Sprachendidaktik
Eine Ein- und Weiterführung zur Erst- und Zweitsprachdidaktik des Deutschen
0527
2019
978-3-8233-9202-6
978-3-8233-8202-7
Gunter Narr Verlag
Johannes Wild
Alfred Wildfeuer
Das Buch stellt wichtige Themenbereiche der Erst- und Zweitsprachdidaktik übersichtlich und einsteigerfreundlich dar, bietet aber auch vertiefende Informationen. Es eignet sich damit hervorragend für Studium, Examensvorbereitung, Referendariat und Schulpraxis. Die Kapitel des Buches berücksichtigen durchgängig die Perspektive von DaZ-Lernenden und gehen auf wichtige Voraussetzungen sowie auf mögliche Stolpersteine beim Erwerb des Deutschen ein. Potenziell unbekannte Fachausdrücke werden durch so genannte "Infokästen" erklärt und mit weiterführenden Informationen vernetzt.
<?page no="0"?> Das Buch stellt wichtige Themenbereiche der Erst- und Zweitsprachdidaktik übersichtlich und einsteigerfreundlich dar, bietet aber auch vertiefende Informationen. Es eignet sich damit hervorragend für Studium, Examensvorbereitung, Referendariat und Schulpraxis. Die Kapitel des Buches berücksichtigen durchgängig die Perspektive von DaZ-Lernenden und gehen auf wichtige Voraussetzungen sowie auf mögliche Stolpersteine beim Erwerb des Deutschen ein. Potenziell unbekannte Fachausdrücke werden durch so genannte „Infokästen“ erklärt und mit weiterführenden Informationen vernetzt. ISBN 978-3-8233-8202-7 Wild / Wildfeuer Sprachendidaktik Sprachendidaktik Johannes Wild / Alfred Wildfeuer Eine Ein- und Weiterführung zur Erst- und Zweitsprachdidaktik des Deutschen 18202_Umschlag.indd 1-3 09.05.2019 08: 49: 21 <?page no="3"?> Johannes Wild / Alfred Wildfeuer Sprachendidaktik Eine Ein- und Weiterführung zur Erst- und Zweitsprachdidaktik des Deutschen Mit Beiträgen von Nicole Eller-Wildfeuer, Sebastian Franz, Christian Gegner, Martina Goldenstein, Christina Knott, Sarah Pieles, Anita Schilcher, Johannes Wild und Alfred Wildfeuer <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.narr-studienbuecher.de info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen Druck: CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-8202-7 (Print) ISBN 978-3-8233-9202-6 (e PDF ) ISBN 978-3-8233-0139-4 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 5 Inhalt Inhalt 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 Sprachkompetenz entwickeln (Alfred Wildfeuer, Johannes Wild) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 „Broccoli oder was? “ Ergebnisse der Hirnforschung zur Sprachverarbeitung . 11 2.2 Zwei- und Mehrsprachigkeit: Was hat man davon? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3 Ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4 Kompetenzen und Kompetenzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5 Kompetenzorientiert Unterrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen (Alfred Wildfeuer) . . . . . . 27 3.1 Zu den Beschreibungsmodellen der Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Grammatikmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4 Sprache untersuchen und reflektieren (Nicole Eller-Wildfeuer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.1 Deskriptive und präskriptive Grammatikbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2 Grammatik hat Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.3 Ist Grammatikunterricht überhaupt nötig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.4 Konzeptionen des Grammatikunterrichts und der -vermittlung . . . . . . . . . . . 58 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.6 Zur Diagnose: Grießhabers Profilanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.7 Stolpersteine der deutschen Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.8 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5 Bildungssprache erkennen und fördern (Sarah Pieles) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.1 Woher kommt unsere Bildungssprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2 Die Sprache der Bildung und der ‚Gebildeten‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“-- also doch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.4 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben (Marina Goldenstein) . . . . . . . . . . . . 101 6.1 Mündliche Sprachentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6.2 Schriftspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.3 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören (Anita Schilcher, Christian Gegner) . . . . . 121 7.1 Was ist Mündliche Kompetenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede-- Gespräch-- ästhetisch gestaltendes Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7.4 Stimm- und Sprechstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7.5 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 <?page no="6"?> 6 Inhalt 8 Texte verfassen (Johannes Wild, Anita Schilcher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8.1 Was ist Schreibkompetenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 8.2 Text, Textsorte, Textmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.3 Schulische Textmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 8.4 Schreibaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 8.5 Bewerten und Beurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 9 Rechtschreiben lernen (Johannes Wild) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 9.1 Die Stadt kennen und anderen den Weg erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 9.3 Stadtplanung: (gängige) Konzeptionen des Rechtschreibunterrichts . . . . . . . 212 9.4 Didaktik ≠ Diktate: Rechtschreiben bewerten und beurteilen . . . . . . . . . . . . 217 9.5 Lese-Rechtschreibschwächen, -störungen und Analphabetismus . . . . . . . . . 219 9.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren (Sebastian Franz) 225 10.1 Umgang mit ‚identitätsfördernder Mehrsprachigkeit‘-- ein Aufgabenfeld des Deutschunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 10.2 Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 10.3 Im Unterricht mit Mehrsprachigkeit umgehen und sprachliche Identität fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 10.4 Mehrsprachige Identitätsförderung im Deutsch- und DaZ-Unterricht . . . . 243 10.5 Praxisideen für den Deutschunterricht, den DaZ- und den DaF-Unterricht 247 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen (Christina Knott) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 11.1 Von der Forschungsidee zur empirischen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 11.2 Planungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 11.3 Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 11.4 Auswertungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 11.5 Datenpräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 11.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 11.7 Zeitliche Planungsskizze (für eine sechsmonatige Studie) . . . . . . . . . . . . . . . 269 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 <?page no="7"?> 7 1 Vorwort Betrachtet man Studien zum Professionswissen von Lehrkräften (z. B. COACTIV oder FAL- KO ), zeigen sich immer wieder starke Zusammenhänge zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen. Während sich die Sprachwissenschaft primär mit der deutschen Sprache als System auseinandersetzt, betrachtet die Sprachdidaktik dieses System unter dem Aspekt der Vermittlung und des Gebrauchs im institutionellen Kontext. Um bei Schülerinnen und Schülern Sprachkompetenz aufzubauen, muss eine Lehrkraft also nicht nur über entsprechendes linguistisches Wissen verfügen, sondern auch Forschungsergebnisse, Theorien und Modelle zum Erwerb des Deutschen kennen und reflektieren können (vgl. Ossner 2008, 14). Ein bedeutender Teil der Lehrkräfte, insbesondere an Grund- und Mittelschulen, hat allerdings Deutsch nicht oder nicht vertieft studiert und verfügt insofern häufiger über eigentlich nicht ausreichende Kenntnisse in diesem Bereich (vgl. Klieme et al. 2006, 30). Besonders Einsteiger, aber auch fachfremd Unterrichtende, wie es aktuell gerade im Bereich Deutsch als Zweitsprache regelmäßig vorkommt, benötigen aus diesen Gründen eine Darstellung, die den schulischen Unterricht und Schwerpunkte desselben in den Fokus nimmt, gleichzeitig aber leicht zugänglich ist und systematisch linguistische Grundlagen und Vermittlungskompetenzen darlegt und aufbaut. Als roter Faden zieht sich deshalb eine einsteigerfreundliche Gestaltung und Aufbereitung durch das Buch, ohne dabei Inhalte nur in vereinfachter Form darzustellen. Durch die Verbindung mit kognitiv aktivierenden Aufgaben werden die Leser in den einzelnen Kapiteln außerdem angehalten, sich auch mit komplexen fachlichen Inhalten auseinanderzusetzen und selbstreguliert Kompetenzen (Wissen und Können) zu erwerben. Hierzu ist ein Fokus auf konkrete Unterrichtssituationen nötig, den dieses Lehrbuch ebenfalls leistet. Derzeitige Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur bringen es mit sich, dass Unterricht nicht nur die Lernprozesse der muttersprachlichen Schülerinnen und Schüler berücksichtigen soll, sondern zunehmend auch Besonderheiten beim Erlernen des Deutschen als Zweitsprache (DaZ) und Aspekte der Mehrsprachigkeit beachtet werden müssen: Von den derzeit über elf Millionen Schülerinnen und Schülern (Schuljahr 2016 / 17) verfügen ca. 30 % über einen Migrationshintergrund (vgl. BiD 2016, 166). Bei ihnen wird besonders häufig Sprachförderbedarf diagnostiziert und ihre Chance auf Bildungserfolg ist nicht zuletzt deshalb geringer (vgl. BiD 2016, 173 f). Das vorliegende Lehrbuch berücksichtigt daher in jedem Kapitel durchgängig auch die Perspektive der DaZ-Lerner und weist explizit auf wichtige Aspekte bei der Steuerung von Lernprozessen sowie auf mögliche Stolpersteine hin. Die jedem Kapitel vorangestellten Lernziele erleichtern es dem Leser dabei einerseits, die Inhalte zu strukturieren, andererseits aber auch, sich vor der Lektüre selbst einzuschätzen bzw. das Lernergebnis zu bewerten. Einsteiger werden während des Lesens durch regelmäßig eingefügte „Infokästen“ entlastet. Sie klären eventuell unbekannte Fachausdrücke oder liefern weiterführende Informationen zu einem Thema. In den Text integrierte Aufgaben dienen der Anwendung und Erarbeitung sowie gleichzeitig der Überprüfung des eigenen Textverständnisses. Die Aufgaben sind so konstruiert, dass sie i. d. R. hohen Praxisbezug aufweisen, damit transferfähiges Wissen aufgebaut <?page no="8"?> 8 1 Vorwort werden kann. Sie sollen die Leserinnen und Leser befähigen, Schülerinnen und Schüler nach ihrem jeweiligen Sprachstand effektiv zu fördern. Fehlt entsprechendes Professionswissen auf Seiten einer Lehrkraft, wird das sprachliche Niveau von Schülerinnen und Schülern falsch diagnostiziert und diese werden unzureichend gefördert. Hier möchte der Band ansetzen und dazu beitragen, grundlegende fachliche und didaktische Kompetenzen aufzubauen und weiterzuentwickeln. <?page no="9"?> 9 2 Sprachkompetenz entwickeln Alfred Wildfeuer, Johannes Wild Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ welche Areale unseres Gehirns für Sprache zuständig sind. ▶ welche Vorteile Mehrsprachigkeit hat. ▶ ob es einen Unterschied macht, ob zwei oder mehr Sprachen in früheren Lebensjahren erworben werden. ▶ welche Erwartungen wir an „Sprachkompetenz“ haben. ▶ wie man sich dem Begriff „Sprachkompetenz“ nähern kann und welche Teilaspekte davon die Sprachendidaktik in den Blick nimmt. ▶ wie Ideologien unsere Bewertung von Sprache prägen können. Sprache ist zentraler Gegenstand und Medium von Bildung (vgl. Feilke 2012, 4): Das sprachliche Universum ist, auch nach dem postulierten Ende des Buchzeitalters (vgl. McLuhan 2011, 362), Gegenstand des Deutschunterrichts. Doch wie funktioniert Sprache eigentlich in unserem Kopf ? Was bedeutet es, (k)ein kompetenter Sprecher zu sein? Schon diese beiden Fragen zeigen, dass verschiedene Disziplinen (hier z. B. kognitive Linguistik, Bildungsforschung) unterschiedliche Fragestellungen und Forschungsinteressen verfolgen, wenn sie sich mit Sprachkompetenz auseinandersetzen. Eine einheitliche Definition dieses Begriffs liegt bislang noch nicht vor (vgl. Jude 2008, 10 f). Trotz unterschiedlicher Erkenntnisinteressen und einer heterogenen Datenlage steht (immerhin) fest, dass es sich beim Erwerb von Sprachkompetenz um einen lebenslangen Lernprozess handelt, in dem sich Individuen die Charakteristika von Sprache(n) aneignen (vgl. Jude 2008, 10). Die Redewendung „man lernt nie aus“ trifft also auch auf Sprache zu. Was wir unter Sprachkompetenz verstehen, zeigen für das Deutsche dieses und die folgenden Kapitel. Erwerb bedeutet (die häufig ungesteuerte) Sprachaneignung durch „modellhafte Sprachverwendung in möglichst authentischen und für die Schüler / innen bedeutsamen Situationen […], in denen sprachliche Strategien und Mittel für die Lösung konkreter Aufgaben eingesetzt werden“ (Vollmer & Thürmann 2013, 51). Lernen dagegen bedeutet das systematische und reflektierte Einüben, die gesteuerte Sprachaneignung. Beides - Erwerb und Lernen - sind zentral für den Aufbau von Sprachkompetenz. Nähern wir uns dem Ausdruck Sprachkompetenz zunächst aus entwicklungsbiologischer Sicht: Um eine Sprache zu erwerben oder zu lernen-- im Folgenden werden wir diesbezüglich nicht unterscheiden- -, müssen wir Erfahrungen machen (zum Verlauf des Spracherwerbs vgl. Kapitel 06), auf deren Grundlage wir uns sprachliche Kenntnisse aneignen, wie zum <?page no="10"?> 10 2 Sprachkompetenz entwickeln Beispiel, dass Sessel im Deutschen ein spezifisches Möbelstück benennt, im Englischen aber dafür chair steht. Wie in Saussures bilateralem Zeichenmodell werden Wortform (Signifikant) und Wortbedeutung (Signifikat) im Gedächtnis zwar getrennt gespeichert, sind jedoch vernetzt. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wenn uns etwas „auf der Zunge liegt“: Hier haben wir Zugriff auf die Bedeutung (Inhalt), aber uns fehlt die entsprechende Form, um den Inhalt auszudrücken (vgl. Schwarz 2008, 106). Lesenswert zur Beziehung von Bedeutung und Form ist zudem Peter Bichsels Geschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“. Abb. 2.1: Ferdinand de Saussures Zeichenmodell. Ein sprachliches Zeichen besteht aus der arbiträren Verknüpfung von Signifikant (Ausdruck / Bezeichnendes) und Signifikat (Konzept / Bezeichnetes) Zudem eignen wir uns abstrakte (Regel-)Systeme an, wie zum Beispiel die Phoneme oder die Grammatik einer Sprache. Sprachenlerner bauen ihre Kompetenz dahingehend aus, dass sie Sätze wie er lachte als richtig, Sätze wie *sie gehte als falsch bewerten können (vgl. Kapitel 04). Erwerben wir diese Kenntnisse nicht, sind wir nicht in der Lage, an der Kommunikation und Kultur einer Sprachgemeinschaft teilzunehmen. Einerseits referiert der Begriff [Sprachkompetenz also] auf Sprachkönnen in dem Sinne, dass eine bestimmte Sprache verwendet werden kann, andererseits kann Sprachkompetenz auch als Voraussetzung und Instrumentarium zur Aneignung von neuem Wissen angesehen werden (Jude & Klieme 2007, 11). Sprachkompetenz umfasst, was von einem kompetenten Sprecher erwartet wird und welche Abweichungen davon akzeptiert werden können: Ist Gib mir mal den Butter! in Ihren Augen akzeptabel? Wenn nicht, warum? Wenn ja, in welchem Kontext? Wie sieht es mit Lassma Viktoriapark gehen, Lan! aus? Wie begründen Sie Ihre Meinung? Auch wenn Sie vielleicht Zweifel hegen: Beide Äußerungen sind in verschiedenen Sprachgemeinschaften des Deutschen alltäglich und angemessen. In Teilen Süddeutschlands und Österreichs kommt <?page no="11"?> 11 2.1 „Broccoli oder was? “ Ergebnisse der Hirnforschung zur Sprachverarbeitung Millionen von Sprecherinnen und Sprechern nur der Butter auf die Breze (vgl. Möller & Elspaß 2008), im Ethnolekt Kiezdeutsch deutscher Großstädte sind lassma und Lan weit verbreitete und akzeptierte Ausdrücke (vgl. Wiese 2010). Damit wird deutlich: Nicht nur die Erwartungen an einen kompetenten Sprecher sind von der sprachlichen Umgebung, von der jeweiligen Sprachgemeinschaft abhängig, sondern auch der Erwerb von Kompetenzen; denn das Datenmaterial, an dem wir Kompetenzen erwerben, ist die Sprache, die uns umgibt: Es ist das „Sprachmaterial“, mit dem wir alltäglich konfrontiert werden. Vor allem mittels sprachstatistischer Lernmechanismen wird es analysiert, abstrahiert, systematisiert und im Gedächtnis verankert (vgl. Schwarz 2008, 143; vgl. Kapitel 03 und 06). Vorausgesetzt, wir bringen das biologische Vermögen dafür mit, Sprache wahrzunehmen und zu produzieren. Theoretisch könnten wir wohl auch (wie es z. B. Hunde und Katzen tun) über Düfte o. Ä. kommunizieren. Allerdings wären wir so vermutlich etwas schweigsam! Die biologischen Voraussetzungen bringen wir nämlich nicht ausreichend mit: Unser Geruchssinn ist viel zu schlecht. Sprachkompetenz ermöglicht es uns darüber hinaus, mit unvollständigem Sprachmaterial umgehen zu können. Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu Ihrem Obst- und Gemüsehändler. Weil Sie vielleicht ein wortkarger (oder sagen wir sprachökonomischer) Mensch sind, sagen Sie nur: Fünf rote Äpfel! Nun geschieht etwas ganz Wunderbares: Sie müssen nicht die Äpfel selbst entnehmen, abwiegen, mit einem Preis versehen etc., sondern all das macht der Verkäufer für Sie. Warum ist das möglich? Sie haben nicht nur eine Äußerung von sich gegeben, sondern eine komplexe sprachliche Handlung, einen Sprechakt vollzogen. Der Verkäufer hat daraufhin nicht nur den physikalisch hör- und messbaren Lautstrom analysiert und fehlende Elemente (z. B. Ich hätte gerne) gedanklich ergänzt, sondern auch aufgrund des Kontextes (hier: Einkauf) interpretiert: Er ist davon ausgegangen, dass Sie ihm nicht einfach sagen wollten, dass dort fünf rote Äpfel liegen, sondern dass Sie diese erwerben möchten (Verkaufe mir bitte fünf rote Äpfel! ) (Beispiel n. Schlobinski 2014, 69; vgl. auch Kapitel 07). Zweifellos sind Sprachkompetenz und ihre Teilkompetenzen der Schlüssel zu schulischem und außerschulischem Lernen, sie „sind grundlegend für Lernprozesse, sie beeinflussen in Form von Lese-, Schreib- und Gesprächsfähigkeiten Bildungsprozesse im Allgemeinen“ (Schilcher 2015, 6). 2.1 „Broccoli oder was? “ Ergebnisse der Hirnforschung zur Sprachverarbeitung Neben unseren Sprechwerkzeugen, die der Erzeugung von Lauten dienen, ist vor allem unser Gehirn dafür zuständig, dass wir sprechen und schreiben bzw. zuhören und lesen können. Die linke und rechte Hälfte unseres Gehirns haben sich im Verlauf der Evolution spezialisiert: Die rechte Seite ist in der Regel v. a. für bildlich-räumliche Aspekte zuständig (vgl. Schwarz 2008, 83 ff), die linke Hemisphäre steuert alle „wesentlichen Aspekte des Sprachvermögens“ (Schwarz 2008, 85). <?page no="12"?> 12 2 Sprachkompetenz entwickeln Dort liegen auf der Hirnrinde sowohl das sogenannte Brocaals auch das Wernicke-Areal. Sie sind die Hauptverantwortlichen für die Sprachproduktion (z. B. Satzbau und weitere grammatische Bereiche) bzw. für die Rezeption sprachlicher Elemente. Die Arbeitsteilung der beiden Areale gestaltet sich dabei folgendermaßen (vgl. Schwarz 2008, 95): „Das Broca- Areal produziert Wörter und Sätze, die Wernicke-Region erhält Informationen über akustisch wahrgenommene Sprache von der primären Hörrinde zur weiteren Verarbeitung“ (Friederici 2003, 45). Beispielsweise erkennen Sie Da flockte das glumpsende Toro reck als grammatikalisch korrekten deutschen Satz, auch wenn er keinen Sinn ergibt. D. h. Ihr Gehirn hat erkannt, dass das Beispiel dem Muster eines typischen deutschen Satzes entspricht. Wie kommt man zu diesen Ergebnissen? Untersuchungen von Patienten haben gezeigt, dass eine Schädigung (Aphasie) der Broca-Region dafür verantwortlich sein kann, dass sich Menschen nicht mehr oder nur schlecht artikulieren können (typisch ist z. B: ein „Telegrammstil“). Das Verstehen von Äußerungen ist ihnen noch möglich. Ist das Wernicke-Areal geschädigt (Wernicke-Aphasie), ist das mentale Lexikon betroffen. Die Betroffenen können sich zwar flüssig artikulieren, jedoch ergibt die Äußerung keinen Sinn (vgl. Schwarz 2008, 85 ff). Diese Hirnregionen sind beim Lernen mehrerer Sprachen aktiv. Mitentscheidend für die Entwicklung von Sprachkompetenz ist der Zeitpunkt des Erwerbs: Wird eine Sprache (wir nennen sie Language 1, L1) früh und (nahezu) gleichzeitig mit einer anderen Sprache (die Language 2, L2) erworben, entwickelt das Broca-Areal ein einziges Nervenzellennetz, das für beide Sprachen verantwortlich ist. Man spricht in diesem Fall von einem simultanen Spracherwerb. Da beide Sprachen in der gleichen Region mobilisiert werden, kann es zwischenzeitlich zur Dominanz einer Sprache kommen (vgl. Jeuck 2015, 16). Bei Spätlernern ist dies nicht der Fall: Sie entwickeln separate Netze für jede Sprache (vgl. Kramer 2003). Man spricht dann von einem sukzessiven Spracherwerb. Der Vorteil des simultanen Spracherwerbs erklärt sich folgendermaßen: Muss für jede Sprache ein neues Netz mit neuen Regeln etc. konstruiert werden, ohne auf vorhandene Strukturen zurückgreifen zu können, werden mehr Ressourcen benötigt. Trotzdem können auch Spätlerner neue Sprachen auf einem sehr hohen Niveau erlernen, jedoch fällt ihnen dies schwerer (vgl. Myers 2008, 453). Faktoren wie Motivation, sprachlicher Input, Sprachlernerfahrungen und individuelle Begabung haben hier einen deutlichen Einfluss (vgl. Rösch 2011, 178). <?page no="13"?> 13 2.2 Zwei- und Mehrsprachigkeit: Was hat man davon? Abb. 2.2: schematische CT -Aufnahme. Beim frühen Zweitsprachlernen (links) wird für beide Sprachen ein Gehirnareal aktiviert, während beim späten Lernen (rechts) mehrere Areale aktiviert werden (hellbzw. dunkelgrau). 2.2 Zwei- und Mehrsprachigkeit: Was hat man davon? Zwei- und Mehrsprachigkeit ist folglich kein Nachteil, der die sprachliche Entwicklung bremst. Ganz im Gegenteil: Mehrsprachigkeit erleichtert langfristig sprachliches Lernen, indem neu zu erlernende Sprachen in bereits bestehende multifunktionale Netze integriert und vorhandene Ressourcen und bestehende Lernerfahrungen beim Lernen der neuen Sprache genutzt werden. Ähnlich wie bei einer Person, die z. B. bereits zwei Musikinstrumente beherrscht und ein drittes dadurch leichter erlernt. Der Erwerb von Sprache hinterlässt ebenso Spuren in unserem Gehirn. Bezüglich der Vorteile von Zweibzw. Mehrsprachigkeit zeichnet die Forschung ein eindeutiges Bild (vgl. z. B. Riehl 2014; Hochholzer 2015; Schweizer et al. 2012): ▶ Die sprachliche und soziale Entwicklung wird positiv beeinflusst. ▶ Mehrsprachigkeit führt zu Sprachbewusstheit. ▶ Frühe Mehrsprachigkeit begünstigt die Entwicklung des Sprachzentrums im Gehirn. ▶ Weitere kognitive Fähigkeiten, z. B. im Bereich der Mathematik und im kreativen Problemlösen, entwickeln sich positiv. Bereits in den frühen Lebensjahren lassen sich bei mehrsprachigen Kindern Vorteile feststellen. Sie zeigen z. B. kürzere Reaktionszeiten bei Aufmerksamkeitstests und auch bei Aufgaben zur Anwendung von möglichst kreativen Lösungen (vgl. im Detail Riehl 2014, 55-61). Zudem ist eine frühe Mehrsprachigkeit eine gute Basis für das Lernen weiterer Sprachen. Im <?page no="14"?> 14 2 Sprachkompetenz entwickeln Übrigen gelten diese Vorteile auch bei einer inneren Mehrsprachigkeit, also dem Beherrschen von mindestens zwei unterschiedlichen Sprachvarietäten. Es ist für Kinder somit ein Vorteil, wenn sie z. B. mit einem Dialekt und mit einer Standardsprache aufwachsen. Innere Mehrsprachigkeit bedeutet das Beherrschen von zwei oder mehreren Varietäten einer Sprache. Beispielsweise ist nach diesem Konzept jemand mehrsprachig, der neben der Standardsprache z. B. Niederdeutsch spricht. Äußere Mehrsprachigkeit bedeutet das Beherrschen verschiedener, eigenständiger Normsprachen. Beispielsweise ist nach diesem Konzept jemand mehrsprachig, der Deutsch und Tschechisch spricht. Prägnant wurde dies in einer neueren Publikation des Bayerischen Kultusministeriums folgendermaßen zusammengefasst: Nach dem gegenwärtigen Stand der Spracherwerbsforschung spricht vieles dafür, dass eine mehrsprachige Erziehung (und dies trifft sowohl für die innere wie für die äußere Mehrsprachigkeit zu) die sprachliche, kognitive und soziale Entwicklung der Kinder positiv beeinflusst. Besonders von Vorteil ist das durch aktive Mehrsprachigkeit zwangsläufig ausgeprägte Sprachbewusstsein. In Hinblick auf das weiter zusammenwachsende Europa ist dieses Sprachbewusstsein-[…] eine wichtige Grundlage für die muttersprachliche Sprachkompetenz, aber auch für das Erlernen von Fremdsprachen (Hochholzer 2015, 85). Greift man den Aspekt des sprachlichen Lernens heraus, ist es „vorwiegend das Vorhandensein eines zweiten Systems von Sprache- […], das die Sprachaufmerksamkeit und die Entwicklung von Sprachbewusstheit anstößt“ (Oomen-Welke 1999, 17). Erwerben wir weitere Sprachen, werden wir auf die Besonderheiten einer Sprache aufmerksam. Das Kontrastieren bewirkt ein Aufmerksamwerden auf Unterschiedliches und Gemeinsames und kann somit die Entwicklung von Sprachbewusstheit und Sprachreflexion anbahnen. Dieses „Heben“ von Unterschieden zwischen Sprachen auf die individuelle Bewusstseinsebene kann für das weitere Erlernen von Sprachen genutzt werden, indem der Fokus z. B. auf sprachliche Strukturen, auf Besonderheiten in der Grammatik gelenkt und daran gearbeitet bzw. geübt wird. Erwirbt man z. B. Deutsch und Russisch, dann wird man bemerken, dass die eine Sprache mit, die andere ohne Artikel auskommt (selbst wenn eine entsprechende Benennungskompetenz in Bezug auf die Wortart noch gar nicht entwickelt ist). Kanadische Forscher haben nachgewiesen, dass sich Mehrsprachigkeit sogar bei der Entstehung von Alzheimer-Erkrankungen und auf deren Symptome auswirkt: Mehrsprachige verfügen bei gleichem pathologischen Befund in Bezug auf Alzheimer über mehr kognitive Reserven als einsprachige Testpersonen (vgl. Schweizer et al. 2012). Die durch die Verarbeitung von zwei- oder mehreren Sprachen aufgebauten kognitiven „Reserven“ können helfen, die geistigen Fähigkeiten länger aufrechtzuerhalten. Die Vorteile sowohl einer inneren als auch einer äußeren Mehrsprachigkeit werden inzwischen auch vermehrt in der didaktischen und linguistischen Forschung vertreten (z. B. Roche 2013). Nicht zuletzt waren diese beiden Konzepte wiederholt prüfungsrelevante Themen in <?page no="15"?> 15 2.2 Zwei- und Mehrsprachigkeit: Was hat man davon? den schriftlichen Staatsexamensprüfungen in Bayern. So lautete ein Prüfungsthema im Fach Didaktik Deutsch als Zweitsprache aus dem Jahr 2017 folgendermaßen: Der Sprachvergleich ist eine wichtige Lern- und Vermittlungsstrategie für das Sprachenlernen. Begründen Sie dies und legen Sie unter Zugrundelegung der Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Mehrsprachigkeit dar, welche didaktisch-methodischen Ansätze zum Sprachvergleich genutzt werden können! (Staatsexamen Didaktik Deutsch als Zweitsprache, Herbst 2017) Die Themenstellung zum bayerischen Staatsexamen ist progressiv und modern. Man hat zweierlei erkannt: Die heutige Schülerschaft ist mehrsprachig geprägt. Auch wenn nicht jede Schülerin bzw. jeder Schüler in einer Klasse zweisprachig aufwächst, so ist er / sie durch mediale und persönliche Kommunikation damit regelmäßig konfrontiert. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler dürfte sowieso mindestens eine Zweisprachigkeit mitbringen. Nach Auskunft des statistischen Bundesamts hat ein Fünftel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund und hält sich damit zumindest teilweise in einem mehrsprachigen Umfeld auf. Ähnliches gilt für Kinder und Jugendliche z. B. im ländlichen süddeutschen Raum, wo regionale Varietäten noch Alltagssprache sind. Eine Lehrerbildung, die wie bisher einseitig auf das „monolinguale Klassenzimmer“ (Kniffka & Siebert-Ott 2012, 26) ausgerichtet ist, geht an der Realität völlig vorbei und ist nicht mehr angemessen. Der „monolinguale Habitus der multilingualen Schule“ (Gogolin 2008), ja des ganzen deutschen Bildungswesens, ist überholt und inzwischen Teil der didaktischen Mottenkiste. Im Zusammenhang mit dem gerade skizzierten Konzept von innerer und äußerer Mehrsprachigkeit ist auch der Ausdruck Bildungssprache zu thematisieren. Er ist die „Leitvokabel im aktuellen bildungspolitischen und pädagogischen Diskurs“ (Feilke 2012, 4). Im Gegensatz zu anderen Varietäten des Deutschen (z. B. Kölsch, Bairisch oder Kiezdeutsch) ist Bildungssprache nicht regional, sondern durch ein Inventar sprachlicher Mittel definiert, das überregional in spezifischen Verwendungskontexten (Bildungsinstitutionen Schule, Uni etc.) relevant ist. Die lexikalischen, syntaktischen, grammatikalischen etc. Erwartungen an dieses Register sind „kommunikativ auf vorwiegend schriftliche Situationen bezogen, auch wenn es zugleich medial mündlich in Gebrauch ist“ (Feilke 2012, 6). Da die Bildungssprache als Teil des Varietätenspektrums des Deutschen in ihrer sprachlichen Struktur bisher kaum systematisch und überzeugend beschrieben wurde, haben wir hierzu ein eigenes Kapitel integriert (vgl. Kapitel 05). Bildungssprache dürfte die Varietät darstellen, der bisher von sprachwissenschaftlicher Seite am wenigsten Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Dies ist insofern sehr verwunderlich, ja problematisch, als der Ausdruck einen festen Platz im didaktischen und schulischen Bereich hat, gleichzeitig jedoch inhaltlich nicht ausreichend definiert ist. Häufig wird Bildungssprache mit dem Konzept der Cognitive Academic Language Proficiency ( CALP ) nach Jim Cummins (2008) gleichgesetzt. Cummins führte dieses Konzept in die Zweitsprachdidaktik ein und grenzt es von den Basic Interpersonal Communicative Skills ( BICS ) ab. Die Deutsch als Zweitsprache-Didaktik sieht unter anderem in der Erreichung von CALP zurecht ein bedeutendes Lernziel. Genaueres zu BICS und CALP erfahren Sie in Kapitel 05. <?page no="16"?> 16 2 Sprachkompetenz entwickeln 2.3 Ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen Die kognitiven Grundfähigkeiten („Intelligenz“) spielen- - von Störungen abgesehen- - bei der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen eine eher geringe Rolle (vgl. Jude 2008, 26). Entscheidend dafür, ob wir als kompetente Sprecher wahrgenommen werden, sind die Erwartungen an uns und wie wir ihnen gerecht werden. Seit den Forschungen des amerikanischen Linguisten Noam Chomsky unterscheidet man deshalb zwischen dem, was ein Subjekt (können) kann (Kompetenz), und dem tatsächlich gezeigten Verhalten (Performanz). Die Konsequenz daraus ist bis heute, dass Kompetenz selbst nicht messbar ist. Wir können nur auf sie schließen, z. B. durch Tests. Dieser nur indirekte Zugang zur Ermittlung von Kompetenz zeigt sich im Übrigen auch bei der Formulierung von Lernzielen, die Lernergebnisse (beobachtbare Produkte) beschreiben. Überspitzt gesagt: Wenn ich nie spreche (Performanz), werde ich sicher nicht als kompetenter Sprecher wahrgenommen. Auch wenn ich vielleicht ein guter Sprecher wäre, also die entsprechende Kompetenz mitbringe. Die Sprachhandlungsfähigkeit erweist sich damit als wesentliches Ziel des Deutschunterrichts, sie soll über „die bloße Befähigung zur sprachlichen Bewältigung von Lebenssituationen“ (Budde et al. 2012, 47) hinausgehen. Schüler sollen beispielsweise nicht nur eine Breze oder eine Fahrkarte kaufen können, sondern sich auch mit der ästhetischen Qualität von Sprache auseinandersetzen, indem sie z. B. Gedichte daraufhin analysieren. In der aktuellen Kompetenzdiskussion hat sich v. a. Weinerts allgemeine und fachübergreifende Definition als einflussreich erwiesen. Er definiert Kompetenz als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können (Weinert 2001, 27; Herv. v. Verf.). Versuchen wir Weinerts Definition zu sezieren: Vordergründig geht es zunächst einmal um das Problemlösen. Im Deutschunterricht lösen wir, je nach Medium und Konzeption, verschiedene Probleme: Warum schreibe ich rennen mit <nn>? (Rechtschreibung). Warum heißt es nicht *nach rannte er ihm? (Grammatik). Wie strukturiere ich meinen Text (Textlinguistik)? Stellen Sie sich diese Problembereiche der Sprache wie eine Torte mit mehreren Tortenstücken vor. Wir können die Teilbereiche des Deutschunterrichts als solche Tortenstücke begreifen. Sie bilden gemeinsam die Sprachkompetenz als Ganzes. Die Teilbereiche des Deutschunterrichts sind Sprache untersuchen (Grammatik), Lesen, literarisches Lernen (inkl. Kinder- und Jugendliteratur), Medien, Rechtschreiben, Texte verfassen, Sprechen, Gespräche führen und Zuhören. In diesem Buch werden Lesen, Literatur und Medien nicht behandelt. Sie sind traditionell Gegenstand der Literatur- und Mediendidaktik, nicht der Sprachdidaktik. In jeder dieser Dimensionen können sprachliche Probleme, die wir z. B. durch die Analyse eines schulischen Schreibauftrags erkannt haben, auf unterschiedlichen Ebenen auftreten. Es handelt <?page no="17"?> 17 2.3 Ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen sich bei ihnen zunächst immer um kognitive Aspekte: Sie können beim Individuum bereits verfügbar (gelernt) oder zumindest potentiell (künftig) erlernbar sein. Es handelt sich also um Wissen, das erworben wurde / wird. Dieses Wissen soll den Kern unseres Modells bilden. Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, dass hier der Performanzaspekt, also die Anwendung des Wissens, noch fehlt? Das Gedächtnis ist damit zentral für den ersten Teil dieser Kompetenzdefinition. Die Definition Weinerts weist darüber hinaus eine Zweiteilung auf („sowie“): Kompetenz wird zwar einerseits als kognitive Problemlösefähigkeit verstanden, andererseits, betont Weinert, ist sie von weiteren Bedingungen abhängig, die im Subjekt oder in der Umwelt verankert sein können. Sie bilden die zwei weiteren Ebenen des Konstrukts und beeinflussen die Performanz, also die Sprachverwendung in konkreten, variablen Situationen. Modelle für alle Lernbereiche, die nach Weinerts Konzept erstellt wurden und jeweils die einschlägigen Grundlagen vereinen, finden sich bei Schilcher (2018). In Analogie zu anderen Modellen (vgl. insbesondere Rosebrock & Nix 2014 zum Lesen; Lischeid 2014 zu Grammatik) schlagen wir daher eine Erweiterung und Dreiteilung des Konzepts der Sprachkompetenz vor, die sich durch alle Teilbereiche (Dimensionen) des Faches zieht. Die Teilbereiche beeinflussen sich gegenseitig. Abb. 2.3: Dimensionen von Kompetenz <?page no="18"?> 18 2 Sprachkompetenz entwickeln Den inneren Kern unseres Modells bildet also die kognitive Ebene. Sie umfasst implizite und explizite, d. h. unbewusste bzw. bewusstseinsfähige, Wissensbestände: Viele deklarative (=-Faktenwissen) und prozedurale (=-Handlungswissen) Wissensbestände liegen in Hinblick auf Sprachproduktion und Rezeption implizit vor. Wir können auf Sie automatisiert zugreifen, ohne uns jedes Mal die Regelhaftigkeiten und Abläufe bewusst machen zu müssen. Müssen Sie nachdenken, wie man ein <u> schreibt? Wohl nicht. Ein Schreibanfänger dagegen schon. Gleiches gilt für das Wissen und Können, das sprachreflexive Akte betrifft. Wir bezeichnen diese Wissensbestände im Alltag häufig als „Sprachgefühl“. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um Mechanismen, die Sprache zum Gegenstand machen (Sprachbewusstheit) und das Nachdenken über verschiedene Aspekte (Reflexion i. e. S.) erlauben. Erinnern Sie sich an obenstehende Beispiele zum Kiezdeutschen und zum Bairischen? Lassma den Butter, Lan (oder so ähnlich). Wie haben Sie Ihre Entscheidung begründet? Sprachbewusstheit ist eine zentrale Kategorie von Sprachunterricht, da sie die Aufmerksamkeit auf sprachliche Phänomene richtet. Budde et al. (2012, 32) betonen außerdem das rekursive Verhältnis von Sprachreflexion und Sprachbewusstheit: „Sprachbewusstheit stellt eine wesentliche Voraussetzung für sprachreflexive Tätigkeiten dar, ist jedoch zugleich auch das Ergebnis von Sprachreflexion.“ Diese Tätigkeiten sind auch Voraussetzung für eine Reflexionsfähigkeit über die Sprache als System und über den Sprachgebrauch an sich, z. B. in Form von Sprachkritik. Hinzu kommt explizites Wissen, das systematisch und deklarativ über Sprache und ihren Gebrauch gespeichert ist: „Ein Grundprinzip der Rechtschreibung ist die Phonem-Graphem- Korrespondenz“, „ich spreche meinen Chef nicht mit Hey Du an“ usw. Es bezeichnet im Wesentlichen Sachverhaltswissen (z. B. Ich weiß, dass man eine Kuh mit Kuh bezeichnet) und entsteht durch das Lernen von Fakten wie z. B. Vokabeln oder Rechtschreibregeln (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008, 234). Es liefert in dieser Form allerdings keine Strategien, um sprachliche Probleme zu lösen, sondern nur „Bausteine“ dazu (vgl. Ossner 2008, 45). Als Folge der Outcome-Orientierung, also der Orientierung an Sprachproduktion im Rahmen der Kompetenzdiskussion der letzten Jahre, fokussieren viele Kompetenzmodelle (z. B. Ossner 2008) diese kognitive Ebene, da ihre Facetten im Gegensatz zu den anderen Ebenen in der Regel gut messbar sind. Sie werden in den entsprechenden Kapiteln dieses Buches dargestellt. <?page no="19"?> 19 2.3 Ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen Ossner (2008) unterscheidet im Wesentlichen drei Wissensarten: Prozess-, Problemlöse- und das Reflexionswissen, das jeweils (implizit oder explizit) zur En- und Dekodierung von Sprache benötigt wird. Sie können jeweils hierarchieniedrigere (basale) oder -hohe Aspekte betreffen. Prozesswissen (Prozedurales Wissen) bezeichnet das Können, das automatisierte Beherrschen von Fertigkeiten oder Methoden (z. B. Kuh schreibt man K-u-h). Es „bezieht sich auf die Art und Weise, wie Sie behalten, wie Dinge getan werden. Es wird genutzt, um sich perzeptuelle, kognitive und motorische Fertigkeiten anzueignen, sie aufrechtzuerhalten und sie anzuwenden.“ (Gerrig & Zimbardo 2008, 234). Problemlösewissen heißt, dass jemand über „Strategien zur Bewältigung von Problemsituationen“ (Ossner 2008, 32) verfügt (z. B. Ich kann die Schreibweise von Kuh im Wörterbuch nachschlagen). Reflexionswissen, auch Metakognitives Wissen („Wissen über Wissen“), umfasst Erfahrungen, die aufgrund unseres sprachlichen Handelns gemacht werden (z. B. ich vergesse bei Kuh oft das <h>) und steuert die Anwendung der bzw. Aufmerksamkeit für die anderen Wissensarten. Die sprachlichen Erfahrungen, die wir sammeln und abspeichern, haben Auswirkungen auf das Subjekt als solches. Die zweite Ebene unseres Modells bildet daher eine Subjektebene. Sie umfasst alle affektiv-personalen Aspekte. Wer schon einmal in der Schule unterrichtet hat, weiß, dass der Habitus (am ehesten wohl mit ‚Einstellungen, Gewohnheiten’ übersetzbar) und die Motivation der Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Rolle für die Bereitschaft spielen, sich mit Lerngegenständen auseinanderzusetzen. Der Habitus resultiert aus einer Vielzahl von Lernerfahrungen (und dem damit verbundenen Selbstwirksamkeitserleben), die sich zu Gewohnheiten des Denkens, Fühlens und Handelns verfestigen. Gerade im DaZ-Bereich spielt die Gelegenheit, positive sprachliche Erfahrungen in der L2 zu machen, eine wichtige Rolle. Jeuck (2015, 38) zufolge betrifft dies „die zur Verfügung stehende Zeit und Energie, die Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten, die Qualität der Kommunikationsbedingungen, die Konzeption und Qualität des Unterrichts“. Fehlen solche Gelegenheiten, kann es zu einer negativen Einstellung gegenüber der Zielsprache kommen. Motivation, Interessen, Leistungsbereitschaft etc. sind wesentliche Faktoren, um die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ zu überschreiten und sich mit Sprache zu beschäftigen (vgl. Jeuck 2015, 38 f; Hayes 2012, 372). Dabei ist „Motivation-[…] der allgemeine Begriff für alle Prozesse, die der Initiierung, der Richtungsgebung und der Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivitäten dienen“ (Gerrig & Zimbardo 2008, 414; Herv. v. Verf.). Sie kann extrinsisch („von außen gesteuert“) oder intrinsisch („von innen heraus“) vorliegen. Die Motivation, sich mit Sprache auseinanderzusetzen, kann zudem je nach Dimension variieren. Sie ist aber immer notwendig, um sprachliche Phänomene (auch aus ästhetischer Sicht) wahrzunehmen und sich mit ihnen (sei es gesteuert oder ungesteuert) auseinanderzusetzen. Vergleichen Sie die beiden folgenden Aussagen. Welche ist eher intrinsisch, welche eher extrinsisch: Ich möchte eine gute Note im Rechtschreiben vs. Ich möchte weniger Fehler bei der Großschreibung machen. Es dürfte offensichtlich sein, welche Art der Motivation langfristig zu den günstigeren Lernprozessen führt: Eine intrinsische Motivation führt dazu, den „Stoff “ beherrschen zu wollen und damit idealiter zu einer internalen stabilen Attribution. Nach Köhnen (2011, 33) lässt sich deshalb Lern- und Leistungsmotivation im Sprachunterricht v. a. <?page no="20"?> 20 2 Sprachkompetenz entwickeln dadurch fördern, indem man ein realistisches Anspruchsniveau setzt, bei der Erklärung von Misserfolg / Erfolg günstige Attributionsmuster sowie eine positive Selbstwertbilanz anstrebt (Freude über Erfolg > Ärger über Misserfolg). In allen Kontexten von Lernen suchen wir Gründe für Erfolge bzw. Misserfolge. Sie werden durch das Individuum selbst (= internal) oder durch Außenfaktoren (= external) beschrieben. Nach Holodynski & Oerter (2008, 548) erklären wir Leistungen entweder durch unsere Fähigkeiten (internal-stabil), durch besondere Anstrengung (internal-variabel), durch die Schwierigkeit der Aufgabe (external-stabil) oder Glück bzw. Pech (external-variabel). Anzustreben sind internal-stabile Attributionen. Die Entwicklung eines bestimmten Habitus (z. B. „Ich bin ein guter Schreiber“) ist davon abhängig, in welcher Funktion wir uns jeweils mit Sprache auseinandersetzen bzw. diese gebrauchen: Zum Wissenserwerb, zur Unterhaltung, zur (ästhetisch-kulturellen) Bildung. Dadurch geraten unterschiedliche Aspekte von Sprache in den Blick. Domänenspezifisch können daher Unterschiede bestehen: Lesen Sie z. B. lieber Sachtexte oder Romane? Die soziale Ebene bildet den äußersten Kreis unseres Modells. Hierbei handelt es sich v. a. um die sozialen Beziehungen, in denen Kommunikation (mit und über Sprache) stattfindet sowie die damit verbundenen Kontexte. Das Spektrum reicht von eher informellen Situationen (Familie, Freunde, Bekannte), institutionellen (Schule, Universität etc.) bis hin zu öffentlichen Situationen (Zeitung, Zeitschrift, Theater, Radio etc.). Eine Teilkompetenz stellt hier die Fähigkeit und Fertigkeit dar, das entsprechende sprachliche Register zu wählen (vgl. Kapitel 10). Also z. B. die Beantwortung der Frage, ob die Varietät Kiezdeutsch bei einem Referat in der Schule angemessen sein kann. Bereits zuvor haben wir angesprochen, dass auch der Spracherwerb an den Kontext gebunden ist. Folgendes Beispiel (nach Jeuck 2015, 16) illustriert dies. Stellen Sie sich vor, ein Kind spricht mit seinen Eltern nur Türkisch. Wenn das Kind mit seinen Eltern beispielsweise Eisenbahn spielt, erwirbt es spezifischen Wortschatz; wenn es aber nicht auch in einem deutschsprachigen Kontext Eisenbahn spielt, wird es keinen deutschen Wortschatz für diesen Bereich erwerben. Dies kann dazu führen, dass das Kind sich in der L2 dazu kaum äußert, Objekte als Ding benennt oder dafür Wörter aus dem Türkischen entlehnt (vgl. Jeuck 2015, 16). In die soziale Ebene lässt sich auch das Modell der Sprachdynamik integrieren (vgl. Schmidt & Herrgen 2011). Dieses Modell geht davon aus, dass Sprecher ihr Sprachverhalten gegenüber ihren Kommunikationspartnern variieren und den entsprechenden Kontexten jeweils anpassen (vgl. Schmidt & Herrgen 2011, 29). Dieses Modell spricht in so einem Fall von einer Mikrosynchronisierung, wenn es eine Einzelsituation zwischen zwei Kommunikationspartnern betrifft. Eine Schülerin, die mit einem Mitschüler spricht, wird ihre Sprache in eine andere Richtung synchronisieren (z. B. in Richtung Jugendsprache) als bei einem Gespräch mit der Schulleiterin, wo eventuell eine gegenseitige Synchronisation in Richtung einer standardnahen Varietät erfolgt. Solche „Anpassungsvorgänge“, die nicht nur in der mündlichen, sondern auch in der schriftlichen Kommunikation erfolgen können, sind als Kompetenzen auf der sozialen und auf der kognitiven Ebene zu verorten. Schmidt & Herrgen (2011) gehen <?page no="21"?> 21 2.3 Ein Stück vom „Kuchen“ abbekommen in ihrem Sprachdynamikmodell über die Synchronisierung auf der Mikroebene hinaus. Wichtige Bausteine ihrer Theorie sind weitere Synchronisierungsakte, die als Meso- und Makrosynchronisierungen bezeichnet werden. Mesosynchronisierungen verstehen sie als „Herausbildung gruppen- und situationsspezifischer sprachlicher Konventionen“ (Schmidt & Herrgen 2011, 31). Sie beziehen sich auf Sprachgemeinschaften innerhalb von Gruppen wie Klassenverband oder Peergroup. Makrosynchronisierungen sind „Synchronisierungsakte, mit denen Mitglieder einer Sprachgemeinschaft sich an einer gemeinsamen Norm ausrichten“ (Schmidt & Herrgen 2011, 32). Eine Norm bildet dabei die standardsprachliche Schriftsprache. Es sind jedoch auch weitere Normen denkbar, die im Fokus einer Makrosynchronisierung stehen können, wie z. B. Formen eines regionalen Standards. Ein weiterer Aspekt von Sprachkompetenz soll hier ebenfalls erwähnt werden. Er ist als „Außenperspektive“ sowohl auf der kognitiven als auch auf der sozialen Ebene zu verorten: Wie bewerten wir sprachliche Äußerungen? Sind wir als Sprecher durch sprachliche Ideologien „voreingenommen“? Bedeutsam für unsere Überlegungen ist vor allem die Ideologie der Homogenität einer Sprache (vgl. Maitz & Elspaß 2013, 35-36). Sie geht davon aus, dass eine Sprache tendenziell homogen, eher frei von Einflüssen anderer Sprachen und eigener Dialekte sein soll. Vorstellungen, die hiermit verbunden sind, äußern sich in Form von Attributen wie reine, schöne oder unverfälschte Sprache. Sprachliche Variation, generell eine Vielfalt in Äußerungen wird bei einem solchen „Glaubensgrundsatz“ als eher unerwünscht, ja teilweise als sprachbedrohend wahrgenommen. Zieht man jedoch beispielsweise die Karten des online verfügbaren Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA, Elspaß & Möller 2003) heran, wird schnell klar, dass sprachliche Variation auch in der gesprochenen Standardsprache völlig normal ist. Um zu unserem bereits am Beginn dieses Kapitels präsentierten Wort der / die Butter zurückzukommen, empfiehlt sich folgende Karte des AdA: http: / / www.atlas-alltagssprache.de/ runde-5/ f15a-f/ Eine Auseinandersetzung mit der verbreiteten, jedoch falschen Annahme, dass eine Sprache möglichst homogen sein sollte, kann im Unterricht unter anderem mit den Karten des AdA angeregt werden. Aber auch verschiedene im Internet verfügbare Videos, die die vermeintliche Reinheit der deutschen Sprache thematisieren, können eine Diskussion im Klassenzimmer anregen. Hierzu bieten sich die folgenden Videos an. Das erste setzt sich mit der Bewertung von Jugendsprache, das zweite mit Kiezdeutsch auseinander. ▶ „Jugendsprache-- Wandel statt Verfall? “ (13.11. 2018): https: / / www.youtube.com/ watch? v=Rwcsry3mXvQ ▶ „Guckst du Beitrag über Sprache! “ (13. 11. 2018): https: / / www.youtube.com/ watch? v=DL4XS4FOw_s Einen differenzierten, wertneutralen Blick auf die Gesamtheit einer Sprache, inklusive ihrer alten und neuen Varietäten und Varianten, ihrer Heterogenität also, sehen wir als Teil der Sprachkompetenz auf der sozialen Ebene an. Dies ist vor allem deshalb relevant, um der Diskriminierung aufgrund einer heterogenen Sprachverwendung entgegenzuwirken, die im <?page no="22"?> 22 2 Sprachkompetenz entwickeln deutschsprachigen Raum eine lange Geschichte aufweist: Viele Generationen von Dialektsprechern haben z. B. in der Schule wiederholt eine Abwertung ihrer L1 erfahren müssen (zu den verschiedenen Facetten sprachlicher Diskriminierung siehe z. B. König 2015). Genauere Vorschläge zur Didaktik und Methodik in Bezug auf sprachliche Ideologien und deren Behandlung im Deutschunterricht finden sich in Eller-Wildfeuer & Wildfeuer 2018. Vollmer & Thürmann (2013, 47 f) weisen darauf hin, dass auch der Fachunterricht z. T. hohe sprachliche Anforderungen stellt, die sich auf den Lernerfolg auswirken. Sie sind maßgeblich von drei Dimensionen abhängig: 1. Welche Inhalte und Methoden werden gelernt? 2. Welche Zeichensysteme, Genres, Modalitäten müssen erworben werden (z. B. Symbole in der Mathematik: plötzlich schreibt man das <R> leicht anders und es auch hat eine andere Bedeutung)? 3. Welche kognitiv-sprachlichen Funktion müssen in Hinblick auf den Diskurs beherrscht werden? Sie kommen zu den allgemeinsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten hinzu bzw. sind in diese eingebettet. Eng damit hängt daher die Textkompetenz und Diskursfähigkeit zusammen, d. h. die Fähigkeit, (domänenspezifisch) Textualität herzustellen und diesbezüglich über verschiedene Strategien zu verfügen, verbunden mit einem entsprechenden Repertoire sprachlicher Mittel (vgl. Kapitel 07 und 08). 2.4 Kompetenzen und Kompetenzniveaus Für den schulischen Kontext ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler über Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschiedlichen Niveaus verfügen. Die zur Lösung eines bestimmten komplexen oder weniger komplexen Problems benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich entsprechend in Niveaustufen einteilen. Die Schulleistungsstudie PISA definierte für die Lesekompetenz z. B. fünf Stufen. Höhere Niveaustufen schließen dabei i. d. R. die darunterliegenden mit ein. <?page no="23"?> 23 2.5 Kompetenzorientiert Unterrichten Abb. 2.4: Kompetenzniveaus Die gleiche Idee findet sich in den schulischen Curricula. Kompetenzen sollen in der Reihenfolge gelernt und vertieft werden, in der sie aufeinander aufbauen. Darum beginnt man z. B. in der Grundschule mit dem Schriftspracherwerb und nicht mit dem Schreiben komplexer Argumentationen. Den Zielzustand, also die Kompetenzen, die zu bestimmten Zeitpunkten der Bildungslaufbahn beherrscht werden sollen, definieren für Deutschland die sogenannten Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz ( KMK ). Sie sind online oder gedruckt erhältlich, vgl. hierzu das Literaturverzeichnis. Die Bildungsstandards lassen sich-- wie auch die Lehrplaninhalte-- im Hinblick auf Jahres- oder Sequenzpläne weiter zerlegen und für Einzelstunden operationalisieren Übrigens: Einen Lehrplan für Deutsch als Zweitsprache für Bayern finden Sie auf den Internetseiten des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung ( ISB ). 2.5 Kompetenzorientiert Unterrichten Was ist nun die Aufgabe einer Lehrkraft in diesem Zusammenhang? Unterrichtsqualität kann im Sinne Helmkes (2014, 70 ff) als ein Angebot-Nutzungs-Modell beschrieben werden. Das Angebot-- der Unterricht-- wird v. a. durch die Lehrkraft (Professionswissen, diagnostische Kompetenz, Erwartungen / Ziele etc.) und den schulischen Kontext (gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Schulform, Klassenzusammensetzung und -klima etc.) bestimmt. Welche Lernaktivitäten stattfinden, d. h. welchen Nutzen Schüler daraus ziehen können, hängt einerseits davon ab, wie der Unterricht wahrgenommen und interpretiert wird („bringt mir das überhaupt etwas? “), andererseits davon, welche Lernpotentiale bei den Kindern vorliegen (Vorkenntnisse, Sprachenrepertoire, Interessen etc.). Natürlich spielen Kontext, aktive schulische und außerschulische Lernzeit hier ebenfalls eine Rolle. <?page no="24"?> 24 2 Sprachkompetenz entwickeln Abb. 2.5: Angebot-Nutzungsmodell (Helmke 2014, 71) Das heißt für den Erst- und Zweitsprachunterricht: Er muss die Sprache als solche thematisieren, mit ihr auf vielfältige Weise operieren und zur Sprachreflexion anregen, um Sprachbewusstheit aufzubauen. Zudem sollte er Ideologien zur Sprachverwendung thematisieren und somit sprachlicher Diskriminierung entgegenwirken. Sprechen über Sprache setzt Metasprache voraus. Dies bezeichnet die Sprachverwendung, durch die Sprache aus einer distanzierten, dekontextualisierten und deautomatisierten Perspektive heraus beschrieben werden kann (vgl. Bußmann 2008, 436; Bredel 2013, 22 f). <?page no="25"?> 25 2.5 Kompetenzorientiert Unterrichten Auf Basis fachlich fundierter Kompetenzmodelle muss daher diagnostiziert werden, was Schüler bereits wissen bzw. können, um den Ausgangspunkt einer effektiven Förderung festzustellen und diese konstruktiv unterstützen zu können (vgl. Kunter & Trautwein 2013, 76 f). Dazu müssen wir als Lehrkräfte auch wissen, welche Kompetenzen sich wie entwickeln! Ansonsten über- oder unterfordern wir die Lernenden. Beides wirkt sich negativ auf den Erwerb von Kompetenz aus. Möglichkeiten, den individuellen Lernstand von Schülern zu erfassen, sind in den entsprechenden Kapiteln beschrieben. Die Ziele, d. h. was die Schülerinnen und Schüler langfristig wissen bzw. können sollen, können wir einerseits aus den Bildungsstandards und darauf basierenden Lehrplänen ablesen, andererseits aus Kompetenzmodellen. Die einzelnen Stunden einer thematischen Unterrichtseinheit bilden die Trittsteine von der zuvor festgestellten Ausgangslage bis hin zu dem angestrebten Ziel. Das Sprachmaterial, mit dem wir arbeiten, wird nach dieser Funktion ausgewählt, z. B. mit Fragen wie „Kann die Funktion von Adjektiven mit einem Auszug aus einem Schülertext untersucht werden? “. Kognitiv aktivierende Aufgaben (vgl. Kunter & Trautwein 2013, 76 f) dienen dabei als „Transmissionsriemen“ zur Entdeckung sprachlicher Phänomene, Strukturen, Strategien o. Ä. (Vgl. Abb. 2.6.) Abb. 2.6: Aspekte der Unterrichtsplanung (aus dem Mitgliederbrief SDD 11 / 2005; Ossner 2005, 2) Kniffka & Siebert-Ott (2012, 94 f) betonen insbesondere für L2-Lerner sechs Prinzipien für den Unterricht. <?page no="26"?> 26 2 Sprachkompetenz entwickeln 1. Erstens sollten die Lernenden im Unterricht die Möglichkeit haben, sprachlich zu handeln. Sie sollten Sprache in unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Strategien einsetzen, Systematiken, Bedeutungen und Verstehen aushandeln. 2. Diese Kommunikationsanlässe (sei es schriftlich oder mündlich) sollten zweitens nach Möglichkeit authentisch und bedeutsam sein, der Sprachgebrauch der Kommunikationssituation angemessen (niemand erwartet z. B., dass sich Schüler gegenseitig mit Guten Tag oder Grüß Gott begrüßen). Ist dies nicht möglich, bieten sich Simulationen an oder man ermöglicht authentische Sprachverwendung durch den Besuch von außerschulischen Lernorten. Produktion und Rezeption sollten dabei den gleichen Stellenwert besitzen. 3. Drittens sollten sich die Schüler Systematiken durch kognitiv anregende Aufgaben selbst erschließen können. Lernergebnisse sind so nachhaltiger verankert. 4. Die Lehrenden treten viertens in diesem Unterricht zurück: Sie haben die Aufgabe, entsprechende Lernangebote (s. o.) zu schaffen und die Lernenden in ihrem Lernprozess zu unterstützen. 5. Grammatik hat fünftens, wie auch andere Teilbereiche, dienende Funktion: Sie wird nicht als Selbstzweck vermittelt, sondern hilft sprachliche Probleme zu lösen und Metasprache aufzubauen. 6. Sechstens ist eine „systematische didaktische Einbeziehung der Herkunftssprache (als Gegenstand und Medium des Unterrichts)“ (Ossner 2008, 59) nicht nur sinnvoll, sondern oftmals nötig. Die Didaktik und Methodik hat sich dabei auch an den mehrsprachigen Verhältnissen und Ressourcen der Schüler zu orientieren. <?page no="27"?> 27 2.5 Kompetenzorientiert Unterrichten 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen Alfred Wildfeuer Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie (,) … ▶ dass die interne Grammatik (das in unserem Gehirn abgelegte Regelsystem) und die externe Grammatik (z. B. abgedruckt in einem Regelwerk) nicht identisch sind. ▶ dass verschiedene Modelle zur Beschreibung der Grammatik existieren. ▶ welche Grammatikmodelle im Unterricht verwendet werden. ▶ mehr zu den wichtigsten Inhalten der Valenz- und Dependenzgrammatik, des Feldermodells und der Konstruktionsgrammatik. ▶ weitere Grundbegriffe aus dem Bereich der Sprachbeschreibung kennen. In diesem Kapitel lernen Sie nicht … ▶ ausführlich ein oder mehrere grammatische Beschreibungsmodelle kennen. Hierzu gibt es zahlreiche aktuelle Literatur. Ziel des Deutschunterrichts ist es, Schülerinnen und Schüler sowohl mit Deutsch als Erstals auch Deutsch als Zweitsprache beim Erwerb und beim Erlernen einer Sprachkompetenz zu unterstützen. Die Auseinandersetzung mit dem Regelsystem Grammatik und den entsprechenden Beschreibungsmodellen ist für die Lehrkraft ein essentieller Aspekt. Lehrerinnen und Lehrer werden als Sprachexperten wahrgenommen und sollen es tatsächlich auch sein. Eine grundlegende Beschreibungs- und Erklärungskompetenz in Bezug auf das deutsche Sprachsystem-- und idealerweise auch in Bezug auf weitere Sprachen-- gehört zu den Basiskompetenzen einer Lehrkraft und ist Teil der Professionalität dieser Berufsgruppe. So wie wir von einem Automechaniker erwarten, dass er Ahnung vom Funktionieren einer Bremse hat, oder von einem Kardiologen, dass er den Unterschied zwischen linker und rechter Herzkammer erklären kann, so wird an Lehrkräfte die berechtigte Forderung herangetragen, Wissen zur Struktur von Sprache zu besitzen. Dies ist im Übrigen seit der COACTIV -Studie auch empirisch- - zumindest für den Mathematikunterricht- - sehr gut belegt: Schüler, die von fachlich kompetenten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, schneiden in Tests besser ab. Sollte Ihnen also im Referendariat eine Deutschlehrkraft erzählen, auch sie wäre ohne Wissen zum Aufbau von Sprache gut im Unterrichten: Haben Sie große Zweifel an einer solchen oder ähnlichen Aussage. Lesen Sie sich den folgenden Text durch. Überlegen und erklären Sie, wie im Deutschen Sätze aufgebaut werden. Erläutern Sie den Unterschied zwischen Wort und Satzglied. <?page no="28"?> 28 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen GEO WISSEN Nr. 40 „Das Geheimnis der Sprache“ - Seite 56-57 „Dornenreich und Kinderleicht“; Grafik: © illuteam.de <?page no="29"?> 29 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen <?page no="30"?> 30 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen Sprachfördernder Unterricht ist auf der Grundlage von fachlich fundierten Modellen zu planen und mit Blick auf aktuelle Erkenntnisse in der Sprachwissenschaft zu reflektieren. Als Teil des Arbeitsbereichs Sprache und Sprachgebrauch untersuchen der nationalen Bildungsstandards ist der Umgang mit Grammatik bzw. die Berücksichtigung von Grammatikmodellen fester Bestandteil des Unterrichts. So steht in den Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarunterricht ( KMK 2004, 9), dass die Schülerinnen und Schüler „über ein Grundwissen an grammatischen Strukturen, [über] einen Grundbestand an Begriffen und Verfahren zum Untersuchen von Sprache“ verfügen. Schülerinnen und Schüler sollen darüber hinaus „Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen entdecken“ ( KMK 2004, 13) und „grundlegende sprachliche Strukturen und Begriffe erkennen und verwenden“ ( KMK 2004, 13). Welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Arbeitsbereichs Sprache und Sprachgebrauch untersuchen erwerben sollen, erfahren Sie genauer in Kapitel 04. 3.1 Zu den Beschreibungsmodellen der Grammatik Sprache ist die Infrastruktur im Land des Denkens (Rainer Kohlmayer (aus aviso 2 / 2016, 28)) In diesem Zitat ist die Aussage inkludiert, dass wir über eine Infrastruktur im Gehirn verfügen, die mit Sprache und Denken zu tun hat. Sicher ist, dass wir im Laufe des Spracherwerbs Strukturen aufgebaut haben, die uns- - als kompetente Sprecher- - die Produktion und Rezeption korrekter, situationsangemessener sprachlicher Äußerungen ermöglichen. Diese Struktur lässt sich als interne Grammatik bezeichnen oder als implizite Fähigkeit. Wie genau dies im Gehirn modelliert ist, entzieht sich bis heute unseren Kenntnissen, wenngleich inzwischen die beteiligten Gehirnareale feststehen. Seit Jahrtausenden versucht man jedoch, diesen internen Regeln durch externe Beschreibungen- - durch explizite Grammatiken- - näher zu kommen, ohne bisher zu einer Sprachbeschreibung gelangt zu sein, die alle internen Regeln des Sprach(en)gefüges eines Individuums umfassend darstellen kann. Damit kommen wir zu einem alltagssprachlichen Verständnis von Grammatik als eine auf einer Grammatiktheorie (und davon gibt es zahlreiche) basierenden Sammlung von Grammatikregeln, die in Regelwerken-- z. B. der DUDEN - GRAMMATIK (2016)-- dargestellt sind. Wichtig ist jedoch, sich bewusst zu sein, dass diese Regelsammlungen nur Versuche sind, unsere interne, im Gehirn abgelegte Grammatik näherungsweise zu beschreiben. Um einer Denkweise vorzubeugen, dass eine modellhafte Beschreibung mit der internen Grammatik identisch ist- - d. h. der Wirklichkeit entspricht- - sollen im Folgenden knapp einige unterschiedliche Beschreibungsmodelle vorgestellt und dabei die Modelle näher betrachtet werden, die entweder derzeit in der universitären Deutschlehrerausbildung am weitesten verbreitet sind und für den unterrichtlichen Einsatz als geeignet erscheinen oder vielleicht zukünftig weitere Verbreitung finden werden. Für die überblicksartige Darstellung sind Grammatikmodelle ausgewählt, die nach Granzow-Emden (2013, 40) folgende Forderung erfüllen: „Sie müssen als Modelle die Wirklichkeit angemessen abbilden.“ <?page no="31"?> 31 3.2 Grammatikmodelle Bevor wir uns einzelnen Modellen widmen, soll abschließend zu diesen wenigen Vorüberlegungen ebenfalls durch ein Zitat von Granzow-Emden (2013, 38) der Unterschied zwischen Original (interner Grammatik) und Modell (externer Grammatik) prägnant dargestellt werden: Modelle erfüllen nie die gleiche Funktion wie das Original-- ein Flugzeugmodell muss weder fliegen noch Personen befördern können. Auch eine Grammatik als Modell der Sprache hat niemals den Anspruch, genau das zu leisten, was das Original-- also die Sprache selbst-- leistet. Modelle können sich unterscheiden- - je nachdem, welchen Benutzerkreis sie im Auge haben, und Modelle stehen immer in der Gefahr, die Wirklichkeit falsch wiederzugeben. 3.2 Grammatikmodelle Bei der Anordnung der folgenden Grammatikmodelle beginnen wir mit jenen, die uns aus der Perspektive der Lehrkraft oder der Studierenden am dringlichsten erscheinen, weil sie sowohl Teil des schulischen als auch häufig des universitären Unterrichts sind. Weitere einflussreiche Modelle schließen sich an, vor allem auch, um-- wie oben bereits angesprochen-- dem Eindruck entgegenzuwirken, dass es die eine immer passende Beschreibung gäbe. Dem ist nicht so. Alle Modelle haben ihre Stärken und Schwächen und sind nur eine Annäherung an die Wirklichkeit. Man könnte überspitzt sagen, dass sie nur eine sehr unscharfe Kopie des mentalen Originals darstellen. So wie eine Landschaftsfotografie mal schärfer, mal weniger scharf die Wirklichkeit abbildet, aber nicht die Wirklichkeit, also die Landschaft selbst ist. Wenn Sie sich für ein Modell als Handwerkszeug für Ihre Grammatikbeschreibung entschieden haben (oder Ihnen eine Dozentin oder Seminarlehrer diese Entscheidung abgenommen hat), dann geht die Arbeit für Sie erst los. Für eine gründliche Einarbeitung in die Thematik empfehlen wir Ihnen einen ausführlichen Blick in die angegebene Literatur. Da es nicht das eine perfekte Buch gibt, die „eierlegende Wollmilchsau“ der Grammatikbeschreibung erst noch geschrieben werden muss (falls dies jemals möglich sein wird), empfehlen wir nachdrücklich, sich in mehrere Publikationen einzulesen. Mit weniger geht es nicht, um die nötige Professionalität als Deutschlehrkraft zu erreichen. Um dieses Kapitel konzise zu halten, werden wir uns bei den folgenden Modellen ausschließlich dem Satzbau zuwenden. Einerseits lassen sich die einzelnen Grammatikbeschreibungen hier gut vergleichen, andererseits ist die Auseinandersetzung mit dem Satzbau z. B. in Form von Satzglieduntersuchungen seit den Forschungen von Hans Glinz in den 1950er Jahren bis heute fester Bestandteil des Deutschunterrichts. 3.2.1 Traditionelle Schulgrammatik Ein Blick in aktuelle Deutschlehrwerke für den Erst- und Zweitsprachunterricht zeigt die anhaltende Dominanz eines Grammatikmodells, das nicht explizit für das Deutsche entwickelt, sondern aus der Beschreibung der lateinischen Sprache adaptiert wurde. Doch nicht nur schulische Lehrwerke halten daran fest. Auch die bis heute als wichtiges Nachschlagewerk <?page no="32"?> 32 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen häufig an den Universitäten und an Schulen benutzte Duden-Grammatik ist als in dieser Traditionslinie stehend zu begreifen-- zumindest was die Terminologie betrifft, auch wenn sie die Bindung der einzelnen Bausteine eines Satzes (die Satzglieder) durch das Verb gesteuert betrachtet und diesbezüglich in der Theorie der weiter unten besprochenen Valenz- und Dependenzgrammatik (im Folgenden VDG ) verortet ist. Damit schlägt die Duden-Grammatik eine Brücke zu der unten dargestellten VDG . Zentral für die traditionelle Schulgrammatik ist einerseits die Terminologie für die einzelnen Bausteine eines Satzes (Subjekt, Prädikat, Objekt, Adverbiale), andererseits die zentrale Rolle des Subjekts, das in einem Kongruenzverhältnis zum Verb (bzw. zum finiten Verb) steht. Kongruenz bedeutet, dass das Subjekt mit dem Verb in Person und Numerus übereinstimmt, wie folgende Beispiele illustrieren: ▶ Mike spielt mit seinen Puppen. ▶ Anette und Senem spielen Fußball. Kongruenz bezeichnet beispielsweise das Kongruieren, d. h. die Übereinstimmung des Subjekts mit dem Prädikat. Das Prädikat kongruiert mit dem Subjekt in Person (1., 2., 3. Person) und Numerus (Singular und Plural). Die Termini Objekt, Subjekt und Prädikat fanden ihren Weg aus Beschreibungen der lateinischen Sprache in Beschreibungen des Deutschen im 17. und 18. Jahrhundert (Pfeifer 1993; Elsen 2014). Bis heute sind diese Termini in schulorientierten Grammatiktheorien präsent. Die wichtigsten zentralen Bausteine des Satzes (Satzglieder) sind in der traditionellen Grammatik Subjekt, Prädikat, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Genitivobjekt, Präpositionalobjekt, Adverbiale. Die häufig als Nachschlagewerk verwendete Duden-Grammatik bedient sich dieser Bezeichnungen, auch wenn sie die VDG als Erklärungsmodell zugrunde legt. Andere Grammatikmodelle versuchen seit dem 20. Jahrhundert, sich davon zu distanzieren und beschreibungsadäquatere Bezeichnungen zu finden. Dazu mehr im folgenden Abschnitt zur VDG . Unter Satzglied versteht man einen Satzbaustein, der aus einem oder mehreren Bestandteilen besteht und der einen inneren Zusammenhalt aufweist. Dieser innere Zusammenhalt zeigt sich darin, dass diese Bausteine - von Ausnahmen abgesehen - nur als Gesamtheit im Satz verschoben werden können. Weitere Nachweismöglichkeiten für Satzglieder sind, dass sie in ihrer Gesamtheit ersetzbar und erfragbar sind. Im Deutschunterricht sind diese Analyseverfahren als sogenannte Glinz’sche Proben bekannt und bereits Lerninhalt des Grundschulunterrichts. An der traditionellen Grammatikbeschreibung des Deutschen ist zu kritisieren, dass sie nicht eindeutig beschreiben bzw. vorhersagen kann, welche Satzglieder in einem Satz repräsentiert sein müssen, damit er vollständig und akzeptabel ist. Diesen Makel beseitigt die VDG , indem sie die zentrale Funktion des Prädikats bei der Festlegung von notwendigen Satzgliedern betont. <?page no="33"?> 33 3.2 Grammatikmodelle 3.2.2 Valenz- und Dependenzgrammatik ( VDG ) Die VDG hebt die Sonderstellung des Prädikats im Satz heraus, indem diese Grammatiktheorie davon ausgeht, dass die Verbvalenz festlegt, welche Satzglieder in einem vollständigen Satz mindestens vorhanden sein müssen oder zumindest vorhanden sein können. Dabei wird auch die Sonderrolle des Prädikats betont, da es selbst in dieser Theorie nicht als Satzglied aufgefasst wird. Dies ist insofern überzeugend, als die bereits oben erwähnten Satzgliedproben / Glinz'schen Proben für das Prädikat nicht funktionieren. Diese Theorie ist somit in sich konsistent. Im Zentrum dieses Grammatikmodells steht das Verb, das durch seine Valenz (seine Wertigkeit) Leerstellen für Satzglieder öffnet, d. h. das Verb legt Anzahl und Art einer Gruppe von Satzgliedern fest, die als Ergänzungen bezeichnet werden. Diese Festlegung von Seiten des Prädikats bezieht sich auf die Ergänzungen, die in der traditionellen Grammatik als Subjekte und Objekte bezeichnet werden. Die in der traditionellen Grammatik als Adverbiale bezeichneten Satzglieder bleiben davon unberührt, da sie frei sind und nicht vom Prädikat gefordert werden. Diese veränderte Funktion der einzelnen Bausteine zeigt sich in der VDG auch darin, dass traditionelle Termini ersetzt werden. In dieser Theorie wird aus dem Subjekt eine Nominativergänzung (E NOM ), aus den Objekten dementsprechend Akkusativ-, Dativ-, Genitiv- und Präpositionalergänzungen (E AKK , E DAT , E GEN , E PRÄP ). Die nicht vom Prädikat geforderten Adverbialien werden in der VDG als Angaben bezeichnet. Folgende Gegenüberstellung illustriert dies: Max liest ein Buch im Garten Traditionelle Schulgramatik Subjekt Prädikat Akkusativobjekt Lokaladverbiale VDG E NOM Prädikat E AKK A LOK Tab. 3.1: Vergleich der Kategorien der traditionellen Schulgrammatik mit denjenigen der VDG Wir haben zudem in der VDG eine Dichotomie zwischen Ergänzungen (vom Prädikat als Satzbausteine gefordert bzw. ermöglicht) und Angaben (vom Prädikat nicht gefordert). Zu dieser Differenzierung erfahren Sie im Folgenden mehr. 3.2.2.1 Ergänzungen und Angaben Die Anzahl der Ergänzungen in einem vollständigen Satz wird von der Wertigkeit des Verbs festgelegt. Das Konzept der Wertigkeit wurde vom Begründer der VDG - - Lucien Tesnière (1893-1954)- - eingeführt und als Valenz bezeichnet. Eisenberg (1999, 57) wählt hierzu folgenden Vergleich: „Man spricht vom Verb als vom strukturellen Zentrum des Satzes und vergleicht seine Rolle mit der des Atomkerns, der Elektronen als Satelliten an sich bindet.“ Ein einwertiges Verb fordert eine Ergänzung, zwei- und dreiwertige dementsprechend zwei oder drei Ergänzungen: <?page no="34"?> 34 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen ▶ Die Katze Luna schläft. (schlafen = einwertig) ▶ Onur isst Steinpilze. (essen = zweiwertig) ▶ Nadja stiehlt Theresa das Vorlesungsskript. (stehlen = dreiwertig) Die Anzahl der möglichen Ergänzungen ist somit durch die Valenz des Verbs bestimmt. Wird dies bei der Satzformulierung missachtet, so können ungrammatische Sätze entstehen. Allerdings lassen Verben zum Teil einen unterwertigen Gebrauch zu, d. h. nicht alle im Stellungsplan des Verbs vorgesehenen Ergänzungen müssen auch tatsächlich im Satz vorkommen. Folgende Beispiele illustrieren dies. Mit Asterisk (*) gekennzeichnete Sätze sind ungrammatisch: ▶ *Die Katze Luna schläft Nudeln. (schlafen als einwertiges Verb kann keine zweite Ergänzung in den Satz einbinden) ▶ Die Katze Luna schläft den ganzen Tag. (den ganzen Tag ist keine Ergänzung, sondern eine Angabe und wird nicht vom Verb gefordert) ▶ Nadja stiehlt das Vorlesungsskript. (stehlen als dreiwertiges Verb kann unterwertig verwendet werden, d. h. die Dativergänzung Theresa muss nicht im Satz erscheinen) ▶ *Stiehlt Theresa das Vorlesungsskript. (stehlen kann zwar unterwertig verwendet werden, die Nominativergänzung Nadja ist jedoch obligatorisch, d. h. sie muss im Satz repräsentiert sein) Bei der Analyse eines Satzes geht man bei diesem Grammatikmodell so vor, dass zunächst die Wertigkeit des Verbs bestimmt wird: ▶ Jemand liest etwas. (lesen-= 2-wertig: Wer? Wen / Was? ) ▶ Jemand schenkt jemandem etwas. (schenken-= 3-wertig: Wer? Wem? Was? ) ▶ Jemand schnarcht. (schnarchen-= 1-wertig: Wer? ) Wichtig ist dabei, dass bei der Analyse immer von der Bedeutung im konkreten Satz ausgegangen wird, denn die Valenz des Verbs ist von seiner Bedeutung abhängig. Hierzu erfahren Sie mehr auf S. 35 f. Zudem ist zu beachten, dass auch Nebensätze als Satzglieder des Hauptsatzes fungieren können: ▶ Kevin liest, dass etwas Schlimmes passieren wird. Innerhalb dieses Satzgliedes-- also innerhalb des Nebensatzes-- lassen sich wiederum Satzglieder bestimmen. Das finite Verb im Nebensatz eröffnet aufgrund seiner Valenz wiederum zu besetzende Stellen für Ergänzungen. Dies bezeichnet man als Feinstruktur des Satzes. Um Satzglieder zu bestimmen, verwendet man verschiedene Tests, die als Operationen bezeichnet werden. Diese in Schule und Didaktik auch als Glinz’sche Proben (basierend auf Glinz 1952) bekannten Verfahren sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ent- und weiterentwickelt worden und finden heute in folgenden Formen Verwendung: ▶ Umstellprobe / Verschiebeprobe: Es wird erprobt, welche Wortgruppen gemeinsam verschoben werden können. <?page no="35"?> 35 3.2 Grammatikmodelle Die Katze Luna spielt mit dem kleinen Hund Nikos hinter dem Haus. <=> Mit dem kleinen Hund Nikos spielt die Katze Luna hinter dem Haus. ▶ Spitzenstellungstest: Nur Elemente eines Satzes, die die Position vor dem finiten Verb einnehmen können, sind Satzglieder. Die Katze Luna spielt danach mit ihren Ratten. <=> Danach spielt die Katze Luna mit ihren Ratten. ▶ Ersatzprobe: Welche Wortgruppen sind ersetzbar (z. B. durch Pronomen)? Sie spielt mit ihm dort. <=> Die Katze Luna spielt mit dem kleinen Hund Nikos hinter dem Haus. ▶ Frageprobe: Dies dient der genauen Bestimmung der Satzglieder. Mit wem spielt die Katze Luna? Mit dem kleinen Hund Nikos. Wo spielt die Katze Luna mit dem kleinen Hund Nikos? Hinter dem Haus. Grundsätzlich ist bei den Satzgliedoperationen zu beachten, dass sich der Sinn des Satzes nicht grundlegend ändern darf. Durch sich an diese Operationen anschließende Tests gelangt man zu einer weiteren Klassifikation der zunächst ermittelten Satzglieder: ▶ Satzglieder, die vom Verb gefordert werden, sind Ergänzungen (in der traditionellen Grammatik sind dies Subjekte und Objekte): Ergänzungen sind obligatorisch (notwendig) oder fakultativ (weglassbar) Kevin liest ein Buch. > *Liest ein Buch. => E NOM obligatorisch Kevin liest ein Buch. > Kevin liest. => E AKK fakultativ ▶ Satzglieder, die nicht vom Verb gefordert werden, sind Angaben (in der traditionellen Grammatik Adverbialien): Angaben können ebenfalls weggelassen werden, erfüllen aber zugleich den sogenannten „Geschehenstest“. In einem ersten Schritt wird dazu geprüft, ob das entsprechende Satzglied weglassbar ist: Kevin liest heute ein Buch. Kevin liest ein Buch. => heute ist weglassbar In einem zweiten Schritt prüft man, ob das Satzglied mit und das geschieht bzw. und das geschah angehängt werden kann: Kevin liest ein Buch und das geschieht heute. => Geschehenstest positiv => heute ist eine Angabe (temporal) Kevin liest ein Buch und zwar heute. => "und zwar"-Test positiv-=> heute ist eine Angabe (temporal) Folgende Grafik aus Kessel & Reimann (2017, 24) gibt einen passenden Überblick, der bei der Analyse hilfreich ist: <?page no="36"?> 36 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen Ist das Satzglied weglassbar? (= Weglassprobe) ja nein valenzunabhängig? (= Geschehenstest) ja nein Angabe fakultative obligatorische Ergänzung Abb. 3.2: Entscheidungsbaum bei der Satzgliedanalyse Zur weiteren Klassifikation der Funktion der ermittelten Satzglieder können zudem folgende Fragetests verwendet werden. Zur leichten Vergleichbarkeit haben wir in Klammern die entsprechenden Bezeichnungen aus der traditionellen Grammatik mit angegeben. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Arten von Ergänzungen und Angaben und ist nicht vollständig. So fehlen etwa Präpositional- und Situativergänzung sowie Finalangaben. Frage Satzgliedfunktion Wer oder was? Nominativergänzung (Subjekt) Wessen? Genitivergänzung (Genitiv-Objekt): Ich bediene mich des Buches. Wem? Dativergänzung (Dativ-Objekt) Wen oder was? Akkusativergänzung (Akkusativ-Objekt) Wann? Seit wann? Wie lange? Wie oft? Temporalangabe (Adverbiale der Zeit) Wo? Wohin? Woher? Lokalangabe (Adverbiale des Ortes) Wie? Modalangabe (Adverbiale der Art und Weise) Warum? Aus welchem Grund? Kausalangabe (Adverbiale des Grundes) Tab. 3.2: Fragetest zur Bestimmung der Funktion eines Satzgliedes im Satz <?page no="37"?