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Sprachkontaktforschung

1112
2018
978-3-8233-9164-7
978-3-8233-8164-8
Gunter Narr Verlag 
Claudia Maria Riehl

Dieser Band stellt eine kurze und prägnante Einführung in das Thema "Sprachkontakt" dar. Er definiert und diskutiert Grundbegriffe und skizziert die Methoden der Sprachkontaktforschung. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung verschiedener Typen von Sprachkontakterscheinungen auf verschiedenen Ebenen der Sprache (Lexikon, Semantik, Syntax, Morphologie und Phonologie) sowie Prozessen der Sprachvereinfachung, die besonders im Rahmen von Sprachabbau auftreten. Zusätzlich werden auch Aspekte des Kontakts zwischen verschiedenen Varietäten einer Sprache und der Transfer im Bereich der Pragmatik diskutiert. Dabei geht die Einführung sowohl auf Kontakterscheinungen im Bereich von Migranten- und Herkunftssprachen als auch auf langfristige Kontakterscheinungen in Minderheitensprachen ein.

<?page no="3"?> Claudia Maria Riehl Sprachkontaktforschung <?page no="4"?> Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr-starter.de www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISSN 2509-6036 ISBN 978-3-8233-8164-8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Definitionen und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3. Transfer von sprachlichem Material . . . . . . . . . . . 25 3.1 Lexikalische Übernahmen und ihre Integration ins Sprachsystem . . . . . . . . . . . . . 26 3.2 Übernahmen im Bereich der Phonetik . . . . 31 3.3 Übernahme von grammatischen Morphemen 32 4. Transfer von Strukturen und Bedeutungen . . . . . 35 4.1 Transfer von Bedeutungen . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.2 Übernahme von Strukturen . . . . . . . . . . . . . . 37 5. Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt . . . . . 45 5.1 Kasusabbau im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.2 Simplifizierungsprozesse in der Syntax . . . . . 49 6. Varietätenkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 6.1 Akkommodation und Konvergenz . . . . . . . . . 55 6.2 Dialektkontakt und Koineisierung in deutschen Sprachinseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 narr-starter.de <?page no="6"?> 6.3 Kontakt von Dialekt und Standardsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 7. Sprach- und Kulturkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 7.1 Sprachkontakt in Sprechakten und Diskurskonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 7.2 Kulturspezifik und Kulturkontakt im nonverbalen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Inhalt 6 narr-starter.de <?page no="7"?> 1 Einleitung Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Globalisierung unserer Gesellschaften und ihrer Auswirkungen auf das Sprachverhalten der Menschen nimmt das Interesse an Mehrsprachigkeit und den damit zusammenhängenden Einflüssen auf die Sprecher und Sprachen in rasantem Maße zu. In diesem Kontext gewinnt auch der Begriff ‚ Sprachkontakt ‘ immer mehr an Bedeutung. Dieser grenzt sich nun vom Begriff ‚ Mehrsprachigkeit ‘ ab, dadurch dass er die beteiligten Sprachen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Der Begriff ‚ Mehrsprachigkeit ‘ dagegen fokussiert die Eigenschaften der Menschen, die diese Sprachen sprechen, oder die Eigenschaften der Gruppen, in denen diese Sprachen gesprochen werden. Sprachkontakt ist aber im Wesentlichen ein Ergebnis von Mehrsprachigkeit. Die Tatsache, dass Sprecher einer bestimmten Sprachgemeinschaft mehrere Sprachen (oder Varietäten) gleichzeitig verwenden, bewirkt auch Veränderungen in den beteiligten Sprachsystemen. In dieser Einführung werden zunächst die wichtigsten Begriffe der Sprachkontaktforschung, wie ‚ Transfer ‘ , ‚ Entlehnung ‘ , ‚ Konvergenz ‘ etc., erklärt und die Methoden der Datenerhebung und der Korpuserstellung erläutert (Kap. 2). Schließlich werden in den folgenden Kapiteln die wichtigsten Sprachkontaktphänomene wie der Transfer von sprachlichem Material (Kap. 3) und der Transfer von Bedeutungen und Strukturen (Kap. 4) sowie Vereinfachungsprozesse in Sprachkontaktsituationen (Kap. 5) beleuchtet. Danach wird der Sprachkontakt zwischen Varietäten bzw. zwischen Dianarr-starter.de <?page no="8"?> lekt und Standardsprache illustriert (Kap. 6). Schließlich folgt ein weiteres Kapitel (Kap. 7), in dem Phänomene des Sprach- und Kulturkontakts aufgezeigt werden. Insgesamt wird damit den Leserinnen und Lesern ein grundlegender Überblick über Phänomene des Sprachkontakts und ihre Erforschung geboten. Die Beispiele stammen zum großen Teil aus meinen eigenen Korpora zum Sprachkontakt bei deutschsprachigen Minderheiten oder Migranten (vgl. Riehl 2014 a). Das ist zum einen dadurch motiviert, dass diese Beispiele am authentischsten beurteilt werden können, zum anderen dadurch, dass deutschsprachige Beispiele für Leser des Deutschen am besten nachvollziehbar sind. In den Beispielen werden Kontaktkonstellationen zwischen dem Deutschen (oder einer dialektalen Varietät des Deutschen) einerseits und einer Reihe von anderen Sprachen wie Englisch, Afrikaans, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Tschechisch, Polnisch, Ungarisch andererseits aufgezeigt. Darüber hinaus wird auch auf andere Sprachkontaktsituationen, z. B. im romanischen Kontext oder bei Migrantensprachen, eingegangen. Beispiele, die nicht aus meinen eigenen Aufnahmen stammen, enthalten einen Verweis auf die jeweilige Quelle, aus der sie entnommen sind. 1 Einleitung 8 narr-starter.de <?page no="9"?> 2 Definitionen und Methoden Wenn Sprachen sich wechselseitig beeinflussen, dann spricht man von Sprachkontakt. Diese wechselseitige Beeinflussung kann allerdings nur stattfinden, wenn zumindest ein Teil der Sprecher in den jeweiligen Sprachen zweisprachig ist. Dass Sprachkontakt zunächst beim einzelnen bilingualen Sprecher stattfindet, spiegelt sich auch in der ursprünglichen Definition von Sprachkontakt wider, die auf Uriel Weinreich (1953) zurückgeht: Danach stehen zwei oder mehrere Sprachen miteinander in Kontakt, wenn sie von ein und demselben Individuum abwechselnd gebraucht werden. Der eigentliche Ort des Sprachkontakts ist damit das Gehirn des mehrsprachigen Sprechers. Dieser sog. psycholinguistischen Begriffsbestimmung steht eine soziolinguistische Begriffsbestimmung gegenüber, die sich v. a. in den 1980er Jahren etabliert hat. Nach dieser Auffassung sind der Ort des Sprachkontakts Gesellschaften oder soziale Gruppen: D. h. zwei oder mehrere Sprachen stehen dann in Kontakt miteinander, wenn sie in derselben Gruppe gebraucht werden. Oder, wie es Sarah Thomason, eine der bekanntesten Vertreterinnen dieser Auffassung von Sprachkontakt, ausdrückt: Sprachkontakt ist „ the use of more than one language in the same place at the same time ” (Thomason 2001: 1). Nach dieser Definition ist Sprachkontakt das Ergebnis eines langen Prozesses, der sich über viele Generationen erstreckt und zu Sprachwandel führt. Das Hauptaugenmerk der Sprachkontaktforschung liegt daher auf historischen und typologischen, d. h. sprachvergleichenden, Aspekten (z. B. narr-starter.de <?page no="10"?> Thomason/ Kaufman 1988; Winford 2003; Hickey 2010). Neuere Forschungen schließen auch aktuellen Sprachkontakt im Zuge von Migration ein und verbinden dabei die psycholinguistische mit der soziolinguistischen Perspektive (Clyne 2003; Matras 2009; Riehl 2014 a). D. h. man geht davon aus, dass der Sprachkontakt im Kopf des Individuums beginnt und sich unter bestimmten Bedingungen allmählich in der Gemeinschaft ausbreitet. Der Begriff ‚ Sprachkontakt ‘ lässt sich auch auf einzelne Varietäten einer Sprache ausdehnen, z. B. einen Dialekt und die überdachende Standardsprache. In diesem Falle spricht man von Varietätenkontakt. Der Dialekt nimmt in dieser Konstellation in der Regel die Position einer Erstsprache und die Standardsprache die der Zweitsprache ein. Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Sprachkontakt ist immer da, wo verschiedene Sprachen oder Varietäten einer Sprache aufeinandertreffen. 2.1 Begriffe Wie wir gesehen haben, beschäftigt sich die Sprachkontaktforschung mit dem Einfluss eines Sprachsystems auf das andere, d. h. mit einer bestimmten Form von Sprachwandel. Dieser beginnt beim einzelnen Sprecher, der mit zwei Sprachen umgeht und in dessen Rede eine Sprache die andere beeinflusst. Wenn ein bestimmtes sprachliches Element (z. B. ein Wort, ein Laut oder ein Morphem), eine abstrakte sprachliche Struktur (z. B. Aspektmarkierung oder Auslautverhärtung) oder eine Regel (z. B. wann man Futur verwendet) von einer Sprache in die andere übertragen werden, dann spricht man von Transfer (Clyne 1991). Im Sprachkontakt können konkretes Sprachmaterial, abstrakte 2 Definitionen und Methoden 10 narr-starter.de <?page no="11"?> Strukturmuster oder Bedeutungen bzw. Gebrauchskontexte für Wörter oder Strukturen von einer Sprache (der sog. Gebersprache) in die andere (die sog. Nehmersprache) transferiert werden: l Im Bereich des Wortschatzes werden sowohl Wörter als auch Bedeutungen aus der Gebersprache übernommen und in das System der Nehmersprache integriert. l In Bereich der Morphosyntax ist struktureller Transfer häufiger, weil insbesondere syntaktische Muster kopiert werden (z. B. Wortstellung). Es können aber auch Morpheme transferiert werden (z. B. Wortbildungsaffixe oder Pluralsuffixe). l In der Phonologie und Prosodie ist das materielle Entlehnen häufiger, z. B. der Ersatz von Phonemen der Nehmersprache durch die entsprechenden Phoneme der Gebersprache. Schließlich ist es möglich, dass sich die Gebrauchskontexte von schon vorhandenen Strukturen unter dem Einfluss der Gebersprache verändern: Dann bekommen diese bereits existenten Muster zusätzliche Funktionen (z. B. wenn eine Vergangenheitsform unter Kontakteinfluss die Funktion bekommt, auch Konjunktiv anzuzeigen). Was sich zunächst auf der Ebene des individuellen Sprechers abspielt, kann in den Sprachgebrauch einer ganzen Sprachgemeinschaft übergehen und wird dann als Entlehnung bezeichnet. Dieser Begriff wird im Deutschen vor allem in der historischen Sprachwissenschaft verwendet. Er bezeichnet Übernahmen der Gebersprache, die in das System der Nehmersprache integriert wurden und dort bereits kodifiziert oder zumindest konventionalisiert sind. Darunter fallen etwa viele Lehnwörter aus dem Französischen (z. B. 2.1 Begriffe 11 narr-starter.de <?page no="12"?> Weste, Balkon, Gardine, interessant, amüsieren, spendieren) oder aus dem Englischen (z. B. Partner, Sport, stop, tanken), die gar nicht mehr als fremd wahrgenommen werden. Transfer bzw. Entlehnung muss man wiederum unterscheiden vom sog. Code-Switching. Darunter versteht man den Wechsel zwischen zwei (oder mehr) Sprachen oder Varietäten innerhalb ein und derselben kommunikativen Interaktion - wie in dem folgenden Beispiel: 1. Na sacht der Adolf: „ Ja, wir wollen net, dass s ’ suffert. Wir wollen net äh - . “ Ja, hat er gsacht, des is - not much we can do, hat er gsacht. [. . .] Und dann am nächsten Tag, da hat der Tierarzt angrufen, hat er gsacht, ich hab es richtig - meine, mein decision, die war richtig, hat er gsagt. Die äh ich - da war ich relieft, ich sach - ah, sach ich: „ I feel “ - ich sach „ I feel uh relieved “ . (deutsche Auswanderin in Australien) In der Forschung wird nun viel darüber diskutiert, ob man nur dann von Code-Switching sprechen kann, wenn es sich bei der anderssprachigen Äußerungskomponente um eine ganze Phrase oder einen Teilsatz handelt (wie in Beispiel 1 not much we can do) oder auch schon dann, wenn nur ein Wort aus der anderen Sprache kommt (wie im obigen Beispiel decision). Viele Forscher (z. B. Myers-Scotton 2002: 153) zählen auch Fälle mit nur einem Wort zum Code-Switching, vorausgesetzt, dass das aus der anderen Sprache eingefügte Wort spontan geäußert wird und nicht schon ein fester Bestandteil des Lexikons in der Varietät dieser Sprachgemeinschaft ist. Andere sprechen hier von nonce borrowing (Poplack 2004) bzw. Ad-hoc-Entlehnung oder Ad-hoc-Übernahme (Riehl 2001: 61), d. h. einer Form von Entlehnung. 2 Definitionen und Methoden 12 narr-starter.de <?page no="13"?> Eine andere Einteilung der Phänomene des Sprachwechsels nimmt Muysken (2000) vor: Er vermeidet den Terminus ‚ Code-Switching ‘ und spricht stattdessen von ‚ Code-Mixing ‘ als übergreifendem Phänomen in einer bilingualen Rede. Der Begriff steht damit für alle Fälle, in denen lexikalische Einheiten und grammatische Strukturen aus zwei verschiedenen Sprachen in einem Satz vorkommen. Muysken (ebd.: 3) unterscheidet dabei drei verschiedene Prozesse: l Insertion l Alternation l Kongruente Lexikalisierung Im Falle der Insertion werden Einheiten aus einer anderen Sprache in eine sog. Basissprache eingebettet. Dies können entweder einzelne Wörter/ Stämme oder auch komplexe Konstituenteneinheiten sein (Bsp. 2 a). Beginnt ein Satz dagegen in einer Sprache und endet in der anderen, handelt es sich um eine Alternation (Bsp. 2 b). Haben die beiden Sprachen in dem jeweiligen gemischten Satz (partiell oder vollständig) dieselbe grammatische Struktur, aber benutzen Wörter aus unterschiedlichen mentalen Lexika, spricht Muysken von kongruenter Lexikalisierung. Dieser Prozess findet sich besonders bei nahe verwandten Sprachen und sehr häufig bei Varietätenkontakt zwischen Dialekt und Standard (Bsp. 2 c): 2. a) neyse ben haltestellede duryom [ ‚ nun stehe ich an der Haltestelle ‘ ] (türkische Migrantin in Deutschland, Keim 2012: 153) b) Siamo ritornati a Roma e poi l'abbiamo lasciato. It was just amazing. ['Wir sind nach Rom zurückgekehrt und dann haben wir es wieder verlassen. It was just amazing] (italienische Auswanderin in Australien) 2.1 Begriffe 13 narr-starter.de <?page no="14"?> c) alle Freunde warn do, net olle aber einige [ ‚ alle Freunde waren da, nicht alle, aber einige ‘ ] (Sprecherin des Bairischen) Ein weiterer Prozess, der sich vom Transfer unterscheidet, obwohl die kognitiven Abläufe sehr ähnlich sind, ist die Konvergenz. Das bedeutet, dass sich Sprachen aufeinander zubewegen und sich dadurch immer ähnlicher werden. Konvergenz kann auf allen linguistischen Ebenen stattfinden, im Lexikon, der Morphologie, Phonologie und auch auf der Ebene der Syntax. Um den Unterschied zwischen Konvergenz und syntaktischem Transfer zu erklären, findet sich ein sehr anschauliches Beispiel bei Clyne (2003: 80): 3. a) Wir haben zu Schule gegangen in Tarrington b) Wir haben gegangen zu Schule in Tarrington Während in 3 a) eine 1: 1-Übertragung aus dem Englischen stattfindet, d. h. ein klarer Fall von syntaktischem Transfer, ist in Fall 3 b) noch teilweise die Satzklammer erhalten, das Auxiliar sein wird aber bereits in Anlehnung an das Englische durch haben ersetzt (haben gegangen statt sind gegangen). D. h. die Konstruktion befindet sich auf dem halben Weg zwischen dem Deutschen und Englischen (daher ‚ Konvergenz ‘ , ein „ Sich-Annähern “ ). Neben diesen genannten Prozessen von Code-Switching, Transfer und Konvergenz können in Sprachkontaktkonstellationen weitere Phänomene beobachtet werden, die auf die gleichzeitige Prozessierung mehrerer Sprachen zurückzuführen sind. Das sind etwa Vereinfachungsprozesse in der Sprache - wie beispielsweise der Kasusabbau. Diese sind von den eigentlichen Sprachkontakterscheinungen zu un- 2 Definitionen und Methoden 14 narr-starter.de <?page no="15"?> terscheiden, da sie unabhängig von der typologischen Nähe und Distanz der Kontaktsprachen zu beobachten sind (Kap. 5). Die Anzahl und Dichte von Sprachkontaktphänomenen in einzelnen Äußerungen bilingualer Sprecher ist abhängig vom sog. Sprachmodus. Der Begriff Sprachmodus (language mode) stammt von François Grosjean (2008) und bezieht sich darauf, wie stark die Sprachen jeweils aktiviert sind. Es wird unterschieden zwischen einem Modus, bei dem die beiden Sprachen gleich stark aktiviert sind (bilingualer Sprachmodus), und einem Modus, bei dem eine Sprache viel stärker aktiviert ist als die andere (monolingualer Modus). Monolingualer und bilingualer Sprachmodus Im monolingualen Sprachmodus passen sich mehrsprachige Sprecher der Sprache eines einsprachigen Kommunikationspartners an und deaktivieren - so weit wie möglich - ihre andere(n) Sprache(n). Im bilingualen Modus dagegen sind beide Sprachen aktiv und die Sprecher wechseln zwischen den Sprachen oder mischen diese. Der Sprachmodus ist als ein Kontinuum anzusehen und wird nicht nur von den beteiligten Gesprächspartnern, sondern auch von der Situation (formell vs. informell), vom Thema, Ort etc. beeinflusst. Je stärker sich die Sprecher auf den monolingualen Modus zubewegen, desto stärker kontrollieren sie ihre Äußerungen mit Hilfe eines internen Monitors. Darunter versteht man eine Art Überwachungsinstanz, die die Sprachäußerungen noch einmal überprüft, bevor sie geäußert werden. Man geht davon aus, dass der Monitor erkennt, ob ein bestimmtes Wort oder eine bestimmte Struktur zu Sprache A oder B gehört (vgl. Riehl 2014 b: 53 f.). 