Sprechen und Zuhören im Deutschunterricht
Bildungsstandards - Didaktik - Unterrichtsbeispiele
0812
2019
978-3-8233-9195-1
978-3-8233-8195-2
Gunter Narr Verlag
Irmgard Honnef-Becker
Peter Kühn
Der Kompetenzbereich "Sprechen und Zuhören" spielt im Unterricht aller Fächer eine zentrale Rolle. Im Deutschunterricht ist "Sprechen und Zuhören" zudem Lerngegenstand und als solcher in den Kerncurricula der verschiedenen Schulformen fest verankert. Das Studienbuch bietet vielfältige Anregungen, wie Sprech- und Gesprächskompetenzen gefördert werden können. Neben Teilkompetenzen wie Erzählen, Vorlesen und Diskutieren werden auch bislang im Deutschunterricht wenig berücksichtigte Teilkompetenzen behandelt: das Hörverstehen und das Hör-Seh-Verstehen.
Das Buch bietet einen umfassenden Überblick über wissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen des Kompetenzbereichs. Es zeigt anhand zahlreicher Beispiele aus Lehrwerken, wie die Teilkompetenzen vermittelt werden können. Die Kombination von Printtext und Audios bzw. Videos ermöglicht es, didaktische Positionen und Inhalte über den auditiven bzw. visuellen Zugang zusätzlich zu erläutern. Auf Grundlage neuester didaktischer und methodischer Positionen entsteht ein Plädoyer für eine neue Sprech- und Gesprächsdidaktik im Deutschunterricht.
narr STUDIENBÜCHER Irmgard Honnef-Becker / Peter Kühn Sprechen und Zuhören im Deutschunterricht Bildungsstandards - Didaktik - Unterrichtsbeispiele Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Dr. Irmgard Honnef-Becker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier im Bereich Germanistik (Literaturdidaktik/ Didaktik des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache). Ihre Forschungsschwerpunkte sind interkulturelle und mehrsprachige Literatur und ihre Didaktik sowie die Didaktik und Methodik des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache. Prof. Dr. Peter Kühn ist Universitätsprofessor für Germanistische Linguistik und Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Trier. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Germanistischen Linguistik, insbesondere der Lexikologie, Phraseologie, Lexikographie, Grammatik, Text- und Medienlinguistik sowie der Didaktik und Methodik des Deutschen als Erst-, Zweit- und Fremdsprache und der Schulentwicklungsforschung. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de www.narr-studienbuch.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-8195-2 (Print) ISBN 978-3-8233-9195-1 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0138-7 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 5 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Kompetenzbereiche des Sprachunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1 Die Modellierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ . . . . . . . 17 2.2 Ungereimtheiten in den Bildungsstandards Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3 Gründe für eine Orientierung an den Bildungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Rudolf Hildebrand: „Vom deutschen Sprachunterricht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.2 Theodor Siebs: „Deutsche Bühnenaussprache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.3 Erich Drach: „Sprecherziehung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.4 Hermann Helmers: „Mündliche Gestaltungslehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.5 Erika Essen: „Erziehung zur Gesprächsgemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.6 Hellmut Geißner: „Rhetorische Kommunikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.7 Kommunikative Wende im Deutschunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.8 Linguistische Gesprächsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.9 Bildungsstandards im Fach Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.1 Sprech- und gesprächsorientierte Didaktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2 Linguistisch orientierte Didaktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.3 Sprachdidaktiken, die sich an den Bildungsstandards orientieren . . . . . . . . . . 54 4.4 Sprachdidaktiken, die ein eigenes Konzept des Kompetenzbereichs entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5.1.1 Erzähldidaktische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5.1.2 Erzählen im Deutschbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5.1.3 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.1 Grundlagen einer Vorlesedidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.2 Vorlesen im Deutschbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.2.3 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.3.1 Gesprächsdidaktische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.3.2 Gesprächskompetenz im Deutschbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6 Inhalt 5.3.3 Aufgabenbeispiele zur Gesprächsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5.3.4 Gesprächskompetenz entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5.3.5 Gesprächskompetenz testen und bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.4.1 Sprachdidaktisches und literarisches Rollenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.4.2 Didaktik und Methodik des Rollenspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.1 Grundlagen des Hörverstehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.1.1 Verstehenstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.1.2 Hören und Lesen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . . . . . . . 173 6.1.3 Hörtextsorten und Hörstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.2 Methodik des Hörverstehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.2.1 Aufgaben vor dem Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.2.2 Aufgaben während des Hörens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 6.2.3 Aufgaben nach dem Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6.3.1 Hörverstehen eines Sachtextes (Interview) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6.3.2 Hörverstehen eines literarischen Textes (Geschichte) . . . . . . . . . . . . . 192 6.3.3 Hörverstehen eines Hörbuchs/ Hörspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 6.4 Hörverstehen testen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.4.1 Hörverstehensaufgaben in Abschlussprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.4.2 Niveaustufenmodelle zur Entwicklung von Hörverstehenstests . . . . . 206 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6.5.1 Hör-Seh-Verstehen im Deutschunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6.5.2 Grundlagen der Filmdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 6.5.3 Visual Literacy und Filmbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 6.5.4 Mit Filmen im Unterricht arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 6.5.5 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7.1 Grundsätzlich: Mündlichkeit ernst nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7.2 Berücksichtigung des Hörverstehens und des Hör-Seh-Verstehens . . . . . . . . 232 7.3 Plädoyer für einen konsequenten Einbezug des Zuhörers . . . . . . . . . . . . . . . 233 7.4 Plädoyer für eine Vielfalt mündlicher Textsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7.5 Modellierung des Kompetenzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7.6 Mündlichkeit im mehrsprachigen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 7.7 Einbezug der modernen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 7.8 Beurteilung und Evaluation der Rede- und Gesprächskompetenz . . . . . . . . . 239 7.9 Gute Aufgaben fördern das Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Verzeichnis der QR-Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Einleitung Das vorliegende Studienbuch beschäftigt sich mit dem Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ - genauer gesagt mit der Didaktik und Methodik des Sprechens und Zuhörens im Deutschunterricht. „Sprechen und Zuhören“ spielt im Unterricht aber in allen Schulfächern eine zentrale Rolle, denn die mündliche Sprache ist in allen Fächern vorherrschendes Unterrichtsmedium. Alle am Unterricht Beteiligten - Lehrende und Schülerinnen und Schüler - äußern sich mündlich und hören einander zu, sie nehmen entweder die Sprecher- oder die Hörerrolle ein. Im Deutschunterricht ist mündliche Kompetenz zudem aber auch Lerngegenstand und institutionell fest im Lerncurriculum verankert. Im Zuge der Ausarbeitung und Implementierung der Bildungsstandards Deutsch ist „Sprechen und Zuhören“ in allen Schulformen (Primarbereich, Hauptschulbereich, Bereich der Mittleren Schulabschlüsse, gymnasiale Oberstufe) neben den Bereichen „Lesen - Umgang mit Texten und Medien“, „Schreiben“ sowie „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ einer der zentralen Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts. Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise lernen, von eigenen Erlebnissen zu erzählen, ein Gedicht vorzutragen, ein Rollenspiel zu inszenieren oder auch miteinander zu diskutieren. Gleichwohl hat das „Sprechen und Zuhören“ im Deutschunterricht gegenüber anderen Kompetenzbereichen immer noch einen schweren Stand. So hat das Lesen im Zuge der internationalen Lesestudien (PISA, PIRLS) an Stellenwert noch gewonnen, Schreiben spielt bei der Evaluation von Schülerleistungen ohnehin traditionell eine zentrale Rolle. „Sprechen und Zuhören“ gelten indes als vernachlässigte Kompetenzen. Warum wird das „Sprechen und Zuhören“ im Deutschunterricht immer noch stiefmütterlich behandelt? Die Gründe hierfür sind vielfältig. Wenn Kinder in die Schule kommen, können sie bereits sprechen, während sie das Lesen und Schreiben noch erlernen müssen. Dass auch „Sprechen und Zuhören“ Gegenstand des Unterrichts sein sollten, mag deshalb als weniger dringlich erscheinen: So bewertet Joachim Fritzsche (1994, 42) den Erfolg bei der Ausbildung mündlicher Sprachkompetenzen in der Schule als eher gering: Da Sprechen in der primären Situation gelernt wird, braucht es nur dann und insofern auch noch in der Schule gelernt zu werden, als es irgendwelche Mängel gibt, die offenbar werden, sobald man den Sprachgebrauch des Sechsjährigen vergleicht mit dem Sprachgebrauch des Erwachsenen, des „kompetenten Sprechers“ […] Ich hege starke Zweifel, ob diese Fähigkeiten, soweit es sich um mündliche Sprache handelt, auch nur im geringsten durch den Sprachunterricht verbessert werden. Solchen Ansichten wird - nicht zuletzt auf der Basis des kompetenzorientierten Unterrichts - in der aktuellen fachdidaktischen Diskussion vehement widersprochen. Die Notwendigkeit einer unterrichtlichen Förderung mündlicher Sprachfähigkeiten ergibt sich allein schon daraus, dass auffällig große individuelle Unterschiede in der Sprech- und Gesprächskompetenz zwischen Kindern desselben Alters bestehen. Im Kontext multilingualer Klassen spielt die Mehrsprachigkeit dabei eine zunehmend wichtige Rolle, nicht allein unter kommunikativen Gesichtspunkten, sondern auch unter dem Aspekt der Identitätskonstruktion. 8 Einleitung Ein wesentlicher Grund für die Vernachlässigung des Mündlichen im Unterricht ist sicherlich die Dominanz des Schriftsprachlichen in Alltag und Schule. Reinhard Fiehler (2014, 26-30) nennt hierfür mehrere Gründe: ▶ Das gesellschaftliche wie auch das wissenschaftliche und didaktische Sprachbewusstsein sind eher schriftsprachlich geprägt: Die „Dauerhaftigkeit“ von Texten führt gegenüber der Flüchtigkeit des Gesprochenen zu einer „objektmäßigen Präsenz“ des Geschriebenen. Auch wird die geschriebene Sprache „gesellschaftlich als wichtiger angesehen und höher bewertet als die gesprochene“ (Fiehler 2014, 27; vgl. auch Fiehler 2009). ▶ Der Kenntnisstand über die Besonderheiten der gesprochenen Sprache „entspricht in keiner Weise dem, was wir über die geschriebene Sprache wissen“ (Fiehler 2014, 27). Die Beschreibung der geschriebenen Sprache in Lexikografie und Grammatik hat eine lange Tradition, die Erforschung der gesprochenen Sprache setzt eigentlich erst Ende des 19. Jahrhunderts ein. ▶ Beschreibung und Bewertung der gesprochenen Sprache erfolgen auf der Folie der geschriebenen Sprache. Die geschriebene Sprache wird als Normalfall angesehen, die gesprochene eher als Abweichung - häufig mit negativen Bewertungen (z. B. Satzabbrüche, Verschleifungen, Wortwiederholungen). ▶ Die linguistischen Beschreibungskategorien - auch wenn sie die gesprochene Sprache betreffen (z. B. Ellipse, Satzabbruch, Interjektion) - sind schriftsprachlich orientiert. „Ein Kategoriensystem, das in ähnlicher Weise funktional auf die gesprochene Sprache zugeschnitten wäre, existiert im Moment nur in Ansätzen“ (Fiehler 2014, 28). Schließlich wird als wichtiger Grund für die Vernachlässigung der Mündlichkeit im Unterricht angeführt, dass „Sprechen und Zuhören“ an das flüchtige Medium gesprochener Sprache gebunden und somit im Unterricht nicht so leicht sichtbar zu machen sei. Erinnert wird in diesem Zusammenhang an die Interaktivität von Gesprächen: Diese sind zwar technisch als Datei archivierbar und abrufbar, aber immer noch schwer und kompliziert sichtbar zu machen (z. B. in Form von Transkriptionen). Diese Erklärung trifft auf den modernen Deutschunterricht allerdings nur noch bedingt zu: Soziokultureller und technisch-medialer Wandel haben zu einer grundsätzlich neuen Ausrichtung des Unterrichts geführt, der sich im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ besonders deutlich manifestiert. Hörbücher und auditive Download-Formate gehören ebenso wie audio-visuelle Medien zu Lehrmaterialien, die mittlerweile Eingang in den Deutschunterricht gefunden haben. Mündliche Sprache kann demnach im Unterricht ohne großen Aufwand hörbar und sichtbar gemacht werden. Es zeichnet sich also ein Wandel in Richtung Mündlichkeit ab, der auch mit dem Einsatz moderner Medien im Unterricht erklärbar ist. Beredtes Beispiel hierfür sind beispielsweise die Medienpass-Initiativen der einzelnen Bundesländer zur Förderung der Medienkompetenz. Mit den Bildungsstandards Deutsch scheint sich zudem der Stellenwert der Mündlichkeit grundlegend zu ändern, denn dieser wird unter dem Rubrum „Sprechen und Zuhören“ ein eigenständiger Kompetenzbereich zugewiesen. Ein erster Blick in deutschdidaktische Handbücher und Einführungen bestätigt, dass „Sprechen und Zuhören“ inzwischen Berücksichtigung findet, allerdings im Vergleich mit den anderen Kompetenzbereichen oft eher 9 Einleitung knapp abgehandelt wird. Dies gilt auch für den Stellenwert dieses Kompetenzbereichs in den Deutschbüchern (ab Sekundarstufe I). Festzustellen bleibt: Eine grundlegende fachdidaktische Darstellung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ liegt noch nicht vor. Diese Lücke will das vorliegende Buch schließen. Es bietet einen umfassenden Überblick über Theorien und Ansätze des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ und illustriert diesen an zahlreichen Beispielen aus der Praxis des Deutschunterrichts. Die enge Verzahnung von Theorie und Unterrichtspraxis zeichnet die Darstellung aus. Dabei werden auch Teilkompetenzen untersucht, die bislang in der Deutschdidaktik wenig Berücksichtigung finden: das Hörverstehen und das Hör-Sehverstehen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass in diesem Studienbuch Audios und Videos über QR-Codes abrufbar sind. Die Kombination von Printtext und Audio bzw. Video führt zu einer neuen Qualität der inhaltlichen Darstellung und Vermittlung: Didaktische Positionen und Inhalte können über den auditiven bzw. visuellen Zugang zusätzlich erläutert werden. Ausgehend von den Bildungsstandards Deutsch werden zunächst die Zielsetzungen des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ auf ihre didaktischen Ansätze und Positionen zurückgeführt und diskutiert. Dabei werden zentrale Positionen der Rede- und Gesprächsdidaktik erörtert. Das Buch bietet einen umfassenden Überblick über wissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“. Es zeigt aber auch, wie die Teilkompetenzen im Deutschunterricht vermittelt werden können: Zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichen Deutschbüchern sowie eigene Unterrichtsbeispiele werden zur Erläuterung und Konkretisierung der Konzepte herangezogen. An diesen Beispielen wird gezeigt, wie „Sprechen und Zuhören“ im Unterricht entwickelt und gefördert werden kann. Die Unterrichtsbeispiele sind dabei als prototypisch anzusehen: Sie sind auf unterschiedliche Schulformen und Klassenstufen übertragbar und sie sind insofern musterhaft, als sie die neuesten didaktischen und methodischen Positionen reflektieren. Zudem gibt es Hinweise, wie der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in mehrsprachigen Klassen gefördert werden kann. Das Buch schließt mit einem Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik im Deutschunterricht. Das Buch wendet sich an ▶ Studierende der Germanistik bzw. Lehramtsstudierende, die sich im Rahmen ihrer Ausbildung mit Aspekten der Mündlichkeit beschäftigen. Sie erhalten einen Überblick über unterschiedliche Ansätze und Positionen der Rede- und Gesprächsdidaktik, denn Lehramtsstudierende „müssen befähigt werden, die Bildungsstandards der KMK zur Ausbildung und Schulung der mündlichen Kompetenz der Schüler/ innen umzusetzen“ (Bose/ Gutenberg 2009, 202). ▶ Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter, die Ideen und Impulse für Konzepte und Methoden für die Umsetzung der Bildungsziele des Faches Deutsch im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ suchen. Sie finden didaktische und unterrichtspraktische Hinweise und Empfehlungen, die ihnen im Seminargespräch helfen, didaktische 10 Einleitung Ansätze zu erörtern, den konkreten Unterricht zu planen sowie gemeinsam Modelle von Unterrichtseinheiten zu entwickeln. ▶ Lehrerinnen und Lehrer im Fach Deutsch, die Anregungen und konkrete Vorschläge für ihren Unterricht suchen. Sie finden in diesem Buch zahlreiche Vorschläge, wie sich „Sprechen und Zuhören“ im Deutschunterricht umsetzen lässt. Trier, im Dezember 2018 Irmgard Honnef-Becker Peter Kühn 1 Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben Im Alltag verwenden wir Sprache in verschiedenen kommunikativen Situationen. Jemand spricht, wir hören zu; wir lesen eine Nachricht auf dem Smartphone und schreiben eine Antwort, wir hören ein Referat und machen uns Notizen oder wir tippen am PC und lesen gleichzeitig in einem anderen Fenster im Internet. Die Beispiele zeigen, dass Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben in unserem Alltag nicht isoliert vorkommen. Sie können zudem verdeutlichen, dass die Kommunikation im Mündlichen anders als im Schriftlichen verläuft: Mündlich kommunizieren wir auf direktem Wege und spontan, im Schriftlichen indirekt über das Medium der Schrift - stärker reflektiert. Auch der Zeitpunkt der Kommunikation spielt eine wichtige Rolle, denn die Kommunikation im Mündlichen erfolgt simultan, im Schriftlichen zeitlich versetzt. Trotz dieser Unterscheidungen ist es oft nicht einfach zu bestimmen, ob ein Text ein mündlicher oder ein schriftlicher Text ist. Wer am Frühstückstisch einen Zeitungstext vorliest, spricht. Der vorgelesene Text ist aber ein geschriebener Text. Bevor wir uns mit mündlichem Sprachgebrauch als Lerngegenstand befassen, wollen wir diese Zusammenhänge näher erörtern. 1.1 Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit In der Linguistik unterscheidet man nicht nur zwischen mündlichen und schriftlichen Texten, sondern differenziert genauer zwischen medialer und konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit: Medial schriftlich ist ein Text, wenn er in gedruckter Form vorliegt, egal ob als Buch oder E-Book. Medial mündlich ist ein Text, wenn er akustisch präsentiert wird, unabhängig davon ob er aus dem Radio, aus dem Internet oder von einem Gesprächspartner face-to-face stammt. Konzeptionell mündliche Texte sind Texte, die Merkmale der gesprochenen Sprache aufweisen, z. B. Gespräche. Konzeptionell schriftliche Texte sind dagegen Texte, die stärker an den Merkmalen der Schriftsprache orientiert sind (vgl. Koch/ Oesterreicher 1994; zusammenfassend Spitzmüller 2014), z. B. Zeitungsberichte. Konzeptionell mündliche Sprache unterliegt vielfach einer breiten situativen Varianz und einer geringeren und weniger offensichtlichen Normierung. Bei näher an der Schriftlichkeit angesiedelten Textsorten spielt der Bezug zur geschriebenen Sprache eine wichtige Rolle. Die Analyse und Einordnung einer Textsorte bildet die Grundlage ihrer Behandlung im Deutschunterricht: Bei einem Kurzvortrag, der medial mündlich, aber näher an der Schriftlichkeit orientiert ist, wird nicht spontan gesprochen. Der Kurzvortrag wird geplant, dabei werden zentrale Aspekte beispielsweise in einer Mindmap (schriftlich) gesammelt, der Vortrag kann anschließend mit Hilfe von Stichwörtern präsentiert werden; bei der Präsentation können die Zuhörenden durch (schriftlich präsentierte) Verstehenshilfen entlastet werden (z. B. in Form eines Plakats oder digitaler Präsentationstechniken). Demgegenüber erscheint im Gruppengespräch eine gewisse Vorläufigkeit angemessen; Alltagssprache, sprachliche Merkmale spontanen Sprechens wie Satzabbrüche, Ellipsen, Pausen usw. sollten dabei nicht als Fehler betrachtet werden. 12 1 Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben Von besonderer Relevanz ist die Differenzierung in mediale und konzeptionelle Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit in Bezug auf die Bildungssprache, eine für „den kognitiven und v. a. schriftlichen Umgang mit Lerngegenständen typische schulsprachliche Varietät“ (vgl. Gogolin 2006, Feilke 2012). Bildungssprache ist „in der Tendenz konzeptionell schriftliche Sprache“ (Abraham 2016, 31), die von der Lehrkraft aber gesprochen wird, also medial mündlich ist (Feilke 2012, 6). In der Forschung werden bestehende Sprachbarrieren und Hürden für mehrsprachige Kinder auf diese Besonderheit der Bildungssprache zurückgeführt (vgl. dazu Kapitel 5.3.1.3). Trotz der Relevanz der „Schriftlichkeits-Mündlichkeitsforschung“ werden für die Deutschdidaktik daraus bislang nur ansatzweise Konsequenzen gezogen (vgl. Abraham 2016, 23 f.). Auf didaktische Folgerungen werden wir in Kapitel 7 eingehen, wenn es darum geht, Perspektiven und aktuelle Ansätze einer Didaktik der Mündlichkeit aufzuzeigen. 1.2 Kompetenzbereiche des Sprachunterrichts Der Kompetenzbereich „Sprechen“ darf nicht für sich allein betrachtet werden. Dies wird besonders deutlich, wenn wir Ansätze aus der Fremdsprachendidaktik heranziehen. Wer eine Sprache erlernt, erwirbt in dieser Sprache die Fertigkeiten Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben. Jeglicher Fremdsprachenunterricht ist auf diese vier Basiskompetenzen bezogen. Inzwischen gibt es kaum noch eine Fremdsprachendidaktik, die grundsätzlich nicht auf diesen Grundfertigkeiten basiert. Dazu hat nicht zuletzt der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) (2001) beigetragen, der als Framework das Lernen und Lehren von Sprachen und das Beurteilen von Sprachkompetenzen nach gemeinsamen Kriterien beschreibt und vergleichbar macht. Er ist ein mittlerweile in ganz Europa anerkannter Bezugsrahmen zur Beschreibung von Sprachkompetenzen und damit eine wichtige Grundlage für Curriculumentwicklung, Lehrwerkserstellung und für Sprachprüfungen. In einem ersten Zugriff werden die sprachlichen Fertigkeiten in produktive und rezeptive unterschieden: Produktiv sind das „Sprechen“ und „Schreiben“, rezeptiv das „Hören“ und das „Lesen“. Dabei wird hervorgehoben, dass „rezeptiv“ nicht mit „passiv“ gleichzusetzen ist, Verstehen wird als aktiver Prozess verstanden. Aus diesem Grunde sprechen die Didaktiker auch von „Hörverstehen“ bzw. „Leseverstehen“. Innerhalb der produktiven und rezeptiven Fertigkeiten wird eine weitere Unterscheidung vorgenommen. Beim Lesen und Schreiben dient die geschriebene Sprache als Medium, beim Hören und Sprechen die gesprochene Sprache. rezeptiv produktiv gesprochen Hören Sprechen geschrieben Lesen Schreiben Abb. 1: Sprachrezeptive und -produktive Grundfertigkeiten Das Hören bezieht sich beispielsweise auf das Verstehen eines Vortrags oder Referats, auf Radio- oder Fernsehnachrichten oder auch auf Hörspiele oder Filme. Da es dabei auch 13 1.3 Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch um Hören und Sehen geht, wird das Hörverstehen um die visuelle Komponente erweitert (Hör-Seh-Verstehen). Das Lesen bezieht sich auf das Verstehen schriftlicher Textsorten und umfasst sowohl sachbezogene (z. B. Gebrauchsanweisung, Zeitungsmeldung oder Zeitungsinterviews) als auch literarische Texte (z. B. Märchen, Geschichten, Gedichte oder Romane). Das Sprechen betrifft das mündliche Erzählen und Berichten, es beinhaltet aber auch interaktive Formen wie Gespräche und Diskussionen. Die Schreibfertigkeit umfasst das Schreiben von didaktischen Texten (z. B. Zusammenfassung, Erörterung) sowie das Verfassen pragmatischer Texte (z. B. Briefe, E-Mails). Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben werden dabei als gleichberechtigte und aufeinander bezogene Kompetenzbereiche angesehen. Ziel des Sprachunterrichts ist die Entwicklung einer Sprachhandlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler, die diese vier Bereiche umfasst. Und wo bleiben „Wortschatz“ und „Grammatik“? Wenn das Ziel des Unterrichts auf den Sprachgebrauch ausgerichtet ist, ist die isolierte Arbeit an Wortschatz und Grammatik aufzugeben. In den Fremdsprachendidaktiken hat dies zu einem Methodenwechsel geführt - weg von der sogenannten Grammatik-Übersetzungsmethode hin zum kommunikativ-pragmatischen Ansatz (vgl. hierzu Huneke/ Steinig 2013, 199-215). Nur diejenige Grammatik wird vermittelt, die notwendig ist, damit Schülerinnen und Schüler in der jeweiligen Kommunikationssituation rezeptiv oder produktiv mündlich oder schriftlich sprachhandeln können. Das Konzept eines integrativen Sprachenunterrichts verlangt also eine inhaltliche Vernetzung der Grammatik- und Wortschatzarbeit mit den übergeordneten Kompetenzbereichen „Hören“, „Sprechen“, „Lesen“ und „Schreiben“ (vgl. Kühn 2010). Gerade der Erfolg beim Sprechen und Zuhören beruht immer auch auf grammatischen und lexikalischen Fähigkeiten (vgl. Steinhoff 2009). Ein Blick in die Fremdsprachendidaktik (z. B. Huneke/ Steinig 2013) kann demnach durchaus Anregungen für den Deutschunterricht liefern. Es sollte aber immer bedacht werden, dass der Fremdsprachenunterricht vor allem auf die praktische Kommunikationsfähigkeit im Alltag abzielt. Die Bildungsstandards für das Fach Deutsch gehen darüber hinaus, wie wir im Folgenden darlegen werden. 1.3 Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch Für den Bereich der Grundschulen und weiterführenden Schulen haben die Kultusminister der Bundesländer im Anschluss an die erste PISA-Studie der OECD 2000 Bildungsstandards für das Fach Deutsch erlassen. In diesen Bildungsstandards wird festgelegt, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler in einer bestimmten Schulform zu einem spezifischen Ausbildungsabschnitt erwerben sollen. Bildungsstandards beschreiben somit schulisch erwünschte Lernergebnisse. Im Zentrum der Bildungsstandards Deutsch steht ein Kompetenzmodell: Die Zusammenstellung der Kompetenzen erfolgt in Bezug auf bestimmte Kompetenzbereiche, die interdependent miteinander zusammenhängen: „Sprechen und Zuhören“, „Schreiben“, „Lesen - mit Texten und Medien umgehen“ und „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ (vgl. KMK 2005); „Methoden und Arbeitstechniken“ sind in diese Kompetenzbereiche integriert: 14 1 Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben Abb. 2: Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch Die Kompetenzbereiche sind im Sinne eines integrativen Deutschunterrichts in unterschiedlicher Weise aufeinander bezogen. Zunächst einmal wird der Bereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ in Beziehung zu jedem der drei anderen Bereiche gebracht. Dies bedeutet grundsätzlich, dass die Arbeit an der Sprache und dem Sprachgebrauch funktional auf das Sprechen und Zuhören, das Schreiben sowie das Lesen bezogen werden muss. Integriert in die zentralen Kompetenzbereiche sind zudem spezifische Methoden- und Arbeitstechniken. Schließlich können im Sinne eines vernetzten Deutschunterrichtes aber auch die drei zentralen Kompetenzbereiche „Sprechen und Zuhören“, „Schreiben“ und „Lesen - mit Texten und Medien umgehen“ miteinander verknüpft werden. Das Kompetenzmodell zielt folglich auf ein vernetztes Lernen. Die Bildungsstandards verstehen sich als abschlussbezogene Regelstandards und wollen damit die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems sichern. Das Modell bietet durchaus Gestaltungsmöglichkeiten bei der Festlegung von Lehrplänen und der konkreten unterrichtlichen Arbeit. Inzwischen haben alle Bundesländer die Bildungsstandards in Rahmen- oder Kernlehrpläne überführt. Die Vorstellung von Beispielaufgaben (vgl. z. B. durch das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen [IQB]) sowie die Implementierung von Leistungsüberprüfungen (z. B. VERA) haben wesentlich zu einer weitgehenden Durchsetzung und Akzeptanz der Bildungsstandards beigetragen. An dieser Stelle können Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Konzepte des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens und der Bildungsstandards Sprachen nur knapp angerissen werden. Es gibt inzwischen eine ausführliche bildungspolitische (Kissling/ Klein 2011), bildungswissenschaftliche (z. B. Bildungsstandards 2004) sowie fachdidaktische Diskussion (vgl. z. B. Lehmann o. J.) der Bildungsstandards sowie auch Vergleiche zwischen den beiden Konzeptionen (vgl. z. B. Schneider 2005). Im Unterschied zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen werden in den Bildungsstandards Deutsch auch Kompetenzen gefordert, die nicht nur auf eine kompetente Sprachverwendung abzielen, sondern zudem auch Reflexion und eigenständige Bewertung des eigenen und fremden Sprachverhaltens umfassen. Sprache und Sprachgebrauch untersuchen Sprechen und Zuhören Schreiben Lesen - mit Texten und Medien umgehen Methoden und Arbeitstechniken werden jeweils im Zusammenhang mit den Inhalten jedes einzelnen Kompetenzbereichs erworben 15 1.3 Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch Gleichwohl haben das Konzept des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens und das der Bildungsstandards Deutsch vieles gemeinsam: Zentraler Bezugspunkt ist die grundsätzliche Orientierung auf die kommunikativen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den Bereichen des Hörens, Lesens, Sprechens und Schreibens. Alles andere - vom Wortschatz und der Grammatik bis hin zu den Unterrichtsmethoden - ist dieser Zielsetzung untergeordnet. Auf einen wichtigen Unterschied wollen wir an dieser Stelle aber hinweisen: In den Fremdsprachendidaktiken wird konsequent zwischen dem rezeptiven Hörverstehen und dem produktiven Sprechen differenziert. In den Bildungsstandards Deutsch werden „Hören“ und „Sprechen“ hingegen unter dem Rubrum „Sprechen und Zuhören“ zusammengeführt. Die Reduktion des Hörverstehens auf „Zuhören“ wird der Vielfalt dieses Kompetenzbereichs jedoch nicht gerecht (vgl. Kapitel 6). „Hörverstehen“ wird in den Bildungsstandards Deutsch nicht als selbständige, zentrale Kompetenz betrachtet, obwohl es in Alltag und Unterricht eine so große Rolle spielt. Schülerinnen und Schüler sind ständig mit einer Vielzahl von Hör- und Hör-Seh-Texten konfrontiert, die sie rezeptiv verarbeiten sowie produktiv weiterverarbeiten müssen: Sie schauen sich Fernsehsendungen und Filme an, sie hören Musik auf dem Smartphone, sie schauen sich Videos auf Youtube an, sie nutzen Netflix, um Filme und Serien zu sehen. Im Unterricht hören sie Referaten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zu oder auch dem Lehrervortrag. Wir wollen im Folgenden genauer untersuchen, wie der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch dargestellt wird. 17 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch In den Bildungsstandards Deutsch wird zunächst die Bedeutung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ herausgestellt. Der Mündlichkeit wird grundsätzlich ein wichtiger Stellenwert eingeräumt: Die mündliche Sprache ist ein zentrales Mittel aller schulischen und außerschulischen Kommunikation. Sprechen ist immer auch soziales Handeln (Bildungsstandards Primarbereich 2005, 8). Kompetenzen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ gelten als Schlüsselqualifikationen im beruflichen und sozialen Alltag sowie als Voraussetzung für schulischen Erfolg. Im Unterricht spielt das „Sprechen und Zuhören“ insofern eine zentrale Rolle, als es in jedem Fach „Medium des Lernens“ ist (Bildungsstandards Primarbereich 2005, 6). Dem Deutschunterricht kommt aber eine zentrale Rolle bei der Förderung von „Sprechen und Zuhören“ zu, da die deutsche Sprache vom didaktischen Grundverständnis her „Medium, Gegenstand und Unterrichtsprinzip zugleich“ ist (Bildungsstandards Mittlerer Bildungsabschluss 2005, 6). Ziel des Deutschunterrichts ist, dass die Schülerinnen und Schüler „kommunikative Situationen in persönlichen, beruflichen und öffentlichen Zusammenhängen situationsangemessen und adressatengerecht“ bewältigen“ (Bildungsstandards Mittler Schulabschluss 2005, 8). Mit Bezug auf die Kompetenzvermittlung nennen die Bildungsstandards folgende Ziele (Bildungsstandards Primarbereich 2005, 8; Bildungsstandards Mittlerer Abschluss 2005, 8): ▶ die Entwicklung einer demokratischen, respektvollen Gesprächskultur, ▶ die Erweiterung der mündlichen Sprachhandlungskompetenz in Alltag und Schule, ▶ die Ausdrucksfähigkeit von Gedanken und Gefühlen, ▶ das situations- und zuhörerangemessene Sprechen und Formulieren sowie das aufmerksame Zuhören, ▶ die konstruktive Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Äußerungen. 2.1 Die Modellierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ In den Bildungsstandards Deutsch für den Primärbereich (2005) werden als eingeordnete Teilkompetenzen „Gespräche führen“, „zu anderen sprechen“, „verstehend zuhören“, „szenisch spielen“ und „über Lernen sprechen“ angeführt; diese werden in weitere Kompetenzen subspezifiziert: 18 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch Abb. 1: Differenzierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch für den Primärbereich (2005, 9 f.) 3 Standards für die Kompetenzbereiche des Faches Deutsch 3.1 Sprechen und Zuhören Gespräche führen ▶ sich an Gesprächen beteiligen, ▶ gemeinsam entwickelte Gesprächsregeln beachten: z.B. andere zu Ende sprechen lassen, auf Gesprächsbeiträge anderer eingehen, beim Thema bleiben, ▶ Anliegen und Konflikte gemeinsam mit anderen diskutieren und klären. zu anderen sprechen ▶ an der gesprochenen Standardsprache orientiert und artikuliert sprechen, ▶ Wirkungen der Redeweise kennen und beachten, ▶ funktionsangemessen sprechen: erzählen, informieren, argumentieren, appellieren, ▶ Sprechbeiträge und Gespräche situationsangemessen planen. verstehend zuhören ▶ Inhalte zuhörend verstehen, ▶ gezielt nachfragen, ▶ Verstehen und Nicht-Verstehen zum Ausdruck bringen. szenisch spielen ▶ Perspektiven einnehmen, ▶ sich in eine Rolle hineinversetzen und sie gestalten, ▶ Situationen in verschiedenen Spielformen szenisch entfalten. über Lernen sprechen ▶ Beobachtungen wiedergeben, ▶ Sachverhalte beschreiben, ▶ Begründungen und Erklärungen geben, ▶ Lernergebnisse präsentieren und dabei Fachbegriffe benutzen, ▶ über Lernerfahrungen sprechen und andere in ihren Lernprozessen unterstützen. 19 2.1 Die Modellierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ Ähnlich wird der Kompetenzbereich in den Bildungsstandards Deutsch für den Mittleren Schulabschluss (2005) konzeptionalisiert: 3 Standards für die Kompetenzbereiche im Fach Deutsch 3.1 Sprechen und Zuhören zu anderen sprechen ▶ sich artikuliert, verständlich, sach- und situationsangemessen äußern, ▶ über einen umfangreichen und differenzierten Wortschatz verfügen, ▶ verschiedene Formen mündlicher Darstellung unterscheiden und anwenden, insbesondere erzählen, berichten, informieren, beschreiben, schildern, appellieren, argumentieren, erörtern, ▶ Wirkungen der Redeweise kennen, beachten und situationssowie adressatengerecht anwenden: Lautstärke, Betonung, Sprechtempo, Klangfarbe, Stimmführung; Körpersprache (Gestik, Mimik), ▶ unterschiedliche Sprechsituationen gestalten, insbesondere Vorstellungsgespräch / Bewerbungsgespräch; Antragstellung, Beschwerde, Entschuldigung; Gesprächsleitung. vor anderen sprechen ▶ Texte sinngebend und gestaltend vorlesen und (frei) vortragen, ▶ längere freie Redebeiträge leisten, Kurzdarstellungen und Referate frei vortragen: ggf. mit Hilfe eines Stichwortzettels / einer Gliederung, ▶ verschiedene Medien für die Darstellung von Sachverhalten nutzen (Präsentationstechniken): z.B. Tafel, Folie, Plakat, Moderationskarten. mit anderen sprechen ▶ sich konstruktiv an einem Gespräch beteiligen, ▶ durch gezieltes Fragen notwendige Informationen beschaffen, ▶ Gesprächsregeln einhalten, ▶ die eigene Meinung begründet und nachvollziehbar vertreten, ▶ auf Gegenpositionen sachlich und argumentierend eingehen, ▶ kriterienorientiert das eigene Gesprächsverhalten und das anderer beobachten, reflektieren und bewerten. verstehend zuhören ▶ Gesprächsbeiträge anderer verfolgen und aufnehmen, ▶ wesentliche Aussagen aus umfangreichen gesprochenen Texten verstehen, diese Informationen sichern und wiedergeben, 20 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch ▶ Aufmerksamkeit für verbale und nonverbale Äußerungen (z.B. Stimmführung, Körpersprache) entwickeln. szenisch spielen ▶ eigene Erlebnisse, Haltungen, Situationen szenisch darstellen, ▶ Texte (medial unterschiedlich vermittelt) szenisch gestalten. Methoden und Arbeitstechniken ▶ verschiedene Gesprächsformen praktizieren, z.B. Dialoge, Streitgespräche, Diskussionen, Rollendiskussionen, Debatten vorbereiten und durchführen, ▶ Gesprächsformen moderieren, leiten, beobachten, reflektieren, ▶ Redestrategien einsetzen: z.B. Fünfsatz, Anknüpfungen formulieren, rhetorische Mittel verwenden, ▶ sich gezielt sachgerechte Stichwörter aufschreiben, ▶ eine Mitschrift anfertigen, ▶ Notizen selbstständig strukturieren und Notizen zur Reproduktion des Gehörten nutzen, dabei sachlogische sprachliche Verknüpfungen herstellen, ▶ Video-Feedback nutzen, ▶ Portfolio (Sammlung und Vereinbarungen über Gesprächsregeln, Kriterienlisten, Stichwortkonzepte, Selbsteinschätzungen, Beobachtungsbögen von anderen, vereinbarte Lernziele etc.) nutzen. Abb. 2: Differenzierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch für den Mittleren Bildungsabschluss (2005, 10 f.) Als Teilkompetenzen werden rubriziert: „zu anderen sprechen“, „vor anderen sprechen“, „mit anderen sprechen“, „verstehend zuhören“ sowie „szenisch spielen“ mit entsprechenden Subkompetenzen. In den zugeordneten „Methoden und Arbeitstechniken“ finden sich weitere Kompetenzen: „verschiedene Gesprächsformen praktizieren“, „Gesprächsformen moderieren, leiten, beobachten, reflektieren“, „Redestrategien einsetzen“, „Stichwörter aufschreiben“ und „eine Mitschrift anfertigen“, „Video-Feedback nutzen“. Die Ausführungen in den Bildungsstandards Deutsch für den Kommunikationsbereich „Sprechen und Zuhören“ setzen dabei durchaus neue Akzente: ▶ Mit der Bezeichnung „Sprechen und Zuhören“ wird zum einen die Kompetenzorientierung hervorgehoben, zum anderen wird deutlich, dass das Sprechen mit dem (Zu) Hören korrespondiert. Sprechen ist kein Selbstzweck, sondern immer adressatenbezogen. „Sprechen und Zuhören“ hebt als Terminus den Gesprächscharakter hervor. Die 21 2.2 Ungereimtheiten in den Bildungsstandards Deutsch Kommunikation ist dialogisch und wechselseitig - Sprecherwechsel sind mit inbegriffen. Der Zuhörer wird als aktiver Gesprächspartner verstanden. ▶ Der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ wird nicht einschränkend auf die Vermittlung artikulatorischer Kompetenzen beschränkt: Sprechen und Zuhören ist vielmehr mündliches Sprachhandeln. Es geht um kommunikative Aufgaben wie MITTEILEN, FRAGEN, ANTWORTEN, VORWERFEN, RECHTFERTIGEN, BERICHTEN, BE- SCHREIBEN, ERZÄHLEN usw. und um die erfolgreiche Teilhabe an den unterschiedlichsten Rede- und Gesprächssituationen (z. B. Vortrag oder Unterrichtsgespräch in der Klasse). ▶ Die Bezeichnungen der Teilkompetenzen (z. B. „zu anderen sprechen“, „vor anderen sprechen“ oder „mit anderen sprechen“) implizieren, dass „Sprechen und Zuhören“ immer situativ eingebettet ist. Hieraus ergibt sich, dass verschiedene Textsorten im Unterricht zu behandeln sind, z. B. Vorstellungsgespräche, Reden, Referate, Vorträge, Lehrer-Schüler-Gespräche, Gespräche im Klassenzimmer, aber auch literarische Texte, beispielsweise Hörbücher, Hörspiele, Dramentexte, Gedichte und Lieder. Positiv herauszustellen ist grundsätzlich, dass die Bildungsstandards versuchen, die Fülle von Teilkompetenzen in eine für den Deutschunterricht richtungsgebende Struktur zu bringen. Bei genauerer Analyse zeigt sich jedoch eine Vielzahl von Ungereimtheiten. 2.2 Ungereimtheiten in den Bildungsstandards Deutsch Vergleicht man die Ausführungen zum „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch für den Primarbereich mit denen in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss, so wird zunächst deutlich, dass der Kompetenzbereich in beiden Fassungen ähnlich modelliert ist. Der Vergleich wird allerdings dadurch erschwert, dass die Teilkompetenzen unterschiedlich bezeichnet und verschiedenen Listen von Einzelkompetenzen zugeordnet werden. Bildungsstandards Deutsch für den Primarbereich Bildungsstandards Deutsch für den Mittleren Schulabschluss a) Gespräche führen a) mit anderen sprechen b) zu anderen sprechen b) zu anderen sprechen c) verstehend zuhören c) verstehend zuhören d) szenisch spielen d) szenisch spielen e) über Lernen sprechen f) vor anderen sprechen Abb. 3: Vergleich der Bildungsstandards Deutsch im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ Problematisch sind vor allem die vielen widersprüchlichen und unklaren Zuordnungen. Hierzu seien einige Beispiele angeführt: 22 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch a) Es deutet sich zunächst eine Einteilung der Kompetenzen nach Sprechsituationen an (vgl. Bildungsstandards Mittlerer Schulababschluss 2005): mit anderen sprechen, zu anderen sprechen, vor anderen sprechen. Die Übernahme einer an der Alltagssprache orientierten Einteilung ist jedoch nicht unproblematisch. Man kann beispielsweise in einem mündlichen Vortrag vor anderen sprechen, aber auch zu anderen sprechen. Zudem wird durch die Auflistung der zugeordneten Einzelkompetenzen nicht deutlich, worin der Unterschied zwischen den Teilkompetenzen „zu anderen sprechen“ oder „mit anderen sprechen“ eigentlich besteht: So ließe sich die Einzelkompetenz „verschiedene Formen mündlicher Darstellung unterscheiden und anwenden, insbesondere erzählen, berichten, informieren, beschreiben, schildern, appellieren, argumentieren, erörtern“ (vgl. „zu anderen sprechen“) auch zur Teilkompetenz „mit anderen sprechen“ zuordnen, da man diese Sprechhandlungen auch in Gesprächen nutzt. b) Insgesamt erscheinen die Zuordnungen der gelisteten Einzelkompetenzen zu den Teilkompetenzen mitunter willkürlich: So wird die Einzelkompetenz „Gesprächsbeiträge anderer verfolgen und aufnehmen“ der Teilkompetenz „verstehend zuhören“ zugewiesen, passt als Einzelkompetenz jedoch auch zu „mit anderen sprechen“, da sich diese Teilkompetenz auf das Führen von Gesprächen bezieht (Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss 2005). c) Häufig handelt es sich bei den aufgelisteten Einzelkompetenzen um Fähigkeiten und Fertigkeiten, die einen unterschiedlichen Komplexitätsgrad aufweisen, was jedoch durch die additive Auflistung unberücksichtigt bleibt. So muss beispielsweise in der Teilkompetenz „mit anderen sprechen“ die Einzelkompetenz „kriterienorientiert das eigene Gesprächsverhalten und das anderer beobachten, reflektieren und bewerten“ als komplexer angesehen werden als „durch gezieltes Fragen notwendige Informationen beschaffen“. Zudem ist die Reflexion und Bewertung des eigenen und fremden Sprechens eine Fähigkeit, die auch für alle anderen Teilkompetenzen von zentraler Bedeutung ist. d) Die Teilkompetenz „verstehend zuhören“ ist in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2005) besonders problematisch modelliert, sie belegt einmal mehr den Mangel an wissenschaftlicher und didaktischer Reflexion: Abb. 4: Teilkompetenz „verstehend zuhören“ in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2005, 10) In dieser Einzelkompetenz sind in additiver Auflistung zwei zentrale Kompetenzen „versteckt“: Zum einen die Kompetenz des aktiven Zuhörens in Gesprächen - „Gesprächsverstehend zuhören ▶ Gesprächsbeiträge anderer verfolgen und aufnehmen, ▶ wesentliche Aussagen aus umfangreichen gesprochenen Texten verstehen, diese Informationen sichern und wiedergeben, ▶ Aufmerksamkeit für verbale und nonverbale Äußerungen (z.B. Stimmführung, Körpersprache) entwickeln. 23 2.2 Ungereimtheiten in den Bildungsstandards Deutsch beiträge anderer verfolgen und aufnehmen“, „Aufmerksamkeit für verbale und nonverbale Äußerungen (z. B. Stimmführung, Körpersprache) entwickeln“ -, zum anderen die zentrale Kompetenz des Hörverstehens: „wesentliche Aussagen aus umfangreichen gesprochenen Texten verstehen, diese Informationen sichern und wiedergeben“. Hierbei wird die Relevanz des Hörverstehens aber völlig unterschätzt: Wie wir gesehen haben (vgl. Kapitel 1.2 und 1.3) gehört das „Hörverstehen“ neben dem „Leseverstehen“, dem „Sprechen“ und dem „Schreiben“ zu den zentralen Kompetenzbereichen des Deutschunterrichts. Hier wird dieser selbständige Kompetenzbereich nur knapp angerissen und auf die Informationsentnahme und Textwiedergabe reduziert (vgl. dagegen Kapitel 6). e) Die Teilkompetenz „szenisch spielen“ fällt als letztgenannte Kompetenz insofern aus der Reihe, als es sich im strengen Sinne um eine Methode handelt. Schülerinnen und Schüler lernen entweder ihre eigenen Erlebnisse, Gedanken und Haltungen auszudrücken oder aber literarische Texte durch szenische Gestaltung zu interpretieren. Während andere Methoden (z. B. Rollendiskussionen, Fünfsatz-Argumentation oder eine Mitschrift anfertigen) zu den „Methoden und Arbeitstechniken“ gestellt werden, erhält die Teilkompetenz „szenisch spielen“ einen prominenten Platz, ohne dass dies begründet würde (zur Einordnung des Rollenspiels vgl. Kapitel 5.4). f) Es ist nicht einsichtig, warum die Teilkompetenz „über Lernen sprechen“ nur in den Bildungsstandards für den Primarbereich aufgenommen ist. Genauso unverständlich bleibt, warum die Teilkompetenz „vor anderen sprechen“ lediglich in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss erscheint und demnach als unwichtig für die Gesprächskompetenz von Primarschülerinnen und -schülern erachtet wird. g) Schließlich sei kritisch angemerkt, dass keine Hierarchisierung und Zuordnung der Teilkompetenzen in den Bildungsstandards vorgenommen werden. Fazit: Die Modellierung der Standards im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ ist eigentlich enttäuschend. Es fehlt an einer schlüssigen Systematik und an exakten, plausiblen Zuordnungen. Der Kompetenzbereich spiegelt nicht die aktuelle deutschdidaktische Diskussion seit der Jahrtausendwende wider (vgl. Kapitel 3). Bei vereinzelten Formulierungen der Bildungsstandards scheinen indes traditionelle Didaktikpositionen durchzuschimmern: So geht das „sinngebende und gestaltende“ Vorlesen auf die Sprecherziehung von Erich Drach (1922/ 1949, 156-184) zurück. Der genannte „Fünfsatz“ in den „Methoden und Arbeitstechniken“ ist eine Argumentationsform der rhetorischen Kommunikation von Hellmut Geißner (1968), ohne dass deren Stellenwert im Kontext des gesamten Kompetenzbereichs deutlich wird. So erscheint die Modellierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ als eine durch Kompromisse zustande gekommene Sammlung traditioneller Positionen und Lerninhalte des Deutschunterrichts. Die teilweise sporadisch wirkende additive Übernahme von Positionen der bisherigen Rede- und Gesprächsdidaktik ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ kein in sich geschlossenes Konzept aufweist. Die in den Bildungsstandards angesprochenen Kompetenzen sind eigentlich nicht neu, 24 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch sie finden sich schon in Didaktiken vor Erscheinen der Bildungsstandards (vgl. z. B. Beisbart/ Marenbach 1975/ 1990, 155-157). An dieser Kritik ändern auch die Versuche nichts, die Bildungsstandards über „gute Aufgaben“ zu illustrieren, um ihre Akzeptanz für die unterrichtliche Umsetzung zu erhöhen (vgl. hierzu Becker-Mrotzek 2008, Behrens/ Eriksson 2009, Krelle/ Neumann 2014). Man gibt vor, dass sich die Leistungserwartungen in diesem Kompetenzbereich „sowohl auf Erfahrungen aus der Schulpraxis als auch auf gängige Theorieannahmen über Mündlichkeit“ beziehen würden. Die Ausführungen erschöpfen sich jedoch in einer vergleichenden Paraphrase der Bildungsstandards. Widersprüche bleiben verdeckt und neuere Ansätze ausgeblendet, wenn beispielsweise davon ausgegangen wird, dass es beim Hörverstehen „um das Erinnern oder das Wiedererkennen“ gehe (so Krelle/ Neumann 2014, 25). Ein Blick über den Tellerrand auf die Hörverstehensdidaktik des fremdsprachlichen Unterrichts hätte sicherlich zu einer theoretischen Fundierung und Schärfung beitragen können (vgl. stellvertretend Solmeke 1993, Dahlhaus 1994, Kühn 1996). Der Ansatz der medialen und konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit (Koch/ Oesterreicher 1994) oder die linguistische Gesprächsanalyse spielen in den Bildungsstandards ebenso wenig eine Rolle wie das konstruktivistische Verstehenskonzept, nach dem sich das Verstehen mündlicher Texte aus einem Wechselspiel konzeptgeleiteter und datenorientierter Prozesse ergibt. Eine theorieorientierte Fundierung des Kompetenzbereichs bleibt durch die Diskussion um „gute Aufgaben“ ausgeklammert: Die Ergebnisse sind dürftig, wenn resümiert wird, dass „gute Aufgaben […] die Interaktivität und Flüchtigkeit von Gesprächen berücksichtigen“ müssen (Becker-Mrotzek 2008, 77). Hervorzuheben ist allerdings, dass in Folge dieser Diskussion die Kategorie des „aktiven Zuhörers“ stärker in den Blick gerät - allerdings vor allem als hierarchieniedrige Kompetenz im Sinne von Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit (vgl. Behrens/ Böhme/ Krelle 2009, Krelle/ Neumann 2014, 32-38). 2.3 Gründe für eine Orientierung an den Bildungsstandards Wenn wir uns im Folgenden dennoch an der Systematik der Bildungsstandards Deutsch orientieren, so hat dies sehr praktische Gründe: ▶ Die Kultusministerien der einzelnen Bundesländer haben die Standards als Grundlage ihrer Kernlehrpläne adaptiert. In der Regel sind dabei die Bezeichnungen für die Kompetenzbereiche sowie die Teilkompetenzen übernommen worden, so dass diese Kompetenzfestlegungen länderübergreifend Gültigkeit besitzen. So werden beispielsweise im Kerncurriculum für die integrierte Gesamtschule (2006, 14) in Niedersachsen folgende Anforderungen für das „Sprechen und Zuhören“ genannt: Schüler und Schülerinnen müssen dabei übergreifend in der Lage sein ▶ zu anderen zu sprechen, um eigene Positionen und Meinungen darzustellen, ▶ vor anderen zu sprechen, Redebeiträge zu gestalten, Referate oder Vorträge zu halten, ▶ mit anderen zu sprechen, in Dialog und Gesprächen zu einem gedanklichen Austausch zu kommen, 25 2.3 Gründe für eine Orientierung an den Bildungsstandards ▶ verstehend zuzuhören, um sowohl im Gespräch mit Partnern als auch in der Auseinandersetzung mit Reden und Vorträgen eine aktive Rolle einzunehmen, ▶ szenisch zu spielen, wodurch ihnen Selbsterfahrungen in der Analyse kommunikativer Situationen ermöglicht werden. Das Beispiel zeigt, dass der Kernlehrplan die Teilkompetenzen zwar übernimmt, jedoch teilweise anders akzentuiert und beschreibt. ▶ Die enge Orientierung an den Bildungsstandards Deutsch gilt auch für die Schulbücher, die auf der Basis der Bildungsstandards und der Kernlehrpläne für die einzelnen Bundesländer genehmigt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer, die sich in diesem Studienbuch über den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ informieren wollen, finden folglich die Systematik ihrer Unterrichtsplanung und ihres Unterrichts hier wieder. ▶ Die Bildungsstandards bilden zudem die Folie für die zahlreichen Lernstandserhebungen in den einzelnen Bundesländern - auch für den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“. Augenblicklich dominieren in den Lernstandserhebungen allerdings Aufgaben zum Hörverstehen. Dies liegt darin begründet, dass Hörverstehenstests standardisiert auswertbar sind. Die übrigen Kompetenzen aus dem Bereich „Sprechen und Zuhören“ spielen augenblicklich in den Lernstandserhebungen keine Rolle. ▶ In den curricularen Standards der Lehrerausbildung an Universitäten und Studienseminaren werden die Bildungsstandards Deutsch ebenfalls reflektiert. Universitäts- und Studienseminare sind thematisch an den zentralen Kompetenzen der Bildungsstandards orientiert. Da die Bildungsstandards demnach als anerkannte Richtschnur in Didaktik und Unterricht dienen, legen wir sie auch unserer Darstellung zu Grunde, um aber - falls es erforderlich ist - über sie hinauszugehen und aktuelle Ansätze zu erörtern. Die Unterrichtsbeispiele, die in diesem Buch kommentiert werden, sollen den (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern Hinweise geben, wie gute Aufgaben im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in der Unterrichtspraxis aussehen könnten. 27 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Die Ansätze und die Geschichte einer Sprech- und Gesprächsdidaktik sind - historisch betrachtet - sehr wechselvoll und durch verschiedenartige Strömungen beeinflusst (vgl. Pabst-Weinschenk 2003, Polz 2009). Die Zeitleiste verdeutlicht die sprunghafte Entwicklung und markiert entscheidende Punkte, die die Herausbildung des Bereichs maßgeblich beeinflusst haben. Rudolf Hildebrand (1867/ 1917) ist der Erste, der aus didaktischer Perspektive der gesprochenen Sprache gegenüber der geschriebenen einen Vorzug einräumt. Theodor Siebs (1898/ 1915) befördert durch die Deutsche Bühnenaussprache eine einheitliche Ausspracheregelung - gewissermaßen als Pendant zum Orthographischen Wörterbuch von Konrad Duden (1880). Bahnbrechend für die Berücksichtigung der gesprochenen Sprache im Deutschunterricht ist Erich Drachs Sprecherziehung (1922) (vgl. Pabst-Weinschenk 1993). In den fünfziger und sechziger Jahren findet die gesprochene Sprache erstmals wieder bei Erika Essen (1956) und Hermann Helmers (1966/ 1970) Berücksichtigung. In den siebziger und achtziger Jahren rückt die Mündlichkeit dann in den Fokus linguistischer, rhetorischer, pragmatischer und didaktischer Strömungen und Ansätze. Die didaktische Kanonisierung der Mündlichkeit erfolgt endgültig in der Diskussion um die Bildungsstandards im Fach Deutsch zur Jahrtausendwende. Abb. 1: Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik 1867 Rudolf Hildebrand „Gesprochene und gehörte Sprache“ 1898 Theodor Siebs „Deutsche Bühnenaussprache“ 1922 Erich Drach „Sprecherziehung“ 1956 Erika Essen „Mündliche Gestaltungslehre“ 1966 Hermann Helmers „Sprecherziehung“ 1973 Hellmut Geißner „Rhetorische Kommunikation“ 1975 Kommunikative Wende „Sprache und Sprechen“ 1980 Linguistische Gesprächsanalyse „Das Gespräch ist eine Grundeinheit menschlicher Rede“ 2003 Bildungsstandards Deutsch „Sprechen und Zuhören“ 28 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik 3.1 Rudolf Hildebrand: „Vom deutschen Sprachunterricht“ Rudolf Hildebrand (1867/ 1917, 6) stellt bereits Mitte des 19. Jahrhunderts für den Sprachunterricht des Deutschen heraus: Das Hauptgewicht im deutschen Unterrichte sollte künftig auf die gesprochene und gehörte Sprache gelegt werden, nicht auf die geschriebene und gesehene. Das Hochdeutsch, als Ziel des Unterrichts, sollte nicht als etwas für sich gelehrt werden, wie ein anderes Latein, sondern im engsten Anschluß an die in der Klasse vorfindliche Volkssprache oder Haussprache. Hildebrand wandte sich explizit gegen das „Dintendeutsch“ (S. 29), die Zeitungssprache und das Schriftdeutsche, in das sich viel „Übel“ eingeschlichen hat (S. 36). Er spricht sich explizit gegen das „jagende Lesen“ (S. 38) bzw. das „stumme tote Augenlesen“ (S. 41) oder „stummes Überlesen“ (S. 43) aus. Die Bevorzugung der gesprochenen gegenüber der geschriebenen Sprache ist für ihn gewissermaßen naturgegeben und kulturpatriotisch sowie sprachpuristisch motiviert. Natürlichkeit, Anschaulichkeit, Sinnhaftigkeit und Bildlichkeit zeigen sich in der gesprochenen Sprache, z. B. in den Redensarten. Aber auf allen Stufen des Unterrichts sind das Ohr und der Mund als Hauptträger der Muttersprache zu behandeln, das Auge und die Hand in die ihnen gebührende Stellung zurück zu verweisen. Das Wort auf dem Papiere darf dem Schüler nur das Kleid sein, das freilich auch geputzt und gereinigt oder sonntäglich werden muß, wie in der Handschrift, so in der Rechtschreibung; aber der Körper des Wortes muß ihm der Klang sein, wie er aus dem Munde in Ohr und Gemüt geht, um diesen seine Seele, den lebendigen Inhalt mitzuteilen, denn dies Bild vom Menschen paßt tief wesentlich, um sich die geheimnisvolle Natur des Wortes klar zu machen (S. 49f.). Hildebrands kulturhistorische Sprachauffassung mit der Herausstellung der gesprochenen Sprache bleibt aber episodisch: Zum einen wird in Didaktik und Schule der Bereich der Mündlichkeit ab 1871 durch die Bemühungen um eine normierende Rechtschreibung und durch den Bezug auf die Schrift verdrängt. Beredtes Zeichen ist Konrad Dudens Orthographisches Wörterbuch von 1880, das als Grundlage für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung angesehen und in Verwaltung und Schule verbindlich eingeführt wurde. Zum anderen führt das zunehmende Aufkommen der Druckmedien gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Favorisierung der Schriftsprache gegenüber der gesprochenen Sprache. Nach Rudolf Hildebrand wird in der didaktischen und unterrichtspraktischen Diskussion der Fokus auf die gesprochene Sprache zugunsten der Schriftsprache aufgegeben. Eine Didaktik der gesprochenen Sprache wird erst wieder in den 1920er Jahren durch Erich Drachs Standardwerk Sprecherziehung. Die Pflege des gesprochenen Wortes (1922) propagiert und ausgearbeitet. Die gesprochene Sprache - insbesondere die Mundarten - gilt gegen Ende des 19. Jahrhunderts „als eine Sprache zweiten Ranges, als eine Sprache der Ungebildeten“ (Hirt 1919, 253). Ab Abb. 2: Dr. Rudolf Hildebrand (1824-1894), Professor für neuere deutsche Literatur und Sprache an der Universität Leipzig 29 3.2 Theodor Siebs: „Deutsche Bühnenaussprache“ 1871 liegt das Augenmerk eindeutig auf der Sprachrichtigkeit - und zwar sowohl im Bereich des Schriftsprachlichen wie auch des Mündlichen. Einen Meilenstein für die korrekte Aussprache bildet dabei die Deutsche Bühnenaussprache von Theodor Siebs (1898). 3.2 Theodor Siebs: „Deutsche Bühnenaussprache“ Zunehmende Beachtung findet die gesprochene Sprache gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Arbeiten des Germanisten Theodor Siebs. In Verbindung mit Fachkollegen und Theaterpraktikern legt Siebs 1898 im Bereich der Hochlautung (Orthoepie) seine Deutsche Bühnenaussprache vor. Der „Siebs“ war lange Zeit maßgebend für die Regelung der deutschen Aussprache. Dieses normative Wörterbuch war ausgerichtet an der norddeutschen Aussprache. Es war die niederdeutsche Schriftsprache, die auf Grund ihrer Lautreinheit als vorbildlich und lautästhetisch empfunden wurde. Dabei gelten folgende Grundsätze (Siebs 1898/ 1915, 10-15): ▶ Es sollen keine neuen Ausspracheregeln „angeordnet, sondern der bestehende Gebrauch soll festgestellt werden; wo sich Unterschiede ergeben, sind sie nach Maßgabe der üblichsten und zweckmäßigsten Aussprache auszugleichen.“ ▶ „Die Schreibung kann niemals Maßstabe für die Aussprache sein. Die Schrift ist gegenüber der Aussprache stets etwas Sekundäres.“ ▶ „Die feste Regelung berücksichtigt nur die ruhige, verstandesmäßige Rede; dem Ausdrucke der Stimmung muß ein gewisser Spielraum gelassen werden.“ ▶ Von den Regelungen ausgeschlossen sind Fälle, in denen beispielsweise der Reim oder der Rhythmus „besondere Abweichungen vom Üblichen fordern.“ Dabei ist der „Siebs“ eindeutig normierend: Wenn auf die Frage: „an welchem Tak? “ im ernsten Drama geantwortet wird: „am Tach vor jenem Siech“ und gar von anderen noch „am Tach“ oder „am Tack“ hinzugefügt wird, so ist dieses Ducheinander für den feiner Empfindenden unerträglich. Es läßt sich nur beseitigen durch Aufstellung fester Regeln, und eine solche ist daher nicht kleinliche Schulmeisterei, sondern eine notwendige Forderung der Kunst und eine willkommene Erleichterung für den Schauspieler, der sich in Zweifelsfällen beraten sieht (S. 4). Die Deutsche Bühnenaussprache gilt fortan als Vorbild für die deutsche Theaterlandschaft und hatte darüber hinaus eine große Wirkung in den Schulunterricht. Nach Theodor Siebs (S. 20) steht zweifelsfrei fest, Abb. 3: Dr. Theodor Siebs (1862-1941), Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Breslau Abb. 4: Ausschnitt aus der Deutschen Bühnenaussprache (1898) 30 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik daß die Schule eine über den Mundarten stehende Aussprache zu pflegen und besonders für den mündlichen Vortrag zu verlangen hat. […] Wir sollten diesen für die Ausbildung des Kindes wichtigen Anspruch keineswegs der Willkür der einzelnen Lehrer preisgeben, von denen der eine vielleicht nur die reine Mundart pflegen, der andere gemäß der Rechtschreibung, der dritte streng nach den Regeln der Bühnenaussprache reden möchte. Die Deutsche Bühnenaussprache wird zur lautnormierenden Richtlinie der sogenannten „Sprecherziehung“, die sich episodisch durch das gesamte 20. Jahrhundert zieht. Hermann Hirt (1919, 283) resümiert: In Schreibung und Aussprache wissen wir jetzt, woran wir uns im Deutschen zu halten haben, und vor allem ist die Schule froh, hier eine Vorschrift zu besitzen, nach der man sich zu richten hat, und die auch erlernt werden kann. Diese orthoepische Orientierung der gesprochenen Sprache auf die Schriftsprache zieht sich fortan wie ein roter Faden durch die Didaktik der Mündlichkeit: noch in den Bildungsstandards Deutsch findet man dazu Belege. Unter „Sprechen und Zuhören“ heißt es: Die Schülerinnen und Schüler „benutzen die Standardsprache“ (Bildungsstandards Mittlerer Schulabschluss 2005, 8; vgl. auch die sprechdidaktische Position bei Hermann Helmers in Kapitel 3.4). 3.3 Erich Drach: „Sprecherziehung“ Im Bereich der Sprachdidaktik hat Erich Drach 1922 die Mündlichkeit als „Sprecherziehung“ in der Schule etabliert. Seine Pflege des gesprochenen Wortes in der Schule hatte den Anspruch, „eine grundsätzliche Fachlehre des Sprechens, eine Sprechkunde, zu schaffen“. Erich Drach will „den Gesamtstoff geordnet, wissenschaftlich vertieft und schulmäßig geformt dem einzelnen Lehrer in die Hand legen“ (Drach 1922/ 1949, 4). Der Schwerpunkt der Sprecherziehung liegt im Bereich der genetisch-artikulatorischen Phonetik („Stimm- und Sprechbildung“, S. 8-90), allerdings Abb. 5: Titelei von Theodor Siebs: Deutsche Bühnenaussprache (11. Auflage. Bonn: Albert Ahn 1915) 31 3.3 Erich Drach: „Sprecherziehung“ erweitert Erich Drach die phonetische Perspektive: Er untersucht den Gebrauch des Sprechens in unterschiedlichen „Sprechlagen“, d. h. Sprechsituationen. Erich Drachs Sprecherziehung mutet aus heutiger Sicht sehr fortschrittlich und pragmatisch an: Sprechlage heißt die Gesamtheit aller derjenigen Voraussetzungen, die dazu führen, daß der Sprecher gerade in dem Augenblick gerade die Worte an gerade den Hörer richtet. In diese Gesamtheit fließen die verschiedensten Teilströme: Was weiß der Sprecher schon von der Angelegenheit? Was will er dem Hörer mitteilen? Was will er ihm etwa verschweigen? In welcher Stimmung ist der Sprecher? Wie stehen die beiden Gesprächspartner menschlich und gesellschaftlich zueinander? Was kann über die Angelegenheit als bekannt oder nicht bekannt vorausgesetzt werden? Welcher sachliche Eindruck, welche Gefühlswirkung, welche Antwort wird von dem Hörer erwartet? Kurzum: Was liegt voraus, aus dem der Satz geboren wird? Im Verlauf einer Rede, eines Gespräches gehört zur Sprechlage jedes neuen Satzes dementsprechend auch alles, was bisher von den beiden Unterrednern über die Sache gesagt wurde. Dieser Begriff der Sprechlage - der tatsächlich vorhandenen oder vorausgesetzten - muß zuerst erfaßt werden (S. 118). Unter sprachpsychologischen Gesichtspunkten ist dabei nicht nur entscheidend, „was man sagt, sondern ebenso stark, ja noch stärker, wie man es sagt. Der hochwertigste Inhalt läßt kalt, wenn er schlecht geredet wird“ (S. 96). Dabei verweist Erich Drach ausdrücklich auf die grundsätzliche Ausrichtung des Sprechens auf den Zuhörer, denn wenn der Sprechschüler von vornherein daran gewöhnt ist, den Stoff nicht rein als solchen zu gestalten und in die leere Luft hinaus zu sprechen, sondern ihn zuhörenden Menschen darzubieten, lernt er es auch rasch, seine Redeweise auf die Art seiner jeweiligen Zuhörer abzustimmen. (S. 99) Erich Drach illustriert seine sprecherzieherischen Grundlagen an zahlreichen Beispielen: Damit der Satz „das Pferd ist schwarz“ als lebendig gesprochene Rede überhaupt nur denkbar werde, müssen immer ausnahmslos irgendwelche Anlässe vorausliegen, die erst erzeugen, daß der Sprecher zum Hörer sich über das betreffende Pferd und seine Farbe äußert. Einmal hat sich der Frager nach der Farbe des Tieres erkundigt und bekommt die Antwort: „das Pferd ist schwarz“. Fragt er etwa in dem dunkeln unübersichtlichen Stall, welches von den Pferden der Rappe sei, so zeigt ihm der Sprecher: „das Pferd ist schwarz“. Und wenn er daran Zweifel ausdrückt, so tönt es ihm entgegen: „das Pferd ist schwarz, ob Sie es nun glauben oder nicht“. Mit anderen Worten: beim Sprechen gibt es keine vereinzelten, voraussetzungslosen, gleichsam vom Himmel gefallenen Sätze wie in der Grammatik. Jeder Satz und jede Rede wird geboren aus einer Sprechlage. (S. 118) Abb. 6: Dr. Erich Drach (1885-1935), Gymnasiallehrer und Lektor für Stimmkunde am Berliner Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht 32 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Erich Drachs Sprecherziehung geht also weit über die Stimm- und Sprechbildung hinaus. Er thematisiert gesprächsanalytische Grundlagen, insbesondere auch des Unterrichtsgesprächs (S. 134-148), die Berücksichtigung von Gestik und Mimik (S. 149-155), er entwirft eine „Leselehre“, verstanden als „Ausdruckslesen“ als das „Sinn verlebendigende Lautlesen“ (S. 156; S. 156- 184), er beschreibt den Vortrag von Gedichten (S. 185-212) sowie Aspekte des chorischen Sprechens (S. 213-225). 3.4 Hermann Helmers: „Mündliche Gestaltungslehre“ Hermann Helmers beruft sich in seinen Schriften auf Theodor Siebs und Erich Drach sowie auf ausgewählte Bearbeitungsphasen der antiken Rhetorik („pronuntatio“ [Betonung] und „memoria“ [Auswendiglernen]). Er verankert in seiner Didaktik der deutschen Sprache (1966/ 1970), der ersten maßgeblichen Didaktik nach dem Zweiten Weltkrieg, die „Sprecherziehung“ als „lautreines und gestaltetes Sprechen“ im Aufgabenfeld „Sprechen“. Helmers’ Sprecherziehung bezieht sich zum einen auf den „Unterricht im lautreinen Sprechen“ und zum anderen auf die „Lehre der mündlichen Darstellungsarten“ (S. 113). Seine didaktischen Ansätze zur gesprochenen Sprache sind sprachsystematisch und schränken die Mündlichkeit auf die Sprechnormierung ein. Es geht Helmers vor allem um ein „differenziertes Sprechverhalten“ (S. 124) bzw. um die Behebung „artikulatorischer Schwächen“ und die Beseitigung von „Fehler-Ecken“ (S. 126). Lediglich für den Bereich des gestalteten Sprechens („mündliche Gestaltungslehre“, S. 132-135) werden von Hermann Helmers unter Rückgriff auf die antike Rhetorik Gesprächs- und Diskussionsformen aufgelistet und kurz erläutert. Grundsätzlich ist aber alles der Sprecherziehung untergeordnet, so soll z. B. die „Lesung […] der Sprecherziehung dienen“ (S. 128). Durch Helmers’ Konzept der Sprecherziehung wurde die Didaktik der Mündlichkeit - im Gegensatz etwa zum Konzept der Sprecherziehung von Erich Drach (1922/ 1949) - einseitig auf den normativen Aspekt des lautreinen Sprechens reduziert. Abb. 7: Titel von Erich Drach: Sprecherziehung (Frankfurt: Diesterweg 1926) 33 3.5 Erika Essen: „Erziehung zur Gesprächsgemeinschaft“ 3.5 Erika Essen: „Erziehung zur Gesprächsgemeinschaft“ Erika Essen (1956) nimmt in ihrer Methodik des Deutschunterrichts kommunikative Konzepte in Anspruch. Sie bezieht sich auf Gespräche und beschreibt diese als „Sprachhandlung“ (Essen 1956/ 1980, 15). Zudem stellt sie die Partnerorientierung von Gesprächen heraus, wenn sie das Gespräch als „Partnerschaft in Sprache“ (S. 15) definiert. Erika Essen argumentiert sprachidealistisch und -pädagogisch: Sie propagiert eine „Spracherziehung“ als „Erziehung des Kindes zur Gesprächsgemeinschaft“ (S. 15) und beschreibt verschiedene Methoden, wie man Schülerinnen und Schüler zu diesem Erziehungsziel hinführen kann. Dabei möchte sich Erika Essen das natürliche Sprachverhalten der jüngeren Schülerinnen und Schüler zunutze machen, denn die Erziehung des Kindes zur Gesprächsgemeinschaft […] greift das kindliche Mitteilungsbedürfnis, das Bedürfnis nach Beziehung zu einem Zuhörer auf und entwickelt alles Sprachverhalten zunächst aus der Beziehung zum Sprechpartner oder auf diese hin […] (S. 15). Der starke Bezug auf den Gesprächspartner gilt dabei auch für die Lehrpersonen, denn im Unterrichtsgespräch sollten diese die „kindliche Eigensprache“ nicht ständig korrigieren, „das Kind soll in seiner eigenen Sprache leben“; auch die Mundart sollte es „nicht als Hemmung, sondern als besonderen Besitz“ empfinden (S. 38f.). Die Handlungsziele sind bei Essen sowohl praktisch-realistisch wie idealistisch formuliert: Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, „wie die Menschen im täglichen Leben in den verschiedenen Lebenslagen miteinander sprechen“ und „wie menschliche Gemeinschaft sich bildet als Miteinander-Sein und Miteinander-Handeln im Bereich der Sprache“ (S. 213). Barbara und Detelf Kochan (1990, 212) kritisieren diese sprach- und gesprächsidealistische Position: Gerade die Meinungsäußerung, auch im Sinne der Wahrnehmung oder gar Durchsetzung eigener Interessen, spielt im kommunikationsorientierten Deutschunterricht heute eine wichtige Rolle, weil er sich u. a. auf die linguistische Pragmatik stützt sowie auf die gesellschaftliche Praxis und das Demokratiegebot einläßt. Die gesprächsethische Funktion bei Erika Essen muss dabei im Entstehungskontext gesehen werden: Das Gespräch wird in den 1950er Jahren als „Träger und Gestalter des sozialen Lebens“ betrachtet (Sandrock 1960, 49) und erhält bei Erika Essen (2002, 204) die Funktion des sozialen Miteinanders, die Gesprächserziehung steht also im Dienste der „Verwirklichung menschlicher Gemeinschaft.