemenschneiders aus. Jakobus maior dürfte zu den reiferen Figuren des Steinfigurenzyklus’ an der Marienkapelle gehören und zwischen 1503/ 1504 entstanden sein. In seiner gelösten, aus sich selbst heraus bewegten, raumschaffenden Haltung wird der große Abstand der stilistischen Entwicklung zu seinen früheren, noch der mittelalterlichen Tradition verpflichteten Werken deutlich. Während alle anderen Apostel an der Kapelle mit den Attributen ihres Martyriums dargestellt sind, gibt sich Jakobus der Ältere eindeutig mit Pilgerhut, Pilgertasche und Stab als Schutzpatron der Pilger zu erkennen. Durch ihre Abb. 9: Jakobus der Ältere in originaler Aufstellung in der Strebepfeilernische an der Würzburger Marienkapelle (Aufnahme vor 1930: Fotostudio Gundermann, Würzburg) <?page no="147"?> 148 Annette Späth Komposition wirkt die Jakobusfigur einerseits unmittelbar präsent, andererseits wirkt sie mit ihrem in sich kontemplativ versunkenen Gesichtsausdruck entrückt. Jakobus ruht sich nicht aus, er stützt sich nicht auf seinen Stab und rastet nicht. Er erscheint als heiliger Mann, der sein Martyrium vor Augen hat. Abb. 10: Jakobus der Ältere als Kopie in der Strebepfeilernische an der Würzburger Marienkapelle (Aufnahme von 2016: Annette Späth) <?page no="148"?> Jakobus der Ältere. Eine monumentale Steinfigur von Tilman Riemenschneider 149 So nimmt er seinen Platz im Kreis der Apostelmärtyrer ein, die zum komplexen theologischen Programm des bauplastischen Schmucks an der Kapelle gehören. Die großplastische Darstellung des Salvators inmitten der Apostel, die die Werkzeuge ihrer Martyrien präsentieren, kam bekanntlich bereits in den Figurenzyklen der Portale frühgotischer Kathedralen in Frankreich zur Darstellung. So ist auch die ikonographische Bedeutung der Apostel in den Nischen der Marienkapelle als Mittler der Gnade in der Tradition der Statuenzyklen am mittelalterlichen Kirchenportal zu verstehen. Wie wohl an keinem anderen Werk lässt sich an den monumentalen Steinplastiken der Apostel, die über einen längeren Zeitraum entstanden sind, die stilistische Entwicklung des Meisters ablesen: Riemenschneider vollzog den Wandel von der spätgotischen Figurendarstellung zu einer moderneren Auffassung, wie die monumentale Sandsteinfigur von Jakobus dem Älteren deutlich zeigt. Das macht sie zu einer besonders bedeutenden Figur im steinplastischen Werk von Tilman Riemenschneider und wirkt darüber hinaus. <?page no="150"?> Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts Wolfgang Brückner Einladungen zu einem Tagungsvortrag haben es in sich 1 . Sie verbinden oft eine bestimmte Erwartungshaltung mit dem Verpflichtungsdruck der anvisierten Sache, hier „Jakobus in Franken“. Ich möge doch am liebsten über „Pilgerfahrt und Volksfrömmigkeit in Franken“ sprechen, wobei bekannt war und ist, dass ich Begriff und Sache „Volksfrömmigkeit“ für eine Chimäre halte und deshalb mein einschlägiges Buch „Frommes Franken“ für alle Bevölkerungskreise titulierte 2 . Also habe ich vorgeschlagen, mich ganz allein zu lassen auf dem Feld der „Franconia sacra“. Da sind selbstverständlich weitere Missverständnisse vorprogrammiert. Das klingt wie „Bavaria sancta“ aus dem 17. Jahrhundert, als man begann, die heimischen Heiligen zu inventarisieren. Soll das etwa heißen: Jakobus sei ein fränkischer Heiliger? Oder ist er eher bloß im Gerede gewesen, wie ich zeigen möchte? Das zielt in Richtung auf die sogenannten Jakobsbrüder, die hier bei uns im 16. Jahrhundert signifikant festgemacht worden sind, weshalb man fragen darf, warum gerade hier? Dazu müssen wir ein wenig in die Geschichte der öffentlichen Bewusstwerdung des Fremden in der Frühen Neuzeit einsteigen. Vorab das corpus delicti aus dem Ständebuch von Hans Sachs (1494-1576) mit Holzschnitten von Jost Amman (1539-1596), in Wort und Bild erdacht zu Nürnberg, gedruckt zu Frankfurt am Main 1568 unter dem Titel „Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden, hoher und niedriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln“ 3 . Das meint einen Aufmarsch sämtlicher Personengruppen nach ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, nach Eigenheiten und Aussehen. Ein solches Programm der immer 1 Der Beitrag basiert auf meinem Vortrag, der auf der Jahrestagung der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft am 3.10.2014 in Würzburg gehalten wurde. 2 Wolfgang b rücKner , Frommes Franken, Kult und Kirchenvolk in der Diözese Würzburg im späten Mittelalter (Würzburg 2008). 3 Am schnellsten greifbar (außer im Netz) der Nachdruck des Insel-Verlages (z.B. Leipzig 1960, Nürnberg 1962). Dazu Rolf Dieter j essewitsch , Das „Ständebuch“ des Jost Amman (1568) (Münster 1987). <?page no="151"?> 152 Wolfgang Brückner schon vorhandenen Stereotypen nennen wir seit seiner systematischen Zusammenschau, vor allem der bildlichen (mit dem Aufkommen der graphischen Reproduktionskünste), den „ethnographischen Blick“ als Wahrnehmungsmuster. Moralisierend offenbarte er sich zunächst in der Form der Totentänze. Sein Entstehen aber hat tatsächlich mit der Entdeckung neuer Welten und Völker zu tun. Der darauf folgende genauere Blick auf die eigene engere Umwelt sollte von da an immer stärker werden, so dass wir für die jüngste Vergangenheit der letzten dreihundert Jahre von einer Wissenstendenz des Binnenexotismus sprechen, z. B. bei der Entdeckung der Bauerntrachten und ihrer Träger. Das Aussehen der Bauern im Nürnberger Umland des 16. Jahrhunderts ist in die Darstellung von Bauernhochzeiten und Kirchweihveranstaltungen eingegangen. Jedoch noch nicht in der Absicht, fromme Landleute zu romantisieren, sondern im Gegenteil, der Bauer war damals noch der Bewohner des Gaues oder pagus und damit ein potentieller paganus , dessen weltliches Treiben ein Abbild von Unvernunft oder gar Gottlosigkeit signalisierte. Moralsatire statt ständischer Vorbildhaftigkeit, so übrigens auch noch bei Hans Sachs in seinen Fastnachtsspielen. Diese mittelalterliche Sicht sub specie aeternitatis spiegelt sich in seinem Ständebuch von 1568 ebenfalls wider, verstärkt durch die reformatorische Bewegung der Zeit, so dass unter den vielen „Standespersonen“ sich auch solche ohne einen ordentlichen Stand oder Beruf, sondern von falschem Lebenswandel befinden. Sie werden am Schluss des Buches als die untersten der Gesellschaft aufgeführt, voran der „Geldnarr“ (heute der Spekulations-Bänker), der „fressend Narr“ (heute der Adipositaskranke), der „Stocknarr“ (= der Tollpatsch oder Dorftrottel), der eigentlich in den Stock, sprich das Gefängnis (heute Anstalt) gehört, der „Schalksnarr“, das ist die eher positive Gestalt des geduldeten Hofnarren oder die des Wahrheit aussprechenden Eulenspiegel aus der damals zeitgenössischen Literatur. Das heißt, hier erscheinen aktuelle Typologien. Sie sind zum Teil als spezifische Gruppen zusammengefasst, in dem sie nacheinander aufgeführt werden: Der Kaufmann, Der Jüd, Der Müntzmeister, Der Goldschlager, Der Krämer . Soll doch wohl heißen: Gold und Geld verderben den Charakter. Die spätere lateinische Ausgabe des Ständebuchs durch den Poeten Hartmann Schopper setzte den Holzschnitt des Bauern und das Bild der Juden mit an den Schluss zu den Narren, wo schon der Stocknarr denselben Holzschnitt wie der Krämer in Gestalt eines Hausierers erhalten hatte. Hier würde man also dem beigefügten kritischen Text nach auch die Jakobsbrüder vermuten dürfen, wie wir gleich sehen werden. Doch der ständische Aufbau der Gesellschaft existierte immer noch felsenfest, zumal sich die angedeutete konfessionelle Sichtweise erst zu Ende des <?page no="152"?> Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts 153 Jahrhunderts im Hinblick auf konstitutive oder organisierte Milieus verfestigte. Noch immer gab es Papst und Kaiser an der Spitze der abendländischen Bevölkerung und damit der Christenheit. Aber die Nürnberger Künstler und Schriftsteller waren in der Regel engagierte Unterstützer der lutherischen Bewegung. Hans Sachs stellte seine literarische Tätigkeit „ganz in den Dienst der Reformation“ im Sinne „seiner bürgerlich-protestantischen Weltsicht“ (Könneker), das heißt einer„enggefaßten bürgerlich-protestantischen Moral“ 4 . Nicht anders steht es um den Holzschnittkünstler Jost Amman. Er illustrierte allein für den Frankfurter Verleger Sigmund Feyerabend reihenweise theologische Traktate, sächsische Prediger, Luthers Bibelübersetzung und eben das vorliegende Ständebuch von 1568 5 . Darum führt nun folgende Frage näher zu unseren Überlegungen. Wo sind nämlich in diesem Panorama der menschlichen Gesellschaft Die Jacobs Brüder eingeordnet, wie deren Überschrift wörtlich lautet? Der Text zum Holzschnitt reimt wie folgt (Abb. 1): Wir Jacobsbrüder, mit grossem hauffen Im land sind hin und her gelauffen / Von Sanct Jacob / Ach und gen Rom Singen und bettlen ohne schom / Gleich anderen presthafften armen / Offt tut uns der Bettelstab erwarmen In Händen / alsdenn wir es treibn Unser lebtag faul Bettler bleibn. Gemeint sind die Pilger schlechthin, und sie werden als übel beleumundet beschrieben, so dass sie, wie schon gesagt, eigentlich zu den Narren zählen müssten. Sie werden jedoch geradezu ironisch anders plaziert. Der Bettel-Schimpf darf bei einem fränkischen Handwerksmeister, dem Hans Sachs, nicht verwundern. Bettler waren bis in die Neuzeit nicht als ein soziales Faktum erkannt, sondern galten stets als eine moralische Konstante. Im Neuen Testament sagt Jesus: „Arme werdet ihr immer haben“ 6 . Bettelleute blieben stets als Faulenzer verschrien und wurden daher später von den Aufklärern in besonders errichtete Arbeitshäuser gesteckt. Die Pilger-Gleichsetzung mit Bettlern besitzt jedoch in unserem Zusammenhang noch zusätzlich reformatorische Abscheu, was daran zu erkennen ist, dass sie in die bislang gültige Hierarchie der Stände ziemlich an den Anfang gestellt 4 Vgl. Dorothee K lein , Hans Sachs. Bildung und Belehrung (Stuttgarter Arbeiten 197, Stuttgart 1988). 5 Ilse O’b ell , Jost Ammans Buchschmuck (Wiesbaden 1993). 6 So etwa Mt 26,11. <?page no="153"?> 154 Wolfgang Brückner Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des Jost Amman von 1568 <?page no="154"?> Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts 155 erscheinen. Diese beginnt mit den altkirchlichen Hierarchien vom Papst über Kardinal und Bischof zu den Priestern („Pfaffen“) und Mönchen (die übrigens zumindest für die eigene Gegenwart kritisiert werden) und endet mit den Pilgern als Jakobsbrüdern. Wenn das die wahren Gläubigen sein sollen (eben nicht die Viatores des Zweiten Vatikanischen Konzils auf dem Weg durch die Welt zum Heil), dann bedarf es wahrhaftig der Reformation, so muss ein aufmerksamer und frommer Leser schließen, der diese vagierende Minderheit zu Outcasts gestempelt sieht. Sie gehörten ganz offensichtlich zu den Clochards ihrer Zeit, den Wohnsitzlosen, Unregistrierten, also zum abschreckenden Straßengesindel. Das war übrigens keine ganz neue Sicht. Die mittelalterlichen Dichter kannten schon die „peregrinatio vagandi causa“, was die herumziehenden Scholaren als singende und oft besungenen Vaganten meint, während das kritische Diktum „Wallfahrer kommen selten in den Himmel“ verschiedenen geistlichen Autoren älterer Reformbewegungen zugeschrieben wird 7 . Andererseits hat zu Beginn des 16. Jahrhunderts Geiler von Kaisersberg, der berühmte Prediger zu Straßburg, die allgemeine Pilgerausrüstung allegorisch ausgedeutet zur moralischen Belehrung und dies drucken lassen als „Buch vom christlichen Bilger“, in Basel 1512 8 . Jost Amman behielt in einem seiner späteren Werke die Zuordnung von 1568 bei, indem er die Pilger als „Moschel-“ oder eben „Muschelbrüder“ aufnahm. Das spätere Bilderbuch trägt den Titel „Ständ und Orden der H. Römischen Katholischen Kirchen, darinnen aller geistlichen Personen, H. Ritter und dero Verwandten Habit und Kleidung in schönen und künstlichen Figuren dargestellet werden“, erschienen in Frankfurt 1585. Hier finden sich die „Jacobsbrüder“ eingeordnet unter Ordensrittern, Bruderschaften, Einsiedlern und Geißlern, mithin unter das geistliche Proletariat. In der Reihenfolge des Ständebuchs von 1568 entspricht auf der weltlichen Seite die nach den Jakobsbrüdern anstehende Numerierung vom Kaiser abwärts über König, Fürst und Edelmann. Schließlich kommt als dritte Gruppe der akademische Geistesadel an die Reihe, beginnend mit dem höchsten und damals einem Adelsbrief gleichkommenden Universitätsgrad, dem Doktor (hier als Arzt), gefolgt vom reichen Apotheker (wir würden heute sagen: als Beispiel für die 7 Vgl. zu diesem Kontext jetzt auch Peter r ücKert , Jakobusbrüder und falsche Pilger um 1500 unterwegs im deutschen Südwesten, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia a lrauM u.a. (Bochum 2016) S. 163-174 mit Abb. S. 467 f. 8 Johann g eiler vOn K aysersberg , Christenlich Bilgerschafft, Basel 1512. Dazu ausführlich Volker h OneMann , Geiler von Kaysersberg und das Pilgern, in: Pilgerheilige und ihre Memoria, hg. von Klaus h erbers / Peter r ücKert ( Jakobus-Studien 19, Tübingen 2012) S. 165-204. <?page no="155"?> 156 Wolfgang Brückner gut bezahlten Lebenswissenschaftler), dann dem Bildhauer, also dem bildenden Künstler, schließlich dem Verwaltungsjuristen („Procurator“ oder Anwalt als Beispiel) und dann dem damals oft von studierten Personen betriebenen, intellektuellen Sektor Buchwesen: Schriftsetzer, Formschneider, Papierschöpfer, Buchbinder, Illustrator, Illuminator usw. Angesichts dieser Systematik besitzt der Ordnungsplatz der Jakobsbrüder ganz deutlich ein besonderes Gewicht. Um sie für jedermann gut erkennbar zu machen, hat der Holzschneider Jost Amman viele Details der Bekleidung zusammengetragen 9 . Der Holzstock ist übrigens signiert rechts unten mit I.A. In Detailgenauigkeit war er geübt, denn er veröffentlichte um jene Zeit in Frankfurt sein bekanntes Frauentrachtenbuch und war in Nürnberg ein gefragter Illustrator wichtiger Realienwerke, nämlich der frühesten bebilderten Fachlexika, die hier entstanden sind. Zwar gab es für die Darstellung von Pilgern, das heißt von Pilger-Heiligen wie Jodokus, Rochus, Wendelin, Drogo, Alexius und anderen 10 , längst schon ikonographische Erkennungszeichen, voran Pelerine und Hut, dazu Stock und Pilgerflasche, vor allem aber die angeheftete Jakobsmuschel. Amman fügt seinem wohl verheirateten Pilgerpaar noch an Hut und Umhang weitere Pilgerzeichen dazu, vor allem die gekreuzten Pilgerstäbchen aus Elfenbein. Der alte Mann mit großem Schritt trägt einen wallenden Rauschebart, beide besitzen offenbar keine der langen monastischen Rosenkränze. Das kuriose Paar ist in Eile vorgestellt und rennt förmlich vorbei, so wie St. Jakobus gerne schreitend dargestellt wurde. Mit dem Heiligen Jakobus selbst trieb Hans Sachs an anderer Stelle seinen Spott 11 . Der Schwank „St. Jorgen Bild reit dem Pfarrer durch den Ofen in die Stuben“ handelt von einem „alten Pfaff, trutzig und vermessen“, der im Winter seinen Ofen mit den Holzstatuen seiner Kirche heizte. Die wohl besonders ansehnliche und vom „Pfleger“, also dem weltlichen Gemeindevorstand, hochgeschätzte Figur des hl. Jakobus brachte es ans Licht. Um sie verschüren zu können, mussten nämlich Arme und Beine abgehauen werden: Der Pfarrer sprach: „Duck dich Jäckl, du mußt in Ofen! “ 9 Vgl. Norman f Oster , Die Pilger. Reiselust in Gottes Namen (Frankfurt am Main 1982); Wolfgang b rücKner , Pilger, Pilgerschaft, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 3 (1971) Sp. 149 f.; Wallfahrt kennt keine Grenzen. Katalog zur Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum (München 1984). 10 Vgl. zum Kontext der „Pilgerheiligen“ auch die weiteren Beiträge in Pilgerheilige und ihre Memoria (wie Anm. 7). 11 Zum Folgenden: Hans s achs , Gedichte, hg. von Paul M erKer / Reinhard b uchwald (Leipzig 1920) S. 211-215. <?page no="156"?> Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts 157 In Nürnbergs spätmittelalterlicher Tafelmalerei war stets der Stadtpatron St. Sebald im Bild präsent. Er war durch seinen Hut mit Muschel als Pilgerheiliger zu erkennen, auch wenn dieser Lebensstatus in seiner Legende und Verehrung keine besondere Rolle spielte. Er galt als römischer Missionar der Christianisierung, dem vor allem viele Wunder zugeschrieben wurden, und dessen Reliquien im berühmten Schrein man daher bei den Nürnberger Honoratioren bis zum heutigen Tage hoch in Ehren hält. Altbayern kennt hingegen einen Pilgerheiligen in Wolfratshausen, dem übel mitgespielt wurde, indem man ihn als Strolch hinrichtete. Das durch eine moderne Theaterfassung heute so berühmte Edel-Volksstück des Literaten Franz von Kobell über den „Brandnerkasper und das ewigen Leben“ aus dem Jahre 1871 behauptet - und das wird im Himmel gesprochen - dieser unbekannte Nantovinus, vulgo Nantwein, sei umgebracht worden, damit es vor Ort mit einem Martyrer zu einem lukrativen Kult kommen möge. Auf der Bühne jedenfalls irrt er mit Pilgerhut und gefalteten Händen betend im kleinen Vorzimmer des Himmels, eng an der Pforte beim hl. Petrus, dem Portner, um den Tisch berühmter Bayern herum, die sich dort die Zeit mit Schafkopf-Spielen und Weißwurst-Essen vertreiben und natürlich der Neugierde, wen der Tod alles von seiner Kutsche hier abliefern wird. Nantovinus, der nur lateinisch spricht, macht gerne darauf aufmerksam mit dem Ruf: „Appropinquat quidam! “, von einem der Gelehrteren am Tisch dann ins Baierische übersetzt mit „Kimmt wer! “ - Nantwein erhielt im 17. Jahrhundert in Wolfratshausen einen Glaskasten auf dem Altar, ausgestattet mit einer liegenden, als Pilger angekleideten Holzfigur in der Art der damals beliebt gewordenen Katakombenheiligen 12 . Kurz: weltreisende Wallfahrer haben ihre Schicksale, im Nürnberg des 16. Jahrhunderts gleich mehrere. Dort befindet sich nämlich heute noch im Germanischen Nationalmuseum die „echte“ oder „originale“ Pilgerausstattung eines Mitglieds der patrizischen Familie von Praun und zwar Stephans III. aus der Zeit um 1571, über die wir noch weitere Einzelheiten erfahren werden 13 . „Echt“ meint Materialqualität und Schneiderherkunft aus Spanien, doch kaum „original“, was den Träger betrifft, der darin gewiss nicht seine Reise veranstaltet hat, sondern sich nachträglich mit den Emblemen umgab, als Erinnerung an eine tatsächliche Fahrt nach Santiago de Compostela. Deshalb ließ er sich auch in diesem Aufzug porträtieren, wonach eine vereinfachte Kopie für das spätere Stamm- und Wappenbuch der Familie angefertigt worden ist, als exzeptionelles Beispiel der Weltläufigkeit des weitgereisten Kaufmanns, Beraters und Dolmetschers großer Herren. Da spielte Konfession noch keine einengende Rolle, 12 Dokumentiert im Münchner Ausstellungskatalog von 1984 (wie Anm. 9). 13 Vgl. den Beitrag von Anja g rebe in diesem Band. <?page no="157"?> 158 Wolfgang Brückner auch seine Enteignung durch den Nürnberger Vater hatte wohl andere Gründe. Er jedenfalls schloss sich in aller Welt den organisierten Rittern an: Während seiner Tätigkeit in Madrid trat Praun den Jakobus-Rittern bei und unternahm von dort aus einen Besuch in Santiago. Das Erinnerungsporträt zeigt ihn als modischen Spanier mit hohen schlanken Stiefeln und Halskrause, der nur die Pilgerattribute übergeworfen hat: kurzer Regenüberhang, Stab und langer Rosenkranz, vor allem einen über die Maßen geschmückten Hut 14 . Dieser ist in Nürnberg in bestens erhaltenem Zustand zu sehen; seine zahlreichen Muscheln und die vielen aus Bein geschnitzten Pilgerstäbchen weisen ihn als teures Souvenir aus. Der große dunkle Schlapphut kennzeichnete schon im Mittelalter den Pilger; dazu gehörte außer dem Stab nur noch eine Umhängetasche. Reich dekorierte Hüte begegnen daher oft in der Tafel- und Buchmalerei und waren gewiss auch in Compostela auf dem Wallfahrtsmarkt oder bei Spezialhändlern zu erwerben. Bei solchen muss sich auch Stephan von Praun eingedeckt haben. Alles in allem: der Herr war ein Stutzer und kein Jakobsbruder, wie ihn zur gleichen Zeit sein Landsmann Hans Sachs beschrieb, auch wenn er ein für seine Sozialschicht typischer Hin- und Herläufer gewesen ist. Er brach bald danach ins Heilige Land auf - über Venedig, das heißt also per Schiff, ließ sich in Jerusalem zum Ritter vom Heiligen Grab schlagen, zog noch zum Sinai und durch ganz Nordafrika. Verstorben ist er zwanzig Jahre nach seinem Besuch von Santiago im Ritterhospital zu Rom 1591 - Stephan III. Praun führte also ein ganz schön unstetes Wanderleben im Zeichen der Muschel. Ein anderer, aber wirklich hochadeliger Heilig-Land-Pilger, der Pfalzgraf und spätere Kurfürst Ottheinrich, der seine Reise durch einen Gobelin künstlerisch monumentieren ließ, ist im Jahr 1542 ebenso öffentlich Lutheraner geworden. Sein Bildteppich ist heute ein Schmuckstück des Bayerischen Nationalmuseums in München 15 und natürlich nicht vergleichbar mit unserem Ständebüchlein. Jenes stellt als Gattungsbeispiel für die Verbreitung neuer Wahrnehmungsmuster im 16. Jahrhundert eine wichtige Quelle der Stereotypenbildung dar, in deren Zusammenhang die uns interessierenden Jakobsbrüder auftauchen. Die Sekundärliteratur hat schon frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass die serielle Reihung optischer Figuren aller Bevölkerungskreise nach gut erkennbaren Bekleidungen und Attributen der üblichen Berufsstände aus den öffentlichen Wandgemälden der Totentänze stammt, die dann auch von der Reprodukti- 14 Vgl. die Abbildung S. 102. 15 Vgl. dazu etwa die Abbildung des Bildteppichs in Peter r ücKert (Hg.), Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert. Beiträge einer Vortragsreihe des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte Stuttgart (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 167, Stuttgart 2006), Tafel 2. <?page no="158"?> Die Jakobsbrüder aus dem Ständebuch des 16. Jahrhunderts 159 onsgraphik aufgegriffen worden sind. Doch das betrifft mehr die Altersstufen, sozialen Hierarchien und Handwerke, wie sie auch aus dem Publikationstypus „Schachzabelbuch“ noch ganz im mittelalterlichen Sinne bekannt sind. Das, was wir den modernen „ethnographischen Blick“ nennen, stammt aus den Erfahrungen und Bildberichten der Seefahrer nach Amerika und dreht sich um die Welt im Zeitalter der Entdeckungen 16 . Man kannte schon den Begriff der „Ethnica“, vor allem in der Rhetorik, bei der Suche nach katechetisch brauchbaren Topoi aus dem „Wundergarten Gottes“ mit seinen memorabilia und curiositates des allgemeinen menschlichen Theatrum mundi . Dieses alles spiegelt sich in Nürnberg z. B. in der Schedelschen Weltchronik 1491/ 93, während deren Umsetzung in ein gedrucktes Buch der junge Albrecht Dürer als Lehrbub in eben jener Werkstatt von Wolgemut und Pleydenwurff zugegen gewesen ist. Als selbständiger Meister hat er später unter anderem mit illustrierten Flugblättern zu Missgeburten, sogenannten „Monstra“, oder Meerwundern gute Geschäfte gemacht. Die Schedelsche Weltchronik befasste sich noch nicht mit Indianern und Negern, sondern ganz im Sinne der älteren Literatur zu Beginn mit den „Wundermenschen“ nach Plinius d.Ä. Es war die Zeit, als die antike Beschäftigung mit Prodigien, das heißt den Vorzeichen-Erscheinungen in der Natur, zu einer neuen humanistischen Mode des Wissens und der Bücherproduktion mit heranwuchs. Dies schärfte die Beobachtung von Besonderheiten und förderte deren enzyklopädische Dokumentation, führte aber auch schon zu dem früher erst für unsere Epoche konstatierten Phänomen der Binnenexotik, nämlich den neuen ethnographischen Blick auch auf die eigene Umwelt und heimische Region zu richten. Wiederum steht hierfür Nürnberg als Innovationsplatz. Es entstanden Reihengraphiken, die aus städtischer Sicht auf das Land projizierten, welche die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Leute aufgrund ihres „outfits“ festhielten, also z. B. patrizische Bräute im Unterschied zu bäurischen Brautpaaren, höhere Töchter im Gegensatz zu Dienstmägden usw. wir stehen damit zugleich am Beginn unserer Regenbogenpresse mit den Bildberichten über heutige Vorbildkreise, Geldmilieus etc. Die baldige Konzentration auf die städtischen Handwerker und deren Produkte führte zur Druckgraphik-Gattung der „Cris de Paris“, der sogenannten Kaufrufe oder Ausruferserien des Wanderhandels. Hier dominierte das Kuriose und damit der Unterhaltungseffekt. Mithin kein Wunder, wenn die „Muschelbrüder“ zumindest am Anfang der Entwicklung und schließlich bei den geistlichen Rangfolgen nicht fehlen durf- 16 Wolfgang b rücKner , Fremdheitsstereotypen. Der ethnographische Blick als neues Wahrnehmungsmuster visueller Art in der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang h arMs / Alfred M es serli u.a. (Hg.), Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt (Basel 2002) S. 145-167. <?page no="159"?> 160 Wolfgang Brückner ten. Sie mehrten das erwünschte bunte Bild und ließen sich sogar für indirekte kritische Hinweise verwenden, wie wir gesehen haben. Sie stellen jedenfalls keine Momentaufnahme dar, sondern demonstrieren einen „Stereotyp“. <?page no="160"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter Peter Rückert Einführung Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Jakobusverehrung in Franken, den regionalen Zeugnissen des Jakobuskults und der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela, kann mittlerweile auf einem gediegenen Forschungsstand aufbauen. Vor allem mit den Arbeiten von Robert Plötz 1 und Wolfgang Brückner 2 ist die mainfränkische Sakraltopographie auch für das Mittelalter und gerade im Hinblick auf den Jakobuskult gut aufgearbeitet, zudem hat sich bereits 1992 ein Sammelband unter dem Titel „Jakobus in Franken“ 3 ausführlich einzelnen zentralen Aspekten des Themas speziell für diesen Raum gewidmet. Doch hat die mediaevistische Forschung inzwischen neue Fragestellungen entwickelt und Schwerpunkte gesetzt, die sich in ihrer aktuellen kulturgeschichtlichen Ausrichtung anregend und erkenntnisträchtig in die folgenden Überlegungen einbringen lassen. Die verstärkte Beschäftigung mit der sozialen und räumlichen Mobilität der mittelalterlichen Gesellschaft, verbunden mit Fragen nach Kommunikation und Kulturtransfer lässt auch bekannte Schriftquellen und materielle Zeugnisse der Kultgeschichte neu befragen und den Blick auf ihre Überlieferungskontexte schärfen 4 . Dies gilt gerade auch für Untersuchun- 1 Vgl. vor allem Robert P lötZ , Santiago-Peregrinatio und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, Bd. 31 (1984), hg. von Odilo e ngels , S. 24-135. Siehe dazu auch seinen Beitrag in diesem Band. 2 Zuletzt Wolfgang b rücKner , Frommes Franken. Kult und Kirchenvolk in der Diözese Würzburg im späten Mittelalter (Würzburg 2008). Dazu auch seinen Beitrag Volksfrömmigkeit vor 1517, in: Peter K Olb / Ernst-Günter K renig (Hg.), Unterfränkische Geschichte, Bd. 2: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters (Würzburg 1992) S. 301-336. 3 Klaus D. K niffKi (Hg.), Jakobus in Franken. Unterwegs im Zeichen der Muschel (Würzburg 1992). 4 Vgl. dazu etwa die anregenden Beiträge in dem Sammelband von Rainer C. s chwin ges / Christian h esse / Peter M Oraw (Hg.), Europa im späten Mittelalter. Politik-Gesell- <?page no="161"?