2.1 Begriffe 15 narr-starter.de <?page no="16"?> 2.2 Methoden Je nach Fragestellung werden in der Sprachkontaktforschung unterschiedliche Methoden angewendet. Soziolinguistische Fragestellungen fokussieren besonders auf das Verhalten von Sprechern in bestimmten Domänen. Psycholinguistische Fragestellungen beschäftigen sich dagegen mit dem Kontakt von Sprachen im Kopf des Sprechers. Die verschiedenen Methoden dazu werden in Riehl (2014 a: 43 ff.) ausführlich dargestellt. In dieser Einführung wird auf die Korpuserhebung und -analyse detaillierter eingegangen, da diese den Kern der Sprachkontaktforschung bilden. Erhebung von Metadaten Um Sprachkontaktphänomene entsprechend beurteilen zu können, müssen zunächst sog. Metadaten erhoben werden. Darunter versteht man die Information darüber, wann und wie viele Sprachen ein Sprecher gelernt hat, wie gut er diese beherrscht, wann er sie gebraucht und welche Einstellungen er gegenüber den jeweiligen Sprachen hat. Zu diesem Zweck kann man einen Fragebogen entwickeln, den man dann in der entsprechenden Sprachgemeinschaft verteilt (zum Entwurf eines Fragebogens vgl. Albert/ Marx 2016: 74 ff.). Die in der Sprachkontaktforschung wohl am häufigsten verwendete Methode ist allerdings die direkte Befragung von Gewährspersonen in Form von Interviews: Hierbei unterscheidet man zwischen dem gesteuerten Interview, das sozusagen aus einer Art „ Abfragen “ eines vorbereiteten Leitfadens besteht, und dem sog. freien oder narrativen Interview, das sich frei entwickeln kann. Im letzteren Falle zeigen die Sprecher ein natürlicheres Gesprächsverhalten. 2 Definitionen und Methoden 16 narr-starter.de <?page no="17"?> Gesteuertes vs. freies Interview Um eine möglichst objektive Vergleichbarkeit der erhobenen Daten zu erzielen, eignet sich insbesondere das gesteuerte Interview. Dabei werden v. a. nicht-sprachliche Faktoren erhoben, die für die Interpretation von Sprachverhalten notwendig sind (wie Spracheinstellungen oder Selbsteinschätzung der Kompetenz). Das ungesteuerte, freie Interview bietet dagegen wesentlich authentischeres Sprachmaterial und lässt so viele Rückschlüsse auf das tatsächliche Sprachverhalten zu. Es liefert auch Daten zur Sprache, die zu einem Korpus zusammengefasst werden können (s. u.). Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, beide Befragungsmethoden miteinander zu verbinden, d. h. etwa mit einem gesteuerten Interview zu beginnen, bei dem die wichtigsten persönlichen Daten abgefragt werden, und dann in einen freien, ungesteuerten Teil überzugehen. Grundsätzlich muss man dabei im Auge behalten, dass Interviews als Erzählungen aufzufassen sind, in denen der Sprecher nur das äußert, was er von sich preisgeben will, und dass er sich in einem bestimmten Licht darstellen wird (Busch 2017: 32). Eine weitere wichtige Methode, um Sprachgebrauch und Sprachverhalten zu erforschen, stammt aus der Ethnologie, nämlich die teilnehmende Beobachtung: Hierbei nimmt der Forscher selbst an der Interaktion teil und wird von anderen Personen als Teil des Handlungsfeldes gesehen (vgl. Bowern 2010: 352). Allerdings ist es wichtig, das sog. Beobachterparadox zu vermeiden. Dieses bedeutet, dass ein Beobachter, der nicht Teil der Gruppe ist, als Fremdkörper in der Gruppe wahrgenommen wird und die Gruppe sich damit nicht authentisch verhält (vgl. Nortier 2008: 44 ff.). 2.2 Methoden 17 narr-starter.de <?page no="18"?> Ein Beispiel: Fishman und seine Kollegen (Fishman ed. 1971) haben in ihrer berühmt gewordenen Studie zur Mehrsprachigkeit in einer englisch-puerto-ricanischen Sprachgemeinschaft teilnehmende Beobachtung mit einbezogen: Sie gingen auf Hochzeiten und Beerdigungen, saßen mit den Leuten in Straßencafés, passten auf deren Kinder auf und konnten so quasi als Gruppenmitglieder den Sprachgebrauch der Gruppe beobachten. Dieser Versuch, Teil der Gruppe zu werden, ist zwar zeitaufwändig und gelingt auch nicht immer, hat aber den großen Vorteil, dass man dann das Beobachterparadox überwinden kann. Die Beobachtungen, die man als teilnehmender Beobachter macht oder auch Äußerungen, die man hört, werden protokolliert und können ebenso als Teil der Datenbasis angesehen werden oder zur Interpretation der vorgefundenen Phänomene dienen. Korpuserstellung Wenn man die Metadaten erhoben hat, muss man versuchen, ein für die jeweilige Fragestellung aussagekräftiges Korpus zu erstellen. Eine grundlegende Problematik bei der Korpuserhebung besteht allerdings darin, eine möglichst authentische und verlässliche Datenbasis zu bekommen. Die meisten Sprachkontaktphänomene kommen in Äußerungen der gesprochenen Sprache vor. Je informeller diese sind und je mehr sich die Gewährspersonen in einem bilingualen Modus (s. o.) befinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, Sprachkontaktphänomene festzustellen. 2 Definitionen und Methoden 18 narr-starter.de <?page no="19"?> Folgende Daten können u. a. die Grundlage für ein Korpus bilden: l Gesprochene Sprache in Interviews l Spontane gesprochene Daten l Erzählungen anhand von Erzählimpulsen l Übersetzungsaufgaben l Schriftliche Quellen (Briefe, Schülertexte) l Schriftliche Daten aus computervermittelter Kommunikation Interviewdaten: Grundsätzlich kann man die Daten, die in den Interviews mit den Gewährspersonen erhoben wurden, auch als sprachliches Datenmaterial verwenden. Das gilt besonders für die ungesteuerten Passagen der Interviews. Diese Methode wurde v. a. bei einem Projekt zu Deutsch in Osteuropa angewendet (Eichinger/ Plewnia/ Riehl 2008). Hier wurden etwa 45 - 50 Interviews pro Sprachgemeinschaft mit einer Länge von je 1 - 1,5 Stunden geführt, so dass eine relativ umfangreiche Datenbasis existiert. Man muss sich aber vor Augen halten, dass es sich auch bei narrativen Interviews um eine eher formelle Sprechsituation handelt, in der der Sprecher im monolingualen Sprachmodus zu kommunizieren versucht. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Sprachform. Sprachkontaktphänomene werden in den Interviews bisweilen bewusst vermieden. Spontane gesprochene Daten: Die beste Quelle für authentische gesprochene Daten sind daher spontane Gespräche, wie Tischgespräche oder Gespräche bei der Arbeit und anderen Tätigkeiten. Um auch hier das oben erwähnte Beobachterparadox auszuschließen, hat es sich bewährt, die Aufnahmen von einem Mitglied der In-group machen zu lassen. Diese Methode haben etwa Dirim/ Auer (2004) bei 2.2 Methoden 19 narr-starter.de <?page no="20"?> ihren Untersuchungen zum Sprachgebrauch in multiethnischen Jugendgruppen in Hamburg erfolgreich angewandt. Da ein bestimmtes Sprachverhalten (z. B. Code-Switching) nicht in allen Gesprächen auftreten muss, kann man gezielt bestimmte Themen ansprechen, auf die die Teilnehmer besonders emotional reagieren, da dies die Auftretenswahrscheinlichkeit von authentischem Sprachverhalten erhöht. Bei den Untersuchungen von Nortier zu marokkanischen Einwanderern in den Niederlanden waren dies etwa Themen wie Diskriminierung, Sport oder Heimaturlaub in Marokko (Nortier 2008: 44 f.). Erzählimpulse: Wenn man vergleichbare Daten gewinnen will, hat es sich auch bewährt, die Probanden Geschichten anhand von Erzählimpulsen wiedergeben zu lassen. So haben alle Sprecher den gleichen Ausgangspunkt und die Themen sind weniger variabel über die Sprecher hinweg. Der bekannteste Erzählimpuls ist hier die Bildergeschichte Frog, where are you? von Mayer (1969), die schon in sehr vielen Kontexten und auch in vielen Sprachkonstellationen angewendet wurde (vgl. Berman/ Slobin 1994 u. v. a.). Ein anderer Erzählimpuls, der sich für Erwachsene besser eignet, sind Filme, die nacherzählt werden sollen. Beispiele dafür sind die Pear- Story, die ebenfalls schon in vielen Sprachen eingesetzt wurde (www.pearstories.org), oder ein Ausschnitt aus einem Charlie- Chaplin-Film (Sequenz aus Modern Times), der in der Language Attrition-Forschung verwendet wird (Schmid 2011: 188). Darüber hinaus kann man Bildkarten mit verschiedenen Familienszenen heranziehen, wie sie in einem sprachvergleichenden Projekt zur Sozialen Kognition (SCO- PIC) verwendet wurden (Barth/ Evans 2017). 2 Definitionen und Methoden 20 narr-starter.de <?page no="21"?> Übersetzungsaufgaben: Wenn man bestimmte Phänomene wie Kasusmarkierung oder grammatische Formen untersuchen will, kann man auch Übersetzungsaufgaben von der Zweitsprache (= L2) in die Erstsprache (= L1) einsetzen. Diese wurden ebenfalls bereits in einigen Sprachkontaktkontexten angewendet (vgl. Boas 2009, Rosenberg 2016, Riehl 2018 a) und sind besonders geeignet zur Feststellung morphologischer Besonderheiten. Im Bereich Lexikon oder Syntax kann es jedoch zur Beeinflussung durch die Sprache, aus der man übersetzt, kommen. Diese Methode eignet sich daher nur in Kombination mit anderen Befragungsmethoden. Schriftliche Quellen: Eine weitere Basis für ein Sprachkontaktkorpus bieten schriftliche Quellen; im Bereich des historischen Sprachkontakts sind sie sogar das alleinige Quellenmaterial. Wenn man feststellen will, welche Kontaktphänomene sich in einer aktuellen Sprachgemeinschaft bereits verfestigt haben, eignen sich ebenfalls schriftliche Quellen wie Zeitungsberichte, Briefe u. Ä. Gerade letztere bieten eine Möglichkeit, Sprachkontaktphänomene bei Sprachminderheiten festzustellen, die keine Gelegenheit zum Schriftspracherwerb in ihrer Muttersprache hatten. Derartiges Quellenmaterial wurde etwa bei den schon erwähnten Untersuchungen zum Deutschen in Osteuropa mit berücksichtigt (vgl. z. B. Berend/ Riehl 2008: 33 f.). Aufschlussreiche Korpora stellen auch Schülertexte in Sprachminderheitsgebieten und Migrationskontexten dar, die man auf Einflüsse der Kontaktsprache und Kontaktkultur hin analysieren kann (Riehl 2001, Riehl 2013). 2.2 Methoden 21 narr-starter.de <?page no="22"?> Computervermittelte Kommunikation: Ein interessantes Datenmaterial findet man darüber hinaus in spontanen schriftsprachlichen Äußerungen in der computervermittelten Kommunikation, z. B. in Foren von bilingualen Gruppen bzw. Sprachminderheiten. Dieses Sprachmaterial ist wesentlich informeller als andere schriftliche Quellen und enthält tatsächlich eine ganze Reihe spontaner Sprachmischungen. Die Daten sind zwar sehr leicht zugänglich und verwertbar, haben aber den großen Nachteil, dass man keinerlei Hintergrundinformationen oder soziolinguistische Informationen über die Schreiber erhält (vgl. Nortier 2008: 50). Diese Quelle bietet sich daher eher als Ergänzung und Bestätigung bereits festgestellter sprachlicher Phänomene an. Eine weitere Datenbasis bieten Chats oder Whats-App- Nachrichten sowie andere Formen sozialer Netzwerke (vgl. Androutsopoulos 2013). Hier muss man aber in Rechnung stellen, dass die Schreiber die Sprachmischung und Transferphänomene bisweilen auch nutzen, um spielerisch mit Sprache umzugehen. Man muss also hier mit Verzerrungen durch Stilisierungen und Übertreibungen rechnen. Datenaufbereitung und -auswertung Bei der Transkription und Annotation des erstellten Korpus ‘ muss man beachten, dass die Art der Transkription bereits den ersten Schritt der Interpretation und Analyse ausmacht. Inzwischen wurden schon umfangreiche Datenbanken erstellt und es empfiehlt sich daher, ein Datencodierungssystem (z. B. MAXQDA, EXMARALDA, CHILDES) zu benutzen. Damit können bestimmte grammatische Phänomene codiert werden, so dass danach systematisch gesucht werden kann (detaillierte Informationen zur Codierung und 2 Definitionen und Methoden 22 narr-starter.de <?page no="23"?> zum korpusbasierten Arbeiten finden sich bei Settinieri et al. 2014 und Lemnitzer/ Zinsmeister 2015). Bei der Analyse der Daten empfiehlt es sich, neben der Beschreibung der Phänomene auch statistische Angaben mit einzubeziehen. Quantitative Analysen umfangreicherer Korpora (etwa Boas 2009, Riehl 2018 a) zeigen nämlich, dass ein typisches Merkmal sich auflösender Sprachgemeinschaften gerade die hohe Variation ist, und zwar sowohl innerhalb der Äußerungen ein und desselben Sprechers als auch zwischen den Sprechern. Daher sollte man die Verwendung von kontaktinduzierten Strukturen immer mit dem Gebrauch von nicht-kontaktinduzierten regulären Strukturen korrelieren. Wenn man beispielsweise feststellt, dass der Abbau der Verbendstellung in Sprachkontaktkonstellationen des Deutschen vorkommt, sollte man versuchen, die Vorkommnisse des Endstellungsabbaus mit Vorkommnissen, bei denen die Endstellung noch erhalten ist, zu vergleichen (Kap. 5). Wenn man tatsächlich die Entwicklung bestimmter Phänomene über einen längeren Zeitraum untersuchen will, dann bieten sich die folgenden Möglichkeiten an: l Man zieht zu den selbst erhobenen Daten noch ältere Aufnahmen oder Dokumente heran. l Man erhebt Daten in verschiedenen Generationen und zeichnet die Entwicklung innerhalb der Sprechergenerationen nach (ein Beispiel dafür wird in Kap. 5 gezeigt). Die quantitativen Daten kann man darüber hinaus durch qualitative Daten stützen, indem man Sprecher, die besonders viele Kontaktphänomene produzieren, mit Sprechern, die nur wenige verwenden, vergleicht und die Vorkommenshäufigkeiten mit sprachbiographischen Informationen korreliert. 2.2 Methoden 23 narr-starter.de <?page no="24"?> In diesem Kapitel haben wir die grundlegenden Begriffe der Sprachkontaktforschung kennengelernt und gesehen, wie man Daten für ein Korpus erhebt. Um ein möglichst umfassendes Bild von einer Sprachkontaktkonstellation zu bekommen, empfiehlt es sich allerdings, mehrere Beobachtungsmethoden miteinander zu kombinieren. In den folgenden Kapiteln wird nun auf die spezifischen Typen von Kontaktphänomenen eingegangen. 2 Definitionen und Methoden 24 narr-starter.de <?page no="25"?> 3 Transfer von sprachlichem Material Transfererscheinungen können in beide Richtungen gehen (von der L2 auf die L1 und umgekehrt) und je nachdem unterschiedliche Bereiche betreffen. Hier spricht man vom sog. crosslinguistic influence (Kellerman/ Sharwood Smith 1986). Dabei sind aber nicht nur die Unterschiede zwischen den beteiligten Sprachen zu berücksichtigen, sondern auch die Unterschiede in der Intensität des Sprachkontakts in den verschiedenen mehrsprachigen Gemeinschaften. Hier lässt sich in der Regel feststellen, dass es bei den jüngeren Sprechern einer sprachlichen Minorität mehr und häufigere Sprachkontakterscheinungen gibt als bei den Vertretern der älteren Generation. Außerdem befinden sich viele Phänomene, die in allen Konstellationen vorkommen, in manchen Sprachgemeinschaften erst im Anfangsstadium und in anderen schon in einem fortgeschritteneren Stadium. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich die in Kap. 2.1 getroffene Unterscheidung noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Man kann entweder konkretes Sprachmaterial (Lexeme, Morpheme oder Laute) oder aber bestimmte Bedeutungen oder Gebrauchskontexte von einer Sprache in die andere übertragen. Dieses Kapitel wird sich zunächst mit dem Transfer von sprachlichem Material beschäftigen, das folgende mit dem Transfer von Strukturen und Bedeutungen. narr-starter.de <?page no="26"?