> 37 3.2 Grammatikmodelle Aus zahlreichen Hochschulseminaren wissen wir, dass die Bestimmung der Valenz regelmäßig Schwierigkeiten bereitet oder Anlass zu Diskussionen bietet. Dies überrascht nicht, wenn man sich bewusstmacht, dass die Valenz auch bei auf den ersten Blick identischen Verben durchaus schwanken kann, in Abhängigkeit vom Satzkontext oder von der jeweiligen Bedeutung des Verbs. Beispielhaft lässt sich dies am Verb geben illustrieren, das in der Grundbedeutung 3-wertig ist. Verwendet man das Verb jedoch im Sinne von Spenden geben, ist es 2-wertig. Im Kontext Kartenspielen (wir bevorzugen hier das bayerische Kartenspiel Schafkopfen) ist es dagegen 1-wertig: ▶ Michelle gibt dem Lehrer ihre Kekse. (geben: 3-wertig) ▶ Die Firma gibt Spendengelder. (geben: 2-wertig) ▶ Xaver gibt! (geben im Sinne von ‚Karten ausgeben‘: 1-wertig) Bei der Ermittlung der Verbvalenz ist somit immer der Kontext und die entsprechende Bedeutung mit zu berücksichtigen. Hierzu gibt es mit dem VALBU (=- Valenzwörterbuch der deutschen Verben) bzw. E- VALBU (online unter http: / / hypermedia.ids-mannheim.de/ evalbu/ index.html) ein Nachschlagewerk, das bei der Ermittlung der Wertigkeit eines Verbs hilfreich sein kann. 3.2.2.2. Was spricht für die VDG als Beschreibungsmodell? Mit Blick auf die traditionelle (Schul-)Grammatik ist die VDG in Bezug auf die vergleichbaren Konzepte von Satzgliedern anschlussfähig. Die jeweiligen Termini sind gut vergleichbar bzw. im weiteren Sinne austauschbar. Die Wertigkeit des Verbs bildet zudem die logische Valenz und die semantischen Rollen des Verbs ab. Dies lässt sich wiederum am Verb geben (und weiteren Verben des Besitzwechsels wie schenken, stehlen, übertragen) zeigen: ▶ X gibt Y Z Ein Besitzwechsel, den das Verb geben impliziert, betrifft drei Aktanten: der Gebende / Ausführende (=-Agens)-- der Adressat (=-Rezipient)-- der betroffene Gegenstand (=-Patiens). Wir haben somit auf der syntaktischen Ebene eine Übereinstimmung mit der logischen Valenz, d. h. das Verb geben hält drei Leerstellen bereit, die syntaktisch gefüllt werden können. Zusammenfassend lassen sich den drei Ergänzungen, die von diesem Verb ermöglicht werden, jeweils spezifische semantische Rollen zuweisen: ▶ Agens (der Handelnde): Paul gibt. ▶ Rezipient (der Empfänger): Paul gibt Christina. ▶ Patiens (der von der Handlung betroffene Gegenstand): Paul gibt Christina Blumen. <?page no="38"?> 38 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen 3.2.2.3 Was spricht gegen die VDG als Beschreibungsmodell? Problematisch kann, wie vorausgehend bereits angesprochen, die Bestimmung der Wertigkeit sein. Gerade die Unterscheidung zwischen Präpositionalergänzung und Angabe ist nicht immer eindeutig, auch wenn hier meist der sogenannte Geschehenstest weiterhilft, wie folgendes Beispiel zeigt: ▶ Senem wartet auf den Bus. ▷ Geschehenstest: *Senem wartet und das geschieht auf den Bus. ▷ Test funktioniert nicht, d. h. auf den Bus ist eine Präpositionalergänzung. ▶ Senem wartet in der Bahnhofshalle. ▷ Geschehenstest: Senem wartet und das geschieht in der Bahnhofshalle. ▷ Text funktioniert, d. h. in der Bahnhofshalle ist eine Lokalangabe. Trotzdem bleibt die korrekte Bestimmung der Wertigkeit eine Herausforderung-- im Übrigen auch für L1-Sprecherinnen und Sprecher des Deutschen. Im DaZ-Unterricht dürfte die Bestimmung der Wertigkeit von Verben noch schwieriger von den Lernenden zu leisten sein. Gerade kontextbzw. milieuabhängige Verwendungen wie z. B. geben im Sinne von Karten ausgeben erfordern eine bereits weit fortgeschrittene Sprachkompetenz. Im Kontext der Valenzbestimmung stößt die VDG in Bezug auf das Deutsche auch an Grenzen, wenn es um Sätze geht, die Bausteine enthalten, die wie Angaben aussehen, sich aber von diesen unterscheiden, indem sie nicht fakultativ sind. Hierzu ein Beispiel: ▶ Die Flasche Weißbier befindet sich im Kühlschrank. Das Satzglied im Kühlschrank kann nicht weggelassen werden, d. h. es ist durch die Verbvalenz im Bauplan des Satzes verankert. Eroms (2000, 183 ff) führt für solche Spezialfälle der Gruppe der Ergänzungen weitere Typen an und klassifiziert obligatorische Satzglieder beim Verb sich befinden als Situativergänzungen. Es sind somit über die „klassischen“ Ergänzungen E NOM , E AKK , E GEN , E DAT und E PRÄP hinaus weitere Ergänzungsarten nötig, um die Syntax des Deutschen im Rahmen der VDG genauer beschreiben zu können. Hier scheinen für uns die Grenzen der Schulgrammatik eindeutig überschritten zu sein. Daher findet im Erst- und Zweitsprachunterricht sinnvollerweise eine Beschränkung auf die fünf genannten Ergänzungen (E NOM , E AKK , E GEN , E DAT und E PRÄP ) statt. Probleme hat die VDG auch mit diskontinuierlichen Satzgliedern, wie sie im Deutschen häufig bei Prädikaten auftauchen (z. B. Die Katze hat heute früh das Futter ganz aufgefressen). Umgehen kann man diese Kritik, indem man das Prädikat nicht als Satzglied kategorisiert. Diese Nichtzuordnung der Prädikate zu der Gruppe der Satzglieder findet sich wiederholt in Beschreibungen zur deutschen Syntax und es gibt gewichtige Gründe dafür, denn die Satzgliedtests (z. B. die Verschiebeprobe) funktionieren für das Prädikat nicht oder nur eingeschränkt. Auch subjektlose bzw. mit einem sogenannten Scheinsubjekt vorkommende Sätze mit den Witterungsverben regnen, schneien, nieseln, stürmen usw. lassen sich in der Theorie der VDG nicht völlig überzeugend beschreiben, wie folgender Satz belegt: <?page no="39"?> 39 3.2 Grammatikmodelle ▶ Es regnet heute den ganzen Tag. Der Baustein es des Beispiels lässt sich nicht völlig überzeugend als Satzglied bestimmen, da die Ersatzprobe nicht funktioniert. In der VDG klassifiziert man diese Witterungsverben als 0-wertig, d. h. sie sehen keine Ergänzungen in ihrem Satzbauplan vor (anders hierzu Eisenberg 1999, 59). Der Baustein es wird in dieser Funktion in der VDG als formales Subjekt, Pseudoaktant ( DUDEN - GRAMMATIK , § 560 f, 1261) oder Scheinsubjekt (Kessel & Reimann 2017, 56) bezeichnet. Zu weiteren Funktionen des Pronomens es siehe Duden-Grammatik (2006, § 1260-1263) und Kessel & Reimann (2017, 56-57). Zudem ist im Rahmen der VDG nicht eindeutig zu klären, ob die Phrase auf der Wiese hinter dem Haus im Satz Die Katze Luna spielt mit dem kleinen Hund Nikos auf der Wiese hinter dem Haus ein Satzglied bildet oder zwei Satzglieder. Die vorgestellten Proben lassen diesbezüglich beide Analysen zu. Aber probieren Sie am besten selbst. Zu kritisieren ist an der VDG zudem, dass die Sonderstellung, die das Subjekt in der traditionellen Grammatik innehat, in den Hintergrund rückt. Es wird in die Gruppe der Ergänzungen einsortiert, dies negiert jedoch die besondere Beziehung zwischen Prädikat und Subjekt, die sich in der Kongruenz (vgl. Infokasten auf S. 32) zwischen den beiden Satzgliedern zeigt. Zusammenfassend kann man sagen, dass die VDG nur bedingt für den schulischen Unterricht-- vor allem auch mit Blick auf DaZ-Lernende-- geeignet ist. 3.2.3 Feldermodell ( FM ) Ein Grammatikmodell, das explizit die Stellungsbesonderheiten des deutschen Satzbaus herausstellt, ist das Feldermodell (auch als Stellungsfeldermodell oder topologisches Satzmodell bezeichnet). Es wurde in Grundzügen bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Erich Drach (1937) entwickelt. Da das Deutsche über komplexe Möglichkeiten des Satzbaus verfügt und zudem im Vergleich zu anderen Sprachen wie z. B. dem Englischen eine tendenziell freiere Wortstellung aufweist, ist es sinnvoll, ein diesbezüglich adäquates Modell auch in Bezug auf den Deutschunterricht näher zu betrachten. Dies erscheint uns gerade mit Blick auf DaZ- und DaF-Lernende als hilfreich, da dieses Modell explizit auf die vielfältigen, jedoch nicht regellosen Stellungsmöglichkeiten des Deutschen fokussiert. Beim Zweit- und Fremdspracherwerb stellt diese Komplexität der Syntax eine große Herausforderung dar. Das Feldermodell findet zudem vermehrt Eingang in den Deutschunterricht. Für das Bundesland Baden-Württemberg ist es inzwischen fest in den Bildungsplänen verankert. Zu einer Übersicht siehe: http: / / www.schule-bw.de/ faecher-und-schularten/ sprachen-und-literatur/ deutsch/ sprache/ grammatik/ feldermodell [Zugriff am 29. 04. 2018]. Für die Verwendung dieses Modells sprechen mehrere überzeugende Gründe. Doch zuerst zu den Grundlagen: <?page no="40"?> 40 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen Dieses Grammatikmodell versucht, die Besonderheiten des deutschen Satzbaus zu beschreiben. Zu diesen zählen, dass das Deutsche durch eine diskontinuierliche Anordnung des Prädikats ausgeprägte Satzklammern (auch Verbklammern genannt) bilden kann. Darüber hinaus-- die Syntax wird dadurch noch komplexer-- kennt das Deutsche drei verschiedene Positionen des finiten Verbs. Unter Satzbzw. Verbklammer versteht man die diskontinuierliche Anordnung von Bestandteilen des Prädikats vor allem im Aussagesatz. Diese Fähigkeit des Deutschen entstand im Laufe seiner Geschichte parallel zur Ausdehnung der Schriftlichkeit vor allem in der Epoche des Frühneuhochdeutschen. Beispiele für die Satzklammer sind Sätze wie Donald hatte, bevor er zum Kartenspielen ging, noch schnell Kleingeld auf der Bank wechseln lassen. Die unterstrichenen Bestandteile des Prädikats kennzeichnen die linke respektive rechte Klammer. Neben verbalen Elementen können im Nebensatz auch einleitende Subjunktionen klammeröffnende Elemente darstellen (die Teile der Satzklammer im Nebensatz sind wiederum unterstrichen): Paul sagte seinem Lebenspartner nicht, dass er erst nach 24 Uhr nach Hause kommen würde. Das Deutsche kennt drei verschiedene Verbstellungstypen, d. h. Positionen des finiten Verbs im Satz. Es gibt Sätze mit Verberststellung (V 1 ), Verbzweitstellung (V 2 ) und Verbendstellung (V LETZT ). Diese Anordnung der finiten Verben im Satz ist jedoch nicht beliebig, sondern steht in enger Verbindung mit der jeweiligen Satzart (Aussage-, Frage-, Imperativsatz) und Satzform (Satzreihe, Satzgefüge). Zusammengefasst und vereinfacht dargestellt gilt im Normalfall folgende Verteilung: Imperativ- und Entscheidungsfragesätze haben V 1 , Aussagesätze und Ergänzungsfragen V 2 , eingeleitete Nebensätze V LETZT . Hierzu einige Beispiele: Gib mir bitte den Stift. (V 1 , Imperativsatz) Kommst du heute Abend mit ins Kino? (V 1 , Entscheidungsfrage) Nariman kommt aus Hannover. (V 2 , Aussagesatz) Woher kommt Nariman? (V 2 , Ergänzungsfrage) Nariman dient als Bundeswehrsoldatin, was ihr viel Respekt in ihrer Familie einbrachte. (V LETZT , eingeleiteter Nebensatz) Um die Satzklammer herum bestehen im deutschen Satz verschiedene Felder (daher auch der Name dieses Modells), die unterschiedlich gefüllt sein können. Einen Überblick hierzu gibt folgende Tabelle: Vorfeld (VoF) linke Klammer (li. Kl.) Mittelfeld (MiF) rechte Klammer (re. Kl.) Nachfeld (NaF ) Die Lehrerin hat uns Erfolg gewünscht bei der Arbeit Die Lehrerin hat uns bei der Arbeit Erfolg gewünscht Bei der Arbeit hat uns die Lehrerin Erfolg gewünscht Tab. 3.3: Feldgliederung des deutschen Satzes <?page no="41"?> 41 3.2 Grammatikmodelle Diese in der Tabelle dargestellten Felder-- also mögliche Positionen für verschiedene Satzglieder- - können nicht beliebig gefüllt werden. So können das Subjekt und Objekte nicht in das Nachfeld verschoben werden, Angaben (adverbiale Bestimmungen) dagegen schon: ▶ Nariman hatte nach ihrem Dienstwochenende ein Kino besucht in Hannover. ▶ *Gerade hat Jesper getroffen Xaver. Zudem darf-- von wenigen Ausnahmen abgesehen-- vor dem finiten Teil des Verbs immer nur ein Satzglied stehen. ▶ Jesper hat Xaver in der Schule getroffen. ▶ *In der Schule Jesper hat Xaver getroffen. Ausnahmen davon, d. h. Mehrfachbesetzungen des Vorfelds, tauchen jedoch durchaus in der gesprochenen Sprache auf und sind nicht immer als ungrammatisch zu bewerten. In einzelnen Varietäten des Deutschen treten sie sogar gehäuft auf und sind innerhalb des Systems der entsprechenden Varietät als zweifelsfrei grammatisch zu bewerten. Folgendes Beispiel stammt aus dem Kiezdeutsch (nach Wiese 2012, 81): ▶ Danach ich ruf dich an. Angaben (adverbiale Bestimmungen), die als Satz realisiert sind, rücken in der Regel ins Vor- oder Nachfeld. Das Mittelfeld wird somit entlastet: ▶ Er hatte nichts gesagt, weil-… VoF li. Kl. MiF re. Kl. NaF Das Feldermodell setzt sich neben der Anordnung der einzelnen Satzglieder im Rahmen der vom Satz gebildeten Felder auch mit der Anordnung einzelner Elemente innerhalb eines Feldes auseinander. Dies ist vor allem bei komplexen Prädikaten in Bezug auf die Reihung der Elemente in der rechten Satzklammer betrachtenswert. Hierzu ein paar Beispiele: ▶ Ibrahim wird um diese Zeit schon in die Schule gegangen sein. ▶ Stefan hätte den Kinofilm nicht gesehen haben müssen. Die diesbezüglichen Regeln der Stellung der einzelnen Elemente in der rechten Satzklammer sind komplex und sollen hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Wichtig ist uns hier nur herauszustellen, dass auch diese Anordnung nicht willkürlich abläuft. Eine Übersicht zu den Stellungsregeln findet sich in der DUDEN - GRAMMATIK (2016, 871 ff). 3.2.3.1 Was spricht für das Feldermodell als Beschreibungsmodell? Das FM fokussiert die Komplexität des deutschen Satzbaus und ist hilfreich für die Beschreibung der syntaktischen Anordnung aller Elemente im Satz. Sie ist daher sowohl für L1als auch L2-Lernende von hoher Relevanz. Zudem passt das Modell gut zur Arbeit mit Satzgliedern bzw. den entsprechenden Proben, vor allem der Verschiebeprobe und dem Spitzenstellungstest. Das Modell kann auch die diskontinuierliche Anordnung von Prädikaten <?page no="42"?> 42 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen gut aufzeigen- - ein weiterer wichtiger syntaktischer Aspekt beim Erlernen der Sprache als Zweitsprache. Darüber hinaus eignet es sich für den Vergleich zwischen einzelnen Sprachen und kann daher mit dem auch von den Bildungsstandards geforderten Einbezug von Mehrsprachigkeit und Herkunftssprachen in Verbindung gebracht werden. Der Vergleich der Möglichkeiten und Beschränkungen des Satzbaus verschiedener Sprachen dient zudem der Förderung von Sprachbewusstheit und ermöglicht L1-Sprechern die Einsicht, dass andere Sprachen andere Satzbauregeln aufweisen. Gornik (2010, 241) stellt hierzu treffend heraus, dass die Begegnung mit zwei Sprachsystemen das Wissen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden entwickelt. Der in den Bildungsstandards als Sprache und Sprachgebrauch untersuchen genannte Arbeitsbereich kann so den häufig zurecht kritisierten Grammatikunterricht, der sich auf das Ermitteln von Wortarten und Satzbausteinen beschränkt, überwinden, und zu einer metasprachlichen Fähigkeit gelangen, also die Kompetenz ausbilden, nicht nur über Sprachkönnen sondern auch über Sprachbewusstsein zu verfügen. 3.2.3.2 Was spricht gegen das Feldermodell als Beschreibungsmodell? Aus methodologischer Perspektive kann festgehalten werden, dass das Feldermodell zwar gut die Stellungsbesonderheiten des Deutschen beschreibt, dass es jedoch nicht über eine bloße Beschreibung hinauskommt. Es kann nicht hierarchische Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten, wie sie z. B. die VDG im Rahmen des Konzepts der Wertigkeit des Verbs herausstellt, erklären. Im strengen Sinne betrachtet, stellt es somit keine Theorie dar. So kann es nicht voraussagen, wie die einzelnen Felder im Satz besetzt werden müssen oder welche Satzglieder nicht realisiert werden müssen oder können (so wie es z. B. die VDG im Rahmen ihrer Valenztheorie leistet). Dem Feldermodell gelingt daher nur in Verbindung mit anderen Modellen eine umfassendere Grammatikbeschreibung. Zudem ist das Modell explizit für das Deutsche entwickelt worden und verfolgt daher keinen sprachübergreifenden Ansatz, wie z. B. die Valenz- und Dependenzgrammatik und die im Folgenden vorgestellte Konstruktionsgrammatik. Für die oben als Vorteil genannte Möglichkeit des Sprachenvergleichs ist sie daher nur eingeschränkt geeignet. 3.2.4 Konstruktionsgrammatik ( KG ) Im Anschluss an zwei Modelle, die mit Kategorien wie dem Konzept der Satzglieder arbeiten und daher bis zu einem gewissen Grad anschlussfähig bleiben an eine traditionelle Grammatik, soll abschließend zu den Darstellungen verschiedener Grammatikbeschreibungen noch ein Modell (bzw. eine ganze Gruppe von verwandten Theorien) angesprochen werden, das-- je nach Strömung bzw. Auslegung-- deutlich mit unseren bisherigen Vorstellungen von externer und indirekt auch interner Grammatik bricht. Im Folgenden erfolgt eine Generalisierung, indem nicht auf unterschiedliche Theoriebildungen innerhalb der Konstruktionsgrammatik eingegangen wird. Da dieses Konzept noch relativ neu ist, bisher wenig Anwendung für das Deutsche gefunden hat und von ver- <?page no="43"?> 43 3.2 Grammatikmodelle schiedenen Strömungen durchzogen ist, wollen wir es nur kurz exemplarisch vorstellen. Wir halten es jedoch für durchaus wahrscheinlich, dass das Konzept im Laufe der nächsten Jahre zunehmend in die Didaktik und Methodik des Sprachenlehrens und -lernens Eingang findet, denn gerade mit Blick auf die Zweit- und Fremdsprachendidaktik weist die Konstruktionsgrammatik einige sinnvolle Annahmen auf, so dass von ihr zukünftig überzeugende, didaktisch hilfreiche Impulse zu erwarten sind. Darauf weist u. a. ein sehr zur Lektüre empfohlener Aufsatz von Handwerker (2008) hin, in dem die Verfasserin eine Verknüpfung zwischen dem Sprachenlernen mit Hilfe von Chunks und den Annahmen der Konstruktionsgrammatik herstellt. In der Zweit- und Fremdsprachendidaktik bezeichnet man als Chunks Einheiten, die aus mehr als einem Wort bestehen und als Gesamtheit erlernt werden. Es handelt sich um formelhafte Elemente wie z. B. Das Buch ist entspannend, die als Gesamtheit erlernt und abgespeichert werden. Chunks können in einem weiteren Prozess als Muster für neu zu bildende Bausteine dienen, wie z. B. Die Musik ist entspannend. D. h. in einem ersten Schritt wird der Baustein memoriert, in einem späteren aufgespalten und als Muster auf neue Konstruktionen übertragen. Auch idiomatische Wendungen (z. B. das Gelbe vom Ei), Kollokationen (Hunde bellen), Grußformeln (Grüß Gott) und Satzanfänge (Wir möchten gerne …) werden zu den Chunks gezählt. Eine starre Trennung von Sprache bzw. von Sprachverarbeitung in unserem Gehirn in Lexikon und Grammatik wird aufgegeben. Stattdessen geht man von einem Kontinuum zwischen Wörtern und Konstruktionen, die aus mehreren Wörtern bestehen, aus. Diese Konstruktionen sind als Einheit zu verstehen, die Bedeutung lässt sich somit nur holistisch-- also anhand der kompletten Konstruktion erschließen und nicht aus der Summe der einzelnen Bausteine. Regeln, wie z. B. dass die Valenz eines Verbs die Anzahl von Bausteinen im Satz festlegt, existieren in der Konstruktionsgrammatik nicht. Es gibt somit keine Konstruktionsregeln und nach Ansicht der meisten Vertreterinnen und Vertreter dieses Modells auch kein angeborenes Sprachregelsystem. Dieses Modell trennt zudem nicht in Kern- und Peripheriebereiche, d. h. Konstruktionen wie idiomatische Wendungen (z. B. da steppt der Bär) oder verblose Sätze (Jetzt aber raus aus den Aktien! )- - beide sind in der VDG schwer erklärbar - werden nicht als Ausnahmen gesehen, sondern als gleichwertige Bestandteile der Sprache. Von anderen Grammatikmodellen zu Unrecht marginalisierte Beispiele aus dem Sprachalltag-- die im Übrigen gar nicht so selten sind-- stehen in der Konstruktionsgrammatik auf gleicher Ebene mit Sätzen aus dem sogenannten Kernbereich der Sprache. Dabei geht dieses Modell durchaus von syntaktischen Mustern aus, die auf neue Sätze „vererbt“, d. h. übertragen werden. Schemata wie z. B. die Abfolge von Subjekt-- Prädikat-- Objekt werden auf neu gebildete Sätze übertragen. Hier zeigen sich jedoch Probleme, da die Konstruktionsgrammatik z. B. nicht erklären kann, warum bei den folgenden Beispielsätzen der zweite nicht grammatisch ist, obwohl beide nach dem gleichen syntaktischen Muster aufgebaut sind: ▶ Mika rollt den Rennwagen über die Ziellinie. ▶ *Jan schwimmt das Rennboot über die Ziellinie. <?page no="44"?> 44 3 Sprache als System beschreiben: Linguistische Grundlagen Die Valenz- und Dependenzgrammatik dagegen kann durch ihr Konzept der Valenz eine tragfähige Lösung anbieten, indem sie zwischen intransitiven / einwertigen (z. B. schwimmen) und transitiven / zwei- oder dreiwertigen Verben (z. B. rollen) unterscheidet. Die Konstruktionsgrammatik dagegen tut sich hier schwer, denn eine „Vererbung“ des Musters Subjekt + Prädikat (rollen) + Akkusativobjekt auf Sätze mit schwimmen im Prädikat führt zu ungrammatischen Sätzen nach dem Muster *Subjekt + Prädikat (schwimmen) + Akkusativobjekt. Sie müssen daher als eigenständige Konstruktion abgespeichert werden. Dies fechten die Vertreter dieses Modells wiederum nicht an, da sie gar nicht von einer hundertprozentigen Übertragbarkeit / Vererbung von Mustern auf neue Konstruktionen ausgehen, sondern von Tendenzen. Allerdings-- und darauf weist z. B. Handwerker (2008) hin-- erfolgt das Lernen von Sprache u. a. über fertige, aus mehreren Wörtern bestehende Bausteine, sogenannte Chunks. Die dabei erworbenen Muster werden, wie bereits oben dargelegt, auf neu zu bildende Sätze übertragen. Dass dabei Fehler auftreten, also Sätze mit schwimmen nach Mustern mit anderen Verben gebildet werden und daher ungrammatisch sein können, zeigt sich in den u-förmigen Erwerbsverläufen. Die Konstruktionsgrammatik als Modell, das von fertigen Konstruktionen ausgeht, kommt hier den tatsächlichen Verhältnissen beim Spracherwerb deutlich näher als z. B. die Valenz- und Dependenzgrammatik. Ein Sprachenlerner erwirbt anhand des Inputs von Chunks Muster einer Sprache und erkennt Regularitäten, die er auf neue Muster überträgt. Häufig werden dabei korrekte Sätze gebildet, auch ohne konkrete, theoretische Regeln, wie sie z. B. die Valenz- und Dependenzgrammatik annimmt. Mit u-förmigem Spracherwerb bezeichnet man die Beobachtung beim Spracherwerb, dass nach einer anfänglichen - scheinbar fortgeschrittenen Sicherheit bei der Sprachverwendung - die Anzahl nicht korrekt gebildeter Sätze wieder zunimmt. Erst mit einer weiter fortschreitenden Sicherheit in der Sprachverwendung nimmt die Anzahl inkorrekter Bildungen wieder ab. Diese Beobachtung lässt sich gut mit dem Konzept der Chunks erklären. Zu Beginn des Erwerbs werden Chunks memoriert und korrekt wiedergegeben. Im Zuge einer Übergeneralisierung werden dann die dabei erworbenen Muster auf neue Sätze übertragen, wobei es zu falschen Anwendungen kommt. Dies illustriert folgendes Beispiel: Die Katze Luna fängt die Maus. (erworbenes Muster = Beginn des u-förmigen Verlaufs) *Die Katze Luna spielt die Maus. (Muster wird übergeneralisiert = unteres Ende des u-förmigen Verlaufs) Die Katze Luna spielt mit der Maus. (korrektes Muster wurde erkannt = oberes Ende des u-förmigen Verlaufs) Was lernen wir Lehrerinnen und Lehrer daraus: Fehler ist nicht einfach Fehler, sondern kann auch ein Indikator für einen fortschreitenden Spracherwerb sein. <?page no="45"?> 45 3.2 Grammatikmodelle 3.2.5 Weitere Beschreibungsmodelle Die oben dargestellten Grammatikmodelle geben nur einen kurzen, rudimentären Einblick in mögliche Beschreibungsformen einer internen Grammatik. Sie sind zudem nur eine Auswahl, weitere Modelle, wie z. B. die Generative Grammatik, die Natürlichkeitstheorie oder die Optimalitätstheorie, wurden hier nicht berücksichtigt, da sie bisher keinen Eingang in den Deutschunterricht fanden. Wichtig ist zu verstehen, dass alle diese Modellierungen versuchen, die interne Grammatik in unterschiedlicher Form zu erklären bzw. ihre Regeln nachzubilden. Einen kurzen Einblick in die oben genannten und in weitere Grammatikmodelle bietet Elsen (2014). <?page no="47"?> 47 3.2 Grammatikmodelle 4 Sprache untersuchen und reflektieren Nicole Eller-Wildfeuer Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie (,) … ▶ was Grammatik ist. ▶ dass Grammatik Variation haben kann. ▶ warum Grammatikunterricht wichtig ist. ▶ welche Konzeptionen von schulischer Grammatikvermittlung existieren. ▶ zwei Prinzipien der Grammatikvermittlung und eine Diagnosemöglichkeit einzusetzen. ▶ etwas über mögliche Stolpersteine der deutschen Sprache beim Erst- und Zweitspracherwerb. Was hat Grammatik überhaupt damit zu tun, wie wir reden und handeln? (Hoffmann 2014, 13) Die doch sehr provokativ formulierte Frage Hofmanns trifft eigentlich den Kern des Kapitels. Warum ist Grammatik für das alltägliche Kommunizieren eines Menschen überhaupt von Relevanz? Kommunikation kann auch ohne bzw. mit reduzierter Grammatik funktionieren, wie folgender Satz verdeutlicht: I Essen gehen heute Abend mit Freunde. Obwohl der Satz grammatische Regeln missachtet (z. B. korrekte Satzstellung, Flexion des finiten Verbs), können wir die kommunikative Intention dennoch verstehen: Eine Person beabsichtigt, am Abend mit Freunden essen zu gehen. Dass diese Sichtweise vor allem in der Grammatikvermittlung für den Erst- und Zweitspracherwerb viel zu kurz greift, ist aus dem folgenden Zitat ersichtlich: Sprache ist das Medium der Verständigung zwischen Menschen. Die Verständigung beruht auf der Funktionalität sprachlicher Formen, die in der Grammatik beschrieben werden. Nur insofern wir uns in diesen Formen bewegen können, können wir uns sprachlich verständigen (Hoffmann 2014, 25). Ziel des schulischen Grammatikunterrichts (vgl. hierzu auch Kapitel 03) in der Erst- und auch Zweitsprache ist es, die beschriebene „Funktionalität sprachlicher Formen“ zu erkennen, zu erwerben und auch darüber zu reflektieren, damit ein sicherer Umgang mit Sprache als einem „Medium der Verständigung“ gelingen kann. Damit Grammatikunterricht erfolgreich sein kann, ist es unumgänglich, dass auch die Lehrperson über umfassendes grammatisches Wissen verfügt und sich vergegenwärtigt, was unter Grammatik, grammatischen Formen und der Funktionalität von Formen zu verstehen ist: Eine Sprache verstehen heißt: sie in ihrem systematischen Aufbau, der Funktionen in Formen verstehbar macht und Verständigung erlaubt, zu begreifen. Die Zusammenhänge in der Grammatik <?page no="48"?> 48 4 Sprache untersuchen und reflektieren der Sprache sind systematisch zu erarbeiten. Man braucht ein Bild vom Ganzen; Fragmente reichen nicht (Hoffmann 2014, 14). Dieses „Bild vom Ganzen“ der Grammatik einer Sprache muss der Lehrende sich im Vorfeld erarbeiten, bevor die Grammatikvermittlung beginnen kann. Nun ist aber noch zu klären, was denn überhaupt unter Grammatik zu verstehen ist? Etymologisch bedeutet Grammatik schlichtweg 'Lehre von den Buchstaben' (Bußmann 2008, 241). In der heutigen Sprachwissenschaft wird der Begriff Grammatik für unterschiedliche Bereiche verwendet (vgl. Abb. 4.1). Abb. 4.1: Was ist Grammatik? (nach Bußmann 2008, 241) Generell lassen sich eine präskriptiv-normative und eine deskriptiv-beschreibende Grammatikrichtung unterscheiden, die im nächsten Punkt ausführlicher diskutiert werden. In den unterschiedlichen Grammatiken existieren zudem auch enge und weite Definitionsansätze (vgl. hierzu exemplarisch Imo 2016; Duden-Grammatik 2016). Einigkeit herrscht allerdings weitgehend darüber, dass es eine (Haupt-)Aufgabe von Grammatik ist, zu beschreiben, wie aus Wörtern nach gewissen Regularitäten Sätze gebildet werden können (vgl. Kapitel 03). <?page no="49"?> 49 4 Sprache untersuchen und reflektieren Prinzipiell gibt es eine weite und eine engere Definition des Satzes, insgesamt kursieren zahlreiche, uneinheitliche Definitionen. Die enge Definition geht davon aus, dass ein Satz eine abgeschlossene sprachliche Einheit ist, die über eine kommunikative Funktion verfügt, inhaltliche, formale und grammatische Merkmale aufweist und gewissen Regeln folgt (vgl. hierzu auch Eroms 2000, 47-48). Die wichtigste Aufgabe übernimmt dabei das Verb in der Funktion des Prädikats, indem es im Satz unterschiedliche Partner in Form von obligatorischen Ergänzungen (Satzgliedern) fordert, ohne die der Satz (normalerweise) nicht vollständig ist. Die weite Definition setzt nicht zwingendermaßen ein Verb als Zentrum des Satzes voraus. Darüber hinaus kann zwischen einfachen Sätzen, die lediglich ein finites Verb aufweisen (Beispiel: Die Katze sitzt auf der Wiese), und komplexen Sätzen unterschieden werden. Komplexe Sätze sind entweder Hypotaxen (Satzgefüge) mit einer Unter- und Überordnung (Beispiel: Die Katze sitzt auf der Wiese [Hauptsatz, übergeordnet], weil sie eine Maus fangen will [Nebensatz, untergeordnet].) oder Parataxen (Satzreihen) (Beispiel: Die Katze sitzt auf der Wiese [Hauptsatz] und [Konjunktor] [die Katze als Subjekt ist zu ergänzen, weil eine Ellipse vorliegt] fängt eine Maus [Hauptsatz]). Ausführlichere Informationen zur Terminologie finden Sie bei Hoffmann (2014, 68 sowie 70). Anschaulich zu verdeutlichen ist dies anhand der Metapher einer Kommode, die über unterschiedliche Schubladen verfügt, die nach Funktionen geordnet und deren einzelne Bestandteile zu größeren Komplexen zusammengesetzt werden können. In einer Schublade beispielsweise befinden sich Nomen, die im Satz die Funktion des Subjekts übernehmen können. Gemeinsam mit dem Prädikat und einem Objekt (bzw. je nach Prädikat auch mehreren Objekten) können sie zu einem Satz „zusammengebaut“ werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 03, woraus auch der Beispielsatz (2) entnommen ist): II Anette und Senem spielen Fußball. Für Satz II werden drei Bestandteile mit jeweils unterschiedlicher Funktion benötigt: Anette und Senem in der Funktion des Subjekts, spielen als Prädikat und Fußball als Akkusativobjekt. Vor allem für Deutsch als Zweitsprache-Lernende ist dieses Baukastenprinzip von besonderer Relevanz. Sie müssen verstehen lernen, dass im Deutschen gewisse Satzbaupläne existieren, nach deren Vorbild Sätze gebildet werden können, wie Tab. 4.1 exemplarisch veranschaulicht. Satzbauplan Beispielsätze [Subjekt] + Prädikat + [Dativobjekt] [Dieses Auto] gehört [meiner Schwester]. [Subjekt] + Prädikat + [Genitivobjekt] + infiniter Prädikatsteil [Er] wird [des Diebstahls] beschuldigt. [Subjekt] + Prädikat + [Präpositionalobjekt] [Der Chemiker] achtet [auf die Laborwerte]. [Subjekt] + Prädikat + [prädikativer Nominativ] [Susi] ist / wird / bleibt [Schulleiterin]. [Subjekt] + Prädikat + [prädikative Adjektivphrase] [Max] ist / wird / bleibt [traurig]. Tab. 4.1: Exemplarische Satzbaupläne (nach Duden-Grammatik 2016, 932) <?page no="50"?> 50 4 Sprache untersuchen und reflektieren Ein Satzbauplan ist durch ein Verb und die vom Verb geforderten Satzglieder (Ergänzungen) gekennzeichnet (vgl. Duden-Grammatik 2016, 927; Eroms (2000, 315) spricht von „Verb-Aktanten-Konstellationen“). Grundlage dieser Satzbaupläne ist die Tatsache, dass (wie in Kapitel 03 bereits dargelegt) das Verb in der Funktion des Prädikats im Satz gewisse Partner in Form von Satzgliedern (die so genannten obligatorischen Ergänzungen) fordert (=- Valenz, Wertigkeit). Die Satzbaupläne weisen eine topologische Struktur auf, die anhand des Feldermodells deutlich wird: Vorfeld (VoF) linke Klammer (li. Kl.) Mittelfeld (MiF) rechte Klammer (re. Kl.) Nachfeld (NaF ) Die Lehrerin lädt uns zum Eis essen ein. Die Lehrerin hat uns eingeladen zum Eis essen. Zum Eis essen hat uns die Lehrerin eingeladen. Die Lehrerin will uns zum Eis essen einladen. Die Lehrerin hätte uns zum Eis essen einladen wollen. Tab. 4.2: Das Feldermodell Dass Verben sowohl für den Erstals auch für den Zweitspracherwerb eine sehr wesentliche Rolle spielen, bestätigt auch Kalkavan-Aydin (2015, 32), indem sie ausführt: Verben spielen im Sprachaneignungsprozess sowohl bei einals auch bei mehrsprachigen Kindern eine ganz bedeutende Rolle, denn sie stellen eine Art Schnittstelle zur Grammatik dar. Um ein Verbbeispiel aus den Satzbauplänen der Duden-Grammatik aufzunehmen: Das Verb gehören fordert beispielsweise zwei Ergänzungen: ein Subjekt und ein Dativobjekt: III Die Katze [Subjekt] gehört dem kleinen Mädchen [Dativobjekt]. Die Partner können durch die Valenz ermittelt werden (vgl. hierzu die Informationen in Kapitel 03): Wer gehört wem? Gehören ist demnach zweiwertig. Für die Ermittlung der Funktion und Form der jeweiligen Partner des Verbs sind die Glinz’schen Satzgliedproben (Umstellprobe / Verschiebeprobe, Ersatzprobe, Frageprobe, Spitzenstellungstest) sehr wichtig. Da die vorgestellten Tests maßgeblich dazu beitragen können, das Verständnis von Lernenden in Bezug auf Aufbau und Funktionen von Sprache zu steigern und zu festigen, sollten sie fester Bestandteil des Grammatikunterrichts sein. Der didaktische und methodische Umgang mit Satzbauplänen wird später fortgeführt. Abb. 4.2 zeigt Ergebnisse der DESI -Studie, in der schulartenübergreifend Englisch- und Deutschkompetenzen in der 9. Jahrgangsstufe gemessen wurden. Welchen Stellenwert haben die grammatischen Proben laut Aussage der Lehrkräfte? <?page no="51"?> 51 4.1 Deskriptive und präskriptive Grammatikbeschreibung Abb. 4.2: Ergebnisse einer Befragung von Lehrkräften der DESI -Studie im Bereich Grammatik (Klieme et al. 2008, 330) 4.1 Deskriptive und präskriptive Grammatikbeschreibung Prinzipiell existieren zwei Arten von Grammatiken und Grammatikbeschreibungen, der deskriptive (beschreibende) und der normativ-präskriptive (vorschreibende) Ansatz (vgl. Imo 2016, 10; Klein 2010). Letzterer wird in erster Linie im Schulkontext und auch beim Fremdsprachenlernen verwendet und gibt ein gewisses Set an Regeln zur Orientierung vor. Abweichungen von diesen Regeln werden von Lehrkräften in der Regel sanktioniert. Eine deskriptive Vorgehensweise hingegen versucht, Sprache und Sprachformen in ihrer tatsäch- <?page no="52"?> 52 4 Sprache untersuchen und reflektieren lichen Verwendung und in ihrer arealen Streuung zu beschreiben und nimmt keine Einordnung in richtig oder falsch vor. Ein Satz wie IV In der Pause gehen wir Edeka. ist nach dem präskriptiven Ansatz defizitär, da die Präposition fehlt und es eigentlich (zumindest in der Schriftlichkeit) heißen müsste: IV‘ In der Pause gehen wir zu Edeka. Die deskriptive Grammatik hingegen stellt fest, dass die fehlende Verwendung von Präpositionen in der Jugendsprache (vgl. hierzu auch Wiese 2012) und generell in der Mündlichkeit zunimmt, ohne eine Wertung vorzunehmen. Überlegen Sie, welche Art von Grammatikbeschreibung Sie für den Erstsprach- und für den Zweitspracherwerb für sinnvoll erachten. Was sind Ihrer Meinung nach jeweils Vor- und Nachteile der beiden Ansätze (vgl. hierzu auch Klein 2010)? 4.2 Grammatik hat Variation Die Sichtweise, in der Grammatik gäbe es immer nur entweder richtig oder falsch bzw. eine korrekte Lösung, ist in vielen Fällen unzureichend. Auch in der Grammatik gibt es bisweilen Variation und diese Variation sollte nicht kritisiert bzw. als falsch bewertet werden. Es geht um eine situativ angemessene Sprache. Variation bedeutet, dass in einer Sprache mehrere (oftmals auch gleichberechtigte) Varianten existieren können. Zum Beispiel nennt man ein Brötchen im Berliner Raum Schrippe, in Bayern hingegen Semmel oder Wecken / Weckerla. Wie würden Sie beispielsweise das Perfekt zu sitzen oder liegen bilden? Würden Sie sagen ich habe gesessen oder ich bin gesessen? Ich habe gelegen oder ich bin gelegen? Und was ist nun korrekt oder ist beides möglich? Hilfreich ist hierbei ein Blick auf eine Karte des „Altlas zur deutschen Alltagssprache“ (AdA, abrufbar unter: http: / / www.atlas-alltagssprache.de/ ), einem Onlineprojekt, das die tatsächlichen Sprachgewohnheiten im gesamten deutschsprachigen Gebiet abbildet: <?page no="53"?> 53 4.3 Ist Grammatikunterricht überhaupt nötig? Abb. 4.3: Hilfsverb beim Perfekt von stehen: Das … in der Zeitung gestanden (AdA: http: / / www.atlas-alltagssprache.de/ hilfsverb/ )" Die Abbildung verdeutlicht anschaulich die vorherrschende Zweiteilung hinsichtlich der Verwendung des Auxiliars innerhalb des deutschen Sprachgebiets. Vereinfacht gesagt wird im nördlichen Teil haben zur Bildung des Perfekts verwendet und im südlichen (einschließlich Österreich und der Schweiz) sein. Der beschriebene Auxiliargebrauch wird auch in der aktuellen Duden-Grammatik (2016, 475) thematisiert: Verben der Ruhe wie sitzen, stehen, liegen bilden vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz abweichend von der Hauptregel tendenziell das Perfekt mit sein: Ich bin lange gelegen / gesessen / gestanden. Ansonsten hört man der Hauptregel entsprechend regelmäßig haben. Es herrscht also Einigkeit darüber, dass in diesem Fall zwei gleichberechtigte Normvarianten vorliegen (vgl. auch den Duden für sprachliche Zweifelsfälle 2011, 620, 839 und 862). Welche Standardvariante würden Sie Ihren Erstsprach- und auch Zweitsprachlernenden beibringen und warum? Finden Sie weitere Beispiele für Variation in der Grammatik (auch mit Hilfe des AdA). 4.3 Ist Grammatikunterricht überhaupt nötig? Bevor die eigentlich rhetorisch formulierte Frage vertieft wird, lohnt sich zunächst ein Blick in die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz, die unter anderem auch den Rahmen für Lehrpläne bilden. Diese wurden unter anderem auch für das Fach Deutsch sowohl für den <?page no="54"?> 54 4 Sprache untersuchen und reflektieren Primarbereich als auch für weiterführende Schulen bis hin zur Allgemeinen Hochschulreife entwickelt. Im Folgenden werden exemplarisch kurz die Standards für den Primarbereich und die für die allgemeine Hochschulreife vorgestellt. In den Bildungsstandards für den Primarbereich ( KMK 2005, 6) ist beispielsweise zu lesen: Die Entwicklung ihrer Sprachhandlungskompetenz umfasst auch das Nachdenken über Sprache. Dazu ermöglicht der Deutschunterricht den Kindern erste Einsichten in Sprachstrukturen und macht sie mit elementaren Fachbegriffen bekannt. In den Bildungsstandards ( KMK 2005, 7) werden vier Kompetenzbereiche angeführt, dazu gehört auch der Bereich Sprache und Sprachgebrauch untersuchen mit den Aspekten „sprachliche Verständigung untersuchen“ und „an Wörtern, Sätzen, Texten arbeiten“, wodurch ausdrücklich Grammatikunterricht genannt und auch gefordert wird. Die Bildungsstandards für die allgemeine Hochschulreife ( KMK 2012, 20-21) weisen als Kompetenzbereich Sprache und Sprachgebrauch reflektieren aus und geben zur inhaltlichen Konzeption vor: Die Schülerinnen und Schüler analysieren Sprache als System und als historisch gewordenes Kommunikationsmedium und erweitern so ihr Sprachwissen und ihre Sprachbewusstheit. Sie nutzen beides für die mündliche und schriftliche Kommunikation ( KMK 2012, 20). Explizit werden unter dem Punkt „Grundlegendes Niveau“ ( KMK 2012, 20) die beiden Aspekte „sprachliche Strukturen und Bedeutungen auf der Basis eines gesicherten Grammatikwissens und semantischer Kategorien erläutern“ und „Strukturen und Funktionen von Sprachvarietäten beschreiben“ angeführt. Schülerinnen und Schüler sollen zum Beispiel lernen, zwischen Form und Funktion eines Wortes zu unterscheiden (zum Beispiel: Die Katze läuft über die Wiese: Katze ist der Form nach ein Nomen, welches in der Kombination mit dem bestimmten Artikel in dem Satz das Subjekt ist). Außerdem sollen die Lernenden das (Sprach-)Varietätenspektrum der deutschen Sprache kennen lernen. Sie sollen erkennen, dass die Standardsprache eine Varietät neben vielen anderen ist (Dialekte wie Bairisch, Fränkisch, Rheinisch; Soziolekte wie Kiezdeutsch, Jugendsprache, Verwaltungssprache u. s. w.). Für den Schulunterricht haben Wild & Schilcher (2018) ein Modell mit möglichen Erwartungen an die Kompetenzentwicklung formuliert. In das Modell integriert sind verschiedene Teilkompetenzen sowie Erwerbsprozesse. <?page no="55"?> 55 4.3 Ist Grammatikunterricht überhaupt nötig? Abb. 4.4: Kompetenzmodell Wild & Schilcher (2018, 68) Die Empfehlungen der Bildungsstandards werden exemplarisch anhand des bayerischen Lehrplans für das Gymnasium vorgestellt: In den Lehrplan integriert ist ein so genanntes „Kompetenzstrukturmodell“ (vgl. Abb. 4.5), das die relevanten Kompetenzbereiche, welche <?page no="56"?> 56 4 Sprache untersuchen und reflektieren auf den Bildungsstandards basieren, integriert. Das Kompetenzstrukturmodell gilt für alle weiterführenden Schularten und führt das Modell des Primarbereichs fort. Abb. 4.5: Kompetenzstrukturmodell für das Fach Deutsch (Gymnasium) (https: / / www.lehrplanplus.bayern.de/ fachprofil/ gymnasium/ deutsch) Wie im vorhergehenden Abschnitt gezeigt wurde, ist Grammatik sowohl in den Bildungsstandards als auch in den Lehrplänen fest verankert. Das Kompetenzstrukturmodell ordnet den Aspekt Sprachgebrauch und Sprache untersuchen und reflektieren sogar so an, dass er die Kompetenzbereiche Sprechen und Zuhören, Lesen-- mit Texten und weiteren Medien umgehen und Schreiben umfasst. Diese sind Grundlage für den Lernbereich und haben stützende Funktion. Bereits daraus ist die Relevanz der Grammatik an sich bzw. des schulischen Grammatikunterrichts ersichtlich. Sowohl die Bildungsstandards als auch die Lehrpläne fokussieren die Kenntnis von sprachlichen Strukturen und auch die Fähigkeit der Reflexion darüber. Schulischer Grammatikunterricht ist gemäß den Bildungsstandards obligatorisch und die in der Überschrift formulierte Frage ist mit „ja“ zu beantworten. Grammatikunterricht ist aber nicht nur erforderlich, weil Bildungsstandards und Lehrpläne ihn integrieren und fordern. Wissen über grammatische Strukturen und die Fähigkeit, über Form und Funktion von diesen zu reflektieren, sind wesentlicher Bestandteil sowohl des Erstals auch des Zweitspracherwerbs. Denn ein bewusster Umgang mit Sprache ist nur dann möglich, wenn Wissen und Einsicht in ihren Bau vorhanden ist (vgl. hierzu Habermann et al. 2015, 143). Habermann, <?page no="57"?> 57 4.3 Ist Grammatikunterricht überhaupt nötig? Diewald & Thurmair (2015, 144) bezeichnen Grammatikwissen als „flexible[s] Instrument zum Ausdruck unserer Gedanken und Absichten“ und als „Perspektivierungs- und Justierungsinstrument“. Wissen über Grammatik und vor allem Sprachreflexionsfähigkeit führen zu Sprachbewusstsein (Language Awareness). Oksaar (2003, 126) definiert Sprachbewusstsein als vielschichtigen Begriff der konstruktivistischer [sic! ] Lerntheorie, er zentriert auf Lernerautonomie und bewusste Verarbeitung des Lernerwissens, das mit Erfahrungswissen eines Individuums zusammenhängt. Zu diesem gehören alle Handlungsweisen, von körperlichen Bewegungen bis zum Sprechen von Sprachen und soziales Handeln. Sprachbewusstsein äußert sich in der bereits erwähnten Fähigkeit zur Sprachreflexion und führt im Regelfall zur Ausprägung metasprachlicher Fähigkeiten (vgl. Luchtenberg 2010, 111). Vor allem für den Spracherwerb ist Sprachbewusstsein relevant. In der Forschung wird betont, dass der Erstspracherwerb sich vom Zweitspracherwerb alleine schon dadurch unterscheidet, dass beim Erstspracherwerb keinerlei (Sprach-)Basis vorhanden ist, auf die der Lernende zurückgreifen könnte. Beim Zweitspracherwerb hingegen besitzt der Lernende bereits Grundlagen und Fähigkeiten, die ihm beim Erwerb der zweiten oder auch weiteren Sprache von Nutzen sein können: „[A]lles früher Gelernte kann das zukünftige Lernen und Verhalten beeinflussen, positiv oder negativ.“ (Oksaar 2003, 109) Es geht im Grammatikunterricht aber nicht nur um die Ausbildung von Sprachbewusstsein und metasprachlichen Fähigkeiten. Grammatikwissen ist u. a. wichtig für das Lernen und eigenständige Anwenden von Rechtschreibregeln (vgl. Spiegel 2014, 11-21). Kann zum Beispiel ein Schüler / eine Schülerin Wortstämme sicher identifizieren (z. B. Tod → tödlich, lern- → Lerner), nützt ihm / ihr dieses Wissen auch bei der Rechtschreibung (vgl. Kapitel 09). Zusammenfassend ist Grammatikunterricht sinnvoll, weil-… ▶ sprachliche Verständigung auf der Verwendung (korrekter) grammatischer Strukturen beruht. ▶ Sprachbewusstsein nur so gefördert werden kann. ▶ der Schüler / die Schülerin Wissen über den Bau und die Funktion von grammatischen Strukturen haben muss. ▶ metasprachliches Wissen dadurch hervorgerufen wird. ▶ Grammatikwissen die Basis ist für weitere (Lern)Bereiche (zum Beispiel für Rechtschreibung). ▶ Sprachvergleiche angestellt werden können. ▶ der Geltungsbereich für so genannte Normen kritischer bewertet und hinterfragt werden kann. Wie bereits in Kapitel 03 erwähnt wird, ist es wichtig, dass eine Lehrkraft, die Grammatikunterricht leitet, über fundiertes Grammatikwissen verfügt. Man kann nur einen Sachverhalt kompetent vermitteln, den man verstanden hat und über den man auch weitreichende Kenntnisse hat. <?page no="58"?> 58 4 Sprache untersuchen und reflektieren Aufgabe: Finden Sie Beispiele zu den zuvor genannten Gründen, warum Grammatikunterricht in Hinblick auf den Spracherwerb sinnvoll ist. 4.4 Konzeptionen des Grammatikunterrichts und der -vermittlung Die Konzeptionen oder auch Modelle des Grammatikunterrichts und der -vermittlung können in drei dichotomische Begriffspaare / Dimensionen unterteilt werden: Abb. 4.6: Konzepte des Grammatikunterrichts In diesen können die Konzeptionen des Grammatikunterrichts verortet werden. Im Fokus stehen jeweils Handlungsabläufe des Kategorisierens (zum Beispiel von Funktionen) und Konkretisierens (vgl. Bartnitzky 2015, 207), wozu Sprache distanziert, deautomatisiert und dekontextualisiert betrachtet werden muss. Dekontextualisierung bezeichnet den Sachverhalt, dass das zu untersuchende sprachliche Material aus dem Kontext gelöst und sozusagen kontextfrei analysiert wird. Bredel betrachtet dies als notwendige „Bedingung“ für die Sprachbetrachtung (Bredel 2013, 24). Unter Deautomatisierung versteht Bredel (2013, 24) den Sachverhalt, dass automatische Abläufe deaktiviert werden, um das Interesse auf „andere kognitive, sprachbetrachtungsrelevante Prozesse“ lenken zu können. Metasprachlich bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, über Sprache zu sprechen und auch zu reflektieren. <?page no="59"?> 59 4.4 Konzeptionen des Grammatikunterrichts und der -vermittlung 4.4.1 Formal versus funktional Die formale Grammatik ist als „formbezogene Sprachanalyse“ aufzufassen, deren Augenmerk auf der Vermittlung von „grammatischen Kategorien“ liegt (Eisenberg & Menzel 1995, 14), losgelöst von einer konkreten Anwendung. Beispielsweise werden die Tempora Präteritum und Perfekt eingeführt, ohne darauf zu verweisen, dass, vereinfacht gesagt, das Präteritum (Imperfekt) in erster Linie das Tempus der Schriftlichkeit ist, wohingegen das Perfekt eher in mündlichen Kontexten Verwendung findet. Diese Variante des Unterrichtens ist vielleicht noch aus dem traditionellen Grammatikunterricht bekannt, wo eine deduktive und präskriptive Vermittlung des Stoffes im Zentrum stand (vgl. Bredel 2013, 227). Bei einem funktionalen Grammatikunterricht hingegen liegt der Fokus darauf, „semantische, textuelle und kommunikative Kategorien zu den grammatischen in Beziehung [zu] setzen“ (Eisenberg & Menzel 1995, 15). Intendiert sind dabei unter anderem folgende Ziele (vgl. Bredel 2013, 233-234): ▶ Identifizierung von sprachlichen Mustern / Strukturen (zum Beispiel: Ermittlung von Satzgliedern); ▶ Funktionalität (Ermittlung der Funktion von Wortarten im Satz); ▶ Sprachkritikfähigkeit (Umgang mit Normvorstellungen). Auch hier bietet es sich an, ausgehend von den bereits thematisierten Satzbauplänen zum Beispiel über die Glinz’schen Tests Satzglieder segmentieren zu lassen und anschließend deren Funktion zu ermitteln. Eine weitere Möglichkeit ist die Identifizierung von Wortstämmen (Sommer, sommerlich, Sommerkleid). Im Zentrum steht also in erster Linie der konkrete Sprachgebrauch und weniger eine formale Sprachsystemanalyse, was bisweilen auch als Kritik an dem Modell vorgebracht wird (vgl. Bredel 2013, 237). Für die Unterrichtspraxis bedeutet dies, um bei den Tempora zu bleiben, dass Präteritumsformen zum Beispiel anhand einer schriftlichen Erzählung eingeübt werden, wobei auch der Unterschied zwischen Perfekt und Präteritum erläutert wird (Funktionalität). Im Schulunterricht kann auch eine fehlerhafte Aufschrift untersucht werden wie Lisa’s Nähstube und Ananässer. Um Sprachkritikfähigkeit zu schulen, sollen die Kinder zunächst die Fehler finden und eventuell auch Überlegungen anstellen, weshalb diese passiert sein könnten. Eine weitere Möglichkeit wäre, Schülerinnen und Schüler im Internet eigenständig nach „Verschreibern“ suchen zu lassen. 4.4.2 Systematisch versus situationsorientiert (situativ) Der systematische Grammatikunterricht basiert auf „Teilsystemen der Grammatik“, die entweder erarbeitet oder auch beigebracht werden (Eisenberg & Menzel 1995, 15). Die Vorgehensweise ist dabei von bestimmten Axiomen geleitet: „vom Konkreten zum Kategorisieren“ und „von Kategorien zum Konkreten“ (Bartnitzky 2015, 207). Zu Beginn steht dabei immer das konkrete sprachliche Handeln des Schülers / der Schülerin im Zentrum, in einem nächsten Schritt werden dann sprachliche Auffälligkeiten ermittelt. Über Handlungsabläufe des Ope- <?page no="60"?> 60 4 Sprache untersuchen und reflektieren rierens mit und Nachdenkens über Sprache werden Kategorien bzw. Begriffe ermittelt, die letztendlich dann als Arbeitssprache im Unterricht dienen sollen (vgl. Bartnitzky 2015, 207). Der Kerngedanke des situativen Unterrichts ist es, Sprache in ihrer konkreten Verwendungsform zu beobachten und zu kategorisieren. Diese Vermittlungsform berücksichtigt, dass Sprache und Kommunikation eng miteinander verwoben sind, daher werden grammatische Formen auch immer im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Funktion eingeführt und geübt (vgl. Bredel 2013, 229). Ziele eines situationsorientierten Grammatikunterrichts können je nach Relevanz sein (zitiert nach Bredel 2013, 230): ▶ Sensibilisieren für einen Sachverhalt, ▶ Sichern von Wissen, ▶ Operieren (Alternativen austesten), ▶ Diagnostizieren (Probleme auf- und entdecken), ▶ Verbalisieren, ▶ Diskussion. Als Beispiel: Die Lehrkraft stellt fest, dass die Formen des Präteritums in schriftlichen Textsorten nicht bzw. nicht ausreichend genug beherrscht werden und übt diese situationsindiziert. 4.4.3 Deduktiv versus induktiv Der Unterschied zwischen diesem Gegensatzpaar ist in der Vermittlung begründet (vgl. hierzu Eisenberg & Menzel 1995, 15). ▶ Deduktiv bedeutet, einen Sachverhalt von formulierten Regeln aus zu vermitteln. Zum Beispiel werden zunächst die Regeln zur Verwendung von Konjunktiv I gegeben, bevor diese anhand von Beispielen anzuwenden sind. ▶ Bei der induktiven Vorgehensweise werden Regeln anhand von Sprachbeispielen erarbeitet. Die Lehrkraft verteilt beispielsweise einen Text mit auffälliger Verwendung des Konjunktiv I. Anhand der Belege leiten die Schülerinnen und Schüler Regeln ab. Bei der deduktiven Vorgehensweise gibt die Lehrerin / der Lehrer ein Rahmenthema vor, etwa: Konjunktiv I und seine unterschiedlichen Verwendungsformen. Aus von der Lehrkraft vorgegebenen Beispielsätzen werden dann Regeln abgeleitet, falls diese nicht auch deduktiv vorgegeben werden. Der induktive Ansatz hingegen lässt Schülerinnen und Schüler forschend und eigenständig an Sprachmaterial arbeiten, Erkenntnisse gewinnen, Kategorisierungen erstellen und Regeln ableiten bzw. Merksätze formulieren. Schülerinnen und Schüler übernehmen die Aufgabe von Sprachforschern (vgl. Grammatikwerkstatt). Zum Beispiel könnten unterschiedliche analytische und synthetische Konjunktivformen verglichen und untersucht werden: wir würden gehen, wir gingen, er gehe, würde er gehen. In der Unterrichtsrealität sind die sechs vorgestellten Dimensionen oft in unterschiedlichen Verbindungen vorzufinden: funktional-systematisch-induktiv oder auch formal-systema- <?page no="61"?> 61 4.4 Konzeptionen des Grammatikunterrichts und der -vermittlung tisch-deduktiv (vgl. Eisenberg & Menzel 1995, 15). Zu beachten ist jedoch immer, dass sprachliches Handeln die Grundlage bilden soll zum Nachdenken über Sprache. Nachdenken über Sprache entsteht durch Operieren und Experimentieren mit Sprachmaterial und sprachliche Auffälligkeiten führen zwangsläufig zum Reflektieren über Sprache. Nicht zu vergessen ist zudem die Tatsache, dass Sprachreflexion als ein Prozess zu verstehen ist. Welchen Ansatz sehen Sie in folgenden Aufgabenstellungen realisiert (vgl. Abb. 4.7)? Passt der Informationstext zu den Aufgaben? Abb. 4.7: Schulbuchauszug zu Satzgliedern (aus: Kombiniere Deutsch 7, 95), © C. C. Buchner Verlag, Bamberg <?page no="62"?> 62 4 Sprache untersuchen und reflektieren 4.4.4 Integrativer Grammatikunterricht Zusätzlich zu den von Eisenberg und Menzel erwähnten Konzeptionen gibt es auch den integrativen Grammatikunterricht, der vor allem, aber nicht nur für DaZ-Lernende von Vorteil ist. Wie der Name bereits vermuten lässt, findet beim integrativen Unterricht Grammatikvermittlung niemals isoliert, sondern immer gekoppelt an weitere Lernbereiche (wie z. B. Texte verfassen) statt und hat somit eine Nähe zum oben erwähnten situationsorientierten Grammatikunterricht (vgl. hierzu das erwähnte Kompetenzstrukturmodell). Diese vernetzte Herangehensweise ist für DaZ-Lernende besonders zu empfehlen, da die Funktionen sprachlicher Formen besser durchdrungen und verstanden werden können, wenn unmittelbar eine situationsorientierte Anwendung des Gelernten ersichtlich ist. Dem integrativen Grammatikunterricht widmet sich auch Einecke (www.fachdidaktik-einecke. de) und stellt Materialien und Stundenmodelle zur Verfügung (http: / / www.fachdidaktik-einecke. de/ 3_Sprachdidaktik/ hauptseite_sprachdidaktik.htm). 1. Bietet sich Ihrer Meinung nach folgender Text (vgl. Abb. 4.8) für den integrativen Grammatikunterricht an? Welche Möglichkeiten sehen Sie? 2. Wie beurteilen Sie Darstellung und Aufbau des Infokastens in sprachdidaktischer Hinsicht? <?page no="63"?> 63 4.4 Konzeptionen des Grammatikunterrichts und der -vermittlung Abb. 4.8: Schulbuchauszug zur Satzform (aus: Mit eigenen Worten 7, Hauptschule Bayern, 145) <?page no="64"?> 64 4 Sprache untersuchen und reflektieren 4.4.5 Grammatik-Werkstatt Eisenberg & Menzel (1995, 15) bemängeln am herkömmlichen Grammatikunterricht, dass Schülerinnen und Schüler nach wie vor zu wenig über grammatikalische Methoden und Herangehensweisen erfahren, welche sie befähigen könnten, eigenständig Kategorien zu entwickeln bzw. Entscheidungen über die Unbzw. Angemessenheit von Varianten zu treffen. Diese Tatsache hat die beiden Wissenschaftler dazu bewogen, das induktive Modell der Grammatik-Werkstatt zu entwickeln. Intention ist es, den Kategorisierungsprozess bzw. den Weg zur Kategorisierung in den Fokus zu stellen: Junge Menschen sollen an der Aufstellung der grammatischen Kategorien beteiligt werden-- und nicht nur immer den Resultaten dieser Prozesse begegnen. Dabei sollen sie Einsichten gewinnen, wie unsere Sprache gebaut ist, sollen ihr System entdecken (Eisenberg & Menzel 1995, 16). Als Legitimation für diese Vorgehensweise werden unter anderem der lernpsychologische Aspekt (eigenständige Aktivität führt zum besseren Verständnis und Durchdringen eines Sachverhalts) und der pädagogische Aspekt (ein Sachverhalt wird in erster Linie dann behalten, wenn der Lernende entsprechende Verfahren nachvollziehen kann) angeführt (vgl. Eisenberg & Menzel 1995, 17). Es geht also darum, dass Lernende an den „Kategorisierungsprozesse[n]“ beteiligt werden (Eisenberg & Menzel 1995, 17). Wie dies in der Praxis auszusehen hat, wird von Eisenberg und Menzel unter anderem am Beispiel der grammatischen Kategorie des Adjektivs demonstriert. Eine relativ häufig vorkommende Wortart des Deutschen, die unterschiedliche Formen und Komplexitäten aufweisen kann (vgl. hierzu auch Eisenberg & Menzel 1995, 22). Adjektive wie schön, klug, laut beispielsweise sind einsilbig. Besondere, leise und feige bestehen aus mehreren Silben. Witzig, sommerlich und machbar sind Ableitungen (Witz → witzig, Sommer → sommerlich, mach- → machbar). Manche sind durch Präfigierungen entstanden: unschön, missmutig. Im Schulkontext stehen aber wohl weniger die Formen von Adjektiven im Mittelpunkt als die entsprechenden Funktionen im Satz. Herkömmlicherweise wird das Adjektiv zur Bezeichnung von Eigenschaften verwendet und es kann im Satz unterschiedliche syntaktische Funktionen innehaben. Als didaktische Methode zur Ermittlung der Funktion des Adjektivs innerhalb einer Nominalphrase eignet sich das im Kapitel zur Orthographie erläuterte „Treppengedicht“. Sehen wir uns folgende drei Beispielsätze an: V Das Mädchen ist intelligent. VI Das intelligente Mädchen. VII Das Mädchen spricht intelligent. Im ersten Beispielsatz wird das Adjektiv in prädikativer Funktion verwendet, es bezieht sich auf das Subjekt des Satzes, indem es ihm eine Eigenschaft zuschreibt. Beispielsatz VI weist eine attributive Verwendung auf, das Adjektiv intelligent ist eine (nicht notwendige) Zusatzinformation zum Kern Mädchen. In Satz VII hingegen wird intelligent in adverbialer Funktion gebraucht, es wird, vereinfacht gesagt, das Verb näher bestimmt. Die drei beschriebenen Funktionen sind für den Schulkontext am relevantesten, da sie sehr häufig vorkommen. <?page no="65"?> 65 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht Um die unterschiedlichen syntaktischen Funktionen des Adjektivs beschreiben und nachvollziehen zu können, können unterschiedliche Operationen durchgeführt werden (vgl. Eisenberg & Menzel 1995, 22): Beispielsweise ist eine Umformung von V zu VI oder auch zu VII möglich, indem das Adjektiv einmal eine Flexionsendung enthält (wobei das finite Verb ist wegfällt) und einmal der Fokus des Adjektivs sich vom Subjekt auf das Verb verlagert. Der/ die Lernende kann somit nachvollziehen, was ein Adjektiv im Satz Unterschiedliches leistet. Eine weitere Möglichkeit stellt die Umformung in Vergleichssätze dar: VIII Das Mädchen ist intelligenter als ihre Mitschüler. IX Das Mädchen ist am intelligentesten von allen in der ganzen Klasse. Die beiden Sätze führen vor, dass Adjektive prinzipiell immer für Beschreibungen von Eigenschaften stehen. Diese Kategorisierung soll insgesamt den Schülerinnen und Schülern helfen, die unterschiedlichen Funktionen dieser Wortart zu verstehen. Die Kernfunktion der Eigenschaftszuschreibung und -beschreibung bleibt dieselbe. Schülerinnen und Schüler sollten durch die Handlungsabläufe auch befähigt werden, ihr Wissen auf andere Wortarten oder auch Kategorisierungsprozesse zu übertragen. Die Grammatik-Werkstatt hat aber auch ihre Grenzen. Oftmals wird moniert, dass vor allem schwächere Schülerinnen und Schüler dadurch überfordert werden, weil ein Sprachverständnis vorausgesetzt wird, das diesen bisweilen noch fehlt. Welche Grammatikkonzeption erachten Sie im Hinblick auf den Schulgebrauch für sinnvoll? Überlegen Sie sich für jede Konzeption eine schulische Anwendungsmöglichkeit. Versuchen Sie, das Modell der Grammatik-Werkstatt auf ein selbstgewähltes Beispiel zu übertragen. 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht Nachdem die Grundlagen der Grammatikvermittlung in den vorhergehenden Punkten ausführlich besprochen wurden, stellt sich die Frage, wie Grammatik im Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitspracheunterricht effektiv vermittelt werden kann. Im Folgenden werden nun zwei praktische Möglichkeiten der Grammatikvermittlung (die grammatische Progression und das Scaffolding) vorgestellt. 4.5.1 Grammatische Progression An den oben vorgestellten Satzbauplänen, in deren Zentrum das Verb steht, soll das Prinzip der grammatischen Progression (gP), die für den Grammatikunterricht aufgrund des atomaren Aufbaus wichtig ist, dargelegt werden. Im Prinzip ist der Kerngedanke der gP ein Vorgehen vom Einfachen zum Komplexen, wobei immer auch die kommunikativen Vorlieben der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden sollten (vgl. Spannhake & Bogacz-Groß 2008, 251). In Bezug auf die Einführung von grammatischen Phänomenen stehen der Lehr- <?page no="66"?> 66 4 Sprache untersuchen und reflektieren person im Unterricht zwei Möglichkeiten zur Verfügung (vgl. Spannhake & Bogacz-Groß 2008, 253): eine linear ausgerichtete Variante und eine zyklisch-konzentrische, mit der der gP am besten Rechnung getragen wird, da ein Aspekt immer wieder aufgegriffen, vertieft und wiederholt wird. Bei der linearen Option wird ein Phänomen in einem Schritt umfassend und feindifferenziert behandelt. Diese Vorgehensweise birgt vor allem, aber nicht nur im Grammatikunterricht für DaZ-Schülerinnen und -Schüler die große Gefahr, diese zu überfordern und den Lernprozess dadurch letztendlich zu hemmen. Nach dem Prinzip der gP sind zunächst die Satzbaupläne in der Grundbedeutung eines Verbs einzuführen: X Wir gehen in die Berge. Gehen als Bewegungs- oder auch Fortbewegungsverb fordert zwei Ergänzungen: Die Ergänzung im Nominativ (Wir) und die Direktionalergänzung, die hier durch die Präpositionalergänzung (in die Berge) repräsentiert ist. In einem zweiten Schritt kann man dann darauf hinweisen, dass gehen aber auch in der Bedeutung von funktionieren verwendet wird: XI Mein Auto geht wieder. In dieser Funktion braucht gehen dann lediglich ein Subjekt (Ergänzung im Nominativ: Mein Auto) und keine weiteren Ergänzungen. Wieder ist in diesem Satzbauplan nicht vorgesehen und somit eine Angabe, eine nicht notwendige Zusatzinformation. Der Schritt vom Einfachen hin zum Komplexen ist erforderlich, um die Schülerinnen und Schüler langsam an die grammatische Feindifferenzierung heranzuführen und sie nicht zu überfordern. Auch kann die Lehrkraft die Tatsache, dass grammatische Phänomene sehr oft an Bereiche gekoppelt sind, nutzen (vgl. Spannhake & Bogacz-Groß 2008, 251). Die Einführung des Akkusativs beispielsweise kann anhand des Bereichs des Einkaufens oder auch am Beispiel des Essens erläutert werden: XII Ich kaufe ein Kilo Bananen, Müsli, zwei Semmeln und drei Äpfel. XIII Beim Italiener esse ich am liebsten Salat Caprese und Pizza Tonno. Zusammenfassend (vgl. hierzu Funk & Koenig 1991, 62; Spannhake & Bogacz-Groß 2008, 253-254) gibt es drei wesentliche Aspekte, die für die gP sprechen: ▶ Das „sprachsystematische Argument“, welches besagt, dass Phänomene nach der Häufigkeit ihres Auftretens behandelt werden sollen. Demnach haben Akkusativ und Dativ Priorität. Sie werden vor dem Genitiv eingeführt, da dieser Fall weniger frequent im Sprachgebrauch ist. ▶ Das „didaktische Argument“, das die bereits angesprochene Vorgehensweise vom Einfachen zum Komplexen fordert. ▶ Ein „pragmatisches Argument“, das auf die Verbindung von elementarem Wortschatz und Grammatik abzielt. <?page no="67"?> 67 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht 4.5.2 Scaffolding Aus der Unterrichtspraxis und generell aus der Zweitspracherwerbsforschung (vgl. hierzu Cummins 2008; Kniffka & Siebert-Ott 2007, 110) ist bekannt, dass Elemente der konzeptionellen Mündlichkeit, die so genannten BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) bisweilen schneller und effektiver erworben werden als bildungs- oder fachsprachliche Elemente der Schriftlichkeit, die so genannten CALP (Cognitive Academic Language Proficiency). Die beiden Fähigkeiten definiert Cummins (2008, 71) folgendermaßen: BICS refers to conversational fluency in a language while CALP refers to students' ability to understand and express, in both oral and written modes, concepts and ideas that are relevant to success in school. Vor allem für den (Fach-)Unterricht sind CALP relevant, da durch sie in erster Linie gewährleistet wird, dass Sachverhalte von den Schülerinnen und Schülern auch verstanden werden (vgl. hierzu auch Kapitel 05). Ohne ausgeprägte schriftsprachliche Fähigkeiten können sowohl Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstals auch solche mit Deutsch als Zweitsprache scheitern, da sie dem Unterrichtsgeschehen eventuell nur eingeschränkt folgen und die für einen Sachverhalt relevanten Informationen schlichtweg nicht entnehmen können. Grundgedanke eines Scaffoldings ist es daher, zunächst die vorhandenen sprachlichen Ressourcen der Schülerinnen und Schüler zu nutzen und erst in einem zweiten Schritt neue sprachliche Mittel (z. B. Fachwortschatz oder komplexere syntaktische Strukturen) zu integrieren (vgl. hierzu Kniffka & Siebert-Ott 2007, 110). Mit dem Terminus Scaffolding, aus dem Englischen am besten mit 'Baugerüst' übertragen, wird eine sprachunterstützende Methode bezeichnet, die vor allem, aber nicht nur im Zweitspracherwerb als „Unterstützungssystem im (sprachsensiblen) Fachunterricht“ eingesetzt werden kann (Kniffka 2010, 1). Diese Methode existiert auch im Erstspracherwerb bzw. in der Erstspracherwerbsforschung als „(sprachliche) Unterstützungshandlung“ bzw. als „vorübergehende Hilfestellung“ (Kniffka 2010, 1). Die Metapher des Baugerüsts ist dabei nahezu wörtlich zu verstehen. Ein Gerüst wird beispielsweise zum Errichten eines Gebäudes benötigt und dafür eben aufgebaut. Sobald es nicht mehr erforderlich ist, weil das Gebäude fertiggestellt ist, wird es wieder abmontiert. Entwickelt wurde das Verfahren des Scaffolding von Gibbons (2002, 10), die es folgendermaßen definiert: Scaffolding, however, is not simply another word for help. It is a special kind of help that assists learners to move toward new skills, concepts, or levels of understanding. Scaffolding is thus the temporary assistance by which a teacher helps a learner know how to do something, so that the learner will later be able to complete a similar task alone. Die Aufgabe jeder Lehrperson im Erst- und Zweitspracherwerb ist es daher, zu ermitteln, ob die einzelnen Schülerinnen und Schüler eine Lücke zwischen BICS und CALP aufweisen und diese gegebenenfalls in einem zweiten Schritt dann auch zu schließen. Kniffka unterscheidet <?page no="68"?> 68 4 Sprache untersuchen und reflektieren diesbezüglich zwischen Makro- und Mikro-Scaffolding (vgl. Kniffka 2010, 2). Zu Makro- Scaffolding gehören (vgl. Kniffka 2010, 2): ▶ Lernstandserfassung: Zunächst ist es eine Notwendigkeit, den aktuellen Sprachstand der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln und zu hinterfragen, ob die geplante Unterrichtseinheit die Kinder in sprachlicher Hinsicht nicht unterbzw. überfordert. Bei der Lernstandserfassung ist es nötig, dass alle in der Klasse tätigen (Fach-)Lehrkräfte kooperieren und sich absprechen, um so eventuelle sprachliche Defizite aller Schülerinnen und Schüler umfassend zu ermitteln. Für die Beurteilung des Fortschritts von einzelnen Schülerinnen und Schülern (während einer Schulstunde oder auch hinsichtlich eines ausgewählten Aspektes) kann generell folgendes Bewertungsraster verwendet werden (vgl. Tab. 4.3): Exemplarischer Kriterienkatalog Name der Schülerin/ des Schülers: War / Ist der / die Schüler/ -in in der Lage … ▶ das Problem / den Sachverhalt zu skizzieren z. B. klare Formulierung ▶ die Lösung / Erkenntnisse vorzutragen: ▷ benutzt die Vergangenheit ▷ verwendet angemessenen Wortschatz ▷ begründet die Vorgehensweise z. B. machte Tempusfehler (mit Beispielen) z. T. eingeschränkter Wortschatz z. B. war nicht der Fall ▶ entsprechende / geeignete Fragen zu stellen z. B. Fragestellung z. T. nicht stringent, stellte W-Fragen ▶ hilfreiche Vorschläge zu unterbreiten z. B. benutzte in erster Linie „vielleicht“ ▶ weitere / zusätzliche Kommentare Raum für Beobachtungen aller Art Tab. 4.3: Bewertungsraster (nach Gibbons 2002, 127) Hinzugezogen werden können hierbei auch die speziell für Bayern entwickelten Beobachtungsbögen SISMIK (Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen) und SELDAK (Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern), die unterschiedliche sprachliche Aspekte wie Sprachentwicklung und Literacy, Sprachliche Kompetenz, Familiensprache und Familie des Kindes, Wortschatz, Satzbau und Grammatik beinhalten (vgl. hierzu Ulich & Mayr 2008a; Ulich & Mayr 2008b). ▶ Bedarfsanalyse: Die geplante Unterrichtseinheit und alle verwendeten didaktischen Mittel sind auf ihre sprachliche Geeignetheit hin zu untersuchen und eventuell den sprachlichen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler anzupassen. ▶ Unterrichtsplanung: Lernstandserfassung und Bedarfsanalyse sind zunächst jeder Unterrichtsplanung vorauszuschalten. Daraufhin ist es die Aufgabe der Lehrerin / des Lehrers sowohl fachliche als auch sprachliche Parameter zu kombinieren. Gibbons (2002, 122) unterbreitet hierzu folgende Optionen, die exemplarisch aufgelistet werden: <?page no="69"?> 69 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht rezeptiv produktiv mündlich ▶ Welche Ansprüche an den mündlichen Sprachgebrauch liegen vor? ▶ Welche Art von Höraufgaben wird verwendet? ▶ Welche Art des Hörens ist involviert? Einseitiges? Wechselseitiges? ▶ Welcher spezifische Wortschatz wird durch das Thema erforderlich gemacht? ▶ Welche Ansprüche an den mündlichen Sprachgebrauch liegen vor? ▶ An welchen Stellen können im Unterrichtsverlauf Möglichkeiten für den mündlichen Sprachgebrauch integriert werden? schriftlich ▶ Wie können die Texte für die Lernenden aufbereitet / zugänglich gemacht werden? ▶ Welche Arten von schriftlichen Texten werden vorkommen bzw. welche Textsorten sollten verwendet werden? ▶ Welche Arten von Konnektoren tauchen in diesen Textsorten auf ? ▶ Welcher spezifische Wortschatz wird durch das Thema erforderlich gemacht? ▶ Welche Grammatikaspekte werden durch das Thema von den Schülerinnen und Schülern gefordert (z. B. Tempus)? Tab. 4.4: Optionen für die Unterrichtsplanung (nach Gibbons 2002, 122) Kniffka (2010, 3) führt ergänzend zu Gibbons (2002) exemplarisch folgende Aspekte aus, die für Makro-Scaffolding außerdem erforderlich sind: Integration des Vorwissens der Schülerinnen und Schüler, Auswahl von didaktisch geeignetem Unterrichtsmaterial, Einsatz verschiedener Darstellungsformen (unter Berücksichtigung des jeweiligen Sprachstandes der Schülerinnen und Schüler), Strukturierung von Lernaufgaben (von der Alltagssprache zur Fachsprache, vom Konkreten zum Abstrakten), Verwenden von Brückentexten (falls Schulbuchtexte das sprachliche Niveau der Lernenden überschreiten sollten), sprachlicher Input von Seiten der Lehrperson und letztendlich Einbindung von metasprachlichen und metakognitiven Phasen. Die Relevanz der „kognitive[n] Aktivierung“ in Kombination mit einem „schülerorientierte[n] Unterrichtsklima“ (Klieme 2008, 4) wurde auch durch die Ergebnisse der DESI -Studie bestätigt. Die Aufgabe des Lehrenden besteht also zusammenfassend und vereinfacht gesagt <?page no="70"?> 70 4 Sprache untersuchen und reflektieren darin, jedes Thema zunächst hinsichtlich sprachlicher Besonderheiten / Auffälligkeiten zu untersuchen (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2007, 111). Während sich das Makro-Scaffolding überwiegend mit der Situierung und den Lernaufgaben befasst, steht im Zentrum des Mikro-Scaffoldings (vgl. Kniffka 2010, 3) letztendlich die konkrete Unterrichtsaktion, für die Gibbons (2002, 124) folgende Tipps unterbreitet: ▶ Brainstorming: Was wissen die Lernenden bereits zu der Thematik? (Sammlung von relevantem Sach- und Fachwortschatz) ▶ Nutzen von unterschiedlichen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung: Fachpersonen schriftlich oder auch mündlich kontaktieren (Einüben von formelhaften Wendungen: Wie begrüße ich jemanden? Wie trage ich mein Anliegen vor? ), Zeitungen oder auch Artikel zur Thematik lesen und Stichpunkte von den Lernenden zusammentragen lassen. ▶ Fachpersonen interviewen (Lernende sollen entsprechende Expertenfragen im Vorfeld formulieren). ▶ Informationen im Klassenkreis vortragen / besprechen (Schulung der mündlichen Sprachkompetenz und zugleich der Hörkompetenz). ▶ Besprechung im kleinen Kreis (Einüben und Vertiefen von Gesprächs- und Argumentationsformeln). Kniffka (2010, 3) nennt als weitere allgemein zu beachtende Prinzipien für die Lehrer-Schüler- Interaktion: ▶ Einplanen von zusätzlicher Zeit für die Lehrer-Schüler-Interaktion, da vor allem DaZ- Schülerinnen und -Schüler eventuell etwas länger brauchen, um Informationen zu entschlüsseln. ▶ Einräumen von mehr Zeit für Antworten vor allem für DaZ-Schülerinnen und Schüler, da diese für die gedankliche Vorbereitung und das Durchdenken von Antworten oftmals einen flexibleren zeitlichen Rahmen benötigen. ▶ Abwechslung in Bezug auf Interaktionsmechanismen: Durchbrechen der starren „Frage- Antwort-Bewertung-Struktur“, indem beispielsweise eine Schülerin / ein Schüler die Rolle des Lehrers / Moderators einnimmt. ▶ Ergänzend ist noch die Bereitstellung von Differenzierungsmaterial sowohl zur qualitativen als auch zur quantitativen Differenzierung anzuführen. Nachfolgend wird die Vorgehensweise beim Scaffolding anhand der Geographieunterrichtseinheit „Der Kompass weist den Weg“ für die 5./ 6. Klassen verdeutlicht (vgl. Kniffka & Neuer 2008, 124). Die Abbildung zeigt anschaulich zwei Grundprinzipien des Scaffoldings: ▶ vom Konkreten zum Abstrakten: Fachliche Ebene; ▶ von der Alltagssprache ( BICS ) zur Fachsprache ( CALP ): Sprachliche Ebene. <?page no="71"?> 71 4.5 Grammatikvermittlung im Unterricht Abb. 4.9: Scaffolding-Modell von Gibbons (nach Kniffka & Neuer 2008, 129) Den beiden Prinzipien wird durch von Gibbons geforderte Aktivitäten Rechnung getragen. Die fachliche Ebene wird einerseits durch zwei Experimente (den Kompass ausprobieren und anwenden) in Partnerarbeit und andererseits durch das Referieren der Erkenntnisse repräsentiert. Die sprachliche Seite beinhaltet ein Voranschreiten von der Alltagssprache hin zur konzeptionellen Fachsprache. Zunächst wird in Partnerarbeit der Kompass besprochen, daraufhin werden im Klassenverband die gesammelten Ergebnisse vorgetragen und in einem letzten Schritt werden die Ergebnisse in Form eines Protokolls verschriftlicht, wobei auf die Integration von fachsprachlicher Lexik und Syntax geachtet werden soll. <?page no="72"?> 72 4 Sprache untersuchen und reflektieren 4.6 Zur Diagnose: Grießhabers Profilanalyse Eines der bekanntesten Konzepte zur Ermittlung des syntaktischen Spracherwerbsstands eines Kindes, das sowohl für den Erstals auch für den Zweitspracherwerb angewendet werden kann, ist Grießhaber Profilanalyse. Diese zielt auf die Ermittlung der „grammatischen Komplexität“ (2013, 1) von Äußerungen im mündlichen, aber auch im schriftlichen Kontext ab, indem sie anhand der Stellung und Anordnung der in den Äußerungen enthaltenen verbalen Teile die Erwerbstufe eines Kindes ableitet. Die Profilanalyse basiert auf der Annahme, dass „die grundlegenden Wortstellungsmuster- […] in bestimmten Reihenfolgen erworben [werden]“ (Grießhaber 2013, 1). Anhand der Profilanalyse wird „die syntaktische Struktur von Äußerungen“ ermittelt, wobei „die Verteilung der Strukturen- […] das Profil [bildet]“, wovon sich dann die entsprechende „Erwerbsstufe“ ableiten lässt (Grießhaber 2013, 1). Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise (Grießhaber 2013, 1): 1. Mündliche oder auch schriftliche Äußerungen werden in „minimale satzwertige Einheiten“ aufgegliedert. 2. Ermittlung der jeweiligen „syntaktischen Struktur“ (zum Beispiel mit Hilfe des Feldermodells, vgl. Kapitel 03), woraus sich das „syntaktische Profil“ ergibt. 3. Aus dem ermittelten Profil wird die Profilstufe abgeleitet. Anhand der in Tab. 4.5 dargestellten Wortstellungsmuster werden, fußend auf der Stellung der verbalen Teile im Satz, zunächst fünf (0-4) Profilstufen abgeleitet: VoF li. Kl. MiF r. Kl. 4 Verbendstellung …, dass sie ins Theater geht. 3 Inversion Danach geht Maria nach Hause. Wen will Maria treffen? Kommst du morgen? Komm! 2 Separation Maria kommt um 8 Uhr an. Maria ist ins Theater gegangen. Er hat Angst, die Tür aufzumachen. 1 Finitum Maria geht ins Kino. 0 Bruchstücke Danke! Tab. 4.5: Wortstellungmuster, auf denen die Profilstufen basieren (nach Grießhaber 2013, 2) <?page no="73"?