> 162 Peter Rückert gen zum zeitgenössischen Verkehrs- und Nachrichtenwesen 5 und im Besonderen für den Pilgerverkehr 6 : Wir verstehen darunter mittlerweile die am Besuch von heiligen Stätten ausgerichtete Mobilität von Personen, ungeachtet ihres sozialen Profils oder ihrer räumlichen Reichweite 7 . Gleichzeitig repräsentieren diese Pilger, die sich zumindest im Mittelalter auch als solche verstehen, eine besondere, sozialreligiös determinierte Kategorie der Reisenden 8 und bringen dies in der Regel auch in symbolkräftigen Formen zum Ausdruck. Bemerkenswerterweise orientieren sich diese Formen, die im europäischen Maßstab ab dem 12. Jahrhundert großräumig greifbar werden, an der Ikonographie des hl. Jakobus; sie entwickeln sich zu Attributen mit Muschel und Stab, Tasche und Hut und wirken so wieder auf die Heiligenikonographie zurück 9 (Abb. 1). Sein Grab in Santiago de Compostela zählte ab dem Hochmitschaft-Kultur (Historische Zeitschrift Beiheft 40, München 2006) S. 489-510. Zu Reisen und Kulturtransfer siehe besonders die Forschungen von Folker r eichert , Reisen und Kulturbegegnung als Gegenstand der modernen Mediävistik, in: Hans-Werner g ötZ (Hg.), Die Aktualität des Mittelalters (Bochum 2000) S. 231-254; d ers ., Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter (Stuttgart 2001), dazu den Forschungsüberblick von Folker r eichert / Peter r ücKert , Reisen und Reiseliteratur im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 68 (2009) S. 11-18. 5 Rainer C. s chwinges (Hg.), Straßen und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 66, Ostfildern 2007); Rainer C. s chwinges / Klaus w riedt , Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa (Vorträge und Forschungen 60, Ostfildern 2003); Thomas s ZabO (Hg.), Die Welt der europäischen Straßen: Von der Antike bis in die Frühe Neuzeit (Köln u.a. 2009). 6 Robert P lötZ (Hg.), Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt ( Jakobus-Studien 2, Tübingen 1990); Ludwig s chMugge , Zu den Anfängen des organisierten Pilgerverkehrs und zur Unterbringung und Verpflegung von Pilgern im Mittelalter, in: Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter, hg. von Hans Conrad P eyer u.a. (München/ Wien 1983) S. 37-60; mit Bezug auf Süddeutschland: Klaus h erbers , Wol auf sant Jacobs straßen! Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskults in Süddeutschland (Ostfildern 2002); des Weiteren Klaus h erbers / Dieter R. b auer (Hg.), Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive ( Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) und zuletzt Klaus h erbers , Pilgertraditionen und Jakobusspuren in Südwestdeutschland, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 68 (2009) S. 19-40. 7 Dazu bereits ausführlicher Peter r ücKert , Der spätmittelalterliche Pilgerverkehr am und auf dem Oberrhein - Wege und Zeichen, in: Thomas f ranK / Michael M atheus / Sabine r ei chert (Hg.), Wege zum Heil. Pilger und Heilige Orte an Mosel und Rhein (Geschichtliche Landeskunde 67, Stuttgart 2009) S. 241-258. 8 Ludwig s chMugge , Die Pilger, in: Peter M Oraw (Hg.), Unterwegssein im Spätmittelalter (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 1, Berlin 1985) S. 17-47, 105-108. 9 Robert P lötZ , Imago Beati Jacobi. Beiträge zur Ikonographie des heiligen Jakobus, in: Lenz K riss -r ettenbecK / Gerda M öhler (Hg.), Wallfahrt kennt keine Grenzen (München/ Zürich 1983) S. 248-264. Dazu auch die einschlägigen Beiträge in Klaus h erbers / Robert P lötZ (Hg.), Der Jakobus-Kult in „Kunst“ und „Literatur“. Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton ( Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998). <?page no="162"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 163 telalter bekanntlich zu den großen abendländischen Pilgerzielen; der mit dem Besuch dort verbundene Gnadenerwerb war allgemein bekannt, Jakobus selbst bald zum Patron der Pilger geworden 10 . Im Folgenden soll vor diesem kulturgeschichtlichen Hintergrund nach dem mittelalterlichen Pilgerverkehr in Mainfranken gefragt werden. Dabei soll es vor allem um das Gebiet zwischen Main und Tauber gehen, südwestlich der fränkischen Metropole Würzburg, dem Bischofssitz und bekannten „Zentrum“ des Jakobuskults in Mainfranken 11 . Dieser Raum, zwischen Würzburg, Wertheim im Westen und Mergentheim im Süden, zählt gleichwohl zu einem Randgebiet des herrschaftspolitischen Einflusses der Würzburger Bischöfe, die hier über das Mittelalter hinweg vor allem mit dem Erzstift Mainz und den Grafen von Wertheim konkurrieren mussten, und ist auch sakraltopographisch kaum profiliert 12 . 10 Vgl. zu diesem Kontext zuletzt die Beiträge in Klaus h erbers / Peter r ücKert (Hg.), Pilgerheilige und ihre Memoria ( Jakobus-Studien 19, Tübingen 2012). 11 Vgl. b rücKner , Volksfrömmigkeit (wie Anm. 2), v.a. S. 319 ff. Dazu auch der Beitrag von Robert P lötZ in diesem Band. 12 Vgl. Peter r ücKert , Die Siedlungslandschaft des Würzburger Raumes im Hoch- und Spätmittelalter, in: Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs, hg. von Ulrich w agner (Stuttgart 2001) S. 166-182. Abb. 1: Der hl. Jakobus mit Pilgerstab und Muschel auf der Predella von Urphar, um 1500 (Ausschnitt; Vorlage: Bildarchiv Foto Marburg) <?page no="163"?> 164 Peter Rückert Zudem zeigt bereits ein Blick auf die Karte der mittelalterlichen Jakobuspatrozinien, wie ausgedünnt sich hier die Kirchen und Kapellen unter dem Patronat des Heiligen gegenüber ihrer Verdichtung im zentralen mainfränkischen Raum ausnehmen 13 . Ob diese in der Patrozinienverteilung angezeigte Kulttopografie Relevanz für die wissenschaftliche Einordnung von Pilgerverkehr und Mobilität besitzt, wie von der älteren Forschung vorausgesetzt, wird zumindest beispielhaft zu klären sein 14 . Die mittelalterliche Verkehrstopographie an Main und Tauber Zunächst ist die verkehrstopographische Situation zu bedenken, die das Gebiet an der mittleren und unteren Tauber abseits der großen, überregional bedeutenden Fernwege erscheinen lässt: Die wichtige Nord - Süd - Verbindung, die über Würzburg, Ochsenfurt und Rothenburg weiter nach Süden führte und seit dem Hochmittelalter als „Via Francigena“, als traditionelle „Pilgerstraße“ nach Rom, bekannt war, lief östlich daran vorbei 15 . Die ab Rothenburg nordwestlich ausgerichtete Straße entlang des Taubertals besaß demgegenüber nur regionale Bedeutung. Immerhin ist sie gleichsam als Zubringer zur „Via Francigena“ nach Rom bereits auf der berühmten Romwegkarte des Nürnbergers Erhard Etzlaub von 1500 (mit Mergentheim und Miltenberg) als bekannter Fernweg eingezeichnet 16 . Als an Würzburg ausgerichtete Ost-West-Verbindungen ragen immerhin zwei Altstraßen aus dem zeitgenössischen Wegenetz heraus 17 : Neben dem Main als wichtigster Verkehrsader erkennen wir die seit dem frühen Mittelalter als Heristrazza bezeugte Landstraße, die bei Lengfurt über den Main führte und 13 Siehe die Verbreitungskarte des Jakobuspatroziniums in Franken von Manfred Z entgraf in: Kniffki (wie Anm. 3), Innendeckel. 14 Vgl. dazu die einschlägige methodische Argumentation von Karl b Orchardt , Jacobus, der Deutsche Orden und Rothenburg, in: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte. Traditionen und Ausprägungen zwischen Stadt, Ritterorden und Reich, hg. von Klaus h erbers ( Jakobus-Studien 16, Tübingen 2005) S. 25-68; hier: S. 35. 15 Zur „Via Francigena“ vgl. Paolo c aucci vOn s aucKen , Die Via Francigena und die Pilgerstraßen von Rom, in: d ers ., Pilgerziele der Christenheit. Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela (Stuttgart 1999) S. 137-212. Zu den angesprochenen Verkehrswegen im Taubergebiet siehe ausführlich Ludwig s chnurrer , Rothenburg als Wallfahrtsstadt des Spätmittelalters, in: Die oberdeutschen Reichsstädte (wie Anm. 14), S. 69-101; hier: S. 70, sowie b Orchardt (wie Anm. 14), S. 35 ff. 16 Zur Romwegkarte von Erhard Etzlaub vgl. jetzt Hartmut K ugler , Etzlaubs Erfindung der Straßenkarte um 1500, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia a lrauM u.a. (Bochum 2016) S. 129-138 mit Abb. S. 461. 17 Zum Folgenden: Peter r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar und der Pilgerverkehr im Mittelalter, in: Wertheimer Jahrbuch 1993, S. 9-32; hier: S. 9 ff. (mit weiterer Literatur). <?page no="164"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 165 dann über den Spessart nach Frankfurt zog 18 . Sie kreuzte am Spessartanstieg die Via publica , die den Main bei Urphar querte und den Anschluss zum Taubertal nach Süden herstellte. Von Würzburg über Tauberbischofsheim und Miltenberg verlief die zweite Fernverbindung nach Südwesten, die sich dann als Eselsweg ebenfalls über den Spessart nach Norden hinweg verfolgen lässt 19 (Abb. 2). Als Mainübergänge zwischen Spessart, Odenwald und Gäuland dienten der Flussübergang bei Wallhausen/ Miltenberg und die Furten bei Urphar und Lengfurt; ersterer über den Odenwald nach Süden, die beiden anderen ins Taubergebiet bzw. nach Würzburg weisend. Auffälligerweise stehen die Pfarrkirchen dieser drei benachbarten Mainübergänge im späteren Mittelalter alle unter dem Patronat des hl. Jakobus. Dadurch wurden bereits Vermutungen angeregt, die Wahl dieses Patrons der Reisenden und Pilger mit der verkehrstopographischen Bedeutung dieser Orte in Verbindung zu bringen und damit auch als Ausdruck eines bedeutenden Pilgerverkehrs vor Ort zu verstehen 20 . Freilich stellt sich dazu die Frage, ob dieser Pilgerverkehr auch mit einer besonderen Verehrung des hl. Jakobus einherging bzw. überhaupt nach Santiago de Compostela ausgerichtet war, oder ob nicht der regionale Bezugsrahmen hierfür entscheidend gewesen ist 21 . Ausgehend von diesen Beobachtungen und Fragen wollen wir uns zunächst dem mittelalterlichen Pilgerbetrieb in Mainfranken annähern; wir wollen seine Entwicklung, örtliche Kultzentren und Pilgerziele verfolgen, um schließlich den Pilgerverkehr zwischen Main und Tauber im späteren Mittelalter beispielhaft profilieren zu können. Dabei ist uns die problematische Quellensituation bewusst: Pilger werden zunächst nur in Ausnahmefällen in den Schriftzeugnissen konkret greifbar, bekanntlich meist nur im Kontext rechtsrelevanter Dokumentation. Quantitative Analysen zum mittelalterlichen Pilgerverkehr sind daher beinahe ausgeschlossen; nur beispielhaft können die Belege für das zeitgenössische Pilgerwesen stehen, das dann im späten Mittelalter zu einer Massenerscheinung werden sollte, wie wir vor allem aus chronikalischen Berichten 22 oder dichten Auflistungen anderer Länder bzw. Pilgerziele wissen 23 . Daher gilt es, die verfügbaren zeitgenössischen Zeugnisse aus Architektur, Kunst und Litera- 18 Dazu auch Wolfgang v OrwerK , „Via publica“ ein Fernweg am Ostrand des Spessarts? , in: Wertheimer Jahrbuch 1997, S. 15-32. 19 Hierbei handelt es sich um die bei Etzlaub dann von Tauberbischofsheim über Mergentheim und das Taubertal nach Süden weitergeführte Straße. 20 Dazu r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17). 21 Entsprechend b Orchardt (wie Anm. 14). 22 Beispielhaft dazu r ücKert , Der spätmittelalterliche Pilgerverkehr (wie Anm. 7). 23 Klaus h erbers , Jakobsweg. Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt (München 2006). Dazu auch Ilja M iecK , Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, in: Spanische Forschungen der Görres-Gesellschaft, <?page no="165"?> 166 Peter Rückert Abb. 2: Altstraßen im westlichen Mainfranken <?page no="166"?> tur soweit wie möglich mit einzubeziehen, um das lückenhafte Bild zumindest kleinräumig zu verdichten. Frühe Pilgerfahrten in Mainfranken In der Diözese Würzburg besaß das regionale Wallfahrtswesen im hohen Mittelalter bereits lange Tradition, die sich vornehmlich in der Verehrung des Frankenapostels Kilian greifen lässt 24 . Die Prozessionen zu seiner Begräbnisstätte in Würzburg wurden von der Kirche organisiert und hatten vor allem an Pfingsten für einen mächtigen Zulauf der Gläubigen gesorgt (Abb. 3). Eine frühe Urkunde aus dem Jahr 1192 berichtet etwa von Pfarrer Rugger aus Reicholzheim im Taubertal, der seine Pfarrkinder von dieser Pflichtprozession entband, indem er sich von jedem durch einen Käse entschädigen ließ. Diese Käseabgabe allerdings erklärte der Würzburger Bischof für nichtig und verpflichtete die Angehörigen seiner Pfarrei wie alle andere menschen, so in dem Bisthum Wirtzburg wohnen, thun und pflegen, mit der ehrlichen Proceß [ion] zu der gesetz- Reihe 1: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 29 (Münster 1978) S. 483- 533. 24 Zum Folgenden ausführlicher r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17) S. 14. Abb. 3: Die Würzburger Pfingstprozession (nach Lorenz Fries, 16. Jahrhundert) Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 167 <?page no="167"?> 168 Peter Rückert ten Zeit gen Wirtzburg zu Sanct Kilian und seiner gesellschaft zu wallen 25 . Hier ging es nicht nur um Heiligenkult zur Verehrung des Frankenapostels, sondern auch um repräsentative Demonstration geistlicher Herrschaft. Die Würzburger Bischöfe versammelten ihre Schäfchen regelmäßig an ihrer zentralen Kultstätte am Grab des hl. Kilian: eine religiöse Parade, die gleichzeitig den Herrschafts- und Einzugsbereich der Würzburger Bischöfe absteckte und mit dieser Urkunde erstmals dokumentiert wird. Hier zeigen sich nun bereits erste Auflösungstendenzen der kirchlich organisierten Pflichtprozessionen, die dann in der Folgezeit auch weitgehend zum Erliegen kamen. Nun sollte das Kilianifest zum Hochfest der Diözese avancieren; feierliche Prozessionen wurden jetzt am Kilianstag, dem 8. Juli, abgehalten und mit einem großen Jahrmarkt verbunden 26 . Die private Devotion trat nun an die Stelle der obligatorischen Reverenz, wie es der allgemeinen Tendenz zur Individualisierung der Frömmigkeit im späteren Mittelalter entsprach 27 . Blicken wir vom Kultzentrum Würzburg aus aufs Land, in Richtung Tauber, so fallen bereits um 1200 einige architektonische Kultzeugnisse auf, die im direkten Zusammenhang mit der Fahrt ins Heilige Land bzw. den Kreuzzügen zu verstehen sind: Die Oktogonalkirchen in Grünsfeldhausen, Oberwittighausen und Gaurettersheim, die alle in den Jahrzehnten um 1200 oder kurz danach erbaut wurden und an die Kreuzzugsteilnahme ihrer Gründer, der Edelherren von Zimmern und von Hohenlohe, erinnern 28 . In ihrer Formensprache übernehmen sie die Architektur der Grabeskirche von Jerusalem, entsprechend den bekannten Nachbauten des Heiligen Grabes, wie wir sie ganz in der Nähe auch in Wölchingen bei Boxberg finden. Diese monumentalen Memorialbauten stehen also zunächst als Zeugnisse für die Fahrt ihrer Stifter ins Heilige Land und sollten sich später zum Teil auch selbst zu regionalen Pilgerzielen entwickeln. Wir kommen darauf zurück. 25 Zitiert nach der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries bei Hans d ünninger , „Frankens politischer wie religiöser Mittelpunkt“. Die Kilianiwallfahrt in früheren Jahrhunderten, in: Kilian, Mönch aus Irland - aller Franken Patron, hg. von Johannes e richsen unter Mitarbeit von Evamaria b rOcKhOff (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 9, München 1989) S. 410. 26 Klaus w ittstadt , Geistliche Impulse und Frömmigkeitsleben in der Stadt Würzburg, in: Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 1 (wie Anm. 12), S. 297-312; hier: S. 298 ff. 27 Dazu wiederum r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 15. Zu weiteren frühen Zeugnissen des Jakobuskultes in Mainfranken vgl. ebd., S. 16 f. sowie den Beitrag von Robert P lötZ in diesem Band. 28 Vgl. dazu jetzt Jürgen K rüger , Das Heilige Land im Taubertal. Eine Gruppe von Zentralbauten sucht ihre Bestimmung, in: Repräsentation und Erinnerung. Herrschaft, Literatur und Architektur im hohen Mittelalter an Main und Tauber, hg. von Peter r ücKert / Monika s chauPP in Verbindung mit Goswin vOn M allincKrOdt (Stuttgart 2016) S. 231-288. <?page no="168"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 169 Der außergewöhnlich reiche plastische Schmuck des Portals der Sigismundskapelle in Oberwittighausen bietet zudem einen ersten figürlichen Hinweis auf den zeitgenössischen Pilgerverkehr 29 (Abb. 4): Inmitten des reich gegliederten und bislang kaum gedeuteten Portalschmucks ist als dominante Figur ein bärtiger Pilger mit Stab und Tasche zu erkennen, die mit drei Muscheln besetzt ist 30 (Abb. 5). Bislang als Darstellung des hl. Jakobus (miss)verstanden 31 , verweist der Überlieferungskontext - sowohl der Architektur wie der Schriftzeugnisse - auf die Heiliglandfahrt des Kapellenstifters Sigibodo II. von Zimmern, dessen gleichnamiger Vater im Jahr 1190 verstarb und nicht mehr vom 3. Kreuzzug zurückkehren sollte 32 . Dieser wäre dann in der Pilgergestalt zu erkennen; die Attribute des Pilgers hatten um 1200 offenbar bereits allgemein verständlichere Symbolkraft auch für die Heiliglandfahrt entwickelt, wie eingangs bereits erwähnt 33 . Ein Bezug zum Jakobuskult ist hier hingegen - weder im Patrozinium der Kapelle noch in ihrer Ausstattung - nicht zu erkennen. Eine stilistisch vergleichbare spätromanische Pilgerfigur mit Stab und Tasche, die nur wenige Jahrzehnte später zu datieren ist, findet sich am Portal der Pfarrkirche St. Andreas in Karlstadt am Main, unweit nördlich von Würzburg 34 (Abb. 6). Auch hier wird ein Bezug zur Jakobusverehrung nicht greifbar, allein der Pilger steht zunächst wiederum für sich und seine Präsenz an diesem Ort. Er verweist abermals auf den Stifterkontext, der in Karlstadt für diese Kirche wie die Gründung der Stadt selbst die Würzburger Bischöfe ansprechen lässt. Darunter waren bereits für die Zeit um 1200 auch bedeutende Heiliglandfahrer, wie Bischof Gottfried von Spitzenberg (1186-1190), der freilich von seinem Kreuzzug nicht mehr zurückgekehrt war 35 . 29 Vgl. dazu ausführlicher Peter r ücKert , Adelige Herrschaften an Main und Tauber und ihre Erinnerungskultur um 1200, in: Repräsentation und Erinnerung (wie Anm. 28), S. 11-30, hier: S. 25 f. 30 Der Forschungsstand zur Kapelle in Oberwittighausen ist leider sehr dürftig. Gerade die Untersuchung der reichen Portalplastik bleibt ein Desiderat. Vgl. dazu den aktuellen Führer St. Sigismund in Oberwittighausen, hg. von der Gemeinde Wittighausen ([Wittighausen] 2011), darin vor allem Hans b auer , Das Portal und seine Bildsprache, S. 9-11. 31 Vgl. h erbers , Wol auf sant Jacobs straßen (wie Anm. 6), S. 160. 32 Ausführlich zu den Herren von Zimmern Peter r ücKert , die Edelfreien von Gamburg, Lauda und Zimmern, in: Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. von Ferdinand K raMer / Wilhelm s törMer (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 20, München 2005) S. 591-642. 33 Wiederum r ücKert , Adelige Herrschaften (wie Anm. 25), S. 26. 34 Dazu Elisabeth P etersen , Jakobus- und Pilgerdarstellungen in Franken, in: Kniffki (wie Anm. 3), S. 55-82; hier S. 76. 35 Peter h erde , Das staufische Zeitalter, in: Peter K Olb / Ernst-Günter K renig (Hg.), Unterfränkische Geschichte, Bd. 1: Von der germanischen Landnahme bis zum hohen Mittelalter (Würzburg 1989) S. 333-360. Zu Bischof Gottfried von Würzburg wiederum r ücKert , Adelige Herrschaften (wie Anm. 29), S. 22 f. Dazu auch Alfred w endehOrst , Das Bis- <?page no="169"?> 170 Peter Rückert Stellen wir diesen außergewöhnlich frühen plastischen Zeugnissen die ersten schriftlich dokumentierten fränkischen Pilger gegenüber, die wir - neben einige weiteren adeligen Heiliglandfahrern - bemerkenswerterweise ganz überwiegend auf dem Weg nach Santiago finden 36 : Bekannt sind zunächst vor allem Mitglieder aus Adel und Klerus, die dem Apostel ihre Verehrung erwiesen. Auch Reliquien des Apostels sind im 12. Jahrhundert bereits an zahlreichen Orten nachweisbar. Anlässlich der Gründung des Würzburger Jakobsklosters soll Bischof Embricho im Jahr 1128 eigens eine Armreliquie des Apostels nach Würzburg geholt haben, die noch im 16. Jahrhundert hier aufbewahrt wurde 37 . tum Würzburg 1 (Germania Sacra NF 1, Berlin 1962) S. 176 f., sowie ausführlicher Enno b ünZ , Von Schwaben nach Antiochia. Der Würzburger Bischof Gottfried von Spitzenberg (1186-1190), in: Hohenstaufen Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen 17 (2007) S. 9-50. 36 Dazu und zum Folgenden siehe wiederum die Arbeiten von P lötZ , Santiago-Peregrinatio (wie Anm. 1) und r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17). 37 Vgl. dazu auch den Beitrag von Helmut f lachenecKer in diesem Band. Abb. 4: Die Sigismundskapelle in Oberwittighausen (Aufnahme: Jochen Schreiner) <?page no="170"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 171 Der Fund zweier Muschelfragmente bei der bischöflichen Residenz Karlburg, unweit von Karlstadt, die archäologisch in dieselbe Zeit datiert werden, könnte diesen Zusammenhang bestätigen 38 . Selbst die unteren Gesellschaftsschichten sind um 1200 auf dem Weg nach Santiago zu finden 39 : Eine 1182 von Bischof Reginhard von Würzburg ausgestellte Urkunde gibt dem Grafen Eckhard, einem Stiftsbeamten, die Erlaubnis, nach Ordnung seiner Geschäfte nach Santiago zu ziehen, von wo er innerhalb von zehn Monaten wieder zurückgekehrt war. Wenige Jahre später bricht ein weiterer bischöflicher Beamter, der Würzburger Schultheiß Heinrich, zum Apostelgrab auf, nachdem er ebenfalls zuvor seinen Nachlass geregelt hatte. 38 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 17. 39 Vgl. Erik s Oder vOn g üldenstubbe , Santiago wird in Franken bekannt, in: K niffKi (wie Anm. 3), S. 21-38, hier: S. 25. Abb. 5: Pilgerdarstellung am Portal der Sigismundskapelle in Oberwittighausen (Aufnahme: Erich Baierl, Heuchlingen) Abb. 6: Pilgerdarstellung am Portal der Kirche St. Andreas in Karlstadt (Aufnahme: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="171"?> 172 Peter Rückert Im Jahr 1219 verkauft eine Witwe namens Selzkestner drei Joch Weinberge bei Schweinfurt, um mit dem Erlös die Pilgerfahrt ihres Sohnes finanzieren zu können. Insgesamt berichten zwar nur diese wenigen dürftigen Zeugnisse von der Beteiligung der mainfränkischen Bevölkerung an der Pilgerfahrt nach Santiago im hohen Mittelalter. Sie stehen in Anbetracht der schlechten zeitgenössischen Überlieferungslage aber durchaus repräsentativ für ihre frühe Attraktivität und den gerade nach Santiago hin ausgerichteten überregionalen Pilgerverkehr 40 . Demgegenüber tritt die Beteiligung fränkischer Adelsherren an den Kreuzzügen und Fahrten ins Heilige Land bald zurück und sollte während der muslimischen Herrschaft in Jerusalem bis ins 15. Jahrhundert auch keine wesentliche Rolle mehr spielen. Die frühen Kirchen- und Klostergründungen zu Ehren des hl. Jakobus fallen zeitlich mit diesem Höhepunkt der Pilgerfahrt im 12./ 13. Jahrhundert zusammen. Sie wurden im süddeutschen Raum zunächst vor allem protegiert durch die iroschottischen Mönche und die anderen Reformorden. Im Gebiet zwischen Main und Tauber kommt die Zisterzienserabtei Bronnbach konkret für die Verbreitung des Jakobuskults in Frage: Unter Verwendung von Reliquien des Heiligen wurden 1218 der Hochaltar und 1222 der Heilig-Kreuz-Altar in der Abteikirche geweiht 41 , ihre genaue Herkunft ist freilich nicht bekannt. Jedenfalls fällt auch außerhalb Mainfrankens, etwa in Hessen 42 , auf, dass damals bevorzugt Kirchen an wichtigen Pass- und Fernstraßen dem hl. Jakobus geweiht wurden - eine zeitgebundene Modeerscheinung offenbar, die ebenso für die Verbreitung der Jakobusverehrung wie die Intensivierung von Mobilität und Fernverkehr spricht. Auch wenn die aufgezeigten frühen Pilgerbelege zu dünn sind, um weitere Folgerungen zu erlauben, wird implizit mit einer anschwellenden Pilgerfrequenz zu rechnen sein, die in der zeitgenössischen Sakraltopographie ihre Spuren hinterlassen hat. Dabei wird freilich immer zu fragen sein, wer im konkreten Fall für die Patrozinienwahl des Kirchenheiligen und die Vermittlung von Reliquien verantwortlich war 43 . 40 So Robert P lötZ , Deutsche Pilger nach Santiago de Compostela bis zur Neuzeit, in: Klaus h erbers (Hg.), Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte ( Jakobus-Studien 1, Tübingen 1986) S. 1-27. 41 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 17 f. 42 Vgl. auch Josef l einweber , Die Santiagowallfahrt in ihren Auswirkungen auf das ehemalige Hochstift Fulda, in: Fuldaer Geschichtsblätter 52 (1976) S. 134-155. 43 Vgl. hierzu bereits Gerd Z iMMerMann , Patrozinienwahl und Frömmigkeit im Mittelalter, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 20 (1958) S. 24-126, und 21 (1959) S. 5-125. <?page no="172"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 173 Jakobuskult und Pilgerverkehr in Urphar Zur beispielhaften Veranschaulichung soll im Folgenden die Jakobusverehrung in Urphar am Main verfolgt und mit unseren Fragen nach dem Pilgerverkehr verbunden werden. Der bereits angesprochene alte Mainübergang bei Urphar, der dem Dorf bereits im frühen Mittelalter seinen Namen Vrfare (ahd. „Überfahrt“) gegeben hat, besaß über die Vor- und Frühgeschichte hinweg zentrale Bedeutung für das mainfränkische Verkehrssystem 44 . Vielleicht schon um die Jahrtausendwende wurde der Urpharer Mainübergang unter den Schutz eines quadratischen Wehrturms gestellt, der auf der Anhöhe über dem Dorf, unmittelbar an dem hier wieder zur Höhe hinziehenden Weg, errichtet worden war 45 . Der Turm wurde nach Osten mit einer Apsis versehen und besaß offenbar von Beginn an auch sakrale Funktion 46 . Sicherlich diente er den Bewohnern daneben als Zufluchtsraum und Versammlungsort; inwieweit von hier aus eine Kontrolle über den vorbeiziehenden Verkehrsweg ausgeübt wurde, erfahren wir zunächst nicht (Abb. 7). 44 Ausführlicher zur topografischen Situation: Peter r ücKert , Weiler und Wüstung Wettenburg, in: 1000 Jahre Markt Kreuzwertheim. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart, Bd. 1 (Kreuzwertheim 2011) S. 31-36. 45 Vgl. dazu jetzt auch den aktuellen Kirchenführer: Jakobskirche Urphar, bearb. von Alfred K eMPf / Moritz M artiny / Peter r ücKert (Berlin/ München 4 2015) S. 2 ff. 46 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 12. Abb. 7: Die Jakobuskirche in Urphar (Aufnahme: Verf.) <?page no="173"?