> 3.1 Lexikalische Übernahmen und ihre Integration ins Sprachsystem Die einfachste Form des Transfers ist die Übernahme einzelner Lexeme aus dem mentalen Lexikon der jeweils anderen Sprache: Dieser Prozess wird dadurch erleichtert, dass die Einträge im mentalen Lexikon über die Sprachgrenzen hinweg miteinander verknüpft sind (vgl. Riehl 2014 b: 39 ff.). So kann es auch zu einer versehentlichen Aktivierung eines Lexems in der gerade nicht gesprochenen Sprache kommen. Das wäre dann ein psycholinguistisch motivierter Transfer, wie in folgendem Beispiel: 4. Da hängen dann die drogati 'rum (-) äh die Drogierten (-) oder wie sagt man auf Deutsch ( - ) Drogenabhängige. (deutsch-italienische Sprecherin in Südtirol) Dass die Sprecherin das italienische Wort drogati hier unbewusst inseriert, lässt sich durch die Tatsache belegen, dass sie sich nach einer Pause (äh), die Nachdenken signalisiert, selbst verbessert und danach einen sog. metakommunikativen Kommentar (wie sagt man auf Deutsch? ) liefert. In diesem Fall handelt es sich um einen ganz ähnlichen Prozess wie bei Versprechern in der Sprachproduktion einsprachiger Sprecher (vgl. Riehl 2014 b: 53). Häufig übernehmen mehrsprachige Menschen aber ganz absichtlich Wörter aus anderen Sprachen, weil diese entweder ökonomischer sind (z. B. ital. patentino statt dt. Zweisprachigkeitsnachweis in Südtirol) oder ein Konzept beschreiben, das es in der anderen Sprache nicht gibt. Ein Beispiel dafür ist das deutsche Arbeitsamt, ein Wort, das in die jeweiligen Migrantensprachen in Deutschland integriert 3 Transfer von sprachlichem Material 26 narr-starter.de <?page no="27"?> wird (vgl. Deutschlandtürkisch: arbeitsamta gidiyorum ‚ ich fahre zum Arbeitsamt ‘ ). Darüber hinaus werden Lexeme aus der Kontaktsprache übernommen, die eine sehr weite semantische Bedeutung haben und damit mehrere Wörter in der Nehmersprache ersetzen können. Das gilt etwa für das im Australiendeutschen verbreitete Verb putten (< engl. to put), das dt. ‚ setzen ‘ , ‚ stellen ‘ , ‚ legen ‘ , ‚ hängen ‘ ersetzt (vgl. Clyne 2003: 13). Ähnliches gilt für Verben, die neu gebildet werden, um komplexere Phrasen zu ersetzen. Ein Beispiel von deutschen Auswanderern in Australien: l etw. bei der Versicherung claimen (statt: ‚ bei der Versicherung einen Anspruch auf etw. anmelden ‘ ) l das Auto servicen lassen (statt: ‚ eine Inspektion für das Auto machen lassen ‘ ). In beiden Fällen wird die ökonomischere Struktur des Englischen und seine verstärkte Fähigkeit, Substantive in Verben zu konvertieren und mit direkten Objekten zu verbinden, genutzt. Somit kann der lexikalische Transfer auch eine Auswirkung auf die Entwicklung neuer grammatischer Muster haben (vgl. Kap. 4.2). In mehrsprachigen Gemeinschaften sind solche Lexeme häufig konventionalisiert und damit quasi-kodifizierte Lehnwörter. Daneben gibt es aber auch sehr viele Adhoc-Entlehnungen, die, wie wir gesehen haben, von einigen Forschern auch als Formen des Code-Switchings angesehen werden (Kap. 2.1). In der Regel werden diese Wörter ins System der Sprache integriert. Dies geschieht bei Nomina meist durch Anhängen von Flexionsaffixen der Nehmersprache, vgl. das obige Beispiel 2 a) aus dem Deutschlandtürkischen: neyse ben 3.1 Lexikalische Übernahmen und ihre Integration ins Sprachsystem 27 narr-starter.de <?page no="28"?> haltestellede duryom ( ‚ nun stehe ich an der Haltestelle ‘ ). Hier wird das entlehnte deutsche Wort Haltestelle mit dem Lokativsuffix -de, einer Markierung zur Angabe des Ortes, in die türkische Satzstruktur integriert. Allerdings ist die Integration von Lexemen nicht bei allen Sprachen oder Wortarten in gleich einfachem Maße durchführbar. Dies zeigt sich vor allem bei der Integration von Verben. Im Deutschen funktioniert die Einpassung von Verben aus Kontaktsprachen in der Regel gut: die entlehnten Verbstämme bekommen entweder das aus dem französisch-deutschen Sprachkontakt stammende Suffix -ieren oder das einfache deutsche Suffix -en; vgl. die folgenden Beispiele: l stuffieren (Südtiroler Deutsch; < ital. stufarsi ‚ überdrüssig sein ‘ ) l incomodieren (Brasiliendeutsch; < port. incomodar ‚ belästigen ‘ ), l collecten (Australiendeutsch; < engl. to collect ‚ sammeln ‘ ). Wenn dagegen deutsche Verben in andere Sprachen integriert werden sollen, gibt es öfter Schwierigkeiten, die zu einer analytischen Form der Entlehnung mit Hilfe eines Passe-partout-Verbs (damit meint man ein Verb, das in einer Vielzahl von Kontexten eingesetzt werden kann) führen. Beispiele: Im Deutschlandtürkischen werden deutsche Verben mithilfe des türkischen Verbs yapmak ‚ machen ‘ integriert, das deutsche Verb bleibt dabei im Infinitiv (z. B. tauschen yapmam ‚ ich tausche nicht ‘ , wörtlich ‚ ich mache nicht tauschen ‘ ). Auch im Deutschlanditalienischen findet man ähnliche Phänomene, z. B. die Integration von deutschen Verben mit Hilfe des Verbs fare ‚ machen ‘ (facciamo schmücken ‚ wir schmücken ‘ , wörtlich ‚ wir machen schmücken ‘ ), ebenso im Deutschgriechischen: κάνω putzen ( ‚ ich putze ‘ , wörtlich ‚ ich mache putzen ‘ ). 3 Transfer von sprachlichem Material 28 narr-starter.de <?page no="29"?> Dies deutet darauf hin, dass ähnliche phonotaktische Regeln von Sprachen bzw. gleiche Silbenstrukturen die Integration erleichtern oder vielleicht sogar erst ermöglichen (vgl. Riehl 2014 a: 101 f.). Neben diesen Inhaltswörtern gibt es eine weitere Wortklasse, aus der sehr früh und häufig entlehnt wird, nämlich die Klasse der Diskursmarker. Diskursmarker Diskursmarker sind Wörter, die das Gespräch steuern und keine eigentliche semantische Bedeutung haben, wie dt. also. Sie haben stattdessen „ interaktionsstrategische “ Funktionen oder tragen zur Strukturierung von Äußerungen bei. Im eigentlichen Sinne handelt es sich dabei um die Entlehnung eines sprachlichen Subsystems, nämlich mündlicher Kommunikationsstrukturen, die dem Kommunikationssystem der Gestik nahestehen (Matras 1998: 310). Partikeln, die als Gesprächswörter dienen, werden umso eher entlehnt, je weniger durchsichtig ihre lexikalische Bedeutung ist und je mehr gestenhaften Charakter sie haben, d. h. je mehr ihre Funktion der von entsprechenden Gesten gleichkommt (Kap. 7.2). Bei Sprachgemeinschaften, die einen intensiven Kontakt zur Zweitsprache haben, durchziehen entlehnte Diskursmarker den ganzen Text und bilden eine ganz typische Textstruktur (Bsp. dazu bei Riehl 2014 a: 98 f.). Da es sich bei diesen Gesprächswörtern um ein eigenes sprachliches Subsystem neben der Grammatik und dem Lexikon handelt, werden nicht nur die lexikalischen Einheiten entlehnt, sondern auch der pragmatische Kontext, in dem sie vorkommen. Das Phänomen findet sich nun in allen 3.1 Lexikalische Übernahmen und ihre Integration ins Sprachsystem 29 narr-starter.de <?page no="30"?> Sprachkontaktsituationen und zwar schon in einem recht frühen Stadium des Kontaktes, vgl.: 5. a) Well, meine Mutter war schon tot. [engl. well ‚ also ‘ ] (deutsche Auswanderin in Australien) b) Hát, wenn sie wechseln, aber nicht alle wechseln. [ung. hát ‚ also ‘ ] (Sprecherin des Ungarndeutschen) c) Mais, das ist nicht der Weg nach Malmedy. [frz. mais ‚ aber ‘ ] (deutsch-französischer Sprecher in Ostbelgien) d) No verdad, wir haben de ganze Obre [= Arbeit] gemacht. [port. verdad ‚ wirklich ‘ ] (Sprecherin des Brasiliendeutschen) In diesem Fall ist der Vergleich verschiedener Sprachkontaktsituationen besonders aufschlussreich: Man kann feststellen, dass am häufigsten Partikeln wie unter (5 a-b) entlehnt werden, die etwa dem dt. ‚ also ‘ entsprechen, gefolgt von Konnektoren mit kontrastiver Bedeutung (wie in 5 c). Weit weniger häufig werden dagegen Diskursmarker mit einer lexikalischen Bedeutung (wie z. B. ‚ natürlich ‘ , ‚ wirklich ‘ , wie in 5 d) übernommen. Diese Tatsache ist nun nicht allein durch die strukturellen Eigenschaften von Diskursmarkern erklärbar, sondern durch ihre jeweilige pragmatische Funktion. Während die ersten beiden Partikeltypen die Funktion der Dialogsteuerung übernehmen, haben die letzteren v. a. eine bewertende Funktion. Diskursmarker mit dieser Funktion werden weniger häufig und in einem späteren Stadium des Sprachkontakts entlehnt (vgl. Riehl 2009). 3 Transfer von sprachlichem Material 30 narr-starter.de <?page no="31"?> 3.2 Übernahmen im Bereich der Phonetik Aus dem phonologischen Inventar einer Kontaktsprache wird oft lautliches Material (d. h. Phoneme) übernommen. Das bewirkt das, was man als „ fremdsprachlichen Akzent “ bezeichnet. Im Namibiadeutschen hört man durchgehend ein gerolltes apiko-alveolares / r/ (= ‚ Zungenspitzen-r ‘ ) trotz einer sonst eher norddeutschen Lautung. Im Brasiliendeutschen bemerkt Rosenberg (2003: 287) die Velarisierung des Laterals / l/ analog zum Portugiesischen. Für das australische Deutsch führt Clyne (2003: 116) Überlappungen von englischer und sächsisch-schlesischer Lautung (ursprüngliche Dialekte der Einwanderer) an: In der ursprünglich dialektalen Lautung findet sich der ungerundete Diphthong / εı / an Stelle von standarddt. / e: / in Wörtern wie lesen sowie der Diphthong / ευ / für standarddt. / o: / in Wörtern wie groß. Durch den Sprachkontakt mit dem Englischen werden nun diese Diphthonge des deutschen Dialekts zu / ʌı / wie in engl. wine oder / ʌυ / wie in engl. cow. Zudem verwenden die Australiendeutschen häufig alveolares [ ɹ ] in Wörtern wie Regen (Clyne 2003: 116). Den Unterschied zwischen den ostmitteldeutschen Sprechern und den australiendeutschen Sprechern konnte kürzlich auch eine experimentelle phonetische Analyse belegen (Beinrucker 2018). Der Sprachkontakt kann aber auch nur Veränderungen bei einigen Eigenschaften von Lauten bewirken, z. B. bei der sog. Voice Onset Time (VOT). Darunter versteht man die Zeit zwischen der Verschlusslösung, beziehungsweise der Geräuschbildung (burst), und dem Einsatz der Stimme bei Verschlusslauten (p, t, k). In einer Fallstudie zu russischsprachigen Migranten in Deutschland konnten Brehmer/ 3.2 Übernahmen im Bereich der Phonetik 31 narr-starter.de <?page no="32"?> Kurbangulova (2017) bereits bei der ersten Generation eine Veränderung in der VOT nachweisen, die zum deutschen System konvergiert und sich dann in der zweiten Generation noch verstärkt. 3.3 Übernahme von grammatischen Morphemen Es gibt auch Fälle, in denen sprachliches Material in Form von grammatischen Morphemen übernommen wird. So finden sich in vielen Sprachkontaktsituationen Beispiele, in denen grammatische Funktionen doppelt markiert sind, nämlich mit Morphemen aus beiden Sprachen (vgl. Aikhenvald 2008: 25). Das ist besonders interessant bei Sprachen, die unterschiedlichen Sprachfamilien angehören, wie etwa das Deutsche und das Ungarische. Das Ungarische, eine agglutinierende Sprache, besitzt eine Reihe von Suffixen, um bestimmte grammatische Relationen auszudrücken, die im Deutschen durch Präpositionen encodiert werden. Ein Beispiel ist die Ortsbestimmung des inneren Raumes (auf die Frage wohin? ). Diese wird im Ungarischen mit dem Suffix -ba (bzw. -be) ausgedrückt, im Deutschen dagegen mit der Präposition in. Im Sprachkontakt Deutsch-Ungarisch findet man Fälle wie die folgenden: 6. a) Tuars naj a Suppába [ ‚ Tu es hinein in die Suppe ‘ ] (Ungarndeutsch, Földes 1996: 21) b) Schits miar ans Kläsliba [ ‚ Schütte es mir ins Glas ‘ ] (Ungarndeutsch, Földes 1996: 31) Hier werden also die grammatischen Beziehungen doppelt mit ganz verschiedenen grammatischen Mitteln zum Aus- 3 Transfer von sprachlichem Material 32 narr-starter.de <?page no="33"?> druck gebracht, mit der Präposition an [= ‚ in ‘ ] und gleichzeitig mit dem Suffix -ba, das die gleiche Bedeutung hat. Fälle wie diese sind im Sprachkontakt Deutsch-Ungarisch allerdings sehr selten und finden sich nur bei einzelnen Sprechern (vgl. Németh 2010). Es ist zu vermuten, dass es bei derartigen Phänomenen einer langen Entwicklung über viele Generationen und eines sehr intensiven Sprachkontakts bedarf. Das wird auch nahegelegt durch die Reihenfolge der Entlehnbarkeit, wie sie etwa Field (2002) vorschlägt: Inhaltswörter > Funktionswörter > agglutinierende Affixe > fusionierte Affixe Nach dieser Skala findet die Entlehnung von agglutinierenden Affixen, zu denen auch die Wortbildungssuffixe gehören, erst relativ spät im Sprachkontakt statt. Ein historisches Beispiel aus dem Sprachkontakt des Deutschen ist die Entlehnung von Wortbildungssuffixen aus dem Französischen in mittelhochdeutscher Zeit: Hier wurde unter Einfluss der höfischen Sprache das Suffix -îe aus dem Französischen übernommen. Es wird mit ganzen Wörtern wie melodîe ( ‚ Melodie ‘ ), courtoisîe ( ‚ Höflichkeit ‘ ) entlehnt. Später wird das Suffix isoliert von den fremdsprachigen Wortstämmen und kann an einheimische Wörter angehängt werden. Im Frühneuhochdeutschen wird -îe zu -ei und ist - wie die Bildungen Bäckerei, Druckerei, Brüllerei, Heuchelei usw. zeigen - auch heute noch sehr produktiv. Nicht mehr produktiv, aber aktiv ist heute noch das Suffix -lei, das vom frz. loi kommt (vgl. Wortbildungen wie vielerlei, mancherlei). Die fremde Herkunft der Suffixe ist vor allem daran festzumachen, dass sie im Gegensatz zu heimischen Endungen die Betonung tragen. 3.3 Übernahme von grammatischen Morphemen 33 narr-starter.de <?page no="34"?> Bei nahe verwandten Sprachen kommt es zu anderen interessanten Erscheinungen, nämlich Überblendungen. So erscheint im Namibiadeutschen eine Possessivkonstruktion, die eine deutsche Konstruktion mit englischen und afrikaansen Schemata kombiniert: Aus Konstruktionen wie meiner Oma sein Vater (bzw. afr. my ouma se pa) und dem englischen my grandma's father entstehen Phrasen wie meiner Omas Vater. Franke (2008: 291 ff.) kann sogar feststellen, dass der s- Genitiv im Springbok-German (Südafrika) auf Feminina ausgedehnt wird, die diese Endung gar nicht haben wie in seine zweite Kusines Tochter (statt ‚ Tochter seiner Großkusine ‘ ). Damit übernimmt das Genitiv-Suffix eine ähnliche Funktion wie das englische s-Klitikon. Wie wir gesehen haben, ist bei der Übernahme von sprachlichem Material der lexikalische Transfer am häufigsten. Aber auch Transfer von Phonemen und Morphemen kommt vor, v. a. bei intensiverem Sprachkontakt. Bei Morphemtransfer kann es auch zu Überblendungen kommen. 3 Transfer von sprachlichem Material 34 narr-starter.de <?page no="35"?> 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen Noch häufiger als der Transfer von konkretem sprachlichen Material (matter borrowing) ist der Transfer von Strukturen aus der anderen Sprache (pattern replication, vgl. Matras 2009), der auch Restrukturierungsprozesse nach sich ziehen kann, oder die Übernahme von Bedeutungen oder Funktionen von Elementen in der Kontaktsprache. Diese Form des Transfers wird im Folgenden dargestellt. 4.1 Transfer von Bedeutungen Bedeutungen von Wörtern der einen Sprache können auf Wörter der anderen übertragen werden, ohne dass dabei Wortmaterial übernommen wird. Dies geschieht am häufigsten bei sog. cognates, d. h. etymologisch miteinander verwandten Wörtern in beiden Sprachen. Je näher Sprachen miteinander verwandt sind, desto mehr gemeinsamen Erbwortschatz haben sie. Das trifft etwa auf die Sprachen Deutsch und Afrikaans zu. Daher finden sich im Namibiadeutschen eine ganze Reihe von Beispielen, in denen das Deutsche die erweiterte Bedeutung eines verwandten Wortes aus dem Afrikaansen übernimmt, vgl.: 7. a) Jetzt muß der Hund zum Arzt. Um halb drei hat sie ne Absprache gekriegt. [afr. afspraak ‚ Verabredung, Termin ‘ ] b) Hier ist noch ein Happie, dann bist du klar. [afr. klaar ‚ fertig, bereit ‘ ] narr-starter.de <?page no="36"?> Semantischer Transfer ist aber nicht auf Inhaltswörter beschränkt, sondern kann auch bei Funktionswörtern erfolgen. Der deutsch-englische Sprachkontakt ist in diesem Kontext sehr aufschlussreich, weil es bei diesem Sprachenpaar auch Konjunktionen, Präpositionen und Vergleichspartikel gibt, die etymologisch verwandt sind. Auch hier werden Bedeutungen übertragen. Vgl. dazu folgende Beispiele von deutschen Auswanderern in Australien (Riehl 2014 a: 103 f.): 8. a) Der Hase und ich werden jetzt nicht hingucken, weil Nikolas die Karten vermischen wird. [engl. while ‚ während ‘ ] b) Wenn ich ein ganz junges Kind war [. . .] [engl. when ‚ wenn, als ‘ ] c) Das war bei Gesetz verboten. [engl. by law ‚ per Gesetz ‘ ] Daneben treten auch semantische Übernahmen bei etymologisch nicht miteinander verwandten Wörtern auf. Beispiele: Im Russlanddeutschen findet man Brot in der Bedeutung ‚ Getreide ‘ (nach russ. chleb ‚ Getreide, Brot ‘ ) oder aufschreiben in der Bedeutung ‚ [auf Tonträger] aufnehmen, aufzeichnen ‘ (vgl. russ. zapisat' ‚ aufschreiben, [auf Tonträger] aufzeichnen ‘ ). Das Wort Platz wird im Südtiroler Deutsch in der Bedeutung ‚ Stelle ‘ verwendet (vgl. it. posto ‚ Platz, Stelle ‘ ) und im Australiendeutschen in der Bedeutung ‚ Besitz, Wohnung ‘ (vgl. engl. place ‚ Platz, Besitz, Wohnung ‘ ). Umgekehrt können auch Wörter aufgrund ihrer lautlichen Ähnlichkeit eine Bedeutung der anderen Sprache annehmen und ihre eigene verlieren. Krefeld (2004: 73) listet hierzu folgende Formen von semantischem Transfer bei italienischsprachigen Migranten in Deutschland auf: 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen 36 narr-starter.de <?page no="37"?