“ Diese „Gesprächsgemeinschaft“ bildet den Gegenpol zur gesprächsfeindlichen Zeit des Nationalsozialismus, die als Zwang zum gehörsamen Zuhören und Reagieren gekennzeichnet ist. Abb. 8: Dr. Erika Essen (1914-1986), Honorarprofessorin an der Universität Marburg und Leiterin des Studienseminars für Gymnasien in Marburg 34 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik 3.6 Hellmut Geißner: „Rhetorische Kommunikation“ In den 1960er und 1970er Jahren erfährt die „praktische Rhetorik“ einen Aufschwung. Zum einen wird im Zuge soziolinguistischer Forschungen (vgl. z. B. Basil Bernsteins These vom schichtenspezifischen Sprachgebrauch) der Einfluss sozialer Faktoren auf den mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch hervorgehoben, zum anderen wird in zahlreichen didaktischen Abhandlungen das Wechselverhältnis von Redebefähigung und Demokratie betont (vgl. z. B. Schlotthaus 1971). „Rhetorische Kommunikation und kritische Mündigkeit“ gelten als zwei Seiten einer Medaille, nach dem Motto: „Durch Mündlichkeit zur Mündigkeit“ (Schweinsberg-Reichart 1966). Hellmut Geißner formuliert in seiner „Sprechwissenschaft“ dementsprechend eine „Theorie der rhetorischen Kommunikation“, verstanden als „Theorie des handlungsauslösenden Sprechens“ (Geißner 1973, 10): Gesprächsfähig ist, wer im situativ gesteuerten, personengebundenen, sprachbezogenen, formbestimmten, leibhaft vollzogenen Miteinandersprechen - als Sprecher wie als Hörer - Sinn zu konstituieren vermag, damit das Ziel verwirklicht wird, etwas zur gemeinsamen Sache zu machen, der zugleich imstande ist, sich im Miteinandersprechen und die im Miteinandersprechen gemeinsam gemachte Sache zu verantworten (Geißner 1981, 129). Nur über die kritische Rhetorik kann es gelingen, mündige Bürger gegen die unbedachte Übernahme von Versatzstücken zu immunisieren, damit sie nicht als Angepaßte jener inhumanen „Macht der Rede“ verfallen, die gegen die demokratische Verfassung steht. Rhetorische Kritik intendiert Kritikfähigkeit der Redenden und zwar Kritikfähigkeit im Medium der Rede als dem Medium von Demokratie (Geißner 1973, 20). Die propagierte rhetorische Kommunikation manifestiert sich als Gespräch („Miteinandersprechen“) oder Rede („Zueinanderreden“). Diese kritische Mündlichkeit ist die „Voraussetzung von Demokratie und zugleich Erziehungsziel“: Nicht das Verteilen des Redestroms auf wenigstens zwei Subjekte begründet das Gespräch, sondern daß gefragt wird und geantwortet und daß das Geantwortete wieder in Frage gestellt wird, und nicht nur das Geantwortete, sondern Frager und Antworter selbst (Geißner 1973, 105). Unterschieden werden daher „fragend-antwortendes Miteinandersprechen“ in verschiedenen Gesprächsformen: Personengespräche versus Sachgespräche, Klärungsgespräche versus Streitgespräche oder unmittelbare versus mittelbare Gespräche. Die Ansätze von Hellmut Geißner sind vielfach rezipiert und erweitert worden (vgl. z. B. Pabst-Weinschenk 2004a, 2004b) und haben Eingang in den die Schule gefunden (vgl. z. B. Wagner 2006). Roland W. Wagner (2006) didaktisiert die rhetorischen Grundlagen für den Unterricht (z. B. „Angemessen sicher sprechen“, „Der Körper spricht“ oder „Gut und betont vorlesen“) und gibt auf dieser Basis methodische Hinweise zur „Präsentation“ und „Gesprächsführung“. In der Argumentationsdidaktik erfreut sich das von Geißner (1968) eingebrachte Konzept des rhetorischen Fünfsatzes großer Beliebtheit: Man soll seine Sprech- 35 3.7 Kommunikative Wende im Deutschunterricht intention offenlegen (1), die Fakten klären (2), verdeutlichen, worauf man hinauswill (3), wie man das erreichen kann (4) und woran man appelliert (5). Das Fünfsatzmodell des Argumentierens ist in nahezu allen wissenschaftlichen und populären Argumentationslehren sowie in der Didaktik und Methodik des Argumentierens zum Standard geworden. Die Grundstruktur des Fünfsatzes nach Hellmut Geißner wird in mehreren Formen variiert und lässt sich in unterschiedlicher Weise darstellen, z. B.: Fünfsatz in Frageform Ketten-Fünfsatz mit Ich-Aussagen Problemlösungs-Fünfsatz Ketten-Fünfsatz Warum rede ich? Ich habe bei dem Vorschlag von X kein gutes Gefühl. Untersuchung der augenblicklichen Lage: Fakten Um welchen Sachverhalt geht es? Mir persönlich wäre es in diesem Zusammenhang lieber, wenn ... Untersuchung der Ursachen für das Problem Was folgt für mich daraus? Ich könnte mir vorstellen, dass ... Bestimmung des Zieles: Was soll erreicht, was geändert und / oder gelöst werden? Welche Lösungsmöglichkeiten sehe ich? Unter diesen Umständen bin ich mir sicher, dass wir … Lösungsvorschläge und / oder geeignete Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen Was ist zu tun? / Wie ist das Ganze zu bewerten? Daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir so entscheiden sollten. Aufforderung / Appell, diese Maßnahmen durchzuführen (Zwecksatz) Abb. 9: Fünfsatz als Modell des Argumentierens nach teachSam 3.7 Kommunikative Wende im Deutschunterricht Anfang der 1970er Jahre wendet sich die germanistische Linguistik von der eher sprachsystematischen Analyse der Sprache (z. B. im Zuge der Generativen Transformationsgrammatik von Noam Chomsky) hin zur Pragmatik. Gegenstand der Analysen ist weniger das Sprachsystem, sondern der Sprachgebrauch. Mit Dieter Wunderlichs Aufsatz „Zur Rolle der Pragmatik in der Linguistik“ (1970) bilden vor allem Karl Bühlers Organon-Modell sowie die Ansätze der Sprechakttheorie von John L. Austin (1962/ 1972) und John R. Searle (1969/ 1977) sowie der Handlungstheorie von Jürgen Habermas (1971) die Basis der linguistischen Analysen. Es ist besonders die Rezeption der Sprechakttheorie, die die sogenannte „pragmatische Wende“ in der Linguistik ganz entscheidend vorangebracht hat. Im Zuge soziolinguistischer Ansätze (vgl. z. B. Schlieben-Lange 1991, Hager/ Haberland/ Paris 1973) gerät auch die gesprochene Sprache zunehmend in den Fokus der linguistischen Analysen. Zum einen liegt dabei der Schwerpunkt auf der Fixierung der gesprochenen Sprache in Form von Transkriptionen (vgl. z. B. Texte gesprochener deutscher Standardsprache 1971), zum anderen werden die Merkmale 36 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik der gesprochenen Sprache im Vergleich zur geschriebenen herausgearbeitet (vgl. z. B. Rath 1979, Schwitalla 1997). Merkmale der gesprochenen Sprache Beispiele Apokope (Lautweglassung am Wortende) Synkope (Lautweglassung im Wortinnern) Assimilation Verzögerungssignal (gefüllte Pause) Gliederungspartikel Heckenausdruck Ellipse „Linksherausstellung“ „Rechtsherausstellung“ Satzverschränkung Anakoluth (Satzabbruch) Abbruch und Wiederholung Abbruch und Neuanfang weil, obwohl, wobei, während mit Verbzweitstellung Gliederungssignale Wiederholung Markierung eines Erzählbeginns er is nich gekommen sie wolln gehen wenne zeit has simmer da also ich - äh - glaub das nich da kam der typ auf mich zu, ja, und (ne, gell, woll) er is irgendwie komisch / würde ich sagen x: das reicht mir - y: mir nicht dieses dämliche grinsen / fällt das nicht auf? das war vielleicht was / kaum zu glauben dort denkt er, dass die straße verläuft ich würde schon gerne / das ist doch prima ich will / ich will doch nur / ich will doch nur sagen die steuern sind doch / also die steuergesetze ... gehen wir nach hause, weil es ist doch schon spät und dann riefen die / und dann rannten wir los das ist doch irre / irre ist das / also wirklich irre also, ich fahre gestern in die stadt, da Abb. 10: Merkmale gesprochener Sprache (zusammengestellt bei Steinig/ Huneke 2011, 70 f.) Mit der kommunikativen Wende in der Linguistik erfährt auch die Deutschdidaktik eine pragmatische Ausrichtung, insbesondere im Bereich der Grammatik (vgl. z. B. Boettcher/ Sitta 1978). Ausgangspunkt sind zum einen die Bezüge zu den gesellschaftswissenschaftlichen Diskussionen um Bedürfnisse, Mündigkeit und Kommunikationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, zum anderen erhält die Didaktik wichtige Impulse durch die Untersuchungen zum schichtenspezifischen Sprachgebrauch (Bernstein 1972; in Deutschland z. B. Oevermann 1969, Gutt/ Salffner 1971). Daraus erwächst die Forderung nach einem kompensatorischen Sprachunterricht und nach dessen Scheitern die nach einem emanzipatorischen Sprachunterricht. Gefordert wird eine „Didaktik der sprachlichen Kommunikation“ (Nündel 1983). Diese Didaktik sieht „alle sprachlichen vorgänge, phänomene und beziehungen in erster linie unter dem gesichtspunkt des sprachlichen handelns, also unter der fragestellung: was wird durch sprache bewirkt, und inwiefern ist sprache teil von wirkungszusammenhängen“ (Behr/ Grönwoldt/ Nündel/ Schlotthaus 1975, 74). Unter den Bezeichnungen „Kritischer Deutsch- 37 3.7 Kommunikative Wende im Deutschunterricht unterricht“ (Bremer Kollektiv 1974, Ivo 1969, Müller-Michaelis 1994), „Der kommunikative Deutschunterricht“ (Nündel 1983) oder „Der projektorientierte Deutschunterricht“ (Behr/ Grönwoldt/ Nündel/ Schlotthaus 1975) entstehen fachdidaktische Positionen, die das gemeinsame Ziel haben, sprachliche Defizite der Schülerinnen und Schüler abzubauen und sie zu einem selbstbewussten und situationsangemessenen sozialen und sprachlichen Handeln zu befähigen. Die kommunikative Wende führt auch zu einer Umorientierung und Neuakzentuierung der Mündlichkeit (vgl. Beisbart/ Marenbach 1975, Köhnen 2011, 95). Es wird erörtert, Kommunikationssituationen und Sprechakte didaktisch nutzbar zu machen: Wie sollte man im Unterricht das Sprachverhalten in schulischen und außerschulischen Situationen analysieren? Wie- sollte man einzelne Sprechakte oder ganze Gespräche untersuchen? Welche Inhalte sollten im Bereich der Mündlichkeit im Unterricht vermittelt werden? Es erscheinen Sprachbücher mit pragmatischen Titeln wie z. B. Sprache und Sprechen (Schoeningh 1972), sagen - handeln (Schwann 1974 ff.), Sprechen, Sprache, Handeln (Klett 1974 ff.), Wortwechsel (Klett 1976 ff.), Alltagsszenen (Klett 1979), Situationen (Klett 1978) oder Sprachbücher, in denen es vornehmlich darum geht, die Kommunikationsfähigkeit der Schüler zu fördern. Sprachbücher sind nicht mehr nach Themen geordnet, sondern nach Situationen, Sprechakten oder Sprechaktpaaren, z. B. Sprachbuch (Diesterweg 1976): Schweigen als Kommunikation, In ein Gespräch eingreifen, Ein Gespräch weiterführen, Schimpf- und Reizrede, Sich herausreden, Verweigern, abbrechen von Kommunikation, Formen und Techniken der Diskussion, Informationen einholen, Fragen und Fragetechnik, Behauptungen zurückweisen, richtigstellen, Jemanden trösten, aufmuntern, raten, warnen, Interesse wecken, täuschen usw. Die Schülerinnen und Schüler sollen demnach im Deutschunterricht zum einen Funktionen des Sprechens im gesellschaftlichen Prozess verstehen und zum anderen selbst situationsangemessen und adressatenbezogen sprechen lernen. Diese Wende zur Pragmatik geht einher mit gesellschaftspolitischen und pädagogischen Forderungen: Die Förderung mündlicher Ausdrucks- und Argumentationsfähigkeit schließt eine Erziehung zur Mündigkeit, den Abbau sozialer und sprachlicher Ungleichheit sowie den Aufbau von Toleranz mit ein. Im Bereich des Sprachunterrichts geht es um den schichtenspezifischen Sprachgebrauch sowie um das Problem der Sprachbarrieren (Dialekt als Sprachbarriere) und die Bestrebungen um einen „kompensatorischen Sprachunterricht“. In allen kommunikativen Ansätzen wird das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit thematisiert - immer unter der Perspektive, Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie sie schulische und außerschulische Sprechsituationen reflektieren und bewältigen können. Das folgende Beispiel aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen (5/ 1972, 22 f.) ist für diese sprachdidaktischen Positionen typisch. 38 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Entscheidungen begründen Manche Entscheidungen, die du triffst, lassen sich nur schwer sachlich begründen. Du entscheidest dich gefühlsmäßig oder gründest dein Urteil auf Einstellungen und Vorstellungen, die du durch deine Umwelt gewonnen hast. Auf dem Schulhof Wie es anfing, konnte keiner mehr sagen. Plötzlich fiel der Satz: „Warum müssen die überhaupt mitfahren? “ „Die“ ‒ das sind Achmed und Aynur, Kinder türkischer Arbeitnehmer, und es geht um die Klassenfahrt nach Staffelstein. Meinung steht gegen Meinung: a) Achmed und Aynur gehören doch zu unserer Klasse; deswegen ist es klar, daß sie auch mit auf die Reise gehen. b) Die können das ja gar nicht bezahlen. c) Sie würden sich bestimmt nicht wohl in der ganz fremden Umgebung fühlen. d) Diese Kümmeltürken sollen schön bleiben, wo sie sind. e) Mir ist das völlig egal, ob die mitkommen oder nicht. f) Ich finde die beiden nett. g) Die beiden müßten sonst 14 Tage lang in eine fremde Klasse gehen. h) Aynur hat doch aber so schöne braune Augen! i) Schämen müßten wir uns, mit denen durch die Gegend zu ziehen. j) Wenn wir schon den Fraß unterwegs ertragen müssen, warum soll es denen erspart bleiben? k) Ich finde, Achmed und Aynur sollen auch etwas von Deutschland kennenlernen. l) Sie haben selbst gesagt, sie möchten nicht mit auf die Klassenreise gehen. m) Die sollten die 14 Tage besser dazu verwenden, vernünftig Deutsch zu lernen. Welche Meinung hältst du für eine Zustimmung und welche für eine Ablehnung? Zeichne für Zustimmung ein +, für Ablehnung einen — in die Kästchen. Wenn du weder Zustimmung noch Ablehnung erkennen kannst, benutze eine 0! a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) □ Welche Begründungen hältst du für stichhaltig? a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) □ In welchen Begründungen kommt persönliche Zu- oder Abneigung zum Ausdruck? a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) □ Welche Vorurteile kannst du feststellen? Kannst du auch sagen, welche Wendungen besonders diskriminierend sind? Abb. 11: Aufgabe aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen (5/ 1972, 22 f.) 39 3.7 Kommunikative Wende im Deutschunterricht Kurzkommentar Die Autorinnen und Autoren des Sprachbuchs Sprache und Sprechen vertreten einen konsequent kommunikativen Ansatz. Zum einen sind Konzept, Aufbau und Kapitel des Sprachbuchs sprachhandlungsbezogen: Im vorliegenden Beispiel sollen die Schüler dazu angeleitet werden, eigene Entscheidungen zu begründen bzw. Begründungen zu reflektieren. Es geht insbesondere darum, eigene Begründungen und die Begründungen anderer sprachkritisch zu bewerten. Zum anderen sind Texte und Aufgaben situationsbezogen - insbesondere auch im Hinblick auf den situativen Gebrauch des Mündlichen. Im vorliegenden Fall geht es um ein Konfliktgespräch zwischen Schülern auf dem Schulhof: Dreizehn Schüler äußern ihre Meinung darüber, ob Achmed und Aynur, zwei Kinder einer türkischen Arbeitnehmerfamilie, an einer Klassenfahrt teilnehmen sollen (vgl. a) bis m)). „Meinung steht gegen Meinung“. Thematisiert wird ein „klassisches“ Diskriminierungsproblem, das für die Integration der „Gastarbeiter“ zu Beginn der 1970er Jahre typisch ist: es geht um Meinungen, Vorurteile und rassistische Äußerungen gegenüber „Gastarbeiter“-Kindern (z. B. „b) Die können das ja gar nicht bezahlen. m) Die sollten die 14 Tage besser dazu verwenden, vernünftig Deutsch zu lernen. d) Diese Kümmeltürken sollen schön bleiben, wo sie sind.“). Simuliert wird die gesprochene Sprache, z. B. durch die Verwendung von Modalpartikeln (doch, ja, bestimmt), „Verstärker“ (völlig, besser) oder konnotierte Wörter (Kümmeltürken, schöne braune Augen, Fraß), die die Intentionen der Sprecher und die Orientierung auf die Zuhörer verstärken. Die Aufgaben zu dieser Gesprächssituation sind sprachkritisch konzipiert: Zunächst sollen die Schülermeinungen nach drei Kriterien bewertet werden. Zum einen danach, welcher Meinung man zustimmt und welche man ablehnt („Welche Meinung hältst du für eine Zustimmung und welche für eine Ablehnung? “), zum anderen welche Meinung man als Begründung akzeptabel findet („Welche Begründungen hältst du für stichhaltig? “) und schließlich, in welchen Meinungen persönliche „Abneigungen“ oder „Zuneigungen“ zum Ausdruck kommen. Auf einer eher abstrahierenden Ebene sollen die Schüler dann herausfinden, welche Vorurteile hinter bestimmten Äußerungen stehen (z. B. Negativ-Stigma in i) oder naiv-persönliche Bewertung des fremdländischen Aussehens in h)). Mit der letzten Aufgabe („Kannst du auch sagen, welche Wendungen besonders diskriminierend sind“) geht es um das Bewusstmachen sprachlicher Diskriminierungen im Sinne der political correctness (vgl. z. B. Tabuwörter bzw. Schimpfwörter wie Kümmeltürke). Texte und Aufgaben aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen stehen damit auch im Dienst einer interkulturellen Didaktik, wie sie in den 1970er Jahren konzipiert wurde. Gefördert werden soll ein Sprachverhalten, das der Integration und dem Respekt vor fremden Menschen und Kulturen dient. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei ihr eigenes Sprachhandeln und das ihrer Mitschüler im Hinblick auf stereotype und diskriminierende Wertungen einschätzen und reflektieren. Forschungen innerhalb der kommunikativen Didaktik zielen in zwei Richtungen: Zum einen wird untersucht, welche Formen „mündlichen Sprachgebrauchs“ während des Unterrichts stattfinden; die Unterrichtskommunikation wird somit selbst zum Unterrichtsgegenstand - inklusive der sogenannten „Nebenkommunikation“ (vgl. dazu Baur- 40 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik mann/ Cherubim/ Rehbock 1981). Zum anderen geht es um die methodische Umsetzung und Vermittlung verschiedener Formen mündlicher Kommunikation, also um die Frage, wie Gesprächs- und Redefähigkeit im Unterricht entwickelt werden können. Die pragmatische Wende führt auch dazu, dass das Rollenspiel als Methode zur Förderung der Gesprächskompetenz besondere Beachtung findet - nicht nur zur Entwicklung des dialogischen Sprechens, sondern auch zur Förderung einer kritischen, selbstbewussten und emanzipierten Gesprächsfähigkeit (Kochan 1974/ 1981). Ärger wegen der langen Haare Heiko will aber seine Frisur behalten. Spielt diese Szene weiter! Abb. 12: Rollenspiel-Aufgabe aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen (5/ 1972, 26) Die didaktische Hervorhebung der Mündlichkeit im Zuge der kommunikativen Wende hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Mündlichkeit zur „vierten Säule des Deutschunterrichts“ geworden ist (Mihm 1975, 84). Jürgen Baurmann (1984) bestätigt diese Wertschätzung der mündlichen Kommunikation aus der Praxis: Die Mehrzahl der Deutschlehrenden schätzt in den 1980er Jahren die Bedeutung der mündlichen Sprachkompetenz als hoch ein. Trotzdem ebbt das Interesse an der Mündlichkeit bald wieder ab. Dies mag u. a. auch an der teilweise starken politischen Ausrichtung vieler pragmatischer Ansätze liegen (vgl. Berthold 2003, 154). So ist es nicht verwunderlich, dass in den 90er Jahren beklagt wird, dass „die 41 3.8 Linguistische Gesprächsanalyse systematische Schulung der mündlich-kommunikativen Kompetenz vernachlässigt“ wird (Lüdin 1996, 35). Die Geschichte der Sprech- und Gesprächsdidaktik in der DDR ist durch zwei Entwicklungsstränge geprägt (vgl. dazu genauer Polz 2009, 16 f.). Im Anschluss an die Arbeiten von Erich Drach wird das Konzept des „gestaltenden Sprechens“ ausgearbeitet (vgl. hierzu Ertmer 1996) und 1982 für den Lehrplan als eigenständiger Lehrgang „Mündliches Darstellen“ eingeführt (Heidrich 1978, Heidrich 1981). Die Rezeption der „rhetorischen Kommunikation“ sowie der Sprechakttheorie führt zur Herausbildung einer „sprechsprachlichen Kommunikation“, die in den ideologischen Dienst der sozialistischen Gesellschaft gestellt wird (vgl. z. B. Rede, Gespräch, Diskussion 1979). 3.8 Linguistische Gesprächsanalyse Die Ansätze und Konzepte der Kommunikationspsychologie und der Kommunikationsethik sowie die der linguistischen Konversations- und Gesprächsforschung haben zu Beginn der 1980er Jahre zur Ausformulierung einer didaktischen Gesprächsförderung geführt (vgl. dazu genauer Kapitel 5.3.1). Kommunikationspsychologisch hat sich die Forschung insbesondere auf das Organon-Modell von Karl Bühler sowie die Kommunikationsaxiome von Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson (1967/ 2011) bezogen. Für Karl Bühler ist die Sprache Organon, ein Werkzeug, mit dessen Hilfe in der Kommunikation nicht allein Schallwellen produziert werden, vielmehr findet zwischen Sender und Empfänger Kommunikation statt. Dabei unterscheidet Karl Bühler drei Funktionen: Abb. 13: Organon-Modell der Sprache von Karl Bühler (1978, 28) 42 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik ▶ Sprachliche Zeichen sind immer Symbole für Personen, Gegenstände oder Sachverhalte. Es geht um die Beziehung zwischen Zeichen und Objekten. Die Informationsfunktion steht im Vordergrund. ▶ Das sprachliche Zeichen sagt auch immer etwas über den Sender aus. Bühler spricht hier von der Ausdrucksfunktion. Ein Zeichen ist insofern Symptom für den Sprecher, da dieser immer etwas von sich preisgibt, z. B. Meinungen, Einstellungen oder Gefühle. ▶ Da sich der Sender mit den Zeichen immer an einen Empfänger richtet, sind sie für diesen auch immer Signale. Zeichen besitzen eine Appellfunktion, da sie beim Empfänger etwas auslösen sollen. In einer konkreten Kommunikationssituation sind in der Regel alle drei Funktionen beteiligt. Jedoch wird eine von ihnen meist als vordergründig angesehen. Die Kommunikation lässt sich aber nur dann korrekt verstehen, wenn alle drei Funktionen berücksichtigt werden. Karl Bühlers Organon-Modell wird zum Bezugspunkt und Ausgangspunkt vieler Kommunikationsmodelle. So erweitert und illustriert beispielsweise Friedemann Schulz von Thun (2007, 15) Bühlers Modell in seinem bekannten „Vier-Ohren-Modell“: Abb. 14: Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun (2007, 15) Eine Äußerung ist vierfach wirksam, denn jede Äußerung enthält willentlich oder unwillentlich vier Botschaften gleichzeitig: 1. einen Sachinhalt, d. h. eine Sachinformation (worüber ich informiere), 2. eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe), 3. einen Beziehungshinweis (was ich von meinem Gegenüber halte und wie ich zu ihm stehe), 4. einen Appell (was ich bei meinem Gegenüber erreichen möchte). Die Äußerung entstammt dabei den „vier Schnäbeln“ des Senders und trifft auf die „vier Ohren“ des Empfängers. Sowohl Sender als auch Empfänger sind für die Qualität der Kommunikation verantwortlich, wobei die unmissverständliche Kommunikation der Idealfall ist und nicht die Regel. 43 3.8 Linguistische Gesprächsanalyse Einen weiteren wichtigen kommunikationspsychologischen Ansatz bilden die pragmatischen Axiome von Paul Watzlawick (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1967), die als Grundregeln die menschliche Kommunikation erklären. ▶ Man kann nicht nicht kommunizieren. ▶ Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt. ▶ Kommunikation zielt auf Ursache und Wirkung. ▶ Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten. ▶ Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär. Schließlich werden auch die kommunikationsethischen Prinzipien von Herbert Paul Grice (1975) immer wieder herangezogen, die auf ein kooperatives Verhältnis zwischen den Kommunikationspartnern abzielen. Das grundlegende Kooperationsprinzip soll garantieren, dass Gesprächsbeiträge jeweils so gestaltet sein sollen, dass sie dem akzeptierten Gesprächszweck angemessen sind. Zur Realisierung dieses Prinzips geht Herbert Paul Grice von vier Maximen aus: Gesprächsbeiträge sollen so informativ wie nötig (Maxime der Quantität), sie sollten wahr (Maxime der Qualität), relevant (Maxime der Relation) und klar strukturiert (Maxime der Modalität) sein. 1. Maxime der Quantität 1.1 Mache deinen Beitrag so informativ wie nötig. 1.2 Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig. 2. Maxime der Qualität 2.1 Sag nichts, was du für falsch hältst. 2.2 Sag nichts, wofür du keine gute Rechtfertigung hast. 3. Maxime der Relevanz 3.1 Sei relevant! Sag nur, was zum gegenwärtigen Thema gehört 4. Maxime der Art und Weise 4.1 Vermeide unklare Ausdrucksweise. 4.2 Vermeide Vagheit. 4.3 Fasse dich kurz (ohne Umschweife). 4.4 Sprich geordnet. Abb. 15: Konversationsmaximen nach Herbert Paul Grice (1975) Die skizzierten Kommunikationsmodelle gehören inzwischen zum Basiswissen des Linguistikstudiums. Sie haben teilweise im Sinne einer Abbilddidaktik sogar Eingang in Sprachbücher gefunden, insbesondere in die der gymnasialen Oberstufe. Das folgende Beispiel stammt aus einem Sprachbuch für berufsbildende Schulen (Schröer/ Dauenhauer 1974, 66 f.) und bezieht sich auf die Sprechakttheorie, insbesondere auf die sogenannten Bedingungen des Glückens: 44 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik 3.3. Sprachbeschreibung auf Satzebene 3.3.1. Der Satz als Ausdruck einer Sprechhandlung 3.3.1.1. Bedingungen einer erfolgreichen Sprechhandlung Aufgaben 1. Beispiele für Sprechakte: Auf die Frage eines SMV-Vertreters, wie das Schülerfest angekommen sei, antworten Peter: „ziemlich das Freitag am letzten Schülerfest langweilig war.“ Georg: „Dort Schüterfeit zoppte flirre klakten.“ (angenommen: ) Ihr Klassensprecher geht samstags zum Schulleiter und verlangt: „Morgen lassen Sie die Schule zu! “ Warum können diese Sprechakte nicht gelingen? 2. Eine Bekannte ist bei Ihnen zu Besuch. Anfangs waren Sie sehr erfreut darüber, aber je näher der Zeitpunkt rückt, an dem eine für Sie interessante Fernsehsendung kommt, werden Sie innerlich immer ungeduldiger, da Sie wissen, daß Ihre Bekannte auf keinen Fall solche Sendungen sehen will und überhaupt gegen Fernsehleidenschaft eingestellt ist. Das Gespräch ist längst nicht mehr so bedeutungsvoll, wird sich aber, falls nichts geschieht, in die Länge ziehen, sobald ein neues Thema erwähnt werden würde. Welche der folgenden Sprechakte Ihrerseits könnten in angemessener Weise das Mädchen dazu bringen, die Wohnung zu verlassen? a) Geh jetzt endlich! b) Wann kommst du eigentlich mal wieder? c) (einfach verstummen) d) Willst du noch etwas trinken? e) Ich sehe mir jetzt die Fernsehsendung ... an. Begründen Sie Ihre Entscheidung! Abb. 16: Aufgabe zur Sprechaktheorie aus dem Sprachbuch Deutsch für berufsbildende Schulen von Helmut Schröer und Karlheinz Dauenhauer (1974, 66 f.) 45 3.8 Linguistische Gesprächsanalyse Trotz ihrer Evidenz werden die kommunikationspsychologischen Modelle aus linguistischer Sicht kritisiert: Zum einen beziehen sich die Beispiele, die diskutiert werden (z. B. in der Sprechakttheorie), auf isolierte Beispielsätze. Authentische Äußerungen und Texte sind nicht Gegenstand der kommunikationspsychologischen Analyse. Zum anderen betonen die Modelle einseitig die Sprecherseite, der Zuhörer ist lediglich ein reagierender Kommunikationspartner. Kurzkommentar Das Beispiel bezieht sich auf die „Sprachbetrachtung“ und übernimmt einige Grundgedanken der Sprechakttheorie ins Sprachbuch: Nach der Sprechakttheorie von John Austin und John Searle vollziehen Sprecher eine Handlung, wenn sie einen Satz äußern („Der Satz als Ausdruck einer Sprechhandlung“). Searle hat für einzelne Sprechakttypen untersucht, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der jeweilige Sprechakt gelingen kann. Für den Sprechakt des Aufforderns (Beispiel: Mach das Fenster zu! ) hat John Searle (1969/ 1977, 101) folgende Bedingungen aufgestellt: a) zukünftige Handlung A von H (Regel des propositionalen Gehalts), b) H ist in der Lage, A zu tun. S glaubt, daß H in der Lage ist, A zu tun (1. Einleitungsregel), c) Es ist sowohl für S als auch für H nicht offensichtlich, daß H bei normalem Verlauf der Ereignisse A aus eigenem Antrieb tun wird (2. Einleitungsregel) d) S wünscht, dass H A tut (Regel der Aufrichtigkeit), e) Gilt als Versuch, H dazu zu bringen, A zu tun (Wesentliche Bedingung). Im Sprachbuch sollen die Schülerinnen und Schüler auf die Frage eines Mitschülers „Wie ist das Schülerfest bei dir angekommen? “ Bedingungen formulieren, warum die Reaktionen a) „ziemlich das Freitag am letzten Schülerfest langweilig war“ und b) „Dort Schüterfeit zoppte flirre klakten“ keine angemessenen Antworten darstellen. Zudem müssen sie die Aufforderung des Klassensprechers an den Schulleiter „Morgen lassen Sie die Schule zu! “ danach beurteilen, warum der Sprechakt des Aufforderns wohl nicht gelingt („Warum können diese Sprechakte nicht gelingen? “). Selbst wenn die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein sollten, alltagssprachliche Erklärungen für das Misslingen der jeweiligen Sprechakte zu formulieren (z. B. Der Sprechakt gelingt nicht, weil der Schüler Wörter wählt, die im Deutschen keine Bedeutungen haben), sind solche Aufgabenstellungen in mehrfacher Hinsicht problematisch: ▶ Im Sinne einer Abbilddidaktik werden linguistische Theorien unreflektiert ohne didaktische Reflexion und Reduktion in den Unterricht transferiert. ▶ Es bleibt ausgeblendet, welche Bedeutung die Sprechakttheorie für das Sprachhandeln der Schülerinnen und Schüler im schulischen oder außerschulischen Kontext haben könnte. ▶ Abbilddidaktisch wird zum großen Teil die fachwissenschaftliche Terminologie in den Unterricht übernommen. ▶ Komplizierte Ansätze und Regeln, die für den linguistischen, sprachphilosophischen Experten gedacht sind, werden bruchstückhaft und simplifizierend im Schulbuch dargestellt. Die Ergebnisse der Aufgabenstellungen sind teilweise trivial oder aber die Aufgabenstellungen überfordern die Schülerinnen und Schüler. 46 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Beide Kritikpunkte werden daher auch in der linguistischen Konversations- und Gesprächsanalyse aufgegriffen. Nicht Einzeläußerungen sind Gegenstand der Kommunikation, sondern Gespräche. In Gesprächen spielt der „Paar-Charakter“ eine entscheidende Rolle („statement and reply“ Goffman 1976, 257). Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982, 20) postulieren für eine Gesprächsanalyse folgende Analysekategorien: Abb. 17: Kategorien der linguistischen Gesprächsanalyse nach Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982, 20) Für Henne/ Rehbock (1982, 14) ist das Gespräch grundsätzlich durch das Merkmal der „Wechselbeziehung“ gekennzeichnet: durch den Wechsel der Sprecher- und Hörerrolle, den Wechsel der Themeninitiierung und -akzeptierung sowie den Austausch wechselseitiger Sprachhandlungsmuster (z. B. Frage - Antwort, Vorwurf - Rechtfertigung, Meinung - Gegenmeinung usw.). Es ist insbesondere der Sprecherwechsel, der als Motor das Gespräch in Gang hält. Sprecher- und Hörerbeitrag bilden einen Gesprächsschritt. Der Wechsel der Gesprächsschritte kann z. B. durch Unterbrechung, überlappend oder nach längerer Pause erfolgen. Mehrere Gesprächsschritte können zu einer Gesprächssequenz zusammengefasst werden. Dabei können die Sequenzen responsiv, d. h. aufeinander bezogen und zusammenhängend (z. B. Gruß - Gegengruß), teilresponsiv oder nicht responsiv (Gruß - keine Grußerwiderung) sein. Nonresponsivität sind ein Zeichen von Gesprächsstörungen oder -krisen. In kooperativ geführten Gesprächen spielt die Höreraktivität im Sinne des aktiven Zuhörers folglich eine wichtige Rolle. Diese Kategorien bilden nach Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982) die Kategorien der mittleren Ebene. Gespräche wie Telefongespräche, Einkaufsgespräche oder auch Unterrichtsgespräche lassen sich auf der Makroebene in Gesprächsphasen einteilen und analysieren, insbesondere im 1. Kategorien der Makroebene: Gesprächsphasen (-stücke, -teile) 1.1. Gesprächseröffnung 1.2. Gesprächsbeendigung 1.3. Gesprächs-„Mitte“: (Entfaltung des Hauptthemas und der Subthemen) 1.4. Gesprächs-„Ränder“: (Nebenthemen, Episoden) 2. Kategorien der mittleren Ebene 2.1. Gesprächsschritt („turn“) 2.2. Sprecher-Wechsel („turn-taking“): Regeln der Gesprächsfolge 2.3. Gesprächssequenz 2.4. Sprechakt/ Hörverstehensakt 2.5. Gliederungssignal 2.6. back-channel-behavior 3. Kategorien der Mikroebene Sprechaktinterne Elemente: syntaktische, lexikalische, phonologische und prosodische Struktur 47 3.9 Bildungsstandards im Fach Deutsch Hinblick auf die Gesprächseröffnung, die Gesprächsmitte, Gesprächsränder und die Gesprächsbeendigung. Die unterschiedlichen Gesprächssorten weisen unterschiedliche Phasierungen auf. Während Gesprächseröffnung und -beendigung relativ standardisiert verlaufen, besteht die Gesprächsmitte aus weiteren Teilphasen (vgl. Spiegel/ Spranz-Fogasy 2001), da hier unterschiedliche Sprachhandlungen und Themenentwicklungen in Rechnung gestellt werden müssen. So postulieren John McH. Sinclair und Malcolm Coulthard (1977, 17-19) für Unterrichtsdiskurse, dass die Lehrpersonen eine starke Kontrolle über die Struktur und Themenentwicklung des Schüler-Lehrer-Gesprächs ausüben. Dabei spielen insbesondere initiative (z. B. anweisen), strukturierende (z. B. zusammenfassen), responsive (z. B. antworten), evaluative (z. B. bewerten) oder kommunikative Sprechakte (z. B. zum Melden auffordern) eine wichtige Rolle (Sinclair/ Coulthard 1977, 70-74; vgl. die Differenzierungen der Unterrichtsdiskurse bei Vogt 2015). Auf der Mikroebene können einzelne Gesprächsschritte hinsichtlich ihrer Sprachhandlung, ihrer Syntax, Lexik, Phonetik und Prosodie analysiert werden, wobei unbedingt die hörerseitigen Reaktionen miteinzubeziehen sind (Hörersignale, [paraverbale] Rückmeldungen, Kurzkommentare usw.). 3.9 Bildungsstandards im Fach Deutsch Eine letzte didaktische Akzentuierung der Mündlichkeit wird im Anschluss an die Revision der Deutschdidaktik durch die PISA-Studie 2000 in den Bildungsstandards Deutsch sichtbar (vgl. genauer Kapitel 2). Der Mündlichkeit wird unter dem Rubrum „Sprechen und Zuhören“ ein eigenständiger Kompetenzbereich zugewiesen. Durch die Vermittlung entsprechender Kompetenzen sollen die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, „kommunikative Situationen in persönlichen, beruflichen und öffentlichen Zusammenhängen situationsangemessen und adressatengerecht“ zu bewältigen. Sie „achten auf gelingende Kommunikation und damit auch auf die Wirkung ihres sprachlichen Handelns. Sie verfügen über eine Gesprächskultur, die von aufmerksamem Zuhören und respektvollem Gesprächsverhalten geprägt ist“ (Bildungsstandards Mittlerer Schulabschluss 2005, 8). Zur Konzeptionalisierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ ist resümierend festzuhalten: ▶ Die Kompetenzen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ werden unterschiedlich begründet: ▷ gesellschaftlich durch die Zielsetzung auf eine „Gesprächskultur“ und ein durch Respekt geprägtes „Gesprächsverhalten“, die auf die „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ bezogen sind (S. 6); ▷ persönlichkeitsbezogen, denn die Lernenden werden in die Lage versetzt, „gesellschaftlichen Anforderungen zu begegnen, Lebenssituationen sprachlich zu bewältigen, sich mitzuteilen - zu argumentieren, Gefühle und Vorstellungen sprachlich zu fassen -, Kritikfähigkeit zu entwickeln“ - alles Kompetenzen im Dienst der „Persönlichkeitsentwicklung“ (S. 6); 48 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik ▷ interkulturell schließen alle Kompetenzbeschreibungen den Blick auf andere Kulturen sowie die Mehrsprachigkeit „ausdrücklich mit ein“ (S. 6); ▷ bildungspolitisch soll der Bezug auf die Standards die Vergleichbarkeit von Kompetenzen gewährleisten. Diesem Ziel dienen auch internationale Studien (z. B. PISA, PIRLS), aber auch nationale Leistungsüberprüfungen (z. B. VERA oder Abschlussaufgaben). Im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ sind diese allerdings spärlich und bislang lediglich auf das verstehende Hören im Sinne des Hörverstehens bezogen (vgl. kritisch dazu Kapitel 6). ▶ In den Bildungsstandards werden das aktive Sprechen und das rezeptive Hören zu einem Kompetenzbereich zusammengefasst. Dies folgt der Tradition des Deutschunterrichts. ▶ „Sprechen und Zuhören“ umfasst sowohl das monologische Sprechen vor und zu anderen als auch das dialogische Sprechen mit anderen - das Gespräch. ▶ Die Bildungsstandards stellen im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ insbesondere Gespräche als eine herausragende mündliche Gesprächssorte heraus. ▶ Ein besonderes Augenmerk des Kompetenzbereichs gilt dem Zuhören. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Das Zuhören bezieht sich zum einen auf die aktive Zuhörerrolle in Gesprächen (Hörerrolle), zum anderen ist mit „Zuhören“ auch das verstehende Zuhören gemeint (Hörverstehen). Die Schülerinnen und Schüler sollen „wesentliche Aussagen aus umfangreichen gesprochenen Texten verstehen, diese Informationen sichern und wiedergeben“ (S. 10; zum Hörverstehen vgl. Kapitel 6). ▶ Auch das monologische Sprechen (vor und zu anderen sprechen) wird in den Bildungsstandards hörerbezogen konzeptionalisiert. Diese Herausstellung des konsequenten Zuhörerbezugs ist in der deutschdidaktischen Tradition keine Selbstverständlichkeit, wenn man beispielsweise einen Blick auf die Erzähldidaktik und -methodik wirft (vgl. dazu genauer Kapitel 5.1). In der Geschichte der Sprech- und Gesprächsdidaktik kristallisieren sich mehrere Entwicklungsstränge heraus, die teils verbunden, teils unverbunden nebeneinanderstehen: a) Die Berücksichtigung des Mündlichen im Deutschunterricht entwickelt sich zögerlich. Es gilt das Primat der Schriftsprache. Mündlichkeit wird insbesondere im Kontext der Mundarten erwähnt. b) In einer vorkommunikativen Deutschdidaktik liegt der Schwerpunkt des Mündlichen auf dem Gebiet des normgerechten, artikulatorischen Sprechens, das als „Sprecherziehung“ Eingang in Didaktik und Unterricht gefunden hat (vgl. z. B. Drach 1922/ 1949, Helmers 1966/ 1970) nach dem Motto: „Die Norm der Sprecherziehung ist die Lautreinheit“ (Helmers 1966, 113). Ergänzt wird diese Sprecherziehung im engeren Sinne durch die „mündliche Gestaltungslehre“, die sich mit den Sprechstilen oder „Darstellungsarten“ beschäftigt (vgl. Helmers 1966/ 1970, 113; Essen 1956/ 1980). c) Erich Drach legt mit seiner Sprecherziehung die erste Didaktik zur Mündlichkeit vor. Im engeren Sinne begreift Drach die Sprecherziehung unter der Zielsetzung des richtigen Sprechens („Stimm- und Sprechbildung“). Drach erweitert allerdings diese sprecherzieherische Zielsetzung und 49 3.9 Bildungsstandards im Fach Deutsch ▷ plädiert für ein Primat des Mündlichen vor dem Schriftlichen, ▷ begreift das Sprechen konsequent zuhörerbezogen, ▷ stellt den Gesprächscharakter des Sprechens heraus und ▷ sieht im Sprechen ein Bildungsziel: Wer in den mittleren Klassen die Mehrzahl seiner Schüler dazu brachte, daß jeder vor Lehrer und Kameraden, ohne Scheu und Stocken, sinnvoll und übersichtlich, deutlich und sauber, gesprochen seine Gedanken darzulegen vermag, der hat ein formales Bildungsziel erreicht, auf das er stolz sein kann (Drach 1922/ 1949, 148). d) Die didaktisch-methodischen Ansätze von Erich Drach geraten allerdings in Vergessenheit oder werden einseitig rezipiert (z. B. durch Helmers 1966/ 1970; vgl. dagegen Pabst-Weinschenk 2004). e) In der sogenannten sprechwissenschaftlichen und sprecherzieherischen Richtung der 1970er Jahre sollen auf der Basis eines neuen Rhetorikbewusstseins die adressatenbezogenen Sprechhandlungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler in Rede und Gespräch entwickelt werden. Die Mündlichkeit steht im Dienst der politischen Mündigkeit. Dabei gilt es auch, die eigenen wie die partnerbezogenen Sprechhandlungen einzuschätzen und kritisch zu hinterfragen. f) Die pragmatische Wende in der aufstrebenden germanistischen Linguistik der 1980er Jahre (Wunderlich 1969) führt zur Konzeption einer kommunikativen Didaktik: Kommunikationstheorie und Soziolinguistik, die Erforschung der gesprochenen Sprache, Sprechakttheorie und linguistische Gesprächsanalyse führen in Didaktik und Unterricht zu einer verstärkten Berücksichtigung der Mündlichkeit. Diese Gesprächsdidaktik zielt auf die Vermittlung einer möglichst umfassenden Gesprächskompetenz. g) In den Bildungsstandards Deutsch werden schließlich verschiedene Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik in einem Curriculum zusammengeführt und gelten seither als Richtlinie zur Kompetenzvermittlung des Mündlichen unter dem Rubrum „Sprechen und Zuhören“ (vgl. Kapitel 2). 51 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken Die Konturierung einer Sprachdidaktik des „Sprechens und Zuhörens“ ist keine einfache Aufgabe. Aufschlussreich ist hierbei ein Blick in aktuelle Sprachdidaktiken des Deutschen. Diese spiegeln zum einen die Stationen der Geschichte der Sprech- und Gesprächsdidaktik, sie zeigen zum anderen aber auch das Bemühen und die Schwierigkeiten, diesen Kompetenzbereich zu konzeptionalisieren. Sichtet und vergleicht man die Didaktiken, so verblüfft zunächst einmal die Disparität der Ansätze und Darstellungen. Auffallend einheitlich ist lediglich der geringe Umfang bei der Darstellung des „Sprechens und Zuhörens“ im Vergleich zu den anderen zentralen Kompetenzbereichen. Die Verschiedenheit der Ansätze beruht oft auf dem einseitigen Forschungsinteresse der Didaktikerinnen und Didaktiker. Die Unsicherheiten bei der Konzeptionalisierung werden schon an den Etikettierungen deutlich: „Mündlichkeit - Erzählen und Erzählungen verstehen lernen“ (Bredel/ Pieper 2015, 113-165), „Sprechen und Zuhören“ (Hochstadt/ Krafft/ Olsen 2015, 19-45, Günther 2012), „Mündliche Kommunikation“ (Liescheid 2011, Becker 2016), „Miteinander sprechen“ (Steinig/ Huneke 2011, 67-91), „Mündlicher Sprachgebrauch“ (Neuland/ Peschel 2013, 46-80). Diese Begriffsvielfalt zeigt bereits, dass keine einheitliche Konturierung einer Didaktik der Mündlichkeit vorliegt und dass in den Didaktiken unterschiedliche Aspekte akzentuiert werden: „Mündlichkeit“, „Mündliche Kommunikation“ und „mündlicher Sprachgebrauch“ sind kategoriale Begriffe. Damit soll die Gegensätzlichkeit des Mündlichen zum Schriftlichen herausgestellt werden. Betont werden in diesem Zusammenhang typische Merkmale der Mündlichkeit, die oft als Abweichung von der schriftlichen Standardsprache postuliert werden: Apokopen und Synkopen, Ellipsen, Satzabbrüche, Neuanfänge, Dialektismen, Umgangssprache, Selbstkorrekturen, gefüllte Pausen, Partikel, Deixis. „Kommunikation“ und „Sprachgebrauch“ stellen dagegen den kommunikativen Aspekt der Mündlichkeit heraus. „Miteinander sprechen“ betont ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis nach Mitteilung und Gedankenaustausch. „Sprechen und Zuhören“ orientiert sich an den Bildungsstandards und hebt den dialogischen Charakter jeglichen Sprechens hervor. Versuchen wir gleichwohl einmal, die vorliegenden Sprachdidaktiken grob einzuordnen. 4.1 Sprech- und gesprächsorientierte Didaktiken Einige Didaktiken versuchen, Stationen der Sprech- und Gesprächsdidaktik nachzuzeichnen bzw. didaktisch-methodische Ansätze auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen hin zu orientieren und einzuordnen (vgl. z. B. Ulrich 2001, Beste 2003). Allerdings gelingt hier keine systematische Konturierung des Kompetenzbereichs, da oft viele Einzelaspekte chronologisch oder additiv zusammengetragen werden. Eva Neuland und Corinna Peschel (2013) gehen vom mündlichen Spracherwerb vor Schulbeginn und der Sprachförderung in der Schule aus und skizzieren kurz Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik (Erich Drach, Christian Winkler, Erika Essen, Hermann Helmers, rhetorische Kommunikation, Ansatz der kommunikativen Wende). Anschließend 52 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken referieren sie Ansätze der Gesprächslinguistik und Gesprächsdidaktik sowie der Erzählforschung und der Erzähldidaktik. Der Abschluss des Kapitels zum mündlichen Sprachgebrauch enthält (leider) wieder ein Kaleidoskop von theoretischen und unterrichtspraktischen Fragestellungen: Gesprächskultivierung und Grice’sche Gesprächsmaximen, Gesprächsförderung in mehrsprachigen Lerngruppen, Anforderungen an die Lehrkräfte sowie als Ausblick ein Kurzreferat zur medialen und konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit. Wolfgang Steinig und Hans-Werner Huneke (2011) illustrieren im Kapitel „Miteinander sprechen“ zunächst kurz grundsätzliche Funktionen und Probleme mündlicher Kommunikation (z. B. öffentliche Rede, Sprecherziehung, Gespräche in der Öffentlichkeit) und richten dann das Augenmerk auf das Unterrichtsgespräch und auf gesprächsdidaktische Fragen (z. B. Erzählen). Abschließend postulieren sie ein didaktisches Feld rhetorischer Kommunikation und fordern neben der Rederhetorik eine Gesprächsrhetorik sowie das Training und die Analyse von Reden und Gesprächen im Unterricht. 4.2 Linguistisch orientierte Didaktiken In wissenschaftstheoretischen und linguistisierenden Vorschlägen zur Didaktisierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ referieren die Didaktikerinnen und Didaktiker zunächst ausführlich die linguistischen Grundlagen der mündlichen Kommunikation und geben anschließend einige Anregungen für den Unterricht. So stellt beispielsweise Tabea Becker (2016) zunächst eine Reihe disparater linguistischer Ansätze und Theorien vor, die ihrer Ansicht nach die grundlegende Basis für eine didaktische Diskussion der mündlichen Kommunikation darstellen (von Ludwig Wittgenstein und Karl Bühler über die Sprechakttheorie und die Kommunikationsmaximen von Paul Watzlawick bis hin zu psychoanalytischen Ansätzen [Ruth C. Cohn] und zur linguistischen Gesprächsanalyse). Anschließend folgen in der Regel meist kurze didaktische Hinweise, in denen bekannte Einzelaspekte des „Sprechens und Zuhörens“ referiert werden (zum Erzählen, zum Bewerten der Mündlichkeit, zum Kommunikationstraining) (ähnlich Schuster 1998, 32-67 mit gesprächstherapeutischer Weiterbildung für Lehrkräfte; Ossner 2006, 61-96 mit starkem Rekurs auf die Rhetorik). Den wohl am stärksten an linguistischen Grundlagen orientierten Vorschlag stellt das „Kompetenzmodell der Gesprächsfähigkeit“ von Michael Becker-Mrotzek (2008, 2009a) dar. Im Anschluss an grundlegende Überlegungen zur kommunikativen Funktion von Sprache referiert Becker-Mrotzek einige Besonderheiten der mündlichen Kommunikation (Sprechzeit - Raum, konzeptionelle und mediale Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit) und benennt „Flüchtigkeit, Prozesshaftigkeit und Interaktivität“ als besondere Kennzeichen der Mündlichkeit (Becker-Mrotzek 2008, 87), „für deren Bewältigung ein spezifisches Ensemble von Wissen im weiteren Sinne (= Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten) erforderlich ist, das sich zusammenfassend als Gesprächskompetenz beschreiben lässt.“ Auf dieser Basis mündlicher Teilfähigkeiten und Schwierigkeitsfaktoren postuliert Becker-Mrotzek (2008, 62 ff.) ein Kompetenzmodell der Gesprächsfähigkeit: 53 4.2 Linguistisch orientierte Didaktiken a) basale Fähigkeiten, vor allem phonische Qualifikation (Fähigkeit, Laute zu produzieren und zu verstehen), morphosyntaktische und semantische Fähigkeiten zur Bildung von Sätzen und Zuordnung von Vorstellungen zu sprachlichen Ausdrücken; b) pragmatisch-diskursive Fähigkeiten wie das Formulieren und Erkennen von Sprachhandlungszielen sowie die Verwendung von kommunikativen Mustern und Strategien; c) pragmatisches und institutionelles Wissen als explizites Wissen über Funktionen und soziale Rahmensetzung mündlicher Kommunikation. d) weitere Schwierigkeitsfaktoren: ▷ Thema (bekannt/ unbekannt, einfach/ komplex, positive/ negative Involviertheit); ▷ Sprecheranzahl und -vertrautheit (niedrig/ hoch); ▷ Komplexität von Gesprächsfunktion und -struktur (Planbarkeit, Kontrollierbarkeit, situative Eindeutigkeit/ Ambiguität, Nutzbarkeit persönlicher Handlungsspielräume); ▷ Dauer (kurz/ lang) Abb. 1: Kompetenzmodell der Gesprächsfähigkeit nach Michael Becker-Mrotzek (2008, 62) Das Modell illustriert, dass vom Sprecher unterschiedliche Fähigkeiten verlangt werden. Wie alle Komponentenmodelle krankt dieses Gesprächsmodell aber an seiner Statik. Es suggeriert das kästchenweise Verstehen von unten nach oben, vom Einfachen zum Schwierigen und Komplexen (vgl. die Ausführungen von Becker-Mrotzek 2008, 59 und 63). Hiernach ergibt sich das Verstehen gewissermaßen von den kleinsten sprachlichen Einheiten (Laute) über das Wort bis hin zu den größten Einheiten (Sätze). Zu diesen sprachsystematischen Fähigkeiten 54 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken kommen anschließend pragmatische und institutionelle additiv hinzu. Neuere kognitionspsychologische und konstruktivistische Ansätze gehen davon aus, dass das Verstehen aus einem wechselseitigen Prozess aus top-down- und bottom-up-Verarbeitungsprozessen besteht (vgl. hierzu Kapitel 6.1.1). Schließlich ist das Gesprächsmodell einseitig sprecherbezogen und kann die Dualität des Gesprächs nicht adäquat wiedergeben. Auch die Didaktik „Deutsch als Zweitsprache“ von Barbara Geist und Andreas Krafft (2017, 23-50) reiht sich in die linguistisierenden Didaktiken ein: Sie beginnt mit grundsätzlichen linguistischen Beobachtungen zur Phonologie, Morphologie, Syntax und Bildungssprache - oft unter mehrsprachigen Aspekten. Die Beobachtungen zum Spracherwerb von „Zweitsprachenlernenden“ beziehen sich auf die genannten linguistischen Bereiche. Abschließend machen die Autoren Vorschläge, wie man Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache in den Teilkompetenzen des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ fördern könne: Die Hinweise sind sehr allgemein. So stellen die Autoren fest, dass für die Teilkompetenz „vor anderen sprechen“ die Erzählkreise auch für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache „keine Förderung der Erzählfähigkeit“ nach sich ziehen (Geist/ Krafft 2017, 42) oder dass für die Teilkompetenz „mit anderen sprechen“ die Erforschung diskursiver Praktiken in mehrsprachigen Klassen „weiterhin ein dringendes Desiderat“ darstelle (Geist/ Krafft 2017, 45). Ansätze einer Didaktik Deutsch als Zweitsprache für den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ sind nicht enthalten. 4.3 Sprachdidaktiken, die sich an den Bildungsstandards orientieren Thomas Liescheid (2011, 95-103) orientiert seine Didaktik der mündlichen Kommunikation an der Systematik der Bildungsstandards Deutsch, allerdings ergänzt er die Bildungsstandards gezielt durch Positionen, die dort ausgeklammert werden: durch die Theorie der medialen und konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit, durch Angaben über den Erwerb und die Entwicklung mündlicher Kommunikationskompetenzen sowie durch einen Verweis auf das Sprachfunktionsmodell von Karl Bühler und das Modell der Gesprächskompetenz von Michael Becker-Mrotzek. Die Teilkompetenzen der Bildungsstandards werden anschließend auf der Basis der referierten theoretischen Ansätze zu vier Kompetenzen zusammengefasst: „Sprechen“ (produktionsbezogen), „Zuhören“ (rezeptionsbezogen), „Gespräche führen“ (produktions- und rezeptionsbezogen), „szenisch-spielerisch kommunizieren“ (szenisch-gestaltendes Spiel als produktionsaffin und Rollenspiel als eher rezeptionsorientiert). Einen ähnlichen Ansatz wählen Monika Budde, Susanne Riegler und Maja Wiprächtiger-Geppert (2012, 70-76). Sie postulieren drei Arbeitsbereiche: (1) „Zuhören“, (2) „Mit anderen sprechen“ und (3) „Vor und zu anderen sprechen“ und ordnen diesen entsprechende Fördermaßnahmen zu (vgl. auch Pompe/ Spinner/ Ossner 2016). In diesen didaktischen Ansätzen ist das Bemühen erkennbar, die Heterogenität und Disparität der Teilkompetenzen in den Bildungsstandards auf der Basis ausgewählter Ansätze der Sprech- und Gesprächsforschung zu modellieren. Einen völlig anderen Themenbezug stellen Christian Hochstadt, Andreas Krafft und Ralph Olsen (2015) in den Mittelpunkt ihres Kapitels über „Sprechen und Zuhören“: Sie beziehen sich explizit auf den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards 55 4.4 Sprachdidaktiken, die ein eigenes Konzept des Kompetenzbereichs entwickeln und referieren dann unterschiedliche Ansätze, wie sich ihrer Ansicht nach die Unterrichtskommunikation verbessern ließe: den psychoanalytischen Ansatz der themenzentrierten Interaktion, Formen des kooperativen Lernens, rhetorische Kommunikationsformen (z. B. Rede und Gesprächsführung) sowie weitere handlungstheoretische Ansätze (zum Erzählen, zum Diskutieren und Argumentieren, zum Präsentieren und zum Zuhören). Abschließend hinterfragen sie stichpunktartig traditionelle Aktivitäten des Unterrichts (z. B. Aufstellung von Gesprächsregeln, rhetorische Textanalyse) und fordern stattdessen den Einbezug von audio-visuellen Medien sowie die Transkription und Analyse von (Unterrichts-)Gesprächen durch die Schülerinnen und Schüler. Zu erwähnen sind schließlich auch Didaktiken, in denen die Mündlichkeit auf besondere Themenfelder eingeengt wird. So beziehen sich Ursula Bredel und Irene Pieper (2015, 115) zwar explizit auf den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards. Sie reduzieren ihre Didaktik der Mündlichkeit allerdings auf eine Form der mündlichen Darstellung, nämlich das Erzählen. Dabei referieren sie die Positionen der Erzählforschung und skizzieren den Erzählerwerb in der Schule. In einem weiteren Schwerpunkt thematisieren sie die Formen und Möglichkeiten des Vorlesegesprächs im frühen Literaturerwerb. Die Darstellung bezieht sich insbesondere auf das Erzählen in der Grundschule. Die hier vorgestellten Sprachdidaktiken zeichnen für den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ ein äußerst disparates Tableau. Die Heterogenität der referierten Ansätze führt dazu, dass bis heute ein stringentes didaktisches Konzept der Mündlichkeit fehlt. Eine dominierende Konstante in fast allen Sprachdidaktiken ist die Erzählforschung und die Erzähldidaktik - vor allem für den Bereich der Grundschule. Hier hat die Forschung interessante und fundierte Ergebnisse vorgelegt. Im Bereich der weiterführenden Schulformen geht es fast ausschließlich um die Vermittlung und Analyse von Rede- und Diskussionsmustern. Ansonsten liefern die Deutschdidaktiken lediglich Einzelhinweise, die verschiedenen Hinweise lassen sich jedoch nicht zu einem konsistenten Modell zusammenführen. 4.4 Sprachdidaktiken, die ein eigenes Konzept des Kompetenzbereichs entwickeln Die einzige Didaktik, die für sich den Anspruch erheben kann, einen gründlichen Überblick und ein Konzept des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ zu entwickeln, ist die Monografie Sprechen als reflexive Praxis von Ulf Abraham (2016). Nach einer kurzen Skizze zur Geschichte des Lernbereichs und zu den Funktionen von Sprache erörtert Abraham (2016, 16-24) Aspekte der konzeptionellen Mündlichkeit. Danach werden im Mündlichen die Informationen eher „additiv als hierarchisch“ geordnet. Die Mündlichkeit ist ▶ „redundanter“ als schriftliche Texte, ▶ „konservativer“ in dem Sinne, dass man auf bekannte Konventionen und Formulierungsmuster zurückgreift, ▶ sie ist eher „lebensweltlich als systemorientiert“, ▶ sie ist „nicht so sehr mit der Erwartung einer durchgehaltenen Logik verbunden.“ 56 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken ▶ Schließlich ist die Mündlichkeit die Sprache der Nähe, während die Schriftlichkeit eher distanzierend wirkt; dabei sind fließende Übergänge einzurechnen. Wichtige didaktische Konsequenzen aus der konzeptionellen Mündlichkeit bestehen darin, ▶ die besondere Leistung des Sprechers gegenüber dem Schreiber deutlich hervorzuheben, ▶ die traditionelle einseitige Orientierung des Unterrichts an der Schriftlichkeit zu relativieren sowie ▶ beim Mündlichen den Handlungsprozess beim Sprechen stärker zu berücksichtigen, während beim Schreiben eher das Schreibprodukt im Vordergrund steht. Orientierungspunkt aller Analysen ist für Ulf Abraham (S. 42-51) die Modellierung von Einzelkompetenzen der Mündlichkeit: Abb. 2: Kompetenzfelder der Mündlichkeit nach Ulf Abraham (2016, 44) Ulf Abraham (S. 45f.) nutzt die Modellierung der Kompetenzfelder dazu, folgende Teilkompetenzen des Mündlichen zu beschreiben: a) Erzählkompetenz als Fähigkeit, erlebte und erfundene Geschichten nachvollziehbar, spannend und hörerbezogen zu erzählen; 57 4.4 Sprachdidaktiken, die ein eigenes Konzept des Kompetenzbereichs entwickeln b) Informationskompetenz als Fähigkeit anderen berichten, beschreiben, schildern, zusammenfassen und/ oder erklären zu können, was man selbst direkt oder aus Medien erfahren oder recherchiert hat; c) mündliche Argumentationskompetenz als Fähigkeit zur Beteiligung an einer kommunikativen Auseinandersetzung über ein strittiges Thema; d) Spielkompetenz als Inszenierungs-, dramaturgische, sprecherische, körpersprachliche und mediale Kompetenz erfordernde Fähigkeit, eine vorgegebene oder selbst erfundene Rolle zu übernehmen und überzeugend zu gestalten oder einen dramatischen Text bühnenwirksam umzusetzen; e) Redekompetenz als Fähigkeit in einer bestimmten Situation vor einem Publikum zu sprechen oder Beiträge in einem formalisierten Gespräch (z. B. Debatte) vorzutragen; f) Gesprächskompetenz als Fähigkeit, sich an einem dialogischen Austausch von Erfahrungen, Meinungen oder Argumenten beteiligen zu können; g) Präsentationskompetenz als Fähigkeit, erarbeitete Inhalte sowie eigene oder fremde Texte, z. B. Gedichte, für Zuhörer wirkungsvoll zu zitieren, vorzulesen, vorzutragen und dies durch Medien zu unterstützen. Diese Teilkompetenzen erörtert Ulf Abraham ausführlich anhand der aktuellen didaktischen Literatur und ordnet sie den Bildungsstandards Deutsch zu. Im Einzelnen diskutiert er „Erzählen“ (S. 69-91), „Informieren“ (S. 92-112), „Szenisch spielen“ (S. 113-142), „Gespräche führen“ (S. 143-189), „Reden“ (S. 191-209) und „Präsentieren“ (S. 211-223). Abrahams Monografie liefert und erweitert gewissermaßen die wissenschaftliche und didaktische Basis für die Bildungsstandards Deutsch: Ausgehend von Sprachfunktionen und den Voraussetzungen der konzeptionellen Mündlichkeit entwickelt Abraham Kompetenzfelder der Mündlichkeit und beschreibt und illustriert zentrale Teilkompetenzen. Die Leitideen und Erläuterungen in den Bildungsstandards Deutsch wirken demgegenüber wie ein alter Zopf, wenn beispielsweise für das situationsangemessene und adressatengerechte mündliche Sprachhandeln gefordert wird: Schülerinnen und Schüler „benutzen die Standardsprache“ (Bildungsstandards Mittlerer Schulabschluss 2005, 8). Kritisch anzumerken bleibt: Abrahams Modell ist ein Agglomerat zahlreicher disparater Ansätze aus der Sprech- und Gesprächsforschung (z. B. Bühlers Organon-Modell, die Axiome von Watzlawick oder Aspekte der linguistischen Gesprächsanalyse); dabei schimmern auch immer wieder Sprechformen des traditionellen Deutschunterrichts durch (z. B. Erzählen, Diskutieren, Erklären, Berichten, Schildern usw.). Das Agglomerieren unterschiedlicher Ansätze führt zu Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten: ▶ In Abrahams Modellkonzeption der Mündlichkeit fehlt im eigentlichen Sinne die Berücksichtigung des Zuhörers. Er postuliert zwar eine „Hörerorientierung“, diese spielt in der Darstellung des Modells allerdings (z. B. beim Diskutieren) keine Rolle. Abraham betont die Zuhörerkategorie bei der Wiedergabe der Teilkompetenzen (z. B. beim Erzählen: S. 76), sein Modell ist jedoch - ähnlich wie Bühlers Organon-Modell - nicht gesprächsdialogisch zuhörerorientiert. 58 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken ▶ Nach Bühlers Organon-Modell wird in Bezug auf die Darstellungsfunktion eine „Gegenstandsorientierung“ eingeführt, aus der u. a. das Berichten, Beschreiben oder Erklären abgeleitet wird (vgl. S. 44), Bühlers Appell-Funktion spielt dagegen keine Rolle. Dies führt zum Ausschluss appellativer oder instruierender Sprech- und Gesprächsformen wie z. B. von Gebrauchsanweisungen, Rezensionen oder Präsentationen wie Booktubes. Zudem bleibt Bühlers Credo ausgeblendet, dass in einer Äußerung gleichzeitig mehrere Sprachfunktionen realisiert werden. Abrahams Modell verabsolutiert in der Darstellung der Kompetenzen jeweils eine Funktion, z. B. beim Erzählen die kathartische Funktion (vgl. dagegen schon Ehlich 1983, 129). ▶ Die Zuordnung von Kompetenzen zu bestimmten Funktionen ist komplizierter, als es Modelle darstellen können: Abrahams „Spielkompetenz“ verstanden als Fähigkeit, vorgegebene oder selbst erfundene Rollen zu übernehmen und sprechsprachlich, parasprachlich oder medial zu inszenieren (vgl. S. 113-142), ist lediglich ein Reflex auf die Tradition der Sprech- und Gesprächsforschung. Diese Spielkompetenz muss jedoch differenziert betrachtet werden: Im Sinne der authentischen Rollenübernahme kann die Spielkompetenz als Teil der Gesprächskompetenz angesehen werden, im Sinne der fiktiven Rollenübernahme dagegen als kreative Methode zur Interpretation literarischer Texte. ▶ Die postulierten Kompetenzen liegen auf verschiedenen Ebenen: Rede- und Gesprächskompetenzen beziehen sich eher auf die Dichotomie „monologisch“ vs. „dialogisch“ oder die Informations- und Argumentationskompetenz auf die dominierende Sprachfunktion. Dies führt zu Überlappungen und Widersprüchen: Die Argumentationskompetenz ist auch eine Gesprächskompetenz, die Präsentationskompetenz eine besondere Form der Redekompetenz, die Informationskompetenz impliziert immer auch eine Präsentationskompetenz. ▶ Im Kompetenzmodell von Ulf Abraham fehlt die Hörverstehenskompetenz, d. h. die Fähigkeit, gehörte Texte zu verstehen und zu bewerten sowie Gehörtes zu verarbeiten und darauf zu reagieren (vgl. Kapitel 6). Fazit: Abrahams Modell zur Darstellung mündlicher Kompetenzen versucht möglichst viele Ansätze der Sprech- und Gesprächsforschung zu integrieren; dies führt zu Widersprüchlichkeiten und Inkonsequenzen. Positiv zeigt sich dabei allerdings der Aspektreichtum des Kompetenzbereichs. 59 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Wie lassen sich die Kompetenzanforderungen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ im Deutschunterricht umsetzen? In den Bildungsstandards selbst werden vereinzelt kommentierte Aufgabenbeispiele angeführt (Bildungsstandards Mittlerer Bildungsabschluss 2005, 44- 54). Es handelt sich um Vorschläge zur Überprüfung mündlicher Darstellungsformen: zu argumentativen Gesprächen, Vortragsformen und Rollenspielen. Dabei werden lediglich Rede- und Gesprächsanlässe vorgegeben und in Bezug auf die Bildungsstandards eingeordnet. Durch die Beispiele werden Schülerinnen und Schüler in fiktive Situationen hineinversetzt (z. B. „Schülerinnen und Schüler wählen drei Gedichte für die Schülerzeitung aus und begründen ihre Wahl“), die sie dann kommunikativ, z. B. argumentierend, bewältigen sollen. Ausgeblendet bleibt, wie das authentische Gesprächs- und Redeverhalten der Schülerinnen und Schüler aussehen könnte und wie es bewertet werden kann. Das wesentliche Merkmal dieser Beispiele ist ihr Testcharakter: Es wird lediglich überprüft, ob Schülerinnen und Schüler über die geforderten Kompetenzen verfügen, und es wird eben nicht gezeigt, wie sie diese aufbauen, festigen oder erweitern können. In der Diskussion um die Implementierung der Bildungsstandards werden ebenfalls Musteraufgaben präsentiert, mit denen die Bildungsstandards illustriert und ihre Akzeptanz bei der Lehrerschaft gefördert werden sollen (vgl. z. B. Behrens/ Eriksson 2009, Krelle 2010, Behrens 2013, Krelle/ Neumann 2014). Betrachten wir dazu einmal zwei Aufgaben, die aus dem umfangreichen Aufgabenpool von Michael Krelle und Daniela Neumann (2014, Beispiele auf der CD) stammen: Im ersten Beispiel „Lauschen“ geht es darum, die Schülerinnen und Schüler mit Hörexperimenten für die Fähigkeit des Zuhörens zu sensibilisieren: Zuhörexperimente Lauschen In der Klasse spricht eine Minute lang niemand. Die Lehrperson stoppt die Zeit. Anschließend wird an der Tafel gesammelt, was in der vermeintlichen „Stille“ zu hören war, z. B. ● Geräusche von draußen (Vögel, Motoren, Sirene ...) ● Geräusche im Flur (Türenknallen, Schritte ...) ● Geräusche im Klassenraum (Atmen, ein knurrender Magen, das Rauschen der Klimaanlage ...) Die Ergebnisse sollten auf einem Plakat und / oder in den jeweiligen Hörtagebüchern gesichert werden. Abb. 1: Aufgabenbeispiel „Lauschen“ zu den Bildungsstandards (Krelle/ Neumann 2014, CD 2.42) 60 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Im zweiten Beispiel „Schlechtes Sprechen“ sollen sich die Schülerinnen und Schüler auf das Zuhören konzentrieren: Schlechtes Sprechen Schritt 1: Die Lehrperson liest eine Geschichte oder einen Sachtext vor. Sie spricht dabei möglichst leise (gerade noch zu hören), langsam, monoton, langweilig. Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, sich zu konzentrieren und gut zuzuhören. Im Anschluss werden sie um die Mitteilung ihrer Eindrücke gebeten. Es wird deutlich, dass die Fähigkeit zum konzentrierten Zuhören nicht nur von der Interessantheit des Textes abhängt, sondern auch von der Darbietung. Anschließend wird der gleiche Text, von einem professionellen Sprecher vorgetragen, vorgespielt. Schritt 2: Im Klassengespräch wird zusammengetragen, welche Unterschiede die Schülerinnen und Schüler zwischen guten und schlechten Sprecherinnen und Sprechern festgestellt haben. Die Ergebnisse werden an der Tafel aufgelistet. Abb. 2: Aufgabenbeispiel „Schlechtes Sprechen“ zu den Bildungsstandards (Krelle/ Neumann 2014, CD 4.3) Kurzkommentar Die Beispiele illustrieren, dass dem aktiven Zuhören eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Die Schülerinnen und Schüler schulen ihre Höraufmerksamkeit. Ihre Leistungen sollen sie in „Zuhörbzw. Hörtagebüchern“ festhalten und reflektieren (vgl. das Beispiel in Krelle/ Neumann 2014, 34). Diese Orientierung auf die Zuhörerrolle fehlt bislang in der Landschaft der Deutschbücher. Die Herausstellung des aktiven Zuhörers ist zu begrüßen, allerdings sind die bislang vorliegenden Aufgaben nicht unproblematisch: ▶ Oft wird das Zuhören als Einzelkompetenz über Gebühr herausgestellt und isoliert. Dabei werden die Zuhörkompetenzen häufig auf Hörexperimente reduziert und eher analytisch-rezeptiv als Beobachteraufgaben konstruiert. ▶ Die Einseitigkeit der Aufgabenformate zeigt sich auch darin, dass nur sehr wenige Sprech- und Gesprächssorten berücksichtigt werden (ausschließlich Beispiele der NDR-Morgenmagazin-Sendung „Stimmt’s“). Literarische Hörtextsorten kommen - bis auf einen Ratekrimi „Blind vor Wut“ - nicht vor. Auffällig ist zudem, dass authentische Hörtexte nicht (Behrens/ Eriksson 2009) oder äußerst spärlich (Krelle/ Neumann 2014) zur Verfügung gestellt werden; Videos werden lediglich zum Hörverstehen angeboten. 61 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Was lässt sich grundsätzlich zu den Aufgaben zum Sprechen und Zuhören in Deutschbüchern sagen? Bis in die 1990er Jahre wurden im Deutschunterricht in der Regel zum einen Lesebücher, zum anderen Sprachbücher eingesetzt. In Bezug auf die Sprachbücher bestätigt sich die Feststellung von Henriette Hoppe, dass ihre Konzeptionen die jeweils aktuellen Strömungen der Sprachwissenschaft reflektieren (2005, 157). In Bezug auf den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ zeigt sich, dass beispielsweise das Vorlesen zum traditionellen Kanon des Deutschunterrichts zählt (vgl. Kapitel 5.2). Demgegenüber spielen gesprächsspezifische Kompetenzen erst seit den 1980er Jahren eine Rolle (vgl. Kapitel 5.3). Darüber hinaus beeinflussen selbstverständlich auch bildungspolitische Vorgaben die Deutschbuchkonzepte ganz wesentlich. Ein wichtiges Korrektiv sind in dieser Hinsicht die Genehmigungsverfahren der Schulbuchzulassung durch die einzelnen Schul- und Bildungsministerien der Bundesländer. Historisch betrachtet hat in den 1950er Jahren die inhaltsbezogene Grammatik die Entwicklung der Sprachbücher geprägt (z. B. Deutscher Sprachspiegel 1966). Der dominierende Einfluss grammatischer Ansätze hat sich unter anderen Vorzeichen fortgesetzt (z. B. die Glinz’schen Sprachproben oder Wolfgang Menzels Grammatikwerkstatt) und findet einen umstrittenen Höhepunkt in der Linguistisierung der Sprachbücher (z. B. durch den Bezug auf die Ansätze der Generativen Transformationsgrammatik). Durch die kommunikative Wende in den 1970er Jahren wird der große Einfluss der Grammatik auf die Sprachbuchkonzeption abgelöst durch einen stärkeren Bezug auf die sozialen Bedingungen von Kommunikation (z. B. Basil Bernsteins Theorie des restringierten und elaborierten Codes). Sprachbücher sind nun einerseits situationsbezogen und andererseits auf wichtige Sprachhandlungsmuster orientiert (vgl. z. B. Alltagsszenen 1979) - auch sprechsprachliche wie z. B. Auskünfte einholen, ein Vorstellungsgespräch führen oder Diskutieren. Von nun an spielt der mündliche Sprachgebrauch eine größere Rolle im Sprachbuch. Seit den 1990er Jahren sind Deutschbücher integrativ angelegt: Literatur- und Sprachunterricht werden miteinander vernetzt; der Lernbereich Mündlichkeit bezieht sich auf beide Bereiche. Nach der Jahrtausendwende werden die Deutschbücher in toto auf die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards Deutsch umgestellt. Betrachtet man in diesem Kontext den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“, so lassen sich zwei Konzeptionen unterscheiden: ▶ Schließlich ist kritisch anzumerken, dass der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ zwar medial mündlich präsentiert wird, jedoch fast ausschließlich schriftsprachlich konzipiert ist (vgl. z. B. das Mitschriften-Hörverstehen „Tester als Hacker“). Die Modellierung des Hörverstehens ist zu einseitig auf das Leseverstehen orientiert (vgl. zur Kritik genauer Kapitel 6). ▶ Es fehlt die Einbindung des aktiven Zuhörers in die zu vermittelnden Sprech- und Gesprächskompetenzen, z. B. eine Diskussion des aktiven Zuhörers beim Erzählen (vgl. Kapitel 5.1) oder beim Vorlesen (vgl. Kapitel 5.2). Die Aufgaben im Bereich „Mit anderen sprechen“ sind nicht gesprächsorientiert konzipiert, sondern dienen in erster Linie dazu, Informationen aus Hörtexten herauszuarbeiten und zu sichern (vgl. Krelle/ Neumann 2014, 28-31; vgl. dagegen Kapitel 5.3). 