> 73 4.6 Zur Diagnose: Grießhabers Profilanalyse Grießhaber setzt zunächst basal bruchstückhafte Elemente an (Profilstufe 0), wie sie im mündlichen Kontext durchaus vorkommen können (vgl. Grießhaber 2013, 3). Als Beispiel nennt er Danke! als Platzhalter für beliebige Einwortäußerungen, die generell typisch sind für Spracherwerbsprozesse sowohl im Erstals auch im Zweitspracherwerb. Profilstufe 1 (Finitum) ist erreicht, wenn einfache Sätze mit einem finiten Verb, das im Satz die zweite Position einnimmt, gebildet werden. Vor dem finiten Verb, das in folgendem Satz das Vollverb ist, steht das Subjekt: Maria geht ins Kino. Stufe 2 (Separation) ist erlangt, wenn ein Satz mit finiten und infiniten Verben (Maria ist [finites Verb] ins Theater gegangen [infinites Verb].) bzw. mit trennbaren Verben (Maria kommt um 8 Uhr an) konstruiert wird. Profilstufe 3 (Inversion) ist dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Inversion das Subjekt die Position nach dem finiten Verb einnimmt (Danach geht Maria nach Hause), was beispielsweise bei Erzählungen der Fall sein kann (vgl. Grießhaber 2013, 2). Stufe 4 (Verbendstellung) fokussiert die Verbletztstellung des finiten Verbs in Nebensätzen (…, dass sie ins Theater geht), wodurch „komplexe und differenzierte Aussagen“ realisiert werden können (Grießhaber 2013, 3). Aus dem von Grießhaber (2009a) entwickelten Sprachprofilbogen für die Sekundarstufe sind zusätzlich die Stufen 5 (Insertion eines Nebensatzes) und 6 (Erweitertes Partizipialattribut in einer Nominalkonstruktion) ersichtlich (für den Sprachprofilbogen Grundschule vgl. Grießhaber 2009b). Für die Erstellung eines aussagekräftigen Profils ist zu beachten, dass möglichst viele und umfangreiche Äußerungen existieren sollten. Für die Ermittlung des Sprachstands mithilfe schriftlicher Äußerungen sind laut Grießhaber (2013, 4) vor allem „erzählende Texte“ hilfreich, deren Initiation „mit visuellen Impulsen“ (z. B. Bildergeschichten, Comics) möglich ist. Etwaige Rechtschreibfehler sind, sofern die intendierten Wörter noch erkennbar sind, irrelevant (vgl. Grießhaber 2013, 5). Zu berücksichtigen ist allerdings das „Prinzip der Mindestvorkommen“ (Grießhaber 2013, 6), sprich, falls ein syntaktisches Muster mindestens dreimal vorhanden ist, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Sprachstand erreicht ist, wobei „der Erwerb einer höheren Stufe auch den Erwerb der niedrigeren Stufen [umfasst]“ (Grießhaber 2013, 6). Grießhaber weist zudem explizit darauf hin, dass die Erwerbsstufe einer Schülerin / eines Schülers mit dem entsprechenden Wortschatz verknüpft ist (vgl. Grießhaber 2013, 1). Ab Erwerbsstufe 4 kann ein differenzierter Wortschatz angenommen werden. In der 2. Stufe beispielsweise ist der Wortschatz zwar bereits in ausreichender Form vorhanden, jedoch noch lückenhaft und es liegen zudem Unsicherheiten in Bezug auf das Genus vor (vgl. Grießhaber 2013, 9). Mit den Profilstufen wird also nicht nur die syntaktische Komplexität gemessen, sondern auch der bereits erworbene Wortschatz. Führen Sie bei den folgenden beiden Schülertexten eine Sprachprofilanalyse durch. Achten Sie darauf, ob die Erwerbsstufe jeweils problemlos zu ermitteln ist. Weibliche Schülerin, vierte Klasse Grundschule, Erstsprache Deutsch. Der Text befasst sich mit dem Thema „Wir beschreiben Gefühle: Wut“, schriftlicher Text: <?page no="74"?> 74 4 Sprache untersuchen und reflektieren Ich war wütend über den Streit meiner Freundin! Auf meine Freundin. Das meine Freundin einen Streit angefangen hat. Sie haben es gemerkt, weil ich jede Sekunde in die Luft gegangen were. Ich habe mich richtig miß gefühlt. Meine Freundin hat mich angeschrien und ich habe sie angeschrien. Wir hatten den Streit vergessen und uns vertragen, Als wir zusammen gespielt haben. Wir haben uns wieder vertragen. Gut weil der Streit vorbei war. Weibliche Schülerin, achte Klasse Mittelschule, Erstsprache Albanisch (in Deutschland geboren). Der Text wurde im Rahmen eines Schreibauftrags zum Thema „Hobby“ erstellt: Seit einigen Wochen wurde es Texte zu schreiben als mein Hobby. Ich fing damit an in den Sommerferien an weil ich da niemanden zum reden hatte. Meine Lieblingsbeschäftigung ist es mit Musik zu schreiben, besonders am Abend weil es da ruhig und sich da konzentrieren kann. Es ist eigentlich eine sehr witzige Geschichte wie ich darauf gekommen bin. Ich lass immer Songtexte und übersetzte sie auf Deutsch. Nach paar Tage fing ich an es nachzumachen meine Freundin sagte es sei supper ich soll es im Internet rein tun, es ist so eine Internetseite da wo alle Jugendlichen registriert sind (spin.de). Ich schrieb den Text und tat es in mein Profiel alle fragten mich ob ich den Text gefaked hatte,-[…]. 4.7 Stolpersteine der deutschen Grammatik Die beiden Texte von Schülerinnen zeigen, dass der Erwerb der deutschen Sprache durchaus Schwierigkeiten bereiten kann. Auch Mark Twains Schilderungen über „die schreckliche deutsche Sprache“ führen etwas überzeichnet eine Hürde vor Augen, die der Erwerb des Deutschen als Erst- und vor allem als Zweitsprache darstellt, die Satz- oder auch Verbklammer des Deutschen und die Möglichkeit der komplexen Besetzung des Mittelfeldes eines Satzes. Die Deutschen haben noch eine andere Art Parenthese, die sie bilden, indem sie ein Verb in zwei Teile zerhacken und dessen eine Hälfte ans Ende eines spannenden Kapitels setzen. Kann irgendjemand sich irgendetwas Verwirrenderes denken als das? -[…] Je weiter die beiden Teile eines solchen Verbs voneinander entfernt sind, desto zufriedener ist der Urheber dieses Verbrechens mit seiner Leistung. Ein besonders beliebtes Verb ist reiste ab-[…]: 'Als die Koffer endlich gepackt waren, reiste er, nachdem er seine Mutter und seine Schwestern geküsst und noch einmal sein angebetetes Gretchen an seinen Busen gedrückt hatte, die, gekleidet in einfachen, weißen Musselin und mit einer einzelnen Tuberose in den ausladenden Wogen ihres üppigen braunen Haars, kraftlos die Treppe heruntergewankt war, immer noch bleich vom Schrecken und der Aufregung des vergangenen Abends, doch voller Sehnsucht, ihren armen, schmerzenden Kopf noch ein letztes Mal an die Brust dessen zu lehnen, den sie inniger liebte als das Leben selbst, ab.' (Twain 2010, 23-25, Unterstreichung durch die Verfasserin) Nachfolgend werden exemplarisch zwei mögliche Stolpersteine aus den Kernbereichen der Grammatik des Deutschen vorgestellt. 1 23 45 6 1 23 45 67 8 <?page no="75"?> 75 4.7 Stolpersteine der deutschen Grammatik 4.7.1 Satzbau (Syntax) Bleiben wir zunächst bei den trennbaren Verben, die von Twain in seiner Schilderung bereits genannt wurden. Weitere Beispiele sind ankommen, teilnehmen, hochrechnen und herauskommen. Den Schülerinnen und Schülern muss bewusst gemacht werden, dass es Verben gibt, deren trennbarer Bestandteil entweder eine Präposition (an-), ein Substantiv (teil-), ein Adjektiv (hoch-) oder auch ein Adverb (heraus-) sein kann, und dass diese im Satz getrennt voneinander stehen (können): XIV Meine Freundin kommt heute gegen Nachmittag mit dem Zug an. Voraussichtlich gegen 14 Uhr wird sie dann bei mir ankommen. XV Sehr gerne nehme ich an der Veranstaltung teil. Diese trennbaren Verben haben zugleich die Aufgabe, die Satzbzw. Verbklammer zu bilden (vgl. Kapitel 03). Die Satzbzw. Verbklammer, eine Besonderheit der deutschen Sprache, sollte ebenfalls fester und regelmäßiger Bestandteil des Sprachunterrichts sowohl im Erstals auch im Zweitspracherwerb sein. Sie kann durch alle möglichen Arten von Prädikaten gebildet werden (trennbare Verben, Kombination von Modal- und Vollverb und generell durch finite und infinite Verben): XVI Er will [Modalverb] in die Schule gehen [Vollverb]. XVII Mona hat [finites Verb] in den Ferien ihre Oma in Rom besucht [infinites Verb]. Besonderes Augenmerk sollte im Grammatikunterricht prinzipiell auf die Stellung des (finiten) Verbs im Haupt- und Nebensatz gelegt werden, da aufgrund der Position des finiten Verbs auch die Klassifizierung von Haupt- und Nebensatz erfolgt. Es gibt unterschiedliche Stellungsvarianten, die immer wieder geübt werden sollten (vgl. hierzu Rösch 2011, 81-82): Zunächst die Verbzweitstellung im Aussagesatz (Hauptsatz): XVIII Er geht in die Schule. Thematisiert werden sollte dabei auch die Umkehrung der normalen Satzstellung, die so genannte Inversion, bei der ein anderes Satzglied als das Subjekt vor dem Verb steht und das Subjekt erst nach dem Verb folgt: XIX In die Schule geht er. Auch der Verbendstellung im Nebensatz ist Beachtung zu schenken, da sie, wie bereits erläutert wurde, ein Hinweis dafür ist, wie weit der Lernende im Spracherwerb schon fortgeschritten ist. XX Markus freut sich, weil er heute Nachmittag ins Kino geht. [Verbendstellung-= Nebensatz]. Granzow-Emden (2013, 80-81) hält für die Unterrichtspraxis daher Folgendes fest: Das Verb als Zentrum des Satzes, das Wertigkeiten festlegt und Satzglieder fordert, ist für den gesamten Grammatikunterricht so wesentlich, dass es immer wieder geübt und aufgegriffen werden sollte. Als methodische Möglichkeit vor allem (aber natürlich nicht nur) für den Zweit- <?page no="76"?> 76 4 Sprache untersuchen und reflektieren sprachunterricht bieten sich Wortkarten als verschiebbare Einheiten an, aus denen immer wieder umfassende Satzglieder und Sätze gebildet werden. Hilfreich ist es dabei, sich bei den Wortarten (oder auch bei Satzgliedern) auf bestimmte Farben zu einigen, damit die Schülerinnen und Schüler einen Wiedererkennungseffekt haben. Sie erkennen somit (im Sinne der Grammatik-Werkstatt), dass das Verb die zentrale Funktion im Satz einnimmt und sozusagen der Dreh- und Angelpunkt im Satz ist. Bei den trennbaren Verben (einladen) empfiehlt es sich, Wortkarten zu erstellen, die von den Kindern selbst abgeschnitten werden. Dadurch wird die Erkenntnis gefördert, dass es Verben gibt, deren erster Bestandteil abtrennbar ist. Am besten eignet sich hierfür die bereits erwähnte Erstellung eines Feldermodells (vgl. hierzu Tab. 4.2), mit dem regelmäßig Sätze gelegt und Stellungsmöglichkeiten erprobt werden. Die Übung mit dem Feldermodell bietet zugleich die Möglichkeit, die Bedeutungsunterschiede der einzelnen Beispiele erarbeiten zu lassen und darüber zu diskutieren. Zum Beispiel, was ist der Unterschied zwischen: Die Lehrerin will uns zum Eis essen einladen und Die Lehrerin hätte uns zum Eis essen einladen wollen? 4.7.2 Wortbildung und Wortbedeutung Wie bereits erläutert, kommt den Wortstämmen bzw. der Kenntnis von Wortstämmen für die Rechtschreibung große Bedeutung zu, allerdings nicht nur dafür. Vor allem für die Mechanismen von Wortbildungsprozessen sind sie unentbehrlich (vgl. hierzu Rösch 2011, 80). Ein Charakteristikum des Deutschen sind Komposita, sprich Wortbildungen aus mindestens zwei Bestandteilen, die ihrerseits wiederum unterschiedlichen Wortarten angehören können. Einige Beispiele: ▶ Bratpfanne: Brat- [Verbstamm zu braten, der gebunden ist, also nicht in freier Form vorkommen kann] + Pfanne [Substantiv], ▶ Großonkel: Groß [Adjektiv] + Onkel [Substantiv], ▶ Sommerkleid: Sommer [Substantiv] + Kleid [Substantiv], ▶ Ausland: Aus [Präposition] + Land [Substantiv]. Alle angeführten Komposita sind sogenannte Determinativkomposita (vgl. hierzu Fleischer & Barz 2012, 72, 84-85, 139), deren Kennzeichen es ist, dass sie aus einem Grund- und einem Bestimmungswort bestehen, wobei das Bestimmungswort (die erste Konstituente) das Grundwort (die zweite Konstituente) determiniert, welches die Wortart bestimmt. Durch Paraphrasierung (Umschreibung) kann die Gesamtbedeutung eines Kompositums ermittelt werden. Zum Beispiel: Die Bratpfanne ist eine 'Pfanne zum Braten'. Die Gesamtbedeutung des Kompositums ergibt sich aus den einzelnen Bestandteilen. Die Wortbedeutung ist also durchschaubar (vollmotiviert) und es liegt ein endozentrisches Bedeutungsverhältnis vor (vgl. hierzu Fleischer & Barz 2012, 44). Die Paraphrasierung ist vor allem für den Zweit-, aber auch für den Erstspracherwerb von enormer Bedeutung, da dadurch für den Lernenden die Wortbildung durchschaubar wird. Daher ist es wichtig, das Paraphrasieren von Komposita immer wieder zu üben. <?page no="77"?> 77 4.7 Stolpersteine der deutschen Grammatik Endozentrisches Bedeutungsverhältnis: Die Gesamtbedeutung eines Kompositums kann aus den jeweiligen Bestandteilen abgeleitet werden (vgl. hierzu auch Fleischer & Barz 2012, 150). Aber: Ist der Großonkel 'ein Onkel, der groß ist'? Ist das Paprikaschnitzel 'aus Paprika'? Bei diesen beiden Beispielen haben die ersten Konstituenten jeweils eine übertragene Funktion, die Wortbedeutung ist lediglich teilweise durchschaubar (teilmotiviert bzw. teildemotiviert). Der Großonkel ist 'der Onkel zweiten Grades' und ein Paprikaschnitzel besteht nicht aus Paprika, sondern 'Paprika befindet sich in der Schnitzelsoße' (vgl. hierzu auch Fleischer & Barz 2012, 45). Ein exozentrisches Bedeutungsverhältnis hingegen liegt zum Beispiel bei Untertasse vor, da die Bedeutung des präpositionalen Rektionskompositums sich nicht aus den beiden Konstituenten ableiten lässt (vgl. Kessel & Reimann 2012, 105). Exozentrisches Bedeutungsverhältnis: Die Bedeutung eines Kompositums kann nicht aus den einzelnen Bestandteilen abgeleitet werden. Die Bedeutung wird nicht durch das Erst- oder auch Zweitelement „semantisch repräsentier[t]“ (Fleischer & Barz 2012, 150). Vor allem teilmotivierte Komposita und solche mit exozentrischem Bedeutungsverhältnis müssen im Grammatikunterricht des Erst- und Zweitsprachunterrichts besonders behandelt und geübt werden, da diese oftmals Probleme bereiten und ihre Bedeutung sich nicht oder nur ansatzweise aus den jeweiligen Bestandteilen ableiten lässt. Nicht nur Komposita sind für den Erst- und Zweitspracherwerb relevant, sondern generell auch Ableitungen mit Vor- (Präfix) und Nachsilbe (Suffix). Kalkavan-Aydin (2015, 34) führt dazu aus: „Vor allem Präfix- und Partikelverben sollten auch nach Schuleintritt bei der Erweiterung des Wortschatzes besondere Berücksichtigung finden. Sie stellen nicht nur, aber vor allem für Kinder mit DaZ eine besondere Herausforderung auch im Schulalter dar.“ Schülerinnen und Schüler müssen lernen, dass Präfixe die Bedeutung eines Wortes modifizieren (laufen → verlaufen → entlaufen → zerlaufen oder reißen → zerreißen → entreißen) und Suffixe normalerweise zu einer Wortartänderung führen, wobei die einzelnen Suffixe unterschiedliche Funktionen innehaben, was man durch Umschreibung herausfinden kann: ▶ Sommer +--lich → sommerlich: es ist wie im Sommer Winter +--lich → winterlich: es ist wie im Winter ▶ mach- [gebundener Verbstamm zu machen] +--bar → machbar: man kann etwas machen, es besteht die Möglichkeit dazu les- [gebundener Verbstamm zu lesen] +--bar → lesbar: man kann etwas lesen, es besteht die Möglichkeit dazu ▶ mal- [gebundener Verbstamm zu malen] +--er → Person, die als Maler arbeitet und malt lehr- [gebundener Verbstamm zu lehren] +--er → Person, die als Lehrer tätig ist und lehrt Überlegen Sie, welche weiteren Bereiche der deutschen Grammatik beim Erst- und Zweitspracherwerb besonderer Berücksichtigung bedürfen. Finden Sie die folgen- <?page no="78"?> 78 4 Sprache untersuchen und reflektieren den Aufgaben aus dem Auer Sprachbuch für die 4. Klasse (S. 52) sinnvoll? Haben Sie Verbesserungsvorschläge? Abb. 4.10: Aufgaben aus dem Auer Sprachbuch für die 4. Klasse (2005, 52) <?page no="79"?> 79 4.8 Exemplarische Unterrichtskonzepte 4.8 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe Feldermodell 1.-4. ▶ Kracht, Annette (2016). „Das Geld hier reinkommt.“ Luisa und die Verbendstellung. Grundschule Deutsch, 51, 15-17. 3.-6. ▶ Schönenberg, Stephanie (2011). Problemfall Verbklammer? Der Klammermann als Basismodell der Satzlehre. Praxis Deutsch, 226, 12-19. 9.-10. ▶ Furhop, Nanna & Schreiber, Niklas (2015). Hauptgleis- - Nebengleis- - Weiche. Praxis Deutsch, 254, 48-53. Flexion - ▶ Pellengahr, Carsten & Dudenredaktion (Hrsg.). (2016). Duden- - Grammatiktabellen Deutsch. Regelmäßige, unregelmäßige Verben, Substantive, Adjektive, Artikel und Pronomen. Berlin: Dudenverlag. Grammatisches Lernen - ▶ Menzel, Wolfgang (1995). Grammatik-- Praxis und Hintergründe. Praxis Deutsch, Sonderheft. - ▶ Feilke, Helmuth & Tophinke, Doris (2016). Grammatisches Lernen. Praxis Deutsch, 256. 1.-4. ▶ Pissarek, Markus & Wild, Johannes (2018). Grammatik erforschen. Funktionalen Grammatikunterricht gestalten. Praxis Grundschule, 5. Modus 3.-4. ▶ Laser, Björn (2016). Wenn ich Flügel hätte… Mit dem Konjunktiv zu neuen Möglichkeiten. Grundschule Deutsch, 51, 34-37. Tempus 4.-6. ▶ Uhl, Benjamin (2011). Sein oder haben? -- Das ist hier die Frage. Unterrichtsanregungen zur Perfektbildung. Praxis Deutsch, 226, 20-24. Wortbildung 3.-6. ▶ Spiegel, Ute (2009). Wörter erkunden. Anregungen zur Wortschatzarbeit im frühen Deutschunterricht. Praxis Deutsch, 218, 14-19. 5.-7. ▶ Mückel, Wenke (2011). Da werden Sie geholfen! - - Eine Sprachspiel-Werkstatt. Gezielte Regelverletzungen in Werbetexten und Lyrik untersuchen. Deutschunterricht, 2, 12-17. 5.-7. ▶ Seidler, Burkhard (2007). Salzkanone, Zuckerpeitsche oder Pfefferpistole? Wie man mit einem Quiz die Wortbildungsproduktivität der Schüler anregen kann. Praxis Deutsch, 201, 37-41. 7.-10. ▶ Noack, Christina (2016). Wortverwandtschaften erkennen. Morphologisches Bewusstsein für weitere Wortverwandtschaften entwickeln. Deutschunterricht, 1, 24-29. <?page no="81"?> 81 4.8 Exemplarische Unterrichtskonzepte 5 Bildungssprache erkennen und fördern Sarah Pieles Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ wo die Ursprünge unserer Bildungssprache zu suchen sind. ▶ was Bildungssprache in der Schule bedeutet. ▶ warum Wortschatzarbeit notwendig ist. ▶ was die Besonderheiten eines Bildungswortschatzes sind. ▶ wie sich Bildungswortschatz in den Unterricht sinnvoll integrieren lässt. Die Ergebnisse von PISA 2000 lösten einen Schock in Deutschland aus und stießen eine Diskussion um die Effektivität unseres Bildungssystems an. Denn die Ergebnisse zeigten, dass Schülerinnen und Schüler in Deutschland längst nicht so gut abschnitten wie erwartet. Und die getesteten Leistungen unterscheiden sich stark innerhalb der Schülerschaft. In Mathematik, aber auch beim Lesen. Die Ergebnisse ähnlicher Studien späteren Datums (z. B. IGLU , DESI ) bestätigten die Befunde (auch in anderen Bereichen wie Schreiben und Hörverstehen): Der soziale und sozioökonomische Hintergrund der Schülerinnen und Schüler wirkt sich stark auf ihre Leistungen aus. Berichte zu den Schulleistungsstudien benannten Kinder mit Migrationshintergrund als besonders große Gruppe unter den Benachteiligten. Als Folge des „ PISA -Schocks“ wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, was genau es ist, das die schulischen Probleme versursacht. ‚Bildungssprache‘ wurde dabei nicht nur zu einem bildungspolitischen, pädagogischen und didaktischen Schlagwort, sie ist auch in der Bevölkerung zum Gesprächsstoff geworden, wie dieses Beispiel zeigt: Abb. 5.1: Forumsbeitrag aus gutefrage.net (13. 01. 2017) <?page no="82"?> 82 5 Bildungssprache erkennen und fördern 5.1 Woher kommt unsere Bildungssprache? Um Bildungssprache verstehen zu können, muss man (sprach-)historisch weit zurückgehen. Im Wortsinn ist Bildungssprache die Sprache der Bildung, sie ist das, was man im Kontext von Bildung schreibt, spricht, liest und / oder hört. Bildungssprache ist aber auch das, was durch Bildung erst entsteht. Über viele Jahrhunderte war dies Latein, das in weiten Teilen Europas die Sprache war, welche durch Bildung gelehrt und gelernt wurde, aber auch die, in welcher Bildung überhaupt stattfand. Verschiedene Faktoren führten dazu, dass vor allem im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Schulbildung und auch sprachliche Bildung einer Elite vorbehalten waren (vgl. Löffler 2010, 102 u. 107). Im historischen Entwicklungsstrang ist das Phänomen der Bildungssprache keinesfalls immer positiv konnotiert. Etwa ab dem 18. Jahrhundert werden als Charakteristika für die Büchersprache oder einen Bildungsjargon häufig vorkommende Abstrakta, hochtrabende Wörter, formelhafte Wendungen, Fremdwörter u. a. m. benannt und in literarischen Werken spotthaft verarbeitet. Denn wo das vereinzelte Vorkommen von Fremdwörtern als Fachbegriffe einen Text bereichern kann oder bestimmte Sachverhalte einfacher zu beschreiben vermag, wirkt deren übermäßiger Gebrauch künstlich, geziert, kann ins Lächerliche abgleiten oder bewirkt schlimmstenfalls das Gegenteil-- Unverständlichkeit (vgl. Ortner 2009, 2229). Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde von Jürgen Habermas eine weitere ‚Spielart‘ der Bildungssprache beschrieben. Aus soziologischer und sozialphilosophischer Sicht benennt er Bildungssprache als ‚Sprache für die allgemeine Öffentlichkeit‘. Sie setze sich aus Umgangssprachlichem und Fachsprachlichem zusammen und könne so Wissensinhalte für die breite Bevölkerung zugänglich machen (vgl. Habermas 1981, 345 f). Dass Bildungssprache allerdings in der Realität keine immer leicht verständliche Sprache für alle Menschen ist, die in der Öffentlichkeit auch von allen gleichermaßen verwendet wird, zeigt der Vergleich mit Ansätzen aus den Anfängen der englischsprachigen Soziolinguistik. Bei aller Kritik, die an der Defizit-Hypothese Basil Bernsteins geübt wurde und wird, ist Bildungssprache das, was Bernstein als „elaborierten Code“ beschrieb: eine ganz besondere Sprachverwendung wie die der gehobenen sozialen Schichten (bei Bernstein nach den sozialen Verhältnissen in England Mitte des 20. Jahrhunderts). Elaborierter Code bzw. Bildungssprache wird einer besser gestellten gesellschaftlichen Gruppe zugeschrieben, die ein höheres Bildungsniveau aufweist. Den Gegensatz dazu bildet der restringierte Code bzw. eine einfachere Alltagssprache (vgl. Löffler 2010, 156 f). Die Parallele zur Sprachgeschichte bildet die Gegenüberstellung von Latein als Bildungssprache, das nur einer kleineren Gruppe von Gebildeten vorbehalten war, und dem Deutschen als (einfacher) Volkssprache. Ein daraus resultierender symbolischer Wert von Bildungssprache blieb bis heute erhalten (vgl. Morek & Heller 2012, 68 sowie 79; Ortner 2009, 2228 f). <?page no="83"?> 83 5.1 Woher kommt unsere Bildungssprache? Bildungssprache (I) bezeichnet „Sprachformen, die überwiegend von Bevölkerungsgruppen mit hohem Bildungsniveau verwendet werden“ (Ammon 2016, 104). Häufig finden sich Elemente wie Fremdwörter und Stilmittel der Literatur, die auf ein bestimmtes Bildungsniveau verweisen, in Bildungssprache wieder. An die Verwendung von Bildungssprache können soziale Vor- und Nachteile geknüpft sein (vgl. Ammon 2016, 104; Ortner 2009, 2228). Bildungssprache, als die Sprache in der gelehrt und gelernt wird, ist inzwischen hierzulande Deutsch- - die Nationalsprache, die in frühneuhochdeutscher Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zur Standardsprache wurde; entwickelt und etabliert wurde sie in ihrer schriftlichen Form, sodass wir von einer Standardschriftsprache sprechen können (vgl. Schmidt 2000, 126). Die Standardsprache hat sich über die Zeit zwar immer wieder verändert (und auch heute kann man von keiner gänzlich einheitlichen Standardsprache sprechen), in ihrer Konzeption kann sie jedoch als relativ konstant aufgefasst werden (vgl. Schmidt 2000, 164 f). Und so ist es heute die Standardsprache, die Ziel des Deutschunterrichtes ist (besonders die Tradition des „Hochsprachlichen“ hat sich in der Didaktik seit den 1950er Jahren festgesetzt; hier war die Hochsprache ‚Bildungssprache‘, weil sie einen besonderen Bildungswert besitze (vgl. Bekes & Neuland 2006, 507)). Das standardsprachliche Ziel liegt sowohl dem muttersprachlichen Unterricht als auch dem Unterricht für das Deutsche als Zweitsprache zu Grunde. Im Zweitsprachenunterricht kommt der Standardsprache meist sogar noch eine größere Bedeutung zu (vgl. Granzow-Emden 2013, 8 f; Kniffka & Siebert-Ott 2012, 101). Der Terminus ‚Bildungssprache‘ wäre jedoch überflüssig, wenn es bei Bildungssprache lediglich um die Beherrschung (standard)sprachlicher Normen des Deutschen, des Vokabulars, der grammatischen Regeln u. a. m. ginge. Was sind also die Besonderheiten der Sprache der Bildung? Einen für die aktuelle Schulbildung und Diskussion um Bildungssprache zentralen Ausgangspunkt stellen die Arbeiten von Jim Cummins aus den 1970er Jahren dar. Sie bilden neben dem historischen den zweiten Entwicklungsstrang zur Bildungssprache-- die jüngeren Erkenntnisse der englischsprachigen Forschung zum Zusammenwirken von Sprache und Schulerfolg. Die Defizit-Hypothese Bernsteins wurde von der Differenz-Hypothese Labovs abgelöst. In Deutschland gab es im Kontext schulischen Erfolgs und der Integration von Gastarbeitern im 20. Jahrhundert Arbeiten zu sogenannten „Sprachbarrieren“. Vor diesem Hintergrund sind auch die Arbeiten Cummins' und aktuelle Überlegungen zum Phänomen Bildungssprache zu sehen. Jim Cummins erläutert in seinen ursprünglichen Arbeiten zwei theoretische Konzepte zu Sprachfähigkeiten. Auf der einen Seite sind dies grundlegende sprachliche Fähigkeiten eines jeden Menschen, die über den ungesteuerten Spracherwerb aufgebaut werden. Diese sprachlichen Fähigkeiten bezeichnet er als „Basic Interpersonal Communication Skills“ ( BICS ). Sie gewährleisten eine umfangreiche, adäquate alltägliche Kommunikation. Daneben erläutert Cummins die „Cognitive Academic Language Proficiecy“ ( CALP ), welche gezielt erlernt und aufgebaut werden muss. CALP ist unabdingbar für den Schulerfolg. Für die Unterscheidung von BICS und CALP werden die Einflussfaktoren ‚Spracheinbettung in Kontext (Situation)‘ und ‚kognitiver Anspruch der Kommunikationshandlung‘ relevant. In seinen Untersuchun- <?page no="84"?> 84 5 Bildungssprache erkennen und fördern gen an amerikanischen Schulen konnte er feststellen, dass Schülerinnen und Schüler, die das Englische nicht als Muttersprache gelernt haben, in entsprechenden Sprach- und Schulleistungstest schlechter abschnitten, als solche, deren Muttersprache Englisch war. Er zieht für seine theoretischen Ansätze die Interdependenz- und Schwellenhypothese des Fremdsprachenlernens heran. Somit ist in seinem Ergebnis CALP notwendig, um die schulischen (und akademischen) Aufgaben bewältigen zu können. CALP ist jedoch bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund meist schwächer ausgeprägt oder wird später erlernt (vgl. Cummins 1979, 198 f; Cummins 2008, 72-75). Auf der sprachlichen Ebene heißt das konkret: Mündliche Alltagskommunikation als BICS wird schnell erlernt und i. d. R. problemlos beherrscht. Schwierigkeiten bereiten spezifisch schriftsprachliche Anforderungen in Wortschatz und Syntax der academic language. CALP weist mit einem hohen Formalisierunsgrad und als dekontextualisierter Sprachgebrauch wesentliche Parallelen zu Spezifika der Standardschriftsprache bzw. Hochsprache auf. Basic Interpersonal Communication Skills, eine grundlegende Sprachkompetenz zur allgemeinen zwischenmenschlichen Kommunikation. BICS sind vergleichbar mit Alltagssprache. Diese sprachlichen Kompetenzen können ungesteuert erlernt werden und dienen der Alltagskommunikation. Cognitive Academic Language Proficiency, eine kognitiv anspruchsvollere, akademische Sprachkompetenz. CALP weist Ähnlichkeiten zu Schriftsprache / Hochsprache auf. CALP muss gezielt und gesteuert gelernt werden. CALP ist relevant für anspruchsvollere Kommunikationshandlungen, die häufig ohne direkten Kontext stehen (typisch auch für konzeptionelle Schriftlichkeit). Lange Zeit waren Arbeiten wie die von Jim Cummins in Deutschland nicht von großem Interesse. Dies änderte sich mit den Ergebnissen der Schulleistungsstudien ( PISA , DESI und Co.) um die Jahrtausendwende. Inzwischen macht sich die deutschsprachige Forschung die englischsprachige zunutze. Ausgehend von „academic language proficiency“ und „language of schooling“ (Schleppegrell 2008) wird hierzulande auf den Terminus „Bildungssprache“ zurückgegriffen. Ingrid Gogolin (2006) hat im Rahmen der Interkulturellen Bildungsforschung die englische Bezeichnung „academic language“ mit ‚Bildungssprache der Schule‘ übersetzt. Nach ihren Erkenntnissen wäre für das Deutsche eine „akademische Sprache“ nicht treffend. „Die deutsche Analogiebildung Bildungssprache trägt unter anderem dem Umstand Rechnung, dass ‚academic‘ im Englischen eine umfassendere Bedeutung hat als das deutsche Adjektiv ‚akademisch‘“ (Gogolin & Lange 2011, 110). Zudem existiert im akademischen Bereich die Wissenschaftssprache als besonderes Register, die für den Schulunterricht weniger Gültigkeit und Anwendbarkeit besitzt. Fassen wir zusammen: Neben der Beschreibung von Bildungssprache (I), die sich vorwiegend aus dem historischen Entwicklungsstrang ergibt, wurden auf Grundlage der englischen Forschung (als ein zum Teil soziolinguistischer, zum Teil erziehungswissenschaftlicher Entwicklungsstrang) verschiedene Definitionen erarbeitet, die Bildungssprache mit Fokus auf den Schulunterricht zu beschreiben versuchen. <?page no="85"?> 85 5.2 Die Sprache der Bildung und der ‚Gebildeten‘ Seit Mitte der 2000er Jahre werden die Arbeiten zu Bildungssprache in Deutschland insgesamt immer zahlreicher. Im Mittelpunkt steht der Förderaspekt für Schülerinnen und Schüler, die durch ein Nichtbeherrschen von Bildungssprache geringeren Schulerfolg erleben. In einzelnen Untersuchungen werden Elemente aus der bisherigen Forschung übernommen und getestet. Ergebnisse und Konzepte liegen für den Grundschulbereich und vereinzelt für die Sekundarstufe in den Naturwissenschaften vor. Bildungssprache ( II ) ist als Teil der sprachlichen Kompetenz eine formelle Sprachgebrauchsform, die „auch dann, wenn sie im Mündlichen vorkommt, an den Regeln des Schriftsprachgebrauchs orientiert ist“ (Gogolin & Lange 2011, 111). Um in der Schule erfolgreich zu sein, muss Bildungssprache beherrscht werden. Bildungssprache ergibt sich i. d. R. nur über einen gesteuerten Erwerb. Dabei werden gleichermaßen der schulische Anspruch und die Qualität der Bildungssprache im Laufe der Bildungsbiographie intensiver, wenn „komplexe und abstrakte Inhalte unabhängig von der konkreten Interaktionssituation ausgedrückt werden“ sollen (Fürstenau & Lange 2013, 193; vgl. Gogolin 2009, 268 f). Beide Definitionen (I und II ) sind in Kombination gültig, der historische und der soziolinguistische Entwicklungsstrang bestehen nebeneinander. Doch gerade bei dieser zweiten Beschreibung zu Bildungssprache handelt es sich um keine endgültige oder gar allgemeingültige Definition, da empirische Ergebnisse weitgehend fehlen. Für Bildungssprache gibt es letztlich nur eine Definition ex negativo: Jeder weiß, was es nicht ist-- dass es sich bei Bildungssprache nicht um Register wie Alltagssprache oder eine spezielle Fachsprache handelt. Was es ist, kann jedoch nicht endgültig benannt werden. Auch wenn Bildungssprache also immer wichtiger zu werden scheint und der Terminus schon fester Bestandteil von Pädagogik und Didaktik ist, sollte man als Lehrkraft vorsichtig mit dem Ausdruck umgehen. 5.2 Die Sprache der Bildung und der ‚Gebildeten‘ Wir müssen festhalten, dass nicht nur eine allgemein anwendbare Definition mit beweisbaren Merkmalen von Bildungssprache fehlt; es gibt auch einige konkurrierende Termini wie z. B. Schulsprache, Gebildeten-/ Gelehrtensprache und verschiedene englische Bezeichnungen (academic language, language of schooling u. a.), bei denen noch umstritten ist, inwieweit sie synonym verwendet werden können oder andere Konzepte der Sprachverwendung gemeint sind. Daneben ist noch zu klären, inwieweit Bildungssprache als Register innerhalb der Sozio- und Varietätenlinguistik definierbar ist. Ihre Merkmale sind jedoch weitestgehend Konsens. Diese umfassen sprachliche Phänomene, die im Vergleich zur Alltagssprache häufiger auftreten. Die Zuordnung einzelner Merkmale zu den Kategorien in der folgenden Übersicht ist jedoch nicht immer einheitlich. Merkmale wie Präpositionalkonstruktionen (Präposition + Nominalphrase, Pronominalphrase oder Adverbphrase mit entsprechendem Kasus, z. B. wegen des Wetters, für alle Studierenden, seit seiner Schulzeit) oder Phraseologismen (feste Verbindungen aus zwei oder mehr Wörtern, u. a. Redewendungen, wiederkehrende Ver- <?page no="86"?> 86 5 Bildungssprache erkennen und fördern bindungen, Wendungen mit übertragener Bedeutung) ließen sich auch bei den syntaktischen Merkmalen unterordnen (vgl. Tab. 5.1): Diskursive Merkmale ▶ monologisch ▶ konzeptionell schriftlich ▶ kontextunabhängig ▶ Sprecherrollen/ -wechsel klar geregelt ▶ fachgruppenspezifische Textsorten ▶ stilistische Konventionen (Sachlichkeit, Gliederung, …) Lexikalisch-semantische Merkmale ▶ differenzierende, abstrahierende Ausdrücke ▶ Präfixverben (v. a. untrennbare Präfixe und Reflexivpronomen) ▶ nominale Zusammensetzungen ▶ Substantivierungen ▶ normierte Fachbegriffe ▶ Fremdwörter ▶ Präpositionalkonstruktionen ▶ Phraseologismen Syntaktische Merkmale ▶ explizite Kohäsionsmarkierung ▶ Satzgefüge (z. B. erweiterter Infinitiv, Konjunktional-, Relativ-, Nebensätze höherer Ordnung) ▶ unpersönliche Konstruktionen mit Passiv, man, … ▶ Funktionsverbgefüge ▶ Konjunktivverwendung ▶ Satzkonnektoren ▶ umfängliche Attribute ▶ komplexe Adjektivphrasen Merkmale des Textdesigns ▶ Layout und Textstrukturierung ▶ Abbildungen, Diagramme, Tabellen etc. Tab. 5.1: Merkmale von Bildungssprache (Zusammenfassung nach Hövelbrinks 2014, 53; Reich 2008, zit. n. Salem 2010, 10; Wiater 2015, 325) Markieren und beschreiben Sie, was in dem folgenden Text Ihrer Meinung nach bildungssprachlich ist. Formulieren Sie anschließend die bildungssprachlichen Passagen in alltagssprachliche um. Wie verändert sich der Text? Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke weltweit. Der Ursprung des Wortes lässt sich bis ins Arabische zurückverfolgen. Früher hat man die Kaffeebohnen zunächst in einer großen 1 2 <?page no="87"?> 87 5.2 Die Sprache der Bildung und der ‚Gebildeten‘ Eisenpfanne geröstet, dann wurden diese grob gemahlen oder im Mörser zerstoßen. Heute werden die Bohnen in großen industriellen Anlagen unter atmosphärischem Druck geröstet, wobei unterschiedliche chemische und physikalische Prozesse ablaufen. Das Kaffeepulver braucht dann zuhause nur noch aufgebrüht und serviert zu werden. In den Anfängen war Kaffee sehr teuer und so konnten nur gutverdienende Bürger und Aristokraten das aromatische Luxusgetränk zu sich nehmen. Auch später konnte man sich in wirtschaftlichen Krisen das Getränk nicht leisten und musste auf Ersatzprodukte wie Malzkaffee ausweichen. Ältere Studien belegen, dass übermäßiger Kaffeegenuss schädlich für die Gesundheit sein kann. Dagegen zeigen aktuelle Untersuchungen, dass Kaffee sogar gesundheitsfördernd ist. Einerseits fördert Kaffee das Konzentrationsvermögen, andererseits kann aber zu viel Kaffee auch zu Konzentrationsstörungen und Hyperaktivität führen. Außerdem kann das Getränk abhängig machen, wobei Symptome des Entzugs Kopfschmerzen oder Müdigkeit sein können. Daher lautet die Devise: Genießen in Maßen. (bearb. n. Selzer 2015) Betrachtet man die Merkmale von Bildungssprache genauer, fallen zwei Dinge auf: Zum einen gibt es große Überschneidungen mit Merkmalen der Standardschriftsprachlichkeit. Zum anderen tauchen diese Merkmale auch in Auflistungen zu Fachsprachen bzw. zur Wissenschaftssprache auf. Bildungssprache ist in der Gesamtheit nichts Einzigartiges, sondern Teil des großen Varietätengefüges des Deutschen mit Verbindungen in alle Richtungen. Die wichtigsten Verbindungen lassen sich auch grafisch darstellen: Abb. 5.2: Verbindungen und Umfeld von Bildungssprache (bearb. n. Feilke 2012b, 6) Besonderheiten und in gewisser Weise eine Einzigartigkeit hat Bildungssprache dennoch. Zuerst ist dies die intensive Verbindung zu und Orientierung an der Standardschriftsprach- 3 45 67 8 9 10 11 12 13 14 15 <?page no="88"?> 88 5 Bildungssprache erkennen und fördern lichkeit. Weitergehend und gerade darauf aufbauend tragen zahlreiche bildungssprachliche Elemente eine Sozialsemantik. Die weitreichende Sozialsymbolik, die auf eine ‚Gelehrtensprache / Gebildetensprache‘ zurückgeht, hat sich bis heute erhalten (vgl. Ortner 2009, 2228 f; Morek & Heller 2012, 76-79). Wenn also auch alle genannten Merkmale von Bildungssprache regelhaft und unmarkiert im Deutschen vorkommen, kann doch mit der gezielten und kombinierten Verwendung dieser Merkmale unser Sprachgebrauch bildungssprachlich werden. Und ein bildungssprachlicher Sprachgebrauch vermag es nicht nur, die Leistungen von Schülerinnen und Schülern zu befördern, er kann auch in der alltäglichen Kommunikation Aufschluss über unseren sozialen Status geben und / oder diesen beeinflussen. Möglich wird das unter anderem durch sprachliche Ideologien, die wir in Deutschland besonders häufig finden: An erster Stelle steht hier die Standardsprachenideologie (auch „Standardismus“ genannt). Damit zusammenhängend auch der „Hannoverismus“ sowie der sprachliche „Konservatismus“ (vgl. Maitz & Elspaß 2012, 174 f; Maitz 2015, 208 f). Mit diesen Einstellungen zu Sprache wird die Meinung vertreten, dass ein standardnaher Sprachgebrauch besonders ‚gut‘ oder ‚besser‘, erfolgsversprechender in Kommunikation und sozialem Umgang sei und auch von höherer Bildung zeuge. Bildungssprache übersteigt diese Einstellung noch um eine Stufe, wenn allein vom Sprachgebrauch her versucht wird, auf das Bildungsniveau und die soziale Situierung zu schließen (vgl. elaborierter Code). Und diese Einstellung wird häufig bereits in der Schule aufgebaut oder verstärkt, wenn bestimmte Äußerungsformen erwartet werden. Wird eine bestimmte Sprachform verwendet, kann durch sie eine bestimmte Wirkung erzielt werden. Mit bildungssprachlichen Wörtern und Wendungen ist es möglich ‚gebildet‘ zu wirken. Die Verwendung von Bildungssprache kann dabei bewusst und unbewusst erfolgen. Letztlich stellt Bildungssprache eine sprachliche Teilidentität dar. Sie wird nicht ausschließlich gesprochen oder geschrieben, sondern besteht neben Alltagssprache, Umgangssprache, Jugendsprache, Fachsprache und anderen mehr (vgl. Kapitel 10). Wie in anderen Bereichen des Lebens finden wir in der Schule eine besondere Sprachverwendung. Genauso bestehen in der Schule bzw. im Unterricht oft eigene Erwartungshaltungen und Notwendigkeiten, um erfolgreich zu sein. Für Schülerinnen und Schüler ist das durchaus problematisch, unabhängig davon, ob sie Deutsch als Erst- oder Zweitsprache gelernt haben. Nicht eindeutig transparent gemachte Erwartungen und besondere Normen bei Bildungssprache können selbst bei den Schülerinnen und Schülern einen Lern- und Leistungserfolg verhindern, die leistungsstark und lernbereit sind. Denn es ist eben nicht nur unklar, was Bildungssprache tatsächlich ist. Bildungssprache mit ihren sprachlichen und außersprachlichen Komponenten wird als selbstverständlich vorausgesetzt, aber nicht gezielt gelehrt oder gelernt (vgl. Feilke 2012b, 4 u. 7; Gogolin & Lange 2011, 111). 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? Wir wissen nun, dass Sprache in der Schule nicht mit Sprache im alltäglichen Leben gleichzusetzen ist. Die Besonderheiten des schulischen Sprachgebrauchs werden auch als „institutionale Sprachpraxis“ bezeichnet, die idealisierte und speziell für die Schule geltende Erwartungen mit sich bringt: Dies sind die Prinzipien der Elaboriertheit, Explizitheit, De- <?page no="89"?> 89 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? kontextualisiertheit und Komplexität, wozu auch der Umgang mit sogenannten „Operatoren“, handlungsorientierten Verben gehört (u. a. argumentieren, begründen, erklären, vergleichen; vgl. Feilke 2012a, 157 f; Feilke 2012b, 5 f). Diese Feststellung bedeutet aber auch, dass in der Schule anscheinend eine Sprache gebraucht wird, die den Schülerinnen und Schülern zunächst (wenn also die Sozialsymbolik von Bildungssprache für den Schulalltag ausgeklammert wird) auch nur für die Schule etwas bringt-- die „Schulsprache“. Schulsprache ist ein Teil von Bildungssprache. Sie wird sowohl speziell in der Schule benötigt und verwendet als auch von der Schule ‚gemacht‘. Denn „die Schule hat schon lange ihr eigenes ABC “ (Feilke 2013, 113). Schulsprache ist in gewisser Weise eine künstliche Sprache, die für das schulische und fachliche Lernen vordefiniert wurde. Sie steht in der historischen Tradition des schulischen Lernens und setzt Normen und Standards der Sprachverwendung fest, damit ein erfolgreicher Standardschriftspracherwerb stattfindet (vgl. Feilke 2012b, 163-166; Feilke 2013, 113-121). Zum Erreichen der schulischen Erwartungen kann die Verwendung von bildungssprachlichen Merkmalen beitragen. Bildungssprachliche Merkmale sind in einem Übergangsbereich auch schulsprachliche Merkmale. Einen großen Anteil an diesen schulbzw. bildungssprachlichen Merkmalen hat wiederum der Bildungswortschatz. Mit Bildungswortschatz ist der lexikalisch-semantische Anteil von Bildungssprache gemeint (s. o.), durch den mit vielen Fach- und Fremdwörtern, Komposita und Substantivierungen eine Explizitheit, Elaboriertheit und Komplexität erreicht werden kann. Neben diesen bereits in der Merkmalsaufstellung genannten Elementen gibt es im Deutschen bestimmte Wörter, die in einem Wörterbuch oder Lexikon als „bildungssprachlich“ gekennzeichnet sind. Zu solchen bildungssprachlichen Wörtern gehören auch explizit und artikulieren, die Emmasche (aus dem einleitenden Beispiel) gerne lernen möchte. ‚Bildungssprachlich‘ ist in der Lexikographie eine stilistische Markierung, wie man es auch von ‚umgangssprachlich‘, ‚salopp‘, ‚gehoben‘ etc. kennt. Es gibt jedoch keine Suchfunktion im DUDEN online oder in anderen Wörterbüchern, die es uns erlaubte, alle bildungssprachlichen Wörter anzeigen zu lassen. Wenn man doch genauer danach sucht, kann man feststellen, dass unter solchen bildungssprachlichen Wörtern besonders viele Fremdwörter zu finden sind; zudem sind einige Wörter sowohl als ‚bildungssprachlich‘ als auch als ‚fachsprachlich‘ markiert. In fast allen Fällen sind bildungssprachliche Wörter Synonyme, die verwendet werden (können), um einen anderen sprachlichen Stil zu erreichen-- einen bildungssprachlichen. Bildungswortschatz setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Zum Bildungswortschatz gehören Fachwörter, die fachspezifisch, aber auch in alltäglicher Kommunikation verwendet werden können, Fremdwörter, vor allem solche, die einer Äußerung einen besonderen Stil geben sollen, phraseologische Wendungen, komplexere Wortbildungen und auch spezielle Satzkonnektoren. Die einzelnen Teile des Bildungswortschatzes kommen vor allem in schrift(sprach)lichen Texten häufiger vor (vgl. Augst 2016, 1 ff; Kurtz 2012a, 244 f). <?page no="90"?> 90 5 Bildungssprache erkennen und fördern Für Schul- und Bildungssprache gilt, dass der Wortschatz einen großen Anteil am angemessenen Sprachgebrauch im Bildungsumfeld hat und entsprechende Probleme mit sich bringen kann. Insgesamt spielt der Wortschatz eine wichtige Rolle beim Spracherwerb. Einige Stimmen bei der Untersuchung von Wortschatz und Wortschatzarbeit sagen, dass einerseits Fach- und Bildungswörter ein Problem für viele Schülerinnen und Schüler darstellen, dass diese andererseits aber auch Alltagswörter zum Teil nicht ausreichend beherrschen und so häufig an einer hohen lexikalischen Dichte in bildungssprachlichen Texten scheitern (vgl. Feilke 2012b, 10 ff; Kurtz 2012b, 72). 5.3.1 Vokabeln für die Muttersprache - Wortschatzarbeit als Grundlage jeden Sprachunterrichts Wenn wir eine Fremdsprache lernen, wissen wir von Anfang an, dass Vokabellernen auf uns zukommt. Aber wie sieht das in der Zweitsprache oder in der Muttersprache aus? Findet denn nach der Grundschule überhaupt noch Wortschatzarbeit im regulären Deutschunterricht statt? Die Unterrichtspraxis liefert fast immer ein „Nein“ als Antwort. Und Gründe gibt es dafür einige: Eine gängige Meinung ist, dass neuer Wortschatz zunächst im Elternhaus und auch ganz beiläufig beim Lesen, Hören etc. passiv erworben wird. Um gezielte Wortschatzarbeit nicht in den Unterricht einzubinden, wird auch argumentiert, dass es zu viele Lexeme gebe, anders als bei den Vokalbellisten des Fremdsprachenunterrichts. Außerdem seien die einzelnen Lexeme zu komplex mit ihren unterschiedlichen Bedeutungen- - wo soll man da anfangen und wo aufhören? Und letztlich nimmt Wortschatzarbeit dann natürlich auch zu viel Zeit in Anspruch bei zu wenig Unterrichtsvorschlägen/ -materialien (vgl. Huneke & Steinig 2013, 180 f; Ulrich 2011, 39 f). Es gibt aber mindestens ebenso viele Gründe, die für eine gezielte, konsequente Wortschatzarbeit auch im muttersprachlichen (Deutsch-)Unterricht sprechen: Durch Wortschatzarbeit werden nicht allein neue Wörter gelernt. Mit ihnen lernen Schülerinnen und Schüler auch neue Sachverhalte, Welt- und Bedeutungswissen. Sie erweitern ihren sprachlichen und kognitiven Horizont. Sie erlangen die Fähigkeit, sich an gesellschaftlicher Kommunikation vielfältig zu beteiligen, Textproduktion und -rezeption erfolgreich zu gestalten. Und wenn Wortschatzarbeit nicht als ‚Wörter lernen‘ vonstattengeht, lernen unsere Schülerinnen und Schüler Wortschatzstrategien (lexikalisch-semantische Strategien), die ihnen über den Unterricht hinaus dabei helfen, neue Wörter zu lernen, zu verstehen, zu entschlüsseln, zuzuordnen und zu verwenden (vgl. Kilian 2011, 139 f; vgl. auch Selimi 2010, 12 ff u. 43-47). Was bedeutet aber das Fehlen von Wortschatzarbeit im Deutschunterricht? Häufig gerät bei der Forderung nach Wortschatzarbeit eine spezielle Gruppe in den Blick: Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache, die am muttersprachlichen Regelunterricht teilnehmen und die aufgrund ihres sprachlichen Hintergrundes noch Schwierigkeiten mit dem deutschen Wortschatz haben. <?page no="91"?> 91 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? Es ist-[…] jedoch davon auszugehen, dass sich viele ihrer Wortschatzprobleme mit denen decken, die auch muttersprachlich deutsche Schülerinnen und Schüler z. B. aus bildungsferneren, ‚spracharmen‘ Elternhäusern mitbringen (Merten & Kuhs 2012, 8). Damit in heterogenen Klassen niemand benachteiligt wird, sollte es das Ziel des Unterrichts sein, allen Schülerinnen und Schülern unabhängig vom sprachlichen Hintergrund die nötigen Wortschatzkompetenzen an die Hand zu geben, damit sie sprachlich in allen Bereichen erfolgreich sein können (vgl. Merten & Kuhs 2012, 8 u. 23; Steinig & Huneke 2013, 183 f). Bildungswortschatz kann dabei nur in den seltensten Fällen beiläufig gelernt werden-- ganz gleich ob von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Mutter- oder als Zweitsprache. Die Vermittlung [von Bildungssprache] ist- […] genuine Aufgabe der Schule oder der Berufsausbildung, und auch Teil des Erstspracherwerbs der monolingual deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler. Während diese aber eine Differenzierung ihrer entwickelten Erstsprache erfahren, haben Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund die doppelte Aufgabe, ihre zweitsprachlichen Basiskompetenzen zu entwickeln und sich bildungssprachliche Kompetenzen anzueignen. Hierin sind sie nicht selten überfordert und sie scheitern in der fachlichen und beruflichen Ausbildung (Ahrenholz 2010, 24). 5.3.2 Umgang mit unseren „Wortschätzen“ Wie es sich mit Bestimmungen und Pauschalisierungen meistens verhält, gibt es auch nicht den einen Wortschatz einer Sprache, den Wortschatzarbeit abdecken sollte. Selbst ein Gesamtwortschatz, wie er beispielsweise im DUDEN Universalwörterbuch steht, ist nicht vollständig. Und erst recht würde niemand behaupten, dass es das Ziel sein kann, diesen Gesamtwortschatz zu beherrschen. Stattdessen werden verschiedene „Wortschätze“ unterschieden, zum Beispiel Grundwortschatz und Ausbauwortschatz. Auch gibt es einen produktiven und rezeptiven Wortschatz, es gibt Lernerwortschatz, Gebrauchswortschatz, Spezialwortschatz, Fachwortschatz usw. Und es gibt den Bildungswortschatz. Bildungswortschatz entsteht dabei langsam über viel Erfahrung im Umgang mit Bildungssprache und gezielter Übung. Es können grundsätzlich zwei Wege unterschieden werden, wie man vom alltagssprachlichen Wortschatz zum spezialisierten Bildungswortschatz gelangt: Abb. 5.3: lineare Einteilung und Erweiterung des Wortschatzes Bei dieser und vergleichbaren Einteilungen besteht die Annahme, dass sich Wortschatz sukzessive und linear aufbauen und erweitern lässt. Ausgangspunkt ist die Alltagssprache, die sich bei gezielter Übung und Förderung über Schulsprache und Fachsprache letztlich zu Bildungssprache entwickeln kann. Bei der zweiten Möglichkeit geht man davon aus, dass sich alle gelernten und beherrschten Wortschatzbereiche bzw. Wortschätze gegenseitig <?page no="92"?> 92 5 Bildungssprache erkennen und fördern beeinflussen, wenn Verknüpfungen weiter ausgebaut werden und neu entstehen. Der Alltagswortschatz im Sinne eines Grundwortschatzes bildet auch hier den Ausgangspunkt. Entwicklungen finden allerdings in verschiedene Richtungen statt und können wieder Auswirkungen auf den Ausgangspunkt haben. Mittelfristig beeinflusst also auch ein gelernter Fachwortschatz oder Bildungswortschatz den jeweils anderen sowie unsere Alltagssprache. Abb. 5.4: wechselseitige Beeinflussung Ein wichtiges Ziel des Deutschunterrichts ist es, die Entwicklung der Wortschätze gezielt zu unterstützen. Für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache und fortgeschrittene Deutsch-als-Zweitsprache-Lernerinnen und Lerner geht es nicht mehr um den Aufbau eines Grundwortschatzes, sondern vielmehr um die Ausdifferenzierung der bestehenden Wortschätze. Unterschieden werden bei dieser Aufgabe die ‚Wortschatzerweiterung‘ (quantitativ; ein Mehr an Wörtern im produktiven und rezeptiven Wortschatz) und die ‚Wortschatzvertiefung‘ (qualitativ; ein Mehr an Bedeutungen, Wortbildungskompetenzen, Analysekompetenz u. Ä.) (vgl. Huneke & Steinig 2013, 184; Kilian 2011, 133). Konkrete Ziele beim Umgang mit den Wortschätzen im weiterführenden Deutschunterricht (Sekundarstufe) sind dann (vgl. Ulrich 2011, 41-43): ▶ Erarbeitung eines umfangreichen produktiven und rezeptiven Wortschatzes; ▶ Erarbeitung von Lexembedeutungen (Haupt- und Nebenbedeutungen) mit semantischen Merkmalen; ▶ Überblick über semantische Beziehungsnetze; ▶ Erwerb analytischer und produktiver Wortbildungskompetenzen; ▶ Prozesswissen zu Bedeutungserweiterungen, Metaphern, Metonymien; ▶ situationsangemessene Wortfindung und -verwendung (lexical access); ▶ Beherrschung von Sprechakten und Handlungssequenzen bei spezifischen Lexemen; ▶ Beachtung von Gebrauchsbedingungen und Konnotationen von Lexemen; ▶ Strategien bei semantischen Unklarheiten kennen und nutzen. Für diese Ziele sind nicht alle Methoden der Wortschatzarbeit gleich gut geeignet. Wir müssen uns von dem Gedanken an Vokabeltraining mit Wörterlisten verabschieden. Stattdessen braucht es systematische, kombiniert implizite und explizite Wortschatzarbeit mit einer Methodenvielfalt in mindestens fünf Schritten (vgl. Abb. 5.5): Nach einer anfänglichen Begegnung mit neuen Wörtern (1), deren mentaler Erfassung und einem Abgleich mit be- <?page no="93"?> 93 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? stehenden Inhalten im mentalen Lexikon (2), müssen auch die Bedeutungen der Wörter verstanden werden (3). Erst danach können Verbindungen einzelner Wörter zu anderen Lexemen, zu Wortgruppen, Verwendungsweisen etc. aufgebaut und gespeichert werden (4). Die letztliche Festigung ergibt sich meist erst durch den Gebrauch des Gelernten (5). Da der Lernprozess jedoch nicht systematisch gleichbleibend verläuft und durch neuen ‚Input‘ ständig neu angestoßen wird, ist die aktive Unterstützung durch den Unterricht umso wichtiger. Abb. 5.5: Wesentliche Schritte beim ‚Wörter lernen‘ (eigene Abbildung; vgl. auch Merten & Kuhs 2012, 18 f; Ulrich 2011, 43) In mehrsprachigen Kontexten kann im Unterricht eine Verstärkung des Lerneffektes durch das Aufbauen einer Verbindung zu einer (oder mehrerer) Fremdsprachen bzw. zur Muttersprache der zweisprachigen Schülerinnen und Schüler erfolgen (vgl. Plus-Symbol in der Abbildung). Diese zusätzliche Möglichkeit muss jedoch im Einzelfall schlüssig sein und <?page no="94"?> 94 5 Bildungssprache erkennen und fördern sollte nicht erzwungen werden, da sie sonst auch zu einer Überforderung führen könnte. Für zweisprachige Schülerinnen und Schüler hat sie den Vorteil, dass das mentale Lexikon stärker aktiviert wird. Denn [d]ieses Lexikon sieht-[…] nicht aus wie ein normales Wörterbuch oder Glossar, in dem sich zielsprachliche und muttersprachliche Begriffe gegenüberstehen. Vielmehr muss man es sich als multidimensionales und dynamisches Netz mit zahlreichen semantischen und phonetischen Knoten und Verbindungen vorstellen. Das heißt, wenn ein Element aktiviert wird, schwingen eine ganz [sic! ] Reihe weiterer semantischer Merkmale und lautlicher Beziehungen mit (Roche 2004, 19). 5.3.3 Bildungswortschatz bilden Reguläre Verfahren der Wortschatzarbeit mit Sachfeldern, Wortfeldern, Wortfamilien zum Ausbau des mentalen Lexikons helfen nicht in jedem Fall und nicht bei allen Wortschätzen. Verfahren z. B. mit Begriffsnetzen, Assoziationsnetzen, Kollokationen können für bildungssprachliche Wortschatzarbeit effektiver sein (vgl. Huneke & Steinig 2013, 185; Steinig & Huneke 2015, 187). Denn die Arbeit mit bildungssprachlichem Wortschatz ist häufig eine ausgeprägte Wortschatzvertiefung. Betrachten wir ein paar Beispiele, wie Bildungswortschatzarbeit aussehen kann: Als Teil der häufiger im Unterricht zu findenden Wortschatzerweiterung eignet sich die Arbeit mit Synonymen für den Ausbau des eigenen, grundlegenden Wortschatzes und auch des Bildungswortschatzes. Bei bildungssprachlichen Texten zeigt sich eine starke Tendenz, Fremdwörter als Synonyme zu verwenden. Solche Fremdwörter selbst zu verwenden und sie zu erkennen, lässt sich im Unterricht gezielt üben. Diese Arbeit ist immer auch eine Arbeit an der Textkompetenz und eine Arbeit am Stil, wodurch es naheliegt, direkt am / mit dem Text zu arbeiten. Mit mehreren Arbeitsaufträgen kann im Unterricht z. B. ein kurzer Pressetext analysiert werden. Erwin Schulz ist gestorben. Jetzt ist es offiziell. Der populäre Schauspieler Erwin Schulz ist vor einer Woche im Alter von 69 Jahren gestorben. […] Er hat häufig den galanten Frauenverführer oder den korrupten Geschäftsmann in banalen Stücken gespielt. Zwei sehr maskuline Rollen. Ein häufiger Ausspruch des Frauenverführers war „Nun werd mal nicht sentimental! “-[…] Wenn er den Geschäftsmann spielte, musste er meist sagen: „Seien Sie sensibel mit den Geschäftspartnern! “ Als er jedoch in die Jahre kam, war er ein wenig konfus, wenn nicht sogar schon senil. Er sagte plötzlich zu weinenden Frauen „Nun werd mal nicht sensibel.“ Und was noch schlimmer war, zu den Angestellten: „Seien Sie sentimental mit den Geschäftspartnern.“-[…] (aus: Ulrich 2007, 185) Ulrich (2007, 185) schlägt mit einem Arbeitsblattbeispiel folgende Aufgaben vor: Wörter wie kurios, populär, sentimental, maskulin und ökonomisch sollen im ersten Schritt im Text erkannt werden („unterstreiche“). Für den zweiten Schritt sind in ungeordneter Folge die <?page no="95"?> 95 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? deutschen Entsprechungen angegeben, also beispielsweise männlich…beliebt…seltsam usw., die den Fremdwörtern zuzuordnen sind. Die dritte Aufgabe lautet dann „Überprüfe, wie der Text sich verändert, wenn du die deutschen Wörter für die Fremdwörter einsetzt. Entspricht die Bedeutung des Fremdwortes genau der Bedeutung des deutschen Wortes? Handelt es sich um dieselbe Stilebene? “ Dieses Format lässt sich altersgerecht vereinfachen oder erweitern. Mit der Aufgabe zum Kaffee-Text konnten Sie einen Teil des Vorgehens exemplarisch in diesem Kapitel bereits ausprobieren. Im Beispieltext bei Winfried Ulrich wird zusätzlich die Problematik der Verwechslung von Fremdwörtern aufgegriffen, was sich abschließend in einer Aufgabe umsetzen lässt, die dann gleichzeitig die Arbeit mit dem Wörterbuch in den Unterricht integriert. Gerade aus stilistischer Sicht (Synonyme als stilistisch bedingte Ausdrucksvarianten) ist die Auseinandersetzung mit Synonymen entscheidend für rezeptive und produktive Wortschatzkompetenz. Diese stilistische Arbeit kann bereits mittels Strukturbäumen (Mind- Map-Arbeit) und Wortfeldern in der Grundschule ansetzen, durch Wörterbucharbeit ergänzt werden und sich in pragmatischer und textlinguistischer Arbeit mit dem Ziel des Erreichens eines ausgefeilten Fach- und Bildungswortschatzes bis zum Abitur fortsetzen. Nur bei kontinuierlicher Einbindung von Wortschatzsequenzen in den Unterricht kann auch der bildungssprachliche Ausdruck ein Maßstab bei der Bewertung sein. Und wenn wir als Lehrkräfte schon im Deutschunterricht die Grundlagen hierfür legen, leisten wir auch einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Fachsprachenkompetenz. Eine Kooperation des Fach- und Sprachunterrichtes kann zusätzlich Schülerinnen und Schülern helfen, in allen Fächern sprachlich kompetenter zu werden. Mit alters- und situationsangemessenen Texten und Aufgaben zu Synonymbildung und Fremdwörtern können Schülerinnen und Schüler lernen, Fachbegriffe und Fremdwörter adäquat zu verwenden. Sie müssen jedoch auch den umgekehrten Weg beherrschen. Ziel des Unterrichts muss es also zudem sein, die Fähigkeit zu erwerben, Fachbegriffe wieder in die Alltagssprache zu übertragen, soweit dies für das Verständnis von Texten und für eine gelungene Kommunikation notwendig erscheint (vgl. Selimi 2010, 88 f; Steinig & Huneke 2015, 186 f). Neben der Arbeit mit Synonymen und Fremdwörtern stellen die Phraseologische Arbeit, die Arbeit mit Redewendungen und mit Formulierungshilfen ein weiteres Feld unterrichtlicher Inhalte dar. Schülerinnen und Schüler deutscher Erstsprache mit solidem Wortschatz verwenden täglich Redewendungen, ohne sie als solche bewusst wahrzunehmen.-[…] Hingegen kann bei vielen Lernenden nicht deutscher Erstsprache nicht davon ausgegangen werden, dass sie die deutschen Redewendungen verstehen (Selimi 2010, 138). In der Schule tauchen Redewendungen immer wieder in Schulbüchern auf, gehören allerdings eher zu den Randerscheinungen. Zum Beispiel setzt sich die Grundschule mit alltäglichen Wendungen aus Flora und Fauna auseinander. Wer kennt nicht die Lückentexte, in die aus einer Reihe von Tierabbildungen die passende eingesetzt werden muss? Eine solche Aufgabe kann jedoch nur sinnvoll sein, wenn die erforderlichen Wendungen bekannt sind oder vorab gelernt wurden. <?page no="96"?> 96 5 Bildungssprache erkennen und fördern Abb. 5.6: Aufgabenbeispiel zu Redewendungen (aus Ulrich 2007, 76) Unterrichtsvorschläge zu Redewendungen und Metaphern beinhalten neben Lückentexten häufig die Verknüpfung von Ausdruck und Bedeutung („ordne zu“) oder kreative Aufgaben (z. B. Sprichwörter zeichnen) (vgl. Selimi 2010, 138-146; Wildfeuer 2010). Spannend sind Redewendungen auch im mehrsprachigen Kontext: Wie unterscheiden sich zum Beispiel alltägliche Wendungen in den verschiedenen Sprachen? Ich verstehe nur Bahnhof ▶ At-tabl fi Harasta wa-l-´irs fi Duma (Arabisch) Übers.: Die Trommel ist in (der Stadt) Harasta, aber die Hochzeit in Duma ▶ Wo zai ting tianshu (Chinesisch) Übers.: Ich höre ein Buch aus dem Himmel ▶ It’s double Dutch to me (Englisch) Übers.: Das kommt mir vor wie doppelt Holländisch ▶ Den katalawäno gri (Griechisch) Übers.: Ich verstehe nicht einmal ‚grunz’ ▶ No ho capito un fico secco (Italienisch) Übers.: Ich habe keine getrocknete Feige verstanden ▶ Ja smotrju kak baran na novyevorota (Russisch) Übers.: Ich schaue wie ein Schaf auf ein neues Tor ▶ Me suena a chino (Spanisch) Übers.: Das klingt wie Chinesisch für mich ▶ Tomu já houby rozumím (Tschechisch) Übers.: Da verstehe ich Pilze ▶ Anladıysam Arap olayım (Türkisch) Übers.: Wenn ich was verstanden habe, dann sei ich ein Araber Abb. 5.7: Redewendungen in verschiedenen Sprachen (aus Roche 2013, 283 f) Im Laufe der Schulzeit lässt die Beschäftigung mit bildhafter Sprache im Unterricht jedoch nach-- ganz im Gegenteil zu deren Auftreten in der uns umgebenden Sprachrealität. Schüle- <?page no="97"?> 97 5.3 „Non vitae, sed scholae discimus“ - also doch? rinnen und Schüler wissen dann im besten Fall, dass man jemandem einen Bären aufbinden und das Blaue vom Himmel versprechen kann (was aber eben noch nicht zu bildungssprachlichen Wendungen gehört). Doch was bedeutet es, wie Kastor und Pollux zu sein? Wann und warum sagt man à la bonne heure oder in medias res? Der Umgang mit derlei ‚fortgeschrittenen‘ Wendungen sollte genauso fester Bestandteil einer pragmatisch orientierten Wortschatzarbeit sein. Auch der Unterschied, der zwischen den verschiedenen Arten solcher Wendungen besteht, sollte thematisiert und der je angemessene Gebrauch geübt werden. Wenn die verschiedenen Wendungen Teil des Unterrichts werden, kann auch problemlos die Arbeit mit Wörterbüchern verschiedenster Art Einzug in den Unterricht halten. Unsere Schülerinnen und Schüler lernen so gleichzeitig, dass es nicht nur zweisprachige Wörterbücher zur Übersetzung in eine(r) Fremdsprache gibt oder den Rechtschreibduden. Alle Schülerinnen und Schüler sollten auch an einen Umgang mit Nachschlagewerken zu Sprichwörtern, Fremdwörtern, Stil u. a. m. herangeführt werden. Der richtige, sinnvolle Einsatz kann sich im Unterricht auch dabei nur aus einer anwendungsbezogenen und / oder realitätsnahen Situation ergeben. Mit Sicherheit geben Unterrichtseinheiten zu einem literarischen Werk hier ausreichend Anlässe (man denke an die „Büchersprache“), ohne zusätzliche, separate Unterrichtseinheiten einplanen zu müssen. Kanonische Literatur im Deutschunterricht liefert uns nicht nur den Unterrichtsgegenstand der Interpretation, Epochen- und Autorenwissen. Sie besteht aus sprachlichen Elementen, die zur Analyse, zum Transfer und zum Ausbau bildungssprachlichen Sprachwissens bestens geeignet sind. Daneben haben zahlreiche Wendungen, die als bildungssprachliche Phraseme klassifizierbar sind, einen historischen Ursprung. Sofern sich die Möglichkeit bietet, sollte daher nicht nur der Deutschunterricht in die Pflicht der phraseologischen Wortschatzarbeit genommen werden. Auch fächerübergreifend und im Fachunterricht (naheliegend in Geschichte und Latein, aber auch in naturwissenschaftlichen Fächern, z. B. in Physik mit dem sprichwörtlichen Quantensprung) können sie thematisiert und erklärt werden. Zum Bereich der phraseologischen Arbeit gehören jedoch nicht nur Mücken und Elefanten, die alten Hasen, schlafende Hunde oder das Affentheater, die sich als Auflockerung im Idealfall spielerisch über alle Klassenstufen hinweg in den Unterricht einbauen lassen. Phraseologische Wortschatzarbeit mit dem Ziel einer Textkompetenz und Elaboriertheit umfasst auch „pragmatische Phraseme“ (Beispiele s. u.) als Teil einer bildungssprachlichen Textgestaltung. Sprichwörtliche Wendungen und Metaphern können als Stilmittel optional einem Text hinzugefügt werden, textgliedernde Wendungen sind dagegen meist unerlässlich und können für Schülerinnen und Schüler gleichzeitig eine Hilfestellung und Entlastung sein (vgl. Mückel 2015, 272; vgl. auch Pfeiffer 2016, 88 f zu „Routineformeln“). Sprachliche Formeln wie einerseits… andererseits…, sowohl… als auch… sind Gliederungsmöglichkeiten, die gelernt werden müssen. Gerade im Umgang mit Sachtexten, mit journalistischen Texten und auch für Referate kommt ihnen im Schulunterricht eine zentrale Bedeutung zu. Mittel der Textproduktion und Textstrukturierung, die für den schriftlichen aber auch mündlichen Einsatz unabdingbar sind, können mit Texten aus diesen Bereichen gemeinsam erarbeitet und den Schülerinnen und Schülern als Übersicht an die Hand gegeben werden. Denkbar sind Plakate im Klassenraum mit einer Sammlung von Formulierungshilfen oder mitwachsende <?page no="98"?> 98 5 Bildungssprache erkennen und fördern Übersichtsblätter, Tabellen oder Grafiken in den Schulheften und -ordnern. Das sprachliche Gerüst für Formulierungen und Strukturierungen sollte stetig ausgeweitet werden. Für die Mündlichkeit bedarf es hier einiger Übungseinheiten zur Rhetorik, zum Referieren, zum Diskutieren. Ein Beispiel ist „Powerpoint-Karaoke“ zum Aufbau von Vortragskompetenzen, wobei auch mündliche Bildungssprache in den Unterricht integriert werden kann. Und auch wenn pragmatische Phraseme nicht den Kernbereich der Phraseologie ausmachen, handelt es sich um häufig auftretende und wiederkehrende Elemente sogenannter bildungssprachlicher Texte. Bei aller Bedeutung der Phraseologismen für den Unterricht ist jedoch auch zu erwähnen, dass bei unausgewogener Arbeit mit sprachlichen Formeln der Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schülern insgesamt formelhaft werden kann (vgl. auch Burger et al. 1982, 268-237). Ein angemessenes Maß sollte in Abstimmung mit dem sprachlichen Niveau der Schülergruppe gefunden werden. Neben derlei Textbausteinen werden der richtige Aufbau und die richtige Formulierung eines Textes als sprachliche Handlung auch über „Operatoren“ gelenkt: beschreibe…, diskutiere…, erörtere…, beweise… usw. (vgl. Feilke 2012b, 12). Spätestens in der gymnasialen Oberstufe wird der Umgang mit Operatoren in Vorbereitung auf ein wissenschaftliches Schreiben kommunikativ und kognitiv logischer Texte erwartet. Und diese Erwartung wird unter anderem dann erfüllt, wenn bestimmte Formulierungen auftreten: des Weiteren, gleichermaßen, infolgedessen, auf Grundlage [+ Genitiv], es ist davon auszugehen…,- …lässt sich in Zusammenhang mit x bringen, im Vordergrund steht die Beschäftigung mit- …,- …wirft die Frage auf,- …kommt man zu der Schlussfolgerung, dass Bildungs-Wortschatz-Arbeit im Unterricht gezielt als eigene Sequenz erfolgen kann. Sie kann-- noch besser-- aber auch an Stellen eingebunden werden, die auf den ersten Blick nichts mit Wortschatzarbeit zu tun haben. Grundsätzlich sollte versucht werden, jede Arbeit am Text wann immer nur möglich auch zur Wortschatzarbeit zu machen, sprich eine integrative Wortschatzarbeit zu gestalten und dabei bildungssprachliche Elemente wiederkehrend in den Blick zu nehmen. Es wäre Emmasche nicht geholfen, wenn man ihr ein Wörterbuch mit bildungssprachlich markierten Wörtern gibt, welche sie als Vokabeltraining der Reihe nach lernt. Der Aufbau schul-, bildungs- und fachsprachlichen Wortschatzes muss sich von der ersten bis zur letzten Schulklasse jeden Sprachunterrichtes erstrecken. Einzelne Methoden, die über bisher gängige Verfahren hinausgehen, müssen zwar noch entwickelt oder zumindest erprobt werden, sie eröffnen unseren Schülerinnen und Schülern dann aber die nötigen Kenntnisse und Kompetenzen für erfolgreiches Lernen und erfolgreiche Kommunikation. Schließlich brauchen hierzu auch die Lehrkräfte des Sprachunterrichtes eine klare Vorstellung davon, was Bildungssprache ist und wofür sie da ist. Diese Vorstellung darf keine subjektive Theorie oder gar Ideologie bleiben. <?page no="99"?> 99 5.4 Exemplarische Unterrichtskonzepte 5.4 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe (Bildungs)Sprache 1.-2. ▶ Hochstadt, Christiane (2016). Grabsch-- schluck-- würg. Sprachliche Mittel eines Bilderbuchs untersuchen. Grundschule Deutsch, 51, 18-19. Redewendungen 5.-12. ▶ Wildfeuer, Alfred (2010). Des Pudels Kern. Redewendungen im Unterricht. Deutschmagazin, 4, 37-41. Sprachvergleich 2.-4. ▶ Wildemann, Anja (2017). Den SPRACHEN auf der Spur-… Anregungen für den Umgang mit einem mehrsprachigen Bildwörterbuch. Grundschulunterricht Deutsch, 1, 33-36. 2.-4. ▶ Jeuk, Stefan (2016). Postkarte-- Kartpostal-- Pocztówka. Vergleich von Sprachen als Ausgangspunkt der Sprachreflexion. Grundschule Deutsch, 51, 27-29. Wortschatz - ▶ Lehmenn, Astrid; Pilz, Anett & Sarich, Thea (o. J.). Wortschatzarbeit im Deutschunterricht. Url: https: / / bildungsserver.berlin-brandenburg.de/ fileadmin/ bbb/ themen/ sprachbildung/ Durchgaengige_Sprachbildung/ Publikationen_sprachbildung/ sprachsensibler_fachunterricht/ 3_Sprachsensibler_Fachunterricht-Deutsch.pdf (zuletzt geprüft: 30. 08. 2018). 5.-6. ▶ Nicolay, Nathalie (2016). Wörter und Wortbausteine. Kreativer Umgang mit Worten durch die Analyse von Komposita und Ableitungen. Deutsch differenziert, 1, 13-17. 5.-6. ▶ Bangel, Melanie (2012). Was ist es? Spielerische Unterrichtsanregungen zum Erklären von Komposita. Praxis Deutsch, 233, 29-35. Sek. II ▶ Ulrich, Winfried (2016). Archaismen und Erhellung verdunkelter Wortbildungen. Systematische Sensibilisierung für die Regeln der Wortbildung. Deutsch differenziert, 1, 34-39. <?page no="101"?> 101 5.4 Exemplarische Unterrichtskonzepte 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Marina Goldenstein Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ in welche sprachlichen Basiskompetenzen beim Spracherwerb differenziert werden kann und ▶ wann diese erworben werden. ▶ welche Theorien der Sprachentwicklung zugrunde gelegt werden können. ▶ welche Entwicklungsphasen im Schriftspracherwerb unterschieden werden können. ▶ welche Besonderheiten es beim Schriftspracherwerb bei Lernenden des Deutschen als Zweitsprache gibt. Schon Säuglinge haben ein legitimes Bedürfnis, ihre Erwartungen, Probleme oder Wünsche etc. zu äußern. Sprechen zu lernen ist nicht nur deshalb für Kinder eine der wichtigsten Entwicklungsaufgaben: Das Kind wird in eine sprechende Umwelt hineingeboren. Aus dem Strom der gehörten Sprache muss es Wörter isolieren und mit Bedeutungen verknüpfen, es muss erkennen, in welcher Weise Wörter in Sätzen verbunden sind und welche morphologischen Markierungen was bedeuten. Es muss die Struktur von Texten lernen und über die Situationsabhängigkeit des Sprachgebrauchs erfahren (Weinert & Grimm 2008, 505). Im Mündlichen beginnt die Sprachentwicklung eines Kindes bereits sehr früh. Schon vor ihrer Geburt können Kinder die Stimme der Mutter erkennen sowie Phoneme unterscheiden (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008, 367). Während bei Heranwachsenden danach zunächst die Entwicklung mündlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vordergrund steht, prägt spätestens mit dem Schuleintritt v. a. die Aneignung der Schriftsprache die kognitive Entwicklung. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache lernen dann häufig neben ihrer Herkunftssprache die deutsche Sprache, die sie auch im Unterricht benötigen. Das Beherrschen von Schrift- und Fachsprache ist hier- - wie bei muttersprachlichen Kindern- - wesentlicher Faktor für den Bildungserfolg (vgl. Siebert-Ott 2006, 150; Kniffka & Siebert-Ott 2012, 103). Nicht zuletzt deshalb ist es bei DaZ-Lernern effektiver, fachliche und sprachliche Förderung zu kombinieren sowie langfristige Maßnahmen zu etablieren, die auf die natürliche Sprachlernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler vertrauen (vgl. Siebert-Ott 2006, 150). Als Deutschlehrkraft müssen Sie über Kenntnisse zu mündlicher Sprachentwicklung und zum Schriftspracherwerb verfügen, um Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich effektiv zu fördern bzw. Sprach- oder Lernstörungen zu erkennen. Der Erwerb von Sprache erfolgt auf verschiedenen Ebenen durch die Verarbeitung des Sprachangebots durch das Individuum und die Abstraktion dessen, was dem sprachlichen System zugrunde liegt. Dabei werden Schemata gespeichert, die die „Basis für die Ableitung grammatischer Kategorien und Regelmäßigkeiten bilden“ (Weinert & Grimm 2008, 504). Die <?page no="102"?> 102 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Aufmerksamkeit für sprachliche Strukturen ist dann besonders hoch, wenn Lernende mit einem neuen Sprachsystem konfrontiert werden (vgl. Karmiloff-Smith 1992, 12 f; s. u. 6.1.1). Aneignung und Gebrauch von Sprache beeinflussen sich gegenseitig: Regelhaftigkeiten in den genannten Bereichen werden zunächst induktiv erworben, wodurch neue Möglichkeiten eröffnet werden, Sprache versierter zu gebrauchen und zu reflektieren (vgl. Weinert & Grimm 2008, 527 f). Bei der Entwicklung der sprachlichen Kompetenzen entstehen sogenannte „Zwischengrammatiken“ (vgl. Weinert & Grimm 2008, 534), wie auch in der Interlanguagehypothese zum Zweitspracherwerb postuliert (vgl. Selinker 1972, 209-241), die von der „Erwachsenengrammatik“ abweichen und z. B. Übergeneralisierungen aufweisen können: „Man kann sich den Zweitspracherwerbsprozess eines Lerners insgesamt vorstellen als eine Abfolge von sprachlichen Übergangssystemen, als Abfolge sich ständig verändernder Lernersprachen (Interlanguages oder Interimssprachen), die dem Sprachsystem der Zielsprache-- idealiter-- immer ähnlicher werden.“ (Kniffka & Siebert-Ott 2012, 45) Das ist ein Zeichen für die analytische Aneignung von Sprache, die im Folgenden beschrieben wird. „Spracherwerb“ ist ein Überbegriff. Er bezeichnet sowohl den gesteuerten und den ungesteuerten Erstspracherwerb als auch den ungesteuerten bzw. gesteuerten Zweitspracherwerb. Aktuell werden diesen Erwerbsprozessen zentrale Hypothesen zugrunde gelegt, die jeweils verschiedene Auslöser bzw. Steuerungsmechanismen annehmen: Behaviorismus, Nativismus, die Kognitionshypothese (vgl. Bußmann 2008, 645 f). 6.1 Mündliche Sprachentwicklung So wie es beim Schachspiel nicht ausreicht, die Namen der Figuren zu kennen, so muss sich ein Kind auch beim Sprechenlernen vielfältige und immer komplexer werdende Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen. Es braucht Gelegenheiten und die Motivation, diese einzusetzen (vgl. Jeuk 2013, 38). Weinert & Grimm (2008, 503) subsumieren die Zieldimensionen der Entwicklung dieser mündlichen Basiskompetenzen unter prosodischer, linguistischer sowie pragmatischer Kompetenz. <?page no="103"?> 103 6.1 Mündliche Sprachentwicklung Abb. 6.1: Kompetenzen im Spracherwerb (aus: Weinert & Grimm 2008, 503) Erstellen Sie eine Mind-Map zu den grundlegenden Kompetenzen im Spracherwerb, die Sie im Folgenden dann erweitern. 6.1.1 Die phonologisch-prosodische Kompetenz Bedeutsam für die phonologisch-prosodische Entwicklung und zugleich zentrale Vorläuferfähigkeit des Schriftspracherwerbs ist die sogenannte phonologische Bewusstheit. Neben Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit zählt sie zu den Gelingensfaktoren für eine erfolgreiche Schriftsozialisation. Forster & Martschinke (2012, 7) verstehen darunter, dass Kinder unabhängig vom jeweiligen Inhaltsaspekt ihre Aufmerksamkeit auf lautliche und formale Aspekte von Sprache richten können. Schründer-Lenzen (2013, 86-88) spricht ihr daher eine Prognosekraft hinsichtlich der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibkompetenz zu: Kinder mit einer ausgeprägten phonologischen Bewusstheit eignen sich Schriftsprache relativ schnell und ohne große Mühe an (vgl. Kapitel 09). Verfügen Kinder über eine weniger gut entwickelte phonologische Bewusstheit, treten häufiger Probleme beim Erwerb der Schriftsprache auf. Sie werden deswegen als potentielle „Risikokinder“ angesehen. <?page no="104"?> 104 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Skowronek & Marx (1989, 38-49) unterscheiden zwischen einer phonologischen Bewusstheit im weiteren und engeren Sinne. Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezieht sich auf das Erkennen von Reimen und die Segmentierung bzw. Zusammensetzung von Silben, also auf Fähigkeiten, die bereits von Vorschulkindern bewältigt werden. Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne entwickelt sich meist erst in der Auseinandersetzung mit der Alphabetschrift. Sie umfasst die Fähigkeit, Anfangs- und Endlaute eines Wortes zu erkennen, Laute zu synthetisieren, die Lautanzahl zu erfassen sowie Laute umzustellen. Die Ausdifferenzierung der phonologischen Bewusstheit und die rezeptive phonologischprosodische Entwicklung beginnt bei Ungeborenen schon im Mutterleib. DeCasper & Spence (1986, 133) konnten nachweisen, dass Säuglinge nach der Geburt einen Text, der ihnen während der Schwangerschaft von ihrer Mutter laut vorgelesen wurde, anhand dessen prosodischer Merkmale wiedererkennen können. Säuglinge sind in der Lage, die menschliche Sprache gegenüber anderen Lauten, z. B. von Tieren, abzugrenzen, zum Beispiel können sie aufgrund sprachstatistischen Lernens aus der Informationsflut, die das Gehirn erreicht, Regelmäßigkeiten, Struktuen und Silben etc. erkennen (vgl. Myers 2008, 452). Forschungsergebnisse zeigen, dass sprachliches Lernen durch Habituation und Dishabituation geschieht, d. h. Säuglinge nehmen einen neuen Reiz wahr und zeigen Interesse bzw. gewöhnen sich an einen Reiz und das Interesse lässt nach. Säuglinge können sich so beispielsweise die Phoneme / b/ und / p/ aneignen, indem sie zwischen der Silbe ba und pa unterscheiden (vgl. Eimas et al. 1971, 303). Bis zu einem Alter von ca. sechs Monaten können Säuglinge auch Phoneme unterscheiden, die nicht zu ihrer Muttersprache gehören. Sie sind damit für den Erwerb jeglicher Sprache offen. Diese Fähigkeit geht in der Regel ab einem Alter von etwa zehn Monaten nahezu verloren. Es werden nun vorwiegend Laute der eigenen Muttersprache als bedeutungsunterscheidend erkannt, das Lautrepertoire wurde somit reduziert (vgl. Aslin et al. 1998, 147-198; Myers 2008, 449). Dies stellt für DaZ-Lernende bereits eine erste Hürde auf lautlicher Ebene dar. Für Muttersprachler ist dies jedoch sprachökonomisch: Sie sind nun in der Lage, fremdsprachige Wörter von ihrer Muttersprache zu unterscheiden, was die Aneignung von Wortschatz erleichtert (vgl. Rösch 2011, 177; Jusczyk et al. 1993, 402-420). Neben der beschriebenen rezeptiven Entwicklung durchläuft ein Säugling auch eine produktive phonologisch-phonetische Entwicklung, bei der durch die Ausdifferenzierung der Sprechwerkzeuge das Phoneminventar der Zielsprache zunehmend besser beherrscht wird. Weinert & Grimm (2008, 509 f) unterscheiden im ersten Lebensjahr folgende vier Stufen: ▶ Gurren, ▶ Lachen und Lautbildung, ▶ Lallstadium, ▶ erste Wörter. <?page no="105"?