> 174 Peter Rückert Als geistige und politische Kräfte zur Vermittlung der Jakobusverehrung kommen in unserem Fall neben den Würzburger Bischöfen als Inhabern der kirchlichen Weihegewalt bzw. dem Mainzer Erzbischof als Metropoliten vor allem die Zisterzienser in Bronnbach in Frage, deren Einfluss vor Ort sich sowohl im seelsorgerischen wie im herrschaftlichen Bereich ab dem frühen 13. Jahrhundert niederschlägt. Die damalige Beisetzung von Jakobusreliquien in der Bronnbacher Klosterkirche legt die Annahme nahe, dass über Bronnbach auch nach Urphar Reliquien des Heiligen vermittelt wurden 47 . Das Reliquienbehältnis im Urpharer Altar, in welchem noch vor kurzem Knochensplitter gefunden wurden, spricht zumindest für deren Besitz, und auch im Chor der Kirche befindet sich noch ein Grab, das ein Reliquienbehältnis aufweist. Die Jakobuskapelle in Urphar wird erstmals im ausgehenden 13. Jahrhundert erwähnt, als der Mainzer Erzbischof einen Ablass gewährt, um sie ausbauen und an Ornamenten und Schmuck, Kelchen, Leuchtern und Büchern besser ausstatten zu lassen. Alle Gläubigen, die für die Herrichtung der Kirchenräume spenden, wie auch diejenigen, die am Tag des hl. Jakobus (25. Juli) dort zusammenkommen und die Messe hören, erhalten einen Ablass ihrer Sündenstrafen von 40 Tagen 48 . Die Kapelle war also zu diesem Zeitpunkt dem hl. Jakobus geweiht und sollte mit dem Geld der Besucher neu hergerichtet und ausgebaut werden. Der Ausbau des Kirchenschiffs sowie der älteste Teil der Innenbemalung sind wohl auf diesen Ablass zurückzuführen. An der Außenwand des Schiffes wurden Kragsteine eingelassen, vielleicht als Träger für ein Vordach, das die zahlreichen Gläubigen schützen sollte. Es müssen jedenfalls große Mengen von Besuchern aus der Umgebung hier gewesen sein, um den Ablass zu erhalten, wie die Baugeschichte der Kirche und ihre Ausstattung nachdrücklich dokumentieren. Über die Einnahmen aus diesem Ablass wurde offenbar auch die Innenbemalung im Chorgewölbe und an der Südwand des Kirchenschiffs finanziert 49 . Sie zeigt in meisterhafter Darstellung Christus als Weltenrichter in der Mandorla, sitzend auf dem Regenbogen, umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten. An der Südwand neben der überlebensgroßen Gestalt des hl. Christophorus, dem Passionszyklus und dem Erzengel Michael mit der Seelenwaage erscheint die Gestalt des hl. Jakobus, ausgestattet mit dem charakteristischen Pilgerhut, dem Umhang und der Pilgertasche. In der rechten Hand trägt er die Pilgermuschel, das Wahrzeichen der Jakobuspilger. Neben seinem Kopf findet sich eine zweite Jakobsmuschel in überdimensionalen Ausmaßen exponiert dargestellt 47 Wie Anm. 41. 48 Vgl. den ausführlichen Quellennachweis bei r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 13. 49 Jakobskirche Urphar (wie Anm. 45), S. 8 ff. (mit Abbildungen). <?page no="174"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 175 (Abb. 8). Ihre eigentümliche Wiedergabe mit den nach innen gebogenen Lamellen weist allerdings nur entfernte Ähnlichkeit mit der natürlichen Muschelform auf und lässt darauf schließen, dass der Künstler wohl niemals eine Jakobusmuschel zu Gesicht bekommen hat. Wie auch immer: Der Ablassurkunde und dem baugeschichtlichen Befund entnehmen wir, dass die Jakobuskapelle in Urphar gegen Ende des 13. Jahrhunderts einen regen Zulauf hatte. Bald darauf wurde die Kapelle in Urphar von ihrer Mutterkirche abgetrennt und zur selbständigen Pfarrkirche erhoben, der auch zwei Nachbargemeinden eingepfarrt wurden 50 . Und schon 1340 wird der nächste große Ablass für die Urpharer Kirche ausgeschrieben, ausgestellt von nicht weniger als zwei Erzbischöfen und acht Bischöfen in Avignon, dem damaligen Sitz der päpstlichen Kurie (Abb. 9). Wiederum werden den Besuchern und Wohltätern der Kirche an bestimmten Festtagen von jedem der Aussteller 40 Tage Ablass gewährt; Bischof Otto von Würzburg fügt mit der Bestätigung der Urkunde nachträglich noch 40 Tage hinzu. 440 Tage Ablass - sicher ein gewaltiger Anreiz für ihren Besuch! 51 50 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 20. 51 Ausführlicher Angaben zu dieser Urkunde wiederum ebd., S. 20. Abb. 8: Jakobuskirche Urphar, Südwand des Langhauses: Jakobus mit Muschel, um 1300 (Ausschnitt; Vorlage: Bildarchiv Foto Marburg) <?page no="175"?> 176 Peter Rückert Unter Hinweis auf die Kraft der Verdienste und Fürbitten der Heiligen steht hier der Wunsch voran, dass die Jakobuskirche in Urphar mit der ihr gebührenden Ehrerbietung zahlreich besucht und beständig verehrt werde. Neben dem Jakobustag und dem Tag der Kirchweihe folgt eine lange Reihe kirchlicher Fest- und Heiligentage, an welchen die Gläubigen, die aus Andacht, zum Gebet oder als Pilger kommen ( causa devocionis, orationis aut peregrinationis ) oder die Gottesdienste besuchen, den angekündigten Ablass erhalten. Die prächtig geschmückte Initiale der Ablassurkunde zeigt bemerkenswerterweise den hl. Jakobus mit Pilgerstab in der Rechten, Pilgerhut und -umhang; in der Linken hält er ein Buch, das Attribut der Apostel (Abb. 10). Die Jakobsmuschel ist hingegen nicht dargestellt. Zu seinen Füßen kniet ein Mönch, dem Heiligen andächtig eine (leere) Schriftrolle entgegenhaltend, was - wie so häufig - als Darstellung des Auftraggebers gedeutet werden kann: ein Zisterzienser, Abb. 9: Ablassurkunde für die Jakobuskirche in Urphar, 1340 (Vorlage: Staatsarchiv Wertheim) <?page no="176"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 177 wohl der damalige Abt Dieter der Zisterze Bronnbach, ist hier als Förderer „seiner“ Urpharer Kirche ins Bild gesetzt 52 . Diese außergewöhnlich aufwändige Ausstattung des Schriftstücks wird seine Wirkung nicht verfehlt haben, wenn man davon ausgeht, dass das Privileg zunächst in der Urpharer Kirche aufbewahrt und dort den Gläubigen gezeigt wurde. Die dargestellte Verehrung des hl. Jakobus, der als Patron der Kirche ja deren eigentlicher Eigentümer war, gibt jedenfalls das Hauptmotiv für diese Privilegierung wieder. Von den Spenden wurde die weitere Innenausstattung der Kirche finanziert, Chor und Schiff wurden fast vollständig ausgemalt, vielleicht wurde auch schon ein Gestühl für das Langhaus angeschafft (Abb. 11). Die Jakobuskirche in Urphar hatte sich als regionales Zentrum des Jakobuskults etabliert 53 . Der in ihrer kostbaren Ausstattung dokumentierte Wohlstand der Urpharer Kirche, der auch für ihre überregionale Bedeutung und Attraktivität spricht, 52 Zu Abt Dieter von Bronnbach vgl. Leonhard s cherg , Die Zisterzienserabtei Bronnbach im Mittelalter. Studien zur Geschichte der Abtei von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Mainfränkische Studien 14, Würzburg 1976) S. 88. 53 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 22 f. Abb. 10: Initiale der Ablassurkunde für die Jakobuskirche in Urphar, 1340 (Vorlage: Staatsarchiv Wertheim) <?page no="177"?> 178 Peter Rückert sollte allerdings bereits nach wenigen Jahrzehnten wieder verblassen: Einhergehend mit dem Bedeutungsverlust des Urpharer Mainübergangs, der mit der Verkehrsverlagerung in die nahe Residenzstadt Wertheim einherging, wird auch eine wirtschaftliche Krise vor Ort bis um 1400 deutlich spürbar. Immerhin erhielt das Kirchweihfest am Jakobstag noch großen Zulauf: Bei der Kirche wurde sogar Markt gehalten, und der herrschaftliche Zoll der Grafen von Wertheim florierte. Um 1420 notiert der gräfliche Schreiber in das herrschaftliche Zinsverzeichnis: Item an sant Jacobstag, waz an der kirchwihe obwendig dez weges feile ist, dae ist der zol myns hern lon. 54 Die Wertheimer Grafen, für welche die Zolleinnahmen aus dem Schiffsverkehr eine wichtige Einnahmequelle darstellten, hatten auch in Urphar zeitweilig eine Zollstelle eingerichtet. Diese sollte den Verkehr auf der Landstraße kontrollieren und forderte die übliche Abgabe von den mitgeführten Waren. Später hören wir nichts mehr von dem Jakobusmarkt und seinen Besuchern; die Urpharer Kirche wird zusehends vernachlässigt und ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts so heruntergekommen, dass der Würzburger Bischof mit einem 54 Zitat nach ebd., S. 25. Abb. 11: Jakobuskirche Urphar, Südwand des Chores: Apostelzyklus mit Jakobus (2. v. rechts), um 1340 (Vorlage: Bildarchiv Foto Marburg) <?page no="178"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 179 neuerlichen Ablass versuchen muss, sie wiederherrichten zu lassen. Der Besuch in Urphar war offenbar bereits seit längerem deutlich zurückgegangen. Jetzt musste die Gemeinde die Almosen für ihre Kirche in der Diözese selbst einsammeln, der hl. Jakobus hatte hier seine Attraktivität verloren 55 . Erst um 1500, als sich auch die politische und wirtschaftliche Lage vor Ort wieder stabilisiert hatte, wird die Kirche renoviert, ausgebaut und mit mehreren Flügelaltären neu ausgestattet 56 (Abb. 12). Ob damit auch die Wiederbelebung des Pilgerverkehrs vor Ort einherging, ist nicht näher bekannt. Doch deutet der Schild mit Muschel und Pilgerstab, der hier über der Tür zur 1497 neu angebauten Sakristei angebracht wurde, jedenfalls darauf hin 57 (Abb. 13). Bekanntlich ist damals gerade auch in Franken ein Aufblühen der überregionalen Pilgerfahrten festzustellen 58 . Im nahen Miltenberg unternahm nun ein organisierter Schiffsbetrieb die Beförderung der Pilger auf dem Main, die vor allem aus dem süddeutschen Raum und aus Ungarn kamen und meist nach Aachen, Köln und Trier wollten 59 . Von Urphar, nur eine Tagesreise von Miltenberg entfernt gelegen, ist jetzt keine Rede mehr. Zum spätmittelalterlichen Pilgerverkehr in Mainfranken Eingeordnet in den Kontext der spätmittelalterlichen Frömmigkeitsentwicklung und Wallfahrtsgeschichte in Mainfranken, lassen sich am Beispiel der Jakobusverehrung in Urphar bereits besondere Tendenzen und Strukturen erkennen. Sie zeigen zunächst die Abhängigkeit des örtlichen Pilgerverkehrs von der Bedeutung der Verkehrswege und ihrer Frequentierung wie der herrschaftlichen und kirchlichen Protektion. Gleichzeitig sprechen architektonische, bildliche und schriftliche Zeugnisse von einer Regionalisierung des Pilgerbetriebs, der verstärkt an den örtlichen Bedürfnissen ausgerichtet war und aus der näheren 55 Ebd., S. 25 f. 56 Offenbar wurde der später in der Nachbarkirche in Lindelbach aufgestellte spätgotische Flügelalter, der den hl. Jakobus als jugendlichen Pilger zeigt, ursprünglich für die Jakobuskirche in Urphar gefertigt. Vgl. r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 30. Dazu auch Renate n euMüllers -K lauser , Versprengte fränkische Heilige, in: 135. Bericht des Historischen Vereins Bamberg (1999) S. 63-70, sowie den Ausstellungskatalog des Badischen Landesmuseums: Ora pro nobis. Bildzeugnisse spätmittelalterlicher Heiligenverehrung, Karlsruhe 1992, S. 35 ff. mit Abb. 60 f. 57 Vgl. Jakobskirche Urphar (wie Anm. 45), S. 8. 58 Vgl. dazu auch Klaus a rnOld , Abweichung im Glauben - Judenverfolgung - Volksbewegungen, in: Unterfränkische Geschichte, Bd. 2 (wie Anm. 2), S. 337-356. 59 Vgl. zur sogenannten „Aachenfahrt“ Robert P lötZ , Aachenfahrt und Heiltumsweisung. Formen und Inhalte, in: Der Aachener Marienschrein, hg. von Dieter P. w ynands (Aachen 2000) S. 135-158. Dazu siehe auch b rücKner , Volksfrömmigkeit (wie Anm. 2), S. 319. <?page no="179"?> 180 Peter Rückert Abb. 12: Spätgotischer Flügelaltar aus Lindelbach; linker Flügel: Jakobus als jugendlicher Pilger (Vorlage: Badisches Landesmuseum Karlsruhe) <?page no="180"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 181 Umgebung bedient wurde. Fernreisende Pilger, die in Urphar dem hl. Jakobus ihre Reverenz erwiesen hätten, bieten die Quellen nicht. Freilich kennen wir aber gerade aus dem 15. Jahrhundert, als die Jakobusverehrung auch in Franken differenziert greifbar wird, etliche Pilger, die sich von hier aus auf den Weg nach Santiago machten: Hans Holtzkirchner aus Frickenhausen am Main etwa, dessen Relief an der Pfarrkirche von Frickenhausen ihn als Jakobspilger ausweist. Die Umschrift lautet: Anno domini 1461 iar, da stift hans holtzkirchner unser liben frawen altar und diese vigvr, dem got gnad . Auch ein Grabmal im Inneren der Kirche weist durch die dort angebrachte Muschel auf die örtliche Tradition der Pilgerfahrt nach Santiago hin 60 . Oder Cunz Rüdiger aus Heidingsfeld bei Würzburg, der als Strafe für einen Mord im Jahr 1428 gleich drei Pilgerfahrten, nach Aachen, Einsiedeln und Santiago durchführen musste und dies vier Jahre später auch erledigt hatte, wie ein dafür gesetzter Bildstock bezeugt. Die genauen Wege dieser Jakobspilger durch Franken kennen wir genauso wenig wie die der anderen bekannten Pilger, die durch das Land an Main und 60 Vgl. ausführlicher dazu und zum Folgenden den Beitrag von Robert P lötZ in diesem Band. Abb. 13: Schild über der Tür zur Sakristei in der Jakobuskirche Urphar mit Pilgerzeichen (Vorlage: Bildarchiv Foto Marburg) <?page no="181"?> 182 Peter Rückert Tauber zogen und können diese in der Regel nur anhand der üblichen Verkehrswege rekonstruieren. Immerhin finden wir in kurzen Schlaglichtern aber auch einige Reisende und Pilger auf hiesigen Wegen wieder, wie etwa die drei Rothenburger Bürger, die sich 1446 uff dem Wallweg zwischen Tauberbischofsheim und Mainz, im Mainzer Geleit - offenbar auf dem Weg nach Aachen - befanden. Sie wurden dort von Heinz von Seckendorf und Eberhard Rüd von Collenberg gefangen genommen, unter dem Vorwand, dass sich Rothenburg in der Reichsacht befinde, was allerdings keineswegs zutraf 61 . Nur einige wenige Zeugnisse sind vor Ort geblieben und erinnern an die Bedeutung des spätmittelalterlichen Pilgerverkehrs, wie ein spätgotischer Bildstock bei Poppenhausen 62 (Abb. 14) oder ein Altarantependium in der Spitalkirche von Karlstadt am Main von 1519, das uns an die angesprochenen Pilgertraditionen vor Ort erinnert 63 . Jakobus wird hier bis zur Reformation als Patron der Pilger verehrt, seiner Führung wird vertraut - ob nur bis zur nächsten Wallfahrtskapelle zum hl. Sigismund nach Oberwittighausen oder ins entfernte Santiago de Compostela. Flurnamen und alte Wegebezeichnungen wie der „Pilgerpfad“ zwischen Oberwittighausen und Poppenhausen sprechen für sich, wenn man sie im Kontext mit der örtlichen Pilgertradition erkennt 64 . Daneben können auch aufregende Neuentdeckungen unseren Eindruck der intensiven spätmittelalterlichen Jakobusverehrung erweitern, wie das erst kürzlich freigelegte Glasfenster in der Stiftskirche Wertheim, das Jakobus mit seinen Attributen als Pilger zeigt (Abb. 15). Die Wertheimer Bürger, die zum Teil auch Mitglieder der Würzburger Jakobusbruderschaft an der Marienkapelle waren 65 , stifteten 1429 einen Jakobusaltar in ihrer Stiftskirche und ließen damals ihren Patron auch in Glas fassen: Zeugnisse für eine populäre Heiligenverehrung, die zumindest für kommunikativen Austausch und regionalen Pilgerverkehr zwischen Wertheim und Würzburg sorgte 66 . Gegenüber diesem regionalisierten Verkehrsbetrieb ist abschließend noch auf das Wallfahrtsereignis zu verweisen, das dem Taubertal einen überragenden Platz in der Frömmigkeits- und Sozialgeschichte des ausgehenden Mittelalters sichert: Die „Wallfahrt nach Niklashausen“, einem kleinen Dorf bei Tauberbischofsheim. Diese „wilde“ Massenwallfahrt - ein spontaner, kirchlich nicht 61 s chnurrer (wie Anm. 15), S. 93. 62 Siehe die Abbildung bei s Oder vOn g üldenstubbe (wie Anm. 39), S. 38. 63 Siehe dazu oben S. 171, sowie wiederum den Beitrag von Robert P lötZ in diesem Band. 64 Vgl. Ruth v ines , Geschichte und Architektur, in: St. Sigismund in Oberwittighausen (wie Anm. 30), S. 12-25; hier: S. 13. 65 r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 26 f. 66 Ausführlicher Peter r ücKert , Von der Burgkapelle zur Stiftskirche. Anfänge der Wertheimer Kirchengeschichte, Wertheim 2007, S. 26 ff. <?page no="182"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 183 autorisierter Zulauf - lockte im Sommer des Jahres 1476 täglich mehrere zehntausend Menschen ins Taubertal; weit über Franken hinaus strömte das Volk vor allem aus Süd- und Mitteldeutschland hierhin 67 . 67 Grundlegend für die Vorgänge in Niklashausen ist nach wie vor Klaus a rnOld , Niklashausen 1476. Quellen und Untersuchungen zur sozialreligiösen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines spätmittelalterlichen Dorfes (Saecula Spiritalia 3, Abb. 14: Spätgotischer Bildstock bei Poppenhausen mit Pilger (Aufnahme: Manfred Zentgraf, Volkach) <?page no="183"?> 184 Peter Rückert Abb. 15: Glasfenster mit der Darstellung des hl. Jakobus in der Sakristei der Stiftskirche Wertheim, um 1430 <?page no="184"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 185 Auslöser war der Hirte und Pfeifer Hans Böhm, der vorgab, eine Marienerscheinung gehabt zu haben, und verkündete, dass in Niklashausen mehr Ablass als selbst in Rom zu erwerben sei 68 . Daneben predigte er sozialrevolutionäre Thesen gegen die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, was zu einer gewaltsamen Beendigung der Wallfahrt durch den Würzburger Bischof führte. Der Pfeifer wurde auf der Würzburger Marienburg als Ketzer hingerichtet, das Laufen wurde untersagt und die Kirche, als alle Verbote nicht fruchten wollten, schließlich abgerissen. Die umfangreichen zeitgenössischen Schriftzeugnisse zu den Vorgängen in Niklashausen gestatten einen beispielhaften Einblick in die sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen der Pilgerfahrten des späten Mittelalters: Das Auftreten des Pfeifers gewann seine Anziehungskraft offensichtlich aus der programmatischen Vereinigung religiöser und sozialer Komponenten, durch welche die aufgebrachte Stimmung der Zeitgenossen konkret angesprochen wurde. Die Marienverehrung und Ablassverkündung zeigen den Pfeifer noch ganz im Rahmen der kirchlichen Traditionen. Der Besuch der Gnadenstätte zwecks der Heilung individueller körperlicher Gebrechen und der Fürbitte um das eigene Seelenheil wird dementsprechend als häufiges Motiv für die Pilgerfahrt nach Niklashausen genannt. Da der Pfeifer gar die Existenz des Fegefeuers leugnete und seine Anhänger mit eigener Hand in die Ewigkeit zu führen versprach, war umso mehr Grund vorhanden, den „heiligen Jüngling“ zu verehren - auch die Begleitung des hl. Jakobus wurde mit solchen Aussagen überflüssig. Schrift- und Bildquellen zeugen von umfangreichen Spenden für den Pfeifer und die Kirche in Niklashausen (Abb. 16). Neben Geld werden vor allem riesige Kerzen, Kleider und andere Kleinodien erwähnt, die der Gnadenstätte zugute kamen. Die übermannshohen Kerzen sollen nach einem Bericht aus dem 16. Jahrhundert teilweise mit Münzen besteckt gewesen sein, so dass sie wie Igel aussahen. Bedeutende Ausmaße muss angesichts der überlieferten Pilgerzahlen auch der Versorgungsbetrieb vor Ort aufgewiesen haben. Die Verpflegung der Massen eröffnete ein ertragreiches Geschäft sowohl für die ansässigen wie die umherziehenden Händler, gleich einem riesigen Jahrmarkt. Vor dem Dorf waren lange Reihen von Zelten und Schänken eingerichtet. Neben Speisen und Getränken wurden auch Wallfahrtszeichen und Devotionalien angeboten: Da weren Baden-Baden 1980). Ausführlich zu den Pilgerströmen aus dem deutschen Südwesten: Peter r ücKert (Bearb.), Der ‚Arme Konrad‘ vor Gericht. Verhöre, Sprüche und Lieder in Württemberg 1514. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Stuttgart 2014) S. 159 ff. 68 Ausführlicher zum Folgenden wiederum r ücKert , Die Jakobuskirche in Urphar (wie Anm. 17), S. 27 ff. <?page no="185"?> 186 Peter Rückert koche, wirte, kramere und allerlei handwergsleut mit irer hantirung nit anders dan wie in einem grossen und gewaltigen krieg oder veldlager 69 . Bezeichnenderweise finden im Zusammenhang mit den dicht überlieferten Vorgängen um Niklashausen keine weiteren Kultorte, nicht einmal das nahe Urphar, Erwähnung. Das Laufen nach Niklashausen war ganz auf die Person des Pfeifers ausgerichtet, sekundäre Wallfahrtsorte und andere Heilige spielten neben dem „heiligen Jüngling“ keine Rolle. Fazit Damit schließen wir den Kreis zu den eingangs aufgeworfenen Fragen um die Verbindungen zwischen Sakraltopographie und Pilgerverkehr, örtlichem Jakobuskult und Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela: Wir begreifen die Jakobusverehrung in Mainfranken und gerade in der „Durchgangslandschaft“ zwischen Main und Tauber zunächst als hochmittelalterliche Modeerscheinung, die vor allem über die Mainzer Erzbischöfe und Würzburger Bischöfe protegiert und in der Sakrallandschaft manifestiert wurde. Jakobus wurde dadurch bald als 69 Zitiert nach a rnOld , Niklashausen (wie Anm. 67), S. 64. Abb. 16: Der Pfeifer von Niklashausen beim Predigen. Druck aus Hartmann Schedels Weltchronik, 1493 <?page no="186"?> Zum Pilgerverkehr an Main und Tauber im späteren Mittelalter 187 Patron der Reisenden und Pilger präsent und breit verehrt. Mit der Verbreitung seiner Reliquien wurden einzelne Kirchen, wie in Urphar, zu örtlichen Kultzentren. Wir können hier zeitweise auch einen überregionalen Zulauf erschließen, der mit der Heiligenverehrung verbunden war, aber keinen direkten Kontakt zur Pilgerfahrt nach Santiago erkennen lässt. Deutlich wurde die Abhängigkeit des örtlichen Pilgerverkehrs von der Bedeutung der Verkehrswege und ihrer Frequentierung, wie der herrschaftlichen und kirchlichen Protektion. Der tendenziellen Regionalisierung des Pilgerbetriebs im späten Mittelalter entspricht ein Aufblühen neuer Wallfahrtsorte und regionaler Pilgerziele gerade auch in Franken, wo ein überregionaler Pilgerverkehr nur mit einigen spektakulären Großereignissen, wie der Wallfahrt nach Niklashausen, verbunden war. Gleichzeitig zeigt diese „Niklashäuser Fahrt“ das Bedürfnis der zeitgenössischen Bevölkerung nach unmittelbarer Heilsfürsorge, das damit verbundene Potential an Mobilität und sozialreligiöser Kritik an obrigkeitlichen Zuständen 70 . Der Pilgerverkehr in Franken sollte tatsächlich auch bald seinen Nimbus verlieren und mit der Reformation ab 1520 die Heiligenbilder verschwinden lassen. Erst das aktuelle Interesse für die lange vergangene, aber doch vielhundertjährige Pilgertradition holt sie wieder unter dem Putz der Geschichte hervor und kann damit versuchen, Jakobus und seine Verehrung in Franken und weit darüber hinaus einzuordnen. 70 Siehe dazu jetzt Peter r ücKert , Jakobusbrüder und falsche Pilger um 1500 unterwegs im deutschen Südwesten, in: Zwischen Rom und Santiago (wie Anm. 16), S. 163-174 mit Abb. S. 467 f. <?page no="188"?> Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 1 Klaus Herbers I. Nürnberg und Santiago Die Reichsstadt Nürnberg verbindet sich in vielfältiger Weise mit Jakobus und Santiago de Compostela, zahlreiche Zeugnisse sind hiervon überliefert 2 . Dies reicht von der bekannten Pilgerkleidung Prauns 3 über Patrozinien oder andere Spuren des Kultes 4 . Erst aus dem 15. Jahrhundert kennen wir aber Pilger, die uns schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen haben und die damit möglicherweise auch die Verbindung von Pilgerfahrt, Pilgerort und Jakobuskult besser beleuchten. Die vier bzw. fünf Reisenden aus Nürnberg, die zwischen 1428 und 1521 das Grab des Apostels Jakobus besuchten 5 , hießen: Peter und Sebald Rieter, 1 Mit dem folgenden Beitrag greife ich in erweiterter Form und mit anderem Schwerpunkt Überlegungen eines früheren Aufsatzes auf: Klaus h erbers , Pilgerfahrten und Nürnberger Pilger auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit um 1500, in: Wallfahrten in Nürnberg um 1500, hg. von Klaus a rnOld (Pirckheimer-Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung 17, Wiesbaden 2002), S. 53-78. 2 Robert P lötZ , Santiago-peregrinatio und Jacobuskult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 31 (1984), S. 25-135. 3 Vgl. den Beitrag von Anja g rebe in diesem Band und Robert P lötZ , Der Pilgerhut des Stephan III. Praun, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia a lrauM u. a. (Bochum 2016), S. 139-162. 4 Vgl. zu den Nürnberger Jerusalemfahrten unter anderen: Die „Reise ins gelobte Land“ Hans Tuchers des Älteren (1479-1480). Untersuchungen zur Überlieferung und kritische Edition eines spätmittelalterlichen Reiseberichts, hg. von Randall h erZ (Wissensliteratur im Mittelalter 38, Wiesbaden 2002). 5 Die Literatur zum Jakobuskult wächst ins Unübersehbare. Vgl. als knappe Einführung Klaus h erbers , Jakobsweg. Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt (C. H. Beck Wissen, Beck’sche Reihe 2394, München 2006, 2. Auflage 2007, 3. Auflage 2011) sowie die einschlägigen Aufsätze in: Jan van h erwaarden , Between Saint James and Erasmus (Studies in Medieval an Reformation Thought 97, Leiden u.a. 2003); Francisco M árqueZ v illanu eva , Santiago: Trayectoria de un mito (Serie general universitaria 33, Barcelona 2004), S. 31-163; Adeline r ucquOi , Mille fois à Compostelle. Pèlerins du Moyen Age (Paris 2014). Aus religionsvergleichender Perspektive die beiden Bände: Unterwegs im Namen der <?page no="189"?> 190 Klaus Herbers Kaufleute und Patrizier, Gabriel Tetzel, ein Nürnberger Bürger, der den böhmischen Adligen Leo von Rožmital auf dessen Europareise begleitete, Hieronymus Münzer, ein Nürnberger Arzt und Humanist, und schließlich Sebald Örtel, ein Nürnberger Kaufmannssohn. Einige dieser Personen besuchten auch andere Pilgerorte auf der Iberischen Halbinsel 6 , ja zuweilen ist kaum zu trennen, ob wir Pilger, die auch reisten, oder Reisende, die auch pilgerten, vor uns haben. Deshalb werde ich die Personen und ihre Fahrt entsprechend der Zeugnisse kurz vorstellen und danach fragen, welche religiösen Elemente erkennbar sind, um bei ihrer Reise von einer Pilgerfahrt sprechen zu können. II. Fünf Nürnberger Pilger und ihre Berichte 1. Peter und Sebald Rieter, 1428 und 1462 Nürnbergs Bedeutung als Handelsstadt nahm im 15. Jahrhundert noch stetig zu 7 , deshalb gehörten auch die Kaufleute zu den mobilen Personengruppen. War es eine familiäre Traditionsbildung, die mit der Pilgerfahrt des in Brügge erzo- Religion. Pilgern als Form von Kontingenzbewältigung und Zukunftssicherung in den Weltreligionen, hg. von Klaus h erbers / Hans Christian L ehner (Beiträge zur Hagiographie 15, Stuttgart 2014); Unterwegs im Namen der Religion II/ On the Road in the Name of Religion II. Wege und Ziele in vergleichender Perspektive - das mittelalterliche Europa und Asien/ Ways and Destination in Comparative Perspective - Medieval Europe and Asia, hg. von Klaus h erbers / Hans Christian l ehner (Beiträge zur Hagiographie 17, Stuttgart 2016). 6 Kurze Hintergrundinformation und Auszüge aus den Berichten finden sich in: Klaus h er bers / Robert P lötZ , Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt“ (dtv 4718, München 1996); vgl. dort auch die weitere, ältere Literatur. Allgemeine Auszüge aus der Reiseliteratur mit einer sachlichen Einleitung und Bibliographie: Quellen zur Geschichte des Reisens im Spätmittelalter, hg. von Folker r eichert (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 46, Darmstadt 2009). - In größerem Zusammenhang zu den Nürnberger Außenbeziehungen am Ende des 15. Jahrhunderts vgl. Klaus h erbers , „Murcia ist so groß wie Nürnberg“ - Nürnberg und Nürnberger auf der Iberischen Halbinsel: Eindrücke und Wechselbeziehungen, in: Nürnberg - europäische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Helmut n euhaus (Nürnberger Forschungen 29, Neustadt an der Aisch 2000), S. 151- 183, hier S. 167-170. 7 Vgl. hierzu die Beiträge in n euhaus , Nürnberg (wie Anm. 6), vgl. auch die Beiträge zu allen im Folgenden genannten Personen im Stadtlexikon Nürnberg, hg. von Michael d ie fenbacher / Rudolf e ndres (Nürnberg 1999, 2. Aufl. 2000), s. v.: Reinhard j aKOb , Art. Münzer, Hieronymus (Hieronymus Monetarius, Girolamo Münster, Hieronymo Montario), S. 707; Michael d iefenbacher , Art. Rieter von Kornburg, Patrizierfamilie, S. 902; Michael d iefen bacher , Art. Tetzel von Kirchensittenbach, Patrizierfamilie, S. 1068-1070. Für bibliographische Hinweise danke ich Dr. Thorsten Schlauwitz, Erlangen. <?page no="190"?> Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 191 genen Nürnberger Kaufmanns und Patriziers Peter Rieter begann? Die Berichte über die diversen Fahrten fasste allerdings Hans Rieter († 1626) in der heute vorliegenden Form als ein Reisebuch zusammen, und wir wissen nicht, wie viel dabei im Nachhinein noch stilisiert wurde. Im Jahr 1428 brach Peter Rieter zu Pferd und von einem Knecht begleitet nach „St. Jacob in Gallicia und Finisterre“ auf 8 . Der Text hierüber ist knapp und prägnant 9 . Laut der späteren Notiz seines Sohnes Sebald ließ Peter Rieter im Chor der Kathedrale von Compostela sein Wappen anbringen 10 . Von Compostela aus ritt er nach Finisterre, verfolgte dann die Küstenstrecke nach Asturien. Über Oviedo, León, Logroño und das Ebrotal gelangte er nach Süden bis nach Montserrat bei Barcelona. Der weitere Weg führte ihn nach Rom. Insgesamt gab er - wie die Aufzeichnungen vermerken - 250 Dukaten aus 11 . 1462 folgte Sebald Rieter dieser Tradition seines Vaters. Bei ihm erfahren wir, dass er in der Gruppe reiste, jedenfalls war sein Schwager Axel von Liechtenstein mit von der Partie. Die Reisegruppe verließ die Reichsstadt zu Michaelis (8. Mai) und richtete sich zunächst nach Südosten. Es ging um Empfehlungsschreiben, die man am Hof Herzog Ludwigs IX. von Bayern-Landshut erlangen zu können glaubte. Ludwig IX. sorgte auch dafür und gab Geleit- und Empfeh- 8 Rieter, Das Reisebuch der Familie Rieter, edd. Reinhold r öhricht / Heinrich M eissner (Tübingen 1884). Die Editoren zitieren für ihre Textausgabe eine Handschrift aus der Gymnasialbibliothek Ansbach (ohne Signatur, 40), die auf fol. 2 den Pilgerbericht des Peter Rieter und auf fol. 35 den Bericht des Sebald Rieter mit den Reiseetappen aufweist. Vgl. h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 68-77. Zu diesem Bericht vgl. auch die fundierte, unveröffentlichte Hauptseminararbeit mit einer Neutranskription von Lisa w alleit , Der Reisebericht des Sebald Rieter des Älteren über Santiago de Compostela im Kopial- und Salbuch des Peter Rieter und Darlegung der darin enthaltenen Hinweise auf auswärtige Beziehungen (Erlangen 2011). Zu Rieter vgl. die Angaben in Anm. 6 sowie Albert b artelMess , Rieter, Patrizierfamilie, in: Berühmte Nürnberger aus neun Jahrhunderten, hg. von Christoph vOn i MhOff (Nürnberg 1984, 2. Aufl. 1989), S. 389 f.; Michael d iefenbacher , Art. Rieter von Kornburg, Nürnberger Patrizierfamilie (zum Teil Reichsfreiherren 1696; evangelisch, zum Teil katholisch), in: Neue Deutsche Biographie 21 (Berlin 2003), S. 611 f. und Peter f leischMann , Rat und Patriziat (Nürnberger Forschungen 31,2, Nürnberg 2008), S. 856. 9 Dass Peter Rieter während seiner Pilgerfahrt auch Geschäfte wahrnahm, belegt eine Stadtrechnung von Freiburg/ Schweiz, die für den Nürnberger Kaufmann 1428 Zahlungen an ihn für eine Salpeterlieferung zur Pulverbereitung und für Handbüchsen verzeichnet. Wolfgang vOn s trOMer , Oberdeutsche Unternehmen im Handel mit der Iberischen Halbinsel im 14. und 15. Jahrhundert, in: Fremde Kaufleute auf der Iberischen Halbinsel, hg. von Hermann K ellenbenZ (Köln/ Wien 1970), S. 156-175, hier S. 164 mit Anm. 32. 10 Allgemein hierzu Detlev K raaK , Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise. Inschriften und Graffiti des 14.-16. Jahrhunderts (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse Dritte Folge Nr. 224, Göttingen 1997), vgl. Register s. v. Das Wappen ist heute in Santiago nicht mehr lokalisierbar. 11 h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 69 (dort irrig 350 Dukaten). <?page no="191"?> 192 Klaus Herbers lungsschreiben aus. Wie wichtig dies offensichtlich war, zeigt sich daran, dass sie zuvor den Herzog von Sachsen und den Bischof von Würzburg um ähnliche Briefe gebeten hatten 12 . Die Pilgergruppe reiste sodann über Maria Einsiedeln in der Schweiz nach Mailand. Zweck dieses Abstechers war wohl ein Besuch beim dortigen Herzog, um sich einen weiteren Schutzbrief zu verschaffen, möglicherweise waren aber auch weitere und andere geschäftliche Gründe bestimmend. In Genf vergrößerten Hans Ortloff, Ulrich Haller und Erhart Pressler die Reisegruppe, so dass mit Knechten insgesamt zehn Personen weiterreisten. Über Saint-Antoine ging es nach Avignon; durch Empfehlungen und Herolde wurden die Reisenden von einem Hof zum andern begleitet, nach Toulouse, Bayonne und Burgos. Von dort folgten sie dem Weg, der als „iter francorum“, „camino francés“ oder „Camino de Santiago“ bekannt ist 13 , durch den Norden Spaniens. Acht Tage blieb die Gruppe in Santiago, wo die Pilger ebenfalls ihre Wappen aufhängen ließen, bevor sie zum Kap Finisterre ritten. Sebald Rieter ließ das von seinem Vater gestiftete Gemälde im Chor der Kathedrale erneuern. Darüber ließ er ein großes Kruzifix, eine Darstellung des hl. Jakobus und weitere seines Vaters, seiner Mutter, von sich selbst und seiner Frau auf dem Gemälde anbringen. Außerdem ließ er ein Bild von Andreas Rieter 14 und das auf Pergament gemalte Familienwappen befestigen. Acht Tage nach Maria Lichtmeß (2. Februar) begann die Rückreise. Insgesamt war Sebald Rieter 35 Wochen unterwegs und gab 400 Gulden aus. 2. Gabriel Tetzel (Rožmital), 1465-1467 Während die Mitglieder der Familie Rieter eher in städtischen und zugleich adeligen Traditionen standen, so kann die Reise des böhmischen Adeligen Leo von Rožmital als eine Adelsreise 15 par excellence gelten. Sie ist aber auch mit Nürnberg verbunden. Dort hatte sich Gabriel Tetzel, ein Bürgerssohn, der Reisegruppe angeschlossen, als der böhmische Hochadlige Leo von Rožmital, ein naher Verwandter des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad, dort mit seiner 12 Zu diesen Schreiben und dem möglichen Ertrag einer systematischen Erforschung vgl. Werner P aravicini , Fürschriften und Testimonia, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, hg. von Johannes h elMrath / Heribert M üller (München 1994), S. 903-926; weiterhin zu den weiter unten besprochenen Berichten vgl. Anm. 16. 13 Zu diesem Weg vgl. die eher präskriptiven Festlegungen des Pilgerführers, der im Liber Sancti Jacobi überliefert ist; vgl. Liber Sancti Jacobi V, 3, edd. Klaus h erbers / Manuel s an tOs n Oya (Santiago de Compostela 1999), S. 236. 14 Die Textstelle und uber das gemeldt meines vatters Hansen Rieters mein Andres Rieters, die dann auch aldo sein gewest , ist nicht ganz sicher zu interpretieren. 15 Zur Adelsreise vgl. die Beiträge in: Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, hg. von Rainer b abel / Werner P aravicini (Beihefte der Francia 60, Ostfildern 2005). <?page no="192"?> Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 193 etwa 50 Personen umfassenden Gruppe 1465 Station machte 16 . Vor der großen Westeuropareise des böhmischen Adeligen sind zwei Reiseberichte erhalten, sie stammen von dem böhmischen Adeligen Wenzeslaus Schaschek von Birkov, der als offizieller Protokollführer fungierte 17 , und von dem schon erwähnten Nürnberger Patrizier und Altbürgermeister Gabriel Tetzel 18 . Während Schaschek als Reisender von Stand und aufgrund seiner offiziellen Abhängigkeit von seinem Auftraggeber mehr über Turniere und diplomatische Empfänge berichtete, ist der Nürnberger Tetzel vielfach persönlicher, so dass der Bericht sogar zuweilen fast ethnographischen Charakter gewinnt 19 . Die Weiterreise der Gruppe von Nürnberg aus führte über Ansbach, das Rheinland, Brüssel und London durch Frankreich auf die Iberische Halbinsel. Dort folgte die Reisegesellschaft bis Burgos dem sogenannten klassischen „Ca- 16 Vgl. Michael s tOlZ , Tetzel, Gabriel, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 9, hg. von Burghart w achinger u. a. (Berlin/ New York 1995), Sp. 718 f.; h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 99-128 mit Auszügen und Paraphrasen aus der Textausgabe von Johann a. s chMeller , Des böhmischen Herrn Leo‘s von Rožmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande 1465-1467. Beschrieben von zweien seiner Begleiter (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 7, Stuttgart 1844). Tetzels Bericht dort S. 143-196; die Santiago betreffenden Partien auch bei h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 111-115. Vgl. zu dieser Reise demnächst die Erlanger Dissertation von Eike j uhre , vgl. einstweilen d ers ., Böhmische Adelsreisen im Späten Mittelalter - ein Quellen- und Literaturbericht, in: Slovo a Smysl 5 (2006), S. 109-135, sowie Peter j OhaneK , Und thet meinem Herrn gar gross eer . Die rittersreis des Leo von Rožmital, in: Festschrift Volker Honemann zum 60. Geburtstag, hg. von Nine M iedeMa / Rudolf s untruP (Frankfurt am Main 2003), S. 455-480, und Werner P aravicini , Bericht und Dokument. Leo von Rožmitàl unterwegs zu den Höfen Europas (1465-1466), in: Archiv für Kirchengeschichte 92 (2010), S. 253-307, mit „Gegendokumentation“ und umfangreicher Bibliographie (S. 298-307); vgl. auch dort S. 289 zum Gedanken der Heiligung bzw. der „Wallfahrt“ bei einer Adelsreise. 17 Sein Text ist nur in einer späteren Rückübersetzung ins Lateinische erhalten. Vgl. s chMel ler , Rožmital (wie Anm. 16), S. XII-XIV; P aravicini , Bericht (wie Anm. 16), S. 257. 18 Der Bericht des Nürnbergers Tetzel erscheint insgesamt detailfreudiger und zuverlässiger, jedoch bleibt der Vergleich schwer, weil der Saschek-Text nur in einer später gefertigten lateinischen Übersetzung vorliegt, vgl. Werner P aravicini / Christian h alM , Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters. Eine analytische Bibliographie. Teil 1: Deutsche Reiseberichte (Frankfurt am Main 1994), S. 153-157; h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 99f.; Klaus h erbers , Spanienreisen im Mittelalter - unbekannte und neue Welten, in: Fernreisen im Mittelalter, hg. von Folker r eichert (Das Mittelalter 3,2, Berlin 1998, ersch. 1999), S. 81-106, hier S. 91 f. und die in Anm. 16 zitierte Literatur. 19 Vgl. außer den Hinweisen in Anm. 16 auch die Beiträge von Michael s tOlZ , Die Reise des Leo von Rožmital, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte, hg. von Klaus h erbers ( Jakobus-Studien 1, Tübingen 1988), S. 97-121; Ursula g anZ -b lättler , Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520) ( Jakobus-Studien 4, Tübingen 1990, 2. Auflage 1991), S. 68 f., 148 f., 167 f., 185 f., 229 und 416 f.; h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 99 -128. <?page no="193"?> 194 Klaus Herbers mino francés“ durch Nordspanien. Über Salamanca führte dann der Weg aber zunächst nach Portugal. In Braga fand ein erzbischöflicher Empfang statt, und mit Hilfe eines dort vom Erzbischof mitgegebenen Führers gelangte die Gruppe nach Santiago de Compostela. Weil es offensichtlich unterwegs kaum Herbergen gab, mussten die Reisenden einmal sogar „auf dem Feld unter einem Baum“ nächtigen und mit primitivsten Mitteln selbst kochen. Tetzel beklagt ein hartes, armseliges Leben in dieser Phase. Als die Gruppe drei Tage später endlich nach Santiago gelangte, fanden sie dort eher einen innerstädtischen Kriegsschauplatz als ein beschauliches Pilgerzentrum: „Die Kirche wurde von einem mächtigen Herren belagert. Mit dem hielten es die Einwohner von Santiago, und sie hatten die Kirche ringsum eingeschlossen und schossen mit Büchsen hinein. Ebenso schossen die, die in der Kirche waren, wieder heraus. Der Herr und die Einwohner hatten den Bischof von Santiago auf einem Schloß in der Nähe gefangen gesetzt; des Bischofs Mutter und sein Bruder sowie ein Kardinal waren aber in der Kathedrale eingeschlossen. Der Herr aber war beim Sturmangriff auf die Kathedrale mit einem Pfeil in den Hals geschossen worden, so daß der ihm anschwoll und er nicht mehr lange zu leben hatte. Außer ihm war niemand verwundet worden, obwohl doch mehr als viertausend Menschen an dem Angriff beteiligt waren, so daß man meinte, daß es eine Strafe Gottes und Sankt Jakobs sei, daß er allein verwundet worden wäre“ 20 . Tetzel schildert dann, wie ein Arzt die Wunden versorgte. Es war aber gar nicht einfach, in die Kirche hineinzukommen. Dort waren die Mutter des Bischofs, der Kardinal und der Bruder des Bischofs belagert, und sie wollten die Reisegesellschaft erst in die Kathedrale lassen, als diese ein kostlich opfer anboten. Da die Reisegruppe aber mit den Feinden des Bischofs Kontakt gehabt hatte, musste sie der Kardinal nach dem Betreten der Kathedrale zunächst von ihrem Bann lösen. Aber dann spricht Tetzel wie ein Pilger, der staunend das Heiligtum betritt und berichtet: „Dann kamen wir vor den Altar des heiligen Jakobus, in dem er leibhaftig liegt. Danach führte man uns eine Treppe hinauf in eine kleine Kapelle. Dort zeigte 20 Ich folge hier und in den weiteren Zitaten der Übertragung ins Neuhochdeutsche von Volker h OneMann , Santiago de Compostela in deutschen Pilgerberichten des 15. Jahrhunderts, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“: Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton, hg. von Klaus h erbers / Robert P lötZ ( Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998), S. 129-139, hier S. 131-133; vgl. h erbers / P lötZ : Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 111-115 mit dem Abdruck des Originaltextes und einschlägigen weiteren Kommentaren. Es handelt sich um eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Erzbischof Alfons III. (II. des Geschlechtes Fonseca), den Stadtbewohnern und dem aus galicischem Adel stammenden Kriegsherrn Bernal Yáñez de Moscoso. <?page no="194"?> Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 195 man uns das Haupt des heiligen Jakobus des Jüngeren, ein Stück vom heiligen Kreuz Christi und von der Dornenkrone sowie viele andere Reliquien. In der Kapelle hängen die Wappen sehr vieler Herren und Landfahrer; da ließ auch mein Herr sein Wappen anschlagen. Danach führte man uns heraus und zeigte uns eine Kette, mit der St. Jakob gefesselt worden ist. Und wenn jemand von einer Krankheit befallen ist, und mit dieser Kette umschlossen wird, wird er geheilt.“ Zum aktuellen Zustand der Kathedrale weiß er zu berichten: „Die Kathedrale ist eine schöne, weite und große Kirche mit kostbaren steinernen Säulen, ganz aus Hausteinen erbaut. Damals aber ging es wüst darin zu. Es standen Pferde und Kühe darin, auch hatten die Belagerten Hütten darin, sie kochten und wohnten in ihren Behausungen. Man führte uns zur Mutter des Bischofs, die ist ein langes, dürres Weib. Sie klagte meinem Herrn ihr Leid und sagte ihm, ehe sie die Kathedrale den Feinden übergäbe, wolle sie lieber sterben.“ Zum Ort selbst vermerkt Tetzel: „Draußen vor der Stadt steht eine kleine Kirche, von der man meint, daß St. Jakob sie erbaut und darin gewohnt habe, während er in Galizien predigte. Während der ganzen Zeit aber hat er nicht mehr als zwei Menschen zum Christentum bekehrt, nach seinem Tode aber ist das ganze Land Galizien christlich geworden. Einstmals aber ist St. Jakob drei Armbrustschüsse weit aus der Stadt hinausgegangen und hat sich auf einer Anhöhe niedergelassen und dort jämmerlich geweint, weil er nicht mehr als zwei Menschen hat bekehren können. Da wurde er sehr durstig. Er steckte seinen Stab in das Erdreich, und sofort entsprang da ein schöner Brunnen, den es heute noch gibt; [...] mein Herr und wir alle tranken daraus“. Die Stadt Santiago würdigt Tetzel insgesamt trotz der herrschenden kriegerischen Auseinandersetzungen jedoch auffallend positiv: „Santiago ist eine angenehme, kleine Stadt, mittlerer Größe, und die Leute dort sind fromm, obwohl sie damals gegen ihren Bischof stritten“. Wie bei vielen anderen Pilgern reiste die Gruppe noch nach Finisterre (zum „Finstern Stern“) und nach Padrón, den Ort, an dem die Gebeine des Apostels Jakobus auf wunderbare Weise in einem Schiff angekommen sein sollen. 3. Hieronymus Münzer 1494/ 1495 Der dritte Bericht unterscheidet sich allein durch die Sprache: Er ist in Latein geschrieben. Im August 1494 brach der Nürnberger Stadtarzt Hieronymus Münzer, ein wohlhabender Mann, mit drei Begleitern nach Spanien auf. Anlass war eine Pestwelle in Nürnberg, aber der Bericht lässt weitere Aufträge und Reisemotive erkennen. Vielleicht reiste Münzer im Auftrag Kaiser Maximilians und mancher Handelsgesellschaft, auf jeden Fall aber mit großen kosmographischen Interes- <?page no="195"?> 196 Klaus Herbers sen und mit dem Willen, solche Beobachtungen mit nach Hause zu bringen 21 . Der in Pavia promovierte Münzer war - besonders seitdem er in Nürnberg das Bürgerrecht erworben hatte - vom Humanismus berührt, allerdings vor allem in der speziellen Nürnberger Ausprägung, die neben der Rückbesinnung auf die Antike auch insbesondere kosmographische Interessen pflegte. Seine Interessen belegt der rekonstruierte Katalog seiner Bücher 22 . Die Reise führte über Perpignan zum Montserrat, nach Valencia, in das - zwei Jahre zuvor von den „Katholischen Königen“ eroberte - Granada, nach Sevilla und Lissabon bis an die Atlantikküste. Im Dezember 1494 erreichte die Reisegesellschaft zunächst Padrón, dann die Stadt Santiago de Compostela. Sein Bericht über Santiago steht auch in literarischen Traditionen, vielleicht ist er sogar von der Tradition des antiken und humanistischen Städtelobes geprägt 23 . Zunächst beschreibt Münzer die Lage der Stadt, dann werden Informationen zu Ackerbau und Viehzucht, zur guten Luft, aber auch zu den wichtigsten Klöstern der Stadt geboten. Sein Abschnitt über die Kathedrale von Santiago enthält zur Orientierung sogar im Manuskript eine Skizze des Grundrisses 24 . Ein weiterer Absatz charakterisiert Erzbischof, Kardinäle und Kanoniker, es folgt dann eine Beschreibung der zwölf Chorkapellen. Am 21. Dezember 1494 verließen Münzer und seine Gesellschaft Santiago, wo sie sich genau eine Woche aufgehalten hatten. 21 Zum lateinischen Text von Hieronymus Münzer wird in Erlangen am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte eine Neuausgabe sowie eine Übersetzung samt Kommentierung vorbereitet. Der Text ist bisher nur passagenweise und in unterschiedlicher Qualität verfügbar: Itinerarium Hispanicum Hieronymi Monetarii 1494-1495, ed. Ludwig P fandl , in: Revue Hispanique 48 (1920), S. 1-179 (nur der Spanien betreffende Teil des Textes), S. 157-162. Vgl. zu anderen Teilen Ernst Philipp g OldschMidt , Le voyage de Hieronimus Monetarius à travers la France, in: Humanisme et Renaissance 6 (1939), S. 55-75, 198-220, 324-348, 529-539; vgl. das Sonderheft der Zeitschrift „Provence historique“ 41, fasc. 166 (1991) mit verschiedenen Textpassagen. Zur editorischen Situation vgl. P aravicini / h alM , Europäische Reiseberichte (wie Anm. 18), S. 261-265 und die angekündigte Neuausgabe, Einleitung; dort künftig auch die weitere bibliographische Orientierung. Gundolf K eil / Marianne w lOdarcZyK , Münzer, Hieronymus (H. Monetarius, Girolamo Münster [! ], Hieronymo Montario), in: Verfasserlexikon, Bd. 6 (Berlin/ New York 1987), Sp. 800-804; siehe weiterhin h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 135-150, sowie h er bers , „Murcia ist so groß wie Nürnberg“ (wie Anm. 6) und künftig Randall h erZ sowie die Einleitung der angekündigten Edition und die Hinweise in Anm. 6. 22 Ernst Philipp g OldschMidt , Hieronymus Münzer und seine Bibliothek (Studies of the Warburg Institute, Bd. 4, London 1938). 23 Passagen zu Santiago lateinisch einstweilen bei P fandl , Itinerarium (wie Anm. 21), S. 93-99. 24 Reproduziert bei P fandl , Itinerarium (wie Anm. 21), S. 95 und h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 145. <?page no="196"?> Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 197 Münzer belässt es nicht bei äußeren Beschreibungen. Er schildert ausführlich eine Prozession am 16. Dezember (bei der auch der Botafumeiro, das große Rauchfass, benützt wurde) und nennt die Ausstattung der Altäre. Außerdem verzeichnete er angeblich die Reliquien. Wenn er notiert, dass die Kathedrale durch Karl den Großen errichtet worden sei, der die Beute aus seinen Siegen über die Sarazenen gestiftet habe, dann reproduziert er hier offensichtlich die Bemerkungen, die seit dem 12. Jahrhundert mit der sogenannten Historia Turpini, einem Teil des Liber Sancti Jacobi, verbreitet wurden 25 . Eine Teilabschrift ließ er anfertigten und fügte sie in seinen Bericht ein. Weitere weltliche Herrscher werden erwähnt: Der König von Kastilien habe die Kathedrale prächtig ausgeschmückt, König Ludwig von Frankreich habe drei Glocken gestiftet. Zum Sakralort selber schreibt er: „Von den zwölf Kapellen, die den Chorraum umgeben, ist die erste diejenige, die der König von Frankreich erbauen ließ und mit einer Jahresrente von 200 Dukaten dotierte, damit in ihr die einzelnen kanonischen Horen gesungen werden 26 . Aber die Kanoniker singen die Horen nur im Hauptchor, obwohl sie die Einnahmen erhalten. Unter den 12 Kapellen sind sieben Pfarreien von Compostela, dort werden die besonders Vornehmen der Pfarreien begraben und Sakramente gespendet. Wir sahen, wie zwei Tote bestattet wurden, vor der Leiche trug man einen Weinschlauch, zwei Säcke Brot, zwei vordere Viertel eines Ochsen, zwei Schafe und das beste Kleid. Diese [Dinge] gehören rechtlich dem Pfarrer. [Die Kanoniker] singen Horen und Offizien vorschriftsmäßig im Chorraum, aber sie sind auch auf Bezahlung aus. 25 Dies ist auch das vierte Buch des Liber Sancti Jacobi IV: 5 (wie Anm. 13), S. 203. Vgl. zur Abschrift, die Münzer in Auftrag gab, Jeanne E. K rOschalis , 1494: Hieronymus Münzer, Compostela and the Codex Calixtinus , in: The Pilgrimage to Compostela in the Middle Ages. A Book of Essays, hg. von Maryjane d unn / Linda Kay d avidsOn (London/ New York 1996), S. 69-96, die Münzers Textteile nicht als Kopien, sondern Adaptionen interpretiert; zu den Abweichungen in Münzers Abschrift vgl. inzwischen Klaus h erbers , Jerónimo Múnzer en Santiago. La importancia de la tradición jacobea en la narración de su viaje por Europa Occidental (1494-1495), in: Topografías culturales del Camino de Santiago/ Kulturelle Topographie des Jakobsweges. Actas del Simposio Internacional „A rosa dos aires da xeografía xacobea en Europa (peregrinos, literatura e iconografía)“ celebrado en Hamburgo (6.-8.10.2014)/ Akten des Internationalen Symposiums „Kulturelle Topographien der Jakobswege in Europa“ Hamburg (6.-8.10.2014), hg. von Javier g óMeZ -M OnterO (Frankfurt am Main 2016), S. 205-217. Allgemein zum Pseudo-Turpin vgl. die Beiträge in: El Pseudo-Turpin. Lazo entre el culto Jacobeo y el culto de Carlomagno. Actas del VI Congreso Internacional de Estudios Jacobeos (Santiago de Compostela 2003) und Jakobus und Karl der Große. Von Einhards Karlsvita zum Pseudo-Turpin, hg. von Klaus h erbers ( Jakobus-Studien 14, Tübingen 2003). 26 Es handelt sich wohl um die dem hl. Erlöser geweihte Kapelle, die Ludwig XI. (1461- 1483) noch vor seiner Regierungszeit 1447 mit einer Rente ausstattete; deshalb hieß sie auch „Capilla San Salvador“ oder „Capilla del rey de Francia“. <?page no="197"?> 198 Klaus Herbers Dauernd ist ein solches Volksgeschrei in der Kirche, daß man sich auf einem Marktplatz wähnt. Mäßig ist da die Ehrfurcht. Der heilige Apostel wäre es wert, daß man ihn mit größerem Respekt verehrt. Man glaubt, daß er mit seinen zwei Schülern unter dem Hochaltar beerdigt ist, einer zu seiner Rechten und der andere zu seiner Linken. Niemand hat seinen Leichnam gesehen, nicht einmal der kastilische König, als er im Jahr des Herrn 1487 dort zu Besuch war. Nur durch den Glauben, der uns Menschen rettet, nehmen wir [dies] an“. Ob dieser Satz den gläubigen Menschen oder doch den etwas ironischen, schon neuzeitlichen Skeptiker charakterisiert, ist nicht ganz klar; jedenfalls bleibt beim Leser ein durchaus zwiespältiger Eindruck zurück. 4. Sebald Örtel, 1521/ 1522 Wiederum knapp 30 Jahre später, 1521-1522, pilgerte Sebald Örtel aus einer bedeutenden Nürnberger Familie nach Santiago de Compostela 27 . Er brach am 23. August 1521 in Nürnberg auf, reiste zunächst durch Franken und Oberschwaben bis nach Konstanz. Ob er Handelsaufträge auf seine Reise mitnahm, ist nicht belegt. Die fast buchhalterische Auflistung seiner Ausgaben unterwegs lässt jedoch den Kaufmann und Buchhalter erkennen. Neben den Ausgaben listete er auch Reliquien und Heiltümer sorgfältig auf. Die Summe für einen Esel, den Örtel statt seines Pferdes für die Strecke von León nach Santiago benutzte, erschließt zugleich Aspekte von Topographie und den Zustand der Wege. Er erreichte Compostela am Allerheiligentag, benötigte also für den Weg - wenn auch mit einigen Umwegen - gut zwei Monate. Und dort heißt es lapidar: ... verzerten wir 2 Ducaten. Und ich lis für 1 Ducaten meß lessen vnd gab eim armen Teuschen Weber 1 Ducaten, daß er aus der gefengnus kam . Weitere Almosen werden erwähnt sowie das Spital der Katholischen Könige als besonders sehenswert hervorgehoben. Zurück reiste Örtel über Portugal, Mérida und Katalonien. Sein spröder Bericht besteht fast nur aus solchen Notizen: Meilen und Ausgaben werden präzise genannt, nur manchmal erweist er sich zuweilen sogar als Kunstfreund und vielseitig interessierter Zeitgenosse. Nach seiner weiten Spanien- und Compostelareise heiratete Örtel am 11. Februar 1522 die Tochter des Hans von Ploben und der Barbara Hallerin, Anna von Ploben. Örtel unternahm die Fahrt nicht als „Hochzeitsreise“, sondern un- 27 Die Handschrift: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Handschrift 7057 hat Theodor h aMPe , Deutsche Pilgerreisen nach Santiago de Compostella und das Reisetagebuch des Sebald Örtel (1521-1522), in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum (Nürnberg 1896), S. 61-82 zugänglich gemacht, weiterhin h erbers / P lötZ , Nach Santiago zogen sie (wie Anm. 6), S. 235-247. <?page no="198"?> mittelbar davor: Religiöse Motivation, die Suche nach „Welterfahrung“ scheint durch, wenn wir den Zeitpunkt der Reise beachten. III. Vergleichende Bilanz Will man die vier Berichte vergleichen, so dürften zahlreiche Unterschiede in den verschiedenen Voraussetzungen gründen. Bemerkenswert ist in jedem Fall die Individualität. Fast alle folgen nicht nur dem klassischen Camino francés oder den Empfehlungen des deutschen Pilgerführers, den Hermann Künig von Vach verfasste. Guadalupe, Lissabon und Katalonien sind weitere wichtige Ziele, die fast alle Nürnberger Pilger aufsuchten. Insofern waren alle hier aufgrund der Berichte vorgestellten Nürnberger Pilger eher oder zumindest auch Reisende. Bei der Schilderung des Heiligtums Santiago bleiben alle Berichterstatter recht vordergründig. Spirituelles gehörte offensichtlich nicht in die Kategorie der Reiseberichte 28 . Dagegen werden die Devotionsakte teilweise genannt. Viel wichtiger erschien aber vielfach Anderes: Beide Mitglieder der Familie Rieter verewigten sich mit ihren Wappenschilden in der entsprechenden Kapelle, und auch Rožmital folgte noch dieser Tradition. Tetzel beschreibt die Kirche und auch die Kapellen, nennt Reliquien und Weiteres, aber es bleibt bei der Aufzählung. Münzer ist detaillierter, er gibt einen Plan vom Grundriss der Kathedrale, will es genauer wissen und bohrt nach. Die Historia Turpini sagt ihm, was er wissen will. Das gilt auch für eine Erklärung der Pilgermuscheln. Bei den Grundrissen vergleicht er mit Nürnberg, wenn er sagt: Die Kirche hat „zwei Seitenschiffe wie die Sebaldskirche“. Aber Münzer hat auch einen Reliquienzettel gesehen, auch wenn er an der Präsenz der Jakobusreliquien Zweifel hegt. Ganz traditionell bleibt dagegen Örtel, er ist der einzige, der seine finanziellen Aufwendungen zum Lesen der Messe anfügt, auch sein Opfer für einen gefangenen deutschen Weber oder für die armen Leute im Spital. Diese Spenden waren von durchaus anderer Art als das kostlich opfer der Gruppe von Rožmital, das man fast eher als Eintritts- oder Einlassgeld bezeichnen könnte. Berichte über Repräsentation, Devotion und Wissenwollen erscheinen sehr unterschiedlich ausgeprägt, Devotion und Reliquienkult oder Reliquieninteresse zeigten sich auch nicht nur in Santiago. Rožmital wollte angeblich bei seiner Reise auch die Orte der Reliquien aufsuchen, Münzer wird ausführlich in Guadalupe oder Montserrat, verzeichnet auch die Traditionen um den hl. Mamertus in einem eigenen Anhang zum Reisebericht. Manche Schwerpunktsetzungen mögen sich auch aus den Anliegen der jeweiligen Schriftfassungen ableiten: Familientradition bei Rieter, Aufzeichnung einer politischen Adelsreise bei Tet- 28 Vgl. h erbers , Pilgerfahrten und Nürnberger Pilger (wie Anm. 1). Nürnberger Pilger des späten Mittelalters in Santiago de Compostela und ihre Berichte 199 <?page no="199"?