> l regalo (ital. ‚ Geschenk ‘ ) mit der Bedeutung von dt. ‚ Regal ‘ (statt ital. scaffale) l ramo (ital. ‚ Ast ‘ ) mit der Bedeutung von dt. ‚ Rahmen ‘ (statt ital. cornice) l mappa (ital. ‚ Landkarte ‘ ) mit der Bedeutung von dt. ‚ Mappe ‘ (statt ital. carpetta). Diese Beispiele sind ein Beleg dafür, dass die phonologischen Repräsentationen von Lexemen untereinander vernetzt sind und zwar unabhängig davon, zu welcher Sprache sie gehören (vgl. dazu Kap. 3.1). Daher werden ähnlich klingende Wörter bei der Sprachproduktion häufig gleichzeitig miteinander aufgerufen (vgl. Müller-Lancé 2003 und Riehl 2014 b: 44 f.). 4.2 Übernahme von Strukturen Ein besonderes Augenmerk gilt in der Sprachkontaktforschung dem Transfer von Strukturen. Strukturen können u. a. im Bereich der Syntax (Wortstellungsmuster, periphrastische Formen) oder im Bereich der Prosodie (intonatorische Muster oder phonotaktische Regelmäßigkeiten) kopiert werden. Transfer von prosodischen Mustern der Kontaktsprache findet man schon in sehr frühen Stadien des Kontakts. So zeigt Birkner (2004), dass brasiliendeutsche Sprecher bei gemischtsprachigen Aufzählungen nur den im Portugiesischen üblichen Tonhöhenverlauf verwenden, d. h. eine steigend-fallende Kontur, nicht aber mit dem Ton auf der gleichen Höhe bleiben, wie das im Deutschen üblich ist. Ein Beispiel aus dem Sprachkontakt in Migrationskontexten sind die Übernahmen prosodischer Muster aus dem Türkischen bei Sprechern der 2. und 3. Migrantengeneration in Deutschland. In ihren deutschsprachigen Äußerun- 4.2 Übernahme von Strukturen 37 narr-starter.de <?page no="38"?> gen markieren die türkisch-deutsch bilingualen Sprecher Kontrast häufig nicht durch Konnektoren wie aber oder doch, sondern nur durch syntaktische und prosodische Merkmale, vgl. das folgende Beispiel (Großschreibung bedeutet Akzentuierung): 9. <<acc> jEder Isst so Ein me ‾ NU, H* H 1 ich ZWEI; > L* L 1 (Kern 2013: 202) Der Kontrast wird hier zum einen syntaktisch durch die Ellipse (ich _ zwei, statt: ich esse zwei), zum anderen durch die Intonationskontur angezeigt: In der ersten Äußerungseinheit steigt der Tonhöhenverlauf zum Ende an, im zweiten fällt er mit einem fallenden Akzent zur letzten Silbe ab (vgl. Kern 2013: 202 ff.). Neben prosodischen werden auch syntaktische Strukturen kopiert. Hier findet ebenfalls der Transfer eines Strukturmusters statt. Das äußert sich besonders darin, dass Sprecher die Wortstellung der anderen Sprache 1: 1 nachbilden: 10. a) Die hat geerbt viel Land. [engl. She has inherited lots of land] (Sprecherin des Barossa-Deutschen, Australien) b) Ohren haben gehört etwas. [russ. U š i usly š ali č to-to.] (Sprecherin des Russlanddeutschen) Ein anderes interessantes Phänomen ist die Übertragung von grammatischen Regeln, die für die eine Sprache gelten, für die andere nicht. Oft betrifft es zunächst nur die Kontexte, in denen eine Konstruktion verwendet wird. Ein sehr schönes Beispiel ist hierfür das Pro-Drop-Phänomen. 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen 38 narr-starter.de <?page no="39"?> Das Pro-Drop-Phänomen im Sprachkontakt Bei dem sog. Pro-Drop-Phänomen handelt es sich um die Tatsache, dass das Subjektpronomen nur verwendet wird, wenn es besonders hervorgehoben werden soll: z. B. ital. io vado a casa ‚ ich gehe nach Hause ‘ (und nicht du). In allen anderen Fällen ist die Person bereits in der Verbendung eindeutig markiert. Typische ‚ Pro-Drop-Sprachen ‘ sind z. B. Italienisch, Spanisch und Portugiesisch, aber auch Polnisch oder Tschechisch fallen darunter. Viele mehrsprachige Personen, die in ihrem täglichen Leben eine Sprache verwenden, in der Subjektpronomina in allen Kontexten obligatorisch sind - wie Deutsch oder Englisch - , verwenden nun in ihren Erstsprachen das Pronomen in Kontexten, wo es in der jeweiligen Sprache gar nicht stehen würde. Vgl. das folgende Beispiel mit dem Sprachenpaar Spanisch-Englisch: 11. Había una chica que vivía con su mama y ella va a visitar a su abuela (Es gab ein Mädchen, das lebte mit seiner Mutter und es geht seine Oma besuchen) [statt: y va a visitar . . .] (Montrul 2004: 134) Diese Feststellung lässt sich nun damit erklären, dass die Sprachen im Gehirn eines mehrsprachigen Sprechers miteinander vernetzt sind und dass Strukturen, die in beiden Sprachen gleich (oder sehr ähnlich) sind, parallel gespeichert werden (vgl. Riehl 2014 b: 45 ff.). Dies begünstigt die Ausweitung des Verwendungskontextes einer Konstruktion von L1, die zwar in beiden Sprachen vorhanden ist, aber in der L2 in weiteren Kontexten existiert und damit insgesamt viel häufiger vorkommt. 4.2 Übernahme von Strukturen 39 narr-starter.de <?page no="40"?> Interessanterweise gibt es nun bei den deutschsprachigen Minderheiten, die mit Pro-Drop-Sprachen in Kontakt kommen, die umgekehrte Entwicklung. So finden sich etwa im Brasiliendeutschen (Sprachkontakt Deutsch-Portugiesisch) Fälle wie: 12. a) Und dann hat _ wieder Schule morgen (statt ‚ hat sie wieder Schule ‘ ) b) und jetzt vor ein paar Jahre ist _ gestorben (statt ‚ ist er gestorben ‘ ). Eine Erklärung für die Beispiele in 12) könnte u. a. sein, dass man im Deutschen durchaus nach und in bestimmten Fällen Subjektellipse hat (z. B. sie hat heute noch frei und hat morgen wieder Schule). Diese Möglichkeit wird dann durch den Einfluss der Kontaktsprache auch auf Kontexte wie in 12) ausgedehnt, in denen das im Standarddeutschen nicht möglich ist. Im Walserdeutschen, einer Sprachinselvarietät im italienischen Aostatal, wird Pro-Drop ebenfalls verwendet, aber durch eine andere morphologische Entwicklung kompensiert. Hier ein Beispiel: 13. finneber indsch em liskam [wörtl. ‚ finden uns im Lyskamm ‘ = ‚ wir treffen uns im (Hotel) Lyskamm ‘ ] (Zürrer 1999: 369) Das Walserdeutsche weist hier die Besonderheit auf, dass die Verbformen durch eine sog. Subjektsenklise, d. h. Anhängen des Personalpronomens an das Verb, erweitert wurden: finne + ber = ‚ finden ‘ + ‚ wir ‘ . Aufgrund dieser Entwicklung können nun die Verbformen klar auseinandergehalten werden. Die Homonymie zwischen der 1. und 3. Person Plural (wir/ sie 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen 40 narr-starter.de <?page no="41"?> tun), die es im Standarddeutschen gibt, ist damit beseitigt: wir tieber / dschii (= sie) tiendsch. Durch diese Entwicklung im System des walserdeutschen Dialekts ist eine wichtige Voraussetzung dafür gegeben, dass man das Subjektpronomen analog zur Kontaktsprache weglassen kann, ohne dass dadurch die Verständlichkeit leidet. Das Beispiel von verschiedenen Konstellationen des Sprachkontakts von Pro-Dropmit Nicht-Pro-Drop-Sprachen zeigt sehr deutlich, dass Sprachkontakt in beide Richtungen gehen kann: Sprecher von Pro-Drop-Sprachen dehnen den Gebrauch des Subjektpronomens unter dem Einfluss einer Sprache mit obligatorischem Gebrauch des Pronomens (wie dem Deutschen) aus, umgekehrt können Sprecher das Pro-Drop-Prinzip (wie das Beispiel aus dem deutsch-portugiesischen Sprachkontakt zeigt) auch aus der Kontaktsprache übernehmen und die Pronomina weglassen. Wichtig sind in beiden Fällen „ Einfallstore “ , d. h. Kontexte, in denen die ein oder andere Konstruktion in den Sprachen durchaus möglich ist (wie im Deutschen die Verbellipse nach und). Eine weitere Möglichkeit ist gegeben, wenn Sprachen sich bereits in eine Richtung entwickelt haben, die die Übernahme einer bestimmten Konstruktion erleichtert (Beispiel Walserdeutsch). 1: 1-Übersetzungen von Konstruktionen In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Phänomen anzusprechen, nämlich die Erscheinung, dass mehrsprachige Sprecher in einer Äußerung alle Wörter aus der einen Sprache verwenden, aber die syntaktische Struktur völlig den Prinzipien der anderen Sprache folgt (Lattey/ Tracy 2005 sprechen in diesem Fall von Crossover). Ein Beispiel: Viele Sprecher des 4.2 Übernahme von Strukturen 41 narr-starter.de <?page no="42"?> Australiendeutschen äußern bei der Frage, ob es jemandem warm genug ist, die Wendung: Bist du warm? analog zu engl. Are you warm? Dieser Satz ist zwar für einen Sprecher des Deutschen durch den konkreten Kontext verständlich, aber entspricht nicht dem Muster, das er in dieser Situation gebrauchen würde. Der Sprecher des Australiendeutschen hat also die Konstruktion aus der Kontaktsprache übernommen und mit Wortformen aus dem Deutschen gefüllt. Ein weiteres Beispiel einer australiendeutschen Sprecherin: er ist eigentlich australisch geboren ( ‚ he actually is Australian born ’ ). Fälle, in denen die Konstruktionsmuster in der einen und der Wortschatz und die Flexionsformen komplett in der anderen Sprache auftreten, nennt Matras (2009: 40) pivot matching. Replika-Konstruktionen Neben der Übernahme von Mustern, die die Kontaktsprache vorgibt, wie wir das im Falle des pivot-matching gesehen haben, gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die in Sprachkontaktsituationen öfter auftritt, nämlich die Nachbildung grammatischer Konstruktionen der Kontaktsprache mit Mustern der Ausgangssprache. Ein schönes Beispiel dafür ist die Markierung des sog. progressiven Aspekts im Pennsylvania-Deutschen. Im Standarddeutschen wird der Aspekt in der Regel nicht grammatisch markiert. D. h. es wird nicht angezeigt, ob eine Handlung als im Verlauf befindlich oder als abgeschlossen betrachtet wird. Es gibt zwar Umschreibungsformen (er ist am Arbeiten) und lexikalische Mittel (z. B. Adverbien: er arbeitet gerade), um dies auszudrücken. Dies sind aber nur optionale Möglichkeiten. 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen 42 narr-starter.de <?page no="43"?> Im Englischen dagegen wird der Verlauf einer Handlung durch die Konstruktion to be + -ing zum Ausdruck gebracht (he is working, sog. Progressiv-Konstruktion). Der Sprachkontakt mit dem Englischen führt nun im Pennsylvania- Deutschen dazu, dass die optionale Umschreibungsform ist am X-en als morphosyntaktische Markierung der Kategorie Aspekt allmählich grammatikalisiert wird. Dies zeigt sich besonders daran, dass die Form nicht nur in allen Tempusformen gebraucht werden kann (Bsp. 14 a und 14 b), sondern sogar ins Passiv gesetzt werden kann (Bsp. 14 c): 14. a) D Anne is am Äppl schäla.[wörtl. ‚ Die Anne ist am Äpfel schälen ‘ ] b) Die Anne is am Äppl schäla gwesn. [wörtl. ‚ Die Anne ist am Äpfel schälen gewesen ‘ ] c) Fiel Haisa sind am ufgeduhn warra do in d letscht Zeet. [wörtl. ‚ Viele Häuser sind am aufgebaut werden in der letzten Zeit ‘ ] (Tomas 2018: 166 f.) Diese Beispiele zeigen, dass Sprachen in der Regel bereits vorhandene Ausdrucksweisen nutzen, um Kategorien der Kontaktsprache auszudrücken. Theoretisch bestünde ja die Möglichkeit, die Konstruktion des Englischen nachzubilden: I'm going = *ich bin gehend. Stattdessen wird aber eine Form benutzt, die bereits optional eingesetzt werden kann, nämlich ist am Gehen. Die am-Periphrase findet sich auch im sog. Unserdeutsch, einer deutschbasierten Kreolsprache in Papua- Neuguinea und Australien. Vgl.: wi war am leben in alle plantation wo er war am arbeiten [ ‘ Wir haben an den Pflanzungen gelebt, wo er gearbeitet hat. ‘ ] (Bsp. aus Schmidtkunz i. V.). Allerdings ist hier die Grammatikalisie- 4.2 Übernahme von Strukturen 43 narr-starter.de <?page no="44"?> rung noch nicht so weit fortgeschritten wie im Pennsylvania- Deutschen, da es noch keine Formen im Passiv gibt. Andere Gebiete mit deutsch-englischem Sprachkontakt (z. B. das Deutsche im Barossa-Valley/ Südaustralien) verwenden diese Konstruktion nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass die Sprecher des Pennsylvania-Deutschen die Periphrase aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet (Südwestdeutschland) mitgebracht haben. Ähnliches gilt für Unserdeutsch, das nordwestdeutsch-westfälisch geprägt ist (vgl. Maitz/ Lindenfelser 2018). Die aus dem Nordosten Deutschlands stammenden Siedler im Barossa-Valley kannten dagegen diese Umschreibungsform nicht. Den Anstoß von einer Kontaktsprache, um eigene Formen zu grammatikalisieren, haben schon viele Sprachen genutzt. Heine/ Kuteva (2005) sprechen daher von einer sog. Replikakonstruktion. Allerdings sind diese Konstruktionen in der Regel weniger stark grammatikalisiert (d. h. sie kommen in weniger Kontexten vor) als das Pendant in der Kontaktsprache (Heine 2012). Das Kapitel hat gezeigt, dass es beim Sprachkontakt häufig zum Transfer von Bedeutungen kommt, v. a. im Bereich lautlich ähnlicher Wörter. Aber auch Strukturen in der Syntax werden kopiert. Oft gibt es hier 1: 1-Übersetzungen. Außerdem wird die Möglichkeit genutzt, schon vorhandene Konstruktionen einer Sprache unter dem Einfluss der Kontaktsprache weiter zu grammatikalisieren. 4 Transfer von Strukturen und Bedeutungen 44 narr-starter.de <?page no="45"?> 5 Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt Neben den in Kapitel 3 und 4 beschriebenen Transferprozessen können in Sprachkontaktkonstellationen weitere Phänomene beobachtet werden, die indirekt auf Sprachkontakt zurückzuführen sind. Diese Erscheinungen sind dadurch zu erklären, dass mehrsprachige Sprecher, die mehrere Sprachen gleichzeitig prozessieren müssen, komplexe Strukturen in einem sprachlichen System vereinfachen. Im Gegensatz zu den eigentlichen Sprachkontakterscheinungen sind Vereinfachungsprozesse unabhängig von der typologischen Nähe und Distanz der Kontaktsprache zu beobachten. Dennoch wirkt sich der Sprachkontakt insofern aus, dass er in der Sprache bereits angelegte Prozesse beschleunigt (vgl. Clyne 1991). Rosenberg (2003) erklärt Vereinfachungsprozesse auch damit, dass das Normbewusstsein in der Sprachgemeinschaft abnimmt: Ein Mangel an linguistischem Wissen wird kombiniert mit dem Verlust der Sprachloyalität. Simplifizierungsprozesse betreffen besonders die Reduktion komplexer morphologischer Strukturen, wie etwa der Flexionsmorphologie. Dies könnte auch mit der Lernbarkeit der jeweiligen Strukturen zusammenhängen. So zeigen etwa Bentz/ Winter (2013) anhand einer statistischen Analyse von 66 Sprachen, dass Sprachen mit einer hohen Zahl an Zweitsprachlernern zur Reduktion (oder sogar Aufgabe) der Nominalflexion tendieren. narr-starter.de <?page no="46"?> 5.1 Kasusabbau im Deutschen Ein sehr häufiger Vereinfachungsprozess, der in unterschiedlichsten Konstellationen des Sprachkontakts des Deutschen auftritt, ist der Abbau der Kasusmarkierung. Eine ganze Reihe von Studien in verschiedenen Kontaktvarietäten des Deutschen haben einen Abbau der Dativmarkierung belegt (Salmons 1994; Rosenberg 2003 ff.; Boas 2009; Riehl 2015 u. v. m.). Die ursprüngliche Annahme, dass es sich nicht um eine interne Entwicklung des Deutschen handelt, sondern um einen Konvergenzprozess - etwa im Falle des Kontakts mit den romanischen Sprachen oder dem Englischen - , wird widerlegt durch Beispiele aus dem Kontakt mit Sprachen, die ein reiches Kasussystem besitzen, wie die slawischen Sprachen (z. B. Russisch, Polnisch, Tschechisch, Ukrainisch und Slowakisch) oder das Ungarische (vgl. dazu Rosenberg 2003 und die verschiedenen Beiträge in Eichinger/ Plewnia/ Riehl 2008). Eine generationenübergreifende Vergleichsstudie Ein Vergleich des Kasusabbaus in verschiedenen Kontaktvarietäten des Deutschen, nämlich Barossa-Deutsch in Südaustralien und Russlanddeutsch an der Wolga, über mehrere Generationen hinweg zeigt, dass die Prozesse des Kasusabbaus in beiden Varietäten trotz typologisch verschiedener Kontaktsprachen ähnlichen Pfaden folgen (vgl. Riehl 2018 a). In beiden Sprachkontaktkonstellationen beginnt der Abbau der Kasusmarkierung zunächst in Nominalphrasen, die vom Verb zugewiesen werden (wie jemandem zeigen). Danach sind die Präpositionalphrasen (wie mit dem Kind) vom Abbau betroffen. Den besten Erhalt der Dativmarkie- 5 Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt 46 narr-starter.de <?page no="47"?