> 105 6.1 Mündliche Sprachentwicklung Mit etwa sechs bis acht Wochen beginnen Säuglinge zu gurren, also vokalähnliche Laute zu äußern, zu lachen beginnen sie etwa zwischen dem zweiten und vierten Monat. Zu dieser Zeit setzt auch die erste Lautproduktion ein. So können Kinder hier auch vorgesprochene Vokale wiedergeben oder Ihren Namen erkennen. Das Lall- oder Brabbelstadium zeigt die zunehmende Kontrolle über die Sprechorgane und ist zwischen dem sechsten und neunten Monat angesiedelt. Kinder können nun selbst silbische Lautverbindungen produzieren, d. h. minimale aus Konsonanten und Vokalen bestehende Sprecheinheiten wie z. B. nanana. Dies wird häufig auch als kanonisches Lallen bezeichnet. Das Lallen, bei dem bereits sprachtypische Merkmale der Muttersprache erkennbar sind, geht dann in einem Alter von etwa 10 bis 14 Monaten in die Produktion erster Wörter über (vgl. Weinert & Grimm 2008, 509 f). Ergänzen Sie die Mind-Map zu den grundlegenden Kompetenzen im Spracherwerb! Warum ist die Aussprache für DaZ-Lerner oft schwierig? Um mögliche Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen, kann auf verschiedene Diagnoseinstrumente zurückgegriffen werden: ▶ Anlaute hören, Reime finden, Silben klatschen ( ARS ) (Martschinke, Kammermeyer, King & Forster 2012), ▶ das Bielefelder Screening ( BISC ) (Jansen, Mannhaupt, Marx & Skowronek 2002), ▶ der Rundgang durch Hörhausen (Martschinke, Kirschhock & Frank 2011), ▶ die Differenzierungsprobe (Breuer & Weuffen 2002), ▶ die Beobachtungsstationen (Ostermann 2002), ▶ die Fitness-Probe (Günther 2003), ▶ das Heidelberger Auditive Screening in der Einschulungsuntersuchung ( HASE ) (Brunner & Schöler 2001), ▶ das Marburger Sprach-Screening ( MSS ) (Holler-Zittlau, Dux & Berger 2003), ▶ die Frühindikatoren zur Leistungsfähigkeit in Primarschulen ( FIPS ) (Bäuerlein, Beinicke, Berger, Faust, Jost & Schneider 2012), Deutsch als Zweitsprache findet Berücksichtigung bei den Beobachtungsverfahren: ▶ Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern ( SISMIK ) (Ulich & Mayr 2003), ▶ Screening-Modell für Schulanfänger „Kenntnisse in Deutsch als Zweitsprache erfassen“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2002). Die Erhebungsverfahren werden im Kindergartenalter bzw. bei der Einschulung durchgeführt, da dies die sensiblen Phasen sind, in denen die phonologische Bewusstheit noch effektiv geschult werden kann (vgl. Roth 1999, 117). Der Rundgang durch Hörhausen beispielsweise ist ein Test bestehend aus zehn Aufgaben, die den Vorschulkindern bzw. Schulanfängern an verschiedenen Stationen angeboten werden. Die Aufgaben lassen sich folgenden Bereichen der phonologischen Bewusstheit zuordnen: Silben segmentieren, Silben zusammensetzen, Phonemanalyse, Lautsynthese, den eigenen Namen und weitere Wörter schreiben, Anlaut <?page no="106"?> 106 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben erkennen, Endlaut erkennen, Endreim erkennen, Buchstabenkenntnis. Die Durchführung des Tests dauert pro Kind etwa 45 Minuten. Zudem steht auch ein Kurzscreening zur Verfügung, das aus vier Aufgaben aus den Bereichen Silben segmentieren, Anlaut erkennen, Endreim erkennen besteht und pro Kind etwa 10-15 Minuten beansprucht (vgl. Martschinke et al. 2011, 17-32). Werden Defizite bei diesem oder einem anderen Test festgestellt, kann sich eine systematische Fördereinheit wie das Würzburger Trainingsprogramm „Hören, lauschen, lernen“ (Küspert & Schneider 2008) und das Trainingsprogramm „Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi“ (Forster & Martschinke 2012) anschließen. Die didaktische Fokussierung der Wahrnehmung der Kinder, Äußerungen als lineare Lautkette zu begreifen, ist hingegen ungünstig: „Sie baut die spontane Fähigkeit der Kinder, Gesprochenes silbisch zu segmentieren und dabei die notwendigen Differenzierungen, die sie sprechend vornehmen, ab.“ (Müller 2015, 155) 6.1.2 Die linguistisch-lexikalische Kompetenz Während es bei der phonologisch-phonetischen Entwicklung darum geht, überhaupt Äußerungen produzieren zu können, geht es bei der lexikalischen Entwicklung insbesondere darum, sinnvolle Äußerungen zu produzieren. Dazu müssen sich Kinder das konventionalisierte Zeicheninventar einer Sprachgemeinschaft aneignen, d. h. den Wortschatz. Weinert & Grimm (2008, 510 f) unterscheiden drei markante Phasen, in denen sich dieser entwickelt: ▶ erste Wortproduktionen, ▶ schnelles Wortlernen von Bezeichnungen für Objekte und deren Merkmale, ▶ schnelles Wortlernen von Verben und anderen Wörtern. Mit etwa neun Monaten lässt sich bei Säuglingen ein erstes Wortverständnis erkennen, mit zehn bis 14 Monaten setzt die Produktion der ersten Wörter ein. Der rezeptive Wortschatz der Kinder wird zu diesem Zeitpunkt auf ungefähr 60 Wörter geschätzt, steigt aber in der folgenden Zeit rasant an. Mit etwa 18 Monaten verfügen die Kinder dann über einen Verstehenswortschatz von ca. 200 Wörtern und können etwa 50 Wörter selbst produzieren. Häufig kommt es in diesem Zeitraum zu sogenannten Überspezifizierungen, d. h. Wörter werden in ihrer Bedeutung zu restriktiv verwendet. Beispielsweise bezeichnet ein Kind nur sein Stofftier als Hund, reale Hunde jedoch nicht (vgl. Berk 2011, 232). Dies ist Voraussetzung für das schnelle Wortlernen (sog. Vokabelspurt): Kinder eignen sich die Bezeichnungen von Objekten und deren Merkmalen an, da sie gelernt haben, dass alle Dinge mit Benennungen versehen werden können (vgl. Goldfield & Reznick 1990, 171-183; Mervis & Bertrand 1995, 461-468), die zunehmend genauer werden. <?page no="107"?> 107 6.1 Mündliche Sprachentwicklung Kinder lernen neue Wörter in kommunikativen Kontexten, nicht aus dem „Vokabelheft“. Doch woher wissen Kinder, worauf sich ein neues Wort bezieht, z. B. auf den Hund oder den Knochen? Vermutlich geschieht das Lernen neuer Wörter auf Basis von Vorannahmen („constraints“): Kinder gehen immer davon aus, dass sich ein Wort auf ein ganzes Objekt bezieht und nicht auf nur Teile, Eigenschaften etc. davon. Ein Wort wird außerdem als Kategorie verstanden, die bestimmte gleichartige Dinge gleich bezeichnet. Da jedes Objekt i. d. R. aber nur einen „Namen“ haben kann, werden die Bedeutungsmöglichkeiten reduziert und Kategorien während des Wortschatzerwerbs zunehmend ausdifferenziert (vgl. Weinert & Grimm 2008, 512 f). Haben die Kinder einen Bestand von etwa 100 bis 200 Wörtern erreicht, kommen erste Wortbildungen hinzu und es erfolgt ein Erlernen von Verben und Adjektiven. Ein sprachlicher Fehler, der dann hier gehäuft auftreten kann, ist die Übergeneralisierung, also die Verwendung eines Wortes für viele Objekte oder Ereignisse. So wird von Kleinkindern etwa das Wort „Auto“ für alle möglichen Fortbewegungsmittel wie Bus, Zug, LKW etc. verwendet, was auf die bereits vorhandene Fähigkeit zur Kategorienbildung hinweist (vgl. Berk 2011, 232). Ab ungefähr 28 Monaten und bei der Beherrschung von ca. 400 Wörtern kommen dann auch Funktionswörter hinzu und ab ca. 30 Monaten erfolgt ein schnelles Wortlernen von Verben und anderen relationalen Wörtern. Innerhalb von 16 Jahren erwerben Kinder und Jugendliche einen Grundwortschatz von etwa 60.000 Wörtern (vgl. Weinert & Grimm 2008, 510; Kapitel 05). Ergänzen Sie die Mind-Map zu den grundlegenden Kompetenzen im Spracherwerb! Untersuchen Sie die Grafik und stellen Sie Hypothesen für die Entwicklung bildungsnaher/ -ferner Kinder auf. <?page no="108"?> 108 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Abb. 6.2: Wachstum des Wortschatzes. Mit 16 Jahren verfügt ein durchschnittlicher Jugendlicher über etwa 60.000 Wörter (nach Myers 2008, 448) Untersuchungen von Hart & Risley (2003, 7 f) zeigen, dass die lexikalische Entwicklung stark vom jeweiligen Elternhaus abhängt. Kinder eignen sich den Wortschatz an, über den die Erziehungsberechtigten verfügen. Andere Einflüsse werden erst mit ca. drei Jahren bedeutsam. Problematisch ist nun, dass Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Elternhäusern eine weniger sprachförderliche Umwelt zur Verfügung steht: Simply in words heard, the average child on welfare was having half as much experience per hour (616 words per hour) as the average working-class child (1.251 words per hours) and less than onethird that of the average child in a professional family (2.153 words per hour) (Hart & Risley 2003, 8). Literale Aktivitäten wie Vorlesen, Kinderlieder oder Sprachspiele tragen maßgeblich zur Entwicklung des Wortschatzes bei (vgl. Müller 2015, 142; Ehmig & Reuter 2013, 6); in bildungsfernen Familien hat dies meist wenig Stellenwert und wird selten praktiziert. Dementsprechend besteht bei diesen Kindern bereits mit drei Jahren ein deutlich geringeres Potential, diejenigen sprachlichen Routinen und Register zu entwickeln, die Bildungsinstitutionen erwarten (vgl. Kapitel 05, 07 und 08). <?page no="109"?> 109 6.1 Mündliche Sprachentwicklung Hinsichtlich des Zweitspracherwerbs lässt sich feststellen, dass bei einem frühen Erlernen einer weiteren Sprache (etwa bis zu einem Alter von drei Jahren) diese qualitativ und quantitativ der Erstsprache gleicht. Man spricht demgemäß von einem bilingualen Erstspracherwerb (Doppelspracherwerb). Nach dieser Phase wird der Zweitspracherwerb zunehmend schwieriger (vgl. Kapitel 02). In manchen Fällen kann es sogar zu einem parallel eingeschränkten Erstspracherwerb kommen, wenn dieser noch nicht abgeschlossen ist und die Kinder in ihrer Erstsprache keine weiteren (bildungs-)sprachlichen Anregungen erhalten und auch wenig bis keine Gelegenheit haben, die Erstsprache zu praktizieren. Generell lassen sich als Grundgrößen für den Erfolg beim Zweitspracherwerb kognitive, affektive und soziale Faktoren ausmachen sowie die zur Verfügung stehenden Lerngelegenheiten (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012, 42-68; Myers 2008, 453). 6.1.3 Die linguistisch-syntaktische Kompetenz Mit etwa 18 Monaten beginnen Kinder i. d. R., sich komplexer, d. h. in einfachen Zwei-Wort- Sätzen, zu äußern, z. B. Papa Ball oder will Eis. Da die Kinder in diesem Alter noch keine tiefgreifenden Einsichten in die Flexion oder Wortbildung haben, werden in dieser frühen Phase vor allem inhaltsreiche Wörter wie Substantive oder Verben verwendet. Diese Art der Äußerung wird als „Telegrammstil“ bezeichnet. In dieser Phase der syntaktischen Entwicklung werden nur selten Grammatikfehler gemacht. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Kinder gehörte Phrasen der Erwachsenen zunächst reproduzieren: z. B. meine Schuhe und nicht Schuhe mein. Mandel et al. (1994, 155-180) zeigten, dass Sprachverarbeitung und Grammatikerwerb auch durch prosodische Strukturierung positiv beeinflusst werden können: Sie stellten fest, dass zwei Monate alte Säuglinge nur einen phonologischen Unterschied zwischen den Sätzen „the cat chased white mice“ und „the rat chased white mice“ bemerken, wenn der Satz prosodisch strukturiert vorgetragen wurde. Zudem bevorzugen Säuglinge sprachliche Aussagen, die Pausensetzungen an grammatisch sinnvollen Stellen aufweisen gegenüber Sprachproben mit willkürlicher Pausensetzung (vgl. Weinert 2006, 650-653). Hinsichtlich kulturspezifischer Unterschiede lässt sich feststellen, dass die Muttersprache schon frühzeitig die Sprachentwicklung eines Kindes beeinflusst. So präferieren englische oder französische Kinder schon sehr früh die für ihre Muttersprache typische Satzstellung Subjekt- - Verb- - Objekt (z. B. Leonard drinks milk), während deutschsprachige Kinder zunächst Funktionswörter und Morpheme (u. a. Flexionen) auslassen und unflektierte Verbformen an das Satzende stellen. Sie bevorzugen zunächst den Satzbauplan Subjekt-- Objekt-- Verb (z. B. Emil Keks essen). Dies ändert sich erst mit etwa vier Jahren, wenn das System der Verbflexion erworben wurde: Dann ist auch V2-Stellung möglich (vgl. Weinert & Grimm 2008, 517; Kapitel 03 und 05). Ergänzen Sie die Mind-Map zu den grundlegenden Kompetenzen im Spracherwerb. <?page no="110"?> 110 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben 6.1.4 Die pragmatische Kompetenz Welche Bedeutung ein (korrekt gebildeter) Satz hat, wird oft erst aus dem Kontext klar: etwa „Debatte über die Jugendkriminalität im Bundestag.“ Geht es in der Schlagzeile um Jugendkriminalität im Bundestag oder um eine Debatte darüber, die im Bundestag stattfindet? Die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um Sprache situations- und adressatengemäß zu verwenden sowie soziokulturelle und emphatische Kenntnisse, eignen sich Kinder in der sogenannten pragmatischen Entwicklung an (vgl. auch Kapitel 07, 08). Nach Hoff-Ginsberg (1993, 558-573) lassen sich diesbezüglich drei Phasen unterscheiden: Zwischen dem achten und zehnten Monat beginnt ein Kind, mit Gesten und Blicken zu kommunizieren. Beispielsweise zeigt es den Eltern einen Gegenstand, mit dem es gerade spielt, oder es lässt seinen Blick zwischen einem Spielzeug, das es haben möchte, und der Bezugsperson hin- und herwandern. Ab ca. 11 Monaten konkretisiert sich die Gestik noch mehr, es kommt die sogenannte Zeigegestik hinzu, bei der das Kind z. B. auf einen Gegenstand deutet und wartet, bis eine Reaktion der Bezugsperson wie „Möchtest du den Ball haben? “ kommt. „Ein Bild ist besser als zwei“, das zeigte eine Studie von Flack & Horst (2017, 6). Kinder können neue Wörter beim (Vor-)Lesen besser lernen, wenn nur eine Illustration auf einer Doppelseite enthalten ist. Sind zwei oder mehr Grafiken enthalten, lernen sie nur halb so viele Wörter. Dieser Nachteil kann durch Zeigegesten des Vorlesers / der Vorleserin kompensiert werden (vgl. Flack & Horst 2017, 8). Zwischen dem 16. und 22. Monat fängt das Kind an, eigene Intentionen oder Fragen zu äußern, die sich auf den direkten Kontext beziehen, etwa „Wo ist das Auto? “- - „Da“ oder „Oma? “). Mit Beginn des zweiten Lebensjahres werden die anfänglich sehr knappen Konversationseinheiten umfangreicher: Kleinkinder mit etwa 30 Monaten können in einer Konversation ca. 20 zusammenhängende Äußerungen tätigen (vgl. Weinert & Grimm 2008, 520 f). Ergänzen Sie die Mind-Map zu den grundlegenden Kompetenzen im Spracherwerb. 6.1.5 Welche Modelle liegen der Entwicklung der sprachlichen Basiskompetenzen zugrunde? Hinsichtlich der Entwicklung der prosodischen, linguistischen sowie der pragmatischen Kompetenz (vgl. Tab. 6.1) wird dem vorschulischen und schulischen Bereich häufig eine Kompensationsfunktion zugewiesen (vgl. Müller 2015, 140). Die Frage, ob bzw. wie diese Funktion wahrzunehmen ist, hängt davon ab, welche Modelle dem Erwerb von Sprache zugrunde gelegt werden. <?page no="111"?> 111 6.1 Mündliche Sprachentwicklung Basiskompetenz Phonologisch-prosodische Entwicklung Pragmatische Entwicklung Lexikalische Entwicklung Syntaktische Entwicklung Ziel Sprechwerkzeuge beherrschen Sprache dem Kontext angemessen gebrauchen Wörter und Bedeutungen lernen Sätze bilden können Geburt Abgrenzung menschlicher Sprache zu anderen Lauten, Unterscheidung von Phonemen Alter ~ 1-2 Monate Gurren ~ 2-4 Monate Lachen und erste Lautproduktion ~ 6-9 Monate Lallen ~ 8-10 Monate zeigender Blickkontakt und Zeigen von Gegenständen ~ 10-14 Monate Zeigen auf Gegenstände („Zeigegeste”) - ca. 11 Monate erste Wörter, rezeptiver Wortschatz ca. 60 Wörter ~ 18 Monate Äußerung von Intentionen und Fragen (mit ca. 16-22 Monaten) rezeptiver Wortschatz ca. 200 Wörter, produktiver Wortschatz ca. 50 Wörter; schnelles Wortlernen von Bezeichnungen von Objekten und Objektmerkmalen („Vokabelspurt“) ab einem produktiven Wortschatz von ca. 200 Wörtern: Zwei-Wort-Sätze ~ 30 Monate schnelles Wortlernen von Verben und anderen relationalen Wörtern immer komplexer werdende (vollständige) Sätze Tab. 6.1: Hauptphasen der sprachlichen Entwicklung im Überblick (nach Weinert & Grimm 2008, 509 ff) <?page no="112"?> 112 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Die Frage, wie sich diese Prozesse der sprachlichen Entwicklung erklären lassen, ist vielfach diskutiert worden. Im Wesentlichen lassen sich die verschiedenen Ansätze jedoch auf drei zentrale Sichtweisen zurückführen: die behavioristische Theorie, die nativistische Theorie und die interaktionistische bzw. kognitive Theorie. ▶ Vertreter der behavioristischen Sichtweise, deren wohl berühmtester B. F. Skinner war, gehen davon aus, dass Sprache, wie jedes andere Verhalten auch, nach dem Muster der operanten Konditionierung erlernt wird. Äußert ein Kind beispielsweise erste Worte (z. B. durch Nachahmung) und erfährt dafür eine positive Verstärkung, z. B. durch ein Lächeln oder Lob, wird es diese Worte häufiger und gezielter verwenden. Gegen die behavioristische Theorie in ihrer Reinform spricht allerdings, dass Kinder auch Wortkombinationen verwenden, die sie nie zuvor gehört haben. Konditionierung und Nachahmung können demnach unterstützend wirken, aber nicht als alleiniges Erklärungsmodell der Sprachentwicklung fungieren. ▶ Die nativistische Theorie der Sprachentwicklung geht zurück auf Noam Chomsky. Nach dieser Sichtweise sind sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten angeboren. Kinder werden demnach mit einem Spracherwerbsmechanismus geboren, der aus einer Art universeller Grammatik oder einem Regelsatz im Gehirn besteht, der durch Erfahrungen in der Zielsprache entsprechend geprägt wird. Sobald Heranwachsende über einen ausreichend großen Wortschatz verfügen, ermöglicht es ihnen dieses System, regelkonform zu sprechen. Zwar stimmen die sensiblen Phasen des Spracherwerbs mit dieser Annahme zunächst überein, jedoch konnte bislang noch kein Nachweis für die Existenz einer Universalgrammatik erbracht werden. Zudem verläuft der Spracherwerb real deutlich langsamer als dies der nativistischen Theorie zufolge der Fall sein müsste. ▶ Eine vermittelnde Position nimmt die interaktionistische Theorie ein. Demzufolge findet zwischen den inneren Fähigkeiten / Fertigkeiten eines Kindes und den äußeren Umwelteinflüssen eine wechselseitige Interaktion statt. Diese kann als Informationsverarbeitung oder soziokultureller Vorgang verstanden werden, d. h. als eher analytischer Prozess oder als Erfahrungen im sozialen Kontext. Erstes zeichnet die kognitiven Theorien aus (vgl. Weinert & Grimm 2008, 522-524; Jeuk 2013, 27). Erklären Sie auf Basis der dargestellten Erwerbsmodelle, warum es je nach individueller Ausgangslage des Lernenden sein kann, dass die Beherrschung der Zweitsprache umso schlechter ist, je höher das Lebensalter bei der Einwanderung ist (vgl. Myers 2008, 453). Ziehen Sie dazu auch Ihre Erkenntnisse aus den vorangehenden Abschnitten heran. Darüber hinaus ist maßgeblich, ob bzw. inwieweit die Lernenden die Motivation und Fähigkeit mitbringen, eine Sprache zu lernen, und ob sich ihnen ausreichend Gelegenheiten bieten, sprachhandelnd tätig zu werden (vgl. Jeuk 2013, 38). Wichtig sind für DaZ-Lerner regelmäßige Gesprächsanlässe (vgl. Rösch 2011, 178). <?page no="113"?> 113 6.2 Schriftspracherwerb 6.2 Schriftspracherwerb Bevor Sie weiterlesen: Diskutieren Sie mit einem Partner, warum der Schriftspracherwerb die sprachliche Entwicklung der Kinder so stark beeinflusst. Notieren Sie sich Gründe. Spätestens mit Schuleintritt begegnet Kindern nach der mündlichen Sprache ein zweites Sprachsystem, das der Schriftsprache. Es dient der Sicherung bzw. Weitergabe von Wissen innerhalb einer Sprachgemeinschaft, ermöglicht die gesellschaftliche Teilhabe und ein autonomes Handeln des Individuums (vgl. Fix 2008, 41). Allerdings stellt der Schulbesuch nicht die „Stunde Null“ des Schriftspracherwerbs dar, bereits vor der Einschulung kommen Kinder mit Schrift in Kontakt und können z. B. bereits ihren eigenen Namen und einige Wörter „schreiben“. In dieser Phase des Schriftspracherwerbs kommt für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache häufig noch (zeitgleich im Mündlichen / Schriftlichen) der Erwerb des Deutschen hinzu. Als lautorientierte Buchstabenschrift weicht das Deutsche oft von Sprachen der Herkunftsländer der DaZ-Lernenden ab, was das Lernen der Phonem-Graphem-Korrespondenz ( GPK ) als ein Prinzip des Deutschen erschwert (vgl. Kapitel 09). Problematisch im schulischen Erwerbsprozess ist, dass dieser meist in zwei Schritten modelliert wird: Zunächst lernen die Schülerinnen und Schüler die GPK , jedoch bereits hier wird selten zwischen Basis- und Orthographemen unterschieden (vgl. Thomé 2000, 16). Fehlerhafte Schreibungen, die durch diese Fixierung auftreten, werden zunächst ignoriert, da richtige Schreibungen durch die Fokussierung auf die GPK nicht erwartbar sind. In den folgenden Jahrgangsstufen werden in einem zweiten Schritt die gewonnenen Einsichten der Kinder wieder korrigiert. Die Fehlertoleranz ist nun gleich null, es werden orthographisch korrekte Schreibungen gefordert. Durch den von Anfang an fehlenden Anschluss an Vorkenntnisse und Hypothesen der Lernenden, z. B. in Bezug auf die silbische Gliederung, wird Lernpotential verschenkt (vgl. Bredel & Röber 2015, 4 f), das gerade schwachen Schreibern zugutekäme. Das häufig zitierte Prinzip „Schreib wie du sprichst“ ist problematisch: Es führt zu einer Verunsicherung der Kinder, ist fixiert auf die GPK und erfordert eine unnatürliche Artikulation (vgl. Mattes 2015, 11). Es verhindert, dass die Lernenden die nötigen Abstraktionsfähigkeiten ausbilden, um Lautbzw. Schreibschemata zu entwickeln (vgl. Augst & Dehn 2007, 32 f). 6.2.1 Entwicklungsstufen des Schriftspracherwerbs Hinsichtlich der Entwicklung der Schriftsprache besteht inzwischen Konsens, dass diese in qualitativ unterscheidbaren Stufen und Phasen in einer bestimmten Reihenfolge verläuft (vgl. Thomé 2000, 15). Zu ihrer Beschreibung existieren unterschiedliche Modelle. Ziel der Entwicklungsmodelle ist es, eine Diagnostik der Lernausgangslage eines Kindes zu erleichtern und Fördermaßnahmen abzuleiten. Für den Schriftspracherwerb liegen mehrere etablierte Modelle vor (z. B. Frith 1986; Günther 1986; Ehri 1987; Spitta 1988; Scheerer-Neumann 1997, 1990; Valtin 1997), die alle auf einer „Grobebene“ zwischen einer logografischen, einer alpha- <?page no="114"?> 114 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben betischen und (meist) einer orthografischen Stufe unterscheiden (vgl. Koenen 2012, 19). Im Folgenden werden das Entwicklungsmodell von Uta Frith (1986), das als ein Ur-Modell des Schriftspracherwerbs gelten kann, und ein neueres Modell von Renate Valtin (1997) gegenübergestellt. Frith geht davon aus, dass jedes Kind eine bestimmte Abfolge von Entwicklungsphasen durchläuft, in denen es über unterschiedlich stark ausdifferenzierte Strategien bzw. Einsichten in das Schriftsystem verfügt. Die einzelnen Phasen werden zwar von jedem Kind durchlaufen, jedoch geschieht dies nicht gleich schnell oder gleich intensiv. Beispielsweise kann eine Phase nahezu übersprungen werden. Frith unterteilt ihre Beobachtungen zum Schriftspracherwerb in drei Phasen: (1) logographemische Phase, (2) alphabetische Phase und (3) orthographische Phase. In jeder der drei Phasen kann einerseits die rezeptive Komponente der Schrift, andererseits die produktive Seite Entwicklungsimpulse auslösen bzw. dominieren. Abb. 6.3: Phasen im Schriftspracherwerb bei Frith (nach Jeuk & Schäfer 2013, 74). Durch die Pfeile ist jeweils die Dominanz einer Strategie repräsentiert. Kinder in der logographemischen Phase (1a) verfügen noch nicht über Einsichten in die GPK . Sie begreifen Schrift wie ein gemaltes Bild als Ganzheit. Dadurch können die Lernenden zwar bereits Logos (z. B. Markenzeichen eines Supermarktes oder Spielzeugs) und Symbole (z. B. Fußgängerzone, Spielstraße) deuten, jedoch keine eigenen Wörter produzieren. Lediglich der eigene Name oder bedeutsame Wörter gelingen manchmal, da sie als Wortbild im Gedächtnis gespeichert wurden. Es ist daher auch kaum verwunderlich, dass die ersten Malversuche von Kindern ihrem „Schreiben“ sehr nahestehen. Mit den ersten eigenen Schreibversuchen (1b) werden die Kinder auf die Lautstruktur von Sprache aufmerksam. Sie malen nun einzelne, bekannte Buchstaben, die ganze Wörter oder Texte repräsentieren, z. B. <P> für Puppe. Da das Buchstabeninventar begrenzt ist, hängt die Bedeutung vom Kontext ab: <P> kann in einem anderen Kontext beispielsweise für Papa stehen. In der alphabetischen Phase gelangen die Kinder zunehmend zu der Einsicht, dass Grapheme Phoneme repräsentieren und nicht nur bildhafte Zeichen darstellen. In der Übergangsphase (2a) kann es dazu kommen, dass beim Lesen noch die für die Kinder weniger an- <?page no="115"?> 115 6.2 Schriftspracherwerb strengende und schnellere logographemische Strategie vorherrscht, während beim Schreiben bereits die alphabetische Strategie angewendet wird. Mit wachsender Erfahrung gewinnt die alphabetische Strategie auch beim Lesen die Oberhand (2b). Die Heranwachsenden verfügen über ein Repertoire „prominenter“ Grapheme und werden sicherer in der rhythmischen (silbischen) Gliederung von Wörtern: Während sie sich zu Beginn noch stark an auffälligen lautlichen Merkmalen und der eigenen Artikulation orientieren (z. B. Bea für Bär; gen für gehen), reduziert sich dies nach und nach. Kennzeichnend für diese Phase ist das Auftreten sogenannter Skelettschreibungen wie beispielsweise IWIZ (Ich war im Zoo.) oder IW asilPlas (Ich war auf dem Spielplatz.). Durch den Vergleich der eigenen Schreibungen mit orthographisch korrekten Schreibweisen wird das innere Regelsystem der Kinder modifiziert, sodass allmählich jeder Laut eines Wortes repräsentiert wird, andererseits die im Deutschen typische GPK beachtet wird. Wörter, die aus Basisgraphemen bestehen, z. B. Telefon oder Mama werden nun bereits richtig geschrieben. Orthografische Regeln wie beispielsweise die Auslautverhärtung werden noch nicht berücksichtigt (vgl. Thomé 2000, 15). In der orthografischen Phase zeigen die Heranwachsenden, dass sie gelernt haben, dass es sich beim Deutschen um keine reine Lautschrift handelt. Sie ziehen neben der GPK zunehmend weitere orthografische Merkmale (z. B. silbische, morphematische oder grammatische Informationen) hinzu (vgl. Kapitel 09). Während dies beim Lesen schon früher gelingt (3a), klappt dies bei eigenen Schreibversuchen erst später (3b). In dieser Phase kommt es häufig zu Übergeneralisierungen: Haben sie eine Systematik erkannt (z. B. „Wenn ich am Wortende / ɐ / höre, schreibe ich <er>“ wie in Vater), wird diese umfassend angewandt, sodass dadurch auch Fehlschreibungen entstehen (*Sofer statt Sofa). Diese sind jedoch als „kluge Fehler“ zu bewerten, da sie zeigen, dass das Kind notwendige Einsichten in das Schriftsystem erworben hat. Empfindet ein Kind die aktuelle Strategie nicht als effektiv oder zielführend, wird auf eine früher erworbene Strategie zurückgegriffen (vgl. Frith 1986, 218-233; Jeuk & Schäfer 2013, 73-79). Friths Modell gilt als eines der einschlägigsten im deutschsprachigen Raum. Jedoch ist zu bedenken, dass es ursprünglich für das Englische entwickelt wurde. Es lässt sich daher nicht in Gänze auf das Deutsche übertragen. Zudem hängt die Ausprägung der einzelnen Phasen stark von der Vermittlungsmethode der Schriftsprache ab. Beispielsweise sind logographemische Schreibungen besonders bei Kindern zu finden, die nach der analytischen Methode (der Arbeit mit Ganzwörtern) unterrichtet wurden (vgl. Bremerich-Vos 1996, 275). Vorläuferfähigkeiten des Schriftspracherwerbs werden ebenfalls nicht berücksichtigt (vgl. Jeuk & Schäfer 2013, 78 f). Für den deutschsprachigen Raum wurde das Modell von Renate Valtin (1997; 2000) adaptiert und weiterentwickelt (vgl. Tab. 6.2). Die wesentlichen Entwicklungsschritte sind jedoch gleich. <?page no="116"?> 116 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Fähigkeiten und Einsichten Lesen Schreiben 1 Nachahmung äußerer Verhaltensweisen „Als-ob“-Vorlesen Kritzeln 1 2 Kenntnis einzelner Buchstaben anhand figurativer Merkmale Erraten von Wörtern aufgrund visueller Merkmale von Buchstaben oder -teilen (Firmenembleme benennen) Malen von Buchstabenreihen Malen des eigenen Namens 2 3 Beginnende Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug, Kenntnis einiger Buchstaben / Laute Benennen von Lautelementen häufig orientiert am Anfangsbuchstaben, Abhängigkeit vom Kontext Schreiben von Lautelementen (Anlaut, prägnanter Laut zu Beginn des Wortes), „Skelettschreibungen“ 3 4 Einsicht in die Buchstaben-Laut- Beziehung Buchstabenweises Erlesen (Übersetzen von Buchstaben- und Lautreihen), gelegentlich ohne Sinnverständnis Phonetische Schreibungen nach dem Prinzip „Schreibe, wie du sprichst.“ 4 5 Verwendung orthografischer bzw. sprachstruktureller Elemente Fortgeschrittenes Lesen Verwendung größerer Einheiten (z. B. mehrgliedrige Schriftzeichen, Silben, Endungen wie -en, -er) Verwendung orthografischer Muster (z. B. -en, -er; Umlaute), gelegentlich auch Übergeneralisierung 5 6 Automatisierung von Teilprozessen Automatisiertes Worterkennen und Hypothesenbildung Entfaltete orthografische Kenntnisse 6 Tab. 6.2: Entwicklungsmodell des Rechtschreibenlernens (nach Valtin 2000, 18 f) <?page no="117"?> 117 6.2 Schriftspracherwerb Markieren Sie die Stufen von Friths Modell in der Tabelle. Vergleichen Sie außerdem die Entwicklung mit der mündlichen Sprachentwicklung. Valtin spezifiziert die Phasen von Friths Modell und erweitert dieses um zwei zusätzliche, in der Tabelle grau markierte Stufen: Phase 1 berücksichtigt ein sehr frühes Stadium des Schriftspracherwerbs, in dem Kinder literale Handlungen Erwachsener nachahmen, z. B. durch ein gespieltes Vorlesen oder Schreiben (Kritzeln). Grapheme und Phoneme stehen noch in keinerlei Beziehung, Schrift ist in dieser Phase eine ganzheitliche Abbildung des Inhalts. Daher halten Kinder in dieser Phase beispielsweise auch das Wort „Bär“ für länger als „Marienkäfer“, da ein Bär viel größer als ein Marienkäfer ist. In Phase 6 beschreibt Valtin die Automatisierung orthograpischer Regeln, die bei Frith nicht explizit thematisiert wird (vgl. Jeuk & Schäfer 2013, 79-81). In Naegele (2014, 232) finden Sie differenzierte Analysebögen mit konkreten Kriterien, um Entwicklungsstufen zu identifizieren. Auch basale Kenntnisse, Wissen über Silben / Reim / Anlaut, Schreibmotorik u. a. werden dort thematisiert (vgl. Naegele 2014, 229 ff). Kritik an den Entwicklungsmodellen übt u. a. Brügelmann (2014, 446). Untersucht man die Schreibungen von Kindern, fällt auf, dass diese bereits früh z. B. silbische oder morphematische Informationen zum Schreiben heranziehen. Sie verwenden also mehrere Strategien parallel. Brügelmann plädiert daher dafür, die Entwicklung als einen Wechsel der jeweils dominanten Schreibstrategie(n) anzusehen. 6.2.2 Besonderheiten des Schriftspracherwerbs bei Deutsch als Zweitsprache Kinder mit Deutsch als Erstsprache verfügen beim Schuleintritt bereits über zahlreiche Erfahrungen mit der Schrift, die ihnen beim Schriftspracherwerb hilfreich sind. Kinder mit Deutsch als Erstsprache konnten phonologische Bewusstheit entwickeln, haben bereits einen mehr oder weniger umfangreichen und differenzierten Wortschatz erworben und Laute, Wort- und Satzakzent des Deutschen verinnerlicht. Zudem verfügen sie über ein implizites Wissen über grammatikalische Aspekte wie Wortarten oder Flexionsformen. Durch literale Erfahrungen wie Vorlesen, Lieder usw. haben sie außerdem bereits textstrukturelle Phänomene (z. B. wie verläuft ein typisches Märchen? ) kennengelernt. Sie verfügen über kulturspezifisches Weltwissen, das ihnen beim Lesen oder Schreiben in Form von Vorwissen hilft, beispielsweise welche Feste jahreszeitbedingt in Deutschland gefeiert werden (vgl. Schulte-Bunert 2013, 122 f). Bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache kann davon nicht ausgegangen werden. Sie verfügen i. d. R. nicht über dieselben Vorerfahrungen. Nach Schulte-Bunert (2013, 124-126) können z. B. bezüglich der Alphabetisierung vier Gruppen unterschieden werden: ▶ Es gibt Kinder, die noch in keiner Sprache alphabetisiert wurden und in das deutsche Schulsystem entweder als Schulanfänger oder als Seiteneinsteiger in eine höhere Jahr- <?page no="118"?> 118 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben gangsstufe eintreten. Sie müssen zunächst die generelle Funktionsweise von Schrift erlernen. ▶ Des Weiteren gibt es Kinder, die bereits in einer lateinischen Schrift (z. B. Polnisch, Italienisch, Rumänisch, Türkisch) alphabetisiert wurden. Sie müssen die aus der Erstsprache bekannte GPK entsprechend erweitern oder anpassen. ▶ Die Kinder, die in kyrillischer (z. B. Russisch, Ukrainisch) oder arabischer Schrift alphabetisiert wurden, müssen zunächst das lateinische Alphabet und dessen GPK lernen. ▶ Außerdem gibt es noch Kinder, die in einer anderen Buchstabenschrift (z. B. Thailändisch) oder in einer Zeichen- oder Wortschrift (z. B. Chinesisch) alphabetisiert wurden und zunächst das lateinische Alphabet bzw. überhaupt eine Buchstabenschrift erlernen müssen. Entsprechend der jeweiligen individuellen Lernausgangslagen muss für diese Kinder das passende Konzept für den Schriftspracherwerb ausgewählt werden. Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, die Lesen und Schreiben in der deutschen Sprache erlernen, haben sich aktuelle didaktische Konzepte wie beispielsweise Lautleseverfahren (vgl. Rösch 2011, 196), die für Kinder mit Deutsch als Erstsprache effektiv sind, ebenfalls als sinnvoll erwiesen. Dabei handelt es sich vorwiegend um systematisch-strukturierte und methodenintegrierende Verfahren, wie sie z. B. einem Fibellehrgang zugrunde liegen, um den Spracherfahrungsansatz und die silbenanalytische Methode (vgl. Weinhold 2005, 24-31; Röber-Siekmeyer 2007, 5-9). Neben dem Schriftspracherwerb ist es für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache zudem besonders wichtig, einen ausreichenden Wortschatz aufzubauen, diesen zu erweitern und zu festigen sowie syntaktische Strukturen zu kennen. Der Einsatz von Lautgebärden hat sich dabei als positiv erwiesen (vgl. Schulte-Bunert 2013, 131). Vielversprechend scheint daher der Einsatz von Lernszenarien, da sie einen „breiten Rahmen für Sprachgebrauch in authentischen Kommunikationssituationen“ (Rösch 2011, 70) bieten. Gute Lernszenarien sind nach dem SMART -Prinzip konzipiert, d. h. sie sind: ▶ klar strukturiert (significant), ▶ bedeutsam für die Lernenden (meaningful), ▶ herausfordernd, aber erreichbar bzgl. des Anspruchsniveaus (achievable), ▶ bezogen auf den Lehrbzw. Bildungsplan (related) und ▶ lassen ausreichend Zeit zur Bearbeitung (time-related). Werden Lernszenarien mit der Analyse von Sprache verbunden, werden sie sowohl dem „Fokus on Form“als auch dem „Fokus on Meaning“-Konzept gerecht (vgl. Rösch 2011, 73 f). Fokus on Form fokussiert die Verknüpfung sprachlicher Formen mit ihrer Bedeutung bzw. Funktion und orientiert sich am situativen und sprachlichen Kontext. Formale Fehler des Lernenden erfahren ein Feedback durch die Lehrkraft, indem diese die Lerneräußerung gemäß der Zielsprache modelliert (recasts) oder eine metasprachliche Erklärung gibt. Fokus on Meaning stellt die inhaltlichen Aspekte der Sprache in den Mittelpunkt und hat die Präzision in der Wortwahl zum Ziel. Feedback erfolgt hier reaktiv und formbezogen in Interaktion zwischen der Lehrkraft und dem Lernenden (vgl. Rösch 2011, 73-75). <?page no="119"?> 119 6.3 Exemplarische Unterrichtskonzepte 6.3 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe Alphabetisierung 1.-4. ▶ Berkemeier, Anne (2015). Hörtabelle. Aus: Werkstattmaterialien zur Sprachförderung. Url: www.ph-heidelberg.de/ hoertabelle (zuletzt geprüft: 30. 08. 2018). Diagnose 1./ 2. ▶ Naegele, Ingrid (2014). Praxisbuch LRS . Hürden beim Schriftspracherwerb erkennen- - vermeiden-- überwinden. Weinheim, Basel: Beltz. (Insb. S. 229 ff) Leseflüssigkeit/ Zuhören 2.-5. ▶ Wild, Johannes & Schilcher, Anita (2017). Filius Lehrerhandreichung. Flüssigkeit im Lesen mit unterschiedlichen Sachhörtexten trainieren. Url: www.projektelis.eu (zuletzt geprüft: 30. 08. 2018). Lesen und Schreiben lernen 1./ 2. ▶ Koenen, Marlies (2012). Wie Kinder die Welt der Wörter entdecken. Praxisanregungen für den Schriftspracherwerb. Braunschweig: Westermann. Phonlog. Bewusstheit 1./ 2. ▶ Forster, Maria & Martschinke, Sabine (2012). Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi. Donauwörth: Auer. 1./ 2. ▶ Martschinke, Sabine; Kirschhock, Eva-Maria & Frank, Angela (2011). Der Rundgang durch Hörhausen. Das Nürnberger Erhebungsverfahren zur phonologischen Bewusstheit. Donauwörth: Auer. 1.-3. ▶ Stock, Claudia & Schneider, Wolfgang (2011). PHONIT . Ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der phonologischen Bewusstheit und Rechtschreibleistung im Grundschulalter. Göttingen u. a.: Hogrefe. Schreiben 1.-4. ▶ Goldenstein, Marina (2017). Schreiben in der Zweitsprache Deutsch. Wie können Kinder mit Deutsch als Zweitsprache beim Schreibprozess unterstützt werden? Grundschulmagazin, 6, 57-63. Sprachförderung 1.-2. ▶ Goldenstein, Marina (2018). Lernszenarien im handlungsorientierten DaZ-Unterricht. Grundschulmagazin, 2, 58-63. 1.-4. ▶ Wilkening, Nina (2013). 80 schnelle Spiele für die DaZ- und Sprachförderung. Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr. <?page no="120"?> 120 6 Frühkindliche Sprachentwicklung beschreiben Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe 1.-4. ▶ Rösch, Heidi; Ahrens, Ruth; Dirim, Inci; Piepho, Hans-Eberhard; Röhner-Münch, Karla & Tschachmann, Uta (Hrsg.). (2003). Deutsch als Zweitsprache. Sprachförderung: Grundlagen, Übungsideen, Kopiervorlagen. Braunschweig: Schroedel. 3./ 4. ▶ Riegeler, Susanne; Laser, Björn & Girshausen, Bernadette (2015). Sprache untersuchen 3+4. Stuttgart: Klett. KiGa/ GS ▶ Küspert, Petra & Schneider, Wolfgang (2008). Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Sprechen 1.-3. ▶ Goldenstein, Marina (2018). Kreative Textarbeit mit DaZ-Kindern. Grundschulmagazin, 1, 57-62. Wortschatz 1.-4. ▶ Goetheinstitut (o. J.). Experimentieren mit Deutsch. Url: https: / / www.goethe.de/ ins/ hu/ de/ spr/ unt/ kum/ kin/ exp.html (zuletzt geprüft: 29. 11. 2018). KiGa/ GS ▶ Garlin, Edgardis (2008). Die KIKUS -Methode. Ein Leitfaden. Ismaning: Hueber. <?page no="121"?> 121 6.3 Exemplarische Unterrichtskonzepte 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Anita Schilcher, Christian Gegner Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie (,) … ▶ was mündliche Kompetenz ist. ▶ auf welchen Ebenen sich Mündlichkeit beobachten und beschreiben lässt. ▶ welche Teilbereiche von Mündlichkeit es gibt. ▶ welche Kompetenzen im Teilbereich monologische Gesprächsformen erworben werden sollen. ▶ welche Kompetenzen im Teilbereich dialogische Gesprächsformen erworben werden sollen. ▶ welche Kompetenzen im Teilbereich darstellendes Spiel erworben werden sollen. ▶ welche Störungen es im Bereich der Mündlichkeit gibt. Noch in den 1990er Jahren betonte Fritzsche (1994, 58): Während die mündliche Kommunikationsfähigkeit schon vorschulisch erworben wird und sich auch ohne schulische Unterweisung in einem bestimmten Maß weiterentwickelt, ist die Einführung in die Schriftkultur vor allem Aufgabe der Schule. Bereits damals existierten jedoch schon Gegenmeinungen und es wurde beklagt, dass „das Schwergewicht immer noch häufig auf die schriftlich-analytische Arbeit gelegt“ werde und die „systematische Schulung der mündlich-kommunikativen Kompetenz vernachlässigt“ (Lüdin 1996, 35; vgl. auch Spinner 1997, 16) werde. Seither hat die „Mündlichkeit“ sowohl in der deutschdidaktischen Forschung, in bildungsadministrativen Vorgaben (Bildungsstandards und Lehrpläne) als auch in der schulischen Praxis an Bedeutung gewonnen. In den Bildungsstandards steht der Bereich „Sprechen und Zuhören“ gleichbedeutend neben dem Lesen und dem Schreiben, während der Bereich „Sprache und Sprachgebrauch reflektieren“ als Querschnittsbereich funktional auf diese prozessbezogenen Kompetenzbereiche angewendet werden soll. Die Bildungsstandards fordern damit nicht nur die Förderung anwendungsorientierter mündlicher Kompetenzen, sondern auch das Reflektieren und Analysieren mündlicher Sprechsituationen. Der Bereich „Sprechen und Zuhören“ gliedert sich dabei je nach Abschluss (Primarstufe, Hauptschulabschluss, Mittlerer Schulabschluss, allgemeine Hochschulreife) in zwei bis fünf Bereiche (vgl. Tab. 7.1). Während im schriftsprachlichen Bereich rezeptive und produktive Fähigkeiten (Lesen und Schreiben) getrennt betrachtet werden und auch unterschiedliche Kompetenzmodelle vorliegen, werden diese in der Mündlichkeit zusammengefasst (Hören und Sprechen). Eine deutlichere Trennung der Aspekte Hören und Sprechen wäre für die Kompetenzbeschreibung angemessener, denn auch in der Mündlichkeit lassen sich rezeptive und produktive Fähigkeiten klar unterscheiden. <?page no="122"?> 122 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Primarbereich 15. 10. 2004 Hauptschulabschluss 15. 10. 2004 Mittlerer Schulabschluss 04. 12. 2003 Allgemeine Hochschulreife 18. 10. 2012 Gespräche führen mit anderen sprechen mit anderen sprechen dialogische Gesprächsformen: mit anderen sprechen verstehend zuhören verstehend zuhören verstehend zuhören zu anderen sprechen zu anderen sprechen zu anderen sprechen monologische Gesprächsformen: vor anderen sprechen vor anderen sprechen vor anderen sprechen szenisch spielen szenisch spielen szenisch spielen über Lernen sprechen Tab. 7.1: Übersicht über Mündlichkeit in den Bildungsstandards Da die genuin deutschdidaktische Forschung zur Mündlichkeit vergleichsweise jung und noch überschaubar ist (vgl. Eriksson 2012a, 120), wird, um sich dem Phänomen der mündlichen Kompetenz zu nähern, oft auf nahestehende Bezugswissenschaften zurückgegriffen, etwa auf die Gesprächslinguistik oder die Sprechwissenschaft. Letztere teilt mit der Didaktik das Bemühen, zentrale Kompetenzen zu bestimmen, ihre Vermittlung zu untersuchen und zu optimieren, wenngleich sie sich nicht primär auf schulische Lernprozesse richtet: Die Sprechwissenschaft befasst sich mit der „Analyse, Beschreibung und didaktischen bzw. therapeutischen Beeinflussung ausgewählter Bereiche der Sprechkommunikation. Ausgangspunkt hierfür ist ein Verständnis der Sprechsituation, das die miteinander kommunizierenden Menschen (Wer mit Wem? ), den Kommunikationsgegenstand (Worüber? ), den Kommunikationsinhalt (Was? ) sowie die Modalitäten (Wie? ) als gleichrangige Faktoren betrachtet. Hinzu kommen Anlass und Ziel sowie zeitlich-räumliche Einflussfaktoren des Kommunikationsprozesses“ (Neuber 2016a, 1). 7.1 Was ist Mündliche Kompetenz? Um mündliche Kompetenz angemessen diagnostizieren und fördern zu können, bedarf es zunächst einer genaueren Vorstellung davon, was diese im Kern ausmacht und auf welche Bereiche (etwa des Körpers, der Medien etc.) sich mündliche Kommunikation erstreckt. Nach Fiehler (2012) wird mündliche Kommunikation folgendermaßen definiert: Unter Mündlicher Kommunikation wird „die Gesamtheit der kommunikativen Praktiken verstanden, in denen die Verständigung zwischen mindestens zwei Parteien durch verbale mündliche Kommunikation, körperliche Kommunikation und / oder Kommunikation auf der Grundlage visueller Wahrnehmungen und Inferenzen erfolgt“ (Fiehler 2012, 26; im Original teilweise kursiv). Mündliche Kommunikation ist also nicht nur verbaler Art, wie das ein erstes Alltagsverständnis suggerieren könnte, sondern findet etwa auch mittels körperlicher Ausdrucksmöglichkeiten statt (Multimodalität). Die schulische Förderung kommunikativer Fähigkeiten muss deshalb auch diese Aspekte mit einbeziehen. Darüber hinaus sind aber auch unterschiedliche <?page no="123"?> 123 7.1 Was ist Mündliche Kompetenz? Großformen mündlicher Kommunikation zu unterscheiden. Brünner (2012) schlägt als Differenzierung eine Zweiteilung vor: „Dialogische, interaktive Formen mündlichen sprachlichen Handelns (Gespräche) stehen mehr oder weniger monologischen Formen (Rede, Vortrag, Präsentation usw.) gegenüber“ (Brünner 2012, 52). Diese Unterteilung findet sich auch in den letzten Beschlüssen der Kultusministerkonferenz für die allgemeine Hochschulreife (s. o.). Zu den „dialogischen Gesprächsformen“, die als „mit anderen sprechen“ (Haupt-/ Mittelschule, Mittlerer Schulabschluss) und „Gespräche führen“ (Primarbereich) in den Lehrplänen auftauchen, zählt auch die Kategorie „verstehend zuhören“. Die „monologischen Gesprächsformen“ für die allgemeine Hochschulreife werden mit „vor anderen sprechen“ gleichgesetzt. Eine weitere Kategorie, die sich hier nicht eindeutig zuordnen lässt, ist das „szenische Spielen“. Dies ist meist ein Spiel mit anderen, kann aber auch als szenische Interpretation eines Gedichts o. Ä. von einem Einzelnen gestaltet werden. Das szenische Spiel weist Schnittmengen mit dem literarischen Lernen auf, da es hier ja weniger um pragmatische (Alltags-)Fähigkeiten geht, sondern die ästhetische Gestaltung, etwa von literarischen Texten, im Vordergrund steht. Als Alleinstellungsmerkmal für den Primarbereich kann die zusätzliche Kategorie „über Lernen sprechen“ gelten, welche als längerfristigen Kommunikationsgegenstand das Lernen an sich thematisiert und systematische Lerngespräche einfordert. Gerade die explizite Formulierung dieses Redegegenstands macht deutlich, dass kommunikative Kompetenzen eine Doppelfunktion beim Lernen haben: Sie sind sowohl Lernmedium als auch Lernziel (vgl. Quasthoff 2012, 84 ff). Eingeschränkte kommunikative Kompetenzen verhindern damit das erfolgreiche Lernen und die Teilhabe an schulischen und gesellschaftlichen Diskursen (vgl. Quasthoff 2012). Durch die Gegenüberstellung der Inhalte des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ und deren Bezug zu einem Teil des sprechwissenschaftlichen Fächerkanons kann ein heuristisches Kompetenzmodell zu mündlicher Kommunikation für die schulische Bildung modelliert werden. Im Zentrum stehen basale produktive und rezeptive Kompetenzen wie Sprechdenkens- und Hörverstehensfähigkeit (z. B. Aspekte wie Artikulation und phonologische Bewusstheit). Diese Kompetenzen werden in den drei Bereichen „monologische“ und „dialogische Gesprächsformen“ sowie „szenisch spielen“ vertieft und um kommunikative Funktionen sowie situationsspezifische Merkmale ergänzt (vgl. Abb. 7.1). <?page no="124"?> 124 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Abb. 7.1: Heuristisches Modell mündlicher Kompetenz 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln Stellen Sie sich vor, Sie erleben ein Referat, in welchem einer Ihrer Schüler ein Buch mit Hilfe eines von ihm gestalteten Plakats präsentiert. Oder Sie beobachten eine Gruppendiskussion, in der Schüler und Schülerinnen Pro- und Kontrapositionen vertreten. Alternativ können Sie auch an einen Gedichtvortrag oder an eine Theateraufführung denken: Welche Aspekte mündlicher Kompetenzen nehmen Sie in solchen Situationen wahr? <?page no="125"?> 125 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln 7.2.1 Beschreibungsebenen der mündlichen Kommunikation Um die oben genannte Aufgabe lösen zu können, bedarf es einer systematischen Beschreibung von mündlicher Kommunikation, aus der Kriterien für die Entwicklung und Bewertung von Mündlichkeit gewonnen werden können. Je nachdem, durch welche wissenschaftliche Brille Sie diese Situationen betrachten, treten bestimmte Dinge besonders hervor. Aus semiotischer Sicht lässt sich Kommunikation auf Ebene der Zeichen beschreiben, wobei drei verschiedene Zeichenarten unterschieden werden: Index, Ikon und Symbol (vgl. Peirce 1983). Indexikalisch sind klassische Anzeichen, bei denen wir kausal von etwas sinnlich Wahrnehmbarem auf einen Grund schließen. So kann z. B. das Erröten während eines Referats auf Nervosität, auf Fieber oder auf Schwitzen verweisen. Es handelt sich bei solchen Anzeichen jedoch nicht um konventionalisierte Zeichen. Das heißt, es gibt keine vereinbarte Bedeutung und das Erröten ist mit keiner Kommunikationsabsicht verbunden, wie dies etwa bei ikonischen Zeichen der Fall ist. Hier erfolgt die Bedeutungszuweisung aufgrund einer Ähnlichkeit des Zeichens zum Bezeichneten. Hierunter fallen z. B. Onomatopoetika (Lautmalereien), Visualisierungen (etwa Emojis) und bestimmte Gesten, die etwas abbilden (etwa das angedeutete Durchschneiden der Kehle im Gangsterfilm) (vgl. Grießbach & Lepschy 2015, 29). Bei Symbolen hingegen erfolgt der Schluss regelgeleitet, was bei einem „überwiegende[n] Teil der Wortsprache“ (Grießbach & Lepschy 2015, 31) zutrifft. Wir müssen die Bedeutung eines Wortes deshalb lernen und zwar in jeder Sprache neu. Die semiotische Sichtweise verdeutlicht auch, dass der Ausdruck „Körpersprache“ als Oberbegriff für alle körperlichen Zeichen irreführend ist, da dieser voraussetzt, dass alle körperlichen Zeichen eine konventionalisierte Bedeutung haben (vgl. Heilmann 2011, 19). Dies trifft jedoch nur für wenige körperliche Phänomene, so z. B. für bestimmte Gesten zu, deren Bedeutungen interkulturell stark differieren können. Die Einteilung nach Zeichenart führt aber zu einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen verbaler und nonverbaler Ebene. Besonders hinsichtlich der nonverbalen Ebene ist auch der Ausdruck „Kommunikation“ nicht unproblematisch. Laut Helfrich & Wallbott (1980) fordert Kommunikation „einen von Sender und Empfänger zumindest partiell geteilten ‚Kode‘, also festgelegte Regeln über Zuordnungen von bestimmten Zeichen zu bestimmten Bedeutungen“ (Helfrich & Wallbott 1980, 268). Diese Voraussetzung scheint jedoch im Gegensatz zum verbalen Bereich (Symbolen) bei einigen nonverbalen Erscheinungen-- z. B. bei denen, die nicht bewusst vollzogen werden-- nicht durchgehend gegeben. Dennoch ist es so, dass auch diese Zeichen meist von einem Gegenüber interpretiert werden und eine Reaktion auslösen können. Aus diesem Grund wird besonders bei der Untersuchung von Mündlichkeit von einem weiten Kommunikationsbegriff ausgegangen, bei dem Kommunikation verstanden wird als „jede Form von Informationsübertragung“ (Ellgring 1995, 18)-- selbst wenn sie nicht willentlich geschieht. Ein berühmtes Zitat, das dies verdeutlicht, ist Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick 2011). Der nonverbale Bereich kann aus einer produktionsorientierten oder einer empfängerorientierten Perspektive weiter unterteilt werden. Dies bedeutet, dass auf unterschiedlichen Verhaltenskanälen Informationen „gesendet“ und „empfangen“ werden können. Nach Helfrich & Wallbott (1980, 268) und Wallbott (2003, 263) wird unter Verhaltenskanal <?page no="126"?> 126 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören entweder eine anatomisch abgrenzbare Körpereinheit-- Hände-= Gestik, Gesicht-= Mimik, Augen-= Blickverhalten etc.-- von der Produktion her zusammengehörige Verhaltensaspekte-[…] oder durch das Empfängersensorium definierte Abgrenzungen- - akustisch- = Stimme, Sprechweise, visuell- = Gestik, Mimik etc., olfaktorisch-= Geruch, etc. verstanden. Beide Modelle können in folgendes Schaubild integriert werden und um konkrete, beobachtbare Verhaltensanteile ergänzt werden (vgl. Abb. 7.2): Abb. 7.2: Empfängersensorium (nach Allhoff & Allhoff 2014, 21) Während die Grafik einen ersten Zugang zu beobachtbaren und beschreibbaren Phänomenen der nonverbalen Ebene liefert, sagt sie jedoch noch nichts über eine (Be-)Wertung der konkreten Phänomene aus. Um hierfür Kategorien entwickeln zu können, ist es wichtig zu wissen, wie bestimmte nonverbale Verhaltensweisen entstehen und wie sie wahrgenommen werden bzw. wirken. Die Herausforderungen, die hierbei für Lehrkräfte entstehen, sind besonders der Tatsache geschuldet, dass viele nonverbale Verhaltensweisen unbewusst stattfinden und teilweise (z. B. der Sprechtonbereich) auch die Persönlichkeit betreffen. Somit ist Kompetenzerwerb im Bereich „Sprechen und Zuhören“ auch immer mit Persönlichkeitsbildung verbunden, der ein behutsames und empathisches Vorgehen sowie die Orientierung an sinnvollen Feedbackkriterien erfordert, um Wirkungen, die interindividuell unterschiedlich sein können, zu beschreiben. Nicht selten wird in unterrichtlichen Situationen deutlich, dass sich Selbst- und Fremdbild unterscheiden können. Dies kann gerade in der Pubertät, in der viele Jugendliche unsicher sind, zu Zweifeln führen. <?page no="127"?> 127 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln 7.2.2 Entstehung nonverbalen Verhaltens Während einige nonverbale Verhaltensweisen innerhalb einer Sprachgemeinschaft konventionalisiert sind und bewusst eingesetzt werden, wie z. B. ein Händeschütteln als Begrüßungsritual oder Nicken für Zustimmung, sind andere Verhaltensweisen häufig nicht immer bewusst: Beispielsweise hat unsere Stimmungslage auch immer Einfluss auf unsere Stimme. Hier sind es vor allem Emotionen oder Affekte, die nonverbale Verhaltensweisen bedingen. Je nachdem, ob eine Situation als angenehm oder unangenehm empfunden wird, wirken sich diese Erregungszustände auch auf unsere Muskelaktivitäten aus, welche wiederum unser nonverbales Verhalten beeinflussen. Hier kommt vor allem dem Gesichtsausdruck im Vergleich zu anderen nonverbalen Verhaltensweisen eine besondere Bedeutung zu. Generell lassen sich über das Gesicht sowohl Rückschlüsse auf die Identität, das Geschlecht, die Attraktivität und Eigenschaften von Personen ziehen (vgl. Cohn & Ekman 2008, 9). Obwohl es bislang noch keine endgültige Beschreibung aller bei Emotionen beteiligten Muskelaktivitäten im Gesicht gibt, belegen schon frühe Untersuchungen die Existenz universeller Gesichtsausdrücke bei Basisemotionen, die interkulturell auch gleich wahrgenommen werden. Bedeutsam ist jedoch, dass sich die Auslöser für bestimmte Emotionen und auch die Kontrolle des Gesichtsausdrucks interkulturell unterscheiden können (vgl. Ekman 1977, 106). Jüngste Untersuchungen bestätigen die Annahme von universellen emotionalen Zeichen im Gesichtsausdruck und bewerten fünf Emotionen als empirisch gesichert: „anger (91 %), fear (90 %), disgust (86 %), sadness (80 %), and happiness (76 %)“ (Ekman 2016, 32). Im Unterschied zur Untersuchung des Gesichtsausdrucks in Verbindung mit Emotionen erhielten stimmliche Merkmale nicht dieselbe Aufmerksamkeit. Dieser Sachverhalt ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass prosodische Untersuchungen sehr komplex sind. Prosodie: Zu suprasegementalen oder prosodischen Merkmalen gehören „Sprechmelodie, Lautheit, Dauer, Sprechgeschwindigkeit, Sprechspannung, Pausen sowie (indexikalisch bedingte) Stimmqualität und Stimmausdruck (Timbre) und deren jeweilige Variation. Diese Merkmale tragen einzeln oder in Kombination (als Akzentuierung, Gliederungssignale oder rhythmische Muster) bestimmte Funktionen in der gesprochenen Äußerung“ (Hirschfeld & Stock 2016, 38 f). Im Detail sind es hauptsächlich folgende Funktionen, die unsere Stimme und Sprechweise erfüllt. ▶ Die Absicht des Sprechers / der Sprecherin wird verdeutlicht, ▶ eine Gliederung und Strukturierung der Äußerung erfolgt, ▶ die Bedeutung und Aussageschwerpunkte werden hervorgehoben, ▶ Bedeutungsspielräume werden reduziert, ▶ in Gesprächssituationen entscheiden häufig stimmlich-sprecherische Merkmale, wie der Sprecherwechsel abläuft oder sie signalisieren, wer das Rederecht behalten will, ▶ die emotionale Gestimmtheit des Sprechers / der Sprecherin wird verdeutlicht: „Der Ton macht die Musik“ (vgl. Hirschfeld & Stock 2016, 39). <?page no="128"?> 128 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Während einige prosodische Merkmale dem Teilbereich der Phonologie zugerechnet werden und damit in einem Sprachsystem bedeutungsunterscheidende Funktion besitzen (z. B. Wortakzente ‘umfahren oder um‘fahren), gehören andere prosodische Merkmale eher dem Forschungsgegenstand der Phonetik an. Dies betrifft besonders stimmliche Merkmale bei bestimmten Emotionen (expressive Funktion) oder Merkmale zur Hervorhebung von Informationen (kommunikative Funktion) (vgl. Hirschfeld & Stock 2016, 40). Während sich spezifische Emotionen universell im Gesichtsausdruck und im stimmlichen Ausdruck widerspiegeln, trifft dies für den eigentlichen Körper und dessen Bewegungen nicht zu. Im Besonderen versteht Harrigan (2008) unter körperlichen Signalen Proxemik (räumliches Verhalten), Kinesik (Körperbewegungen) und Blickverhalten (Harrigan 2008, 137). Während körperliche Bewegungen und Positionen vor allem durch Kultur, Alter, Geschlecht und dem sozialen Status moderiert werden (vgl. Harrigan 2008, 141), zeigen besonders neuere Untersuchungen zur Gestik deren enge Verbindung zur verbalen Äußerung. Vor allem die Rolle der sprechbegleitenden Gestik-- der sog. Illustratoren (vgl. Goldin-Meadow & Cook 2012)-- wurde in mehreren Studien untersucht. Es lässt sich zeigen, dass Gestik und Sprechen auf jeder Ebene der Sprachproduktion verbunden sind: der phonologischen, der lexikalischen, der syntaktischen, der prosodischen und der konzeptuellen Ebene. So erleichtert eine redebegleitende Gestik z. B. auch den lexikalischen Zugriff beim Sprechen und unterstützt damit die Sprechflüssigkeit. Aber auch für den Empfänger kann die Gestik eines Sprechers eine zusätzliche Informationsquelle neben dem eigentlichen Gesagten sein, z. B. wenn aufgrund von Umgebungslärm der Sprecher nur schwer zu verstehen ist. 7.2.3 Zur Wirkung nonverbalen Verhaltens Im Gegensatz zu konventionalisierten nonverbalen Verhaltensweisen kann die Wirkung nichtkonventionalisierter nonverbaler Verhaltensweisen je nach Kommunikationskontext unterschiedlich sein: So kann ein erhöhtes Sprechtempo beispielsweise in einer Prüfungssituation durchaus überzeugend wirken, während in einer Erklärsituation dem Erklärenden Desinteresse unterstellt werden könnte, da die Verständlichkeit auf Seiten des Rezipienten hierunter leiden kann. Die Sprechweise und die Stimme haben Einfluss auf die Beurteilung der Persönlichkeit, der Kompetenz, Sicherheit, Dominanz und auch des Wohlwollens eines Sprechers (vgl. Weirich 2010, 113 ff) Denken Sie selbst an Situationen, in denen visuelle Informationen fehlen und Sie sich ausschließlich aufgrund des auditiven Eindrucks ein Bild Ihres Gegenübers machen müssen, z. B. bei Telefonaten mit Fremden oder bei Radiomoderatorinnen und -moderatoren, die Sie nicht kennen. Auch deutsche Synchronstimmen verstärken oft gegenüber den Originalstimmen bestimmte Merkmale der dargestellten Figuren. Versuchen Sie beim nächsten Hören eines Radioprogramms oder eines Hörbuches ihren Eindruck der Persönlichkeit des Sprechers auf bestimmte stimmliche Merkmale zurückzuführen: Welche sind dies und für welchen Eindruck sind diese verantwortlich? <?page no="129"?> 129 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln Aufgrund der hohen Übereinstimmung bei der Wahrnehmung von Stimmen nimmt Weirich (2010) die Existenz von sog. „vocal stereotypes“ an, was eine „Stereotypisierung der Persönlichkeit eines Menschen aufgrund von dessen Stimme“ (Weirich 2010, 114) bedeutet. Auch aus wahrnehmungspsychologischer Sicht wissen wir, dass Stereotypisierung eines von vielen Prinzipien bei der Eindrucksentstehung ist. Stereotypisierung hilft uns, einen schnellen Eindruck von einer Person zu erlangen und Situationen einschätzen zu können. Zusätzlich zu unseren Eindrücken nehmen wir auch bestimmte Ursachenzuschreibungen, „Attributionen“, vor: Wir nehmen also bestimmte Gründe bei einem Sender an, warum er sich so verhält, wie er es eben tut, z. B. die Persönlichkeit, die vermeintliche Kompetenz, eine bestimmte Einstellung, die Fähigkeit, soziale Beziehungen aufzunehmen, etc. In Face-to-Face-Situationen können wir unser Gegenüber auf unterschiedlichen Kanälen wahrnehmen und somit ergibt sich auch der Eindruck aus auditiven, visuellen und eventuell olfaktorischen etc. Informationen. Beispielsweise konnten in Hinblick auf nonverbale Verhaltensweisen bei einem Vortrag Burgoon et al. (1990) nachweisen, dass ein flüssigeres Sprechen mit höherer Kompetenz und Gelassenheit eines Redenden assoziiert wird. Ebenso wirkt sich eine melodische Sprechweise positiv auf die wahrgenommene Kompetenz und die Charakterbeurteilung eines Sprechers aus. Auch andere nonverbale Verhaltensanteile wie Blickkontakt zum Publikum und ein freundlicher Gesichtsausdruck führen zu positiveren Urteilen über die Persönlichkeit. Überdies wirken sich eine redebegleitende Gestik und eine ausgewogene Körperspannung positiv auf Soziabilitätsurteile aus. Die Ergebnisse der Studie von Burgoon et al. (1990) legen nahe, dass wir besonders aufgrund dieser und noch einiger weiterer nonverbaler Verhaltensweisen die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft eines Redenden einschätzen. Andere gestische Verhaltensweisen eines Redners, wie Berührungen des eigenen Körpers oder die Manipulation von Objekten, wirken sich hingen negativ auf die wahrgenommene Überzeugungskraft aus. Hierunter fallen beispielsweise Kratzen, Durchdas-Haar-Streichen, Spielen mit Kugelschreiber etc. Darüber hinaus können nonverbale Verhaltensweisen eines Redenden auch das Verständnis auf Publikumsseite positiv beeinflussen. Interaktionsorientierte Studien in Lehr-Lern-Kontexten zeigen, dass abwechslungsreiches Sprechen, redebegleitende Gestik, Pausensetzung, Blickkontakt etc. eine Steuerung der selektiven Aufmerksamkeit und damit auch eine Aktivierung der Gedächtnisbildung bewirken können (vgl. Wood 1998). Neuber (2002, 101) und Murray (2007, 163) betonen vor allem die positiven Auswirkungen auf das Lernen, wenn stimmlich-sprecherische und gestische Mittel zur Strukturierung eingesetzt werden. Mündliche Kommunikation ist damit nicht nur als Unterrichtsgegenstand relevant, der Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, ihre Ziele mithilfe von Kommunikation zu erreichen, sondern auch als Lernmedium, um Schülerinnen und Schülern möglichst optimale Lernbedingungen zu ermöglichen. <?page no="130"?> 130 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören 7.2.4 Der verbale Bereich: Sprachproduktion und Sprechdenken Denken Sie noch einmal an die oben erwähnten schulischen Rede- oder Gesprächssituationen. Als Lehrkraft werden Sie versuchen, Ihre Aufmerksamkeit zunächst vorrangig auf das zu richten, was ein Schüler bzw. eine Schülerin sagt, also den Inhalt des jeweiligen Sprechaktes. Im Unterschied zum nonverbalen Verhalten ist uns die inhaltliche Aussage in den meisten Situationen bewusst. Über die einzelnen Vorgänge beim Sprechen, wenn wir es tun, sind wir uns zum größten Teil jedoch nicht im Klaren. Laut Dietrich & Gerwien (2017) kann am Sprechen viel Störendes auffallen: „Es kann stören, dass jemand zu viel oder wenig spricht, Gesagtes unzusammenhängend erscheint, Formulierungen gedrechselt wirken, das Redetempo auffallend schnell oder langsam oder die Aussprache undeutlich ist“ (Dietrich & Gerwien 2017, 113). Diese Störungen verweisen wiederum z. B. auf Standards und Maßstäbe in der Kommunikationsgemeinschaft, denen entsprochen werden sollte, oder auf Schwierigkeiten im Planungsprozess oder Fehlgriffe in der situationsangepassten Wahl von sprachlichen Mitteln etc. (vgl. Dietrich & Gerwien 2017). Um als Lehrkraft beim Aufbau mündlicher Kompetenzen unterstützen zu können, ist es nötig, sich die einzelnen Abläufe der Sprachproduktion ins Bewusstsein zu rufen (vgl. Abb. 7.3). Die Aufgabe der Sprachproduktion besteht darin, die Intention, etwas zu sagen, in Muskelbewegungen unserer Artikulationsorgane zu übersetzen (Spalek 2010, 58 f). Dietrich & Gerwien (2017) gliedern ihr Schema des Sprachproduktionssystems nach Verarbeitungsinhalten und integrieren Ansichten des niederländischen Psycholinguisten Levelt (1989). Hierzu unterteilen sie zwischen sprachfernen, sprachnahen und direkt sprachlichen Aktivitäten. <?page no="131"?> 131 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln Abb. 7.3: Sprachproduktion (nach Dietrich & Gerwien 2017, 116) Die Planung der Kommunikation umfasst sowohl sprachferne Aktivitäten (z. B. Bedingungen der Kommunikation und die Zielsetzung) als auch sprachnahe Aktivitäten (die Festlegung des Redegegenstandes und die Art und Weise- - z. B. berichten oder erzählen). Als nächstes erfolgt die Planung des Inhalts als ebenfalls sprachnahe Aktivität. Zur Bewältigung der kommunikativen Aufgabe werden Gedächtnisinhalte aktiviert, woraus wiederum <?page no="132"?> 132 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Informationen ausgewählt werden müssen und die Gesamtinformation segmentiert wird. Diese Segmente müssen wiederum in eine Reihenfolge (Linearisierung) gebracht werden und der Äußerungsinhalt (Personen, Objekte, Sachverhalte etc.) und die Redeabsicht begrifflich strukturiert werden. Diese Schritte der Makro- und Mikroplanung bezeichnet man insgesamt als Konzeptualisierung der Äußerung, etwa die Informationsselektion und -organisation. Das Ergebnis der Konzeptualisierung ist eine gedankliche, präverbale „Message“. An diesem Punkt setzt eine erste Selbstkontroll- und Korrekturfunktion (Monitoring) an, da es möglich ist, dasjenige zu überdenken, was man gerade sagen möchte. Die direkten sprachlichen Aktivitäten umfassen diejenigen Prozesse, welche die präverbale „Message“ in sprachliche Formen überführen und durch die Artikulation wahrnehmbar werden lassen. Während des Formulierungsprozesses werden für das präverbale Konzept lexikalische Einheiten gesucht und syntaktisch enkodiert. Das Ergebnis wird wiederum in der phonologischen Enkodierung (Silbenstruktur, Intonation) in eine phonetische Kette überführt, welche ebenfalls noch kognitiv repräsentiert ist. Dieser phonetische Plan wird durch das Artikulationssystem in motorische Bewegungen umgesetzt, um die Äußerung auszusprechen. Zusätzlich existieren weitere Monitoringprozesse, die die Kontrolle und Korrektur der Äußerung erlauben (vgl. Dietrich & Gerwien 2017, 144 ff). Es steht außer Frage, dass im Rahmen dieser Operationen, welche hier vereinfacht wiedergegeben wurden, viele Herausforderungen lauern. Neben der Tatsache, dass der Sprechbeitrag inhaltlich an der Aufgabenstellung oder der Zielgruppe vorbeigeht, können auch verschiedene Probleme beim Sprechdenkprozess auftreten, welche sich z. B. in Sprechunflüssigkeiten äußern können. Die Symptome von Sprechunflüssigkeit können verbaler und nonverbaler Natur sein: z. B. Startwörtchen (hm, ja, also, genau), Wiederholungen von Satzteilen, Wörtern, Silben und Lauten, stille oder gefüllte Pausen (äh) und Körpermitbewegungen (vgl. Pabst- Weinschenk 2011a, 64). Obwohl manche dieser Symptome, wie z. B. das berühmte Äh, auch beim ungestörten Sprechdenkvorgang auftreten und nicht störend wirken, kann ein „gehäuftes Auftreten von Ähs die Aufmerksamkeit auch unkritischer Zuhörer“ (Pabst-Weinschenk 2011a, 65) negativ beeinflussen. Der Unterricht im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ zielt somit auch auf eine Schulung des Sprechdenkprozesses ab, um möglichst freie und dennoch strukturierte Redebeiträge zu einem bestimmten Thema abgeben zu können. 7.2.5 Hören und Hörverstehen Jede Kommunikationssituation ist jedoch nicht nur durch einen Sprecher, sondern ebenfalls durch einen Hörer bestimmt, der wiederum zu einem Sprecher werden kann. Während der Begriff ‚Hören‘ sehr allgemein ist, geht es in Kommunikationssituationen besonders um ‚Zuhören‘. Beim Zuhören hören wir die eigentliche Äußerung und versuchen sie zu verarbeiten und zu verstehen. Hören lässt sich nach Hillegeist (2010, 60) und Müller (2012a, 41) als Prozess mit unterschiedlichen Qualitäten verstehen: <?page no="133"?> 133 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln Abb. 7.4: Qualitäten des Zuhörens Als akustische Wahrnehmung wird die Aufnahme von physikalischen Schallereignissen bezeichnet, wobei noch keine Identifizierung dieser Ereignisse erfolgt. Erst in der Phase der auditiven Wahrnehmung (etwas hören) wird der Reiz aufgrund kognitiver Operationen z. B. als Musik oder Stimme erkannt. Dies bedeutet, der Hörer muss hierbei das Gehörte mit vorhandenen Wissensstrukturen abgleichen, um zu einer Interpretation des Reizes zu gelangen. Denken Sie z. B. an eine typische Klassenzimmersituation. Schülerinnen und Schüler nehmen eine Fülle an akustischen Reizen wahr, können meistens aber unterscheiden, von welcher Quelle diese akustischen Eindrücke kommen: Sei es die Erklärung der Lehrkraft, die Gespräche in der Gruppenarbeit, das Surren des Beamers, Geräusche vorbeilaufender Schüler vom Gang her oder das Schwätzen der Sitznachbarn. Je nachdem, ob der Vortrag der Lehrkraft oder die Neuigkeiten der Mitschülerin gerade interessanter sind, kann man alle anderen akustischen Eindrücke ausblenden und sich bewusst auf den vorrangigen Sprecher konzentrieren. Unter Zuhören wird deshalb ein gerichteter Prozess verstanden, der mit einer Zuhörabsicht verbunden ist. Analog zum oben dargestellten Sprachproduktionsprozess läuft auch der Zuhörprozess mehrstufig ab: <?page no="134"?> 134 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Abb. 7.5: Prozess des Zuhörens (nach Imhof 2010, 19, aus Müller 2012a, 40) Die Grafik verdeutlicht, wie komplex der Prozess der Sprachinformationsverarbeitung eigentlich ist. Hierbei laufen-- ebenso wie dies beim Lesen der Fall ist-- sowohl aufsteigende Verarbeitungsprozesse vom akustischen Signal ausgehend (Bottom-up) als auch absteigende Verarbeitungsprozesse (Top-down) ab. Letztere sind vom Vorwissen, bekannten Schemata und Erwartungen geprägt. Von Hörverstehen kann erst gesprochen werden, wenn die Sinnkonstitution des Gehörten gelingt. Für die Verstehensleistung werden neben dem akustischen Signal auch Wahrnehmungen und Interpretationen der Situation und des Sprechers integriert. In einer Gesprächssituation spielt jedoch auch der nächsthöhere Schritt-- das aktive Zuhören-- eine wichtige Rolle. Hierunter wird eine „zugewandte Form des Hörens und Verarbeitens, bei dem Zuhörstrategien eingesetzt und Hörverstehensprobleme reflektiert werden und an deren Lösung gearbeitet wird“ (Müller 2012a, 41), verstanden. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der Sie einer vertrauten Person eine Situation schildern, die den Umgang mit einem schwierigen Schüler betrifft. Sie erhoffen sich einen Rat, wie Sie sich verhalten sollen. Das Verhalten Ihres Gegenübers wird entscheidend sein, ob Sie sich verstanden fühlen oder nicht: Ermuntert Sie Ihr Gegenüber durch Rückmeldung wie mhm, Kopfnicken, Zusammenfassungen des Gesagten und Rückfragen? Aufgrund der gesprächsfördernden Wirkung wird das Konzept des aktiven Zuhörens auch als Strategie im Konfliktlösungsgespräch oder in der Gesprächspsychotherapie unter anderem als Rückspiegelung von Gefühlen etc. (vgl. z. B. Rogers 1985) verwendet. Eine Sonderform in der Staffelung des Hörens stellt das literarische Hörverstehen dar, welches auch das interpretierende Verstehen z. B. von poetischen Texten oder Hörbüchern <?page no="135"?> 135 7.2 Basale Kompetenzen entwickeln einschließt. Je nach Art der Sprechgestaltung oder musikalischen Untermalung können Stimmung, Motive oder Ziele der dargestellten Personen interpretiert und erkannt werden. Sensibilisieren Sie sich selbst für das literarische Hörverstehen und überprüfen Sie, wie es z. B. einem Profisprecher wie Rufus Beck gelingt, in der Vertonung der Harry- Potter-Reihe den unterschiedlichen Figuren ihren je spezifischen Charakter zu verleihen. Hinter dem vermeintlich alltäglichen Begriff ‚Hören‘ verbirgt sich eine Fülle an unterschiedlichen Formen. Es zeigt sich besonders, dass für die Stufe des Hörverstehens jedoch viele Kompetenzen erst gezielt erworben werden müssen. Müller (2012a) listet im Einzelnen folgende Voraussetzungen auf: ▶ „die Bereitschaft zuzuhören (Zuhörmotivation), ▶ auditive Aufmerksamkeit (Konzentration auf das Hören, Aufrechterhalten der Konzentration, Hörsensibilisierung, bewusstes Hören, Hörabsicht-- ‚Selektionsfähigkeit‘), ▶ Zugriff auf kognitive Muster (Sprachwissen, Textwissen, Weltwissen) und Hörmuster, mit deren Hilfe das Gehörte strukturiert wird-- ‚Organisationsfähigkeit‘), ▶ Hörerinnerung / Hörerfahrung, die in Form bestätigter oder umstrukturierter Hörmuster den Hörhorizont erweitert, die Wahrnehmung und Verarbeitung neuer Höreindrücke beeinflusst sowie Interpretation des Gehörten ermöglicht (‚Interpretationsfähigkeit‘), ▶ Zuhörstrategien, um den Vorgang zu überwachen und zu regulieren (aktives Zuhören)“ (Müller 2012a, 41 f). 7.2.6 Basale Kompetenzen entwickeln und fördern Damit die Schülerinnen und Schüler die basalen Kompetenzen im Bereich „Sprechen und Zuhören“ zunehmend situationsspezifisch und funktional anwenden können, müssen diese kompetent diagnostiziert werden und auch geeignete Interventionen angeboten werden. Im Gegensatz zum Angebot an Testverfahren für die Vorschule mangelt es jedoch leider immer noch an standardisiertem Diagnostikmaterial über die Einschulung hinaus. Überdies überprüfen viele Materialien lediglich diejenigen Kompetenzen, welche sich auch auf den Schriftspracherwerb auswirken (vgl. Eriksson 2012b, 448 ff). Für den Bereich der Mündlichkeit scheinen drei Qualifikationen der von Ehlich et al. (2007) zusammengestellten sieben Basisqualifikationen zur Sprachstandsfeststellung relevant: die phonische, die pragmatische und diskursive Qualifikation (vgl. Eriksson 2012b, 449). Während die meisten Schülerinnen und Schüler erst in der Grundschule mit dem Schriftspracherwerb beginnen (vgl. auch Kapitel 06), können bereits alle Schüler bei der Einschulung sprechen. Dennoch fallen bei vielen Schülern eine undeutliche Artikulation oder sogar phonetische Störungen auf, so z. B. dass der s-Laut nicht richtig artikuliert werden kann. Es muss bedacht werden, dass viele Kinder ab der ersten Klasse erstmals an einer größeren Kommunikationsgemeinschaft teilnehmen und hier auch zum ersten Mal damit konfrontiert werden, dass die eigene Sprechweise unter Umständen wegen ihrer individuellen oder regionalen Aussprachebesonderheiten nicht <?page no="136"?> 136 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören von allen verstanden wird. Ab der Primarstufe sollten Schülerinnen und Schüler deshalb auch für die Spezifika und Funktionen von Varietäten (Dialekt und Standard) sensibilisiert werden und lernen, darauf zu reagieren. Neben grammatikalischen und lexikalischen Besonderheiten betrifft dies hauptsächlich die Aussprache. Aufgaben zur Artikulation und den hierbei beteiligten Funktionskreisen (Atmung, Haltung, Phonation und Hören) finden sich z. B. bei Winter & Puchalla (2011). Neben dem produktiven Sprachgebrauch müssen jedoch auch die rezeptiven Kompetenzen berücksichtigt werden. Besonders problematisch für den Schriftspracherwerb ist es, wenn rezeptive Fähigkeiten wie die phonologische Bewusstheit nicht ausreichend entwickelt sind. Darüber hinaus sollen Aufgaben zum Heraushören von Stimmungen bis hin zu solchen zur Sensibilisierung für die kommunikative Funktion des aktiven Zuhörens und zum Hörverstehen oder literarischen Hörverstehen die rezeptiven Kompetenzen erweitern und vertiefen (vgl. Stiftung Zuhören; Müller 2012a / b; Gegner 2012; Schilcher 2012). Neben dem produktiven und rezeptiven Kompetenzerwerb über den auditiven Kanal betrifft dies auch Kompetenzen des visuellen und taktilen Kanals. Das Erkennen von sichtbaren nonverbalen Verhaltensanteilen z. B. bei verschiedenen Stimmungen ist auch hier wieder Voraussetzung für die Bewertung und angemessene Reaktion in späteren Situationen. Bereits an diesem Punkt spielt jedoch auch eine Bewusstheit für die eigenen nonverbalen Verhaltensweisen und deren mögliche Wirkung eine wichtige Rolle. Hinzu kommt die Fähigkeit, die eigenen nonverbalen Verhaltensweisen z. B. bei Lampenfieber durch Atem- und Muskelentspannungstechniken steuern zu können (vlg. Allhoff & Allhoff 2014, 119 ff; Wild 2013). Die pragmatische und diskursive Qualifikation werden besonders in den Bereichen monologische und dialogische Gesprächsformen sowie szenisches Spiel weiter konkretisiert. 