62 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik ▶ Deutschbücher, die in Konzept und Aufbau die Bildungsstandards Deutsch abbilden. Erkennbar ist dies z. B. an der Kapiteleinteilung, prototypisch hierfür kann das Sprach- und Lesebuch Praxis Sprache (5/ 2017, 3) als Beispiel herangezogen werden: ▷ In der Regel beginnen diese Deutschbücher - wie die Systematik der Bildungsstandards - mit einem Kapitel „Sprechen und Zuhören“. Unterkapitel sind dabei beispielsweise „Wünsche äußern“ oder „Regeln für Gespräche und Diskussionen vereinbaren.“ Auch das „Vorlesen üben“ ist Gegenstand dieses Kapitels. ▷ Das szenische Spiel ist indes in das Kapitel „Lesen - Umgang mit Texten und Medien“ ausgelagert, da es auf das Verstehen literarischer Texte bezogen wird. ▷ Erwähnenswert bleibt, dass die Orientierung an einem Kompetenzbereich nicht sklavisch durchgehalten wird: Das Kapitel „Schreiben und Präsentieren“ enthält beispielsweise auch Aufgaben zum mündlichen Nacherzählen. Demnach ist einerseits eine klare Orientierung an den Kompetenzbereichen erkennbar, andererseits wird aber auch die Vernetzung der Kompetenzen berücksichtigt. ▶ Viele Deutschbücher weisen eine thematische Gliederung auf und die produktiven und rezeptiven, mündlichen und schriftlichen Kompetenzen sind auf alle Buchkapitel verteilt (z. B. P.A.U.L.D. 5/ 2010). So enthält das Kapitel „Komm mit in eine andere Welt: Märchen“ in P.A.U.L.D. (5/ 2010, 66-87) die Teilkompetenzen „Märchen vortragen“, „Merkmale von Märchen erkennen und untersuchen“, „ein Märchen erschließen“, „Interviews mit Märchenfiguren erfinden und weiterführen“. Es gibt nur wenige Deutschbücher, bei denen in jedem Kapitel Kompetenzen zum Sprechen, Lesen, Hören oder Schreiben thematisiert werden (z. B. Sprachfuchs 4.1/ 2016, 4.2/ 2017). Im Folgenden wird gezeigt, wie Kompetenzen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ im Deutschunterricht entwickelt werden können. Dazu werden zunächst Grundlagen erörtert. Anschließend wird an Beispielen aus Lehrwerken illustriert, wie die mündlichen (Teil-) Kompetenzen im Deutschunterricht aufgebaut und gefördert werden können. Die Beispiele sind Deutschbüchern für den Primarbereich und für den Sekundarbereich I/ II entnommen. Die kommentierten Beispiele stellen Modelle für verschiedene Ansätze dar, nach denen die Kompetenzvermittlung gestaltet werden kann; sie sind übertragbar auf andere Schulformen oder Klassenstufen. Einige Aufgabenbeispiele beruhen auf neueren Ansätzen der Sprech- und Gesprächsdidaktik, die in den Bildungsstandards nicht berücksichtigt werden. Diese Aufgaben haben Vorbildfunktion, da sie den aktuellen Stand der Forschung umsetzen. Die Beispiele beziehen sich auf die Teilkompetenzen „zu anderen sprechen“, „vor anderen sprechen“, „mit anderen sprechen“, „szenisch spielen“; die Teilkompetenz „verstehend zuhören“ wird als „Hörverstehen“ gesondert (Kapitel 6) behandelt. Die Auswahl der Beispiele erfolgt nach folgenden Kriterien: ▶ Aus dem Teilkompetenzbereich „zu anderen sprechen“ wird das Erzählen behandelt (Kapitel 5.1). Es wird als Basishandlungsmuster im Deutschunterricht angesehen und war fälschlicherweise lange einseitig auf die Schriftlichkeit hin orientiert. Der zunehmenden Orientierung auf mündliches Erzählen wird somit Rechnung getragen. 63 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ ▶ Aus dem Teilkompetenzbereich „vor anderen sprechen“ wird das Vorlesen thematisiert (Kapitel 5.2). Es handelt sich um einen traditionellen Lernbereich, dem eine zentrale Rolle im Deutschunterricht zukommt, der aber in der Fachdidaktik wenig diskutiert und oft normativ vermittelt wird. Wir stellen hier einen konstruktivistischen Ansatz vor. ▶ Aus dem Teilkompetenzbereich „mit anderen sprechen“ behandeln wir das Gespräch (Kapitel 5.3), das in der Deutschdidaktik als Kernstück des gesamten Kompetenzbereichs gilt (vgl. Steinig/ Huneke 2011, Becker-Mrotzek 2009a). ▶ Das Rollenspiel nimmt als kreatives Verfahren seit den 1975er Jahren eine wichtige Rolle im Deutschunterricht ein (Kapitel 5.4). Szenisches Lernen als Möglichkeit, den mündlichen Ausdruck zu fördern und dabei „Kulturen des Inszenierens“ zu entwickeln, wird in aktuellen didaktischen Vorschlägen wiederentdeckt und an aktuellen digitalen Lernszenarien illustriert (vgl. Abraham/ Brendel-Perpina 2017). 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Im Folgenden wird aus der Teilkompetenz „zu anderen sprechen“ das Erzählen ausgewählt, didaktisch kommentiert und durch Beispiele illustriert. Erzählen gilt als anthropologische Universalie und elementare sprachliche Handlung und zählt nach Rehbein (1984) zu den „Großformen des Sprechens“. Erzählen ist sowohl eine mündliche als auch eine schriftliche Sprachhandlung. Neben der Alltagserzählung und der schulischen Erzählung (z. B. Erlebniserzählung) existiert auch eine literarisch geformte Erzähltradition (z. B. Kurzgeschichte). Im Bereich der Grundschule beginnt das Erzählen mit dem spontanen und elizitierten mündlichen Erzählen und geht dann allmählich ins schriftliche Erzählen (z. B. Nacherzählung, Phantasieerzählung) über. Im Bereich der Sekundarstufe I wird das schriftliche Erzählen weiter ausdifferenziert und in der Sekundarstufe II dann durch die Bearbeitung literarischer Erzählungen und Erzählformen abgelöst (vgl. Becker-Wieler 2013). 5.1.1 Erzähldidaktische Grundlagen 5.1.1.1 Funktionen des Erzählens Erzählen ermöglicht die Verarbeitung von Erlebnissen, macht die Welt erfahrbar und übermittelt den Zuhörenden eine Interpretation von Erlebnissen, Ereignissen oder Handlungen. Dem Erzählen wird grundsätzlich eine identitätsbildende und eine soziale Funktion zugeschrieben, die beide untrennbar miteinander verbunden sind. ▶ Die identitätsbildende Funktion des Erzählens besteht in der Auseinandersetzung des Erzählers mit dem Ereignis, den beteiligten Personen und deren Handlungen, Motiven und Gefühlen sowie seiner eigenen Rolle als Erzähler im Erzählgeschehen. ▶ Die soziale Funktion des Erzählens bezieht sich auf die Erzählsituation selbst. „Erzählung ist immer Erzählung für jemanden“ (Abraham 2016, 75). Der Erzählende wendet sich an einen oder mehrere Zuhörende, nimmt Kontakt zu diesen auf, will sie unterhalten und erwartet oder erhofft Rückmeldungen. 64 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Das Erzählen selbst muss als komplexe Sprachhandlung angesehen werden, die durch mehrere Teilhandlungen gekennzeichnet ist. Monika Dannerer (2016, 16-21) nennt folgende erzählerische Teilkompetenzen: ▶ Erzählen rekonstruiert den realen oder fiktiven Ablauf eines Geschehens. ▶ Der Erzähler bringt Ereignisse in eine klare und nachvollziehbare zeitliche Abfolge (Es war einmal, dann, nun, nach ein paar Wochen, zum Schluss, …). ▶ Der Erzähler orientiert über Raum und Bewegungen (… lebten in einem Schloss, … kamen in eine Stadt). ▶ Die Erzählung bezieht sich auf ein erzählwürdiges Ereignis (Ich muss dir mal was erzählen …). ▶ Der Erzähler erzählt etwas Unerwartetes, das häufig spannend gestaltet ist. ▶ Eine Erzählung ist adressatengerichtet: Der Erzähler richtet sich an einen Zuhörer oder eine Zuhörerschaft und will diese unterhalten; er löst z. B. Freude, Erstaunen, Erleichterung oder Anteilnahme aus. Eine Erzählung ist daher expressiv und oft emotional (lebendig durch die wörtliche Rede, anschaulich durch treffende Redeeinleitungen, emotional durch konnotative Lexik). ▶ Erzählen erfolgt mündlich oder schriftlich: Kinder und Erwachsene erzählen im Alltag mündlich, im Deutschunterricht machen Kinder dann erstmals Erfahrungen mit der Welt der Schriftlichkeit. Im Folgenden werden einzelne Aspekte der Erzählkompetenz erörtert, die in der Erzähldidaktik herausgehoben und in Deutschbüchern behandelt werden. 5.1.1.2 Erzählschemata und Erzähltypen Ulf Abraham (2016, 69) weist mit Bezug auf das mündliche Erzählen auf eine Reihe von Forschungsfragen hin: Worin gleichen, worin unterscheiden sich mündliche Erzählungen? Gibt es so etwas wie […] Erzähl-Muster? Wie - vor allem - machen wir deutlich, worin wir die Bedeutung, die Relevanz, den Erzählens-Wert unserer Erzählung jeweils sehen? Bereits 1967 beschreiben William Labov und Joshua Waletzky die Struktur von Erzählungen. Sie untersuchen das Erzählverhalten jugendlicher Slumbewohner und arbeiten ein Erzählschema heraus: 1. Orientierung, 2. Komplikation, 3. Evaluation, 4. Auflösung, 5. Koda. Selbstverständlich sind viele Varianten eines solchen Erzählschemas möglich. In der Erzähldidaktik gehört es inzwischen zum Allgemeingut, dass der Erzählerwerb der Schülerinnen und Schüler in Stadien verläuft. Auf der Basis ausgewerteter Bildergeschichten hat ein Team um Dietrich Boueke 1995 untersucht, wie Vorschulkinder und Schulkinder eine Bildergeschichte vom „Kleinen Herr Jakob“ erzählen. Das Ergebnis sind unterschiedliche Erzähltypen (isolierter, linearer, strukturierter und narrativer Typ), die sich auf verschiedene Altersgruppen verteilen. Die folgende Beispielübersicht (nach Steinig/ Huneke 2011, 78 f.) illustriert die verschiedenen narrativen Typen: 65 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Abb. 3: Narrative Erzähltypen nach Dietrich Boueke u. a. (1995) zitiert nach Wolfgang Steinig und Hans-Werner Huneke (2011, 78 f.) Solche gestuften Erzählschemata scheinen plausibel und gehören inzwischen zur erzähldidaktischen Tradition. Während die Entwicklung und das Durchlaufen einer Geschichtengrammatik (story grammar) zunächst als allgemeingültiger kognitiver Prozess betrachtet wurde, wird heute jedoch davon ausgegangen, dass die „familiale Sozialisation sowie milieu- und 1. Isolierter Typ da fuhrn se . zusammen ähäh zusammen sag ich schon . äh so durch ähm durchnander da fuhrn se grade .. und da war der Reifen aufeinmal kaputt und da ham da fuhrn se . alle zusammen da sind se umgekippt Sabrina (Kindergarten) Zwischen den Ereignisfolgen werden keine inhaltlichen Verbindungen verbalisiert. 2. Linearer Typ der fährt mit nem Fahrrad . stoßen die beiden zusammen ... dann zieht . dann machtern anderen Reifen dran und dann fahrn sie hinternander Lars (Kindergarten) Die Äußerungen werden durch additive und temporale Konnektoren verbunden. 3. Strukturierter Typ ja . da is da sind zwei Fahrräder un/ un sie der eine die die sehn sich nich . dann stoßen se zusammen. dann schimpft der eine . dann bau/ baunse die baunse die zusammen und dann .. dann fahrnse . wieder weiter . mit einem Zweierfahrrad. Robert (2. Schuljahr) Zwischen den Ereignissen werden Bezüge hergestellt. Anfang und Ende der Erzählung werden markiert. 4. Narrativer Typ der kleine Herr Jakob Herr Jakob machte eine Radtour allein undn anderer . Mann der fuhr zur Arbeit und un das waren zwei verschiedene Wege (und) die kreu/ und die kamen zusammen und auf einmal ham sind se gegeneinander gefahren . und der. Mann lag aufm Boden und der kleine Herr Jakob auch ... und weil Herr Jakob und der Mann nicht wollten dass der andere . traurig war ham se die Fahrräder repariert und dann aneinander gemacht. und dann sind se zusammen wieder weitergefahren Viktoria (4. Schuljahr) Der Zuhörer wird durch affektive Markierungen und Stellungnahmen angesprochen und eingebunden 66 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik kulturspezifische Einflüsse“ den Prozess der Erzählentwicklung „ganz erheblich“ steuern (Steinig/ Huneke 2011, 81). Der Erwerb von Erzählstrukturen erfolgt also nicht generell nach den erwähnten Schemata, denn diese werden der Komplexität des Erzählens nicht gerecht (vgl. Andresen 2013). Erzähldidaktisch muss daher in Rechnung gestellt werden, dass es die Reinform des Erzählens nicht gibt. Zudem sollte das Augenmerk nicht ausschließlich auf der Plotstruktur des Erzählens liegen. Klaus R. Wagner (1986, 144 ff.) wertet Korpora spontaner Kindersprache aus und unterscheidet beim Erzählerwerb zwei „Erzählungs-Typen“: Höhepunkt-Erzählungen und Geflecht-Erzählungen. Ulf Abraham (2016, 77) stellt die beiden Erzähltypen gegenüber: „Höhepunkt-Erzählungen“ „Geflecht-Erzählungen“ etwas erzählen von etwas erzählen Neues Bekanntes Zeitpunkt Zeitraum/ -fläche Nacheinander Nebeneinander geschlossene Struktur offene Struktur eher monologisch eher dialogisch „dramatisch“ „episch“ (nach Wagner 1986, 144ff.) Es wird klar, dass die im Deutschunterricht favorisierte Höhepunkt-Geschichte nicht das allein gültige Erzählmodell darstellt. Zudem wird deutlich, dass das Erzählen gemeinsam erfolgen kann (dazu auch Quasthoff 1980). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kinder „erzählen können“, bevor sie in die Schule kommen: Vorschulkinder sind schon in der Lage, von sich oder anderen zu erzählen, fremde Stimmen zu inszenieren oder Figurengespräche von narrativen Passagen abzusetzen. Die Erzählkompetenz der Kinder kann aber gezielt ausgebaut werden. Uta Quasthoff (1987, 2003) arbeitet heraus, dass Erwachsene, die an den spontanen Erzählungen der Kinder teilnehmen, deren Erzählkompetenz durch eine aktive Rezeption fördern können: Durch Nachfragen, Widerspruch, Vermutungen, Bestätigungen oder Kommentare wird die Erzählung der Kinder so zu einem gemeinsamen Produkt. Auch mimische und gestische Rückmeldungen konstituieren das Erzählgespräch. Diese kurzen Hinweise verdeutlichen bereits die Wichtigkeit des Zuhörerverhaltens beim Aufbau der Erzählkompetenz (vgl. Hausendorf/ Quasthoff 1996). Diese eher „natürliche“ Spracherwerbsdidaktik des Erzählens sollte sich die schulische Erzähldidaktik zu Nutze machen. So scheint es effektiver, das Erzählen „unter vier Augen“ oder in kleinen Gruppen zu praktizieren, damit die Zuhörenden die Möglichkeit haben, sich durch Fragen oder Kommentare in den Erzählverlauf einzuklinken. Der oft praktizierte Erzählkreis wird demgegenüber für erzähldidaktische Zwecke wegen seines Redezwangs als nicht erfolgversprechend angesehen (vgl. Fienemann/ von Kügelgen 2003, 135-139), weil sich das persönliche, erlebnisabhängige Erzählen „gegen die institutionelle Vereinnahmung sperrt“ (Quasthoff 2003). Im Unterricht sollte stattdessen versucht werden, Erzählanreize 67 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ zu schaffen, die motivieren und das Erzählen in eine Erzählsituation einbetten: Erzähler brauchen Zuhörer. 5.1.1.3 Mündliches und schriftliches Erzählen Gegen Ende der Grundschulzeit sind die meisten Schülerinnen und Schüler in der Lage, eine mündliche Erzählung nach dem Muster Explikation - Komplikation - Auflösung zu produzieren (vgl. Becker 2017, 341). Ein neuralgischer Punkt in der Erzähldidaktik ist der Übergang von der mündlich geprägten Alltagserzählung in das schriftliche Erzählen. Im Deutschunterricht werden den Schülerinnen und Schülern bestimmte erzähltypische Elemente schriftlicher Erzählungen vermittelt (z. B. Erzählplan, Erzählanfänge, Gestaltung des Erzählhöhepunkts, Erzählschluss). Zudem bezieht sich die Arbeit am schriftlichen Erzählen auf die Textkohäsion und Textkohärenz, die Satzkomplexität und Textlänge sowie auf den Sprachgebrauch (Gestaltung der wörtlichen Rede, anschaulicher Wortschatz) und die Sprachrichtigkeit (Rechtschreibung, Syntax). Grundsätzlich lässt sich dabei feststellen, dass es den Schülerinnen und Schülern schnell gelingt, das schriftliche und mündliche Erzählen adressatenbezogen und medial zu unterscheiden. Hierzu das Beispiel eines Schülers aus der fünften Klasse (Dannerer 2016, 29): 68 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 4: Mündliche und schriftliche Erzählung des Schülers „Günther“ (5. Schulstufe) zu einer Vater-und-Sohn-Geschichte nach Monika Dannerer (2016, 29 f.) 69 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Da es sich um Einzeluntersuchungen handelt, können die Ergebnisse nicht verallgemeinert werden, trotzdem lässt sich Interessantes feststellen: ▶ Die Schülerinnen und Schüler sind sich bewusst, dass der Wechsel von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit mit einer Veränderung des Sprachregisters einhergeht (z. B. Wortwiederholungen, Satzabbrüche, Apokopen usw.). Es scheint ihnen klar zu sein, dass typische Sprech- und Sprachmittel der Mündlichkeit beim Wechsel in die Schriftlichkeit unangemessen sind. ▶ Die Schülerinnen und Schüler übernehmen - bewusst oder unbewusst - die im schulischen Unterricht vermittelten schriftsprachlichen Muster und Sprachroutinen (z. B. Erzählanfang: Eines Tages …; anschauliche Redeeinleitungen: sagte der Vater streng; Tempusstrukturierungen: Als das Essen am Tisch stand, …). Hierdurch bestätigt sich auch die Bedeutung des vorbildhaften Vorlesens oder auch der gezielte Einsatz von Hörbüchern. ▶ Die Schülerinnen und Schüler übernehmen aber auch bestimmte Normen und Routinen aus der Schriftlichkeit und transportieren diese in die Mündlichkeit („transitorische Normen“ nach Dannerer 2016, 45) (z. B. Genitivkonstruktionen: kannte die kochkunst des vaters; elaborierter Wortschatz: franz kostete, sogar der hund verschmähte das essen; typischer schriftsprachlicher Erzählschluss: und aller streit war vergessen). Dies bedeutet, dass die Zuwendung zur Schriftlichkeit auf die Mündlichkeit zurückwirkt und zwar in dem Sinne, dass die Mündlichkeit konzeptionell elaborierter und schriftsprachlicher, aber auch ausgefeilter wird. Die Schülerinnen und Schüler scheinen also vom Medienwechsel von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit zu profitieren. Svenja Ringmann (2013) arbeitet heraus, dass Kinder mit einem größeren und differenzierteren Wortschatz auch bessere Erzähler werden. Dies gilt auch für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache. Während in Erlebniserzählung oder Bildergeschichte der Wechsel von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit erfolgt, gibt es auch den umgekehrten medialen Wechsel. Die Nacherzählung geht meist von literarischen Erzählformen (z. B. Märchen, Geschichten) aus, deren Inhalt beim Erzählen rekapituliert werden soll, so dass die Zuhörer textadäquate Vorstellungen entwickeln können. Die Nacherzählung ist dabei als Erzählform problematisch: Einerseits muss sich der Erzähler in Form und Sprache um eine möglichst textnahe Wiedergabe bemühen, andererseits wird eine individuelle Wiedergabe gefordert („mit eigenen Worten“), da eine kopiergetreue Textwiedergabe auch die Gedächtniskapazität überfordern würde. Methodisch sind Nacherzählungen mit Perspektivenwechsel des Erzählers (z. B. von der Erin die Ich-Perspektive), durch das stilistische Umerzählen der literarischen Vorlage oder das Ergänzen von einzelnen Textpassagen („Erzähle, wie das Märchen zu Ende geht“) möglich. In höheren Klassenstufen wird die Nacherzählung durch die Inhaltsangabe abgelöst, die eine stärkere kognitive und sprachliche Distanz zum Ausgangstext aufweist. Diese schulische Art des Nacherzählens hat mit dem authentischen Erzählen der Kinder wenig gemein. Im Projekt „Mit Erzählen Schule machen“ (vgl. Hauck-Thum 2018) gibt es illustrative Beispiele dafür, wie es Kindern gelingt, eine literarische Vorlage mit Hilfe der Folienfilmtechnik vollständig mit eigenen Worten erzählend wiederzugeben. Dabei fällt auf, dass sie 70 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik ▶ in ihrer Erzählung schriftsprachliche Formulierungen des Ursprungstextes übernehmen (z. B. zur Strukturierung: Es war einmal … „Knusper, knusper knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen? Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“), ▶ wörtliche Rede oder sprechsprachliche Mittel einsetzen, um bestimmte Situationen zu veranschaulichen und zu konkretisieren und ▶ einzelne Situationen über den eigentlichen Märcheninhalt hinaus erzählerisch und sprachlich kreativ ausgestalten (vgl. Erzählfilm „Hänsel und Gretel“). Die Beispiele aus dem Erzählprojekt machen deutlich, dass die Kinder die Fähigkeit besitzen, mündlich äußerst kreativ zu erzählen und dass ihre Erzählungen auch viele berichtende, illustrierende, kommentierende oder auch fabulierende Passagen enthalten. Demgegenüber erscheint die schulische Nacherzählung als eine sterile Erzählform, in die man die Schülerinnen und Schüler hineinzwingt, und die Erzählfreude und Erzählkompetenz gleichermaßen behindert. 5.1.1.4. Erzähldidaktische Folgerungen Die Literatur zur Erzähltheorie und Erzähldidaktik ist mittlerweile schier unüberschaubar. Trotz vieler Einzeluntersuchungen und empirischer Erhebungen existiert bislang keine umfassende und stringente erzähltheoretische und -didaktische Konzeption. Wir wollen an dieser Stelle versuchen, einige wichtige Aspekte anzuführen: a) Der Unterricht muss dem mündlichen Erzählen grundsätzlich den Raum lassen, seine identitätsbildende und soziale Funktion zu entfalten. Diese Forderung gilt insbesondere für mehrsprachige Klassen, in denen alle Sprachen respektiert und als Erzählmedien genutzt werden sollten. Über das Erzählen kommen die Kinder zu Wort! b) Zentral für die Entwicklung der Erzählkompetenz sind Aufgabenstellungen, die das Erzählen als interaktiven Prozess zwischen Erzählenden und Zuhörenden modellieren. Nitza Katz-Bernstein und Anja Schröder (2012) zeigen, wie man die Erzählfähigkeit bei Kindern im Übergang zur Schule durch Scaffolding fördern kann. Methodisch werden augenblicklich Peer-Tutorings propagiert, in denen Erwachsene oder auch gleichaltrige Interaktionspartner als Ressource genutzt werden (vgl. z. B. Drick 2015). c) Es gilt, grundsätzlich einen Unterschied zwischen mündlichem und schriftlichem Erzählen zu machen. Mitunter entsteht der Eindruck, dass mündliches Erzählen gegen Ende der Grundschule als abgeschlossen betrachtet wird und durch schriftliches Erzählen abgelöst wird - nach dem Motto: „Wo die Schule anfängt, hört das Erzählen auf! “ Dies impliziert zumindest unterschwellig eine Abwertung des Mündlichen gegenüber dem Schriftlichen. Zudem bleiben Wechselwirkungen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ausgeblendet. d) Schwächen und Defizite in der Erzählstrukturierung und Erzählentwicklung der Schülerinnen und Schüler lassen sich durch den Bezug auf Erzählschemata (story grammar) beheben. Hier gilt es, den Schülerinnen und Schülern typische Aufbaumuster zu vermitteln, ihnen aber gleichzeitig auch Freiraum zu gönnen, alternative Muster zu wählen und zu 71 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ reflektieren. Katrin Hee (2016) macht interessante didaktisch-methodische Vorschläge, wie sich erzähltypische Besonderheiten (z. B. monologische Strukturiertheit, lineare Strukturiertheit, Kohäsivität und Kohärenz, Erzählwürdigkeit, affektive Involvierung, literale Markiertheit) im heterogenen und inklusiven Unterricht fördern lassen. e) Erzählsprachliche Schwächen und Defizite (z. B. Probleme der Textkohärenz und Kohäsion, der Textreferenz und Proformen, des Tempusgebrauchs, der Textkonnektive oder der Situationsdeixis) spielen immer dann eine wichtige Rolle, wenn die Schülerinnen und Schüler vom mündlichen ins schriftliche Erzählen wechseln. Die Arbeit am schriftlichen und mündlichen Erzählen steht demnach im Dienst einer grundsätzlichen Sprachförderung. Neben vielen Einzelstudien und Beobachtungen zum Erzählerwerb, in denen auch auf empirisches Beispielmaterial von Kindern zurückgegriffen wird, scheinen Langzeitstudien erforderlich, um die Erzählfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu erfassen. Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen könnten konkrete Fördermaßnahmen entwickelt werden (vgl. z. B. Quasthoff/ Fried/ Katz-Bernstein 2011). 5.1.2 Erzählen im Deutschbuch Sichtet man die Deutschlehrwerke in Hinblick auf das Erzählen, lässt sich Folgendes festhalten: a) Aufgaben zum mündlichen Erzählen finden sich vor allem in Deutschbüchern für die Grundschule. Bei der Förderung narrativer Fähigkeiten werden narrative Vorbilder und Muster favorisiert (vgl. Becker 2017). Dabei wird das Vorlesen im familiären Umfeld und in der Schule besonders empfohlen. Durch vorbildhaftes Vorlesen wird die Erzählfähigkeit der Schülerinnen und Schüler gefördert, durch Vorlesegespräche können zudem Verstehenskompetenzen entwickelt werden. Beliebt sind auch die sogenannten „Erzählwerkstätten“ oder „Erzählkabinette“, in denen es darum geht, Erzählsperren und -blockaden in vielfältiger Weise aufzuheben. Durch entspannte Erzählsituationen (z. B. Erzählfamilie, Erzählkissen, Erzählumhang), stimulierende Erzählimpulse (z. B. Bilder, Geräusche, Erzählbaukasten, Erzählwürfel, Erzählkoffer) und interaktive Erzählsituationen wird die spontane und kreative Erzählkompetenz der Kinder gefördert und ausgebaut (vgl. Claussen/ Merkelbach 1995, Merkel o. J. und die zahlreichen Hinweise in Reich 2007 ff.). Kinder benötigen Anlässe, um Geschichten zu erzählen. b) Leider wird in vielen Deutschbüchern „erzählen“ als Operator oft nur als Chiffre für „sich mündlich äußern“ („Erzähle, wo du wohnst und wie du wohnst“) verwendet. Zudem wird - besonders im Sekundarbereich - das mündliche Erzählen mit dem schriftlichen gleichgeschaltet („Erzählt oder schreibt eine Geschichte zu den Bildern“). c) In der Sekundarstufe verschiebt sich die Vermittlung erzählerischer Kompetenzen in Richtung schriftliches Erzählen. Dieser Wechsel von der Erzählmündlichkeit in die Erzählschriftlichkeit ist für die Schülerinnen und Schüler eine schwierige Hürde, aber 72 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik auch eine Chance. Wegen der damit verbundenen Transferprozesse sollte daher auch im Sekundarbereich der Mündlichkeit eine größere Beachtung und Bedeutung zugemessen werden. Eine solche differenzierte Mündlichkeit kann auch in anderen unterrichtlichen und fachlichen Zusammenhängen genutzt werden (vgl. Kubli 2005). d) Ein besonderer Schwerpunkt der Erzähldidaktik liegt in der Vermittlung unterschiedlicher Erzählformen. Die Erzählfertigkeiten der Schülerinnen und Schüler hängen dabei von den unterschiedlichen Erzählformen ab (Nacherzählung, Erlebniserzählung, Bildererzählung, Phantasieerzählung) (vgl. z. B. Becker 2011). Die schulische Hauptform des Erzählens, die Erlebniserzählung, kommt dem Ausdrucks- und Mitteilungsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler am ehesten entgegen. Phantasieerzählungen sind bei den Schülerinnen und Schülern ebenfalls beliebt, da sie ein hohes Maß an Erzählfreiräumen schaffen. In Bild- oder Bildergeschichten geht es um das Nach- oder Weitererzählen grafisch oder fotografisch abgebildeter Ereignisse. Der Vorteil dieser Erzählform liegt sicherlich darin, dass in den Bildern bereits eine entwickelte Form des Erzählens vorliegt, die es aus der Symbolsprache in die Schriftsprache zu übersetzen gilt. Es wird allerdings angezweifelt, ob diese Form überhaupt zur Ausbildung der Erzählfreude und Erzählfähigkeit geeignet ist (vgl. Fritzsche 1994, 77). Die Bildergeschichte erfordert zunächst eine genaue Betrachtung der Bilder, darauf aufbauend dann das subjektive, fantasiebasierende Interpretieren der Bilder und der Lücken zwischen den Bildern. Die Bildvorlagen verleiten die Schülerinnen und Schüler allerdings zu Bildbeschreibungen, zumindest konkurrieren in ihren Texten oft beschreibende mit erzählerischen Passagen. Der Unterricht sollte Freiraum für möglichst unterschiedliche Formen des Erzählens bieten, dabei aber das Erzählen von anderen Kompetenzen (z. B. Beschreiben, Berichten) deutlich absetzen. Die meisten Deutschbücher betrachten das mündliche Erzählen lediglich als Vorstufe zum schriftlichen Erzählen. Dabei wird - zumindest implizit - ein kanonisiertes, schriftsprachliches Grundmuster (Einleitung, Hauptteil mit Spannungsbogen, Schluss) zugrunde gelegt, das nur selten in kommunikative Erzählhandlungen eingebettet wird. Hinzu kommen Übungen zum Ausdruck der Expressivität (z. B. wörtliche Rede), Anschaulichkeit (treffender Wortschatz), Perspektivität (Ich-/ Er-Erzählung) oder Erzählablauf (Tempusgebrauch). Darüber hinaus werden standardisierte Muster des Erzählens eingeübt (Erlebniserzählung, Nacherzählung, Fantasieerzählung, Reizwortgeschichte, Bildergeschichte, Geschichten weiterschreiben usw. (vgl. z. B. Sprachwelt 1989 oder P.A.U.L.D. 5/ 2010). In einigen Deutschbüchern wird das besondere Augenmerk auf die Erzählmethoden gelegt: nach Stichwörtern erzählen, nach Reizwörtern schreiben, mit Hilfe eines Geschichtenwürfels erzählen, Geschichten fortsetzen und vervollständigen, nach Bildern erzählen, nacherzählen, weitererzählen, umerzählen. Hierbei dienen literarische Erzählungen (z. B. Eulenspiegel-Geschichten) als Erzählmodell (vgl. Praxis Sprache 1984, 47-65). Reflektiert wird gelegentlich der Unterschied zwischen mündlichem und schriftlichem Erzählen, wobei auf formale Unterschiede abgehoben wird (z. B. Wiederholungen, Satzabbrüche, kurze Sätze, Interjektionen) (vgl. Praxis Sprache 1984, 44-46). Nur selten wird das Erzählen als adressatenspezifische Kommunikation begriffen und entsprechend aufbereitet 73 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ (sachbezogen erzählen, in Briefen erzählen, Erlebtes erzählen) (vgl. Deutschstunden 1989, 20- 27). Didaktik und Unterricht bleiben gerne auf den ausgetretenen Pfaden. Warum bricht das mündliche Erzählen mit der Grundschule ab und wird wegen des Primats des Schriftlichen in der Sekundarstufe in eine streng formbezogene, eher artifizielle Erzählung überführt? Warum müssen Erzählungen immer spannend sein? Kinder erleben selten „Krimis“, sie erzählen hingegen gerne von lustigen, traurigen, überraschenden oder auch seltenen und besonderen Erlebnissen. Diese Erzählungen werden selten verschriftlicht und wenn, dann hält man eigene Erlebnisse eher im Tagebuch als in einer Erlebniserzählung fest. Und schließlich: Warum nutzt man im Unterricht nicht das didaktisch-methodische Potential neuer Medien? Gehen wir nun auf die Suche nach Aufgaben in Deutschbüchern, die Impulse für den Unterricht liefern können. 5.1.3 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern Bei den folgenden Beispielen aus Deutschbüchern geht es darum, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass ▶ das Erzählen im Dienst der Identitätsbildung steht und als soziale Handlung zu verstehen ist, ▶ Erzählen nach einem bestimmten Erzählmuster erfolgt, das variabel ist, ▶ zum Erzählen zwingend auch die Rückmeldungen der oder des Zuhörer(s) gehören. 5.1.3.1 Andern von sich erzählen Das Erzählen im Klassenzimmer bietet die Möglichkeit, die soziale Funktion des Erzählens umzusetzen: Ebenso wie alltägliches Erzählen dient Erzählen im Klassenzimmer nicht nur der Weitergabe von Information, sondern vor allem der Selbstvergewisserung über etwas Erlebtes, Beobachtetes oder auch Erdachtes, indem Lernende davon erzählen (dürfen) versichern sie sich und einander der Bedeutung, die bestimmte Erfahrungen für sie haben oder hatten (Abraham 2016, 80). Beim folgenden Beispiel wird vor dem eigentlichen Erzählen zunächst einmal eine Erzählmotivation aufgebaut. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die Übernahme der Erzählrolle bewusstwerden und Geschichten erzählen, die etwas mit ihnen zu tun haben. Hier sollst du Geschichten erzählen, die etwas mit dir zu tun haben. Dafür kannst du einen Erzähl-Karton basteln. ① Bastel deinen eigenen Erzähl-Karton. Nimm dazu einen Schuhkarton. Lege Dinge hinein, die etwas von dir erzählen, z. B. ein Foto, eine Postkarte, deinen Lieblingsstein, eine Muschel, 74 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik ② Stellt alle Kartons im Klassenraum auf. Geht herum und schaut euch die Kartons der Mitschüler an. ③ Suche dir einen Karton aus. Wähle etwas aus und lasse dir von deinem Mitschüler die passende Geschichte dazu erzählen. ④ Anschließend wählt dein Partner etwas aus deinem Karton - und nun bist du der Erzähler. ⑤ Nutzt die Hinweise im Methoden-Kasten Von einem Erlebnis erzählen 1. Finde einen Erzählanfang, der deine Zuhörer neugierig macht. 2. Erzähle, wann und wo die Geschichte passiert ist. Hast du sie alleine erlebt oder waren noch andere Personen dabei? 3. Erzähle in der richtigen Reihenfolge: Was passiert zuerst? Was passiert anschließend? Was war ungewöhnlich oder überraschend? 4. Erzähle auch, wie du dich gefühlt hast. 5. Schaue beim Erzählen deinen Zuhörer an. 6. Du kannst als Zuhörer auch Nachfragen stellen. Abb. 5: Aufgabe zum persönlichen Erzählen aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs 4.1 (5. Schuljahr) (2016, 14) Kurzkommentar Erzählen ist in dieser Aufgabe zuhörerbezogen und interaktiv angelegt. Erzählanlass sind verschiedene Gegenstände, die dem Erzähler oder der Erzählerin etwas bedeuten. In seiner Erzählung gibt der Erzählende also etwas über sich preis (Identitätsfindung). In der vertrauten Zweierkommunikation ist durchaus denkbar, dass durch Nachfragen oder Kommentare eine authentische und interaktive Sprecher-Zuhörer-Erzählsituation entstehen kann. 5.1.3.2 Erzählen nach Mustern Im folgenden Beispiel dient die Geschichte „Der Geschichtenmacher“ von Uwe Kant als Erzählanregung, Geschichten im Alltag zu finden und sie sich wechselseitig zu erzählen. Auch wenn den Erzählenden die angewandte Erzählgrammatik in der Regel nicht bewusst ist, so sind Alltagserzählungen doch nach bestimmten Mustern aufgebaut. Am Anfang des Erzählens geht es aber zunächst darum, etwas Erzählenswertes zu entdecken. Dies lässt sich mit der Geschichte „Der Geschichtenmacher“ veranschaulichen: Der Geschichtenmacher ist aufmerksam, er interessiert sich für die Menschen und beobachtet, was um ihn herum passiert. Er sieht mögliche Komplikationen und denkt über Lösungen nach. 75 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Abb. 6: Aufgabe aus dem Sprach-Lesebuch wortstark (6/ 2016, 29) Uwe Kant Der Geschichtenmacher Jeden Morgen geht der Geschichtenmacher ein bisschen spazieren. So sieht es aus. In Wirklichkeit geht er Geschichten suchen. Die Leute haben gesagt: Geschichten liegen auf der Straße. Der Geschichtenmacher möchte sie finden. Er nimmt eine große Tüte mit. Ach was, sagt der Geschichtenmacher, die Tüte ist für die frischen Brötchen da. Einmal haben ihn eine uralte Frau und ein uralter Mann nach dem Weg zum Hochzeits-Büro gefragt. Er hat gesehen, wie vier Feuerwehrleute einen angefrorenen Schwan vom Fluss geholt haben. Zu Haus jedoch waren jedes Mal nur Brötchen in Geschichtenmachers Tüte. Aber im Kopf hat er überlegt: Was wollten die Uralten auf dem Hochzeits-Büro? Haben die vier Feuerwehrleute nichts Wichtigeres zu tun? Manchmal bekommt er etwas heraus und schreibt es auf. So machen es die Geschichtenmacher schon lange und überall. Deshalb gibt es so viele Geschichten auf der Welt. Und eben - hast du gehört - ist vielleicht eine neue dazugekommen. 5 10 Geschichten liegen auf der Straße Könnt ihr auch so gut Geschichten erzählen wie der Geschichtenmacher, über ganz alltägliche Dinge? Um so zu erzählen, dass andere euch gespannt zuhören, braucht ihr allerdings Kniffs und Tricks. Einige davon werden euch in diesem Kapitel vorgestellt. In diesem Kapitel lernt ihr, - eigene Geschichten zu erfinden und auszugestalten, - beim Erzählen Spannung aufzubauen und aufrecht zu erhalten, - spannende Geschichten schriftlich zu formulieren, - eigene Geschichten zu überarbeiten. 76 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Kurzkommentar In der Auseinandersetzung mit der Geschichte wird zum einen ein Bewusstsein für Erzählen geschaffen, zum anderen trägt die Aufgabe dazu bei, eine „zunehmende Literarisierung der Erzähltexte“ (vgl. Fritzsche 1994, 53) zu erreichen. Dies ist auch das Ziel der folgenden Aufgabe, mit der Schülerinnen und Schüler mit einem typischen Erzählmuster vertraut gemacht werden. 32 Zusammenhängend und anschaulich mündlich erzählen / Aufmerksam zuhören Erlebtes oder Ausgedachtes mündlich erzählen Janina hat von einem Platz, an dem sie sich besonders gern aufhält, für eine Erzählstunde ein Foto mitgebracht. Auch ihre Decke hat sie dabei. 77 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Abb. 7: Aufgaben zum Erzählen nach einer Geschichten-Grammatik aus wortstark (5/ 2012, 32 f.) Kurzkommentar Durch das Bearbeiten dieser Aufgabe erhalten die Schülerinnen und Schüler ein Modell für das mündliche Erzählen, einen „roten Faden“, der sich an der story grammar orientiert: Den Einstieg bildet der Erzählrahmen mit einer Zuhöreransprache, dann folgt die Orientierung, die Herstellung der Ausgangssituation für die Erzählung. Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler dann etwas Erzählenswertes erzählen - ein ungewöhnliches Ereignis, eine Komplikation oder vielleicht auch nur eine Episode, die für sie besonders wichtig ist. In der daran anschließenden Evaluation erklären sie den Zuhörenden, was sie selbst erzählenswert an ihrer Geschichte finden. Das Erzählen endet mit einer Coda - einer rahmensetzenden Aktivität zur Beendigung des Erzählens. Hier können nun die Zuhörenden reagieren und mit den Erzählenden weiter über die Geschichte sprechen. Formulierungshilfen können als Erzählimpulse genutzt werden. Die Zuhörenden können darauf eingehen, was ihnen besonders gut gefallen hat. Sie können aber auch nachfragen und deutlich machen, was ihnen noch unklar ist beziehungsweise was sie noch gerne erfahren würden. ❶ Erzähle von deinem besonderen Platz. • Bringe ein Foto oder etwas mit (z.B. einen Stein, ein Blatt, …), was für dich an diesem Platz wichtig ist. • Orientiere dich am Erzähl-Faden und den Formulierungshilfen. Erzähl-Faden Formulierungshilfen Sprich die Zuhörer an Ins Erzählen kommen … Was du Besonderes erlebt hast … Warum hast du die Geschichte eigentlich erzählt? Die Geschichte abschließen Vielleicht habt ihr auch einen Lieblingsort? Ich will euch von meinem Lieblingsort erzählen. Mein Lieblingsort … Ich habe euch etwas von meinem Lieblingsort mitgebracht: … Einmal passierte etwas, was für mich sehr wichtig war: … Ich habe euch die Geschichte erzählt, weil … So - das war meine Geschichte von … Mit den Zuhörern über die Geschichte sprechen Wie hat euch die Geschichte denn gefallen? Zuhörer 1: Erzähl doch noch mal genauer, wie … Zuhörer 2: Ich habe noch eine Frage an dich … Zuhörer 3: … Zuhörer ... 78 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.1.3.3 Erzählen mit dem aktiven Zuhörer Zum Erzählen gehört der aktive Zuhörer. Er kann reagieren, wenn er Verständnisfragen hat oder Kommentare abgeben möchte. So kann der Zuhörer das, was ihm gefallen hat, positiv herausheben oder aber auch Nachfragen oder Verbesserungsvorschläge machen. Der Erzähler muss auf die Einwände des Zuhörers eingehen und gegebenenfalls Episoden einschieben oder zusätzliche Erklärungen einfügen. Der Erzähler kann seine Erzählung aber auch selbst aufnehmen und am Ende darüber reflektieren, was gelungen oder was noch verbesserungsfähig ist. Das folgende Beispiel illustriert die Berücksichtigung der Zuhörerrolle: Abb. 8: Aufgabe aus dem Sprachbuch Wortwechsel (3/ 1976, 50) 79 5.1 Zu anderen sprechen: „Erzählen“ Kurzkommentar In der Aufgabe sollen die Schülerinnen und Schüler vier unterschiedliche Erzählungen zum gleichen Erzählanlass bearbeiten. Die Erzählungen sind unvollständig und daher schwer zu verstehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen - gewissermaßen ex post - „Zuhörer“-Fragen an die einzelnen Erzähler stellen, um ihre Verständnisschwierigkeiten zu klären; z. B. an Anja: „Wieso bekam der Mann einen Schreck? “ oder an Saskia: „Warum rannte er nach Hause? “ bzw. „Was machte er zu Hause? “ usw. Die Aufgaben simulieren gewissermaßen ein mögliches Peer-Tutoring zwischen den Erzählenden und dem zuhörenden Bearbeiter. Es handelt sich um ein fiktives Erzählgespräch, in dem der Bearbeiter gewissermaßen als aktiver Zuhörer in die Erzählung eingreift. Welche Vorschläge sind darüber hinaus in aktuellen Forschungsbeiträgen zu entdecken, die noch keinen Einlass in Deutschbücher gefunden haben? ▶ Für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache scheint der Aspekt der Identitätskonstruktion besonders wichtig. Wenn Kinder im Vorschulalter und Grundschulkinder mündlich im familiären Kontext vor allem ihre Erstsprache nutzen und dem Deutschen vor allem im institutionellen Kontext von Kindergarten und Schule als mündliche Zweitsprache begegnen, ist von code switching und -mixing auszugehen. Frank Müller (1989) hat in Erzählungen bei in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen aus italienischen Elternhäusern festgestellt, dass diese an bestimmten Stellen die Sprachen wechseln (code switching), Interjektionen verwenden oder elliptisch erzählen. ▶ Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache haben Erfahrungen im Sprechen - sogar in mehreren Sprachen. Unser Bildungssystem trägt jedoch ihren Erstsprachkompetenzen kaum Rechnung. Hans-Jürgen Krumm (2014) spricht (mit Blick auf Österreich) von einer „Zwei-Klassen-Mehrsprachigkeit“ und fordert, die Kinder mit ihrer lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ins Zentrum des Unterrichts zu rücken. Die mündliche Sprache der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht mit einzubeziehen, ist ein Signal der Wertschätzung und fördert ihre Motivation und ihr Selbstvertrauen. ▶ Nicole Marx und Sibel Yildiz (2017) geben Einblick in die unterrichtliche DaZ-Praxis und stellen ein Projekt einer gemeinsamen Herstellung einer narrativ kohärenten, mehrsprachigen, multilinearen Erzählung im Klassenverband vor, die anschließend im Buchformat gedruckt wird. Die Erzählung enthält Episoden aus mehreren Sprachen, da Herkunftssprachen als Ressource genutzt werden; Eltern können dabei „als Experten“ fungieren. ▶ Georg Piller (2013) berichtet in einem Lehrvideo über Möglichkeiten sprachfördernden Erzählens mit Praxisbeispielen. Das Video gibt viele Anregungen, was einen guten Vorleser ausmacht und wie man eine Geschichte ausdrucksstark vortragen kann. Der Lehrfilm zeigt aber auch, dass das zuhörerorientierte Geschichtenerzählen nicht nur die Aufmerksamkeit der Zuhörer steigert und die Kinder zu Reaktionen veranlasst, sondern dass das Wiederholen von Wörtern und Wortverbindungen auch dazu führt, dass diese von den Kindern übernommen werden. Pillers 80 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Lehrbeispiel bezieht sich insbesondere auf die Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. In diesem Sinne erzählfördernd ist auch der Ansatz des Erzähltheaters bei Helga Gruschka und Karin Wedra (2016): Die Erzählexpertinnen zeigen mit Hilfe eines Kamishibais, wie Schülerinnen und Schüler zu Erzählerinnen und Erzähler werden. Schon Erich Drach (1922) forderte für das „Erzählsprechen“ eine hörerorientierte Grundhaltung: „jetzt erzähle ich der Gemeinschaft meiner Kameraden was Schönes, Frohes, Aufregendes, Gewaltiges.“ ▶ Erzählfördernd sind auch sogenannte Miterzählgeschichten, bei denen ein erwachsener Erzähler die zuhörenden Kinder zur aktiven Mitarbeit beim Erzählen auffordert. Die Aktivitäten können dabei gestisch-mimisch begleitend pantomimisch sein, die Zuhörer können allerdings auch erzählgestaltend eingebunden werden, indem der Erzähler sie durch Impulsfragen auf eigene Erlebnissituationen lenkt oder den Erzählanfang durch Fantasieanregungen erweitern lässt. Miterzählgeschichten dienen der Identitätsbildung und fördern das Erzählen als soziale Handlung (vgl. Hauck-Thum 2018). ▶ Motivierend sind für DaZ-Schülerinnen und -Schüler schließlich auch Erzählwerkstätten, in denen sie partnerbezogen, spontan und kreativ ihre mündliche Sprachkompetenz entwickeln können (vgl. Hauck-Thum 2018). Bei diesen Beispielen wird auch das didaktisch-methodische Potential der neuen Medien bei der Entwicklung der Erzählkompetenz genutzt: „Die technischen Möglichkeiten der Erweiterung von Erzählinhalten werden dabei immer vielfältiger. […] Geschichten werden transmedial erzählt, mediale Grenzen lösen sich immer mehr auf “ (vgl. Hauck- Thum 2017, 195). Bei der Arbeit an Adaptable Books kommen unterschiedliche Lernszenarien zum Einsatz; Schülerinnen und Schüler arbeiten als Sprachexperten, Vorleser, Schauspieler oder Schriftsteller gemeinsam an digitalen Buchseiten. 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Das Vorlesen hat eine lange Tradition. Die Ursprünge lassen sich ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als Vorlesen von Lesekundigen für nicht oder kaum Lesekundige stattfand und Bücher so rar und kostbar waren, dass nur durch Vorlesen ein größerer Kreis in den Genuss der Lektüre kommen konnte. Ein solches Vorlesen trifft man heute noch in ritualisierten Kontexten an, z. B. in Gottesdiensten oder bei notariellen Beurkundungen - auch wenn sich die ursprüngliche Funktion gewandelt hat. Auch im Alltag war das Vorlesen oft üblich, z. B. das Vorlesen religiöser Schriften zu Hause oder das Vorlesen bei der psychisch abstumpfenden Heim- oder Industriearbeit (vgl. Manguel 1999, 134 ff.). Das Lesen wird hier als „geselliges Lesen“ bezeichnet (vgl. hierzu Wittmann 1982). Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine „literarische Geselligkeit“, in deren Mittelpunkt die Rezitation und Deklamation von Prosa und Dichtung stand und als bildungsbürgerliche Praxis besonders in privaten Salons oder bei öffentlichen Vortragsabenden üblich wurde (vgl. Sandstede 1992). Auch für die Schule 81 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ wurde damals das Rezitieren zur unterrichtlichen Sprecherziehung, insbesondere der Gedichtvortrag galt als wichtiges Bildungsziel (vgl. z. B. Parow 1887, Drach 1922/ 1949, 185-212). Das Vorlesen ist erst in den letzten Jahren als wichtiger Lernbereich des Deutschunterrichts wiederentdeckt worden (vgl. Abraham/ Brendel-Perpina 2017). Dabei werden Aspekte betont, die bereits in Erich Drachs Sprecherziehung (1922/ 1949) angelegt sind. Drachs Überlegungen sollen daher hier als Ausgangspunkt einer kompetenzorientieren Vorlesedidaktik vorgestellt werden. 5.2.1 Grundlagen einer Vorlesedidaktik 5.2.1.1. Erich Drachs Sprecherziehung Erich Drach (1922/ 1949) propagiert in seiner Sprecherziehung nicht nur das lautreine Sprechen, sondern hebt im Rahmen seiner „Leselehre“ besonders die Bedeutung des „sinngemäßen“, „sinnvollen“, „sinnfassenden“, „sinngestaltenden“, „den Sinn verlebendigenden“ Sprechens bzw. Lautlesens hervor. Unter Berufung auf die Arbeit von Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1834) entwickelt Erich Drach in seiner Sprecherziehung eine „Leselehre“, deren Grundlagen im Prinzip bis heute Bestand haben. Er beginnt seine Ausführungen mit grundlegenden Überlegungen zum Lesen. Dabei unterscheidet er: 1. Augenlesen: stilles Lesen, indem die Augen über das Buch gleiten, ohne daß dazu gesprochen wird. 2. Artikulationslesen: das Lautsprechen von Wortbildern, mehr oder weniger deutlich, doch ohne tiefere Sinngestaltung durch den Ausdruck. 3. Ausdruckslesen: das schlechthin „gute“, den Sinn verlebendigende Lautlesen. (S. 156) Diese unterschiedlichen Lesearten stehen in ganz verschiedenen Zusammenhängen zueinander. a) Für Erich Drach steht das Ausdruckslesen im Vordergrund: „Die einzig richtige ‚Behandlung‘ des Lesestückes heißt: sinnvoll lesen“, d. h. der Ausdrucksleser muss sich immer fragen: „Was wollte der Sprecher sagen? Wie dachte er sich den Satz betont? Was ist die Hauptsache? “ (S. 177) Reflektiert werden müssen immer die „Sprechlagen“, d. h. Sprechsituationen. Drach illustriert das Ausdruckslesen an vielen Beispielen: im Text werden gelesen die Worte „Komm her“. Daran wird angeknüpft die Betrachtung: „Wer sagt, kommt her? “ Die Kinder finden Antworten: Wenn das Kind ungezogen war, sagt der Vater „komm her“ (mit Stirnrunzeln, ernster Stimme und Gebärden); wenn das Kind gefallen ist, hilft ihm die Mutter „komm her“ (gütig, mit der Gebärde des Aufhelfens); wenn ein Spielkamerad zu Besuch kommt, ruft man „komm her“ (lustig herbeiwinkend). Dieses Versinnlichen - begleitet von oftmaligem ausdrucksbelebtem Vorlesen durch den Lehrer - zeigt dem Schüler, daß alles Sprechen aus einer bestimmten Sprechlage erwächst, ohne die es nicht verständlich ist. Sein Lesen muß immer Ausdruckslesen sein. (S. 163) Hieraus ergibt sich eine „Einlesetechnik“ für das Ausdruckslesen. 82 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik b) Augenleser, Artikulationsleser und Ausdrucksleser „lesen“ unterschiedlich schnell: Am schnellsten geht der Augenleser vor, „er huscht von Ruck zu Ruck über die Zeilen hin: geübte Augenleser - wer viel mit Büchern umgeht, Gelehrte, Bibliothekare, Schriftsteller - überfliegen im Nu eine Seite und können nach einmaligem Durchblättern den Hauptinhalt eines Buches erkennen.“ Auch der Artikulationsleser kommt rasch vorwärts, „er redet so rasch, wie seine Sprechorgane ineinanderzuarbeiten vermögen.“ Am längsten braucht der Ausdrucksleser, „bis er seinen Gesamtbewußtseinsinhalt gegliedert und in Worte gefaßt hat“ (S. 161). c) Artikulationslesen und Ausdruckslesen stehen nicht in dem Verhältnis zueinander, „daß der Vortrag als Schmuck auf die Lautfolge aufgeklebt wird und so aus dem ersten ohne weiteres das zweite entsteht“ (S. 158). Ausdruckslesen ist „kein verbessertes, geschmücktes Artikulationslesen“ (S. 159). d) Augenlesen und Artikulationslesen sind „einander nahestehende, beides überwiegend aufnehmende Vorgänge. Aus keinem der beiden lassen sich irgend Anlässe ableiten, die zum Ausdruckslesen führen könnten“; das Ausdruckslesen ist „ein völlig neuartiger Vorgang schöpferischer Natur“ (S. 159). e) Beim Ausdruckslesen findet ein „verwickelter Doppelvorgang“ statt: „Seine selbständige erste Hälfte heißt: stilles Augenlesen zwecks Kenntnisnahme. Die zweite ebenso selbständige: freies Aussprechen des soeben erlesenen Bewußtseinsinhaltes.“ nennt den Ausdrucksleser daher auch „Sprechleser“ (S. 160f.). f) Soll an einem Text das Ausdruckslesen geübt werden, so muss er zuvor mindestens einmal „still gelesen“ werden. Ausdruckslesen setzt nach Drach (S. 166) das Augenlesen voraus. Darauf weist schon Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1834, 7 f.) hin: Denn nur derjenige kann richtig lesen, welcher das, was er lieset, versteht. Welche Silbe im Worte vorzugsweise betont werden muß, lernt man durch den Gebrauch und zum Theil mechanisch. Aber nur der Verstand sagt uns, welches Wort im Satz durch den Ton hervorzuheben, welcher Satz mit schwerem oder leichtem Tone zu lesen, wo der Laut der Stimme zu beschleunigen, wo derselbe aufzuhalten ist. Deßhalb wird nur das Verstandene richtig gelesen, und deßhalb ist es eine ungebührliche Forderunge, daß der Schüler jedes fremde Stück, wenn sein Inhalt auch seinen Lebenskreis nicht übersteigt, vor aller Durchsicht ohne allen Fehler solle lesen können. - Umgekehrt schließt man vom richtigen Lesen auf das richtige Verständniß. Erich Drach gibt auch methodische Hinweise, wie das Ausdruckslesen im Unterricht eingeübt werden kann. Er warnt davor, „auf den ersten Anhieb zu viel erreichen zu wollen“ (S. 166) und nennt konkret einige „Schulhandgriffe“ zum Einüben des Ausdruckslesens: zum Beispiel Wortblöcke überschauen und dann sinngebend sprechen (Vorzeitenwareneinkönigundeinekönigin - diesprachenjedentag - achwennwirdocheinkindhätten), die „Hauptsache“ in einem Satz hervorheben oder einem Gedanken eine besondere Richtung oder Farbe geben. Auch auf die Besonderheiten der Zeichensetzung beim Vorlesen geht Drach (S. 179-184) ein und relativiert dabei gängige Betonungsregeln durch die Beachtung der jeweiligen „Sprechlage“. Dabei steht für Drach der Lesefindungsprozess im Vordergrund: 83 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Nicht darauf kommt es an, daß wirklich alle Satzkerne ausnahmslos vom Sprecher sofort herausgeholt werden - mag er ruhig auch mal einen falschen greifen, wenn er ihn für richtig hält. Aber: daß er überhaupt irgend etwas für richtig hält und nicht anteillos über den Text hindröselt, daß er Auge und Ohr für das Ergreifen schult, daß er nicht mehrere Dinge wahllos für gleichstark ansieht - darauf kommt es an! (S. 170) Dies bedeutet, dass sich auch der Lehrer mit seiner Deutung zurückhält, statt seine Meinung, selbst wenn sie die richtige ist, dem Lesenden aufzuzwingen. Im Gegenteil, die Schüler müssen, je eher je lieber, erkennen, daß es beim Ausdruckslesen überhaupt nur bis zu einem gewissen Grad gemeingültige Regeln gibt, jenseits deren das freie Sprachschaffen des einzelnen beginnt (S. 169). Unsicherheiten oder Zweifel sollen durch Meinungsaustausch behoben werden. Drach betrachtet daher auch die gängige Praxis, die Texte in Schulbüchern mit Betonungszeichen zu drucken, als „verfehlt“ (S. 170). Was ist an dieser Konzeption bemerkenswert und als wesentlich für unterrichtliches Arbeiten immer noch aktuell? Erich Drach stellt heraus, dass es im Unterricht vor allem um den Verstehensprozess des lesenden Schülers geht, der sein Textverständnis beim Vorlesen zum Ausdruck bringt. Er liefert damit die Grundlage einer schüler- und kompetenzorientierten, konstruktivistischen Didaktik und Methodik des Vorlesens. Erich Drach stellt in seiner „Sprecherziehung“ auch didaktisch-methodische Vorschläge zum Gedichtvortrag zur Diskussion (S. 185-212). Dabei wendet er sich ausdrücklich gegen das weit verbreitete „Aufsagen“ von Gedichten durch die Schülerinnen und Schüler: „bald als Gedächtnisübung, bald in der Hoffnung, das Auswendiggelernte werde unverlierbares Eigentum bleiben, bald als Nachweis des Verständnisses, als Übung des Sprechens, als gesellige, für die Schulfeier verwendbare Fertigkeit.“ Dieses Aufsagen führt nach Drachs Ansicht das Sprechbewusstsein der Kinder in die Irre: Durch den Unfug, den Vierjährigen zu Vaters Geburtstag vor versammelten Tanten und Großmüttern ein Sprüchlein aufsagen zu lassen, und das „ach, wie niedlich“ besagter Tanten bekommt das Kind den Eindruck, „ein Gedicht aufsagen“ bedeute, „eine Kunstfertigkeit dem Publikum vorführen“. Die Schule, weit entfernt, diesem Irrglauben zu steuern, befestigt ihn noch. Ob in der Klasse oder beim Schulfest, immer wird ein geistiges Schauturnen veranstaltet: der Schüler turnt den Hörern seine kleinen Vortragskunststücke vor (S. 201f.). Ziel des Gedichtvortrags ist es auch nicht, daß der Schüler die Dichtung nach der Durchnahme erfaßt hat, sondern die Erarbeitung des Vortrags ist die Durchnahme selbst. Gemeinsames Erarbeiten der Schallform eines Gedichtes heißt ganz unmittelbar und zwangsläufig im Gefühlsleben aller Beteiligten die den Sachvorstellungen innewohnenden Vorstellungsgefühle erregen, somit die Gemütswerte wachrufen, auf denen das Nacherleben der Dichtung beruht. […] Zweck ist nicht das Endergebnis, daß einer oder einige das Gedicht „durchaus gut“, also den erwachsenen Hörer künstlerisch befriedigend, vortragen können, 84 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik sondern daß alle sich bemühen, es „möglichst gut“ zu sprechen, ein jeder mit der ihm innewohnenden Ausdruckskraft (S. 191f.). Erich Drach legt zudem ein methodisches Vorgehen für diesen individuellen Aneignungsprozess („Anhaltspunkte“) vor: „Einstimmung - Vortrag des Lehrers - Besprechung - Einlesen der Schüler - Schlußvortrag“, wobei das Einlesen der Schüler als der wichtigste Teilvorgang angesehen wird (S. 193). Drachs Ausführungen zu den Teilvorgängen sind didaktisch-methodisch sehr aufschlussreich: a) Einstimmung: Dichtkunst wird dem Menschen nie „sozusagen ganz unvermittelt an den Kopf geworfen“ (S. 193), man muss sich auf die Rezeption von Gedichten einstellen oder einstellen können. Nach Drach ist es dabei nicht besonders zweckdienlich, „mit fadem Süßholzraspeln ‚Stimmung erzeugen‘ zu wollen“, es reicht oft die bloße Ankündigung „Wir nehmen heute ein Gedicht durch“ (S. 194). Abzustellen ist der alte Schulirrtum, es sei nötig, daß der Hörer jedes einzelne Wort bis zur letzten Durchsichtigkeit verstehe, damit er den Eindruck genießen könne; nachweislich jedoch wird aus dem inhaltlichen und klanglichen Zusammenhang des Ganzen die Wortbedeutung des einzelnen etwa Unbekannten oder Unverstandenen erschlossen. Halbverstandenes gefühlsmäßig aus der Schallform ergänzt. Gerade das nicht völlig Klare umgibt oft der Reiz des Ungewöhnlichen, Geheimnisvollen, Zauberischen. Wort- oder weitschweifige Sacherklärung gehören nicht in die Einstimmung (S. 193). b) Vortrag des Lehrers: Erich Drach wehrt sich gegen den Vorschlag, nicht die Lehrperson, sondern die Schülerinnen und Schüler sollten damit beginnen, sich mit dem gedruckt vorliegenden Gedicht zu beschäftigen. Drachs Gegenargument: Das Gedicht besteht aus Klängen, Rhythmen, Tonfällen usw. und gehört als solches ausschließlich dem akustisch-motorischen, ganz und gar nicht dem graphisch-optischen Sinnbezirk an. Wie kann man die Schüler über etwas sich äußern lassen, das noch gar nicht da ist? Welcher ernsthafte Schulmann ließe wohl ein Bild beschreiben, das die Schüler noch nie gesehen haben (S. 194). Dabei geht es Erich Drach nicht um den „kunstgerechten Vortrag“, sondern vielmehr um die Fähigkeit des Lehrers, „die Klasse zum Einlesen anzuleiten“ (S. 194). Interessanterweise erwähnt Erich Drach in diesem Zusammenhang die modernen Medien der damaligen Zeit: Radio und Schallplatte. Diese Medien - insbesondere die Schallplatte - ergänzen das Sprechenkönnen des Lehrers in den Fällen „wo es dieser Ergänzung bedarf “ (S. 196). Darüber hinaus geht es um das „aufmerksame Hörenlernen; das Beobachten, wie gestaltet ist; das Erwägen, warum gerade so gestaltet wurde; das feinere Einhören in die Zusammenklänge von Ausdruckswillen und Ausdrucksleistung. So werden erarbeitet nicht nachzuäffende Vorbilder wohl aber richtungsweisende Leitbilder“ gemäß dem Motto „Das hat mir recht gut gefallen, und darum will ich sehen, ob ich es nicht auch so kann.“ Fazit: „Wo es um geistig-sinnlichen Ausdruck geht, ist nicht auf das Nachahmen hinzuwirken, sondern auf das Nachbilden und das Ergründen“ (S. 196f.). 85 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ c) Besprechung: An den Vortrag des Lehrers oder die mediale Vermittlung schließt sich eine kurze Besprechung an. Auf Verlagen der Schülerinnen und Schüler können Worterklärungen oder Sacherläuterungen gegeben werden. Wieder empfiehlt es sich, nur das Notwendigste zu sagen und alles lehrhafte Weiterspinnen vom Hundertsten ins Tausendste zu unterlassen. […] Es genügt in dem Augenblick vollständig, wenn der Schüler glaubt, er habe keine Frage mehr zu stellen; denn jetzt soll ja erst das eigentliche Eindringen - das Einlesen - beginnen (S. 200). d) Einlesen der Schüler: Beim Einlesen hüte man sich vor einem groben grundsätzlichen Fehler. Alle Arbeiten, die über Betonung, Tonhöhe, Rhythmik und andere phonetische Begriffe sprechen, gehen von der Anschauung aus, diese Dinge könne man für irgendein Lesestück zunächst festlegen und alsdann durch Lehre, Befehl, Vorsprechen und Nachahmen anüben. Das ist gründlich verfehlt (S. 200f.). Drachs Grundgedanke ist: Ein Gedicht sprechen, heißt im Grunde nichts anderes, als seinen Mitmenschen etwas Bemerkenswertes sagen. […] Alles erwächst doch immer wieder als ein Eigenbericht, ja nicht als irgendein Kunststück-Vormachen, nicht auf einer, wenn auch nur vorgestellten „Bühne“ vor den anderen, sondern in gesprächsmäßigem Reden zu den anderen gedacht. Das Wesen der Vortragskunst besteht eben darin, daß der Sprecher den Hörern einen geistigen Besitz „mitteilt“, das heißt, ihn mit den anderen teilt. Diese Grundhaltung - „jetzt erzähle ich der Gemeinschaft meiner Kameraden was Schönes, Frohes, Aufregendes, Gewaltiges“ - ist zu pflegen; die Gegenhaltung - „jetzt turne ich Deklamationskunststückchen vor“ - darf nie aufkommen (S. 202). Drach begreift den Gedichtvortrag also als hörerorientierten Mitteilungsprozess. e) Schlussvortrag: Am Ende der Gedichtbearbeitung steht das „Schlußlesen“, das durch kein Dazwischenreden mehr unterbrochen ist. Dabei hat nach Erich Drach das „Auswendiglernen“ nur dann Sinn, wenn es freiwillig geschieht. Wichtig ist zudem, dass dieser Gedichtvortrag am Ende steht - und dabei sollten Lehrer und Mitschüler „nicht mit Anerkennung geizen“ (S. 212), auch wenn die Vortragsleistung eher bescheiden ausfallen sollte. Und steht man am Schluß eines solchen Einlesens, so wird man mit Erstaunen bemerken, daß man im Grunde gar nichts getan hat, als mit der Klasse zusammen überlegt und ausprobiert, wie man das Gedicht recht schön sprechen könne […] Man hat eben das Gedicht reden lassen, anstatt über das Gedicht zu reden (S. 212). Erich Drachs Überlegungen enthalten grundsätzliche Hinweise für das Vorlesen von Gedichten im Unterricht: Nicht Üben, Vorsprechen und Nachahmen sollten im Vordergrund stehen, sondern der individuelle Verstehensprozess des einzelnen Schülers, der den Zuhörern durch seinen Vortrag darlegt, wie er das Gedicht versteht. 86 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.2.1.2 Vorlesen als Sinngestaltung Das (Vor-)Lesen wird in den älteren Didaktiken und Sprachlehren unter den Begriffen „Sprachgestaltung“ oder „Gestaltungslehre“ neben der „Lautung“ behandelt und als (sinn) gestaltendes, sinngebendes, (sinn)betontes, sinngliederndes, nachgestaltendes oder sinnverstehendes Lesen („Sinngestaltung“) bezeichnet. Ein Blick in ältere Sprachlehren kann diese Einordnung verdeutlichen: Das Lesen ist an einen gedruckten oder geschriebenen Text gebunden. Dieser Text bestimmt aber nicht nur, was gelesen werden soll. Durch den Sinn des Inhalts und die sprachliche Gestaltung sind vielmehr auch Pausen, Sprechtempo, Stimmführung (Sprechmelodie) und Betonung bestimmt, d. h., wie gelesen werden muß. Dasselbe gilt für den Vortrag von Gedichten. Die Kunst besteht also darin, nicht nur fehlerfrei zu lesen, sondern auch Pausen, Sprechtempo, Stimmführung und Betonung sinnvoll anzuwenden (Thiel 1961, 73). Ältere Sprachlehren enthalten typische Aufgaben für das sinngestaltende Lesen: a) „Vertiefe dich in das folgende Gedicht! Wenn du dir über den Sinn klargeworden bist, benote es [„benoten“ = setzen von Pausen- und Betonungszeichen], lerne es auswendig und trage es dann vor! “ (Thiel 1961, 75) b) „Lies die folgende Erzählung durch und benote sie für den ausdrucksvollen Vortrag mit den Pausenzeichen und den Tonzeichen“ (Rahn/ Stecher 1944, 101). Die beiden Beispielaufgaben verdeutlichen das grundsätzliche Problem des sinngestaltenden Lesens: Zum einen setzt das sinngestaltende Lesen das Textverstehen voraus (Beispiel a)) und wird daher auch als „nachgestaltendes Sprechen“ bezeichnet (Thiel 1961, 73). Zum anderen scheint sich das Verstehen eines Textes erst im Zuge des gestaltenden Lesens und Vorlesens zu ergeben (Beispiel b)). In diesem Sinne gehört das gestaltende Lesen auch in der neueren Lesedidaktik zu den „Grundfähigkeiten der Textdeutung“ (Ockel 2000, IX). Für beide Lesemethoden werden in der Regel vorbereitende Hilfsaufgaben angeboten (z. B. zur Wort- und Satzmelodie, zum Tempo [Zeitmaß], zu Pausen, zu Betonungen). Die zu vermittelnden sprechsprachlichen Mittel können als kanonisiert angesehen werden: Seit Erich Drach (1922/ 1949) wird in strukturierende und expressive Mittel differenziert. Eberhard Ockel (2000) unterscheidet neben Aussprache und Artikulation a) Rhythmus (Tempo, Verzögerung, Beschleunigung, Stocken, Pausen, Atmen), b) Dynamik (Lautstärke, Verstärkung/ Zurücknahme) und c) Melodik (Tonfall: Tonhöhe und Akzentuierung). Alle diese Gestaltungsmittel werden beim Sprechen als Ganzheit wahrgenommen, im Unterricht zur Sensibilisierung und Einübung allerdings einzeln betrachtet und vorgestellt. Dieser Kanon an sprechsprachlichen Mitteln findet sich in der Sprecherziehung, über die rhetorische Kommunikation bis hin zu neueren Ansätzen der Vorlesedidaktik (vgl. Bose/ Hirschfeld/ Neuber/ Stock 2013; Pabst-Weinschenk 2004b). Mit der Verankerung in der Sprecherziehung nimmt das sinnerfassende Vorlesen einen festen Platz im Deutschunterricht ein (vgl. Ockel 2000). 87 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Die Übernahme des sinngebenden und sinngestaltenden (Vor-)Lesens und Vortragens in die Bildungsstandards ist ein Beispiel dafür, dass teilweise - bis in die Terminologie hinein - „didaktische Traditionen“ übernommen wurden. Dabei bleiben aber Differenzierungen und methodische Hinweise, wie sie etwa Erich Drach vorgenommen hat, unberücksichtigt. Dies führt auch dazu, dass Vorgaben gemacht werden, die lesedidaktisch als überholt anzusehen sind. 5.2.1.3 Zur Methodik des Vorlesens Durch das sinngestaltende Lesen können die Schülerinnen und Schüler zeigen, dass und wie sie einen Text verstanden haben. Das Vorlesen signalisiert demnach den Abschluss des Verstehensprozesses. Deshalb kann der Lesevortrag auch als Vorlage zur Bewertung oder Überprüfung der Verstehensleistung herangezogen werden. In diesem Sinne plädiert z. B. Judith Kreuz (2016) bei ihren Vorschlägen zum sinngestaltenden Vorlesen in der Schule konsequent dafür, mit den Schülerinnen und Schülern zunächst analytisch über Fragen oder Textkommentare („Untertexte“) Textinterpretationen zu erarbeiten und diese anschließend mit den expressiven und strukturierenden sprechsprachlichen Gestaltungsmitteln zum Vorlesen umzusetzen. Wolfgang Menzel (1990) nennt fünf Arbeitsschritte, die die Schülerinnen und Schüler beim sinngestaltenden Lesen durchlaufen sollen: orientierendes Überlesen, aufmerksames Durch-Lesen, absatzweises Durcharbeiten, kontrollierendes Sprechen des Resultats, Vergleich verschiedener Sprechfassungen, Ratschläge für Vorleser. Im Kapitel „Poetische Texte hörbar machen und sprechen“ macht Karla Müller (2012, 116- 146) vielfältige Vorschläge zum Vortragen poetischer Texte: ▶ Sprechgestaltung vorbereiten Zum klassischen sprecherzieherischen Repertoire gehören Übungen zur Atmung, zur Stimmbildung und zur Artikulation. Einige Vorschläge von Müller (2012, 117): das Sprechen von Zungenbrechern oder Nonsenspoesie; das Erproben von Stimm- und Sprechvarianten; ein und denselben Satz auf verschiedene Weise sprechen (schnell, langsam, hoch, tief, …) beziehungsweise aus verschiedenen Stimmungen heraus sprechen (fröhlich, traurig, empört, gelangweilt, zornig, …). ▶ Sprechfassung erarbeiten Hierzu stellen sich Schülerinnen und Schüler die in einem Text dargestellte Situation vor. Es geht darum, Stimmung und Lage der Figuren „bewusst zu imaginieren“: „Deshalb ist es die vordringliche Aufgabe, dass sich die Lernenden gedanklich ganz in die Welt des Textes begeben“ (S. 119). Als Verfahren der imaginativen Vertiefung nennt Müller das Schreiben einer Vorgeschichte, das Anbringen von Sprechblasen oder das Verfassen einer Rollenbiografie. Zur expressiven Funktion gehört auch der Hörerbezug. Sprechen gelingt besser, wenn man sich schon beim Üben einen Zuhörer vorstellt. Wie erarbeitet man nun die Sprechfassung? Karla Müller empfiehlt, den Text durchzuarbeiten und Sinneinheiten zu erfassen, Pausen zu markieren, Betonungsschwerpunkte festzulegen, Melodieverläufe zu bestimmen, den Lesetext entsprechend zu präparieren und schließ- 88 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik lich mehrmals Probe zu sprechen. Für die Präparation des Lesetextes werden auch Notationen aufgelistet (S. 120f.; vgl. auch Menzel 1990, Pabst-Weinschenk 2000, 115), Müller weist aber auch - wie schon Erich Drach - darauf hin, dass eine solche Notationspraxis nicht unumstritten ist (S. 121). ▶ Poetische Texte vorlesen Die sinnvollste Variante des Vorlesens und Vortragens besteht nach Karla Müller im sprecherischen Ausprobieren, um sich so eine Textdeutung zu erarbeiten. Der Vortrag ist die Interpretation. Der didaktisch ergiebigste Moment ist der Vergleich verschiedener Sprechfassungen und „die Reflexion über die unterschiedlichen Wirkungen und die Begründung der eigenen Entscheidungen. Ganz von selbst entsteht so ein interpretierendes Gespräch, das sich nah am Text bewegt. Dabei können die Fassungen, die die Lernenden selbst erarbeitet haben, verglichen werden“ (Müller 2012, 122). Das Vorlesen ist somit als ein heuristisches Verfahren zu beschreiben, als ein „interpretierendes Textsprechen“ (Geißner 1982), mit dem die Schülerinnen und Schüler zu einer ständig fortschreitenden Interpretation und Deutung des Textes kommen. In diesem Sinne ist das sinngestaltende Lesen als konstruktivistische und konkurrierende Methode des Textverstehens im Sinne des Reading-Literacy-Konzepts zu verstehen. Eberhard Ockel (2004, 83) spricht daher von einer „Text-Leser-Interaktion“. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Textverstehen einfach automatisch und zwangsläufig aus der Anwendung der sprechsprachlichen Mittel ergibt. Das heuristische Vorlesen ist ein Prozess, bei dem sich der Leser konstruktiv mit dem Text auseinandersetzt. Die dabei entstehenden Textdeutungen sollten konsequenterweise durch den Einbezug von Selbstreflexion oder Hörerrückmeldungen ergänzt werden. Auch Ulf Abraham (2016, 216) hebt die Bedeutung des Vorlesens im Deutschunterricht hervor und stellt heraus, dass es zum einen der Leseförderung, zum anderen der Interpretation dient. Abraham schlägt vor: „Nicht nur die Lehrenden können und sollten regelmäßig vorlesen, sondern auch Schüler/ innen einander.“ Gerd Bräuer und Franziska Trischler (2014, 11 f.) begreifen das Lehren, Lernen und Begleiten des Vorlesens als Lernchance, die nicht nur das Vorlesen literarischer Texte im Deutschunterricht betrifft. Der Vorlesende lerne, „die niedergeschriebenen Gedanken anderer sich so anzueignen und so vorzutragen, dass andere etwas damit anfangen können.