> rung zeigen in beiden Sprachkontaktkonstellationen Konstruktionen, bei denen die Präposition mit dem Artikel verschmilzt, z. B. zur (= zu der) Kirche, im (= in dem) Krieg. Einen großen Unterschied zwischen den beiden Sprachkontaktkonstellationen gibt es dagegen im Bereich der Pronomina. Denn im Russlanddeutschen ist das Pronominalsystem noch weitgehend erhalten, während im Barossa- Deutschen die Reduktion auf ein Zwei-Kasus-System (mir/ dir für Dativ und Akkusativ in der 1. und 2. Ps. Sg. und sie/ ihn für Dativ und Akkusativ in der 3. Ps. Sg. und Pl.) fast abgeschlossen ist (Tab. 1): Tab. 1: Pronominalsystem im Barossa-Deutschen Singular Plural Dat./ Akk. Dat./ Akk. 1. Ps. mir uns 2. Ps. dir euch 3. Ps. ihn/ sie sie Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass im Russlanddeutschen der Artikel öfter einfach weggelassen wird (z. B. mit Tochter, von Wolga, aus Krieg). Dies ist ein typisches Beispiel für Transfer: die Artikellosigkeit wird hier aus dem Russischen übertragen. Damit besteht aber in diesen Fällen keine Möglichkeit zur Kasusmarkierung (in der Studie betrifft dies 5 % der Beispiele mit fehlender Dativmarkierung in der ersten Generation und 11,6 % in der zweiten Generation). Die Kontaktvarietäten befinden sich vor allem aufgrund unterschiedlicher soziolinguistischer Bedingungen in einem unterschiedlichen Stadium des Vereinfachungsprozesses. Im Russlanddeutschen wird die Sprache noch mindestens in zwei Generationen als L1 gesprochen, daher gibt es auch 5.1 Kasusabbau im Deutschen 47 narr-starter.de <?page no="48"?> mehr Kommunikationssituationen, in denen noch Deutsch verwendet werden kann. Im Barossa-Deutschen ist das Deutsche bereits eine sog. Reliktvarietät, d. h. es wird nicht mehr als Kommunikationsmedium in der Gruppe verwendet. Hier gibt es in der letzten Sprechergeneration nur noch einen ganz geringen Prozentsatz an Dativmarkierungen in der Nominalphrase (13 %). Im Russlanddeutschen dagegen verwendet die älteste Generation noch zu 66 % und die zweite Generation noch zu 44,8 % die reguläre Dativmarkierung (Tab. 2). Tab. 2: Dativmarkierung im Vergleich Barossa-Deutsch (Daten 2009 - 2014) Russlanddeutsch Generation I Russlanddeutsch Generation II regulär irregulär regulär irregulär regulär irregulär 13,8 % 86,2 % 66,0 % 34,0 % 44,8 % 55,2 % Darüber hinaus können aber auch die typologischen Unterschiede zwischen den Kontaktsprachen eine Auswirkung haben, nämlich darauf, mit welcher Geschwindigkeit der Abbauprozess vor sich geht: Das Englische markiert keinen Kasus, das Russische dagegen hat ein sehr ausgeprägtes Kasussystem. Das könnte darauf einwirken, dass im Kontakt mit dem Russischen der Abbau langsamer vor sich geht (vgl. dazu Clyne 1991). Der hier vorgeführte Ansatz einer generationenübergreifenden Vergleichsstudie, die neben unterschiedlichen Wortarten vor allem auch die unterschiedlichen Kontexte, in denen der Kasus verwendet wird, und verschiedene Konstruktionstypen berücksichtigt, erweist sich hiermit als fruchtbar für weitere Untersuchungen zur Funktionsweise von Sprachabbauprozessen in Sprachkontaktkonstellationen. 5 Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt 48 narr-starter.de <?page no="49"?> 5.2 Simplifizierungsprozesse in der Syntax Ein weiterer typischer Vereinfachungsprozess im Sprachkontakt des Deutschen mit anderen Sprachen ist der Abbau der Verbendstellung im Nebensatz zugunsten der Zweitstellung des Verbs. Diese Erscheinung ist bei vielen deutschen Sprachminderheiten zu finden. Der Abbau beginnt beim indirekten Fragesatz (15 a) und wird bei Sprechern und in Sprachgemeinschaften, die schon einem langen und intensiven Sprachkontakt ausgesetzt sind, auf weitere Typen von Nebensätzen übertragen: 15. a) Hast du gehört, was sagt Claudia (Sprecher des Namibiadeutschen) b) das hilft [. . .], dass sie können die deutsche Sprache (Sprecherin des Ungarndeutschen) c) und wenn ma sind in Geschäft kommen [. . .] (Sprecherin des Tschechiendeutschen) Wie Clyne (1994) herausgefunden hat, haben in einigen Sprachinseln, z. B. im Pennsylvania-Deutschen oder im australischen Deutsch, etwa 45 % aller Nebensätze schon Verbzweitstellung. In ihrer Analyse zum ‚ Springbok-German ‘ (einer Varietät, die in Südafrika gesprochen wird) hat Franke (2008) festgestellt, dass vor allem weil-Sätze Verbzweitstellung aufweisen, für die ja auch im gesprochenen Gegenwartsdeutschen Verbzweitstellung möglich ist (53 %). Weniger häufig ist Verbzweitstellung bei obwohl (26 %) und selten bei dass (5 %). In einer schweizerdeutschen Kontaktvarietät in Mountridge (USA) finden Hopp/ Putnam (2015) dagegen die höchste Zahl von Verbzweitstellung bei dass-Sätzen (88 %). Sie interpretieren das mit einer unterschiedlichen internen 5.2 Simplifizierungsprozesse in der Syntax 49 narr-starter.de <?page no="50"?> Entwicklung dieser Varietät. Übereinstimmend in allen Studien finden sich die geringsten Zahlen von Verbzweitstellung im Nebensatz bei Relativsätzen und Temporalsätzen. Eine weitere Erscheinung eines Simplifizierungsprozesses im Sprachkontakt des Deutschen ist der Abbau der Verbklammer, wie in den folgenden Beispielen: 16. a) Die Traube ist herangereift an dem Weinstock. (Bsp. Südtirol, Schülertext) b) Die 7 Zwerge werden numeriert durch Zahlen. (Bsp. Ostbelgien, Schülertext) c) Schade war [. . .], daß es sehr unruhig war im Saal. (Bsp. Namibia, Zeitungstext) Normalerweise bilden finites Verb und infinite Formen bzw. Prädikatsnomen eine Klammer, die die übrigen Satzteile umschließt (z.B. Die Traube ist an dem Weinstock herangereift). In den Beispielen unter 16) sind dagegen die beiden Konstituenten, d. h. in diesem Fall das Hilfsverb und Partizip oder Adjektiv, zusammengerückt. Derartige Satzmuster können zwar durch die romanischen Kontaktsprachen oder im Falle von Namibia durch das Englische beeinflusst sein, sie werden aber auch gestützt durch Muster der gesprochenen deutschen Sprache. Daher sind die zahlreichen Beispiele aus dem ostbelgischen Deutsch oder aus dem Namibiadeutschen nicht ungrammatisch, sondern fallen in schriftlichen Texten lediglich aus stilistischen Gründen auf. Die Ausklammerung verstößt jedoch gegen die Norm in Fällen, in denen ein direktes thematisches Objekt, ein pronominales Objekt oder ein Adverb ins Nachfeld gestellt wird (vgl. Eisenberg 2013: 378 f.). Im Gegensatz zur Ausklammerung von adverbialen Bestimmungen oder anderen 5 Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt 50 narr-starter.de <?page no="51"?> nicht obligatorischen Satzgliedern ist diese Wortstellung auch in gesprochener deutscher Sprache nicht üblich. Vgl. folgende Beispiele: 17. a) No, ich hab jesessen auf die Schaukel und hab jelesen Buch. (Sprecherin des Russlanddeutschen) b) Sie haben uns gelernt sehr gut. (Sprecherin des Russlanddeutschen) c) Der war geborn über'n Schwamm von die alte Heimat an dieser Road. [engl. He was born over the swamp from the old home, on this road (Sprecher des Australiendeutschen, Clyne 1994: 114) Durch diese Tendenz zur Ausklammerung entsteht häufig eine Kontaktstellung von Hilfsverb und Partizip (vgl. hab jelesen, war geborn; dazu auch oben Bsp. 10). Der Abbau der Verbklammer findet sich nicht nur in allen Kontaktkonstellationen des Deutschen in unterschiedlicher Intensität (vgl. Riehl 2014a: 106 f.), sondern auch im Niederländischen im Kontakt, vgl. das Beispiel aus Clyne (2003: 78): Maar als wij praaten in het Hollands, [. . .] (Standardniederländisch: maar als wij in het Hollands praaten, ‚ als wir Niederländisch sprachen ‘ ). Weitere Vereinfachungsstrategien äußern sich im Gebrauch bestimmter Periphrasen, etwa im Ausbau der tun- Periphrase im Barossa-Deutschen. In der Regel wird mit dieser Umschreibung eine gewohnheitsmäßige Handlung angezeigt, die im Englischen mit der Periphrase would + Infinitiv wiedergegeben wird: Sie tate vorlesen weil ich stricken tate. Bei einigen Sprechern bemerkt man jedoch, dass sie die Periphrase im Präteritum sehr häufig gebrauchen, auch 5.2 Simplifizierungsprozesse in der Syntax 51 narr-starter.de <?page no="52"?> dann, wenn keine gewohnheitsmäßige, sondern eine einmalige Handlung beschrieben wird: 18. a) Und es war n police-Mann. Der tat alle die Flinten . . . einnehm. b) mein Mann is bei die Männer gegangen, die taten Canaster spielen. Insgesamt ist der Gebrauch der tun-Periphrase in den aktuellen Daten drei Mal so hoch wie in den historischen Daten. Zwar ist hier nur eine Tendenz festzustellen, die auch sehr sprecherabhängig ist, aber dennoch deutet sich hier ein typischer Restrukturierungsprozess im Rahmen des Sprachabbaus an: Die Periphrase, die ursprünglich die Funktion einer gewohnheitsmäßigen Umschreibung hat, wird genutzt, um Präteritum im Allgemeinen auszudrücken. Die Vereinfachung besteht hier darin, dass das Vollverb im Infinitiv gebraucht werden kann und die Sprecher keine starken Verbformen verwenden müssen, die einzeln im Lexikon gespeichert und nur noch schwer abrufbar sind (dazu auch Riehl 2014 b: 92). Das Prinzip der kognitiven Ökonomie Die Sprachkontakterscheinungen lassen sich zusammenfassen unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der kognitiven Ökonomie. Das bedeutet, die Sprecher versuchen, die unterschiedlichen Sprachsysteme so zu organisieren, dass sie viele der Strukturen möglichst ökonomisch nutzen können: Im Bereich des Lexikons wird ausdrucksseitige Ökonomie angestrebt, d. h. Reduktion von Benennungen ein und desselben Vertreters in der außersprachlichen Wirklichkeit. In der Morphologie erzielt man Ökonomie meist durch eine Vereinfachung von Formen und Reduktion des 5 Vereinfachungsprozesse im Sprachkontakt 52 narr-starter.de <?page no="53"?> Formenreichtums. Auf diese Weise muss sich der Sprecher nicht so ein großes Inventar an Formen merken und auch nicht so viele Ausnahmen als Einzelelemente speichern. In der Syntax wird auch die Speicherung von Varianten reduziert, z. B. indem man in der Wortstellung nicht mehr zwischen Haupt- und Nebensatz unterscheidet. Die vorangehenden Kapitel zeigten nun die wichtigsten Phänomene des Sprachkontakts: Transfer von sprachlichem Material, Transfer von Bedeutungen und Strukturen sowie Simplifizierungsprozesse. Im folgenden Kapitel soll nun auf ähnliche Prozesse beim Kontakt zwischen verschiedenen Varietäten ein und derselben Sprache eingegangen werden. 5.2 Simplifizierungsprozesse in der Syntax 53 narr-starter.de <?page no="54"?> 6 Varietätenkontakt Während der Terminus ‚ Sprachkontakt ‘ sich in der Regel auf den Kontakt von unterschiedlichen Typen von Sprachen bezieht, versteht man unter ‚ Varietätenkontakt ‘ den Kontakt zwischen verschiedenen Varietäten, insbesondere Dialekten, ein und derselben Sprache. Dialekt kann dabei definiert werden als eine regional bestimmbare Varietät einer Sprache, die von einer sprachsoziologisch höherstehenden Varietät (einer „ Standardsprache “ ) überdacht ist. Dialekte befinden sich grundsätzlich im Schnittpunkt zweier Kontinua. Einmal kann man die Wechselwirkung zwischen einem bestimmten Dialekt A und seinem Nachbardialekt B betrachten, dann aber auch die Wechselwirkung zwischen einem Dialekt und der ihn überdachenden Standardsprache. Das geographische Kontinuum Zwischen den einzelnen Dialekten einer Sprache gibt es ein geographisches Kontinuum: Die Dialekte sind innerhalb einer Sprachgruppe durch eine Kette wechselseitiger Verständlichkeit verbunden. Die jeweiligen Standardsprachen stehen diesen als autonome, überlagernde Varietäten gegenüber. Je weiter die Verbreitungsräume der Dialekte auseinanderliegen, desto verschiedener sind sie, so dass am Ende die Dialekte an den beiden Polen nur noch wenig miteinander zu tun haben. Obwohl sich, wie in diesem Kapitel gezeigt werden wird, Sprach- und Varietätenkontakt von den Wirkungen her nicht unterscheiden, sind doch unterschiedliche Ebenen narr-starter.de <?page no="55"?> der Sprache betroffen: Sehr viele Kontakt- und Ausgleichsprozesse finden bei Varietätenkontakt auf der phonologischen Ebene statt. Das hängt sicher damit zusammen, dass im Falle von verschiedenen Dialekten einer Sprache ein Großteil des Lexikons identisch ist, die Wörter eben nur anders ausgesprochen werden. Auch syntaktische und morphologische Strukturen überlappen sich in der Regel stärker als bei zwei verschiedenen ausgebauten Sprachen. 6.1 Akkommodation und Konvergenz Wenn Menschen mit verschiedenen Dialekten eines Kontinuums miteinander in Kontakt kommen, werden die Varietäten sprachlich aneinander angepasst. So vermeiden die Sprecher auffällige Phänomene eines Dialekts, von denen sie annehmen, dass sie der Gesprächspartner nicht kennt. Sie versuchen auch, die Verschiedenheiten in ihrer jeweiligen Sprechweise möglichst zu reduzieren und sich, soweit es geht, an die Sprechweise des Partners anzupassen. Diesen Prozess nennt man Akkommodation (vgl. Giles 1980). Allerdings zeigt eine Reihe von Untersuchungen, dass die Anpassung nicht zwangsläufig an die tatsächliche Sprechweise des Gesprächspartners erfolgt, sondern oft von Stereotypen geleitet wird. D. h. der Sprecher stellt sich vor, dass sein Gegenüber aufgrund seiner Herkunft oder Schichtzugehörigkeit bestimmte Sprechweisen verwendet und er gebraucht diese sogar, wenn der Gesprächspartner das gar nicht tut (vgl. Auer/ Hinskens 2005). Die in der jeweiligen Situation entstehenden Muster der Anpassung können sich über längere Zeit hin in einer Dialektgemeinschaft verfestigen. Dieser Prozess vollzieht sich in drei Stufen (ebd.): 6.1 Akkommodation und Konvergenz 55 narr-starter.de <?page no="56"?> Stufen des Akkommodationsprozesses Unterste Stufe: Der Sprecher verwendet eine bestimmte Struktur nur in einer individuellen Situation (sog. short-term accommodation). Mittlere Stufe: Die Struktur wird von dem Sprecher immer verwendet (sog. long-term accommodation). Oberste Stufe: Die Struktur breitet sich in der ganzen Sprachgemeinschaft aus und führt zu Sprachwandel (= Konvergenz). Obwohl man eigentlich nur im letzten Falle von Konvergenz sprechen sollte, wird der Terminus auch für die sprachliche Anpassung durch die Sprecher verwendet. Statt ‚ Akkommodation ‘ gebrauchen einige Forscher dann den Begriff ‚ kurzfristige Konvergenz ‘ (Hinskens/ Auer/ Kerswill 2005: 5). Es gibt aber auch umgekehrt das Phänomen der Divergenz: D. h. die beiden Varietäten entwickeln sich auseinander. Das geschieht vor allem dann, wenn Ähnlichkeiten vermieden werden sollen. Ein Beispiel: Das Kontinuum der sog. kontinentalwestgermanischen Dialekte wird von einigen Staatsgrenzen durchschnitten, die Grenzen von Standardsprachen sind, nämlich Grenzen des Deutschen, Niederländischen, Dänischen, Französischen und Italienischen. Ist die Staatssprache mit dem Dialekt genetisch verwandt, wird die Mundart als Mundart der jeweiligen Staatssprache verstanden. Das ist beim Dänischen, Niederländischen und Deutschen der Fall. So werden die Dialekte zwischen Dollart und Niederrhein, einer Dialektgrenze, die wesentlich deutlicher ausgeprägt ist als diejenige zwischen Mitteldeutsch und Niederdeutsch, auf der einen Seite der Grenze als deutsche Dialekte und auf der anderen Seite der Grenze als niederländische Dialekte angesehen (Niebaum 1990). Und tatsächlich entwickeln sie sich 6 Varietätenkontakt 56 narr-starter.de <?page no="57"?> auch unter dem Einfluss der verschiedenen Dachsprachen auseinander (s. u.). 6.2 Dialektkontakt und Koineisierung in deutschen Sprachinseln Der Prozess des Dialektkontakts lässt sich sehr deutlich bei den sog. Sprachinseln nachzeichnen. Gerade im 18. und 19. Jahrhundert sind sehr viele Siedler aus den unterschiedlichsten Teilen Deutschlands nach Osteuropa oder Übersee ausgewandert (vgl. Riehl 2014 a: 66 ff.). Die Dialekte, die sie aus ihren Heimatgegenden mitbrachten, kamen in der neuen Heimat miteinander in Kontakt. In dieser Kontaktsituation wurden besonders auffällige Besonderheiten in den jeweiligen Mundarten gegenseitig neutralisiert, selbst wenn diese durch eine Mehrheit der Sprecher vertreten wurden. In derartigen Situationen wurden meist Formen gewählt, die dem Standarddeutschen am nächsten stehen. Allerdings kann man beobachten, dass auch Merkmale, die sich besonders stark vom Standard unterscheiden, ausgewählt werden, vermutlich weil sie als authentischer angesehen werden. So wird etwa in einigen Sprachinseln des Ural [y: ] statt [u: ] für den standarddeutschen Diphthong [au] verwendet (vgl. Rosenberg 2005: 226 f.). Der Ausgleich von dialektalen Merkmalen kann auch als Reduktion gesehen werden. Trudgill (1986) ist daher der Ansicht, dass langfristiger Kontakt von Dialekten zur Reduzierung der Varietätenvielfalt führt. Er spricht in diesem Zusammenhang von ‚ Koineisierung ‘ , d. h. der Schaffung einer gemeinsamen Varietät, die die verschiedenen Dialekte ersetzt. 