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen Die basalen Kompetenzen finden ihre konkrete Anwendung in verschiedenen Kommunikationssituationen, innerhalb derer sie wiederum unterschiedliche Funktionen erfüllen. Mündlichen Kompetenzkonzepten, die bislang entwickelt wurden, liegt stets eine funktionale Fundierung zugrunde (vgl. Quasthoff 2012; Becker-Mrotzek 2012). Insgesamt wird die Mündlichkeit (z. B. in der Linguistik) meist in zwei Großformen- - monologische und dialogische Gesprächsformen- - unterteilt, während in der Sprechwissenschaft und in der Deutschdidaktik sowie in den Bildungsstandards und Lehrplänen noch das ästhetisch gestaltende Sprechen hinzukommt (vgl. Geißner 1988, 141-153; KMK 2004). Bereits in den Bildungsstandards für den Primarbereich heißt es zum Beispiel: „Die mündliche Sprache ist ein zentrales Mittel aller schulischen und außerschulischen Kommunikation. Sprechen ist auch immer soziales Handeln“ ( KMK 2004, 8). Wir handeln in den unterschiedlichsten Situationen, welche sich je nach Altersstufe zum Teil verändern: angefangen vom privaten Bereich, über den öffentlichen Bereich, den Bildungsbereich bis hin zum beruflichen Bereich. Selbst im Erwachsenenalter sehen wir uns ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, in denen wir kommunikativ agieren müssen. Nicht jede künftige Sprech- und Gesprächs- <?page no="137"?> 137 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen situation kann in der Schule vermittelt werden, die Beherrschung allgemeiner Grundmuster, im Sinne von Diskurseinheiten oder Handlungsmustern (vgl. Quasthoff 2012, 86), die sich aus den verschiedenen kommunikativen Funktionen ergeben, sind jedoch Ziel schulischer Lernprozesse, die je nach Alter und Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler situationsspezifisch geübt werden, etwa das Bewerbungsgespräch im Jahr vor dem Schulabschluss. Der Lernprozess ist jedoch darauf ausgelegt, diese Grundmuster auszudifferenzieren und auf neue Situationen transferieren zu lernen, etwa auf Arbeitsgruppengespräche oder auf Prüfungsgespräche. Quasthoff (2012, 88) definiert mündliche Kommunikationskompetenz als „Fähigkeit, mit globalen sequentiellen Erwartungen in Gesprächen produktiv und rezeptiv kontextualisierend umgehen zu können.“ 7.3.1 Kommunikationsfunktionen und Kommunikationssituationen Um die Komplexität der verschiedenen Kommunikationssituationen und die damit verbundenen Anforderungen strukturieren zu können und die relevanten Grundmuster zu erkennen, ist ein geeigneter Ausgangspunkt- - und Zielpunkt- - der Handlungscharakter von Sprache und Sprechen. Quasthoff (2012) spricht sich deshalb für die Bezeichnung „Diskurskompetenz“ bei mündlichen Lernkontexten aus, Becker-Mrotzek (2012) schlägt „Gesprächskompetenz“ als übergeordnete Bezeichnung für alle mündlichen Kompetenzen vor. Aus sprechwissenschaftlicher Sicht definiert Geißner (1988, 45) das Gespräch „als Prototyp der Kommunikation“. Wir orientieren uns in diesem Artikel stärker an der Gliederung mündlicher Kompetenz, wie sie in Bildungsstandards und Lehrplänen vorliegt, sehen jedoch auch Funktionalität und situierenden Kontext als zentrale Orientierungspunkte von Kommunikation. Das wohl bekannteste Zeichenbzw. Kommunikationsmodell ist das Bühlersche Organonmodell (Organon-= Werkzeug), das dem Zeichen (eigentlich sprachlichen Zeichen) drei zentrale Funktionen zuweist: Die Ausdrucksfunktion auf Seiten des Senders, die Appellfunktion im Hinblick auf den Empfänger und die Darstellungsfunktion im Hinblick auf den Gegenstand der Kommunikation (Bühler 1934, 28). <?page no="138"?> 138 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Abb. 7.6: Organon-Modell (Bühler 1934, 28) Das Bühlersche Modell wurde mehrfach aufgegriffen und erweitert. Prominentes Beispiel und mit hoher Relevanz für den Deutschunterricht ist das Modell der kommunikativen Funktionen von Jakobson (1979): Abb. 7.7: Modell der kommunikativen Funktionen (Jakobson 1979, 94) Jakobson verwendet für die drei Grundfunktionen nach Bühler jedoch nicht nur eine eigene Terminologie (Ausdrucksfunktion-= emotive Funktion, Appellfunktion-= konative Funktion, Darstellungsfunktion-= referentielle Funktion), sondern erweitert das Modell um drei weitere Funktionen: Bei der phatischen Funktion steht die Aufrechterhaltung des Kontakts im Mittelpunkt, etwa bei Interjektionen und Rückmeldungen wie „hm“, „ja genau“ oder auch beim Small-Talk. Bei der metasprachlichen Funktion steht der Kode, also die Sprache selbst, im Zentrum der Betrachtung, etwa bei Nachfragen wie „Was meinst du damit genau? “ oder bei Äußerungen, wie jemand rede „geschwollen“. Da die Analyse der sprachlichen Kommunikation einen eigenen Lernbereich des Deutschunterrichts darstellt („Sprache und Sprachgebrauch <?page no="139"?> 139 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen untersuchen“; vgl. Bildungsstandards der KMK ), ist es eine Aufgabe des Deutschunterrichts die metakognitive Verständigung über Sprache weiterzuentwickeln und sich so Sprache analytisch zu erschließen (z. B. „über Verwendung von Sprache nachdenken und sie als System verstehen“, vgl. KMK 2004). Während andere (pragmatische) Kommunikationsmodelle die poetische Funktion ausklammern, bildet sie bei Jakobson den Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Modells. Die poetische Funktion stellt die Nachricht (den Text) in den Mittelpunkt, etwa, indem sie die Anordnung der Zeichen im Syntagma betrachtet. Jede literarische Analyse, die den Text als Gebilde auf seine (polyseme) Bedeutung hin analysiert, untersucht die poetische Funktion. Doch auch die Suche nach der richtigen Umsetzung der Literarizität eines Textes, etwa in der Inszenierung, bei der Lesung etc. stellt die poetische Funktion in den Mittelpunkt. Sprache wird hier nicht primär als Medium gebraucht, um Sozialkontakte herzustellen, sondern eingesetzt, um das Werk als Sprachkunstwerk zur Geltung zu bringen. Kompetenzen und Ziele, wie sie im Lernbereich „Sprechen und Zuhören“ aufgeführt werden, stellen je unterschiedliche Funktionen von Kommunikation in den Mittelpunkt: „Zusammenhänge darstellen“ die referentielle Funktion, „in Gesprächen Position beziehen“ die emotive Funktion, „jemanden informieren oder überzeugen“ die konative Funktion, „das Analysieren des eigenen und fremden Gesprächsverhaltens“ die metasprachliche Funktion, „wertschätzende Rückmeldungen geben oder Aufmerksamkeit durch Blickkontakt signalisieren“ die phatische, „eigene gestalterische Möglichkeiten zum Vortrag von Gedichten einsetzen“ die poetische Funktion. Auch Modelle der Kommunikationspsychologie, wie das oft herangezogene Vier-Seiten- Modell (Kommunikationsquadrat mit den vier Seiten einer Nachricht Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell) von Schulz von Thun (1981) oder die Lasswell-Formel (1948) (Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt? ) lassen sich mit dem Modell von Jakobson (1979) gut vereinbaren. Auch das zweite Axiom von Watzlawick (2011), das betont, dass jede Aussage unter einem Inhalts- und Beziehungsaspekt verstanden werden könne, ist im Jakobsonschen Modell enthalten. Das ermöglicht es, Kommunikationsstörungen, die durch Missverständnisse in Hinblick auf die dominante Funktion des Gesagten entstehen, analysieren zu können. Für den Deutschunterricht bietet die Orientierung an dem Funktionenmodell von Jakobson einen weiteren Vorteil: Es weist große Schnittmengen mit den in der Textlinguistik beschriebenen Textfunktionen auf, etwa bei Brinker (2001, 102 ff). Da auch schriftliche Texte im Wesentlichen Informations-, Appell- und Kontaktfunktion haben, gibt es hier mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Gerade das Erzählen und das kreative Schreiben haben in schriftlichen Texten eine poetische Funktion, was Brinker, der die Textfunktionen unter sozial-kommunikativen Aspekten sieht, nicht berücksichtigt. Dem Erzählen kommt in anderen Ansätzen eine primär unterhaltende Funktion zu, die bei literarischen Texten wohl eher der poetischen untergeordnet ist. Die Textfunktionen Obligation und Deklaration spielen im schulischen Kontext kaum eine Rolle. Die Funktion der kommunikativen Handlung ist nicht von der Kommunikationssituation zu trennen. Aus diesem Grund entwickelte Geißner unter Rückgriff auf einige der oben genannten Modelle das sogenannte Sprechsituationsmodell: WAS und WIE etwas gesagt wird, <?page no="140"?> 140 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören hängt somit nicht nur von den Kommunikationsbeteiligten ( WER zu WEM ), sondern auch vom Kommunikationsgegenstand ( WORÜBER ) und den situativen Bedingungen ( WANN ; WO ; WARUM ; WOZU ) ab. Abb. 7.8: Modell der Kommunikationssituation (vgl. Geißner 1988, 73; Grießbach & Lepschy 2015, 38) Für die Analyse der meisten Kommunikationssituationen bietet das Modell einen guten Überblick, um auch pragmatisch relevante Kontexte der sprachlichen Handlung zu erfassen: Überlegen Sie selbst, inwiefern sich z. B. eine einfache Wegerklärung ändert, wenn sie an eine Schülerin gerichtet ist oder wenn Sie von Ihrem Vorgesetzen gefragt werden. Wie fällt die Erklärung aus, wenn Sie es selbst eilig haben? Welche Aspekte treten hinzu, wenn Sie wissen, dass es sich um einen Ortsfremden, z. B. einen Austauschstudenten, handelt? Aufgabe des Deutschunterrichts im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ ist es deshalb, die weiter oben erwähnten basalen Kompetenzen unter Berücksichtigung der spezi- <?page no="141"?> 141 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen fischen kommunikativen Funktionen und Kommunikationssituationen auszubauen und zu erweitern und somit im sprechwissenschaftlichen Rhetorikverständnis sprecherische Handlungskompetenzen und Hörverstehenskompetenzen herauszubilden. ‚Rhetorisch‘ meint in diesem Zusammenhang jedoch nicht das Anwenden von Techniken, sondern reflektiertes, partnerschaftlich orientiertes Sprech- und Hörverstehenshandeln (vgl. Neuber 2016b, 101 ff). Grießbach & Lepschy (2015) definieren „Rhetorische Kompetenz“ folgendermaßen: Rhetorische Kompetenz bedeutet, „die eigene Überzeugung in der Öffentlichkeit glaubwürdig und situationsangemessen darzulegen. Sie umfasst deshalb zwei Aspekte: Einerseits die Fähigkeit zur Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Haltung und Einstellung zum Thema, zur Hörerschaft und zur Situation; andererseits sprachliche, sprecherische, konzeptionelle Fertigkeiten, die notwendig sind, um Kommunikationsabsichten ausdrücken zu können“ (Grießbach & Lepschy 2015, 24). Ziel des Deutschunterrichts ist es, die mündlichen Kompetenzen stetig und nachhaltig über die gesamte Schulzeit hinweg auf- und auszubauen. Anknüpfungspunkt hierfür ist stets die alltägliche Sprachverwendung der Schülerinnen und Schüler und die sich ergebenden Kommunikationssituationen mit ihren je spezifischen Kommunikationsfunktionen. Ab Beginn der Schulzeit sind Kinder zunehmend in der Lage, globale Zugzwänge in Gesprächen zu erkennen sowie den internen Aufbau globaler Gesprächseinheiten zu durchschauen (vgl. Quasthoff 2012, 87). Wie Günther (2012, 54 ff) zeigt, lässt sich als Anhaltspunkt für die Entwicklung der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen verwenden. Dabei wird unterschieden zwischen Niveaus der elementaren Sprachverwendung (A1 und A2), der selbständigen Sprachverwendung (B1 und B2) und der kompetenten Sprachverwendung (C1 und C2). Die elementare Sprachverwendung beherrschen muttersprachliche Sprecher mit Eintritt in die Grundschule, der Aufbau der selbständigen Sprachverwendung ist Aufgabe der Grundschule bis zum Eintritt in die Sekundarstufe, die weiterführende Schule führt die Schülerinnen und Schüler zu einer kompetenten Sprachverwendung in den unterschiedlichsten sozialen Kontexten. Dabei lassen sich auf jedem Niveau unterschiedliche basale sowie funktions- und situationsspezifische Kompetenzen unterscheiden, angefangen von einem breiten Spektrum sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten, über die korrekte Sprachverwendung, die Flüssigkeit des Sprechens, die Übernahme von Sprecher- und Zuhörerrolle in vielfältigen sozialen Kontexten sowie das zusammenhängende Sprechen in unterschiedlichen Textmustern wie Informieren, Erzählen oder Argumentieren in monologischen oder dialogischen Gesprächs- und Spielformen. Ebenso wie beim Schreiben beherrschen die Schülerinnen und Schüler auch zunehmend eine situationsenthobene Distanzsprache, Abraham spricht hier von einer elaborierten Mündlichkeit (vgl. Abraham 2008, 17; Kapitel 08). Dass das Erreichen dieses Ziels im schulischen Kontext zunehmend in den Fokus gerät, lässt sich schon daran erkennen, dass inzwischen ein eigenes Lehrbuch für Rhetorik für den Deutschunterricht entwickelt wurde: Rhetorica docens (Benkenstein 2011). Eine „elaborierte Mündlichkeit“ zeigt sich dabei nicht nur auf der Ebene der Wortwahl und der Syntax, sondern ebenso auf der Ebene der Diskurskompetenz: Schülerinnen und Schüler <?page no="142"?> 142 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören müssen die grundlegenden Vertextungsmuster-- Narration, Deskription, Argumentation-- als Grundmuster beherrschen, in verschiedenen kommunikativen Situationen zielgerichtet anwenden und sprachlich markieren können (vgl. Quasthoff 2012, 88). 7.3.2 Monologische Gesprächsformen Bereits am Ende der Primarstufe sollen Schülerinnen und Schüler in der Lage sein „funktionsangemessen zu sprechen“, „Sprechbeiträge-[…] situationsangemessen zu planen“ ( KMK 2004, 10), nach dem Hauptschulabschluss „freie Redebeiträge leisten“, „Kurzvorträge / Referate mit Hilfe eines Stichwortzettels / einer Gliederung halten“ ( KMK 2004, 10). Für den mittleren Schulabschluss werden besonders „längere freie Redebeiträge“ (auch ohne Stichwortkonzept) sowie der Einsatz von „Präsentationstechniken“ genannt ( KMK 2003, 10). Mit der allgemeinen Hochschulreife können Schüler und Schülerinnen „anspruchsvolle Fachinhalte Verständnis fördernd referieren, auch unter Verwendung selbst verfasster stützender Texte“, „einzeln oder gemeinsam mit anderen argumentierende und erklärende Beiträge präsentieren“, „kontextangemessen, funktional, kreativ verschiedene Präsentationstechniken einsetzen und das eigene Vorgehen erläutern“, „umfangreiche Redebeiträge zu komplexen Sachverhalten selbständig und adressatengerecht präsentieren“ ( KMK 2012, 16). Berkemeier & Pfennig (2012) schlagen hier als Oberbegriff „Präsentieren“ vor und verstehen darunter den Prozess, der eine Entwicklungs-, Umsetzungs- und Rezeptionsphase umfasst. Während die Entwicklungsphase dem Erstellen einer Sprechvorlage und evtl. Verstehenshilfen für das Publikum dient, umfasst die Umsetzungsphase die sprachliche, sprecherische, nonverbale und mediale Gestaltung (vgl. Berkemeier & Pfennig 2012, 545). All diesen Situationen ist die Rede als „eine Grundform sprechsprachlicher Kommunikation“ (Meyer 2016, 121) gemeinsam. Grießbach & Lepschy (2015) definieren die Rede als „unterschiedlich komplex strukturierte, thematische und konzeptionell zusammenhängende sprachliche und sprecherische Einheit, mit der ein Sprecher / Redner eine kommunikative Wirkungsabsicht in Bezug auf einen oder mehrere Hörer verfolgt. In der Rede bilden Redner, Gegenstand und Hörer ein unauflösbares Beziehungsgeflecht“ (Grießbach & Lepschy 2015, 21). Der Begriff „Rede“ trifft also sowohl auf kürzere Sprechbeiträge (z. B. eine Entschuldigung formulieren oder eine Meinung äußern) als auch auf längere Einheiten (z. B. Wegbeschreibungen oder ganze Referate) zu. Im Sinne der Kompetenzorientierung bedeutet dies, dass vom Primarbereich bis zum Sekundarbereich in Abhängigkeit von der zu bewältigenden kommunikativen Aufgabe auch die Komplexität des Sprechbeitrags zunimmt. Je nach Niveaustufe werden Schülerinnen und Schüler von Kurzvorträgen auf Basis selbst gewählter Inhalte wie Buchvorstellungen o. Ä. zur Bearbeitung, Darstellung und Wertung komplexer Thematiken geführt, die außerhalb der persönlichen Erfahrungswelt der Schüler liegen (z. B. über Texte <?page no="143"?> 143 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen einer bestimmten Epoche). Eines der wichtigsten Kriterien hierbei ist die Angemessenheit des Beitrags, die wiederum abhängig von der Situation ist, in der gesprochen wird. Je nach der Funktion der Rede ergeben sich nach Pabst-Weinschenk (2011b, 120) drei Hauptredesorten: Meinungsrede, Überzeugungsrede und Informationsrede. Wie die unterschiedlichen Textmuster unterschiedliche Merkmale aufweisen können, so weisen auch die verschiedenen Redegattungen Unterschiede hinsichtlich der kommunikativen Absicht und ihrer Struktur (z. B. argumentativ, narrativ, deskriptiv) auf (vgl. Wagner 2006, 148 ff; Teuchert 2014). Je länger und komplexer der Redegegenstand und der Sprechbeitrag werden, umso mehr Vorarbeit ist von Nöten. In der Schule können kürzere Beiträge wie eine Kurzvorstellung oder ein Kurzvortag, aber auch argumentative Sprechbeiträge innerhalb von Gesprächen und längere Beiträge wie Referate und Präsentationen unterschieden werden. Um Schülerinnen und Schülern gezielt Kompetenzen für das Halten von Referaten und Präsentationen zu vermitteln, bieten sich als Orientierung die aus der Antike stammenden Stadien der Entstehung einer Rede an: (1) inventio (das Finden und Erfinden des Stoffes-- Recherchieren); (2) dispositio (die Ordnung des Stoffes-- Strukturieren); (3) elocutio (der sprachliche Ausdruck-- Formulieren); (4) memoria (das Einprägen der Rede ins Gedächtnis); (5) pronuntiatio, actio (Vortrag) (vgl. Ueding & Steinbrink 1994, 209-232). Während es bei den Stadien eins bis vier hauptsächlich um die Erstellung des Referats bis zum Einprägen der Inhalte für die Präsentation geht, interessiert an dieser Stelle besonders der eigentliche Vortag (Stadium 5). Vielfach ist es so, dass zur Beurteilung eines Referates das Ausmaß der Richtigkeit oder Angemessenheit im Hinblick auf das Thema bewertet wird. Um jedoch rederhetorische Kompetenz aufzubauen, ist es wichtig, Oberflächen- und Tiefenstruktur einer Rede zu betrachten (vgl. Grießbach & Lepschy 2015, 35 ff). Unter der Oberflächenstruktur der Rede werden alle Zeichen verstanden, welche über verschiedene Kanäle wahrnehmbar sind (etwa konkrete Formulierungen, die Sprechweise oder der Körperausdruck). Unter der Tiefenstruktur werden Aspekte wie die inhaltliche Durchdringung, die Hörerorientierung und die Glaubwürdigkeit des Redners verstanden (vgl. Grießbach & Lepschy 2015, 36; vgl. Mönnich 2012, 534). Während die semiotische Betrachtung der Oberflächenstruktur auch teilweise von der Redesituation unabhängig erfolgen kann, so fordert die Betrachtung der Tiefenstruktur eine Berücksichtigung der Konstituenten der konkreten Sprechsituation. Sowohl Oberflächenwie auch Tiefenstruktur spielen im Schulkontext eine Rolle, wenngleich tiefenstrukturelle Aspekte weit schwieriger zu bewerten und rückzumelden sind. Da Oberflächen- und Tiefenstruktur miteinander verbunden sind, empfiehlt es sich, sich bei den Rückmeldungen eng auf konkret beobachtbare Aspekte zu konzentrieren. Aussagen wie „Du hast das Thema inhaltlich nicht durchdrungen“ helfen dem Lernenden nicht, konkrete Verbesserungen vorzunehmen. Eine Aussage wie „Der Aspekt xy müsste besser erklärt werden“ hingegen enthält eine konkrete Handlungsanweisung. Für die Bewertung von Redebeiträgen hilft die Unterteilung in eine nonverbale und eine verbale Ebene, da sich der Gesamteindruck z. B. des Referats auf Publikumsseite durch die Kombination und Bewertung der Zeichen auf beiden Ebenen und deren Angemessenheit hinsichtlich der aktuellen Sprechsituation ergibt. <?page no="144"?> 144 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Betrachtet man zuerst die verbale Ebene, so kann der eigentliche ‚Text‘, der geäußert wird, näher analysiert werden. Die Rede als kommunizierter Text wird verstanden als „zusammenhängende […] Einheit von Sprechäußerungen, die kognitiv und emotiv verknüpft sind. In ihr werden Inhalte und Emotionen kommuniziert, die - auf einen Hörer ausgerichtet - immer mit einem bestimmten Einwirkungswillen auf diesen verbunden sind. Die Bezeichnung ‚Text‘ wird im rederhetorischen Zusammenhang vor allem für die in der Situation sprechdenkend erzeugte Rede verwendet“ (vgl. Grießbach & Lepschy 2015, 33 f). Grießbach und Lepschy (2015) nennen unter textueller Perspektive als Qualitätsmerkmale Kohäsion, Kohärenz, Funktionalität (Redeabsicht / Redeziel) und Zielgruppenbezug (vgl. Grießbach & Lepschy 2015, 32 ff). In Analogie zur Bewertung von schriftlichen Texten können deshalb unter Berücksichtigung der spezifischen Situationsmerkmale von Mündlichkeit einzelne Kriterien zur Textqualität bei schriftlichen Texten auch auf mündliche Texte übertragen werden. Während Schriftlichkeit eine Zerdehnung der ursprünglichen Kommunikationssituation bedeutet (Ehlich 1984) und meist auf Überdauerung angelegt ist, so ist Mündlichkeit durch eine Kopräsenz der Beteiligten gekennzeichnet. Überdies ist das gesprochene Wort flüchtig und der Hörer hat nur in der Situation, in welcher aktuell gesprochen wird, die Chance, das Gehörte aufzunehmen, zu verarbeiten und zu verstehen (vgl. Becker-Mrotzek 2012, 70 ff). Dieser Tatsache trägt auch das Nähe-Distanz-Kontinuum von Koch & Oesterreicher (2008, 201) Rechnung. In Anlehnung an das Zürcher Textanalyseraster (vgl. Nussbaumer & Sieber 1994) und den Basiskatalog zur Bewertung von Schülertexten in der Sekundarstufe I und II von Becker-Mrotzek & Böttcher (2015) können die Dimensionen „Sprachrichtigkeit“, „Sprachangemessenheit“, „Inhalt“, „Aufbau“ und „Prozess“ auch auf die verbale Ebene von Referaten angewendet werden (vgl. Berkemeier & Pfennig 2012): <?page no="145"?> 145 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen Schriftliche Texte mündliche Texte (z. B. Referat) Kommentare / Beobachtungskriterien Sprachrichtigkeit Orthographie Orthoepie / Phonostilistik (Artikulation) Wird der Situation angemessen und verständlich artikuliert? Grammatikalität Grammatikalität Bildet der Sprecher Wörter und Sätze grammatisch korrekt (Flexionsformen, Wortstellung)? Sprachangemessenheit Wortwahl Wortwahl Verwendet der Sprecher im Hinblick auf Thema und Publikum einen angemessenen Wortschatz? Satzbau Satzbau Verwendet der Sprecher einen im Hinblick auf das Thema und das Publikum und die Hörsituation angemessenen Satzbau? Erleichtert die Prosodie das Verstehen? Inhalt Gesamtidee Gesamtidee Ist eine Leitidee oder Gesamtaussage erkennbar, existieren passende Einleitungs- und Schlussgedanken? Umfang / Relevanz Umfang / Relevanz Entspricht das Referat dem vorgegebenen inhaltlichen und zeitlichen Umfang? Aufbau Textmuster Redeschema Orientiert sich das Referat an einem Schema, z. B. Redearten, -aufbau? Textaufbau Redeaufbau Ist das Referat hinsichtlich des Themas angemessen gegliedert, existiert z. B. bei einem Sachvortrag eine Agenda? Thematische Entfaltung Thematische Entfaltung Ist eine innere Logik (roter Faden) erkennbar? Leserführung Publikums-/ Hörerführung Wird das Thema, die Fragestellung, die eigene Position kenntlich gemacht, existieren Orientierungshilfen (z. B. verbaler und nonverbaler Art) für den Hörer Prozess Planen / Überarbeiten Vorbereitung und Sprechdenkprozess Vorbereitung: Wie ist das Stichwortkonzept oder Manuskript gestaltet? Vortrag: Existieren Schwiergkeiten im Sprechdenkablauf? Wagnis / Kreativität Wagnis / Kreativität Existieren situationsangemessen motivierende und kreative Passagen, evtl. Visualisierungen? Tab. 7.2: Vergleich mündlicher und schriftlicher Texte (in Anlehnung an Berkemeier 2012, 551; Becker-Mrotzek & Böttcher 2015, 132) <?page no="146"?> 146 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören Wie auch bei schriftlichen Texten ein begleitendes Zeichensystem zur Strukturierung und Verständlichkeit (z. B. Unterstreichungen, Absätze, Farben) genutzt werden kann, so trifft dies auch für mündliche Texte zu. Hier spielen besonders nonverbale Verhaltensweisen, aber auch begleitende Visualisierungen (z. B. Plakat, PowerPoint) eine Rolle. Der Einsatz von Visualisierungs- oder Präsentationsmedien sollte das eigentliche Referat unterstützen, aber nie von ihm ablenken. Als Präsentationsmedien kommen sowohl Plakate, Overhead-Folien, Tafelbilder oder Beamer-Präsentationen in Frage. Alle Medien erfordern einen medienspezifischen Umgang sowohl bei der Erstellung als auch während des Vortrags. Die wichtigsten Kenntnisse mediengestalterischer Grundsätze (z. B. Aufbau, Form- und Farblehre, Kenntnis von Symbolen und Icons etc.) können bereits im Primarbereich vermittelt werden (vgl. Gegner 2013). Neben der Wahl des Präsentationsmediums ist es auch von entscheidender Bedeutung, ob für das Referat / die Präsentation ein Stichwortkonzept oder für eine Rede in höheren Jahrgangsstufen ein Manuskript verwendet wird. Da sich schriftlicher und mündlicher Sprachgebrauch unterscheiden, sollte man sich sowohl bei der Stichwortkonzeptals auch Manuskripterstellung am mündlichen Sprachgebrauch orientieren (vgl. Wagner 2006, 167 ff). Beide Schriftstücke können zur Bewertung der Dimension Prozess ebenso herangezogen werden, wenn bei einem Schüler bzw. einer Schülerin die Vorbereitung zum Referat sehr ausführlich war, aber aufgrund von Nervosität oder Lampenfieber während des Vortragens ein anderer Eindruck entsteht: Beispielsweise kann durch Schwierigkeiten beim Sprechdenkprozess der rote Faden nicht nachvollzogen werden oder die Verständlichkeit leiden. Für das begleitende Zeichensystem müssen wir unseren Blick auch auf die nonverbale Ebene richten. Hier kommt besonders den-- im Sprachsystem verankerten-- prosodischen Merkmalen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Da im Deutschen unter auditivem Gesichtspunkt Melodieverläufe (Kadenzen) auch für das Erkennen von Satzarten relevant sind, spielt es durchaus eine Rolle, ob es dem Referierenden gelingt, einen Aussagesatz oder Ende eines Gedankens durch eine terminale (fallende) Kadenz (Stimmsenkung) zu kennzeichnen oder nicht. Besonders bei Nervosität gelingt dies aufgrund der vorherrschenden Muskelanspannung nicht immer und stattdessen werden steigende oder schwebende Kadenzen produziert, die in Kombination mit keinen oder falsch gesetzten Pausen aufgrund von unphysiologischer Sprechatmung (Hochatmung) auch das Verständnis des Gesagten auf Zuhörerseite erheblich erschweren können. Überlegen Sie selbst, auf welche Bereiche Ihres Körpers sich Lampenfieber oder Nervosität auswirken, etwa wenn Sie im Praktikum Unterrichtsstunden oder in der Universität Referate halten. Je nach Situation werden Sie u. a. folgende Symptome wahrnehmen: feuchte Hände, Erhöhung der Atemfrequenz und Hochatmung, weiche Knie, Erröten, vielleicht auch Verspannungen bis hin zum Blackout. Für Referatssituationen ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler lernen, mit Lampenfieber umzugehen und körperliche Verhaltensweisen zu regulieren, z. B. über Entspannungstechniken und auch über die Kenntnis und Anbahnung einer angemessenen Sprechatmung <?page no="147"?> 147 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen verfügen. Ein grundlegendes Verständnis der Entstehung und Wirkung von nonverbalem Verhalten sowie der Bedingungen einer physiologischen Stimmgebung und verständlichen Sprechweise sind hierbei Voraussetzung. Wie Allhoff & Allhoff (2014, 27) betonen, will „[r]hetorische Schulung-[…] kein uniformes Redeverhalten antrainieren“, sondern für den Bereich des nonverbalen Verhaltens folgende Ziele erreichen: ▶ nonverbale Zeichen bewusst machen (Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit), ▶ Beobachten des eigenen nonverbalen Verhaltens (Verbesserung der Eigenwahrnehmung), ▶ nonverbale Signale der Partner nicht vorbewusst falsch interpretieren (Verbesserung der Fremdwahrnehmung), ▶ Strategien kennen, um nonverbales Verhalten (z. B. bei Lampenfieber etc.) kontrollieren zu können und Verhaltensweisen zu vermeiden, die sich negativ auf den Sender, den Gegenstand, den Empfänger und den Kommunikationsprozess auswirken können (Wirkung kennen und über Handlungsalternativen und Kontrollstrategien verfügen) (vgl. Allhoff & Allhoff 2014, 26). Wenn man die Aufmerksamkeit im Unterricht auf das nonverbale Verhalten legt, ist es wichtig, eine Rückmeldekultur z. B. über Feedbackregeln zu etablieren, um deutlich zwischen beobachtbarem Verhalten, Wirkung und Interpretation sowie v. a. Wertung zu unterscheiden. Einen möglichen Katalog zur Beobachtung der nonverbalen Verhaltensanteile und mögliche Ausprägungen zeigt die folgende Tabelle: Phänomen mögliche Ausprägungen Phänomen mögliche Ausprägungen Gestik frei, unterstützend verkrampft, fixierend unterspannt Stimmsenkungen & Pausen, verständnisfördernd (angemessen) verständnishindernd Blickkontakt intensiv schweifend nicht vorhanden Sprechgeschwindigkeit zu schnell angemessen zu langsam Körperhaltung lockeres Stand- und Spielbein verkrampft Lautstärke zu laut angemessen zu leise Körperorientierung dem Zuhörer zugewandt dem Zuhörer abgewandt Artikulation Unangemessener Sprachgebrauch angemessen Überartikulation Stimmhöhe überhöhte Stimmlage Hauptsprechtonbereich Atmung Leistungsatmung Sprechatmung Tab. 7.3: Kriterien zur Beobachtung nonverbaler Verhaltensanteile Die Vielzahl und Komplexität der Aspekte, sowohl auf verbaler wie nonverbaler Ebene, verdeutlicht, dass die erforderlichen Kompetenzen so vermittelt werden müssen, dass sie sich von der Primarstufe bis zu den Abschlüssen der weiterführenden Schulen kontinuierlich weiter- <?page no="148"?> 148 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören entwickeln können. Gute Aufgaben für die Rede berücksichtigen sowohl den Redegegenstand (z. B. erwartete Länge und Inhalt), ggf. die passende Visualisierung, aber auch Sprecher und Hörer mit ihren jeweiligen Kompetenzniveaus. Sie sind begleitet von Kriterienkatalogen, die dem Lernenden eine überschaubare Anzahl von anspruchsvollen, aber erreichbaren- - im Idealfall individualisierten- - Beobachtungskriterien bieten. Im Deutschunterricht müssen den Schülerinnen und Schülern Strategien vermittelt werden, die ihnen helfen, sich diesen Kriterien im Rahmen von vielfältigen Übungsgelegenheiten anzunähern. Da die Rede als Grundeinheit der mündlichen Kommunikation auch im Gespräch anzutreffen ist, spielen die erläuterten Aspekte auch im folgenden Abschnitt eine wesentliche Rolle. 7.3.3 Dialogische Gesprächsformen Im Bereich der dialogischen Gesprächsformen („mit anderen sprechen“, „Gespräche führen“) sollen Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarstufe „gemeinsam entwickelte Gesprächsregeln- […] beachten“ oder „Anliegen und Konflikte gemeinsam mit anderen diskutieren und klären“ ( KMK 2004, 9). Nach dem Hauptschulabschluss sollen sie in der Lage sein, „durch gezielte Fragen notwendige Informationen [zu] beschaffen ( KMK 2004, 10) oder „das eigene Gesprächsverhalten und das anderer kriterienorientiert [zu] beobachten-[…-und zu] bewerten“ ( KMK 2004, 11). Ähnliches gilt für den Mittleren Schulabschluss. Mit der Allgemeinen Hochschulreife können Schülerinnen und Schüler „in verschiedenen Gesprächsformen und in unterschiedlichen Rollen kommunikativ handeln und dabei nonverbale sowie stimmliche Mittel bewusst nutzen“ ( KMK 2012, 15), auch diese analysieren und „Diskussionen, Debatten und Präsentationen selbstständig moderieren“, „in Simulationen von Prüfungs- und Bewerbungsgesprächen angemessen verbal und nonverbal handeln“ ( KMK 2012, 16). Im schulischen Kontext gerät das bewusste Üben des Gesprächs oft deshalb in den Hintergrund, weil viele Lehrkräfte davon ausgehen, dass sich die jeweiligen Kompetenzen bei Gruppen- und Partnerarbeiten „von selbst“ ergeben. Da das Gespräch der „Prototyp der Kommunikation“ (Geißner 1988, 45) ist, glaubt man leicht, dass sich Gesprächskompetenzen beiläufig entwickeln. Die Auseinandersetzung mit dem Thema beschränkt sich deshalb nicht selten auf die Erarbeitung der Gesprächsregeln, die dann in der Klasse aufgehängt werden. Gespräche weisen jedoch eine hohe Komplexität auf, deren Bewältigung eine entscheidende Voraussetzung für eine befriedigende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist. Becker-Mrotzek (2012) definiert Gesprächskompetenz als „die Fähigkeit, die sich aus der Gesprächssituation ergebenden Anforderungen zu erfüllen“ (Becker-Mrotzek 2012, 66). Diese beziehen sich auf vier zentrale Dimensionen: 1. Prozessieren des thematischen Wissens: Gespräche sind themengebunden. Dies bedeutet, dass die Gesprächsteilnehmer über das geforderte thematische Wissen verfügen, welches für das Gespräch benötigt wird. 2. Prozessieren der Identität: Hierunter wird die wechselseitige Identitätsgestaltung (z. B. Rollen wie Vorgesetzter oder Mitarbeitender) verstanden, welche bestimmte Rahmen- <?page no="149"?> 149 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen vorgaben macht. Hiermit eng verbunden ist die Beziehungsgestaltung (z. B. formell- - informell). 3. Prozessieren der Handlungsmuster: Gespräche verlaufen nach bestimmten Mustern, z. B. nach der Reihenfolge und der Art der zu bewältigenden Themen (z. B. Planung für einen Projekttag). 4. Prozessieren der Unterstützungsverfahren: Hierunter wird sowohl das „Antizipieren“ als auch das „Signalisieren“ von Verstehensproblemen und das „Reagieren“ auf dieselben verstanden (vgl. Becker-Mrotzek 2012, 74 f). Wenn wir darüber nachdenken, in welchen unterschiedlichen Situationen und mit welchen Personen oder auch Personengruppen wir täglich sprechen, so wird schnell deutlich, dass ein Typologisierungsversuch kaum alle Gesprächsarten erfassen kann. Es existieren Beschreibungen bzw. Einteilungen anhand von Kriterien wie „Anzahl der beteiligten Personen“ (Zweiergespräch oder Gruppengespräch), „Grad der Vorbereitetheit“ (Talkshowrunden oder Debatten vs. Gespräche unter Freunden) oder „Grad der Öffentlichkeit“ (z. B. private / vertrauliche Gespräche oder öffentliche Diskussionen)- - also allesamt Kontextfaktoren (vgl. Henne & Rehbock 2001). Hinzu treten Einteilungen nach dem Ziel des Gesprächs wie etwa, ob eine gemeinsame Aufgabe bewältigt werden muss (z. B. ein Planungsgespräch) oder ob die Beziehungsgestaltung (z. B. beim Small-Talk) im Vordergrund steht. Ebenso spielen die Ziele der beteiligten Gesprächspartner eine Rolle: Verfolgt man ein gemeinsames Ziel oder gibt es unterschiedliche Interessen und Positionen (z. B. Konfliktgespräche und Verhandlungen)? Auch die Interessen der Beteiligten sind relevante Größen: Wollen sich die Gesprächsteilnehmer einigen, z. B. mittels eines Kompromisses, oder möchte ein Gesprächsteilnehmer oder eine Partei ihre Ziele auf Kosten der anderen Beteiligten unbedingt durchsetzen (vgl. Franke 1990). Berkemeier (2012, 553 ff) unterscheidet verschiedene „Musterpositionen“ eines Gesprächs, die zur Gesprächsstrukturierung dienen-- etwa Rederechtverteilung, inhaltliche Strukturierung, Einstellungs- und Umsetzungsklärung-- die sich durch spezifische, trainierbare sprachliche Handlungsmuster identifizieren und ansteuern lassen, so dass die Schülerinnen und Schüler Moderationskompetenzen für verschiedenartige Gespräche erwerben. Dabei müssen sie z. B. auch wissen, dass verschiedene Gesprächstypen unterschiedlichen Arten der Reglementierung unterliegen. So sind z. B. Diskussionen und Debatten zwar dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Ansichten von Pro- und Kontraseite ausgetauscht werden, aber nur Debatten einer vorgegebenen Struktur folgen. Prominentes Beispiel ist in diesem Zusammenhang „Jugend debattiert“: Die Debatte ist in eine Eröffnungsrunde, eine freie Aussprache und eine Schlussrunde unterteilt, wobei jeweils zwei Vertreter der Propartei mit zwei Vertretern der Kontrapartei debattieren. Die verschiedenen Runden sind zeitlich und in Hinblick auf die Modalität der jeweiligen Beiträge strikt reglementiert. Die Beurteilungskriterien umfassen Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft (vgl. www.jugend-debattiert.de). Es existieren jedoch auch andere Debattenformate, so z. B. „Amerikanische Debatte“ oder „Parlamentarische Debatte“, die wiederum andere Regeln aufweisen. Diskussionen in Gruppenarbeiten sind nur wenig <?page no="150"?> 150 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören reglementiert und erfordern deshalb höhere Moderationskompetenzen auf Seiten der Gesprächsleiterinnen und Gesprächsleiter. Für viele dieser Situationen existieren Musterverläufe zur optimalen Gestaltung (vgl. Wagner 2006; Allhoff & Allhoff 2014). Für alle Gesprächssituationen spielen Handlungsmöglichkeiten zur Darstellung der eigenen Meinung oder zur Gewinnung von Informationen wie z. B. Fragetypen oder aktives Zuhören oder deeskalierende Gesprächsstrategien eine Rolle. Relevante Kategorien bei der Gesprächsgestaltung wie Sachebene, Beziehungsebene etc. werden in der mündlichen Situation nicht nur verbal, sondern auch nonverbal hergestellt. Analyseinstrumente wie das 4-Seiten-/ 4-Ohren-Modell von Schulz von Thun (1981) oder die Transaktionsanalyse, aber auch die Analyse der Zufriedenheit der gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse und Prozessbeschreibung zu diesen Ergebnissen, erlauben die anschließende Gesprächsreflexion (vgl. Mönnich & Spiegel 2012). Aufgabe der Schule ist es, Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Gespräche in Abhängigkeit zur momentanen Lebensphase vorzubereiten. Angefangen über die wichtigsten Gesprächsregeln und ritualisierten Verhaltensformen (z. B. bei Begrüßungen oder Telefongesprächen) über die Fähigkeit, den eigenen Wunsch oder die eigene Meinung verständlich und angemessen vorzubringen (z. B. Verkaufsgespräche, Reklamationen) bis hin zu der Fähigkeit, auch andere Meinungen zu akzeptieren (z. B. Konfliktfähigkeit) und gemeinsam mit anderen an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten. Schülerinnen und Schüler müssen deshalb über Handlungsmöglichkeiten verfügen, die Interessen und Positionen ihrer Gesprächsbeteiligten in Erfahrung zu bringen und sowohl auf der Sachals auch Beziehungsebene zu einem kooperativen Gesprächsergebnis zu gelangen, um am gesellschaftlichen Leben partizipieren zu können. Dies entspricht dem gesellschaftlichen Kommunikationsideal, wie es Habermas als die Grundlage für einen „vernünftigen“ Diskurs in einer Demokratie sieht, etwa dass Personen die gleiche Chance auf Dialoginitiation und -beteiligung haben sowie die gleichen Chancen auf Deutungs- und Argumentationsqualität, was dazu führt, dass Sprechakte herrschaftsfrei sind (Habermas 1981). Um Gespräche erfolgreich führen zu können, bedarf es nicht nur eines expliziten und prozeduralen Wissens über Gespräche und Gesprächsverläufe (vgl. Becker-Mrotzek 2012, 78). Auch der Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild ist von entscheidender Bedeutung, um das eigene Verhalten und Handlungen richtig einschätzen zu können. Feedback, das von Lehrkräften und Mitschülerinnen und Mitschülern in einem geschützten Rahmen gegeben wird, spielt hier eine entscheidende Rolle (vgl. Gaier 2018; Mönnich & Spiegel 2012). Besonders für die Abschlussjahrgänge spielt die Selbsteinschätzung eine wichtige Rolle, da in diesen Jahrgangsstufen Schülerinnen und Schüler z. B. auf Bewerbungsgespräche und Assessment-Center vorbereitet werden sollen. Eine gängige Methode im Deutschunterricht, um Situationen wie diese zu üben, aber auch Varianten zu erproben und zu reflektieren, sind sprachdidaktische Rollenspiele oder Konfliktrollenspiele (vgl. Abraham 2008, 81 ff). Eine besondere Form des Gesprächs stellt das sogenannte „literarische Gespräch“ dar, dessen Ziel es ist, ästhetische Erfahrungen in einem „offenen“ Gespräch, d. h. ohne Lenkung der Lehrkraft, zur Sprache zu bringen (vgl. Abraham 2008, 115 ff). Im Gegensatz zu den eher geschlossenen und restriktiven Verfahren des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs <?page no="151"?> 151 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen soll das literarische Gespräch ästhetische Erfahrungen ermöglichen und das Verstehen von Literatur vertiefen (vgl. Albrecht 2018). Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre eigenen Deutungshypothesen und Wahrnehmungen artikulieren und zur Diskussion stellen. Das Gespräch dient hier also der „dialogischen Sinnfindung“ (vgl. Abraham 2008, 119; Spinner 2006, 14). Die Beschreibung macht deutlich, dass für die erfolgreiche Durchführung eines literarischen Gesprächs in einer größeren Gruppe bereits ein hohes Maß an Gesprächskompetenz entwickelt sein muss. 7.3.4 Szenisch Spielen im Rahmen ästhetischer Kommunikation Im Bereich „szenisch spielen“ sollen Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarstufe in der Lage sein „Perspektiven ein[zu]nehmen“, „eine Rolle-[…-zu] gestalten“ und „verschiedene Spielformen szenisch [zu] entfalten“ ( KMK 2004, 10) und nach dem Hauptschulabschluss z. B. auch „Texte (medial unterschiedlich vermittelt) szenisch gestalten“ können ( KMK 2004, 11). Im Bereich „vor anderen sprechen“ wird auch eine sinngebende Gestaltung von Texten beim Vorlesen verlangt (vgl. KMK 2004, 10). Ähnliches gilt für den mittleren Schulabschluss ( KMK 2003). Als Standard für die allgemeine Hochschulreife wird in den „monologischen Gesprächsformen“ die Fertigkeit, „literarische und pragmatische Texte sinngebend und der Form entsprechend vortragen“ ( KMK 2012, 16) zu können, genannt. Während „Gespräche“ alltäglich sind und man leicht dem Trugschluss aufsitzt, Gespräche führen könne ja sowieso jeder und Gesprächskompetenz könne durch „learning by doing“ erworben werden, schrecken viele Lehrkräfte davor zurück, selbst Vorbild im Hinblick auf die sprecherische Gestaltung literarischer Texte zu sein. Schließlich ist dies nicht obligatorischer Teil der Ausbildung von Deutschlehrkräften- - im Gegensatz zu anderen künstlerischen Fächern wie Musik oder Kunsterziehung, in denen selbstverständlich die praktische Beherrschung ihrer „Künste“ auf hohem Niveau eingefordert wird. Dabei bieten gerade das szenische Spiel, der künstlerisch gestaltete Vortrag sowie das gekonnte Vorlesen die Möglichkeit, die Ästhetik von Literatur erfahrbar zu machen und den Schülerinnen und Schülern ästhetischen Genuss zu verschaffen. Das szenische Spielen befindet sich im Schnittbereich zwischen literarischem Lernen und der Entwicklung mündlicher Kompetenzen. Im literarischen Rollenspiel verkörpern die Schülerinnen und Schüler bestimmte Figuren, so dass hier ähnliche Prozesse ablaufen wie beim sprachdidaktischen Rollenspiel, mit dem Unterschied, dass ein literarischer Text Ausgangspunkt ist (vgl. Abraham 2008, 93 ff). Auch im literarischen Rollenspiel geht es darum, die Funktion und die Situation einer Äußerung richtig einzuschätzen und damit die zugewiesene Rolle angemessen umzusetzen. Verwandt damit ist das „szenische Interpretieren“, bei dem es auf der einen Seite um das tiefere Verstehen des literarischen Textes, aber auch um die angemessene Inszenierung geht (vgl. Schau 1996; Scheller 1998). Liegt der Fokus auf der künstlerischen Umsetzung eines Textes und nicht auf dem szenischen Spiel als Methode des literarischen Verstehens, so spricht man aus sprechwissenschaftlicher Sicht von Vortragskunst oder ästhetischer bzw. sprechkünstlerischer Kom- <?page no="152"?> 152 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören munikation (vgl. Haase 2016a, 179), welche auch Überschneidungen mit der Schauspielkunst aufweisen kann. Sprechkunst bezeichnet „das bewusst gestaltete, gesprochene künstlerische Wort in unterschiedlichen Kommunikationssituationen für ein Publikum (bzw. für einen oder mehrere Hörer), „live“, d. h. direkt im Sinne einer auditiv-visuellen Kunstkommunikation oder medienvermittelt, d. h. indirekt. (Haase 2016a, 179). Die Basis für diese künstlerische Tätigkeit bilden unterschiedliche Textgrundlagen. So können dies zum einen schriftlich fixierte literarische Texte der Großgattungen Lyrik, Epik und Dramatik sein, aber zum anderen auch nichtliterarische Textsorten und improvisierte Texte (z. B. Impro-Theater) (vgl. Haase 2016a, 181). Als neue Formen der Sprechkunst gelten besonders Poetry-Slam, Rap, Hörbuch und Hörspiel (vgl. Müller 2012b; Pissarek 2012; Anders 2011). Für den schulischen Kontext sind auch hier wieder produktive Kompetenzen, wie das sprecherische Gestalten, als auch rezeptive, wie das literarische Hörverstehen, von Interesse. Betrachten wir an dieser Stelle vor allem das sprecherische Gestalten, so wird schnell klar, dass durch die Art und Weise des Vorlesens oder Vortragens einer beliebigen Textgrundlage auch immer eine bestimmte Interpretation des Textes den Hörenden angeboten wird. Denken Sie z. B. an unser früheres Beispiel des Profisprechers Rufus Beck. Durch die Art und Weise der Sprechgestaltung gelingt es ihm, den Charakteren der Harry- Potter-Reihe Leben einzuhauchen. Worin unterscheidet sich diese Art der Sprechgestaltung z. B. von einer Radionachricht? Müller (2012) verortet deshalb die hierfür nötigen Kompetenzen in einer Triade aus sprechender Person, Text und Hörer. Abb. 7.9: Triadische Sprechsituation (vgl. Müller 2012, 142) Für eine gelungene sprechgestalterische Leistung müssen Schülerinnen und Schüler zum einen ein Verständnis für den Text und eine Interpretation entwickeln. Für die Berücksich- <?page no="153"?> 153 7.3 Komplexe mündliche Kompetenzen: Rede - Gespräch - ästhetisch gestaltendes Sprechen tigung der Hörer und deren Bedürfnisse sowie der Situation ist auch Sozialkompetenz von Nöten, um die intendierte Wirkung an diesen Faktoren auszurichten. Um die eigene Interpretation einem Publikum anzubieten, müssen die Schülerinnen und Schüler über Sprechkompetenz verfügen: angefangen von der Fähigkeit, einen Text flüssig zu lesen bis hin zum bewussten Einsatz stimmlicher und sprecherischer Mittel, um Stimmungen und Motive auszudrücken (vgl. Müller 2012a, 141). Besonders der letzte Punkt verweist wieder auf den Anfang des Kapitels, wenn es darum geht, Stimmungen und Gefühle oder auch z. B. das Alter einer Person an stimmlichen Merkmalen zu erkennen. Kleine Experimente und Beschreibungen, welche stimmlichen Eigenschaften sich bei Gefühlszuständen ändern, können helfen, diese stimmlichen Mittel auch bewusst zu produzieren, was ad-hoc jedoch häufig schwerfällt. Während beim Vorlesen von Sachtexten die Sinnerfassung und Leseflüssigkeit im Vordergrund stehen, müssen beim Vorlesen von Märchen und Romanen noch deutlicher Stimmungen und Figuren differenziert werden. Der häufigste Fehler beim Vorlesen ist, dass Schülerinnen und Schüler bereits beim ersten Vorlesen angehalten werden, ausdrucksstark und sinnerfassend vorzulesen. Erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit, wenn Sie aufgefordert wurden, einen gänzlich unbekannten Text vorzulesen? In den meisten Fällen gelang es entweder nur den Sinn zu verstehen oder sinnerfassend vorzulesen. Bevor an der Sprechgestaltung gearbeitet werden kann, muss der Text bekannt sein und man muss für sich einen Sinn entnommen und eine Interpretation aufgebaut haben. Für die Erarbeitung einer Sprechgestaltung hilft es besonders, sich Gedanken über den wichtigsten Aussagegehalt im ganzen Text und auch in einzelnen Sätzen zu machen. Die ersten Versuche, eine ansprechende Fassung zu gestalten, enden nicht selten in einer Überbetonung einzelner Passagen. Aufgrund der Tatsache, dass Satzzeichen in den meisten Fällen keine Lesezeichen sind, können kleine Notationen wie Betonungen oder Pausen einen ersten Zugang bei der Erarbeitung des Vorlesens eröffnen. Als Mittel der sprecherischen Realisierung gelten auch hier die weiter oben beschriebenen Elemente der Prosodie. Als wichtiges Mittel zur sprecherischen Hervorhebung können folgende Akzente unterschieden werden: Der dynamische Akzent, welcher die Lautstärke und deren Variation fasst, der temporale Akzent, welcher Veränderungen der Sprechgeschwindigkeit meint, der melodische Akzent, welcher die Sprechtonhöhe und deren Veränderungen beschreibt, und der artikulatorische Akzent, mit dessen Hilfe auch durch Dialekt oder artikulatorische Besonderheiten z. B. regionale Zugehörigkeiten ausgedrückt werden können. Eine besondere Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang lyrische Texte dar, da sie in der Regel sprachlich verdichtet sind. Erst nachdem auch hier ein Textverständnis geschaffen worden ist, kann auch eine mögliche Interpretation erarbeitet werden. Da Balladen sowohl lyrische, dramatische und auch epische Aspekte vereinen, eignen sie sich besonders gut für eine erste Erfahrung. Bei der sprecherischen Gestaltung von poetischen Texten fällt es vielen Schülerinnen und Schülern schwer, sich erst von einer reinen Realisierung des Metrums distanzieren zu müssen, um sprachlichen Sinn und auch den Rhythmus zu interpretieren und zu einer sinngestaltenden Sprechweise zu gelangen. Einen ersten Zugang zum bewussten Sprechen bietet Hillegeist (2012), Methoden nach Brechts Gestischem Prinzip zeigt z. B. Haase (2016b). <?page no="154"?> 154 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören In den meisten Fällen werden Gedichte von einem einzelnen Sprecher vorgelesen oder vorgetragen. Bei der szenischen Lesung oder dem szenischen Spiel agieren jedoch mehrere Sprechende / Spielende für und vor einem Publikum (vgl. Belgrad 2012, 281). Für das szenische Spiel braucht man neben den sprecherischen Kompetenzen auch Inszenierungs- und dramaturgische Kompetenzen, um eine Szene zur Aufführung im Raum zu bringen. Auch weitere nonverbale Kompetenzen müssen erworben werden, um bei der Aufführung Körperhaltungen, Gestik und Mimik je nach Größe der Bühne und Entfernung zum Publikum situationsangemessen und wahrnehmbar einzusetzen. Abschließend sind es auch noch mediale Kompetenzen, welche erforderlich sind, um mit Requisiten, Kostümen, Licht und anderen Bühnenelementen eine Szene zu gestalten (vgl. Belgrad 2012, 288 ff) Insgesamt geht es nicht darum, dass Schülerinnen und Schüler ein Gedicht „auswendig lernen“ und „aufsagen“, sondern dass sie sich dem Text sprechend annähern und dadurch zu einer angemessenen Interpretation gelangen (vgl. Lösener 2006) und ihren Hörern etwas mitteilen (vgl. Krech 1987, 61). Sprecherzieherischer Anspruch und schulische Praxis klaffen hier nicht selten weit auseinander (vgl. Wollert 2016). Im Hinblick auf die zu erwerbenden Kompetenzen muss sich jedoch jede Deutschlehrkraft die Frage stellen, ob sie ihren Schülerinnen und Schülern nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich bietet. Vielfältige künstlerische Formen bieten sich für die Entwicklung ästhetischer Sprechgestaltung an, vom Lesetheater über das Puppenspiel bis hin zu szenischen Inszenierungen und selbst gedrehten Kurzfilmen mit dem Handy. 7.4 Stimm- und Sprechstörungen Viele Deutschlehrkräfte sind zwar in der Lage, Störungen beim Lesen und Schreiben (vgl. Lese-Rechtschreib-Störung) zu diagnostizieren, haben aber keine Erfahrung im Diagnostizieren von Stimm- und Sprechstörungen. Störungsbilder dieser Bereiche werden nach der ICD -10-Klassifikation eingeteilt (vgl. Kapitel 09). In der Kategorie „Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ findet sich der elektive bzw. selektive Mutismus. Hierunter ist zu verstehen, dass eine Person, obwohl sie prinzipiell sprechen kann, nicht oder nur mit bestimmten Personen oder in bestimmten Situationen spricht. Beispielsweise können Kinder ohne große Auffälligkeiten zu Hause mit Elternteilen kommunizieren, wohingegen sie im schulischen Kontext nicht kommunizieren oder sich nicht verbal äußern und nur nonverbal kommunizieren. In der Kategorie „[u]mschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache“ werden mehrere Störungen subsummiert. Zusammengefasst kann grob zwischen ▶ Artikulationsstörungen (phonetischen Störungen), ▶ phonologischen Störungen sowie ▶ auditiven Verarbeitungsstörungen unterschieden werden. Artikulationsstörungen bezeichnen die Tatsache, dass bestimmte Laute nicht normgerecht gebildet werden können. Prominentestes Beispiel ist in diesem <?page no="155"?> 155 7.4 Stimm- und Sprechstörungen Zusammenhang der s-Laut (Sigmatismus, Lispeln). Der s-Laut kann sowohl an den unteren oder oberen Schneidezähnen gebildet werden. Im Rahmen einer Artikulationsstörung schiebt sich z. B. die Zunge bei der Bildung durch die Zahnreihen und kann beim Sprechen deutlich sichtbar werden. Es entsteht ein ähnlicher Höreindruck wie beim englischen th-Laut. Im Unterschied hierzu meint eine phonologische Störung, dass dem betroffenem Kind z. B. der Bedeutungsunterschied zwischen zwei Phonemen nicht bewusst ist: Das Kind kann vielleicht die Laute / k/ und / t/ bilden, ist jedoch nicht in der Lage, beim Hören der Worte / kanə / (Kanne) und / tanə / (Tanne) auf das richtige Bildkärtchen zu zeigen. Bei den auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen liegt keine Störung des Hörorgans selbst oder Intelligenzminderung vor. Vielmehr sind auditive Teilfunktionen wie z. B. Lokalisation (Richtung und Entfernung), Diskriminierung (ähnliche Laute können nicht unterschieden werden) und / oder Selektion (Herausfiltern von Informationen bei einem Gespräch, z. B. bei Umgebungslärm) beeinträchtigt. Häufig fällt diese Störung erst auf, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule Schwierigkeiten haben, neben allen anderen Geräuschen die Lehrkraft zu verstehen. Die Kategorie „[a]ndere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ umfasst die sogenannten Redeflussstörungen Stottern und Poltern. Beim Stottern können z. B. Wiederholungen von Wörtern und Lauten oder Dehnungen und Blockierungen stattfinden, die manchmal von nonverbalen Erscheinungen (z. B. Grimassieren, Fußstampfen) begleitet sein können. Während Stottern den betroffenen Personen durchaus bewusst ist, weisen Polterer meist ein geringes Störungsbewusstsein auf, obwohl die Symptome teilweise ähnlich sind. Unter den Bereich der Stimmstörungen werden sowohl die eigentlichen „Störungen der Stimme“ als auch „Dissoziative Störungen“ zusammengefasst. Leitsymptomatik von Stimmstörungen ist eine deutlich hörbare Heiserkeit oder Tonlosigkeit (Aphonie), die mit einer subjektiv empfundenen Leistungseinschränkung einhergeht: Die Stimme hält den Anforderungen nicht mehr stand. Eine Lehrkraft sollte z. B. aufmerksam werden, wenn Kinder häufig nach der Pause heiser sind, da durch eine Stimmüberbelastung wie Schreien sich z. B. eine Stimmstörung entwickeln kann. Der Begriff der psychogenen Stimmstörungen referiert auf die Abwesenheit funktioneller oder organischer Ursachen und bezeichnet eine Art „kommunikativen Totstellreflex“, wie z. B. bei Depression oder Burnout. Es muss in diesem Zusammenhang deutlich betont werden, dass Deutschlehrkräfte derartige Störungen nicht diagnostizieren können müssen, aber eine Sensibilität für Artikulation, Sprechen, Stimme, Redefluss, produktive und vermeintlich rezeptive Verhaltensweisen ihrer Schüler und Schülerinnen entwickeln sollten, damit betroffenen Kindern und Eltern Hilfe angeboten werden kann. Medizinische und therapeutische Berufsgruppen, die in diesen Fällen als Ansprechpartner gelten, sind Kinderärzte und im Besonderen Ärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie, aber auch Logopäden, Atem-, Sprech- und Stimmlehrer, Sprachheilpädagogen und klinische Linguisten oder klinische Sprechwissenschaftler. <?page no="156"?> 156 7 Sprechen, Gespräche führen und Zuhören 7.5 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe Feedback - ▶ Thanner, Doris (2013). Wie war’s? Kriterien entwickeln-- Feedback geben. Grundschule, 9, 25-27. Nervosität 3.-5. ▶ Wild, Johannes (2013). Frei von der Leber weg. Die eigene Nervosität unter Kontrolle halten. Grundschule, 9, 14-16. Präsentieren - ▶ Berkemeier, Anne (2009). Präsentieren lehren. Vorschläge und Materialien für den Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider. - ▶ Berkemeier, Anne & Pfenning, Lothar (2012). Schüler/ -innen präsentieren. In Michael Becker- Mrotzek (Hrsg.), Mündliche Kommunikation und Gesprächsdidaktik (544-552). 2. Auflage (= DTP 3). Baltmannsweiler: Schneider. Rede 5.-7. ▶ Nägel, Daniela (2017). Auf dem Weg zur Rede- - Figurenmonologe schreiben. Kleine Reden in Weiterführung einer Fabelschreiben. Deutschunterricht, 2, 12-17. Stimme 3.-5. ▶ Pissarek, Markus (2013). Alles, was man hören kann. Stimme-- Aussprache-- Atmung. Grundschule, 9, 12-13. 3.-5. ▶ Gegner, Christian (2012). Wem hört man gerne zu? Die Wirkung auditiv wahrnehmbarer Kriterien. Deutsch differenziert, 2, 21-25. - ▶ Pabst-Weinschenk, Marita (2004). Die Sprechwerkstatt. Sprech- und Stimmbildung in der Schule. Braunschweig: Westermann. Szenisches Sprechen 3.-5. ▶ Müller, Karla (2012). Gedichte hören-- und mehr… Sprechgestaltende und szenische Umsetzung von Gedichten. Deutsch differenziert, 2, 13-20. Visualisieren 3.-5. ▶ Gegner, Christian (2013). Das Gesagte visualisieren. Gut geplant ist halb gewonnen. Grundschule, 9, 21-24. 3.-5. ▶ Teuchert, Brigitte (2014). Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Strukturiert referieren und visualisieren. Praxis Fördern, 5, 7-13. Zuhören 3.-5. ▶ Schilcher, Anita (2012). Lernen durch Hören. Hörstrategien erwerben, anwenden und überwachen. Deutsch differenziert, 2, 26-30. - ▶ Becker, Susanne Helene (2015). Hörkompetenzen einschätzen. Voraussetzungen, Kompetenzentwicklung und Niveaus. lernchancen, 103, 29-33. 5.-6. ▶ Krelle, Michael (2015). TatOhrt! Als Hörkommissare das Hörverstehen verbessern. Deutsch 5-10, 46, 4-7. <?page no="157"?> 157 7.5 Exemplarische Unterrichtskonzepte 8 Texte verfassen Johannes Wild, Anita Schilcher Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ aus welchen Facetten sich Schreibkompetenz zusammensetzt. ▶ wie sich ein Schreibprozess zusammensetzt. ▶ wie sich die Schreibkompetenz entwickelt. ▶ was Textualität ausmacht und welchen Bedingungen sie unterliegt. ▶ welche Textmuster es gibt. ▶ was gute Schreibaufgaben ausmacht. ▶ wie man Texte bewertet und beurteilt. Aufgabe von Schule und Unterricht ist es, Schülerinnen und Schülern die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln „für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, für die Vorbereitung einer beruflichen Ausbildung und für die Fortsetzung der Schullaufbahn“ ( KMK 2003, 6). Dazu zählt eine gut entwickelte Schreibkompetenz, die dazu befähigt, kommunikativ funktionale Texte schreiben zu können. Im Verlauf der Schulzeit soll sich die Schreibkompetenz zunehmend stabilisieren, ausdifferenzieren und flexibilisieren, so dass sie das funktions-, kontext- und adressatengerechte Verfassen komplexer Texte ermöglicht (from conversation to composition, vgl. Bereiter & Scardamalia 1987, 53 ff; KMK 2003, 11). In einem kompetenzorientierten Schreibunterricht hat eine Lehrkraft die Aufgabe, ihren Unterricht so zu gestalten, dass eine solche Entwicklung stattfinden kann (vgl. KMK 2003, 6 f; Wild 2018, 209). Der Blick in die Unterrichtsrealität zeigt allerdings, dass durchschnittlich zu wenig Zeit im Unterricht zur Weiterentwicklung der Schreibfähigkeiten zur Verfügung steht (vgl. Philipp 2015, 101), Schreibunterricht wenig adaptiv geplant und durchgeführt wird (vgl. Sturm & Weder 2016, 123; Scholz 2012, 12), Ziele und Kriterien für die Kinder nicht transparent sind (vgl. Winkler 2003, 277; Merz-Grötsch 2001, 169; Beutel & Vollstaedt 2002, 600) und sich Schülerinnen und Schüler binnen eines Schuljahres kaum zu entwickeln scheinen (vgl. Neumann & Lehmann 2008, 99). Als Lehrkraft haben Sie die Aufgabe, Informationen über den Lernstand, die Lernergebnisse und die Lernprozesse Ihrer Schülerinnen und Schüler beim Schreiben nicht nur zu Dokumentationszwecken zu sammeln, sondern Erkenntnisse daraus zu ziehen und diese konsequent dazu zu nutzen, den Kindern kognitiv aktivierende sowie konstruktiv unterstützende Lernangebote zu machen (vgl. Maier al. 2014, 342; Aufschnaiter et al. 2015, 740; Schilcher 2018, 53; Kunter & Trautwein 2013, 76 f). Hasselhorn & Gold (2013, 364) weisen darauf hin, dass das professionelle Handeln einer Lehrkraft die Leistungsstreuung in einer Klasse ohne Niveauverlust für die ganze Lerngruppe reduzieren kann und maßgeblich zur Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten beiträgt. Als professionelle Lehrperson benötigen Sie demnach umfassendes Wissen über das Schreiben. <?page no="158"?> 158 8 Texte verfassen Abb. 8.1: Aufgaben einer Lehrperson in einem kompetenzorientierten Schreibunterricht (Wild 2018, 210) Notieren Sie sich Stichpunkte dazu, was ein guter Schreiber können bzw. wissen muss. Welche Aspekte erscheinen Ihnen besonders wichtig? 8.1 Was ist Schreibkompetenz? Schreiben ist eine komplexe Tätigkeit, bei der verschiedene kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, Ressourcen und Prozesse koordiniert werden müssen (vgl. Hayes 2012, 371; Becker- Mrotzek & Böttcher 2014, 51; Berninger & Winn 2008, 97; Philipp 2015, 9). Im Unterschied zur mündlichen Kommunikation sind beim Schreiben Produktionsprozess und Rezeptionsvorgang voneinander unabhängig: Sender und potenzieller Empfänger sind räumlich und / oder zeitlich getrennt und oft auch emotional distanziert. Der verfasste Text tritt als Mittler zwischen beide (vgl. Ehlich 1984, 18; Kapitel 07). Man bezeichnet dies als „zerdehnte Kommunikation“. Digitale Medien können diese zwar teilweise reduzieren, dennoch stellt die zerdehnte Kommunikation eine besondere Herausforderung dar. <?page no="159"?> 159 8.1 Was ist Schreibkompetenz? Abb. 8.2: Zerdehnte Kommunikation nach Ehlich (1984) Als Schreibkompetenz bezeichnet man die bei einem Individuum verfügbaren oder erlernbaren Fertigkeiten und Fähigkeiten, schriftsprachliche kommunikative Probleme in variablen Situationen angemessen zu lösen, die durch die zerdehnte Kommunikationssituation entstehen (vgl. Fix 2008, 20 f; Becker-Mrotzek & Böttcher 2014, 47; Baurmann & Pohl 2009, 95 f; Feilke 1996, 1180; Weinert 2001, 27). Eng damit verbunden sind individuelle Dispositionen und soziale Bedingungsfaktoren, wie etwa die Schreibmotivation oder der Stellenwert des Schreibens in der Familie (vgl. Hayes 2012, 371; Drei-Kreise-Modell von Bachmann & Becker-Mrotzek 2017, 42). Die Komplexität des Schreibens rührt also nicht nur daher, dass beim Schreiben ein divergenter Lösungsraum vorliegt, also keine „vorgefertigten“ Lösungen existieren und verschiedene Lösungen geeignet sein können („ill-defined problem“), sondern dass unterschiedliche Adressaten und Situationen unterschiedliche Lösungen erfordern und diese antizipiert werden müssen. Schreibkompetenz umfasst somit unterschiedliche Ebenen: ▶ kognitive Fertigkeiten und Fähigkeiten bzw. kognitive Problemlöseprozesse (schreibbezogenes „Wissen und Können“), ▶ individuelle Dispositionen wie z. B. die Schreibmotivation, ▶ sozialer Kontext wie z. B. die Schreibsozialisation (vgl. Abb. 8.3). Sie beeinflussen sich wechselseitig. <?page no="160"?> 160 8 Texte verfassen Abb. 8.3: Schreibkompetenzmodell nach Schilcher & Wild 2018 (vgl. Schilcher 2018, 64) 8.1.1. Kognitive Teilfähigkeiten und -fertigkeiten Bevor komplexe Texte verfasst werden können, müssen zunächst basale Fähigkeiten beherrscht werden. Hierarchiehohe Teilkompetenzen des Schreibens können sich erst dann gut entwickeln, wenn es Schülerinnen und Schülern gelingt, ausreichend flüssig zu schreiben. Zuvor-- etwa bis zur vierten bzw. fünften Jahrgangsstufe-- fließt ein großer Teil der Arbeitsgedächtniskapazität beim Schreiben in die Schreibmotorik (vgl. Berninger & Swanson 1994, 64; Kellogg et al. 2013, 172), weshalb in der Regel kürzere und eher assoziative Texte entstehen. Kinder, die nicht schriftsprachlich sozialisiert wurden-- etwa durch Vorlesen-- oder zuhause <?page no="161"?> 161 8.1 Was ist Schreibkompetenz? eine andere Sprache sprechen, können in ihrer Schreibflüssigkeit eingeschränkt sein (vgl. Tschachmann 2016, 62 f). Schreibflüssigkeit kann analog zur Leseflüssigkeit als Grad des Beherrschens der Schreibmotorik sowie Entwicklung einer ausreichenden Schreibgeschwindigkeit und Enkodiergenauigkeit (sowie deren Automatisierung) verstanden werden (vgl. Rosebrock & Nix 2008, 35 f; Hayes 2012, 372; Weinzierl & Wrobel 2017, 225 ff). Dies mag mit ursächlich dafür sein, dass in den ersten Jahrgangsstufen der Anteil der echten Schreibzeit im Unterricht noch vergleichsweise hoch ist: Hier nimmt der Schriftspracherwerb großen Raum ein. Jeder Schreibvorgang macht es darüber hinaus erforderlich, sich zu überlegen, mit welchem Ziel für wen geschrieben wird, was geschrieben wird, wie der Text strukturiert und formuliert wird (vgl. Fix 2008, 26). Anders gesagt: Als Autor oder Autorin muss mir klar sein, welches kommunikative Ziel ich verfolge und welche Anforderungen der jeweilige Adressat und die Situation diesbezüglich an mein Schreibprodukt stellen. Schülerinnen und Schüler können nur dann „sinnvolle Entscheidungen über den Aufbau, den propositionalen Gehalt und die Auswahl der sprachlichen Muster und Mittel treffen“ (Bachmann & Becker-Mrotzek 2010, 195), wenn ihnen das Ziel ihres Textes klar ist. Etwa „Habe ich meinen Standpunkt klar gemacht? Sind meine Argumente stichhaltig? Habe ich Beispiele für mein Argument gebracht? “ Das Setzen und Erreichen von eigenen Zielen ist deshalb eng mit der Schreibmotivation verbunden und kann sich daher langfristig auch auf das schreibbezogene Selbstkonzept auswirken. In der Regel ergeben sich konkrete Schreibziele im schulischen Kontext aus der genauen Analyse der Schreibaufgabe, weshalb diese für Schülerinnen und Schüler hinreichend spezifisch gestaltet sein sollte. Die Klärung von Adressat, Textsorte und Textfunktion sollte sie mindestens gewährleisten (vgl. dazu ausführlicher unten 8.4). Mit dem Terminus Textfunktion bezeichnen Brinker et al. (2014, 97) den kommunikativen Zweck eines Textes. Die Autoren unterscheiden zwischen einer Informations-, einer Appell-, einer Obligations-, einer Kontakt- und einer Deklarationsfunktion (vgl. Brinker et al. 2014, 105 f). Konkrete Ziele beziehen sich beim Schreiben stets auch auf potentielle Leser eines Textes. Entscheidungen darüber, wie explizit oder implizit ein Text sein soll, wie er organisiert und formuliert wird, hängen zu weiten Teilen davon ab, welches Vorbzw. Weltwissen beim Adressaten vorausgesetzt wird (vgl. Fix 2008, 28). Beispielsweise werden Sie in einem Sachtext für Kinder mehr erklären, diesen anders strukturieren und formulieren, als Sie dies für Erwachsene tun würden. Eine solche Leserantizipation fällt jüngeren Kindern schwer. Ihnen gelingt es nicht, sich von ihrer subjektiven „Erlebnisperspektive“ zu lösen und die Perspektive anderer einzunehmen (vgl. Hayes 2012, 376 f; Bereiter & Scardamalia 1987, 84; Augst et al. 2007, 261). Stellen Sie sich vor, Sie schreiben einen Sachtext zum Thema „Saurer Regen“. Erstellen Sie eine zweispaltige Tabelle, in der Sie „Zweitklässler“ und „Zehntklässler“ <?page no="162"?> 162 8 Texte verfassen eintragen. Überlegen Sie sich das Ziel Ihres Textes. Notieren Sie dann in Stichpunkten, was inhaltlich enthalten sein sollte, was sie jeweils wie erklären würden und wie sie den Text strukturieren würden. Ein Textbeispiel für die zweite Jahrgangsstufe finden Sie z. B. in Wild & Schilcher et al. 2017, 32. Einen Text zu strukturieren, bedeutet, ihm eine für den Adressaten nachvollziehbare inhaltliche Struktur-- einen roten Faden-- zu verleihen (Kohärenz). Je nach Textfunktion, Thema und Adressat kann die Struktur eines Textes zwar unterschiedlich aussehen, jedoch haben sich bestimmte Grundmuster im Verlauf der Zeit für bestimmte Zwecke (Funktionen) als besonders erfolgreich erwiesen. Fix (2008, 79) unterscheidet diesbezüglich zwischen Deskription (Beschreiben), Narration (Erzählen / Berichten), Explikation (Erklären) und Argumentation (Überzeugen; vgl. unten). Diese Textmuster regeln im Wesentlichen, wie das Thema eines Textes entfaltet wird, etwa wie Zusammenhänge eingeordnet und spezifiziert werden müssen, wie typischerweise bei der Deskription (z. B. anhand von Ober-/ Unterbegriffen), oder ob expliziert oder begründet werden muss, wie beim Argumentieren (vgl. Fix 2008, 77; Feilke 2014a, 24; Becker-Mrotzek & Böttcher 2014, 48). Das heißt, ein Verfasser entscheidet, welche Einzelinformationen (Propositionen) auf welche Weise in einem Text organisiert werden sollen. Strukturiert wird nicht nur auf der Makroebene eines Textes (z. B. Gliederung in Absätze), sondern auch auf mikrostruktureller Ebene. Beispielsweise wird durch Prozeduren wie etwa „Meiner Meinung nach-…“ dem Leser / der Leserin verdeutlicht, was als Nächstes folgt, nämlich ein Argument. Durch die Wahl der Formulierung wird hier also zugleich eine strukturelle Entscheidung getroffen. Ein solches Wissen über Textmuster liefert „Baupläne für das Schreiben“ und führt insgesamt zu elaborierteren Texten (vgl. Fitzgerald & Teasley 1986, 430; Graham 2006, 466; McCutchen 2000, 18): Es kann flexibel und adressatengerecht an die jeweilige Kommunikationssituation angepasst und als Planungsgrundlage herangezogen werden. Dadurch werden Texte kohärenter und besser lesbar, weil auch der Leser über ein entsprechendes Wissen verfügt. Kohärenz bezieht sich „im engeren Sinne auf die inhaltlich-semantische Seite […,] für die grammatische Ebene der Verknüpfung wird [zur Abgrenzung auch] der Begriff der Kohäsion verwendet“ (Fix 2008, 75). Normative Herangehensweisen, wie sie beispielsweise der traditionelle Aufsatzunterricht verfolgte, bauen hingegen kein flexibles Textmusterwissen bei den Schülerinnen und Schülern auf. Sie vermitteln starre Normen für eng umrissene Schreibsituationen, die wenig flexibel und kaum transferfähig sind. Der in der „Tiefenstruktur“ des Textes angelegte inhaltliche Zusammenhang und Aufbau muss durch lexikalisch-semantische, morphologische und syntaktische Mittel auf der Textoberfläche realisiert werden. Schülerinnen und Schüler benötigen deshalb Formulierungskompetenz. Diese muss auch eingesetzt werden, um die in der zerdehnten Kommunikationssituation fehlenden Mittel wie Gestik und Mimik zu kompensieren. Die Auswahl der <?page no="163"?> 163 8.1 Was ist Schreibkompetenz? sprachlichen Mittel richtet sich nach der Funktion eines Textes, der Textsorte und dem Adressaten. Zum Beispiel erfordert eine Bastelanleitung auf lexikalischer Ebene Fachbegriffe wie falten, falzen etc., um für Präzision zu sorgen und dem Adressaten genau mitzuteilen, was er oder sie tun soll. Auf syntaktischer Ebene braucht man u. a. Temporal- und Lokalangaben, um zeitliche und räumliche Beziehungen deutlich zu machen. Prozeduren, d. h. stabile wiederkehrende Elemente (vgl. Feilke 2014a, 20), können den Schreibenden entlasten, indem sie beispielsweise durch prototypische Formulierungen „Zugzwänge“ setzen: Etwa löst „Dreht man das Papier…“ eine Handlungsfolge in einer Bastelanleitung aus. Formulierungskompetenz ist außerdem notwendig, um Einzelsätze und Teilsätze in einem Text miteinander zu verknüpfen und damit Kohäsion herzustellen. Einschränkungen von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache im Mündlichen wirken sich deshalb auch beim Formulieren im Schriftlichen aus (vgl. Jeuck 2015, 58). Als (Text-)Kohäsion bezeichnet man in der Regel „alle textuellen Zeichenbeziehungen, die an die Grammatik, also an Funktionswörter und -zeichen, geknüpft sind oder sich an deren Funktionen eng anschließen“ (Fritz 2016, 1077). Entsprechende Wissensbestände umfassen Interpunktionszeichen, Konnektoren, Artikel(wörter) und Pronomen sowie Aspekte der Verbflexion, Tempus, Modus, Diathese (vgl. für eine ausführliche Darstellung Fritz 2016, 1079). Die bewusste Auswahl aus dem Repertoire der Möglichkeiten wird als Stil bezeichnet (vgl. Eroms 2014, 23). Grob lassen sich zwei Arten von Beziehungen zwischen Sätzen und Satzteilen unterscheiden: die Gleich- oder Unterordnung von Elementen sowie die Referenz auf bzw. Referenzidentität von Elementen eines Textes (vgl. Greule & Reimann 2015, 13 f). Als wichtigste Kohäsionsmittel nennt Fix (2008, 80) in Bezug auf Verweisausdrücke die explizite Wiederaufnahme (z. B. durch Pro-Formen: Marina fror. Sie stand-…), implizite Wiederaufnahme (z. B. Christina ging in das Kino. An der Kasse-…) sowie die Textdeixis (z. B. verweist ein indefiniter Artikel auf ein unbekanntes Element: ein Hund vs. der Hund). Fix weist darauf hin, dass neben den Konnektoren (Gleich-/ Unterordnung, z. B. und) auch das Konstanthalten des Tempus und formalsprachliche Korrektheit Kohäsion in einem Text erzeugt. Untersuchen Sie Lenas Text und notieren Sie sich Stichpunkte zu den oben genannten Teilkompetenzen: Was kann Lena schon gut? Was kann sie als Nächstes lernen? Lena, 5. Klasse Zwei maskierte Räuber überfillen am 26.05. um 8: 00 Uhr die Bank in Suhl. Die Beute beträgt 2,5 Millionen Euro. Laut Spekulationen ließen sich Gangster übernacht in die Bank einschließen, da die Angestellten nicht bemerkt haben als die Bank um 8: 00 Uhr öffnete nahmen sie den Bankier die Kässiererin als Geiseln. Als die Polizei bis um 12: 00 Uhr umsonst verhandelte stürmte eine Sondereinheit die Räume. Bei dem Gefächt wurde der Bankier im Kugelhagel getötet, die Täten konnten unerkannt fliehen. Wegen weiteren Ermittlungen der Kriminalpolizei werden keine weiteren Deteils Bekannt gegeben. 1234567 <?page no="164"?> 164 8 Texte verfassen 8.1.2 Kognitive Problemlöseprozesse: Schreibprozess Während die Textlinguistik Erkenntnisse über das Produkt, also die ideale Textgestalt, und damit das Wissen liefert, das Schreiberinnen und Schreiber brauchen, um gute Texte schreiben zu können, untersucht die Schreibprozessforschung, welche kognitiven Problemlöseprozesse beim Verfassen eines Textes ablaufen und welche Teilkompetenzen wann benötigt werden. Die schwerpunktmäßig in den USA der 1980er Jahre einsetzende psychologische Schreibprozessforschung und ihre Erkenntnisse sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie Schreibkompetenz heute im Unterricht konzeptualisiert und gefördert wird (vgl. Wild et al. 2018, 50; Fix 2008, 36; Baurmann & Pohl 2009, 75). Die Teilprozesse des Schreibens haben inzwischen sowohl Eingang in die aktuell geltenden Lehrbzw. Bildungspläne der Länder als auch in die bundesweit gültigen Bildungsstandards gefunden (vgl. Becker-Mrotzek & Böttcher 2014, 19). Unter den zahlreichen Schreibprozessmodellen dürfte sicherlich das von Hayes und Flower aus dem Jahr 1980 zu den bekanntesten zählen. Es hat die weitere Entwicklung des Feldes maßgeblich geprägt. Hayes und Flower (1980, 10 ff) gehen davon aus, dass die Problemlöseprozesse beim Schreiben sowohl von der Schreibaufgabe bzw. -umgebung („task environment“) als auch von den kognitiven Voraussetzungen des Schreibenden („writer’s long term memory“, vgl. Punkt 8.1.1) abhängen. Diese spannen gewissermaßen den Rahmen auf, in dem die Schreibprozesse ablaufen. Durch Lautes-Denken-Protokolle von Schreibexperten wie etwa Journalisten stellten Hayes & Flower fest, dass diese den komplexen „Gesamtprozess“ in kleinere Teilprozesse zerlegten, die immer wieder abliefen und sich gegenseitig beeinflussten, nämlich Planen, Formulieren, Überarbeiten und Überwachen (vgl. Abb. 8.4). Diese bezogen sich nicht nur auf den niedergeschriebenen Text, sondern bereits auf sogenannte Prätexte (im Kopf) oder auch auf Teilprozesse selbst. Es gibt also nicht den Schreibprozess, vielmehr bezeichnet man damit das Zusammenwirken mehrerer Teilprozesse. Als Prätext wird hier ein Text verstanden, der zunächst nur als mentales Modell im Gedächtnis vorliegt, auf den sich aber später entstandene Texte beziehen. <?page no="165"?> 165 8.1 Was ist Schreibkompetenz? Abb. 8.4: Schreibprozessmodell (Hayes & Flower 1980, 11). Obgleich die Kritik an dem Modell von Hayes und Flower (1980) nicht lange auf sich warten ließ und verschiedene Aspekte bemängelt wurden, ist es in seinen Grundzügen bis heute gültig. Beanstandet wurde an dem Modell zunächst vor allem, dass es sich um ein Expertenmodell handelt, das einen idealen Schreibprozess abbildet und damit dem schulischen Kontext und Lernenden nicht gerecht wird. Zudem werden für Schülerinnen und Schüler bedeutende Erwerbsprozesse, wie etwa die Ausbildung von Schreibflüssigkeit, nicht abgebildet. Entwicklungen können auf Basis des Modells ebenfalls nicht beschrieben werden (vgl. zusammenfassend Fix 2008, 39). Wichtige Aspekte, die in einer regen Wechselbeziehung zum Schreiben stehen, wie z. B. das sprachliche Wissen, treten nur als Ressource in Form des Langzeitgedächtnisses auf. Wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung des Modells im deutschsprachigen Raum kamen unter anderem von Ludwig (1983). Er wies darauf hin, dass Schreiben neben den bereits von Hayes und Flower beschriebenen kognitiven Prozessen motorische Handlungen zur Ausführung benötigt. Außerdem fehle im Modell die Schreibmotivation als Grundvoraussetzung, um sich überhaupt auf das Schreiben einzulassen und es während seiner ganzen Dauer aufrechtzuerhalten (vgl. Ludwig 1983, 44). In einer Überarbeitung des Ur- Modells betont Hayes (1996) aufgrund neuerer Ergebnisse der Kognitionsforschung, u. a. zur Struktur des Arbeitsgedächtnisses, die Rolle des Individuums beim Schreiben. Neben der Schreibmotivation findet nun auch das soziale Umfeld stärkere Berücksichtigung (vgl. Hayes 1996, 5). Nach wie vor fehlt allerdings die Perspektive des Lesers in der zerdehnten Kommunikationssituation, wie Becker-Mrotzek & Böttcher (2006, 27) bemerken. Diese ordnen <?page no="166"?