> 200 Klaus Herbers zel, humanistisches Interesse bei Münzer sowie buchhalterische Rechenschaft über Strecke und Ausgaben bei Örtel. Und trotzdem erscheinen die Interessen, Motive in vielfältiger Weise gemischt, lassen also durchaus Individualität erkennen. Die Frage, ob wir Reisende oder Pilger vor uns haben, erscheint vor diesem Hintergrund weniger wichtig, vor allem wenn wir unter dem Pilger auch im klassischen Sinn den „Fremden“ in der Fremde verstehen. Vor diesem Hintergrund mögen auch heutige Pilger gesehen werden - nicht alle, aber viele Wege führen nach Santiago. <?page no="200"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela Volker Honemann (†) Im Jahre 1518 predigte Martin Luther in Wittenberg über die Zehn Gebote. Dabei kam er bei dem Laster der Habgier auch darauf zu sprechen, dass „überall Kirchen errichtet würden oder schon errichtet seien über nicht geweihten Bildern, besonders dort, wo die leicht verführbare Masse des Volkes zusammenströmt, und diese Kirchen nicht einmal geweiht würden, in denen außer der Gestalt und dem Namen der Frömmigkeit nichts verlangt wird, als der Gewinn, [den man daraus zieht]. Wenn nämlich der Teufel unter dem Namen Christi Pseudo-Christusse schickt, um wieviel mehr kann er unter dem Namen und dem Bild Marias oder eines anderen Heiligen Irrtum und Täuschung bewirken! […] Der Teufel richtet dieses Zusammenlaufen des Volkes [ concursus im Original] ein, um das Volk von den wirklich heiligen Orten wegzuziehen und die Liebe zu ihnen zu vermindern, aber auch, um dem Volk Gelegenheit zu geben, das Wort Gottes und den Gottesdienst ihres Pfarrers zu vernachlässigen.“ „Ich übergehe“, so Luther weiter, „dass die Leute durch das Laufen Zeit und Geld [ substanciam ] verschwenden, dass sie sich mit vielen Sünden beladen, während sie Eitles (Wertloses) erzählen oder hören oder sehen, und (darüber) ihr Haus, ihre Angelegenheiten und ihre Familie vernachlässigen, d. h., während sie sich vergeblich abmühen und viel Schlechtes tun.“ Luther führt dies im Weiteren breit aus und bemerkt z. B. dass da, wo man die ungeweihten „Kirchen“, also die Ziele der „wilden Wallfahrten“ geweiht habe, das Zusammenlaufen jäh zum Stillstand gekommen sei. Dort aber, wo der Teufel keine Macht an profanen Orten habe, wirke er auch an heiligen Orten Böses, und zwar so, dass er zu Pilgerfahrten an anderen, nahegelegenen Orten anrege. Dort aber gebe es soviele Schenken und Bordelle, dass man glauben könnte, in Babylon zu sein; am Abend kehre man dann heim, voll von Ablässen, nämlich Bier, Ausschweifungen und anderen Zeichen der Sünde. Hatte Luther hier vor allem die Nahwallfahrten im Blick, so wandte er sich im Folgenden den Fernwallfahrten zu: „Hier aber“, so fährt er fort, „hält man mir die [von der Kirche] approbierten Pilgerfahrten entgegen, die nach Rom, zum heiligen Jakobus, nach Jerusalem, nach Trier, schließlich an andere Orte, um <?page no="201"?> 202 Volker Honemann Reliquien der Heiligen zu verehren und Ablässe zu gewinnen. Darauf antworte ich: Derjenige, der auf diese Pilgerfahrten verzichtete und zuhause bliebe, würde nicht sündigen, denn sie sind ja nicht geboten [ praeceptae ], sondern man unternimmt sie freiwillig [ voluntarie assumptae ]. Doch will ich dem Gebrauch und der herrschenden Gewohnheit nicht widerstehen: Die, die das wollen, sollen ruhig gehen, solange sie wissen, dass sie mit dem gleichen Aufwand [ sumptibus ] Gott unvergleichlich besser dienen und ihr Heil bewirken können, wenn sie zuhause den Armen dienen und besonders den ihnen Anvertrauten, wie ihren Frauen, Kindern, der Familie, ihren Herren, und wenn sie auch die Züchtigungen Gottes [ flagella dei ] geduldig ertragen und ebenso alle Widrigkeiten.“ 1 Im gleichen Jahr 1518 sprach sich Luther in seiner Reaktion auf die Kritik an seinen 95 Thesen, den ‚Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute‘, erneut über die Fernwallfahrten aus (WA 1, S. 613 f.). Hier erklärte er, viele pilgerten nach Rom und zu anderen heiligen Orten, um die Tunika Christi, die Gebeine der Märtyrer, die Orte und Reliquien der Heiligen zu sehen: was er, Martin Luther, nicht verdammen wolle. Er beklage aber, dass wir (! ) die wahren Reliquien, nämlich das Leid und die „Kreuze“ [ cruces ], die die Gebeine und Reliquien der Märtyrer geheiligt und der Verehrung würdig gemacht hätten, so sehr außer Acht lassen [ nescimus ], dass wir die zu Hause vermittelten [derartigen Reliquien, d. h.: das Leid Christi und der Märtyrer] nicht nur nicht akzeptieren [d. h.: uns zu Herzen gehen lassen], sondern sie mit allen Kräften zurückweisen. Diese [wirklichen] Reliquien aber seien in den Herzen der Gläubigen und später im Himmel nütze. Heutzutage aber deest fides vulgi - dem Volk fehlt der Glaube. Im gleichen Text bot Luther auch schon eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Wallfahrt‘; darauf ist zurückzukommen. Schon zwei Jahre später, 1520, wurde Luthers Kritik am Wallfahrtswesen schärfer und grundsätzlicher: Im 12. Abschnitt seiner rasch sehr weit verbreiteten Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ forderte er (WA 6, S. 437f.), das man die walfarten gen Rom abthet , und zwar nicht deshalb, weil sie grundsätzlich schlecht seien, sondern weil sie zu disser zeit ubel geratten, dan sie [sc. die Pilger] zu Rom kein gut exempel, szonder eytel ergerniss sehen . Das Wallen sei nur ein gering gut werk, zu mehr mallen ein boß, vorfurisch werck, den got hat es nit gepotten. Er habe hingegen geboten, sich um seine Frau und seine Kinder zu kümmern und seinem Nächsten zu dienen und zu helfen. Mancher verzehre auf der Wallfahrt 50 oder hundert Gulden, lasse aber sein Weib und seine Fami- 1 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimar 1883ff.) [„Weimarer Lutherausgabe“]; im Folgenden zitiert: Schriften = WA, Tischreden = TR, Briefwechsel = B. Ich zitiere Seitenzahlen, denen, wo nötig, Zeilenzahlen beigefügt sind; bei den Tischreden zusätzlich die Nummern, die sie in der Edition bekommen haben; hier der lateinische Text nach WA 1, S. 422-424, zum 1. Gebot. <?page no="202"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 203 lie Not leiden. Das Wallen sei lautter furwitz odder teufels vorfurung . Die Päpste hätten dies durch ihre ertichten, nerrischen gulden jaren [an denen man in Rom vollkommenen Ablass gewinnen konnte] gefördert. Der falsch, vorfurisch glauben der einfältigen Christen an die Heilsverdienstlichkeit der Wallfahrten müsse ausgerottet werden, und deshalb solten alle wallefart nydergelegt werden, den es ist kein guttis drynnen, kein gepot, kein gehorsam, szondern untzehlich ursach der sunden und gottis gebot vorachtung. Im Weiteren fordert Luther den, der trotzdem auf Wallfahrt gehen will, auf, darüber vorher mit seinem Pfarrer oder seinem Herrn zu sprechen: Finde es sich dann, dass er sie vmb guttis werckis willenn verrichten wolle, dann werde man ihm zeigen, dass das nichts als ein teuffelisch gespenst sei und er Geld und Mühe viel besser für die Armen aufwenden werde. Wenn er die Wallfahrt aber aus furwitz [ curiositas ] unternehmen wolle, land vnd stedt zubesehenn , dann solle man ihm seinen Willen lassen. Habe er aber eine Wallfahrt in Krankheit gelobt, dann solle man ihm solches Gelübde verbieten und ihn auf das Halten der Gebote Gottes verweisen; für diesesmal aber solle man ihm, um sein Gewissen zu beruhigen, gestatten, sein nerrisch gelubd lassen auff [zu] richten. Zahl und Ausführlichkeit dieser frühesten Äußerungen Martin Luthers zur Wallfahrt, deren erste sich, ausgelöst durch die Ablass-Problematik, schon in den 95 Thesen und den davon abgeleiteten „Resolutiones“ finden, zeigen, wie wichtig Luther das Thema war. Dabei drückte er sich, wie oben gezeigt, in Bezug auf Fernwallfahrten gemäßigt aus 2 , verurteilte aber in harter Form das seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts grassierende „Laufen“ zu nahegelegenen, neuen Wallfahrtsorten 3 . 2 Vgl. Hartmut K ühne , Wallfahrt / Wallfahrtswesen V, in: TRE 35 (2003) S. 423-430, hier S. 428. - Eine vorzügliche Einführung in die Entwicklung des Wallfahrtswesens, die „spatialisation du sacré“ („Verräumlichung des Heiligen“) bei André v aucheZ , Culte des Saints et Pèlerinages aux dernières siècles du Moyen Age (v. 1200 - v. 1500): Essai de Bilan Historiographique, in: Arbor ramosa. Studi per Antonio Rigon da allievi, amici, colleghi, a cura di Luciano b ertaZZO u.a. (2011) S. 49-66, Zitat S. 52, zur Wallfahrt nach Santiago S. 53 f. 3 Vgl. besonders WA 1, S. 422, 27-423, 4. Wie sehr die Zahl der neuen Wallfahrten zugenommen hatte, zeigt Francis r aPP für das Bistum Straßburg: „Bis zum letzten Drittel des 15. Jahrhunderts lassen sich mit Sicherheit nur 5 Wallfahrtsorte feststellen, und zwar handelt es sich um Heiligengräber, die sich in den von den betreffenden als selig verehrten Menschen gegründeten Klöstern befanden. Für das Spätmittelalter dagegen fällt die Ernte des Forschers viel reicher aus: er ist in der Lage, eine Liste von 34 neuen Heiligtümern aufzustellen.“ Davon waren nur vier Tumuluswallfahrten, alle anderen 30 aber „wurden besucht, weil die […] angerufenen Fürbitter sich durch ihre Wunder hilfsbereit erzeigten […]“, siehe Francis r aPP , Wallfahrten der ländlichen Bevölkerung im Elsaß, in: Klaus s chreiner / Elisabeth M üller -l ucKner (Hg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter (1992) S. 127-136, hier S. 129. Ergänzend und vertiefend hierzu jetzt Elisabeth c leMentZ , Die Nahwallfarten im elsässischen Teil der Diözese Basel im Mittelalter, in: Pilgerheilige und ihre Memoria, hg. von Klaus h erbers und Peter r ücKert ( Jakobus-Studien 19, 2012) s. 109-127. <?page no="203"?> 204 Volker Honemann Bei der Einschätzung von Martin Luthers Wallfahrtskritik muss man sich vergegenwärtigen, dass er natürlich keineswegs der erste war, der sich in dieser Richtung äußerte: Schon die Kirchenväter Gregor von Nyssa (335-394) und Hieronymus (347-420) 4 hatten solche Kritik geübt. Das späte Mittelalter unterschied dann zwischen einer peregrinatio laudabilis und einer peregrinatio vituperabilis , einer zu lobenden und einer zu tadelnden Wallfahrt 5 , und kurz vor Martin Luthers Predigt hatte Erasmus von Rotterdam in seine 1518 erstmals veröffentlichten „Colloquia familiaria“ ein ausgesprochen umfangreiches Gespräch zwischen dem zu Hause gebliebenen Menedemus und seinem Nachbarn Ogygius eingefügt, der, „muschelübersät“, eben von einer Wallfahrt nach Santiago und dem Marienheiligtum von Walsingham zurückgekehrt ist: Er hatte ein Gelübde getan, dass er dem heiligen Jakobus persönlich danken wolle, wenn seine Frau „ein gesundes Knäblein zur Welt brächte“. Am Ende des Dialogs - er ist das bei weitestem umfangreichste Stück der „Vertrauten Gespräche“ - erklärt Menedemus auf die Frage nach einer Romfahrt, s e i n e „römischen Runden“ bestünden darin, dass er sich um sein Haus und vor allem dessen Bewohner, seine Frau und die Töchter, deren Keuschheit es zu bewahren gelte, kümmere. Den Einwand des Ogygius, dass dann, wenn er zu einer Wallfahrt aufbreche, „an deiner Stelle der heilige Jakobus [dafür] sorgen würde“, kontert Menedemus mit dem den Dialog schließenden Fazit: „Dass ich selbst dafür sorgen soll, das lehrt mich die Heilige Schrift; dass ich das den Heiligen überlassen soll, ein solches Gebot habe ich nirgends gelesen.“ 6 Dass Martin Luther diese das Wallfahrtswesen grundsätzlich in Frage stellende Satire kannte, als er seine oben zitierte Predigt hielt, ist mehr als wahrschein- 4 Jörg u lrich , Wallfahrt und Wallfahrtskritik bei Gregor von Nyssa, in: Zeitschrift für antikes Christentum 3 (1999) S. 87-98, siehe weiterhin Klaus s chreiner , „Peregrinatio laudabilis“ und „peregrinatio vituperabilis“. Zur religiösen Ambivalenz des Wallens und Laufens in der Frömmigkeitstheologie des Spätmittelalters, in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Gerhard j aritZ und Barbara s chuh (1992) s. 133-169, hier s. 138-140. Ebd. s. 115-131 auch der wichtige Beitrag von Constanze h OfMann -r endel , Wallfahrt und Konkurrenz im Spiegel hochmittelalterlicher Mirakelberichte, der zeigt, mit welchen Mitteln Wallfahrtsorte versuchten, Pilger an sich zu ziehen bzw. sie vom Besuch anderer heiliger Orte abzuhalten. Dies wäre auch für das Spätmittelalter zu untersuchen. Zur Wallfahrtskritik siehe aber vor allem Bernhard s chneider , Wallfahrtskritik im Spätmittelalter und in der „katholischen Aufklärung“, in: d ers . (Hg.), Wallfahrt und Kommunikation - Kommunikation über Wallfahrt (2004) S. 281-316, hier S. 285-297; er behandelt die folgenden Aspekte: „Leichtfertige Wallfahrten“, „Betrug und Aberglaube“, „Der innere Mensch und die wahre Frömmigkeit“, „Ruhe und Ordnung“. 5 s chreiner (wie Anm. 4) S. 157 ff. 6 Erasmus von Rotterdam, Vertraute Gespräche (Colloquia familiaria). Übertragen und eingeleitet von Hubert s chiel (o. J. [1. Aufl. 1947]), S. 88-127; Zitate S. 89 und 127. Edition des lateinischen Originals: Opera Omnia Desiderii Erasmi Roterodami. Ordinis primi tomus tertius. Colloquia, hg. von L. E. h alKin u.a. (1972), unser Text S. 470-494. <?page no="204"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 205 lich. Und ebenso wird er zum Beispiel die differenzierte Auseinandersetzung seines älteren Ordensbruders Johann von Paltz (um 1445-1511) wie vielleicht die anderer spätmittelalterlicher Theologen gekannt haben 7 ; darauf ist zurückzukommen. Während die Pilgerfahrt zum Grab des heiligen Jakobus in Luthers frühesten Äußerungen zum Wallfahrtswesen noch kaum eine Rolle gespielt hatte, änderte sich dies bald darauf, und „Santiago“ sollte für Luther geradezu zu einem Synonym für das Wallfahrtswesen werden. Ein erstes Zeugnis dafür stammt aus dem Jahr 1522: Am 25. Juli dieses Jahres hielt Martin Luther in Wittenberg eine Predigt auf den Heiligen des Tages, Jakobus den Älteren. Nachdem er am 26. Mai 1521 im sogenannten Wormser Edikt vom Kaiser zum Ketzer erklärt und im Auftrag Kurfürst Friedrichs des Weisen sicherheitshalber schon vorher, am 4. Mai, auf die Wartburg entführt worden war, war er am 1. März 1522 nach Wittenberg zurückgekehrt. Schon am 9. März begann er wieder zu predigen, um den in seiner Abwesenheit durch die überstürzten „Reform“-Maßnahmen des Andreas Karlstadt und seiner Anhänger ausgebrochenen Aufruhr zu stillen 8 . Der Beginn dieser Predigt ist eine radikale Absage an die Wallfahrt nach Santiago de Compostela wie an Pilgerschaft und Wallfahrt überhaupt, weshalb er im Folgenden ausführlich zitiert sei 9 : Ain Sermon von sant Jacob dem meereren [„Größeren“, Übersetzung für maior] und hailigen zw o e lffpoten D. Martini Luthers. DJser hailig Jacobus, des fest man heüt beget, ist groß geacht und Joannes des Jacobi brůder, und Salome jr baider můter, der under dem creütz gestanden ist. Nun lißt man vonn sant Jacob nit meer in Act. [der Apostelgeschichte des Neuen Testaments] am xij, dann das jn der Herodes hab mit dem schwerdt get o e dt, das ist es als [„alles“]. Wie er in Hispaniam kommen ist gen Compostel, da die groß walfart hin ist, da haben wir nu nichts gewiß von dem: etlich sagen, er lig in Franckreich zů Thalosa [Toulouse 10 ] , aber sy seind jrer sach auch nit gewiß. Darumb laß man sy ligen und lauff nit dahin, dann man waißt nit ob sant Jacob oder ain todter hund oder ain todts roß da ligt, darumb geschicht jnen auch recht die da also hinlauffen: dann dieweil man die gůten rechten werck die got gebeut nachlaßt [„unterlässt“] , so felt man dahin und laufft zů sant Jacob, und ee [„bevor“] man geb ainem armen man .xxx. [30] guldin, ee laufft man hin und verzeret xxxx. [40] 7 Siehe dazu s chreiner (wie Anm. 4). 8 Die Daten nach Andrea von d ülMen , Luther-Chronik. Daten zu Leben und Werk (1983) S. 79 und 89. 9 WA 10 III, S. 235 f. - In den Text füge ich Erläuterungen zu schwierigen Stellen ein. 10 Verwechslung mit dem Grab des Apostels Jacobus minor in Saint-Sernin in Toulouse. <?page no="205"?> 206 Volker Honemann oder hundert. Darumb laß predigen wer da will, laß ablaß ablaß sein 11 , laß raisen wer da will, bleib du dahaim. Aber das ist nun das ergst, das man das hertz auf sant Jacob will setzen und got sol darneben hingeen und auß dem mittel [„dem Zentrum“] geworffen werden: damit geschicht sant Jacob kain eer und got ain grosse uneer. Dan er [Gott] hat das nit befolhen und ist auch unno e tig, er [S. 236] ist nit ain got, das er das besta e tige und ain wolgefallen darinn hab, das er nit gebotten hat, darumb bleyb man dahaim. Hat aber yemand ain gelübt gethon, der stee sein ab [„trete davon zurück“] , dann got hat kain gefallen in den narrenwercken, darumb sehe man, das man allain mit got handel mit dem glauben und mit dem nechsten in liebe, so ist es gnu o g. Was Luther hier vorträgt, ist eine radikale Kritik an Wallfahrtswesen, Erwerb von Ablässen und Heiligenverehrung zugleich: Ob St. Jakob in Santiago begraben liegt, wissen wir nicht, Ablässe sind nutzlos, und, viel schlimmer: die Verehrung der Heiligen wirft Gott aus dem Zentrum des menschlichen Heilsstrebens, sie ist, was Luther an anderer Stelle sagt (s.u.), geradezu Götzendienst. Luthers Fazit: Gott hat an der Wallfahrt kein Gefallen, deshalb bleibe man daheim und beschränke sich darauf, Gott zu dienen und den eigenen Nächsten liebend zu unterstützen, was viele Wallfahrer, auch der Kosten ihrer Reise wegen, nicht tun. Im Folgenden will ich nun nicht nur weitere Zeugnisse für Luthers Wallfahrts- und besonders Santiago-Kritik zusammenstellen 12 , sondern weiter ausgreifen: Es soll gefragt werden, was Luther überhaupt über Spanien, Santiago de Compostela und den heiligen Jakobus den Älteren wusste, weiterhin, warum und in welcher Weise er die Wallfahrten dorthin kritisierte, schließlich, in welche theologischen Konzepte des Reformators seine Wallfahrts- und Santiagokritik eingebettet war. Diese Fragen sind vor dem Hintergrund einer überraschend 11 Ablässe für den Besuch Santiagos sind seit 1198 bezeugt, siehe Ursula g anZ -b lättler , Zur Spiritualität in den Santiago-Berichten des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Spiritualität des Pilgerns, hg. von Klaus h erbers und Robert P lötZ ( Jakobus-Studien 5, 1993) s. 59-82, hier s. 63. im Jahre 1497 wurden durch Alphonsus de Losa Ablassbriefe zum Besten der Bruderschaft des Pilgerhospitals von Santiago de Compostela sowie Bruderschaftsbriefe für dieses Hospital ausgegeben; dies anscheinend „überwiegend in England“, siehe Falk e iserMann , Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Bd. III (2004), hier L-69-79, S. 99-104; Zitat S. 99. 12 Eine Reihe von ihnen hat bereits Christoph K ühn in seinem schönen Aufsatz: Von der Wittenberger Reformation zu den Ökumenischen Pilgerwegen, in: Der Jakobuskult in Sachsen, hg. von Klaus h erbers und Enno b ünZ (2007, Jakobus-Studien 17) s. 291-324, hier s. 293-302 zusammengestellt und interpretiert; seine Deutungen überschneiden sich zwangsläufig mehrfach mit den meinen. Siehe weiterhin d ers ., Die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela (2005) s. 108-112. <?page no="206"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 207 großen Zahl von Äußerungen Luthers über Santiago und den heiligen Jakobus zu sehen; es sind in den 70 Bänden der hier zitierten Weimarer Lutherausgabe mehrere hundert Stellen 13 . Aufbauen kann der folgende Beitrag auf den gründlichen Studien zweier spanischer Kollegen, Vicente a lMaZán und Manuel s antOs n Oya , die in Deutschland bisher kaum zur Kenntnis genommen wurden 14 . Anders als die beiden spanischen Forscher gehe ich so vor, dass ich zunächst Äußerungen Luthers über Spanien und den Bischofssitz Santiago sowie die Umstände der Wallfahrt dorthin präsentiere (1.), dann Luthers grundsätzliche Kritik an den Wallfahrten am Beispiel Santiago vorstelle (2.), weiterhin nach den Ursachen für diese Kritik frage (3.), Luthers s y s t e m a t i s c h e Kritik an den Wallfahrten nachzeichne (4.) und schließlich ein Resümee zu ziehen versuche. Schon hier sei darauf verwiesen, dass die genannten spanischen Kollegen - sachbedingt - das Material ähnlich anordneten bzw. zu ähnlichen Deutungen desselben gelangten: a lMaZán unterscheidet fünf Aspekte der Auseinandersetzung Luthers mit den Wallfahrten bzw. derjenigen nach Santiago: (1) Sie sei ein Akt der Idololatrie, eine Blasphemie oder wenigstens ein schwerer Irrtum, (2) ein Weg in die Hölle bzw. das Sammeln von Ablässen, die zu nichts nützen, (3) ein Verlust an Zeit, (4) eine leichte Entschuldigung um sich vor legitimen Pflichten und wirklichen guten Werken zu drücken, (5) sie werde aus „curiosidad“ unternommen, der Abenteuerlust wegen oder um eine Sünde zu begehen, oder durch Betteln Gewinn zu erzielen. 15 s antOs n Oya konzentriert sich demgegenüber auf die theologischen Aspekte Lutherscher Äußerungen zur Wallfahrt: Sie sei (a) eine „práctica supérflua y errónea“, (b) ein vergeblicher Versuch, Gott zu 13 Ermittelt wurden sie über die kaum hoch genug zu schätzenden Registerbände; siehe zu diesen unten Anm. 14. 14 Vicente a lMaZán , lutero y Santiago de Compostela, in: Compostellanum 32 (1987) S. 533-559 und Manuel s antOs n Oya , El camino en el pensiamento de Rámon Llull, Roberto Holkot y Martín Lutero, ebd. 36 (1991) S. 363-381, hier S. 373-381. s antOs n Oya konnte (siehe ebd. S. 373 mit Anm. 27) bereits die ersten beiden Bände der Register zu Bd. 1-60 der Weimarer Lutherausgabe benützen (Bd. 62: Ortsregister [1986] und Bd. 63: Personen- und Zitatenregister [1987]); er zählt bereits „aproximadamente unas 275 alusiones a Santiago“. Inzwischen sind weitere Registerbände erschienen, die für diesen Beitrag natürlich ausgewertet wurden und die Zahl der Nennungen Santiagos bzw. der Wallfahrt dorthin weiter vermehrten: Bde. 64-68: Lateinisches Sachregister (1990-1999), Bde. 69- 73: Deutsches Sachregister (2001-2009). Für die „Tischreden“ steht das in deren letztem, 6. Bd. (1921) abgedruckte Wort- und Sachregister (S. 511-705) zur Verfügung; für den Briefwechsel Luthers das Personen- und Ortsregister (Bd. 15, 1978) und das Theologische Sachregister (Bd. 17, 1983). 15 Siehe a lMaZán (wie Anm. 14) S. 539; der Aufsatz ist diesen Kategorien entsprechend aufgebaut. <?page no="207"?> 208 Volker Honemann begegnen, (c) Idololatria (Verstoß gegen das erste Gebot), (d) sie setzte Jakobus in „contraposición“ zu Christus 16 . 1. Äußerungen Luthers über Spanien, den Bischofssitz Santiago und über die Umstände der Wallfahrt In den Tischgesprächen im Hause Luther, die zwischen 1531 und 1546 aufgezeichnet wurden („Tischreden“ 17 ) findet sich als Nr. 6141 (TR 5, S. 509) eine recht merkwürdige Aussage über die Eigenart der Bewohner Aragons und der Biscaya: Christophorus de Groß [ein Bruder der mit Katharina von Bora, Luthers späterer Frau, aus dem Kloster Nimbschen geflohenen Ave Groß, Amtmann in Beelitz und später Visitator des Sächsischen Kurkreises 18 ], habe viel über die Spanier und Italiener erzählt, auch über die Gegenden seiner Reise ad terram sanctam, Arragonia et Pyskai 19 , die gebirgig seien, die Leute dort gießen nur wasser ins mel, legens auff einen heißen hert, fassen ihre wein in tziegen heutte, keren das rauche hineyn, das die haare drinne schwimmen. Mulieres pellibus ovinis velari [die Frauen bedecken sich mit Ziegenhäuten], do si das rauche herauß keren, et quo plus habent cauterias, narben, in facie, eo honestiores iudicari; sunt autem cauteriae parvulae in modum fili exigui, et baptismi signum habent parvam cicatricem in naso infra oculos 20 . Luther antwortet auf diese merkwürdige Aussage damit, dass er bemerkt, früher fruchtbares Land sei heute dürr (TR Nr. 3625), was kaum zu dem vorhergehenden passt 21 . Schon 1519 hatte sich Luther auch über den Rang des Bischofssitzes von Santiago geäußert. In einer lateinischen Schrift über die Macht des Papstes hatte er die rhetorische Frage gestellt, welchen Nutzen es denn habe, wenn man Rom wegen der Apostel Petrus und Paulus als erste Sedis (hochrangigsten „Sitz“) der Kirche bezeichne, Santiago aber wegen des heiligen Jakobus als die zweite, man- 16 s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 376, 377, 379 (2 mal). 17 Zur Charakterisierung dieser „Coloquios de mesa“ siehe in unserem Zusammenhang besonders a lMaZán (wie Anm. 14) S. 534 f. 18 So TR 3, S. 112, Anm. 7. 19 Der Herausgeber dieses Bandes der Tischreden (TR 5, S. 509 Anm. 9) fragt zurecht: „Sollte nicht der Weg nach Santiago de Compostela gemeint sein? “ 20 „Um so mehr Narben ( cauterium : Brenneisen; d. h. es müssen eingebrannte Narben, Brandmale gemeint sein) sie im Gesicht haben, für umso ehrenwerter werden sie geachtet; es sind dies aber kleine Narben in der Art eines kleinen Fadens, und als Zeichen der Taufe haben sie eine kleine Narbe auf der Nase unter den Augen.“ Ein Nachweis eines solchen Brauches ist mir nicht gelungen. 21 Siehe zum Thema „Luther und Spanien“ weiterhin a lMaZán (wie Anm. 14) S. 536-538, wo besonders auf die in den Tischreden mehrfach gerügte angebliche „insolencia“ und „crueldad“ der Spanier verwiesen wird. <?page no="208"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 209 che aber Konstantinopel, das viele Apostel habe, als zweite ansähen? 