6.2 Dialektkontakt und Koineisierung in deutschen Sprachinseln 57 narr-starter.de <?page no="58"?> Trudgill (2004) weist die Genese einer sog. Koiné anhand der Entstehung des neuseeländischen Englisch nach: Hier herrscht in der zweiten Generation der Einwanderer auf dem Gebiet der Phonetik noch eine sehr starke Variation und zwar nicht nur zwischen den Sprechern, sondern auch bei ein und demselben Sprecher. Es findet also kaum Akkommodation statt. Erst in der dritten Generation stabilisiert sich dann das neue System; Trudgill bezeichnet dies als Focusing. Bei der Reduzierung der Varietätenvielfalt spielt auch der Druck der Standardsprache eine Rolle. Dies kann man sehr deutlich beim Französischen feststellen. Hier war der Konvergenzdruck der Standardsprache so groß, dass mittlerweile die français régionaux, d. h. die regionalen Varianten des Französischen, die alten Dialekte zum großen Teil ersetzen. Falls jüngere Sprecher noch den Dialekt beherrschen, ist es nicht mehr der Basisdialekt (patois de village), sondern ein Regionaldialekt, eine sog. Koiné, die aber von diesen Sprechern als der eigentliche Dialekt identifiziert wird (vgl. Wesch 1998: 121). Die Entfernung zwischen den beiden Polen von regionaler Varietät und übergeordnetem Standard wird dadurch immer geringer. 6.3 Kontakt von Dialekt und Standardsprache Wie bereits erwähnt, können sich auch nah verwandte Mundarten diesseits und jenseits einer Staatsgrenze unter den verschiedenen Dachsprachen auseinanderentwickeln. Dies ist auf die Ausgleichserscheinungen zwischen dem Dialekt und der jeweils überdachenden Staatssprache zurückzuführen. 6 Varietätenkontakt 58 narr-starter.de <?page no="59"?> Ein Beispiel dafür sind etwa die unterschiedlichen Verhältnisse im Elsass und in Baden: Die badischen Dialekte nähern sich im Zuge allgemeiner Konvergenzprozesse lautlich immer mehr dem Standarddeutschen an, die elsässischen Dialekte dagegen konservieren den alten Lautstand, da sie eine andere Dachsprache haben (vgl. Auer et al. 2015). Auch im Wortschatz bleiben im Elsässischen altererbte Wörter erhalten, wie z. B. Hornung/ Hornig für ‚ Februar ‘ , Zeine für ‚ Korb ‘ oder Maire für ‚ Bürgermeister ‘ (eine alte Entlehnung aus dem Französischen). Diese Wörter verwendet man in den badischen Dialekten nicht mehr oder nur noch in vereinzelten Reliktgebieten (vgl. Klausmann 1990). Anderseits werden im Elsässischen auch viele neue Bezeichnungen aus dem Französischen entlehnt, die in den badischen Dialekten aus dem Standarddeutschen übernommen werden. Auch für die niederländisch-deutschen Grenzmundarten lässt sich ein starker Konvergenzprozess auf den Gebieten der Phonologie, Morphologie und Syntax in Richtung auf die jeweilige Standardsprache feststellen, der zu einer Auseinanderentwicklung der Dialekte führt (Smits 2011). Die Auseinanderentwicklung geschieht auf zwei Ebenen: sprachstrukturell und sprachfunktional. Strukturell gesehen kommt es auf der niederländischen Seite zu mehr Strukturverlust, d. h. es gehen mehr dialektale Elemente verloren als auf der deutschen Seite und werden durch standardsprachliche ersetzt. Was die Funktionen betrifft, so wird der Dialekt auf niederländischer Seite in mehr Funktionen gebraucht als auf der deutschen. Dies hängt damit zusammen, dass der Dialekt historisch und sprachgenetisch dem Niederländischen näher ist als dem Hochdeutschen. Deshalb hat er auf der niederländischen Seite eher abgestufte Ausprägungen, d. h. man kann einfacher 6.3 Kontakt von Dialekt und Standardsprache 59 narr-starter.de <?page no="60"?> zwischen einer dialektaleren zu eine standardnäheren Variante wechseln (vgl. ebd.). Eine andere Situation herrscht dagegen in den Fällen, in denen jenseits der Grenzen dieselbe Standardsprache gilt. So zeigen sich im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet in den jeweiligen Dialekten diesseits und jenseits der Grenze auch binnendeutsche und binnenschweizerische Übernahmen im Laut- und Formensystem sowie im Wortschatz. Ein Beispiel: glii (= schweiz. ‚ bald, früh ‘ ) wird in den Dialekten auf der deutschen Seite mit der Bedeutung ‚ gleich ‘ verwendet (Schifferle 1990: 331). Ganz Ähnliches gilt auch für die Grenzdialekte zwischen Bayern und Österreich, die sich strukturell kaum voneinander unterscheiden. Sie nähern sich aber im Bereich der Umgangssprache entweder der jeweiligen Staatssprache oder den Prestigedialekten unterschiedlicher Zentren (Wienerisch vs. Münchnerisch) an (vgl. Scheuringer 1990). Ganz typisch ist dafür das wienerische aa in Wörtern wie aans, zwaa ( ‚ eins ‘ , ‚ zwei ‘ ) gegenüber bair. oans, zwoa. Vergleich Varietätenkontakt - Sprachkontakt Die Prozesse, die beim Kontakt zwischen einem Dialekt und der überdachenden Standardsprache wirksam sind, ähneln den Prozessen beim Kontakt zwischen zwei Dialekten. Es kommt zu einem strukturellen Ausgleich, wobei häufig komplexere dialektale Strukturen einfacheren hochsprachlichen angepasst werden. Ein Beispiel: Die im bairischen Dialekt übliche Form i geh zum Radlfahrn wird allmählich reduziert zu i geh Radlfahrn, da diese morphologisch weniger komplex ist. Man muss Ausgleichsvorgänge zwischen dem Dialekt und der Standardsprache so deuten, dass hier Merkmale und Regeln von der jeweils einen in die andere Varietät über- 6 Varietätenkontakt 60 narr-starter.de <?page no="61"?> nommen werden, die sich aber wiederum gegenseitig beeinflussen. Trotz der Variationsvielfalt handelt es sich aber dabei nicht „ um ein ‚ chaotisches Durcheinander ‘ aus Idiosynkrasien und Zufälligkeiten, sondern um eine nach verschiedenen Parametern geordnete, strukturierte Heterogenität “ (Scheutz 1999: 106). Diese Beschränkung, dass nur bestimmte Varianten gleichzeitig miteinander auftreten dürfen, nennt man Kookkurrenzrestriktion. Diese bezieht sich weitgehend auf lautliche Kombinationen (vgl. Auer 1986: 107 f.), gilt aber auch für Prozesse zwischen benachbarten Wörtern. So können etwa in der Kontaktsituation Deutsch-Bairisch standardsprachliches Du weißt viel und dialektales Du woaßt vui gebraucht werden, aber eine Kombination wie Du weißt vui oder Du woaßt viel ist fraglich und nur möglich, wenn weißt oder viel betont werden sollen (ebd.: 109 f.). Allgemein gilt immer, dass bei besonderer Hervorhebung die standardsprachliche Form gewählt werden kann. Daneben entstehen auch Ad-hoc-Mischungen, bei denen einmal die standardsprachliche Form und kurz darauf die dialektale verwendet wird, vgl.: 19. Des weiß i no net genau. I woaß à dass du wenig Platz hast. (Auer 1986: 100, dort in phonetischer Umschrift) Der Sprecher verwendet unmittelbar hintereinander einmal die standardsprachliche Variante weiß und einmal die dialektale Form woaß. In der Dialektologie wird hier der Terminus ‚ Input-Switch ‘ verwendet, d. h. der Sprecher kann auf die Lexikoneinträge der jeweils anderen Varietät zugreifen. Dieses Phänomen stellt aber nichts anderes dar als die in Kap. 2.1 erwähnte Ad-hoc-Übernahme, nur dass 6.3 Kontakt von Dialekt und Standardsprache 61 narr-starter.de <?page no="62"?> einmal zwischen zwei verschiedenen Sprachen und einmal zwischen den Varietäten einer Sprache gewechselt wird. Vgl. dazu die folgenden Beispiele aus Gesprächen von Dialektsprechern des Bairischen (standarddeutsche Wörter in Großbuchstaben): 20. a) De spuin ja koan schlechtn FUSSBALL ( ‚ Die spielen ja keinen schlechten Fußball ‘ ) b) D ‘ Oma hod se amoi vafahrn dann wars im GÜTERVER- TEILZENTRUM irgendwo do druntn ( ‚ Die Oma hat sich einmal verfahren. Dann war sie im Güterverteilungszentrum irgendwo dort unten ‘ ) c) es san neinzehn leid auf oan schlog in hamburg EKRANKT inda kantine ( ‚ Es sind auf einen Schlag neunzehn Leute in Hamburg in der Kantine erkrankt ‘ ) In den Beispielen werden jeweils Wörter aus dem Standarddeutschen inseriert. Dabei sind sie einmal besonders betont (20 a), einmal ein Fachbegriff (20 b) und einmal ein Zitat aus den Medien (da ging es um den Fall von EHEC-Erregern, Bsp. 20 c). Im Übrigen lässt sich auch feststellen, dass gewisse lautliche Veränderungen an bestimmte Wörter gebunden sind (d. h. sie sind ‚ lexemgebunden ‘ ), vgl. die folgenden Beispiele: l Sprecher aus Ulrichsberg/ Oberösterreich verwenden die lautliche Variante aa statt ai, die sie aus dem Wiener Prestigedialekt übernommen haben, vor allem in den Wörtern eins, zwei und im kommentarankündigenden ich meine (= wienerisch i maan) (Scheutz 1999). l In der wolgadeutschen Umgangssprache verwenden noch einige Sprecher den hessischen Monophthong aa, aber 6 Varietätenkontakt 62 narr-starter.de <?page no="63"?> nur bei bestimmten Wörtern wie haam ('heim') oder waaß ('weiß') (vgl. Berend/ Riehl 2008: 38). l Sprecher des Sächsischen erhalten ihr oo für au vor allem in dem Wort auch (ooch) (Auer/ Barden/ Großkopf 1995: 149). Grundsätzlich ist die lautliche und die lexikalische Ebene immer diejenige, die am anfälligsten für Konvergenz- und Divergenzprozesse ist. Es gibt aber auch Einflüsse auf den Gebieten der Morphologie und Syntax. So kann man beispielsweise im Regionalfranzösischen der Pikardie folgende Konstruktion hören: 21. [. . .] ça nous fait une moyenne de sept mille francs par jour quoi pour nous vivre tous les deux. [ ‘ Das macht für uns im Durchschnitt siebentausend Franc für uns beide zu leben ’ ] (Wesch 1998: 119) Die Konstruktion pour nous vivre tous les deux ( ‚ für uns beide zu leben ‘ ) statt standardfrz. pour que nous vivions ( ‚ damit wir beide leben können ‘ ) ist aus dem pikardischen Dialekt in die Standardsprache übernommen. Ein weiteres prominentes Beispiel im Deutschen ist die sog. Rheinische Verlaufsform: In den ripuarischen Dialekten wird die Progressiv-Konstruktion ist am X-en nicht nur wesentlich häufiger verwendet als im Standarddeutschen, sondern es ist zusätzlich möglich, ein Objekt und/ oder ein Adverb in die Konstruktion zu integrieren. Diese Möglichkeit wird in die regionale Umgangssprache übernommen: 22. a) Ich bin ein Zaubertrick am Machen (eigener Hörbeleg) b) Er ist die Kartoffeln roh am essen. (Bhatt/ Schmidt 1993: 77) Damit wird eine optionale Kategorie des Deutschen unter dem Einfluss der zugrunde liegenden dialektalen Varietäten 6.3 Kontakt von Dialekt und Standardsprache 63 narr-starter.de <?page no="64"?> weiter grammatikalisiert (und breitet sich im Übrigen auch immer mehr im deutschen Sprachgebiet aus). An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass ähnliche Erscheinungen auch beim Kontakt mit dem Englischen auftreten (z. B. im Pennsylvania-Deutschen, Kap. 4.2). Das heißt, je näher die Sprachen oder Varietäten miteinander verwandt sind, desto leichter konvergieren sie. Die Trennung zwischen Sprachkontakt im weiteren Sinne und Varietätenkontakt im engeren Sinne ist daher nicht wirklich zu machen. Stattdessen handelt es sich dabei um ein Kontinuum. Im Varietätenkontakt spielen auch Diskurspartikeln (Kap. 4.1) eine wichtige Rolle. Denn auch in standardnaher Sprechweise verwenden etwa Sprecher des Bairischen die typischen Diskurspartikeln halt, fe ĩ oder eh, obersächsische Sprecher verwenden nu. Das Gleiche gilt für gesprächssteuernde rückversichernde Partikeln wie nich, ne, newa, wa, gell(e). Auch diese werden aus dem Dialekt in die regionale Standardsprache übernommen (vgl. Riehl 2014a: 152 f.). Damit kann wieder auf die erwähnte Tatsache verwiesen werden, dass das System der Diskursmarker pragmatisch ablösbar ist (vgl. Matras 1998, und Kap. 4.1). Wie das Kapitel gezeigt hat, gibt es sehr viele Parallelen zwischen den Sprachkontaktkonstellationen zwischen einzelnen Sprachen und Varietäten einer Sprache auf der einen Seite und Sprachkontaktkonstellationen zwischen einer Varietät und der überdachenden Standardsprache auf der anderen Seite. Der Sprachkontakt führt in letzterem Falle zu einer Zwischenstufe, die kein eigenes System besitzt, sondern als Mischvarietät angesehen werden kann. Diese Mischvarietät bildet die Grundlage für die sog. Umgangssprache. 6 Varietätenkontakt 64 narr-starter.de <?page no="65"?> 7 Sprach- und Kulturkontakt Die Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften bestehen nicht nur auf der Ebene des Sprachsystems, also der Lexik, Syntax, Morphologie usw., sondern auch auf der Ebene des Diskurses. Die verschiedenen Sprachgemeinschaften bilden ihre eigenen Diskursmuster aus, und zwar im Gesprochenen und Geschriebenen. Das heißt, man kann im Sprachkontakt nicht nur Grammatik oder Lexik übernehmen, sondern auch die Diskursformen: Übernimmt man diese z. B. aus dem Französischen und spricht Deutsch, verstößt man gegen Diskursregeln des Deutschen oder gegen die in dieser Sprache typischen Sprachrituale. Ein Beispiel: in Ostbelgien sagt man Guten Tag, wie geht es Ihnen? in Anlehnung an Bonjour, ça va? In diesem Fall wird ein Sprachritual der Sprachgemeinschaft A mit Sprachmaterial der Sprachgemeinschaft B gefüllt. Sprachkontakt ist damit eine Form von Kulturkontakt. Darüber hinaus ist auch die Wahrnehmung von Ähnlichkeiten und Unterschieden in der Welt kulturgebunden. In industrialisierten westlichen Gesellschaften wird Sprache im Sinne von Sprachhandeln verwendet ( ‚ to do things with words ‘ ), andere Gesellschaften dagegen legen das Schwergewicht auf Herstellung und Beibehaltung guter persönlicher Beziehungen. In diesem Falle ist die soziale Qualität der Kommunikation wichtiger als ihr Inhalt. Vor dem westlichen Hintergrund wird eine derartige Konversation oft als „ ineffizientes und bedeutungsloses Gerede “ abgetan. Der Kontakt zwischen Sprechern verschiedener Sprachen ist damit gleichzeitig ein Kontakt von Menschen, deren Interaktionen narr-starter.de <?page no="66"?> verschiedenen Rahmenbedingungen folgen, wie man das Sprachverhalten interpretieren soll (vgl. Schiffrin 1996: 141). 7.1 Sprachkontakt in Sprechakten und Diskurskonventionen Prominente Beispiele für interkulturelle Unterschiede finden sich in den verschiedenen Formen von Höflichkeitsmustern: Hier gibt es sogar Unterschiede zwischen Ländern, die die gleiche Sprache benutzen, etwa zwischen Deutschland und Österreich. So ist etwa der Gebrauch des Titels in der Anrede anders geregelt: Herr Magister, Herr Doktor und Frau Professor sind in Österreich die Regel, in Deutschland wird die erste Form der Anrede gar nicht, die übrigen beiden nur selten verwendet, wenn dann zusammen mit dem Nachnamen (z. B. Frau Professor Riehl). Ein weiteres Beispiel für den Einfluss kultureller Konzepte auf die Sprachproduktion ist die Verwendung der Anredeformen, etwa der Gebrauch der formellen Anredepronomina (Sie, vouz, Lei) oder der informellen (du, tu). Kulturkontakt mit der anglophonen Kultur macht sich dadurch bemerkbar, dass in den europäischen Sprachen immer häufiger die informelle Anrede verwendet wird. Auch internationale Firmen wie IKEA und H&M verwenden inzwischen weltweit die informelle Anredeform, wenn sie ihre Kunden ansprechen (vgl. Clyne/ Norrby/ Warren 2009: 146 ff.). Eine weitere Auswirkung des Kulturkontakts ist eine Art Kompromissform im Deutschen, nämlich die Anrede Sie + Vorname (Bsp.: Claudia, könnten Sie mir bitte mal die Kopie rüberreichen? ). Sie wird in Kontexten verwendet, die weniger offiziell sind, aber doch noch eine gewisse Distanz wahren wollen. 7 Sprach- und Kulturkontakt 66 narr-starter.de <?page no="67"?