> 166 8 Texte verfassen außerdem das sprachliche und inhaltliche Wissen den kognitiven Voraussetzungen des Schreibenden zu. In seinem aktuellen Modell berücksichtigt Hayes (2012) diese Kritikpunkte und unterscheidet nun detailliert zwischen drei verschiedenen Ebenen, die unterschiedliche Funktionen haben: Prozess-, Ressourcen-, Kontrollebene. Während die Prozessebene nun „writing processes“ und „task environment“ umfasst, wird „the writer’s long term memory“ zu einer umfassenden Ressourcenebene, die beispielsweise auch die Aufmerksamkeitslenkung und das Lesen umfasst. Im „task environment“ werden auch explizit Merkmale der Schreibumgebung wie etwa das Material, technische Hilfsmittel oder Mitschreiber einbezogen. An die Stelle des Überwachungsprozesses (Monitor) tritt im 2012er-Modell nun eine umfassende Kontrollebene, die sich aus der Schreibmotivation speist und sich insbesondere auf Ziele bzw. Zielvorstellungen bezieht (vgl. Hayes 2012, 371 f). Das aktuelle Modell zeigt, wie vielfältig die beteiligten Ebenen interagieren und welche Zusammenhänge zwischen Teilkomponenten bzw. Teilprozessen bestehen. Aufgrund ihrer Relevanz für die Schule sollen auf Basis des neuen Modells im Folgenden die Subprozesse Planen, Formulieren, Überarbeiten und Überwachen so beschrieben werden, wie sie Eingang in die Lehrpläne gefunden haben und auch im Modell von Schilcher & Wild (2018) angelegt sind. Überlegen Sie sich, auf welchen Ebenen sie beim Sachtextbeispiel in der vorherigen Aufgabe jeweils geplant haben. Was, glauben Sie, fällt Kindern beim Schreiben leicht bzw. schwer? Einen Text zu planen, bedeutet im Wesentlichen, sich produkt- oder prozessbezogene Ziele zu setzen und zu überlegen, wie diese erreicht werden können (vgl. Funke 2011, 153). Etwa: „Was schreibe ich? In welcher Reihenfolge schreibe ich das auf ? Kann ich das überhaupt so schreiben? “ Das Planen eines Textes kann sowohl in schriftlicher Form, etwa als Brainstorming oder Cluster, als auch rein gedanklich erfolgen. Obgleich Planungen zu Beginn des Schreibprozesses zwar häufig sehr ausgeprägt sind und dort viel Zeit in Anspruch nehmen, sind sie nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt des Schreibprozesses beschränkt. Während des gesamten Schreibprozesses werden immer wieder bewusst oder unbewusst neue Pläne gemacht, Planungen verändert oder verworfen. Dazu gehört beispielsweise auch die Entscheidung, ob ein Schreibauftrag überhaupt attraktiv genug ist, um ihn anzugehen (Schreibmotivation). Die Grundlage für die Planung sind Informationen über Adressat, Textmuster, Textfunktion sowie über wichtige Konventionen oder den Inhalt (vgl. Philipp 2015, 165; Sturm & Weder 2016, 18). Diese werden in der Regel durch die Analyse des Schreibauftrages gewonnen und es werden daraus Ziele abgeleitet. Jüngere oder unerfahrene Schreiberinnen und Schreiber planen nicht oder nur wenig. Sie machen sich nicht bewusst, welche Ressourcen und Werkzeuge (z. B. inhaltliches Wissen, Material, Schreibstrategien) ihnen zur Zielerreichung zur Verfügung stehen und wie sie diese organisieren können. Schreibaufträge betrachten sie eher als Fragen, die es analog zum Gespräch assoziativ zu beantworten gilt (vgl. De La Paz 1999, 4; Weinhold 2000, 115; Hayes 2012, 377 f). Untersuchungen wie die von Berninger & Swanson (1994, 64) zeigen jedoch, dass die Qualität von Planungsprozessen maßgeblich die Qualität <?page no="167"?> 167 8.1 Was ist Schreibkompetenz? von Texten beeinflusst. Planungsprozesse mit dem bloßen Strukturieren gleichzusetzen, wie es in der Schule häufig gemacht wird, verfehlt aber die Bedeutung des Teilprozesses. Bezüglich Methoden des Planens sei an dieser Stelle auf Vogel & Wild (2018a, 304 f) verwiesen, die Brainstorming, Cluster, Flussdiagramm sowie Wordbzw. Mind-Map praxisnah behandeln. Ideen, Inhalte und Pläne werden beim Schreiben in Form mentaler Einheiten (sog. Propositionen bzw. Schemata) gespeichert. Damit diese auch anderen Menschen zugänglich werden, müssen sie z. B. niedergeschrieben werden. Das Formulieren (Translating) beschreibt den Prozess, der zu dieser Versprachlichung der Gedächtnisinhalte führt und der eng mit der Formulierungskompetenz zusammenhängt (vgl. Fix 2008, 37). Da die Propositionen im Gedächtnis ungeordnet in Form verknüpfter Netzwerke vorliegen, ist beim Formulieren ihre Linearisierung notwendig. Es handelt sich beim Formulieren also nicht um die bloße „Übersetzung“ der Gedanken in Schrift. Es sind die bereits oben beschriebenen Abwägungs- und Auswahlentscheidungen nötig, bevor es zu einer graphomotorischen Ausführung kommen kann (vgl. Philipp 2015, 11). Schreibtechnologien wie Textverarbeitungsprogramme können bei den verschiedenen Teilaspekten entlasten (vgl. Graham & Perin 2007, 17), z. B. durch ein eingebautes Wörterbuch, Verschiebemöglichkeiten etc. Schreibprogramme bieten darüber hinaus auch Vorteile beim Überarbeiten (Reviewing), da sie ohne großen Aufwand auch umfangreiche sprachliche Operationen zulassen, z. B. Umstellungen, Ergänzungen und Löschungen. Um überarbeiten zu können, müssen Schreiber und Schreiberinnen eine zumindest vage Vorstellung von ihren Zielen bzw. ihrem Text haben. Erst wenn diese mit dem bereits verfertigten Text abgeglichen werden (Compare), können Abweichungen entdeckt werden (Diagnose). Da dies Schreibanfängern (sog. Schreibnovizen) in der Regel schwerfällt (vgl. De La Paz 1999, 4; Lin et al. 2007, 220; Fix 2004, 90 ff), sollte diesen die Möglichkeit geboten werden, die Wirkung ihres Textes zu überprüfen (vgl. Bachmann & Becker-Mrotzek 2010, 195). Diskrepanzen werden so schneller offensichtlich. Noch leichter fällt es Kindern, fremde Texte zu beurteilen als eigene, da hier die nötige Distanz vorhanden ist. Zudem brauchen Schülerinnen und Schüler konkrete Kriterien und Strategien, anhand derer sie Texte überprüfen können (vgl. Sturm & Weder 2016, 179). Nur wenn die Probleme in einem Text identifiziert werden, können sie behoben und der Text bzw. Plan verändert werden (Operate). Bereiter & Scardamalia (1987, 265 ff) beschreiben dieses zyklische Vorgehen in ihrem sogenannten CDO -Modell: Compare-- Diagnose-- Operate. Wichtig ist es, beim Überarbeiten den Fokus zunächst immer auf inhaltliche und strukturelle Aspekte zu legen (vgl. De La Paz 1999, 11). Gerade schwache und jüngere Schreiberinnen und Schreiber neigen dazu, lediglich die Textoberfläche zu überarbeiten, d. h. etwa Rechtschreibung und Grammatik (vgl. Fix 2004, 90 ff). Dies trägt aber nur wenig zur Verbesserung der Textqualität bei. Gängige Methoden des Überarbeitens fassen Vogel & Wild (2018b, 307 f) zusammen. <?page no="168"?> 168 8 Texte verfassen Recherchieren Sie verschiedene Methoden des Überarbeitens. Diskutieren Sie mit einem Partner die Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode und sortieren Sie diese nach Komplexität. Falls Sie in der vorherigen Aufgabe einen kurzen Sachtext verfasst haben: Probieren Sie eine der Möglichkeiten aus. Im Unterschied zum Überarbeiten bezieht sich das Überwachen (Monitoring) nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf den Schreibprozess selbst. Eine wichtige Rolle spielt das Überwachen im Zusammenhang mit dem selbstregulierten Lernen. Untersuchungen wie die von Graham und Harris (2005, 10 f) haben gezeigt, dass es besonders günstig ist, Schreibförderung mit Schreibstrategietrainings zu kombinieren. Es ist leichter, die Umsetzung oder Anwendung einer Strategie zu bewerten, als den Text oder den Schreibprozess als Ganzes. Das bewusste Überwachen ermöglicht es, sich selbst beim Schreiben einzuschätzen und Schreibergebnisse kriteriengeleitet zu bewerten. Im Idealfall findet durch das Überwachen des Schreibprozesses bereits während des Schreibens ein ständiger Abgleich mit den Zielen und Plänen statt und eine effektive Nutzung der Ressourcen sowie der Schreibumgebung wird ermöglicht (vgl. Glaser et al. 2011, 11). 8.1.3 Individuelle Dispositionen Untersuchungen von Eigler (1985, 388), Jechle (1992, 115) sowie Bereiter und Scardamalia (1987, 69 f) zeigen, dass das Vorbzw. Weltwissen als „interne“ Ressource großen Einfluss auf die Qualität von Texten hat. Lernende, die über viel Wissen verfügen, können in der Regel aus ihren Wissensbeständen zielgerichtet und adressatengerecht auswählen sowie die Inhalte besser strukturieren. Sie versuchen außerdem, Redundanzen zu vermeiden (vgl. Coirier et al. 2002, 159; Lange & Neuhaus 1934, 206). Je nach Thema und Anlass sind zum Teil unterschiedliche Wissensbestände relevant, um unterschiedliche Erwartungen der Adressaten zu befriedigen. Für DaZ-Lernende kann fehlendes Wissen das Schreiben erschweren, beispielsweise, wenn spezifisches kulturelles Wissen notwendig ist, um einen Text zu verfassen. Etwa, wenn Weihnachtskarten verfasst werden sollen und diese im Herkunftsland nicht üblich sind (vgl. Jeuck 2015, 112 f). Schülerinnen und Schülern anderer Kulturen muss die Möglichkeit zur gedanklichen Durchdringung neuer kultureller Deutungsmuster oder Werte und Normen gegeben werden (vgl. Rösch 2011, 139), z. B. durch Projekte oder alters- und sprachstandsgerechte Informationstexte (vgl. Graham 2008, 4; Feilke et al. 2016, 6). Auch das Wissen um Textmuster, Schreibstrategien oder ein spezifischer Wortschatz (vgl. auch Kapitel 05) gehören zum kulturspezifischen sprachlichen Wissen. Ein eingeschränkter Wortschatz erschwert es, (fachliche) Konzepte und Begriffe beim Schreiben adäquat einzusetzen (vgl. Jeuck 2015, 22). Wissensdefizite im Vor- oder Weltwissen können sich negativ auf die Schreibmotivation auswirken (vgl. Jeuk 2015, 67 f). Diese sorgt als zentrale Disposition für die Initiierung, Aufrechterhaltung bzw. Richtungsgebung des Schreibprozesses (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008, 414). Wie hoch die Motivation ist, hängt ganz wesentlich davon ab, wie die Erfolgsaussichten (Erfolgsanreiz und Erfolgswahrscheinlichkeit, vgl. Hasselhorn & Gold 2013, 110) bewertet <?page no="169"?> 169 8.1 Was ist Schreibkompetenz? werden. Diese Bewertung beruht auf vorherigen Lernerfahrungen, die die Entwicklung des Selbstkonzepts als Schreiber beeinflussen. Das Selbstkonzept umfasst viele Komponenten. Dazu gehören Ihre Erinnerungen an sich selbst, Überzeugungen über Traits [Eigenschaften], Motive, Werte und Fähigkeiten; das ideale Selbst, das Sie am liebsten werden möchten; die möglichen Selbst, deren Verwirklichung Sie erwägen; positive und negative Bewertungen Ihrer selbst (Selbstwertgefühl); und Überzeugungen davon, was andere über Sie denken (Gerrig & Zimbardo 2008, 531). So können Jungen Schreiben als weibliche Aktivität erleben, da ihnen häufig adäquate männliche Modelle fehlen (vgl. Jones 2012, 171). Auch Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Gruppen besitzen häufig eine negative Einstellung gegenüber dem Schreiben und distanzieren sich davon (vgl. Philipp 2015, 80; Neumann 2012, 64). Ihre Schreibmotivation ist entsprechend gering. 8.1.4 Novizen vs. Experten: Schreibsozialisation & Schreibentwicklung Schülerinnen und Schüler innerhalb einer Klasse befinden sich auf unterschiedlichem Niveau, auch wenn sie bisher den gleichen Schreibunterricht erfahren haben. In der Schreibdidaktik unterscheidet man deshalb zwischen Lebens- und Schreibalter. Unter „Schreibalter“ versteht Feilke (1996, 1181) „die praktische Schreiberfahrung und die Dauer der Auseinandersetzung mit den Standards und Normen einer literalen Kultur“, die dazu führen, dass sich die oben genannten Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln können. Um Schreibkompetenz zu erlangen, ist regelmäßiges Schreiben besonders wichtig und zielführend (vgl. National Center for Education Statistics 2012, 32). Vergleichen Sie den Text von Lena (vgl. oben) mit dem Annas, die die gleiche Klasse besucht. Welche Aspekte zeigen, dass Anna im Deutschen über weniger Schreiberfahrung verfügt als Lena? Anna, 5. Klasse 2001 am 26.5. um 8.00. gehten zwei reuber in Bank und so überfallt und war des im Suhl und sie haben Euro gerauben. Die Polizei war ganz da war. Quantität und Qualität der Auseinandersetzung mit Schriftsprache sind vor allem durch ihren Stellenwert in der Familie und andere wichtige Sozialisationsinstanzen wie die Gruppe der Gleichaltrigen oder die Schule geprägt (vgl. Philipp 2015, 69; Donovan 2006, 136 f). Schriftsprachliche Standards oder Normen werden „über das Konzept der gesellschaftlichen Teilhabe bzw. des gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekts-[…] legitimiert“ (Philipp 2015, 69) und wirken über verschiedene gesellschaftliche Ebenen auf das Individuum ein. Kinder mit nicht deutscher Erstsprache haben häufig weniger Möglichkeiten, entsprechende Erfahrungen zu machen (vgl. Klieme et al. 2006, 23; van den Bergh 2012, 27 ff). Sie schreiben aber nicht automatisch schlechtere Texte (vgl. Marx 2017, 144 ff). 12 <?page no="170"?> 170 8 Texte verfassen Feilke (1995, 278) beschreibt drei Fehlvorstellungen, die der Entwicklung von Schreibkompetenz zugrunde liegen können: das Dornröschen-, Genie- und Mimikry-Konzept. Beim Dornröschen-Konzept wird davon ausgegangen, dass entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten angeboren sind und durch die Begegnung mit der Schriftsprache „wachgeküsst“ werden. Vertreter eines Genie-Konzepts nehmen ein Zusammenwirken von Alter und Begabung an. Mimikry-Konzepte gehen davon aus, dass Schreibenlernen durch die Nachahmung von rhetorischen Mustern und Strukturen geschieht. Alle drei Konzepte werden in ihrer Eindimensionalität dem Schreibenlernen nicht gerecht. Ziel der Schule ist es, allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft beim Schreiben eine Entwicklung hin zu einer adressaten-, funktions- und situationsangemessenen Schriftsprachlichkeit zu ermöglichen (from conversation to composition, vgl. Bereiter & Scardamalia 1987, 53). Das bedeutet, dass Teilkompetenzen auf unterschiedlichem Niveau sukzessive aufgebaut und weiterentwickelt werden sollen. Stufenmodelle können helfen, Entwicklungstendenzen zu beschreiben (vgl. Behrens 2017, 75). Die Stufen solcher Modelle sind jedoch im Sinne von Entwicklungsaufgaben zu verstehen und nicht normativ zu interpretieren. Ein einflussreiches Modell legte Bereiter (1980) vor, das fünf Stadien der Entwicklung beschreibt: das assoziative Schreiben („Associative Writing“), normorientiertes Schreiben („Performative Writing“), leserbezogenes Schreiben („Communicative Writing“), kritisches Schreiben („Unified Writing“) und erkenntnisbildendes Schreiben („Epistemic Writing“). Auf den verschiedenen Stufen dominiert jeweils ein bestimmter Aspekt die Schreibentwicklung, nämlich Prozess, Produkt oder Leser (vgl. Abb. 8.5). Dabei ist davon auszugehen, dass einmal erworbene Aspekte während der Entwicklung nicht verworfen, sondern jeweils in die nächste Entwicklungsstufe integriert werden (vgl. Pohl 2013, 219). <?page no="171"?> 171 8.1 Was ist Schreibkompetenz? Abb. 8.5: Stufen der Schreibentwicklung nach Bereiter (1980) Im Anschluss an Bereiters Modell setzten sich zahlreiche andere Wissenschaftler mit der Entwicklung des Schreibens auseinander und differenzierten die von Bereiter identifizierten Aspekte weiter aus (vgl. Bereiter & Scardamalia 1987; Feilke & Augst 1989; Feilke 1996; Hayes 2012; Pohl 2013, 219 f; Becker-Mrotzek 1997; Sturm & Weder 2016). Die Beobachtung, dass sich Schreiben in verschiedenen Textmustern von einer lokalen zu einer globalen Orientierung entwickelt, ist ein zentrales Ergebnis dieser Forschung. Sie lässt sich analog zur Terminologie Kelloggs (2008) in Form von vier Stufen beschreiben: knowledge-telling, knowledge-structuring, knowledge-transforming, knowledge-crafting (vgl. Kellogg 2008, 4; Sturm & Weder 2016, 34 f). Zum Erstschreiben, das unter knowledge-telling subsumiert werden kann: vgl. Kapitel 06. Erste Schreibversuche von Kindern sind stark assoziativ geprägt (knowledge-telling). Ein großer Teil der Arbeitsgedächtniskapazität ist durch die Schreibmotorik beansprucht. Schreibnovizen planen in der Regel nicht, was sie schreiben und wie sie ihren Text strukturieren; sie schreiben solange ihre Gedanken nieder, bis ihnen nichts mehr einfällt bzw. der Text als fertig angesehen wird. Die Texte haben noch kein globales Thema, sondern reihen <?page no="172"?> 172 8 Texte verfassen verschiedene Themen mit häufig stereotyper Syntax aneinander. Sie sind in der Regel stark erlebnisorientiert und subjektiv geprägt, was zu Brüchen und Redundanzen im Text führen kann. Die Texte werden nicht überarbeitet. Weinhold (2000, 135) hebt das Bemühen um schriftsprachliches Handeln als besondere Leistung der Kinder in dieser Phase hervor. Sturm & Weder (2016, 35) nehmen als nächste Entwicklungsstufe die Fähigkeit zum knowledge-structuring an. Kindern gelingt es auf dieser Stufe erstmals, Inhalte zu selektieren: Nun werden nicht mehr alle Ideen verschriftet, sondern nur diejenigen, die zu einem bestimmten (globalen) Thema passen. Texte auf dieser Stufe sind häufig episodisch oder enzyklopädisch organisiert, d. h. in „Denkeinheiten“ der Kinder. Die Kohärenz der Texte nimmt dadurch zu. Erstmals treten einfache Kohäsionsmittel auf, die durch eine Verkettung von Sätzen Beziehungen zwischen diesen ermöglichen (vgl. Feilke 1996, 1182). Häufig werden diese aber noch sehr monoton eingesetzt, typisch ist eine chronologische Verknüpfung durch und dann-… und dann. Noch immer werden Inhalte also eher bottom-up organisiert. In der Phase des knowledge-transforming gelingt es Schreibenden bereits, Genrekonventionen und Normen zu beachten. Die Texte weisen eine stärkere Gliederung auf, beispielsweise in Form hierarchischer Strukturierungen bei deskriptiven Texten. Auf der Prozessebene gelingt es Schreibenden nun zunehmend besser, die Subprozesse Planen, Formulieren und Überarbeiten aufeinander zu beziehen, wodurch top-down-Prozesse möglich werden (z. B. Planung von Textteilen). Die Orientierung an Textmustern führt zu vollständigeren und umfassenderen Texten. Erst auf der Entwicklungsstufe des knowledge-crafting beziehen Lernende durchgehend die Perspektive des Lesers mit ein. Dazu muss der Leser nicht als konkrete Person antizipiert werden, sondern es müssen vor allem mögliche Interpretationen des Textes bedacht werden. Im Fokus der Entwicklung steht die adressatenbezogene Funktionalität des Textes. Dafür ist es notwendig, dass die Texte kohärent und vollständig sind. Textsortenspezifische Formulierungen werden eingesetzt, um dem Leser Strukturen etc. zu verdeutlichen. Untersuchungen von Augst et al. (2007, 345) und Kellogg (2008, 4) zeigen, dass die oben beschriebenen Entwicklungsstufen in jedem Textmuster neu durchlaufen werden. Je nach Schreiberfahrung in einem Textmuster ist die Schreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern unterschiedlich weit entwickelt. Beispielsweise kann ein Kind beim Erzählen schon die Stufe des knowledge-transforming erreicht haben, während es beim Argumentieren noch die Strategie des knowledge-telling nutzt. Stufenmodelle eignen sich dazu, Entwicklungsaufgaben zu identifizieren, aber nicht für eine fundierte Diagnostik. Im Idealfall findet parallel zu den oben genannten Entwicklungsaspekten beim Schreiben eine Entwicklung der Selbstregulationsfähigkeiten statt: Durch die zunehmende Automatisierung von Teilprozessen werden kognitive Ressourcen frei, die zur Überwachung und Regulation des Schreibprozesses genutzt werden können. Trainiert man diese in Verbindung mit dem Schreiben, übernehmen Kinder mehr Verantwortung für ihren Lernprozess, entwickeln ein günstigeres Selbstbild und zeigen bessere Leistungen (vgl. Stöger et al. 2009). Glaser et al. (2011, 11) konstatieren, dass Experten im Unterschied zu Schreibnovizen selbstreguliert schreiben. Sie setzen sich konkretere Ziele, planen die Zielerreichung strategisch und verfügen über Kriterien zur Bewertung des Ergebnisses. Sie können ihren Schreibprozess <?page no="173"?> 173 8.2 Text, Textsorte, Textmuster besser steuern und ihre Ressourcen effektiver nutzen. Um Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung ihrer Schreibkompetenz zu unterstützen, sollten daher auch Selbstregulationsstrategien vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler müssen dazu angeleitet werden, sich konkrete und angemessene (d. h. herausfordernde und realistisch erreichbare) Ziele zu setzen. Diese dienen einerseits der Selbstüberwachung während des Schreibprozesses (vgl. Hayes 2012, 371), andererseits auch der Erfolgsbewertung am Ende (vgl. Ziegler & Stöger 2005, 30 f; Wild 2018, 206). Gute Schreiberinnen und Schreiber können dazu aus einer Vielzahl von Optionen und Strategien auswählen, die sie sich während ihrer Schreibentwicklung angeeignet haben und die sie flexibel zur Zielerreichung einsetzen können (vgl. Winne 2011, 19; Flower 1989, 34). Strategien sind bewusstseinsfähige Prozeduren (mentale Handlungen), die absichtsvoll zur Zielerreichung eingesetzt werden können (vgl. Graham & Harris 2005, 8; Philipp 2014, 46; Flower 1989, 31 f). Die Wirksamkeit von Schreibstrategien ist inzwischen durch eine Vielzahl von Studien nachgewiesen (vgl. Sturm & Weder 2016; Graham & Harris 2005; Graham & Perin 2007). Gute Strategietrainings vermitteln Schülerinnen und Schülern deshalb nicht nur deklaratives Strategiewissen, sondern auch metakognitive Strategien, die ihnen helfen, die Textqualität anhand von Kriterien zu bewerten, sich Ziele zu setzen und den Schreibprozess zu organisieren (vgl. Fidalgo et al. 2015, 37). Wie man effektiv Strategien vermittelt, stellen Graham & Harris (2005, 26) dar. Sie modellieren eine sechsstufige Vorgehensweise, die das selbständige Anwenden von Strategien durch Schülerinnen und Schüler zum Ziel hat: (1) Vorwissen aktivieren, das benötigt wird, um die Strategien zu lernen; (2) Diskutieren, wie die Strategie bei der Zielerreichung hilft; (3) die Strategie modellieren; (4) sich die Strategie merken, z. B. mit Hilfe von Mnemotechniken; (5) angeleitetes bzw. unterstütztes Üben; (6) unabhängiges Üben. (Video-Tutorials finden Sie unter https: / / www.youtube. com/ channel/ UCGCIZSvbY5LfTDwBWjfzH6g, zuletzt geprüft: 28. 11. 2018) 8.2 Text, Textsorte, Textmuster Effektive Strategien sind an die Textsorten und Textmuster angepasst. Das Wissen darum, was diese ausmacht und welche Merkmale sie erfüllen, zeichnet gute Schreiber aus (vgl. Graham 2006, 466). Doch welche Merkmale sind konstitutiv? Denken Sie an ihre eigene Schulzeit zurück: Welche Textsorten haben Sie gelernt? Welche davon haben Sie in Ihrem bisherigen Leben noch einmal gebraucht? Diskutieren Sie auf Basis Ihrer Erfahrungen, ob es sinnvoll ist, in der Schule konkrete Textsorten zu vermitteln. Erörterung, Kommentar und Essay sind argumentative Textsorten, die laut Lehrplänen in der Schule vermittelt werden sollen. Im traditionellen Aufsatzunterricht wurden für jede Textsorte ausführliche Merkmalslisten vorgegeben, die die Schülerinnen und Schüler lernen sollten (vgl. Fix 2008, 90). Für viele Kinder blieb es jedoch ein Rätsel, wie sie diese Merkmale <?page no="174"?> 174 8 Texte verfassen in ihren Texten realisieren konnten. In der modernen Schreibdidaktik greift man deshalb auf Textmuster zurück, die die Gemeinsamkeiten, etwa argumentativer Texte, betonen und zeigen, wie diese funktional und situationsspezifisch ausdifferenziert werden. Textmuster sind also Prototypen, die flexibel eingesetzt werden können. Die Prototypentheorie geht davon aus, dass es einen „idealen Vertreter“ einer Gattung gibt (vgl. Rosch 1975), der die zentralen gemeinsamen Schlüsselmerkmale aufweist. Auf Texte angewendet bedeutet dies, dass man in einem Beschwerdebrief, in einer Glosse und in einer Rezension gemeinsame Merkmale findet. Allen drei Texten liegt ein argumentatives Muster zugrunde, das darin besteht, dass die eigene Meinung durch objektivierende Argumente begründet wird. Wie aus Abbildung 8.6 ersichtlich wird, versteht man unter Textmustern reduzierte und abstrahierte Merkmalsbündel einer Gruppe von Texten, die eine bestimmte Funktion erfüllen, z. B. argumentierende Texte. Sie sind eine Abstraktionsebene über Textsorten anzusiedeln. Als Textsorten bezeichnet man eine kleinere Gruppe von Texten, die eine größere Menge von Merkmalsbündeln teilt und bestimmten kulturellen Konventionen folgt (vgl. Heinemann & Viehweger 1991, 137; Brinker et al. 2014, 122 u. 133). Sie sind weniger abstrakt als Textmuster, jedoch abstrakter als einzelne Texte. Im Hayes & Flower-Modell tauchen Textsorten und Textmuster als „stored writing plans“ auf. Abb. 8.6: Vom Text zur Textsorte zum Textmuster Für den schulischen Schreibunterricht ist es effektiver, Textmusterwissen zu vermitteln, da sich daraus top-down Textsorten und Texte flexibel kontext- und adressatenbezogen ableiten lassen. Aus Erwerbsperspektive spricht für dieses Vorgehen, dass Textmustervorstellungen durch kommunikative Erfahrungen implizit wachsen und ausgebaut werden. Je öfter ein Kind argumentativen Mustern in unterschiedlichen Situationen und Kontexten begegnet oder diese selbst einsetzt, desto detaillierter wird seine Vorstellung des Textmusters (vgl. Heinemann & Heinemann 2002, 103 ff). An diese Vorerfahrungen kann die Schule anknüpfen und durch <?page no="175"?> 175 8.3 Schulische Textmuster lernwirksames Feedback die weitere Entwicklung explizit fördern, z. B. indem Expertentexte untersucht werden. Zu den Erkennungsmerkmalen einzelner Textmuster zählen die sogenannten Textprozeduren, die in jüngster Zeit in der deutschsprachigen Forschung besondere Aufmerksamkeit erfahren haben (vgl. z. B. Feilke 2010). Sie strukturieren auf Autorenseite als sprachliche Handlungsmuster den Schreibprozess. Für den Adressaten weisen sie auf das Vorliegen eines bestimmten Textmusters oder einer bestimmten Struktur hin, etwa deuten die Ausdrücke „dafür spricht“, „weil“ oder „aus diesem Grund“ auf das Sprachhandlungsmuster „Begründen“ in einer Argumentation hin. Textprozeduren stehen damit als Mittler zwischen Prozess und Produkt (vgl. Feilke 2014a, 21). Sie sind erlernbare, stabile und wiederkehrende Elemente (vgl. Feilke 2014a, 20), die situationsspezifisch verwendet werden. So greifen beispielsweise argumentative wissenschaftliche Texte in der Mathematik und Biologie auf gemeinsame Prozeduren zurück, sie verwenden aber auch fachspezifische Prozeduren. Diese können in diesem Fall also auch als Ausweis der Kenntnis des entsprechenden Fachdiskurses gelten. In einem Text realisieren sie als Schemata Teilfunktionen, etwa ruft „es sei gegeben“ ein mentales Modell des folgenden Sachverhalts auf und weist auf den hypothetischen Charakter hin. Sowohl in Hinblick auf Strukturen als auch auf Formulierungen bietet es sich an, mit Schülerinnen und Schülern Expertentexte zu untersuchen, Elemente zu markieren und zu diskutieren, um nach und nach eine detailliertere Vorstellung des Textmusters zu erhalten und die Erkenntnisse für die eigene Textproduktion nutzen zu können (vgl. Steinhoff 2012). 8.3 Schulische Textmuster Im Folgenden werden vier Textmuster vorgestellt, die von besonderer Relevanz für den Schulkontext sind: Neben den beiden informierenden Textmustern Beschreiben (Instruieren) und Berichten handelt es sich dabei um das Argumentieren und das Erzählen. Wichtig ist dabei, dass es nicht darum geht, Strukturen und Stilmerkmale einander zuzuordnen (vgl. Fix 2008, 91), sondern klar zu machen, welche Funktionen bestimmte Textteile erfüllen. 8.3.1 Beschreiben Beschreiben strukturiert einen Ausschnitt der Wirklichkeit, sodass ihn sich der Leser (oder Zuhörer) vergegenwärtigen kann. Etwa soll es eine Zimmerbeschreibung ermöglichen, sich das Zimmer vorzustellen (vgl. Anskeit 2015, 33). Strukturieren bedeutet in diesem Zusammenhang, der Darstellung eine nachvollziehbare Ordnung zu geben (vgl. Feilke 2003, 7). Je nach Zweck und Gegenstand einer Beschreibung bieten sich unterschiedliche Ordnungsprinzipien an: zeitlich, räumlich, nach Bedeutung, nach Bekanntheitsgrad etc. (vgl. Heinemann 2000, 361). Für eine Zimmerbeschreibung ist eine räumliche Ordnung sinnvoll („links neben der Türe befindet sich…“), während eine Beschreibung nach der Bedeutung von Gegenständen für einen Leser wohl wenig nachvollziehbar ist („in meinem Zimmer gibt es eine Playstation, einen Fernseher und ein Bett“). <?page no="176"?> 176 8 Texte verfassen Das Beispiel zeigt, dass eine Beschreibung dem Leser Orientierungsmöglichkeiten bieten muss. Viele Beschreibungen enthalten deshalb einen Überblick, der dem Leser eine erste Orientierung ermöglicht (sogenannte kategoriale Einordnung, vgl. Heinemann & Viehweger 1991, 245; Bühler 1965, 102 ff). So werden bei Kochrezepten und Bastelanleitungen die Ziele und das benötigte Material vorangestellt, eine Zimmerbeschreibung skizziert den Grundriss des Zimmers, ein Lexikonartikel gibt einen Überblick über den Beschreibungsgegenstand etc. Der Überblick ermöglicht es dem Leser aber nicht nur, sich zu orientieren, er erlaubt es ihm zudem, an Bekanntes anzuknüpfen und Vorwissen zu aktivieren. Dadurch wird es leichter, die im Text folgenden Informationen einzuordnen und zu verstehen. „Der Beschreibende kann [also] zunächst relevante Merkmale des gesamten Objekts kennzeichnen-[…]; er kann aber auch von den Teilen ausgehen und sie so zusammenfügen, daß-[…] ein anschauliches Bild vom Ganzen des beschriebenen Gegenstands entsteht“ (Heinemann & Viehweger 1991, 245). Ossner (2014, 256) weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Kategorien und sensorischen Merkmalen hin: Kategorien werden in der Regel aus dem Gesamtobjekt abgleitet und mittels der Beschreibung sensorischer Merkmale konkretisiert, sodass sie anschaulich und vorstellbar werden. Beispielsweise werden aus dem Überblick über das Zimmer Einzelmerkmale abgeleitet, etwa „Links neben der Türe steht mein Bücherregal. Es hat vier Fächer und ist aus Buchenholz. Darin-…“. Der „wandernde Blick“ des Verfassers folgt nach der gewählten Ordnung einem Nachbarschaftsprinzip, d. h. es folgen diejenigen Merkmale nacheinander, die in einer zeitlichen, räumlichen etc. Beziehung stehen (vgl. Heinemann & Viehweger 1991, 244). Abb. 8.7: Beschreiben aus Sicht eines Schreibenden unter Berücksichtigung der Leserperspektive Es dürfte offensichtlich sein, dass Beschreibungen immer auch subjektiv geprägt sind (vgl. Ossner 2014, 252 f). Welche Vorstellungen ein Schreibender von einem Gegenstand hat, hängt zu einem großen Teil davon ab, wie genau das Objekt wahrgenommen bzw. vorgestellt wurde (vgl. Abb. 8.7). Es empfiehlt sich deshalb, als Vorbereitung auf das Beschreiben auch die Wahrnehmung zu schulen, etwa mit Bildlupe, Detailskizzen oder Impulsfragen. Auf Formulierungsebene sorgen Fachbegriffe, Attribute und Vergleiche für Präzision (vgl. Fix <?page no="177"?> 177 8.3 Schulische Textmuster 2008, 99 ff). So bedeutet in einer Bastelanleitung knicken oder falten etwas Anderes als falzen, die jeweiligen Verben verweisen demnach auf unterschiedliche Tätigkeiten, die der Leser ausführen soll. Adjektive haben als Attribute in Beschreibungen meist die Aufgabe sensorische Merkmale zu benennen. Die Beschreibungsgegenstände werden durch das Tempus Präsens vergegenwärtigt (vgl. Weinrich 2001, 68 f). Abb. 8.8: Mögliche Beschreibungsgegenstände Neben Textsorten wie Bastelanleitungen, Lexikonartikel oder Kochrezepten, begegnen uns deskriptive Textpassagen oft auch eingebettet in andere Textmuster (subordinierende Funktion). So gibt es etwa in Erzählungen Figurenbeschreibungen und Ortsbeschreibungen oder in argumentativen Texten muss eine Situation beispielhaft beschrieben werden. 8.3.2 Erzählen Mit dem Erzählen kommen Kinder bereits sehr früh durch Kindertheater, Hörspiele und Vorlesesituationen in Kontakt (vgl. Augst et al. 2007, 262 f) und eignen sich schriftsprachliche Formen an, wie etwa Formen des Präteritums (das Bübchen hieß Hänsel) oder des Konjunktivs (Sie sagte, er sei). Während Oberflächenformen wie diese vergleichsweise schnell erworben werden, stellt der Erwerb der Tiefenstrukturen des Erzählens Schülerinnen und Schüler vor etliche Herausforderungen. Folgt man „Story Grammar“-Ansätzen (vgl. Infokasten), aber auch Autoren wie Zwaan et al. (1995, 293) oder Schwitalla (2012, 187), sind drei Aspekte für das Erzählen relevant: Zeit, Raum und Figuren (Setting, Actants) (vgl. Fludernik 2006, 41). Sie definieren den Rahmen, <?page no="178"?> 178 8 Texte verfassen in dem ein Ereignis stattgefunden hat (vgl. Wild et al. 2018, 55; Bühler 1965,102 ff). Beim Erzählen geht es also darum, eine für den Leser nachvollziehbare fiktive narrative Welt zu konstruieren, in der etwas Erzählenswertes (Plot) stattfindet (vgl. Abb. 8.9). „Das setzt voraus, dass der Text den Leser im Vorfeld genau [über Erzählwelt und Figuren] informiert“ (Junkerjürgen 2002, 34). „Story Grammar“-Ansätze (z. B. Labov & Waletzky 1973; Stein & Glenn 1979; Rumelhart 1977) gehen davon aus, dass eine Art „Geschichtegrammatik“ existiert, d. h. Regeln, anhand derer eine Erzählung erzeugt werden kann. Geschichtegrammatiken unterscheiden fünf strukturelle Kategorien: Die Orientierung des Lesers (Einführung von Ort, Zeit und Figuren) hinsichtlich des Alltagsskripts, die Komplikation (Ereignis), die Evaluation (affektive Bewertung des Ereignisses aus Leserbzw. Figurensicht), die Auflösung (Wiederherstellen der „heilen“ Welt) sowie die Coda (Schluss). Abb. 8.9: Drei Dimensionen des Erzählens (Wild et al. 2018, 52) Erzählungen enthalten daher in der Regel mehr oder weniger umfangreiche beschreibende Anteile, um die Situation und die Figuren plastisch vor den Augen der Leserinnen und Leser entstehen zu lassen. Beschreibungen können an jeder Stelle einer Erzählung vorkommen und nicht nur am Anfang wie dies der traditionelle Aufsatz („Erzählmaus“) fordert, sondern immer dann, wenn das mentale Modell des Lesers aktualisiert werden soll. Die Konstruktion der narrativen Welt und der Erzählfiguren geschieht wie beim Textmuster Beschreibung über die Darstellung und Präzisierung sensorischer Merkmale. Beispielsweise riecht man feuchtes, verrottendes Laub oder sieht die zerrissene, vor Schmutz starrende Jeans einer Figur. Beschreibungen wie diese rufen Bilder im Kopf des Lesers hervor und führen dazu, dass er sich die Erzählwelt anschaulich vorstellen kann. <?page no="179"?> 179 8.3 Schulische Textmuster Schülerinnen und Schüler benötigen zur Konstruktion des Raumes Strategien, die es ihnen erlauben, den Leser in den fiktiven Wahrnehmungsraum der Erzählwelt zu versetzen. Dazu gehört die Beschreibung von Sinneseindrücken (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen), die mit entsprechenden sprachlichen Mitteln umgesetzt werden müssen (vgl. Schilcher et al. 2019). Auch das wie-Vergleichsschema macht Situationen anschaulicher: „Es war dunkel wie in einer Nacht ohne Straßenlaternen“ (aus einem Schülertext). Handelt es sich bei dem Erzählraum um einen offensichtlich phantastischen Raum (z. B. Hogwarts), spricht man von einer Phantasieerzählung; handelt es sich um einen vermeintlich realen Raum, von einer Erlebniserzählung. Im Grunde ist diese Unterscheidung aber nur soweit relevant, als dass etwaige Abweichungen von Naturgesetzen im fiktiven Raum für den Leser erklärt werden müssen (vgl. Fix 2008, 96; Hausendorf & Quasthoff 1996, 93). Figuren werden ebenfalls durch sensorische Merkmale beschrieben (Aussehen, Kleidung, besondere Attribute, Gegenstände). Auch die Figurenrede macht eine Figur lebendig. Relevant sind in diesem Kontext zwei Formen: die wörtliche Rede und die Gedankenrede (Innenperspektive), die sich im Wesentlichen durch die Unmittelbarkeit der Wahrnehmung und die modale Markierung unterscheiden (vgl. Wild et al. 2018, 54). Wie etwas gesagt oder gedacht wird, markiert das Redeverb, beispielsweise er schrie bzw. er dachte. Es geht in Erzählungen jedoch nicht darum, möglichst viele unterschiedliche Redeverben zu verwenden, wie dies Übungen zum Wortfeld „sagen“ suggerieren. Vielmehr sollte Schülerinnen und Schülern die Wirkung der einzelnen Verben bewusst sein, etwa welche Redeweise zu einer Figur passt. Darüber hinaus dient die Figurenrede der emotionalen Involvierung des Lesers. Je mehr ich Motive oder Gedanken als Leser verstehen kann, desto mehr Identifikationspotential besitzt eine Figur und desto mehr wird das Geschehen aus ihrer Perspektive nachvollziehbar. Beschreibungen reichen nicht aus, um eine Geschichte zu erzählen. Das spezifische Element von Erzählungen ist die Handlung. Damit Handlung entsteht, muss mindestens eine dieser drei Dimensionen verändert werden, z. B. indem sich eine Figur durch den Raum bewegt (vgl. Heinemann & Heinemann 2002, 187). In der Regel werden Veränderungen von Figuren eingeleitet und sind kausal verknüpft, d. h. eine Verbindung zwischen ihnen kann durch Alltagswissen hergestellt werden. Damit eine Geschichte erzählwürdig wird, muss etwas Ungewöhnliches passieren (reportability bzw. tellability bei Labov 2006, 38; Interessantheitskriterium bei van Dijk 1980, 141). Damit ist das Abweichen von alltäglichen Erwartungen gemeint, also ein Bruch im zu erwartenden Ereignisverlauf (vgl. Boueke et al. 1995, 73): Dieser vom normalen Alltagsgeschehen abweichende Verlauf wird als Ereignis bezeichnet. Häufig hängt das Ereignis mit den Plänen der handelnden Figuren zusammen: In “the course of a normal sequence of events there appear unexpected events, which may cause the agent to change his purposes in order to avoid a predicament” (van Dijk 1975, 286). Eine Erzählung über den Schultag, über einen Ausflug oder das Mittagessen wird erst dann spannend, wenn sich dabei etwas Ungewöhnliches ereignet. Die Unerwartetheit bzw. Plötzlichkeit des Ereignisses kann für den Leser sowohl morphosyntaktisch (plötzlich, auf einmal, da) als auch semantisch, durch Veränderungen der Situation oder Figuren, markiert werden. An welcher Stelle in der Geschichte ein Ereignis auftritt, ist aber unerheblich. Beispielsweise ereignet es sich in Detektivromanen oft zu Beginn oder vor dem Einsetzen der eigentlichen Handlung, <?page no="180"?> 180 8 Texte verfassen etwa wenn ein Mord passiert. In allen Fällen handelt es sich jedoch um ein in der Vergangenheit (der Erzählwelt) abgeschlossenes Ereignis, sodass das Präteritum die vorherrschende Zeit ist (vgl. Weinrich 2001, 75), sogar im Science-Fiction-Roman. Traditionelle Unterstützungsmaßnahmen für das Schreiben von Erzählungen wie die Bildergeschichte oder die Erzählmaus stehen in der Kritik, weil sie zu starren, klischeehaften Erzählungen führen und nicht zu einem flexiblen Einsatz von Erzählstrategien führen. Sie sollten deshalb nicht zur Erzählförderung eingesetzt werden (vgl. weiterführend z. B. Karg 2005; Schilcher 2011; Kochheim 1981). Entlastung auf verschiedenen Ebenen bieten systematische Trainings wie das „Burg Adlerstein“-Schreibtraining (Schilcher et al. 2019) oder Materialien wie Mysantis (Schilcher 2012) bzw. das Märchen-Erfinder-Spiel (Schilcher 2015) etc. Eine Möglichkeit, das Gestalten eines Ereignisses zu trainieren, entwickelte Pissarek (2011) in Form des sogenannten Ereigniswürfelns. 8.3.3 Berichten Auch das Berichten folgt-- wie das Erzählen-- einer chronologischen Grundstruktur und hat ein Ereignis als Kernelement, es erfüllt jedoch eine andere Funktion: Es soll das Informationsbedürfnis eines Adressaten befriedigen (vgl. Feilke 2005, 6). Die Schule steckt damit in einem didaktischen Dilemma, denn selten sind Schülerinnen und Schüler an einem Geschehen beteiligt, das einem Adressaten berichtet werden könnte und bei dem sie über aktuelle und exklusive Informationen verfügen, die für den anderen von Interesse sind. Es liegen somit kaum berichtenswerte und relevante Ereignisse vor. Simulationen oder fächerübergreifender Unterricht bieten sich an, um authentische und exklusive Berichtsanlässe zu schaffen. Beispielsweise können sich Schülerinnen und Schüler durch Experimentieren im naturwissenschaftlichen Unterricht exklusives Wissen zu einem Thema aneignen, das in einem Untersuchungsbericht dargelegt werden kann. Quasi-authentische Schreibanlässe in Simulationen können gezielt so gestaltet werden, dass jedem Schüler nur Teilinformationen zur Verfügung stehen. Ein Unterrichtsbeispiel von Schilcher (2005) simuliert dazu verschiedene Ermittlergruppen, die bei einem Kriminalfall zusammenarbeiten und die jeweils vorliegenden Informationen in Berichten darstellen, um am Ende durch Zusammenführen aller relevanten Informationen das Verbrechen aufzuklären. Die Darstellung von Fakten orientiert sich in einem Bericht stark an den Informationserwartungen und -bedürfnissen der jeweiligen Adressaten (vgl. Feilke 2014b, 234). Beispielsweise brauchen ein Rettungssanitäter, ein Polizist oder eine Versicherung jeweils auch spezifische Informationen bei einem Unfallbericht: Einmal stehen Typ und Schwere der Verletzung im Fokus, einmal der Ablauf und die Schuldfrage, im dritten Fall zusätzlich die Höhe des Schadens. Ist kein Informationsbedürfnis vorhanden, muss- - eigentlich- - auch nicht be- <?page no="181"?> 181 8.3 Schulische Textmuster richtet werden. Schulisches Berichten bleibt daher oft funktionslos. Aus Autorensicht lassen sich drei Typen des Berichtens unterscheiden: Das Berichten über persönliche Erfahrungen führt zu einem Erfahrungsbericht, das Wiedergeben relevanter (z. B. historischer) Ereignisse zum Ereignisbericht und das Zusammenfassen von Ergebnissen einer Untersuchung zum Untersuchungsbericht (vgl. Feilke 2014b, 238). Personen sind im Bericht Funktions-, keine Handlungsträger (vgl. Fix 2008, 97). Das heißt, sie treten nur auf, wenn sie relevant für das Resultat sind und werden lediglich in ihrer Rolle benannt (Der Polizist X, das Unfallopfer Y), ansonsten aber nicht ausführlicher beschrieben. Da Berichte es den Leserinnen und Lesern ermöglichen sollen, sich schnell und zielgerichtet zu informieren, ist neben einem Informationsvorsprung des Berichtenden ein Verdichten der Informationen notwendig. Im Gegensatz zum Erzählen steht daher das Resultat im Zentrum: „Der Berichtende kennt das Resultat und betrachtet den Handlungs- und Ereigniskomplex vom Ende her“ (Fix 2008, 97). Diese Notwendigkeit der Informationsverdichtung spiegelt sich in der Struktur vieler Berichte wider. Schon von Beginn an soll der Leser entscheiden können, ob der Text aktuell, exklusiv und relevant ist. Der Grad der Verdichtung ist daher etwa in Zeitungsberichten zu Beginn eines Textes, in der Überschrift und im Lead, am höchsten und reduziert sich im Verlaufe des Textes (vgl. Abb. 8.10; von der Kammer 2005, 48). Informationen werden also möglichst nach abnehmender Wichtigkeit angeordnet. Abb. 8.10: Schema des sog. Lead-Stils Im sogenannten Lead-Stil folgt nach der Überschrift ein „Vorspann“ (Lead), der in Zeitungen meist fett gedruckt wird. Jeder Abschnitt-- Überschrift, Lead, Text-- beantwortet zunehmend mehr der journalistischen W-Fragen: „Wer ist am Ereignis beteiligt? Was geschah (bzw. was ist daran wichtig? ) Wo passierte es? Wann? Wie geschah es (wichtige Details)? Warum kam es dazu? “ (Fix 2008, 98) <?page no="182"?> 182 8 Texte verfassen Ordnen Sie die W-Fragen der obenstehenden Skizze zu! Was stellen Sie fest? Welche W-Fragen beantworten die Schülertexte von Anna / Laura? Welchem Berichtstyp sind sie zuzuordnen? Berichte erheben zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Wahrheit und Neutralität (vgl. Feilke 2014b, 236 f; Heinemann & Viehweger 1991, 239), enthalten aber oft auch subjektive Komponenten, sodass keineswegs von einer strikt objektiven Textklasse gesprochen werden kann, wie dies im Unterricht oft suggeriert wird. Gerade Erlebnisberichte, etwa ein Reisebericht, enthalten in der Regel eine Vielzahl persönlicher Eindrücke und Wertungen. 8.3.4 Argumentieren Bereits kleine Kinder argumentieren, etwa, wenn sie nicht ins Bett gehen oder einen Film sehen möchten. Schon sehr früh greifen Kinder dabei auf argumentative Grundmuster zurück (vgl. Ludwig & Spinner 2000, 16). Aus Sicht eines kompetenzorientierten Schreibunterrichts ist es deshalb konsequent, diese bereits vorliegenden Fähigkeiten aufzugreifen und ab der Grundschule weiterzuentwickeln. Ein Vorgehen, das die aktuellen Lehrpläne der Primarstufe widerspiegeln. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler lernen, auf Grundlage geteilter Werte- und Normvorstellungen „gesellschaftlichen Anforderungen zu begegnen, Lebenssituationen sprachlich zu bewältigen, sich mitzuteilen-- zu argumentieren-[…], Kritikfähigkeit zu entwickeln“ ( KMK 2003, 6). Argumentieren zu können, ist Grundvoraussetzung, um als mündiger Bürger am gesellschaftlichen Leben teilhaben und an einer gewaltlosen Streitkultur partizipieren zu können. Wer weiß, wie Meinungen gebildet werden, kann sich außerdem Einflüssen wie Gruppendruck besser entziehen. Ausgangspunkt jeder Argumentation ist ein zumindest in Teilen strittiger Sachverhalt, zu dem sich ein Verfasser positioniert (Behauptung). Sieht man vom epistemischen Schreiben ab, wird klar, dass Argumentieren damit grundsätzlich dialogisch angelegt ist. Fehlt ein Adressat, der an dem Sachverhalt zweifelt bzw. diesen als strittig markiert, ist eine Argumentation gegenstandslos. Denn Zweck der Argumentation ist es, den Adressaten durch möglichst objektive und plausible Begründungen von der eigenen Position zu überzeugen (vgl. Pohl 2014, 288 ff; Heinemann & Viehweger 1991, 249). Der Dissens soll-- wenn möglich-- in Konsens überführt werden oder zumindest in die Anerkennung der anderen Sichtweise. In der Schreibdidaktik wird häufig auf das Argumentationsschema des Philosophen Stephen Toulmin (2003) zurückgegriffen (vgl. Abb. 8.11). Toulmin geht davon aus, dass effektive Argumentationen nicht einfach nur ein (moralisches) Urteil über einen Sachverhalt fällen, sondern dieses Urteil für Andere nachvollziehbar machen (vgl. Toulmin 2003, 90). Der Idealfall wäre, dass der Adressat an keinem Punkt der Schlussfolgerung widersprechen kann, wie dies bei Syllogismen der Fall ist, die bereits nahe am Beweis-- einer Sonderform der Argumentation-- sind. Voraussetzung für eine gelingende Argumentation ist, dass Sender und Empfänger ein gemeinsames Werte- und Normensystem teilen (vgl. Ludwig & Spinner 2000, 17). Fehlt diese gemeinsame Basis, ist eine lösungsorientierte Argumentation nicht möglich, etwa wenn Vertreter einer westlichen Kultur die freie Entwicklung des Individuums <?page no="183"?> 183 8.3 Schulische Textmuster als höchsten Wert zur Stützung ihrer Argumente „hinterlegen“, Vertreter asiatischer Kulturen das Gemeinwohl aber höher bewerten. Kulturelle Unterschiede im Sinne eines interkulturellen Unterrichts zu diskutieren, kann daher auch dazu dienen, eigene (unhinterfragte) Werte zu reflektieren. Begründungen bilden das Herzstück des Argumentierens. Sie liefern hinreichende Gründe und Motivationen, damit eine Behauptung plausibel erscheint. Begründungen sollen sich jedoch nicht in subjektiven Meinungen und Empfindungen erschöpfen, sondern durch objektivierende, verallgemeinerbare Belege gestützt und durch Beispiele veranschaulicht werden. Nicht jede Stützung ist gleich wirksam. Eigene, bloß subjektiv gemachte Erfahrungen sind wenig überzeugend. Deutlich effektiver sind Analogien, Fakten, Daten oder Statistiken, allgemein anerkannte Denkmuster und Normen sowie Aussagen von Fachleuten oder Experten (vgl. Becker-Mrotzek et al. 2016, 8). Unter „Daten“ sind auch Textbelege bei literarischen Argumentationen (Interpretationen) zu verstehen. Schülerinnen und Schüler verfügen jedoch häufig nicht über das nötige Sachbzw. Fachwissen, um geeignete Begründungen und Beispiele finden zu können (vgl. Pohl 2014, 297). Es ist deshalb sinnvoll, ihnen geeignete Materialien und / oder Recherchemöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe sie sich dieses Wissen aneignen können (vgl. materialgestütztes Schreiben, Feilke et al. 2016). Abb. 8.11: Argumentationsschema (vgl. Toulmin 2003, 96) Neben der Stellungnahme tritt das Argumentieren in der Schule häufig in Form der dialektischen Erörterung auf, bei der Pro- und Contra-Position vertreten werden müssen. Obgleich der epistemische Charakter dieser Schreibform sinnvoll sein kann, um für sich selbst einen Sachverhalt zu durchdringen und sich eine eigene Meinung zu bilden, führt die dialektische Erörterung im schulischen Kontext meist eher zu einer oberflächlichen und formelhaften Auseinandersetzung mit dem Thema. Positionen und Begründungen werden einbezogen, die <?page no="184"?> 184 8 Texte verfassen in der Realität niemand vertreten würde (vgl. Fix 2008, 103 f). Es gilt daher auch schulisch zu unterscheiden, ob es vorrangig darum gehen soll, einen Sachverhalt so zu durchdringen, dass man sich eine eigene Meinung bilden kann oder einen Standpunkt findet. Oder ob es darum geht, objektivierbare Gründe für den bereits vorhandenen eigenen Standpunkt zu finden-- wobei auch hier Gegenargumente mitbedacht werden müssen, aber in diesem Fall, um sie zu entkräften. Warum, könnten Schülerinnen und Schüler zu Recht fragen, soll man Gründe gegen die eigene Position liefern, wenn man bereits von etwas überzeugt ist und jemanden anderen von seinem Standpunkt überzeugen will? 8.4 Schreibaufgaben Mit Schreibaufgaben werden Schülerinnen und Schüler nicht nur im Deutschunterricht konfrontiert. Sie sind die häufigste Prüfungsform auch in den meisten anderen Fächern, anhand derer Lernergebnisse bewertet und beurteilt werden. Meist wird dabei zu wenig bedacht, dass in die Beurteilung ein erheblicher Anteil der Schreibkompetenz einer Schülerin bzw. eines Schülers miteinfließt. Lehrkräfte anderer Fächer sollten auch eine Sensibilität für das Niveau von Schreibaufgaben entwickeln (vgl. Becker-Mrotzek, 2014). Dazu gehört eine Analyse, ob nur Teilaspekte der Schreibkompetenz bzw. des Schreibprozesses oder übergreifende Schreibkompetenz gefordert werden (vgl. Feilke et al. 2016). Beispielsweise kann in einer Schreibaufgabe nur das Strukturieren oder Formulieren geübt werden. Schreibaufgaben sollten nach Bachmann & Becker-Mrotzek (2010) profiliert sein, um die Schwierigkeiten der zerdehnten Kommunikationssituation zumindest teilweise zu kompensieren. Profilierte Schreibaufgaben klären dazu umfassend die Bedingungen des Schreibens und verdeutlichen den Nutzen des Schreibens: Es muss einerseits deutlich werden, welche kommunikative Funktion ein Text erfüllen soll, andererseits sollten Schreibaufgaben als kommunikativ sinnvolle Interaktion mit konkreten Adressaten gestaltet werden (Situierung). Schreibnovizen fällt es dann leichter, Ziele festzulegen und sprachliche Mittel etc. auszuwählen. Recherchemöglichkeiten wie das materialgestützte Schreiben (vgl. Feilke et al. 2016; Abraham et al. 2015) helfen Schülerinnen und Schülern, sich das zum Schreiben erforderliche inhaltliche bzw. thematische Wissen anzueignen. Wenn es Schreibenden ermöglicht wird, die Wirkung ihres Textes zu überprüfen, fallen ihnen Überarbeitungsprozesse leichter (z. B. Diskussion ihres Textes im Rahmen einer Schreibkonferenz). Solche kooperativen Arbeitsformen führen auch dazu, dass Kinder das Schreiben als sozialen Aushandlungsprozess begreifen lernen. Schreibaufgaben müssen darüber hinaus auch fachlich korrekt und didaktisch sinnvoll sein. Ungünstige Schreibaufgaben, wie etwa die Bildergeschichte oder die klassische Höhepunkterzählung (vgl. Karg, 2011; Schilcher, 2011a), können Schülerfehler erst hervorrufen und wirken sich ungünstig auf die Schreibentwicklung aus. <?page no="185"?> 185 8.5 Bewerten und Beurteilen 8.5 Bewerten und Beurteilen Hattie & Timperley (2007) zeigen, dass sich Lernprozesse dann günstig entwickeln, wenn Lehrpersonen den Lernenden konstruktiv unterstützen. Denken Sie an Ihren Alltag: Hilft es Ihnen, wenn Sie wissen, dass sie mittelmäßig kochen können? Oder wenn Sie erst nach einer Prüfung erfahren, was Sie hätten können sollen? Damit Sie sich während des Lernprozesses selbst einschätzen können und wissen, woran Sie arbeiten können, benötigen Sie-- genau wie Ihre Schülerinnen und Schüler-- Kriterien. Hattie & Timperley (2007, 87) nennen drei Fragen, die den Kindern und Jugendlichen beim Lernen beantwortet werden sollten: ▶ Was kannst du schon? Feststellen der Lernausgangslage (Diagnose? ) ▶ Was sollst du können? Lernziel (Kompetenzen) ▶ Wie kommst du da hin? Passgenaue Strategien Becker-Mrotzek & Böttcher (2014, 135) empfehlen, dass man bei der Rückmeldung den Schüler / die Schülerin persönlich anspricht und ihm oder ihr das eigene Textverständnis als Leser darlegt. Günstig ist es außerdem, wenn die thematisierten Stellen im Text markiert werden. Ausgangspunkt einer jeden Förderung ist demnach eine fachlich fundierte Diagnose (vgl. auch den Beginn des Kapitels). Birkel & Birkel (2002) sowie Schmelz (2009, 264) zeigten allerdings, dass Lehrkräfte Probleme haben, die Stärken und Schwächen eines Textes zu identifizieren und dass zwischen ihnen die Übereinstimmung bei Textbeurteilungen sehr gering ist. Dies weist darauf hin, dass unterschiedliche Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung angelegt werden. Kriterien können als Merkmale von Texten (Indikatoren) verstanden werden, von denen man auf Teilaspekte von Schreibkompetenz schließen kann. Werden eindeutige Kriterien angewendet, führt dies zu transparenteren und objektiveren Urteilen (vgl. Birkel & Birkel 2002, 223). Einen Überblick über mögliche Kriterien gibt das sogenannte Zürcher Textanalyseraster (vgl. Abb. 8.12; Nussbaumer & Sieber 1995, 40 f), das viele Merkmale auf unterschiedlichen Ebenen bietet, aus denen diejenigen ausgewählt und angepasst werden sollten, die im Zentrum der jeweiligen Förderung stehen. Wie Sie geeignete Kriterien entwickeln können, zeigt am Beispiel einer Spieleanleitung Wild (2018). <?page no="186"?> 186 8 Texte verfassen Abb. 8.12: Zürcher Textanalyseraster, vereinfacht nach Nussbaumer & Sieber (1995, 40 f) <?page no="187"?> 187 8.5 Bewerten und Beurteilen Bei der Auswahl von Kriterien sollten Sie darauf achten, nicht zu viele und nicht zu wenige Kriterien zu verwenden. Idealerweise sind es ca. 12-15 Kriterien. Verwendet man weniger, erhält das einzelne Kriterium zu viel Gewicht im Urteil, werden es mehr, verlieren die einzelnen Kriterien an Gewicht (vgl. Becker-Mrotzek & Böttcher 2014, 128). Becker-Mrotzek & Böttcher (2014, 129) schlagen einen Basiskatalog von zwölf Kriterien vor, der je nach Textmuster und Aufgabe angepasst werden kann. Orthographie und Grammatik; Wortwahl und Satzbau (Sprachangemessenheit); Gesamtidee und Umfang / Relevanz (Inhalt); Textmuster, Textaufbau, thematische Entfaltung und Leserführung (Aufbau); Planungs-/ Überarbeitungsspuren (Schreibprozess) sowie Kreativität. Lern- und Übungsphasen sollten von Bewertungsphasen getrennt werden. Während in Lern- und Übungsphasen eine fördernde Rückmeldung (Bewertung) Schülerinnen und Schülern Klarheit über ihren aktuellen Lernprozess verschaffen soll, beurteilen Lernstandserhebungen (Benotung / Beurteilung) abschließend den Erfolg von Lernprozessen. <?page no="188"?> 188 8 Texte verfassen 8.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe Argumentieren 3.-4. ▶ Risel, Heinz (2007). „Weil ich mir eine neue CD kaufen will! “ Argumentieren in der Grundschule. Praxis Grundschule, 5, 44-47. 5.-8. ▶ Becker-Mrotzek, Michael; Schneider, Frank & Tetling, Klaus (o. J.). Argumentierendes Schreiben- - lehren und lernen. Vorschläge für einen systematischen Kompetenzaufbau in den Stufen 5 bis 8. Url: http: / / www.schulentwicklung.nrw.de/ cms/ upload/ netzwerk_NfUE/ deutsch/ argumentieren_einfuehrung_lang.pdf (zuletzt geprüft: 02. 08. 2016). 7.-10. ▶ Dürr, Susanne & Schilcher, Anita (2008). Landratswahl in Besserstadt. Meinungsbildung im Wahlkampf. Praxis Deutsch, 211, 9-12. Berichten Sek. ▶ Schilcher, Anita (2005). An heißer Spur. Mit Hilfe von Berichten einen Kriminalfall lösen. Praxis Deutsch, 195, 27-38. Sek. ▶ von der Kammer, Marion (2005). Das Wichtigste zuerst. Das Schreiben im Lead-Stil. Praxis Deutsch, 195, 47-56. Beschreiben 3.-6. ▶ Steinhoff, Torsten (2012). „Das Fantasietier-Lexikon“. Praxis Deutsch, 233, 129-137. 6.-8. ▶ Schilcher, Anita (2003). Der Weltraum. Unendliche Weiten. Praxis Deutsch, 182, 39-44. 7.-10. ▶ Noack, Christina (2012). Fasse dich kurz! Texte komprimieren. Zusammenfassen und verdichten von Texten + effizientes und genaues Lesen. Deutschunterricht, 1, 30-35. 4.-7. ▶ Anskeit, Nadine (2015). „Wenn man in mein Zimmer kommt, sieht man…“ Ein Unterrichtsmodell für sprachprofilierte Schreibumgebungen. Grundschulunterricht Deutsch, 3, 33-37. 4.-6. ▶ Arslan-Yildirian, Dilan (2014). „Beschreiben“- - einen Operator kennen und anwenden. Deutschunterricht, 3, 9-13. 5.-7. ▶ Rezat, Sara (2015). Berlin entdecken. Schüler schreiben materialgestützt einen eigenen Stadtführer für die Klassenfahrt. Praxis Deutsch, 251, 13-22. 5.-6. ▶ Baurmann, Jürgen (2014). Falten, knicken, klappen. Praxis Deutsch, Sonderheft „Durch die Schuljahre 5-6“, 6-9. Erzählen 2.-4. ▶ Schilcher, Anita (2013). Märchen-Erfinder-Spiel. Mit dem Märchenspiel schreiben, erzählen und analysieren. Praxis Grundschule, 5, 42-43. 3.-4. ▶ Schilcher, Anita (2011). Burg Zinnenfels. Praxis Grundschule, 2, 11-18. <?page no="189"?> 189 8.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe 3.-7. ▶ Pissarek, Markus (2011). Ist Erzählen trainierbar? Systematische Übungen an Alltagsskripten. Grundschule, 3, 28-29. 4.-6. ▶ Schilcher, Anita; Wild, Johannes; Knott, Christina; Goldenstein, Marina; Sontag, Christine & Stöger, Heidrun (2019). Burg Adlerstein-Schreibtraining. Lehrerhandreichung. Braunschweig: Westermann 2019. (Manuskript eingereicht.) 5.-7. ▶ Menzel, Wolfgang (2014). Spannend erzählen. In Helmuth Feilke & Thorsten Pohl (Hrsg.), Schriftlicher Sprachgebrauch. Texte verfassen (535-546). Hohengehren: Schneider. 5.-8. ▶ Schilcher, Anita (2013). Erzählen lernen mit literarischen Fragmenten. Praxis Deutsch, 239, 16-21. 5.-10. ▶ Schilcher, Anita (2012). „Mysantis“: ein Schreibspiel. Etappe für Etappe eine Fantasygeschichte verfassen. Deutsch 5-10, 30, 4-10. Korrigieren / Überarbeiten - ▶ Merz-Grötsch, Jasmin (2011). Gutes Feedback geben. Probleme diagnostizieren-- Schreibkompetenzen fördern. Grundschule, 3, 30-33. - ▶ Philipp, Maik (2014). Einblicke in die Schreibprozesse gewähren: Modellieren. Praxis Grundschule, 1, 28-31. <?page no="191"?> 191 8.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte 9 Rechtschreiben lernen Johannes Wild Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ dass die Rechtschreibung keineswegs immer schlechter wird. ▶ was Rechtschreibung ist (und was nicht). ▶ wie Rechtschreibung in unserem Kopf abläuft. ▶ dass es unterschiedliche Konzepte von Rechtschreibunterricht gibt. ▶ was Rechtschreibkompetenz ist. ▶ wie Sie Rechtschreibkompetenz messen (und wie nicht). ▶ welche Störungen im Rechtschreiberwerb auftreten und was Sie unternehmen können. Warum schreibt man Rad fahren getrennt, aber eislaufen zusammen? Was ist der Unterschied zwischen groß schreiben und großschreiben? (Nicht nur) wir Deutschlehrkräfte werden tagtäglich mit solchen oder ähnlichen Fragen zur Schreibung von Wörtern konfrontiert. Oft sind wir selbst bei Schreibweisen unsicher oder wägen zwischen verschiedenen Möglichkeiten ab. Die Ursache ist, dass im Rechtschreibunterricht nur selten systematische Einsichten in das deutsche Sprachsystem aufgebaut werden-- stattdessen findet eine Fixierung auf Regeln statt (vgl. Fuhrhop 2015, 1). Verfügen wir über keine Strategien, um Zweifelsfälle, wie die oben angeführten, zu klären, schreiben wir nach Gefühl. Studien wie die Logik-Studie (Schneider 2008), Steinig et al. (2009) oder Grimm (2003) scheinen darauf hinzudeuten, dass die Rechtschreibleistung von Schülerinnen und Schülern über die Jahrzehnte hinweg immer schlechter zu werden scheint und dass z. T. massive Probleme bestehen. Allerdings: Die Schülertexte werden zugleich auch länger, komplexer und damit anspruchsvoller (vgl. Steinig et al. 2009, 252 ff). Es existieren außerdem auch widersprüchliche Studien, die auf Verbesserungen der Rechtschreibleistung hindeuten (vgl. Brügelmann 2013, 16). Brügelmann (2013) zeigt, dass die als absolut dargestellten Ergebnisse z. B. aufgrund der Art der untersuchten Stichprobe, der verwendeten Testinstrumente (Aufsatz, Diktat, Wörter) oder Umweltbedingungen gar keine eindeutigen Aussagen treffen können (und wollen). In der großangelegten, BMBF -geförderten Studie zu Analphabetismus, der LEO -Studie, ist eine Verschlechterung der Rechtschreibleistung ebenfalls nicht nachweisbar, zeigt jedoch ein Grundproblem literaler Bildung in der Gesellschaft (vgl. Grotlüschen et al. 2012, 21 u. 24 f). Bei DaZ-Lernern werden Fehler auf der orthographischen Ebene gerne als (vermeintlicher) Beweis für die fehlende Beherrschung des deutschen Sprachsystems herangezogen (vgl. Pommerin 1996, 18). Es gilt hier jedoch der gleiche Grundsatz wie bei Muttersprachlern: Fehler spiegeln Lernprozesse wider und beschreiben daher Lernpotentiale, das gilt insbesondere für Übergeneralisierungen. <?page no="192"?> 192 9 Rechtschreiben lernen Manche Fehler sind ein notwendiger Zwischenschritt (Übergeneralisierungen) auf dem Weg zur orthographischen Kompetenz. Sie zeigen an, dass das Kind neue Einsichten in das Schriftsystem gewonnen hat, z. B. ging > gehte. Offensichtlich hat das Kind hier die Funktionsweise der schwachen Verbflexion entdeckt und wendet sie nun übergeneralisiert auch auf starke Verben an. Diese Formen bilden sich zurück, wenn erneut Einsichten („es gibt auch starke Verben mit Ablaut“) gewonnen werden. Analysieren Sie folgenden Schülertext: Was kann der Schüler schon, was sind Lernpotentiale? Machen Sie sich Notizen und beobachten Sie sich selbst bei der Korrektur: Was stellen Sie fest? 1 Der elteste ist 22 Jahre alt. Er heist Florian oder ale nenen in imer Flo. 2 Flo ist mit Natalia zusamen. Natalia ist 20 Jahre alt. Olga ist Die beste 3 Fründin von Natalia. Olga ist 19 Jahre alt. Olga hat lange Schwaze 4 Haare. Flo Natalia und Olga wolten zelten gehen. Die 3 haten das schon 5 lange geplant. Flo baute das Zelt auf. Olga und Natalia sasen auf der 6 bang schauten zu. am adenb machten sie noch ein lagerfoer und grilten 7 marschmelos und Stock brot. Auf dem Weg zur Schrift lernen wir zunächst, Schrift als etwas Bedeutungshaltiges zu begreifen (vgl. dazu ausführlicher Kapitel 06; z. B. Frith 1985, Spitta 1986 oder Valtin 1991). Aufgrund gesellschaftlicher Konventionen werden bestimmten Zeichenfolgen (Symbolen) bestimmte Bedeutungen zugewiesen. Das Entschlüsseln (Lesen) und die Produktion (Schreiben bzw. Sprechen) dieser Zeichenfolgen beruht auf einem System, das wir für die produktive Seite (Schreiben) als Graphemik bezeichnen wollen. Die normative Seite, also was richtig ist, beschreibt die Orthographie (vgl. Fuhrhop 2015, 1). Sie ist nur insoweit willkürlich, als dass die Festlegung dessen, was richtig ist, auf einem-- überspitzt gesagt-- willkürlichen Entscheidungsakt beruht. Sie ist ein natürlich gewachsenes System, das durch Tendenzen der Sprachmehrheit Veränderungen unterworfen ist, die durch Entscheidungen einer zentralen Instanz zur Norm werden. Orthographische Normen sind damit etwas, das der Sprachgemeinschaft von außen auferlegt wird. Im tatsächlichen Sprachgebrauch, z. B. in Dialekten, gibt es durchaus Abweichungen, die von der jeweiligen Sprachgemeinschaft ebenfalls als „korrekt“ akzeptiert werden. Orthographie bezeichnet die Lehre von der systematischen und einheitlichen Verschriftung von Sprache durch Buchstaben und Satzzeichen. Ihre Grundlagen wurden durch die ersten Normierungstendenzen der Drucker des 16./ 17. Jahrhunderts gelegt. Eine offizielle Regelung erfolgte aber erstmals 1876 (vgl. Bußmann 2008, 507). Eine Vereinheitlichung von Schreibweisen war u. a. deshalb notwendig geworden, um das Lesen zu erleichtern: Wurden Texte im (frühen bis hohen) Mittelalter noch laut vorgelesen, lasen nun immer mehr Menschen leise für sich. Ähnlich wie die „Grammatik im Kopf “ (vgl. Kapitel 03) entwickelt sich im Verlauf der literalen Sozialisation auch ein Bewusstsein für richtige Schreibungen: Es beruht auf einem System <?page no="193"?> 193 9 Rechtschreiben lernen von Produktionsregeln, die mehr oder weniger deckungsgleich mit der orthographischen Norm sein können. Erfahrene Muttersprachler wenden diese intuitiv an (vgl. Fuhrhop 2015, 3). Entgegen dem weitverbreiteten Diktum „Schreib, wie du sprichst“ ist Ausgangspunkt der Verschriftung aber nicht die Lautung, sondern die Abstraktion und Analyse der Lautung, nämlich Lautschemata (Phoneme), aus denen Schreibschemata (Grapheme) abgeleitet werden (vgl. Augst & Dehn 2009, 33). Grapheme werden schließlich durch Buchstaben oder Buchstabenkombinationen repräsentiert. Welche Kombinationen dabei akzeptiert werden, regelt die Orthographie (s. o.). Beispielsweise steht <sch> in Schuhe, da es das Graphem für / ∫/ (sch-Laut) ist. Es sei denn, es tritt vor / p/ , / t/ , / k/ im Anlaut auf wie in Stein. Achtung: Fehlschreibungen wie *suhe (‚Schuhe’) eines türkischen Kindes sind u. a. auch dadurch erklärbar, dass im Türkischen das Graphem für / ∫/ aus nur einem Buchstaben (s) besteht. Das Deutsche weist dabei einige Besonderheiten auf, über die andere Sprachen z. T. nicht verfügen, u. a. Konsonantenhäufung, Dehnungs-/ Schärfungsmarkierung, Auslautverhärtung, Ablaut etc. (vgl. Rösch 2011, 82; Berkemeier o. J., 6 f). Graphem-Phonem-Korrespondenz ( GPK ) bezeichnet die Zuordnung von bedeutungsunterscheidenden Lauteinheiten (Phonemen) zu bedeutungsunterscheidenden graphischen Zeichen (Graphemen): z. B. langes „i“ → <ie>. Nach welchem System dies geschieht, wird nachfolgend erläutert. DaZ-Lerner müssen diese Schemata und Kombinationsregeln erst erwerben. Sie durchlaufen Zwischenstadien, bei denen auch Elemente der L1 in die L2 übernommen werden (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012, 35). Sie entstehen beispielsweise dadurch, dass in der L1 bereits erworbene Kompetenzen in der L2 genutzt werden. Man spricht von positivem Transfer, wenn diese Gemeinsamkeiten der Sprachen tatsächlich existieren, von negativem Transfer bei fälschlich angenommenen Gemeinsamkeiten (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012, 39 f). Gleich einer kognitiven Landkarte entwickelt sich dieses System von Übergangssprachen (i. S. der Interlanguage-Hypothese) immer weiter und gleicht sich „dem Sprachsystem der Zielsprache“ (Kniffka & Siebert-Ott 2012, 45) durch schrittweise Dekomposition (Herausfiltern von Merkmalen) immer mehr an. Das benötigt Zeit. Die Interlanguage-Hypothese besagt, dass ein Lerner beim Erwerb einer zweiten Sprache ein eigenes Sprachsystem entwickelt, das sowohl Merkmale der Erstals auch der Zweitsprache aufweist. Hinzu kommen Merkmale, die davon unabhängig entwickelt wurden. Stellen Sie sich vor, Sie sind in eine neue Stadt umgezogen: Vermutlich erschließen Sie sich zunächst kleinere Bereiche der Stadt (z. B. das Viertel Ihrer neuen Wohnung), halten an Vertrautem fest. Erst nach und nach wird es Ihnen gelingen, durch „Erkundungen“ einen Überblick über die ganze Stadt zu bekommen. Was Sie im Übrigen nicht durch bloße Beschreibungen oder Bilder der Stadt schaffen werden! Analog ziehen kompetente Rechtschreiber nicht <?page no="194"?> 194 9 Rechtschreiben lernen nur phonologisch-phonetische, sondern auch silbische, morphologische und syntaktische Informationen gleichzeitig zum Schreiben heran (vgl. Bredel 2015, 259). Abb. 9.1: Ablauf und Struktur im gesamten schulischen Rechtschreiberwerb (Naumann 2008, 149). Die <! > geben den „Grad der Erforschung“ der Rechtschreibentwicklung an. Für das Lehren von Orthographie hat dies zweierlei Konsequenzen: Zum einen muss von sprachlichen Phänomenen bzw. Problemen, d. h. konkretem Sprachmaterial, ausgegangen werden, das diese Schemata bewusst macht und das Entdecken von Systematiken ermöglicht, zum anderen müssen Übungsprozesse angestoßen werden, die die Assimilation bzw. Akkomodation von Hypothesen über die Zielsprache zulassen (vgl. Rösch 2011, 30; Steinig & Huneke 2015, 152). Karmiloff-Smith (1997, 19) zeigt, dass die Entwicklung sprachlicher Kompetenzen dann rapide ansteigt, wenn die Funktionsprinzipien einer Sprache verstanden wurden. Dazu ist es notwendig, existierende verfestigte und unzureichende Hypothesen durch unterrichtliche Impulse aufzubrechen und systematisch neu aufzubauen (vgl. Abb. 9.2). Dass Zweitsprachlerner dazu Hilfestellungen in ihrer Muttersprache benötigen und es sinnvoll ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Zielsprache Deutsch herauszuarbeiten, dürfte sich von selbst verstehen. Gerade der Kontrast zweier Sprachen kann reizvoll sein, um zu neuen Einsichten über die Zielsprache zu gelangen. <?page no="195"?> 195 9.1 Die Stadt kennen und anderen den Weg erklären Abb. 9.2: Verlauf des Rechtschreiberwerbs (Gepunktete Linie: idealtypischer Verlauf im Unterricht) 9.1 Die Stadt kennen und anderen den Weg erklären Damit sich Ihre Schülerinnen und Schüler in der Orthographie auskennen, reicht es nicht, ihnen (in der Hoffnung, dass sie sich zurechtfinden) einen Stadtplan (Duden / Regeln) in die Hand zu drücken. Sie müssen wissen, welche Wege sie gehen können (Phänomene, Erklärungsmöglichkeiten), welche Verkehrsmittel dazu zur Verfügung stehen (Strategien), welche Straßen ggf. gesperrt sind (Ausnahmen) usw. Offensichtlich müssen Sie sich dazu als Lehrkraft selbst in der Stadt gut auskennen: Sie müssen die grundlegenden Prinzipien der Orthographie beherrschen und wissen, was (und wie) die Lernenden als nächstes trainieren können. Sie müssen darüber hinaus auch Fehlerschwerpunkte diagnostizieren können, die den Ausgangspunkt einer effektiven Förderung bilden, egal, ob Sie einem linguistischen oder lernerbezogenen Ansatz folgen (vgl. Kruse & Reichardt 2016, 227). Im Übrigen: Häufig gibt es mehrere Möglichkeiten, ein Phänomen zu erklären. Diese gilt es, bei der Sachanalyse und Materialerstellung zu berücksichtigen. Dem Rechtschreibenlernen liegt ein konstruktivistischer Lernbegriff zugrunde d. h. es erfolgt eigenaktiv und systematisch. Zuerst müssen Grundlagen und Kernbereich der Orthographie beherrscht werden, bevor man sich dem Peripheriebereich zuwendet. Schicken Sie die Schülerinnen und Schüler also nicht gleich durch die ganze Stadt! In der Schule passiert häufig gerade das: Mit Vorliebe werden gerade Problemfälle thematisiert und abgefragt (vgl. Fuhrhop 2015, 2). Die Folge ist, dass die Rechtschreibung als willkürlich und nicht erlernbar wahrgenommen wird. <?page no="196"?> 196 9 Rechtschreiben lernen Konstruktivistische Lerntheorien gehen davon aus, dass sich Lernende Wissen eigenständig und aktiv erschließen. Werden Schülerinnen und Schüler nur mit Rechtschreibregeln konfrontiert, ist dies nicht der Fall. Durch das eigenständige Erforschen und das Entdecken eigener Problemlösungsstrategien an sprachlichen Phänomenen werden solche Prozesse hingegen gefördert. Rechtschreiben erforschen heißt, das System der Rechtschreibung zu erforschen. Wie in naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozessen werden Vermutungen aufgestellt, bestätigt oder verworfen (bzw. angepasst). Das Datenmaterial für diese Prozesse liefert die Sprache, die uns umgibt; Untersuchungsinstrumente sind sprachliche Operationen (z. B. die Glinzschen Proben). Für den Rechtschreibunterricht bedeutet das, kognitiv anregende Lern- und Übungsformen zu finden, die über das bloße Abarbeiten oder Auswendiglernen von Regeln oder des „Lernwortschatzes“ hinausgehen und (individuelle) Fehlerschwerpunkte berücksichtigen. Ähnlich der Grammatikwerkstatt (vgl. Menzel 2008) schlüpfen die Schülerinnen und Schüler dazu idealiter in die Rolle von Sprachwissenschaftlern und „experimentieren“ mit Sprachmaterial, z. B.: Du bist Sprachforscher. Du möchtest verstehen, wie Sprache funktioniert. Untersuche die unterstrichenen Wörter mit deinen Forscherwerkzeugen „genau hinsehen, sprechen und zuhören sowie nachdenken und kombinieren“! Achte auf Gemeinsamkeiten! (Du darfst die Wörter / Sätze auch zerschneiden, markieren, umstellen-…) In einer angstfreien und fehlertoleranten Lernumgebung (Fehler als Lerngelegenheit! ) werden realistische Übungsziele gesetzt, wird sinnvoll geübt und der Lernerfolg (durch die Lernenden selbst) bewertet. Lediglich vereinzelte Stunden zur Rechtschreibung sind sinnlos: Sie genügen den o. g. Anforderungen nicht. Besser ist es- - nach dem Erschließen eines Phänomens- -, kontinuierlich und regelmäßig über einen längeren Zeitraum (kurze) Übungseinheiten dazu durchzuführen, d. h. die kognitiven Operationen zu trainieren (vgl. Spiegel 2014, 16 f; Diemer et al. 2015, 57 ff). Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir stets von dem Durchdringen eines (! ) Phänomens sprechen: Die gleichzeitige Behandlung mehrerer Aspekte birgt die Gefahr der Ranschburgschen Hemmung. Zu einer Ranschburgschen Hemmung kommt es, wenn ähnliche Inhalte gleichzeitig behandelt werden. Sie rufen einen kognitiven Konflikt hervor, der dazu führt, dass die Inhalte „verwechselt“ werden. Klassisches Beispiel ist die gleichzeitige Behandlung von das (als Relativpronomen) und dass (als Subjunktion). Sie führt in der Regel dazu, dass die Schüler keines der Phänomene beherrschen. 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Ziel des Rechtschreibunterrichts ist es, Schülerinnen und Schülern zu einem kompetenten Umgang mit der Schriftsprache zu verhelfen und ihnen die Teilhabe an der Schriftkultur der Zielsprache zu ermöglichen (vgl. Budde et al. 2012, 121). So dürfte das Deutsche DaZ- Lernern mit einer phonembezogenen Alphabetschrift als Ausgangsschrift leichter fallen, da sie Voraussetzungen mitbringen, die für das Erlernen notwendig sind; im Gegensatz zu <?page no="197"?> 197 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz DaZ-Lernen, die z. B. in ihrer L1 Bilderschriften verwenden. Der Kompetenzerwerb kann dementsprechend schneller verlaufen. Alphabetschriften lassen sich nach der Bezugsebene der Schreibzeichen unterscheiden. Es gibt silbenbezogene Schriften, bei denen jeder Silbe ein Schreibzeichen zugeordnet wird, wie beispielsweise die westafrikanische Vai-Schrift; es gibt phonembezogene Schriften wie das Deutsche oder Koreanisch und es gibt bedeutungsbezogene Schriften wie die ägyptischen Hieroglyphen oder das Chinesische (logo-/ piktographisch). Um die zuvor strapazierte Stadtmetapher nochmals aufzugreifen-- Rechtschreibkompetenz besitzt im Deutschen vier empirisch modellierte Bezirke (Dimensionen): ▶ ein (dominanter) Kernbereich, ▶ ein Peripheriebereich, ▶ Wortbildungsprinzipien sowie ▶ wortübergreifende Prinzipien. Abb. 9.3: Modell der Rechtschreibkompetenz (Wild & Schilcher 2018) <?page no="198"?