22 - Ihm scheint die Diskussion über die Rangfolge der Sedes, die ja an der römischen Kurie von einiger und für den Erzbischof von Santiago von höchster Bedeutung war, ganz überflüssig zu sein. Ein besonderes Problem stellt bei der Wallfahrt nach Santiago die Vielfalt der Sprachen dar. Sie kann auch ihre komischen Seiten haben, wie man ebenfalls den „Tischreden“ entnehmen kann. Dort heißt es unter dem Rubrum „Vom Fest der heiligen Dreifaltigkeit, und dem Gesang: ‚Komm heiliger Geist“‘: Aber die musici und Sänger sind ungleich. Gleich wie ein Deutscher, da er zu S. Jacob zog, und aufm Wege, da er in Frankreich kam, da baten ihn die Leute daselbst, er mochte Deutsch singen, weil er eine gute Stimme hatte; da sang er: „Der Schäfer in der Niedermühl hätte mein Töchterlein gerne“, und neigete sich. Da bogen die Franzosen auch ihre Knie, als nennete er Gott (TR 4, Nr. 4478 vom 4.1.1539; dasselbe lateinisch siehe TR 4, Nr. 4628). Ignoranz ist es auch, die die Fehlinterpretation des Namens „Finisterre“ hervorbringt, wie wiederum die „Tischreden“ bezeugen (TR 3, S. 446 f., Nr. 3603, von Juni / Juli 1531): Ignorantia peperit confusionem linguarum […] Et in Hispania mons est nomine Finis terrae. Hoc Germani non intelligentes dicunt: […] Finstersterne 23 . Wenige Monate später, im November oder Dezember 1537 äußerte sich Luther in einem lateinisch-deutschen Text der „Tischreden“ auch zu den Reliquien in Finisterre (TR 3, S. 472 f., Nr. 3637 b): Mendacia de reliquiis sanctorum. Quidam impudenter gloriati sunt se habere 24 ein feder vom heiligen Engell S. Michaels […] Wie zum finstern Stern weist man ein fhane, die Christus in der hell [Hölle] hatt gehapt, similiter coronam spineam, clavos etc. [ebenso die Dornenkrone, die Schlüssel], item Marien milch. In der achten Predigt des Jahres 1538 erwähnt er Votivgaben in Santiago; wo der Teufel unter dem Namen des Jakobus geholfen habe; deshalb nenne man sie Zeichen Gottes (WA 46, S. 150, 17): Jn Compostella video signa cerea, ubi diabolus gholffen sub nomine Iacobi. Ideo dicuntur dei signa. Quod nudum sit, ut Anabaptistae, sed tibi in bonum […] 25 . 22 Resolutio Lutheriana super praepositione XIII. de potestate papae, WA 2, S. 238 f., hier das 15. Argument. 23 „Ignoranz bringt Sprachverwirrung hervor […] In Spanien gibt es einen Berg, der Finisterre (‚Ende der Welt‘) heißt. Die Deutschen, die dies nicht verstehen, nennen ihn ‚Finsterstern‘“ - eine in den Pilgerreiseberichten immer wieder genannte Bezeichnung. 24 „Lügen über die Reliquien der Heiligen. Einige haben sich unverschämt gerühmt, sie besäßen […]“. 25 „In Santiago sehe ich wächserne Zeichen [gemeint: Votivgaben], wo der Teufel unter dem Namen des Jakobus geholfen hat. Deshalb werden sie Gottes Zeichen genannt, was Unsinn ist, wie die Wiedertäufer“. <?page no="209"?> 210 Volker Honemann Natürlich ist Luther auch die Jakobsmuschel als Zeichen der Santiagopilger vertraut, dies so sehr, dass er sie sprichwörtlich verwendet; 1521 schreibt er: Die sacrament sein nu an die gewalt gepunden […] und kleben nu an den rotten huten [der Kardinäle] , gulden kronen und infulen [liturgische Binde des Priestergewandes] , wie die Jacobs mosschellen an den viltze huten und wallmentellenn (WA 7, S. 365, 28 ff.) 26 . Ebenso sprichwörtlich sind dem Reformator die Jakobsbrüder. In den Predigten des Jahres 1522 (Nr. 29, WA 10 III, S. 165, 29 ff.) sagt er über diejenigen, die an die Werkgerechtigkeit glaubten, sie seien als die Jacobs bru e der mit muschelen behengt […] , die kunnen nit durch dringen [nämlich in die Himmelspforte] , darumb mustu schmal und enge werden. Daneben finden sich auch bei ihm die im 16. Jahrhundert reich belegten Jakobsbrüder als bettelnde Landplage, die zu verbieten sei: Doch solten , so Luther in seinem Sermon von den guten Werken, die herrschafften unnd stete drob seynn, das die landleuffer, Jacobs bruder, und was frembd betteler weren, vorboten wurden (WA 6, S. 273, 8). Im „Großen Sermon vom Wucher“ beklagt Luther schon 1520, dass die Wallfahrten nach Rom und Santiago durch diese reisenden Bettler ganz herabgekommen seien: Zwar habe Gott eyner iglichen statt yhre armen befolen , aber dass er das lauffen hynn und her auff dem bettel sagk, wie itzt zu sanct Jacob vnd gen Rom geschicht, nit haben will (WA 6, S. 45, 31 f.). Als (angeblich) besonders verdienstlich habe man das Pilgern im Harnisch erachtet. 1539 schreibt Luther in seinem Traktat „Von den Konzilien und Kirchen“ dazu: Widerumb / wenn du denn gleich geharnischt giengest zu sankt Jacoff / oder liessest dich von Cartheusern / Barfussen / Predigern durch so strenges leben ermorden [„schier umbringen“] / damit du selig werden mo e chtest, / und Gott hette solchs nicht geheissen noch gestifftet / Was huelffe dichs? (WA 50, S. 648, 22-25) 27 . Als Beispiel für den Aberglauben des Papsttums macht Luther den heiligen Jakobus auch zum Helfer gegen die sog. Franzosenkrankheit, die Syphilis; in einer Predigt aus dem Jahre 1532 schreibt er über Heilige, die in bestimmten Notlagen angerufen wurden: Sed sub papatu: Si vacca [Kuhkrankheit]: Wendelinus, si frantzosen: Jacob, pestilentz: Rochius, Martin, si arm: Sebastian, Nobilis: Georgium 28 . Nicht ganz klar ist mir die Bedeutung einer Stelle, in der Luther zunächst feststellt (in seiner Erläuterung des Buches Genesis der Bibel, WA 24, S. 561 f.), der eine laufe nach Rom, der andere zum heiligen Jakob: aber dort sei nicht das 26 Ähnlich eine Stelle in einer Schrift gegen Karlstadt von 1529, siehe WA 18, S. 146, 34. 27 Ein weiterer Beleg für das Pilgern im gantzen harnisch in der Predigt am 22. Sonntag nach Trinitatis, siehe Crucigers Sommerpostille WA 22, S. 360, 23-32, besonders Z. 26; ein dritter WA 36, S. 170, Z. 3 und 23. Siehe auch den Registerband WA 70, S. 744 b. 28 Siehe auch WA 37, S. 578, 14 vom Jahr 1534. <?page no="210"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 211 Wort Gottes, und dann fortfährt: Hic reiicit Iacob baculos sive virgas 29 . Luther spielt hier wohl auf den Stab an, auf den sich der Jakob des Alten Testaments stützte, als er den Jordan überschritt (Genesis 32, 10); er steht bei den mittelalterlichen Bibelexegeten sowohl für den Stab, der die Schwachen stützt und ihnen hilft, ihren Lebensweg zu gehen, wie er Passion und Kreuzigung Christi und allgemein Gottes Hilfe bezeichnen kann 30 . Wenn Jakobus (und hier ist dann vielleicht der Apostel gemeint), nun (bei der Pilgerfahrt) die Stäbe weggeworfen hat, dann fehlt den Pilgern die Hilfe auf dem Lebensweg, d.h. ihre Wallfahrt ist sinnlos 31 . Luther zweifelte im Übrigen auch, wie oben bereits gezeigt, massiv daran, dass der heilige Jakobus tatsächlich in Santiago de Compostela bestattet worden sei und dort ruhe. Im Januar 1532 äußerte er sich darüber noch einmal in den „Tischreden“ (TR 2, Nr. 2399 b, S. 447 [lateinisch] und ebd. auch deutsch): Unter dem Rubrum „Des Papstthums Betrügerei und Schinderei“ liest man: Einer fragte: ‚Wie S. Jacob gen Compostell wäre kommen? ‘ Antwort Doctor Martinus und fragte wieder: ‚Wie ist es kommen daß achtzehen Apostel funden worden, da ir doch Christus nur zwölf hat gehabt? Denn zu Tolosa sind ihr sechs, S. Matthias ist da, deßgleichen zu Trier und zu Rom. ‘ 32 2. Grundsätzliche Kritik an Wallfahrten und besonders der nach Santiago de Compostela Im Übrigen, und hier wiederholt Luther sein Argument aus der Predigt zum St. Jakobstag, sei es auch unwichtig, ob der Heilige in Santiago begraben wurde. In einer der Predigten der Jahre 1537-1540 über das Matthäusevangelium spricht er dieses Thema im Rahmen einer sich zum grundsätzlichen ausweitenden Kritik des Wallfahrens und der Heiligenverehrung noch einmal an (WA 47, S. 393): Der Bapst hat uns auch zu den todten Heiligen geweiset, die doch alda nicht sind, den es kans niemandt fur gewiss sagen, das S. Jacob in Hispanien begraben liege, dan diejhenigen, so seine Historien wissen, sagen, ehr sej nie hineinkomen, und lass gleich sein [„wenn es denn so ist“] , das ehr alda begraben liege, was gehets mich an? was kann ehr mir helffen? ist ehr fur mich gestorben? hat ehr die Tauffe, 29 Die deutsche Fassung hat: Da hebt Jacob nu die bunten stebe auff, das ist: wenn man die leute auff werck f u e ret und Secten will machen, so werffen sie die stebe weg und predigen das widderspiel, das die werck on glauben nicht gelten. 30 Vgl. Hieronymus l auretus , Silva allegoriarum (1583) S. 101. 31 Warum aber in der unten zitierten deutschen Fassung die Stäbe bunt sind, ist mir unklar. Im Deutschen erweitert Luther den Passus hin zu einer Absage an die Werkgerechtigkeit. - Ich danke Julia Wannenmacher für ihre Überlegungen zum Verständnis dieser Stelle und der über die amphibolia des Teufels (s.u.). 32 Merkwürdigerweise erwähnt Luther hier das Grab des Jakobus in Santiago nicht. <?page no="211"?> 212 Volker Honemann abendmal und Absolution gestifftet? sondern ehr, S. Jacob, mus neben mich tretten und eben so wohl haben und nemen von einem Herrn mit mir die Tauffe, abendtmal, gewalt der schlussel, als ich, hat ehrs, so ist ehr mit mir ein miterbe aller geistlichen gutter gottes. Drumb so mustu nicht nach dem gaffen, ob S. Jacob zu Compostel begraben sej, noch zur Marien gehn der Eiche lauffen 33 , sondern must sagen: Jch weiss es besser, Gottes wortt weiset mich zu einem Heilande […] wo man Gottes wortt prediget, die Sacrament reichet […]. Luther weitet so seine Ausführungen dazu, dass es unwichtig sei, wo der heilige Jakobus begraben sei, zu einer allgemeinen, breit dargelegten Wallfahrtskritik (S. 393, 30 - 394, 16 und, auf Rom und die Heiligen Petrus und Paulus bezogen, S. 394, 25-35) aus, nachdem er schon vorher festgestellt hatte, man solle dahin gehen, wo man das Wort Gottes predige und das Sakrament reiche, es geschehe im Schieffe auff dem meer oder im Hause auff dem Lande, do ist Gottes Haus oder die kirche, doselbst soll Gott gesucht und auch gewiss gefunden werden. […] Aber die Papisten schreien darwider und sprechen: Ej, wiltu die kirche finden, so lauffe zu S. Jacob, gehe gen Ach [Aachen] , gehn Trier, do unsers herrn Christi rock sein sol, gehn Jherusalem zum Heiligen grab, gehn Rohm zu S. Peter und Paul, gehn Loreth zu S. Maria oder zur Maria gehn Regensburg 34 oder zur Eichen, wie den der Walfart kein gewisse Zahl gewesen ist, alles darumb, das man vergebung der sunden erlange, die der Bapst in diese orth gesteckt hat. Antwortte du aber also drauff: Hore, du wirst keinen bessern schatz finden doselbst, dan du albereit daheim in deiner pfarkirchen hast. Jha es ist dort bej den walfartten alles verfelsschet, und ist des Teuffels religion, da ist keine Tauffe, kein abendmal, vergebung der sunde noch Euangelium, das von diesen Stucken lehrete. Drumb ists dem Bapst eben also ein spiel, gleich als mit den Juden, wen sie Kirchen und Capellen undter die beume, an die wasser und auff die hohen berge baueten (S. 393, 3-19). Was Martin Luther hier kritisiert, ist, dass der Papst „es so eingerichtet habe“, dass man an Wallfahrtsorten in besonderem Maße Vergebung der Sünden er- 33 Gemeint ist der Ende des 15. Jahrhunderts sehr populäre Wallfahrtsort Eicha südöstlich von Leipzig, siehe dazu Uwe s chirMer , Die Wallfahrt nach Eicha, in: Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Katalog zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“, hg. von Hartmut K ühne , Enno b ünZ und Thomas T. M üller (2013) S. 201. 34 Zu der seit 1519 in unmittelbarem Anschluß an die Vertreibung der Regensburger Juden florierenden Wallfahrt zur „Schönen Maria“ siehe s chreiner (wie Anm. 4) s. 146 f., vor allem aber Gerlinde s tahl , Die Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg, in: Beiträge zur Geschichte Regensburgs 2 (1968) S. 35-282. Der die Wallfahrt darstellende Holzschnitt des Michael Ostendorf von 1520 ist vielfach reproduziert worden, so z.B. in: Martin Luther und die Reformation in Deutschland. [Katalog zur] Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers (1983) S. 70. <?page no="212"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 213 lange, das aber sei letztlich „des Teufels Religion“ 35 . Dem entspricht auch eine scheinbar maßvollere Aussage der Tischreden (TR 1, Nr. 336) vom Herbst 1532, in der Luther in der Form einer sprichwörtlichen Redensart festgestellt hatte: Wer in Compostell tritt vber die schwell, der kompt nit in die hell. Satan se ipsum lusit amphibolia. Vicente a lMaZán dürfte recht haben mit seiner Deutung, dass sich Luther hier „con ironía“ äußert - und den Teufel sprechen lässt 36 . Man könnte dies im Weiteren so verstehen, dass der Teufel sich köstlich darüber amüsiert, dass die Jakobspilger glauben, ihre Wallfahrt befreie sie von Sünden: Weshalb sie dann meinen, künftig unbeschadet besonders kräftig sündigen zu können und ihm umso eher zum Opfer fallen werden. Die Wallfahrten sind damit letztlich auch ein vergeblicher Versuch, Gott besonders nahe zu sein, ja ihm zu begegnen 37 . 3. Warum äußerte sich Martin Luther so vehement gegen Wallfahrten und somit auch die nach Santiago de Compostela? Führt man die verschiedenen Aspekte seiner Kritik zusammen, so zeigt sich Folgendes: • Luther lehnte die Verehrung der Heiligen insoweit ab, als sie nicht Mittler zu Gott seien, sondern allenfalls Menschen, die besonders christlich gelebt hätten. • Er glaubte deshalb auch nicht, dass Gott in Santiago oder an anderen Wallfahrtsorten gnädiger sei, als zuhause; in Santiago werde keineswegs, wie der Papst behaupte, alle Sündenschuld vergeben. • Er lehnte Gelübde ab, weil sie ja Gott zu einer Gegenleistung zwingen wollen. • Die Wallfahrt samt den Gründen, aus denen heraus man sie unternimmt, sind für ihn Teil der Werkgerechtigkeit - die aber ist abzulehnen, weil sie ja ebenfalls Gott mittels des Erbringens guter Taten zu der Gegenleistung eines gnädigeren Urteils nach dem Tode bzw. beim Jüngsten Gericht zu veranlassen sucht 38 . Die werck aber haben kein krafft , stellte Luther schon am 7. April 1521 in seinem „Sermon auf dem Hinwege gen Worms zu Erfurt gethan“ fest: Eyner bawet kirchen, der ander wallet zu sanct Jacob oder sanct Peter […] Solche werck seind gantz nichts und mussen in grund zersto e rt werden […] die werck haben kein krafft 35 S. a lMaZán (wie Anm. 14) S. 545 und 547 unten. 36 a lMaZán (wie Anm. 14) S. 545. 37 Vgl. s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 377-379: „Las peregrinaciones como vano intento de encontrar a Dios“. 38 Siehe hierzu die eindringlichen Ausführungen von s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 375. <?page no="213"?> 214 Volker Honemann (WA 7, S. 808, 15). Gute Werke aber gibt es durchaus, so z.B. dasjenige, seine Kinder gut zu erziehen, wie Luther in seinem „Sermon vom ehlichen stand“ schon 1519 dargelegt hatte - dagegen seien Wallfahrten nichts (WA 2, S. 170, 2). Dasselbe gilt für die Nächstenliebe zuhause: Was zum Teufel hab ich zu S. Jacob zu schaffen? Sol ich meinen nechsten zu Rom suchen? Es sind nechste gnug bey (Predigt Nr. 55 aus dem Jahre 1534, WA 37, S. 530, 7). Und genauso ist es ein gutes Werk, den Armen vor Ort zu helfen: Da laufft man nun hin gen Compostel zu o sant Jacob und will die hailigen su o chen, und die armen leüt die das rechte hailtumb seind, die laßt man hie sitzen und auf der gassen ligen , so Luther 1522 in einer Predigt (Nr. 44, WA 10, III, S. 282, 6-10) 39 . Auch für den Intellektuellen gilt dies: Es sei besser, gute geistliche Bücher zu schreiben, als zum heiligen Jakobus zu pilgern (Predigten über das 1. Buch Mose, 1523/ 24 WA 14, S. 402, 6). Die Gläubigen aber verhielten sich meist anders, so der Martin Luther des Jahres 1520 im „Sermon von den guten Werken“: wen wir leyplich nodtleyden, wen wir kranck sein, da rufft man sanct Cristoffel, da sanct Barbara, da gelobt man sich zu sanct Jacob, hie unnd dar, da ist ernst gebet, gute zuvorsicht und alle gute art des gebettis. Aber wen wir in den kirchen sein unter der mess, da stehn wir wie die olgotzen [„Ölgötzen“], wissen nichts auff tzubringen noch zuklagen, da klappern die steinn [des Rosenkranzes], rauschen die bletter [ob des Gebetbuches? ] und das maul plappert: da wirt nicht mehr auss (WA 6, S. 240, 19-25). 4. Systematisch-praktische Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Wallfahrt“ Luther hat sich darüber hinaus schon sehr früh in der systematischen Art des Theologen über das Phänomen der Wallfahrt und deren Nutzen ausgesprochen. Bereits 1518 hatte er sich in der bereits oben genannten Schrift „Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute“ (WA 1, hier S. 597 f.) über die Kraft ( virtus ) des Ablasses ausführlich geäußert, dies auf die Frage hin, warum man denn überhaupt nach Rom, Jerusalem, Sankt Jakob, Aachen, Trier und zu vielen anderen Orten wallfahre: • Ein erster Grund, und dies sei der am stärksten verbreitete, sei die curiositas scilicet videndi et audiendi aliena et ignota , die Neugier, Fremdes und Unbekanntes zu sehen und zu hören. Sie aber erwachse aus dem Überdruss und der Trägheit bei der Verehrung Gottes in der eigenen Kirche. Zuhause aber fände dieser Pilger unvergleichlich bessere „Ablässe“ ( indulgentias ) als 39 Dies betont auch s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 377 f. - Der Gedanke, dass es besser sei, sein Geld für die Armen auszugeben als für eine Wallfahrt, findet sich schon bei Honorius Augustodunensis im 12. Jahrhundert, siehe s chreiner (wie Anm. 4) S. 142. <?page no="214"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 215 in allen schon erwähnten Orten, selbst wenn er sie alle besuchte, er hätte gleichzeitig Christus und die Heiligen präsent, und er würde, wenn er nicht so dumm wäre, den Hölzern und Steinen [der Reliquien] die Armen und Nächsten seiner Lebenswelt vorziehen, ihnen in Liebe dienen und sich auch um seine Familie kümmern. • Ein zweiter Grund sei tolerabel, nämlich der des Erwerbs von Indulgenzen 40 . Denn da diese freiwillig seien, nicht vorgeschrieben, und deshalb von keinerlei Verdienstlichkeit, verdienten die darüber hinaus nicht mehr, die nur wegen der Indulgenzen pilgerten. Diejenigen, die zuhause Christus und ihren Nächsten vernachlässigen, auf der Pilgerfahrt aber zehnmal mehr verbrauchen, und das ohne Gewinn und Verdienst, werden also betrogen - sie sollten lieber zuhause Almosen geben. • Der dritte Grund ist die Pilgerfahrt, die man wegen der Pein und Mühe unternimmt, die man wegen (eigener) Sünden leidet. Aber deretwegen könnte man sich auch zuhause grämen und sich plagen: Wenn dies aber einer tut (also sich die Mühen einer Pilgerfahrt auflädt, um die eigenen Sünden zu büßen), dann ist diese Pilgerfahrt nicht schlecht, sondern gut. • Der vierte Grund ist ehrenwert, wenn die Pilgerfahrt nämlich aus besonderer Verehrung für die Heiligen und zum Ruhme Gottes unternommen wird, wie die heilige Lucia zur heiligen Agathe pilgerte 41 und einige heilige Väter Rom besuchten: dass sie dies nicht aus Neugier taten, habe der Ausgang ihrer Pilgerfahrt bewiesen. Schon der frühe Martin Luther konnte also an Pilgerfahrten nur wenig Gutes, Heilsverdienstliches finden. Aus seiner Sicht konnten sie das Seelenheil sogar gefährden: Wenn einer eine Wallfahrt unternimmt, um einen Heiligen anstelle Gottes zu verehren und ihm zu dienen, dann ist das, wie Luther mehrfach betont hat, nichts anders als Götzendienst, Idololatrie: Schon in den Jahren 1524-28 erklärte er: Jn Hispania haben sie S. Jacob zum Patron, daselbst unter dem namen S. Jacob ehren und dienen sie dem Teufel (WA 16, S. 204, 4). Ausführlicher legte Luther dies in den Tischreden der 1530er Jahre dar (TR 4, Nr. 4779, S. 493 f., lateinische und deutsche Version), hier unter dem Stichwort: Invocationes sanctorum idolatriae - Anrufungen der Heiligen sind Götzendienst: wenn nämlich die Heiligen als intercessores , als Mittler zwischen dem sündigen Menschen und Gott missbraucht würden. 40 Diese Position verschärfte Luther schon wenig später, siehe oben mit Anm. 11. 41 So die Legende der spätantiken heiligen Lucia, die mit ihrer kranken Mutter ans Grab der heiligen Agatha nach Catania pilgerte, wo diese geheilt wurde, siehe Hiltgart L. K eller , Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten, 2. Aufl. (1970) S. 336-338. <?page no="215"?> 216 Volker Honemann Als Orte, wo solche imposturae Satanae (Betrügereien des Teufels) entstanden seien, nennt Luther Rom, Compostela und ausführlich Grimmental, den erst Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Marienwallfahrtsort im Henneberger Land, an dem sich Luthers Kritik in besonderer Heftigkeit entzündete 42 . Es ist deshalb natürlich auch so, so Luther in seinen Predigten zum 3. und 4. Buch Mose, dass Gott einem Menschen in Santiago nicht gnädiger ist, als zuhause (WA 25, S. 10, 22-30); die Conclusio der Stelle lautet: „Ich schließe: Wer Gott anbetet ( vovet ), dient ihm; wer den heiligen Jakob, betet die Abgötterei an und negiert Gott.“ Den Heiligen kann man seine Sünden allenfalls in den Mund legen, vergeben kann sie allein Gott: Si vis remissa, hols ex ore eius (hol sie aus seinem Munde - und lege sie Gott vor, WA 34, S. 327, 14). Desungeachtet kann auch der Christ von heute in Luthers Augen wahre, nützliche „Wallfahrten“ vollbringen, wie er in den Tischreden auf 1537 unter dem Titel „Recht christlich walfart“ erklärt (TR 3, Nr. 3588, S. 434 f.): Einst habe es viele Wallfahrten zu den Heiligen gegeben, nach Rom, Jerusalem, Compostela, zur Buße der Sünden. Aber auch heute könnten wir wahre Wallfahrten vollbringen, nämlich wen wir die psalmen, propheten, euangelia etc. mit vleyße lesen. Da wurden wir nicht durch die heylige stedte, sondern durch ire gedancken und hertzen spaziren, das rechte gelobethe lanth vnd paradis des ewigen lebens besuchen. Luther verwendet den Begriff „Wallfahrt“ hier also bildlich; er steht für eine geistliche Übung. Dementsprechend sei es, so Martin Luther in seiner Auslegung der Kapitel 18- 24 des Matthäusevangeliums (WA 47, S. 255, 5 und 9-11), völlig falsch, wenn der Papst sage, man fände in Santiago vollständige Vergebung der Sünden: Welcher Teuffel aber hats ihn [sc. den Papst] geheissen, das ehr solches lehren sollte, das, wer gen Compostel in Hispanien lieffe, der funde vergebung der Sunde? Es ist ein greulich ergernis und schendlicher fhall. Dan die Christen haben in ihren kirchen den Herrn Christum und in Christo Gott den vater. Aber der Bapst spricht: Ej, das ist nichts, wo die Tauffe und der predigtstuel ist, dortt zu Rhom und zu Compostel, do ist die volkomliche vergebung der sunde. Und mit solchem erlogenen und erstunckenen Ablas zu Compostel hat ehr den leuthen das maul auffgesperret, das zu den 42 Bereits 1523 war ein bis heute anonym gebliebenes „Gespräch zwischen vier personen, wie sie ein gezänk haben von der Wallfahrt im Grimmetal [so! ], was für Unrat und Büberei daraus entstanden sei“ in Erfurt gedruckt worden; Edition des Textes: Rudolf b entZinger (Hg.), „Die Wahrheit muß ans Licht! “ Dialoge aus der Zeit der Reformation (1982) S. 270-295; auf S. 276 wird auch der heilige Jakobus erwähnt: Es wallt mancher gen Sanct Jacob, mancher gen Aach, einer gen Sanct Wolfgang, einer dorthin, der ander dahin, und nimmt Weib und Kindern das Geld, daß er nun Zehrung hab, Gott geb, wes Weib und Kind daheim geleben. So wird dann etwan das Weib diweil zu einer Hur und er zu einem Schalk, da ist dann Gott wohl gedient. Die Stelle zeigt, wie sehr vor allem Luthers Wallfahrtskritik bereits Allgemeingut geworden war. <?page no="216"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 217 walfartten das volck gelauffen ist, als wer es tholl und unsinnig, den es geschahe alles unter dem schein des gottlichen namens. Was aber sind dann der Nutzen und die praktischen Konsequenzen einer Wallfahrt nach der Heimkehr des Pilgers? Luther nahm sich dieser Frage in den Predigten des Jahrs 1545, also kurz vor seinem Tode noch einmal an: Was hat man nu damit ausgericht, wenn man da wider heim komen, dann ein lere tasche und mu o de bein, Wer es nicht besser und seliger gewest, du bliebest daheimen und wartest dein ampts und beruffs, da rein du von Gott verordenet bist, ho e rest deinen Pfarrher, der dir predigt und aus dem munde der seuglingen und unmu o ndigen dir den gewissen und rechten weg zur seligkeit weiset, da du der vergebung der sunden gewis wirst, denn das du [„als dass du“] Weib und kind sitzen lest, verzerest gelt, machst mu o de bein und richtest dennoch nichts aus, bist hernach eben [„wie zuvor“] , ja wol ungewisser denn vor der vergebung der su o nden [„unsicherer als vorher bezüglich der Vergebung der Sünden“] (WA 51, S. 18, 15-23) 43 . Das Fundament christlichen Lebens hingegen ist, wie Luther schon früh und später immer von Neuem und vielfach festgestellt hat, der Glaube: Also mu o ß man in Christo anfahen [„anfangen“] , will man frumb leüt machen, man do e rff nit [„braucht nicht“] weit hin und her lauffen gen Rom, ablaßbrieff kauffen, gen St. Jacob, gen Ach, gen St. Wolffgang etc. […] Es hilfft dir alles nichts […] so ist es alles vergebens, wan du nit vor lu o gest, das du frumm seyest, das dann geschicht, so du in Christum […] glaubest (‚Sermon von den heiligen drei Königen‘, 1521, WA 7, S. 241, 7-13 44 ). Der Glaube aber ist, anders als die Heiligen, überall zur Stelle, wie ein Blitz, wie Luther in seiner Auslegung des Matthäusevangeliums in den Jahren 1537- 1540 erklärt: Mein reich ist nicht gebunden an hie undt da, mus auch nicht heissen zu Rom, Jherusalem oder zu S. Jacob undt im deutschen lande oder in Hispanien, sondern allenthalben in der welt, undt so Jemandts anders lehret, so ists nicht recht. Wen do wurde gesaget: Sihe, hie zu Rom, do kriegt man vergebung der sunden, item zu Jherusalem, S. Jacob, da wirstu Christum finden, so ists nicht war, sondern sihe auff den blitz, wo der leuchtet und schimmert. Wo ist ehr den? uber die gantze welt, also thut mein wortt auch, es ist nicht allein in dem winckel des Judischen landes oder in Aegypten, sondern es ist ein frei wort, so da leuchtet durch die gantze welt. Wer es nu sihet, der sehe es (WA 47, S. 604, 7-16). Martin Luther aber wäre nicht er selbst, wenn er sich nicht auch in den Zusammenhang mit der Wallfahrt nach Santiago de Compostela einbezogen hätte. Für 1537 überliefern seine Tischreden das Folgende (TR 3, Nr. 3588, S. 435): D. 43 Unmittelbar zuvor erwähnt Luther wieder die Wallfahrten nach Eicha, ins Grimmental, zur schönen Maria nach Regensburg, und nach Santiago (Z. 14-16). 44 Eine Predigt ähnlicher Aussage in denen des Jahres 1522, hier Nr. 19, siehe WA III, S. 105, 16-21. <?page no="217"?> 218 Volker Honemann Martinus Luther sagete, daß ein deutscher Fürst gen Compostel in Hispanien kommen wäre, da Sanct Jacob, des Euangelisten und Apostels Sanct Johannis Bruder, soll begraben liegen. Als nu der Fürst da beichtete (wie der Brauch im Papstthum gewesen ist, und wollt groß römisch Ablaß und Vergebung der Sünde holen; wie man denn daselbst Ablaß austheilete, wer da Geld dafür gab), einem Barfüßermönche, der da ein frommer Mönch war gewesen, da hat er den Herzog gefraget: ob er denn ein Deutscher wäre? Wie solches der Fürst bekennet, spricht der Mönch: ‚O, liebes Kind, warum suchest du das so ferne, das du viel besser und reichlicher in deutschen Landen hast? Denn ich hab gesehen und gelesen eines Augustinermönchs Schrift vom Ablaß und der Vergebung der Sünde, darinnen er gewaltiglich schleußt [„schließt“, ‚zu dem Schluss kommt“], daß die Vergebung der Sünde und der wahre Ablaß stehe allein im Verdienst und Leiden unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, darinnen die Vergebung aller Schuld und Pein gefunden wird.