> Studien zu Anredestrategien bei Fremdsprache-Lernern zeigen, dass die Lerner sehr unsicher sind, was die Verwendung von Anredeformen angeht: Es findet sich eine enorme Bandbreite zwischen extremer Formalität und extremer Informalität. So verwenden etwa Deutschlerner in Australien bei der Anrede von Personen, die sie mit Sie ansprechen, Anredeformen, die vom formellen Sehr geehrte Frau Maier bis hin zu informellen Formen wie Lieber Alfred oder Hallo Marianne reichen. Letztere sind aus der L1 Englisch übernommen (vgl. Riehl 2018 b). Einen großen Einfluss auf den Erwerb bzw. die Verwendung der Anredeformen in der Zweitsprache hat auch die Verwendung im Unterricht. Die unterschiedlichen Muster von Formalität und Informalität, die in der Umgebungskultur herrschen, werden auf die Unterrichtspraxis umgelegt (vgl. ebd.). Ein wichtiger Bereich, der auch in der Höflichkeitsforschung eine große Rolle spielt, ist die Realisierung von Sprechhandlungen, d. h. Handlungen, die mittels Sprache ausgedrückt werden wie BITTEN, AUFFORDERN, AB- LEHNEN etc. Die Klassifikation dieser sprachlichen Handlungen geht auf die sog. Sprechakttheorie zurück (Searle 1971). Die Regeln innerhalb einer Sprachgemeinschaft, in welcher Situation ein bestimmter Sprechakt (z. B. AUF- FORDERN) gebraucht werden kann, sind Voraussetzung dafür, dass die Sprecher sowohl ihr eigenes Gesicht wahren, als auch das des Angesprochenen schützen können. Sprechakte sind grundsätzlich universal, aber ihre Form und die Kontexte der Verwendung sind kulturell bestimmt (vgl. Blum-Kulka et al. 1989). Hierzu einige Beispiele: 7.1 Sprachkontakt in Sprechakten und Diskurskonventionen 67 narr-starter.de <?page no="68"?> Sprechhandlung DANKEN: In bestimmten Kulturen bedankt man sich beim Einkaufen bereits, wenn man seinen Wunsch äußert. Und man kann die Dankesformel sogar als Abschiedsgruß verwenden (Australien, Schweden, vgl. Oksaar 2003: 144). Umgekehrt gibt es auch Kulturen, in denen die Dankesformel weit weniger verwendet wird als im Deutschen. In Griechenland oder Russland beispielsweise verhält man sich pragmatisch nicht angemessen, wenn man sich etwa bei einem Kontrolleur für die Rückgabe einer Eintrittskarte oder einer Fahrkarte bedankt. In Kulturkontaktsituationen werden diese kommunikativen Verhaltensformen dann auch übernommen, wenn man eine andere Sprache spricht. So sind zwar dann die Äußerungen sprachlich korrekt, aber pragmatisch unpassend. Annahme oder Absage einer Einladung: Eine andere Verhaltensweise, die ebenfalls in diesen Bereich gehört, ist die Annahme oder Absage einer Einladung oder Aufforderung. So ist es z. B. im koreanischen Kulturkreis ein Zeichen von Höflichkeit, eine Einladung mehrmals zurückzuweisen. Ähnlich reagiert man im finno-ugrischen oder russischen Kulturkreis bei der Aufforderung, Speisen oder Getränke anzunehmen. Hier wird das Angebot ebenfalls mehrmals zurückgewiesen. Im deutschen oder anglophonen Kontext würde der Gastgeber das so interpretieren, als würde der Gast wirklich nichts (mehr) zu sich nehmen wollen. Interkulturelle Missverständnisse sind hier vorprogrammiert, und man kann hier Wirkungen des Kulturkontaktes sehr schön beobachten. Komplimente-Machen: Ein weiterer interessanter kommunikativer Bereich ist der des Komplimente-Machens: Ein Kompliment gehört in vielen Kulturen zur Höflichkeit, 7 Sprach- und Kulturkontakt 68 narr-starter.de <?page no="69"?> unterliegt aber nicht den gleichen Normen wie z. B. Grüßen oder Danken, die ja in vielen Situationen obligatorisch sind (Oksaar 2003: 144). Da also Komplimente keine obligatorischen kommunikativen Mittel sind, gilt man nicht als unhöflich, wenn man keine Komplimente macht, während es als unhöflich gelten würde, wenn man sich nicht bedankt. Aber auch hier macht sich der Kulturkontakt bemerkbar, und zwar insofern, als dass sich in Deutschland und Schweden die Annahme von Komplimenten durch den Einfluss des angelsächsischen Modells ausbreitet (ebd.: 145). Wie bereits erwähnt, ist nicht nur die Verwendung von Sprechakten kulturbestimmt, sondern auch die Form, in der der jeweilige Sprechakt realisiert wird. So unterscheiden sich Finnen und Engländer in der Art, wie sie nach dem Weg fragen und wie sie Fragen nach dem Weg interpretieren. Gass/ Selinker (2008: 288) geben hier ein Beispiel von Maisa Martin. Ein britischer Tourist fragt einen Finnen: 23. Tourist: Wir suchen den Bahnhof. Können Sie uns helfen? Finne: Ja. (Punkt) [Übersetzung CMR] Die pragmatische Notwendigkeit bei Fragen nach dem Weg auch den Weg zu erklären, ist im Finnischen nicht vorhanden. Daher werden die Antworten von Finnen, auch wenn sie ein grammatikalisch perfektes Englisch sprechen, als sehr abrupt interpretiert. Häufig bricht in den oben zitierten Fällen die Konversation zusammen, weil die L1- Sprecher nicht linguistische Gründe, sondern persönliche dahinter vermuten. Sprachkontakt äußert sich also in diesen Fällen, wenn man die Verhaltensweisen der einen Sprachkultur in die andere übernimmt. Sehr schön lässt sich auch die Übernahme von 7.1 Sprachkontakt in Sprechakten und Diskurskonventionen 69 narr-starter.de <?page no="70"?> Diskurs-Konventionen beim Telefonieren beobachten. Hier kann man inzwischen eine gewisse Internationalisierung feststellen: Vor allem unter jüngeren Deutschen bemerkt man immer häufiger, dass sie sich mit hallo (analog zu engl. hello) statt mit ihrem Nachnamen melden. Auswirkungen des Sprach- und Kulturkontakts beim Antworten am Telefon findet man auch in Südtirol: Deutschsprachige Südtiroler melden sich oft ebenfalls nicht mit dem Namen, sondern mit hallo oder ja bzw. mit dem italienischen pronto, da man ja nicht sicher sein kann, ob der Anrufende deutsch- oder italienischsprachig ist. 7.2 Kulturspezifik und Kulturkontakt im nonverbalen Verhalten Ein sehr wichtiger Aspekt kultureller Differenz ist die Zuordnung einer Kultur zu sog. Rede- oder Schweigekulturen. Oksaar (2003: 146 f.) teilt diese je nach Situation, Art und Quantität des Redens und Schweigens ein. Kulturkontakt kommt dadurch zustande, dass Sprecher aus einer Schweigekultur wie etwa Finnen, Esten und Schweden ihre Schweigekonventionen auf Redekultursprachen wie Deutsch, Englisch oder Italienisch übertragen. Eine Schweigekultur ist dadurch gekennzeichnet, dass man meistens nur dann redet, wenn man etwas Relevantes zu sagen hat. In diesen Kulturen ist auch die Dauer des Schweigens von großer Bedeutung. Redekulturen halten dagegen den Kontakt dadurch aufrecht, dass sie auch Belangloses, das nur phatische, d. h. kontaktknüpfende oder -erhaltende, Funktion hat, von sich geben. Außerdem sind die nonverbalen Signale und Diskursmarker wie also, nicht wahr? zur Redeunterstützung in Schweigekulturen viel seltener (vgl. Raffler-Engel 1996: 302). 7 Sprach- und Kulturkontakt 70 narr-starter.de <?page no="71"?> Diese Beobachtung führt uns nun in den Bereich des nonverbalen Verhaltens. Auch hier gibt es viele Unterschiede zwischen den Kulturen. Es ist allgemein zu beobachten, dass in westlichen Kulturen nonverbales Verhalten weniger stark kodifiziert ist als in östlichen (ebd.: 297). In den westlichen Kulturen gibt es zwar bestimmte Codes, die in den jeweiligen Sprach- und Kulturgemeinschaften festgelegt sind (z. B. wann man den Kopf schüttelt und wann man nickt), andere Codes sind aber nicht genau definiert. In diesen verschiedenen Bereichen gibt es nun Verhaltensweisen, die automatisiert und daher für Veränderungen durch Kulturkontakt weniger zugänglich sind. Hierzu gehören sicher die Kategorien des Gesichtsausdrucks (etwa Formierung der Augenbrauen zum Ausdruck von Emotionen) und die Proxemik, d. h. die physische Distanz zwischen den Gesprächspartnern. Anders verhält es sich mit den meisten Gesten, die von Sprechern intentional eingesetzt werden, um etwas Bestimmtes zum Ausdruck zu bringen, und die leicht nachgeahmt werden können. Gesten können als Äußerung oder als Teil einer Äußerung unterschiedliche Formen annehmen. Man unterscheidet in der Regel zwischen drei Typen (vgl. Ekman 1980): l Regulatoren: Gesten, die der Aufrechterhaltung und Regulierung des Gesprächs zwischen zwei oder mehr Personen dienen (z. B. Rederecht abgeben bzw. erhalten) l Illustratoren: Bewegungen, etwa mit der Hand, dem Finger und/ oder dem Unterarm, die im direkten Zusammenhang zur Rede stehen l Embleme: Gesten, die eine eindeutig definierte Bedeutung haben und meist das gesprochene Wort ersetzen 7.2 Kulturspezifik und Kulturkontakt im nonverbalen Verhalten 71 narr-starter.de <?page no="72"?> (z. B. Okay-Geste im Deutschen, bei der der Daumen nach oben ausgestreckt wird) Regulatoren, die der Aufrechterhaltung und Regulierung des Gesprächs dienen, variieren vor allem in Häufigkeit und ihrer Art des Einsatzes nach Ethnizität, Schichtzugehörigkeit und Kultur (vgl. Ekman/ Friesen 1969: 69). Hier kann Kulturkontakt sich darin äußern, dass man die Form der Geste von der Kontaktkultur übernimmt. Bereits 1941 konnte Efron feststellen, dass italienische und jüdische Immigranten in den USA andere Typen von Regulatoren benutzen, die sich auch wieder von den in der anglophonen Kultur gebrauchten Regulatoren unterschieden. Die Sprecher in der zweiten Generation benutzten dann die im englischen Kontext üblichen Formen, aber diejenigen Sprecher, die stärker ihren alten Traditionen verhaftet waren, gestikulierten immer noch nach italienischen oder jüdischen Mustern, auch wenn sie Englisch als dominante Sprache hatten (vgl. Ekman/ Friesen 1969: 69). Abb. 1: Gesten italienischer Migranten (links) und jüdischer Migranten (rechts) in New York (Efron 1941) 7 Sprach- und Kulturkontakt 72 narr-starter.de <?page no="73"?> Illustratoren, d. h. Bewegungen, die im direkten Zusammenhang zur Rede stehen und zur Unterstützung der Kommunikation eingesetzt werden, werden ebenfalls gelernt und sind kulturspezifisch. Embleme haben im Gegensatz dazu nicht nur eine eindeutig definierte Bedeutung, sondern sie ersetzen meist das gesprochene Wort. Da sie häufig arbiträr, d. h. willkürlich, sind, finden sich hier die meisten kulturspezifischen nonverbalen Ausdrücke. Ein Beispiel für ein Emblem, das in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedliche Bedeutungen hat, ist die Geste, bei der man mit dem Daumen und Zeigefinger einen Ring bildet (sog. Ringgeste). Dieses Emblem bedeutet in der amerikanischen und in vielen europäischen Kulturen ‚ okay ‘ oder ‚ gut, perfekt ‘ . In der französischen Diskursgemeinschaft bedeutet es dagegen ‚ Null ‘ , in der japanischen ‚ Geld ‘ , und in Griechenland oder der Türkei impliziert es eine Anzüglichkeit (vgl. Kita 2009: 146). Diese formale Gleichheit von Emblemen (hinsichtlich der verwendeten Handstellung, Position und Bewegung) kann zum einen interkulturell zu enormen Missverständnissen führen. Zum anderen aber sind Gesten wie diese leicht erlernbar und können daher von einer in die andere Kulturgemeinschaft übernommen werden. Tatsächlich finden sich Embleme mit der gleichen Bedeutung oft in geographisch angrenzenden Ländern (Kita 2009: 146). Abb. 2: Ringgeste 7.2 Kulturspezifik und Kulturkontakt im nonverbalen Verhalten 73 narr-starter.de <?page no="74"?> 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten Unterschiede in Äußerungsformen in den jeweiligen Kulturgemeinschaften finden sich nicht nur in gesprochener Sprache und auf der nonverbalen Ebene, sondern auch in geschriebener Sprache. Hier gibt es beispielsweise deutliche Unterschiede zwischen den Kulturgemeinschaften, was die Ebene der Textorganisation (Textaufbau und Leserführung) oder die Konzeptualisierungsweisen betrifft. Darunter fallen die Verwendung unterschiedlicher Argumentationsstrategien und Auffassungen von Wohlgeformtheit sowie der Gebrauch unterschiedlicher Textmuster für bestimmte Textsorten. In diesen Bereich gehören darüber hinaus unterschiedliche Grade von Selbstreferenz und Subjektivität sowie unterschiedliche Typen von rhetorischer Durchformung. Argumentationsstrategien unterscheiden sich vor allem dadurch, ob sie linear vom Ausgangspunkt zur Schlussfolgerung verlaufen, Exkurse zulassen oder sich in einer zirkulären Argumentation einem Kernpunkt nähern (vgl. Kaplan 1972). Diese Strategien werden v. a. in schulischen Kontexten der jeweiligen Diskursgemeinschaften vermittelt. Bereits in den 1980er Jahren durchgeführte Analysen von Aufsatzratgebern (essay-writing manuals) zeigten, dass in anglophonen Ländern ein wesentlich stärkeres Augenmerk auf Linearität in der Diskursstruktur und auf Relevanz, d. h. enge Beschränkung auf das formulierte Thema, gelegt wird (Clyne 1981). Selbstreferenz und Subjektivität (Involvierung): Kulturspezifika von Textmustern äußern sich nicht nur in der Makrostruktur, d. h. im Aufbau des Textes, sondern auch in unterschiedlichen kommunikativen Grundhaltungen, d. h. wie stark sich etwa ein Schreiber in einen Text involvieren 7 Sprach- und Kulturkontakt 74 narr-starter.de <?page no="75"?> darf oder ob er eine objektive Darstellung zeigen muss. Das zeigt sich besonders in der Häufigkeit und in der Art von Selbstreferenz im Text, d. h. dem Ich-Bezug. So ist etwa im Deutschen in argumentativen Texten die objektive Darstellung gefordert, während in anderen Kulturkreisen (wie romanischen Ländern, Griechenland, Türkei) die Involvierung des Schreibers in den Text durchaus kulturell verankert ist. Gerade auch im Bereich der Selbstreferenz zeigen die verschiedenen Sprachgemeinschaften sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Dabei ist zwischen drei verschiedenen Ebenen zu unterscheiden, auf denen die Schreiber den Ich-Bezug einsetzen: l Selbstreferenz auf der Diskursebene: Ich-Kommentare in Form von Elementen der Leserführung (zum Beispiel im Folgenden werde ich [. . .]) l Selbstreferenz auf der Bewertungsebene: Ich-Kommentare in Form von Bewertung und Evaluation von Argumenten (ich bin der Meinung, dass; ich finde, dass) l Selbstreferenz auf der Darstellungsebene: Der Text enthält narrative Passagen, in denen der Schreiber über sich selbst berichtet. Akademisches Schreiben Feststellungen, die im Bereich der schulischen Aufsatzpraxis getroffen wurden (s. o.), lassen sich auch auf das akademische Schreiben übertragen. Bei einem Vergleich von deutschen und englischen wissenschaftlichen Artikeln hat Clyne (1987: 81 f.) folgende Unterschiede zwischen anglophonen Schreibern und deutschen Schreibern ermittelt: 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten 75 narr-starter.de <?page no="76"?> l Deutsche Schreiber geben seltener Definitionen des Themas und der fachlichen Termini als englischsprachige Schreiber. l Sie verfassen asymmetrischere Texte (Textteile haben unterschiedliche Längen). l Sie geben weniger explizite Ankündigungen und Begriffsdefinitionen. l Sie legen die Gliederungen stärker hierarchisch an. Clyne (1987: 238) begründet dies damit, dass Wissen in der deutschen Tradition idealisiert wird. Deshalb ist es nicht Anliegen eines Schreibers, dem Leser einen leicht lesbaren Text an die Hand zu geben, sondern ihn mit Wissen, Theorie und Denkanstößen zu versorgen. Die spezifische Makrostruktur und ein entsprechendes akademisches Sprachregister tragen dazu bei, den Status des Schreibers zu unterstreichen; er möchte sich mit seinem Produkt darstellen. Im anglophonen Kontext kommt dem Schreiber die Aufgabe zu, die Texte gut verstehbar zu machen, im germanophonen Kontext muss der Leser sich bemühen, den Text zu verstehen. Im Sprachkontakt, d. h. wenn deutsche Schreiber englischsprachige Texte verfassen, ergibt sich nun folgendes Bild: Während typische diskursstrukturelle Muster wie Abschweifung, Diskontinuität, Asymmetrie und stärkere Subordinierung beibehalten werden, kann man im Bereich der sog. advance organizers (das sind textstrukturierende Mittel wie I will now digress) eine Zunahme feststellen: In den deutschsprachigen Texten der Autoren machen sie nur 47 % vom Anteil, den englischsprachige Autoren verwenden, aus, in den englischsprachigen Texten bereits immerhin 89 % (ebd.: 233). 7 Sprach- und Kulturkontakt 76 narr-starter.de <?page no="77"?> Diese Beobachtung ist auch mit der bereits erwähnten These von Matras (1998) in Zusammenhang zu bringen, wonach diskurssteuernde Mittel ein eigenes Subsystem der Sprache bilden und leicht erkannt und übernommen werden können (vgl. Kap. 3.1). Die Makrostruktur eines Textes wird dagegen nicht so einfach als kulturspezifisch erkannt und damit auch die Andersartigkeit des Diskursmusters nicht durchschaut. Bei einem Vergleich von englischsprachigen Artikeln tschechischer Schreiber stellte Č mejrková (1996) fest, dass die Schreiber ihren sog. teutonischen Stil, der durch den Kulturkontakt mit dem Deutschen beeinflusst ist, beim Schreiben von englischsprachigen Aufsätzen beibehalten. D. h. tschechische Schreiber schreiben primär text- und nicht leserorientiert. Dem Leser wird die Struktur, die dem Text zugrunde liegt, nicht offen gelegt: Es gibt kaum Abschnitte, und diese haben oft auch keine Überschrift. Das, was für den Bereich der Makrostruktur gilt, gilt auch für den Bereich der Subjektivität bzw. Involvierung: So kommt etwa im Russischen (oder im Bulgarischen) durchaus Selbstreferenz auf der Diskurs- und Bewertungsebene vor, die im Deutschen in wissenschaftlichen Texten verpönt ist (vgl. Weinrich 1990). Hier gibt es sehr große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturgemeinschaften (vgl. die Beiträge in Auer/ Baßler 2007). Das Englische nimmt dabei eine Zwischenposition ein. Der Kulturkontakt mit dem Englischen wirkt sich nun insofern auf das Deutsche aus, als dass der Ich-Bezug auf der Diskursebene und teilweise auf der Bewertungsebene mittlerweile auch in deutschen akademischen Texten zu finden ist. 