> 198 9 Rechtschreiben lernen Hinzu kommen individuelle Dispositionen und die Rechtschreibsozialisation (vgl. Abb. 9.3). Der Kernbereich umfasst das phonographische, das silbische und das morphologische Prinzip und bildet die Grundlage unserer Rechtschreibung (vgl. Blatt & Voss et al. 2015, 237). Ein anderes nicht-empirisches Kompetenzmodell liefert z. B. Wolfgang Menzel (2012, 4), der zwischen Wiedergabefähigkeit, Rechtschreibdenken, der Beherrschung von Nachschlagetechniken, Rechtschreibwissen, Berichtigungsfähigkeit und Rechtschreibverantwortung unterscheidet. Die Rechtschreibprinzipien sind in diesem Modell unter den Kategorien „Rechtschreibdenken“ und „Rechtschreibwissen“ subsumiert. Gemeint ist mit dem Kernbereich-- neben der GPK -- die Berücksichtigung von silbenstrukturellen (silbisches Prinzip) und morphologischen Informationen (morphologisches Prinzip) bei der Schreibung von Wörtern. Schreibungen sind in diesem Kernbereich eindeutig. Beherrschen Sie ihn, schreiben Sie bereits etwa 90 Prozent der Wörter richtig. Schon allein deshalb ist die Kategorisierung von Wörtern in Mitsprech-, Nachdenk- und Merkwörter nicht sinnvoll (vgl. Spiegel 2014, 27): Das Grundprinzip ist zwar die GPK , von Anfang an müssen aber auch silbische, morphematische etc. Strategien berücksichtigt werden. Was in der Regel beim Rechtschreiben Probleme bereitet, sind Bereiche, die außerhalb dieses Kernbereichs liegen. Im sog. Peripheriebereich existieren oft Alternativen oder Ausnahmeregelungen (vgl. Fuhrhop 2015, 1): V. a. Markierungen in offenen Silben (Dehnung) und deren Ableitung; hinzu kommen Wortbildungs- und syntaktische (d. h. wortübergreifende) Aspekte und Fremdwörter (vgl. Blatt & Voss 2015, 237). Aufgrund der Logik der Sache behandeln wir die Wortbildungsprinzipien mit dem morphologischen Prinzip, der Peripheriebereich wird jeweils zugleich mit den Prinzipien erläutert. Übrigens: Hohen Anteil an der Fehlerquote hat die Großschreibung kontingenter (abgeleiteter) Substantive. Auf sie entfallen etwa ein Drittel aller Rechtschreibfehler (vgl. Ossner 2010, 207; vgl. Fix 2004, 193). Als Kontingenz bezeichnet man bei Substantiven das Phänomen, dass sie aufgrund morphologischer Merkmale und ihrer Funktion in einem Satz großgeschrieben werden, beispielsweise Verben: (Das) Laufen macht ihm Spaß. Genuine Substantive wie beispielsweise Maus bereiten weniger Probleme. Sie sind „von Natur aus“ Substantive (vgl. Ossner 2010, 195). Danach folgen Zusammen-/ Getrenntschreibung (etwa 17 %), das / dass-Schreibung, die Markierung von Vokalkürzen (beide etwa 10 %) sowie Fremdwörter (etwa 7 %). Andere Bereiche sind dahinter weit abgeschlagen. Damit sind die meisten Fehler auf das wortübergreifende Prinzip zurückzuführen (vgl. Fix 2004, 193 ff). Die Fehlerschwerpunkte DaZ-Lernender liegen ebenfalls auf dem wortübergreifenden Prinzip, hinzu kommen häufig morphologische Probleme (vgl. Rösch 2016b, 48). Achtung: Die hier beschriebene Hierarchie der Fehlerschwerpunkte bezeichnet Tendenzen und ersetzt keine Individualdiagnostik z. B. mit Rechtschreibtests! <?page no="199"?> 199 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz 9.2.1 Phonologisch-phonetisches Prinzip Das Deutsche ist keine Lautschrift. Wie wir zuvor bereits festgestellt haben, findet keine 1: 1-Zuordnung von Lauten zu Buchstaben statt, sondern eine n: m-Zuordnung von Phonemen zu Graphemen. Beispielsweise werden verschiedene e-Laute ( / e/ , / ɛ/ , / ə/ …) durch ein einziges Graphem <e> verschriftet, aber auch umgekehrt. Den Unterschied zwischen Phonem und Buchstaben verdeutlicht Thomé (2014, 43) anschaulich an dem Artikel die: Das (gesprochene) Wort besteht aus zwei Phonemen, nämlich / d/ und / i: / (langes i). Diese Phoneme werden durch zwei Grapheme wiedergegeben: <d> und <ie>. Das Graphem <ie> wird wiederum mit zwei Buchstaben (i und e) verschriftet, sodass das Wort aus insgesamt drei Buchstaben besteht. Phonologische Bewusstheit: Die phonologische Bewusstheit bezeichnet die Vorläuferfähigkeit des Rechtschreibens, Silben bzw. Laute an verschiedenen Stellen eines Wortes zu isolieren und sie zu unterscheiden (Tonhöhe, -länge, -lage; vgl. auch Kapitel 06). Ausgangspunkt des Rechtschreiblernens ist daher immer die Analyse der Phonemstruktur eines Wortes (vgl. dazu auch Kapitel 03), relativ schnell kommen andere Merkmale hinzu. Übrigens: Auch das Entdecken der Wortzwischenräume (Spatien) ist nicht trivial, schließlich sind diese in der gesprochenen Sprache nicht unbedingt existent. Für das Unterrichten von DaZ-Lernenden müssen wir außerdem Folgendes beachten: Jede Erstsprache baut ein Filtersystem auf, das strukturbedingt die Phoneme der zu erlernenden Sprache durchlässt oder verfälscht. Es ist anzunehmen, dass Sprachen mit Akzentrhythmus [=Wortsprache] (Englisch, slawische Sprachen) deutschsprachige Laute originalgetreu durchlassen, während Sprecher von Sprachen mit Silbenrhythmus [=Silbensprache] (romanische Sprachen, Türkisch) sich damit schwer tun (Rösch 2016a, 19). Bereits die phonetische Analyse („Lautieren“) eines Wortes kann diese Lerner also vor Probleme stellen, zumal das schriftsprachliche „Lautschema“ nicht mit dem tatsächlich Gesprochenen identisch ist. Sprechen Sie in einem Satz „rennen“ oder eher „ren“? Die darauf basierende GPK ist nicht willkürlich: Es gibt Zuordnungen, die besonders häufig auftreten (Basisgrapheme), und solche, die deutlich seltener auftreten (Orthographeme). Sie sind von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Thomé & Thomé bieten für das Deutsche eine Übersicht (vgl. Abb. 9.4). <?page no="200"?> 200 9 Rechtschreiben lernen Abb. 9.4: Basis- und Orthographeme des Deutschen; Basisgrapheme sind fett gedruckt (nach Thomé & Thomé 2014, 9 f) <?page no="201"?> 201 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Im Anfangsunterricht sollten immer zunächst die Basisgrapheme eingeführt werden, beginnend mit den am häufigsten benötigten. Um die spätere Silbenanalyse anzubahnen, kann an dieser Stelle bereits die besondere Funktion von Vokalen hervorgehoben werden, indem sie farbig markiert werden (vgl. Spiegel 2014, 52). Die Einführung der GPK erfolgt in der Regel durch Anlauttabellen, die mit prototypischen Bildern für jedes Phonem zu arbeiten versuchen. Um es vorwegzunehmen: Viele dieser Tabellen sind aus linguistischer Sicht problematisch. Eine günstigere Alternative bietet Thomé & Thomé (2014) „Phoneme und Grapheme des Deutschen: drei Schaubilder“, das auf o. g. Prinzipien beruht. Sie sind nicht, wie andere Anlauttabellen, auf den Anlaut fokussiert. Manche Grapheme kommen (z. B. <ng>, <ch>) an dieser Stelle im Grunde nicht vor. Problematisch ist außerdem häufig die Unterscheidung zwischen gespannten / ungespannten Vokalphonemen, die stellenweise zum Aufbau fehlerhafter GP -Beziehungen führen (z. B. Igel für / i: / , Basisgraphem ist aber <ie>). Weiterhin werden Diphthonge oder wenig frequente Phoneme den häufigen Phonemen gleichgestellt. Es findet keine Unterscheidung zwischen Lang- und Kurzvokalen statt, was insbesondere für DaZ-Lerner problematisch ist, deren Herkunftssprache diese Besonderheit nicht aufweisen (z. B. Türkisch). Weitere Prinzipien der Rechtschreibung werden durch Anlauttabellen in der Regel ignoriert (anders z. B.: Ossner 2011, der die Silbenstruktur berücksichtigt), sodass diese Fixierung lediglich auf die Lautebene in der Regel später zu Problemen führt (vgl. Eckert & Stein 2004, 157). Für den DaZ-Kontext kommt die Schwierigkeit hinzu, dass viele dieser Tabellen auf Basis von Bildern arbeiten, die Kinder in ihrer Herkunftssprache „interpretieren“: beispielsweise steht im Deutschen das Bild eines Hauses für <H> (vgl. Hochstadt et al. 2013, 52). Kinder orientieren sich allerdings vorwiegend am muttersprachlichen Begriff, jedoch wird das Haus im Türkischen mit ev bezeichnet (vgl. Rösch 2016b, 45). Die logische Folge ist, dass ein türkisches Kind / e / mit <H> verknüpft. Eine Alternative zeigt Abb. 9.5. <?page no="202"?> 202 9 Rechtschreiben lernen Abb. 9.5: Auszug aus einer Anlauttabelle für türkische DaZ-Lerner (Urbanek 2010) Wie passen Sie z. B. Thomé & Thomés (2014) GPK -Tabelle für DaZ-Lerner an? Legen Sie sich dazu auf eine Herkunftssprache fest. Zeigen Sie den Lernenden bereits beim Erwerb der GPK, was sie schon können! Schon bei ersten Schreibversuchen (Skelettschreibungen) können Sie die Grapheme / Buchstaben markieren, die der Verfasser beherrscht. Schreiben Sie das Wort in der richtigen Schreibweise darüber und setzen Sie als eine Art „Prüfstempel“ unter jeden „Graphemtreffer“ im Wort des Kindes einen Punkt. Eine nach dieser (alphabetischen) Strategie verschriftete Wortgruppe könnte wie in der folgenden Übungsaufgabe aussehen. Analysieren Sie die Schreibweise *hoisaraie (Häuserreihe) eines Kindes: Markieren Sie die Graphemtreffer. Was kann das Kind bereits, woran sollte es als nächstes arbeiten? <?page no="203"?> 203 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz 9.2.2 Morphologisches Prinzip (Stammprinzip, Schemaschreibung) Auch wenn viele Wörter bereits durch Basisgrapheme korrekt verschriftet werden, würde uns das Lesen noch immer schwerfallen. Deshalb schreiben wir beispielsweise Häuser und nicht *Heuser oder *Hoiser, wir führen das Wort auf Haus zurück. Die Idee hinter dem morphologischen Prinzip ist es, zusammengehörende Wörter / Wortbestandteile durch ähnliche oder gleiche Schreibung als solche zu kennzeichnen (Haus, Haustier, häuslich, hausieren…). Es werden dazu größere Einheiten als die Morpheme in den Blick genommen: die Morpheme. Es geht also um die Bedeutung. Im Grunde können wir uns das Ganze wie einen Lego-Sprach- Baukasten vorstellen: Wir verfügen über Bausteine (Morpheme), die wir einsetzen können, um neue Wörter mit einer bestimmten Bedeutung zu bauen. Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache. Sie sind nicht mit Silben identisch. Mit der Reform der Rechtschreibregelungen von 1996 (2004, 2006) wurde das morphologische Prinzip gestärkt. Betroffen sind v. a. die e-/ ä-Schreibung (Basisgraphem ist <e>/ <eu>, existiert aber ein Stammwort mit <a>/ <au> wird <ä>/ <äu> geschrieben), die Rücknahme der Auslautverhärtung. (Sie sprechen / hunt/ , schreiben aber Hund. Im Türkischen würden Sie die Auslautverhärtung verschriften.) Die „Vererbung“ von Vokalverdoppelungen bzw. Dehnungs-/ Kürzungsmarkierungen (Peripheriebereich) fällt ebenfalls darunter. Hinzu kommen Apostroph und Ergänzungsstrich, die an die Stelle eines oder mehrerer Morpheme treten können, wenn diese entfallen. Unter Beachtung dieser Phänomene wird aus unserem Beispiel: häuserreie. Die Auslautverhärtung ist ein sprachhistorisches Phänomen. Im Mittelhochdeutschen wurde diese beispielsweise nicht nur in der Lautung, sondern auch bei der Schreibung von Wörtern realisiert. Heute wird sie aufgrund des morphologischen Prinzips im Schriftlichen nicht mehr realisiert, wohl aber im Mündlichen. Dies gilt nicht für alle Regionen Deutschlands bzw. nicht für alle Sprachen! Um morphematische Schreibweisen herzuleiten, sind verschiedene Strategien effektiv: Wörter verlängern (Hund kommt von Hunde, hier hören wir auch das / t/ nicht mehr), Wörter ableiten (Fahrrad schreibt man mit h, weil es von fahren kommt) und Wörter zerlegen (Schifffahrt mit drei f, weil Schiff + fahrt). Ausgangspunkt der Strategieerschließung ist Sprachmaterial, das z. B. aus Schülertexten stammt (Fehlschreibungen, die etwas gemeinsam haben) oder eigens zusammengestelltes Wortmaterial. Eine Lernaufgabe für das ent-Präfix könnte wie folgt aussehen: Du bist Sprachforscher und möchtest verstehen, wie Sprache funktioniert. Untersuche die Wörter mit deinen Forscher-Werkzeugen „genau hinsehen, sprechen und zuhören sowie nachdenken und kombinieren“! Was haben sie gemeinsam? Nimm die Wortstreifen: Welche Bestandteile kannst du „wegschneiden“, sodass noch ein sinnvolles Wort übrigbleibt? Lies die entstandenen Wörter laut vor! (entleeren, entblättern, entdecken, entfesseln) <?page no="204"?> 204 9 Rechtschreiben lernen Welche Bestandteile sind das und welche Bedeutung haben sie? Was machen sie mit dem Wort? Für Morphemgrenzen: […] Knicke die langen Wörter vor dem Schreiben an den Wortgrenzen, markiere dir Stellen, an denen du aufpassen musst. Bilde eine Umschreibung (Paraphrase): Schifffahrt, Leuchtturmwärter, Anlegesteg… Knicke alle Wortgrenzen nach hinten: Beginne das Schreiben mit dem ersten Wortteil, schreibe dann den zweiten… Analysieren Sie die Beispiele hinsichtlich des Lernziels: Was sind Vorbzw. Nachteile dieses Vorgehens? Das Erkennen von Morphemen und Morphemgrenzen ist zu einem guten Stück eine Frage des Wortschatzes. Wir empfehlen daher im DaZ-Unterricht die Struktur von Wörtern transparent zu machen, beispielsweise, indem bei Komposita die Paraphrase gebildet wird: Schifffahrt ‚Fahrt mit einem Schiff ’. Einerseits wird so die Zusammensetzung eines Wortes deutlich, andererseits können die Konstituenten in ihrer Bedeutung getrennt betrachtet werden. 9.2.3 Silbisches Prinzip (syllabisches Prinzip) Viele Abweichungen von dem Grundprinzip der GPK kommen durch das silbische Prinzip zustande. Im Detail sind dies Markierungen in offenen Silben (Dehnung), die Silbengelenkschreibung (Schärfung) sowie das silbeninitiale h. Neben der Bedeutungsebene ist die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten von Phonemen also auch durch die Struktur der Silbe eingeschränkt. Sie ist „die kleineste sprachliche Einheit, über die Grammatikalitätsurteile abgegeben werden können“ (Eisenberg 2013a, 97) und nicht (! ) mit Morphemgrenzen identisch: vgl. Häu-ser-rei-he vs. Häus-er-reih-e (Silbengrenzen vs. Morphemgrenzen). Muttersprachliche Kinder besitzen durch Reime, Sprachspiele etc. einen intuitiven Zugang zur Silbe, sodass bereits früh mit Silben operiert werden kann (vgl. Hochstadt et al. 2013, 77). Die Analyse der Silbenstruktur ist für das Rechtschreiben Voraussetzung und kann daher für DaZ-Lerner problematisch sein, die mit anderen Strukturen literalisiert wurden. Ein Wort besteht aus mindestens einer Silbe. Die Silbe ist eine höhere artikulatorisch-auditive Einheit (der gesprochenen Sprache). Analog zu ihr wird die sog. Schreibsilbe angenommen. Der Aufbau einer Schreibsilbe ist immer dreigeteilt: Ihren Kern (Nukleus) bildet immer ein Vokalgraphem bzw. Digraphem (<au>, <äu>, <ei>…). Vor (Anfangsrand / Onset) bzw. nach (Endrand / Koda) dem Vokal / Diphthong können jeweils keine bzw. bis zu drei Konsonantengrapheme stehen (vgl. Augst & Dehn 2009, 25). Das heißt, die Silbenstruktur richtet sich nicht nach Lauten / Buchstaben, sondern nach Phonemen bzw. Graphemen. Daraus ergibt sich für eine Silbe folgender Bauplan: <?page no="205"?> 205 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Abb. 9.6: Bauprinzip der dt. Silbe. Hier liegen nur geschlossene Silben vor, anders z. B. in A-mei-se (Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir in den Beispielen auf eine IPA -transkribierte Darstellung verzichtet) Zur weiteren Terminologie: Steht vor dem Nukleusvokal (V) kein Konsonant (K), sprechen wir von einer nackten Silbe; steht nach ihm kein Konsonant, sprechen wir von offener Silbe: Abb. 9.7: Nackte und offene Silbe. A-mei-se verfügt also über eine nackte offene Silbe und zwei offene Silben In der Regel bestehen Wörter aus mehr als einer Silbe. Die prototypische Silbenstruktur eines Wortes ist im Deutschen der trochäische Zweisilber (z. B. Häu-ser). Sie erkennen den Unterschied (z. B. zu einer jambischen Struktur), wenn Sie versuchen, Wörter mit beispielweise „französischen“ Akzent auszusprechen: Häuser. Der Trochäus ist ein Begriff aus der Lyrik. Er beschreibt ein zweisilbiges Versmaß, bei dem die erste Silbe betont, die zweite Silbe unbetont ist. Sein Gegenstück bildet der Jambus (unbetont, dann betont). Ein didaktisches Modell, das sich das Bauprinzip der Silbe (und des trochäischen Zweisilbers) zunutze macht, ist das sog. Silbenhaus von Christa Röber (2009) bzw. Ursula Bredel (2010). Es kann bereits bei der Einführung der GPK implizit vermittelt werden, indem zu schreibende Wörter darin visualisiert werden. Bredels Silbenhaus besteht aus zwei Silben: einem Haus (betonte Hauptsilbe) und einer Garage (Reduktionssilbe). Beide verfügen jeweils über drei Zimmer (vgl. Abb. 9.8). Für morphologisch komplexe Wörter, z. B. mit Präfixen, ist das Modell allerdings nicht geeignet; für manche Wörter muss zunächst eine trochäische Basisform gefunden werden. <?page no="206"?> 206 9 Rechtschreiben lernen Abb. 9.8: Silbenhaus nach Bredel (2010, 15) Als allgemeine Bauprinzipien gelten zusätzlich: Das mittlere Zimmer wird sowohl im Haus als auch in der Garage immer durch einen Vokal / Diphthong besetzt. Das erste Zimmer der Garage ist bei zweisilbigen Wörtern ebenfalls immer besetzt. Im zweiten Zimmer steht bei Verben immer ein <e>. Ist im ersten Zimmer der Garage dann kein Konsonant zu hören, steht dort ein silbeninitiales h (z. B. ge-hen); in diesen Fällen würde es sonst zu Vokalhäufungen (*droen) und uneindeutigen Lesarten (heißt es [ dro: n ] oder [ drø: n ]? ) kommen. Tragen Sie das Wort Hütte in das Silbenhausmodell ein. Achten Sie darauf, dass das mittlere Zimmer jeweils durch einen Vokal besetzt werden muss. Tragen Sie anschließend das Wort Hüte in das Häusermodell ein. Markieren Sie die Vokale jeweils farbig und sprechen Sie beide Wörter: Was fällt Ihnen auf? Für die Hauptsilbe (das Haus) gilt: Bleibt das dritte Zimmer leer, wird der Vokal lang gesprochen (offene Silbe: z. B. / y: / in Hü-te). Im Regelfall ist die Dehnung unmarkiert (vgl. Basisgrapheme). Folgt hingegen ein Konsonant im dritten Zimmer, ist der Vokal kurz (z. B. Hütte). Beide Phoneme (/ y: / bzw. / y/ ) werden aber durch das gleiche Graphem (<ü>, vgl. Hüte, Hütte) verschriftet. „Vokallänge bzw. -kürze wird also im unmarkierten Fall in der Schreibung nicht besonders angezeigt, sondern ist für den Leser aus der Silbenstruktur [Konsonantenverdoppelung] zu erschließen.“ (Budde et al. 2012, 118). Sonderfälle der silbischen Schreibungen, d. h. im wenig systematischen Peripheriebereich, sind die Kennzeichnung der Vokallänge durch Gemination (z. B. Boo-te) oder (silbenschließendes) Dehnungs-h (z. B. Sah-ne). Sie sind im Grunde Lernschreibungen bzw. nur ableitbar. Zwar tritt das Dehnungs-h tritt i. d. R. nur vor l, m, n, r in der Folgesilbe auf, diese sind jedoch lediglich ein Hinweis, über die Schreibung nachzudenken, keineswegs die Regel! Für unser Beispielwort bedeutet dies: häuserreie > häuserreihe. <?page no="207"?> 207 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Kinder können nicht zwischen betont bzw. unbetonten Vokalen unterscheiden, auch die Unterscheidung zwischen Länge und Kürze ist für viele schwierig (vgl. Spiegel 2014, 23). Diese Unterscheidung fällt Kindern leichter, wenn bei der Aussprache von Anfang an Merkmale wie die Stellung der Zunge, der Lippen und der Öffnungsgrad des Mundes beobachtet werden (vgl. Ossner 2008, 124). Bei kurzen Vokalen hebt sich beispielsweise die Zunge gegen den Oberkiefer, bei langen Vokalen senkt sie sich und der Mund ist weiter geöffnet (vgl. Eisenberg 2016, 26 f). Die Markierung von Vokalkürze (Schärfung) kann ebenfalls durch das Silbenhaus erklärt werden. Befindet sich im mittleren Zimmer von Haus und Garage jeweils ein kurzer Vokal und steht ein Konsonant zwischen diesen, so wird dieser Konsonant verdoppelt (vgl. zuvor: Hüt-te): Die Konsonanten schließen damit die „offene“ Silbe des Hauses bzw. die nackte Silbe der Garage. Nach Eisenberg (2013a, 299) wollen wir diesen Fall als Silbengelenk bezeichnen. Die Erschließung der Konsonantenverdoppelung kann also entweder von der Vokallänge/ kürze oder dem Silbenaufbau ausgehen. Als ambisyllabisch werden Konsonanten bezeichnet, die am Silbengelenk (s. o.) stehen. Lautlich „gehören“ sie zu beiden Silben: z. B. ren - nen. Auch die Vokalisierung des <r> im Auslaut ist mit dem Silbenhaus erklärbar: Wird im zweiten Zimmer / ɐ / gesprochen (wie z. B. in / gɐtən / , / mutɐ / ), wird es in der Regel mit <r> bzw. <er> verschriftet. Hier kommt es häufig zu Übergeneralisierungen (*Sofer, *Omer), die sich jedoch in der Regel von selbst verlieren. Darüber hinaus kann mit Hilfe des Modells auch der Morphemschnitt entdeckt werden: Wird die nichtschraffierte Fläche umgeknickt (vgl. Abb. 9.8), erhalten wir z. B. die Stammform von Verben („Trick mit dem Knick“): fahr-en > fahr. Die Erarbeitung von Flexionsformen kann daran anknüpfen. Dies ist deshalb sinnvoll, da die zuvor dargestellten Schreibprinzipien des Stammes auf Flexionsformen etc. vererbt werden, die Gründe für Dehnungsbzw. Schärfungsmarkierung dort z. T. aber nicht mehr ersichtlich sind (z. B. rennen > rannte). Es kann daher notwendig sein, sie aus Grundformen abzuleiten. 9.2.4 Wortübergreifendes (grammatisches) Prinzip Weitere Mittel der richtigen Wortschreibung sind nicht mehr nur durch wortinhärente Eigenschaften erklärbar, sondern ergeben sich aus syntaktischen Bezügen. Hier sind insbesondere die Großschreibung, die wir bereits zuvor als maßgebliche Fehlerquelle identifiziert haben, sowie die Zusammen-/ Getrenntschreibung, die das / dass-Schreibung und die Zeichensetzung zu nennen. Entgegen weit verbreiteter Auffassungen (z. B. „alles, was man anfassen kann“, aber was ist dann mit Luft, einer heißen Herdplatte etc? ) können Substantive außerhalb des Satzkontexts kaum als solche identifiziert werden: vgl. Das Laufen macht ihm Spaß. vs. Ihm laufen die Kunden davon. Dementsprechend ist in der Regel weder die Großschreibung am Satzanfang (auch: nach Doppelpunkt, wenn ein vollständiger Satz folgt), noch die typisch deutsche satz- <?page no="208"?> 208 9 Rechtschreiben lernen interne Großschreibung ohne (morpho-)syntaktische Analyse zuverlässig zu bewältigen, sieht man von Namen oder feststehenden Bezeichnungen ab. Übungen, die verlangen, Substantive außerhalb eines Satzes zu bestimmen, sind daher sinnfrei. In Bezug auf die satzinterne Großschreibung kann festgehalten werden: Großgeschrieben werden die Kerne von Nominalphrasen ( NP ). Sie sind Satzglied(teil), deklinierbar und artikelfähig. Die Großschreibung ist somit ein grammatisches Phänomen (daher auch „grammatisches Prinzip“). Wenig hilfreich ist auch eine einseitige Fixierung auf Artikel oder die bekannten „Substantivsuffixe“--ung,--heit,--keit,--nis und--mus, zumal mehr Suffixe existieren, die diesbezüglich gelernt werden müssten (allein Eisenberg 2013a, 267 nennt 14 Suffixe). Nicht erfasst werden außerdem die Konversionen wie im obenstehenden Beispiel. Vorgehensweisen wie die oben genannten beschränken die Argumentation auf wortimmanente Merkmale, wo eine wortübergreifende angebracht wären. Ein Konzept zur Arbeit mit der NP legt Röber- Siekmeyer (1999) vor. Grundprinzip ist, dass der Kopf der NP erweiterbar ist. Dies kann in Form von Treppengedichten trainiert werden, dazu schreiben und erweitern die Kinder den Satz in Treppenform, der nominale Kern bleibt jeweils als „Säule“ erhalten: Der Bauer sät… Der freundliche Bauer sät… Der arme freundliche Bauer sät… Vorteil dieses Vorgehens ist, dass Bezugsfehler, wie sie in der traditionellen „Artikelprobe“ auftreten, vermieden werden: Substantiv ist, was erweitert werden kann, nicht, was direkt nach dem Artikel steht. Häufig beziehen Kinder den Artikel oft auf das Wort, das ihm direkt nachfolgt: *das Blaue auto. Wir schlagen eine weitere Hilfsstrategie vor, die sich die im Beispiel oben fettgedruckte Abbildung des Paradigmas auf das Syntagma zunutze macht: Substantive sind diejenigen Wörter, die durch ein anderes (bekanntes) Substantiv ersetzt werden können. Beispielsweise kann an die Stelle des Bauers unproblematisch Mann gesetzt werden, nicht jedoch ein Adjektiv wie fleißig, ohne dass der Satz ungrammatisch wird. Das Syntagma beschreibt die (lineare) Sequenz, in der Wörter in einem Satz aufeinander folgen. Das Paradigma beschreibt die Achse („Säule“) der Selektion, d. h. welche Wörter für die jeweilige Position ausgewählt werden. Ein Paradigma für Bauer könnte beispielsweise lauten: Bauer / Farmer / Landwirt / Mann / Bursche… Zu bedenken ist bei allen Vorgehensweisen im Hinblick auf DaZ-Lernende, dass (a) viele Sprachen über kein bzw. ein anderes System der (satzinternen) Großschreibung verfügen und (b) für diese Art der Analysen ein gewisses Sprachgefühl vorausgesetzt wird. Beispielsweise werden im Türkischen nur Namen, Ableitungen davon, Titel und die Anrede Frau / Herr großgeschrieben. Beurteilen Sie folgenden Hefteintrag (5. Jahrgangsstufe): Die Großschreibung von Nomen <?page no="209"?> 209 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Wann wird großgeschrieben? 1. Am Anfang eines Satzes wird großgeschrieben. 2. Namen werden großgeschrieben. 3. Nomen werden großgeschrieben. Was ist eigentlich ein Nomen? Nomen sind Namenwörter und werden großgeschrieben. Sie können bestimmten Wortgruppen zugeordnet werden. Um ein ebenfalls grammatisches Phänomen handelt es sich bei der Zusammen- und Getrenntschreibung ( ZGS ). Sie ist in weiten Teilen sehr unsystematisch geregelt. Im Folgenden werden daher Tendenzen dargestellt. Werfen wir also zunächst einen Blick in das amtliche Regelwerk ( ARW ), hier heißt es: Die Getrennt- und Zusammenschreibung betrifft Einheiten, die im Text unmittelbar benachbart und aufeinander bezogen sind. Handelt es sich um die Bestandteile von Wortgruppen, so schreibt man sie getrennt. Handelt es sich um die Bestandteile von Zusammensetzungen, so schreibt man sie zusammen ( ARW 2006, 33). Hier fangen die Probleme an: Offensichtlich hängt die Regelung der ZGS davon ab, ob eine Wortgruppe vorliegt oder nicht (d. h. einzelne Wörter). Was ein Wort ist, haben wir in den vorherigen Prinzipien stillschweigend als gesichert vorausgesetzt. Wortgruppen werden auseinandergeschrieben. Sie liegen vor, wenn eine syntaktische Relation zwischen Ausdrücken besteht, d. h. bei „zwei unmittelbar nebeneinanderstehenden Ausdrücken ein Ausdruck die Flexion beim anderen [bewirkt]“ (Ossner 2010, 137). So darf man beispielsweise nicht *Mächtigermensch schreiben, wohl aber mächtiger Mensch bzw. Machtmensch. Bestandteile von Wortgruppen sind außerdem erweiterbar und in der Regel auch umstellbar oder ersetzbar: z. B. Er kann das blaue [grüne] Rad [Auto] fahren, aber *Er kann das dünne Eis laufen. Die Getrenntschreibung gilt auch bei Präpositionen (Kasusrektion! ) und Graduierung bzw. Komparation wie die schwer verständliche Orthographie oder leichter verständlich. Zusammengeschrieben wird im Grunde immer dann, wenn durch Wortbildungsprozesse eine neue (nicht verblasste) oder übertragene Bedeutung entsteht bzw. ein Bedeutungsunterschied zwischen den Formen vorliegt (vgl. frisch gebackenes Brot vs. frischgebackene Eltern). Als Strategie schlagen wir vor: Ich schreibe zusammen, wenn einer der Bestandteile alleinstehend keine oder eine andere Bedeutung hat. Indikator ist auch das Vorliegen eines Fugenelementes: Es würde bei einer Getrenntschreibung übrigbleiben. Probleme bereitet hier häufig die unfeste Verbbildung. Hier kann als Faustregel gelten: Verbpartikel können nicht ins Vorfeld verschoben werden (* ab fährt der Zug). Für eine weiterführende Beschreibung der ZGS sei an dieser Stelle auf die Wortbildungsprozesse (vgl. Kapitel 04) sowie die lesenswerte Darstellung in Ossner (2010, 156) verwiesen. <?page no="210"?> 210 9 Rechtschreiben lernen Verbpartikel sind dem Stamm vorausgehende, abtrennbare und reihenbildende Verbbestandteile wie z. B. in einschlafen: Er schläft ein. Partikelverben sind an ihrer Erstbetonung erkennbar: Vgl. ‘umfahren 1 : Er fährt ein Hindernis um vs. um‘fahren 2 : er umfährt ein Hindernis. Präfixe wie in umfahren 2 sind nicht abtrennbar, sie sind aber „mit einem frei vorkommenden Element form-, aber nicht bedeutungsidentisch“ (Bußmann 2008, 544). Die Problematik der Unterscheidung zwischen Subjunktion und Relativpronomen tritt nur bei den lautgleichen Wörtern dass und das auf, andere Relativpronomen wie der oder die sind davon nicht betroffen. Ihre direkte Gegenüberstellung im Unterricht-- wie sie so oft geschieht-- ist nicht sinnvoll, da sie zur Ranschburgschen Hemmung (s. o.) führt. Die Formen können hinsichtlich ihrer syntaktischen Funktion unterschieden werden. Grammatikalisch gesehen vertritt der Nebensatz mit dass in der Regel ein eigenständiges Satzglied (Objekt / Adverbiale, Ergänzung / Angabe), während der Relativsatz lediglich Satzgliedteil ist. Relativpronomen erhalten ihr Genus und Numerus von dem vorausgehenden Bezugswort, der Kasus richtet sich nach seiner syntaktischen Funktion (vgl. Eisenberg 2013b, 269). Sie können außerdem durch welche / r/ s ersetzt werden (was im normalen Sprachgebrauch als „stilistisch unschön und schwerfällig“ gilt, vgl. Eisenberg 2013b, 273) und sind vom Verb aus nur in Verbindung mit ihrem substantivischen Bezugsausdruck erfragbar (vgl. Satzgliedbestimmung)-- im Gegensatz zum dass-Nebensatz. Letzterer folgt häufig auch auf Korrelate, die als Indikatoren genutzt werden können: er bedauert es, dass…; er freut sich darauf, dass… usf. Hinsichtlich der Zeichensetzung unterscheidet das Amtliche Regelwerk ( ARW ) drei Funktionen: Satzschlusszeichen (Punkt, Ausrufezeichen, Fragezeichen), Gliederungszeichen (Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich, Klammern) sowie Anführungsbzw. Hervorhebungszeichen (Anführungszeichen) (vgl. ARW 2006, 73). Übrigens: Die Satzschlusszeichen sollten getrennt eingeführt und nach ihrer Funktion- - nicht nach der Satzart- - unterschieden werden! Ggf. müssen auch sprachliche Besonderheiten bzw. Unterschiede zur Herkunftssprache, z. B. zusätzliche „auf den Kopf gestellte“ Ausrufebzw. Fragezeichen im Spanischen (z. B. ¡Socorro! ‚Hilfe! ’), berücksichtigt werden. Da die Satzschluss- und Anführungszeichen in der Regel wenig bis keine Probleme bereiten (vgl. Augst & Dehn 2009, 163), beschränken wir die folgende Darstellung auf einen Überblick über die Kommasetzung. Die Kommasetzung betrifft im Deutschen im Wesentlichen drei Fälle: ▶ die Aufzählung (einfaches Komma), ▶ die Abgrenzung von (Teil-)Sätzen und ▶ die Einfügung von Zusätzen (jeweils paariges Komma). Im Gespräch sagt Ihnen eine Kollegin, sie rate ihren Schülern immer, Kommata nach Sprechpausen zu setzen. Analysieren Sie diesbezüglich folgende Grafik (Abb. 9.9). Was erwidern Sie ihr? <?page no="211"?> 211 9.2 Mehr als Sightseeing: Rechtschreibkompetenz Abb. 9.9: Verhältnis von grammatischer Zäsur (grZ), Lesepause (L) und Komma (K) (Augst & Dehn 2009, 173). Zu einem „Kommacurriculum“ vgl. Ossner 2010, 244. Die Kommasetzung ist also nicht (! ) mit Sprechbzw. Lesepausen identisch, sondern dient der syntaktischen Gliederung. Den einfachsten Fall der Kommasetzung stellt das Aufzählungskomma dar: Ihm liegen wohl sprachökonomische Motive zugrunde, die auch Kindern schnell einsichtig sind: Es tritt auf, wenn mehr als zwei Sätze, Satzteile oder Attribute gereiht werden und kann durch Konjunktionen wie und oder oder ersetzt werden, z. B. Die Frau und der Mann und das Kind… Das Argument der Sprachökonomie kann auch zur Einführung genutzt werden: „Findest du eine schnellere Möglichkeit als immer und-… und-… und-… zu schreiben? “ Werden zwei Konstituenten mittels Konnektor verbunden, steht in der Regel kein Komma (beziehungsweise, sowie…). Kein Aufzählungskomma steht außerdem bei zweiteiligen Konjunktionen (sowohl-… als auch, weder-… noch etc.). Komplexer ist die Regelung bei Teilsätzen. Ein überzeugendes Konzept für den Kernbereich (d. h. die schulische Anwendung), das die prototypischen Fälle abdeckt, liefert Lindauer (2015), auch Lindauer & Sutter (2005). Ausgangspunkt ist die Valenz-/ Dependenzgrammatik, die das Verb als strukturelles Zentrum (Regens) des Satzes annimmt. Liegt mehr als ein finites Verb vor, muss auch mehr als ein Satz vorliegen: „Verbgruppen [Teilsätze] werden, unabhängig davon, wie sie in einer Grammatik benannt werden, mit einem Satzzeichen (Komma) voneinander abgetrennt“ (Lindauer 2015, 602). Es sei denn, sie sind schon anderweitig verbunden, z. B. mit und. Der Analyse des finiten Verbs bzw. der Infinitivformen kommt somit eine herausragende Bedeutung für die Kommasetzung zu (vgl. Satzgliedanalyse): Verben sind Könige, die Satzglieder ihre Untertanen. Zusammen bilden sie ein Königreich. Wenn man ein Königreich betritt, kommt man an einer Grenzkontrolle, an einem Schlagbaum (=-Komma) vorbei (Lindauer 2015, 602). <?page no="212"?> 212 9 Rechtschreiben lernen Bei Formen mit Modal- oder Hilfsverben wird der infinite Teil als Königin bezeichnet. Bei DaZ-Lernern findet der Erwerb der Verbklammer erst relativ spät statt, das Erkennen der finiten Verbformen ist-- auch für viele Muttersprachler-- alles andere als trivial! Zwar wird dieses Vorgehen den hierarchischen Abhängigkeiten nicht gerecht, weil Nebensätze einerseits selbst Untertan sind, andererseits auch eigene Untertanen haben können, allerdings werden die (paarigen) Kommata dennoch korrekt gesetzt, sodass dies zunächst ignoriert werden kann: Abb. 9.10: Königreichschema nach Lindauer (2015, 603). Das Vorgehen eignet sich auch für die Visualisierung der wörtlichen Rede als Schema: „wR“, bS vs. „wR1“, bS, „wR2“ (wR: wörtliche Rede, bS: Redebegleitsatz). Wenn die Nebensätze nicht voranbzw. nachgestellt sind, d. h. für eingeschobene Nebensätze (z. B. Attribute in Relativsatzform, auch Appositionen etc.), nehmen wir eine „Enklave“ (ein „Königreich im Königreich“) an, d. h. paariges Komma (vgl. Lindauer 2015, 603): Abb. 9.11: Enklaven (eingeschobene Teilsätze). Da die Enklave von einem Königreich umschlossen ist, müssen zwei Grenzen passiert werden. Noch nicht erfasst von der bisherigen Darstellung sind Infinitivsätze. Hier muss ein Komma stehen, wenn es sich um eingeleitete Infinitive handelt-(…, um / ohne / statt / anstatt / außer / als). Da die übrigen Fälle Kann-Bestimmungen sind, empfehlen wir bei Infinitiv mit zu immer ein Komma zu setzen. Wir wollen ihn in Analogie zu Lindauers König als Fürst bezeichnen, die Infinitivkonstruktion ist wie eine Enklave zu behandeln. Sie könnte ihm helfen, den Drachen zu besiegen. U1 König U2 (Königin) Fürst ( IK ) = ENKLAVE 9.3 Stadtplanung: (gängige) Konzeptionen des Rechtschreibunterrichts Sicherlich ist Ihnen beim Spazierengehen schon einmal aufgefallen, dass ein architektonischer Stil das Erscheinungsbild einer ganzen Stadt prägen kann. Gleiches gilt auch für den Rechtschreibunterricht: Ein bestimmter Stil (die Konzeption) kann das Bild prägen, das Schülerinnen und Schüler von der Struktur der Orthographie entwickeln, v. a. wenn ein Stil einseitig bevorzugt wird. Konzeptionen von Rechtschreibunterricht unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre Herangehensweise und das Prinzip bzw. die Prinzipien, die sie in den Mittelpunkt stellen. Als Prinzipien bezeichnen wir die grundlegende Systematik, <?page no="213"?> 213 9.3 Stadtplanung: (gängige) Konzeptionen des Rechtschreibunterrichts die hinter Schreibweisen auf verschiedenen Ebenen der Orthographie steht (phonologischphonetisches, morphologisches, silbisches, wortübergreifendes Prinzip), was sie von Regeln oder Strategien unterscheidet. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ des Rechtschreibunterrichts gibt es nicht, einige (traditionelle) Ansätze werden heute aber durchaus kritisch gesehen. 9.3.1 Wortbildorientiert ( WBO ) Blicken wir in Ihre Vergangenheit: Erinnern Sie sich an Ihre ersten Begegnungen mit Schrift? Obwohl Sie noch nicht einmal wussten, was Schrift ist, haben Sie vermutlich schon einige Worte „abgemalt“ (und waren zurecht stolz darauf). Zeichnen Sie folgende Logos auf ein Blatt Papier: TESA , TEMPO , ADIDAS . Was stellen Sie fest? Schreibanfänger speichern in dieser Phase Wörter als Bilder (z. B. den eigenen Namen, bedeutsame Wörter wie Polizei etc.), sie haben jedoch noch keine Einsicht in die GPK , in die Bedeutungshaltigkeit von Schrift: Sie „lesen“ (oder „schreiben“) die Wörter so, wie wir beispielsweise Verkehrsschilder lesen-- als Ganzes (vgl. Kapitel 06). In den 70er Jahren ging Rechtschreibunterricht im Fahrwasser der Gestaltpsychologie davon aus, Schülerinnen und Schüler könnten Rechtschreiben dadurch lernen, dass sie sich die Umrisse oder Gestalt von Wörtern einprägen. Das Training mit sogenannten Signalgruppen (z. B. Wörter mit ass: Klasse, Tasse, fassen etc.) sollte das Einprägen erleichtern, das Abschreiben als Methode spielte eine große Rolle. Heute gilt die WBO zurecht als überholt, da sie es offensichtlich nicht vermag, Einsichten in das Sprachsystem zu gewähren. Denn würden Schülerinnen und Schüler Rechtschreiben tatsächlich über das Einprägen von Wortbildern erlernen, könnten sie keine unbekannten Wörter schreiben (wir können aber sogar uns unbekannte Kunstwörter oder neu gebildete Wörter richtig schreiben! ). Außerdem müsste jede Wortform (also auch Flexionsformen eines Lexems wie z. B. kochen, kochte, kochten…) jeweils als eigene Form gelernt und gespeichert werden. Dies ist schon allein aufgrund der Menge der deutschen Wortformen nicht möglich. Fehler könnten also nicht auftreten bzw. müssten dem korrekten Wortbild visuell ähnlich sein: Die Lernenden würden sich nach der Logik der WBO nur orthographisch korrekte Formen einprägen, da sie nur diese präsentiert bekommen (vgl. Risel 2011, 35 ff). 9.3.2 Grundwortschatzorientiert ( GWO ) Die Idee grundwortschatzorientierter Konzepte ist es, den Lerngegenstand Rechtschreiben durch eine Eingrenzung des Sprachmaterials überschaubar zu machen. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, eine Reihenbildung fördere das Entstehen von Rechtschreibregelhypothesen. Problematisch ist nicht die Annahme an sich, sondern häufig die Wahl der Kriterien, die der Auswahl des Sprachmaterials („Grundwortschatz“) zugrunde liegt: Das Spektrum reicht hier von der Häufigkeit (unter den 100 häufigsten Wörtern sind aber fast ausschließlich Funktionswörter vertreten, vgl. z. B. König 2011, 114), der Fehlerträchtigkeit (meist die <?page no="214"?> 214 9 Rechtschreiben lernen Problemfälle), der Modellhaftigkeit der Wörter bis zu den (scheinbaren) Interessen der Kinder. Man unterscheidet drei Varianten der GWO : regelfern, regelarm und regelorientiert. Regelferne Ansätze gehen wie WBO -Ansätze davon aus, die Regeln der Orthographie seien undurchschaubar und deshalb müssten Wortbilder „eingeschliffen“ werden. Regelarme Ansätze stellen den Grundwortschatz so zusammen, dass keine bzw. nur einfache Regeln zur korrekten Schreibung von Wörtern herangezogen werden müssen. Regelorientierte Ansätze hingegen nutzen den Grundwortschatz als „‚Steinbruch’ und ‚Exerzierfeld’ für phänomen- und regelorientiertes Arbeiten“ (Risel 2011, 101). Bei regelorientierter GWO liegt das Problem oft darin, dass der Fokus gerade auf den Ausnahmen liegt und der Anspruch besteht, alle Phänomene abbilden zu wollen. Sinnvoller ist es, den systematischen Kernbereich ins Auge zu fassen und diejenigen Wörter auszuwählen, die ein selbstständiges Entdecken der Prinzipien des Kernbereichs ermöglichen. Davon abgesehen können wortübergreifende Phänomene wie die Großschreibung nicht mit Wortlisten gelernt werden! 9.3.3 Lesen durch Schreiben (LdS) Der Lehrgang „Lesen durch Schreiben“ (Reichen 2001) nimmt exklusiv die lautliche Ebene in den Blick. Wie schon der Name verrät, soll das Schreiben(lernen) Grundlage für das Lesen(lernen) sein. Die Anlauttabelle (zu ihren häufigen Problemen s. o.) ist dabei das zentrale Medium. LdS folgt drei Annahmen: (1) Mit der Anlauttabelle können Kinder alle Wörter schreiben, (2) sie lernen selbstgesteuert, (3) Unterricht ist als Werkstattunterricht konzipiert. Der aktive, produktive Umgang mit Schrift steht im Vordergrund. Der Ansatz wird in seiner Reinform heute kritisch gesehen (vgl. Hochstadt et al. 2013, 53; Weinhold 2009, 59), da er Rechtschreibung für Schülerinnen und Schüler auf die GPK reduziert und weiterführende Prinzipien ausklammert. 9.3.4 Silbische Orientierung (SiO) Silbenorientierte Ansätze gehen von der Silbe als zentralem linguistischen Phänomen aus, mit dem sich bereits viele Bereiche der Orthographie erklären lassen. Kinder erfassen sie intuitiv und sie ist ihnen durch Kinderlieder, Reimspiele etc. leichter zugänglich als beispielsweise Morpheme. Man unterscheidet zwischen einem naiven Silbenkonzept, das weitgehend auf dem Rhythmus beruht, und einem elaborierten, theoriebasierten Konzept (wie z. B. in Bredels Häusermodell). Mit einem naiven Silbenkonzept arbeitet beispielsweise die Buschmann-Methode (vgl. Freiburger Rechtschreibtraining Fresch): Während des Übens von Silbenschreibungen werden die Silben geschwungen oder geklatscht, um die silbische Gliederung zu verdeutlichen. Dies führt aber gerade bei schwachen Schülerinnen und Schülern oft zu Überforderung und dem Lernen falscher Silbengrenzen (sofern sie nicht individuell korrigiert und betreut werden). <?page no="215"?> 215 9.3 Stadtplanung: (gängige) Konzeptionen des Rechtschreibunterrichts 9.3.5 Regelorientiert ( RO ) Geht man von den Analyseergebnissen des Sprachsystems und den daraus formulierten Regeln aus, spricht man von einem RO -Konzept. Die Ansätze zeichnen sich meist durch ein präskriptiv-deduktives Vorgehen aus, d. h. sie geben eine Regel vor. Dieses explizite Wissen soll durch Automatisieren (Üben) in implizites Wissen überführt werden. Aus lernpsychologischer Sicht ist dies jedoch nicht (ohne Weiteres) möglich (vgl. Hochstadt et al. 2013, 69). Regeln legen präskriptiv fest, was richtig ist. Im Idealfall geschieht dies auf Basis einer Beschreibung des (aktuellen) Sprachsystems: „Die Prinzipien, die vorherrschen, werden zu expliziten Regeln gemacht“ (Furhop 2015, 3). Eine regelorientierte Sichtweise ist, wie Furhop zutreffend kritisiert, stark fehlerorientiert, wenig intuitiv und nimmt vor allem Ausnahmen von der Regel in den Blick. Ein Großteil der Muttersprachler dürfte demnach kaum in der Lage sein, orthographisch korrekte Wörter zu produzieren. Im Alltag wenden wir (mehr oder weniger) intuitiv Strategien an. Häufig begegnen uns Regeln im schulischen Kontext in Form von sog. Merksätzen (der Art „Merke: Nomen schreibt man groß! “). Allerdings sind sie häufig derart verkürzt, dass sie für viele Fälle nicht zutreffen oder fehlerhafte Schreibungen hervorrufen (lesenswert dazu ein Beispiel von Steinig & Huneke 2015, 160), oder fehlendes Wissen bei den Schülern voraussetzen („Was ist eigentlich ein Nomen? “). Schülerinnen und Schüler entwickeln dadurch lediglich träges Wissen. Sie können die Regelungen nicht zur Kontrolle von Schreibungen oder als Strategie zur Herleitung heranziehen. Sie merken das in Ihrem Unterricht z. B. daran, dass Ihre Schülerinnen und Schüler Ihnen zwar Regeln „herunterbeten“ können, aber genau diese Regelungsbereiche Fehlerschwerpunkte bleiben. Zwar ist daher ein induktives Vorgehen (d. h. vom sprachlichen Material ausgehend) grundsätzlich einem deduktiv-regelorientierten vorzuziehen, jedoch kann es in manchen Bereichen sinnvoll sein, auch mit Regeln zu arbeiten, etwa bei der Großschreibung am Satzanfang. 9.3.6 Strategieorientiert ( SO ) Induktives Vorgehen und implizites Wissen streben die SO -Konzepte an: Durch operationale Verfahren sollen die Schülerinnen und Schüler Einsichten in den Bau der Orthographie gewinnen und sich selbst Lösungswege für Probleme in dieser Domäne erschließen. Ein strategieorientierter Rechtschreibunterricht vermittelt Schülern also geeignete Prozeduren zur Sprachanalyse, mit deren Hilfe sie sich die für die Schreibung relevanten Informationen verschaffen.-[…] Sie sind aussichtsreiche Hilfen, weil sie ein (mentales) Handeln mit Sprache ermöglichen, und zwar vor allem dann, wenn die Schüler sie selbst erarbeitet und als Lösung des Problemdrucks in schwierigen Schreibsituationen erlebt haben (Steinig & Huneke 2015, 162). Sie lernen einerseits, sprachliche Phänomene und Probleme aufmerksam wahrzunehmen und zu analysieren, eignen sich andererseits auch kognitive Werkzeuge an, um diese Probleme zu lösen. <?page no="216"?> 216 9 Rechtschreiben lernen Strategien sind zielorientiert und lassen sich im Wesentlichen in kognitive, metakognitive sowie Stützstrategien einteilen. Sie können automatisch ablaufen, aber auch bewusstgemacht werden (vgl. Friedrich & Mandl 1992, 6 f). Es handelt sich dabei um „eine Sequenz von Handlungen, mit der [flexibel und situationsangemessen] ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll.“ (Friedrich & Mandl 1992, 6). Bezüglich des Rechtschreibens handelt es sich also um Handlungen, die orthographisch korrekte Schreibungen hervorbringen sollen. Zahlreiche Forschungsergebnisse weisen auf die Effektivität der Vermittlung von Strategien hin, insbesondere in Kombination mit selbstreguliertem Lernen (u. a. Dignath, Büttner & Langfeldt 2008). Letzteres ermöglicht es, Lernerfolge für Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen, was sich insbesondere in sprachlichen Fächern oft als schwierig erweist. Zur Strategieeinführung vgl. Graham & Harris (2005, 26). Sie unterscheiden sechs Schritte, in denen Strategien vermittelt werden sollten: Vorwissen aktivieren, Diskussion der Bedingungen der Strategieanwendung, Strategiemodellierung im lauten Denken, Behalten, gestütztes Üben, selbstständiges Üben. Die Unterschiede in der Effektivität, so stellt Weinhold (2009, 63) fest, sind aus empirischer Sicht zwischen SO und RO für das Erstschreiben vernachlässigbar. Zwar besteht in SO -Ansätzen anfangs eine große Streuung in den Schülerleistungen, die-… Streuungen nehmen [jedoch], nachdem die explizite Arbeit mit der silbenanalytischen Methode bzw. einer Fibel beendet ist, in den- - ehemaligen- - Fibelklassen zu und in den Silbenklassen ab (Weinhold 2009, 64). Bis zum Ende der Grundschulzeit gleichen sich also die Unterschiede aus. Eine ältere Kollegin sagt zu Ihnen: „Sie dürfen niemals einen Fehler an der Tafel stehen lassen, damit sich die falsche Schreibung nicht einprägt.“ Von welchem Ansatz geht diese Kollegin aus und wie fällt Ihre Antwort aus? 9.3.7 Gegen das Vergessen Ein Credo für den Rechtschreibunterricht könnte zusammenfassend lauten: Arbeiten Sie an konkretem Sprachmaterial, an dem die Schülerinnen und Schüler die unterschiedlichen Phänomene durch sprachliche Operationen entdecken können. Stützen Sie sich dabei auf diejenige Konzeption, die jeweils die besten Lernergebnisse verspricht. Berücksichtigen Sie dabei das Vorwissen Ihrer Kinder und gewähren Sie ihnen ausreichend Zeit, auch zur Überprüfung der Lernergebnisse. Etablieren Sie entsprechende Formen der Kontrolle und Selbstkontrolle, die das Interesse am Rechtschreibunterricht fördern, Lernergebnisse sichtbar machen und die Aufmerksamkeit der Lernenden steuern. Dies trägt zum Behalten bei! Besonders in den ersten Tagen ist die (variantenreiche) Wiederholung wichtig: Hier fällt die „Vergessenskurve“ (also das was noch behalten wird) besonders rasch ab. Erfreulich ist aber: Je mehr Einsicht die <?page no="217"?> 217 9.4 Didaktik ≠ Diktate: Rechtschreiben bewerten und beurteilen Schülerinnen und Schüler in die Struktur des jeweiligen Lerngegenstandes gewinnen, desto weniger Übungen benötigen sie (vgl. Hofmann et al. 2009, 180) Grundsätzlich sollte Rechtschreibunterricht bei der Planung zwar von orthographischen Phänomenen ausgehen, aber auf die eigene Textproduktion ausgerichtet sein. Wenn Sie sich an den Anfang dieses Kapitels zurückerinnern: Sinn der Rechtschreibung ist es, das Lesen zu erleichtern. Sie sollten sich nicht von vornherein auf eine der Konzeptionen festlegen: Wählen Sie aus den angebotenen Möglichkeiten diejenige(n) aus, die das Phänomen am nachvollziehbarsten und umfassendsten erklären, fahren Sie von Anfang an (moderat) „mehrgleisig“ (vgl. Köhnen 2011, 77; Steinig & Huneke 2015, 163; Risel 2011, 88). 9.4 Didaktik ≠ Diktate: Rechtschreiben bewerten und beurteilen Ausgangspunkt einer Förderung ist immer die Diagnose des Wissens und Könnens Ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie können dazu auf formelle und informelle Tests zurückgreifen. Diktate können beides sein. Aber obwohl viele Buchstaben identisch sind, sind Didaktik und Diktate auf keinen Fall gleichzusetzen. Sie sind bei Lehrkräften ebenso beliebt wie in der Fachdidaktik umstritten. Übrigens: Die Fehlerschwerpunkte sind bei Diktaten und freien Texten verschieden. Beispielsweise treten in freien Texten mehr Interpunktionsfehler und Flexionsfehler auf, dafür weniger Fehler bei der Großschreibung (vgl. Risel 2011, 51). Das liegt v. a. an ihrer leichten Durchführbarkeit, der scheinbar einfachen Fehlerzählung („ein Fehler pro Wort“) und Objektivität („alle schreiben in der gleichen Zeit den gleichen Text“). Sie bestehen in der Regel aber aus ausgewählten Fehlerschwerpunkten, d. h. „einer Ansammlung orthographischer Stolpersteine“ (Thomé 2014, 76). Dass sie zu großen Teilen andere Aspekte als Rechtschreibkompetenz messen und keine Aussage über die Qualität von Fehlern treffen, fällt meist unter den Tisch. Inzwischen sind sie nur mehr in wenigen Bundesländern vorgeschrieben, zumal ihre Misserfolgsorientierung (vgl. Fix 1997, 11) dem Lernprozess abträglich ist: Bereits zu Beginn des Rechtschreiberwerbs wird von Schreibern bei Diktaten (und auch bei freien Texten) Sprachrichtigkeit, eine ansprechende äußere Form sowie die Kontrolle des Inhalts erwartet (vgl. Menzel 1997, 15). Das entspricht gerade bei Diktaten nicht dem, was die Schülerinnen und Schüler zuvor geübt haben (z. B. Wörter umformen, Reimwörter bilden etc.; vgl. Menzel 1997, 23). Nun könnte man mit der Transferfähigkeit argumentieren, jedoch kommt bei Diktaten erschwerend hinzu, dass durch Anpassungen im Sprachstil („Diktiersprache“) zusätzliche Abstraktionsleistungen notwendig werden, die nichts mit dem alltäglichen Rechtschreiben zu tun haben. Menzel (1997, 16) nennt die Anpassung des Sprechtempos, Dehnen oder silbisches Untergliedern von Wörtern, zusätzliche Pausensetzung, Diktieren von Interpunktionszeichen oder Buchstabieren von Fremd- oder schwierigen Wörtern. Überlegt man, wie und in welchen Kontexten im Alltag diktiert wird (Telefongespräch, Notizen im Büro…), wird deutlich, dass die Diktiersprache von dieser Art des Diktierens deutlich abweicht: Sie wäre im Alltag dys- <?page no="218"?> 218 9 Rechtschreiben lernen funktional. Aus Sicht eines Schreibenden erfordert das zusätzliche Anstrengungen, die insbesondere durch den Systemwechsel (auditiv-phonisch -> optisch-graphemisch -> schreibmotorisch) bedingt sind. Auf der auditiv-phonischen Ebene ist zunächst die Abstraktion des Lautschemas von der Lautung nötig, d. h. von dialektalen, prosodischen etc. Färbungen des Diktierenden. Auf der optisch-graphemischen bzw. schreibmotorischen Ebene erschweren es u. a. Zeitdruck und Konzentration, gelernte Rechtschreibstrategien anzuwenden oder Schreibweisen zu überprüfen (vgl. auch Kapitel 08). Geprüft werden in Diktaten also eher Hörverstehen, Konzentration und Arbeitsgeschwindigkeit (vgl. Fix 1997, 11), anstelle von Rechtschreibkompetenz. Hinzu kommt, dass Diktate oft mehrere Fehlerschwerpunkte behandeln, oft auch solche, die noch gar nicht gelernt wurden. Im schlimmsten Fall führt dies zur Bildung fehlerhafter Hypothesen über das Schriftsystem (vgl. Menzel 1997, 23 ff). Diktate eignen sich also nur sehr bedingt als Übungsform und überhaupt nicht als Form der Leistungserhebung (vgl. Birkel 2009). Zur Förderdiagnostik eignen sich folglich nur diejenigen Verfahren, die eine qualitative Analyse von Fehlern erlauben. Sie können z. B. wie die Hamburger Schreibprobe ( HSP ), die Aachener Förderdiagnostische Rechtschreibfehler-Analyse ( AFRA 1-10) auf (Lücken-) Diktaten basieren oder wie die Oldenburger Fehleranalyse ( OLFA 3-9) auf freien Texten. Fehleranalysebögen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Die in den Wörtern bzw. Texten enthaltenen Rechtschreibfehler, d. h. die jeweilige Fehlerposition („Lupenstelle“), werden analysiert und in einem Raster erfasst. Es sind daher mehrere Fehler pro Wort möglich: Karl ist gespand auf das Fußballtraining. In gespand ist weder die Konsonantenverdoppelung (07), noch das Flexionssuffix (20) korrekt realisiert. Die Fehler werden dann als Zählung in den OLFA -Analysebogen eingetragen (Ausschnitt): Abb. 9.12: Zum genauen Ablauf der Auswertung: Vgl. OLFA 3-9 Analysieren Sie die Fehlerkategorien des Ausgangstextes. Für eine differenzierte Bewertung mittels OLFA ist der Text zu kurz (60+ Fehler auf 350+ Wörter), die Kategorien können Sie aber dennoch heranziehen. Anhand der Fehlerhäufigkeiten erhält man ein differenziertes Bild der Rechtschreibung jedes Schülers / jeder Schülerin. Dadurch sind Rückschlüsse auf deren Rechtschreibkompetenz möglich. Eine gute Alternative sind Rechtschreibgespräche im Unterricht oder mit <?page no="219"?> 219 9.5 Lese-Rechtschreibschwächen, -störungen und Analphabetismus einzelnen Schülern: Lassen Sie sich erklären, wie es zu einer (fehlerhaften) Schreibweise kam. Sie gewinnen so wertvolle Einsichten darüber, welche Annahmen über das Schriftsystem bei den Kindern vorliegen. Als alternative Übungsformen zum Diktat bieten sich, neben den bereits erwähnten, an: ▶ In freien Texten: Die Schülerinnen und Schüler markieren Wörter, bei denen sie unsicher waren, am Rand mit einem Punkt. Die Lehrkraft gibt dazu im Anschluss Strategien und Übungsmöglichkeiten an die Hand. ▶ Orthographische Beweise führen („Man schreibt nimmt mit zwei <m>, weil…“), Analogisieren („In Thermostat steckt wie in Thermometer der Baustein thermo, also schreibt man es mit <th>“), Rechtschreibrätsel; ▶ Fehlersuche in Texten; ▶ Wörter untersuchen und kategorisieren; ▶ Die Arbeit mit / an Sätzen, Wörtern; ▶ Dosen-, Lauf- oder Lückendiktate (mit eindeutigem Schwerpunkt) ▶ Nur Buchstaben einsetzen lassen. Fix (1997, 13) rät dazu, außerdem Hilfsmittel oder Lösungshilfen wie z. B. Strategiekarten beim Schreiben zuzulassen. 9.5 Lese-Rechtschreibschwächen, -störungen und Analphabetismus Trotz der ständigen Auseinandersetzung mit der Schriftsprache in der Schule (und bereits davor) treten bei einigen Schülern und Schülerinnen tiefgreifende Probleme auf. Gemeinhin wurden diese als (vorübergehende) Lese-Rechtschreibschwäche ( LRS ) oder (andauernde) Legasthenie bezeichnet. Inzwischen ist diese Unterscheidung aufgehoben: „Alle bisher als Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche benannten Erscheinungen werden jetzt Lese- Rechtschreib-Störung [ LRS t] genannt“ (Staatliche Schulberatung Bayern 2016). Die ICD -10- Klassifikation der WHO unterscheidet drei Störungsbilder: Klassifikation ICD -10 Bezeichnung Betroffen F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung Lesen und Rechtschreiben F81.1 isolierte Rechtschreibstörung Rechtschreiben F81.3 kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten („schlecht definierte Restkategorie“) Lesen, Rechtschreiben und Rechnen oder isol. Rechtschreiben Tab. 9.1: Klassifikation nach ICD -10 (vgl. DIMDI 2016; ISB 2003, 7) Bis dahin führte man Störungen auf unzureichende Beschulung, soziale Bedingungen oder psychiatrische bzw. neurologische Erkrankungen zurück (vgl. ISB 2003, 27), Legasthenie auf biologische Ursachen (vgl. ISB 2003, 37). LRS t entstehen durch Beeinträchtigungen der phonologischen Informationsverarbeitung, d. h. Defiziten in der phonologischen Bewusstheit, dem sprachgebundenen Teil des Ar- <?page no="220"?> 220 9 Rechtschreiben lernen beitsgedächtnisses (Sprachwahrnehmung) sowie der verbalen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (vgl. auch Kapitel 06). Häufig wird dabei zwischen phonologischer Bewusstheit „im weiteren“ und „im engeren Sinne“ unterschieden (Skowronek & Marx 1989). Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezeichnet die Fähigkeit zur Unterscheidung größerer Lauteinheiten wie etwa Sätzen, Wörtern oder Silben. Im Gegensatz dazu versteht man unter phonologischer Bewusstheit im engeren Sinne die Fähigkeit zur Unterscheidung von einzelnen Lauten in Wörtern, etwa das Erkennen des Anlauts in einem Wort oder die Fähigkeit, die Anzahl unterschiedlicher Laute in einem Wort zu bestimmen (Schneider & Berger 2012, 85; Herv. v. Verf.). Hinzu kommen vermutlich fehlende Buchstabenkenntnis (v. a. im vorschulischen Erwerb) und Defizite in der Fähigkeit zur Wortanalyse (vgl. Schneider 2008, 168). Weil Schreiben erst in der Schule forciert wird, werden betroffene Kinder in der Regel leider erst relativ spät auffällig, sodass sie bereits Motivationsdefizite und ein negatives Selbstbild entwickelt haben (vgl. Schneider 2008, 167 f). Für einen gelingenden Rechtschreiberwerb bedeutet dies: Das Unterscheiden von Lauten, Wort- und Satzmelodie, die rhythmische Gliederung von Wörtern und Sätzen, das Artikulieren von Lauten und Unterscheiden von Buchstaben sind ausschlaggebende Faktoren (vgl. ISB 2003, 20). Probleme auf diesen Ebenen sowie eine große Diskrepanz zwischen mündlichen und schriftlichen Leistungen können dementsprechend Indikatoren für das Vorliegen oben genannter Zustände sein (vgl. ISB 2003, 29). Mit der Prävention von Beeinträchtigungen insbesondere der phonologischen Bewusstheit sollte möglichst früh begonnen werden, zumal sich interindividuelle Unterschiede der Rechtschreibkompetenz ab Beginn der Grundschule längsschnittlich als relativ stabil erweisen (vgl. Schneider 2008, 178 f). Die Diagnose einer LRS t darf jedoch nicht durch die Lehrkraft erfolgen: Nach Ihrem (hinreichenden) Anfangsverdacht benötigen Sie die Zustimmung der Erziehungsberechtigten, bevor Sie weitere Schritte einleiten können. Im Anschluss stellen Beratungslehrkraft und / oder Schulpsychologe/ -in, ggf. auch in Zusammenarbeit mit einem Kinder-/ Jugendpsychiater, mittels formeller Testinstrumente (Lese-/ Rechtschreibtests und Intelligenztest) das Vorliegen einer LRS t fest. Alternativ können sich Erziehungsberechtigte auch direkt an einen Kinder-/ Jugendpsychologen wenden. Ein entsprechendes Gutachten wird ausgestellt, das im Schülerakt abgelegt wird (vgl. ISB 2003, 36). <?page no="221"?> 221 9.5 Lese-Rechtschreibschwächen, -störungen und Analphabetismus Abb. 9.13: Ablauf der Feststellung, exemplarisch: Bayern. Das Gutachten ist (natürlich) kein Selbstzweck: Die betroffenen Schülerinnen und Schüler haben Anspruch auf besondere Förderung. Dies schließt einerseits einen individuellen Förderplan (vgl. ISB 2003, 36) sowie einen entsprechenden Nachteilsausgleich (vgl. ISB 2003, 93) ein. „Ein Nachteilsausgleich- […] bedeutet- […] kein Privileg, sondern [ist] eine unverzichtbare Maßnahme, um eine Schulausbildung entsprechend vorhandener intellektueller Fähigkeiten zu gewährleisten“ ( ISB 2003, 93). Er kann in Form einer angepassten Leistungsbewertung / Notenbildung, eines Zeitzuschlags, in Form von Hilfsmitteln, gefordertem Textumfang oder angepassten Arbeitsvorlagen realisiert werden. Zusätzlich stehen auch staatliche Hilfsangebote für die Betroffenen und deren Angehörigen zur Verfügung (vgl. dazu die Übersicht in ISB 2003, 92). Die Förderung muss grundsätzlich langfristig geplant werden: Denn „bedeutsame Leistungsverbesserungen im Lesen und Rechtschreiben [sind] nur bei länger andauernden Förderprogrammen beobachtbar“ (Schneider & Berger 2012, 95). Auf dem Markt sind inzwischen einige etablierte Trainings erhältlich, die bereits evaluiert sind (z. B. Stock & Schneider 2011: Phonit; Küspert & Schneider 2008: Hören, lauschen, lernen 1 / 2). Besonders auch DaZ-Schülerinnen und Schüler profitieren zu Beginn von diesen Trainings (vgl. Schneider & Berger 2012, 94). Derartige Trainingsprogramme beginnen in der Regel mit Übungen zur Lautdiskrimination und -analyse, bevor sie die eigene Produktion von Lauten anleiten. Anschließend erfolgt ein Training der grundlegenden GPK . Nach Übungen auf Silben- und Wortebene wird in der Regel die Satzebene fokussiert. <?page no="222"?> 222 9 Rechtschreiben lernen 9.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe Auslautverhärtung 2.-3. ▶ Spiegel, Ute (2006). Zweifeln? Ja! Schreibzweifel von Grundschülern zur Auslautverhärtung. Praxis Deutsch, 198, 22-27. Bindestrich 7.-8. ▶ Buchmann, Franziska (2010). Binde-Strich-Schreibungen. Was uns der Bindestrich über die Struktur der Wörter verrät. Praxis Deutsch, 221, 39-41. ▶ Bredel, Ursula (2013). Turbulenzen in Wörtern. Schreibungen mit Bindestrich erklären. Deutsch 5-10, 36, 18-21. dass 8.-10. ▶ Schönenberg, Stephanie (2016). Das mit dem „dass“. Die passende Strategie zur Richtigschreibung finden. Deutsch 5-10, 48, 26-31. Dehnungs-h 4.-5. ▶ Blatt, Inge (2006). Am Dehnungs-h zweifeln, aber nicht verzweifeln. Kinder erforschen, üben und festigen das Dehnungs-h. Praxis Deutsch, 198, 28-35. Großschreibung 2.-4. ▶ Esslinger, Gesine (2014). Die Systematik der Großschreibung entdecken. Grundschule Deutsch, 44, 32-34. 3.-4. ▶ Wild, Johannes (2018). Kommissar Walter ermittelt. Ein Rechtschreibkrimi zur Großschreibung für die 3.-4. Jahrgangsstufe. Grundschulunterricht Deutsch, 1, 23-34. 5.-8. ▶ Noack, Christina (2006). Aber Wie-Wörter schreibt man doch klein! Praxis Deutsch, 198, 36-43. Komma 5.-7. ▶ Lindauer, Thomas & Sutter, Elisabeth (2005). Könige, Königreiche und Kommaregeln. Praxis Deutsch, 191, 28-35. 5.-8. ▶ Esslinger, Gesine (2015). Was macht das Komma im Kopf ? Deutschunterricht, 5, 22-27. 5.-8. ▶ Lindauer, Thomas 2015). Das Komma zwischen Verbgruppen setzen. Weiterführender Orthographieerwerb (= DTP 5). Hrsg. von Ursula Bredel & Tilo Reißig. Schneider: Hohengehren, 601-612. 8.-13. ▶ Bredel, Ursula & Hlebec, Hrvoje (2015). Kommasetzung im Prozess. Praxis Deutsch, 254, 36-43. <?page no="223"?> 223 9.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte Gegenstandsbereich Jgst. Literaturangabe OLFA 3.-9. ▶ Sasse, Ada & Valtin, Renate (2014). Rechtschreibdiagnose für freie Texte. Deutsch Differenziert, 4, 16-23. ▶ Thomé, Günther & Thomé, Dorothea (2010). OLFA 3-9. Oldenburger Fehleranalyse für die Klassen 3-9. 2. Auflage. Oldenburg: Institut für sprachliche Bildung. Phonolog. Bewusstheit; Graphemeinführung 1.-3. ▶ Stock, Claudia & Schneider, Wolfgang (2011). PHONIT . Ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der phonologischen Bewusstheit und Rechtschreibleistung im Grundschulalter. Göttingen u. a.: Hogrefe. s / ß 5.-7. ▶ Risel, Heinz (2016). Gesummt oder gezischt? s oder ß? Deutsch 5-10, 48, 13-17. Satzschlusszeichen 2.-4. ▶ Esslinger, Gesine (2015). „Jetzt passt's“. Grundschulkinder erkunden den Punkt. Praxis Deutsch, 254, 14-19. Silbengelenk 1.-5. ▶ Bredel, Ursula (2010). Der Schrift vertrauen. Wie Wörter und ihre Strukturen entdeckt werden können. Praxis Deutsch, 221, 14-21. Zusammen-/ Getrenntschreibung 4.-6. ▶ Mesch, Birgit (2010). Das Weiße zwischen den Wörtern. Vom Nutzen der Getrennt- und Zusammenschreibung für das Lesen. Praxis Deutsch, 221, 22-27. 5.-10. ▶ Borgwaldt, Susanne & Amorocho, Simone (2013). Schweine braten oder Schweinebraten. Komposita von Wortgruppen unterscheiden. Deutsch 5-10, 36, 4-7. 9.-10. ▶ Furhop, Nana (2006). Erfolgversprechend oder Erfolg versprechend? Zur Getrennt- und Zusammenschreibung. Praxis Deutsch, 198, 48-53. <?page no="225"?> 225 9.6 Exemplarische Unterrichtskonzepte 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Sebastian Franz Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie (,) … ▶ zentrale Termini der Mehrsprachigkeit kennen. ▶ innere und äußere Mehrsprachigkeit zu unterscheiden. ▶ dass die Vorstellung der „einen“ (Sprach-)Identität nicht haltbar ist. ▶ die Rolle von Sprache(n) bei der Ausbildung von Identität kennen. ▶ ob und wie man aus einer situativen Sprachverwendung Rückschlüsse auf die Identität einer Person gewinnen kann und ▶ praktische Anregungen kennen, identitätsstiftende Mehrsprachigkeit in den Unterricht zu integrieren. Lesen Sie sich den Comic (Abb. 10.1) durch oder sehen Sie sich das Video im Internet dazu an (vgl. Link unter dem Comic). Überlegen Sie: Wie hängen Sprachenwahl und Identität hier zusammen? Erkennen Sie im Comic eine Form von Mehrsprachigkeit? Der im Comic dargestellte Sprachenwechsel ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Dialekten im deutschen Binnenraum unterschiedliches Prestige zugesprochen wird. Womöglich haben sich die beiden Männer bei ihrer Entscheidung auch von den Ergebnissen der EMNID - Umfrage aus dem Jahr 2003 leiten lassen, welcher Dialekt besonders „sexy“ sei. Der Erhebung zufolge nehmen Bairisch, Berlinerisch, Rheinländisch die ersten drei Ränge ein; Sächsisch, Badisch und Pfälzisch belegen dagegen die hinteren drei Plätze (vgl. Hundt 2011, 85). Eindeutig klären lässt sich die Motivation der Sprecher aus dem Beispiel nicht. Heinemann weist in einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Tagung „Sprachenidentität- - Identität durch Sprache“ auf die individuelle Komponente sprachlicher Prozesse hin: Eine Identifizierung mit etwas, z. B. mit einer Sprache erfolgt nicht automatisch, etwa auf Grund einer gemeinsamen Herkunft aus dem ‚Osten’, sondern ist vielmehr unterschiedlich und unterliegt individuellen Prozessen (zit. nach Janich & Näßl 2003, 23). Sprecherinnen und Sprecher verändern durch einen Varietätenwechsel (d. h. Wechsel der Sprachgebrauchsform) nach außen ihre Identität. Sie markieren mittels Sprache ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprechergruppe (im Beispiel: Sprecher einer bairischen Varietät). Gleichzeitig weisen die Sprechenden damit ihre Nichtzugehörigkeit zu einer anderen Sprechergruppe aus (im Beispiel: sächsische Varietät). <?page no="226"?> 226 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Abb. 10.1: Comic (Nachbildung eines Internetvideos: https: / / www.youtube.com/ watch? v=F0cMPZ7TEpo, letzter Zugriff: 09. Januar 2018) <?page no="227"?> 227 10.1 Umgang mit ‚identitätsfördernder Mehrsprachigkeit‘ - ein Aufgabenfeld des Deutschunterrichts Varietäten sind Sprachgebrauchsformen einer Sprache. Diese Formen können nach weiteren Kriterien unterteilt werden, unter geografischem Blickwinkel z. B. in Dialekt (lokal) und Regiolekt (regional). Die Fähigkeit zwischen verschiedenen Varietäten innerhalb eines Sprachsystems wechseln zu können, kann als eine Form der Mehrsprachigkeit aufgefasst werden. Man nennt diese Form innere Mehrsprachigkeit. Innere Mehrsprachigkeit bzw. natürliche Mehrsprachigkeit ist nach Wandruszka (1979, 314) folgendermaßen zu verstehen: „Schon in unserer Muttersprache lernen wir ein dynamisches Polysystem kennen, in dem die Sprachen verschiedener Lebenskreise, denen wir angehören, ineinandergreifen und sich vermischen.“ 10.1 Umgang mit ‚identitätsfördernder Mehrsprachigkeit‘ - ein Aufgabenfeld des Deutschunterrichts Die Anbahnung einer sprachlichen Identität wird neben Peergroups und Familie auch von der Sozialisierungsinstanz Schule mitbestimmt. Im Deutschunterricht kann z. B. im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ ein Beitrag hierzu geleistet werden: Die Kinder üben „zu und voreinander sprechen“, versuchen „verstehend zuzuhören“, üben „mit anderen zu sprechen“ und experimentieren im „szenischen Spiel“ auch mit kreativeren Sprachformen. Über Verfahren der Sprachbetrachtung kann auch die Sprachbewusstheit sensibilisiert werden und Fragen nach der Angemessenheit von verschiedenen Varietäten können thematisiert werden. Darüber hinaus wird die Ausbildung einer sprachlichen Identität in allen Unterrichtsgesprächen in allen Fächern implizit mitgeprägt, z. B. durch Rückmeldungen von Lehrpersonen zur Sprachpraxis der Schülerinnen und Schüler. Identität konstituiert sich u. a. sprachlich-kommunikativ. Die Förderung von Identität kann als eine Aufgabe des Deutschunterrichts und auch des Deutsch-als-Zweitsprache-Unterrichts aufgefasst werden, wie es die Lehrpläne sowie die Bildungsstandards nahelegen. Der neue Lehrplan PLUS verankert den Identitätsbegriff unter anderem im Fachprofil: Der Deutschunterricht am Gymnasium strebt die Erweiterung, Differenzierung und Vertiefung der sprachlichen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler an. Sie begreifen und gebrauchen die deutsche Sprache in mündlicher und schriftlicher Form als Mittel der Darstellung und Verständigung sowie als Medium und Gegenstand des Denkens.- […] Das Fach Deutsch schult die Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit und hat so Teil an der ästhetischen Bildung. Es stärkt die Erlebnisfähigkeit sowie die Kreativität und leitet zu angemessenem Verhalten an. Literarische Texte und die ihnen innewohnenden Herausforderungen sind in besonderer Weise geeignet, Hilfestellung bei der Selbstfindung zu leisten und Verständnis für andere Positionen und Perspektiven zu fördern. ( ISB 2018, Hervorhebung vom Verf.) Aber nicht nur die Herausforderung für die Identitätsfindung, die von einem literarischen Text ausgehen kann, bietet Raum für „Hilfestellung“. Die Sprachlichkeit bzw. das Sprachenrepertoire eines Menschen und die Spracheinstellung im weiteren Sinne bilden eine von mehreren Identitätskonstituenten einer Person. Wie eine Person spricht und welche Einstellungen und Haltungen sie mit den unterschiedlichen ihr zu Verfügung stehenden sowie bekannten Varietäten bzw. Sprachen aufbringt, sind Fragen der sprachlichen Identität (vgl. <?page no="228"?> 228 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren dazu ausführlicher Franz 2018). Aufgrund der in den letzten Jahren zugenommenen (sprachlichen) Pluralität im schulischen und außerschulischen Umfeld ist mit der alltäglichen Mehrsprachigkeit ein Faktor dazugekommen, der an der Ausbildung einer sprachlichen Identität teilhat. Die Schülerinnen und Schüler sind damit noch mehr als zuvor mit der Aufgabe befasst, Orientierung in dieser sprachlichen Pluralität zu gewinnen und in diesem Umfeld ihr sprachliches Selbstbild aufzubauen und ihren „sprachlichen Platz“ zu finden. Durch eine aktive Einbindung von Mehrsprachigkeit sowie Reflexion über Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht können die Schülerinnen und Schüler bei der Selbstfindung-- „Wer bin ich? Wer will ich sein? “-- unterstützt werden. Der Schule kommt also die Aufgabe zu, eine vorurteilsfreie Haltung gegenüber jeglicher Form der Mehrsprachigkeit anzuregen, indem mit Mehrsprachigkeit ein wertschätzender und positiver Umgang gepflegt wird und diese nicht nur Gegenstand einer einmaligen Reflexionseinheit ist. Das dauerhafte und aktiv positive „mehrsprachige Miteinander“ kann gleichzeitig Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben zeigen, z. B. im Umgang mit Zuwanderern, wenn deren Sprachfähigkeit nicht auf Defizite im Deutschen reduziert wird. Erarbeiten Sie sich eine Übersicht über die Lernbereiche des Fachs Deutsch / Deutsch als Zweitsprache für Ihre Schulart. Die Lernbereiche könnten Ihr Arbeitsblatt im Querformat in Felder unterteilen. Zentrale, den Lernbereichen zugeordnete Kompetenz- Stichwörter, helfen Ihnen beim Merken und tragen zu einer Übersicht bei. Stellen Sie erste Überlegungen an: Wo lässt sich Mehrsprachigkeit explizit (z. B. als eine Einzeleinheit oder Teil einer Unterrichtssequenz) (a) in einen Lernbereich und (b) lernbereichsübergreifend einbauen? Welche Ideen haben Sie zur Verwirklichung eines generellen ‚mehrsprachigen Miteinanders‘? 10.2 Identität Identität geht als Entlehnung auf das lateinische Demonstrativpronomen idem ‘derselbe, dasselbe’ zurück. Die heutige Bedeutung lässt sich aber so einfach nicht bestimmen, was gängige Verwendungsweisen des Wortes zeigen: ▶ Peter hat eine neue Identität angenommen. ▶ Der Geflüchtete kann sich in vielen Punkten mit der deutschen Kultur identifizieren. ▶ Diese beiden Gedankengänge sind identisch. Aus den Beispielen lässt sich eine Bedeutungsvielfalt ablesen, die von der ‘Echtheit einer Person’ über die ‘selbsterlebte personale Einheit’ bis zu einer ‘übereinstimmenden Gleichartigkeit mit einer Sache / einer Person’ reicht (vgl. auch Duden 2013, 543; Thim-Mabrey 2003, 1 f). Eine eindeutige Bestimmung der Bedeutung ist, unabhängig vom Kontext, wohl nur vage möglich. <?page no="229"?> 229 10.2 Identität In der Regel steht der Identitätsbegriff in Verbindung mit dem Selbst einer Person. Aufgrund der polysemen Verwendungsweise des Wortes empfiehlt es sich, (kritisch) zu überlegen, in welcher Bedeutung Identität im jeweils konkreten Fall verwendet wird. In einem wissenschaftlichen Kontext lohnt es sich immer auch, nach einer Definition des Identitätsbegriffs zu suchen. Im vorliegenden Text wird Identität als das Selbst einer Person verstanden, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. 10.2.1 Unterscheidung von persönlicher und kollektiver Identität Wenn man sich mit Identität beschäftigt, kann dies aus unterschiedlicher Perspektive geschehen. Entweder mit Blick auf eine Einzelperson oder in Bezug auf eine Gruppe. ▶ Im ersten Fall spricht man von persönlicher Identität bzw. vom Selbstkonzept einer Person. Hierbei stehen Überlegungen zum Wissen, wer wir selbst sind, im Zentrum (vgl. z. B. Aronson et al. 2008, 158). ▶ Wenn man sich mit Identität im Kontext von (Klein-)Gruppen beschäftigt, trifft man Aussagen über die sogenannte kollektive Identität. Assmann (2002, 131) beschreibt dies z. B. als „das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren.“ Beide Identitätsformen, die persönliche und kollektive Identität, sind nicht voneinander losgelöst zu denken und nicht als zwei scharf voneinander getrennte Bereiche anzusehen. Sie verhalten sich interdependent zueinander, d. h. sie bedingen sich gegenseitig: Die persönliche Identität steht immer in Wechselwirkung zu den Gruppen, in denen sich ein Sprecher / eine Sprecherin aufhält bzw. in denen er / sie sozialisiert wird. Die Herausbildung von Identität erfolgt in Wechselwirkung mit dem Umfeld. 10.2.2 Sprache als persönliche und kollektive Identitätsmarkierung Neben dem Aussehen- - denken Sie beispielsweise an Personen, die Skinheadkleidung, Piercings, spitzgeformte Nieten auf Jacken bzw. Arm- und Halsbändern, Schnürstiefel tragen, tätowiert sind und Frisuren im Liberty-Hawk-Style haben etc.-- dient Sprache als Identitätsmarker. Die Stimme eines Sprechenden liefert Informationen über das Geschlecht und das Alter (vgl. Kapitel 07). Die Verwendung bestimmter regional verbreiteter Varianten wie Semmel / Brötchen / Schrippe oder Fleischer / Metzger / Schlachter gibt erste Hinweise auf die geographische Herkunft einer Person. Dies macht sich nicht nur die kriminalistische Forensik zunutze, bereits in der Bibel wird die identitätsstiftende Funktion von Sprache thematisiert: Und die Männer von Gilead schlugen Ephraim-- denn diese hatten gesagt: Ihr seid Flüchtlinge aus Ephraim; denn Gilead liegt mitten in Ephraim und Manasse- -; und die Gileaditer besetzten die Furten des Jordans vor Ephraim. Wenn nun einer von den Flüchtlingen Ephraims sprach: Lass mich hinübergehen! , so sprachen die Männer von Gilead zu ihm: Bist du ein Ephraimiter? Wenn er dann antwortete: Nein! , ließen sie ihn sprechen: Schibbolet. Sprach er aber: Sibbolet, weil er's nicht richtig <?page no="230"?> 230 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren aussprechen konnte, dann ergriffen sie ihn und erschlugen ihn an den Furten des Jordans-[…] (Ri-12, 6 ff; Hervorhebung v. Verf.). Aufgrund einer lautlichen Eigenheit- - im Text ist die unterschiedliche Aussprache des s- Lautes bei den Wörtern Schibbolet/ Sibbolet gemeint-- schließen die Männer Gileads auf die geografische Herkunft: Der palatale bzw. dental-alveolare s-Laut enttarnt sie entweder als Ephraimiter oder als Gileaditer. Die Aussprache einer Person fungiert damit u. a. als Erkennungszeichen von Identität (vgl. Tabouret-Keller 1997, 317). Unter Schibbolet bzw. Sibbolet wird in der Linguistik eine sprachliche Doppelform verstanden. Sie dient der Erkennung von besonderen sprachlichen Merkmalen. Neben den oben genannten Beispielen finden Sie eine Vielzahl weiterer z. B. im Atlas der deutschen Alltagssprache: http: / / www.atlas-alltagssprache.de Gerade in Gruppenkontexten kann Sprache eine zentrale Funktion bei der Ausbildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls einnehmen. Dies soll anhand einer in den letzten Jahren sehr populär gewordene Kontaktvarietät des Deutschen kurz illustriert werden: Kiezdeutsch. Wiese (2012, 45) bezeichnet diese Varietät des Deutschen als „multiethnische[-] Jugendsprache [mit] ‚besondere[r] Dynamik’“. Hier einige Beispiele (aus Wiese 2012 sowie Berliner Morgenpost vom 19. 12. 2011): ▶ Du bist voll der Opfer. ▶ Lan, hab isch disch gemessert. ▶ Wallah, isch liebe sie übertrieben. Wallah, isch kann nich ohne sie, isch soll- - drei Jahre soll isch jetzt vergessen. ▶ Jede Schule is Jackpot, nur unsere nisch. An diesen vier Aussagen von Sprecherinnen bzw. Sprechern lassen sich sprachliche Merkmale erkennen, betreffend die Syntax, die Lexik, die Morphologie und die Phonetik / Phonologie, z. B. die Koronalisierung des [ ç ]-Lautes (z. B. isch, disch, nisch) oder die zahlreichen Entlehnungen aus dem Arabischen, Englischen bzw. Türkischen (z. B. Wallah ‘echt; ich schwöre’, Jackpot ‘Glückslos’, Lan ‘Typ; Alter’, vgl. dazu ausführlicher Wiese 2012). Die Varietät der Jugendlichen zeigt besondere Sprachmerkmale. Wer diese Varietät mit ihren Regeln beherrscht, trägt den Ausweis des Gruppenmitgliedes auf der Zunge (vgl. Oppenrieder & Thurmair 2003, 41). Die Sprachverwendung markiert sozusagen den ‚Ingroup’- Status. An der Entstehung eines Identitätsbands zwischen Personen sind mehrere Faktoren beteiligt. Neben Sprache etwa eine Übereinstimmung hinsichtlich bestimmter Interessen: Jugendliche wollen sich gegenüber den Erwachsenen abgrenzen, was sie u. a. durch ihre Sprachform versuchen und auch tun (vgl. Neuland 2018, 160). <?page no="231"?