‘ Und hatte darauf noch einmal gesaget: ‚O, liebes kind, bleibe darbey, und laß dich nicht anders bereden! ‘ Der Augustinermönch ist natürlich kein anderer als Martin Luther, und die erwähnte Schrift sein Traktat „Sermon von Ablaß und Gnade“ aus dem Jahre 1517. Voraus geht der hier zitierten Stelle, deren Status zweifelhaft zu sein scheint 45 , die folgende Äußerung Luthers: Etwan im Papstthum that man Wallfahrten zu den Heiligen, ging gen Rom, Jerusalem, Compostel zu Sanct Jacob, für die Sünde gnug zu thun und zu bezahlen; aber jtzt könnten wir rechte, christliche Wallfahrten thun, die Gott gefielen, im Glauben; nehmlich wenn wir die Propheten, Psalmen, Euangelisten etc. mit Fleiß läsen, da würden wir nicht durch der Heiligen Städte, sondern durch unser Gedanken und Herz zu Gott spaziren, das ist, das rechte gelobte Land und Paradeis des ewigen Lebens besuchen. Was aber die merkwürdig wirkende Erzählung vom Franziskanermönch, der im Beichstuhl in Santiago Luther preist, angeht, so ist zu beachten - worauf mich Hartmut K ühne aufmerksam gemacht hat - dass es sich hier um eine Wandererzählung handeln könnte: Die Mansfeldische Chronik des evangelischen Theologen und Historikers Cyriakus Spangenberg, zuerst 1572 erschienen, erzählt nämlich von einem Pilger aus dem Dorf Wolferode bei Eisleben namens Maths (Matthias) Zicke, er sei von groß e[m] ernst umb seiner Seelen Seligkeit erfüllt gewesen, und da er von anderen gehöret, wie große Gnade und Wunder S. Jacob zu Compostell in Hispanien täte und was man daselbst für vielfaltigen Ablaß funde und holete, machete er sein Testament und begab sich mit etlichen anderen mehr auf den Weg, kam gesund dahin und herwieder. Wieder heimgekehrt habe 45 Der Herausgeber dieses Bandes der TR weist darauf hin (ebd. S. 435, Anm. 7), dass dieser von Johannes Aurifaber, Luthers letztem Famulus in seine Edition der TR (zuerst 1566) aufgenommene Passus „nicht in den Urschriften [steht]; ob es überhaupt eine Tischrede ist? “. Man fragt sich auch, ob Luther sich so unverblümt selbst lobte. <?page no="218"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 219 er berichtet, „der deutsche Beichtvater in Santiago habe ihn nach seiner Heimat und nach Luther befragt und ihm dann im Vertrauen gesagt: O lieber Mann, was hast du dich […] mit so schweren Unkosten bemühet, einen solchen weiten Weg hierher nach Ablaß zu ziehen, da du denselben doch viel näher daheim hettest bekommen und erlangen können. Denn eben der Luther predigt und verkündigt den rechten Ablaß. 46 Fazit Versucht man abschließend, einen allgemeinen Eindruck von Martin Luthers Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Wallfahren und besonders der Wallfahrt nach Santiago de Compostela zu gewinnen, dann ist Folgendes ersichtlich: • Luthers Einstellung zu den Wallfahrten und so auch der nach Santiago ändert sich in den Jahrzehnten seiner schriftstellerischen Tätigkeit nur geringfügig 47 . Während er anfangs nur „wilde“ Nahwallfahrten völlig ablehnte und Fernwallfahrten unter bestimmten Vorzeichen zwar für wenig nützlich, aber tolerabel hielt, kippte seine Einschätzung dann rasch um in eine vollständige Ablehnung aller Wallfahrten; sie sind letztlich eine überflüssige und auf falschen Voraussetzungen beruhende Frömmigkeitsübung 48 . Immer von Neuem wiederholte er über Jahrzehnte das Argument, zu Hause zu bleiben und Gott und den Nächsten zu dienen, sei ungleich heilswirksamer, als eine - in der Regel das Seelenheil gefährdende - Wallfahrt. Luthers Kompromisslosigkeit der Ablehnung des Wallfahrens gründete sich dabei ebenso auf die der Werkgerechtigkeit im weiten Sinne wie auf die des Ablasses und der Gelübde - beide versuchen ja, in Luthers Augen, mit Gott ein „Geschäft“ zu machen bzw. ihn zu einer bestimmten Reaktion zu zwingen. Und ebenso gründete sie sich auf sein Verdikt der Idololatrie und des „Beiseiteschiebens“ Christi gegenüber dem Apostel Jakobus 49 . 46 Hartmut K ühne , Religiöse Mobilität in der Grafschaft Mansfeld am Ausgang des Mittelalter, in: Rosemarie K naPe (Hg.), Martin Luther und Eisleben (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 8, 2007) S. 265-305, hier S. 265 f.; K ühne zitiert aus: Cyriakus Spangenberg, Mansfeldische Chronik. Der vierte Teil, hg. von Karl r ühle - Mann , Eisleben 1916-1918 (Mansfelder Blätter 30-32) S. 381 f. 47 „Una cierta evolución“ der Einstellung Luthers beobachtete auch s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 375 f., der zurecht darauf hinweist, dass die entscheidende Veränderung seiner Einstellung hin zu einer radikalen Ablehnung der Wallfahrten schon früh, d.h. ab dem Jahre 1519 erfolgte. 48 Vgl. dazu auch s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 376 f. 49 Siehe dazu im Einzelnen, über die obigen Belege hinaus, die Ausführungen von s antOs n Oya (wie Anm. 14) S. 377-381: „Las peregrinaciones como vano intento de encontrar a <?page no="219"?> 220 Volker Honemann • Luther setzte sich schon früh mit dem Phänomen der Wallfahrt auch in differenzierter Weise auseinander, die auch gesellschaftskritische Überlegungen zu Wort kommen ließ. Am besten ist dies an seinen Darlegungen zu den verschiedenen Arten der Wallfahrt aus dem Jahre 1518 zu sehen. Eine derartige Erörterung hatte bereits Johann von Paltz, der wohl Luthers Novizenmeister war, in Anlehnung an einen Text des Erfurter Theologieprofessors und Ordensbruders Johannes (Bauer) von Dorsten OESA († 1481), also eines weiteren Ordensbruders Martin Luthers, verfasst; beide Theologen standen dabei ganz auf dem Boden des alten Glaubens (z.B.: Paltz glaubte an die Möglichkeit, dass es Blut Christi auf Erden und dementsprechend Blutwunder gibt). Paltz’ Darlegungen waren sehr viel ausführlicher und gründlicher als die Martin Luthers; sie umfassen - unter Einschluss eines Traktats des Johann von Dorsten „De cruore miraculoso“ und zahlreicher Zitate aus anderen Schriften Dorstens - in der maßgeblichen Ausgabe nicht weniger als 29 Druckseiten 50 . Paltz setzte sich, theologisch-wissenschaftlich argumentierend (z.B. durch Verweise auf das Kirchenrecht) ausführlich mit den verschiedenen Arten der Wallfahrt („laudabilis“, „vituperabilis“, für letztere ist zwischen einer „peregrinatio deceptoria“ [betrügerische] und einer „impetuosa“ [„ungestüme“] zu unterscheiden) auseinander. Er ging dabei konkret ebenso auf die „approbierten“ Fernwallfahrten ins Heilige Land, nach Rom und Santiago ein, wie er die modernen, teils ein ungestümes „Laufen“ hervorrufenden Nahwallfahrten nach Wilsnack, Niklashausen, Grimmental und Sternberg nannte und charakterisierte 51 . Luthers Ausführungen weisen mit denen des Johann von Paltz natürlich eine Reihe von sachbedingten Übereinstimmungen auf 52 , sie sind aber insgesamt diesen gegenüber selbständig, so z.B. in dem von Johann von Paltz nur sehr indirekt angesprochenen Aspekt des Pilgerns aus Neugier auf fremde Länder. Luther hingegen blieb in den meisten seiner wallfahrtskritischen Äußerungen recht allgemein. Die Unterscheidung zwischen der tadelnswerten, weil Dios“ - „La peregrinación a Santiago y el primer mandimiento“ - „Santiago en contraposición a Cristo“. 50 Johannes vOn P altZ , Werke 2: Supplementum Coelifodinae, hg. und bearbeitet von Berndt h aMM u. a. (Spätmittelalter und Reformation 3, 1983), hier S. 385-413; der Traktat des Johann von Dorsten steht auf S. 408-413. 51 Paltz‘ Ausführungen bedürften einer gründlichen Gesamtanalyse, für die hier nicht der Ort ist. 52 Auch Paltz bringt beispielsweise das Argument, dass der Teufel das „Laufen“ eingerichtet habe, damit der „cultus dei“ in der eigenen Pfarrkirche vernachlässigt werde, siehe bei ihm Supplementum coelifodinae (wie Anm. 49) S. 388; auch die weiteren Argumente Luthers (Vernachlässigung des wahren Gottesdienstes, Sündigen, vor allem Ehebruch, unterwegs) finden sich ausführlicher bereits bei Paltz. <?page no="220"?> Martin Luther, das Wallfahren und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela 221 vielfach zur Sünde Anlass gebenden Nahwallfahrt und der grundsätzlich guten, von der Kirche gebilligten Fernwallfahrt (die ja eine gewisse Vorbereitung erforderte, z.B. die, sein Testament zu machen 53 ) wurde von Luther nur in seinen frühesten Äußerungen, später aber nicht mehr getroffen; für ihn war das gesamte Wallfahrtswesen seiner Gegenwart „heruntergekommen“, und ebensowenig ging er auf den Aspekt der Gefährdung der politischsozialen Ordnung durch das „vom Teufel angezettelte“ Laufen, so z.B. nach Niklashausen im Taubertal ein 54 . Insgesamt wird man feststellen müssen, dass Luther sich auf die sehr differenzierte Auseinandersetzung der spätmittelalterlichen Theologie mit dem Phänomen „Wallfahrt“ nicht im Detail eingelassen hat. Von seiner theologischen Position aus war dies aber auch nicht nötig; die Wallfahrt war, als Teil des Komplexes der nicht heilsverdienstlichen Werkgerechtigkeit, von vornherein und daher grundsätzlich gar nicht oder, in bestimmten Fällen, nur sehr bedingt akzeptabel. • Wenn Luther die Wallfahrt nach Santiago viel häufiger erwähnte, als andere (und stets gleichrangig mit der nach Rom und der seltener erwähnten nach Jerusalem), dann nannte er sie geradezu stellvertretend für die Wallfahrt überhaupt. Er akzeptierte damit die auch nach 1500 noch immer überragende Bedeutung des Grabes des heiligen Jakobus als Pilgerziel. Anders als für andere Ziele, für die vergleichbare Aussagen fehlen, hat sich Luther dabei auch wiederholt mit der Frage der Authentizität der Reliquien, der möglichen Verwechslung mit dem Grab des Jacobus minor in Toulouse und den Attributen der Santiagopilger (Pilgermuschel, Phänomen der „Jakobsbrüder“ etc.) befasst, und er hat sie in mehreren Äußerungen auch in ihren spanischen Kontext gestellt; auch dies zeigt, welche Bedeutung er der Wallfahrt nach Santiago de Compostela zumaß. • Der späte Luther konnte auf enorme „Erfolge“ seiner Wallfahrtskritik und der seiner Schüler und Mitstreiter zurückblicken. An vielen Stellen seines Werkes finden sich - oben bereits angeführte - Bemerkungen, „früher“ sei man da und dort hin gewallt, was bedeutet: Heute geschieht dies nicht mehr. „Das Phänomen der Wallfahrten“, - ich ergänze: besonders der Nahwallfahrten -, „war um 1530 schon so nebensächlich, dass die Confessio Augustana sie aus- 53 Diese Vorbereitungen hatte Geiler von Kaysersberg in seinen bald gedruckten Predigten über den „Pilger mit seinen Eigenschaften“ seit 1488 ausführlich dargestellt, siehe Volker h OneMann , Geiler von Kaysersberg und das Pilgern, in: Pilgerheilige und ihre Memoria (wie Anm. 3) S. 165-203; dort auch S. 183-196 die bildliche Darstellung der „Eigenschaften“, von denen die Nummern 1-10 (von insgesamt 18) den Vorbereitungen auf die Pilgerfahrt gewidmet sind. 54 Siehe P altZ , Supplementum coelifodinae (wie Anm. 49) S. 388 f. und s chreiner (wie Anm. 4) S. 158. - Luther hat die Niklashäuser Ereignisse von 1476 offenbar nicht (mehr) gekannt; jedenfalls findet sich keine Erwähnung in seinen Schriften. <?page no="221"?> 222 Volker Honemann drücklich nicht mehr auf die Agenda der zu behandelnden Kontroverspunkte setzte.“ 55 Mit der Gegenreformation aber sollte die Wallfahrt in neuen Formen machtvoll wiedererstehen. 55 K ühne , Wallfahrt/ Wallfahrtswesen V. (wie Anm. 2) S. 428, der ebd. konstatiert: „Das rasche Verschwinden von Gnadenorten und Wallfahrtszügen in den von der Reformation erfaßten Gebieten [! ] hatte seine Ursachen nicht nur in spontanen Zerstörungen und obrigkeitlicher Reglementierung durch Visitationen und Kirchenordnungen, sondern vor allem in einer religiös-kulturellen Krise des Wallfahrens nach 1520, die in den altgläubig gebliebenen Territorien ebenso zu konstatieren war.“ <?page no="222"?> Resúmenes Robert Plötz: Santiago el Mayor en Franconia: huellas de su culto El autor presenta un panorama general de la expansión y del arraigo de la veneración jacobea en la „Franconia sacra“ y ofrece un amplio cuadro del estado actual de la investigación sobre el culto jacobeo en Franconia. Mediante el acopio de testimonios fidedignos y objetos concretos de culto, se describen y visualizan actos litúrgicos relevantes junto con sus manifestaciones artísticas en imágenes y cuadros sobre distintos materiales (pergamino, cartón, piedra o papel). El culto de las reliquias y pequeños monumentos - epitafios y petos de ánimas - reflejan, junto con los testimonios de la práctica de peregrinación (hallazgos arqueológicos de conchas, relatos de milagros, asociaciones jacobeas) el contexto espiritual y social del culto jacobeo, destacando así la topografía sagrada contemporánea de Franconia. El autor llega a las siguientes conclusiones: (1) Las primeras señales de veneración jacobea en los tres obispados de Franconia se remontan al siglo XI. (2) El culto jacobeo fue favorecido por la peregrinatio ad limina Beati Jacobi y por las órdenes religiosas de la reforma monástica. (3) Santiago el Mayor alcanza prontamente un lugar fundamental en las prácticas de veneración litúrgicas / paralitúrgicas y desde la Edad Media Tardía está omnipresente en el „espectro sagrado“ de Franconia. Helmut Flachenecker: Culto jacobeo y reforma monástica en Franconia En el presente artículo se estudia el culto jacobeo en su fase temprana y su expansión en el paisaje cultural de Franconia - que había sido marcado decisivamente por los obispados de Wurzburgo, Bamberg y Eichstätt - durante la reforma monástica de Cluny en los siglos XI y XII. Los patrocinios de iglesias y la dedicación de altares a Santiago (la primera en 1002 en la catedral de Bamberg) son señales de un culto jacobeo local, pero debido a su escaso número (de aproximadamente 120 consagraciones de iglesias en el obispado de Eichstätt solo cuatro lo son a Santiago) no son ningun claro testimonio de una especial concentración del culto jacobeo en Franconia. También en los centros de reforma monástica Münsterschwarzach y Michelsberg son escasos los testimonios de devoción jacobea. <?page no="223"?> 224 Resúmenes Un papel especial lo desempeñó solamente la colegiata de Santiago en Bamberg - por algun tiempo monasterio benedictino - que es un buen objeto para estudiar críticamente la realidad y la propaganda de la Reforma así como la verdadera dimensión de la veneración de Santiago en una iglesia de su patrocinio. No se puede comprobar si su fundación está relacionada de algun modo con la estancia de los benedictinos irlandeses en la ciudad. Únicamente en el caso de dos obispos francos (Hermann de Bamberg alrededor de 1072 y Embricho de Wurzburgo alrededor de 1137) se puede constatar la intención de hacer una peregrinación a Compostela. El relato de una visión del más allá de Heinrich von Ahorn (alrededor de 1130), donde Santiago se le aparece como guía en el otro mundo, se conservó solamente en un manuscrito, lo cual no es precisamente una prueba de una amplia difusión, a pesar de que eso era lo que se había intentado. En general, para ese tiempo hay muy pocos indicios de la veneración jacobea en Franconia. Anja Grebe: Santiago en Franconia reflejado en las artes visuales de la Edad Media y de la temprana Edad Moderna El presente artículo examina las formas de representación de Santiago y de los peregrinos jacobeos en Franconia desde los primeros testimonios iconográficos en la Plena Edad Media hasta el Barroco temprano. Además de la consideración puramente iconográfica, estudia en particular el contraste entre las imágenes y los objetos conservados de la época, así como las fuentes archivísticas o biográficas. El „Museo Nacional Germánico“ („Germanisches Nationalmuseum“) posee en su colección uno de los pocos trajes de peregrino conservado de la temprana Edad Moderna. Se trata de la vestimenta que Stephan III Praun, hijo de comerciantes de Nuremberg, usó en su peregrinación a Santiago en 1571. El traje de Praun, abundantemente decorado con objetos del camino de Santiago, representa un recuerdo simbólico del peregrinaje y se conservó en la colección familiar después de su muerte junto con un retrato y varios documentos escritos. Estos objetos prueban que también en la Franconia protestante se siguió participando en la peregrinación compostelana. La iconografía jacobea medieval y de la temprana Edad Moderna en Franconia puede describirse como el resultado de un proceso de asimilación en el que confluyen la representación de Santiago como apóstol y como peregrino. En este sentido, a la vestimenta común de viaje de la época (capa ancha, sombrero de ala ancha y bastón) se le agregaron más „signos“, especialmente la concha de peregrino y el zurrón. Partiendo del „milagro de la horca“ de Rothenburg, se señalan las diferencias individuales en la vestimenta de peregrino, que, ya de por sí, reflejan las modas <?page no="224"?> Resúmenes 225 y las diferencias de clases sociales. Ambas tradiciones de la representación de Santiago - como „apóstol“ y como „peregrino“ - aparecen unidas en el „altar de Heller“ de Alberto Durero (1509). Annette Späth: Santiago el Mayor. Una monumental escultura de piedra de Tilman Riemenschneider Una escultura monumental de Santiago el Mayor se encontraba en su momento en un contrafuerte de la capilla de Santa María de Wurzburgo. En la actualidad esa escultura está expuesta en el museo de la catedral de la misma ciudad („Museum am Dom“). Esta escultura es una de las obras más importantes del escultor franco Tilman Riemenschneider (1460-1532) y forma parte de la serie de los apóstoles, que él creara en su taller para los nichos de los contrafuertes de la iglesia situada en la Plaza Mayor de Wurzburgo. Esta figura del apóstol se dió mucho tiempo por perdida, ya que el original del nicho se tuvo erróneamente por una copia. En el marco de su tesina de licenciatura sobre las figuras de los nichos en la capilla de Santa María la autora - basándose en un estudio de las fuentes consultadas así como en un análisis de estilos y en una inspección del estado de conservación hacia 1990 - llegó a la conclusión de que la figura del apóstol Santiago era, en realidad, el original que se había dado por perdido. En su tiempo de estudiante no le fue posible colocar un andamio en la iglesia ni alquilar un elevador. Dada la altura en la que estaba la escultura tuvo que observar los detalles valiéndose de prismáticos y teleobjetivo. De esta forma llegó a la conclusión de que la figura de Santiago Apóstol había permanecido más de 400 años en su lugar original, superando sin daños la casi completa destrucción de la capilla en el año 1945. En las esculturas de la serie de los apóstoles realizada entre 1492 y 1506, se advierte, como en ninguna otra obra, el desarollo estilístico del maestro. Como muestra claramente la monumental escultura de Santiago el Mayor, Riemenschneider concluye aquí el cambio del gótico tardío hacia una moderna concepción de la escultura. Esta figura se cuenta entre las obras tardías de la serie de esculturas en piedra de la capilla de Santa María y fue realizada entre 1503 y 1504. Mientras que los otros apóstoles representados en la capilla de Santa María ostentan los atributos de su martirio, Santiago Apóstol aparece aquí, con sombrero, zurrón y bordón, claramente reconocible como patrono protector de los peregrinos. La composición espacial de la figura muestra a un Santiago que, por una parte, da la impresión de inmediata presencialidad, y por la otra, debido a su actitud absorta y contemplativa, más bien parece estar ausente. Santiago no se <?page no="225"?> 226 Resúmenes apoya ni descansa en su bordón y se presenta como el varón santo que encara directamente su martirio. Wolfgang Brückner: Los „hermanos jacobeos“ en el „Libro de los estamentos“ del siglo XVI El grabado que aparece como ilustración de los „hermanos jacobeos“ en el „Libro de los estamentos“ („Ständebuch“) - impreso en Francfort del Meno en 1568, escrito por el poeta de Nuremberg Hans Sachs (1494-1576) e ilustrado con los grabados en madera del artista Jost Amman (1539-1596) - contiene unas rimas críticas contra los peregrinos en general a los que se tilda de „mendigos perezosos“. La ilustración muestra a una pareja caminando a paso ligero con todos los detalles imaginables del traje de peregrino: pelerina, sombrero, bordón y cantimplora, concha de vieira y rosario. Esta representación - exageradamente minuciosa - de un traje de peregrino es similar a la vestimenta del patricio Stephan von Praun de 1571, que se conserva en el „Museo Nacional Germánico“ („Germanisches Nationalmuseum“) de Nuremberg. Praun era un noble vanidoso que, al posar para un retrato, lo hacía luciendo un „outfit“ donde destacaban todos sus souvenirs como demostración de cosmopolitismo. La xilografía del Libro de los estamentos, en cambio, pretende fijar un estereotipo. Jost Amman usó esa misma plancha de madera en una publicación posterior del año 1585 titulada „Estamentos y órdenes“ de la iglesia. En el Libro de los estamentos, los hermanos jacobeos aparecen en la jerarquía eclesiástica, en una posición superior a los rangos seculares. En la obra posterior aparecen al final del proletariado eclesiástico. El presente artículo describe estas posiciones en relación con el descubrimiento de la „mirada étnica“ que subyace en el ciclo de xilografías del Libro de los estamentos. Lo extraño usado como entretenimiento nunca necesitó de autenticidad. Incluso la fotografía puede ser objeto de manipulación. Así pues, los „hermanos de la concha de vieira“ no son un fiel reflejo de su tiempo sino un estereotipo. Peter Rückert: Sobre el tránsito de peregrinos en la región comprendida entre los ríos Meno y Tauber en la Edad Media Tardía En el foco del estudio están los nexos entre „topografía sagrada“ y tránsito de peregrinos en la Franconia del Meno así como entre culto jacobeo local y peregrinación a Compostela durante la Edad Media Tardía. En principio hay que entender la veneración jacobea en la Franconia del Meno, y especialmente en una región de paso como lo es la comprendida entre <?page no="226"?> Resúmenes 227 los ríos Meno y Tauber, como una moda de la Plena Edad Media, que fue fomentada sobre todo por los arzobispos maguntinos y los obispos de Wurzburgo, y deja huellas en el „paisaje sagrado“ de la época. De esta manera Santiago fue pronto conocido y ampliamente venerado como patrono de los viajeros y peregrinos. Con la divulgación de sus reliquias algunas iglesias, como por ejemplo la de Urphar, se convierten en centros locales de culto. Aquí incluso podemos observar que durante cierto tiempo se registra una afluencia de peregrinos „suprarregional“, vinculada a la veneración de los santos, que, sin embargo, no muestra ningun nexo directo con la peregrinación compostelana. Queda claramente demostrado que el tránsito local de peregrinos dependía tanto de la importancia de las vías de comunicación y de la frecuencia de su uso como de la protección por parte de los poderes eclesiásticos y señoriales. La progresiva tendencia hacia una regionalización de las peregrinaciones en la Edad Media Tardía favorece el florecimiento de nuevos santuarios y nuevas metas de peregrinaje regional, precisamente en Franconia, donde una afluencia „suprarregional“ de peregrinos sólo tiene lugar en el contexto de grandes acontecimientos, como la peregrinación a Niklashausen. Esta „peregrinación a Niklashausen“ muestra al mismo tiempo la necesidad que sentía la población de una asistencia pastoral directa, y es asimismo un exponente del potencial de movilidad y de la crítica social-religiosa contra los poderes vigentes. La práctica de la peregrinación en Franconia va a perder pronto su prestigio y, con la Reforma, las imágenes de los santos desaparecerán casi por completo. Klaus Herbers: Peregrinos de Nuremberg en la Edad Media Tardía y sus relatos En el presente artículo se estudian cinco relatos de viaje de personas del área de Nuremberg: Peter Rieter, Sebald Rieter, Gabriel Tetzel, Hieronymus Münzer y Sebald Oertel. Los relatos ponen claramente de manifiesto la multifuncionalidad de los respectivos viajes, resultado de la diversidad de los motivos a los que se debían. En estos relatos las peregrinaciones forman muchas veces parte de un viaje más amplio que incluía otros destinos - dado que no siguen únicamente el camino francés - con diversos fines y motivaciones. Visto desde esta perspectiva la crítica luterana de la peregrinación parece carecer de fundamento respecto a los viajeros/ peregrinos estudiados. Sí, queda en cambio constatado que los viajes y las peregrinaciones ofrecían múltiples posibilidades de comunicación y de intercambio cultural. <?page no="227"?> Volker Honemann: Martín Lutero, el peregrinaje y la peregrinación compostelana Además de recopilar una serie de testimonios de la crítica luterana de las peregrinaciones en general y de la peregrinación compostelana en particular, se plantean aquí algunos interrogantes: - Qué sabía realmente Lutero sobre España, Santiago de Compostela y Santiago el Mayor. - Por qué y en qué forma criticaba la peregrinación compostelana. - Finalmente, cabe también preguntarse en qué conceptos teológicos del Reformador se encuadran sus críticas de la peregrinación y del Camino de Santiago. Estas preguntas surgen desde el transfondo de un sorprendentemente alto número de observaciones críticas de Lutero sobre Compostela y Santiago el Mayor (varios centenares de alusiones a temas jacobeos en los 70 tomos de la edición de Weimar de los escritos de Lutero). La publicación está basada en las profundas investigaciones de los colegas españoles, Vicente Almazán y Manuel Santos Noya, que apenas han sido tenidas en cuenta en Alemania. El autor procede según el siguiente criterio: (1) Se mencionan los dichos de Lutero sobre España y la sede compostelana así como sobre las condiciones y circunstancias de la peregrinación jacobea. (2) Se expone, con Compostela como ejemplo, la crítica fundamental de Lutero al peregrinaje. (3) Se plantean interrogantes sobre las causas de esa crítica. (4) Se expone la crítica teológico-sistemática de Lutero al peregrinaje. Conclusiones: (1) La posición de Lutero sobre las peregrinaciones en general y la peregrinación compostelana en particular permanece casi invariable durante el largo tiempo - décadas - de su actividad literaria. (2) Lutero se ocupó ya tempranay detalladamente del fenómeno de las peregrinaciones, lo que le lleva a hacer una serie de reflexiones crítico-sociales. (3) Cuando Lutero menciona repetidamente la peregrinación compostelana, mucho más a menudo que otros ejemplos, lo hace tomando a Compostela como expresión representativa del peregrinaje en general. (4) Al final de su vida Lutero pudo contemplar retrospectivamente el enorme „éxito“ de su crítica y de la de sus discípulos y partidarios a las prácticas 228 Resúmenes <?page no="228"?> Resúmenes 229 del peregrinaje. Con la Contrarreforma, sin embargo, la institución de las peregrinaciones adoptará nuevas expresiones que la habrán de llevar a un pujante renacimiento. <?page no="229"?