“ 5.2.1.4 Der aktive Zuhörer Die Teilkompetenz „vor anderen sprechen“ impliziert eigentlich den Zuhörer oder die Zuhörerschaft als zentrale Kategorie. In der traditionellen „Gestaltungslehre“, die sich bis in die Lehrbücher der Gegenwart hineinzieht, bleibt beim Vorlesen der aktive Zuhörer allerdings ausgeblendet. Das Vorlesen erscheint als sprachliche Aktivität, bei der der Vorleser den größten Anteil und Einfluss auf das Kommunikationsgeschehen hat - nicht nur in Bezug auf die Gerichtetheit der Kommunikation, sondern auch im Hinblick auf die Sinnerschließung und Textdeutung. In der traditionellen „Gestaltungslehre“ ebenso wie in aktuellen Übungsbüchern 89 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ zum Vorlesen in der Schule kommt der Zuhörer nicht vor! Das Vorlesen muss aber - wie das Erzählen - als ein interaktiver Prozess zwischen Vorleser und Zuhörer verstanden und entsprechend didaktisiert werden, deshalb ist „die Anschlusskommunikation vor, während und/ oder nach dem Vorlesen […] unverzichtbar“ (Belgrad/ Schünemann 2011, 167). Das Konzept einer Vorlesedidaktik muss auf die Dialogizität des Vorlesens bezogen sein. Kaspar H. Spinner (2004) propagiert zur Umsetzung dieses Prinzips das (literarische) Vorlesegespräch. Das Vorlesegespräch begleitet demnach das Vorlesen als heuristische Methode der Textdeutung. Ein Vorlesegespräch fordert von den Zuhörern, „dass sie eigene Sinndeutungen einbringen, dass sie Vorschläge anderer nachvollziehen, dass sie das Gespräch als Suchbewegung verstehen und dass sie mit dazu beitragen, eine Balance zwischen Selbstkundgabe, Ernstnehmen des anderen und Textbezug herzustellen“ (Spinner 2006, 12; vgl. auch Spinner 2005, Kruse 2012, Fuhrmann/ Merklinger 2015; praktische Vorschläge: z. B. Kruse 2010 oder Merklinger/ Fuhrmann 2014). Kaspar Spinner (2004) schlägt fünf Impulstypen für Vorlesegespräche vor: 1. Aktivierung eigener Erfahrungen: Impulse sollen das Vorwissen aktivieren und Anknüpfungspunkte aufgreifen. Eigene Erfahrungen können angesprochen werden, aber auch Gefühle, zum Beispiel durch die Frage „Kennt ihr diese Situation? “ 2. Entwickeln von Antizipation: Das Unterbrechen einer besonders spannenden Textstelle fordert die Zuhörenden heraus, darüber nachzudenken, wie es weitergehen könnte. Anregungen, wie sich die Geschichte entwickeln könnte, sind wichtige Impulse für ein literarisches Gespräch. 3. Perspektivenübernahme: Geschichten ermöglichen es, Situationen aus der Perspektive einer oder mehrerer Figuren zu sehen. Man kann Gefühle nachvollziehen und lernt zudem ganz neue Situationen kennen. Daher sollte im Gespräch auch nach der Entwicklung, den Gefühlen und der Darstellung der Figuren gefragt werden. 4. Reflexion von Figurengestaltung: Das Verhalten der Figuren kann unterschiedlich wahrgenommen werden. Durch geeignete Fragen im Vorlesegespräch reflektieren die Schüler die Meinungen der Figuren und vergleichen sie mit der eigenen Situation. 5. Herstellung von deutenden Bezügen im Text: Hierzu gehören zum Beispiel Fragen nach Motiven der Figuren. In Vorlesegesprächen kommt dem Vorleser also eine leseästhetische Vorbildfunktion zu, seine Zuhörer sollen die Lesung genießen. Darüber hinaus hat der Vorleser in Bezug auf seine Zuhörerschaft - hier die Schülerinnen und Schüler - die Aufgabe, das Textverstehen zu initiieren und zu fördern und sie in den Vorleseprozess mit einzubeziehen. 5.2.1.5 Vorlesen als Lesemotivation Das Vorlesen soll Impulse für das eigene und selbständige Leseverhalten der Schülerinnen und Schüler geben (vgl. Hurrelmann 1993, 2004). Vorlesen soll Spaß machen! Gutes Vorlesen fördert Identifikationsprozesse und wird in den Dienst der Lesesozialisation gestellt. In Vorlesesituationen erwerben und erweitern Schülerinnen und Schüler ihr Textmusterwissen, das 90 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik zur Erweiterung des Textverstehens dienen kann (vgl. Birkle 2010). Gute Vorleser haben dabei Vorbildfunktion. Vorleser sollten „so sprechen, dass man gut zuhören kann“ (Pabst-Weinschenk 2010). Petra Wieler hat bereits 1997 eine Studie vorgelegt, in der sie die Wichtigkeit des Lesens im familiären Umfeld darlegt und herausfindet, dass Kinder in Familien der Mittelschichten durch das gemeinsame Lesen und durch Lesegespräche erfolgreicher sind als Kinder, die nur für sich lesen oder meist überhaupt nicht lesen. Die PISA- und PIRLS-Studien unterstreichen die Bedeutung von Lesemotivation und Leseeinstellungen: Viele Schülerinnen und Schüler finden Lesen langweilig und lesen nur, wenn sie müssen. Nur die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler lesen außerhalb der Schule zum eigenen Vergnügen und die Hälfte der Befragten geben an, dass ihnen das Lesen leichtfällt. Nach den schlechten Ergebnissen bei den internationalen Leseuntersuchungen in PISA und PIRLS vermehren sich die Forderungen, Lesemotivation und Lesefreude zu stärken. In diesem Zusammenhang entstehen zahlreiche Initiativen zur Leseförderung (vgl. hierzu das netzwerk vorlesen). Lesepaten wollen die Freude am Lesen wecken und die Lesefähigkeiten und Lesekompetenzen der Kinder fördern. Abb. 9: netzwerkvorlesen.de unterstützt ehrenamtlich Vorlesende und gibt auf seiner Plattform zahlreiche Hinweise und Tipps zum Vorlesen Jutta Wermke (1996) hat in diesem Zusammenhang schon sehr früh auf den Gegenpol zum Vorlesen, nämlich auf die „Kunst des Hörens“ als Desiderat der Deutschdidaktik hingewiesen. Sie thematisiert die Kunst des „kommunikativen Zuhörens“, das die Qualität einer Äußerung beeinflusst, und vor allem die Kunst des „imaginativen Zuhörens“, bei dem das Gehörte zum Bestandteil der Textinterpretation wird: So lassen sich beispielsweise über „akustische 91 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Portraits“ Stimmungen einer Großstadt wiedergeben und aufnehmen oder über konkrete Geräuschkulissen Bilder oder Gemälde „vertonen“ und erleben. Jutta Wermke (1996, 17) illustriert das imaginative Zuhören am Gemälde von Pieter Bruegel d.Ä.: „Der Kampf zwischen Fasching und Fasten“ von 1559. Die Schülerinnen und Schüler können das Bild vertonen. Kompetenzen zeigen sich hier ▶ in der Unterscheidung von bekannten und unbekannten Geräuschen, ▶ der Erfindung von Gesprächen, Selbstgesprächen, Ausrufen, ▶ der Entscheidung für eine Reihenfolge: als Rundgang von Gruppe zu Gruppe oder als Stimmengewirr von der Mitte des Platzes aus, ▶ der Identifizierung dieses Bildes über die Darstellung der Geräuschkulisse. Selbst wenn man das traditionelle, sinngestaltende Lesen durch die genannten lesedidaktischen Differenzierungen, durch die Betonung der Dialogizität des Vorlesens sowie die Herausstellung der Wichtigkeit des Leseerlebnisses neu akzentuiert, hat es im Deutschunterricht derzeit einen schweren Stand: Das heuristische sinngestaltende Vorlesen steht nämlich in einer methodischen Konkurrenz zum verstehenden, stillen Lesen nach dem Reading-Literacy-Konzept, das den internationalen Leseuntersuchungen (PIRLS, PISA) zugrunde liegt und in Folge der Leistungsüberprüfungen derzeit in der schulischen Praxis favorisiert wird. Die Zurückhaltung gegenüber dem sinngestaltenden Lesen kann aber auch auf Erfahrungen aus der Schulpraxis zurückgeführt werden: Es lässt sich nämlich beobachten, dass gute Vorleser nicht immer auch gute stille Leser sind, denn es kann sein, dass sie den Text nur ungenau erfassen. Umgekehrt gibt es auch Schülerinnen und Schüler, die ungenau artikulieren und beim sinngestaltenden Lesen Hemmungen haben, den Text aber dennoch verstanden haben (vgl. Eickhorst 2015, 206). Diese Ergebnisse müssen beim sinngestaltenden Lesen im Deutschunterricht berücksichtigt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Deutschunterrichts ist die Entwicklung der Leseflüssigkeit. Hier können spezielle Methoden des sinngestaltenden Lesens zum Einsatz kommen: Um die basale (Vor-)Lesekompetenz zu fördern, plädiert Cornelia Rosebrock (Rosebrock/ Nix 2008) für ein Lautleseverfahren, das in Form des Tandem-Lesens (Paired Reading) bereits Eingang in viele Deutschbücher gefunden hat (vgl. z. B. wortstark 5/ 2015, 288 f.; vgl. auch Gemeinsam fit im Lesen 2017). Projekte zum Tandem-Lesen haben den Erfolg dieser Methode nachgewiesen. So hat beispielsweise das Projekt Lesen im Tandem (LiT) der Pädagogischen Abb. 10: Pieter Bruegel d.Ä.: „Der Kampf zwischen Fasching und Fasten“ 92 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Hochschule Freiburg und Luzern (Schweiz) gezeigt, dass die Leseflüssigkeit bei Drittklässlerinnen und Drittklässlern erheblich gesteigert werden konnte, insbesondere bei den Kindern, die mit einem professionellen Lesecoach gearbeitet haben. Zudem konnten Lesefreude und Leseinteresse bei den Schülerinnen und Schülern gesteigert werden. Das Videobeispiel illustriert die Methode mit den Kernelementen (gemeinsames lautes Lesen, mit dem Finger nachfahren, Fehler korrigieren, Loben durch den Lesecoach; vgl. zur Durchführung und zu den Ergebnissen Hauris/ Villiger 2015-2017 sowie Villiger/ Hauri/ Tettenborn u. a. 2019). Das flüssige Lesen wird dabei als Voraussetzung für das verstehende Lesen angesehen nach der These: „Wer Texte flüssig lesen kann, der versteht in der Regel auch mehr vom Textinhalt - und umgekehrt“ (Rosebrock/ Gold/ Nix/ Rieckmann 2011, 11). Abb. 11: Lautlese-Tandem nach BiSS (Bildung durch Sprache und Schrift) Gemeinsam fit im Lesen (2017, 11) In einigen Deutschbüchern gibt es weitere, zusätzliche Übungen, wie das hierarchieniedrige Lesen unterhalb der Leseverstehensebene trainiert werden kann (vgl. z. B. für den Primärbereich Die Sprachstarken 3/ 2009, für den Sekundarbereich wortstark 5/ 2019, 100-105). Eine typische Aufgabe hierzu ist das Lesen von Texten im Y-Format: 93 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Die Schülerinnen und Schüler trainieren hier das flüssige Lesen, indem sie die Spatien und Zeilensprünge „überwinden“. 5.2.2 Vorlesen im Deutschbuch Dem Vorlesen wird in Deutschbüchern heute ein ganz unterschiedlicher Stellenwert beigemessen. Es gibt Lehrwerke, in denen das Vorlesen keinerlei Rolle spielt, da der Schwerpunkt eindeutig auf der Schriftsprachlichkeit liegt. Zudem ist das Vorlesen vor allem auf das Lesen literarischer Texte beschränkt (z. B. Märchen). Im Mittelpunkt des gestaltenden Vorlesens stehen Gedichte (vgl. z. B. wortstark 5/ 2015, 162-164). Auch Lautgedichte, die eine artikulatorisch und sprechgestalterisch anspruchsvolle Interpretation verlangen, kommen zum Einsatz (vgl. z. B. Unterwegs 5/ 1992, 170-175). In der Regel spielt in den Deutschbüchern das Vorlesen ab der 6. Klasse keine besondere Rolle mehr. Kritisch festgehalten werden muss dabei, dass man bei der Sichtung der Vorleseaufgaben den Eindruck gewinnt, als wollte man in erster Linie einen Überblick über die Technik des Sprechens (Betonung, Pausen, Rhythmus, Sprechgeschwindigkeit, Melodie) vermitteln (vgl. z. B. Praxis Sprache 5/ 2017, 20-25). Oft erschöpfen sich die Hinweise auf Übungen, Texte und Gedichte mit Notationszeichen zu versehen und dann entsprechend vorzulesen. Tipps und Hinweise, welche Notationszeichen man warum setzen soll, fehlen; zudem wird dadurch eine bestimmte Sprechweise als vorbildlich oder verbindlich gesetzt und oft annotiert vorgegeben. Dass es oft mehrere Sprechweisen gibt, bleibt ausgeblendet. In der Regel wird der tatsächliche oder fiktive Zuhörer ausgespart (anregend sind dagegen z. B. die Vorschläge im Deutschbuch 5/ 2011, 45, 87, 118 f., 120, 125 sowie die zahlreichen Ideen im netzwerk vorlesen). 5.2.3 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern Im Folgenden werden Beispiele aus Deutschbüchern herangezogen und kommentiert, in denen die oben skizzierten vorlesedidaktischen Aspekte berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 5.2.1). Die Beispiele beziehen sich auf ▶ das Einüben sprechsprachlicher Gestaltungsmittel (vgl. hierzu auch das Lernvideo „Vorlesen im Klassenzimmer“), ▶ das sinngestaltende Lesen als heuristisches Verfahren der Textinterpretation, ▶ das zuhörerorientierte Vortragen eines Gedichts, nachdem es kooperativ bearbeitet wurde. Für das Vorlesen besonders geeignet sind natürlich sogenannte Lautgedichte oder Klanggedichte. Diese Gedichte müssen laut gelesen werden, denn dadurch entfalten sie erst ihre eigene Wirkung. 94 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 12: Auszug aus dem Sprachbuch (Lesen) Tinto (3/ 2015, 51) 95 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Vielleicht wäre es auch hilfreich, von Sprechweisen auszugehen und deren Wirkung auf den Hörer beschreiben zu lassen. Eine solche Möglichkeit bietet die Web-Seite wortwusel von Nina Pagalies und Nina Krämer. Die Schülerinnen und Schüler könnten ihre Sprechvorträge mit Gestik und Mimik untermalen oder entsprechend „verklanglichen“. Die Einbeziehung des aktiven Zuhörers liegt für die Bearbeitung dieses Lautgedichts geradezu auf der Hand. Denkbar wäre beispielsweise, dass die zuhörenden Schülerinnen und Schüler aus einem Pool von Kärtchen mit entsprechenden (konventionalisierten) Wörtern dem Vorlesenden Rückmeldungen geben, was sie beim Vortrag assoziieren. Angst Freude Tod Gefahr Halloween Ninjago … … Bei allem scheint es nützlich, das Vorlesen aufzunehmen und bei der Wiedergabe entsprechend zu reflektieren. Die Schülerinnen und Schüler könnten ihr Feedback in Form eigener Versuche abgeben. („Diesen Satz kannst du auch so sprechen - oder so-…“) und durch diese Sprachexperimente Sprachbewusstsein entwickeln. Auch die beiden folgenden Gedichte sind geeignet, artikulatorisch und sprechgestaltend im Unterricht bearbeitet zu werden: Das Gedicht „Hauchte, wetterte, sprach, brüllte“ von Josef Guggenmos veranschaulicht auf sprachspielerische Art das Wortfeld „sagen“. Beim Einstudieren können die Schülerinnen und Schüler mit Sprache experimentieren: geheimnisvoll tuscheln, schreien, mitleiderregend jammern. Hugo Balls dadaistisches Lautgedicht „Karawane“ besteht aus Versen ohne semantischen Inhalt. Jeder Vers ist in einer anderen Schriftart gedruckt. Dick hervorgehobene Schriften können laut oder mit Nachdruck gelesen werden, bei schmaler werdenden Schriftarten kann man sowohl Sprechtempo als auch Lautstärke verringern. Titel und verfremdete Wörter (z.-B. „jolifanto“, „bloiko“, „tumba“) eröffnen weitere Assoziationsfelder. Die Wirkung des Gedichts wird allein durch die Interpretation des Vortragenden (Variation der Stimme, Betonung, Wechsel der Tempi, Wortmelodie, Lautstärke) erzeugt. Kurzkommentar Das Gedicht „Gruselett“ von Christian Morgenstern dient im Lesebuchausschnitt dazu, unterschiedliche Sprechweisen einzuüben: wütend, stockend, geheimnisvoll, drohend, langsam, flüsternd. Im wortwusel finden sich unterschiedliche Vortragsweisen für das „Gruselett“.Durch den Gebrauch unkonventionalisierter Wörter wird der Leser gezwungen, die Wortbilder phonetisch genau zu entschlüsseln. Dabei werden also artikulatorische Kompetenzen gefördert. Das Gedicht eignet sich darüber hinaus besonders zur Einübung unterschiedlicher Sprechweisen, da die vielen lautmalenden Wörter unterschiedliche Assoziationen wecken. Gruselett, gaustern, Golz assoziieren Angst, Bedrohung, Beklemmung. Erst durch die Sprechweise erhält das Gedicht Bedeutung und Sinn. Leider wird bei der Bearbeitung des Gedichts die Chance vertan, die Wirkungen der unterschiedlichen Sprechweisen der Schülerinnen und Schüler auf das (Klassen-)Publikum einzubeziehen. 96 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik In folgendem Beispiel wird das Vortragen eines Gedichtes Schritt für Schritt kooperativ erarbeitet. Schülerinnen und Schüler sollen experimentierend und mit Spielfreude an den Gedichtvortrag herangehen. Beim Vortragen ist eine günstige Körperhaltung einzunehmen: „offene Haltung, mindestens eine Hand frei, um natürlich gestikulieren zu können, fest stehen oder mit geradem Rücken sitzen, beide Füße auf dem Boden, ruhig atmen“ (Müller 2012, 117). Karla Müller plädiert für das „Lernen am Modell“: „Das Nachahmen sprachlicher Vorbilder ist ein direkterer und einfacherer Weg, etwas zu lernen, als eine Anweisung: ‚Sprich deutlich, laut und langsam, variiere den Ton‘. Diese abstrakten Appelle in konkretes Verhalten umzusetzen, ist für Lernende eine zu große Herausforderung, insbesondere dann, wenn sie keine Klangvorstellung haben“ (Müller 2012, 117; vgl. auch Kreuz 2016). Karla Müller ist deshalb für wiederholtes Hören einer natürlichen Sprechfassung auf einem Medium, gegebenenfalls sogar für das Mitsprechen. Abb. 13: Josef Guggenmos: Hauchte, wetterte, sprach, brüllte Abb. 14: Hugo Ball: Karawane 97 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Ein Gedicht vortragen Wenn du ein Gedicht laut vorträgst, kannst du herausfinden, wie du das Gedicht verstanden hast. Es ist aber auch wichtig, dass dir deine Zuhörer gerne zuhören. Nutze die Ausdrucksmöglichkeiten deiner Stimme. Hier lernst du, wie du ein Gedicht ausdrucksvoll einstudieren kannst. Mascha Kaléko Opas Muschel Opa hat sich vom Nordseestrande Eine Riesenmuschel mitgebracht. Mattsilber, mit Himbeerrosa gemischt. Die hat er in Kampen sich aus dem Sande gefischt. Von außen besehn, Scheint das Gehäuse ganz leer Innen. Aber das Meer Ist heimlich drinnen. Horch, wie es rauscht, Wenn man dran lauscht! Sogar die schnellen, Schäumenden Wellen, Wie sie flüstern und tuscheln, Und auch den Wind In den Disteln und Föhren ... Das alles kannst du darinnen hören! Weil nämlich die Muscheln So stille sind. 98 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik ❶ Mit dem Gedicht „ins Gespräch kommen“ a) Lies das Gedicht einmal still für dich durch. b) Male ein Bild zum Gedicht. Erklärt euch gegenseitig eure Bilder. c) Was kannst du alles hören, wenn du die Muschel an dein Ohr hältst? d) Gibt es Wörter im Gedicht, die ihr nicht versteht? Erklärt euch gegenseitig schwierige Stellen. ❷ Den Gedichtvortrag gemeinsam vorbereiten a) Gliedert das Gedicht in zwei Teile. Sprecht darüber, warum ihr es so gegliedert habt. Nun liest einer den ersten Teil vor, der andere hört zu und gibt Vorlesetipps. Beim zweiten Teil tauscht ihr die Rollen. Macht mehrere Durchgänge und probiert verschiedene Sprechweisen aus. b) Vorlesezeichen können euch helfen: Macht einen senkrechten Strich, wo ihr eine längere Pause machen wollt. Unterstreicht die Wörter, die ihr betonen wollt. Ihr könnt die Vorlesezeichen auch grafisch gestalten. c) Jetzt liest jeder von euch das ganze Gedicht vor und der andere kommentiert. ❸ Tragt das Gedicht gemeinsam in der Klasse vor - ihr könnt es auch es auswendig lernen - Versuche das Gedicht so vorzutragen, dass die Zuhörer gerne zuhören! Stell dir vor, du hältst eine Muschel ans Ohr und teilst deinem Partner mit, was du hörst. - Dein Partner ist dein „Vorflüsterer“, wenn du beim Vortrag mal „hängen bleibst“. - Sprich den zweiten Teil des Gedichts eher leise, mache Pausen, wenn du in die Muschel hineinhörst. - Vielleicht hast du sogar eine Muschel, die du mitbringen kannst? Willst du beim Vorlesen bestimmte Bewegungen machen? Lasst euch durch das Gedicht zum Experimentieren mit Klängen und Geräuschen anregen. ❹ Sprecht über das Vortragen Der Vortragende sagt, wie er sich dabei gefühlt hat. Die Zuhörenden sagen, was ihnen beim Vortrag besonders gefallen hat. Was bedeutet denn Gehäuse? Warum hast du denn dieses Wort betont? Sprich die Stelle doch mal leiser. Ich habe dir gerne zugehört, weil ... Eine R I E S E N muschel ... Abb. 15: Aufgabenmodul „Ein Gedicht vortragen“ 99 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Kurzkommentar In einem ersten Schritt geht es um eine Annäherung an das Textverstehen, Schülerinnen und Schüler sollen mit dem Gedicht „ins Gespräch kommen“ (Aufgabe 1): Sie setzen Zeilen oder Strophen in Bilder um und experimentieren mit Muschelgeräuschen. An dieser Stelle besteht auch die Gelegenheit, das Verständnis schwieriger Wörter zu klären. Diese Erklärungen sollen partnerbezogen erfolgen. In einem zweiten Schritt bereiten die Schülerinnen und Schüler das Vorlesen kooperativ vor (Aufgabe 2). Dieser Schritt reflektiert methodisch gängige Vorschläge für das Vorlesen (z. B. die Tipps von Wolfgang Menzel [1990] oder den Vorlese-Werkzeugkasten von Claus Claussen [2006]; dabei soll das Setzen von Vorlesezeichen nicht als mechanische Technik missverstanden werden, vgl. 2b)). Im dritten Schritt wird der Gedichtvortrag simuliert und eingeübt (Aufgabe 3 und 4). Dabei spielen die Rückmeldungen und Hilfestellungen des Partners wiederum eine wichtige Rolle. Der Partner übernimmt die Rolle des aktiven Zuhörers, der Vorleser kann sich aber auch selbst einschätzen. Das Probesprechen sollte in mehreren Runden erfolgen. Schließlich soll das Gedicht vorgetragen werden. Auch hier ist der Partner aktiv eingebunden (Vorflüsterer) und muss sich wiederum aktiv beteiligen. Sollte das Gedicht auswendig gelernt werden, so lassen sich die Tipps von Jürgen Baurmann und Wolfgang Menzel (2006, 12) nutzen (vgl. auch Lösener 2007): ▶ Abschreiben des Gedichts mit Notationen zum Sprechen, ▶ lautes Vorsprechen von portionierten Texteinheiten (Zeilen, Reimzeilen), ▶ Einprägen mit Hilfe der „Konfetti-Methode“: der Text wird nach ersten Leseversuchen zunehmend mit Konfetti bestreut, so dass immer weniger Text sichtbar bleibt, ▶ Stellen, an denen der Vorleser „Hänger“ hat, werden auf Kärtchen notiert, ▶ Vorflüsterer hilft bei Texthängern aus und flüstert aushelfend zu, ▶ Vortragender und Vorflüsterer proben den Gedichtvortrag. Zum hörerorientierten Vorlesen eignen sich weiterhin narrative Texte, besonders dann, wenn Sprecher und Zuhörer durch die Art des Vorlesens Rückschlüsse auf die Gedanken und Gefühle der Protagonisten ziehen können. Für Judith Kreuz (2016, 5) ist das Vorlesen von Geschichten eine „Kunst, in eine Geschichte einzutauchen.“ Gutes Vorlesen „passiert vorrangig im ‚kreativen und emotionalen Kopf ‘“ des Vorlesenden. Judith Kreuz (2016, 6-14) gibt zahlreiche konkrete Hinweise, „um das Eindenken zu erleichtern und intensiv in eine Geschichte eintauchen zu können.“ Sie nennt als Methoden Interpretationsgespräche („W-Fragen stellen“) oder Vorlesegespräche („Mit Untertexten arbeiten“), die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich „inhaltlich mit der Geschichte und deren Stimmungen auseinanderzusetzen“ (S. 7). Darüber hinaus liefert häufig auch die Textvorlage selbst Anregungen und Hilfestellungen, z. B. die Illustrationen, die wörtlichen Reden, die Redeeinleitungen oder beschreibende und charakterisierende Adjektive, Verben oder Nomen. Ein typisches Beispiel bietet das Sprachbuch Tinto, in dem die Schülerinnen und Schüler einen Ausschnitt aus dem Kinderroman Pünktchen und Anton sinngestaltend vorlesen sollen. 100 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb nach Typ 1 lesbar sicher auf ganze Seitenbreite verteilen + Kasten Kurzbio Abb. 16: Auszug aus dem Sprachbuch (Lesen) Tinto (3/ 2015, 24) 101 5.2 Vor anderen sprechen: „Vorlesen“ Wichtig ist, das sinngebende und gestaltende Vorlesen nicht auf Üben von Techniken zu beschränken, sondern durch schülerorientierte, offene Aufgaben motivierend zu gestalten, etwa durch Vorhaben wie „Vorlesen wie die Hörbuch-Profis“ (wortstark 8/ 2014, 111): „Wenn Kurzkommentar Der Ausschnitt aus dem Sprachbuch Tinto bezieht sich auf das sinngestaltende Lesen im Sinne des heuristischen Textverstehens. Die Schülerinnen und Schüler lesen einen Ausschnitt aus dem Kinderroman „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner mit verteilten Rollen. Die Vorlesepassagen für den Erzähler, für Pünktchen und Anton sind bereits farbig markiert. Beim Vorlesen geht es nun darum, durch mehrmaliges Lesen der Erzählpassagen und der wörtlichen Reden Textverständnis zu entwickeln. Hierzu dienen z.B. ▶ explizit ausgedrückte Bewertungen in den wörtlichen Reden ((a) Das ist fein, dass …; (b) … und brachte den Mund gar nicht mehr zu; (c) Na ja, … (d) Was gibt’s denn heute? ; (e) Ach du mein Schreck), die Hinweise auf die Sprechweise liefern: z. B. (a) Ausdruck von Freude, (b) Ausdruck des Erstaunens, (c) Ausdruck der Beschwichtigung, (d) Ausdruck der Neugier, (e) Ausruf der Bestürzung, ▶ die Satzzeichen und Redeeinleitungen, die erste Hinweise auf die Sprecherabsicht geben („Du kochst? “, fragte sie [Frage]; …, erkundigte sie sich [Frage, um Informationen zu erhalten]; Viel weniger! [Nachdruck]), ▶ Abtönungspartikel (Das war doch Mehl, … [Widerspruch]; Nur ein paar Messerspitzen voll natürlich [logisch, selbstverständlich]). Die Schülerinnen und Schüler müssen die wörtliche Rede so sprechen, dass die Zuhörer verstehen, wer spricht und was der Sprecher denkt oder fühlt. Durch das laute, experimentierende Vorlesen lässt sich also der Deutungsprozess initiieren. Die Schülerinnen und Schüler gelangen zu Deutungshypothesen, die sie in weiteren Lesedurchgängen verifizieren, modifizieren und vertiefen können. Die Zuhörer reflektieren diese Prozesse, geben entsprechende Rückmeldungen und sind somit am Deutungsprozess aktiv beteiligt. Das Beispiel zeigt, wie die Schülerinnen und Schüler durch „spiralförmiges Vorlesen“ zum Verstehen des Textes geführt werden. Leider bleibt der Zuhörer aber ausgespart. Einbezogen werden könnte dieser, indem er als Gedankensprecher Kommentare und Bewertungen abgibt. Eine andere Möglichkeit wäre das Arbeiten mit Rückmeldebögen, die mit dem Vorlesenden besprochen werden. Dabei kommt es nicht auf ein korrektes Ausfüllen an - die Rückmeldebögen sollen vielmehr als Impuls dienen, über das Vorlesen ins Gespräch zu kommen. Rückmeldebogen für XXXXX in der Rolle als Pünktchen ● hat verständlich gesprochen ● hat flüssig vorgetragen ● hat seine Zuhörer angeschaut ● hat Fragen und Ausrufe verschieden vorgelesen ● hat Wichtiges betont ● hat ausgedrückt, was die Figur denkt und fühlt ● hat Gestik und Mimik eingesetzt ● ... 102 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik du dein Buch deinen Zuhörern präsentierst, solltest du auch einen Auszug aus dem Buch vorlesen. Durch gutes Vorlesen bringst du die ‚Stimmung‘ deinen Zuhörern nahe und sie hören gerne zu.“ Zudem können Hörszenen von den Schülerinnen und Schülern aufgenommen werden. Ein Book-Slam ist eine besonders abwechslungsreiche Form der Präsentation (vgl. wortstark 8/ 2014, 109). Es geht darum, durch das Vorlesen Interesse für ein Buch zu wecken. Karla Müller (2012, 126 ff.) nennt eine Reihe weiterer motivierender Aufgaben: Als die derzeit attraktivste Form vorgetragener Literatur gilt der Poetry Slam (vgl. Anders 2016). Da es sich um selbst verfasste Texte handelt, ist dabei auch die Dimension der Textproduktion zu beachten. Karla Müller schlägt vor, zunächst einmal mit Nachsprechen anzufangen. Petra Anders und Ulf Abraham (2008) heben hervor, dass das traditionelle sprechgestaltete Lesen und der wirkungsvolle mündliche Vortrag von Literatur zurzeit eine „kulturelle Renaissance“ erleben. Die Vorstellung des Textes als Sprech-Partitur erfährt dabei eine ganz neue, für Lernende unmittelbar einsichtige Umsetzung. In Bezug auf den Poetry Slam fassen die Autoren zusammen: Sowohl der historisch überlieferte Anspruch der Ganzheitlichkeit einer auf diese Weise inszenierten Textrezeption als auch derjenige einer affektiven Durchdringung kann hier auf eine anregende, unterhaltsame und Kreativität herausfordernde Weise eingelöst werden. (Anders/ Abraham 2008, 14) Slam und Clip als aktuelle Formen inszenierter Poesie sind durch den Verbund von oraler Dichtung, schriftlich fixierten Texten und audiovisuellen Medien eine Chance, an Rezeptionsgewohnheiten von Lernenden anzuknüpfen. Auch durch die Interaktion zwischen Vortragenden und Publikum ist inszenierte Poesie äußerst lebendige kulturelle Praxis, die Schülerinnen und Schüler direkt ins literarische Leben einbindet. Petra Anders und Ulf Abraham (2008) sehen darin eine Form literarisch-ästhetischer Bildung, die durch neue lebensweltnahe Inszenierungsformen Genussfähigkeit einschließt. 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Die Teilkompetenz „mit anderen sprechen“ bezieht sich auf das Gespräch als „Prototyp menschlicher Kommunikation“ (Papst-Weinschenk 2013, 111). Bereits Wilhelm von Humboldt (1963, 138) hat das Gespräch als eine Grundeinheit menschlicher Rede bezeichnet: „Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus, und die Möglichkeit des Sprechens selbst wird durch Anrede und Erwiderung bedingt.“ „Anrede und Erwiderung“ werden seitdem als universale Kategorien dialogischen Sprechens angesehen (Neuland/ Peschel 2013, 58). Dem Miteinanderreden wird innerhalb des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ eine zentrale Rolle zugeschrieben und die Förderung der Gesprächskompetenz als Kernaufgabe der sprachdidaktischen Forschung betrachtet (Abraham 2016, 33). 103 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ 5.3.1 Gesprächsdidaktische Grundlagen „Sprechen mit anderen“ umfasst vielfältige Arten des Sprechens - von spontanen Alltagsdialogen bis hin zu anspruchsvollen dialogischen Gesprächsformen. Was die Behandlung dieser dialogischen Gesprächsformen im Unterricht betrifft, geben die Bildungsstandards (2005) allerdings nur wenig Vorgaben. In der Grundschule lernen Schülerinnen und Schüler, sich Gesprächspartnern zuzuwenden, anderen aufmerksam zuzuhören und einfache Gesprächsregeln zu beachten. Ziel des Unterrichts in der Sekundarstufe I ist dann die Entwicklung eines „respektvollen Gesprächsverhaltens“ und die Beherrschung „verschiedener Gesprächsformen“. Dabei wird dem mündlichen Argumentieren eine erhebliche Bedeutung beigemessen. In der Sekundarstufe II werden diese Ansätze vertieft und auf künftige Anforderungen in Beruf und Studium bezogen (vgl. KMK 2012). Damit werden auch Prüfungs- und Bewerbungsgespräche zum Gegenstand des Unterrichts. Wir geben zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Gesprächsdidaktik und gehen dabei auf Ansätze und Positionen ein, die zum Teil in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie wichtige Bausteine zu einer Gesprächsdidaktik liefern können. 5.3.1.1 Sprecherzieherische Ansätze Erich Drach (1922/ 1949, 1) hebt in seiner Sprecherziehung hervor, dass im Unterricht zu sehr „die in Buchstaben gestaltete Schriftsprache“ dominiere und „das lebende lautgestaltende Sprechen“ vernachlässigt werde. Drach (S. 134f.) entwickelt zwar keine Didaktik des Gesprächs, propagiert jedoch das „Freisprechen“ im Unterricht bzw. das „freie Lehrgespräch“ und meint damit das Unterrichtsgespräch. Für das Unterrichtsgespräch fordert er eine planmäßige Sprecherziehung, die darauf abzielt, 1. Ausdrucksdrang und Mitteilungswillen, soweit irgend es der Lehrstoff zuläßt, wachzuhalten; 2. Die sprachliche Darstellung aus dem Zweckwillen des Verstandenwerdens hervorzulocken; 3. ihre Gewandtheit durch Hilfen zu fördern (S. 135). Grundsätzlich sollte nach Drach die Redelust und das Redebedürfnis im Unterricht gefördert werden. Dies kann durch eine emanzipatorische Gesprächskonstellation im Unterricht selbst erreicht werden: Die dauernde Beschränkung auf das im Unterricht Durchgenommene und mehr noch das gedankenlose halbwörtliche Nachplappern des Lehrbuches züchtet die Klassenstummheit. Das neue Noch-nicht-Gesagte oder So-noch-nicht-Gesagte übt auf die Hörer einen mächtigen Reiz aus, und ihre gesteigerte Anteilnahme erregt ganz besonders die Sprechlust des Redenden. Als sprechdienlich erweist sich dabei die vielfach bewährte Einrichtung, die Bänke nicht parallel zum Pult, sondern an drei Seiten des Zimmers hufeisenförmig aufzustellen. Sie erweckt im Schüler die Empfindung, daß er wirklich zur Gemeinschaft seiner Kameraden spricht. (S. 135) Drach plädiert für ein aktives, kooperatives Unterrichtsgespräch und wendet sich explizit gegen das 104 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik katechetische Frage- und Antwortspiel. […] Das Adressieren von Einzelsätzen bringt dem Schüler notwendig die Überzeugung bei, daß jeweils mit nur einem Satz die Redeleistung für ihn beendet sei. Er geht dann wieder geistig und körperlich in Ruhestellung. (S. 136) Drach möchte daher gerne die traditionelle Lehrerfrage „Was weißt du von der Sache? “ ersetzen durch „Wie denkst du über die Sache? “, um die Schüler zum Gespräch „anzureizen“. Er betrachtet das Unterrichtsgespräch als ein Wechselgespräch zwischen Sprecher und Hörer: Überhaupt muß der Schüler die naturlebendige Gewohnheit beibehalten, zu reden, nicht nur, „wann er gefragt ist“, sondern sowie er glaubt, er habe was zur Sache zu sagen, oder wenn er wünscht, über die Sache noch etwas zu hören. Wo ein Schüler unmittelbar den anderen um Auskunft ersucht, ihm einen Irrtum vorhält, entsteht eine natürliche Sprechlage. […] Ferner gehört zu den Grundbedingungen des Sprechens die Gewißheit, auch wirklich angehört zu werden. Einen Menschen nicht ausreden zu lassen, ihm ins Wort zu fallen, wirkt auf den Sprecher so unlusterregend, daß es in der Sitte aller Völker als ungeziemend gilt. Nur der Lehrer glaubt manchmal, er dürfe gegen diesen allgemeinmenschlichen Sprachgebrauch verstoßen, indem er dauernd unterbricht, durch Wort und Miene den Faden mitten im Lauf abschneidet oder ungeduldig den vom Schüler begonnenen Satz selbst beendet. (S. 136f.) Drach spricht sich ausdrücklich für explizite Hörerrückmeldungen aus, die die „Sprechlust steigern“ - von ermunternden Blicken bis hin zu freundlichem Zuspruch. Einem unsicheren Sprecher empfiehlt Erich Drach ganz konkret: „Wenn du ungefähr weißt, was du sagen willst, aber dich nicht recht ausdrücken kannst, so suche zuerst nach einem Verb! Wer tut etwas? Wem wird etwas getan? Hat der Sprecher ein passendes Verb, so kommt er beinahe unfehlbar in Schuß.“ (S. 138) Drachs Ideen des produktiven Unterrichtsgesprächs muten uns noch heute progressiv an: So spielt für ihn im Unterrichtsgespräch der grammatisch korrekte Antwortsatz nur eine untergeordnete Rolle („Richtig ist beim Reden von Mensch zu Mensch nicht erst das grammatisch völlig Einwandfreie, sondern schon das, was den auszudrückenden Sinn unmißverständlich wiedergibt“ [S. 143]); auch ist im Unterrichtsgespräch nach einer Lehrerfrage nicht unbedingt ein vollständiger Antwortsatz der Schüler notwendig („Die Forderung nach einem grammatischen ‚ganzen Satz‘ aber löst sprachliche Hemmungen aus, wie jeder derartige Zwang“ [S. 144]). Drach erläutert den Wert der alten Schulregel „Antworte in einem ganzen Satz“ an folgendem Aufgabenbeispiel: Auf die Frage „Wie entsteht eine Sonnenfinsternis? “ können die Schülerinnen und Schüler antworten: a) Eine Sonnenfinsternis entsteht, wenn der Mond zwischen Sonne und Erde ist. b) Da ist der Mond zwischen Sonne und Erde. c) Wenn der Mond sich zwischen Erde und Sonne einschiebt. Nach Erich Drach (S. 144) muss die Antwort a) als bloße „Echolalie“ im Sinne einer „geistlosen Schallnachahmung“ bewertet werden. Die Echolalie ist nur dann zweckmäßig, wenn Laute sprechbildnerisch geübt werden sollen, „gefährlich ist das ‚Nachsprechen‘ überall, wo es auf den Satzbau oder Inhalt des Gesprochenen ankommt.“ Auch Antwort b) gilt als 105 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ vollständiger Satz, sie dient jedoch nach Drach nicht dem „Sprechdenken“. Favorisiert wird dagegen Antwort c): Es handelt sich zwar grammatisch um keinen vollständigen Satz, aus der Sprechsituation wird aber eindeutig klar, was mit dem Nebensatz gemeint ist: „die dominierende Vorstellung ‚Mond‘ bestimmt ihn inhaltlich, seine grammatische Aussage, das anschauliche ‚einschiebt‘, erfüllt ihn mit Schlagkraft. Anstatt ‚antworte in einem ganzen Satz‘ muß es grundsätzlich heißen: ‚Such ein Zeitwort für deine Antwort‘.“ Drachs Fazit: Künstliches Aufpfropfen von sogenanntem „guten Deutsch“, das nur das Sprechdenken verbaut, unterläßt man. Grundsätzlich dagegen wird man jene Gewohnheiten abüben, die dem zweckvollen Kraftverteilen widerstreben: Umplanungen während des Sprechens, Umbrüche im Satzbau, ineinanderfließende Satzungeheuer, das unbedachte, ungeplante Darauflosreden. Die neuere denkpsychologische Forschung hat nachgewiesen, daß das Satzplanen nicht nur Ergebnis einer gelösten, sondern auch Angriffsmittel für eine zu lösende Denkaufgabe ist (S. 145). Drach stellt regelrechte Maximen für gute Gesprächsbeiträge im Unterricht auf: „Wenn du schon einmal angefangen hast zu reden, so sprich auch den Satz zu Ende! Scheint er dir nicht klar genug, so ergänze ihn durch einen zweiten, diesen nötigenfalls durch einen dritten“. Derart formt der Sprecher schließlich immer klarer aus, was er sagen will, und ringt sich selbst die ihm am besten scheinende Form ab. In der zweckmäßigen aber liegt der Keim zur schönen Form (S. 145). „Zweckdienliches“, adressatenbezogenes Sprechen stellt für Erich Drach ein zentrales Bildungsziel dar. Erika Essen (1956/ 1980, 15) liefert Bausteine zu einer eher ethisch begründeten „Erziehung zur Gesprächsgemeinschaft“, ihr geht es um die „Partnerschaft in Sprache“ (S. 12). Essen knüpft mit dieser Art der Gesprächserziehung an begegnungspädagogische Konzepte an. Nach Lucie Sandrock (1960, 59) fordert und bildet das Gespräch soziale Tugenden wie „das Eingehen auf andere, Geduld beim Zuhören und Warten, Takt und Rücksichtnahme auf schwächere Partner, Duldung und Achtung der fremden Meinung.“ Das Anliegen von Erika Essen ist es, im Unterricht eine „Gesprächsgemeinschaft“ zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen den Schülern herzustellen und zu fördern. In einer solchen „Gesprächsgemeinschaft“ lernt zunächst jedes Kind, „dem anderen Kind aufmerksam zuzuhören“ (Essen 1956/ 1980, 15), erst daran anschließend sollen weitere Gesprächsreaktionen folgen (z. B. Fragen stellen). Essen geht es um die Vermittlung einer „Gesprächshaltung“ (S. 15). Sie macht dabei zahlreiche Vorschläge, dieses Gesprächsverhalten einzuüben: In „Spielgesprächen“ sollen die Schülerinnen und Schüler sich sprachspielerisch in Gespräche einhören, zum Beispiel indem sie ein fingiertes Telefongespräch verfolgen und heraushören müssen, wer die Gesprächspartner sind und worüber sie wohl sprechen (vgl. S. 19). In „Gesprächsstilen“ wirken die Schülerinnen und Schüler aktiv an Gesprächen mit mehreren Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit, zum Beispiel, wenn sie zu einer fiktiven Gesprächssituation und einem vorgegebenen Anlass (z. B. vorgegeben ist eine Zauberglocke: jeder, der sie hört, erfährt eine wundersame Verwandlung) aktiv in das Gespräch eingreifen müssen (vgl. S. 24). In „Gesprächs-Übungen“ erproben die Schülerinnen und Schüler den Ernstfall, wenn sie zum Beispiel über die Planung einer gemeinsamen Klassenfahrt beraten (vgl. S. 26; zu weiteren 106 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Übungsformen vgl. S. 29ff.). Erika Essen stellt dabei heraus, dass es ihr nicht um das Einüben von „Mustergesprächen“ geht, vielmehr zielt alles auf ein „rechtes Gesprächsverhalten“ (S. 27). Essen fasst ihre gesprächsethische Erziehung folgendermaßen zusammen: „Gesprächsbildung im Deutschunterricht sollte also verstanden werden als Bildung zur partnerbezogenen und situationsoffenen Mitwirkung am Sprechfeld einer Arbeitsgemeinschaft.“ (S. 280) Formale und strukturierende Gesprächstechniken sind diesen Zielsetzungen nicht förderlich. Gesprächsförderung zielt vielmehr auf Gesprächsbereitschaft und Gesprächsethik ab. Auch für Hermann Helmers (1966/ 1970, 132 ff.) gehört das Gespräch neben dem Vortrag zu den zentralen mündlichen „Gestaltungsarten“: „Gespräch entsteht, wenn Menschen miteinander sprechen. Zum Sprechen gehört dabei das Hören.“ Sowohl für den Vortrag als auch für das Gespräch ist zentral, „daß Gesprächspartner vorhanden sind“ (S. 132). Für Hermann Helmers ist das Gespräch „1. Medium allen mündlichen Unterrichts, 2. Übungsform für Lernbereiche des Deutschunterrichts und 3. eigenes Lernziel.“ (S. 134) Helmers (S. 134f.) differenziert das Gespräch dabei auf historischer Grundlage und in Bezug auf Bildungsstufen in folgende Arten: ▶ Frage-Antwort-Gespräch (Katechese) als „Hin und Her von Lehrerfrage und Schülerantwort“; ▶ Erarbeitungsgespräch (Disputatio, Debatte), das als Streitgespräch strategisch „nach einem vorgegebenen Muster genau geplant ist“ (z. B. die Erörterung nach Thesen und Gegenthesen); ▶ freies Gespräch (Diskussion), das „ungeplant“, aber nicht ziellos ist. Der Lehrer ist hier ein Gesprächsteilnehmer unter vielen. ▶ Impulsgespräch (Sokratik), das ebenfalls zu den Unterrichtsgesprächen zählt und bei dem der Lehrer Impulse gibt, „die zu den erstrebten Lerninhalten hinführen.“ Hermann Helmers weist in seiner gesprächsorientierten Gestaltungslehre ausdrücklich auf die historische Entwicklung dieser Gesprächsformen hin. Zudem betont er die Bedeutung des „lautreinen Sprechens“ für diese verschiedenen Formen (S. 133). Die von Helmers postulierten Gesprächsideale, die im Unterricht zu vermitteln sind, bestimmen heute noch maßgeblich die Schulpraxis. 5.3.1.2 Linguistische Gesprächsanalyse und Gesprächsdidaktik Während das normative Gesprächskonzept Hermann Helmers’ auf der Tradition der antiken Sprachbildung beruht, wird die Gesprächsdidaktik durch die kommunikative Wende Mitte der 1970er Jahre in den Dienst der emanzipatorischen und kritischen Rhetorik und Kommunikation gestellt. Für Hellmut Geißner (1981; 1982) ist die Gesprächsfähigkeit die Grundvoraussetzung zur Teilhabe an der politischen Auseinandersetzung. Gespräch als Prototyp der Kommunikation ist als mündliche Kommunikation die intentionale, wechselseitige Verständigungshandlung mit dem Ziel, etwas zur gemeinsamen Sache zu machen, bzw. etwas gemeinsam zur Sache zu machen (Geißner 1981, 45). 107 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Dabei muss jeder Gesprächspartner in einem 9-Tupel prüfen: „Wer versteht Was, Wo und Wann, Wie (sprecherisch und sprachlich), Warum und Wozu, auf welche Weise (direkt oder medial) mit oder von Wem? “ (Geißner 1999, 200) Geißner unterscheidet in diesem Zusammenhang Klärungs- und Streitgespräche: ▶ Im Klärungsgespräch sind alle Partner gleichberechtigt. Ziel ist, dass „am Schluß alle mehr von der Sache wissen, aber keineswegs alle das gleiche. Einmütigkeit oder gar Einstimmigkeit (Konsens) ist nicht bezweckt“ (Geißner 1969/ 1973, 108). ▶ Meinungsverschiedenheiten werden in einem Streitgespräch besprochen. Dieses ist meist strukturiert in Form einer offenen oder geschlossenen Debatte, um Minderheiten zu schützen. Streitgespräche fördern die Dissenz- und Konfliktfähigkeit der Gesprächspartner (vgl. Geißner 1969/ 1973, 109). Diese gesprächsbezogene Dissenz- und Konfliktfähigkeit scheint inzwischen durch eine auf Harmonie und Konfliktvermeidung ausgerichtete Gesprächsdidaktik („unbeliebte Differenz“) ersetzt worden zu sein (vgl. dazu Korte 2003). Hellmut Geißner (1969/ 1980, 110) fordert weiterhin die Reflexion und Bewertung verschleierter Gespräche in den Medien (z. B. Fernsehdiskussionen), die als „Scheingespräche […] zum Instrument der Manipulation“ werden. Politische Fernsehdiskussionen sind eigentlich keine Diskussionen, sondern „mehrfachadressiert“ (Kühn 1999) sowie lediglich als Diskussionen inszeniert, um publikumsadressiert die eigenen politischen Standpunkte zu legitimieren und die des politischen Gegners zu attackieren (vgl. Holly/ Kühn/ Püschel 1986). Die kommunikative Wende und die Ansätze der rhetorischen Kommunikation postulieren eine reflexive Gesprächsdidaktik, die in den Dienst der Sprachkritik und -aufklärung gestellt wird. Auf der Grundlage der linguistischen Gesprächsforschung entwickelt sich ein weiterer Ansatz der didaktischen Gesprächsförderung. Durch die Transkriptionen natürlicher Gespräche und die Mittel der Konversations- und Gesprächsanalyse ist es nun möglich, Gespräche als „Grundeinheit menschlicher Rede“ (Henne/ Rehbock 1982, 12) genau zu beschreiben und zu analysieren. Diese eher deskriptive Gesprächsdidaktik favorisiert weder bestimmte Gesprächstypen noch geht es darum, bestimmte Gesprächsnormen durchzusetzen. Ziel einer linguistisch fundierten Gesprächsdidaktik ist, die Strukturen unterschiedlichster Gesprächstypen zu beschreiben und die ihnen zuschreibbaren Funktionen zu reflektieren. Eine linguistisch fundierte Gesprächsdidaktik hat weitreichende Folgen: Durch die Transkriptionen der Gespräche wird der Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache deutlich herausstellbar. Bisherige „Gespräche“ (z. B. Alltagsgespräche, Verkaufsgespräche, Pro-Kontra-Gespräche) sind in Form und Funktion zu sehr an der Schriftsprache orientiert. Dies zeigt sich in den Sprachbüchern beispielsweise an den zu bearbeitenden Texten: In der Regel handelt es sich um schriftsprachliche Texte oder Lehrbuchtexte, die eigens für den Unterrichtszweck von den Lehrbuchautorinnen und -autoren formuliert werden. Hierzu ein Beispiel: 108 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 17: Verkaufsgespräch in einem Bäckerladen im Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 20) Abb. 18: Aufgabe zum Verkaufsgespräch in einem Bäckerladen aus dem Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 21) Inge betritt kurz vor Mittag den Bäckerladen, zwischen ihr und der Verkäuferin entwickelt sich folgendes Gespräch: Verkäuferin: Guten Tag, Inge! Was darf es sein? Inge: Wir bekommen heute Nachmittag Besuch. Dafür soll ich etwas Besonderes holen. Verkäuferin: Unser Frankfurter Kranz ist ganz frisch. Oder möchtest du Sahneteilchen? Inge: Nein. „Sahne macht dick“, sagt meine Mutter. Verkäuferin: Oder möchtest du lieber Hefegebäck nehmen? Inge: Ja. — ⑪ Geben Sie mir bitte drei Schnecken, zwei Hörnchen und einen Mandelkranz! Verkäuferin: ⑫ Ist das alles? Inge: ⑬ Nein, das reicht noch nicht. ⑭ Legen Sie mir bitte noch zwei Apfeltaschen dazu! Verkäuferin: ⑮ Das macht zusammen acht Mark und zwanzig. ⑯ Zahl, bitte, vorne an der Kasse! a) Mit welcher Absicht betritt Inge den Bäckerladen? Welches Ziel verfolgt die Verkäuferin in diesem Gespräch? Kurzkommentar Der Gesprächsausschnitt stammt aus dem Kapitel „Miteinander sprechen“ und ist überschrieben mit „Was wir mit Sätzen ausdrücken können“. Das Gespräch zwischen Inge und der Verkäuferin wirkt unauthentisch. Der Dialog wird zwar als „Gespräch“ etikettiert, enthält aber Sprachformen, die eher für das schriftsprachliche Medium typisch sind: vollständige Sätze, keine Merkmale der Mündlichkeit wie Ellipsen, Abbrüche, Neuanfänge, Versprecher oder Elemente, die interaktional bedeutsam sind wie Partikel, Hörersignale, gambits usw. Liest man das Gespräch, gewinnt man den Eindruck, Inge und die Verkäuferin würden lediglich Informationen austauschen. Nimmt man die Aufgaben dazu, wird deutlich, dass das Gespräch nur formuliert wurde, um Satzarten und deren Funktionen zu bestimmen: b) Legt in eurem Heft eine Übersicht nach folgendem Muster an, und schreibt die entsprechenden Sätze in die Spalten der Übersicht: Durch welche Sätze versucht die Verkäuferin die Wünsche Inges zu ermitteln? . . . Durch welche Sätze gibt Inge ihre Wünsche zu erkennen? . . . Durch welche Sätze fordert einer der beiden Gesprächspartner den anderen auf, etwas zu tun? . . . Untersucht, was die Sätze in jeder einzelnen Spalte gemeinsam haben. Achtet dabei auf die Satzzeichen und die Sprechabsicht. In welcher Spalte stehen - Mitteilungssätze - Aufforderungssätze - Fragesätze 109 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Kurzkommentar Gesprächsanalytisch problematisch ist schließlich auch die Bestimmung der „Sätze“ als Mitteilungssätze, Aufforderungssätze oder Fragesätze: So ist die Äußerung in einem Verkaufsgespräch „Was darf es sein? “ nicht als Frage, sondern als Gesprächseröffnung mit der Funktion der Sprecherwechsels zu interpretieren. „Nein. Sahne macht dick“ ist keine Mitteilungssatz, sondern ist als Zurückweisung des Angebots („Oder möchtest du Sahneteilchen? “) zu verstehen. Es gilt also, einen Unterschied zwischen grammatischen Satzarten und kommunikativen Sprecherabsichten zu machen. Welche Schlussfolgerungen für die Behandlung von Gesprächen im Unterricht sind hieraus zu ziehen? a) Den Schülerinnen und Schülern sollten die Besonderheiten der gesprochenen Sprache (z. B. unvollständige Sätze, Satzabbrüche, Wiederholungen, Interjektionen, Hörersignale, gambits) nicht vorenthalten werden, da diese wesentliche Indikatoren für das Äußerungsverstehen darstellen. Zudem spielen der situative Kontext sowie prosodische (z. B. Lautstärke, Schnelligkeit, „Ton“) und paraverbale Kategorien (z. B. Gestik, Mimik) eine wichtige Rolle (vgl. zur „Multimodalität“ Fiehler 2009, 36 ff.). Wie aber sind diese Besonderheiten der gesprochenen Sprache im Unterricht zu thematisieren? Transkribierte Texte übertragen Mündlichkeit in Schriftlichkeit; dabei besteht die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler mündliche Sprache im Vergleich zur schriftlichen als defizitär wahrnehmen, zumal die Abweichungen in Schule und Unterricht als Fehler betrachtet und bewertet werden. Transkriptionen sollten deshalb lediglich ausschnittsweise für Detailanalysen eingesetzt werden, um Prozesse des Nachdenkens über (mündliche und schriftliche) Sprache anzuregen. b) Durch die gesprächslinguistischen Beschreibungskategorien wird deutlich, dass mündliche Texte keine Defizite aufweisen, sondern als funktional eigenständig betrachtet werden müssen. So sind Gespräche gekennzeichnet durch ihre besondere Gesprächsstruktur (z. B. Gesprächseröffnung oder -beendigung), den Sprecherwechsel, aufeinander bezogene Gesprächsschritte oder auch durch Hörerpartikel. Dies führt u. a. dazu, dass man sich in Didaktik und Unterricht mit anderen Kategorien und Themen beschäftigen muss. Beredtes Zeichen dieser Veränderungen ist im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ beispielsweise die erhöhte Aufmerksamkeit auf die Kategorie des „aktiven Zuhörers“ (vgl. z. B. Behrens 2013), die zunehmende Auseinandersetzung mit der Unterrichtskommunikation (vgl. Kapitel 5.3.1.3) oder die Vorschläge zur Konzeption des Hörverstehens (vgl. Kapitel 6). Betont werden muss, dass dieser Bezug auf die Gesprächslinguistik keineswegs als Linguistisierung der Gesprächsdidaktik missverstanden werden darf. c) Nach Eva Neuland (1998, 282) ergibt sich als Ziel einer neuartigen Gesprächskultur „die Distanz zum eigenen Sprachgebrauch wie die Toleranz gegenüber einer Vielfalt an Ausdrucksweisen.“ Dazu zählt insbesondere der Einbezug der Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler. „Trotz der […] Willensbekundungen der Bildungspolitik 110 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik und stützenden Daten aus fachdidaktischer und pädagogischer Forschung wird Mehrsprachigkeit in der Unterrichtswirklichkeit und auch in großen Teilen der Gesellschaft noch immer als Problem wahrgenommen“ (Neuland/ Peschel 2013, 241). 5.3.1.3 Unterrichtsgespräche Das Unterrichtsgespräch hat eine besondere Bedeutung für die Gesprächsdidaktik, weil es zugleich Unterrichtsgegenstand und Unterrichtsmedium darstellt. Inzwischen gibt es eine breitgefächerte Diskussion zur Unterrichtskommunikation (vgl. Ramge 1980, Ehlich/ Rehbein 1986, Becker-Mrotzek/ Quasthoff 1998, Nürnberg 1999, Lüders 2003, Spiegel 2006, Becker-Mrotzek 2009b, Becker-Mrotzek/ Vogt 2009, Ehlich 2009, Schmitt 2011). Ausgangspunkt bilden die interaktionistischen Untersuchungen von John McH. Sinclair und Malcolm Coulthard (1977) und Hugh Mehan (1979). Gegenstand der Analyse von Unterrichtsgesprächen sind die Interaktionen zwischen Lehrern und Schülern einerseits sowie zwischen Schülern andererseits, die insbesondere anhand von Gesprächstranskriptionen untersucht werden. Unterrichtskommunikation verläuft traditionellerweise als fragend-entwickelndes Gespräch nach dem Initiation-Reply-Evaluation-Prinzip (I-R-E): Die Lehrperson leitet eine Gesprächsphase ein (initiation), die eine Reaktion des Schülers herausfordert (response) und diese schließlich bewertet (evaluation). Diese Art des Unterrichtsgesprächs hängt mit dem traditionellen Rollenverständnis im Unterricht zusammen, in dem der Lehrende als Wissensvermittler auftritt und die Schülerinnen und Schüler lediglich reaktiv und passiv sind. Für modernen Unterricht wird indes gefordert, dass individuelles Lernen, kooperatives Arbeiten und Steuerung durch den Lehrenden sich abwechseln und kooperative Phasen breiten Raum einnehmen. Beim kooperativen Lernen werden mündliche Fähigkeiten der Schülerinnen und Schülern in vielfältiger Weise gefordert, etwa beim Präsentieren, Diskutieren und Kommentieren der Ergebnisse. Obwohl sich die Analysekriterien im Zuge von Gesprächslinguistik und Konversationsanalyse immer weiter verfeinert haben (vgl. dazu Spiegel 2012, Vogt 2014), liegen dazu noch kaum Forschungsergebnisse vor. Es ist aber davon auszugehen, dass nach wie vor die lehrerzentrierte Ausrichtung dominiert (vgl. Steinig/ Huneke 2007, 71-74). Dies führt auf Schülerseite zu Motivationsverlusten und zur Inaktivität (vgl. beispielsweise für den naturwissenschaftlichen Unterricht die Beispiele bei Kobarg/ Prenzel/ Schwindt 2009). In der Gesprächsdidaktik wird weiterhin die These vertreten, dass die Gesprächsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler durch Analyse und Reflexion eigener und fremder Gesprächsbeiträge im Unterricht gefördert werden kann. Allerdings wird im Deutschunterricht in der Regel mit nicht-authentischem Material gearbeitet. Gisela Brünner und Peter Weber (2009, 298) fordern deshalb eine Gesprächsdidaktik auf gesprächsanalytischer Grundlage: „Schüler sollen sich mit tatsächlich geführten Gesprächen beschäftigen, selbst solche Gespräche aufnehmen, verschriftlichen und analysieren.“ Michael Becker-Mrotzek und Gisela Brünner (2006) präsentieren Transkriptionen, die die Schülerinnen und Schüler analysieren sollen - die Analyseaufgaben gleichen allerdings den wissenschaftlichen Gesprächsanalysen (z. B. „Wie unterscheiden sich die beiden Erzählun- 111 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ gen im Hinblick auf Funktion, Sachverhaltsdarstellung und Bewertung? “ Becker-Mrotzek/ Brünner 2006, 19). Barbara Häckl (2017) macht in Anlehnung an Marianne Polz (2009a, 229) den methodischen Vorschlag, die schulische Gesprächsförderung durch eine „sprachbewusste“ Gesprächsführung zu erreichen: Parallel zum Schreibprozess modelliert sie einen Gesprächsprozess mit Planungsphase, Gesprächsphase, Reflexionsphase und Monitoring und illustriert ihr Konzept für verschiedene Gesprächsformen (z. B. für das Rollenspiel oder das Feedback-Geben). Es geht in erster Linie darum, „Sprachbewusstsein im Gespräch zu schaffen“ (Häckl 2017, 204). Ob solche analytischen und rein reflexiven Vorschläge didaktisch angemessen und erfolgreich sind, scheint allerdings eher zweifelhaft (vgl. kritisch Wiprächtiger-Geppert 2012, 80). Zudem ist es fraglich, ob über das Nachdenken über Gespräche automatisch die Interaktionsfähigkeiten gefördert werden können. Michael Becker-Mrotzek (2009a, 110-114) macht folgende Vorschläge für eine Didaktik des Unterrichtsgesprächs, die über die Gesprächsanalyse hinausgehen: ▶ „Gesprächsanlässe“ im Sinne von unterrichtlichen Gesprächssorten identifizieren (z. B. im Kontext der Sozialformen, bei der Ergebnispräsentation, beim Erklären von Sachverhalten, bei Planungs-, Konflikt- oder Klassengesprächen); ▶ Gesprächsanlässe planen und vorbereiten (z. B. mit Hilfe von Gesprächsleitfäden, Gesprächsaufgaben); ▶ Verknüpfung mit authentischen Gesprächsanlässen; ▶ Reflexion des kommunikativen Handelns durch Feedback-Gespräche. Gesprächskompetenz soll und kann nach Michael Becker-Mrotzek in jeglicher Form von Unterricht gefördert werden. Als didaktische Maxime führt er an, die Bedingungen des Unterrichts stets zu reflektieren, das Unterrichtsgeschehen möglichst transparent zu gestalten und Methodenvielfalt zu praktizieren. Weitere zentrale Punkte sind das regelmäßige Sprechen über Interaktionsverfahren, die Offenheit für ungeplante und unerwartete Interaktionsprozesse und die Reflexion der eigenen Beurteilungspraxis. Anne Berkemeier und Carmen Spiegel (2014, 121) weisen darauf hin, dass die funktionale, authentische Verwendung unterrichtsspezifischer Sprachhandlungen zwar zu authentischen Diskursen führt, sie „ist aber häufig so komplex, dass die Lernenden kaum die Möglichkeit haben, sich gleichzeitig auf die sprachliche Gestaltung zu konzentrieren.“ Im Zuge der Gesprächslinguistik sowie der Diskussion um die Bildungsstandards werden einzelne kommunikative Anforderungen bzw. Handlungsmuster, die für das Unterrichtsgespräch charakteristisch sind, beschrieben und herausgestellt. So wird der aktive Zuhörer bzw. die Zuhörerrolle im Unterrichtsgespräch hervorgehoben: „Die Zuhörerrolle im Gespräch ist das Komplement zur Sprecherrolle, in beiden Rollen haben die Gesprächsbeteiligten Aufgaben, Rechte und Pflichten, die vom Gesprächskontext im weitesten Sinne abhängen und variieren können“ (Berkemeier/ Spiegel 2014, 124). Ein weiteres zentrales Handlungsmuster ist das mündliche Argumentieren. Im Unterricht wird das Argumentieren häufig als komplexe Sprachhandlung verstanden, bei der es darum geht, einen Dissens argumentativ abzuarbeiten, um sein Gegenüber zu überzeugen. Anne Berkemeier und Carmen Spiegel (2014, 130) verstehen unter Argumentation alles, dem „im Gespräch die Funktion von Begründungen 112 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik zukommt; das können neben abstrakt formulierten Begründungen von Behauptungen auch Beispielerzählungen, hypothetische Szenarien, witzige Repliken und vieles mehr sein. Argumentationen sind thematisch gebundene sprachliche Begründungsaktivitäten, die in der Regel von mehreren Gesprächsbeteiligten gemeinsam formuliert werden.“ Argumentieren ist damit nicht ausschließlich auf das Überzeugen bezogen, auch das Ergründen, das Erläutern, die Meinungsäußerung, das Abwägen oder die Konfliktbearbeitung gehören ins Funktionsspektrum des Argumentierens (vgl. Berkemeier/ Spiegel 2014, 131; vgl. Grundler/ Vogt 2009). In der Forschungsliteratur werden weitere wichtige Handlungen des Unterrichtsgesprächs diskutiert, z. B. Erzählen im Unterricht der Grundschule (Sören Ohlhus/ Stude 2009; vgl. Kapitel 5.1), Streitschlichtung (Spiegel 2009a), Gespräche moderieren (Berkemeier/ Spiegel 2014, 135-139; vgl. auch Berkemeier/ Pfennig 2009), Prüfungsgespräche (Abraham 2016, 143), freie Rede (Mönnich 2009), Präsentationen (Berkemeier/ Pfennig 2009; Abraham 2016, 211), Erklärungen geben (Neumeister/ Vogt 2009). Einen interessanten Aspekt des Unterrichtsgesprächs behandeln Astrid Neumann, Isabelle Mahler und Inga Buhrfeind (2014). Sie beschreiben die „‚dienende‘ Funktion von mündlichen Sprachproduktionsprozessen vor und während des Schreibens und beim Revidieren der Produkte in Hinblick auf eine kompetente Schriftlichkeit“ (Neumann/ Mahler/ Buhrfeind 2014, 231). Die Autorinnen transkribieren Gesprächsbeiträge, die sich beispielsweise auf den Gesprächsrahmen beziehen, auf das Generieren von Schreibideen oder auf Schreibkorrekturen. Solche schreibvorbereitenden und revisionsfördernden Schülerbemerkungen und -gespräche stehen dem Scaffolding-Ansatz nahe (vgl. Gibbons 2006) oder sind Bestandteile des schreibdidaktischen Verfahrens der Schreibkonferenzen (Spitta 1992). Konrad Ehlich (2009) weist darauf hin, dass die Schülerinnen und Schüler innerhalb der Unterrichtskommunikation „eigene Kommunikationsräume“ schaffen und verweist auf die vielfältigen Formen der „Neben-Kommunikation“ innerhalb und außerhalb des Unterrichts (vgl. dazu Baurmann/ Cherubim/ Rehbock 1981). Schließlich gehört zur Unterrichtskommunikation auch die mündlich verwendete, alltägliche Wissenschaftssprache (vgl. dazu Ehlich 1995, 1999) als eine besondere Form der Bildungssprache. In Anlehnung an das Konzept der cognitive academic language proficiency (CALP) von Jim Cummins (2004) beschreibt Ingrid Gogolin (2006, 5) diese mündliche Unterrichtssprache als eine „Bildungssprache“, die konzeptionell schriftsprachlich geprägt ist. Beispiele für die alltägliche Wissenschaftssprache sind (fachsprachliche) Ausdrücke (z. B. Märchen, Figur, interpretieren), formelhafte Sprachausdrücke (im Vordergrund stehen, zur Diskussion stellen), aber auch Operatoren, wie sie in Aufgaben verwendet werden (z. B. erklären, beschreiben, argumentieren) oder ganze Textsorten (z. B. Protokoll, Vortrag, Diskussion) (vgl. Ehlich 1995, 343). Nicht nur Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Erstsprache haben Schwierigkeiten beim Verstehen und dem Gebrauch der alltäglichen Wissenschaftssprache, wie folgendes Beispiel zeigt (vgl. Neuland/ Peschel 2013, 59 f.): 113 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ L1: Bitte, wer fasst mir jetzt mal das, was an der Tafel über die Notwendigkeit und Bedeutung von Werbung steht, in ein paar Sätzen zusammen. Da stehen ja nur Stichworte … Also Thema jetzt: Notwendigkeit und Bedeutung von Werbung … Könnt ihr doch … Albert! L2: Ja, gut, schön, Dagmar! Wer nimmt jetzt mal Gefahren und Grenzen der Werbung und versucht, genau wie Dagmar eben bei dem ersten Thema, da ein paar zusammenhängende Sätze darüber zu sagen? … Sigrid, ja? Bitte! S1: Hm, so, zum Beispiel mit der Werbung noch mal also L3: Ist es gut, wenn wir mit ‚zum Beispiel‘ anfangen? Du solltest zusammenfassen, Sigrid, ja? Es gibt bereits eine Reihe von Vorschlägen, wie mit den Problemen der alltäglichen Wissenschaftssprache im Unterricht umgegangen werden soll: Stella Uesseler (2011) schlägt vor, bildungssprachliche lexikalische Ausdrücke (z. B. überstülpen in einem naturwissenschaftlichen Protokoll) über alltagssprachliche Paraphrasierungen im Rezeptions- und Produktionsprozess zu erarbeiten: Kurzkommentar In diesem Lehrer-Schüler-Gespräch werden die Schüler von der Lehrperson zu mehreren Handlungen aufgefordert; dabei benutzt die Lehrerin bildungssprachliche Ausdrücke und Wendungen: Sie sollen wichtige Inhalt knapp (in ein paar Sätzen) zusammenfassen und dabei vorgegebene (was an der Tafel steht) Informationen (Notwendigkeit und Bedeutung von Werbung) unterscheiden. In einer weiteren Aufforderung sollen die Schülerinnen und Schüler einen Aspekt (Gefahren und Grenzen) erläutern (da ein paar zusammenhängende Sätze darüber sagen). Die auf das Thema (Werbung) bezogenen Äußerungen der Lehrkraft sind schriftsprachlich strukturiert (komplexe Satzgefüge mit eingeschobenem Nebensatz, Verbendstellung im Nebensatz). Im metakommunikativen Unterrichtsgespräch macht die Lehrkraft deutlich, dass sie von den Schülern erwartet, ebenso sachbezogen zu sprechen und dabei bestimmte Regeln einzuhalten: in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen, nicht mit dem Beispiel anzufangen. Gleichzeitig benutzt die Lehrperson aber auch typische Merkmale der gesprochenen Alltagssprache: Rückmeldepartikel (ja, gut, schön), Aufmerksamkeitssteuerungen (also Thema jetzt), Pronominalisierungen (da), Anakolute (zum Beispiel mit der Werbung noch mal also) oder Verberststellung (Könnt ihr doch). Diese Melange aus Alltags- und Bildungssprache ist ein typisches Kennzeichen der Unterrichtskommunikation in allen Fächern und macht Unterrichtsgespräche für Schülerinnen und Schüler schwierig. 114 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 19: Entwicklung des Gebrauchs von überstülpen im alltagssprachlichen und schulsprachlichen Diskurs nach Uesseler (2011, 66) Im Rahmen der Sprachförderung durch Scaffolding spielt Mündlichkeit eine zentrale Rolle. Im Unterrichtsgespräch werden Schülerinnen und Schüler dazu angeleitet, bewusst sprachlich zu agieren. Scaffolding ist ein Unterstützungssystem zum sprachlichen Lernen im (Fach) Unterricht. Die grundlegende Idee ist, mündliche Kompetenz zu nutzen, um schriftliche Kompetenz aufzubauen. Das Scaffolding-Konzept wurde an australischen Schulen von Pauline Gibbons und ihren Kolleginnen entwickelt (vgl. Gibbons 2006, 2010). Die im Unterricht verwendete Sprache soll nach Gibbons nicht künstlich vereinfacht werden; vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht an komplexe Formen herangeführt werden (Gibbons 2006, 270). Sie sollen von Situationen, in denen eine umgangssprachliche, kontextgebundene mündliche Sprache verwendet wird, schrittweise zu Situationen geführt werden, welche die Verwendung einer kontextunabhängigen schriftlichen Sprache fordern. Beim Scaffolding bietet die Lehrkraft Unterstützung, indem sie die Problemlösung kooperativ begleitet. Das Unterrichtsgespräch sollte demnach Gelegenheit zu interaktiver Kommunikation bieten. Voraussetzung dafür ist sowohl eine hohe Sach- und Diagnosekompetenz der Lehrkraft als auch das Verfügen über angemessene Methoden zur Unterstützung. In einem ersten Schritt muss die Lehrkraft deshalb die sprachlichen Anforderungen klären, die das Thema stellt. Dabei geht es darum, die Handlungsmuster und die damit verbundenen sprachlichen Merkmale zu erkennen und dann daraus ableitbare Hilfestellungen zu formulieren (Beispiel bei Gogolin 2013). Ziel ist die graduelle Abnahme der Hilfen (Fading), bis die Lernenden die Aufgabe selbständig lösen können. Für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache macht Marita Pabst-Weinschenk (2012) den Vorschlag, konzeptionell schriftsprachliche, d. h. bildungssprachliche, Rede- und Gesprächsformen zu vermitteln. 115 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ 5.3.1.4 Gesprächsdidaktische Folgerungen Sichtet man weitere Vorschläge, so lassen sich für eine Gesprächsdidaktik folgende Punkte herausstellen (vgl. u. a. Linke/ Sitta 1987, Polz 2009a, 243): 1. Gegenstand der Gesprächsdidaktik sind potentiell alle Formen des Gesprächs: persönliche Unterhaltungen, Telefongespräche, Diskussionen, Verkaufsgespräche, Mediengespräche und Interviews - insbesondere aber auch das Unterrichtsgespräch. Die Schülerinnen und Schüler müssen befähigt werden, die Merkmale verschiedener Gesprächssorten zu reflektieren und sich auch konstruktiv an solchen Gesprächen zu beteiligen. Gesprächskompetenz gilt als didaktische Globalzielsetzung. 2. Eine Gesprächsdidaktik muss auch auf die Ausbildung schülerbezogener Gesprächskompetenzen bezogen sein. Im Sinne einer Gesprächskultur geht es um das situations- und adressatenbezogene Sprachhandeln, um das aktive Zuhören bis hin zu einem respektvollen, toleranten Gesprächsverhalten. Zur aktiven Gesprächskompetenz gehört eine Vielzahl an mündlichen Sprachhandlungsmustern mit unterschiedlicher Komplexität: sich in Gespräche einklinken und Gespräche beendigen, auf andere Gesprächsbeiträge reagieren, diskutieren, argumentieren usw. 3. Schülerinnen und Schüler müssen in der Lage sein, ihr eigenes Gesprächsverhalten und das anderer Gesprächspartner kriterienorientiert zu beobachten, zu reflektieren und zu bewerten. Hierzu gehören auch Kenntnisse über gesprächsrelevante Beschreibungskategorien (Gesprächsphase, Gesprächsschritt, Sprechersignal, Hörersignal, Prosodie, Sprecher, Zuhörer usw.). Barbara Häckl (2017, 271-275) schlägt für den aktiven Zuhörer folgende Gesprächsstrategien vor: ▷ alle Sinne einsetzen, ▷ aktives Zuhören praktizieren, ▷ empathisches Hören erproben, ▷ gezieltes Nachfragen ausüben, ▷ das eigene Rückmeldeverhalten kontrollieren. 4. Gesprächsspiele oder Rollenspiele haben den Vorteil, „dass mündliche Formulierungen handlungsentlastet ausprobiert und trainiert werden können“ (Berkemeier/ Spiegel 2014, 120 f.). So macht Peter Weber (2014) Vorschläge, im Bereich der Verkaufskunde an Berufsbildenden Schulen authentische Verkaufsgespräche zu analysieren und anschließend Rollengespräche für Verkäuferinnen und Verkäufer durchzuführen. Allerdings kann der Transfer auf authentische Handlungszusammenhänge auch skeptisch gesehen werden (vgl. Grießhaber 1987, Brons-Albert 1995), da sich die Spieler unter den künstlichen Bedingungen der Simulation immer anders verhalten als in vergleichbaren Alltagssituationen. 5. Schülerinnen und Schüler müssen in der Lage sein, medial vermittelte Gespräche (z. B. Gespräche im Fernsehen, Talk-Shows, Fernsehdiskussionen) reflektiert und kritisch einzuschätzen. Authentische Reden oder Gespräche sollten auditiv oder audio-visuell vermittelt werden. Im Unterricht können sie eingesetzt werden, um rezeptive Fertigkeiten zu 116 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik fördern. Sie können darüber hinaus aber auch als Muster für eigene Sprachproduktionen dienen. Gerade für die Aufnahme und Wiedergabe authentischer Gespräche oder Gesprächsausschnitte eignen sich die modernen Medien wie das im Unterricht immer noch oft verpönte Smartphone. 6. Eine besondere Bedeutung in der Entwicklung der Gesprächskompetenz wird dem Unterrichtsgespräch beigemessen: „Gesprächsfähigkeit verbessern heißt allererst Unterrichtsgespräche zu verbessern“ (Becker-Mrotzek 2009b, 111). 7. Bei der Entwicklung einer neuen Gesprächskultur (Neuland 1998, 282) kann an Konzepte der traditionellen Gesprächsdidaktik angeknüpft werden: So ist interessant, dass sich der ethisch begründete Ansatz der Gesprächsdidaktik unter anderem Vorzeichen im Kontext von Interkulturalität und Mehrsprachigkeit wiederfindet: Volker Hinnenkamp (2000) zeigt an authentischen Gesprächen, dass das „Gemischtsprechen“ Deutsch-Türkisch von Migrantenjugendlichen als Ausdruck ihrer Identitätsfindung interpretiert werden kann. Ingelore Oomen-Welke entwickelt das Konzept eines „vielsprachigen Deutschunterrichts“, bei dem die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler Eingang in den Unterricht finden (Oomen-Welke 2010). Die folgenden Ausführungen beziehen sich darauf, wie diese gesprächsdidaktischen Zielsetzungen in den Deutschbüchern behandelt und umgesetzt werden (vgl. auch die Vorschläge von Merz-Grötsch/ Grünert 2017). 