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten 77 narr-starter.de <?page no="78"?> Auch im osteuropäischen Wissenschaftsstil ist unter dem Einfluss von westlichen Traditionen ein Wandel festzustellen: In zunehmendem Maße werden die 1. Person Singular (die in der Sowjetzeit vom kollektiven Plural völlig verdrängt gewesen war) und relativierende Ausdrücke bei Definitionen verwendet. Auch die Anteile von modalisierenden Konstruktionen mit niedrigem Sicherheitsgrad (wie möglicherweise, vermutlich, anscheinend) anstelle kategorischer Ausdrücke (selbstverständlich, mit Sicherheit) nehmen zu (Breitkopf/ Vassileva 2007). Schreiben bei DaF-Studierenden Die Übertragung von Textmustern macht sich besonders bei Sprachlernern bemerkbar. Hier sind v. a. Unterschiede auf den folgenden Ebenen festzustellen: l Ebene der Makrostruktur l Kommunikative Grundhaltung (Involvierung vs. Objektivierung) l Diskursmodus (konzeptionelle Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) So schreiben tschechische DaF-Studierende Texte, die in die Textordnungsschemata linear-entwickelnd oder materialsystematisch einzuordnen sind, während die deutschen Muttersprachler überwiegend das formal-systematische Muster verwenden (vgl. Heinrich/ Riehl 2011). Während die deutschen Schreiber meist nur auf der Ebene der Diskurssteuerung auf sich selbst referieren, weisen die tschechischen Studierenden vor allem auf den Ebenen der Meinungsäußerung und auf der Argumentationsebene einen 7 Sprach- und Kulturkontakt 78 narr-starter.de <?page no="79"?> hohen Prozentsatz an Selbstreferenz auf, vgl. die Beispiele aus ein und demselben Text: l Diskursebene: soll ich jetzt überlegen, ob es gut oder schlecht ist l Bewertungsebene: ich bin nicht einverstanden; es ist doch nicht nötig; meiner Meinung nach; für mich ist diese Idee nicht so gut l Darstellungsebene: Zum Beispiel, ich kann mich überhaupt nicht vorstellen, dass im nächsten Schuljahr jemand zu mir kommt . . . das weiß ich noch nicht [Eine ganze Passage berichtet aus der persönlichen Perspektive der Schreiberin] Der Aspekt der Involvierung umfasst neben dem Aspekt der Selbstreferenz auch weitere Strategien, mit denen der Leser in den Text involviert wird, etwa direkte Anreden oder rhetorische Fragen. So überwiegt bei den tschechischen Schreibern eine stärker involvierende Strategie, die sich an einem rhetorischen Modell orientiert, im Deutschen herrscht dagegen eine Objektivierungsstrategie mit Distanz des Schreibers vor (vgl. Heinrich/ Riehl 2011). Als Ursachen für diese Unterschiede kann zum einen der Einfluss der unterschiedlichen Kulturstandards angenommen werden - wie Sachversus Personenbezug - , zum anderen sind diese Differenzen auch auf unterschiedliche Unterrichtstraditionen zurückzuführen. Denn es stellte sich heraus, dass in den tschechischen Schulen nicht die Textsorte Erörterung, in der die Distanzhaltung zum Dargestellten entscheidend ist, eingeübt wird, sondern eine Textsorte, die uváha genannt wird und etwa dem Typus Essay entspricht. Das bedeutet, dass die Schüler hier gerade ihre persönlichen Meinungen mit einbringen. Diese Involvierungsstrategie wird nun auch auf das Schreiben von Texten in der deutschen Sprache übertragen (vgl. ebd.). 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten 79 narr-starter.de <?page no="80"?> Schreiben im Migrationskontext Studien zu Wechselwirkung von Textkompetenzen beim Schreiben argumentativer Briefe auf Deutsch und in verschiedenen Herkunftssprachen haben gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland in eine einsprachige Schule gehen, kulturspezifische Textmuster des Deutschen auf ihre Muttersprache übertragen. Der Grund liegt darin, dass sie diese Muster nicht explizit und systematisch in der L1 erworben haben (Riehl 2013; Riehl et al. demn.). So folgen die Schreiber in der Regel nicht dem rhetorischen Muster ihrer Herkunftssprachen Italienisch, Türkisch oder Griechisch, die ebenfalls eine stärker involvierende Strategie in argumentativen Texten verfolgen, sondern transferieren Elemente des kulturspezifischen Musters des Deutschen wie das Pro-Contra-Conclusio-Modell in den herkunftssprachlichen Text. Mit dem Muster übernehmen die Schüler auch die typischen Konnektoren des Deutschen und übersetzen sie in die Herkunftssprache. Vgl. das Beispiel eines griechisch-deutsch bilingualen Schülers: Der Schüler strukturiert den griechischen Text ganz klar nach dem deutschen Muster, nämlich: εξαρχής ( ‚ von Anfang an ‘ ), δεύτερον ( ‚ zweitens ‘ ), αφενός ( ‚ einerseits ‘ ) αφετέρου ( ‚ andererseits ‘ ) (vgl. Riehl et al. demn.). Dieser Transfer ist dadurch zu begründen, dass das entsprechende Muster der L1 im schulischen Kontext nicht eingeübt wird und damit das Modell des Deutschen übernommen wird. Auch Schülerinnen und Schüler, die ein hohes schriftsprachliches Niveau in ihrer Herkunftssprache erreichen, übertragen daher das kulturspezifische Muster der Argumentation aus dem Deutschen (vgl. Riehl et al. demn.). 7 Sprach- und Kulturkontakt 80 narr-starter.de <?page no="81"?> Dies bedeutet, dass sich Migrantensprachen in der Diaspora durch den Sprach- und Kulturkontakt nicht nur auf der Ebene des Lexikons und der Grammatik verändern, sondern dass sie vor allem auf der Ebene des Textes und des Diskurses die Muster und Traditionen der Kontaktsprache übernehmen. Zusammenfassende Bemerkungen Wir haben gesehen, dass sich Sprachkontakt auf sehr vielen Ebenen der Sprache auswirken kann: Es können Wörter, Morpheme oder einzelne Laute von einer Sprache in die andere übernommen werden, aber auch Strukturen der anderen Sprache 1: 1 nachgebildet oder mit eigenen Mitteln nachgeahmt werden. Sprachsysteme können sich dadurch weiter aufeinander zu bewegen. Darüber hinaus können auch Bedeutungen von Wörtern oder Phrasen von der einen auf die andere Sprache übertragen werden. Das, was zwischen einzelnen ausgebauten Sprachen passiert, kann auch zwischen den verschiedenen Varietäten ein und derselben Sprache erfolgen. Schließlich gibt es auch Transfer auf der Ebene der Pragmatik: Anredemuster, Sprechakte oder bestimmte Formen des nonverbalen Verhaltens können von einer Sprache in die andere wechseln. Und schließlich findet auch der Transfer von makrostrukturellen Elementen und Stilmustern von Texten statt. All dies zeigt, dass Sprachkontakt ein sehr vielfältiges und übergreifendes Phänomen darstellt. 7.3 Übernahme kulturspezifischer Muster in geschriebenen Texten 81 narr-starter.de <?page no="82"?> Fragen und Aufgaben Antworten und Lösungen finden Sie unter der Adresse www.starter.de Kapitel 2 Wodurch unterscheiden sich Transferprozesse von Interferenzprozessen? Inwiefern gibt es Probleme bei der Unterscheidung zwischen Code-Switching und Transfer? Welche Lösung schlägt Muysken vor? Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile von Interviewdaten als Grundlage eines Sprachkontaktkorpus ‘ ! In welchen Fällen kann man Übersetzungsaufgaben einsetzen? Kapitel 3 Folgende Beispiele stammen aus dem Deutschen in Namibia, das in Sprachkontakt mit Englisch und Afrikaans tritt. Interpretieren Sie die folgenden Kontaktphänomene: 1. Ich muß diese aukies checken. (afr. ugs. oukie ‚ Kerl, Typ ‘ ) 2. Ich hab noch brai-fleisch in der deep freeze. (afr. braii ‚ Grill ‘ , engl. deep freeze ‚ Gefriertruhe ‘ ) 3. Sonntag war mooies Wetter. (afr. mooi ‚ schön, hübsch ‘ ) 4. Wenn es zuviel regnet, frottet es. (afr. om te frot ‚ verderben ‘ ) Clyne (2003: 77) führt Beispiele aus dem Sprachkontakt Niederländisch - Englisch in Australien an, wo der s-plural auf andere Wörter ausgedehnt wird: klant-s statt klanten ‚ Klienten ‘ , stams statt stammen ‚ Stämme ‘ , hoofleidings statt hoofleidingen ‚ Hauptleitungen ‘ . Wie interpretieren Sie diesen Befund? narr-starter.de <?page no="83"?> Erläutern Sie, warum Diskursmarker bereits in einem frühen Stadium des Sprachkontakts entlehnt werden! Gehen Sie dabei auch auf die Entlehnreihenfolge ein! Kapitel 4 Interpretieren Sie analog zur obigen Aufgabe zu Kapitel 3 die folgenden Beispiele aus dem Sprachkontakt Deutsch - Englisch - Afrikaans in Namibia: 5. Das Telefon ist heute sehr beschäftigt. (afr. besig, engl. busy ‚ beschäftigt, tätig, überlaufen ‘ ) 6. Ich habe keine Lust, um naß zu werden. (afr. Ek het nie lus om nat te word nie) 7. Der hat nicht seine Frau ermordet. (afr. Hy het nie sy vrou vermoor nie, engl. He has not murdered his wife.] 8. Ich möchte Sie um einen Gefallen fragen. (afr. om te vra, engl. to ask ‚ fragen, bitten, verlangen ‘ ) In Kontaktsituationen germanischer Sprachen mit dem Englischen findet man Beispiele wie die folgenden (9 = Norwegisch, 10 = Isländisch, 11 = Deutsch): 9. I skolen vi snakte bare engelsk (Norwegisch I skolen snakte vi bare engelsk ‚ In der Schule sprachen wir nur Englisch ‘ ) 10. Dolly stundum talar íslensku (Isländisch Dolly talar stundum íslensku ‚ Dolly spricht manchmal Isländisch ‘ ) 11. Und dann die waren gelangweilt. Vergleichen Sie die Beispiele miteinander! Um welches Phänomen handelt es sich dabei und wie lässt sich das erklären? Interpretieren Sie die folgenden Beispiele aus dem englischdeutschen Sprachkontakt! Um welches Phänomen handelt es sich hier? 12. er war socially nicht okay zur Schule zu gehen ( ‘ He was socially not okay to go to school ’ ) 13. Ich gehe auch zum Auto. ( ‘ I ’ ll walk you to the car ’ ) Fragen und Aufgaben 83 narr-starter.de <?page no="84"?> Kapitel 5 Erläutern Sie, warum Phänomene des Kasusabbaus (wie der Verlust der Dativmarkierung im Deutschen) nicht direkt auf Sprachkontakt zurückzuführen sind! Diskutieren Sie aber, inwiefern sich der Sprachkontakt indirekt auf die Entwicklungsprozesse auswirkt! Interpretieren Sie analog zu den Aufgaben zu Kapitel 3 und 4 die folgenden Beispiele aus dem Sprachkontakt Deutsch - Englisch - Afrikaans in Namibia: 14. er hieß Alberts mit Nachname. (afrikaanse Deklination ist wie im Englischen) 15. Ich weiß nicht, das isst der. (keine Entsprechung im Afrikaansen/ Englischen) Erklären Sie, warum man beim Abbau der Verbendstellung in Sprachkontaktkonstellationen mit dem Deutschen von einer ‚ kognitiven Ökonomie ‘ sprechen kann! Kapitel 6 Diskutieren Sie, in welchen Bereichen sich die Begriffe Varietätenkontakt und Sprachkontakt überschneiden! Worin gibt es Unterschiede? Erklären Sie, warum sich die niederdeutschen Dialekte auf der niederländischen und der deutschen Seite der Grenze auseinanderentwickeln und damit die Staatsgrenze zu einer Dialektgrenze wird! Interpretieren Sie die folgenden Beispiele aus einem Chat von Dialektsprechern eines schweizerdeutschen Dialekts (Dialektwörter kursiv, Beispiele aus Siebenhaar 2005): 16. jemand lust zum chatten und chunnt p (standarddeutsch: ‚ kommt ‘ ) 17. mir geht es guet (standarddeutsch: ‚ gut ‘ ) 18. tschüss Nick chuss uf dä buch smile machs gut (standarddeutsch: ‚ Kuss auf den Bauch, smile mach's gut ‘ ) Diskutieren Sie aus Ihrem Wissen über Sprach- und Varietätenkontakt heraus, warum es keine einheitliche Umgangssprache des Deutschen geben kann! Fragen und Aufgaben 84 narr-starter.de <?page no="85"?> Kapitel 7 Erklären Sie, inwiefern die Verwendung von Sprechhandlungen kulturspezifisch ist! Erläutern Sie dazu das folgende Beispiel aus einer Konversation eines Englisch-Muttersprachlers (Sprecher A) mit einem Sprecher des Hebräischen (B): [Kontext: Sprecher B hat versprochen, seinem Kommilitonen A ein Heft innerhalb von ein oder zwei Tagen zurückzugeben, und hat es fast zwei Wochen behalten] A: Ich bin wirklich sauer wegen dem Heft, weil ich es letzte Woche gebraucht hätte, um mich auf den Unterricht vorzubereiten. B: Ich habe nichts zu sagen. Definieren Sie die verschiedenen Formen von Gesten und erklären Sie, welche Art von Gesten am ehesten von einer Diskursgemeinschaft in die andere übernommen werden können und warum! Erläutern Sie den folgenden Text einer tschechischsprachigen DaF-Studentin im 4. Semester. Welche Typen von Selbstreferenz finden Sie in diesem Text? (gekürzte Fassung) Dieses Thema ist sehr aktuell, gerade heute habe ich nämlich in den Zeitungen eine Bericht darüber gelesen. [. . .] Ich finde es überraschend, dass nicht zu viele Studenten im Ausland studieren wollen. Ich halte es nämlich für tolle Gelegenheit, während des Studiums ins Ausland abzureisen und wenigstens ein paar Monate fremdes Land unter fremde Kultur kennenzulernen. [. . .] Der Student lernt sich dort doch bei zahlreichen Tätigkeiten mit fremden Menschen umgehen und mitarbeiten, wobei er sich die Sprachkenntnisse verbessert und vertieft, die Erfahrungen nicht nur im studiert Fach gewinnt - das sehe ich als das Hauptziel des Auslandsaufenthaltes. Ausserdem gewinnt er neue Freunde und Erlebnisse, was die unbezahlbaren Werte sind. [. . .] Ich sehe nur die Vorteile, weil meiner Meinung nach das Studium nur positive Seiten hat, die den Studenten in seinem zukünftigen Leben sehr helfen können [. . .]. Sein Preis wird auf dem Arbeitsmarkt höher und seine Erfahrungen hochgeschätzt - das glaube ich wenigstens. Daraus folgt es, dass ich auf jedem Fall dafür bin, dass jeder Hochschulstudent ein Pflichtsemester an einer ausländischen Uni verbringt. Ich selber habe noch nicht das Semester im Ausland verbracht, aber ich habe vor, mich für das nächste oder übernächste Semester um ein Stipendium zu bewerben. Fragen und Aufgaben 85 narr-starter.de <?page no="86"?> Literaturverzeichnis Aikhenvald, Alexandra Y. (2008): Grammars in contact: A crosslinguistic perspective. In: Aikhenvald, Alexandra Y./ Dixon, Robert M. W. (eds.), Grammars in Contact. A Cross-Linguistic Typology. Oxford: Oxford University Press, 1 - 66. Albert, Ruth/ Marx, Nicole (2016): Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht. 3. überarb. und aktual. Aufl. Tübingen: Narr. Androutsopoulos, Jannis (2013): Code-switching in computer-mediated communication. 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Interview 16 f., 19 Involvierung 74 f., 77 ff. Kasusabbau 14, 46, 84 kognitive Ökonomie 52 Koineisierung 57 Kommunikative Grundhaltung 78 kongruente Lexikalisierung 13 Konvergenz 7, 14, 55 f., 63 Konvergenzprozesse 46, 59 Kookkurrenzrestriktion 61 Kulturkontakt 65 f., 68 ff., 77, 81 Lehnwörter 11, 27 lexikalischer Transfer 26 f., 34 Makrostruktur 74, 76 ff. matter borrowing 35 Metadaten 16, 18 Mischvarietät 64 monolingualer Sprachmodus 15, 19 narr-starter.de <?page no="96"?> Nehmersprache 11, 27 nonce borrowing 12 Objektivierungsstrategie 79 pattern replication 35 phonetischer Transfer 31 pivot matching 42 Pro-Drop 38 ff. Progressiv-Konstruktion 43, 63 psycholinguistisch motivierter Transfer 26 Qualitative Analyse 23 Quantitative Analyse 23 Regionaldialekt 58 Regulatoren 71 f. Reihenfolge der Entlehnbarkeit 33 Replika-Konstruktionen 42 Rheinische Verlaufsform 63 schriftliche Quellen 21 f. Selbstreferenz 74 f., 77, 79, 85 semantischer Transfer 36 Simplifizierungsprozesse 45, 49, 53 - s. a. Vereinfachungsprozesse spontane gesprochene Daten 19 Sprachabbauprozesse 48 Sprachmischung 22 Sprachrituale 65 Sprachwandel 9 f., 56, 94 Sprechakt 66 f., 69, 81 Sprechakte s. Sprechhandlungen Sprechhandlungen 67 f., 85 Subjektivität 74, 77 syntaktischer Transfer 14 teilnehmende Beobachtung 17 f. Transfer 7, 10 ff., 14, 25 f., 35, 37 f., 44, 47, 53, 80 ff. Transfer von prosodischen Mustern 37 tun-Periphrase 51 f. Überblendungen 34 Übersetzungsaufgaben 19, 21, 82 Varietätenkontakt 10, 13, 54, 60, 64, 84 Verbendstellung 23, 49, 84 Verbzweitstellung 49 Vereinfachungsprozesse 7, 14, 45 Zweitsprache 10, 21, 29, 67, 95 Sachregister 96 narr-starter.de