> 230 Resúmenes Register der Orts- und Personennamen b earbeitet vOn M alena a lderete Das Register verzeichnet alle Namen aus dem Haupttext, den Anmerkungen und den Bildlegenden, die nicht in den bibliographischen Angaben genannt sind. Nicht berücksichtigt wurden die Namen aus den spanischen Zusammenfassungen. Personen mit Lebensdaten bis Mitte des 16. Jahrhunderts sind unter ihrem Vornamen, danach geborene unter ihrem Nachnamen aufgeführt. Datenangaben beziehen sich bei Amtsinhabern auf Regierungsjahre. Varianten der Namen sind in Klammern, Zitate kursiv gesetzt. Im Register werden folgende Abkürzungen verwendet: Bf. Bischof bibl. biblisch Btm. Bistum d.Ä. der Ältere d.J. der Jüngere Ebf. Erzbischof engl. englischer Gf. Graf hl. Heilige/ Heiliger Hzg. Herzog Kard. Kardinal Kf. Kurfürst Kg. König Kgn. Königin Kl. Kloster Kr. Kreis Ks. Kaiser Lgf. Landgraf Lk. Landkreis Mgf. Markgraf Pfgf. Pfalzgraf s. siehe St. Sankt <?page no="230"?> Register der Orts- und Personennamen 231 Aachen ( Ache ) 42, 57, 59, 60, 179, 181 f., 212, 214, 216 f. Abd al Rahman III., Kalif von Córdoba (912-961) 23 Abenberg 82 Adalbero, Bf. von Würzburg (1045- 1090) 78, 83 Adam, bibl. Gestalt 143 Ägidius, hl. 90 Ägypten 115, 217 Agathe, hl. 215 Albrecht, Kard. von Brandenburg (1518- 1545) 23 Albrecht Alcibiades, Mgf. von Brandenburg (1541-1554) 42 Albrecht Dürer, Künstler (1471-1528) 41, 53, 115, 129-133, 159 Alcáçovas (Portugal) 53 Alexius, hl. 37, 156 Alfons III., Ebf. von Santiago 194 Alphonsus de Losa 206 Altenburg (bei Bamberg) 86, 91 Altötting ( Oetingen ) 41 Amman s. Jost Amorbach, Kl. 21, 94 Andreas, hl. 138 Andreas Karlstadt 205 Anna von Ploben 198 (s. auch Hans von Ploben) Ansbach 94, 191, 193 Anselmus Stöckel, Hofrat 19, 41 Antonius Abbas, hl. 123 Antonius von Padua, hl. 99 Aragon (Spanien) 208 Aschaffenburg 23 Asturien (Spanien) 191 Aub 30 Augsburg 19, 30, 56 - Bischof s. Johann Egolph Aurifaber, Johannes (1519-1575) 218 Autun (Frankreich) - St. Lazare, Kathedrale 116 f. Ave Groß, Nonne (Kloster Nimbschen) 208 (s. auch Christophorus) Avignon (Frankreich) 175, 192 Axel von Liechtenstein, Pilger 191 Babylon (Babylonien) 201 Bad Mergentheim s. Mergentheim Bamberg 9, 10, 13, 18, 26, 41 f., 63, 66 f., 79-83, 86 f., 89 - Bistum 9, 12, 63 f., 67, 79 - Bischöfe s. Heinrich Freiherr Groß von und zu Trockau, Hermann, Otto, Eberhard - Dom 12, 26, 40, 42, 76, 78, 83, 90 - Diakon s. Eberhard d.J. - Michelsberg, Kl. 26, 42, 79, 86 f., 92 (s. auch Ebo) - St. Ägidius, Kirche 91 - St. Fides, Cella 92 - St. Gangolph, Kirche 42 - St. Jakob, Kl. 13, 18, 42, 66, 79-81, 83, 85-90, 92 - Propst s. Gebhard - St. Martin, Kirche 66, 68 - St. Michael, Kirche 40 - St. Stephan, Kirche 42 Banz, Kl. 79 Barbara, hl. 214 Barbara Haller(in) 198 Bartholomäus, hl. 25, 86, 93, 138 Bayern 27, 60 Bayonne (Frankreich) 192 Behaim s. Martin Benedikt, hl. 32, 76, 93 Benediktbeuren, Kl. 76 Bérenger de Landorre (1317-1330), Ebf. von Santiago 39 Berg (Oberfranken) 75 Bernal Yáñez de Moscoso 194 Bologna (Italien) 112 - S. Catarina di Strada Maggiore, Klosterkirche 114 Bonifatius, Bf. von Mainz (743-754) 33 <?page no="231"?> 232 Register der Orts- und Personennamen Bonn 32 Braga (Portugal) 15, 194 - Erzbischof 194 Bremm - St. Laurentius, Pfarrkirche 32 Bronnbach, Kl. 172, 174 - Abt s. Dieter Brueghel s. Pieter Brügge (Belgien) 190 Brünnstadt 48 Brüssel (Belgien) 193 Buchlader, Stephan, Pilger 64 Budapest (Ungarn) 108 Burgos (Spanien) 192 f. Burgstein 111 Burgund 65, 77, 83 f. Burkhart, Hanns, Vorsteher der Bamberger St. Jakobus-Bruderschaft 67 Calixt II., Papst (1119-1124) 66, 77 Carracci, Agostino, Kupferstecher 114 Catania (Italien) 215 Christophorus, hl. ( Cristoffel ) 23 f., 174, 214 Christophorus de Groß 208 (s. auch Ave Groß) Clavijo (Spanien) 72 Clemens VII., Papst (1523-1534) 67 Cluny (Frankreich) 12, 77, 83, 93 Coburg 66 Conrad, Pilger 61 f. Conrad (Konrad) Celtis, Humanist (1459- 1508) 53, 132 f. Córdoba (Spanien) 23 Cort, Cornelis, Kupferstecher 114 Cranach s. Lukas Cuntz Rudiger ( Rudinger ), Pilger 58 f., 181 Deggingen (im Ries), Kl. 92 Dettelbach 61 f., 66 Deutschland 29, 54, 69, 217 f. Diego II. Gelmírez, Ebf. von Santiago de Compostela (1124-1140) 66 Diemarus 90 Dieter, Abt von Bronnbach 177 Dimeter - Margaret 48 - Niclaus 48 Dokkum (Niederlande) 33 Dormitz 64 Drogo, hl. 156 Dürer s. Albrecht Eberhard, Bf. von Bamberg (1007- 1040) 76 Eberhard d.J., Diakon und Propst in Bamberg 90 Eberhard Rüd von Collenberg 182 Ebo, Mönch in Michelsberg († 1163) 90 Eckhard, Gf. 171 Eckartshausen 44, 46 - Maria Heimsuchung, Kirche 44 Eggenhausen 47, 51 Eggolsheim (Kr. Forchheim) 47 Eibelstadt 66 Eicha ( Eiche ) 212, 217 Eichstätt 9, 34, 42 f. - Bistum 9, 82 - Bischöfe s. Gundekar I., Gundekar II. - Fürstbischof s. Eyb, Gabriel von - Dominikanerkloster 35 Einsiedeln (Maria Einsiedeln, Schweiz), Kl. 59, 181, 192 Ekkebert, Mönch aus Gorze († um 1076) 78-80, 83 Ekkebert (Ekbert), Abt von Münsterschwarzach 92 Elisabeth, hl. 121 Elvas (Portugal) 19, 41 Embricho, Bf. von Würzburg (1127- 1146) 27, 41, 85, 170 Endres Scheffer 143 Engl zu Wagrein, Simon 107 England 29, 77 <?page no="232"?> Register der Orts- und Personennamen 233 Ensdorf (bei Amberg), Kl. 92 f. Erasmus von Rotterdam, Humanist (um 1467-1536) 54, 204 Erfurt 42, 94, 213, 216 Erhard Etzlaub, Kartograf (um 1460- 1531/ 1532) 164 f. Erhart Pressler, Pilger 192 Erlangen 196 Etzelskirchen 91 Eucharius Sang 61 f. Eva, bibl. Gestalt 143 Eyb, Familie von 35 f. - Gabriel, Fürstbischof von Eichstätt (1496-1535) 34 f. - Ludwig (1417-1502) 36 - Ludwig V. (1494-1535) 36 Ferdinand, Kg. von Aragon (1412- 1416) 63 Feyerabend s. Sigmund Finisterre (Spanien) 191 f., 195, 209 Flandern 29 Fleischmann, Georg 61 Foril, Familie - Barbara ( Vanvora ) 64 - Hors ( Jorxe ), Pilger 63 f. - Mathias 64 Frankfurt am Main 14, 129, 151, 155 f., 165 - Dominikanerkloster 129 Frankreich 29, 39, 64, 115, 132, 149, 193, 205, 209 Freiburg (Schweiz) 191 Frickenhausen 44 - St. Gallus, Kirche 44 f., 181 Friedrich Barbarossa, Ks. (1155-1190) 30 Friedrich der Weise, Kf. von Sachsen (1486-1525) 54, 205 Friedrich Herlin, Maler ( Herlein , um 1435- 1500) 69 f., 123-128, 131 f. Füglein, Familie 51 f. - Johan Jakob 51 Fulda 65 Gabriel Tetzel, Pilger 15, 190, 192-195, 199 f. Galicien ( Gallicia , Spanien) 53, 191, 195 Gallien 65 Gaurettersheim 168 Gebhard, Abt von Hirsau 90 Gebhard, Propst in Bamberg 90 Geiler von Kaisersberg (Kaysersberg), Prediger in Straßburg 155, 221 Geldersheim 47 f. Genf (Schweiz) 192 Georg von Podiebrad, Kg. von Böhmen (1458-1471) 192 Georg Glockendon d.Ä., Maler und Graphiker († 1514) 53 Georg Haydt, Maler 62 Giech 50 Girante, Juan, Pilger 64 Görtler, Hanns, Vorsteher der Bamberger St. Jakobus-Bruderschaft 67 Göttingen 70 Götz ( Gösz ) von Berlingen 21 Gorze (Frankreich), Kl. 10, 12, 77 f., 93 (s. auch Ekkebert) Gottfried (I.) von Spitzenberg, Bf. von Würzburg (1186-1190) 40, 169 Gottfried von Straßburg, Dichter († um 1215) 39 Gottfried (Götz) Lesch 121 Granada (Spanien) 196 Gregor VII., Papst (1073-1085) 84 Gregor von Nyssa, Kirchenvater (335- 394) 204 Gregorius, Pilger 64 Greulich, Martin, Maler 125 Grey, George, engl. Staatsminister (1812- 1898) 21 Grimmental ( Grimmetal ) 65, 216 f., 220 Großlangheim - St. Jakob, Kirche 47 Grünsfeldhausen 168 Guadalupe (Spanien) 199 Günther Zainer 56 <?page no="233"?> 234 Register der Orts- und Personennamen Gundekar I., Bf. von Eichstätt (1015? - 1019) 82 Gundekar II., Bf. von Eichstätt (1057- 1075) 82 Hall in Tirol (Österreich) - St. Nikolaus, Kirche 109 Haller, Nürnberger Patrizierfamilie 128 (s. auch Barbara, Ulrich) Hallinger, Kassius 79 Hanns Weysacker 144 Hans Böhm, Pfeifer 185 f. Hans Holtzkirchner, Pilger 44 f., 181 Hans Mergen 47 Hans Ortloff, Pilger 192 Hans Rieter, Pilger 15 Hans Rodlein, Bildhauer 37 Hans Sachs, Dichter (1494-1576) 14, 151-153, 156, 158 Hans Süß, Maler (um 1480-1522) 70 Hans von Ploben 198 (s. auch Anna von Ploben) Hans Wolf, Holzschneider und Buchdrucker (Hans Wolff Glaser, † 1573) 41 Hans Virnkorn (Virenkoren) 59, 60 Harrach, Ferdinand (1821-1898) 43 Harrich, Jobst, Maler 129, 131 Hartmann Schedel, Humanist (1440- 1514) 53, 186 Hartmann Schopper, Dichter 152 Hasungen, Kl. 79 Heidingsfeld (bei Würzburg) 58 f., 181 Heilbronn 66 Heinrich II., Ks. (1014-1024) 40, 42 Heinrich IV., Kg. (1056-1105, ab 1084 Ks.) 83 Heinrich Freiherr Groß von und zu Trockau, Bf. von Bamberg 66 f. Heinrich von Ahorn 13, 81 Heinrich, Schultheiß 171 Heinz von Seckendorf 182 Heller s. Jakob Herlheim 49 - St. Jakob, Kirche 48 Herlin s. Friedrich Hermann (I.), Bf. von Bamberg (1065- 1075) 13, 64 f., 78-80, 83-87, 89, 92 Hermann Künig von Vach, Verfasser eines Pilgerführers 199 Herodes, bibl. Gestalt 205 Herold 90 Herreth 75 Herrieden 82 Hessen 172 Hieronymus, Kirchenvater (347- 420) 204 Hieronymus Münzer, Humanist und Pilger 15, 190, 195-197, 199 f. Hirsau, Kl. 13, 90, 93 - Äbte s. Wilhelm, Gebhard Hof 66, 68 Hoffmann, Hans, Maler 113 f. Hohenlohe, Edelherren von 168 Hollstadt 49 - St. Jakob, Kirche 49 Honorius Augustodunensis 214 Horitz, Anthon 63 Impfingen 66 Ingolstadt 21, 66 Innsbruck (Österreich) 30 Iphofen 51 Irland 29, 94 Isabella, Kgn. von Kastilien 63 Isidor von Sevilla, Ebf. von Sevilla (um 560- 636) 76 Italien 29, 77 Jacobus minor ( Jakobus d.J.), hl. 50, 54, 86, 91, 137 f., 146, 205, 221 Jakob Heller, Kaufmann (um 1460- 1522) 129 f. (s. auch Katharina von Melem) Jacow Paun 47 Jacow Schmit 47 <?page no="234"?> Register der Orts- und Personennamen 235 Jerusalem 31, 36, 110, 116, 158, 168, 172, 201, 212, 214, 216-218, 221 Jo-o II., Kg. von Portugal (1481-1495) 53 Jodokus, hl. 156 Johann, Abt von Langheim 63 Johann Egolph (Eglof) von Knörigen, Bf. von Augsburg (1537-1575) 19, 21, 41 Johann Friedrich, Kf. von Sachsen (1532- 1547) 111 Johann Vietor ( Vietron ), Ratschreiber 61 Johann von Paltz (um 1445-1511) 205, 220 Johann(es) (Bauer) von Dorsten († 1481) 220 Johannes, hl., Apostel 33, 44, 123, 205, 218 Johannes, hl., Evangelist 91, 93 f. Johannes der Täufer, hl. 108, 135, 143 Johannes Ruhlans 56 Johannes Trithemius, Abt von St. Jakob in Würzburg (1506-1516) 28, 33 Jorge, Mühlmeister 144 Josef, bibl. Gestalt 115 Jost Amman, Holzschnittkünstler (1539- 1596) 14, 151, 153-156 Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg (1545-1617) 37, 40, 61 Kamm, Franz Melchior 72 Kapstadt (Südafrika) 21 Karl der Große, Ks. (800-814) 197 Karl IV., Ks. (1355-1378) 60 Karl V. ( Carl ), Ks. (1530-1558) 36 Karlburg 57, 171 Karlstadt am Main 62, 169, 171, 210 - Spitalkirche 62 f., 182 - St. Andreas, Kirche 62, 169, 171 Kastelaz (bei Tramin, Südtirol) - St. Jakob, Kirche 126 Kastilien (Spanien) - Kg. von 197 Katalonien (Spanien) 198 f. Katharina, hl. 111, 130 Katharina von Bora 208 Katharina von Melem 130 (s. auch Jakob Heller) Kauernhofen 48 Kautler, Hanns, Vorsteher der Bamberger St. Jakobus-Bruderschaft 67 Kiedrich (bei Eltville) - St. Dionys und Valentin, Kirche 56 Kilian, hl. 26, 28, 33, 76, 167 f. Kleinrheinfeld 70 - St. Jacobus maior, Kirche 72 Kleinrinderfeld 51 Knöringen s. Johann Egolph Kobell, Franz von (1803-1882) 157 Köberlein, Jakob 47 Köln 179 Königsberg 66 Königsfeld (Kr. Bamberg) - St. Jakob und Kilian, Kirche 72 Königshofen im Grabfeld 62 Kolberg (Kotorzeg, Polen) Marienkirche 40 Kolonat, hl. 26, 28, 33 Konstantinopel 106, 209 Konstanz 94, 198 Kronach 72 Lampert von Hersfeld († 1082/ 85) 77, 79 f., 83 Lange, Hans 50 Langheim, Kl. 64 Abt s. Johann Laurentius, hl. 48, 94 Lazarus von Bethanien, hl. 116 Leiningen - Fürsten von 21 Leipzig 55 f. Lengfurt 164 f. Leo von Rožmital, Adliger 15, 190, 192, 199 León (Spanien) 191, 198 Leonhard, hl. 123 <?page no="235"?> 236 Register der Orts- und Personennamen Leuchsenring - Alexander 46 f. - Hans 45 f. Lindelbach (bei Wertheim) 179 f. Lissabon (Portugal) 111, 196, 199 Logroño (Spanien) 191 London (England) 15, 41, 193 Lorenz von Bibra, Bf. von Würzburg (1495-1519) 35 Loreto (Loreth, Italien) 212 Lucia, hl. 215 Ludwig XI., Kg. von Frankreich (1461- 1483) 197 Ludwig IX., Hzg. von Bayern-Landshut (1450-1479) 191 Ludwig III., Lgf. von Thüringen (1172- 1190) 36 Ludwig IV., Lgf. von Thüringen (1217- 1227) 36 f. Lukas Cranach d.Ä., Künstler (1472- 1553) 54 Lukas Cranach d.J., Künstler (1515- 1586) 54-56 Lupa, Kgn. 125 Luther s. Martin Machtilshausen - St. Jakob, Kirche 47 Madrid (Spanien) 107, 158 Magdeburg 42 Mailand (Italien) 192 Mainz 83, 182 - Erzstift 163 - Erzbischöfe 14, 174, 186 (s. auch Bonifatius, Siegfried I.) - St. Jakob, Kl. 83 Makarius, Abt von St. Jakob in Würzburg (1100-1153) 27-29, 40 Mallersdorf, Kl. 93 Mamertus, hl. 199 Mangold von Eberstein 65 Maria, hl. 44, 48, 57, 61 f., 77, 93 f., 115, 129, 131, 201, 212 Marianus Scottus, Pilger 26 Marktschorgast 51, 75 Martin Behaim, Humanist (1459- 1507) 53 Martin Luther, Reformator (1483- 1546) 9, 11, 15 f., 54, 56, 111 f., 153, 201-221 Martinus, Pilger 61 f. Maserfelth (England) 29 Matthäus, hl. 86, 93, 138 Matthias, Abt von St. Jakob in Würzburg († 1535) 40 Matthias, hl. 44, 211 Maximilian, Ks. (1508-1519) 195 Maximilian I., Hzg. von Bayern (1597- 1651) 129 Menedemus 204 Mergentheim 163-165 Mérida (Spanien) 198 Michael, hl. 91, 174, 209 Michael Ostendorf, Holzschnittkünstler 212 Michelfeld, Kl. 13, 40, 91 Marienkapelle 91 Michelsberg s. Bamberg Miltenberg 164 f., 179 Mömlingen 51 Montserrat, Kl. (bei Barcelona) 191, 196, 199 Münchberg 66 München 21, 43, 158 Münsterschwarzach, Kl. 65, 77, 79 f., 84 f., 92 - Abt s. Ekkebert Münzer s. Hieronymus Nantovinus (Nantwein) 157 Neudrossenfeld (Kr. Kulmbach) - Hl. Dreifaltigkeit, Kirche 70 Neunkirchen (Neukirchen , Kr. Forchheim) 64 Neustadt am Main - Pfarrkirche 23 <?page no="236"?> Register der Orts- und Personennamen 237 - Benediktinerabtei 23, 25, 79 Neustetten 66 Niederlande, Spanische 69 Niedermirsberg 75 Niklashausen (bei Wertheim) 15, 182 f., 185-187, 220 f. (s. auch Hans Böhm) Nikolaus, hl. 94 Nikolaus Wolrab 56 Nimbschen, Kl. 208 Nördlingen 21 Nonnenhorn - St. Jakobus, Kapelle 56 Nürnberg 14 f., 41, 53, 57, 63, 65, 106 f., 110, 128 f., 132, 151, 156-159, 189 f., 192 f., 195 f., 198 f. - St. Sebaldus, Kirche 133, 199 Oberschwarzach 51 f. Obertheres, Kl. 72, 79, 92 - St. Stephan und Vitus, Kirche 72 Oberwittighausen - St. Sigismund, Kapelle 168-171, 182 Ochsenfurt 30, 46, 164 - St. Michael, Kirche 45 - St. Andreas, Kirche 45 f. Österreich 27, 60 Ogygius 204 Ornbau 82 Oswald, hl. (um 605-642) 29, 70 Ottheinrich, Pfgf. von Pfalz- Neuburg 158 Otto, Hzg. von Ostfranken 41 Otto (I.), Bf. von Bamberg (1102- 1139) 13, 40, 85 f., 90-93 Otto (II.), Bf. von Würzburg (1330- 1345) 175 Oviedo (Spanien) 191 Padrón (Spanien) 195 f. Paris (Frankreich) 66 Paulus, hl. 76 f., 85, 93, 208, 212 Paulus, Pilger 61 f. Pavia (Italien) 196 Penda, Kg. von Mercien (um 626-655) 29 Perpignan (Frankreich) 196 Peter Dorn 47 Petrus, hl. 26, 33, 47, 76 f., 85, 93, 157, 208, 212 f. Philipp II., Kg. von Spanien 19, 41 Philippus, hl. 91 Pieter Brueghel d.Ä., Maler 108 f. Pirkheimer s. Willibald Plinius d.Ä. 159 Pölling 82 Poppenhausen 47, 182 f. Porto (Portugal) - Bischof 26 Portugal 110, 194, 198 Posen (Polen) 108 Praun, Nürnberger Patrizierfamilie 110, 112, 157 - Jakob (1558-1627) 97, 103, 106, 113 f., 132 - Paulus 103, 112, 114 - Stephan II. 111 - Stephan III., Pilger (1544-1591) 13, 53, 97 f., 100-108, 110-112, 114, 131, 157 f., 189 Prichsenstadt - St. Maria, Kirche 33 f. Prock (Brock, Prockh ), Johann Baptist 98, 107 Rattelsdorf 91 Ravenna (Italien) 115 - San Vitale, Kirche 115 Recemundus, Bf. von Elvira 23 Regensburg 26 f., 86, 94, 212, 217 - Weih Sankt Peter, Kl. 26, 86 - St. Jakob, Kl. 26 f., 86 Reginhard, Bf. von Würzburg (1171- 1186) 171 Regiomontanus, Humanist 53 Reichardsroth (bei Rothenburg) 30 Reicholzheim (bei Wertheim) 167 Reinhardsbrunn, Kl. 36 <?page no="237"?> 238 Register der Orts- und Personennamen Rettern 51 Riemenschneider s. Tilman Rieter, Patrizierfamilie 192, 199 - Andreas ( Andres ) 192 - Hans († 1626), Pilger 15, 191 f. - Peter, Pilger 189-191 - Sebald, Pilger 15, 189-192 Rochus, hl. 114 f., 132, 156 Röthlein (bei Schweinfurt) 51 Rom (Italien) 26 f., 29 f., 36, 57, 66 f., 84, 86 f., 106, 111, 158, 164, 185, 191, 201- 203, 208, 210-212, 214-218, 220 f. Rosscarbery, Kl. 94 Rothenburg (ob der Tauber) 29 f., 69 f., 125, 164, 182 - St. Jakob, Kirche 70, 119-122, 124, 127, 132 Rugger, Pfarrer 167 Ruhlands 56 Saal 51 Sachs s. Hans Sachsen - Hzg. 192 Saint-Antoine (Frankreich) 192 Saint-Benoît-sur-Loire (Frankreich), Kl. 39 Saint-Gilles (St. Ägidius, Frankreich), Kirche 28, 91 Saint-Trond (Schurhoven, Belgien) - St. Jakobus, Kirche 32 Salamanca (Spanien) 15, 194 Salome, bibl. Gestalt 205 Santiago de Compostela ( Sanct Jacob zu Compostell ) 9, 10, 12 f., 15 f., 28, 32, 36 f., 39, 41, 45, 49, 53, 57-59, 61-69, 72, 75, 77, 81, 83, 85, 90, 97 f., 100, 104, 106- 108, 112, 116 f., 123, 125 f., 134, 157 f., 161 f., 165, 170-172, 181 f., 186 f., 189, 191-200, 204 f., 206-214, 216-221 - Kathedrale 39, 53, 191 f., 194-197 - Erzbischof 209 (s. auch Alfons III., Bérenger) - Hospital Real 63 Santo Domingo de la Calzada (Spanien) 69 Santo Domingo de Silos (Spanien), Kl. 31 Schedel s. Hartmann Scheßlitz 51 Schick Dr., Ludwig, Erzbischof von Bamberg 68 Schleimhauff, Kaspar, Vorsteher der Bamberger St. Jakobus-Bruderschaft 67 Schlüchtern, Burg 65 Schnackenwerth 49 Schönberg 82 Schönrain (bei Lohr am Main), Kl. 93 Schopper s. Hartmann Schwarzach s. Münsterschwarzach Schweinfurt 172 Sebald Örtel, Pilger 15, 190, 198-200 Sebald (Sebaldus), hl. 130, 132 f., 157 Selzkestner 172 Seussinger, Stefan, Pilger 65 Sevilla (Spanien) 196 - Erzbischof s. Isidor Siegburg 93 Siegfried I., Ebf. von Mainz († 1084) 83 f. Sigismund, hl. 182 Sigmund Feyerabend, Verleger (1528- 1590) 153 Simon, hl. 138 Sindlbach 66 - St. Jakobus, Kirche 91 Skandinavien 29 Spangenberg, Cyriakus (1528-1604), Historiker 218 Spanien ( Hispania ) 10, 15, 68, 75-77, 98, 100 f., 104, 115, 125, 132, 157, 190, 192 f., 195 f., 198, 194, 205-208, 211, 215-218 St. Blasien, Kl. 93 Staffelberg - St. Adelgundis, Kirche 72 <?page no="238"?> Register der Orts- und Personennamen 239 Starkenschwind (Kr. Bamberg) 50 Stephan Fridolin (1430-1498) 57 Sternberg 220 Straßburg 155 - Bistum 203 Süß s. Hans Tauberbischofsheim 165, 182 Tetzel s. Gabriel Themar (Thüringen) 70 - St. Bartholomäus, Kirche 71 Theres s. Obertheres Theuschatz 75 Thüringen 27 Tilman Riemenschneider, Bildhauer (1460-1531) 9, 13, 33-35, 62, 135-140, 143 f., 146 f., 149 Tirol 132 Trier 56, 179, 201, 211 f., 214 Trithemius s. Johannes Totnan 26, 28, 33 Toulouse ( Thalosa , Tolosa , Frankreich) 69, 126, 192, 205, 211, 221 - St. Sernin, Kirche 205 Uclés (Spanien) 41 Udalrich, Propst in Bamberg († 1086/ 87) 65, 78 Uffenheim 57 f. Ulrich Haller, Pilger 192 Ungarn 179 Urban, hl. 47 Urphar (bei Wertheim) 165, 172 f., 178 f., 181, 186 f. - St. Jakobus, Kirche 15, 163, 173-179, 181 Valencia (Spanien) 196 Venedig (Italien) 110, 158 Vienne (Frankreich) 66 Vierzehnheiligen, Kirche 50 Voss, Georg, Kunsthistoriker 70 Wallhausen 165 Walsingham (England) 204 Wartburg 205 Wendelin, hl. 156 Wenzeslaus Schaschek von Birkov, Adeliger 193 Wernigerode 30 Wertheim 163, 178, 182 - Grafen von 163, 178 - Stiftskirche 182, 184 Wien (Österreich) 42 Wiesengiech 50 Wilhelm, Abt von Hirsau († 1091) 93 Wilhelm V., Hzg. von Bayern (1579- 1597) 41 Willibald Pirkheimer, Humanist (1470- 1530) 53 Wilsnack 220 Wimpfen 66 Windischschletten 50 Winnenden 70 Wirsinc, Andreas, Pilger 49 Wittenberg 54, 201, 205 Wölchingen (bei Boxberg) 168 Wolferode (bei Eisleben) 218 Wolf(f) s. Hans Wolfgang, hl. 216 f. Wolfratshausen 157 Wolrab s. Nikolaus Worms 213 Würzburg ( Visburgo ) 9 f., 19, 25 f., 28-30, 33-35, 38, 41 f., 50, 61-64, 66, 94, 135, 137, 140, 143, 151, 163-165, 167- 170, 182 - Bischöfe 14, 163, 167-169, 174, 178, 185 f., 192 (s. auch Adalbero, Embricho, Gottfried I. von Spitzenberg, Lorenz von Bibra, Otto, Reginhard) - Fürstbischof s. Julius Echter - Bistum 9, 26, 76, 167 f., 179 - Dom 28, 35, 40, 135, 140 - Domkapitel 19 (s. auch Johann Egolph) <?page no="239"?> - Deutschhauskirche 50 f. - Don Bosco, Kirche 30 - Himmelspforten, Kl. 9 - Juliusspital 37 f. - Marienkapelle 13, 135, 137, 139-149, 182 - Neumünster, Kirche 28, 33 - St. Burkard, Kl. 79 - St. Jakob, Kl. (Schottenkloster) 13, 19, 26-30, 32, 40 f., 85, 118 f., 132, 170 - St. Oswald, Spital 29 - St. Stephan 83 - Synagoge 143 Zamora (Spanien) 118 Santa Marta de Tera, Klosterkirche 116 f. Zicke, Maths (Matthias), Pilger 218 Zimmern, Edelherren von 168 - Sigibodo II. 169 240 Register der Orts- und Personennamen <?page no="240"?> Register der Orts- und Personennamen 241 Abkürzungsverzeichnis ADB Allgemeine Deutsche Biographie AHN Archivio Histórico Nacional, Madrid Art. Artikel fol. folio Hl.; hl. Heilige/ Heiliger; heilige/ heiliger Kr. Kreis LexMA Lexikon des Mittelalters MGH Monumenta Germaniae Historica - SS Scriptores NDB Neue Deutsche Biographie TRE Theologische Realenzyklopädie UB Universitätsbibliothek WA Weimarer Lutherausgabe, Schriften - B Briefe - TR Tischreden <?page no="241"?> 242 Register der Orts- und Personennamen Abbildungsnachweise Aschaffenburg, Hofbibliothek: S. 24 Bamberg, Staatsarchiv: S. 88 f. Erich Baierl, Heuchlingen, S. 171 Budapest, Szépmüvészeti Muzeum: S. 108 Fotostudio Gundermann, Würzburg: S. 147 Frankfurt am Main, Historisches Museum: S. 130 Prof. Dr. Anja Grebe, Krems: S. 117 Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, Nürnberg: S. 109, 120, 133, 124, 127 Kapstadt, National Library of South Africa: S. 22 Karlsruhe, Badisches Landesmuseum: S. 180 Kunstschätzverlag, Gerchsheim (Winfried Berberich): S. 63, 136 London, Trustees of the British Museum: S. 133 Marburg, Bildarchiv Foto Marburg: Umschlag (Thorsten Scheidt), S. 163 (Thorsten Scheidt), 175, 178, 181 München, Universitätsbibliothek: S. 20 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum: S. 98-101 (Georg Janßen), S. 102 ( Jürgen Musolf) Nürnberg, Stadtarchiv: S. 105 Nürnberg, Stadtbibliothek: S. 113 Dr. Robert Plötz, Würzburg: S. 43, 55 Bárbara Preuschoff: S. 38 Dr. Gunhild Roth, Berlin: S. 5 Prof. Dr. Peter Rückert, Bietigheim-Bissingen: S. 166, 173 Jochen Schreiner: S. 170 Ferdinand Seehars: S. 58 Annette Späth, Bad Kissingen: S. 137, 141 f., 145, 148 Ernst Weckert, Randersacker: S. 58 Wertheim, Staatsarchiv: S. 176 f. Würzburg, Mainfränkisches Museum: S. 34, 119 Würzburg, Universitätsbibliothek: S. 167 Manfred Zentgraf, Volkach: S. 25, 34 f., 45 f., 48-52, 71, 171, 183 Weitere Abbildungsvorlagen, soweit nicht genauer bezeichnet, stammen von den Autoren. <?page no="242"?> Jakobus-Studien im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz Bisher sind erschienen: Band 1 Klaus Herbers (Hrsg.) Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte 1988, 175 Seiten, zahlr. Abb. €[D] 19,- ISBN 978-3-8233-4000-3 Band 2 Robert Plötz (Hrsg.) Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt 2. durchges. Auflage 1993, VIII, 232 Seiten €[D] 23,- ISBN 978-3-8233-4001-0 Band 3 John Williams / Alison Stones (eds.) The Codex Calixtinus and the Shrine of St. James 1992, XIV, 262 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-4004-1 Band 4 Ursula Ganz-Blättler Andacht und Abenteuer Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520) 3. Auflage 2000, VII, 425 Seiten €[D] 34,- ISBN 978-3-8233-4003-4 Band 5 Klaus Herbers / Robert Plötz (Hrsg.) Spiritualität des Pilgerns Kontinuität und Wandel 1993, 152 Seiten €[D] 19,- ISBN 978-3-8233-4005-8 Band 6 Thomas Igor C. Becker Eunate (Navarra): Zwischen Santiago und Jerusalem Eine spätromanische Marienkirche am Jakobsweg 1995, 135 Seiten, zahlr. Abb. €[D] 19,- ISBN 978-3-8233-4006-5 Band 7 Klaus Herbers / Dieter R. Bauer (Hrsg.) Der Jakobuskult in Süddeutschland Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive 1995, XIV, 401 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-4007-2 Band 8 Klaus Herbers (Hrsg.) Libellus Sancti Jacobi Auszüge aus dem Jakobsbuch des 12. Jahrhunderts Ins Deutsche übertragen und kommentiert von Hans-Wilhelm Klein (†) und Klaus Herbers 1997, 150 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-8233-4008-9 Band 9 Klaus Herbers / Robert Plötz (Hrsg.) Der Jakobuskult in »Kunst« und »Literatur« Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton 1998, XII, 303 Seiten, zahlr. Abb. €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-4009-6 <?page no="243"?> Band 10 Klaus Herbers (Hrsg.) Stadt und Pilger Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult 1999, XIV, 248 Seiten, zahlr. Abb. €[D] 24,- ISBN 978-3-8233-4010-2 Band 11 Luís M. Calvo Salgado Die Wunder der Bettlerinnen Krankheits- und Heilungsgeschichten in Burgos und Santo Domingo de la Calzada (1554-1559) 2000, X, 500 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-4011-9 Band 12 Klaus Herbers / Dieter R. Bauer (Hrsg.) Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa Austausch - Einflüsse - Wirkungen 2003, X, 387 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-4012-6 Band 13 Robert Plötz / Peter Rückert (Hrsg.) Jakobuskult im Rheinland 2004, VI, 279 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-6038-4 Band 14 Klaus Herbers (Hrsg.) Jakobus und Karl der Große Von Einhards Karlsvita zum Pseudo-Turpin 2003, XVI, 246 Seiten €[D] 29,90 ISBN 978-3-8233-6018-6 Band 15 Hedwig Röckelein (Hrsg.) Der Kult des Apostels Jakobus d.Ä. in norddeutschen Hansestädten 2005, 261 Seiten €[D] 42,- ISBN 978-3-8233-6039-1 Band 16 Klaus Herbers (Hrsg.) Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte Tradition und Ausprägung zwischen Stadt, Ritterorden und Reich 2005, XII, 232 Seiten €[D] 39,- ISBN 978-3-8233-6192-3 Band 17 Klaus Herbers / Enno Bünz (Hrsg.) Der Jakobuskult in Sachsen 2007, VI, 340 Seiten, zahlr. Abb. €[D] 42,- ISBN 978-3-8233-6332-3 Band 18 Klaus Herbers / Peter Rückert (Hrsg.) Augsburger Netzwerke zwischen Mittelalter und Neuzeit Wirtschaft, Kultur und Pilgerfahrten 2009, VI, 256 Seiten, zahlr., teils farbige Abb. €[D] 42,- ISBN 978-3-8233-6447-4 Band 19 Klaus Herbers / Peter Rückert (Hrsg.) Pilgerheilige und ihre Memoria 2012, 277 Seiten, zahlr., teils farbige Abb. €[D] 42,- ISBN 978-3-8233-6684-3 Band 20 Klaus Herbers / Hartmut Kühne (Hrsg.) Pilgerzeichen - „Pilgerstraßen“ 2013, 212 Seiten, zahlr., teils farbige Abb. €[D] 34,- ISBN 978-3-8233-6779-6 Band 21 Volker Honemann / Hedwig Röckelein (Hrsg.) Jakobus und die Anderen Mirakel, Lieder und Reliquien 2015, 258 Seiten, zahlr., teils farbige Abb. €[D] 42,- ISBN 978-3-8233-6981-3 <?page no="244"?> ISBN 978-3-8233-8159-4 16,6 - www.narr.de Die Verehrung des heiligen Jakobus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Franken steht im Fokus des Bandes. Die hier versammelten Beiträge verfolgen den Kult des Apostels in der fränkischen Sakrallandschaft. Sie fragen zunächst nach den Initiatoren und Förderern seiner Verbreitung. Insbesondere werden dabei die bildlichen Darstellungen des Pilgerheiligen vorgestellt, die sich zum Teil als Werke berühmter Meister, wie Tilmann Riemenschneider, neu ansprechen lassen. Neben der Kunst tritt der Pilgerverkehr hervor: Aus unterschiedlicher Perspektive werden die mittelalterlichen Pilger auf ihren Wegen in Franken, manche auch in Santiago de Compostela, am Grab des heiligen Jakobus, verfolgt. Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) JAKOBUS IN FRANKEN JAKOBUS IN FRANKEN Kult, Kunst und Pilgerverkehr Robert Plötz, Peter Rückert (Hrsg.) 18159_Rueckert_Umschlag.indd 1,3 05.07.2018 12: 27: 34