5.3.2 Gesprächskompetenz im Deutschbuch 5.3.2.1 Gesprächssorten im Deutschbuch In vielen Deutschbüchern spielen „Gespräche“ so gut wie keine Rolle. Dies liegt meist daran, dass dem Sprechen und Zuhören grundsätzlich keine große Bedeutung beigemessen wird (vgl. zum Beispiel Stark in 1/ 2010); thematisiert wird lediglich das mündliche Argumentieren. Es gibt auch heute immer noch Deutschbücher, die „Gespräche führen“ rein formal verstehen und Schülerinnen und Schüler über entsprechende Aufgaben anleiten, vereinbarte Gesprächsregeln zu beachten. Das Gespräch als Dialog zwischen Sprecher und Hörer wird nicht thematisiert. In der Regel bleibt auch die Kategorie des (aktiven) Zuhörers ausgeblendet (vgl. z. B. Doppel-Klick 1/ 2015). In Sprachbüchern werden vereinzelt Gesprächssorten aufgegriffen, um ihre situative Einbettung und die sich daraus ergebenden sprachlichen Besonderheiten zu thematisieren. Oft sind die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, korrespondierende Gesprächsbeiträge zu rekonstruieren (z. B. zu einem Interview die dazugehörigen Fragen, zu einem Telefongespräch die responsiven Beiträge) und die Sprechhandlungen mit Hilfe der Satzarten zu bestimmen (vgl. dazu schon Essen 1956, 19). Die Kölner Kultband „Bläck Fööss“ hat in einem Musiktitel „Ruf doch mal an“ (1994) ein Telefongespräch simuliert, bei dem im Sprechgesang lediglich der Sprecher zu Wort kommt und die Zuhörer des Liedstücks die korrespondierenden Gesprächsbeiträge des 117 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Angerufenen rekonstruieren sollen oder können. Das Publikum wird somit zum aktiven Zuhörer. Der folgende Ausschnitt aus dem Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988) bezieht sich auf ein Telefongespräch. Es handelt sich um ein typisches Beispiel der Sprachbücher der 1980er Jahre, in denen erstmals mediale Gesprächssorten Eingang in die Deutschbücher finden. Die Schülerinnen und Schüler sollen das Telefongespräch bearbeiten. Abb. 20: Telefongespräch und Aufgaben aus dem Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 19) Kurzkommentar Das Beispiel illustriert eine missglückte telefonische Verabredung. Telefongespräche sind dadurch gekennzeichnet, dass die Gesprächsschrittabfolge in Stimulus-Response-Sequenzen verläuft. Auch wenn man nur eine Seite des Telefongesprächs mitverfolgt, lassen sich die entsprechenden Korrespondenzen antizipieren. Was in diesem Beispiel und den Aufgabenstellungen aber nicht deutlich wird, ist das Beziehungsverhältnis zwischen Andreas und Tina: Während Tinas Gesprächsbeiträge als Entschuldigungen oder Ausreden interpretiert werden müssen, setzt Andreas alles daran, Tina 118 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Während in den Sprachbüchern der 1980er Jahre noch eine Reihe unterschiedlicher Gesprächssorten vorkommen (Telefongespräch, Verkaufsgespräch, Streitgespräch) oder unterschiedliche Gesprächssituationen thematisiert werden (z. B. Gespräch mit Polizisten, Gespräche beim Sport, Gespräche in der Familie, Wegauskünfte), reduzieren sich die Aufgaben zur Gesprächskompetenz in neueren Deutschbüchern auf die Erarbeitung und Einhaltung von Gesprächsregeln im Unterricht sowie auf das argumentative Gespräch. Dabei wird vor allem die formale Gesprächsorganisation behandelt: Regeln für Gespräche und Diskussionen vereinbaren, das Verhalten von Kindern in einer Diskussion untersuchen (Wie sprechen sie miteinander? ) usw. (vgl. z.B. Praxis Sprache 5/ 2917). Es geht also weniger darum, wie man Gespräche führt (z. B. sich in eine Diskussion einklinken), wie man sich thematisch an Gesprächen beteiligt (z. B. ein eigenes Thema einbringen) oder darum, wie man als Sprecher oder Zuhörer in bestimmten Gesprächen sprachhandelt (z. B. in einer Diskussion eine Gegenposition relativieren). 5.3.2.2 Diskursive Gespräche und Gesprächssorten Es ist besonders das diskursive Gespräch, das in allen Lehrplänen als „Fähigkeit zum Diskurs“ verankert ist und in allen Schulbüchern eine feste Konstante darstellt. In der Regel wird beim diskursiven Gespräch unter gesprächsorganisatorischem Aspekt zwischen einer eher offenen „Diskussion“ und einer streng formalen „Debatte“ unterschieden. Beide Formen werden als demokratische Instrumente verstanden, die die Schülerinnen und Schüler befähigen sollen, in Schule und Gesellschaft Probleme und Konflikte zu lösen. Dabei können die Schülerinnen und Schüler lernen, ihre eigenen Interessen zu erkennen, sie zu artikulieren, gewaltfreie Formen der Auseinandersetzung zu praktizieren, sich dabei aber auch in Positionen anderer hineinzuversetzen, Kompromisse zu schließen und diese zu akzeptieren. Diskussionen und Debatten gehören zu unserer demokratischen Gesprächskultur (vgl. stellvertretend Debye-Göckler 2004). Ausgangspunkt einer Diskussion ist in der Regel eine kontroverse Fragestellung, die konträr diskutiert wird. Man spricht daher auch von der Pro-Kontra-Diskussion. Die Diskussion ist antagonistisch aufgebaut: Befürworter und Gegner sammeln für ihre Meinungen und Thesen Argumente (Begründungen, Belege, Beispiele usw.) und tauschen diese gegenseitig aus. Die Diskussion soll sachkundig und diszipliniert verlaufen. Ziel ist es, die anderen vom eigenen Standpunkt argumentativ zu überzeugen oder sich auf einen Kompromiss zu einigen. Auch im täglichen Unterricht wird das Diskutieren als Alternative zur weit verbreiteten, lehrerorientierten Frage-Antwort-Kommunikationspraxis gesehen und befürwortet. für die Verabredung zu gewinnen. Am Ende wirft er ihr vor, nicht kommen zu wollen. Der Schluss des Telefongesprächs bleibt ausgespart. Aufschlussreich ist sicherlich die Aufgabe, von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit zu wechseln: Die Schülerinnen und Schüler müssen bei der schriftlichen Mitteilung (Schreiben der Postkarte) berücksichtigen, dass Tina nicht zur Verabredung kommen konnte oder nicht kommen wollte. 119 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Die klassische schulische Diskussion verläuft dabei in der Regel in folgenden Schritten: ▶ Schülerinnen und Schüler einigen sich auf eine kontroverse Themenstellung, die sie abarbeiten wollen (z. B. Sollen die Schülerinnen und Schüler ihren Lehrer oder ihre Lehrerin duzen dürfen? ). ▶ Die Lehrperson oder ein Schüler fungiert als Diskussionsleiter und achtet streng darauf, dass die Diskussion geordnet abläuft - kein Diskussionsbeitrag soll unterdrückt werden. Die Beiträge sollen zudem sachbezogen und z. B. nicht beleidigend sein. ▶ Zunächst werden in zwei Gruppen Pro- und Kontra-Argumente gesammelt und gewichtet (vom schwächsten zum stärksten Argument). Dabei haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, selbst die Argumente zu finden oder aber Argumente aus Texten herauszuarbeiten und zusammenzustellen. ▶ Die Diskussion verläuft nach einem vorgegebenen Schema: z. B. Argumente nach dem Blockprinzip nacheinander oder nach dem Reißverschlussprinzip wechselseitig vorbringen; ▶ Der Diskussionsleiter beendet die Diskussion und fasst noch einmal die wichtigsten Argumente zusammen. Häufig geben auch Zuhörer Rückmeldung darüber, welches der vorgebrachten Argumente sie am meisten überzeugt hat. Der Diskussionsleiter gibt gegebenenfalls auch den Kompromiss wieder, auf den sich die Diskutanten geeinigt haben. Pro-und-Kontra-Debatten sind strenger reguliert als Diskussionen; Debatten sind zeitlich befristet. Das Ziel der Probzw. Kontra-Gruppen ist hier jeweils, Mehrheiten für bestimmte Vorschläge oder Positionen zu gewinnen. Die Schülerinnen und Schüler agieren als Anwälte der von ihnen vertretenen Akteure. In Gruppenarbeit werden Argumentationsstrategien vorbereitet. Am Ende der Debatte steht jeweils eine Abstimmung. Debatten sind eine gute Übung für die Praxis des politischen Redens, z. B. in einem Klassenrat oder Schülerparlament. „Jugend debattiert“ ist ein bundesweit ausgerichteter Schülerwettbewerb mit dem Ziel, die Debattenkultur von Jugendlichen sprachlich und politisch zu fördern. Wettbewerb und Training einer solchen Debatten- und Diskussionskultur sollen nicht nur außerhalb des Unterrichts initiiert und gefördert werden. Auch für den Deutschunterricht werden solche Inhalte gefordert. Es gibt zwar vereinzelt Beispiele zur Diskussion in Deutschbüchern, „aber noch keine ausgebaute Didaktik des Diskutierens“ (Abraham 2016, 170). Dabei stehen in der Regel die Formen des Debattierens und Diskutierens im Vordergrund. Auffällig ist die hartnäckige Tradition der normativen Argumentationslehre, die heute noch die Deutschbücher bestimmt. Einer der dominanten argumentationsdidaktischen Bezugs- Abb. 21: Jugendliche debattieren 2011 über das Thema „Soll bei Fußballweltmeisterschaften der Videobeweis eingeführt werden“ 120 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik punkte ist Robert Ulshöfer (1974, 67 ff.), der für die Schule eine „strenge Form des Streitgesprächs nach dem Vorbild der Gerichtsverhandlung oder der parlamentarischen Debatte“ forderte. Dieses idealisierte und formalisierte Gespräch im Sinne der klassischen Pro-Kontra-Diskussion zählt immer noch zum kanonisierten gesprächsdidaktischen Allgemeingut: Abb. 22: Methodenkasten „Eine Pro-Kontra-Diskussion durchführen“ aus dem Sprachbuch P.A.U.L.D. (8/ 2014, 167) 121 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Kurzkommentar Im vorliegenden Beispiel ist die Pro-Kontra-Diskussion genau vorgeplant und in ihrer Struktur festgelegt (vgl. besonders auch das Gesprächsschema). Der Diskussionsleiter hat genauestens auf die Einhaltung der strengen Gesprächsform zu achten. Nach vorab festgelegtem Plan werden Thesen und Gegenthesen gesammelt und gegenübergestellt. Das vorgeschlagene Gespräch dient ganz im Sinne Helmut Helmers’ (1966/ 1970, 134) dazu, die Pro-Kontra-Struktur einzuüben. Diskutieren verkommt zu einem formalisierten Gespräch: Dabei wird - zumindest implizit - davon ausgegangen, dass sich wie von selbst herausschält, welche Überzeugungskraft die Argumente entwickeln, die dann den Einzelnen überzeugen. Argumentieren als sprachliche Handlung ist aber mehr als nur die Gegenüberstellung von These und Antithese, denn besonders beim mündlichen Argumentieren wird behauptet, widersprochen, vermutet, bezweifelt, begründet, gefolgert - aber auch insistiert, abgewiegelt, beschwichtigt, bagatellisiert, abgemildert, pointiert und sogar gestritten. Eine bestimmte These oder ein bestimmtes Argument ist immer nur in einer bestimmten Situation und für bestimmte Argumentationsteilnehmer gültig und wirksam. Die Ergebnisse der datenbasierten linguistischen Gesprächsanalyse zeigen, dass argumentative Gespräche anders verlaufen, als uns das normative Gesprächsdidaktiker weismachen wollen. Hier ein Auszug aus einem Gespräch von Achtklässlern zum Thema „Soll Rauchen ab 14 erlaubt werden? “ (aus Vogt 2007, 122 f.): 1 L: So. Jetzt sollt ihr. Jetzt sollt ihr drüber diskutieren, ob mans tatsächlich mit 14 erlauben sollte, oder ob es so bleiben soll, wie es jetzt ist 2 S5: Nur in der Schule, oder? 3 L: (lacht) Das könnt ihr euch überlegen, ob nur in der Schule. 4 S2: Also, ich fänd nicht, weil, guck mal, da bleibt man ja, irgendwie hab ich gehört, dass det in der Leber und so, dass man ne mehr sich ausdehnt oder halt wachsen tut, dass däs so bleibt. Man wächst ja noch. 5 L: mhm 6 S4: Ich sag ja, weil die, wenn man nicht 14 ischt, machts mans, wenn man unbedingt will, und dann mach mans halt. Also sonst machts man heimlich, und jetzt macht mans in der Öffentlichkeit, das isch ja egal 7 S6: Ich finds net. 8 S5: Ich finds auch net. 9 S4: Ich finds so (...) 10 S5: (lacht) Ja, man muss es nicht machen, das ist nicht Gesetz, dass man macht. 11 S2: (...) dann wollents die mit 12 und 13 auch machen. 12 S4: Ja (...) 13 S2: Du kannst ja genau so warte, bis du 16 bischt... 122 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 23: Gesprächsausschnitt aus einer Diskussion in der 8. Klasse zum Thema „Soll Rauchen ab 14 erlaubt werden? “ nach Rüdiger Vogt (2007, 122 f.) Schaut man sich den Gesprächsausschnitt genauer an, so bleibt festzuhalten: Argumentative Gespräche verlaufen nicht nach streng formalisierten Regeln, entwickeln sich nicht idealtypisch nach These und Antithese und sind nicht auf Konsens und gegenseitige Überzeugung hin ausgerichtet - Dissenz und Toleranz gegenüber anders Argumentierenden muss dringend einbezogen werden. Dabei werden andere Beobachtungsfragen wichtig, die bislang beim Diskutieren ausgeblendet bleiben, z. B.: ▶ Welche Standpunkte und Meinungen vertreten die Schülerinnen und Schüler? ▶ Wie bringen sie ihre Standpunkte ein und begründen sie? ▶ Wie setzen sie sich für ihre Standpunkte ein? ▶ Wie reagieren die anderen Schüler auf die Standpunkte? ▶ Welche Auswirkungen hat die Situation auf das Gespräch? usw. Elke Grundler und Rüdiger Vogt (2009, 490) vertreten deshalb konsequent eine sprachhandlungstheoretische Position des unterrichtlichen Argumentierens: Argumentieren kann dann als komplexe, dialogische sprachliche Handlung verstanden werden, bei der die Problematisierung eines Sachverhalts durch Einwände oder offene Fragestellungen verbale 8 S5: Ich finds auch net. 9 S4: Ich finds so (...) 10 S5: (lacht) Ja, man muss es nicht machen, das ist nicht Gesetz, dass man macht. 11 S2: (...) dann wollents die mit 12 und 13 auch machen. 12 S4: Ja (...) 13 S2: Du kannst ja genau so warte, bis du 16 bischt... 14 S4: Ja eigentlich... ich find, ich bin ja auch dagegen, weil man sollt auch früher und so, und wenn man halt früher anfangt dann is des Risiko höher, dass man auch früher stirbt. 15 S1: Ja, hier äh i bin auch dafür, dass ab 14 ... 16 S4: Ja warum? 17 S1: Ja halt, weil es jeder macht, weil immer, wenn man irgendwo rumläuft, da sieht man immer so Kleine wo rauchen und ... 18 S6: So wie du! (lacht) 19 S1: Ja (lacht) .. 20 S3: Ähm, ich bin dagegen, weil dann wachsen die inneren Organe ja net mehr weiter, und dann . dann stirbt man früher und so. 123 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Begründungshandlungen erfordert. Thesen und Lösungswege bekommen dann argumentative Geltung, wenn sie ohne Einwand bleiben. Das Ausbleiben von Einwänden ist nicht gleichbedeutend mit dem Erreichen von Konsens, sondern kann auch als anerkannter Dissens gedeutet werden. Argumentieren kennt dabei sowohl rationale als auch strategische Ausprägungen. Es ist also an der Zeit, das streng formalisierte, idealtypische, analytisch-argumentierende Verfahren durch eine lernerorientierte, konstruktivistische und auf Perspektivenvielfalt abzielende Argumentation in Gesprächen zu ersetzen. Selbst populäre Argumentationsratgeber betonen, sich im argumentativen Gespräch stärker auf den Gesprächspartner einzustellen. Elke Grundler und Rüdiger Vogt (2009) haben herausgestellt, dass das Ziel des Diskutierens nicht darin besteht, andere von der Geltung einer strittigen These zu überzeugen. Sie plädieren für einen eher weiteren Argumentationsbegriff (vgl. auch Berkemeier/ Spiegel 2014, 129-135; vgl. praktisch auch Argumentieren im Deutschunterricht 2010): a) In Diskussionen sind in der Regel die Positionen und Standpunkte nicht immer endgültig festgelegt. Im Verlaufe von Diskussionen können sich bei den Diskutanten die Meinungen stabilisieren, modifizieren, weiterentwickeln oder verändern. b) Diskussionen bilden kein geschlossenes Argumentationsmodell, das zielgerichtet auf eine Lösung hin ausgerichtet ist, Argumentieren ist eine ausgangsoffene Kommunikationsform. c) Ziel einer Diskussion ist nicht ausschließlich die Konfliktlösung oder der Konsens. Perspektivenvielfalt, Heterogenität oder gar Dissens sind ebenfalls als Zielsetzungen denkbar. d) Die Modalität des Argumentierens ist grundsätzlich nicht allein vernunftorientiert und rational. Strategien und Taktiken gehören konstitutiv ebenfalls zu Diskussionen und dürfen nicht ausgeblendet werden. e) Wichtig ist der Unterschied zwischen mündlichem und schriftlichem Argumentieren: Carmen Spiegel (2011, 44) stellt heraus, dass das mündliche Argumentieren in der Schule als eine Gemeinschaftsarbeit aufzufassen ist: Ein Thema wird eingeführt, aufgegriffen und verschoben, spezifiziert und begründet, allerdings nicht von einer Person, sondern von mehreren Schülerinnen und Schülern. Argumentieren im Gespräch ist ein gemeinsames Erwägen und Abwägen, aber auch Positionieren und Angreifen, Ergänzen und Spezifizieren. Themen spalten sich in Subthemen, werden später wieder aufgegriffen und vertieft. So entsteht die Argumentation im Gesprächsverlauf facettenreich, multiperspektivisch und als Gemeinschaftsprodukt. Die schriftliche Argumentation ist dagegen eine Einzelarbeit. Die Schreiberin oder der Schreiber muss den gesamten Schreibprozess global reflektieren, dies erfordert einen hohen Planungs- und Formulierungsaufwand, „der mit der Fähigkeit zur Abstraktion einhergehen muss“ (Spiegel 2011, 45). So müssen beispielsweise in einer schriftlichen Argumentation schon in der Planungsphase die Themen und Argumente geordnet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. 124 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.3.3 Aufgabenbeispiele zur Gesprächsdidaktik Die hier vorgestellten Aufgaben zur Gesprächsdidaktik beziehen sich auf folgende Aspekte: ▶ Mündliches Argumentieren (in Form einer Rollendiskussion), ▶ die Rolle des aktiven Zuhörers, ▶ Gesprächsverhalten in der Unterrichtskommunikation, ▶ Entwicklung der allgemeinen Gesprächskompetenz. 5.3.3.1 Mündliches Argumentieren Das folgende Beispiel kann als eine Alternative zur klassischen schulischen Diskussion angesehen werden. Hier wird Diskussion nicht allein als idealisierte, kognitive Argumentation aufgefasst, die Schülerinnen und Schüler argumentieren vielmehr auf der Basis realer Interessen. Das Ziel der Diskussion ist nicht Einvernehmlichkeit oder Konsens, vielmehr zielt die Diskussion als Rollenspiel darauf ab, die Einstellungen und Positionen der Diskutanten und Zuhörer zum Thema im Sinne der Perspektivenvielfalt und Heterogenität zu reflektieren und zu modifizieren. 125 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 24: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch Deutsch wortstark (7/ 2013, 75 f.) Einen eigenen Standpunkt finden | Eine Rollendiskussion vorbereiten Stimmt zunächst über das Thema ab. Wer ist für die Haltung von Wildtieren in Zoos und wer ist dagegen? Haltet euer Ergebnis fest. Führt nach der Rollendiskussion erneut eine solche Abstimmung durch. So könnt ihr feststellen, ob sich das Meinungsbild verändert hat. Schritt 1: Sich mit dem Thema vertraut machen und die Rollen festlegen 1 Lest alle Rollenkarten. - Entscheidet euch für eine Rolle und bildet jeweils Kleingruppen. - Macht euch klar, was das für eine Person sein könnte, die ihr darstellen werdet: Was geht ihr durch den Kopf? Wie verhält sie sich? Was möchte sie in der Diskussion erreichen? - Legt fest, wer aus eurer Gruppe an der Diskussion teilnehmen soll. Tipp Ihr könnt die Rollen auch doppelt besetzen. Celina, Schülerin: Sie ist in der Tierschutz-AG ihrer Schule. Sie mag Tiere, aber nur in ihrem natürlichen Lebensraum. Sie hasst Zoos. Sie erinnern sie an Gefängnisse. Sarah Meier, Lehrerin: Sie ist leidenschaftliche Zoobesucherin. Deshalb geht sie auch gern mit ihren Klassen in den Zoo. Die Führungen durch Experten dort findet sie toll. Malte Zuber, Zoodirektor: Er liebt seine Tiere und die Arbeit mit ihnen. Der Zoo spielt für ihn beim Artenschutz eine wichtige Rolle. Viele Tierarten gäbe es heute ohne Zoos nicht mehr. Ingo Müller, Tierschützer: Zoos machen ihn wütend. Tiere in Käfigen als Sensationsobjekte lehnt er strikt ab. Das Geld für Zoos sollte lieber in den natürlichen Lebensraum der Tiere investiert werden. Kurzkommentar Zunächst werden die Schülerinnen und Schüler ganz allgemein über ihre Aufgabe orientiert. Zudem wird verdeutlicht, dass die Diskussion als Rollenspiel verläuft: Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in die Rolle einer anderen Person hineinversetzen und deren Standpunkt vertreten. Hierdurch werden Selbst- und Fremdbeobachtungsfähigkeiten gefördert. Die Rollendiskussion ist nicht auf Konsens hin bezogen: Die Diskussion ist ausgangsoffen. Rollenspieler und Beobachter haben die Möglichkeit ihren Standpunkt auf der Basis der Diskussion zu modifizieren. 126 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Die Diskussion selbst ist als angeleitetes Rollenspiel konzipiert. Bei dieser Rollendiskussion handelt es sich um ein fiktives, im Unterricht inszeniertes Streitgespräch, bei dem unterschiedliche Meinungen und Standpunkte gegenübergestellt und diskutiert werden. Um die Diskussion insgesamt besser reflektieren zu können, ist es ratsam, diese per Video aufzuzeichnen und gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen und auszuwerten. Das argumentative Gespräch wird materialgestützt vorbereitet, die Rollenspieler setzen sich gründlich mit der dargestellten Person auseinander. Sie müssen sich empathisch mit der Person (Meinungen, Standpunkte, Intentionen) in ihrer jeweiligen Situation und Rolle (z. B. als Zoodirektor, Tierschützer) auseinandersetzen. Es werden folglich keine Argumente pro und kontra aufgelistet, es gibt keine „Argumente per se“: In dieser Rollendiskussion ist ein bestimmtes Argument nur für diese Situation und für bestimmte Mitdiskutanten dieser Situation ein „gutes“ und zweckdienliches Argument. Argumente sind abhängig von Interessen und Zielen. Die Rollenverteilung kann unterschiedlich praktiziert werden. Es lässt sich grundsätzlich eine eher stärker gelenkte von einer weniger gelenkten Rollenverteilung unterscheiden. Die stark gelenkte Rollenverteilung eignet sich eher für ungeübte Gruppen und hat das Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler schneller ins Spiel kommen. Dabei beschreibt die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern die einzelnen Rollen und weist sie dann den entsprechenden Gruppen oder Schülern zu. Alternativ bieten sich unterschiedliche Auslosungsverfahren wie Abzählverse oder Farbenziehen an. Bei der weniger gelenkten Rollenverteilung wird ebenfalls vorausgesetzt, dass die Schülerinnen und Schüler mit den unterschiedlichen Rollen vertraut gemacht wurden oder sich selbst damit auseinandergesetzt haben. Es wird also ein Rollenverständnis vorausgesetzt. Bei der Verteilung sind auch hier Varianten denkbar: In einer ersten Variante wählen die Schülerinnen und Schüler ihre Rollen selbstständig aus. In der zweiten wird die Rolle einer Schülergruppe zugewiesen und die Gruppenmitglieder bestimmen intern den Rollenspieler (vgl. Aufgabe 1). Schritt 2: Die Rollen ausgestalten 2 Macht euch Notizen zu den folgenden Fragen: - Wie stellt eure Rollenfigur ihren Standpunkt dar und begründet ihn? Ich meine, dass … Zum Thema … meine ich … Ich möchte, dass … - Nutzt die Gesichtpunkte, die zu eurer Rolle passen. Ihr könnt die Tabelle von der vorigen Seite zur Hilfe nehmen. Gestaltet die Gesichtspunkte aus und verdeutlicht sie mit Beispielen. - Überlegt auch, wann und wie ihr auf die Argumente der anderen Rollenfiguren eingehen könnt. Ich finde aber, dass … Dazu fällt mir ein Beispiel ein .. Ich halte für wichtig, dass … Jetzt will ich aber auch C Wie ihr Argumente ausgestaltet, könnt ihr in der Werkstatt im Kapitel „In der Schule leben und arbeiten“ auf Seite 24 nachlesen. Ich bin Biologielehrerin und finde es wichtig, dass in Zoos auch exotische Wildtiere gehalten werden. So bietet sich … 127 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 25: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch wortstark (7/ 2013, 76) Kurzkommentar Den Schülerinnen und Schülern wird dabei nicht eine genau definierte Rolle zugewiesen, die sie übernehmen müssen, vielmehr müssen sie „ihre“ Rolle selbst ausgestalten. Sie versetzen sich dabei in die Position, Gefühls- und Gedankenwelt der dargestellten Person. Dazu dienen sowohl die Kenntlichmachung der sozial-individuellen Rolle (Ich bin Biologielehrerin und finde …) als auch die potentiellen sprachlichen Redemittel, die die Einnahme modifizierter und unterschiedlicher Standpunkte (Ich finde aber …; Ich halte für wichtig, dass …) sowie auch taktisches und strategisches Argumentieren ermöglichen (Dazu fällt mir ein Beispiel ein …; Jetzt will ich aber auch mal was sagen …) (vgl. zum Kommentieren auch Berkemeier 2006). Nun beginnt die praktische Umsetzung des Streitgespräches. Neben Schülerinnen und Schülern als Rollenspieler kann auch ein Moderator und Beobachter bzw. ein Publikum bestimmt werden. Gegebenenfalls erhält die Klasse nun noch einmal Zeit sich auf die tatsächliche Umsetzung vorzubereiten. Der konkrete Ablauf der Rollendiskussion kann an sich frei gestaltet werden. Zum Schluss ist es möglich, eine Abschlussrunde durchführen zu lassen, in der sich jede Schülerin und jeder Schüler frei positionieren und äußern kann. Die Ergebnisse sollten reflektiert und zu guter Letzt gesichert werden. Wichtig sind auch die Zuhörer als Beobachter des Rollenspiels, denn sie sind Handlungsbeteiligte. Ich meine, dass … Zum Thema … meine ich … Ich möchte, dass … - Nutzt die Gesichtpunkte, die zu eurer Rolle passen. Ihr könnt die Tabelle von der vorigen Seite zur Hilfe nehmen. Gestaltet die Gesichtspunkte aus und verdeutlicht sie mit Beispielen. - Überlegt auch, wann und wie ihr auf die Argumente der anderen Rollenfiguren eingehen könnt. Ich finde aber, dass … Dazu fällt mir ein Beispiel ein .. Ich halte für wichtig, dass … Das sehe ich anders, … Jetzt will ich aber auch mal was sagen … im Kapitel „In der Schule leben und arbeiten“ auf Seite 24 nachlesen. Ich bin Biologielehrerin und finde es wichtig, dass in Zoos auch exotische Wildtiere gehalten werden. So bietet sich … 128 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 26: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch wortstark (7/ 2013, 77) 129 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Kurzkommentar Die Beobachter sollen die Diskussion reflektieren und bewerten. Hierzu erarbeiten sie einen Kriterienkatalog. Dieser darf sich nicht ausschließlich auf die formale Gesprächsorganisation beziehen (lässt andere ausreden, geht auf Vorredner ein). Der Beobachtungsbogen muss auch auf die Überzeugungskraft (z. B. Meinung begründet, Beispiele angeführt), die Sachkenntnis (z. B. Weiß der Redner, worum es geht? ), die Gesprächsfähigkeit (z. B. Hat er zugehört und die Anderen berücksichtigt? ), die Gesprächstaktik (z. B. Hat er seine Meinung geschickt und wirkungsvoll an der richtigen Stelle eingebracht? ) oder auf das sprachliche Ausdrucksvermögen (z. B. Wie hat er das, was er meint, gesagt? ) eingehen. Auch Sitzordnung und Moderation sind nicht willkürlich, sondern werden von den Schülerinnen und Schülern reflektiert und nach eigenen Kriterien festgelegt. Das Rollenspiel selbst ist dabei keine einmalige Prozedur („Führt das Rollenspiel mehrmals durch“), die direkt zu einem Ergebnis führen muss - es geht um die im Rollenspiel ablaufenden Prozesse. Abb. 27: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch wortstark (7/ 2013, 78) 5 Überlegt euch eine Sitzordnung für die Diskussionsteilnehmer und verteilt die Beobachtungsaufgaben. Wer beobachtet welchen Diskussionsteilnehmer? Schön wäre es, wenn einer von euch die Moderation übernimmt. 6 Führt die Diskussion mehrmals durch. 130 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Schließlich wird die Rollendiskussion gemeinsam ausgewertet. Abb. 28: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch wortstark (7/ 2013, 78) Kurzkommentar Das Rollenspiel eröffnet auch Möglichkeiten der emotionalen oder kognitiven Rollendistanz. Der Abgleich mit der Beobachtergruppe führt dabei zu Bestätigungen oder Korrekturen und fördert letztendlich bei allen Beteiligten die soziale Handlungskompetenz. Der Abschluss des Rollenspiels ist ergebnisoffen: Das Rollenspiel hat hier die Funktion, den eigenen Standpunkt zu reflektieren und eröffnet die Möglichkeit, sich reflektierend mit den sozialen Handlungen anderer auseinanderzusetzen und diese zu bewerten. Geradezu musterhaft in Bezug auf einen eher weiten Argumentationsbegriff ist das folgende Beispiel aus einem Lehrwerk für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: 131 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 29: Aufgaben-Modul „Rollenspiel: Talkshow“ im Sprachlehrbuch Aspekte (Mittelstufe Deutsch als Fremdsprache) (2007, 157) 132 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Kurzkommentar Die Lernenden spielen eine Talkshow. Für ihr Rollenspiel erarbeiten sie dabei zunächst verschiedene Rollenkarten und notieren, was sie in der Talkshow vorbringen wollen; hierzu bekommen sie Hinweise auf ihre Rolle (Älterer Herr mit Dackel, Talkmeisterin, Vorsitzende des Kleingartenvereins, Vertreter des regionalen Tierschutzvereins). Aufschlussreich für die Durchführung des Rollenspiels sind die angegebenen Redemittel, die die Lernenden verwenden sollen. Es sind genau die sprachlichen Mittel, die in authentischen Diskussionen verwendet werden, um eigene Diskussionsinteressen und -strategien zu verfolgen: ▶ Selbstwahl des Rederechts: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, …; Dürfte ich dazu bitte auch etwas sagen? Ich möchte dazu etwas sagen/ fragen/ ergänzen - auch und gerade, um den Vorredner zu unterbrechen und selbst einen Redebeitrag anzubringen; ▶ Beharrung auf dem Rederecht: Lassen Sie mich bitte ausreden. Einen Moment bitte, ich möchte nur noch …; Ich bin noch nicht fertig. Augenblick noch bitte, ich bin gleich fertig; ▶ Relativieren der Vorrednermeinung: Ich verstehe das schon, aber …; Ja, aber …; ▶ Zurückweisung der Vorrednermeinung: Glauben/ Meinen Sie wirklich, dass …; ▶ Hervorhebung der eigenen Meinung und Position: Ich möchte nur noch ein(e)s sagen …; Ich möchte dazu etwas sagen/ fragen/ ergänzen; Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, … Durch die Verwendung dieser sprachlichen Mittel wird die Argumentation authentisch. Solche Diskussionen erfüllen die Anforderungen von Elke Grundler und Rüdiger Vogt (2009) an ein eher weites Argumentationskonzept: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich zu Wort melden, konsequent ihren Standpunkt vorbringen, Standpunkte relativieren oder zurückweisen, den eigenen Standpunkt noch einmal herausstellen, alles sagen dürfen, was „ihnen auf dem Herzen liegt“ - all dies gilt in der traditionellen, rationalen Argumentationlehre als verpönt (vgl. als Unterrichtsmaterial auch Let’s talk o. J.). 5.3.3.2 Der aktive Zuhörer Im Folgenden geht es um das Reflektieren des eigenen und fremden Gesprächsverhaltens, insbesondere um die Rolle des Zuhörers. In fast allen Sprachbüchern wird die Rolle des Zuhörers über die Erarbeitung der Gesprächsregeln thematisiert: Die Zuhörer sollen den Sprecher ▶ nicht unterbrechen, sondern ausreden lassen; ▶ nicht beleidigen oder persönlich angreifen; ▶ nicht auslachen; ▶ nicht stören. ▶ Die Zuhörer sollen sich nur dann zu Wort melden, wenn sie an der Reihe sind oder aufgerufen werden usw. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten auf unterschiedlichen Klassenstufen solche Gesprächsregeln und sind aufgefordert, diese dann auch im Unterrichtsgespräch einzuhalten. 133 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ In neueren Deutschbüchern wird die Rolle des Zuhörers nicht allein passiv über das Einhalten von Gesprächsregeln angesprochen - herausgestellt wird der aktive Zuhörer, dessen Rolle sich aus der Gesprächssituation ergibt (vgl. Wagner 2006, 197 f., Spiegel 2009, Krelle 2010, Berkemeier/ Spiegel 2014, 126); vgl. auch das Lehrvideo zum aktiven Zuhören. Gerade im Kontext der Bildungsstandards werden neue Aufgaben zum aktiven Zuhören vorgeschlagen, um den Schülerinnen und Schülern die Dialogizität des Gesprächs zu plausibilisieren und ihnen die Rolle des Zuhörers am Gesprächsprozess zu verdeutlichen. Das „Echospiel“ ist ein typisches Gesprächsspiel, um das Zuhörerverhalten zu trainieren: Abb. 30: Aufgaben-Modul „Miteinander reden - Dafür oder dagegen? “ im Sprach- und Lesebuch deutsch. kombi (5/ 2009, 22) 134 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Kurzkommentar Im Echospiel äußert jemand seine Meinung, der Nächste muss diese Meinung möglichst genau wiederholen. Danach äußert er dann seine eigene Meinung. In der vorliegenden Aufgabe reformulieren die Zuhörer in einem Echospiel die Positionen des Sprechers, ehe sie selbst ihre Meinung äußern. Diese Reformulierungen signalisieren dem Sprecher gegenüber - insbesondere auch in Diskussionen - Beachtung, Respekt und Empathie. Es gilt also nicht, die Meinung des anderen zu akzeptieren, sondern sie zu respektieren. Das aktive Zuhören gilt als Voraussetzung für verständnisvolle Gespräche und beeinflusst positiv die Beziehung zwischen Sprecher und Hörer. Eine Gesprächsdidaktik des aktiven Zuhörens könnte folgende Aspekte enthalten: ▶ Sensibilisierung für aktives Zuhören durch Beobachtung von Gesprächen; ▶ Erarbeitung von Kriterien für das aktive Zuhören (z. B. verbal: Hörersignale, Nachfragen, Paraphrasieren, Bestätigungen; averbal: Blickkontakt, Kopfnicken, Stirnrunzeln); ▶ Beobachten und Bewerten von (gelungenen und misslungenen) Zuhöreraktivitäten; ▶ Warm-ups für gutes Zuhören (z. B. Stille Post, „Lawinensätze“, Echospiel, „Spiegeln“, Weghör-Experiment). Wichtig ist der Hinweis von Anne Berkemeier und Carmen Spiegel (2014, 127), dass die Art der Zuhöreraktivität von der Kommunikationssituation abhängt. Während die Zuhöreraktivitäten in Erzählungen aus kurzen inhaltlichen Fragen und emphatischen Bestätigungen bestehen, verlangen Erklärungen kurze Sachfragen und Bestätigungen des inhaltlichen Nachvollzugs, in Diskussionen und Klärungsgesprächen erfolgen inhaltliche Bestätigungen oder kurze Positionierungen, die die Sprechenden veranlassen können, eventuell ausführlicher zu begründen. Im folgenden Beispiel müssen die Schülerinnen und Schüler anhand einer Kommunikationssituation (Vortrag) die Aktivitäten der Zuhörer und deren mögliche Wirkungen auf den Vortragenden beschreiben. Die Reflexion des Zuhörerverhaltens sollen sie nutzen, um über die eigene Zuhörerrolle während eines Vortrags zu reflektieren. Kurzkommentar Schülerinnen und Schüler können das Bild zum Anlass nehmen, um darüber zu sprechen, wie wichtig es ist, im Unterricht und bei Gesprächen mit Freunden oder Eltern einander aktiv zuzuhören. Verschiedene Zuhörerhaltungen sind hier dargestellt (Aufgabe 1): Manche Zuhörer sind in Gedanken irgendwo anders und hören nicht richtig zu, obwohl sie direkt gegenüber dem Vortragenden sitzen. Sie sind abgelenkt, schauen weg oder beschäftigen sich mit ihrem Smartphone. Andere unterhalten sich und stören somit den Vortrag. Sie wenden sich dem Vortragenden nicht zu, sie schauen ihn nicht an und sie halten keinen Blickkontakt. Im Unterricht kann auch über die Folgen dieser Verhaltensweisen gesprochen werden (Aufgabe 2): Wer nicht richtig zuhört, überhört nicht nur Wichtiges, er verunsichert auch den Sprecher, der sich nicht respektiert fühlt. Schließlich können die Schülerinnen und Schüler sich Gedanken machen, wie sie selbst zu guten Zuhörern werden und entsprechende Zuhörregeln notieren (Aufgabe 3, 4). 135 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 31: Aufgaben-Modul „Was macht der Zuhörer? - konzentriert und aktiv zuhören“ aus P.A.U.L.D. (8/ 2014, 131) 136 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.3.3.3 Gesprächsverhalten in der Unterrichtskommunikation In der folgenden Aufgabe wird die Unterrichtskommunikation selbst zum Thema. Eine solche Thematisierung des Unterrichtsgesprächs ist in Sprachbüchern allerdings eher selten, obwohl das Gespräch als die „Königsdisziplin“ der kommunikativen Handlungsformen angesehen wird, „weil im Gespräch rezeptive und produktive mündliche Kompetenzen dialogisch zusammenspielen“ und „Lernbeziehungen mit dem Ziel gestaltet werden, Wissen auszutauschen, zu hinterfragen, auf- und umzubauen“ (Eriksson-Hotz 2017, 7). Hier kommt jeder dran Das kennt ihr sicher alle: Im Unterricht wird etwas besprochen. Einige beteiligen sich lebhaft am Gespräch, andere sitzen stumm dabei. Woran mag das liegen? 2.1 Nur Mut! „Wir wollen heute mal etwas anderes machen.“ Mit diesen Worten wendet sich Lehrer Berghoff an die Schüler seiner Klasse. „Ihr wißt ja alle, daß gestern Elternsprechtag war. Und in vielen Gesprächen mit euren Eltern ging es, wie ihr euch denken könnt, auch um eure Mitarbeit hier im Unterricht ...“ Mit einer kleinen, wirkungsvollen Pause läßt Lehrer Berghoff die letzten Worte verklingen. „Also, ich hab’ mir gedacht, wir überlegen heute einmal, woran es eigentlich liegt, daß ihr euch so unterschiedlich am Unterricht beteiligt. Vielleicht fällt uns etwas ein, wie wir dieses Problem in Zukunft lösen können. Habt ihr dazu Vorschläge? “ Kathrin: Ich glaube, das ist von Fach zu Fach verschieden. In Deutsch habe ich z. B. keine Probleme, aber in Mathe ... Lars: Es kommt aber auch auf den Lehrer an. Bevor du dich beteiligen kannst, muß der Lehrer dich erst einmal drannehmen. Also entscheidet er, wie oft ein Schüler etwas sagen kann. Hans: Aber der Lehrer nimmt doch meistens die dran, die aufzeigen. Also kommt es vor allem darauf an, ob du dich im Unterricht meldest oder nicht. Anke: In so einer großen Klasse ist das nicht so einfach. Es kann ja immer nur einer reden. Da kommt es eben darauf an, wer schneller ist. Was sagt ihr dazu? Welche Erklärungen überzeugen euch, welche nicht? Seht ihr noch andere Gründe, warum sich Schüler so unterschiedlich beteiligen? Was kann der Lehrer tun? Nachdem mehrere Schüler ihre Meinung vorgetragen haben, stellt der Lehrer fest: „So, wir haben jetzt gehört, wie Kathrin, Lars, Hans und Anke darüber denken. Das waren, wenn ich keinen übersehen habe, die, die sich zu Wort gemeldet haben. Aber wie ist es mit den anderen? Thomas oder Bianca z. B., ihr habt nicht aufgezeigt.“ Thomas und Bianca sind etwas überrascht und wissen nicht so recht, was sie sagen sollen. Schließlich antwortet Thomas. Thomas: Na ja, eigentlich bin ich auch der Meinung, daß das vom Fach abhängt. Aber das hat Kathrin ja schon gesagt. Herr Berghoff: Und du, Bianca? Bianca: Ich weiß auch nicht, woran das liegt. Meine Mutter sagt mir ja auch immer, daß ich mich mehr beteiligen muß. Ich schaff’ das irgendwie nicht. Bevor ich überhaupt auf die Idee komme, mich zu melden, ist immer schon alles gesagt. Thomas und Bianca versuchen, zu erklären, warum sie sich nicht gemeldet haben. Vergleicht die beiden Erklärungen. 137 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 32: Aufgaben-Modul „Miteinander reden - Hier kommt jeder dran“ aus dem Sprachbuch Deutschstunden (6/ 1992, 10 f.) Kurzkommentar Im vorliegenden Beispiel (Deutschstunden 6/ 1992, 10 f.) wird ein schriftlich abgedrucktes Unterrichtsgespräch behandelt. Schülerinnen und Schüler sollen darüber nachdenken, wie es gelingen könnte, möglichst viele Schülerinnen und Schüler am Unterrichtsgespräch zu beteiligen. Die Reflexion über den eigenen Lernprozess bildet ein quasi-authentischer Sprechanlass. Hier geht es also nicht um eine im Unterricht simulierte Kommunikationssituation, sondern um die sprachliche Bewältigung einer authentischen Kommunikationssituation - um die Kommunikation über das Lehren und Lernen im eigenen Klassenzimmer. Das dargestellte Gespräch kann modellhaft verdeutlichen, wie Kommunikation im Unterricht zum Thema gemacht werden kann. Von den geschilderten Erfahrungen ausgehend, kann die Kommunikation im Unterricht verbessert werden: ▶ Schüler und Schülerinnen kritisieren die Lehrerzentriertheit der Unterrichtskommunikation (Bianca: Also entscheidet er, wie oft ein Schüler etwas sagen kann. Thomas: Aber das hat Kathrin ja schon gesagt. Bianca: Bevor ich überhaupt auf die Idee komme, mich zu melden, ist immer schon alles gesagt.); ▶ Schüler kritisieren ihr eigenes Gesprächsverhalten (Hans: Also kommt es vor allem darauf an, ob du dich im Unterricht meldest oder nicht. Anke: Da kommt es eben darauf an, wer schneller ist.); ▶ Schüler und Schülerinnen werden aufgefordert, Beispiele zur Verbesserung der Unterrichtskommunikation vorzuschlagen: Aufgabe 3: Was kann der Lehrer tun? , Aufgabe 5: Stellt euch vor, Thomas und Bianca hätten sich von selbst gemeldet wie die anderen. Was hätten sie sagen können? , Aufgabe 6: Findet ihr es richtig, daß Herr Berghoff die beiden einfach auf-
Es muß gar nicht langweilig sein, wenn jemand einen Gedanken aufgreift, den ein anderer schon angesprochen hat. Stellt euch vor, Thomas und Bianca hätten sich von selbst gemeldet wie die anderen. Was hätten sie sagen können? Findet ihr es richtig, daß Herr Berghoff die beiden einfach aufruft? Herr Berghoff (wendet sich wieder an die Klasse): Also, einige von euch haben offenbar Probleme mit dem Aufzeigen. Und da kann man, wenn ich das richtig sehe, wieder unterscheiden: Die einen haben durchaus etwas zu sagen, zeigen aber nicht auf. Und die anderen wissen nicht so genau, ob sie etwas zu sagen haben, und warten halt ab. Klaus (ruft lachend dazwischen): Und andere passen nicht auf. Herr Berghoff: Richtig, Klaus, abgesehen von denen, die einfach losreden. Wie denkt ihr über Klaus’ Verhalten? Stellt euch vor, Dazwischenreden wäre grundsätzlich verboten. Oder es wäre grundsätzlich erlaubt. Versucht, Ratschläge zu formulieren, wie Schüler im Unterricht so mitarbeiten können, daß möglichst viele zu Wort kommen. Schreibt die besten Ideen auf große Bogen Papier, und hängt sie an die Wand. 138 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Die Reflexion über den Unterricht und die eigene Rolle kann maßgeblich dazu betragen, den Lernerfolg zu verbessern. Dabei sollen vor allem die Lehrpersonen ihr Gesprächsverhalten reflektieren (vgl. hierzu beispielsweise Berthold 2000; Bittner 2006; Cecil 2011). Heute spielen im Unterricht hierzu auch Lern- und Fördergespräche zwischen Lehrern und Schülern eine große Rolle. Inzwischen existieren eine Reihe von Vorschlägen, wie solche Lerngespräche geführt werden sollen. 5.3.4 Gesprächskompetenz entwickeln Aufgaben zur Förderung der allgemeinen Gesprächskompetenz finden sich insbesondere in den Sprachbüchern der kommunikativen Wende, die mündliche und schriftliche Sprachhandlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern wollen. Diese Sprachbücher sind oft nach einfachen oder komplexen Sprachhandlungen gegliedert, wie das Inhaltsverzeichnis aus dem Sprachbuch (1996) ausweist. Die Förderung der allgemeinen Gesprächskompetenz ist insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache ein zentrales Lernziel. In der Regel beziehen sich die Aufgaben zur Förderung gesprächsspezifischer Kompetenzen (z. B. Auskünfte einholen, Fragen stellen, nachfragen) zum einen auf die Reflexion und Bewertung der entsprechenden Sprechhandlung in typischen Gesprächssituationen; zum anderen werden Anregungen gegeben, wie die Schülerinnen und Schüler diese Sprechhandlungen intentionsbezogen, adressatengerecht und situationsadäquat nutzen können. Abb. 33: Inhaltsverzeichnis Sprachbuch (6/ 1976, 3) ruft? , Aufgabe 7: Wie denkt ihr über Klaus’ Verhalten - zusammenfassend Aufgabe 8: Versucht, Ratschläge zu formulieren, wie Schüler im Unterricht so mitarbeiten können, daß möglichst viele zu Wort kommen. Mögliche Antworten wären z.B.: Der Lehrer sollte eher binnendifferenzierend arbeiten und dem einzelnen Schüler die Zeit einräumen, die er zum Antworten braucht. Der einzelne Schüler sollte als Zuhörer aktiv werden und sich selbstbewusst ins Unterrichtsgespräch einbringen. Inhaltsverzeichnis 1 Schweigen als Kommunikation 2 In ein Gespräch eingreifen 3 Ein Gespräch weiterführen 4 Schimpf- und Reizrede 5 Sich herausreden 6 Verweigern, abbrechen von Kommunikation 7 Formen und Techniken der Diskussion 8 Ergebnisse schriftlich zusammenfassen 9 Techniken der Text- und Gesprächsanalyse 10 Formulare 11 Amtliche Anweisungen und Hinweisschilder 12 Satzreihe, Satzgefüge; Textgestaltung 13 Rede und Satz im Handlungszusammenhang 14 Sprache und Gruppenzugehörigkeit 15 Nichtsprachliche und sprachliche Normierung 16 Zusammenhang von Redeabsicht und Darstellung 17 Vorurteile, Verallgemeinerungen 18 Tabus und Hüllwörter 19 Spielen, Regeln beachten und abändern 20 Planen 21 Zeichen und Zeichenverwendung 22 Information einholen 23 Information gliedern 24 Jemanden ausfragen; Fragetechnik 25 Behauptungen zurückweisen, richtigstellen 26 Jemanden trösten, aufmuntern 27 Raten, warnen 28 Interesse wecken 29 Täuschen 30 Themen- und adressatenbezogenes Schreiben 31 Situation und Sprachgebrauch 32 Reinfallen und daraus lernen 33 Bildaussagen verändern; Collagen 139 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Im folgenden Beispiel geht es um Telefongespräche, insbesondere darum, wie man am Beispiel der Wohnungssuche Auskünfte einholt (Alltagsszenen 1979, 20 f.). Das Lehrwerk ist modulartig nach den Lernbereichen Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben gegliedert und enthält eine große Vielfalt an authentischen Texten. Daran werden sprachliche Kompetenzen lernschrittprogressiv unter Berücksichtigung der textsortenspezifischen Merkmale entwickelt. 140 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 34: Aufgaben-Modul „Fragen stellen - ein Zeichen von Unsicherheit? “ aus dem Sprachbuch für die berufliche Ausbildung Alltagsszenen (1979, 20f.) 141 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Kurzkommentar Die Aufgaben sind in eine typische Gesprächssituation eingebettet: Gaby Müller möchte bei ihren Eltern ausziehen und sucht eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Die Eltern sind einverstanden, können ihre Tochter aber beim Mieten und Einrichten des Zimmers nicht unterstützen. Gaby Müller informiert sich im Anzeigenteil einer Zeitung, um dann bei potentiellen Vermietern anzurufen. Zunächst werden die Schülerinnen und Schüler mit der Gesprächssituation vertraut gemacht: Sie lernen Gaby Müller kennen und müssen sich schon einmal mit den Problemen, vor denen sie steht, auseinandersetzen (gezielte Auswahl der Inserate [Aufgabe 1], Reflexion der Gesprächsmotivation und -bedürfnisse [Aufgabe 2]). Anschließend reflektieren die Schülerinnen und Schüler ein Telefongespräch, das Gaby Müller geführt hat. Die gesprächsreflexiven Aufgaben beziehen sich zum einen auf die Gesprächssequenz von Telefongesprächen, insbesondere auf die Eröffnung von Telefondialogen (Aufgabe 3.1), zum anderen geht es um die begründete Bewertung von Sprechstrategien (Aufgabe 3.2). Abschließend werden die Schülerinnen und Schüler selbst mit der Situation konfrontiert, sie sollen sich für das Telefongespräch mit dem Mieter eine geeignete Gesprächsstrategie (als Frageplan) erarbeiten. Aus gesprächsdidaktischer Sicht fehlen in diesem Lehrbuchausschnitt die Realisierung und Bewertung des geplanten Telefongesprächs. Die Förderung gesprächsproduktiver Sprechkompetenzen hat eine auffällige Parallele im Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Im Zuge der kommunikativen Didaktik wurde dem Sprechen und Hören eine besondere Beachtung geschenkt. Dabei geht es darum, den Schülerinnen und Schülern Sprechkompetenzen zu vermitteln, die sie befähigen, sich in Alltagssituationen zurecht zu finden und diese kommunikativ zu bewältigen. Auch hier sind Sprechakttheorie, kommunikative Wende und Gesprächsanalyse die wissenschaftlichen Bezugspunkte, die kommunikativen Standards und Kompetenzen sind im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GER) beschrieben. In allen gängigen Sprachlehrwerken für Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache finden sich folglich Aufgaben, in denen die Schülerinnen und Schüler ein sprechspezifisches Sprachhandlungsmuster zur Bewältigung spezifischer Gesprächssituationen erwerben oder ausbauen können: sich vorstellen, Wünsche äußern, Vermutungen anstellen, höflich um Hilfe bitten, Vorschläge machen, Ratschläge geben, diskutieren; Telefongespräche, Partygespräche, Beratungsgespräch, Verkaufsgespräch, Talk-Show usw. (vgl. informativ zum Sprechen Koeppel 2010, 297-332). Der folgende Sprachbuchausschnitt stammt aus einem Lehrwerk, das auf das Kompetenzniveau B2 nach den Stufen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) ausgerichtet ist und erwachsene Deutsch-als-Fremdsprache-Lernende im Blick hat (em.Brückenkurs 1998, 40). Wir führen es hier an, weil es mustergültig zeigt, wie Gesprächskompetenz im Deutschunterricht entwickelt werden kann. 142 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 35: Gesprächsgeländer zum Führen eines informellen Telefongesprächs im Sprachlehrwerk em.Brückenkurs (Deutsch als Fremdsprache, Niveaustufe B2, 1998, 40) Kurzkommentar Der Ausschnitt stammt aus dem Kapitel „Feste“, in dem es auch um Geburtstagsfeiern geht. Die Lernenden bearbeiten - ähnlich wie im Beispiel aus dem Erstsprachenunterricht - zunächst eine Aufgabe, in der sie rezeptiv („Telefongespräche hören“) Gesprächsteilnehmer und Gesprächsthema heraushören (Aufgabe 1a) und die Art des Telefongesprächs spezifizieren müssen (Aufgabe 1b und c: formelles vs. informelles Telefongespräch). Anschließend sollen sie mit Hilfe eines Gesprächsgeländers mit einem Partner selbst ein informelles Telefongespräch führen. 143 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Das Telefongespräch scheint als Gesprächssorte besonders geeignet, weil es eine relativ erwartbare Gesprächsstruktur aufweist (Wie-Schema): Eröffnung des Telefongesprächs, Gesprächsmitte, Beendigung des Telefongesprächs. Art und Sequenzen in der Gesprächsmitte sind durch die Art des Telefongesprächs bestimmt. Wenn man per Telefon Gäste zu seiner Geburtstagsfeier einlädt, spielen beispielsweise stimulus-response-bezogene Gesprächsschritte über den Ort und die Zeit der Einladung eine Rolle. Hinzukommen können weitere Fragen oder Smalltalk-Passagen, um das Gespräch in Gang zu halten und auf der Beziehungsebene zu arbeiten (z. B. Fragen nach dem Befinden). Zur Realisierung dieser Gesprächsschritte sind charakteristische Rituale, sprachliche Routinen und Formen (z. B. informelle Begrüßungsformeln wie Hallo, Grüß dich, Wortverbindungen wie zum Geburtstag einladen, bei mir zu Hause, in der Kneipe oder W-Fragen Wann geht es denn los? ) charakteristisch und müssen vermittelt werden. Dabei spielen auch kulturelle Normen eine besondere Rolle (hier z. B. die Art der Gesprächseröffnung und -beendigung: Nennt man sich z. B. mit Namen? ). Das Chunking hilft bei der Realisierung und Automatisierung der Teilsequenzen. Gerade sprachproduktive Aufgabenstellungen stützen sich auf feste Schemata, Formeln oder Wendungen und bilden Verarbeitungsgeländer. Die zweite Aufgabe (Telefongespräche führen) bezieht sich auf die Realisierungsmöglichkeiten des Wie-Schemas. Mit Hilfe eines Gesprächsgeländers und der Beispiele für Redemittel kommt ein Gespräch zustande, das den Anforderungen eines authentischen Telefongesprächs genügt. Das Gesprächsgeländer ist dabei nicht nur eine Orientierung, sondern bietet wegen seiner offenen, skizzenhaften Struktur auch Möglichkeiten zur kreativen Füllung und zur Variation und Abänderung. Dies gilt auch für die Redemittelbeispiele, die die Lernenden verwenden und erweitern können. Die Einführung solcher Redemittel muss spiralförmig erfolgen. Zunächst reichen einfache Mittel aus, mit denen das Gespräch geführt werden kann. Mit zunehmendem Lernfortschritt können weitere und spezifischere Mittel zur Realisierung der einzelnen Gesprächsschritte verwendet werden. Dies gilt auch für die Verwendung von Abtönungspartikeln (auffordernd: Wann ist denn …) oder Hörersignalen (Sehr schön). Die unterrichtliche Arbeit an Gesprächen beginnt mit dem Bewusstmachen und der Sensibilisierung für die Gesprächssituation. Auch Gesprächsstruktur und Beziehung zwischen den Gesprächspartnern sind zunächst herauszustellen. Werden diese Gesichtspunkte bei der Gesprächsdidaktik nicht berücksichtigt, dann reduzieren sich die Gespräche lediglich auf den Austausch von Sachinformationen - ein Gespräch kommt hierbei nicht zustande. Ein illustratives Beispiel ist hierzu das Video über ein Arzt-Patienten-Rollenspiel von Schülerinnen und Schülern. Video und Transkription illustrieren die Problematik. Gesprächsdidaktisch auffallend ist beispielsweise a) die ungewöhnliche Gesprächseröffnung zwischen „Ärztin“ und „Patientin“: 1 A (Ärztin): was fehlt ihnen? 2 P (Patientin): ich fühle mich schlecht. ich habe husten und schnupfen b) die Fragenbatterie auf Seiten der „Ärztin“, die sich durch das ganze Gespräch hindurchzieht: 2 A: und was noch? 144 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 3 P: ich habe kopf- und halsschmerzen c) das Antwortverhalten der „Patientin“, das sich im informativen Frage-Antwort-Spiel erschöpft. Die Patientin hat nicht verstanden, dass die Frage des Arztes als Aufforderung zu verstehen ist, ob und wie sich ihre Erkältung nachts bemerkbar mache: 4 A: schlafen sie gut? 5 P: ja ich schlafe gut. d) Gesprächsschritte, die im Gesprächsablauf (Wie-Schema) unvermittelt und sequenziell an der falschen Stelle erfolgen (die Frage nach der Medikamentenallergie erfolgt in einem erwartbaren Arzt-Patienten-Gespräch erst im Zuge der Medikamentierung): 6 A: sind sie allergisch? 7 P: nein, ich bin nicht allergisch. e) Gesprächsschritte, die thematisch nicht in das Gesprächsthema passen: Die Frage nach dem Appetit stellt sich eher bei Magen-Darm-Krankheiten: 8 A: haben sie appetit? 9 P: ich kann nicht essen, ich habe halsschmerzen. f) erwartbare Gesprächsschritte bleiben aus, wie beispielsweise Reaktionen oder Rückmeldungen nach dem Blick auf die Zunge, nach dem Abhören der Lunge oder nach Messung des Blutdrucks: 10 A: öffnen sie den mund und sagen sie ah. 11 P: aaah. 12 A: bitte atmen sie 13 A: ich muss den blutdruck messen 14 A: / g) bestimmte Handlungsmuster passen nicht ins Ablaufmuster des Gesprächs: Die Feststellung, dass die „Patientin“ eine Angina hat, kommt ziemlich spät und die überraschende Rückmeldung ooh nein wirkt gekünstelt, da die Patientin schon am Anfang mitteilt, dass sie Husten, Schnupfen, Kopf- und Halsweh hat. 15 A: sie haben eine angina. 16 P: ooh nein „Ärztin“ und „Patientin“ haben im vorliegenden Beispiel vielleicht ein Handlungsskript, das sie abarbeiten (z. B. in den Hals schauen, die Lunge abhören, den Blutdruck messen), es fehlt ihnen jedoch das entsprechende Gesprächsskript, nach dem ein Arzt-Patienten-Gespräch ablaufen könnte. Zudem verläuft das Gespräch als informatives Frage-Antwort-Gespräch, ohne Ausdruck der Arzt-Patienten-Beziehung und ohne Bewusstsein darüber, was man mit Sprache ausdrücken und wie man entsprechend reagieren kann. Mit dem Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun (2007) könnte man sagen, dass das Gespräch lediglich 145 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ über das Sach-Ohr verläuft. Das Video zeigt am Beispiel der Äußerung „Ich hatte einen Termin um zehn Uhr“ eindrucksvoll, dass die Gesprächssituation, die Gesprächsrollen und die Gesprächsinteressen eine wichtige Rolle spielen. 5.3.5 Gesprächskompetenz testen und bewerten Abschließend soll erörtert werden, wie die Gesprächskompetenz der Schülerinnen und Schüler getestet und bewertet werden kann. Für den Bereich „Sprechen und Zuhören“ gibt es bislang vor allem Testvorschläge zum Hörverstehen (vgl. Kapitel 6), jedoch weniger zum Sprechen und zum Gesprächsverhalten: Frans Coninx (2009) beschäftigt sich mit Fragen der Phoniatrie und Pädaudiologie und stellt dazu Hörprüfverfahren vor. Brigit Eriksson (2009, 2012) hat im Rahmen des Schweizer Bildungsstandard-Projekts HarmoS ein formelles Beurteilungsverfahren zur Messung diskursiv-pragmatischer Kompetenzen 12-15-jähriger Schülerinnen und Schüler erarbeitet. Evaluiert werden Kompetenzen anhand eines stark gelenkten Telefongesprächs: Ein Telefondialog zwischen einer Testleiterin oder einem Testleiter und Bewerbungskandidaten bzw. -kandidatinnen für die Schweizer Fernsehsendung Musicstar wird aufgezeichnet und gesprächslinguistisch ausgewertet (z. B. Bewältigung der Gesprächseröffnung und -beendigung, Präsentation eines eigenen Anliegens). Testverfahren und Auswertung sind sehr aufwendig und schwierig auf eine größere Testpopulation übertragbar. Iris Martha Grunert und Helga Längauer-Hohengaßner (2017) machen Vorschläge, das Gesprächsverhalten der Schülerinnen und Schüler sowie das Präsentieren von Ergebnissen im Kurzvortrag zu beobachten und zu bewerten. Sie plädieren auch dafür, die Schülerinnen und Schüler über Feedbackgespräche an den Beobachtungen teilhaben zu lassen, um ihr Gesprächs- und Präsentationsverhalten zu optimieren. Bei der Beurteilung der Gesprächskompetenz sollten nicht nur analytische Verfahren genutzt werden; vielmehr sollten auch sprachproduktive Aspekte berücksichtigt werden. Um Anregungen hierzu zu bekommen, wenden wir uns an dieser Stelle noch einmal dem Bereich Deutsch als Fremdsprache zu. Im Kontext von Sprachprüfungen zur Aufnahme eines Studiums in Deutschland (z. B. Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber (DSH), TestDaF) wird neben dem Leseverstehen, dem Hörverstehen und Für viele Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, im Deutschunterricht nicht nur Gespräche zu analysieren, sondern zudem auch Gesprächskompetenz zu entwickeln. Hier können Sie als Leserin oder Leser einmal an zwei Beispielen versuchen, eigene Aufgabenideen zu entwickeln. 1. Schauen Sie sich die Videoanimation über ein Arzt-Patienten-Gespräch aus dem Fremdsprachenunterricht an. Halten Sie das Video für den Unterricht für geeignet? Nutzen Sie dazu die Ausführungen zur Didaktik des Gesprächs (Kapitel 5.3). 2. Erstellen Sie ein Dialoggeländer für ein Arzt-Patienten-Gespräch für den Deutschunterricht. Nutzen Sie dazu auch gesprächslinguistische Hinweise zur Arzt-Patienten-Kommunikation. 146 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik dem schriftlichen Ausdruck auch das Gesprächsverhalten der Studienbewerber geprüft und getestet (vgl. www.testdaf.de/ ). Im Bereich „Mündlicher Ausdruck“ sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigen, dass sie in verschiedenen Situationen an der Hochschule sprachlich handeln können. Der Prüfungsteil besteht aus sieben Aufgaben, die unterschiedlich schwierig sind. Hier werden Situationen aus dem deutschen Hochschulleben präsentiert, in denen Studierende sich äußern müssen: z. B. an einem Gespräch zwischen Studierenden teilnehmen, Informationen einholen, über etwas berichten oder etwas beschreiben, eine Grafik in einem Seminar beschreiben, zu einem Thema Stellung nehmen oder Hypothesen bilden, Vor- und Nachteile abwägen, Rat geben und begründen. Diese Prüfung des mündlichen Ausdrucks wird in Testzentren in einem Computerraum durchgeführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hören die Aufgaben von einer CD und lesen sie gleichzeitig in einem Aufgabenheft mit. Ihre Antworten werden vom Computer aufgenommen, auf einer CD gespeichert und in der TestDaF-Zentrale in Bochum ausgewertet; dabei werden drei Niveaustufen (TDN 5, TDN 4, TDN 3) attestiert. ▶ Mit einer Niveaustufe 5 im Mündlichen Ausdruck hat der Prüfling gezeigt, dass er sich mündlich in unterschiedlichen Situationen an der Hochschule gut ausdrücken kann, dass er z. B. an einer Lehrveranstaltung aktiv teilnehmen kann oder dass er zu einem Problem begründet Stellung nehmen kann. ▶ Hat er hingegen das Niveau 3 erreicht, dann hat er gezeigt, dass er in Alltagssituationen, z. B. einem Gespräch an der Universität, verstehen kann, dass er aber noch Schwierigkeiten hat, z. B. einer Vorlesung zu folgen. Hierzu ein Modellbeispiel: Abb. 36: TestDaF-Prüfung im mündlichen Ausdruck („Martin“) (Modulsatz 02, Aufgabe 2) 147 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Das Beispiel stammt aus dem Studienalltag und bezieht sich auf ein Gespräch zwischen Studierenden. Der Prüfling soll auf den Gesprächsbeitrag eines Kommilitonen („Martin“) authentisch reagieren. Die Prüflinge hören über Kopfhörer den Aufgabentext als MP3 und können die Aufgabe in einem Aufgabenheft zusätzlich mitlesen. Anschließend haben die Prüflinge eine Vorbereitungszeit (hier 1 Minute), in der sie sich Notizen für ihr Gespräch machen können. Dann hören sie den Redestimulus („Erzähl doch mal, wie ist das bei euch? Wann ziehen denn die Jugendlichen von zu Hause aus? “), auf den sie reagieren sollen. Danach müssen die Prüflinge - auf der Basis ihrer Notizen - in einer bestimmten Sprechzeit (hier 1 Minute) sprachlich reagieren. Dieser Gesprächsbeitrag wird mitgeschnitten und anonym in der TestDaF-Zentrale Bochum bewertet. Für die zentrale Auswertung werden die zuhörerorientierte Verständlichkeit, die sprachliche Angemessenheit und Verständlichkeit sowie die Erfüllung der Aufgabenstellung als Bewertungskriterien für die Gesprächsbeiträge angegeben: Wie wirkt Ihre Äußerung als Ganzes auf einen Hörer? ▶ Ist die Äußerung gut zu verstehen: Sprechen Sie flüssig? Oder stocken Sie oft? Sprechen Sie klar und verständlich? ▶ Kann der Inhalt Ihrer Äußerung von einem Zuhörer gut nachvollzogen werden? Kann man Ihrem Gedankengang gut folgen? Oder muss ein Zuhörer nachfragen, weil er Ihrer Äußerung nicht folgen kann? Wie bewältigen Sie die Aufgabe sprachlich? ▶ Ist die Äußerung der Situation angemessen: Wie ist die Äußerung aufgebaut? Sind Sie höflich? Erleichtern Ihre Redemittel das Verstehen? ▶ Ist Ihr Wortschatz ausreichend und präzise? Oder verwenden Sie immer wieder die gleichen Worte? ▶ Machen Sie Fehler, die das Verstehen erschweren? Oder kann man Ihre Äußerung trotz der Fehler gut verstehen? Entspricht Ihre Antwort der Aufgabenstellung? ▶ Haben Sie alle Punkte der Aufgabenstellung in ausreichendem Umfang berücksichtigt? ▶ Haben Sie die geforderten Sprechhandlungen jeder Aufgabe erfüllt (z. B. Rat geben, Grafik beschreiben, Vermutungen anstellen)? Dieses Testverfahren der mündlichen Ausdruckskompetenz ist sicherlich gewöhnungsbedürftig: Zum einen erinnert das Verfahren an die audiovisuelle Methode der 1970er Jahre, bei der die Lernenden nach dem behavioristischen Prinzip sprachlich auf Stimuli reagieren mussten. Sie erhalten Informationen über den situativen Kontext und müssen dann mit Hilfe auditiver Medien sprechsprachlich reagieren. Im Unterschied zur klassischen audiovisuellen Methode setzt man im TestDaF-Verfahren allerdings nicht auf Wiederholung, Variation oder Bestätigung, sondern lässt den Probanden einen eignen Spielraum an thematischer Entfaltung und sprachlicher Formulierung. Zum anderen kann das vorliegende Testverfahren die Dialogizität von Gesprächen nicht simulieren: Der Proband reagiert lediglich auf einen Gesprächsbeitrag. Sowohl in einer realen Gesprächssituation als auch in einem Prüfungsgespräch besteht 148 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik immer die Möglichkeit des Sprecher-Hörer-Rollenwechsels. Gerade für das angesprochene Beispiel „Gespräch zwischen Kommilitonen und Kommilitoninnen“ ist der Wechsel zwischen Sprecher- und Hörerrolle konstitutiv - Alltagsgespräche wie Seminargespräche leben von der Lebendigkeit des Sprecher-Hörer-Wechsels. Auch wenn das Verfahren eher situationsbefremdlich anmutet - in der Gesprächssituation fehlt der authentische Gesprächspartner, es fehlt sogar in der Prüfungssituation der Prüfer oder die Prüferin - das Testverfahren ist aber ein Anfang, das Gesprächsverhalten testbar zu machen. Bislang ist im Kontext der Bildungsstandards lediglich das Hörverstehen Bestandteil der Testaufgaben (vgl. kritisch Kapitel 6.4), da aus Sicht der Psychometriker das aktive Sprechen wie auch das szenische Spielen „in Large-Scale-Assessments nicht mit vertretbarem Aufwand messbar“ sind, „da sie nicht im Klassenverband erhoben werden können“ (KMK 2014, 7). Vielleicht ist die Suche nach einem Testverfahren der Gesprächskompetenz auch der falsche Weg. Prüfungsgespräche ersetzen wegen ihrer besonderen interpersonalen Beziehung zwar niemals authentische Gespräche, sie sind augenblicklich aber ein probates Verfahren, das Gesprächsverhalten und die Gesprächskompetenz einzuschätzen. Wichtig dabei ist, dass die Gesprächspartner selbst nicht allein eine Einschätzung des Gesprächsverhaltens abgeben sollen (z. B. der Prüfer oder die Prüferin), sondern dass geschulte teilnehmende Beobachter ihre Eindrücke in die gemeinsame Urteilsfindung einbringen können. Zudem darf gerade in Prüfungsgesprächen nicht ein Beurteilungskriterium dominant gesetzt werden; in der Praxis dominiert sehr häufig der fachliche Aspekt. Das folgende Beispiel stammt aus einer Prüfung des Goethe-Instituts: Bei den Prüfungen zur Feststellung der mündlichen Kompetenz setzt das Goethe-Institut Paarprüfungen ein: Zwei Prüflinge sollen in der Prüfung miteinander ins Gespräch kommen. Die Prüfung dauert 15 Minuten; ein Prüfer fungiert als Moderator, ein weiterer führt Protokoll. Hier eine Modellaufgabe: 149 5.3 Mit anderen sprechen: „Sich an Gesprächen beteiligen“ Abb. 37: Modellaufgabe „Sprechen“ des Goethe-Instituts für das Goethe-Zertifikat B2 Zur Bewertung des kontroversen Gesprächs legen die Prüfer ein Raster zugrunde, das sich auf Aufgabenerfüllung (Sprachfunktion, Interaktion, Register), Sprache (Spektrum und Beherrschung von Wortschatz und Strukturen) und Aussprache (Satzmelodie, Wortakzent, einzelne Laute) bezieht: Goethe-Institut Aufgabe im Kompetenzbereich „Sprechen“ Prüfungsbeispiel Niveau B 2 Sie arbeiten in der Redaktion einer Modezeitschrift. Das nächste Heft hat den Schwerpunkt „Kindermode“. Für die Vorschau, mit der für dieses Heft geworben werden soll, suchen Sie ein zum Thema passendes Foto. Wählen Sie eins der drei Fotos aus. ● Machen Sie einen Vorschlag und begründen Sie ihn. ● Widersprechen Sie Ihrem Gesprächspartner. ● Kommen Sie am Ende zu einer Entscheidung. Ein zweijähriges Kind steht vor einem großen Spiegel und hat außer einer Windel nichts weiter an. Ein elfjähriges Mädchen probiert gerade einen großen Damenhut an. Vier junge Mädchen, die modern und sportlich gekleidet sind, halten sich an den Händen und springen gemeinsam vergnügt über eine kleine Mauer. 150 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 38: Bewertungsraster zum Kompetenzbereich „Sprechen“ des Goethe-Instituts (Goethe-Zertifikat A2 2016, 42) Das vorliegende Raster ist sicher praktikabel, da es aus der Prüfungspraxis gewonnen wurde. Es verachlässigt jedoch genuine gesprächsspezifische Kategorien wie beispielsweise Gesprächsbeteiligung, Beziehungsgestaltung zwischen den Gesprächspartnern oder Themenentwicklung. Annette Mönnich und Carmen Spiegel (2009, 430-439) haben zentrale Beobachtungs- und Bewertungskriterien für Gespräche zusammengestellt: a) Situationsgestaltung: Wie gehen die Gesprächsbeteiligten mit den situativen Faktoren um? b) Funktion des Gesprächs: Wie realisieren die Gesprächsbeteiligten die Funktion des Gesprächs? c) Steuerung des Interaktionsprozesses: Wie organisieren die Gesprächsbeteiligten das Gespräch? d) Beziehungsgestaltung: Wie gehen die Gesprächspartner miteinander um? e) Themengestaltung: Wie gehen die Gesprächsbeteiligten mit dem Thema um? f) Sprache: Ist das sprachliche Register situations- und partneradäquat? Passen Körperhaltung/ Gestik/ Mimik? Ist der sprachliche Ausdruck angemessen und differenziert? 151 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele g) Intonation und Aussprache: Sind Satzmelodie und Wortakzent stimmig? Sind die Lautäußerungen verständlich? Die Autorinnen (Mönnich/ Spiegel 2009, 439-441) machen auch Vorschläge, welche Gesprächsformen die Lehrenden nutzen können, um mit den Schülerinnen und Schülern über ihr Gesprächsverhalten zu sprechen: Feedbackgespräch, Kritikgespräch und Monierungsgespräch eignen sich, um Prozesse des Nachdenkens über das eigene Gesprächsverhalten zu initiieren. Diesem Aspekt der Selbsteinschätzung und Reflexion kommt bei der Vermittlung der Gesprächskompetenz ein zentraler Stellenwert zu. Auch wenn solche Bewertungen mündlicher Leistungen als schwierig angesehen werden (vgl. z. B. Lahti 2014), da man sich gleichzeitig auf verschiedene Aspekte konzentrieren und die Bewertung oft innerhalb kürzester Zeit erfolgen muss und die Bewertungen durch verschiedene Beurteilerinnen und Beurteiler oft unterschiedlich ausfallen, scheint eine rasterbezogene Leistungsbeurteilung derzeit immer noch ein probates, weil kriterienorientiertes Verfahren. In fremdsprachendidaktischen Untersuchungen wird festgestellt, dass die Bewertenden oft dazu tendieren, ihre Aufmerksamkeit bei der Bewertung auf lexikalische und grammatische Aspekte zu richten, während eher gesprächsspezifische Kriterien wie z. B. Adressiertheit, Themenentfaltung, gesprächstypische Sprachhandlungsmuster ausgeblendet werden (McNamara 1996, 215 ff.; Luoma 2004, 92 f.; vgl. dagegen Lahti 2014, 115 ff.). 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele Unter der Teilkompetenz „szenisch spielen“ wird in den Bildungsstandards gefordert, dass Schülerinnen und Schüler die Kompetenz erwerben sollen, im Rollenspiel zum einen eigene Erlebnisse, zum anderen aber auch Texte szenisch zu gestalten. Damit sind zwei unterschiedliche Formen des Rollenspiels angesprochen: das soziale und das literarische Rollenspiel. Während andere Methoden (z. B. Rollendiskussionen, Fünfsatz oder eine Mitschrift anfertigen) zu den „Methoden und Arbeitstechniken“ gestellt werden, erhält die Teilkompetenz „szenisch spielen“ hiermit einen prominenten Platz. Diese Herausstellung des Rollenspiels lässt sich mit dem Einfluss der gesellschaftskritischen Ansätze im Kontext der pragmatischen Wende und des emanzipatorischen, gesellschaftskritischen Sprachunterrichts der 1970er Jahre begründen. Bei der methodischen Umsetzung und Vermittlung mündlicher Interaktions- und Diskursfähigkeit findet das Rollenspiel als Methode besondere Beachtung - nicht nur zur Entwicklung der Gesprächskompetenz, sondern auch zur Förderung einer kritischen, selbstbewussten und emanzipierten Gesprächsfähigkeit (vgl. Kochan 1974/ 1981). „Das Rollenspiel ist als eine wichtige Methode sprachlichen und sozialen Lernens bis heute nicht mehr aus dem Unterricht wegzudenken“ (Neuland/ Peschel 2013, 52; vgl. Scheller 2012). 152 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.4.1 Sprachdidaktisches und literarisches Rollenspiel Im sozialen Rollenspiel setzen sich Schülerinnen und Schüler mit eigenem und fremdem Verhalten auseinander und dies mit den Zielen, „Rollenidentität, Rollenreflexion, Rollenvarianz und Rollendistanz“ zu entwickeln. Barbara Kochan (1974/ 1981, 17) hebt hervor, dass das Rollenspiel auf „Realitätsbewältigung“ ziele, aber selbst noch nicht Realitätsbewältigung sei. In der Fachdidaktik werden noch weitere Bezeichnungen benutzt, die verschiedene Zielsetzungen des Rollenspiels zum Ausdruck bringen: Das „sprachdidaktische Rollenspiel“ dient dem Zweck, den mündlichen Ausdruck zu fördern und die kommunikative Kompetenz zu erweitern (vgl. Abraham 2016, 115) (z. B. Vorstellungsgespräch); im sogenannten „Konfliktrollenspiel“ geht es darum, Konfliktsituationen zu spielen (z. B. Streitgespräch) und dabei Ursachen für Konflikte zu erkennen, Perspektiven zu wechseln und Konfliktlösungsmöglichkeiten im Spiel auszuprobieren. Lothar Krappmann (1972) postuliert vier Ziele des Rollenspiels: ▶ Empathie als Fähigkeit, sich in die Gefühle und Stimmungen anderer Personen hineinzuversetzen, ▶ Rollendistanz als Fähigkeit, die übernommene Rolle zu reflektieren und alternative Verhaltensweisen anzudenken, ▶ Ambiguitätstoleranz als Fähigkeit, sich mit konträren oder divergierenden Rollen auseinanderzusetzen, ▶ kommunikative Kompetenz als Fähigkeit, sich rollengemäß sprachlich und nichtsprachlich auszudrücken. Ziel des Rollenspiels kann es weder sein, die Schüler in gesellschaftlich anerkannten sprachlichen Verhaltensweisen zu trainieren, noch, ihnen ein Übungsfeld zum „Rollenlernen“ anzubieten. Es muß vielmehr darum gehen, den Schülern Erfahrungen im Bereich der menschlichen Kommunikation zu ermöglichen und diese Erfahrungen gesellschaftskritisch reflektieren zu lassen, um gegebenenfalls Strategien der Veränderung zu entwickeln (Kochan 1974/ 1981, 256). Durch die eigenverantwortliche Ausgestaltung der Rollen sowie die Übernahme verschiedenster Perspektiven werden für die Rollenspieler nicht nur die Hintergründe und Motive erkennbar, sondern sie erarbeiten zugleich Handlungsalternativen. Das Rollenspiel ist damit eine geeignete Methode, die eigene Identität auszudifferenzieren. Rollenspiele werden im Unterricht auch eingesetzt, um literarische Texte (und auch eingeschränkt Sachtexte) szenisch zu interpretieren (vgl. Schau 2001); hier spricht man vom „literarischen Rollenspiel“ (Eggert 1980). Eine Reduktion des szenischen Spiels auf theatrales Rollenspiel (z. B. bei Günther 2012, 188 ff.) wird dabei als zu reduktionistisch angesehen. Nach Ulf Abraham (2016, 128) lässt sich das literarische Rollenspiel als ein Verfahren des Literaturunterrichts beschreiben, 153 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele mit dessen Hilfe Lernende „sich ins Spiel bringen“: Überall dort, wo nicht über eine Figur aus einem literarischen Werk gesprochen wird, sondern aus der Perspektive bzw. im Erfahrungshorizont einer Figur geredet und agiert wird, liegt Literarisches Rollenspiel vor - als eine Form nicht des Inszenierens von, sondern eher zu und nach Texten. Die „didaktische Legitimation für das Literarische Rollenspiel“ (Abraham 2016, 129) stammt demnach aus der Literaturdidaktik. Zur Begründung wird oft auf den Leerstellenbegriff aus der Rezeptionsästhetik verwiesen. Schülerinnen und Schüler deuten beim Spielen diese Leerstellen, indem sie beispielsweise die Gedanken zweier Dialogpartner beim Sprechen oder einen inneren Monolog einer der Figuren formulieren. Mit Bezug auf neuere literaturdidaktische Ansätze stellt Ulf Abraham (2016, 129) heraus, dass im Rollenspiel nicht nur „Lücken“ ausgefüllt werden, sondern auch Zusammenhänge zwischen Handlungen sichtbar gemacht, Sinnhorizonte erschlossen oder auch Perspektiven von Figuren eingenommen und verglichen werden können. Das literarische Rollenspiel ist also eine szenische Interpretation. Methodisch lassen sich dabei noch weitere Spielvarianten denken (vgl. Spinner 2006, 31 ff.; Abraham 2016, 130 f.): ▶ Rollendialog zwischen Figuren, der in der Vorlage nicht oder nicht so detailliert enthalten ist, ▶ Dialog einer Textfigur mit einer fiktiven Person, die in der Textvorlage nicht existiert, ▶ Fortsetzung eines Dialogs, ▶ Dialoge aus dem Stegreif, ▶ Monolog einer Figur, inklusive Gedankensprecher als „zweites Ich“ ▶ Unterbrechung eines Textdialogs („Was empfindest du jetzt, während du …? “) - auch durch die Zuschauer, ▶ eigene Dialoge und Spiel mit Stabpuppen oder Schattentheater, ▶ Darstellung von Pantomimen, ▶ Standbilder mit diskursiver Reflexion zum Zustandekommen. Als Teilkompetenzen, die beim szenischen Spiel entwickelt werden, nennt Jürgen Belgrad (2009): a) Inszenierungs- und dramaturgische Kompetenzen (Inszenierungsideen, Raumdramaturgie), b) sprecherische Kompetenzen (Lautstärke, präzise Artikulation, Stimmführung), c) körperliche Kompetenzen (Raumgestaltung, Spielöffnung, Körperhaltung, Gestik, Mimik), d) mediale Kompetenzen (Requisiten, Kostüme, Licht, Ton, audiovisuelle Elemente). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, dass nicht nur die Spieler vom Rollenspiel profitieren, sondern auch Zuschauer und Beobachter, indem sie mitteilen, wie sie das Spiel verstehen (Belgrad 2009). 154 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.4.2 Didaktik und Methodik des Rollenspiels Von der Methodik her betrachtet lassen sich zwei Arten von Rollenspielen unterscheiden: das spontane und das geplante Rollenspiel. Beim spontanen Rollenspiel werden Spielsituationen aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler aufgegriffen. Hierzu zählen beispielsweise Konflikte in der Familie, im Freundeskreis oder Probleme in der Schule. Das spontane Rollenspiel empfiehlt sich immer dann, wenn keine größere Vorbereitung notwendig ist, da die Situation und die zu spielenden Rollen den Schülerinnen und Schülern aus ihrer Alltagserfahrung bekannt sind. Spontan bedeutet demnach nicht „willkürlich“ zu agieren, sondern beinhaltet eine relativ schnelle Umsetzung der Spielidee. Beim angeleiteten Rollenspiel entstammen die Situation und die zu spielenden Rollen nicht der direkten Erfahrungs- und Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler. Das angeleitete Rollenspiel bedarf daher der ausgiebigen, materialbasierten Vorbereitung. Hierzu zählen beispielsweise Informationsmaterial zum Rollenverständnis sowie Rollenkarten mit Hinweisen auf das Rollenverständnis und/ oder sprachlichen Formulierungshilfen. Angeleitete Rollenspiele eignen sich besonders für konfliktträchtige Situationen und Themenstellungen. Bei der Planung, Durchführung und Nachbearbeitung lassen sich vier Phasen unterscheiden: 1. In einer Aufwärmphase sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Bewegungs- und Spielhemmung abbauen. Durch Sprechübungen üben sie deutlich zu artikulieren und anhand von Beispielsätzen, Dialogen oder Formeln - in Verbindung mit Gestik und Mimik - Stimmungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Sie können auch in kurzen Rollenspielen typische oder ungewöhnliche Spielszenen ausprobieren. 2. In der Vorbereitungsphase werden die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von Informationsmaterial mit der Spielsituation und den Rollen vertraut gemacht. Dabei sollen alle die Gelegenheit haben, Fragen zur Situation und zum Rollenverständnis zu stellen. In dieser Vorbereitungsphase kann auch die Gelegenheit gegeben werden, die Situation in einem kurzen Anspiel darzustellen. In der Vorbereitungsphase werden auch die verschiedenen Rollen besetzt. Es empfiehlt sich, zunächst Kleingruppen zu bilden, die Rollenkarten für eine bestimmte Rolle erarbeiten. Aus diesen Gruppen kann jeweils eine Freiwillige oder ein Freiwilliger die Rolle nach den erarbeiteten Inhalten darstellen. Alle übrigen Teilnehmer bilden die Beobachtergruppe und machen sich mit einem Beobachtungsbogen vertraut. 3. Die Spielphase sollte von einem Spielleiter eingeleitet werden (Herzlich willkommen in … Wir begrüßen …). Der Spielleiter sollte auch die Spieldauer im Blick behalten. Nun beginnen die Akteure mit dem Rollenspiel. Das Rollenspiel kann in einzelnen Szenen oder ganz durchgespielt werden. Es sind mehrere Durchgänge denkbar. In der Spielphase müssen auch Möglichkeiten eingeplant und eingeräumt werden, dass einzelne Zuschauer oder Beobachter in das Spielgeschehen eingreifen: So können Freiwillige aus den Kleingruppen in einem erneuten Spieldurchgang die Rolle übernehmen. Es können sich auch Zuschauer als sogenannte „Gedankensprecher“ oder „Einflüsterer“ zu einem Rollenspieler gesellen. Der Gedankensprecher legt dem Rollenspieler die Hand auf die 155 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele Schulter und spricht entweder monologisch zum Publikum oder tritt in einen Einschubdialog zum Rollenspieler (Was denkst du gerade? , Warum hast du …? ). Die Spielphase endet mit der Entlassung der Rollenspieler. Der Spielleiter sollte die Akteure aus ihrer gespielten Rolle entlassen, damit sie wieder „zu ihrer eigenen Person“ werden, denn bei der anschließenden Nachbesprechung des Rollenspiels brauchen die Schülerinnen und Schüler Distanz zu der gespielten Rolle. 4. In der Nachbearbeitungsphase sollen zunächst die Akteure die Gelegenheit bekommen, sich über ihre Gedanken und Empfindungen während des Spiels zu äußern. Im Anschluss daran können die Beobachter ihre prägnantesten Stichpunkte aus dem Beobachtungsbogen nennen. In einer abschließenden Diskussionsrunde können die Ergebnisse in einem Feedback-Bogen festgehalten werden. Bei der Umsetzung von Rollenspielen im Unterricht ist zu beachten, dass gerade im jugendlichen Alter das Reden und Spielen vor einem Publikum häufig mit Hemmungen und Ängsten einhergeht. Umso wichtiger ist es, die Schülerinnen und Schüler in der Aufwärmphase auf das Rollenspiel vorzubereiten. Die Arbeit in Kleingruppen und die Vorbereitung durch Rollenkarten trägt ebenfalls dazu bei, Ängste und Hemmungen abzubauen. Schließlich ist es wichtig, dass das Vorspielen auf freiwilliger Basis erfolgt. Schülerinnen und Schüler, die sich noch nicht trauen, selbst zu spielen, können zunächst als Beobachter mitmachen. In den folgenden Kapiteln werden Beispiele für das Konfliktrollenspiel (Kapitel 5.4.2.1) und das literarische Rollenspiel (Kapitel 5.4.2.2) vorgestellt und kurz kommentiert. 5.4.2.1 Konfliktrollenspiel im Deutschbuch Das folgende Beispiel für ein Konfliktrollenspiel stammt aus einem Kapitel zum Thema „Miteinander reden“ (vgl. Sprachfuchs 4.2/ 2017, 8-27). Das Kapitel enthält eine Reihe von literarischen Texten (Gedichte und Geschichten), die Konflikte thematisieren und zur Selbstreflexion und zum Perspektivenwechsel zwischen streitenden Personen (z. B. Freunden, Geschwistern, Jungen - Mädchen, Schülern) anregen. Beobachtungsbogen Beobachte aufmerksam das Rollenspiel und notiere dir mindestens drei Stichworte. Diese Hinweise können dir vielleicht behilflich sein: ● Das war beeindruckend! ● Das war mir neu! ● Das hätte ich anders gemacht! ● Das hat mich gefreut/ begeistert ● Das regt mich auf! ● ... Abb. 39: Beobachtungsbogen für das Rollenspiel in der Nachbearbeitungsphase 156 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Typ 1 + Kasten Kurzbio; es handelt sich wieder um zwei Seiten aus einem Sprachbuch; sicherlich nacheinander anordnen; Legende erst nach der zweiten Seite 157 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele Abb. 40: Aufgaben-Modul „Schlichten statt streiten“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs 4.2 (6. Schuljahr) (2017, 24 f.) 158 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 41: Phasierung einer Streitschlichtung nach Marita Rose (2006) Kurzkommentar Das vorliegende Aufgabenbeispiel „Schlichten statt streiten“ steht im Kontext der schulischen Konflikt-Mediation (vgl. z. B. Rose 2006). Die Schülerinnen und Schüler müssen sich zunächst mit dem Thema „Streitschlichtung“ vertraut machen (Recherchiert im Internet, was eine Streitschlichtung ist und wie eine Streitschlichtung abläuft). Anschließend sollen sie am Beispiel eines Schülervideos über eine Konflikt-Moderation durch Schüler der Lessing-Realschule Freiburg eine Streitschlichtung bearbeiten. Bei der Bearbeitung der Streitschlichtung (vgl. Aufgabe 1) geht es vor allem darum, den Verlauf der Streitschlichtung zu rekonstruieren. Hierzu ließen sich auch Illustrationen zur Phasierung einer Streitschlichtung einsetzen: 159 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele Formulierungshilfen für die Mediatoren bei der Streitschlichtung Phase 1: Begrüßung und Absprache - Wir wollen euch helfen, den Streit zu lösen - Es bleibt alles unter uns - Bitte lasst X einmal aussprechen - Du kannst anschließend sagen, wie du das Ganze erlebt hast - Sprecht zunächst nur mit uns - ... Phase 2: Darstellung des Konflikts - Hattet ihr schon einmal Streit? - Erzähl doch mal, wie alles anfing! - Wenn ich dich richtig verstanden habe, ... - Wer war noch beteiligt? - Wie hast du dich gefühlt? - Wie ...? - Warum ...? - ... Phase 3: Konfliktbeschreibung und -lösungsmöglichkeiten - Ich fasse noch einmal zusammen: ... - Wollt ihr noch etwas ergänzen? - Was könntest du anbieten, um den Streit zu beenden? - Schreibt eure Angebote auf Zettel - Schreibt eure Wünsche auf Zettel - Wie fühlt ihr euch jetzt? - ... Phase 4: Einigungsvertrag - Ich erläutere euch jetzt einmal den Einigungsvertrag - Wir füllen jetzt die einzelnen Punkte aus ... - Ich lese euch noch einmal Punkt X vor - Seid ihr mit den Formulierungen einverstanden? - Gibt es noch etwas zu ergänzen? - Jetzt müsst ihr unterschreiben - Wir treffen uns noch einmal am X und sprechen dann wieder über den Vertrag - ... Als Abschluss der Videobearbeitung müssen die Schülerinnen und Schüler einen passenden Einigungsvertrag ausfüllen. Hierdurch zeigen sie, dass sie den Ablauf der Streitschlichtung verstanden haben. Im Anschluss an die Reflexion der Streitschlichtung können sich die Schülerinnen und Schüler eine Streitsituation aussuchen, die sie aus eigener Erfahrung kennen (Streit darüber, wer das Buch als Erste aus der Leseecke nehmen darf; Rempeleien im Sportunterricht) und das Schlichtungsgespräch im Rollenspiel darstellen. Im Rollenspiel soll also eine Lösung des Konflikts entwickelt werden. Formulierungshilfen können zusätzliche Hilfestellungen geben. 160 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik 5.4.2.2 Literarisches Rollenspiel im Deutschbuch Das literarische Rollenspiel ist eine Methode des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts, die den Schülerinnen und Schülern Zugang zu eigenen Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Die Interpretation eines literarischen Textes erfolgt also nicht analytisch im Unterrichtsgespräch, sondern über das szenische Spielen. Hierzu ein Beispiel: Ein Rollenspiel vorbereiten und durchführen Hier lernt ihr, wie ihr eine Geschichte als Rollenspiel inszenieren könnt. Dazu müsst ihr die Geschichte gut kennen und in Szenen einteilen. Anschließend müsst ihr euch selbst passende Dialoge ausdenken. Hans-Jürgen Netz Da bin ich gegangen Wir sind zehn Jungen. Jeden Nachmittag treffen wir uns in dem Wartehäuschen an der Bushaltestelle. Peter ist der Stärkste. Er sagt, was gemacht wird. Wenn er Fußball spielen will, spielen alle Fußball. Wenn er Fahrrad fahren will, fahren alle Fahrrad. Wenn er sich Streiche ausdenkt, machen alle mit. Gestern wollte er eine alte Frau erschrecken. Da wollte ich nicht mitmachen. Die anderen haben geschrien: Spielverderber! Da bin ich gegangen! ❶ Sprecht über die Geschichte. - Erzähle, was in der Geschichte passiert. - Diskutiert, ob der Ich-Erzähler ein „Spielverderber" ist. Begründet eure Meinung. ❷ Baut ein Standbild zur Geschichte. Dabei kommt es darauf an, dass ihr einen wichtigen Moment in der Geschichte „einfriert“. Überlegt zuerst, welchen Moment ihr darstellen wollt. Ein Standbild bauen 1. Bestimmt einen oder mehrere „Baumeister“. 2. Der Baumeister stellt die „Modelle“ an eine bestimmte Stelle im Klassenraum. Er gibt Anweisungen zu Körperhaltungen, Gestik und Mimik, die von den Modellen stumm umgesetzt werden. 3. Am Ende gibt der Baumeister den Befehl „einfrieren“ nun müssen die Modelle im Standbild für etwa eine Minute regungslos verharren. 4. Einzelne Schüler können zu einer Figur gehen, ihre Hand auf die Schulter legen und in der Ich-Form ihre Gedanken aussprechen. 5. Die Beobachter lassen das Bild auf sich wirken, stellen den Baumeistern Fragen und teilen ihnen mit, was ihnen gefällt und was sie ändern würden. 161 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele ❸ Bildet Gruppen und bereitet ein Rollenspiel vor. - Legt fest, wer welche Rolle spielt. Schreibt Rollenkarten. Auf einer Rollenkarte beschreibst du stichpunktartig die Person, deren Rolle du übernehmen willst. - Braucht ihr auch einen Regisseur, der Hinweise gibt, wie ihr eure Rollen spielen sollt? - Teilt den Text in Szenen ein. - Spielt zunächst ohne Worte: Überlegt, wie ihr mit dem Körper „sprechen“ könnt. Welche Gestik und Mimik passen? ❹ Überlegt, was die Figuren in den einzelnen Szenen sagen könnten. Denkt euch selbst Dialoge aus: - Die Dialoge müssen aber zur Geschichte passen. - Ihr könnt euch dazu auch Notizen auf „Sprech“-Kärtchen machen. - Probiert aus, wie ihr in eurer Rolle sprechen müsst: laut, leise, wütend, ... - Probt die Szenen der Reihe nach. ❺ Verändert die Geschichte und baut sie aus: - Der Junge geht nicht weg, sondern erklärt den anderen, was er denkt. - Dem Jungen gelingt es, andere zu überzeugen, ebenfalls nicht mitzumachen. Welche Dialoge ergeben sich hieraus? ❻ Jede Gruppe spielt ihre Geschichte den anderen vor. Die Zuschauer geben Rückmeldungen. Rollenkarte - Lege Name und Alter fest. - Hobbies, Interessen, besondere Eigenschaften, ... - Beschreibe Kleidung und Gegenstände, die wichtig sind. Peter (laut und befehlend): Los, alle hierher! Jetzt wird Fußball gespielt. Der Junge (mutig und selbstbewusst): Wieso Spielverderber? Hast du mal überlegt, was alles passieren kann … Ein anderer Junge (unsicher): Vielleicht hat er ja Recht, das ist doch ne komische Idee … Abb. 42: Aufgaben-Modul „Eine Geschichte spielen“ 162 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Kurzkommentar Im vorliegenden Beispiel werden die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt dazu angeleitet, die Kurzgeschichte von Hans-Jürgen Netz „Da bin ich gegangen“ zu interpretieren, indem sie diese szenisch spielen. Das szenische Spielen bezieht sich dabei zum einen auf das Bauen eines Standbildes (Aufgabe 2), zum anderen auf ein Rollenspiel (Aufgabe 3-6); das Rollenspiel entspricht den charakteristischen Ablaufphasen. In einem ersten Schritt (Vorbereitungsphase) sollen die Schülerinnen und Schüler den Text lesen und verstehen (Aufgabe 1): Sie nennen Handlungsort und Personen und rekonstruieren die äußere Handlung der Geschichte („Erzähle, was in der Geschichte passiert“). Anschließend diskutieren sie anhand einer zentralen Textstelle die aufgeworfene Frage, ob der Ich-Erzähler als „Spielverderber“ seinen Freunden den Spaß nimmt, eine alte Frau zu erschrecken, indem er sich vom Handlungsort entfernt. Im Anschluss daran vertiefen sie ihr Textverständnis, indem sie ein Standbild bauen (Aufgabe 2). Das Standbildbauen wird dabei als Prozess verstanden, in dem alle Beteiligten ihre Interpretation der Situation einbringen können: Sie können beispielsweise die „Interaktion anhalten und stillgestellte Spieler ‚einrichten‘“ oder die „Interaktion durch Kommentare, Vorschläge und Einreden begleiten“ (Abraham 2016, 125). Das Standbildbauen steht somit im Dienst eines vertiefenden Textverständnisses; es gehört damit noch zur Vorbereitungsphase des Rollenspiels. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in die Rolle der Textfiguren hineinversetzen und ihre Stimmungen, Gefühle und Motive nachbilden. In einem weiteren Schritt bereiten die Schülerinnen und Schüler das Rollenspiel vor (Aufgabe 3). Zunächst spielen sie die Szene „ohne Worte“; dabei können sie in diesem Anspielen die Ergebnisse um das Standbildbauen in ihr pantomimisches Spiel einbringen (Aufwärmphase). Anschließend schreiben sie für die einzelnen Personen Rollenkarten, auf denen Angaben zur „äußeren“ und „inneren“ Rolle festgehalten werden. Hier sind Empathie und Perspektiveneinnahme gefordert. In einem weiteren Schritt sollen die Schülerinnen und Schüler auf der Basis des bisher Erarbeiteten Dialoge für ihre Rollen vorbereiten und proben. Sie haben dabei die Möglichkeit, die Dialoge mit ihren eigenen Worten zu formulieren und können damit ihre authentische Alltagssprache zur Textinterpretation einsetzen. Ihre Überlegungen halten die Schülerinnen und Schüler wiederum auf Rollenkarten fest (Aufgabe 4). In einer weiteren Aufgabe (5) erhalten die Schülerinnen und Schüler Impulse, die Geschichte kreativ zu verändern, sie können sie umschreiben oder weiterschreiben und somit ihr Verständnis vertiefen. In einem letzten Schritt (Spielphase und Auswertungsphase) präsentieren die Schülerinnen und Schüler ihr Rollenspiel und lassen sich von den Zuhörern Rückmeldungen geben. Die Schrittfolge der Aufgaben macht deutlich, dass der Prozess des szenischen Spielens wichtiger ist als das Spiel selbst: Im Spiel ergibt sich - für Akteure und Zuschauer - die Textdeutung. Das szenische Spiel eignet sich auch sehr gut, Mehrsprachigkeit und Language Awareness im Unterricht umzusetzen. „Theater spielen in mehreren Sprachen“ könnte ein solches Projekt sein. Das folgende Beispiel stammt aus einem Sprachbuch für den Deutschunterricht in der Luxemburgischen Primärschule (5. Klasse). Guy Rewenig, einer der profiliertesten Kinderbuchautoren in Luxemburg, hat den Text „E Grapp Sand“ verfasst: „Hänkipänki“ hat den Kindern eine Handvoll Sand mitgebracht und fordert sie auf zu raten, aus welchem Land der Sand kommt. Die Kinder beginnen nun eine Raterunde und nennen verschiedene Landschaften und Länder und begründen, warum der Sand von dort stammt. Aber keiner errät die Her- 163 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele kunft. Hänkipänki löst das Rätsel auf und sagt, dass der Sand von einem Berg aus Luxemburg komme. Die Kinder stellen nun Vermutungen an, wie der Sand nach Luxemburg gekommen sein könnte. Hänkipänki wirft den Sand einfach weg, weil trotz aller Anstrengungen nicht feststellbar ist, woher der Sand kommt. Eigentlich ist es ja nicht so wichtig, woher der Sand kommt, sind schließlich alle der Meinung: „Sand ist Sand“. Jetzt fliegen zwei Kolibris - der Name stammt wohl aus einer karibischen Sprache - herbei und vervollständigen: Ein Land ist ein Land. Ein Kind ist ein Kind. Guy Rewenig thematisiert am Sand-Beispiel das Problem, dass die Frage nach unserer Herkunft eigentlich nicht so wichtig ist - ein Kind ist ein Kind, unabhängig davon, woher es kommt und welche Sprache es spricht. 164 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 43: Aufgaben-Modul „Theater spielen in mehreren Sprachen“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs 4.1 (5. Schuljahr) (2016, 166 f.) 165 5.4 Szenisch spielen: Rollenspiele Kurzkommentar Die Geschichte von Guy Rewenig lässt sich gut in einem Theaterprojekt zur Interkulturalität und Mehrsprachigkeit einsetzen. Zunächst sollen die Schülerinnen und Schüler die Geschichte, die auf Luxemburgisch vorliegt, auf Deutsch inszenieren und dabei die Dialoge auf Rollenkarten vorbereiten (Aufgabe 1). Schon hier besteht aber die Möglichkeit, andere Herkunftsländer und Sprachen in die Geschichte mit einzufügen und als Ressource zu nutzen (Aufgabe 4) (z. B. „Der Sand kommt aus der Türkei. Dort gibt es …“). Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler über die Geschichte nachdenken (Aufgabe 2) und das Resümee in ihrer Erstsprache festhalten (z.B.: „bir çocuk bir çocuk“) (Aufgabe 3). Dadurch, dass die Erst- und Familiensprachen der Schülerinnen und Schüler in die Geschichte mit aufgenommen werden, wird das szenische Spiel zu einer auf die Klasse bezogenen identitätsfördernden Erfahrung. Alle Sprachen sollen als Zeichen der Wertschätzung präsentiert werden. Sehr illustrativ ist in diesem Zusammenhang das von der EU geförderte Forschungsprojekt Mehrsprachiges Lesetheater (MELT) (Kutzelmann/ Massler/ Klaus/ Götz/ Ilg 2017, Klaus/ Hilbe/ Kutzelmann/ Massler 2017, Kutzelmann/ Massler 2018). Während in herkömmlichen Theaterinszenierungen die Texte normalerweise frei rezitiert werden, werden beim Lesetheater Texte mit verteilten Rollen szenisch vorgelesen. Das Augenmerk liegt also auf dem lauten Lesen. Hier ein Auszug aus dem Skript für das Lese-Theater „Nasreddin and his donkey“: Narrator 1 Eines Tages ging Nasreddin Hodscha mit seinem Sohn auf einen Viehmarkt, um dort einen Esel zu kaufen. Narrator 2 Nach langer Suche kauften sie endlich einen Esel und machten sich mit ihm auf den Weg nach Hause. Narrator 1 So liefen die beiden zu Fuß den steinigen Weg entlang, während der Esel nebenher trottete. Bis ihnen ein Wanderer begegnete ... Hiker Hahaha, you guys are weird. You have a donkey, but no one rides on it! Nasreddin I think he is right, my son. You should ride the donkey, I will walk alongside. Nasreddin’s son Tamam, babam (Ok, dad). Narrator 2 Und so setzte Nasreddin seinen Sohn auf den Esel und sie gingen weiter ihres Weges. Abb. 44: Auszug aus dem Skript für das 2. Lesetheaterstück „Nasreddin and his donkey“ (MELT) Diese Fördermaßnahme ist in der Lese- und Sprechdidaktik weitgehend unbekannt, nur vereinzelt taucht das Lesetheater in Deutschbüchern auf (vgl. z. B. Die Sprachstarken 3/ 2009, 48 f.). Zudem existieren bisher kaum Lesetheater, die die Verwendung mehrerer Sprachen, 166 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik insbesondere der Schul- und Fremdsprachen sowie der Herkunftssprachen der Kinder, berücksichtigen. Gegenstand des mehrsprachigen Lesetheaters sind unterschiedliche Genres der Kinder- und Jugendliteratur aus verschiedenen europäischen Sprachräumen. Das Lesetheater bezieht sich auf folgenden Prozess (PL = Plenum, EA = Einzelarbeit, PA = Partnerarbeit, GA = Gruppenarbeit): Abb. 45: Prozessschritte im Mehrsprachigen Lesetheater (MELT) nach Kutzelmann/ Massler/ Klaus (2016, 4) Unter interkulturellem Aspekt lernen die Schülerinnen und Schüler Texte aus unterschiedlichen Kulturen und Herkunftsländern kennen (z. B. Ronja Räubertochter, Sherlock Holmes, Nasreddin Hodscha, Kolobok) und können sich mit Inhalten und Sprachen auseinandersetzen. Das mehrsprachige Lesetheater inszeniert das Code-Switching als Spiegel der Mehrsprachigkeit - in Schulklasse und Gesellschaft. Lehr-Lern-Prozess Sozialform Richtzeiten 1. Einführung in das mehrsprachige Lesetheater PL 15-20 2. Vorlesen durch die Lehrperson PL 5-10 3. Lesen der Lesetheaterszene und Rollenverteilung EA/ GA 10-15 4. Erarbeiten einer Inhaltsangabe der Lesetheaterszene GA 15-25 5. Vorstellen der Szenen und der Figurenrollen PL 15-25 6. Üben der Leserollen und gegenseitiges Feedback PA 20-45 7. Generalprobe und Feedback GA 20-45 8. Aufführung PL 25-45 167 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen nehmen im Alltag der Schülerinnen und Schüler breiten Raum ein und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dies ist nicht zuletzt in der Nutzung neuer Medien begründet. Im Unterricht sollte an diese Erfahrungen angeknüpft und das Potential authentischer Hörtexte, Filme, Serien und Videos zur Förderung sprachlicher und medienreflexiver Kompetenzen fruchtbar gemacht werden. Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen werden in der Deutschdidaktik und in den Deutschbüchern bislang kaum bzw. wenig berücksichtigt. Wir werden zunächst auf das Hörverstehen als besonders vernachlässigten Lernbereich eingehen. Während Hörverstehen in den Fremdsprachendidaktiken sowie im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache als eigener Kompetenzbereich ausgewiesen wird, spielt es in den Bildungsstandards Deutsch eine eher stiefmütterliche Rolle und wird unter „verstehend zuhören“ als eine untergeordnete Teilkompetenz eingeordnet (vgl. Kapitel 2). Deutschbücher, die Aufgaben zum Hörverstehen enthalten, sind eine Seltenheit; auch in den gängigen Sprachdidaktiken wird das Hörverstehen sträflich vernachlässigt oder findet sogar überhaupt keine Erwähnung (vgl. z. B. bei Liescheid 2011, Steinig/ Huneke 2011, Hochstadt/ Krafft/ Olsen 2015). In den wenigen praktisch orientierten Vorschlägen zum Hörverstehen zeigt sich zudem eine äußerst reduktionistische Vorstellung dieser Kompetenz: Hörverstehen zielt hier auf vollständige Informationsentnahme und wird gleichgesetzt mit Textwiedergabe und Behalten (vgl. hierzu Behrens/ Eriksson 2009, 63 f., Gschwend 2014, 148, Krelle/ Neumann 2014, 38, Günther 2012, 117). Auch die mittlerweile zahlreichen Hörkompetenz-Trainings zielen generell darauf ab, „zentrale Textinhalte“ herauszuhören - unabhängig von Textsorten und Textfunktionen (vgl. stellvertretend Schäfer 2010). Die Gleichsetzung des Hörverstehens mit dem Behalten und Wiedergeben der wichtigen Informationen ist sowohl in der Hörverstehensdidaktik als auch in der Hörverstehenspraxis also weit verbreitet (vgl. z. B. Gschwend 2014, 148). In diesem Sinne nur folgerichtig sind dann auch Versuche, die Konzentrations- und Behaltensfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken, damit diese sich möglichst alle Informationen merken können: „Der Anteil der Konzentrationsfähigkeit an der Zuhörleistung ist mit großer Wahrscheinlichkeit beträchtlich“ (Behrens 2010, 40; vgl. auch Gschwend 2014, 152). Bezeichnenderweise sind konkrete Unterrichtsvorschläge so angelegt, dass Hörtexte über mehrere Hördurchgänge komplett verstanden werden müssen: „Nach dem dritten Zuhören klärt ihr alles bis anhin Nichtverstandene“ (Gschwend 2014, 158); zu diesem Ansatz passt auch die Aussage, dass „mangelndes Verstehen“ durch „mangelnden Wortschatz“ verursacht ist (Gschwend 2014, 156). Auch in den Bundesländern, in denen das Hörverstehen ein Teil der Abschlussprüfungen darstellt, wird das Hörverstehen auf „Informationsentnahme“ bezogen, d. h. die Schülerinnen und Schüler müssen „zentrale Inhalte von gehörten Texten notieren und wiedergeben“ (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2017/ 2018). Im Folgenden wird gezeigt, dass das Hörverstehen mehr beinhaltet als die Informationsentnahme und Textwiedergabe. Hörer und Zuhörer funktionieren nicht wie ein Aufnahmegerät, sondern sie interpretieren und verarbeiten das Gehörte. 168 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 6.1 Grundlagen des Hörverstehens 6.1.1 Verstehenstheoretische Grundlagen Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Hörverstehen steht noch am Anfang. Dies mag erstaunen, spielt das Hörverstehen doch im alltäglichen, öffentlichen und schulischen Umfeld eine zentrale Rolle. Es geht in der Forschung zunächst einmal um die grundsätzliche Frage, welche Prozesse beim Hörverstehen ablaufen. Eine erste Antwort auf diese Frage liefert Ansätze, die sich auf die Informationsverarbeitung berufen. Gert Solmecke (1993, 26) hat als einer der Ersten den Versuch unternommen, den Prozess des Hörverstehens für didaktische Zwecke zu modellieren. Er geht von einer „Hierarchie von Fähigkeiten“ aus und nennt folgende Stufen: 1. Wiedererkennen, 2. Verstehen, 3. Analytisches Verstehen, 4. Evaluation. Die Grundfähigkeit des Hörverstehenden besteht demnach darin, Geräusche und Laute zu unterscheiden, wiederzuerkennen und ihnen Bedeutungen zuzuordnen. Verstehen setzt das Wiedererkennen voraus und zielt auf globale Sinnerfassung, die auch das Verstehen wichtiger Einzelinformationen einschließt. Beim analytischen Verstehen wird das Gehörte in einen sozialen und kommunikativen Zusammenhang gestellt. Es ist das schlussfolgernde Verstehen, das die Reflexion von Sprecher und Hörer, Sprecherabsichten und Hörerinteressen von hintergründigen Informationen oder von besonderen Personenkonstellationen beinhaltet. Die Evaluation ist die höchste Verstehensstufe: Das Gehörte wird verarbeitet, d. h. mit unseren eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen verknüpft. „Evaluation verlangt also eine persönlich wertende Stellungnahme zum Gehörten. Diese kann sich sowohl auf die Inhaltsebene als auch auf die Ausdrucksebene beziehen“ (Solmecke 1993, 27). Gert Solmecke (1993, 54 ff.) illustriert die verschiedenen Ebenen an einer Vielzahl unterschiedlicher Beispiele aus Lehrbüchern. Margarete Imhof (2010, 18) legt auf der Basis der psychischen Informationsverarbeitung ein Verstehensmodell vor, das stärker auf die unterschiedlichen Leistungen des Verstehenden abhebt. Sie definiert das Zuhören „als intentionale Selektion, Organisation und Integration (S-O-I-Modell) verbaler und nonverbaler Aspekte akustisch vermittelter Information.“ Dabei werden zudem eine Hörmotivation bzw. ein Hörinteresse als vorausgehender Schritt postuliert. 169 6.1 Grundlagen des Hörverstehens Abb. 1: Zuhören als mehrstufiger Prozess der Informationsverarbeitung - Schematische Darstellung von Margarete Imhof (2010, 19) Ausgangspunkt beim Zuhören sind Zuhörerabsicht und Zuhörerinteresse als Intentionskriterien (Wozu-Komponente). Beim Selektieren geht es anschließend darum, aus der Menge an nichtsprachlichen und sprachlichen Informationen eine Auswahl zu treffen und diese Informationen zu verarbeiten (Was-Komponente). Beim Integrieren geht es zunächst um die Verarbeitung von Wörtern, Strukturen und Situationen (Wie-Komponente), die Sinnkonstruktion. Schließlich muss der Zuhörende die neuen Informationen in vorhandene Schemata und Wissensstrukturen einordnen und diese umstrukturieren. Margarete Imhof (2010, 20) geht dabei davon aus, dass es sich hierbei um Phasen des Zuhörens handelt, denn Hören ist ein „Prozess in der Zeit“. Beide Hörverstehensmodelle sind kompositionell von unten nach oben aufgebaut und suggerieren das scheibchenweise Verstehen vom Einfachen (z. B. Laut wiedererkennen oder identifizieren) zum Schwierigen und Komplexen (das Gehörte evaluieren oder in Vorwissen einordnen). Die zeitliche Phasierung des Hörverstehensprozesses zementiert die Vorstellung, dass sich das Verstehen von kleineren Einheiten hin zu größeren Einheiten aufbaut. Die Einsicht, dass lautliche, lexikalische und grammatisch-syntaktische Kenntnisse und Fähigkeiten zwar notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingungen für das Hörverstehen darstellen, verdanken wir psycholinguistischen, kognitionspsychologischen und konstruktivistischen Forschungsansätzen. Ihnen allen liegt die Auffassung zugrunde, dass jedes sprachliche oder nichtsprachliche Zeichen nicht an sich verarbeitet wird, sondern interpretiert und in ein bestehendes Netz von bereits verarbeiteten und internalisierten Zeichen und den bereits vorhandenen Wissensbestand eingepasst und vernetzt wird. Auf dieser Basis muss das Verstehen von Texten als aktiver Konstruktions- und Interpretationsprozess verstanden werden. Belegt wird diese Aussage durch Wahrnehmungsexperimente. 170 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Betrachten wir dazu einmal die Fotografie und die Zeichnung: Was ist darauf zu erkennen? Abb. 2: Verstehen ist ein aktiver Konstruktionsprozess: Foto „Dalmatian“ von R. C. James, abgedruckt in Gerard Westhoff (1987, 31) Beim Betrachten der Fotografie kombinieren wir die schwarzen und weißen Flecken so lange, bis wir ein Bild konstruiert haben (Hund [Dalmatiner] auf der Fährte). Beim zweiten Beispiel sehen wir entweder den nach links gewendeten Kopf einer Ente oder aber den nach rechts gewendeten eines Hasen. Im Rahmen dieses Bildes werden die übrigen Informationen inferiert - ja es werden oft sogar Elemente hinzugefügt, die im Material vielleicht nicht vorhanden sind. Möglich werden solche Konstruktions- und Interpretationsprozesse durch unser Erfahrungs- und Weltwissen. Dieser Informationsfluss vom Leser oder Hörer zum Text wird auch als top-down- oder absteigender Verstehensprozess bezeichnet (konzeptgeleitetes Verstehen). In der Abb. 3: Optische Täuschung - Sehtestbild 171 6.1 Grundlagen des Hörverstehens modernen Verstehenstheorie wird besonders auf die gegenseitige Abhängigkeit beider Verstehensprozesse hingewiesen: Conceptually driven processing starts with general knowledge of the events that are being experienced and with specific expectations generated by this knowledge. The expectations are really simple theories or hypotheses about the nature of the sensory signals that are expected to occur. These expectations guide the stages of analysis at all levels. […] Conceptually driven processing is just the reverse of data-driven processing. Whereas data-driven processing starts with the signals and ends with the interpretations, conceptually driven systems got in the other direction. We have argued […] that both data-driven and conceptually driven processes are required. Neither alone is sufficient; both must be present (Lindsay/ Norman , f.). Die Notwendigkeit datengesteuerter und konzeptgeleiteter Verstehensprozesse hat der Psycholinguist Hans Hörmann (1981, 137 f.) durch ein anschauliches Beispiel belegt: Er zeigt, dass wir einen Text nicht verstehen, auch wenn wir wissen, was die einzelnen Wörter und Wortkombinationen bedeuten und grammatisch-syntaktische Zusammenhänge herstellen können. Versuchen Sie einmal, den folgenden Text zu verstehen; Sie können sich den Text auch anhören: Wenn die Ballone platzen, würde man den Ton nicht hören, weil die Entfernung bis zum richtigen Stockwerk zu groß wäre. Auch ein geschlossenes Fenster würde den Ton hindern, da die meisten Gebäude ja gut isoliert sind. Da das ganze Unternehmen darauf beruht, dass der elektrische Strom nicht unterbrochen wird, würde es auch zu Problemen kommen, wenn der Draht in der Mitte abreißen würde. Natürlich könnte der Kerl auch schreien, aber die menschliche Stimme ist nicht laut genug, um so weit zu tragen. Ein zusätzliches Problem ist, dass am Instrument etwas brechen könnte, dann gäbe es zur Botschaft selbst keine Begleitung. Es ist klar, dass bei geringerer Entfernung die Probleme kleiner wären. Bei einem face-to-face-Kontakt wäre die Wahrscheinlichkeit am kleinsten, dass etwas schiefginge. Auch wenn wir alle Wörter kennen, verstehen wir nicht, worum es geht. Das Beispiel zeigt, dass das Verstehen den Charakter von Problemlösungen annimmt. Wir versuchen eine Geschichte zu konstruieren und das Fehlende durch Inferenzen, Antizipationen oder Hypothesen zu ergänzen. Erst wenn die Hypothesen, die wir anstellen, z. B. durch eine Visualisierung gestützt werden, gelingt es uns, den Text in einen Zusammenhang zu stellen und zu verstehen. Hans Hörmann zeigt, dass das Verstehen notwendig über den Bereich des sprachlichen Verstehens hinausführt. Im Prozess des Verstehens werden nicht nur Informationen aufgenommen, sondern auch Informationen geschaffen: Wenn Verstehen ein „Sinn-Verleihen durch Hineinstellen in einen Zusammenhang“ ist, so gewinnt es einen konstruktiven Aspekt: es ist mehr als Rezeption. Der Hörer konstruiert aus dem, was die Äußerung anregt und möglich macht, aus seiner Kenntnis der Situation, aus seiner Weltkenntnis und aus seiner Motivation einen sinnvollen Zusammenhang. Das Erreichthaben eines solchen Zusammenhangs geht einher mit dem subjektiven Gefühl, „jetzt habe ich es verstanden“ und der damit gekoppelten Überzeugung, wenn es erforderlich wäre, adäquat handeln zu können (Hörmann 1981, 137). 172 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Das hier skizzierte kognitionspsychologische Verstehenskonzept (vgl. Hörmann 1981, Groeben/ Vorderer 1988, Christmann/ Groeben 1999, Schnotz 2000) bildet die Grundlage für eine neue Hörverstehensdidaktik. Dass sich Verstehen als wechselseitiger Prozess von top-down- und bottom-up-Prozessen ergibt, zeigt auch folgendes Beispiel: Dunja war auf dem Weg zu Schule. Sie machte sich Sorgen um die Deutschstunde. Sie hatte Angst, dass sie die Schüler bei der Klassenarbeit nicht im Griff haben könnte. Die meisten Leser-Hörer identifizieren mit Dunja und sie in den ersten beiden Sätzen im top-down- Prozess eine Schülerin. Diese Interpretation muss im nächsten Satz revidiert werden - sie im zweiten Satz referiert auf Grund des Kontextes auf eine Lehrerin. Gelingendes Zuhören ist folglich ein andauernder Interpretationsprozess, bei dem neue Informationen in alte eingebettet werden. Die Zusammenhänge zeigen, ▶ dass das (Hör-)Verstehen nicht vorwiegend und ausschließlich datengeleitet abläuft und damit der Vorgang des Verstehens nicht vor allem im Dekodieren sprachlicher Zeichen besteht (vgl. Knechtel 2011, 141); ▶ dass der Vorgang des Hörverstehens als ein aktiver Interpretationsprozess des Zuhörenden aufzufassen ist, der konzeptgeleitet den Text in einen kommunikativen Zusammenhang stellt. Verstehen ist aktives Verarbeiten des Gehörten und kein passiver Vorgang; ▶ welche Konzepte beim Vorgang des Verstehen-Wollens in unseren Wissensbeständen angezapft und genutzt werden. Wir verstehen also Texte, indem wir in einem ständigen Wechsel konzept- und datengeleitete Verarbeitungsprozesse miteinander koordinieren und sämtliche Daten auf der Basis unseres Sprach- und Weltwissens interpretieren. Dabei werden besonders folgende Wissensbestände aktiviert: a) Allgemeines Sach- und Weltwissen: Tatsachenwissen, aber auch Wissen über Wertungen oder Haltungen, Wissen über kulturspezifische und soziale Verhaltensnormen usw. b) Sprachwissen über kommunikative Zusammenhänge: Wer ist der Sprecher des Textes? Wer ist/ sind der/ die Zuhörer? Welche Absicht(en) sollen mit dem Hörtext verfolgt wer- Abb. 4: Situationsbild: „Wenn die Ballone platzen …“ nach Hans Hörmann (1981, 138) 173 6.1 Grundlagen des Hörverstehens den? Welche Zuhörintentionen und -motive sind zu erkennen? Welche Hörtextsorte liegt vor? Wo und wann ist der Text erschienen? Gibt es Vorgänger- oder Nachfolge-Texte usw. c) Wissen über schematische Themen- und Handlungszusammenhänge: Was ist das Thema des Textes? Welche Themenentwicklung ist erwartbar? Wie ist der Text strukturiert? d) Sprachwissen auf allen Ebenen: von der Phonetik über die Lexik, Grammatik und Syntax bis hin zum Text. Dieser Ansatz des konstruktivistischen und kognitionspsychologischen Verstehens ist dem Leseverstehen und dem Hörverstehen gemeinsam und bildet die Grundlage für didaktische Grundlagen und gute Aufgaben. 6.1.2 Hören und Lesen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Hör- und Leseverstehen sind Prozesse, bei denen Leser bzw. Hörer aktiv sind: Aus gelesener oder gehörter Information wird unter Einbezug von Weltbzw. Vorwissen Bedeutung generiert. Es gibt allerdings auch eine Reihe von Unterschieden zwischen dem Hören und Lesen: 1. Schriftbilder sind - trotz Varianten in Schriftart, -größe und -stil - konstanter als Hörbilder, denn diese können ganz erheblich durch Sprechersymptome wie Dialekt, Geschlecht, Alter, Emotion, Prosodie, Mimik, Gestik oder den Grad der Formalität der Sprechsituation gefärbt sein; das Hören ist „multimodal“ (Fiehler 2009, 36 ff.). Der Zuhörende interpretiert diese Merkmale. Zuhörer reagieren oft spontan und beurteilen den Sprecher auf Grund der Stimme bereits als sympathisch oder unsympathisch, kompetent oder inkompetent, warmherzig oder kalt. 2. Beim Lesen lassen sich Sprachzeichen von unterschiedlicher Komplexität erkennen: Buchstaben, Morpheme, Wörter, Phraseologismen, bis hin zu Sätzen und Texteinheiten (z. B. Abschnitte). Wortgrenzen, Satzgrenzen, Text(abschnitts)grenzen sind deutlich sichtbar und lassen sich als Verstehenssignale nutzen. Das Hören erfolgt als Lautkontinuum, allerdings können Haupt- und Nebeninformationen durch Betonung oder das Gemeinte durch Satzmelodie ausgedrückt werden. 3. Während der Leser Wörter, Sätze oder Textstellen mehrfach in eigenem Tempo wiederholen oder durch Vor- und Zurückspringen spezielle Informationen nochmals absichern kann, ist das Hören „flüchtig“ und „vergänglich“. Der Zuhörer muss sich in Tempo und Konzentration in der Regel an den Sprecher anpassen, um nichts zu versäumen. Nur in bestimmten Fällen kann er nachfragen und bitten, das Gehörte noch einmal durch den Sprecher wiederholen zu lassen. Die Flüchtigkeit des Hörens lässt sich allerdings durch Audio- und Videoaufzeichnungen ausgleichen. 4. Das Hörverstehen ist komplexer als das Leseverstehen, denn beim Hören müssen fast simultan phonologische, lexikalische, grammatisch-syntaktische und textuelle Elemente verarbeitet, gespeichert und antizipiert werden. Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungskapazität werden wegen der hohen Informationsdichte pro Zeiteinheit ungleich stärker beansprucht als beim Lesen, das eher linear abläuft und nach den Bedürfnissen des Lesers angepasst werden kann. 174 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 5. Auch Unbekanntes stellt beim Hören eine größere Herausforderung als beim Lesen dar: So kann ich als Leser unbekannte Wörter entweder kontextuell oder über Nachschlageprozeduren klären, beim Hören ist dies wegen der Flüchtigkeit des Gehörten nicht möglich. 6. Beim Hören spielt der situative Kontext eine wichtige Rolle und gibt relevante Interpretationshilfen. Aus diesem Grunde sind Sprechgestaltung und Sprechstil oft impliziter. Die Bedeutung von Pronomen (z. B. sie) und Proformen (z. B. dabei), Deiktika (z. B. dort) oder Lexemen (z. B. diese Dinge) sind kontextdeterminiert. Geschriebene Texte sind expliziter, da der situative Kontext beim Lesen nicht vorhanden oder zumindest nicht sichtbar ist. 7. Hörtexte werden oft spontaner formuliert und direkt korrigiert. Kennzeichnend hierfür sind unvollständige Sätze und Ellipsen, Satzabbrüche und Neuanfänge oder Pausen. Im Gegensatz dazu gilt die geschriebene Sprache als geplanter und durchformulierter: Differenzierte Lexik, komplexe Syntax und stilistische Ausgefeiltheit werden hier als besondere Merkmale genannt. Wegen dieser Besonderheiten erfordert das Hörverstehen eine spezifische Didaktik und Methodik. Ruth Gschwend (2014, 144 f.) stellt dazu mehrere Forderungen auf: ▶ Sie weist darauf hin, dass in der bisherigen Hörverstehensdidaktik insbesondere Hörmotivationen und -interesse sowie Hörerfahrungen und Höremotionen vielfach außer Acht gelassen werden. ▶ Zuhören wird in Anlehnung an Jutta Wermke (2000) nicht ausschließlich utilitaristisch als „Wiedererkennen“ begriffen, sondern auch als allgemeine kulturelle Tätigkeit angesehen, das Gehörte hörästhetisch zu genießen. Das Hörverstehen wird damit insbesondere in den Dienst des entdeckenden und sinnkonstruierenden Lernens gestellt. Neben den utilitaristischen Zielen des Hörverstehens können die Schülerinnen und Schüler beim Umgang mit literarischen Hörtexten aber Lesemotivation und Lesefreude entwickeln und den handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit Texten üben. Durch diesen kreativen Umgang mit Texten können sie eigene Deutungen finden, selbständig Problemlösungen erarbeiten und affektive Kompetenzen entwickeln (z. B. die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel). ▶ In Anlehnung an das Mehrebenenmodell des Leseverstehens von Cornelia Rosebrock und Daniel Nix (2008, 16) fordert Ruth Gschwend (2014, 154 ff.; vgl. auch Knechtel 2011, 127) ein Mehrebenenmodell des Hörverstehens: Auf einer „hierarchieniedrigeren Ebene“ gilt es, Laute zu erfassen, zu identifizieren, zu sortieren und zu gruppieren sowie Wörter zu erkennen, Bedeutungen zuzuweisen, Sätze zu verarbeiten, Vorwissen zu aktivieren und Zusammenhänge herzustellen (vgl. auch die Komponentübungen bei Koeppel 2010, 258-262). Auf einer „hierarchiehöheren Ebene“ werden Schemata aktiviert und abgerufen und mit dem Vorwissen in Beziehung gesetzt, die Schülerinnen und Schüler schlussfolgern, erkennen Superstrukturen und identifizieren Darstellungsintentionen. ▶ In Bezug auf die Aufgabenformate plädiert Gschwend (2014, 156) für „mehr Prozessorientierung und Kooperation“: Im Anschluss an das Hören sollen den Schülerinnen 175 6.1 Grundlagen des Hörverstehens und Schülern Aufgaben angeboten werden, „sich über Gehörtes Gedanken zu machen, Nicht-Verstandenes nachzufragen und gemeinsam eine Bedeutung herzustellen.“ Karla Müller (2004, 6) vertritt die These, dass Lesen und Hören eine „fruchtbare Symbiose“ im Deutschunterricht eingehen können und in enger Verbindung zueinanderstehen. Sie führt dazu Belege aus Forschungsarbeiten an, die zeigen, dass Hörtexte nachweislich die Leseflüssigkeit fördern. Deshalb wird in der didaktischen Forschung auch die Kombination von Lese- und Höraufgaben gefordert (vgl. Knechtel 2011, 141). Hörverstehen fördert zum einen die Fähigkeit des ausdrucksstarken Vorlesens (vgl. Rosebrock/ Nix 2008); zum anderen hat sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schülern das Lesen leichter fällt, wenn sie Hörtexte präsentiert bekommen (Gailberger 2011, Belgrad/ Schünemann 2011). Weitere Aspekte der Hörverstehensdidaktik hängen mit der jeweiligen Hörtextsorte sowie der Hörsituation zusammen: Monologische oder dialogische, konzeptionell mündliche oder schriftliche, spontane oder geplant entstandene, authentische oder konstruierte Texte stellen unterschiedliche Anforderungen an die Hörverstehenskompetenz der Schülerinnen und Schüler. 6.1.3 Hörtextsorten und Hörstrategien Hörtexte lassen sich verschieden ordnen und klassifizieren. Zum Beispiel in Alltagsgespräche (Telefongespräche, Gespräche beim Arzt, im Restaurant, auf dem Amt usw.-…), stärker ritualisierte Hörtextsorten (z. B. Bahnhofsdurchsagen, Lautsprecherdurchsagen, Wetterbericht); Sachtexte, oft aus dem Radio (Experteninterviews, Berichte, Kommentare, Interviews, Reportagen) und schließlich literarische Texte (z. B. Hörspiele, Hörbücher). Zudem lassen sich die Hörtexte danach unterscheiden, ob sie eher konzeptionell schriftlich (z. B. Hörbücher) oder konzeptionell mündlich (z. B. Podcasts) sind, da in ihnen eher die Alltagssprache verwendet wird und sie ein deutlich höheres Maß an Redundanzen, an parasprachlichen Merkmalen (Sprechtempo, Prosodie, emotionale Färbung) oder an typischen gesprochensprachlichen Kennzeichen (z. B. Satzabbrüche, Interjektionen, Pausen) aufweisen. Hörtexte können schließlich monologisch (z. B. Vorträge) oder dialogisch (z. B. Gespräche) realisiert werden - in direktem medialen Kontakt (z. B. Unterrichtsgespräch) oder im indirekten (z. B. Telefongespräch). Auch hinsichtlich ihrer dominierenden Funktion lassen sich eher informierende Hörtexte (z. B. Vorträge), unterhaltende (z. B. Hörspiele) oder appellierende (z. B. Werbespots) unterscheiden. Wenn wir im Unterricht Texte und Textsorten nutzen, um bestimmte Verstehensziele zu erreichen, ist es notwendig, Textsorten zur Verfügung zu stellen, die auf tatsächliche oder mögliche Interessen und Informationsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler bezogen sind. Dabei müssen im Unterricht unterschiedliche Hörstile Berücksichtigung finden, die auf diese Textsorten und Aufgaben abzustimmen sind. Im modernen Fremdsprachenunterricht werden verschiedene Hörstrategien und Hörstile unterschieden: a) Beim Globalverstehen sollen die Leser oder Hörer den Text global einordnen und sich einen groben Überblick über Textthemen und Textinhalte verschaffen. Als Faustregel 176 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen kann hier angegeben werden: Wer schreibt/ spricht wem/ zu wem, wie, wozu, wann, wo und worüber? b) Selektive Verstehensstrategien werden immer dann eingesetzt, wenn entsprechend der Verstehensabsicht wesentliche oder bestimmte Textinformationen herausgearbeitet werden sollen. c) Beim Detailverstehen geht es um das Wort-für-Wort-Verständnis eines Textes. Hier sollen möglichst alle Textinformationen bis auf die Wortebene hinab erfasst werden. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Verstehensstrategien nicht um alternative Strategien handelt, sondern dass sie in Abhängigkeit von Verstehensinteressen und -zielen sowie in Abhängigkeit unterschiedlicher Textsorten eingesetzt werden: Wenn ich nur wissen will, ob morgen schönes Wetter ist, achte ich besonders auf diesen Teil der Wettervorhersage. Dabei ist es durchaus möglich, ein und denselben Text in mehrfachen Verstehensdurchgängen mit verschiedenen Strategien zu hören oder aber auch innerhalb eines Textes die Verstehensstrategie zu wechseln. Zudem gibt es zwischen den Hörstrategien auch Abhängigkeiten, denn Globalverstehen ist oft ohne Verstehen wichtiger Details nicht möglich, umgekehrt kann ein Detailverstehen oft nicht ohne ein Verstehen des Gesamtzusammenhangs erreicht werden. Auffallend ist allerdings, dass wir in der täglichen Hörpraxis eher selten auf das Detailverstehen im Sinne des totalen Verstehens zurückgreifen. Es gibt nur wenige Textsorten, für die dies erforderlich scheint. Meist genügt es, den Text global zu verstehen oder aber bestimmte Einzelinformationen zu erfassen. Im Sprachunterricht spielt das Detailverstehen allerdings immer noch eine zentrale Rolle, wenn sich Schülerinnen und Schüler den Text Wort für Wort erarbeiten. Karla Müller (2012) hebt in ihrem Buch „Hörtexte im Deutschunterricht“ die akustische Dimension poetischer Texte hervor. Müller plädiert für eine verstärkte Behandlung von „Hörtexten“ im Unterricht. Mit „Hörtexten“ meint Karla Müller sowohl „poetische Texte“, die von den Schülerinnen und Schülern gehört werden (z. B. Hörspiele) als auch Texte, die die Schülerinnen und Schüler selbst produzieren (Vorlesen literarischer Texte). Damit setzt sie sich bewusst vom utilitaristischen Hörtextbegriff und Textverständnis in den Fremdsprachendidaktiken oder den Vergleichsarbeiten (z. B. VERA) ab. Poetische Hörtexte sind nach Müller durch die Besonderheit der Stimme und den Sprechausdruck ausgezeichnet, zudem transportieren Geräusche oder Musik ebenfalls Bedeutung. Dabei stellt Karla Müller (2012, 29) das Hörspiel als besondere Form des poetischen Hörtextes heraus: „Das Hörspiel ist eine Kunstform, in der mehrere Zeichensysteme einzeln oder in Verknüpfung auftreten und Bedeutung generieren. Zu den relevanten Zeichensystemen gehören Sprache, Stimme, Geräusch, Musik, Stille, Blende, Schnitt, Mischung, Raumklang, elektroakustische Manipulation und Originalton.“ Die Arbeit mit Hörtexten ist in diesem Ansatz konsequent der Literaturdidaktik und -methodik zugeordnet. Es geht darum, Literatur zu hören und hörbar zu machen (Müller 2004). Es handelt sich hierbei um eine besonders intensive Form der Literaturrezeption. Die Schülerinnen sollen poetische Texte hören (Müller 2012, 88-115), aber auch selbst hörgestaltend sprechen (Müller 2012, 116-146). Die Arbeit mit poetischen Hörtexten unterscheidet 177 6.1 Grundlagen des Hörverstehens sich dabei signifikant von der Lektüre literarischer Texte (vgl. Müller 2010). Dabei geht es insbesondere um folgende Fragestellungen: ▶ Wie wird die Vorstellung von Raum geschaffen? Wie wird Raumwechsel ausgedrückt? ▶ Wie werden die Figuren durch Stimme und Sprechweise charakterisiert? ▶ Wie wird das innere Geschehen im Unterschied zum äußeren gestaltet? ▶ Wie werden die Erzählebenen akustisch gestaltet und unterschieden (Erzähler, Szenen, Zeitsprung)? (Müller 2012, 103) Es geht Karla Müller also bei der Behandlung von poetischen Hörtexten um das interpretierende Hören. Das Hören und Sprechen literarischer Texte steht im Dienst des Textverstehens, fördert das Leseverstehen und die Lesemotivation und macht den Schülerinnen und Schülern noch Spaß (vgl. Müller 2012, 64). Karla Müller (2012, 147-178) illustriert ihre poetische Hörtext-Didaktik an zahlreichen Praxisbeispielen für unterschiedliche Altersstufen und Schuljahre. Fasst man die verschiedenen Ansätze zum Hörverstehen und zur Hörverstehensdidaktik zusammen, sollten folgende Überlegungen berücksichtigt werden: 1. Es sollte mit authentischen Hörtexten gearbeitet werden, also mit Texten, die als Hörtexte konzipiert und genuin gesprochensprachlich sind. Lesetexte, die lediglich mündlich präsentiert werden, sind als Hörtexte dagegen ungeeignet. Eine solche Hörverstehenspraxis ist aber leider weit verbreitet (z. B. die Prüfungsaufgaben zum Hörverstehen in Niedersachsen; vgl. dazu Finale 9/ 2015, 104 f.). 2. Literarische Texte sind differenzierter zu betrachten. Hörbücher bieten ein großes Potential bei der Förderung des Hörverstehens - sowohl dramatisierte „Hörspiele“ als auch einer Lesung nachempfundene Geschichten und Bücher, die von einem Sprecher vorgelesen werden (vgl. Wermke 2004). Karla Müller (vgl. 2004, 7) weist einmal mehr darauf hin, dass Zuhören kein passives Aufnehmen sei, sondern kognitive und motivationale Aktivität des Rezipienten voraussetze. Der Hörer ist in diesem Sinne Ko-Produzent, wie beim Lesen, jedoch unter den spezifischen Bedingungen der rein auditiven Rezeption. Hören kann dabei durchaus im Vergleich zum Lesen als leichter empfunden werden, weil vielfältige Verständnishilfen durch die Stimmführung, Verteilung des Textes auf verschiedene Sprecher, Geräusche usw. hinzutreten. Dabei hängt es auch hier generell von der Art der Buchvorlage, des Hörmediums und den Voraussetzungen der Schüler ab, ob die Tonfassung schwieriger oder nicht u. U. auch einfacher als die gedruckte Fassung zu rezipieren ist. 3. Für monologische Hörtexte wie Vorträge oder andere Formen der Präsentation liegen wichtige Anregungen aus der Lernpsychologie vor (vgl. Kühn 1996a, 103-126): So sollten Vorträge als Hörverstehenstexte zum Einsatz kommen, die verständlich formuliert sind, Kenntnisse und Erfahrungen der Zuhörenden berücksichtigen, Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen und erhalten. Eine große Hilfe beim zuhörenden Verstehen bietet auch die Versprachlichung der Gliederung. 178 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 4. Dialogische Hörtexte verursachen bei raschen und häufigen Wechseln der Gesprächsbeiträge große Verstehensschwierigkeiten; diese verschärfen sich noch bei den Überlappungen von Gesprächsbeiträgen. 5. Besonders förderlich ist es, wenn Hörtexte audiovisuell präsentiert werden, da hier zu den akustischen Informationen visuelle hinzukommen und entlastend wirken. 6. Behalten und Wiedergeben sind nicht mit dem Textverstehen gleichzusetzen. Eine fehlerfreie Textproduktion impliziert nicht automatisch ein Textverstehen und setzt auch kein Textverstehen voraus. Umgekehrt heißt Verstehen nicht, dass der gehörte Text zwingend reproduziert werden muss. Wir speichern aber Bedeutungen und integrieren diese in unser mentales Lexikon. Dabei sind insbesondere auch unsere individuellen Hörinteressen zu berücksichtigen. So behalten wir von einem ausführlichen Wetterbericht gewöhnlich nur, ob es am nächsten Tag warm oder kalt werden wird oder ob es regnen oder schneien wird - insbesondere dann, wenn wir zum Beispiel in Urlaub fahren wollen. Pauschal lässt sich also sagen, dass wir das am besten behalten, was uns am meisten interessiert. Aus didaktischer Sicht ist es daher unabdingbar, Hörinteresse und -motivation bei den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. 6.2 Methodik des Hörverstehens Die skizzierten konstruktivistischen und hörverstehensdidaktischen Voraussetzungen und Besonderheiten haben Auswirkungen auf die Methodik des Hörverstehens. Grundsätzlich ist von einem methodischen Drei-Phasen-Modell der Hörverstehensarbeit auszugehen, das dem Verstehensprozess entspricht: Am Anfang des Verstehensprozesses steht die Aktivierung des Vorwissens und die Bewusstmachung der Verstehensabsicht. In dieser Phase setzen die Schülerinnen und Schüler sich mit den zu bearbeitenden Aufgaben auseinander. Dann wird der Hörtext präsentiert; er kann mehrere Male gehört werden. Die Aufgaben beziehen sich zunächst auf das orientierende und globale Verstehen. Je nach Textsorte und Verstehensabsicht werden darauf aufbauend Aufgaben zum selektiven oder detaillierten Verstehen gestellt, die der Sicherung des Verstehens gelten. Abschließend sollen die Schülerinnen und Schüler mit ihren Ergebnissen weiterarbeiten - denn erst hiermit zeigen sie, dass sie den Text verstanden haben und für sich nutzen können. Hörverstehensaufgaben werden demnach unterschieden in Aufgaben, die vor dem Hören, während des Hörens und nach dem Hören gemacht werden sollen (vgl. zu Hörverstehensaufgaben auch Dahlhaus 1994, 52-126, Eggers 1996, 27-34, Honnef-Becker 1996, 59-66, Koeppel 2010, 248-263). 6.2.1 Aufgaben vor dem Hören Das Hörverstehen beginnt folglich bereits vor dem eigentlichen Hören. Aufgaben vor dem Hören dienen ganz allgemein der Vorbereitung des Textverstehens: ▶ der Initiierung von Hörinteresse und Hörmotivation, ▶ der Aktivierung des Vorwissens, 179 6.2 Methodik des Hörverstehens ▶ dem Aufbau eines Erwartungshorizonts (Hypothesenbildung), ▶ der Vorgabe und Formulierung von Hörverstehenszielen, ▶ der thematischen Vorentlastung und Einordnung, ▶ der Aktivierung von Verstehensstrategien usw. Als Material hierzu können genutzt werden: Bilder, Illustrationen, Grafiken, Assoziogramme, Strukturskizzen, Wortgeländer, akustische Impulse (Geräusche, Musik, Stimmen) usw. Das folgende Beispiel illustriert Aufgaben vor dem Hören. Es bezieht sich auf eine Führung durch das Schokoladenmuseum in Köln: Das Schokoladenmuseum in Köln Interessiert ihr euch für Schokolade? Wie sieht eigentlich eine Kakaobohne aus? Wie wird die Schokolade hergestellt? Wie werden Schokoladenfiguren gemacht? Antworten auf diese Fragen bekommt ihr in einem besonderen Museum in Köln. Genauere Informationen erhaltet ihr bei einer Führung durch das süßeste Museum der Welt. Aufgaben vor dem Hören ❶ Schau dir zunächst das Foto an und lies die Informationstexte. Mache dir klar, was dich im Schokoladenmuseum erwartet: - Welche Informationen bekommst du im Schokoladenmuseum? - Was gibt es da wohl alles zu sehen? - Was ist auf dem Foto zu sehen? - Warum ist das Museum wohl so beliebt? Der Schokoladenbrunnen ist das Wahrzeichen des Schokoladenmuseums. Er ist drei Meter hoch, mit 81 goldenen Kakaofrüchten verziert und stets mit 200 kg frischer Schokolade gefüllt. Der köstliche Duft verführt zum Naschen . 180 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 5: Aufgaben vor dem Hören 6.2.2 Aufgaben während des Hörens Da während des Hörens die Aufnahmekapazität und Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler enorm beansprucht werden, dürfen die Aufgaben nicht zu komplex sein und vom Hören ablenken. Hörverstehensaufgaben während des Hörens dürfen zudem nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, damit die Schülerinnen und Schüler noch dem Hörtext folgen können. Am wenigsten belastend sind Aufgaben, die keine umfangreichen sprachlichen Reaktionen abverlangen. Hierzu zählen zum Beispiel: ▶ Bilder oder Karten in die richtige Reihenfolge bringen, ▶ Skizzen, Schemata oder Tabellen ergänzen, ▶ Begriffe zueinander in Beziehung setzen, ▶ Informationen zuordnen, ▶ visuelle „Diktate“ (Zeichnung zum Gehörten), ▶ Körperreaktionen und -bewegungen, ▶ Notizen machen, Kurzkommentar Die Schülerinnen und Schüler sollen eine Führung durch das Schokoladenmuseum bearbeiten. Bevor sie den Hörtext von einem Audioguide hören, sollen sie sich mit den Örtlichkeiten und dem Thema vertraut machen (Aufgabe 1): Hierzu lesen sie einen Informationstext („Das süßeste Museum der Welt“) über das Schokoladenmuseum und erarbeiten wichtige Informationen („Welche Informationen bekommst du über das Schokoladenmuseum? “). Zudem stellen sie Hypothesen darüber an, was es dort alles zu sehen gibt und warum das Museum wohl so beliebt ist. Ein Foto des Schokoladenbrunnens soll die Fantasie und Neugierde weiter wecken und weitere Hinweise geben auf das, was die Schülerinnen und Schüler beim Rundgang durch das Museum erwartet. In einer weiteren Aufgabe sollen individuelle Erwartungen und Vermutungen in Bezug auf den Inhalt des Hörtextes formuliert werden (Aufgabe 2). Das süßeste Museum der Welt Das Kölner Schokoladenmuseum wurde 1993 gegründet. Es hat eine Ausstellungsfläche von 4.000m². In diesem Museum kann man viel über Geschichte der Schokolade erfahren. Im Museum kann man auch sehen, wie man heute Schokolade herstellt. Dazu hat man im Kleinen eine Produktionsanlage nachgebaut. Das Museum befindet sich in der Innenstadt von Köln. Es liegt direkt am Rhein. Im Sommer kann man draußen sitzen und den Schiffen zugucken. Das Schokoladenmuseum ist sehr beliebt: Es ist mit jährlich 4000 Führungen und 650.000 Besuchern das beliebteste Museum Kölns und zählt zu den zehn meistbesuchten Museen in Deutschland. ❷ Was interessiert dich an einem Museumsbesuch? Schreibe drei Fragen auf. 181 6.2 Methodik des Hörverstehens ▶ Beantwortung globaler W-Fragen, ▶ Multiple-Choice-Antworten ankreuzen Sollen die Schülerinnen und Schüler einen längeren Text über Fragen erschließen, so müssen sie vorher die Gelegenheit haben, sich die Aufgaben durchzulesen. Auch hier verbieten sich „Aufgabenbatterien“, die ein Detailverstehen verlangen oder die Gedächtniskapazität überfordern. „Schreibaktivitäten sollten stark beschränkt sein“ (Koeppel 2010, 252). Die folgende Beispielaufgabe bezieht sich auf eine Führung durch das Schokoladenmuseum in Köln. Nachdem die Schülerinnen und Schüler in einer Vorlaufphase Vorwissen und Erwartungen über das Museum und den Museumsbesuch angestellt haben (vgl. Abbildung 5 in Kapitel 6.2.1), hören sie die Führung von einem Audioguide. Während sie den Text hören, sollen sie folgende Aufgabe bearbeiten: Abb. 6: Aufgaben während des Hörens Führung durchs Schokoladenmuseum Das Schokoladenmuseum bietet Führungen an. Der Rundgang durch das Museum zeigt den Entstehungsweg der Schokolade. Aufgaben während des Hörens ❶ Schau dir zunächst die Fotos an. Hört anschließend eine Führung durch das Schokoladenmuseum. a) Nummeriere beim Zuhören die Reihenfolge der fünf Stationen (1 bis 5), die besucht werden. b) Welche Station wird nicht besucht? ⃝ Schokoladenfabrik ⃝ Schokoladenbrunnen ⃝ Schokoladencafé ⃝ Tropenhaus ⃝ Hohlfiguren-Studio ⃝ Schokoladenatelier 182 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Kurzkommentar Die Schülerinnen und Schüler werden zunächst darüber informiert, dass sie beim Rundgang durch das Museum den Entstehungsweg der Schokolade miterleben können. Als weitere Vorentlastung und Orientierung schauen sie sich sechs Stationen an, die auf dem Rundgang besucht werden. Fotos und Bildunterschriften zeigen den Schülerinnen und Schülern, welche Stationen sie erwarten. Beim Hören selbst sollen sie die Reihenfolge der angesteuerten Stationen „nachzeichnen“; eine Station (Schokoladencafé) wird im Rundgang nicht angesteuert. Die Höraufgabe bezieht sich folglich auf das globale Hörverstehen: Die Schülerinnen und Schüler haben den „roten Faden“ des Hörtextes rekonstruiert und können darauf aufbauend mit dem Hörtext weiterarbeiten. Nach dem Hören sind entweder weitere Hördurchgänge und -aufgaben möglich oder die Schülerinnen und Schüler können nach dem Hören Anschlussaufgaben bearbeiten, z. B. das Gehörte nacherzählen, für die Schülerzeitung zusammenfassen („Unser Ausflug ins Schokoladenmuseum“), ein Plakat gestalten oder die Informationen nutzen, um Mitschülerinnen und Mitschüler zu animieren, selbst einmal das Schokoladenmuseum zu besuchen (vgl. zu Aufgaben nach dem Hören Kapitel 6.2.3). Eine Sonderkompetenz stellt die Mitschrift eines Hörtextes dar. Das Mitschreiben ist beispielsweise dann gefordert, wenn eine Vorlesung oder ein Vortrag so rezipiert werden soll, dass die Informationen später weiterverarbeitet werden können. Im modernen Universitätsalltag mit Powerpoint und Online-Vorlesungen ist das Mitschreiben aus der Mode gekommen - bei der Entwicklung der Hörverstehenskompetenz kann es gleichwohl eine effektive Methode darstellen, während des Hörens Informationen zu notieren und festzuhalten. Von Schülerinnen und Schülern wird das Mitschreiben zudem auch bei Testaufgaben verlangt (vgl. Kapitel 6.4.1). Eine Mitschrift verlangt in stärkerem Maße auch das detaillierte Hören. Peter Viebahn (1990, 273) stellt fest, dass Studenten zwar nur 20 Wörter in der Minute mitschreiben können, der Hochschullehrer aber etwa 100 Wörter in der Minute spricht, so dass nur 1/ 5 der gesprochenen Worte aufgeschrieben werden können, Studenten schrieben aber nur 20 % der Zeit mit. Empirische Studien belegen, dass diejenigen Studierenden, die wegen einer schnelleren Präsentation im Vortrag weniger mitschrieben, bessere Leistungen erbrachten als diejenigen, die möglichst viel mitschrieben (vgl. Viebahn 1990, 278). Die Lösung heißt folglich nicht: Möglichst schnell und alles mitschreiben. Die Länge der Mitschrift ist also kein Qualitätskriterium. Peter Viebahn (1990, 273) weist darauf hin, dass das Mitschreiben zwei Teilfertigkeiten beinhaltet: Zum einen eine „schreibmotorische Umsetzung“ und zum anderen eine „kognitive mitschriftbezogene Umwandlung der Information.“ Beim Mitschreiben erstellt der Kandidat also keine Inhaltskopie im Sinne der Textwiedergabe, vielmehr entscheidet er, ▶ was er aufschreibt und für wichtig hält, ▶ wie er mitschreibt, insbesondere auch wie er die Informationen auf dem Papier anordnet. 183 6.2 Methodik des Hörverstehens Gefordert wird auch hier ein konstruktivistisches Verarbeiten des Gehörten. Die Entscheidung darüber, was in einer Vorlesung oder einem Vortrag wichtige Informationen sind, trifft also nicht der Vortragende, und die Informationen sind auch nicht ohne den Kontext des Vortrags zu bewerten. „Wichtig“ ist ein relatives Prädikat: Eine Information ist für bestimmte Adressaten und Zuhörer wichtig. Eine Mitschrift ist daher grundsätzlich selektiv. Eine totale Mitschrift und die damit verbundene Textkopie ist nur stenografisch möglich. Aus diesem Grunde sollte eine Mitschrift grundsätzlich aufgabenorientiert sein. Schließlich können Mitschreibprobleme nicht allein zuhörerbedingt sein, sie sind auch vom Sprechverhalten des Vortragenden abhängig (vgl. Beispiele bei Kühn 1996a, 131-142). Der Vortragende ▶ muss unbedingt angeben, warum und wozu die Zuhörer mitschreiben sollen (z. B. für Prüfungen, zur Information, für Kurzvortrag). Die Mitschrift darf kein Selbstzweck sein. ▶ muss die Schnelligkeit der Informationsdarbietung auf das Vorwissen seiner Zuhörer anpassen (z. B. reduzierte Schnelligkeit bei wichtigen Informationen), ▶ muss zuhörerorientiert Fokussierungen und Aufmerksamkeitssteuerungen setzen (z. B. Besonders wichtig ist …; Hervorheben möchte ich erstens …), ▶ sollte möglichst oft seine Textstruktur transparent machen und markieren (z.B.: Zunächst …, dann …, abschließend …; Zwei Punkte werde ich besonders beachten: Erstens …, zweitens …; Ich komme zum ersten Punkt: … usw.), ▶ sollte seine Zuhörer von umfangreicher Mitschreibtätigkeit entlasten (z. B. Handout, Folien, Powerpoint), ▶ sollte sich um eine Vortragssprache bemühen, die weniger an der konzeptionellen Schriftlichkeit, sondern insbesondere an der konzeptionellen Mündlichkeit orientiert ist (z. B. Wiederholungen, Herausstellungen, Aufmerksamkeitssteuerungen). Wie lassen sich diese Forschungsergebnisse für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern nutzen? Wenn Schülerinnen und Schüler selbst einen Kurzvortrag halten, müssen sie sich auf das Vorwissen und die „Aufnahmekapazität“ ihrer Zuhörer einstellen. Sie heben in ihrem Vortrag wichtige Wörter oder Passagen hervor. Sie lernen zudem, ihren Vortrag durch Gliederungen und Hilfen verständlich zu machen (Bilder, Zitate, Plakate). In der Zuhörerrolle müssen Schülerinnen und Schüler lernen, konzentriert zuzuhören und Stichworte aufzuschreiben. Dabei ist es wichtig, dass die Notizen zur Weiterarbeit genutzt werden, z. B. um einen Kurzkommentar abzugeben oder - wie im folgenden Beispiel - einen Kurzvortrag zu halten. Die Schülerinnen und Schüler sollen ein Experteninterview bearbeiten, das Kinderreporter mit einem Naturfilmer geführt haben. 184 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Notizen machen Wenn du ein Experteninterview, einen Vortrag, eine Geschichte hörst oder dir ein Video oder einen Film anschaust, ist es nützlich, wenn du dir Notizen machst. Notizen helfen dir, wichtige Informationen festzuhalten. Du kannst die Notizen später nutzen, um die Inhalte in einem Kurzvortrag zu präsentieren. Hier lernst du Schritt für Schritt, wie du dir Notizen machen kannst. 1. Schritt: Mache dir klar, warum du dir Notizen machen willst Bevor du einen Text hörst, sollst du dir darüber Gedanken machen, warum du dir Notizen machen willst: Dann weißt du, worauf du beim Hören achten musst und was du notieren sollst. 2. Schritt: Notiere Stichwörter Beim Hören sollst du nicht alles mitschreiben. Notiere nur Stichwörter. - Schreibe nicht zu viel mit. Konzentriere dich auf das, worauf du achten willst und was neu für dich ist. - Schreibe keine ganzen Sätze. - Notiere Stichwörter: Stichwörter sind Wörter, die wichtig sind und dir nach dem Hören helfen, dich wieder an die wichtigen Informationen zu erinnern. - Kürze die Wörter, die immer wieder vorkommen, mit einem Großbuchstaben ab (z.B. S für Schokolade) - Achte auf Fachwörter, Namen und Zahlen. - Du kannst auch kleine Zeichnungen machen. 3. Schritt: Notizen ordnen und ergänzen Nach dem Hören kannst du deine Notizen ergänzen und ordnen. - Ordne deine Stichwörter: Überlege, welche Stichwörter zusammengehören. - Streiche Wiederholungen durch. - Bringe die Stichwörter in eine sinnvolle Reihenfolge. - Ergänze deinen Stichwortzettel. Vergleiche ihn dazu mit Mitschülerinnen und Mitschülern. - Unterstreiche oder markiere wichtige Informationen. 4. Schritt: Fasse den Hörtext mit Hilfe der Notizen zusammen Nutze deine Notizen und fasse den Text mit eigenen Worten zusammen. 185 6.2 Methodik des Hörverstehens Du hörst gleich ein Interview, das die Kinderreporter Nica, Sam, Piet und Ben von den radiofüchsen mit dem Tierfilmer Thoralf Grospitz geführt haben. Das Interview stammt von der Homepage radiofuechse.de - einer Webseite von Kindern für Kinder. Hier findest du viele Reportagen und Interviews, die du dir anhören kannst. ❶ Höre das Interview mit dem Naturfilmer Thoralf Grospitz über seine Arbeit. - Nach dem Hören sollst du einen Kurzvortrag über die Arbeit von Thoralf Grospitz halten. - Beim Hören sollst du dir Notizen machen. ❷ Entscheide, ob du nur eine Frage, die einzelnen Fragen nacheinander oder alle Fragen zusammen bearbeiten möchtest. Lasse dich von deiner Lehrerin oder deinem Lehrer beraten. Auf dem Zettel findest du wichtige Fragen der Radiofüchse. ❸ Vergleiche nach dem Hören deinen Notizzettel mit dem eines Lernpartners. - Welche Stichwörter sind gleich? Welche verschieden? - Hast du wichtige Stichwörter vergessen? - Ergänze deinen Stichwortzettel. ❹ Haltet eure Kurzvorträge und gebt wieder, was in den einzelnen Abschnitten steht. Nutzt dazu eure Notizzettel. 1. Was war das gefährlichste Tier, das Thoralf Grospitz gefilmt hat? 2. Welches Tier war am schwierigsten zu filmen? 3. Wie werden Kameras versteckt? 4. Wie nahe ist Thoralf Grospitz schon einmal an ein wildes Tier herangekommen? 5. Welches Tier mag der Tierfilmer am meisten? 6. Filmt Thoralf Grospitz auch verletzte Tiere? 7. Warum und wie ist Thoralf Grospitz Tierfilmer geworden? 8. Welche „wilden“ Tiere hat der Thoralf Grospitz in Hamburg gefilmt? 9. Was sagt der Tierfilmer über Füchse? 10. Ist es einfacher, in Hamburg oder in Afrika zu filmen? 11. Welche Tiere will Thoralf Grospitz in Zukunft noch filmen? Abb. 7: Aufgaben-Modul „Notizen machen“ 186 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Kurzkommentar Die Schülerinnen und Schüler werden zunächst darüber orientiert, in welchen Situationen es sinnvoll ist, Notizen zu machen und wie sie dabei vorgehen können (Schritt 1-3): Dazu bekommen sie eine Reihe von Tipps zum Notizenmachen (Stichwörter notieren, Abkürzungen verwenden, auf Zahlen achten usw.) sowie zum Ordnen und Ergänzen der Notizen. Anschließend wird das Hören und Notizenmachen an einem Beispiel geübt (Experteninterview mit einem Naturfilmer). Vor dem Hören müssen die Zuhörenden wissen, worauf sie ihr Hörinteresse richten wollen - dies ist die Voraussetzung dafür, sich zielgerichtet Notizen zu machen. Die Schülerinnen und Schüler hören das Experteninterview und sollen die Informationen für einen Kurzvortrag nutzen (Aufgabe 1). Während des Zuhörens machen die Schülerinnen und Schüler Notizen und bekommen dafür wichtige Interviewfragen an die Hand, die sie bearbeiten sollen (Aufgabe 2). Die Aufgabe kann als Partnerarbeit durchgeführt werden, um Hörstress zu vermeiden. Die Notizen werden in Partnerarbeit miteinander verglichen und ergänzt (Aufgabe 3). Abschließend werden die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse mündlich in Kurzvorträgen präsentiert (Aufgabe 4). 6.2.3 Aufgaben nach dem Hören Aufgaben nach dem Hören beziehen sich auf die sprachliche oder inhaltliche Weiterverarbeitung des Gehörten. Zum einen dienen die Aufgaben der Überprüfung des Hörverstehens, z. B. Zuordnungsaufgaben, Ja-Nein-Aufgaben, Raster mit W-Fragen (Wer hat was, wann, wo, wie, warum gemacht? ) oder Überprüfung von Zusammenfassungen. Zum anderen handelt es sich um Transferaufgaben, die darauf ausgerichtet sind, mit den Ergebnissen weiterzuarbeiten. Dazu zählen beispielsweise schriftliche Stellungnahmen, aber auch kreative Aufgaben, Texttransformationen (ein Märchen in eine Zeitungsmeldung umschreiben), Perspektivenwechsel (ein Märchen aus einer anderen Perspektive erzählen), eine wichtige Stelle als Rollenspiel darstellen. Bei diesen Anschlussaufgaben wird das Hörverstehen demnach mit anderen Lernbereichen vernetzt. Das folgende Beispiel illustriert Aufgaben nach dem Hören. Das Hörverstehen bezieht sich auf einen literarischen Text, das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Märchen weisen eine klare Struktur auf, die das Hören erleichtert. Einführung, Komplikation und Lösung bilden den roten Faden, an dem die Schülerinnen und Schüler sich beim Hören orientieren können. Typisch sind zudem die stereotyp gezeichneten Figuren, die einander gegenübergestellt werden. Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ zeichnet sich durch seinen besonderen Schluss aus - kein klassisches gutes Ende, sondern die Entlarvung des Kaisers. Durch seine gleichnishaften Züge regt es in besonderem Maße zum Nachdenken an. 187 6.2 Methodik des Hörverstehens 188 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 8: Aufgaben nach dem Hören (Märchen) aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs 4.2 (6. Schuljahr) (2017, 102 f.) 189 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Kurzkommentar Die Schülerinnen und Schüler werden zunächst über den Ablauf der Hörverstehensaufgabe informiert: Sie hören das Märchen zwei Mal. Nach dem ersten Hören sollen sie anhand von Bildern nur das wiedergeben, was sie verstanden haben (Aufgabe 1). Dann bekommen sie Aufgaben, die das zweite Hören steuern: Sie lesen sich diese Aufgaben durch, hören daraufhin das Märchen zum zweiten Mal und bearbeiten die Aufgaben (Aufgabe 2). Auch in diesem Beispiel lesen die Schülerinnen und Schüler zunächst die Fragen, damit sie wissen, worauf sie beim Hören zu achten haben (Aufgabe 2). Vor dem Hören bekommen die Schülerinnen und Schüler zudem noch einige Hilfestellungen: Zum einen Bilder, die wichtige Szenen des Märchens darstellen; zum anderen schwierige zentrale Textstellen. Das Hörverstehen wird somit vorentlastet und es ist gewährleistet, dass alle Schülerinnen und Schüler dem Märchen folgen können. Unstrittig ist in der Hörverstehensdidaktik, dass Fragen zum Hörtext nicht erst nach dem Hören gestellt werden dürfen, da dies Detailverstehen voraussetzt - was den Zuhörer überfordert und der konstruktivistischen Verstehenstheorie widerspricht. Nach dem Hören des Textes und der Besprechung der Aufgaben 1 und 2 ist den Schülerinnen und Schülern klar, wer die Hauptfiguren sind und was im Märchen passiert. Darauf aufbauend arbeiten sie mit ihren Ergebnissen weiter und können dabei aus einer Reihe vielfältiger handlungs- und produktionsorientierter Aufgaben auswählen (Aufgabe 3): ▶ das Märchen gemeinsam nacherzählen, ▶ eine Zeitungsmeldung zum Märchen schreiben, ▶ in einem Perspektivenwechsel das Märchen aus Sicht einer anderen Person erzählen oder schreiben ▶ das Märchen in Kurzform nacherzählen, ▶ Standbilder zu Märchenabschnitten bauen, ▶ über das Märchen nachdenken. 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Augenblicklich spielt das Hörverstehen in den Deutschbüchern so gut wie keine Rolle. Lediglich in den Sprachbüchern in den mehrsprachigen Ländern wie in Luxemburg wird das Hörverstehen als gleichwertiger Kompetenzbereich neben dem Leseverstehen sowie dem Sprechen und Schreiben angesehen. Im Folgenden werden daher weitere Hörverstehensaufgaben aus einem Luxemburger Deutschbuch vorgestellt, die den skizzierten hörverstehensdidaktischen und -methodischen Voraussetzungen entsprechen. Das erste Beispiel bezieht sich auf das Hörverstehen eines Sachtextes, das zweite auf das eines literarischen Textes und das dritte auf die Bearbeitung eines Hörbuchs. In allen Beispielen werden hörverstehensdidaktische Konzepte und Methoden berücksichtigt (vgl. Kapitel 6.2). 190 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 6.3.1 Hörverstehen eines Sachtextes (Interview) Im folgenden Beispiel müssen die Schülerinnen und Schüler ein Interview bearbeiten. Es handelt sich um ein Interview, das Kinderreporter der radiofüchse mit dem Astronauten Alexander Gerst geführt haben. 191 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Abb. 9: Aufgaben-Modul „Ein Astronaut am Fuchstelefon“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs 4.1 (5. Schuljahr) (2016, 90 f.) 192 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Kurzkommentar Zu Beginn der Hörverstehensaufgabe wird das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aktiviert bzw. aufgebaut (Aufgabe 1). In unserem Beispiel ist damit auch die Einführung des entsprechenden Themenwortschatzes verbunden: Raumstation, Astronaut, Weltraum, Raumanzug, Raumschiff - die Bedeutung dieser Begriffe sollte den Schülerinnen und Schülern klar sein, bevor sie das Interview hören. Dann wird das Interview zweimal gehört. Beim ersten Hören sollen die Schülerinnen und Schüler sich vor allem auf die das Interview steuernden Fragen konzentrieren (Aufgabe 2). Beim zweiten Hören konzentrieren sie sich dann auf die Antworten des Astronauten auf die Fragen der Kinderreporter und notieren Stichwörter auf einem Notizzettel (Aufgabe 3a). Um Hörstress zu vermeiden, ist es sinnvoll, dabei kooperativ zu arbeiten (Aufgabe 4). Beim Besprechen der Ergebnisse kann jeder das beitragen, was er verstanden hat - niemand muss und kann alles verstehen. Nach der Rekonstruktion der wichtigsten Inhalte erfolgen das Verarbeiten und Nachdenken über das Interview: Die Schülerinnen und Schüler ordnen das Gehörte ein und bewerten es; sie bilden sich schließlich eine eigene Meinung zum Beruf des Astronauten (Aufgabe 3b). 6.3.2 Hörverstehen eines literarischen Textes (Geschichte) Das folgende Beispiel bezieht sich auf das Hörverstehen einer literarischen Geschichte. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Buch „Geisterhaus oder: Das Grauen lauert hinter der Tür“ von Doris Meißner-Johannknecht. Kurzkommentar In diesem Beispiel wird ein literarischer Text gehört. Vorwissen und Sachwissen werden nicht aktiviert - stattdessen steht die Hypothesenbildung im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler sollen zunächst ihre Erwartungen auf Grund des Titels des Buches formulieren (Aufgabe 1). Dann hören sie den Auszug einmal und sollen während des Hörens die Orte ankreuzen, zu denen Arvid gelangt (Aufgabe 2). Nach dem Hören geht es um das Globalverstehen (Aufgabe 3): Die Schülerinnen und Schüler erfassen, was in der Geschichte passiert und wie die Hauptfigur sich dabei fühlt. Dann hören sie die Geschichte ein zweites Mal und rekonstruieren den „roten Faden“ der Geschichte, indem sie die „Spuren“, die Arvid findet, der Reihe nach auflisten (Aufgabe 4). Nach dem zweiten Hören arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit ihren Ergebnissen weiter. Sie begründen, warum Arvid immer ängstlicher und nervöser wird (Aufgabe 5). Da im Text Spannung aufgebaut wird und dabei bewusst mit Zeichen und Andeutungen gespielt wird, ist er besonders geeignet, Prozesse des Antizipierens und Inferierens anzuregen. Die Schülerinnen und Schüler können sich dabei auch bewusst machen, wie Spannung erzeugt wird und dann selbst einen Schluss für die Geschichte erfinden, um die Spannung aufzulösen (Aufgabe 6). Abschließend kann das Originalende mit den eigenen Vorstellungen verglichen werden (Aufgabe 7). Der literarische Text lässt eine Vielzahl weiterer kreativer Aufgaben zu: Die Schülerinnen und Schüler können sich in die Hauptfigur hineinversetzen und die Geschichte miterleben und schließlich auch eine eigene Geschichte nach dem vorgegebenen Erzählmuster erzählen. 193 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Eine spannende Geschichte hören Vor dem Hören ❶ Du hörst gleich eine Geschichte von über ein Geisterhaus. Schau dir das Buchcover an und lies den Klappentext. - Wie stellst du dir ein solches Geisterhaus vor? Zeichne es. - Wie fühlt sich Arvid? Warum fühlt es sich vielleicht so? Während des ersten Hörens ❷ Höre die Geschichte einmal. Kreuze beim Hören die Orte an, an denen sich Arvid befindet. an der Haustür in der Küche in der Schule auf dem Speicher auf dem Sportplatz in den Zimmern des Hauses in seiner Straße im Garten an der Haustür im Keller auf der Terrasse in seinem Zimmer Nach dem ersten Hören ❸ Erzähle, was passiert. Orientiere dich an den Orten, an denen sich Arvid befindet. - Wie fühlt sich Arvid? Warum? Arvid ist gerade mit seinen Eltern in eine fremde Stadt gezogen. Alles ist neu: die Stadt, die Schule, das Haus. Vor allem das Haus ist Arvid von Anfang an unheimlich und viel zu groß. Und dann findet er plötzlich unerklärliche Spuren im Haus. Handelt es sich etwa um ein Geisterhaus? 194 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 10: Aufgaben-Modul „Eine spannende Geschichte hören“ Während des zweiten Hörens ❹ Höre die Geschichte noch einmal und notiere während des Hörens die Spuren, die Arvid findet. Nach dem zweiten Hören ❺ Denkt über die Geschichte nach: - Begründe: Warum wird Arvid immer ängstlicher und nervöser? - Erläutere: Wie wird Spannung erzeugt? ❻ Schreibe eine Fortsetzung der Geschichte. - Versuche dabei, die Spannung aufzulösen. - Vergleicht eure Geschichten. ❼ Hört das Original. - Wie endet die Geschichte? - Wie wird die Spannung aufgelöst? Spuren, die Arvid findet ... … in der Straße … an der Haustür …im Flur…. … in der Küche … in seinem Zimmer 195 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch 6.3.3 Hörverstehen eines Hörbuchs/ Hörspiels Im Deutschunterricht sind nicht nur kurze Hörtexte zu behandeln - auch Hörbücher sollten Gegenstand des Unterrichts sein (vgl. Wermke 2004; Müller (2012). Bei der unterrichtlichen Behandlung von Hörbüchern sollte grundsätzlich ihre literaturfördernde Wirkung beachtet werden. Es geht nicht nur um das hörende Verstehen, sondern auch darum, Interesse für Literatur zu wecken. Es sollten bei der Behandlung von Hörbüchern allerdings nicht nur die von Karla Müller (2012) favorisierten „Hörspiele“ vorkommen, die vielfältige Inszenierungsmöglichkeiten enthalten. Hörbücher, die der Lesung nachempfunden sind, schaffen eine dem authentischen Vorlesen nachempfundene Intimität zwischen Erzähler und Zuhörenden. Bei diesen Hörbüchern können Hörempathie und emotionale Teilhabe besonders zum Tragen kommen. Bei der unterrichtlichen Behandlung von Hörbüchern ist ebenfalls eine methodische Phasierung der Bearbeitung empfehlenswert: 1. Vor dem Hören: Es ist wichtig, das Zuhören vorzubereiten und auf einen entspannenden Rahmen zu achten. Dabei ist aber gleichermaßen das Aufrechterhalten der Konzentration über einen längeren Zeitraum und das aufmerksame Zuhören ohne Ablenkung im Blick zu behalten. Dabei kann das Hören durch handlungs- und produktionsorientierte Aufgaben motiviert werden. Wenn das „Hörergebnis“ gebraucht wird, um beispielsweise ein Schattentheater oder ein szenisches Spiel aufzuführen, sind Schülerinnen und Schüler motivierter, zuzuhören. 2. Während des Hörens: Aufrechterhalten der Konzentration kann auch dadurch erreicht werden, dass das Hören immer wieder in ein Gespräch über das Gehörte übergeht - wie beim Vorlesegespräch. Die Zuhörenden werden miteinbezogen und haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Kommentare abzugeben. Das Hören kann immer wieder unterbrochen werden, um Hypothesenbildungen bei den Schülerinnen und Schülern anzuregen (Was könnte jetzt passieren? ) 3. Nach dem Hören: Nach dem Hören können die verschiedensten Aufgaben bearbeitet werden: Zunächst einmal ist es wichtig, zu thematisieren, wie es den Schülerinnen und Schülern beim Hören ergangen ist: Was ist dir aufgefallen? Hast du dem Erzähler folgen können? Wie findest du die Art und Weise, wie er erzählt? Beim Globalverstehen einzelner Hörbuchkapitel kann die Handlung rekonstruiert werden - etwa durch eine Nacherzählung. Dabei empfiehlt es sich, die Zuhörenden miteinzubeziehen und die Rollen zu wechseln. In den Aufgaben zur Weiterarbeit wird die Bearbeitung des Hörbuchs mit den Lernbereichen „Sprechen“ und „Schreiben“ vernetzt. Die Schülerinnen und Schüler können Stellen im szenischen Spiel darstellen oder mit den Figuren Kontakt aufnehmen, ihnen Briefe oder E-Mails schreiben oder auch die Perspektiven wechseln und aus der Sicht einer Figur schreiben oder sprechen. Beim Thema Hörbuch können Schülerinnen und Schüler auch angeregt werden, ein eigenes Hörbuch aufzunehmen. Ob zudem über die „Machart“ des Hörbuchs und über Formen ästhetischer Wahrnehmung gesprochen werden sollte, hängt vom Hörbuch und den individuellen Lernervoraussetzungen ab. 196 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Im folgenden Beispiel (wortstark 2019, 178-185) hören und bearbeiten die Schülerinnen und Schüler Auszüge aus dem Hörbuch „Mein Hund Mister Matti“. Es handelt sich hierbei nicht um ein Hörspiel im Sinne Karla Müllers (2012), dieses Hörbuch ist eher einer Lesung nachempfunden: Wir hören nur eine Stimme, es gibt weder Geräusche noch Musik, der Erzähler verzichtet auf exponierte sprechsprachliche Mittel und Dramatisierung. Da vielen Schülerinnen und Schülern Hörspiele und Hörbücher bekannt sind, kann an gewohnte Rezeptionsgewohnheiten angeknüpft werden. Bei der Arbeit mit Hörbüchern können Teilkompetenzen, die beim Verstehen literarischer Texte zentral sind, entwickelt werden (etwa Figuren charakterisieren oder die Handlung rekonstruieren). Zudem wird aber auch die Bildung des Vorstellungsvermögens der Schülerinnen und Schüler durch die Rezeption auditiver Literatur unterstützt. Die dabei entstehenden Bilder im Kopf der Zuhörenden können sowohl Fremdverstehen als auch Empathie sowie eine Perspektivübernahme fördern. „Mein Hund Mister Matti“ eignet sich besonders, die verschiedenen Teilkompetenzen zu entwickeln. Wenn Schülerinnen und Schüler die Arbeit mit Hörbüchern noch nicht kennen, können vor dem Hören Entspannungsübungen gemacht werden (zum Beispiel sich zu Musik ausschütteln). Sie sollten während des Zuhörens nicht gestört werden und können Kopfhörer aufsetzen. Die Aufgaben sind am Verstehensprozess der Schülerinnen und Schüler orientiert: von Aufgaben zum Antizipieren über Aufgaben zum globalen Verstehen bis hin zu Transfer-Aufgaben, bei denen die Schülerinnen und Schüler kreativ mit ihren Ergebnissen weiterarbeiten. Bei den Aufgaben kommen vor allem offene Formate zum Einsatz (z. B. einen Tagebucheintrag schreiben), die Schülerinnen und Schüler zum Hören motivieren. Hervorzuheben ist zudem, dass viele Aufgaben kooperativ bearbeitet werden können (z. B. beim Erzählen das Schattentheater nutzen). Hierdurch wird nicht nur Hörstress vermieden, sondern auch ein gemeinsames Hören initiiert. Das Hörbuch-Kapitel in wortstark gliedert sich in folgende Aufgaben-Module: ▶ sich über das Hörbuch informieren und Ideen sammeln, was beim Zuhören wichtigt ist, ▶ die Hauptfiguren kennenlernen, ▶ eine Hörszene nacherzählen, ▶ verstehen, was die Figuren denken und fühlen, ▶ mit einer Hörszene weiterarbeiten. Kurzkommentar Vor dem Hören lernen die Schülerinnen und Schüler zum einen das Buch und sein Thema kennen (Aufgabe 1), zum anderen stellen sie sich auf das Hören ein (Aufgabe 2). Das Bild auf der Titelseite verrät bereits, wer die „Hauptfiguren“ sind und dass es um eine besonders intensive Beziehung geht. Damit wird Motivation aufgebaut, sich mit dem Buch zu befassen. Da es hörend rezipiert wird, bekommen die Schülerinnen und Schüler zudem eine Reihe von Tipps, denn auch das „Zuhören will gelernt sein! “ 197 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Abb. 11: Aufgaben vor dem Hören des Hörbuchs aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 178) T E X T E U N D M E D I E N Ein Buch kannst du lesen - oder hören: als Hörbuch. Wenn du eine Geschichte hörst, musst du nicht selbst lesen - aber auch das Zuhören will gelernt sein! Ihr beschäftigt euch in diesem Kapitel mit Episoden aus diesem Hörbuch: Mit Hörbüchern arbeiten Informiere dich zunächst über das Hörbuch. Schau dir dazu die Vorderseite des Hörbuchs an. Was erfährst du? - Wer spielt in diesem Hörbuch wohl eine wichtige Rolle? - Was verrät dir das Bild? 1 Hört die einzelnen Episoden des Hörbuchs zwei Mal: ‒ Nach dem ersten Hören sprecht ihr darüber, worum es in dieser Episode geht und was euch besonders auffällt. ‒ Lest dann die Aufgaben und hört die Episode noch einmal. ‒ Besprecht zum Schluss eure Ergebnisse und arbeitet damit weiter. Mit einem Hörbuch arbeiten METHODE Zuhören will gelernt sein! - Ich schließe die Augen und höre nur zu. - Ich achte besonders auf die Stimme des Sprechers. - ... Sammelt Ideen, was beim Zuhören wichtig ist. Erstellt ein Lernplakat „Zuhören will gelernt sein! “. 2 198 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Nun hören die Schülerinnen und Schüler erst den Anfang des Hörbuches „Mister Matti bekommt seinen Namen“. Nach dem Hören können unterschiedliche Aufgaben und Aufgabenformate angeschlossen werden. Zunächst sollen die Schülerinnen und Schüler sich klar machen, wer die Geschichte erzählt und welche Figuren vorkommen (Aufgabe 1 und 2). Sie sollen aber auch darüber sprechen, wie es ihnen beim Hören ergeht (Aufgabe 3): Abb. 12: Aufgaben nach dem Hören aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 179) 179 Mit Hörbüchern arbeiten Die Hauptfiguren kennenlernen Wenn du eine Geschichte hörst, musst du dir klarmachen, wer die Geschichte erzählt und wer in der Geschichte mitspielt. Zwei Hauptfiguren dieser Geschichte habt ihr schon auf der Vorderseite des Hörbuchs entdecken können ... Hört den Anfang des Hörbuchs. Ihr lernt die wichtigsten Figuren kennen. a) Wer ist Mister Matti? Wer gehört zur Familie Ingram? Schreibe die Figuren auf und notiere dazu, wer gemeint ist. 1 → Medienpool: Mein Hund Mister Matti (1) Es macht Spaß, zuzuhören, weil … Zuhören ist schöner, als selber lesen. Ich finde, der Sprecher klingt ziemlich alt …. b) Corey und Mister Matti - was erfährst du über die beiden? - Warum fährt Corey mit den Eltern zu Onkel Gavin? - Welchen Hund sucht sich Corey aus? - Warum sucht sich Corey ausgerechnet diesen Hund aus? - Wie kommt Mister Matti zu seinem Namen? Die Geschichte ist in der Ich-Form erzählt. Wer erzählt die Geschichte? Sprecht darüber, wie es euch beim Zuhören geht. 2 3 Ergänzt euer Lernplakat „Zuhören will gelernt sein! “ 4 b) Corey und Mister Matti - was erfährst du über die beiden? Mister Matti sein ... Grace Amelia Gavin Dad Mum Corey ein Junge 199 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch 180 Mit Hörbüchern arbeiten Eine Hörszene nacherzählen Beim Nacherzählen einer Geschichte müsst ihr auf verschiedene Dinge achten: Erzählt der Reihe nach, was passiert. Achtet dabei darauf, was besonders wichtig oder interessant ist. Erzählt also immer so, dass eure Zuhörer aufmerksam bleiben. Wenn ihr einen Erzählfaden spinnt, können eure Zuhörer die Geschichte besser verstehen. Hier könnt ihr das einmal ausprobieren. Mister Matti beherrscht ein einziges Kunststück. Hört, wie es dazu kam. Sprecht nach dem Hören über folgende Fragen: a. Wie alles begann: Was machte Corey, wenn der Zeitungsausträger kam? b. Was machte Mister Matti am Anfang mit der Zeitung? c. Was brachte Corey Mister Matti zuerst bei? d. Was passierte eines Tages völlig unerwartet? e. Was passierte kurze Zeit später? f. Was passierte an einem Samstag Besonderes? g. Warum heißt die Episode Mattis einziges Kunststück? Hört die Episode noch einmal. Erstellt dann gemeinsam eine Liste mit Bildern und Stichwortzetteln, die ihr an eine „Erzählleine“ hängt. - Ihr könnt euch die Hörszene mehrmals anhören. - Malt Bilder und macht euch Notizen wie im Beispiel. - Gestaltet zu den Fragen aus Aufgabe 1 Bild- und Notizzettel. 1 → Medienpool: Mein Hund Mister Matti (2) 2 Wie alles begann ... Zeitungsausträger warf Zeitung aus dem Auto Zeitung landete auf dem Rasen Die Schülerinnen und Schüler hören eine weitere Episode aus dem Hörbuch: „Mister Mattis einziges Kunststück“. In der dazugehörenden Aufgabe geht es darum, eine Episode nachzuerzählen (Aufgabe 3 und 4). Dabei werden die Zuhörer mit einbezogen: Zuhören und selbst erzählen werden miteinander verknüpft. Zum Nacherzählen bekommen die Schülerinnen und Schüler zudem Formulierungshilfen (vgl. wortstark-Kasten). Schließlich sollen die zuhörenden Schülerinnen und Schüler Rückmeldungen geben (Aufgabe 5). 200 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 13: Aufgaben nach dem Hören aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 180 f.) 181 Mit Hörbüchern arbeiten Erzählt die Episode nach. Wechselt euch beim Erzählen ab. - Nutzt die Erzählleine - Erzählt in der Ich-Form und im Präteritum. - Nutzt die „Erzählwörter“ vom wortstark! -Zettel. Wechselt euch mit der Erzähler- und Zuhörerrolle ab. Macht mehrere Erzähldurchgänge. Ihr könnt eure Erzählungen auch aufnehmen und gemeinsam besprechen. 3 4 wortstark! Alles begann mit … Einmal war ich … Nach diesem Erlebnis … Aber es gab ein kleines Problem ... Eines Tages passierte etwas völlig Unerwartetes: … Am nächsten Tag … Kurze Zeit später … An einem Samstag … Er machte es jeden Tag und vergaß es nie. Lass dir von deinen Zuhörern Rückmeldungen geben. - Was hast du als Erzähler gut gemacht? - Was ist unklar geblieben? - Wo hättest du ausführlicher erzählen sollen? - Was hat den Zuhörern besonders gut gefallen? - Was kannst du beim Nacherzählen noch verbessern? 5 Wenn ihr euch die CD besorgt, könnt ihr auch andere Episoden aus dem Hörbuch anhören und nacherzählen. Am Ende hast du zu viel weggelassen … Ich habe dir gern zugehört, weil … 201 6.3 Hörverstehen im Deutschbuch Bei weiteren Aufgaben geht es nun darum, herauszuarbeiten, was die Personen denken und fühlen. Dazu hören die Schülerinnen und Schüler das Kapitel „Meine Lieblingsgeschichte von Mister Matti“ und erzählen die Episode nach (Aufgabe 1). Hierzu können sie einen Bildimpuls nutzen. Anschließend können sie sich in die Gedanken- und Gefühlswelt der Hauptfigur (Corey) hineinversetzen (Aufgabe 2) und entweder einen Tagebucheintrag der Hauptfigur zur Episode schreiben oder in Partnerarbeit ein Interview mit Corey entwerfen. Abschließend können sie in einem „Hör-Gespräch“ darüber reflektieren, wie sie die gehörte Lieblingsgeschichte von Corey finden (Aufgabe 3). Abb. 14: Aufgaben nach dem Hören aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 182) 182 Mit Hörbüchern arbeiten Verstehen, was die Figuren denken und fühlen In einer Geschichte ist wichtig, was alles passiert. Es ist aber auch wichtig, was die Personen denken oder fühlen. Hört euch „Meine Lieblingsgeschichte von Mister Matti“ an. Erzählt, was Mister Matti macht, wenn Corey aus der Schule kommt. Schaut euch dazu auch das Bild an. 1 → Medienpool: Mein Hund Mister Matti (3) Versetze dich in die Gedanken und Gefühle von Corey. Was bedeutet Mister Matti für Corey? Suche dir Aufgabe A oder B aus. A Schreibe einen Tagebucheintrag Coreys. B Arbeitet zu zweit und macht ein Interview: Einer spielt Corey, der andere befragt ihn. Wechselt die Rollen. Überlegt euch gemeinsam Fragen an Corey. - Erzähl mal, wie sieht dein Hund aus? - Was ist typisch für Mister Matti? - Was macht er, wenn du aus der Schule kommst? - ... Sprecht darüber, wie ihr diese „Lieblingsgeschichte“ von Corey findet. 2 3 So einen Hund hätte ich auch gern, denn … Ich finde nicht schön, was Corey am Ende der Geschichte mit Mister Matti macht: … Mister Matti wartet jeden Mittag auf Corey, wenn er aus der Schule kommt. Mister Matti wedelt immer verrückt mit dem Schwanz, wenn er … 202 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Den Abschluss der Bearbeitung des Hörbuchs bilden produktionsorientierte und handlungsorientierte Aufgaben. Hierzu hören die Schülerinnen und Schüler das Kapitel „Was Mister Matti Angst macht“. Sie sollen mit ihrer Geschichte weiterarbeiten und zeigen, wie sie diese verstehen. Ihr Hörverstehen zeigen sie, indem sie sich gegenseitig Fragen zur Hörszene stellen und diese beantworten (Aufgabe 1). Anschließend zeigen sie, wie sie die Hörszene interpretieren, indem sie entweder ein Bild oder einen Comic malen und erklären (Aufgabe 2A), eine E-Mail an eine Figur schreiben und darin ihre Meinung kundtun (Aufgabe 2B) oder aber zusammen ein Schattentheater vorbereiten und aufführen (Aufgabe 2C) und dabei ihre mündlichen Präsentationskompetenzen schulen. Abb. 15: Aufgaben nach dem Hören aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 185) 185 Mit Hörbüchern arbeiten Eine Hörszene selbstständig bearbeiten Manche Menschen hatten Angst vor Mister Matti, weil er so groß war. Aber es gab auch Dinge, die Mister Matti Angst machten ... Hört eine weitere Episode von Mister Matti. Schreibt drei Fragen auf, die ihr eurem Lernpartner stellt. - Was macht Mister Matti? - Wie versucht Corey, Mister Matti zu helfen? - Warum hat Mister Matti Angst? Nun sollt ihr zeigen, wie ihr die Geschichte versteht. Wählt Aufgabe A, B oder C aus: A Male oder zeichne ein Bild oder einen Comic zu der Geschichte. Erkläre, was du gemalt hast. B Schreibe eine E-Mail an Onkel Gavin. Schreibe darin, - was Onkel Gavin macht und - wie du sein Verhalten findest. Begründe deine Meinung. C Sucht euch eine Szene aus und gestaltet in kleinen Gruppen ein Schattentheater. Wie das geht, steht in dem Methodenkasten. - Spielt die Szene mehrmals und lasst euch von den Zuschauern Rückmeldungen geben: Was ist gut gelungen? Was könnt ihr beim Erzählen noch verbessern? 1 → Medienpool: Mein Hund Mister Matti (5) 2 Ihr könnt eure Aufführungen auch aufnehmen. Beim Schattentheater lasst ihr beim Erzählen Figuren sprechen, um eure Zuhörer zu unterhalten. 1. Ihr braucht für das Schattentheater nur eine Lampe und eine helle Wand. Gestaltet die Schattenfiguren mit den Händen. Ihr könnt aber auch Figuren und Gegenstände ausschneiden. 2. Hört noch einmal die Episode: Was passiert? Welche Figuren kommen vor? Was könnten die Figuren sagen? 3. Spielt nun die Geschichte und lasst die Figuren sprechen: Was denken und fühlen sie? Drücke das mit deiner Stimme aus. Probiert verschiedene Möglichkeiten aus und lasst euch vom Publikum Rückmeldung geben. Erzählen und dabei das Schattentheater nutzen METHODE 203 6.4 Hörverstehen testen Die Aufgaben können verdeutlichen, dass das Medium Hörbuch sich besonders eignet, um einen Zugang zum Buch zu eröffnen und schülerorientiert zu arbeiten. Karla Müller nennt noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Sie gibt den Hinweis, dass Hörmedien mit paralleler Mehrsprachigkeit für Unterricht mit Kindern mit Deutsch als Zweitsprache sehr ergiebig sein könnten (Müller 2017, 244) - und auch den Deutschunterricht aller im Hinblick auf Sprachbewusstsein bereichern könnten. 6.4 Hörverstehen testen Das Hörverstehen („verstehend zuhören“ nach den Bildungsstandards Deutsch) ist in einigen Bundesländern Teil der Vergleichsarbeiten (VERA) sowie Abschlussprüfungen. In Niedersachsen werden beispielsweise ab 2009 jährlich auf der Basis der Bildungsstandards Hörverstehensprüfungen für die Jahrgangsstufe 10 durchgeführt (vgl. NIBIS 2009 ff.). Auch in den Vergleichsarbeiten bezieht man sich auf die Bildungsstandards und orientiert sich an den Vorgaben des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) (vgl. dazu z. B. Krelle/ Prengel 2014 und IQB o. J.). Wie wird das Hörverstehen getestet? Entsprechen die Prüfungen den in der Hörverstehensdidaktik herausgestellten Leitlinien? Welche Erkenntnisse über die Hörverstehenskompetenz liefern die Tests? Dazu wollen wir nun einige Beispiele heranziehen. 6.4.1 Hörverstehensaufgaben in Abschlussprüfungen Das folgende Beispiel für den Realschulabschluss stammt aus dem Jahre 2014 (zitiert nach Finale 10/ 2015, 116 f.). Der Hörtext besteht aus dem Radiointerview mit der Sinologin Inge Klöpfer, das 2012 im Hessischen Rundfunk in der Reihe hr-iNFO produziert und gesendet wurde. Zu diesem Hörbeitrag sollen die Prüflinge fünf Aufgaben bearbeiten - vier offene Antwortformate und eine Multiple-Choice-Aufgabe (s. Abb. 16). Der Ablauf der Prüfung ist genau festgelegt: Der Hörverstehenstext wird den Prüflingen mit kurzer Pause zweimal vorgespielt. Beim zweiten Vorspielen dürfen sie sich Notizen machen. Nachfragen zum Inhalt sind nicht gestattet. Die Antwortbögen erhalten die Prüflinge nach dem zweiten Abspielen. Unmittelbar nach der Bearbeitung werden die Arbeitsbögen eingesammelt. Aufgabe 1 Original-Prüfungsaufgaben Realschulabschluss Niedersachsen 2014 Hörverstehen: "Das optimierte Kind" Fasse kurz den Inhalt des Radiobeitrages zusammen. Aufgabe 2 Warum sollen sich nach Meinung der Autorin Kinder dauerhaft anstrengen? Aufgabe 3 Wer sollte entscheiden, wann ein Kind dauerhaft überfordert ist? Aufgabe 4 Die Buchautorin bezieht sich auf die Studie ihrer Tochter. 204 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 16: Original-Prüfungsaufgaben für den Realschulabschluss Niedersachsen (2014) - Hörverstehen: „Das optimierte Kind“, nach Finale (10/ 2015, 116 f.) Dieser Hörverstehenstest ist ein herber Schlag ins Kontor der Hörverstehensdidaktik: 1. Die Prüflinge erhalten keinerlei Orientierung über die Hörsituation und über das Thema des Hörtextes. Aufgaben vor dem Hören werden nicht gestellt. 2. Die Prüflinge werden vor dem Hören nicht über die Höraufgaben informiert, d. h. sie wissen nicht, worauf sie beim Hören achten sollen und welche Hörziele sie mit dem Hörtext verfolgen sollen. Bei Lokalisierungsaufgaben, bei denen gezielt nach Detailinformationen gefragt wird (Aufgabe 2, 3 und 4), zeigt sich, dass diese mit Lesetexten leichter zu lösen wären, da die Prüflinge den Text gezielt nach der gesuchten Information scannen können. Diese Möglichkeit entfällt für den Zuhörer, insbesondere dann, wenn die Fragen nach dem Zuhören präsentiert werden. Er kann die relevante Textstelle nicht wieder aufsuchen, sondern muss sich auf seine Erinnerung verlassen. Welche Inhalte erinnert werden, hängt allerdings von einer Reihe personaler Variablen ab (z. B. von seinem Vorwissen, seinen Hörinteressen, seiner Prüfungsangst). 3. Der Hörverstehenstest ist schon vom Ablauf so angelegt, dass die Prüflinge zunächst möglichst alles rezipieren und behalten müssen. Nach dem Hören müssen sie dann aus der Vielzahl der Informationen einzelne Inhalte aus dem Kurzzeitgedächtnis wieder abrufen, um die Aufgaben beantworten zu können. 4. Die Prüflinge befinden sich in einem Dauerstress, da Interviewer und Interviewte relativ schnell sprechen und die Schülerinnen und Schüler eigentlich alle Informationen aufnehmen sollen. Aufgabe 1 Fasse kurz den Inhalt des Radiobeitrages zusammen. Aufgabe 2 Warum sollen sich nach Meinung der Autorin Kinder dauerhaft anstrengen? Aufgabe 3 Wer sollte entscheiden, wann ein Kind dauerhaft überfordert ist? Aufgabe 4 Die Buchautorin bezieht sich auf die Studie ihrer Tochter. Wie äußern sich die Jugendlichen in dieser Studie zur Frage des Leistungsdrucks? Kreuze die richtigen Aussagen an. Die Jugendlichen geben in der Studie an, dass sie . . . Overmehrt unter Schlafstörungen leiden. Ounter Druck höhere Leistungen erzielen können. Okeinen Leistungsdruck verspüren. Oden Leistungsdruck als normal empfinden. Oals Ausgleich zum Leistungsdruckfeiern. Aufgabe 5 Welche Meinung hast du zu den Aussagen der Buchautorin? Beziehe Stellung und begründe. 205 6.4 Hörverstehen testen 5. Das Hörverstehen beginnt nicht mit einer globalen Frage, die ins Thema einführt oder die Kernthese der interviewten Expertin benennt (z. B. Jugendliche stehen unter enormem Leistungsdruck und wollen das auch). Die Prüflinge müssen in der ersten Frage bereits abstrahierend mit eigenen Worten den Inhalt des Beitrags zusammenfassen, d. h. alles verstanden haben. Bei jedem Hörverstehen geht es aber zunächst darum, den Text einzuordnen, Hypothesen anzustellen und das globale Textverstehen zu sichern. 6. Die Aufgaben sind nicht textsortenbezogen: Es erscheint weder sinnvoll, ein Experteninterview zusammenzufassen noch ein solches Interview mitzuschreiben. 7. Der Test reflektiert in keiner Weise Aufbau und Funktion der Textsorte „Interview“. Absichten, Motive oder Interessen der am Interview beteiligten Personen bleiben ausgespart. 8. Die Phasierung der Hörverstehensmethodik spiegelt sich nicht im Hörtest: Es gibt keine Aufgaben vor dem Hören, keine während des Hörens und die Aufgaben nach dem Hören dienen lediglich dem Inhaltscheck; Anschlussaufgaben werden nicht gestellt. 9. Alle Aufgaben beziehen sich auf die Wiedergabe einzelner Inhalte. Wie soll man eigentlich den Inhalt eines Radiobeitrags, der aus einem Frage-Antwort-Spiel besteht, zusammenfassen? (Aufgabe 1) Die interviewte Buchautorin macht in ihren sechs Gesprächsbeiträgen eine Vielzahl an unterschiedlichen Aussagen. Wie sollen die Prüflinge „zu den Aussagen der Buchautorin“ Stellung nehmen und diese begründen? (Aufgabe 2) 10. Die Distraktoren in der geschlossenen Aufgabe 4 liegen in Abgrenzung und Formulierung sehr nahe zusammen (unter Druck höhere Leistungen erzielen, keinen Leistungsdruck verspüren, den Leistungsdruck als normal empfinden), so dass die Formulierungen eine zusätzliche Erschwernis darstellen. 11. Die Schwierigkeit einer Hörverstehensaufgabe kann auch in der Aufgabenformulierung begründet sein: So kann eine fehlende oder falsche Antwort auch dadurch verursacht sein, dass der Proband die schriftlich vorgelegte Aufgabenformulierung nicht verstanden hat. Gerade differenzierte Aufgabenformulierungen setzen oft eine hohe Lesekompetenz voraus. Es muss also auch der Fall in Rechnung gestellt werden, dass ein Proband möglicherweise am Lesen und nicht an der Bearbeitung der Hörverstehensaufgabe scheitert (vgl. hierzu auch Böhme/ Robitzsch/ Busé 2010). 12. Die Aufgaben beziehen sich nicht auf die Interviewsituation und das Interviewverhalten der Beteiligten: Der Interviewer führt die Zuhörer in das Thema ein (Wir beschäftigen uns in hr-Info …), stellt die Interviewpartnerin vor (Die Autorin und Journalistin Inge Klöpfer hat zusammen mit ihrer Tochter ein Buch geschrieben: ‚Glucken‘ …“), er stellt gezielt Fragen (Frau Klöpfer, welche Art von Leistungsdruck …), er initiiert neue Teilthemen (Selbst in der Arbeitswelt gibt es …), er möchte das Interview anregen und sein Gegenüber „reizen“ (Könnten Sie sich nicht vorstellen, …), fordert die Interviewpartnerin zu Ratschlägen für die Hörer auf (Was raten Sie denn besorgten Eltern? ), schließt das Interview zuhörerbezogen ab und resümiert (Inge Klöpfer …; Ihre These ist …). 13. Die interviewte Autorin stellt Thesen auf (Jugendliche stehen unter einem enormen Leistungsdruck und wollen das auch so …), sie widerspricht dem Interviewer (Ich baue keinen Leistungsdruck auf, sondern …), äußert Meinungen (Ich finde, …; Da würde ich …), stellt 206 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Behauptungen auf, macht Feststellungen, äußert Einschränkungen, nennt Bedingungen usw., sie bestätigt den Interviewer (Oh, ja, sehr …), sie zitiert eine Studie (So haben sie sich jedenfalls in der Umfrage, die meine Tochter gemacht hat, geäußert …), generalisiert (Das ist im übrigen auch nichts besonderes …), streitet ab (Das tue ich auch nicht …), fordert die Zuhörer auf (Manchmal würde ich mir wünschen, dass wir hier in Deutschland … sehr viel weniger jammern …) usw. 14. Es bleibt offen, warum gerade diese Fragen gestellt werden und nicht andere Interviewthemen zum Gegenstand von Aufgaben gemacht werden. 15. Die Aufgaben und Aufgabenformate, die im Hörtest gestellt werden, unterscheiden sich prinzipiell nicht von denjenigen, die zu Lesetexten formuliert werden. Hörverstehensziele werden gewissermaßen mit Leseverstehenszielen gleichgesetzt. So müssen die Schülerinnen und Schüler eine Vielzahl von Inhalten memorieren und nach dem Hören wiederum nach und nach beantworten; die Gesprächsschritte sind dabei nicht mit der Aufgabenabfolge identisch. Hier werden keine Hörverstehenskompetenzen getestet, vielmehr geht es darum, wie viele Informationen Schülerinnen und Schüler beim Hören behalten können. Behalten ist jedoch nicht mit Verstehen gleichzusetzen. Das Hörverstehen darf nicht auf eine Kopie des Gehörten reduziert werden. Die hier geäußerte Kritik bezieht sich auch auf die Zuhöraufgaben und Abschlussprüfungen, die in den einzelnen Bundesländern durch das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) durchgeführt werden (vgl. stellvertretend VERA- o. J.). Auch hier werden beispielsweise Hörtexte präsentiert, die auf Grund ihrer komplexen grammatischen Struktur, ihres besonderen (literarischen) Wortschatzes sowie ihrer Thematik als konzeptionell schriftlich einzuordnen und für die schriftliche Rezeption bestimmt sind (z. B. der Reisebericht „Bummel durch Europa“ von Mark Twain). Die Hörverstehensaufgaben sind nicht phasenorientiert konzipiert: Die Tests beginnen oft mit dem Detailverstehen oder Selektivverstehen. Die bisherigen Hörverstehenstests bestehen nur aus der Beantwortung von Fragen; oft ergeben sich regelrechte Fragebatterien, die von den Schülerinnen und Schülern abgearbeitet werden müssen. An die Psychometriker geht daher die Aufforderung der Didaktiker: Nicht all das, was man testen kann, ist wichtig, es muss vielmehr das testbar gemacht werden, was wichtig und sinnvoll ist! Leider sind die vorliegenden Prüfungsbeispiele keine Einzelfälle. Es wäre dringend angebracht, diese Prüfungspraxis zu revidieren. 6.4.2 Niveaustufenmodelle zur Entwicklung von Hörverstehenstests Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB, Berlin) hat für Hörverstehenstests Niveaustufenmodelle für die Primarstufe und Sekundarstufe I (Hauptschulabschluss und Mittlerer Bildungsabschluss) erarbeitet und vorgelegt. Diese Niveaustufen werden mit dem Erreichen von Standards in Verbindung gesetzt. Dabei werden zunächst einmal folgende Standards unterschieden (KMK 2014, 4): ▶ Mindeststandards beziehen sich auf ein definiertes Minimum an Kompetenzen, das alle Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht haben sollen. Diese 207 6.4 Hörverstehen testen unterschreiten die in den Publikationen der Kultusministerkonferenz (KMK) festgelegten Kompetenzerwartungen der Regelstandards. Sie beschreiben jedoch ein Kompetenzniveau am Ende der Sekundarstufe I, von dem angenommen werden kann, dass sich Schülerinnen und Schüler, die dieses erreichen, bei entsprechender Unterstützung erfolgreich in die berufliche Erstausbildung integrieren werden. ▶ Regelstandards beziehen sich auf Kompetenzen, die im Durchschnitt von den Schülerinnen und Schülern bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollen und den von der KMK definierten Kompetenzzielen entsprechen. ▶ Als Regelstandard plus wird ein Leistungsbereich definiert, der über dem Regelstandard liegt und als Zielperspektive für die Weiterentwicklung von Unterricht angesehen werden kann. ▶ Optimalstandards beziehen sich auf Leistungserwartungen, die bei sehr guten oder ausgezeichneten individuellen Lernvoraussetzungen und der Bereitstellung besonders günstiger Lerngelegenheiten innerhalb und außerhalb der Schule erreicht werden können und die bei weitem die Erwartungen der Bildungsstandards übertreffen. ▶ Das Erreichen dieser unterschiedlichen Standards wird an entsprechende Kompetenzstufen geknüpft. Für den Hauptschulabschluss und Mittleren Schulabschluss werden folgende Stufen aufgestellt (KMK 2014, 11-15): Kompetenzstufe Ia Lokalisieren und Wiedergeben prominenter Einzelinformationen Kompetenzstufe Ib Benachbarte Informationen miteinander verknüpfen Kompetenzstufe II Informationen miteinander verknüpfen und Textstrukturen erfassen Kompetenzstufe III Verstreute Informationen miteinander verknüpfen und den Text ansatzweise als Ganzen erfassen Kompetenzstufe IV Auf der Ebene des Textes wesentliche Zusammenhänge erkennen und die Textgestaltung reflektieren Kompetenzstufe V Interpretieren, Begründen und Bewerten Es fällt auf, dass diese Kompetenzstufen I-V für das Hörverstehen wörtlich parallel zu den Kompetenzstufen für das Leseverstehen konzipiert sind. Es lohnt sich daher, zunächst einmal einen kurzen Blick auf das Konzept der Leseverstehenskompetenzstufen zu werfen und zu überlegen, ob das Kompetenzstufenmodell aus dem Leseverstehenskonzept so einfach auf das des Hörverstehenskonzepts übertragen werden kann. Das Kompetenzstufenmodell des Leseverstehens basiert auf dem Reading-Literacy-Konzept der internationalen PISA- und PIRLS-Lesestudien (vgl. Artelt/ Stanat/ Schneider/ Schiefele 2001, 80-84, Bos/ Kühn/ Reding/ Valtin 2007, 98-109): 208 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 17: Struktur der Lesekompetenz in der internationalen Leseuntersuchung PISA nach Artelt/ Stanat/ Schneider/ Schiefele (2001, 82) Danach unterscheidet PISA im Rahmen des Leseverstehens zwei Arten von Verstehensleistungen - textbasiert und wissensbasiert - und differenziert diese in insgesamt fünf Teilkompetenzen: ▶ ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln, ▶ Informationen ermitteln, ▶ eine textbezogene Interpretation entwickeln, ▶ über den Inhalt und die Form des Textes reflektieren und ▶ Textinhalt und Textform bewerten. Diese (Teil-)Kompetenzen des Reading-Literarcy-Konzepts finden sich alle im Kompetenzstufenmodell für das Leseverstehen wieder. Grob ergibt sich danach eine Stufung von der Lokalisierung und Wiedergabe von Einzelkompetenzen über deren Verknüpfungen und Schlussfolgerungen hin zur Reflexion und Bewertung von Textform und Textinhalt. Eine Übertragung des Leseverstehensmodells sowie der Lesekompetenzstufen auf das Hörverstehen scheint allerdings in mehrfacher Hinsicht sehr problematisch: 1. Leseverstehenstexte unterscheiden sich stark von Hörverstehenstexten (vgl. Kapitel 6.1.2). Informationen aus Hörverstehenstexten können beispielsweise nicht mehr „wie- 209 6.4 Hörverstehen testen dererkannt“ werden, da der Hörtext „flüchtig“ ist. „Versteckte Einzelinformationen zu erinnern“ gehört gerade nicht zu den prominenten Strategien des Hörverstehens - zumal der Sprecher wichtige Informationen eher herausheben muss, damit diese überhaupt erinnert werden. 2. Die Stufung des Kompetenzstufenmodells in den Bildungsstandards für das Hörverstehen entspricht nicht dem kognitionspsychologischen und konstruktivistischen Verstehensmodell: Ausgangspunkt ist - wie auch beim Leseverstehen - das Zusammentragen von Einzelinformationen. Beim Hörverstehen sind es aber gerade auch die top-down-Prozesse, die das Verstehen erst garantieren. Dagegen soll der Hörtext im Kompetenzstufenmodell zunächst in seinen Einzelteilen erschlossen werden (Stufe Ia, Ib, II), erst dann wird das Ganze erfasst (Stufe III). Das Hauptthema eines Hörtextes kann erst auf Kompetenzstufe III angegeben werden. Dass die Zusammenstellung von Einzelinformationen im Vordergrund steht, erkennt man auch daran, dass beispielsweise typische Merkmale von Hörtexten (z. B. Betonung, Satzmelodie, Parasprachliches) auf der Kompetenzstufe Ia und Ib keinerlei Rolle spielen. In der Forschung wird darauf verwiesen, dass gerade prosodische Merkmale zu den hierarchieniedrigeren Hörverstehenskompetenzen zu rechnen sind und schon sehr früh vermittelt werden. Parasprachliches soll erst auf Stufe III erfasst werden, obwohl z. B. das Visuelle nachweislich eher den Verstehenszugang erleichtert und daher auf den ersten Kompetenzstufen Erwähnung finden müsste (vgl. das Beispiel in Kapitel 6.2.1). 3. Gerade von den Verstehensstrategien her unterscheiden sich Lese- und Hörverstehen: Während beim Leseverstehen das detaillierte Lesen eher möglich ist, da der Leser den vorliegenden Text immer wieder abscannen kann, gibt es nur wenige Hörtexte, die en detail verstanden werden müssen. Dazu gehören in keinem Fall Gespräche oder Radiobeiträge mit mehreren Sprechern (wie in KMK 2014, 17-21). Ohne Orientierung und Aufbau des Vorwissens löst die Flut der Informationen Hörstress aus. Dies geschieht aber meist im Unterricht unter didaktischem Druck! Beim authentischen Hören bestimmt unsere Verstehensabsicht unsere Hörstrategie, nur sehr selten hören wir detailliert-total, sehr oft kursorisch oder selektiv - wir hören kursorisch zur Orientierung oder selektiv nur das heraus, was wir wissen müssen oder wollen. Im Unterricht oder in Prüfungen ersetzen die Aufgaben diese Verstehensabsicht - und sie sollten möglichst authentisch orientiert sein. 4. Während in der Hörverstehensdidaktik das globale und selektive Hörverstehen im Vordergrund stehen, dominiert im Kompetenzstufenmodell das Detailverstehen - und dies auf allen Stufen (vgl. KMK 2014, 11-15): „prominente Einzelinformationen verarbeiten und erinnern“ (Stufe Ia); „lokale Kohärenzen zwischen benachbarten Einzelinformationen aufbauen“ (Stufe Ib), „verstreute Einzelinformationen verknüpfen“ (Stufe Ib), „prominente Einzelinformationen wiedererkennen“ (Ib), „mehrere aufeinanderfolgende Einzelinformationen miteinander verknüpfen“ (Stufe II), „explizit genannte Einzelinformationen zunehmend auch dann selbstständig formulieren, wenn diese Informationen zum Teil nicht prominent platziert sind“ (Stufe II), „schnell aufeinanderfolgende oder im Hörtext verstreute Informationen miteinander verknüpfen“ (Stufe 210 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen III), „für das Verständnis weniger zentrale Einzelinformationen wiedererkennen und wiedergeben“ (Stufe III), sicheres Erinnern „von weniger prominent platzierten Einzelinformationen in langen Hörtexten“ (Stufe IV), Erinnern von „Details“, die „für das Gesamtverständnis weniger relevant sind“ (Stufe IV), „schnell aufeinanderfolgende“ und „verknüpfte Detailinformationen“ erfassen (Stufe IV), ein „detailliertes Verstehen des Gesamthörtextes“ zeigen (Stufe V), sichere Wiedergabe und Verarbeitung „explizit genannter, aber wenig prominent platzierter Einzelinformationen in längeren, inhaltlich und/ oder sprachlich komplexen Hörtexten“ (Stufe V), „hohe Informationsdichte“ (Stufe V). Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Kompetenzniveau steigt, wenn ein Schüler oder eine Schülerin möglichst „versteckte“ und „für das Verständnis weniger zentrale Einzelinformationen“ behalten und wiedergeben kann. Optimales Ziel ist das „detaillierte Verstehen des Gesamthörtextes“. Hier scheint Verstehen nicht nur mit Behalten gleichgesetzt, sondern auch hörverstehensdidaktische Grundsätze scheinen vollkommen ausgeblendet zu werden. 5. Der Ablauf der Hörverstehenstests zementiert die Vorstellung, dass man zunächst einmal alles hören und notieren muss, ehe man die Höraufgaben zur Kenntnis nimmt und löst. Informationen über die Höraufgaben fallen lediglich unter die Rubrik „Arbeitserleichterung“: „Die Bearbeitung der Items fällt ihnen zudem dadurch leichter, dass der Stimulus zweimal gehört wird und/ oder dass ihre Aufmerksamkeit stark gelenkt wird, indem z. B. schon vor dem Hören des Textes auf Beachtenswertes hingewiesen wird.“ Dass Letzteres ein Diktum der Hörverstehensmethodik darstellt, scheint unbekannt. Das Drei-Phasen-Modell der Hörverstehensmethodik ist auch bei Tests sinnvoll und möglich (vgl. Kühn 1996a, 133-142). 6. Verwunderlich ist auch die Aussage, dass auf der Kompetenzstufe IV „weniger prominent platzierte Einzelinformationen in langen Hörtexten“ sicher erfasst werden, „auch wenn diese Informationen in paraphrasierter oder stärker abstrahierter Form wiedergegeben werden“ (KMK 2014, 14). Gerade beim Verarbeiten von Hörtexten sind Paraphrasierungen und Umformulierungen des Hörtextes unumgänglich, da der Hörtext aus dem Gedächtnis wiedergegeben werden muss. 7. Über Hörtextsorten wird im Kompetenzstufenmodell wenig reflektiert: Auf den Kompetenzstufen Ia bis IV werden keine besonderen Hörtextsorten erwähnt - im Vordergrund steht lediglich die Informationsentnahme in medial mündlichen Texten. Schwierige Hörtexte sind in diesem Kompetenzstufenmodell vor allem längere Hörtexte sowie strukturell und thematisch komplexe Hörtexte. Die Schwierigkeit von Hörtexten ist jedoch weniger durch ihre Länge als durch das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler über Textschemata bestimmt. Lediglich auf der Kompetenzstufe V werden Gespräche erwähnt. 8. Ulf Abraham (2016, 51) weist schließlich zu Recht darauf hin, dass die Prüflinge nicht stabil auf einem Niveau verbleiben, „sondern situations-, personen- und themenabhängig besser oder schlechter abschneiden können.“ 211 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Das vorgelegte Kompetenzstufenmodell scheint - bewusst oder unbewusst - die Unterschiede zwischen Lesetexten bzw. Lesetextsorten und Hörtexten bzw. Hörtextsorten außer Acht zu lassen. Oft wird zwar darauf hingewiesen, dass beim bisherigen Hörverstehen „Zuhörerspezifisches“ oder „Zuhörertypisches“ wie Paraverbales, Nonverbales oder Situatives vernachlässigt wird, dennoch wird in Testvorschlägen daran festgehalten, dass Lese- und Hörverstehen sich nicht so sehr unterscheiden (vgl. z. B. Behrens 2010, 36 f., Krelle 2010, 54 f.). Darüber hinaus werden die sich daraus ergebenden Differenzierungen zwischen Leseverstehensdidaktik und -methodik einerseits und Hörverstehensdidaktik und -methodik andererseits ausgeblendet. Das Kompetenzstufenmodell verfestigt somit als Orientierungspunkt die bisherigen defizitären Hörverstehenstests in den schulischen Abschlussprüfungen. 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Das Hörverstehen wird in der modernen Didaktik durch die visuelle Komponente des Sehverstehens erweitert, indem Videos, Fernsehen und Filme zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden (vgl. Abraham 2012, Köster 2013); man spricht von audiovisuellen Medien (AV-Medien). Während sich das Hörverstehen hauptsächlich mit der Rezeption und Interpretation der gesprochenen Sprache beschäftigt, gerät beim Hör-Seh-Verstehen auch die visuelle Informationsverarbeitung ins Blickfeld: Hier geht es um die simultane bzw. sukzessive Verarbeitung und Interpretation sowohl des Gehörten als auch des Gesehenen und um ihre wechselseitige Beeinflussung. Das Hör-Seh-Verstehen ist damit ein höchst komplexer Konstruktionsprozess (vgl. Thaler 2007). In der Forschung wird herausgestellt, dass das traditionelle Hörverstehen - zum Beispiel in der face-to-face-Situation - auch als Hör-Seh-Verstehen interpretiert werden muss, da beispielsweise Mimik, Gestik, Kleidung, Umgebung sowie paraverbale Anteile (Lautstärke, Stimme, Betonung, Akzent) die Rezeption wesentlich beeinflussen. Dabei gilt der Grundsatz: Widersprechen sich Gesprochenes und Gesehenes, so legen Hör-Seher mehr Wert auf die visuelle Botschaft. Darüber hinaus werden visuelle Signale meist mit größerer Richtigkeit und Geschwindigkeit entschlüsselt als verbale. Aus diesem Grunde gelten die Rezeption und Bearbeitung visueller und audiovisueller Materialien grundsätzlich als einfacher als die reine auditive Rezeption von Sprache. 6.5.1 Hör-Seh-Verstehen im Deutschunterricht Die Nutzung audiovisueller Medien nimmt in heutigen Kommunikationskontexten breiten Raum ein und gewinnt mit den neuen Medien zunehmend an Relevanz. Insbesondere Jugendliche rezipieren audiovisuelle Medien intensiv, sie schauen beispielsweise Filme und Videos auf dem Smartphone oder Tablet an, wobei der Spielfilm das „wichtigste narrative Medium der Gegenwart“ darstellt (vgl. Kepser/ Abraham 2016, 209). Heute sehen Bildungspläne und Curricula zwar die Behandlung von Kino- oder Fernsehfilm und Serie vor, Filme werden aber im Deutschunterricht immer noch stiefmütterlich behandelt. In Deutschbüchern sind 212 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen filmdidaktische Aufgaben immer noch eine Seltenheit (eine Ausnahme macht z. B. P.A.U.L.D. 7/ 2012, 192-207, P.A.U.L.D. 8/ 2014, 216-233, Sprachfuchs . 2016, 176-179, Sprachfuchs . 2017, 178-195). Eine vorzügliche Aufbereitung von besonders herausragenden Filmen für Kinder und Jugendliche für Schule und Jugendarbeit bietet der Bundesverband Jugend und Film (BJF). Für den Deutschunterricht interessant ist die angebotene Rubrik „Unsere Filme“. Diese Internetplattform hat vielfältiges Arbeitsmaterial für den kreativen und kommunikativen Umgang mit Filmen zusammengestellt: Hintergrundinformationen zu den Filmen, Informationen zu ihrer Entstehung und zum Thema, aber auch über die Machart, d. h. zu den künstlerischen Ausdrucksmitteln. Vielseitige Arbeitsblätter geben Anregungen, wie sich der Film im Unterricht einsetzen lässt. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur Filmanalyse und Filmdidaktik (z. B. Möbius 2005, Leubner/ Saupe 2005, Kepser 2006, Abraham 2012, Köster 2013, Leubner 2014, Staiger 2014, Blell/ Grünewald/ Kepser/ Surkamp 2016, Wacker 2017; vgl. die Bibliografie von Kepser 2013 sowie weitere Literatur in Kepser/ Abraham 2016, 207-222). In Bezug auf den Deutschunterricht wird herausgestellt, dass alle Lern- und Kompetenzbereiche von Filmen profitieren. Audiovisuelle Medien werden als „integrative Unterrichtsgegenstände“ (vgl. Staiger 2014, 247) aufgefasst: So können beispielsweise im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ Filmausschnitte oder Filme nacherzählt oder in einem Filmgespräch besprochen und beurteilt werden, im Bereich „Schreiben“ lassen sich Exposés, Drehbücher, Storyboards, Figurenbiografien, DVD-Klappentexte oder Filmkritiken verfassen oder im Kompetenzbereich „Lesen - mit Texten und Medien umgehen“ ist eine Bandbreite an rezeptions- und produktionsspezifischen Aufgabenstellungen möglich - vom Vergleich der literarischen Vorlage mit ihrer Verfilmung über Figureninterviews bis hin zum Drehen einzelner Filmsequenzen oder Filme. Dies hat eine wichtige unterrichtspraktische Konsequenz: Der Umgang mit Film und Fernsehen kann zur Förderung und zum Erwerb zahlreicher Kompetenzen beitragen, die in den Bildungsstandards für das Fach Deutsch festgelegt sind und muss sich nicht zum Nachteil anderer Aufgaben des Deutschunterrichts auswirken (Staiger 2014, 248). In der Fremdsprachendidaktik werden weitere Potentiale von Spielfilmen im Unterricht diskutiert. Dabei wird hervorgehoben, dass audiovisuelle Medien die Chance bieten, gesprochene Sprache mit ihren Varietäten zu erfahren und daran in zentralen Lernbereichen des Sprachunterrichts zu arbeiten; zudem können daran landeskundliche Themen erörtert werden: Für das Erreichen der im engsten Sinne fachspezifischen Ziele des Sprachunterrichts und des landeskundlichen Wissens sind fremdsprachliche Filme ein herausforderndes Medium: Die fremde Sprache tritt den Lernenden im native-speaker-Tempo, in Dialekten und Soziolekten, in Andeutungen und Auslassungen und in visuellen und narrativen Kontexten entgegen und zwingt zum global listening, dem Grobverstehen, das für mündliche fremdsprachliche Kommunikation so wichtig ist; andererseits können Schlüsselszenen auch Anlass für Übungen im Detailverstehen sein; darüber hinaus bekommt das für die fremdsprachliche Kommunikation so wichtige Sehverstehen Nahrung 213 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos und das Leseverstehen wird durch die Untertitel und die im Internet für immer mehr Filme bereitgestellten filmscripts geschult (Decke-Cornill/ Küster 2010, 101). In der Fremdsprachendidaktik wird zudem herausgestellt, dass Filme ein wichtiges Medium sind, um Fremdverstehen und interkulturelle Bildungsprozesse zu fördern (Bredella 2004). Die Funktion des Filmerlebens spielt in der medienpädagogischen Diskussion eine große Rolle, nicht aber im Fachunterricht, obwohl es das Filmerleben ist, was die Menschen im Film suchen. Gerade in dem Bedürfnis nach fremder, subjektiver Sicht auf nahe und ferne Welten liegt die Faszination dieses Mediums (Decke-Cornill/ Küster 2010, 101). Filme können eingesetzt werden, um vertraute Schemata in Frage zu stellen, transkulturelle Orientierungen zu vermitteln und die Kulturgebundenheit des eigenen Wahrnehmens, Denkens und Handelns zu erkennen (vgl. Honnef-Becker 2015). 6.5.2 Grundlagen der Filmdidaktik Wie bei literarischen Texten sind beim Film zunächst einmal verschiedene „Gattungen“ zu unterscheiden: ▶ verschiedene Darstellungsmodi (Spiel- und Dokumentarfilm); ▶ Verwendungszwecke (Werbefilm, Lehrfilm); ▶ Zielgruppen (Kinderfilm, Jugendfilm). Man spricht zudem von verschiedenen Genres (filmischen Textsorten) (vgl. Kammerer 2009), z. B. Melodram, Komödie, Western, Science fiction, Thriller, Animationsfilm oder Comic. Im Deutschunterricht sollen darüber hinaus auch Kleinformen behandelt werden, etwa Videoclips, Werbefilme, Kurzfilme, Trailer, Vorspanne, Filmausschnitte. Schülerinnen und Schüler sollen im Laufe ihrer Schulzeit mit möglichst vielen Genres vertraut gemacht werden, Kammerer (2009) hat dazu eine textsortensystematisch fundierte Filmdidaktik für das Fach Deutsch entwickelt. Traditionell wird im Deutschunterricht besonderes Augenmerk auf „verfilmte Kinderliteratur“ gerichtet (vgl. Maiwald/ Josting 2010, Maiwald 2015). Ulf Abraham (2012) nennt in seiner Filmdidaktik eine Reihe von Beispielen für verschiedene Klassenstufen, etwa Der kleine Prinz und Pünktchen und Anton als Vorschläge für Klasse 4-6, den Kurzfilm Schwarzfahrer für Klasse 7/ 8, Jenseits der Stille für Klasse 9/ 10 oder den Kurzfilm Amok für Klasse 11/ 12. Mit Ulf Abrahams „Filme im Deutschunterricht“ (2012) liegt mittlerweile ein Grundlagenwerk vor, das die Bedeutung des Mediums Film für einen kompetenzorientierten Deutschunterricht darlegt. Abraham (2012, 58) stellt fest, dass die Beschäftigung mit Filmen in der Deutschdidaktik zum einen auf Aspekte der Literaturvermittlung funktionalisiert wird, zum anderen auf die Filmanalyse. Er warnt davor, die Filmanalyse auf technische Aspekte zu reduzieren (Abraham 2012, 55 f.). Stattdessen sieht er mit Peter Beicken (2004, 8) das Filmerlebnis und die Reflexion darüber als Basis der Filmanalyse. „Filmwahrnehmung, Filmanalyse und 214 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Filminterpretation gehören zusammen: Leitfrage der Filmanalyse muss insgesamt sein: Was wird mit welcher Wirkung in welchem Zusammenhang gezeigt? “ (Abraham 2012, 56). Ein weiterer wichtiger Hinweis Ulf Abrahams (2012, 30): „Analytisches Sehen in der Schule darf nicht gegen das lustvolle Freizeitsehen ausgespielt werden“. Es geht vielmehr darum, Freude am Entdecken und Bewusstmachen der „Filmsprache“ zu entwickeln. Als Methode dafür empfiehlt Abraham das offene Filmgespräch: Lernende und Lehrende können im Filmgespräch unverkrampft mit Fachtermini (z. B. Bezeichnungen für filmische Mittel) umgehen. Es ist nicht die Aufgabe des Deutschunterrichts, die Schüler zu Medienwissenschaftlern zu erziehen, wohl aber Medienkompetenz herauszubilden. Daher sollten filmwissenschaftliche Analyse- und Interpretationsansätze zwar in das Blickfeld der Schüler gerückt, nicht jedoch ins Zentrum gesetzt werden (Abraham 2012, 57; vgl. auch Schmidt/ Winkler 2015). Im Alltag unterhalten Schülerinnen und Schüler sich über das, was sie im Fernsehen, im Kino oder digital gesehen haben. „Kommunikation über AV-Medien gehört selbstverständlich zur kulturellen Praxis nicht nur, aber besonders der Heranwachsenden“ (Abraham 2012, 78). Daran knüpft das unterrichtliche Filmgespräch an. Es soll eine möglichst authentische Gesprächssituation schaffen, so wie sie auch Möbius (2008) für sein in Analogie zum „Vorlesegespräch“ entwickeltes „literarisches Sehgespräch“ (Möbius 2008, 145 f.) vorschlägt. Der Lehrende fungiert dabei als Moderator und kann das Gespräch durch Fragen lenken (vgl. Abraham 2012, 78-80): ▶ Was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du an den Film zurückdenkst? ▶ Welche Szene hat dich am meisten beeindruckt? Was hast du dabei empfunden? ▶ Welche Figuren waren dir sympathisch, welche unsympathisch? Warum? ▶ Welch Figur würdest du am liebsten selbst sein, wenn du wählen könntest? ▶ Was findest du an dem Film gut gemacht - was nicht? ▶ Macht dich der Film zuversichtlich oder traurig? Woran liegt das? ▶ Würdest du einem Freund oder einer Freundin den Film empfehlen? Warum (nicht)? Im Filmgespräch können erste Eindrücke, Beobachtungen, Assoziationen, Fragen, Deutungshypothesen formuliert werden, vor allem wird thematisiert, was der Film beim Zuschauenden auslöst. Dazu gibt es keine festgelegte Anordnung - ob der Lehrende steuert oder ob die Schülerinnen und Schüler autonom agieren, hängt auch davon ab, wie gut sie das Verfahren kennen. Durch Filmgespräche kann das Filmwissen, über das Schülerinnen und Schüler verfügen, bewusst gemacht werden: Mit Filmgesprächen, Analyse filmischer Mittel (als medienspezifischer Ausdrucksmöglichkeiten) und Schreiben zu Filmen kann mitgebrachtes, meist in außerschulischen Zusammenhängen erworbenes implizites Wissen bewusst gemacht werden und in kompetente Mediennutzung überführt werden. Daher ist die didaktisch funktionale Beschreibung audiovisueller ‚Texte‘ ein wichtiger Beitrag zu einem medienreflexiven Deutschunterricht (Abraham 2012, 7). 215 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos 6.5.3 Visual Literacy und Filmbildung In der aktuellen deutschdidaktischen Forschung ist von „Filmbildung“ die Rede, wenn das Ziel der Arbeit mit Spielfilmen umrissen wird. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Bilder zu verstehen und ihnen Sinn und Bedeutung zuzuschreiben. Diese „Visual Literacy soll mit Bezug auf die im Deutschunterricht zu realisierenden Ziele und Kompetenzen an AV-Medien gefördert werden“ (Abraham 2012, 27). Ulf Abraham empfiehlt als Einstieg in die „Filmsprache“ deshalb „die Mise-en-scène - also die Inszenierung einer Filmhandlung in Bildern. Raumeindruck, Bauten, Kameraführung und Beleuchtung, Kleidung und Requisiten kommen hier wie auf dem Theater zusammen und schaffen ein Bild“ (Abraham 2012, 29). Darauf aufbauend kann die Beschäftigung mit filmsprachlichen Mitteln lernschrittprogressiv erfolgen. Benedikt Descourvières (2002, 15) unterscheidet für die didaktische Filmanalyse vier Analyseebenen: ▶ Sprache (z. B. Monolog, Gespräch, Figurenrede, Off-Erzähler), ▶ Bild (z. B. Mise-en-scène, Kameraeinstellung, -perspektive, -bewegung, Licht, Mimik, Gestik), ▶ Ton (z. B. Lautstärke, Stimmführung, Musik, Geräusche) und ▶ Kulisse (z. B. Raumgestaltung, Gegenstände, Filmarchitektur). Kristina Wacker betont die Bedeutung der Analyse filmsprachlicher Mittel (2017) und stellt eine Vielzahl von Übungen zusammen, bei denen Exposition, Zeit, Figuren, Bildgestaltung, Beleuchtung, Farbe, Einstellung, Kameraperspektiven, Kamerabewegungen, Montage, Geräusche, Sprache oder auch Filmmusik in entsprechenden Aufgaben untersucht werden. Die Notwendigkeit, solche filmanalytischen Mittel zu behandeln, ergibt sich daraus, dass weder Spielnoch Dokumentarfilme die Wirklichkeit abbilden. Es handelt sich vielmehr um Kunstwerke, die intentional mit den Mitteln des Mediums gestaltet sind. Deshalb müssen diese filmsprachlichen Mittel mit Bezug auf die intendierte Wirkung im Unterricht behandelt werden (Kepser 2015, 98). In Deutschbüchern, in denen Filme thematisiert werden, findet man daher beispielsweise immer auch Zusammenstellungen filmsprachlicher Mittel (z. B. Kameraeinstellungen und -perspektiven). Filmische Mittel müssen im Unterricht ebenso behandelt werden wie die ästhetischen Ausdrucksmittel in literarischen Texten. Wichtig ist aber, diese filmsprachlichen Mittel mit Bezug auf ihre Wirkung im Film zu besprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihnen nie „ein absoluter Ausdruckswert“ (Abraham 2012, 30) zukommt. Funktion und Bedeutung ergeben sich immer erst im Zusammenhang und mit Blick auf das ästhetische Konzept der Regie. So kann eine Filmfigur in „Untersicht“ erscheinen, weil jemand bewundernd zu ihr aufblickt oder aber auch, weil sie bedrohlich wirken soll (vgl. Abraham 2012, 31). Insofern sind schematische Zusammenstellungen, wie sie das Lehrwerk auf der folgenden Seite bereitstellt, durchaus problematisch und sollten im Unterricht durch Beispiele aus dem behandelten Film ersetzt werden. 216 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 18: Kameraeinstellungen aus dem Sprachbuch P.A.U.L.D. (7. Schuljahr) (2015, 201) Filmbildung beinhaltet aber nicht nur die Behandlung filmsprachlicher Mittel, sondern auch die Auseinandersetzung mit der individuellen, sozialen und kulturellen Bedeutsamkeit des Films. Somit treten auch Herstellung, Präsentation, Nutzung und Rolle des Films in der Mediengesellschaft in den Blick. Es geht also auch um die Förderung eines medien- 217 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos kritischen Bewusstseins - die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Wirkungsabsichten und -mechanismen zu erkennen und kritisch zu werten. Es bleibt zu betonen, dass dabei die medienästhetische Genussfähigkeit über die kognitiv-kritische Distanz nicht verloren geht, denn Schülerinnen und Schüler sollten auch die hedonistischen Anteile der Filmnutzung wahrnehmen. Welche Ziele sollen mit dem Film im Unterricht erreicht werden? Mit dieser Frage beschäftigen sich Kompetenzmodelle zur schulischen Filmbildung, die vier Teilfelder unterscheiden: Filmanalyse, Filmproduktion und Präsentation, Filmnutzung sowie Film in der Mediengesellschaft (vgl. Länderkonferenz Medienbildung 2009): Abb. 19: Kompetenzmodell zur Medienbildung Das Konzept hat großen Einfluss auf Lehr- und Bildungspläne für die Medienbildung in vielen Bundesländern (nach Kepser/ Abraham 2016, 213). Das Modell ist nicht auf einzelne Fächer zugeschnitten. Den Versuch, es auf Fächer der sprachlichen Bildung zu beziehen, haben Gabriele Blell, Andreas Grünewald, Matthis Kepser und Carola Surkamp (2016) unternommen. Mit „Film erleben, Film nutzen und Film verstehen“ betonen die Autoren, dass emotionale, pragmatische und kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den Schülerinnen und Schülern gleichermaßen zu entwickeln sind. Zudem wird das filmbezogene sprachliche Handeln Kompetenzbereiche & Inhalte Kulturelles Handlungsfeld Film Filmproduktion & Präsentation - Produktionsplanung - Filmproduktion - Bild- & Tonbearbeitung - Präsentation Filmnutzung - Gebrauch - Wirkung & Einfluss - Geschmacks- & Urteilsbildung Filmanalyse - Filmästhetik - Filmsprache & Gestaltung - Filmgeschichte- & theorie Film in der Mediengesellschaft - Film als Wirtschaftsfaktor - Politische Funktion, gesellschaftliche und kulturelle Wirkung - Rechtliche Rahmenbedingungen, Jugendmedienschutz Kompetenzbereiche & Inhalte 218 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen herausgestellt und somit der Bezug zum Deutschunterricht klar gemacht. Was den Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ betrifft, werden dabei zum einen rezeptiv Hör- und Sehverstehen gefördert, zum anderen sprachproduktiv vor allem die Gesprächskompetenz (Filmgespräch). Vielfältigere weitere Ideen zur Förderung verschiedener Kompetenzbereiche in der Unterrichtspraxis liefern Abraham 2012 und Kepser/ Abraham 2016, 214-221), auch unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit (Dubbing, Voice-over, Vertonungen, usw.). 6.5.4 Mit Filmen im Unterricht arbeiten An dieser Stelle versuchen wir, die Hinweise zum Einsatz des Films im Deutschunterricht einmal zusammenfassend darzustellen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Filme im Deutschunterricht zu präsentieren. Der Film kann gemeinsam im Unterricht im Rahmen eines „Schulkinos“ angeschaut werden. Es können aber auch einzelne Filmausschnitte im Unterricht behandelt werden. Matthis Kepser und Ulf Abraham (2016, 219) empfehlen als erste Begegnung die vollständige Erstrezeption, in der Regel zunächst ohne Lenkung. Wie beim Hörverstehen (vgl. Kapitel 6.2) kann der Unterricht auch bei der Filmarbeit in Phasen vor dem Sehen, während des Sehens und nach dem Sehen eingeteilt werden. 1. Vor dem Sehen: In der Phase vor dem Sehen wird eine Erwartungshaltung aufgebaut. Filmplakat und Trailer können eingesetzt werden, um Antizipationen und Hypothesenbildung anzuregen. Je nach Film kann es auch wichtig sein, Vorwissen über den Film zu erarbeiten. So sollten Schülerinnen und Schüler wissen, dass der Film Billy Eliot im Jahr 2000 gedreht wurde, aber im Jahr 1984 in England spielt. Auf Grund der Beschäftigung mit Trailer und Filmplakat kann der Film auch genremäßig eingeordnet werden (vgl. Beispiel in Kapitel 6.5.5.1). 2. Während des Sehens: Während die Schülerinnen und Schüler den Film sehen, sollten sie - zumindest bei der Erstrezeption - keine Aufgaben bearbeiten. Sie sollten das Filmschauen nicht als didaktischen Zwang erleben. Es geht darum, mit dem Film ins Gespräch kommen; beim wiederholten Sehen können dann weitere Aufgaben zum Verstehen bearbeitet werden (Mindmaps zu den Schauplätzen, Rekonstruktion des Handlungsablaufs in Ablaufschemata, Figurensteckbriefe usw.). 3. Nach dem Sehen: Nach dem Sehen wird zunächst ein Filmgespräch geführt - hierbei wird deutlich, was die Schülerinnen und Schüler am Film wichtig finden, was womöglich schwierig für sie zu versehen ist und womit sie sich weiter beschäftigen wollen. Ein solches Filmgespräch kann auch zum Anfang des Films geführt werden. Die Schülerinnen und Schüler schauen sich den Beginn des Films gemeinsam an, orientieren sich über Genre, Thema und Filmfiguren und geben erste Eindrücke wieder. Dann stellen sie Hypothesen zum Fortgang des Films auf. 219 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Abb. 20: Ein Filmgespräch führen Darauf aufbauend kann weiter mit dem Film gearbeitet werden. Zunächst geht es dabei um das Globalverstehen des Films: Inhalt und die Figurenkonstellation sind zu erschließen, Beziehungen der Filmfiguren zu deuten, der Handlungsverlauf kann wiedergeben werden. Dabei können die Schülerinnen und Schüler kooperativ arbeiten, weil die Aufgabenstellungen retrospektiv erledigt werden müssen und relativ hohe Anforderungen gestellt werden. Nun kann auch eine Auseinandersetzung mit der „Filmsprache“ erfolgen, wobei mit Standbildern und Sequenzen (Clips) gearbeitet wird. Montageformen, Filmmusik, Bild, Ton, Kameraeinstellungen und -perspektiven sowie Kamerabewegungen können untersucht und ihre Wirkungen beschrieben werden. Dabei kann auch fachsprachliches Vokabular (Produzent, Schnitt, Screenshot usw.) erarbeitet und bei der Analyse genutzt werden (vgl. Tasaki 2014). Es ist aber unbedingt darauf zu achten, dass die Behandlung der filmsprachlichen Mittel nicht zu technisch ausfällt und zu viele Aspekte aufgegriffen werden. Am Ende der Beschäftigung mit dem Film stehen Einordnung und Beurteilung des Films: Im Film Billy Eliot beispielsweise geht es um medial vermittelte Lebensbedingungen und Lebenswelten von jungen Menschen (in einem anderen Land zu einer anderen Zeit), die gleichwohl mit den eigenen zu vergleichen sind, denn Erwachsenwerden, Generationskonflikte, Genderaspekte, Träume und Ziele im Leben sind universelle, transkulturelle Themen, die für Schülerinnen und Schüler in dieser Altersstufe wichtig sind. Die Schülerinnen und Schüler 220 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen sollen sich eine eigene begründete Meinung über den Film bilden - und dabei auch zum Ausdruck bringen, warum es sich lohnt, sich intensiv mit dem Film auseinanderzusetzen. Bei dieser Phase der Weiterarbeit mit dem Film wird die Vernetzung mit zentralen Lernbereichen des Deutschunterrichts besonders deutlich. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten produktiv an Sprache, in dem sie über den Film sprechen und schreiben: Sie können zum Beispiel im Rollenspiel eine „Filmjury“ spielen und den Film gemeinsam besprechen. Sie stellen zunächst eine Kriterienliste zusammen, nach der sie den Film beurteilen wollen (z. B. nach Inhalt, Thema, Schauspieler, Filmmusik) und geben dann als Juroren eine mündliche Einschätzung ab. Was das „zu Filmen schreiben“ betrifft, macht Ulf Abraham eine Reihe von Vorschlägen (2009, 82). Er gliedert diesen Bereich in klärendes, rhetorisches, expressives und poetisches Schreiben. ▶ Beim klärenden Schreiben geht es um Verstehenssicherung. So kann beispielsweise die Handlung des Films zusammengefasst werden (vielleicht als Artikel für ein Filmlexikon) oder ein Figurenporträt formuliert werden. ▶ Beim rhetorischen Schreiben stehen Bewertung und Einschätzung des Films im Vordergrund: Textformate sind z. B. Filmkritik (vgl. „Marius“) oder Leserbrief. ▶ Beim expressiven Schreiben sollen die Schülerinnen und Schüler sich in die Filmfiguren hineinversetzen und aus ihrer Perspektive schreiben, beispielsweise einen Brief oder einen Tagebucheintrag. ▶ Beim poetischen Schreiben wird die Fantasie der Schülerinnen und Schüler angeregt, indem sie sich etwa eine Vorgeschichte ausdenken, die Filmhandlung weitererzählen oder Dialoge erfinden. Illustriert werden kann dies am Beispiel des Films Billy Eliot (2000) des britischen Regisseurs Stephan Daldry. Der Film spielt in Großbritannien im Jahre 1984. Billy Eliot lebt nach dem Tod der Mutter mit Vater, großem Bruder und Großmutter im Norden Englands. Der Vater will, dass Billy am Boxunterricht teilnimmt. Billy hat daran aber keinen Spaß, er entdeckt seine Leidenschaft fürs Tanzen. Sein Umfeld, vor allem der Vater, reagieren mit völligem Unverständnis. Der Film erzählt, wie Billy alles daransetzt, seinen Traum zu verwirklichen. Es geht im Film um eine Vielzahl von Themen: Leidenschaft fürs Tanzen, Konflikte, Erwachsenwerden, Rollenklischees, Identität. 221 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Abb. 21: Eine Film-„Rezension“ schreiben In einer Phase der intensiven Weiterarbeit nach dem Sehen ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auch selbst produktiv werden. Sie können mit geeigneten Programmen (unter Anleitung) eigene Kurzfilme erstellen und dabei erworbene Techniken zielgerecht einsetzen. Auf diese Weise können sie eine eigene Geschichte in Bildern erzählen - und dabei ihre Kenntnisse über filmsprachliche Mittel nutzen. Sie arbeiten dabei am Kompetenzbereich Sprechen und erweitern ihre Sprechkompetenz: Zum einen spielen sie die Filmdialoge, zum anderen sprechen sie darüber, wie sie ihr Projekt umsetzen können. Damit wird die Filmarbeit zu einer wichtigen Methode der Sprachförderung - vor allem auch für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als zweiter Sprache (vgl. Holdorf/ Maurer 2017, vgl. Kapitel 7). ❶ Schreibe selbst eine Bewertung des Films. ● Benutze den Schreibplan und die Formulierungshilfen. ● Stellt eure Texte in der Klasse vor. Schreibplan Formulierungshilfen ● Wichtige Informationen zum Film: Titel, Regisseur, Produktionsjahr, ... ● Thema und Figuren ● Wirkung auf die Zuschauer - Was hat der Film in dir ausgelöst? - Wie findest du die Hauptfigur? Warum? - Gibt es eine Szene oder ein Filmstandbild, das du besonders gelungen findest? Warum? ● Abschließende Bewertung: Warum würdest du den Film (nicht) empfehlen? Der Film hat den Titel ... Er ... Die Hauptfigur ist ... Am Anfang des Films ... Am Ende ... Es geht um das Thema ... Der Film hat viele Gedanken und Gefühle in mir ausgelöst ... Ich finde interessant, ... Besonders gefällt mir ... Insgesamt ... Ich würde den Film (nicht) empfehlen, weil ... 222 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 6.5.5 Aufgabenbeispiele aus Deutschbüchern Die folgenden Beispiele stammen aus zwei Deutschbüchern, die den Filmen Aufmerksamkeit schenken (vgl. Sprachfuchs . , -, Sprachfuchs . 2017, 178-195, P.A.U.L.D. 7/ 2015, 192-206, P.A.U.L.D. 8/ 2014, 216-233). Sie beziehen sich auf die Filme Billy Elliot (2000), Das Mädchen Wadjda (2012) sowie auf Jenseits der Stille (1996). Die Deutschbücher enthalten folgende Aufgaben-Module: ▶ Über Filme sprechen und Interesse an Filmen wecken [Einstieg], ▶ Vor dem Sehen … [Orientierung und Antizipation], ▶ Den Film sehen und ein Filmgespräch führen, ▶ Den Film anschauen und die Handlung erschließen, ▶ Einen Filmausschnitt untersuchen, ▶ Sich in eine Filmfigur hineinversetzen, ▶ Beziehungen von Filmfiguren deuten, ▶ Einen Film beurteilen [Film-„Rezension“ schreiben], ▶ Fachwörter [der Filmsprache] sammeln und klären [Vorentlastung], ▶ Kameraeinstellungen und -perspektiven bestimmen und erläutern, ▶ Standbilder (Screenshots) untersuchen, ▶ Ein Filmstandbild beschreiben, ▶ Screenshots mit der 5-Shot-Technik entwickeln, ▶ Bedeutung von Tönen und Geräuschen untersuchen, ▶ Einen Regiebuchauszug analysieren, ▶ Einen Drehbuchauszug erschließen, ▶ Ideenkiste [zur Weiterarbeit mit Filmen]. Aus dieser Auswahl an Aufgaben werden im Folgenden einige herausgegriffen und mit eigenen Beispielen erläutert - insbesondere unter dem Aspekt einer methodischen Phasierung der Aufgaben sowie unter der Fragestellung, wie man sich über Gespräche im Unterricht dem Film nähern kann. 6.5.5.1 Aufgaben vor dem Sehen In Aufgaben vor dem Sehen geht es um Orientierung und Aufbau einer Erwartungshaltung. Was ist das für ein Film? Wo und wann spielt er? Worum könnte es im Film gehen? Was für eine Art Film ist es wohl? Durch die Arbeit mit Filmplakat und Trailer lernen die Schülerinnen und Schüler den Film kennen und werden motiviert, sich mit ihm zu beschäftigen. Zu Filmen, die in anderen Kulturen oder in anderen Zeiten spielen, sollten die Schülerinnen und Schüler vor dem Sehen notwendige Hintergrundinformationen erhalten. So spielt der Film Das Mädchen Wadjda in einer den Schülerinnen und Schülern sehr fremden Welt, im heutigen Saudi-Arabien. Ihr Vorwissen können die Schülerinnen und Schüler - etwa mit Hilfe von Suchmaschinen - auch selbständig erarbeiten (vgl. Honnef-Becker 2019). 223 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Abb. 22: Aufgabe vor dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Sich mit einem Film vertraut machen Sich mit einem Film vertraut machen Ein Film hat eine eigene Sprache. Hier lernst diese Sprache zu verstehen. Der Film, mit dem du dich beschäftigst, spielt in einer ganz anderen Welt. Die zehnjährige Wadjda lebt mit ihrer Mutter und ihrem Vater in einem Vorort von Riad, der Hauptstadt von Saudi-Arabien. Wadjda möchte unbedingt ein Fahrrad - doch in Saudi-Arabien ist es Mädchen und Frauen verboten, Fahrrad zu fahren. ❶ Lies den Text von der DVD-Hülle und schau dir das Filmplakat an. - Welche Informationen zum Film erhältst du? - Welche Erwartungen hast du an den Film? Der Schulweg der zehnjährigen Wadjda aus dem saudi-arabischen Riad führt sie an einem Spielzeuggeschäft vorbei, das ein grünes Fahrrad anbietet. Dabei schlägt ihr Herz stets höher, denn dieses Rad zu besitzen würde bedeuten, sich endlich gegen den Nachbarsjungen Abdullah durchsetzen zu können und ihm, schnell wie der Wind, davon zu flitzen. Obwohl es Mädchen untersagt ist Fahrrad zu fahren, heckt Wadjda einen Plan aus, wie sie auf dem Schulhof Geld für das Rad verdienen kann. ❷ Welche Situation ist auf dem Filmplakat zu sehen? - Was fällt dir auf? - Welche Gedanken kommen dir in den Sinn? ❸ Schau dir den Trailer zum Film „Wadjda“ an. - Welche Personen werden vorgestellt? - Welchen Eindruck hast du von den Personen? ❹ Was erwartest du vom Film? Warum? Ich bin gespannt, wie ... Der Film ist bestimmt interessant, weil ... F Schaut euch jetzt den Film an. Danach sollt ihr darüber ein Filmgespräch führen. Wadjda ist sehr sympathisch. In einer Szene ... Die Mutter ... Die Lehrerin ... 224 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen 6.5.5.2 Aufgaben während und nach dem Sehen Nach dem Sehen sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst ein Filmgespräch führen und mit dem Film ins Gespräch kommen (vgl. Kapitel 6.5.4). Sie können beispielsweise darüber sprechen, welche Szene sie für besonders wichtig halten, wie sie die Hauptfigur finden oder was für sie das wichtigste Thema des Films ist. Im Anschluss daran beschäftigen sie sich eingehender mit dem Film. Sie bearbeiten Filmausschnitte, Filmbilder oder Auszüge aus dem Regie- oder Drehbuch. Dabei können sie in einzelnen Aufgabenmodulen ▶ die Themen herausarbeiten, um die es im Film geht, ▶ sich in die Hauptfigur hineinversetzen, ▶ die Beziehungen zwischen Filmfiguren deuten, ▶ Bedeutung von Tönen, Musik und Geräuschen herausarbeiten, ▶ Standbilder untersuchen und dabei auch die Kameraeinstellungen bestimmen und erklären, warum diese Einstellung gewählt wurde, ▶ den Film beurteilen. Kurzkommentar Der Film Das Mädchen Wadjda (2012) spielt in Saudi-Arabien und wurde auch dort gedreht. Es handelt sich um den ersten Spielfilm der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al Mansour und den ersten abendfüllenden Streifen mit saudi-arabischer Regie überhaupt. Der Spielfilm gewann weltweit mehrere Filmpreise. In der Phase vor dem Sehen kann mit Filmplakat und Trailer gearbeitet werden, um Antizipationen und Hypothesenbildung anzuregen. Diese Phase dient auch dazu, Vorwissen über den Film aufzubauen. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten den Text auf der DVD-Hülle und erfahren, in welchem Land der Film spielt und um welches Thema es geht (Aufgabe 1 und 2). Das Foto auf dem Filmplakat erfüllt eine wichtige Funktion: Das Mädchen Wadjda steht selbstbewusst vor dem grünen Fahrrad - unter der traditionellen dunklen Kleidung trägt es modische Jeans und Turnschuhe. Protagonistin und Thema werden deutlich: Es geht um das Mädchen Wadjda, das unbedingt ein Fahrrad haben will, obwohl das Radfahren Frauen und Mädchen in seinem Land nicht erlaubt ist. Wadjda akzeptiert diese Begründung nicht, sie lässt nicht locker, sie widersetzt sich den engen Konventionen. Das Fahrrad wird zum Symbol für ihre Suche nach Selbstbestimmung und Freiheit. Beim Gespräch über Bild und Text können die Schülerinnen und Schüler das Thema des Films bereits antizipieren. Nachdem sie sich den Trailer angeschaut haben, wissen die Schülerinnen und Schüler noch mehr über den Film: Sie erfahren, welche weiteren Figuren in dem Film vorkommen, sie lernen Wadjdas Familie und ihr Umfeld kennen und sie können bereits vermuten, um welche Konflikte es im Film gehen wird - selbst wenn die Schülerinnen und Schüler den Trailer auf Arabisch (mit englischen Untertiteln) anschauen (Aufgabe 3 und 4). 225 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Abb. 23: Filmgespräch zu Das Mädchen Wadjda Aus den vielfältigen Aufgaben nach dem Sehen des Films stellen wir hier drei Beispiele vor: Sich in eine Filmfigur hineinversetzen ❶ Schau dir die Fotos aus dem Film an (Bild 1, 9, 10 und 13). - Beschreibe die Situationen, in denen sich Wadjda befindet. - Welche Gemeinsamkeiten zu deinem Leben kannst du entdecken? Was ist ähnlich? - Was ist anders? ❶ Könntest du dir vorstellen, mit Wadjda und Abdullah befreundet zu sein - egal, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist? Begründe kurz deine Meinung. Ich könnte mir eine Freundschaft mit Wadjda vorstellen / kaum vorstellen, weil ... Ich könnte mir eine Freundschaft mit Abdullah vorstellen / kaum vorstellen, weil ... Abb. 24: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Sich in Filmfiguren hineinversetzen Ein Filmgespräch führen ● Was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du an den Film zurückdenkst? ● Welche Szene hat dich am meisten beeindruckt? Was hast du dabei empfunden? ● Was ist ganz ähnlich? Was war fremd für dich? ● Welche Figuren waren dir sympathisch, welche unsympathisch? Warum? ● Welche Figur würdest du am liebsten selbst sein, wenn du wählen könntest? ● Was findest du an dem Film gut gemacht - was nicht? ● Macht dich der Film zuversichtlich oder traurig? Woran liegt das? ● Würdest du einem Freund oder einer Freundin den Film empfehlen? Warum (nicht)? 226 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Kurzkommentar Zunächst geht es um das Globalverstehen des Films: Inhalt und Figurenkonstellation sind zu erschließen, Beziehungen der Filmfiguren zu deuten, der Handlungsverlauf kann wiedergeben werden. Im Gespräch über Bilder aus dem Film können Schülerinnen und Schüler globales Verstehen entwickeln und zudem über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ihrem Alltag sprechen (Aufgabe 1 und 2). Der Film Das Mädchen Wadjda spielt in einer völlig anderen Welt, diese Welt wird aus der Innensicht wiedergegeben - und nicht klischeehaft und stereotyp. Es gibt zu dieser scheinbar so „fremden“ Welt viele Anknüpfungspunkte. Indem Schülerinnen und Schüler nicht nur über Unterschiede zwischen den Kulturen nachdenken, sondern auch Gemeinsamkeiten entdecken, können sie Empathie und Sinn für Heterogenität und Vielfalt entwickeln. Abb. 25: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Filmstandbilder beschreiben Filmstandbilder beschreiben ❶ Schau dir die Filmstandbilder genau an. ❷ Beschreibe, was du auf den beiden Bildern siehst. - In welcher Situation befinden sich Wadjda und Abdullah? - Was kannst du aus den Bildern schließen: Wie ist die Beziehung der beiden? - Worin unterscheiden sich die Bilder? - Welches Bild stammt vom Anfang des Films, welches vom Ende? Begründe. ❸ Welche Kameraeinstellung hat der Regisseur gewählt? Welche Wirkung wird dadurch bei den Zuschauern erzielt? Wähle eine Antwort aus und begründe. Großaufnahme: Wir können am Gesichtsausdruck die Gefühle der Person erkennen. Totale: Unser Blick wird auf die Personen gelenkt, ihre Handlungen werden sichtbar. Froschperspektive: Die Figuren wirken groß und bedrohlich. ❹ Wähle ein Bild aus. a) Erkläre, warum diese Szene eine wichtige Rolle im Film spielt. Du kannst diese Formulierungshilfen nutzen: Das Standbild stammt aus dem Film ... Auf dem Standbild sieht man ... Das Foto ist vom Anfang / aus der Mitte / vom Ende des Films, als ... Vorher ... Danach ... Die Regisseurin hat die Kameraeinstellung ... gewählt. Dadurch können die Zuschauer ... Das Standbild zeigt einen wichtigen Moment ... b) Schreibe zu dem Standbild einen inneren Monolog aus der Sicht einer der Figuren. 227 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Kurzkommentar Bei dieser Aufgabe werden die Schülerinnen und Schüler angeleitet, Filmstandbilder zu untersuchen. Sie sollen zwei Standbilder (Screenshots) bearbeiten. Sie geben an, was ihnen zuerst ins Auge fällt, wo und wann die Szene spielt und welche Bedeutung die Szene im Film hat (Aufgabe 1 und 2). In einem nächsten Schritt können sie die Kameraeinstellung bestimmen (Aufgabe 3); sie erkennen, welche Wirkungen Kameraeinstellungen bei den Zuschauern hervorrufen können. Für diese anspruchsvolle Aufgabe gibt es aber mehrere Hilfestellungen: Die Kameraeinstellungen werden im selben Kapitel abgebildet und sind dort mit Bildern aus dem Film erklärt. Zur Bestimmung der Wirkung bearbeiten die Schülerinnen und Schüler eine Multiple-Choice-Aufgabe. Sie brauchen also nicht selbst zu formulieren, können über die Alternativen nachdenken und gemeinsam zum Erkennen der richtigen Lösung kommen. Schließlich sollen die Schülerinnen und Schüler herausfinden, was die Regisseurin in diesen Bildern besonders hervorgehoben hat (Aufgabe 4a) und darüber sprechen, wie sie die Bilder verstehen. Mit Hilfe der ausgewählten Szenenbilder kann die Filmhandlung rekonstruiert werden. Wadjdas Entwicklung und die Beziehung der Figuren werden mit der Kameraeinstellung (Totale) ins Bild gebracht: Am Filmanfang rennt Wadjda Abdullah auf dem Rad vergeblich hinterher, um das ihr entrissene Kopftuch wiederzubekommen. In einer späteren Einstellung fahren Wadjda und Abdullah gleichberechtigt auf ihrem Rad nebeneinander. Mit Hilfe des Bildvergleichs kann die Entwicklung der Protagonistin herausgearbeitet werden. Schließlich sollen die Schülerinnen und Schüler sich auch in die Personen hineinversetzen und sich deren Gedanken und Gefühle bewusst machen, indem sie zu einer der Figuren einen inneren Monolog schreiben (Aufgabe 4b). 228 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 26: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Einen Film beurteilen Einen Film beurteilen Nachdem du dich genauer mit dem Film beschäftigt hast, kann du dir eine Meinung dazu bilden und eine Bewertung des Films schreiben. ❶ Denke über den Film „Das Mädchen Wadjda“ nach. - Nimm Stellung zu folgenden Schüleräußerungen. - Begründe deine Meinung. ❷ Schreibe selbst eine Bewertung des Films. - Nutze den Schreibplan und die Formulierungshilfen - Stellt eure Texte in der Klasse vor. Schreibplan Formulierungshilfen ● Wichtige Informationen zum Film: Titel, Regisseurin, Produktionsjahr, ... ● Thema und Figuren ● Wirkung auf die Zuschauer: - Was hat der Film in dir ausgelöst? - Gibt es eine Szene oder ein Filmstandbild, das du besonders gelungen findest? Warum? ● Abschließende Bewertung: Warum würdest du den Film (nicht) empfehlen? Der Film hat den Titel ... . Er ... Die Hauptfigur ist ... Es geht um …. Der Film hat viele Gedanken und Gefühle in mir ausgelöst. Zunächst einmal ... Besonders gefällt mir Insgesamt ... Ich würde den Film (nicht) empfehlen, weil ... Ich finde, Wadjda ist mutig und selbstbewusst ... Der Film macht mir Hoffnung. Er zeigt, wie wichtig es ist, nicht aufzugeben. Das sieht man daran, ... Ich finde es interessant zu sehen, wie Kinder anderswo in der Welt leben. Zum Beispiel ... 229 6.5 Hör-Seh-Verstehen: Filme und Videos Kurzkommentar Am Ende der Beschäftigung mit dem Film stehen Einordnung und Beurteilung des Films: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich eine eigene begründete Meinung über den Film bilden - und dabei auch zum Ausdruck bringen, welche Gedanken und Gefühle der Film in ihnen ausgelöst hat und warum es sich lohnt, sich intensiv mit dem Film auseinanderzusetzen (Aufgabe 1 und 2). Ein Schreibplan mit Formulierugshilfen bildet das Geländer, das Schülerinnen und Schüler bei dieser Aufgabe - bei Bedarf - nutzen können (vgl. auch „Marius“ auf Seite 220). 231 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik Auf der Folie der Diskussion um die Bildungsstandards Deutsch und auf der Basis der skizzierten sprech- und gesprächsdidaktischen Ansätze scheint es angebracht, die in den Bildungsstandards angelegte Rede- und Gesprächsdidaktik zu überdenken und die dort angelegte Konzeptualisierung weiterzuentwickeln. Abschließend werden dazu didaktische Essentials aufgegriffen und ihre Bedeutung für die Didaktik und Methodik des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ herausgestellt. 7.1 Grundsätzlich: Mündlichkeit ernst nehmen Im kompetenzorientierten Deutschunterricht sind die zentralen Kompetenzbereiche „Sprechen“, „Hören“, „Lesen“ und „Schreiben“ miteinander vernetzt und sollen integrativ betrachtet werden. Mündliche und schriftliche Kompetenzen sind dabei als eigenständig und gleichrangig anzusehen (vgl. Kapitel 1). Im Deutschunterricht wird diese zentrale Forderung aber bislang kaum umgesetzt, vielmehr zeichnet sich eine deutliche Favorisierung der Schriftlichkeit ab. Diese Vorrangstellung des Schriftlichen hat viele Gründe (vgl. Einleitung) - und sie wird durch die Bildungsstandards weiter zementiert, wenn der Bezug auf „die Standardsprache“ beim „Sprechen und Zuhören“ herausgestellt wird (Bildungsstandards Mittlerer Schulabschluss 2005, 8; vgl. Kapitel 2). Der Primat der Schriftlichkeit zeigt sich auch in den Sprachdidaktiken (vgl. Kapitel 4), fruchtbare didaktisch-methodische Ansätze, wie sie etwa von Erich Drach und Erika Essen entwickelt wurden, sind zudem in Vergessenheit geraten (vgl. Kapitel 3). Es ist an der Zeit, mündliche Kompetenzen im Deutschunterricht ernst zu nehmen und mit der eingefahrenen Praxis zu brechen, das Mündliche als Steigbügelhalter für das Schriftliche zu betrachten. Das Sprechen darf nicht nur als „Vorstufe des Schriftlichen“ angesehen werden, wie es traditionellerweise in den Deutschbüchern praktiziert wird - beispielsweise im Bereich der Erzähldidaktik und -methodik (vgl. Kapitel 5.1) oder auch beim Argumentieren (vgl. Kapitel 5.3.2.2 und 5.3.3.1). Authentische Gespräche kommen in Deutschlehrwerken kaum vor: Gespräche sind zudem oft auf diskursive Gespräche beschränkt (vgl. Kapitel 5.3.2.1) und in der Regel schriftsprachlich ausformuliert (vgl. P.A.U.L.D. 5/ 2010, 62). Praktische Gesprächskompetenz wird im Deutschunterricht dagegen kaum vermittelt (vgl. Kapitel 5.3.4). Lediglich der Bereich der Unterrichtskommunikation erfährt in jüngster Zeit zunehmende Aufmerksamkeit, insbesondere unter dem bildungssprachlichen Aspekt, denn die Unterrichtssprache ist nicht die Alltagssprache. Die aktive Teilnahme an der Unterrichtskommunikation beeinflusst zudem in starkem Maße den schulischen Erfolg in allen Fächern. Die Unterrichtskommunikation ist vor allem auch für Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache eine hohe Sprachhürde, denn die Bildungssprache ist konzeptionell schriftsprachlich konzipiert, auch wenn sie medial mündlich realisiert wird (vgl. Ahrenholz 2010). Hervorgehoben werden muss bei der Vermittlung der Bildungssprache die Komplexität ihres Gebrauchs: Kulturkontext, Unterrichtssituation, Diskurs in der Klassensituation und die besonderen sprachlichen Strukturen sind miteinander verquickt und auf alle Fächer bezogen. Es reicht folglich 232 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik beispielsweise nicht, allein bildungssprachliche Wörter und Wendungen zu vermitteln (vgl. z. B. Butzkamm 2007), die Beherrschung der Bildungssprache ist sprachhandlungsorientiert: Schülerinnen und Schüler müssen z. B. VERALLGEMEINERN, VERDICHTEN, EXPLIZIE- REN, DISKUTIEREN - und zwar schriftlich und mündlich; hinzu kommen gesprächsstrategische Kompetenzen wie SICH ZU WORT MELDEN, ZUSTIMMEN, WIDERSPRECHEN, RÜCKMELDUNGEN GEBEN usw. (vgl. Kapitel 5.3.1.3) Dabei spielen auch die sogenannten Operatoren, die in der Unterrichtskommunikation oder in den Aufgabenformulierungen der Lehrwerke verwendet werden, eine wichtige Rolle. Hingewiesen wird darüber hinaus auf Konzepte wie Scaffolding (vgl. Kapitel 5.3.1.3) oder Translanguaging (vgl. Kapitel 7.6) sowie methodisch kooperative Arbeitsformen, wobei immer die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten der Lernenden respektiert werden. Grundsätzlich ist eine Differenzierung in konzeptionelle bzw. mediale Mündlichkeit zu berücksichtigen. So sollte beispielsweise für mündliche Erzählungen und Diskussionen die konzeptionelle Mündlichkeit zum Ausgangspunkt didaktischer und methodischer Überlegungen gesetzt werden. Demgegenüber sind Vorträge eher der konzeptionellen Schriftlichkeit zuzuordnen, auch wenn sie mündlich präsentiert werden. Dies zeigt sich beispielsweise in Aufbau, Themenentwicklung, Handlungsmusterabfolge und den sich daraus ergebenden sprachlichen Strukturen, die eine stärkere Planung und Reflexion voraussetzen (vgl. Kapitel 6.2.2 und stellvertretend Spiegel 2011). Wechselseitige Beeinflussungen und Überlappungen bei der Vermittlung mündlicher und schriftlicher Kompetenzen sind zu beachten - vor allem in Bezug auf die Vermittlung von Bildungssprache (vgl. Kapitel 5.3.1.3). 7.2 Berücksichtigung des Hörverstehens und des Hör-Seh-Verstehens Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen sind höchst komplexe Prozesse der Wahrnehmung und des Verstehens (vgl. Kapitel 6.1). In den Bildungsstandards Deutsch werden Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen jedoch nicht als eigenständige Lernbereiche betrachtet, sondern unter dem Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ zusammengefasst (vgl. Kapitel 1.3 und 2). Im Gegensatz dazu zählt das Hörverstehen nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen neben „Lesen“, „Schreiben“ und „Sprechen“ zu den zentralen, eigenständigen Lernbereichen. Ein Blick über den Tellerrand des traditionellen Deutschunterrichts hin zu Ansätzen, die im Fremdsprachenunterricht bzw. im Unterricht des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache entwickelt worden sind, kann deshalb wichtige Impulse geben. Dabei geht es darum, Erkenntnisse der Grundlagenforschung didaktisch-methodisch umzusetzen und verschiedene Hörtextsorten und Hörstrategien zu berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es, Hörtexte aus dem Bereich der Sachtexte (z. B. Interviews, Feature, Berichte, Kommentare), aber auch literarische Texte (z. B. Hörspiele, Hörbücher) gleichermaßen zu berücksichtigen (vgl. Kap. 6.1). Deutschbücher, die Aufgaben zum Hörverstehen enthalten, sind nach wie vor eine Seltenheit. Hörbücher, Videos oder Filme kommen im Deutschunterricht kaum zum Einsatz, obwohl es gerade diese Medien sind, die von Schülerinnen und Schülern intensiv genutzt und geschätzt werden - und die daher ein großes didaktisch-methodisches Potential bieten. Beim 233 7.3 Plädoyer für einen konsequenten Einbezug des Zuhörers Hörverstehen geht es oft darum, Einzelinformationen herauszuhören und damit weiterzuarbeiten (vgl. Kapitel 6.1.1-6.1.3). Hörverstehen sollte dabei aber nicht nur auf utilitaristische Ziele bezogen, sondern in den Dienst des entdeckenden und sinnkonstruierenden Lernens gestellt werden. Schülerinnen und Schüler können zudem beim Umgang mit Hörtexten handlungs- und produktionsorientierte Verfahren nutzen, eigene Deutungen finden, selbständig Problemlösungen erarbeiten und affektive Kompetenzen entwickeln (vgl. Kapitel 6.3). Die Didaktik und Methodik des Hör-Seh-Verstehens ist im Begriff, ausgebaut zu werden, insbesondere Filme sind dabei, als zentrale Gegenstände des Deutschunterrichts entdeckt zu werden (vgl. Kapitel 6.5). In der Filmdidaktik wird herausgestellt, dass sich gerade mit diesem Medium im Deutschunterricht eine Vielzahl rezeptiver und produktiver Kompetenzen entwickeln und fördern lassen (vgl. Kapitel 6.5.4 und 6.5.5). 7.3 Plädoyer für einen konsequenten Einbezug des Zuhörers Erst in der Diskussion um die Implementierung der Bildungsstandards Deutsch ist auf die Bedeutung des aktiven Zuhörers aufmerksam gemacht worden (vgl. stellvertretend Behrens 2013). Der Zuhörer blieb bis dahin teilweise völlig ausgeblendet: So wurde beispielsweise lange Zeit die Erzählkompetenz rein sprecherbezogen konzeptionalisiert. Erst die jüngste Erzählforschung hat herausgestellt, dass das Erzählen eine Gemeinschaftsleistung zwischen Sprecher/ Erzähler und Zuhörer darstellt (vgl. Kapitel 5.1). Die mangelnde Zuhörerorientierung hat auch dazu geführt, dass dem aktiven Zuhörer im Deutschbuch bislang keine besondere Beachtung geschenkt wurde (vgl. dagegen die Beispiele im Kapitel 5.1.2). Grundsätzlich gilt für alle didaktischen und methodischen Ansätze des Kompetenzbereichs: Jegliches monologische und dialogische Sprechen muss zuhörerbezogen modelliert werden. Diese konsequente Zuhörerorientierung führt zu neuen methodischen Ansätzen: Das Vorlesegespräch als Methode fördert beispielsweise bei den Zuhörern das Textverständnis, ermöglicht die Wahrnehmung von Poetizität und Literalität und motiviert die Schülerinnen und Schüler zum Lesen und Hören. Auch beim Erzählen oder bei der Bearbeitung von Hörtexten, Filmen oder Videos zählen offene Gespräche mit den aktiven Zuhörern als besondere Methoden des Textverstehens (vgl. Kapitel 5.1.3.3 und 6.5.4). 7.4 Plädoyer für eine Vielfalt mündlicher Textsorten Die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ erfordert eine textsortenfundierte Didaktik der Mündlichkeit, die auf entsprechenden Forschungsanalysen aufbaut. Hier bleibt viel zu tun, denn die wissenschaftliche Analyse mündlicher Textsorten ist ins Stocken geraten. Ein erster Ansatz zur Differenzierung gesprochensprachlicher Textsorten liegt mit dem Modell der „Redekonstellationen“ der Freiburger Forschungsstelle für gesprochene Sprache vor (vgl. Deutrich 1971, van Os 1974). Die Redekonstellation besteht demnach aus einem Bündel außersprachlicher Merkmale (z. B. Sprecherzahl, Anzahl der Sprecherwechsel, Grad der Öffentlichkeit, Sprecher- und Hörerrollen, Grad der Vorbereitetheit) sowie sprachlicher Merkmale (z. B. Mitteilungsaspekt, Themenbehandlung) (vgl. van Os 1974, 10). 234 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik Die Ausdifferenzierung der Redekonstellationen führt zur Beschreibung unterschiedlicher Textsorten. Zu Beginn wurden insbesondere Interview, Diskussion, Themengespräch, Unterhaltung, Vortrag, Reportage und Erzählung mit Hilfe der Redekonstellations-Merkmale unterschieden (Deutrich 1971, 27). Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982, 31-38) haben insbesondere die „Gesprächstypen“ auf der Basis der Freiburger Redekonstellationstypen weiter ausgearbeitet. Sie unterscheiden auf Grund soziologisch-pragmatischer Kategorien (Henne/ Rehbock 1982, 32 f.) persönliche Unterhaltungen, Feier-, Biertisch- und Thekengespräche, Spielgespräche, Werkstatt-, Labor-, Feldgespräche, Kauf- und Verkaufsgespräche, Kolloquien, Konferenzen, Diskussionen, Mediengespräche, Interviews, Unterrichtsgespräche, Beratungsgespräche, Amtsgespräche und Gerichtsgespräche, wobei immer wieder auch auf Mischformen und Verschiebungen hingewiesen wird. Herausgestellt werden zudem die Funktionen der Rede- und Gesprächssorten in ihrem Gebrauch. Diese Herausstellung der Textfunktionen liegt auch den textsortenlinguistischen Forschungen zugrunde: So unterscheiden Christian Fandrych und Maria Thurmair (2011, 29-34) in enger Anlehnung an Bühlers Organon-Modell a) wissensbezogene, b) handlungsbeeinflussende und handlungspräformierende und c) expressiv-soziale, sinnsuchende Textsorten mit jeweils weiteren Differenzierungen. Roland W. Wagner (2006, 182-255) differenziert und illustriert unterschiedliche Gesprächsformen auf rhetorischer Basis und unterscheidet phatische Gespräche (alltägliche Gespräche: z. B. Smalltalk), deliberative Gespräche (Klärungsgespräche: z. B. Diskussion), konfrontative Gespräche (Streitgespräche: z. B. Debatte), konsultative Gespräche (Beratungsgespräche: z. B. therapeutisches Gespräch), Informations- und Beurteilungsgespräche (z. B. Unterrichts- und Prüfungsgespräch), abwertend beschriebene Gespräche (z. B. Gezänk oder Mobbing) sowie Sonderformen (z. B. Beichte oder Internet-Chat). In allen Untersuchungen zur Differenzierung und Beschreibung von Rede- und Gesprächssorten wird herausgestellt, dass ▶ es sich um keine geschlossenen, theoretischen Modelle handelt, ▶ bei den Differenzierungen von Mischformen und Übergängen auszugehen ist. Trotz aller Differenzierungen und Illustrationen ist eine fundierte textlinguistische Beschreibung genuin mündlicher Rede- und Gesprächssorten aber immer noch ein Desiderat. Eine didaktisch begründete Auswahl mündlicher Textsorten für den Deutschunterricht fehlt ebenfalls. Bislang stehen wenig Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, die von authentischen Gesprächen ausgehen (vgl. Kapitel 5.3.2). Als Grundlage für die unterrichtliche Arbeit wäre sicherlich ein Textkorpus nützlich - differenziert nach mündlich und schriftlich konturierter Mündlichkeit -, das auch innere und äußere Mehrsprachigkeit berücksichtigt. Die bisherige einseitige Orientierung auf schriftsprachliche Textsorten muss aufgegeben werden. Dabei erfüllen die neuen Medien wichtige Funktionen, denn damit lassen sich unterschiedliche Hörtextsorten (z. B. Kurzvorträge, Interviews, Gespräche) sowie Filme (z. B. Dokumentarfilme, Spielfilme) und Videos (z. B. Nachrichten, Features, Booktubes, Hörbücher, Hörspiele) ohne großen Aufwand im Unterricht präsentieren und bearbeiten. Hinweise auf eine didaktisch begründete Auswahl mündlicher Sachtexte liegen bislang nicht vor. Vereinzelte Vorschläge (z. B. Wagner 2006) listen möglichst viele Rede- und Ge- 235 7.5 Modellierung des Kompetenzbereichs sprächssorten auf, um den Objektbereich und die Relevanz mündlicher Sachtexte für den Unterricht zu betonen - didaktische Auswahlkriterien werden allerdings nicht angeführt. Auflistungen von Rede- und Gesprächsformen werden in der Praxis wohl eher exploratorisch gewonnen: bestimmte Redetypen (z. B. Vortrag) und Gesprächstypen (z. B. Diskussion) gehören wegen ihrer sozial-gesellschaftlichen Relevanz zu den Standards mündlicher Textsorten. Anders sieht es dagegen für den Bereich literarischer Genres aus: Karla Müller (2012, 148-178) orientiert sich bei ihrer Auswahl am traditionellen Kanon des Deutschunterrichts. Sie nennt als wichtige Hörtextsorten Märchen, verschiedene Formen von Hörspielen, Lautpoesie, einen Balladenrap und eine Hörspielfassung von Franz Kafkas „Schloss“. Mittlerweile enthalten Hörbücher eine große Vielfalt an literarischen Texten, so dass eine lernerbezogene Auswahl getroffen werden kann. Nahezu das gesamte Repertoire der Kinder- und Jugendliteratur steht als Hörbuch zur Verfügung (vgl. z. B. die Übersicht bei Spinner/ Standke 2016). Im Rahmen einer als immer wichtiger herausgestellten Filmbildung (vgl. Kapitel 6.5.2) liegen vielfältige Vorschläge zur unterrichtlichen Behandlung von Filmen vor (vgl. z. B. Fuchs/ Klant/ Pfeiffer/ Staiger/ Spielmann 2008, Kepser 2013). Das große Angebot ermöglicht es, sich an Vorwissen und Interessen der Schülerinnen und Schüler zu orientieren und eine entsprechende Auswahl zu treffen. Ulf Abraham (2012, 147-195) macht in seiner Einführung zur Arbeit mit Filmen im Unterricht eine Reihe von Unterrichtsvorschlägen für verschiedenen Klassenstufen. In der aktualisierten Neuauflage seines Buches (2016) nimmt Abraham auch zwei Dokumentarfilme auf - und bezieht damit ein erst kürzlich in der Fachdidaktik wiederentdecktes Genre mit ein (vgl. Kepser/ Abraham 2016, 211, Kammerer/ Kepser 2014, Praxis Deutsch 2015). Bei der Filmauswahl zu berücksichtigen sind auch speziell an Kinder- und Jugendliche adressierte Filme. Hierbei spielen oft Aspekte der Adoleszenz und Identitätskonstruktion eine zentrale Rolle. Bei den Jugendfilmen „Scherbenpark“ (2013) und „Tschick“ (2016) handelt es sich um Literaturverfilmungen, die im Deutschunterricht traditionell zum Einsatz kommen (vgl. Kapitel 6.5.1). Diese Filme bieten zudem die Möglichkeit, interkulturelle Aspekte zu thematisieren. Werner Wintersteiner (2006, 20) fordert in diesem Zusammenhang, dass der Deutschunterricht sich den Literaturen (und Filmen) der Welt öffnen sollte (vgl. dazu auch Bleckwenn 2009). Filme, die in anderen kulturellen Sphären spielen (z. B. Billy Elliot [2000], Das Mädchen Wadjda [2012]), eignen sich besonders, um interkulturelle und transkulturelle Kompetenzen zu fördern (vgl. Honnef-Becker 2015). 7.5 Modellierung des Kompetenzbereichs Die Bildungsstandards Deutsch (2005) setzen für den Kommunikationsbereich „Sprechen und Zuhören“ durchaus neue Akzente. Sie versuchen auch, die Fülle von Teilkompetenzen in eine für den Deutschunterricht richtungsgebende Struktur zu bringen, indem sie insbesondere Sprechsituationen rubrizieren (z. B. „zu anderen sprechen“, „vor anderen sprechen“, „mit anderen sprechen“). Die Auflistung der Kompetenzen nach situativen Gesichtspunkten ist allerdings in mehrfacher Hinsicht problematisch (vgl. Kapitel 2.2). Michael Becker-Mrotzek (2008) geht einen ganz anderen Weg und beschreibt in seinem „Kommunikationsmodell 236 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik der Gesprächsfähigkeit“ unterschiedliche Teilkompetenzen, die beim Sprechen angewandt werden. Seine Modellierungen sind allerdings eher additiv und nicht konstruktivistisch angelegt. Ulf Abraham (2016, 42-47) modelliert Einzelkompetenzen in vier Kompetenzfeldern - vor allem auf der Basis postulierter Sprechfunktionen (kathartische, ästhetische, expressive, heuristische/ mnemotechnische): Erzählkompetenz, Informationskompetenz, mündliche Argumentationskompetenz, Spielkompetenz, Redekompetenz, Gesprächskompetenz, Präsentationkompetenz. Abraham räumt zwar die Offenheit dieser Liste ein, die Kompetenzliste ist aber in sich widersprüchlich und klammert sowohl die Zuhörerperspektive als auch die Hörkompetenzen aus (vgl. Kapitel 4.4). Bei der Modellierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ scheint es daher augenblicklich angebracht, „kleinere Brötchen zu backen“ und kein geschlossenes System anzuvisieren: 1. Differenzierung in rezeptive und produktive Kompetenzen Zunächst einmal ist es zweckdienlich, im Bereich der Mündlichkeit zwischen eher produktiven und rezeptiven Kompetenzen zu unterscheiden: So lässt sich die Vortragskompetenz produktiv als Redekompetenz und rezeptiv als Hörbzw. Hör-Seh-Kompetenz differenzieren. Die Gesprächskompetenz gilt in diesem Kontext insofern als Sonderfall, als durch den Sprecher-Hörer-Wechsel sowohl produktive wie rezeptive Kompetenzen gefordert werden. 2. Differenzierung in Rede- und Gesprächskompetenzen Des Weiteren bietet sich eine grundsätzliche Unterscheidung in Redekompetenzen einerseits und Gesprächskompetenzen andererseits an. Beiden gemeinsam ist die grundsätzliche Orientierung auf den Zuhörer. a. Redesorten sind eher monologisch orientiert, wie beispielsweise Vorträge (vgl. Kapitel 5.2) oder Erzählungen (vgl. Kapitel 5.1). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass solche Redesorten nicht statisch zu interpretieren sind, sondern auch dialogisch ausgebaut und entwickelt werden können. Dies zeigt sich bereits an neuen Bezeichnungen für Redesorten wie z. B. „Vortrag mit Diskussion“. Im schulischen Kontext gilt die Erweiterung auf die Dialogizität monologischer Redesorten mittlerweile als didaktisches Desiderat: Beim Vorlesen literarischer Texte sollen die Zuhörer beispielsweise aktiv in den Rezeptionsprozess eingebunden werden (Vorlesegespräch) oder beim Erzählen sollen sich die Zuhörer durch Rückmeldungen an den Erzähler an der Erzählstory beteiligen. b. Gesprächssorten sind dialogisch bestimmt, d. h. für sie ist der Sprecher-Hörer-Wechsel konstitutiv; die Gesprächsteilnehmer wechseln spontan oder geregelt von der Sprecherin die Hörerrolle und umgekehrt. Dies bedeutet, dass Gesprächskompetenzen immer auch an Hör(verstehens)kompetenzen gekoppelt sind. Insofern ist die Kompetenzbezeichnung „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards folgerichtig. Gesprächskompetenzen umfassen nicht allein produktive Fertigkeiten, sondern auch Kompetenzen, auf das Gehörte zu reagieren, dabei Gehörtes zu bestä- 237 7.6 Mündlichkeit im mehrsprachigen Kontext tigen, zu kommentieren, nachzufragen, zu widersprechen, zu ergänzen usw. Dieses Diktum muss in die Gesprächsdidaktik mit einbezogen werden. 3. Differenzierung nach Textsortenkompetenzen Rede- und Gesprächskompetenzen lassen sich nach situativ-pragmatischen Kriterien in spezifische Textsortenkompetenzen differenzieren. Der Rekurs auf den Textsortenbegriff hat einen entscheidenden Vorteil: Der pragmatische Textsortenbegriff - Textsorten sind komplexe Sprachhandlungsmuster - impliziert situative und funktionale Aspekte des mündlichen Sprachgebrauchs. Der Bezug auf den Sprachhandlungsbegriff hat den Vorteil, dass sich traditionelle schulische Textformen wie „Erzählung“, „Schilderung“ oder „Diskussion“ neu konturieren lassen: So ist das ERZÄHLEN als komplexe Sprechhandlung zu modellieren, die nach den Ansätzen der story grammar (Geschichtengrammatik) in weitere, untergeordnete Teil(sprech)handlungen zerfällt (vgl. Kapitel 5.1). Eine textlinguistisch legitimierte und auf Schülerkompetenzen abgestimmte Liste und Beschreibung mündlicher Textsorten (auch Hör- und Hör-Seh-Textsorten) steht allerdings noch aus. 7.6 Mündlichkeit im mehrsprachigen Kontext Mehrsprachige Klassen sind heute der Normalfall an Schulen. Die Forderung, dass „Herkunftssprachen“ der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund Eingang in den Unterricht finden sollten, wird oft erhoben (vgl. Oomen-Welke 2010, Brehmer/ Mehlhorn 2018), allerdings sind Vorschläge für ihre unterrichtliche Umsetzung immer noch spärlich. Impulse zum mehrsprachigen Unterricht kann Hölschers „Szenariendidaktik“ liefern (Hölscher 2007, 143). Hierbei bilden vertraute Situationen den Ausgangspunkt für verschiedene sprachliche Aufgaben, z. B. ein Theaterstück inszenieren, einen Text aufnehmen oder einen Videofilm herstellen (vgl. Hölscher 2006). Insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache stellt die Film- und Theaterarbeit einen wichtigen Ansatz der Sprachförderung dar (vgl. Holdorf/ Maurer 2017). In einer Verbindung von kommunikativer Sprachförderung mit film- und theaterpädagogischer Arbeit werden „Sprechanlässe in handlungsorientierten, situativen, natürlichen und zielgerichteten Kontexten“ geschaffen (Holdorf/ Maurer 2017, 16). Das Theaterspielen ist prozessorientiert angelegt, es führt nicht unbedingt zur Aufführung, sondern dient nicht zuletzt dem Austesten der eigenen Sprachkompetenzen. Sprachförderung wird erreicht durch Improvisationen von Alltagsgesprächen, durch das Drehen von Kurzvorstellungsvideos und Kurzfilmen (Holdorf/ Maurer 2017, 247) oder durch Filmproduktion und Sprachförderung mit Smartphones und Tablets (Holdorf/ Maurer 2017, 327 ff.). Mehrsprachigkeit wird bei diesen alternativen Ansätzen nur am Rande berücksichtigt, etwa durch Vorschläge zur Untertitelung oder Synchronisierung von Filmsequenzen. Die vorgestellten Projekte bieten aber vielfältige Möglichkeiten, die Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler miteinzubeziehen, vgl. Aufgaben zum mehrsprachigen Erzählen (vgl. Kap. 5.1.3.3) und Theaterspielen (vgl. Kapitel 5.4.2.2). 238 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik Was die Forderung nach einem mehrsprachigen Unterricht betrifft, finden zunehmend Konzepte des Translanguaging (García/ Sylvan 2011) Berücksichtigung: In the 21st century, as classrooms become more and more linguistically diverse, the greatest challenge will be how to educate all students equitably and meaningully. Imposing one school standardized language without any flexibility of norms and practices will always mean that those students whose home language practices show the greatest distance from the school norm will always be disadvantaged. Clearly, monolingual education is no longer relevant in our globalized world (García/ Sylvan 2011, 398). Unter Translanguaging werden hybride Sprechpraktiken verstanden, die durch eine flexible Mehrsprachigkeit geprägt sind und damit von einer Normalität der Sprachenwechsel ausgehen. Translanguaging ist nicht dasselbe wie Code-Switching (vgl. auch Becker 2016): Nicht eine Sprache wird im Sprachfluss durch eine andere abgelöst, sondern alle beteiligten Sprachen bleiben gleichsam im Spiel. Beim Translanguaging geht es darum, die vorhandenen Bestände von Mehrsprachigkeit, über die Schülerinnen und Schüler verfügen, in den Unterricht und das Lernen einzubeziehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen, insbesondere bei der Aneignung ‚neuer Gegenstände‘, sich ihr komplettes sprachliches Repertoire zunutze machen können. Zum Thema Translanguaging werden zurzeit zahlreiche Projekte durchgeführt: ▶ Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit. Universität Hamburg ▶ bb - babbelbubble. Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse (SCRIPT) ▶ MEVIEL. Entwicklungspartnerschaft mehrsprachigvielfältig. Zentrum für LehrerInnenbildung, Universität Wien 7.7 Einbezug der modernen Medien Schülerinnen und Schüler wachsen in einer mediatisierten Welt auf, in der sie ganz selbstverständlich von unterschiedlichen Angeboten umgeben sind. Im Unterricht sollte ihre digitale Kompetenz genutzt werden, um Zielsetzungen des Deutschunterrichts auf motivierende Art und Weise umzusetzen: „Smartphone und Tablet sollen nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden, sondern da, wo sie den Unterricht bereichern und erleichtern“ (Praxis Deutsch 2017). Bei der Vermittlung der Kompetenzen „Sprechen und Zuhören“ geht es nicht um „Bereicherung“ - digitale Medien bieten überhaupt erst die Voraussetzung, diese Kompetenzen im Unterricht angemessen zu behandeln. Hörmedien und audiovisuelle Medien sind im Deutschunterricht bei der Vermittlung der Kompetenzen gebührend zu berücksichtigen, sowohl bei der Rezeption als auch bei der Produktion gesprochener Sprache. Unser Buch enthält dazu eine Vielfalt von unterschiedlichen Materialien und Unterrichtsbeispielen: z. B. Lernvideo zum Erzählen (vgl. Kapitel 5.1.1.3), Pro-Kontra-Debatte (vgl. Kapitel 5.3.2.2), Rollendiskussionen (vgl. Kapitel 5.3.3.1), Zuhörspiele (vgl. Kapitel 5.3.3.2), Interviews, Geschichten, Auszüge aus Hörbüchern (vgl. Kapitel 6.3) sowie Videos und Filmausschnitte (vgl. Kapitel 6.5). 239 7.8 Beurteilung und Evaluation der Rede- und Gesprächskompetenz 7.8 Beurteilung und Evaluation der Rede- und Gesprächskompetenz Im Unterricht sind mündliche Kompetenzen mit anderen Kompetenzen verknüpft (z. B. Argumentationskompetenz, Interpretationskompetenz) und mit anderen Lernbereichen vernetzt. Es ist deshalb schwierig, sie zu isolieren, um sie einzuschätzen und zu beurteilen. Das mag ein Grund dafür sein, dass nur wenig Testmaterial zur Verfügung steht, wobei vor allem das Hörverstehen geprüft wird (vgl. Kapitel 6.4). Diese Hörverstehenstests stehen im Fokus der Kritik, hier muss unbedingt ein Umdenken erfolgen und insbesondere der Unterschied zwischen Hör- und Leseverstehen in Rechnung gestellt werden (vgl. Kapitel 6.1.2). Auch bei der Entwicklung der Tests sollte von einer Differenzierung in rezeptive und produktive Kompetenzen und von einer Differenzierung in Rede- und Gesprächskompetenzen ausgegangen werden und mit den entsprechenden Textsorten gearbeitet werden. Was die praktische Gesprächskompetenz betrifft, kann auf Tests zurückgegriffen werden, die im Bereich des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache entwickelt worden sind (vgl. Kapitel 5.3.5). Auch wenn das Prüfungsverfahren der authentischen Gesprächssituation nicht entspricht, ist das Testverfahren zumindest ein Anfang, das Gesprächsverhalten der Schülerinnen und Schüler miteinander zu vergleichen und festzustellen, in welchen Teilbereichen (z. B. Aussprache, Prosodie, sprachlicher Ausdruck, Gestik, Mimik, Organisation des Gesprächs, Themenbehandlung, Umgang mit dem Gesprächspartner) Förderungsbedarf besteht. Variantenreiche Aufgabenformate und schülergemäße Aufgabenformulierungen können dabei den Testcharakter in den Hintergrund treten lassen. Schließlich können Schülerinnen und Schüler die Wirkungen von Redeweisen (auch der eigenen) beobachten und einschätzen. Hierbei stellen Feedback-Gespräche eine zentrale Methode dar (z. B. bei der Unterrichtskommunikation vgl. Kapitel 5.3.1.3 und 5.3.5; beim Gedichtvortrag vgl. Kapitel 5.2.3; bei der Rollendiskussion vgl. Kapitel 5.4.2). 7.9 Gute Aufgaben fördern das Lernen Im Deutschunterricht werden vielfältige Rede- und Gesprächskompetenzen entwickelt und gefördert, die in unterschiedlichen kommunikativen Situationen zum Tragen kommen. Die Orientierung an einem pragmatischen Textsortenbegriff führt dazu, dass Aufgaben sich auf authentische Situationen beziehen. Dementsprechend sind im Deutschunterricht keine künstlichen didaktischen Texte einzusetzen, sondern authentische Materialien - vom Experteninterview über Booktubes bis hin zu Hörbüchern und Filmen (vgl. kritisch für den Bereich Deutsch als Fremdsprache Honnef-Becker 1996, Rösler 2016). Gute Aufgaben gehen von den Textfunktionen dieser Materialien aus und simulieren authentische Verstehensziele. Gute Aufgaben helfen Schülerinnen und Schülern, die angestrebten Kompetenzen zu erreichen, indem sie den Lernprozess „Schritt für Schritt“ modellieren und gegebenenfalls Hilfen in Anspruch nehmen. „Geländeraufgaben“ und Wortschatzspeicher (Formulierungshilfen) können dabei binnendifferenzierend zum Einsatz kommen. Die Aufgaben beim Hör- und Hör-Seh-Verstehen sollten in Aufgaben vor, während und nach dem Hören phasiert werden. In der Phase vor der Hörtextrezeption kann Vorwissen ak- 240 7 Ausblick: Plädoyer für eine neue Rede- und Gesprächsdidaktik tiviert und aufgebaut werden. Während des Zuhörens können verschiedene Verstehenshilfen genutzt werden (etwa Bilder und Mindmaps), und es kann binnendifferenzierend gearbeitet werden. In der Phase nach dem Hören können weitere variantenreiche Aufgaben zum Einsatz kommen, die sich auf unterschiedliche Teilkompetenzen beziehen. Sie lassen als offene Aufgaben auch Raum, eigenes Wissen und eigene Vorstellungen einzubringen und bieten die Möglichkeit, erarbeitete Ergebnisse zu nutzen und kreativ damit weiterzuarbeiten (vgl. Kapitel 6.5.5.2). Dementsprechend sollten nicht nur analytische, sprachreflexive, sondern auch offene handlungsorientierte „Transfer-Aufgaben“ angeboten werden. Gute Aufgaben sind lernerorientiert. Gerade beim Sprechen können auch mehrsprachige Ressourcen, die Schülerinnen und Schüler mitbringen, im Unterricht zum Tragen kommen und wertgeschätzt werden. Beim „Sprechen und Zuhören“ geht es nicht nur um kommunikative Kompetenz - es geht auch darum, bei den Schülerinnen und Schülern Identität, Empathiefähigkeit und Ambiguitätstoleranz zu entwickeln. Dabei kann insbesondere das Rollenspiel (vgl. Kapitel 5.4) wichtige Funktionen erfüllen. Aufgaben, die auf den ersten Blick vielleicht weniger ansprechend erscheinen, können durch entsprechende lernerorientierte Methoden von den Schülerinnen und Schülern mit Begeisterung angegangen werden. Schon Erich Drach hat darauf hingewiesen, dass ein Gedicht vorzutragen keine auf bestimmte Techniken basierende „Turnübung“ coram publico sein sollte (vgl. Kapitel 3.3). Petra Anders und Ulf Abraham (2008) zeigen am Beispiel Slam und Clip, wie aktuelle Formen inszenierter Poesie mit ihrem Verbund von oraler Dichtung, schriftlich fixierten Texten und audiovisuellen Medien eine Chance bieten, an Rezeptionsgewohnheiten von Lernenden anzuknüpfen und bei ihnen Interesse und Motivation zu wecken. „Sprechen und Zuhören“ soll nämlich vor allem eins - den Schülerinnen und Schülern Spaß machen! 241 Literaturverzeichnis Abraham, Ulf (2012): Filme im Deutschunterricht. 2., aktualisierte Auflage. Seelze: Kallmeyer. [1. Auflage 2009, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage 2016] Abraham, Ulf (2016): Sprechen als reflexive Praxis. Mündlicher Sprachgebrauch in einem kompetenzorientierten Deutschunterricht. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Klett. Abraham, Ulf, Ina Brendel-Perpina (Hrsg.) (2017): Kulturen des Inszenierens in Deutschdidaktik und Deutschunterricht. Stuttgart: Fillibach. Ahrenholz, Bernt (Hrsg.) 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Klasse erzählen im Projekt von Uta Hauck-Thum (2018) „Mit Erzählen Schule machen“ das Märchen „Hänsel und Gretel“ als Erzählfilm Quelle: http: / / www.mit-erzaehlen-schule-machen.germanistik.uni-muenchen.de/ erzaehlen-mitmedien/ haenselundgretel/ index.html Seite 79 Lehrvideo von Georg Piller (2013) über Ideen zum sprachfördernden Erzählen mit Praxisbeispielen Quelle: https: / / www.youtube.com/ watch? v=RBgXi817J_c Seite 80 Die Erzählerin Katharina Ritter motiviert und animiert Schüler und Schülerin-nen einer mehrsprachigen Klasse zu einer Miterzählgeschichte Quelle: http: / / www.mit-erzaehlen-schule-machen.germanistik.uni-muenchen.de/ erzaehlgut_beta/ miterzaehlgeschichten/ diego/ index.html [Auszug] Seite 80 Lehrvideo aus dem Projekt von Uta Hauck-Thum (2018) „Mit Erzählen Schule machen“: Schülerinnen und Schüler einer mehrsprachigen Klasse erzählen in der Erzählwerkstatt Quelle: http: / / www.mit-erzaehlen-schule-machen.germanistik.uni-muenchen.de/ erzaehlen-mitmedien/ erzaehlwerkstatt/ index.html Seite 80 Lehrvideo zu Adaptable Books mit mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern Quelle: https: / / www.adaptablebooks.com/ beispiele.html Seite 92 Caroline Villiger: Beispielvideo zum Lautlese-Tandem Quelle: https: / / tube.switch.ch/ videos/ 12242d45 Seite 93 Netzwerk Vorlesen Quelle: https: / / www.netzwerkvorlesen.de/ vorlesen-aber-wie/ Seite 93 Lehrvideo für Schülerinnen und Schüler „Tipps und Tricks beim Vorlesen in der Schule“ Quelle: school’s’easy: Vorlesen in der Schule - Tipps und Tricks. https: / / www.youtube.com/ watch? v=xD81QaIdpKU Seite 95 Unterschiedliche Vortragsweisen des Gruseletts Quelle: wortwusel.net/ gruselett.html Seite 116 Bläck Fööss: „Ruf doch mal an“ (2012): Beispiel für automatische Rekonstruktion von korrespondierenden Gesprächsbeiträgen Quelle: https: / / www.youtube.com/ watch? v=fdvcvk9cWgk 262 Verzeichnis der QR-Codes Seite 119 Schülerwettbewerb „Jugend debattiert“ Quelle: https: / / www.youtube.com/ watch? v=5JFJlPyJHh4 Seite 123 Zehn Regeln für die gute Debatte Quelle: Zeit online, 22. 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Wenn Eltern nur das Beste wollen“: Interview mit Inge Klöpfer, produziert und gesendet vom Hessischen Rundfunk in der Reihe hr-iNFO, 2012 Quelle: https: / / static.klett-lerntraining.de/ klasse5bis10/ exam/ 927327/ 2014/ Deutsch_ Niedersachsen_2014_Pruefung.pdf Seite 212 Informationsmaterial für den Einsatz von Filmen im Unterricht und in der Jugendarbeit. Zusammengestellt vom Bundesverband Jugend und Film (BJF), Frankfurt Quelle: https: / / bjf.clubfilmothek.de/ Seite 223 Internationales Filmplakat zu Das Mädchen Wadjda Quelle: https: / / www.imdb.com/ title/ tt2258858/ mediaviewer/ rm737335552 Seite 224 Porträt: Die saudische Regisseurin Haifaa Al Mansour Quelle: https: / / www.br.de/ radio/ bayern2/ sendungen/ kulturjournal/ haifaa-al-mansour-102.html Seite 224 „Wadjda“. Official Trailer (2013) Quelle: https: / / www.youtube.com/ watch? v=vZEiM9vIMI4 Seite 225 Screenshots aus Das Mädchen Wadjda Quelle: https: / / durchblick.clubfilmothek.de/ wadjda/ 11_2_Bildergalerie.htm Seite 226 Screenshots aus Das Mädchen Wadjda Quellen: https: / / durchblick.clubfilmothek.de/ wadjda/ bilder/ Screenshots/ Wadjda_11.jpg https: / / durchblick.clubfilmothek.de/ wadjda/ bilder/ Screenshots/ Wadjda_54.jpg Seite 238 iTEO: Translanguaging and Learning Quelle: https: / / www.youtube.com/ watch? v=fjBPxUm0hAM 264 Verzeichnis der QR-Codes Seite 238 Universität Hamburg: Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit Quelle: http: / / www.kombi-hamburg.de/ Seite 238 Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse (SCRIPT): bb - babbelbubble Quelle: https: / / portal.education.lu/ multi-script Seite 238 Zentrum für LehrerInnenbildung, Universität Wien: MEVIEL. Entwicklungspartnerschaft mehrsprachigvielfältig Quelle: https: / / lehrerinnenbildung.univie.ac.at/ arbeitsbereiche/ sprachlehr-und-lernforschung/ forschungsprojekte/ abgeschlossene-projekte/ meviel/ 265 Abbildungsverzeichnis 1 Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben Abb. 1: Sprachrezeptive und -produktive Grundfertigkeiten Abb. 2: Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards Deutsch. Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2005, 8) 2 „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch Abb. 1: Differenzierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch für den Primärbereich (2005, 9f.) Abb. 2: Differenzierung des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards Deutsch für den Mittleren Bildungsabschluss (2005, 10f.) Abb. 3: Vergleich der Bildungsstandards Deutsch im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ Abb. 4: Teilkompetenz „verstehend zuhören“ in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2005, 10) 3 Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Abb. 1: Positionen der Sprech- und Gesprächsdidaktik Abb. 2: Dr. Rudolf Hildebrand (1824-1894). In: Rudolf Hildebrand (1867/ 1917, o.S.) Abb. 3: Dr. Theodor Siebs (1862-1941). Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. S. Voigt-Zimmermann, Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Abb. 4: Ausschnitt aus Theodor Siebs: Deutsche Bühnenaussprache (1898/ 1915, 182) Abb. 5: Titelei von Theodor Siebs: Deutsche Bühnenaussprache (11. Auflage. Bonn: Albert Ahn 1915) Abb. 6: Dr. Erich Drach (1885-1935). Abb. 5 und 6 freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. S. Voigt-Zimmermann, Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Abb. 7: Titelei von Erich Drach: Sprecherziehung (11. Auflage. Oberursel/ Ts.: Kompaß 1949) Abb. 8: Dr. Erika Essen (1914-1986). Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Frau Dr. Renate Hildebrandt-Günther (Privatarchiv) Abb. 9: Fünfsatz als Modell des Argumentierens nach teachSam. http: / / teachsam.de/ deutsch/ d_rhetorik/ disku/ fuenfsatz/ fuenfs_1.htm (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 10: Merkmale gesprochener Sprache (zusammengestellt von Steinig/ Huneke 2011, 70f.) Abb. 11: Aufgabe aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen (5/ 1972, 22f.) Abb. 12: Rollenspiel-Aufgabe aus dem Sprachbuch Sprache und Sprechen (5/ 1972, 26) Abb. 13: Organon-Modell der Sprache von Karl Bühler (1978, 28) Abb. 14: Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun (2007, 15) Abb. 15: Konversationsmaximen nach Herbert Paul Grice (1975) Abb. 16: Aufgabe zur Sprechaktheorie aus dem Sprachbuch Deutsch für berufsbildende Schulen von Helmut Schröer und Karlheinz Dauenhauer (1974, 66f.) 266 Abbildungsverzeichnis Abb. 17: Kategorien der linguistischen Gesprächsanalyse nach Helmut Henne und Helmut Rehbock (1982, 20) 4 Mündlichkeit in aktuellen Sprachdidaktiken Abb. 1: Kompetenzmodell der Gesprächsfähigkeit nach Michael Becker-Mrotzek (2008, 62) Abb. 2: Kompetenzfelder der Mündlichkeit nach Ulf Abraham (2016, 44) 5 Sprechen und Zuhören: Didaktik und Methodik Abb. 1: Aufgabenbeispiel „Lauschen“ zu den Bildungsstandards (Krelle/ Neumann 2014, CD 2.42) Abb. 2: Aufgabenbeispiel „Schlechtes Sprechen“ zu den Bildungsstandards (Krelle/ Neumann 2014, CD 4.3) Abb 3: Narrative Erzähltypen nach Dietrich Boueke u.a. (1995) zitiert nach Wolfgang Steinig und Hans-Werner Huneke (2011, 78f.) Abb. 4: Mündliche und schriftliche Erzählung des Schülers „Günther“ (5. Schulstufe) zu einer Vater-und-Sohn-Geschichte nach Monika Dannerer (2016, 29f.) Abb. 5: Aufgabe zum persönlichen Erzählen aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs . (5. Schuljahr) (2016, 14) Abb. 6: Aufgabe aus dem Sprach-Lesebuch Deutsch wortstark (Baden-Württemberg-Ausgabe) (6/ 2016, 29). © Westermann Gruppe Abb. 7: Aufgabe zum Erzählen nach einer Geschichten-Grammatik aus wortstark (5/ 2012, 37). Foto: © Panther Media GmbH Abb. 8: Aufgabe aus dem Sprachbuch Wortwechsel (3/ 1976, 50) Abb. 9: netzwerkvorlesen.de Abb. 10: Pieter Bruegel d.Ä.: „Der Kampf zwischen Fasching und Fasten“ (GG 1016). © KHM-Museumsverband Abb. 11: Lautlese-Tandem nach BiSS (Bildung durch Sprache und Schrift) Gemeinsam fit im Lesen (2017, 11) Abb. 12: Originalseite aus dem Sprachbuch (Lesen) Tinto (3/ 2015, 51). © 2013 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin/ Tobias Krejtschi © 2018 Cornelsen Verlag GmbH, Berlin/ Tobias Krejtschi Abb. 13: Abb. 35: Josef Guggenmos: Hauchte, wetterte, sprach, brüllte. In: Josef Guggenmos: Wenn Riesen niesen. Wien, Heidelberg: Ueberreuther 1980, S. 28 Abb. 14: Hugo Ball: Karawane. In: Dada Almanach. Berlin: Erich Reiss Verlag 1920, S. 53. https: / / de.wikisource.org/ wiki/ Karawane Abb. 15: Aufgabenmodul „Ein Gedicht vortragen“. Textgrundlage: Mascha Kaléko: Opas Muschel. In: Mascha Kaléko: Wie’s auf dem Mond zugeht. Sigmaringen: Thorbecke 1982, o.S. Abb. 16: Auszug aus dem Sprachbuch (Lesen) Tinto (3/ 2015, 24) Abb. 17: Verkaufsgespräch in einem Bäckerladen im Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 20) Abb. 18: Aufgabe zum Verkaufsgespräch in einem Bäckerladen aus dem Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 21) Abb. 19: Entwicklung des Gebrauchs von überstülpen im alltagssprachlichen und schulsprachlichen Diskurs nach Uesseler (2011, 66) 267 Abbildungsverzeichnis Abb. 20: Telefongespräch und Aufgaben aus dem Sprachbuch Wort und Sinn (5/ 1988, 19) Abb. 21: Jugendliche debattieren 2011 über das Thema „Soll bei Fußballweltmeisterschaften der Videobeweis eingeführt werden“. https: / / www.youtube.com/ watch? v=5JFJlPyJHh4 (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 22: Methodenkasten „Eine Pro-Kontra-Diskussion durchführen“ aus dem Sprachbuch P.A.U.L.D. (8/ 2014, 167). © Westermann Gruppe Abb. 23: Gesprächsausschnitt aus einer Diskussion in der 8. Klasse zum Thema „Soll Rauchen ab 14 erlaubt werden? “ zitiert nach Rüdiger Vogt (2007, 122f.) Abb. 24-28: Aufgaben-Modul „Eine Rollendiskussion führen und auswerten“ aus dem Sprach-Lesebuch Deutsch wortstark (7/ 2013, 75-78). © Westermann Gruppe Abb. 29: Aufgaben-Modul „Rollenspiel: Talkshow“ im Sprachlehrbuch Aspekte (Mittelstufe Deutsch als Fremdsprache) (2007, 157) Abb. 30: Aufgaben-Modul „Miteinander reden - Dafür oder dagegen? “ im Sprach- und Lesebuch deutsch.kombi (5. Klasse) (2009, 22) Abb. 31: Aufgaben-Modul „Was macht der Zuhörer? - konzentriert und aktiv zuhören“ aus P.A.U.L.D. (8/ 2014, 131). © Westermann Gruppe Abb. 32: Aufgaben-Modul „Miteinander reden - Hier kommt jeder dran“ aus dem Sprachbuch Deutschstunden (6/ 1992, 10f.) Abb. 33: Inhaltsverzeichnis Sprachbuch (6/ 1976, 3) Abb. 34: Aufgaben-Modul „Fragen stellen - ein Zeichen von Unsicherheit? “ aus dem Sprachbuch für die berufliche Ausbildung Alltagsszenen (1979, 20f.) Abb. 35: Gesprächs-Geländer zum Führen eines informellen Telefongesprächs im Sprachlehrwerk em.Brückenkurs (Deutsch als Fremdsprache, Niveaustufe B2, 1998, 40) Abb. 36: Prüfungsmodul im Mündlichen Ausdruck einer TestDaF - Prüfung („Martin“) (Modulsatz 02, Aufgabe 2). https: / / www.testdaf.de/ zielgruppen/ fuer-teilnehmende/ vorbereitung/ modellsaetze/ modellsatz-02/ muendlicher-ausdruck/ ms02-ma2/ (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 37: Modellaufgabe „Sprechen“ des Goethe-Instituts für das Goethe-Zertifikat B . http: / / bfu.goethe.de/ b2_01/ sprechen.php (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 38: Bewertungsraster zum Kompetenzbereich „Sprechen“ des Goethe-Instituts (Goethe-Zertifikat A 2016, 42) Abb. 39: Beobachtungsbogen für das Rollenspiel in der Nachbearbeitungsphase Abb. 40: Aufgaben-Modul „Schlichten statt streiten“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs . (6. Schuljahr) (2017, 24f.) Abb. 41: Phasierung einer Streitschlichtung nach Marita Rose (2006) Abb. 42: Aufgaben-Modul „Eine Geschichte spielen“ Abb. 43: Aufgaben-Modul „Theater spielen in mehreren Sprachen“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs . (5. Schuljahr) (2016, 166f.) Abb. 44: Auszug aus dem Skript für das 2. Lesetheaterstück „Nasreddin and his donkey“ (MELT). http: / / melt-multilingual-readers-theatre.eu/ leseskripte/ (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 45: Prozessschritte im Mehrsprachigen Lesetheater (MELT) nach Kutzelmann/ Massler/ Klaus 2016, 4 268 Abbildungsverzeichnis 6 Hör- und Hör-Seh-Verstehen Abb. 1: Zuhören als mehrstufiger Prozess der Informationsverarbeitung - Schematische Darstellung von Margarete Imhof (2010, 19) Abb. 2: Verstehen ist ein aktiver Konstruktionsprozess: Foto „Dalmatian“ von R.C. James, abgedruckt in Gerard Westhoff (1987, 31) Abb. 3: Optische Täuschung - Sehtestbild. https: / / i.ytimg.com/ vi/ Ai1mUQJVSho/ maxresdefault.jpg (letzter Zugriff: 25.2.2019) Abb. 4: Situationsbild: „Wenn die Ballone platzen …“ nach Hans Hörmann (1981, 138) Abb. 5: Aufgaben vor dem Hören. https: / / www.schokoladenmuseum.de/ de/ presse. © Schokoladenmuseum Köln Abb. 6: Aufgaben während des Hörens. https: / / www.schokoladenmuseum.de/ de/ presse. © Schokoladenmuseum Köln Abb. 7: Aufgaben-Modul „Notizen machen“ Abb. 8: Aufgaben nach dem Hören (Märchen) aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs . (6. Schuljahr) (2017, 102f.) Abb. 9: Aufgaben-Modul „Ein Astronaut am Fuchstelefon“ aus dem Luxemburger Sprach- und Lesebuch Sprachfuchs . (5. Schuljahr) (2016, 90f.) Abb. 10: Aufgaben-Modul „Eine spannende Geschichte hören“ Abb. 11: Aufgaben vor dem Hören des Hörbuchs aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 178). © Westermann Gruppe. CD-Cover: © Hörcompany Abb. 12-15: Aufgaben nach dem Hören des Hörbuchs aus dem Sprach- und Lesebuch wortstark (5/ 2019, 179-182, 185). © Westermann Gruppe Abb. 16: Original-Prüfungsaufgaben für den Realschulabschluss Niedersachsen (2014) - Hörverstehen: „Das optimierte Kind“ nach Finale (10/ 2015, 116f.) Abb. 17: Struktur der Lesekompetenz in der internationalen Leseuntersuchung PISA nach Artelt/ Stanat/ Schneider/ Schiefele (2001, 82) Abb. 18: Kameraeinstellungen und -perspektiven aus dem Sprachbuch P.A.U.L.D. (7. Schuljahr) (7/ 2015, 201). © Westermann Gruppe Abb. 19: Kompetenzmodell zur Medienbildung. http: / / lmz-productive.pluspunkthosting. de/ uploads/ media/ Filmbildung_LKM_20091.pdf (S. 5, letzter Zugriff 1.3.2019). © Länderkonferenz MedienBildung Abb. 20: Ein Filmgespräch führen Abb. 21: Eine Film„rezension“ schreiben Abb. 22: Aufgabe vor dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Sich mit einem Film vertraut machen Abb. 23: Filmgespräch zu Das Mädchen Wadjda Abb. 24: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Sich in Filmfiguren hineinversetzen Abb. 25: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Filmstandbilder beschreiben Abb. 26: Aufgabe nach dem Sehen zum Film Das Mädchen Wadjda: Einen Film beurteilen