> 231 10.2 Identität Sprachen bzw. Varietäten kann bei der Ausbildung und Aufrechterhaltung eines Gruppenselbst(bildes) identitätsstiftende Funktion zukommen. Sprachgebrauchsformen können daher zur Identitätsfindung und -markierung von Gruppen beitragen (vgl. auch Oppenrieder & Thurmair 2003, 41). Eine Herausbildung von Identität ist in Wechselwirkung mit dem Umfeld anzunehmen. Das Potential von Sprache bei der Identitätsanbahnung umfasst gleichzeitig die Komponente der Gruppenkonstituierung nach innen und das Potential der Abgrenzung nach außen. Die Ausbildung einer sprachlichen Identität unterstützt den Vorgang der persönlichen bzw. sozialen Positionierung: „Identity is the social positioning of self and others“ (Bucholtz & Hall 2005, 586). Anregung zum Weiterdenken und Einladung zur Selbstreflexion ▶ Ein Sprecher / eine Sprecherin des Kiezdeutschen hat über diese Varietät einmal gesagt: „Mit der Zeit entwickelt sich auch so ne doppelte Sprache. Die hört sich auch anders an als die Sprache, die hier die Erwachsenen so reden“ (kiezdeutsch. de, letzter Zugriff: 10. 01. 18). Überlegen Sie, welche Faktoren bei der Entstehung von Kiezdeutsch noch eine Rolle gespielt haben könnten. Beziehen Sie in Ihre Überlegungen auch die sprachliche Heterogenität / Herkunft der Sprecherinnen bzw. Sprecher dieser Gruppe mit ein. ▶ Stellen Sie sich vor, sie säßen mitten in einem Vorstellungsgespräch. Sie antworten souverän auf die Fragen Ihres möglichen Arbeitgebers. Überlegen Sie: Unterscheidet sich Ihre Sprechweise in einem Vorstellungsgespräch von der Sprechweise innerhalb Ihrer Peergroup oder Ihrer Familie? Worauf ist Ihrer Meinung nach ein möglicher Unterschied zurückzuführen? Versuchen Sie mit Ihrer Sprechweise in dieser Situation die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Sie eingestellt werden? Setzen Sie vielleicht situationsbezogen eine bestimmte ‚sprachliche Maske‘ auf? Oder ist das alles Unfug und Ihre Art zu sprechen ist sowieso immer identisch? Vielleicht erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie eine ‚sprachliche Variation’ Ihrerseits oder einer Freundin / eines Freundes beobachtet haben oder immer wieder beobachten können? Versuchen Sie auch dafür, mögliche Gründe zu eruieren. 10.2.3 Sprachen- und Varietätenwechsel als Anzeiger von Identitätsnuancen? In der Sprachwissenschaft geht man davon aus, dass es von der Situation, in der eine Äußerung stattfindet, abhängt, welche Varietät wir wählen bzw. wie wir sprechen: Beispielweise wird innerhalb der Familie häufiger noch ein Dialekt gesprochen, während sich Schülerinnen und Schüler oft eher einer Form von Jugendsprache bedienen, etwa: Wallah, isch liebe sie übertrieben. Wallah, isch kann nich ohne sie, isch soll-- drei Jahre soll isch jetzt vergessen. In einem formelleren Rahmen, etwa ‚Dass die langjährige Beziehung nun vorbei ist, bedauere ich sehr. Ein Leben ohne sie kann ich mir einfach nicht vorstellen.‘ Koch & Oesterreicher (1985 / 1994) unterscheiden bezüglich dieses Registerwechsels zwischen Sprache der Nähe und Sprache der Distanz (vgl. Kapitel 05). Ein weiteres Beispiel, wie das <?page no="232"?> 232 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Sprachregister eines Sprechers situationsbedingt modifiziert werden kann, verdeutlicht der Radiospot ‚Yalla’, der untenstehend verschriftet ist: […-pulsierender, punktierter Bassrhythmus] und das geht an meinen bro mika, wo ich handynummer krass vercheckt hab (.) deshalb über Radio (-) jo digga (.) lass ma heut abend hart gönnen (.) stabile maracujashisha im smoke-palace (.) richtig nice girls am start (.) digga (-) gediegenster tindergarten (.) vorher geh ich fitness (-) normal, digga (.) bodytransformation (-) yalla was geht ab (.) mach mal ansage (.) [Vibrationsgeräusche eines Mobiltelefons] hey (.) wart mal ich hab anruf (-) [keine Hintergrundgeräusche mehr, höherer Stimmton] hallo (--) natürlich mache ich vorher noch die lateinhausaufgaben (-) bis später mama (.) hab dich lieb (-) tschüs-[…] Auf eine Groß-/ Kleinschreibung wird verzichtet, die unterschiedlichen Pausenlängen (Ungefährwerte) werden durch Zeichen in runden Klammern angegeben. Angaben in eckigen Klammern berücksichtigen Geräusche im Hintergrund. Die Radiowerbung illustriert auf unterhaltsame Weise, wie sich die Sprachenwahl eines Individuums aufgrund der Kommunikationspartnerin / des Kommunikationspartners verändern kann. Die Wahl der jugendsprachlichen Varietät am Anfang des Beispiels ist mit Bro Mika an jemanden gerichtet, der Mitglied der Peergroup des Sprechers zu sein scheint. Durch den eingehenden Telefonanruf wird die Situation insofern verändert, als die Mutter als neue (weitere) Kommunikationspartnerin auftritt. Der Wechsel der Personenkonstellation löst einen Varietätenwechsel aus: mit der Mutter wird nicht mehr der zuvor gesprochene Soziolekt, sondern eine eher standardnahe Umgangssprache gesprochen. Identität kann laut Roche (2015, 236) in unterschiedlichen sprachlichen Formen und Registerwechseln sichtbar werden: Die Wahl der jeweiligen Sprachgebrauchsform steht damit in direktem Zusammenhang mit der sprachlichen Identität des Sprechers. Mit Wahl der Varietäten kann der Sprachbenutzer / die Sprachbenutzerin eine bestimmte Vorstellung verbinden und diese auch bewusst zum Ausdruck des Selbstbildes einsetzen. Denkbar wäre im vorliegenden Beispiel, dass mit der Jugendsprache zum Beispiel „‘Jugendlichkeit‘ (‘Lässigkeit’, ‘Coolness’, ‘Kreativität’)“ (Koch 2013, 12) ausgedrückt werden soll, mit der standardnahen Umgangssprache möglicherweise eine Form des „vorbildlichen Sohnseins“, welches sich in Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit, elterliche Wertschätzung zeigt. Die gewählte sprachliche Schablone unterstreicht damit die Wer-bin-ich-/ Werwill-ich-sein-Frage bzw. verleiht in diesem Moment einer bestimmten Komponente des Selbst verbalen Ausdruck. 1 2 3 4 5 6 7 8 <?page no="233"?> 233 10.2 Identität Die Wahl der Varietät geschieht abhängig von der Kommunikationspartnerin bzw. dem Kommunikationspartner und der Kommunikationssituation. Die Form der sprachlichen Ausrichtung einer Person am Gegenüber wird in der Sprachwissenschaft als Aushandlung verstanden: Personen passen ihre Sprache in der jeweiligen Situation an die Gesprächspartnerin / dem Gesprächspartner an und handeln im Dialog eine ‚gemeinsame Sprachbasis‘ aus. Der Fachbegriff für eine solche Aushandlung ist Synchronisation (vgl. Schmidt & Herrgen 2011). In der jeweiligen Kommunikationssituation (schriftlich wie auch mündlich) kann die Sprachenwahl auch zum (bewussten) Ausdruck des Selbstbildes eingesetzt werden. Lernende müssen in jeder Sprachsituation neu entscheiden, ob sie sich auf eine erneute Aushandlung ihrer sprachlichen Identität einlassen, sozusagen in die Erweiterung ihres sprachlichen Selbst investieren, oder ob der Kontext eher dazu führt, die erreichte Stabilität des sprachlichen Selbst zu verteidigen (vgl. Krumm 2009, 236). Der Ort, an dem sich sprachliche Identität anbahnt, ist die konkrete sprachliche Interaktion (vgl. Mair 2003, 195). Ein mehrjähriges Forschungsprojekt von Keupp et al. (1999) zeigte mehrere Teilidentitäten ein- und derselben Person. Beispiele für solche Teilidentitäten reichen von Gamer, Fußballfan, Vater, Arzt bis zu Reiterin, Mutter, Personalchefin usw. Das Wissen über solche Teilidentitäten adaptiert Kresič (2006, 224) für die Sprachwissenschaft. Sie geht von einer mehrfachen Sprachidentität aus. Darunter versteht Sie ein konstruktivistisches Modell,-… das Identität als komplexe Struktur begreift und die Dynamik, sprachliche Konstruiertheit und Multiplizität von Identität betont. Die Multiplizität der verschiedenen Teilidentitäten kommt zustande, indem das Individuum zum einen verschiedene Varietäten einer Sprache verwendet und zum anderen (potentiell) über zweit- und fremdsprachliche Kompetenzen verfügt (Kresič 2013, 132). Die „sprachliche Füllung“ von Teilidentitäten ist nicht auf die Erstsprache (L1) beschränkt; alle im Laufe des Lebens erlernten (Fremd-)Sprachen (Zweitsprache (L2), Drittsprache (L3) usw.) können in die Teilkonzeptionen mit einfließen. Der sprachliche Anteil einer Teilidentität bewegt sich demzufolge in einem sprachlichen Kontinuum, das vom Dialekt (z. B. Ostfränkisch, Sächsisch, Alemannisch) über die Standardsprache bis hin zu Fremdsprachen (z. B. Englisch, Spanisch, Französisch, Griechisch usw.) reichen kann (vgl. auch Roche 2013, 186). Kresič (2006) nimmt an, das verschiedene Teilidentitäten jeweils über spezifische sprachliche Strukturen verfügen können; Wortwahl / Lexik, Lautung, Morphologie, Syntax usw. bieten folglich eine Möglichkeit, unterschiedliche Identitätskomponenten einer Person auch sprachlich darzustellen und / oder festzumachen. Für unseren Radiospot ließen sich zwei sprachliche Teilidentitäten (re-)konstruieren: ▶ Die Teilidentität des Sprechers als Mitglied einer Peergroup (Sprachnachricht über das Radio an „Bro Mika“) und ▶ die Teilidentität als Sohn (Telefongespräch mit „Mama“ während dem Einsprechen der Sprachnachricht). Die beiden möglichen Teilidentitäten zeichnen sich u. a. durch Unterschiede auf sprachlicher Ebene aus, z. B. im Bereich von Lexik (Wortwahl) und Syntax (Satzbau). Beide sprachliche <?page no="234"?> 234 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Identitätsformen werden außerdem durch den starken Themenwechsel, die verstummenden Hintergrundgeräusche sowie den wechselnden Stimmton voneinander abgegrenzt: Sprachnachricht Telefongespräch Themenwahl freizeitorientiert (vgl. Sport, Abendgestaltung) pflichtorientiert (vgl. schulische Aufgaben) Hintergrundkulisse Musik und Geräusche musik- und geräuschlos sprachliche Beobachtungen auffällige Attribuierungen (z. B. nice, hart, stabil) Abtönungspartikel (noch) besondere Wortbildungsformen (z. B. tindergarten, smoke-palace, bodytransformation) weniger auffällige Komposita (z. B. lateinhausaufgaben) durchgehende Apokope (z. B. geh, mach) nicht durchgehend Apokopierung (z. B. mache) Syntax gesprochensprachliche Syntax (z. B. vorher geh ich fitness) eher geschriebensprachliche Syntax (vgl. auch Aufbau in: Anrede, Anliegen / Antwort, Verabschiedung) Stimmton eher tief eher hoch jugendsprachlich, geringer Formalitätsgrad eher standardnah, hoher Formalitätsgrad Tab. 10.1: Übersicht zur Gestaltung des Radiospots und Einsatz von Varietäten Eine Zuordnung von sprachlich-stilistischen Besonderheiten zu einer Teilidentität der Person fällt im Beispiel des Radiospots nicht sonderlich schwer. Dies liegt u. a. daran, dass dieser stark konträr komponiert bzw. gestaltet ist (vgl. Tab. 10.1). Die Varietäten wurden von den Machern nicht zuletzt aus Gründen der Unterhaltung und Aufmerksamkeit gewählt. So eindeutig wie bei der Sprachnachricht an „Bro Mika“ gestaltet sich die Zuordnung von sprachlichen Strukturen zu einer Teilidentität in der Sprachrealität jedoch nicht: Teilidentitäten sind keine abgeschlossenen Einzelsprachsysteme. Vielmehr stehen sie in Verbindung zueinander. Das Zusammenspiel wird deutlich, wo verschiedene Teilidentitäten in einem Gespräch / in einer Situation verknüpft werden, etwa wenn man zugleich den Mitgliedstatus der Peergroup und seiner Familie, den des Fußballfans und des Arztes für sich beansprucht. Wie die generelle Vorstellung der wechselwirkenden Sprachteilidentitäten in der Theorie von Kresič (2006) gedacht werden kann, illustriert noch einmal die nachstehende Grafik: <?page no="235"?> 235 10.2 Identität Abb. 10.2: Wechselwirkungen im Modell der multiplen Sprachidentität (aus Kresi č 2006, 228) In der Abbildung wird differenziert zwischen Varietäten- und Code-Wechselerscheinungen. Varietätenwechsel bzw. Varietätenmischungen innerhalb einer Sprache (z. B. ein Umschalten von Dialekt zur Umgangssprache / Standardsprache des Deutschen) werden im Modell „Varietäten-Switching“ genannt; das „Umschalten“ zwischen verschiedenen Sprachen (z. B. von Deutsch nach Italienisch) wird als „Code-Switching“ bezeichnet. Das Bilden von Zwischenformen bezeichnet man als „Code-Shifting“. Die vorhergehende Anmerkung zum Zusammenhang von sprachlichen Teilidentitäten offenbart eine Schwäche der theoretischen Überlegungen von Kresič: Der Mensch kann eine Vielzahl von Teilidentitäten ausgebildet haben und je nach Situation neue situative Teilidentiäten aus seinem gesamten Sprachenrepertoire erschaffen (vgl. die Vorstellung der dialogischen Aushandlung). Einzelne Sprachphänomene einer möglichen Sprachteilidentität zuzuordnen, gestaltet sich demnach nicht nur schwierig, sondern kann auch spekulativ sein. Zudem ist der Einfluss von unterschiedlichen Faktoren auf die Sprachlichkeit einer Person nicht zu vernachlässigen (z. B. Sprachenpolitik, Prestige bestimmter Sprachen, sprachliche Modeerscheinungen wie z. B. die sog. Vong-Sprache). Die sogenannte Vong-Sprache geht laut Internetrecherchen auf einen Großhandelskaufmann aus der Oberpfalz sowie den Rapper Money Boy zurück. Vgl. hierzu die öffentlichen Seiten in Facebook (VONG / Nachdenkliche Sprüche mit Bildern) oder diverse Zeitungsartikel. Charakteristisch für solche sprachlichen Modeerscheinungen ist v. a. deren Kurzlebigkeit. <?page no="236"?> 236 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Das Umschalten von einer Sprache in eine andere wird als ein Effekt von Mehrsprachigkeit aufgefasst. Begrifflich lässt sich Mehrsprachigkeit unterschiedlich weit fassen. Von Mehrsprachigkeit kann man sprechen, wenn zwei Sprachen etwa gleich flüssig und kompetent beherrscht werden oder bereits dann, wenn eine Person nur wenige Elemente einer anderen Sprache (z. B. ein einzelnes Wort) kennt. Nach Lüdi (1996, 234) werden vier Dimension der Mehrsprachigkeit unterschieden: ▶ individuelle Mehrsprachigkeit (Multilingualität der Einzelperson), ▶ territoriale Mehrsprachigkeit (Multilingualität eines bestimmten Gebietes, z. B. Schweiz), ▶ soziale Mehrsprachigkeit (Multilingualität von Gesellschaften) und ▶ institutionelle Mehrsprachigkeit (Multilingualität von Verwaltungsorganen, z. B. EU - Verwaltung). Darüber hinaus kann zwischen innerer und äußerer Mehrsprachigkeit differenziert werden (s. o.). Dass Schülerinnen und Schüler mit einem Ortsdialekt aufwachsen und bei Schuleintritt mit der Standardsprache ihre „erste Fremdsprache“ (Lüdi 1996, 14) erwerben, wird häufig als Beispiel für innere Mehrsprachigkeit herangezogen. Mit den bislang gezeigten Beispielen hat diese Vorstellung gemein, dass es sich in allen Fällen um Varietäten handelt, die innerhalb eines Sprachsystems liegen („normsprachliche Überdachung“): Abb. 10.3: Sprachliches Kontinuum der inneren Mehrsprachigkeit Beim Betrachten von Sprachgebrauchsformen ist allgemein noch darauf hinzuweisen, dass Varietäten nicht mittels scharfer Trennlinien voneinander zu unterscheiden sind, sondern sich zu einem gewissen Grad überschneiden (können). <?page no="237"?> 237 10.2 Identität Für das oben beschriebene Varietätenkontinuum der inneren Mehrsprachigkeit kann man verschiedene Dimensionen ansetzen (vgl. Niebaum & Macha 2014, 6; Roche 2013, 187). Drei Dimensionen sollen exemplarisch genannt werden: ▶ diatopisch: lokale vs. regionale vs. großregionale Dimension, z. B. Südbairisch, Ostfränkisch, Schwäbisch, Plattdeutsch usw. (vgl. weiterführend KBS 2006, 16) ▶ diastratisch: sozial-vertikale Dimension / Schichtsprachen, z. B. Beamtendeutsch, Pfarrerdeutsch, Gastarbeiterdeutsch usw. ▶ diasituativ: öffentliche (formelle) vs. private (informelle) Sprachverwendung Äußere Mehrsprachigkeit ist hingegen dann gegeben, wenn eine Person Fremd- oder Mischsprachen lernt (vgl. Roche 2013, 186). Ein Beispiel: Eine Person, die in Spanien aufwächst (hier also innere Mehrsprachigkeit ausgebildet hat), erwirbt die englische und die deutsche Standardsprache im Schulunterricht. 10.2.4 Formen mehrsprachigen Sprechens: Transferenzen und Code-Switching Sprachenmischungen oder Sprachenwechsel treten in unterschiedlichen Formen auf. Besondere Formen sind der Transfer und das Code-Switching. Immer wieder stellt man im Alltag fest, dass Elemente anderer Sprachen mehr oder weniger in die deutsche Sprache integriert werden, etwa wenn Einkaufshäuser mit „Sale“ werben oder im Lied „Denglisch“ (Wise-Guys; songtexte.com, 16. 03. 2017) bewusst mit der Integration einer anderen Sprache gearbeitet wird: Du versuchst mich upzudaten, doch mein Feedback turned dich ab. Du sagst, dass ich ein Wellness- Weekend dringend nötig hab. Du sagst, ich käm' mit good vibrations wieder in den Flow. Du sagst, ich brauche Energy. Und ich denk: „Das sagst du so…“ Upzudaten, Feedback, turned, Wellness-Weekend, good vibrations, Flow, Energy sind Elemente, die als Transfer aus dem Englischen ins Deutsche integriert worden sind. Auch englischsprachige Entlehnungen, die den Flexionsprinzipien des Deutschen folgen, sind zu finden: upzudaten (hier die deutsche Infinitivbildung mit zu). Transfererscheinungen können auch morphologisch-grammatische Strukturen umfassen, wie das Beispiel turned zeigt, welches das englische Flexiv- -ed trägt. Obgleich im Bereich des Wortschatzes einer Sprache am stärksten Entlehnungen auftauchen (vgl. McMahon 1994, 209), bleiben Transfers nicht auf die lexikalische Ebene einer Sprache beschränkt. Sie reichen von der Integration eines Wortes aus der Kontaktsprache bis hin zur Adaption von morphologisch-grammatischen Strukturen. In beiden Fällen, bei lexikalischen und grammatischen Transfers, liegt eine Integration in die jeweilige Matrixsprache vor, womit die dominierende Grundbzw. Hauptsprache bezeichnet wird. Also diejenige Sprache, in die transferiert wird. Code-Switching: Sprachenmischung und Sprachenwechsel in ein und derselben kommunikativen Interaktion. Auf eine weitere Ausdifferenzierung in Code-Mixing, Code-Shifting, Language- Mixing u. a. wird aus Platzgründen verzichtet. Vgl. ausführlicher z. B. Auer (1999). <?page no="238"?> 238 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Während beim Transfer die Matrixsprache gleichbleibt, ändert sich diese beim Code-Switching. In diesem Beitrag werden darunter verschiedene Sprachmischungs- und Sprachwechselphänomene subsumiert. Drei Beispiele (hier aus Clyne 1994 und Wildfeuer 2017) sollen den Facettenreichtum und die Mechanismen und Funktionen von Code-Switching illustrieren: ▶ I hon wölln sei candy hom, wos er hot ghot, you know. Yeah. ▶ If you would discuss anything about work at home, des war olles in bäihmisch. ▶ Es war Mr. Fred Burger, der wohnte da in Gnadenthal and he went out there one day and Mrs. Roehr said to him… Aus Befragungen von deutschböhmischen Sprecherinnen und Sprechern in den USA sind die ersten beiden Aussagen hervorgegangen, weshalb hier ein Wechsel zwischen einer bairischen Varietät und dem Englischen zu beobachten ist. Im ersten Beispiel beläuft sich das Code- Switching insbesondere auf diskursive Strategien: Der Diskursmarker you know dient der Gesprächssteuerung; durch das Yeah wird eine persönliche Einstellung bzw. Bewertung der Situation durch den Sprechenden deutlich. Im daran anschließenden Beispiel werden der deutsche Dialekt und das Englische von der befragten Person so kombiniert, dass die hypotaktische Satzstruktur unterstrichen wird: subordiniert (englisch)-- superordiniert (deutsch). Wie das dritte Beispiel vor Augen führt, kann Code-Switching etwa dann hervorgerufen werden, wenn Wörter in beiden Sprachen eine identische oder ähnliche Lautgestalt haben: Der Ortsname inkl. Präposition in Gnadenthal vermag damit ein Umschalten der Gewährsperson vom Deutschen ins Englische zu bewirken. Wörter, die ein solches Umschalten anregen, nennt man trigger words. Zur ausführlichen Beschäftigung von Code-Switching mit einer Vielzahl von Beispielen ist die Lektüre von Auer (1999) sowie Riehl (2014) empfohlen; eine Übersicht zur Funktionalität bietet Roche (2013, 184 ff). Eine ausführliche Erläuterung von Einzelfällen zeigt Wildfeuer (2017). Häufig werden Sprachwechsel- und Sprachmischungserscheinungen als defizitär betrachtet. Diese Annahme stimmt insofern, als seitens der Sprecherinnen und Sprecher mit dem Wechsel Lücken im Sprachsystem geschlossen werden können. Sie stimmt insofern aber nicht, als Code-Switching keinesfalls einem Beliebigkeitsprinzip folgt. Natürliche Sprachwechsel erfordern vertiefte Sprachkenntnisse des Sprechers in beiden / mehreren Sprachen. Sprachwissenschaftliche Analysen belegen, dass kompetentes Code-Switching an sogenannten Sollbruchstellen auftritt, demnach an sprachstrukturellen Stellen, welche einen reibungslosen Anschluss der einen an die andere Sprache ermöglichen und zu keinen „grammatikalischen Verstößen“ führen. Wie dieser Prozess abläuft, versucht z. B. Peterson (2015, 51 ff) durchsichtig zu machen: Man geht davon aus, dass es beim Sprechenden zu einer latenten Prüfung der ‚grammatikalischen Anschlussfähigkeit’ kommt, was einen mentalen Mehraufwand zur Folge hat. Mit Roche (2013, 182) ist festzuhalten: „‚Codeswitching’ bewegt sich damit zwischen Kompetenzerwerb, Kompetenzmanagement und Mängelverwaltung.“ <?page no="239"?> 239 10.2 Identität 10.2.5 Auswirkungen von Mehrsprachigkeit auf Sprecherinnen und Sprecher Der Einfluss von Mehrsprachigkeit auf Sprecherinnen und Sprecher wurde in den vergangenen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Diverse Standpunkte werden hierzu vertreten: Die Argumentationsbreite erstreckt sich vom Standpunkt der ‚Einsprachigkeitsidealisten’, die in der Mehrsprachigkeit eine negative Beeinflussung und in der Monolingualität den Idealzustand vermuten, hin zu Ansätzen, die in der Mehrsprachigkeit ein immens hohes Entwicklungspotential für die geistige Entwicklung erkennen (vgl. Lüdi 1996). Bisweilen hat die Mehrsprachigkeitsforschung eine Vielzahl positiver Effekte von Mehrsprachigkeit auf ihre Sprecherinnen und Sprecher verifizieren können, beispielsweise den Befund, dass Mehrsprachigkeit die Entwicklung des Sprachenzentrums begünstigt oder dass sich Mehrsprachigkeit positiv auf das Sprachenbewusstsein auswirken kann (vgl. hierzu vertieft Tracy 2007; Müller 2016, 45 ff; Müller et al. 2011, 22 f). Den gegenseitigen Einfluss von Erst- und Zweitsprache berücksichtigen auch Theorien bzw. Hypothesen zum Fremdsprachenerwerb. Laut der sogenannten Schwellenhypothese von Cummins (1982) hängt es von der Sprachkompetenz einer Sprecherin / eines Sprechers ab, ob sich positive oder negative Beeinflussungen auf die kognitive Entwicklung einstellen. Es werden drei Kompetenzen / Zustände von Mehrsprachigkeit unterschieden: ▶ niedrige Kompetenz in der Muttersprache und Zweit-/ Fremdsprache (Zustand der doppelten Halbsprachigkeit: Semilingualität); ▶ kompetenter Umgang in der Erstsprache und weniger kompetenter in der Zweit-/ Fremdsprache (Normalfall); ▶ eine ungefähr gleich ausgeprägte Kompetenz in beiden Sprachen (Zustand der ausgeglichenen (additiven) Zweisprachigkeit). Zwischen diesen drei Phasen gibt es Übergangsbereiche, die man Schwellen nennt. Erwerbsphase / Sprachkompetenz Einfluss auf kognitive Entwicklung (1) doppelte Semilingualität / Halbsprachigkeit negativ 1. Schwelle / Übergangsbereich (2) Normalfall keine 2. Schwelle / Übergangsbereich (3) ausgeglichene (additive) Zweisprachigkeit positiv Tab. 10.2: Übersicht zur Schwellenhypothese nach Cummins Wird die erste Schwelle nicht überschritten, kommt es der Theorie zufolge zu kognitivnegativen Auswirkungen. Ein Nulleffekt (es werden weder positive noch negative Effekte erwartet) resultiert aus dem Überschreiten der ersten Schwelle. Wird die zweite Schwelle überschritten, kann mit positiven Auswirkungen gerechnet werden. <?page no="240"?> 240 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Die Schwellenhypothese nach Cummins ist hier nur exemplarisch für eine ganze Reihe weiterer Fremd-/ Zweitspracherwerbstheorien aufgeführt. Hinterfragen Sie die skizzierte Schwellenhypothese hinsichtlich des positiven / negativen Wissenstransfers aus der Erstsprache: Erscheint Ihnen die beschriebene Wechselwirkung plausibel? Nehmen Sie außerdem einen kursorischen Einblick in die Zusammenstellung einiger Spracherwerbstheorien z. B. bei Roche (2008, 127 f) und stellen Sie Vergleiche an. 10.2.6 Varietäten und Sprachen als Teil unserer Identität - mehrsprachige Identitäten Bevor wir uns konkreteren Überlegungen für den schulischen Unterricht zuwenden, werden noch einmal zentrale Aussagen der bisherigen fachwissenschaftlichen Grundlagen zusammengestellt: Das Selbst(bild) eines Menschen und einer Gruppe wird mitunter durch die Sprache(n) konstituiert. Sprachliche Identität- - das individuelle Sprachrepertoire eines Menschen inkl. Spracheinstellungen in einem weiteren Sinne-- wird dialogisch ausgehandelt. Sprachliche Identitätsanbahnung findet damit in Kommunikationssituationen und einer unmittelbaren (wohl meist unbewusst durchgeführten) Reflexion von Gesprächen / Kommunikationen statt. Das wiederum kann dazu führen, dass genutzte Sprachstrukturen gefestigt und / oder aufgegeben werden-- damit ist die sprachliche Identität einer Person / einer Gruppe nicht als konstant aufzufassen, sondern unterliegt Veränderungen. Sprachen- oder Varietätenwahl kann direkter Ausdruck des situativen Selbstkonzepts sein oder zu Zwecken des bewussten Spiels damit eingesetzt werden (vgl. zum sprachlichen Identitätsspiel: Oppenrieder & Thurmair 2003, 53). Die allermeisten Menschen sind mehrsprachig, ihr Selbst(bild) ist durch innere und / oder äußere Mehrsprachigkeit geprägt. In welcher Sprache oder Varietät kommuniziert wird, ist situations- und personenabhängig. Die Sprachenwahl bzw. Varietätenwahl lässt mitunter einen Rückschluss auf die emotionale Haltung des Sprechenden zu. Je nach Sprache / Varietät divergiert der Grad an kommunikativer Nähe und Distanz. Für den deutschen Raum ist z. B. vielfach festzustellen, dass der Dialekt als nähesprachlich, die Standardlautung als distanzsprachlich aufgefasst wird. Der Erstsprache kommt eine besondere identitätsstiftende Funktion zu (vgl. dazu auch Krumm 2009, 239). In vereinzelten Fällen stehen Sprecherinnen und Sprecher ihrer Erstsprache aber auch gänzlich ablehnend gegenüber. Jede weitere Sprache, die eine Person während ihres Lebens erwirbt, gehört zum Sprachenrepertoire einer Person und spielt damit eine Rolle für die Anbahnung einer sprachlichen Identität. 10.3 Im Unterricht mit Mehrsprachigkeit umgehen und sprachliche Identität fördern Dass im Deutschunterricht ausschließlich Schülerinnen und Schüler sitzen, die Deutsch als Muttersprache erworben haben, stellt heutzutage nicht den Regelfall dar. Häufig steht die Lehrkraft deshalb vor der Herausforderung, Jugendliche mit deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache gleichzeitig zu unterrichten. Je nach Ausprägung des Deutsch als Zweit- <?page no="241"?> 241 10.3 Im Unterricht mit Mehrsprachigkeit umgehen und sprachliche Identität fördern sprache-Unterrichts (Gruppe von DaZ-Sprecherinnen und -Sprechern in einer Übergangsklasse oder integriert in die Regelklasse) ist durch die sprachliche Heterogenität der Schülerinnen und Schüler ein natürliches Umfeld für einen aktiven und reflexiven Umgang mit (innerer und äußerer) Mehrsprachigkeit gegeben. Dennoch halten viele Lehrerinnen und Lehrer an der Vorstellung der „einen“ richtigen hochdeutschen (Aus-)Sprache fest. Zum Hannover-Mythos und anderen Sprachmythen vgl. Anderwald (2012). Man gewinnt den Eindruck, das hoch in Hochdeutsch sei zu einer Projektionsfläche der Vorstellung einer höheren, wertvolleren Sprachform geworden. Dass jedoch auch in der Standardsprache Varianten auftreten können, wird vielfach außer Acht gelassen. Es gerät zunehmend in Vergessenheit, dass die sog. Hochlautung auf eine von Theodor Siebs ursprünglich für Schauspieler zusammengestellte Aussprachenorm zurückgeht und das Standarddeutsche keinen frühen Sprachstand konserviert, den es zu erhalten gilt. Oft entsteht der Eindruck, historische Standpunkte würden von den Lehrpersonen unhinterfragt weitertradiert. So ist das nachfolgende Zitat aus dem Jahr 1834 durchaus als Reaktion auf sprachliche Modeerscheinungen (wie die oben thematisierte ethnolektale Sprachform Kiezdeutsch) oder den Dialekt vorstellbar, wenn auch sprachlich an das 21. Jahrhundert angepasst: [Regionale Sprachverwendung sei, S. F.] ‚dem Verstand der Zeit längst zu enge geworden’-[…] und die ‚Volksmasse- […- sei] zu einem Zustand der Unmündigkeit, Rohheit und Ideallosigkeit [verurteilt], der vom Zustand der gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht’. Daher sei der Unterricht grundsätzlich nur in der Hochsprache abzuhalten (Wienbarg 1834, zitiert nach Krüger-Potratz 2011, 58). Durch einen solchen Standardidealismus wird den Schülerinnen und Schülern nicht nur die Vorstellung vermittelt, dass einige Sprachgebrauchsformen (Dialekte, Soziolekte etc.) defizitär oder gar dysfunktional seien, sondern es wird ihnen ein fälschliches Bild einer homogenen (standardsprachlichen) Sprachrealität vorgegaukelt. Praktische Reflexe hiervon zeigen sich im Unterricht dort, wo in umgangssprachlichen Texten ‚Fehler gesucht‘ oder Gründe gefunden werden, warum es bei Dialektsprechenden zu Verständigungsschwierigkeiten käme-- inklusive suggestiver Überlegungen zu Präventivmaßnahmen, z. B.: „Was muss die Person sagen, damit sie verstanden wird? “ Auch Studierende berichten in Seminaren nicht selten, dass sie aufgrund ihrer „unsauberen“ oder regional geprägten Aussprache ein schlechteres Ergebnis in mündlichen Schul-/ Universitätsprüfungen erhalten haben. Damit steht die prominent diskutierte Bemerkung einer Lehrerin im Zeugnis eines Grundschülers, welcher Probleme hätte, „sich verständlich auszudrücken, da er zu Hause nur bayerisch [sic! ] redet“ (Forster / merkur.de, 21. 08. 2009) exemplarisch für eine Vielzahl von Diskriminierungen aufgrund von Sprache. Andere Lehrkräfte etwa berichten mit Stolz, dass auf dem Pausenhof ihrer Schule trotz höherem Migrationsanteil nur Deutsch gesprochen wird. Dass solche widersinnigen sprachlichen Reinheits- <?page no="242"?> 242 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren gebote auch in einigen Schulordnungen verankert sind, beobachten Fürstenau & Gomolla (2011, 13). Sie bilanzieren angesichts ihrer Erfahrungen zurecht: Dass dies-- gerade in Anbetracht der allgemeinen positiven Wertschätzung von Mehrsprachigkeit-- eine beschämende und verunsichernde Erfahrung für die betroffenen Schülerinnen und Schüler und ihre Familien darstellt, ist offensichtlich. Mehrsprachigkeit ist für die Konstruktion von individueller und kollektiver Identität von entscheidender Bedeutung. Mit der Abwertung von unterschiedlichen Varietäten im Schulunterricht wird vehement auf die Anbahnung von Identitäten der Schülerinnen und Schüler Einfluss genommen. Durch die Einsprachigkeits-/ Standardsprachideologie leiden nicht selten die so wichtigen identitätsstiftenden bzw. nähesprachlichen Varietäten, womit die Sprecherinnen und Sprecher eine starke Stigmatisierung ihres sprachlichen Selbst erfahren. Dies kann sogar soweit führen, dass ursprüngliche Sprachstrukturen aufgegeben werden, etwa wenn der Ortsdialekt immer mehr durch eine Quasi-Hochlautung ersetzt werden soll oder wenn es bei einer Person, die nicht im deutschen Sprachraum sozialisiert wurde, zu einer funktionalen Differenzierung ihrer Sprachen kommt oder eine Minderheitensprache aufgrund von sprachpolitischen Gegebenheiten zunehmend aufgegeben wird. Entsprechend deutlich fällt auch das von Maitz (2015, 224) gezogene Fazit aus, der sich mit Sprachvariation, sprachlichen Ideologien und Schule beschäftigt hat: Gewiss darf in unserem Zusammenhang der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schule in Deutschland die Schüler auf ein Leben in einer stark normativen Sprachgemeinschaft-[…] vorbereiten muss. Dennoch sollte und dürfte die Schule kein Instrument zur Herstellung, Verfestigung und Legitimierung von sprachlicher Hegemonie und daraus resultierenden sprachsozialen Missständen werden. Stattdessen sollte sie durch die kritische Reflexion hegemonialer sozialer und sprachlicher Praktiken und der hinter ihnen stehenden sprachlichen Ideologien zu deren Überwindung beitragen-[…] Und nicht zuletzt kann nur durch diese kritische Reflexion von hegemonialen Ideologien und Praktiken verhindert werden, dass die Schüler die Schule mit sprachlichen Defizitgefühlen verlassen oder sich gar für ihre identitätsstiftenden, regional markierten Erstvarietäten schämen müssen. Für die Unterrichtspraxis reicht die kritische Reflexion allein nicht aus. Es bedarf daneben einer aktiven und sprachsensiblen Beschäftigung mit unterschiedlichen Varietäten und Sprachen-- und zwar dezidiert mit einem Ansatz, der innere und äußere Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern als positive Ressource und nicht als Bedrohung anerkennt! Fürstenau & Gomolla (2011, 35) verstehen Mehrsprachigkeit als Wert und nennen zentrale Pfeiler für einen wertvollen Umgang mit Mehrsprachigkeit im Schulsystem: erstens, jedem Sprachgebrauch einen Eigenwert zuzuerkennen; zweitens die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten bezogen auf soziale Gebrauchskontexte zu erweitern-[…] und schließlich alle Kinder unabhängig von ihren mitgebrachten Sprachen und Sprechweisen ‚in eine anders geartete Bildungssprache einzuführen’. <?page no="243"?> 243 10.4 Mehrsprachige Identitätsförderung im Deutsch- und DaZ-Unterricht Mit Wildemann (2013, 18) ist fortzuführen: Offensichtlich ist es mehr denn je erforderlich, dass im Deutschunterricht eine reflexive Auseinandersetzung mit Sprachen stattfindet, in der der eigene Sprachgebrauch nicht weiter ausgeklammert bleibt. Das gilt sowohl für verschiedene Herkunftssprachen als auch für Sprachvarietäten. Dass dies jedoch nicht bedeutet, den standardsprachlichen Kompetenzerwerb zu vernachlässigen, soll angesichts des stark verbreiteten Standardsprachidealismus nicht eigens ausgeführt werden. Betrachten Sie die unten abgedruckte Aufgabe „Warum hat der Bäcker keine Semmeln? “ aus einem zugelassenen Schulbuch für die Realschule. Überlegen Sie, warum die Aufgabenstellung (Nr. 1) ein weniger gutes Beispiel für den Umgang mit innerer Mehrsprachigkeit darstellt. Lesen Sie dazu Maitz & Foldenauer (2015, 223 ff). Abb. 10.4: Aufgabe aus Mit eigenen Worten 7 (2001, 57) 10.4 Mehrsprachige Identitätsförderung im Deutsch- und DaZ-Unterricht Die folgenden Überlegungen zur Integration von identitätsstiftender Mehrsprachigkeit in den schulischen Deutschunterricht sollen drei wesentliche Ebenen der Sprachdidaktik nach Bußmann (2008, 642) berücksichtigen: Ausbau von Sprachkompetenz, Sprachbeschreibung und Reflexion über Sprache. Der schulische Deutsch- und DaZ-Unterricht trägt als eine langjährige Konstante in den mehrsprachigen Biographien von Sprecherinnen und Sprechern zur Ausbildung einer sprachlichen Identität bei, indem z. B. ein strikter Normenidealismus und sprachliche Ideologien zugunsten einer aktiven Förderung der Registerkompetenz abgebaut werden. Das bedeutet aber nicht, dass nur „einheimische“ Sprecherinnen und Sprecher verschiedene Varietäten <?page no="244"?> 244 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren des Deutschen aktiv in den Unterricht einbringen dürfen. Mit Blick auf Migration sind auch die Sprachen / Varietäten der allochthonen (‚zugewanderten’) Sprecherinnen und Sprecher zu respektieren und als ein Kommunikationsmedium zu tolerieren: Für sie ist die identitätskonstituierende Nähevarietät nicht ein deutscher Dialekt oder eine andere Varietät, sondern deren sozialisierende Erstsprache. Mit ihren deutschen Freunden entwickeln Migrantinnen und Migranten deshalb häufig Versprachlichungsstrategien, wie sie z. B. für einen Sozio- oder Ethnolekt üblich sind (Beispiel: Kiezdeutsch); unter Gleichgesinnten bzw. in ihrer Familie sprechen sie meist ihre Erstsprache, die sie „mitgebracht haben“. Diese Sprachform begleitet sie von Geburt an und nimmt (wie bei einheimischen Sprecherinnen und Sprechern vielleicht der Dialekt) eine nicht unwesentliche Rolle ihrer Identität ein. Was ein Ausgrenzen der Muttersprache bei den DaZ-Lernerinnen und Lernern (wie auch parallel die Ausgrenzung der Varietät bei Dialektsprecherinnen und -sprechern) bedeuten kann, beobachtet Krumm (2009, 238): [S]ie sind häufig verbunden mit einer Bedrohung der bisherigen sprachlichen Identität, da die Sprachdominanz der Zweitsprache eine Dominanz auf Dauer ist und sie in die Familienstruktur eindringt-- die Zweitsprache wird Berufssprache, Behördensprache, Lernersprache der Kinder, Sprache von Partnerinnen und Partnern usw. Mit der Dominanz des Deutschen kann eine Bedrohung der bislang angebahnten sprachlichen Identität verbunden sein. Natürlich entscheiden Situation und Kommunikationspartnerinnen und -partner darüber, welche Varietät gewählt wird. Mit Blick auf die sprachliche Heterogenität im Deutsch- und DaZ-Unterricht bedeutet das dann aber gerade nicht, den Deutsch- und DaZ-Unterricht als einen ‚standarddeutschen Sprachtrainigsraum‘ zu verstehen, auch wenn die Kommunikation mit der Lehrkraft in erster Linie wohl in deutscher Standardsprache stattfindet; Schülerinnen und Schüler aus demselben Herkunftsland sollten z. B. die Möglichkeit erhalten, sich beim Bearbeiten von Aufgaben in ihrer Muttersprache bzw. in ihrer Varietät zu unterhalten. Innere und äußere Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler sollten dahingehend als Ressource angesehen und genutzt werden, um in einem natürlichen Umfeld eine Anbahnung von Register-/ Varietätenkompetenz zu trainieren. Registerbzw. Varietätenkompetenz wird verstanden als die Fähigkeit, Varietäten (und Sprachen) situationsadäquat einzusetzen und ihren „Sitz im Leben“ zu kennen. Dies umfasst auch Wissen darüber, welche Situation welche Varietät erwarten lässt. Eine aktive Einbindung von verschiedenen Formen der Mehrsprachigkeit ermöglicht eine Beschäftigung mit dem eigenen Selbstbild bzw. mit sprachlichen Rollenbildern, die in der Gesellschaft vorliegen oder die man aufgrund gesellschaftlicher Erwartungen zu erfüllen versucht. Um hier eine Sensibilisierung seitens der Schülerinnen und Schüler zu erreichen, reicht die bloße Anregung von verschiedenen Varietäten und Sprachen nicht aus; eine Reflexion zur Varietäten- und Sprachverwendung scheint ebenso erforderlich. Ein erster Zugang kann über sog. Sprachbiographien geschehen (vgl. Krumm & Jenkins 2001): Schülerinnen und Schüler sammeln ihre „sprachlichen Ressourcen, Ausdrucksformen und Kommunikationsmöglichkeiten-[…], die in ihrem Leben eine Rolle spielen“ (Busch 2017, <?page no="245"?> 245 10.4 Mehrsprachige Identitätsförderung im Deutsch- und DaZ-Unterricht 38). Mit farbigen Stiften tragen die Schülerinnen und Schüler ihre Sprachen / Varietäten dann in eine Silhouette ein und erläutern ihr Werk durch eine Legende (vgl. Abb. 10.5). Bei älteren Schülerinnen und Schülern kann ein erster Zugang auch über Emojis angeregt werden: Nach der Sammlung von Sprachressourcen sollen den Varietäten / Sprachen ein oder mehrere Emojis zugeordnet werden. Anschließend soll ein Gespräch folgen, um die Auswahl / Gestaltung zu verbalisieren. Sprachbiografische Zugänge können Ausgangspunkte zur Reflexion über die eigene und fremde Sprachidentität(en) bilden- - die sprachliche Heterogenität der Schülerinnen und Schüler könnte z. B. in Form von im Klassenzimmer ausgehängten Sprachbiographien, die zusammen eine Art ‚bunten Sprachenteppich’ weben, ein Symbol finden. Ausgehend von den unterschiedlichen individuellen Sprachbiographien sind vertiefende Gespräche zu führen, betreffend ▶ die Verwendung von Varietäten / Sprachen, z. B. „Wann nutzt Du welche Sprache / Varietät (nicht)? Warum? “ ▶ das Prestige und Stigma von Varietäten / Sprachen, z. B. „Warum werden manche Dialekte / Sprachen bevorzugt gesprochen? Was macht diese Sprachen reizvoll? “ ▶ die eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund von / durch Sprache oder über Emotionen beim Sprechen, z. B. „Wie fühlst Du Dich, wenn Du diese / jene Varietät / Sprache sprichst? “ usw. Auseinandersetzungen wie diese sind notwendig, um den eigenen und fremden Blick auf die Wirkmächtigkeit von Sprache zu lenken, diesen Blick zu weiten und zu schärfen. Hierbei ist darauf zu achten, dass nicht nur die eigene Perspektive eingenommen wird, sondern die Konzepte anderer Schülerinnen und Schüler als Anregung zum Nachdenken aufgefasst werden. Die Erarbeitung der eigenen Sprachbiographien bietet auch eine Grundlage zur sprachsensiblen Planung des Deutsch- und DaZ-Unterrichts (z. B. Leisen 2013). <?page no="246"?> 246 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren Abb. 10.5: Vorlage für ein Sprachenportrait (vgl. Busch 2017, 37) Die bestehende Mehrsprachigkeitssituation im Klassenzimmer eignet sich als Ausgangspunkt, sich über den Aufbau von Sprachen / Varietäten auszutauschen. Hat man beispielsweise Sprecherinnen und Sprecher einer afrikanischen oder ostasiatischen Sprache in der Klasse, ist ein Einblick in den Bau von Tonsprachen naheliegend. In sog. Tonsprachen können sich Bedeutungen durch den jeweiligen Sprachton (Hoch-, Mittel-, Tieflage) unterscheiden. Z. B. kann das mandarin-chinesische Lexem ma je nach Tonhöhe entweder ‘Mutter’, ‘Hanf’, ‘Pferd’ oder ‘schimpfen’ bedeuten. Umgekehrt strahlen lautliche und lexikalische Phänomene aus den Dialekten eine gewisse Faszination auf DaZ-Lernerinnen und -Lerner aus. Erfahrungen mit anderen Sprachsystemen sind für Schülerinnen und Schüler meist spannend und interessant, da sie verstehen lernen, dass Sprachen ganz unterschiedlichen Bauprinzipien und Regeln folgen. Durch die Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler können die Sprachen anhand verschiedener Kriterien verglichen werden (z. B. Anzahl der Kasus, synthetische vs. analytische Formenbildung, Einfluss des Stimmtons usw.). Die Schülerinnen und Schüler kommen so nicht nur mit anderen Sprachen in Berührung, sondern lernen auch deren Aufbau kennen. <?page no="247"?> 247 10.5 Praxisideen für den Deutschunterricht, den DaZ- und den DaF-Unterricht Daneben erfahren die Schülerinnen und Schüler durch die Beschäftigung mit verschiedenen Sprachen aus einer neutralen Haltung heraus eine große Stärkung hinsichtlich ihrer Sprache/ ihrer Identität- - nicht zuletzt deshalb, weil die Schülerinnen und Schüler für eine Varietät / Sprache einen gewissen Expertenstatus einnehmen können; auf diese Art und Weise lassen sich wiederum Vorurteile bzgl. der sprachlichen Kompetenz einer Person abbauen, was die Zweit-/ Fremdsprache angeht. Das dadurch entstehende Experten-Novizen-Verhältnis kehrt sich natürlicherweise wieder um, wenn die Schülerinnen und Schüler die jeweils „andere Sichtweise“ einnehmen: D. h., eine Person, die Expertin im Mandarin-Chinesisch ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dieselbe Expertise im Bereich deutscher Varietäten aufweisen und anders herum. Damit ermöglicht ein solches gegenseitiges Lernen, dass DaZ- Sprecherinnen und -Sprecher den Deutsch- und DaZ-Unterricht um ihre muttersprachliche Kompetenz bereichern. Einen Einblick in den Bau der Sprache kann auch in Verbindung mit der Beschäftigung von Gesprächskulturen geschehen (vgl. sprachliche Grade der Höflichkeit oder Gesten zur Begrüßung) und eine Anregung zum interkulturellen Dialog darstellen. 10.5 Praxisideen für den Deutschunterricht, den DaZ- und den DaF-Unterricht Die beschriebenen Unterrichtsideen sollen Anregung zur Generierung von Umsetzungsmöglichkeiten der oben formulierten Überlegungen sein. Einzelkonzeptionen können zu größeren Einheiten zusammengestellt werden; alle aufgeführten Umsetzungsmöglichkeiten sollten in ihrer Komplexität stets an die entsprechende Schülerschaft angepasst werden. 10.5.1 Sprachverwendungstagebuch und ‚anonyme Lesung‘ Die Schülerinnen und Schüler sammeln Varietäten / Sprachen, die sie sprechen können, z. B. mit Hilfe des Sprachenmännchens (individuelles Sprachrepertoire zusammenstellen). Anschließend beobachten sie über einen Zeitraum von einer Woche ihre eigene Sprach-/ Varietätenverwendung in Form eines Tagebuchs. Die Schülerinnen und Schüler erhalten einen Leitfaden, der ihnen Fragen zur individuellen Sprachverwendung an die Hand gibt. Solche Fragen könnten z. B. sein: Welche Sprache sprichst Du, wenn Du mit Deinen Geschwistern / Eltern / Großeltern sprichst? Sprichst Du mit Deinen Freunden genauso? Wie sprichst Du in der Schule? Stellst Du Unterschiede fest? In welcher Sprache träumst Du? Erinnerst Du Dich an ein Erlebnis, bei dem Du wegen Deiner Sprache Nachteile / Vorteile hattest? Notiere Situationen, in denen Du feststellst, dass Du andere Sprachen nutzt. Im Anschluss an die begleitende Dokumentation können die Schülerinnen und Schüler im Unterricht ihre zu Beginn angefertigte Sprachenübersicht aufgrund ihrer Beobachtungen und Aufzeichnungen ergänzen und einen anonymisierten Text aus der Ich-Perspektive schreiben. Der Text könnte z. B. folgenden Aufbau zeigen: <?page no="248"?> 248 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren ▶ Setting: Detaillierte Beschreibung einer notierten Situation aus dem Tagebuch, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist (anonymisiert). ▶ Standardisierte Überleitung: In der letzten Woche habe ich mich mit meiner Mehrsprachigkeit beschäftigt und darüber nachgedacht, was es für mich bedeutet, mehrsprachig zu sein. ▶ Reflexion: Und so habe ich mich dabei gefühlt / meine Erkenntnis / mein Ergebnis o. Ä. Z. B.: Es war am Dienstag, als ich mit meiner Familie beim Abendessen war. Es gab frisches Brot und verschiedene Aufstriche. Zuerst habe ich gar nicht an mein Tagebuch gedacht und war froh, nicht Hausaufgaben machen zu müssen. Doch dann ist mir aufgefallen, dass ich mit meiner Mama zuerst Deutsch und dann plötzlich Türkisch gesprochen habe. In der letzten Woche habe ich mich mit meiner Mehrsprachigkeit beschäftigt. Jetzt denke ich darüber nach, was es für mich bedeutet, mehrsprachig zu sein-… Diese Texte können in Form einer Lesung gehört werden. Es empfiehlt sich, dass die Lehrperson, die alle Texte zunächst einsammelt, dann einen Text per Zufall auswählt. Die Lehrperson sollte als Vorleserin oder Vorleser agieren, damit eine distanzierte Wahrnehmung des Textes möglich ist. Nachdem der Text vorgelesen ist, können die Schülerinnen und Schüler Fragen an den Text stellen und gemeinsam mit dem Plenum nach Antworten suchen: Hierbei kann sich, muss aber nicht, die Autorin / der Autor des Textes zu Wort melden. Eine solche Form der Beschäftigung schafft Angebote für Imagination und Perspektivenwechsel und trägt dazu bei, dass die Sprachbiographie aus einer staunend-fragenden Grundhaltung wahrgenommen und ein vorzeitiges „Verurteilen“ der sprachlichen Individualität vermieden wird. 10.5.2 Umschreibeaufgabe mit Authentizitätsprobe Jede Schülerin bzw. jeder Schüler wählt aus einem von der Lehrkraft bzw. von den Schülern und Schülerinnen und der Lehrkraft gemeinsam zusammengestellten Korpus einen Text ihrer / seiner Wahl aus (z. B. Gedicht, Fabel, Zeitungsartikel, Dramenausschnitt, Liedtext) und formuliert diesen Text für andere Kontexte authentisch um (z. B. für eine Besprechung am Frühstückstisch / beim Abendessen oder für die Berichterstattung unter Freundinnen und Freunden der Familie usw.). Bei der Textauswahl sollten auch fremdsprachliche Texte als Optionen bereitgestellt werden und / oder akzeptiert werden, dass Personen Texte in ihre Erstsprache übertragen (Ziel ist ein hoher Grad an Authentizität). Die Aufgabe sollte mit der grundsätzlichen Frage nach der Wahl des Mediums beginnen-- schriftlich oder mündlich? -- und ist dem Schreibenden ebenso freigestellt wie die Textsorte (Brief, Bericht, Rap o. Ä.); gerade die Formfreiheit kann in einem zweiten Schritt zur Sprachbetrachtung genutzt werden (unterschiedliche Textsortenmerkmale, Verschriftlichungsstrategien usw.). Ziel dieser Aufgabe ist es nicht, Syntaxprobleme und Rechtschreibschwächen zu thematisieren, sondern unterschiedliche Varietäten einer Sprache kennenzulernen / zusammenzustellen und eine „Realprobe / Authentizitätsprobe“ durchzuführen. Entscheidet sich eine Person z. B. für eine Sprachnachricht an die Peergroup, so kann diese der Klassengemeinschaft <?page no="249"?> 249 10.5 Praxisideen für den Deutschunterricht, den DaZ- und den DaF-Unterricht vorgespielt werden. Anschließend kann nach Authentizität gefragt werden: „Würdest Du das wirklich so sagen? Ist das authentisch? Warum (nicht)? “ Neben solchen mündlichen Kommunikationsformen wären auch schriftliche zu berücksichtigen, auch solche, die eher konzeptionell mündlich sind wie WhatsApp-Chat, Facebook usw. Interessant wäre es zudem, die Grenzen von Sprachverwendung auszuloten, indem man z. B. Mundartgedichte oder -lieder in die Standardsprache (oder umgekehrt) umformulieren lässt und Veränderungen erkennt sowie beschreibt. Die Textsorte der Vorlage kann auch beibehalten werden. Das Nebeneinander der Texte kann hilfreich sein, um wertungsfrei Charakteristika bestimmter Kommunikationsformen kennenzulernen. Neben der freien Varietäten- und Sprachenwahl wird über das Authentizitätskriterium auch die Frage nach der Angemessenheit von unterschiedlichen Varietäten / Sprachen in unterschiedlichen Situationen aufkommen sowie ein ästhetischer Rahmen erzeugt. 10.5.3 Mehrsprachigkeitsteppich weben Die Schülerinnen und Schüler sind angeregt, zu Bildimpulsen (Fotos, z. B. Bild für ein Werkzeug, für ein Lebensmittel oder eine Uhrzeit) die lexikalische Bezeichnung, welche sie im privaten Kontext für diesen Gegenstand / Zeitangabe verwenden, auf ein Blatt zu schreiben. Neben den Einzelwörtern ist diese Übung auch mit gängigen Redewendungen denkbar. Eine freie Wand im Klassenzimmer kann zur Sammlung und Ordnung der möglichen (dialektalen, regionalen, standardsprachlichen) Varianten dienen- - und webt so einen bunten Mehrsprachigkeitsteppich. Je nach Klassenzusammensetzung muss die Sammlung nicht auf innere Mehrsprachigkeit beschränkt bleiben (z. B. Dialekt, Soziolekt, Standardsprache), sondern kann-- im Sinne einer äußeren Mehrsprachigkeit-- um Wörter / Phrasen aus anderen Sprachen ergänzt werden. Die gemeinsam gestaltete Wand an sich wird zum Ausdruck der sprachlichen Heterogenität der Klassengemeinschaft einerseits und der persönlichen Vielfalt andererseits (Handschriften / Varianten). Sich an die Sammlung anschließende Gespräche können gezielt dazu führen, über die Anordnung der Wörter (untereinander, nebeneinander usw.) nachzudenken. 10.5.4 Positionierung im Raum mit Kurzreflexionsphasen Eine Möglichkeit der Beschäftigung mit der individuellen Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler bietet die Positionierung der Schülerinnen und Schüler im Raum: Wände des Klassenzimmers werden als Punkte auf einem Kontinuum markiert, die z. B. mit „dialektal, umgangssprachlich, standardsprachlich“ beschriftet sind. Die Ergebnisse einer Wort- und Phrasensammlung (s. o.) werden nicht an der Wand ausgestellt, sondern von der Lehrkraft eingesammelt und vermischt. Per Zufall zieht die Lehrperson nun eine Variante, die sie den Schülerinnen und Schülern durch Hochhalten zeigt. Anschließend positionieren sich die Schülerinnen und Schüler zur gezeigten Variante. Nach der Positionierung bringt die Lehrkraft die Position einzelner Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer zur Sprache, indem sie nach deren Entscheidung für die Positionierung fragt und so einen Zugang schafft, über <?page no="250"?> 250 10 Mehrsprachigkeit fördern und sprachliche Identität konstruieren mögliche Begründungsmuster und auch über Stereotype (z. B. der Dialekt sei keine Sprache) ins Gespräch zu kommen. Auch nonverbale Signale (wie verschränkte Arme) können Anknüpfungspunkt für Reflexionsgespräche sein. Spannend, zum Nachdenken anregend und eventuell eine neue Position in die Reflexion einbringend, kann die Sicht der (DaF-/ )DaZ- Lerner sein. Zudem können von den (DaF-/ )DaZ-Lernern formulierte Varianten aus ihren Muttersprachen zu einer Bewusstseinsschärfung beitragen-- im Sinne von: Auch in anderen Sprachen gibt es Varianten / Variation, Umgangssprache und Dialekt. Alle vorgestellten Ideen können individuell ausgebaut und mit unterschiedlicher Akzentsetzung durchgeführt werden. Bedenken Sie schließlich außerdem: Mehrsprachigkeit darf und soll unterhaltsam sein. Diese hier angeregte, explizite und aktive Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit wird eine vertrauensvolle Basis schaffen, die sie zulässt und als Normalität begreift. Neben einer solchen expliziten Berücksichtigung von äußerer / innerer Mehrsprachigkeit sollte eine implizite angestrebt werden; weil man als Lehrkraft wohl im seltensten Fall entsprechendes Fachwissen in allen Muttersprachen der DaZ-Lerner/ -innen hat, kann ein erster Schritt im Umgang mit DaZ-Lernern sein, dass man Namen der Schülerinnen und Schüler richtig ausspricht. Ebenso wäre es wünschenswert, dass man mehrsprachiges Unterrichtsmaterial bereitstellt (z. B. (Hör-)Bücher von Edition Orient) bzw. dies mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. <?page no="251"?> 251 10.5 Praxisideen für den Deutschunterricht, den DaZ- und den DaF-Unterricht 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen Christina Knott Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie, … ▶ was empirische Forschung ist. ▶ was man unter empirischen Forschungsmethoden versteht. ▶ wie man eine empirische Studie plant, durchführt und auswertet. ▶ wie sich quantitative von qualitativen Methoden unterscheiden. ▶ wie man eine Untersuchung „präsentiert“. In einer Wissensgesellschaft, deren Alltag von demographischem Wandel und Globalisierung geprägt ist und die nach Nachhaltigkeit und Bildungsgerechtigkeit strebt, muss sich auch Schulunterricht die Frage nach seiner Wirksamkeit für alle Schülerinnen und Schüler gefallen lassen. Eine sprachlich stetig heterogener werdende Schülerschaft (vgl. Stanat et al. 2017, 21) stellt das Bildungssystem vor neue Herausforderungen. Viele traditionelle Lehransätze müssen daher diesbezüglich hinterfragt und überprüft werden. Wie Schülerinnen und Schüler gezielt und nachhaltig gefördert werden können, ist ein Gegenstand der empirischen Bildungsforschung. Sie beschäftigt sich mit Voraussetzungen, Zielen, Ergebnissen und Prozessen von Bildung im schulischen und gesellschaftlichen Kontext. Dabei treten vor allem die Fragen auf, wie sich Lernprozesse beim Erwerb von Kompetenz beschreiben und analysieren lassen, welche Effekte (kognitiv aktivierende) Lernumgebungen haben und unter welchen Bedingungen bestimmte Arrangements einen Einfluss auf den Lernerfolg haben (vgl. Gräsel & Gniewosz 2015, 22). Vermehrt werden dabei auch Unterschiede zwischen Kindern mit deutscher bzw. nichtdeutscher Familiensprache in den Blick genommen (vgl. z. B. Marx 2017, 140). Empirisch (griechisch: empeiria = „Erfahrung“ „Erfahrungswissen“) bedeutet zunächst nichts anderes als eine methodisch-systematische Sammlung von Daten, um neue Annahmen (Hypthosen) zu bilden bzw. Annahmen zu prüfen, die man auf Basis einer Theorie gewonnen hat (vgl. Pospeschill 2013, 17). Die empirische Bildungsforschung untersucht Hypothesen bezüglich der Bildungsrealität in einer Gesellschaft. Hauptfragestellungen sind dabei, wie Bildungsprozesse verlaufen, von welchen Faktoren Kompetenzerwerb abhängt, wer welche Qualifikationen erwirbt und welche Auswirkungen diese haben (vgl. Gräsel 2015, 15 f). Die empirische Sprachdidaktik kann als Teil der empirischen Bildungsforschung gesehen werden, geht aber auch darüber hinaus, z. B. bei vornehmlich sprachstatistischen Analysen zur Bildung linguistischer Theorien. Sie erforscht die traditionellen Gegenstandsfelder der Sprachdidaktik, die Sie auch in diesem Buch finden, in Hinblick auf die Wirklichkeit des sprachlichen Lehrens und Lernens. Sprachdidaktische Theoriebildung und Empirie stehen <?page no="252"?> 252 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen in einem engen Wechselverhältnis: Nur durch die empirische Forschung können theoretischkonzeptionelle Entwürfe evidenzbasiert begründet und auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Umgekehrt ist jede empirische Untersuchung auf die sorgfältige theoretische Modellierung ihrer Gegenstände und eine wissenschaftliche Methodik angewiesen. Beispielsweise wäre eine Erhebung der Schreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern anhand von Texten gegenstandlos, wenn man keine Vorstellung von dem Konstrukt „Schreibkompetenz“ hat (vgl. Kapitel 08). Die Texte könnten nicht zielführend ausgewertet werden. Die zunehmende empirische Fundierung der germanistischen Sprachdidaktik ist das Ergebnis einer noch jungen Entwicklung. Zwar macht sich schon in den 1980er- und 1990er- Jahren eine wachsende Zahl empirischer Untersuchungen bemerkbar, aber erst der PISA- Schock der Jahrtausendwende führte endgültig zu einer empirischen Wende in der gesamten Deutschdidaktik (vgl. Budde et al. 2012, 14). Die empirische Sprachdidaktik versucht, die vorherrschenden theoretischen Modelle des Faches mit empirischen Ergebnissen in Beziehung zu setzen, diese zu hinterfragen und zu objektivieren bzw. konkretisieren (vgl. Messelken 1971, 10; Hussy 2013, 3), um Entwicklungen oder Zustände zu beschreiben, zu erklären oder vorherzusagen. Bereits während des Studiums sollten sich angehende Lehrkräfte nach Beschluss der Kultusministerkonferenz 2004 mit der Frage nach der Effektivität ihres Unterrichts auseinandersetzen. Sie sollen in kleineren eigenen Projekten forschen, um einen unmittelbaren Anwendungsbezug fachlichen und fachdidaktischen Wissens zu schaffen (vgl. Rothstein 2014, 111). Trotz wachsender Bedeutung spielen die dazu notwendigen Kenntnisse über Strukturen und Methoden der empirischen Bildungsforschung in den Lehramtsstudiengängen bislang eine untergeordnete Rolle. Falls überhaupt werden sie knapp im Rahmen großer Schulleistungsstudien wie beispielsweise PISA , DESI oder IGLU thematisiert. Wie bzw. wo fängt man also an? Im Rahmen der IGLU -Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung = PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study)) werden im Abstand von 5 Jahren Grundschulkinder am Ende der vierten Jahrgangsstufe in über 50 Ländern zu ihrem Leseverständnis, zur ihrer Motivation und zu ihrem Leseverhalten untersucht (vgl. Hußmann et al. 2017). In der PISA -Studie (Programm for International Student Assessment) werden von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) im Abstand von drei Jahren regelmäßig Lesekompetenz, mathematische sowie naturwissenschaftliche Fähigkeiten sowie sozioökonomische Daten, Fragen nach Motivation und Lernverhalten von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern am Ende der Pflichtschulzeit in über 70 Ländern erhoben (Reiss et al. 2016). Die Studie DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) erfasst Daten zu sprachlichen Leistungen in Deutsch und Englisch von Schülerinnen und Schülern der 9. Jahrgangsstufe in Deutschland im Schuljahr 2004 / 05 (vgl. DESI -Konsortium 2008). <?page no="253"?> 253 11.1 Von der Forschungsidee zur empirischen Studie 11.1 Von der Forschungsidee zur empirischen Studie Ausgangspunkt einer empirischen Untersuchung (Studie) ist eine bestimmte Problemstellung (Forschungsidee), die ein Erkenntnisinteresse (Fragestellung) der empirischen Sprachdidaktik adressiert. Hieraus lässt sich ein Forschungsthema ableiten. Da im schulischen Kontext jede Studie auch eine Unterbrechung des regulären Unterrichts mit sich bringt, sollten es neue und relevante Fragestellungen sein. Forscher und Forscherinnen müssen daher als erstes den Forschungsdiskurs wahrnehmen: Sie müssen u. a. überprüfen, welche Modelle bzw. Theorien existieren, welche relevanten (empirischen) Ergebnisse diesbezüglich bereits vorliegen und ob die Frage nicht schon beantwortet wurde. Sprich, welche Bedeutung die Studie für den Forschungsdiskurs haben kann (Döring & Bortz 2016, 22 f). Besteht tatsächlich eine Forschungslücke, kann unter Einbezug der Rechercheergebnisse die Fragestellung konkretisiert werden. Dieser letzte Schritt ist keineswegs trivial und sollte nicht unterschätzt werden: Nach ihm richtet sich die Auswahl der Forschungsmethode, die schließlich Planung, Durchführung und Auswertung der Studie prägt (vgl. Krauss et al. 2015, 620). Abb. 11.1: Überblick über die Vorbereitung einer empirischen Studie In der empirischen Sozialforschung lässt sich zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung unterscheiden (vgl. Döring & Bortz 2016, 14). Während die Grundlagenforschung ein Elementarwissen für weitergehende Forschung schafft, bedient sich die Anwendungsforschung dieser Erkenntnisse, um sie praktisch anzuwenden. „So greift die praxisorientierte Anwendungsforschung regelmäßig auf Theorien und Methoden zurück, die in der Grundlagenforschung entwickelt wurden und wäre somit ohne diese gar nicht möglich“ (Döring & Bortz 2016, 18). <?page no="254"?> 254 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen 11.2 Planungsphase In der Regel erwächst das eigene Erkenntnisinteresse erst aus der Beschäftigung mit dem Forschungsdiskurs, wenn z. B. Lücken (Desiderate) im Forschungsstand festgestellt werden. Das Interesse kann dabei persönlicher, theoretischer bzw. methodischer Natur sein oder der wissenschaftlichen bzw. praktischen Relevanz des Untersuchungsgegenstandes geschuldet sein. Häufig wird dies auch im Rahmen einer Qualifikationsarbeit wie Bachelor-, Zulassungsarbeit oder Dissertation geschehen (vgl. Döring & Bortz 2016, 149 ff). Eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweils relevanten Forschungsstand ist in allen Fällen essenziell, denn erst nach dieser inhaltlichen Vertiefung kann eine vage Forschungsidee zur detaillierten und überprüfbaren Forschungsfrage bzw. Hypothese konkretisiert werden (vgl. Döring & Bortz 2016, 22 f). Dokumentieren Sie von Anfang an, auf welche Quellen sich Ihre Hypothesen stützen. Spätestens bei der Diskussion der Ergebnisse und der Publikation benötigen Sie diese Informationen. Für die theoretische Fundierung Ihrer Forschungsarbeit sollten Sie die folgenden Fragen beantworten (vgl. Döring & Bortz 2016, 163): ▶ Wie hat sich die Forschung zum Thema in den letzten Jahren entwickelt? ▶ Welche zentralen Forschungslinien/ -schulen und Befunde finden sich zu meinem Thema? ▶ Welche Anwendungsfelder hat die Forschung zu diesem Themengebiet? ▶ Wie kann der Forschungsgegenstand insgesamt beurteilt werden? ▶ Wie kann ich meine eigene Studie in den Forschungsstand einordnen? Dies soll im Folgenden an dem Forschungsthema „effektives Schreibtraining“ gezeigt werden, d. h. an einem Gegenstand aus dem Bereich „Texte verfassen“. 11.2.1 Wie formuliert man die Forschungsfrage bzw. Hypothese? Ein typischer Fehler ist es, Forschungsfragen (research questions) zu allgemein oder zu offen zu verfassen (vgl. Hauser & Humpert 2009, 14; Field 2014, 4 f), d. h. es werden beispielsweise eher überdachende Konstrukte (z. B. „Schreibkompetenz“) adressiert, keine konkreten Gegenstände (z. B. „Beschreibung der Eigenschaften einer Figur“ in einer Erzählung, vgl. Schilcher et al. 2019, 24). In diesem Fall sind die Forschungsfragen nicht sinnvoll zu beantworten. Forschungsfragen werden anstelle von Hypothesen formuliert, wenn noch wenig Forschung zu einem Thema existiert und daher keine spezifischen Ergebniserwartungen vorliegen. Die Frageform fordert dazu auf, Regelhaftigkeiten und Beschaffenheiten im Sachverhalt neu zu erfassen bzw. zu beschreiben. Die Beantwortung der Fragen trägt somit zur Ausdifferenzierung des Gegenstandsbereichs und zur Erstellung neuer Theorien bei (vgl. Döring & Bortz 2016, 145 f sowie 149). In der Regel werden Forschungsfragen als W-Fragen formuliert. <?page no="255"?> 255 11.2 Planungsphase Untersuchen Sie verschiedene Forschungsfragen, z. B. in Steinig & Huneke (2015, 274 ff), und erstellen Sie ein Schema, wie diese formuliert sind. Formulieren Sie eine eigene, konkrete Forschungsfrage. Forschungshypothesen (research hypotheses) hingegen werden aus dem Forschungsstand (Theorien, Modelle, Studien etc.) abgeleitet (vgl. Häder 2015, 33 f; Meindl 2011, 22 f). Anders als Forschungsfragen beruhen sie also nicht auf unbestätigten bzw. ungerichteten Vermutungen, sondern basieren auf schon gesichertem und begründetem Vorwissen. Sie sind deshalb i. d. R. als Aussagen formuliert, beispielsweise „Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache beschreiben im Deutschen Figuren mit weniger Eigenschaften als ihre gleichaltrigen Mitschülerinnen und Mitschüler.“ (zur Problematik „nicht-deutsche Familiensprache“ vgl. Marx 2017, 146 f). Sie können einen spezifischen Sachverhalt oder einen Zusammenhang zwischen mindestens zwei Merkmalen betreffen (vgl. Häder 2015, 33), d. h.,-… ▶ ob Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen (z. B. deutsche / nichtdeutsche Familiensprache) oder Messzeitpunkten (z. B. vor und nach dem Schreibtraining) als nicht zufällig angesehen werden können (=Unterschiedshypothese) oder ▶ ob es einen statistischen Zusammenhang zwischen Merkmalsausprägungen zweier Variablen (Deutschnote und Elaboration der Figureneigenschaften in einer Erzählung) gibt (Zusammenhangshypothese; vgl. Döring & Bortz 2016, 146 ff; Hussy 2013, 32 ff; Krauss et al. 2015, 615 f). Als Gütekriterien einer Hypothese gelten eine präzise und widerspruchsfreie Formulierung, ihre grundsätzliche Widerlegbarkeit (Falsifizierbarkeit) sowie ihre Begründbarkeit, Erfassbzw. Messbarkeit (Operationalisierbarkeit). Die Hypothesenprüfung im Rahmen einer Studie hat damit Auswirkung auf bestehende Theorien: Sie können dadurch weiterentwickelt bzw. verworfen werden (vgl. Döring & Bortz 2016, 145 f; Hussy 2013, 31 ff; Pospeschill 2013, 19 ff). Hypothesen werden häufig als Wenn-dann-Aussagen formuliert, z. B. „Wenn Schülerinnen und Schüler eine nichtdeutsche Familiensprache haben, dann- …“ (vgl. Eid et al. 2015, 81 f). Erfüllt eine Hypothese die zuvor angesprochenen Gütekriterien, erleichtert dies nicht nur die Einordnung der Ergebnisse in den Forschungsdiskurs, sondern vereinfacht auch die Wahl der konkreten Forschungsmethode, des Forschungsdesigns und der Testinstrumente (vgl. Krauss et al. 2015, 620). Eine erneute Sichtung des Forschungsstandes in Hinblick auf die nun konkretisierten Hypothesen ist in der Regel sinnvoll (vgl. Peters & Dörfler 2014, 53). Formulieren Sie zu Ihrer Forschungsfrage eine Hypothese. Recherchieren Sie dazu ggf. nochmals den Forschungsstand. Wenn… , dann… Tab. 11.1: Schema einer (gerichteten) Hypothese <?page no="256"?> 256 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen 11.2.2 Welche methodischen Überlegungen müssen angestellt werden? Sind Fragestellungen bzw. Forschungshypothesen theoretisch abgesichert und spezifiziert, folgt der nächste Schritt: die methodische Planung der Studie. 11.2.2.1 Wie wählt man den passenden Forschungsansatz? Für welchen der drei etablierten Forschungsansätze (qualitativ, quantitativ, mixed-methods) Sie sich für Ihre Studie entscheiden, ist weniger eine persönliche Präferenz, sondern richtet sich vielmehr nach Ihrer Forschungsfrage bzw. Forschungshypothese. Die Entscheidung beeinflusst also die Aussagekraft Ihrer wissenschaftlichen Befunde (vgl. Döring & Bortz 2016, 182). Ziel der qualitativen Forschung ist eine so umfangreiche Gegenstandsbeschreibung, dass sie die Theoriebildung zulässt. Sie untersucht daher in der Regel sehr detailliert offene Forschungsfragen an meist wenigen Versuchspersonen (vgl. Reinders & Ditton 2015, 54): beispielsweise zielt „Welche Aspekte der Figur beschreiben Kinder in narrativen Texten von der 2. bis zur 4. Jahrgangsstufe? “ auf ein spezifisches Entwicklungsmodell für das Erzählen. Wie das Beispiel zeigt, sind qualitative Daten vielfältig und beinhalten jegliche Form menschlicher Kommunikation (schriftlich, auditiv, visuell), menschlichen Verhaltens und Artefakte (vgl. Gibbs 2007, 2). Liegen vor allem qualitative bzw. nichtnumerische Daten (z. B. Texte, Bilder, Videos) vor und ist die Methode der Datenerhebung unstrukturiert (z. B. teilnehmende Feldbeobachtung, narratives Interview), bietet sich also der qualitative Ansatz an (vgl. Döring & Bortz 2016, 16). Besonderes Augenmerk sollte bei qualitativen Untersuchungen auf die Qualität der Daten gelegt werden: Die Form der Datenerhebung selbst und die Qualität der Erhebungssituation (z. B. bei Interviews, Unterrichtsmitschnitten, -beobachtungen) hat aufgrund der kleinen Stichproben wesentliche Auswirkungen; dies gilt grundsätzlich aber auch für quantitative Untersuchungen. Die „Qualitative Sozialforschung (qualitative social research) steht in der wissenschaftstheoretischen Tradition der Geisteswissenschaften. Sie bedient sich im Zuge eines zirkulär bzw. iterativ strukturierten Forschungsprozesses qualitativer, d. h. unstrukturierter Methoden der Datenerhebung (z. B. narratives Interview), aus denen qualitative bzw. nicht-numerische Daten (d. h. Text-, Bild, Videomaterial) resultieren, die interpretativen Methoden der Datenanalyse unterzogen werden“ (Döring & Bortz 2016, 16). Der quantitative Forschungsansatz untersucht aus dem Forschungsstand abgeleitete Forschungsfragen/ -hypothesen und bedient sich dazu vorhandener Theorien und Modelle, z. B. Modelle der Linguistik zur Textstruktur beim Erzählen (vgl. Heinemann & Viehweger 1991, 239). Da sie auf klaren Vorstellungen vom zu messenden Konstrukt basieren, sind die Datenerhebungsmethoden deshalb stark strukturiert, z. B. „Kinder, die ein Schreibtraining absolvieren, beschreiben in Erzählungen ihre Figuren ausführlicher, d. h. mit mehr Eigenschaften, wörtlicher Rede und Innenperspektive.“ Um für die Gesamtpopulation repräsentative Daten zu erhalten, werden möglichst viele Versuchspersonen untersucht (vgl. Reinders & Ditton 2015, <?page no="257"?> 257 11.2 Planungsphase 53). Typische Erhebungsmethoden sind Beobachtungen, Befragungen und Tests, die i. d. R. aber weniger Details erfassen können als qualitative Instrumente. Es lassen sich experimentelle von nichtexperimentellen Designs unterscheiden (vgl. Krauss et al 2015, 620). Maßgeblicher Unterschied ist, inwieweit die erhobenen Daten von den Forschenden kontrolliert werden, d. h. dass beispielsweise Probanden einer Bedingung zufällig zugeordnet werden (vgl. Eid et al. 2015, 82 f) oder Störvariablen erfasst werden. Der Mixed-Methods-Ansatz ist eine Kombination beider Ansätze (vgl. Döring & Bortz 2016, 17): Das Forschungsproblem wird auf Basis beider Ansätze umfassender bearbeitet und kann durch die gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Forschungsstrategien und Datenquellen die Ergebnisse besser absichern (vgl. Döring & Bortz 2016, 17), beispielsweise können die Niveaustufen in einer Kodieranweisung für eine quantitative Erhebung der Qualität einer Figurenbeschreibung in Erzählungen auf zuvor erhobenen qualitativen Ergebnissen beruhen. Der qualitative Anteil der Mix-Methods liefert in diesem Fall durch Teilstudien detaillierte Einsichten in einen Sachverhalt, jedoch sind die Erkenntnisse aufgrund der kleinen Stichprobe nicht auf die Gesamtpopulation übertragbar (Generalisierbarkeit). Der quantitative Anteil bietet diese Möglichkeit durch große Stichproben. Das umgekehrte Vorgehen ist ebenfalls möglich, beispielsweise zur Analyse von Details, die in der quantitativen Teiluntersuchung vernachlässigt wurden. Mixed-Methods erfordern durch das mehrstufige Vorgehen erhebliche zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen (vgl. Döring & Bortz 2016, 185). Sie sind daher häufig Teil eines größeren Forschungsprojektes. Quantitativ Qualitativ Forschungsziel Prüfen von Theorien und Konzepten: Generalisierende Überprüfung zuvor aufgestellter Hypothesen auf Grundlage eines „naturwissenschaftlichen“ Ansatzes. Sachverhalte sollen unter Heranziehen äußerer Ursachen erklärt werden. Datenbezogene Theorie- und Konzeptentwicklung: Entdeckung auf Grundlage eines geisteswissenschaftlichen Ansatzes als Ziel. Mit grundsätzlicher Ergebnisoffenheit nähert man sich beschreibend einem Sachverhalt / Gegenstand, bis eine „Sättigung“ bei der Theoriebildung erreicht ist. Dies geschieht individualisierend und kontextorientierend. Datenerhebung Möglichst streng und vollstandardisiert in einem künstlichen Setting vollzogen (z. B. Labor, Fragebogenstudie). Möglichst unter unverfälschten Feldbedingungen in einem natürlichen Setting durchgeführt; insgesamt weichere, weniger standardisierte Methoden, aber strenge Dokumentation der Erhebung. Stichprobe Stichprobenuntersuchungen mit großen Fallzahlen Einzelfälle oder nur wenige Fälle (bewusstes Sampling) Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. Moosbrugger & Kelava 2012, 8 ff) Keine absolute Einigkeit bezüglich der Gütekriterien, die als allgemein anerkannt gelten: Verfahrensdokumentation, argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe zum Gegenstand, kommunikative Validierung, Triangulation (vgl. Mayring 2002,140 ff) <?page no="258"?> 258 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen Quantitativ Qualitativ Versuchsleiter Große Distanz zwischen Forscher, Testpersonen und Sachverhalt. Stärkere Nähe zwischen Forscher, Testperson und Sachverhalt. Datenauswertung Wahrheitsbewahrendes deduktives Vorgehen: Vom Allgemeinen zum Besonderen. Wahrheitserweiterndes induktives Vorgehen: Vom Besonderen zum Allgemeinen Tab. 11.2: Zusammenfassung der Forschungsansätze im (idealisierenden) Überblick (Eigene Darstellung nach Bryman 2008, 139 ff sowie 365 ff; Döring & Bortz 2016, 36 ff sowie 63 ff; Häder 2015, 64; Hussy 2013, 20 ff; Mayring 2002, 24 ff sowie 140 ff; Reinders & Ditton 2015, 52 ff) Überlegen Sie, welcher Ansatz zu Ihrer geplanten Studie passt. Daneben ist das Design der Studie zu konkretisieren: „etwa hinsichtlich Untersuchungsort (Feldvs. Laborstudie), Untersuchungszeitpunkten (Querschnittvs. Längsschnittstudie), Herkunft der Daten (Primärvs. Sekundäranalyse), Behandlung der Untersuchungspersonen (experimentelle vs. quasi-experimentelle vs. nichtexperimentelle Studie) etc.“ (Döring & Bortz 2016, 184) Abb. 11.2: Überblick über Aspekte des Designs einer Studie 11.2.2.2. Wie baut man eine Studie auf? (Untersuchungszeitpunkte) Wie Sie, nach diesen theoretischen Vorüberlegungen, die Studie konkret aufbauen, hängt davon ab, welche Daten Sie benötigen. Grundsätzlich lässt sich zwischen einer einmaligen (Querschnitt) und mehrmaligen Erhebung von Daten der gleichen Probanden im Sinne eines (Panel-)Längsschnitts unterscheiden. Während ein Querschnitt eine einmalige Momentaufnahme der Ausprägung bestimmter Merkmale von Versuchspersonen erzeugt, kann mit einem längsschnittlichen Design die Entwicklung von Merkmalen zwischen zwei oder mehreren Messzeitpunkten (z. B. Prä- und Post-Testung) beschrieben werden (vgl. Krauss <?page no="259"?> 259 11.2 Planungsphase et al. 2015, 622). Ein typischer Anwendungsfall für ein längsschnittliches Prä-/ Post-Design ist die Evaluation einer Fördermaßnahme hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Soll zusätzlich die Nachhaltigkeit der Fördermaßnahme untersucht werden, kann zusätzlich mit einem dritten, zeitverzögerten Messzeitpunkt (Follow-Up-Testung) gemessen werden (vgl. Krauss et al. 2015, 622; Pissarek & Wild 2018). Abb. 11.3: Quervs. Längsschnittstudien Eine Übersicht über die verschiedenen Varianten von Untersuchungsdesigns mit einer jeweils kurzen Anleitung bieten Döring & Bortz (2016, 183 ff) oder Eid et al. (2015, 81 ff). Skizzieren Sie, wie viele Messzeitpunkte Ihre geplante Studie benötigt. 11.2.2.3 Wie erhebt man Daten? (Untersuchungsort) Das beste Design nützt jedoch nichts, wenn Sie an keine brauchbaren Daten kommen. Dies wird auch durch die Wahl des Untersuchungsortes beeinflusst. Es kann sich dabei um das „Labor“ oder „Feld“ handeln. Beide Settings weisen spezifische Vor- und Nachteile auf. Durch eine Erhebung sollen Merkmale beschrieben, erklärt oder vorhergesagt werden. Bei beschreibenden Vorgehensweisen werden Merkmale benannt, definiert und klassifiziert. Man versucht Zusammenhänge zwischen den Merkmalen herzustellen. Beim Erklären wird versucht, ein Merkmal zu benennen, das ein anderes kausal beeinflusst, wobei noch kein statistischer Zusammenhang vorliegt. Dies ist beim Vorhersagen der Fall: Es soll künftiges Verhalten oder Erleben prognostiziert werden (vgl. Hussy 2013, 3). Eine Laborstudie versucht, die untersuchten Merkmale und verschiedene Einflussgrößen (Variablen) streng zu standardisieren bzw. zu kontrollieren. Beispielsweise wird versucht, den Einfluss von Störvariablen auszuschließen. Aufgrund der strengen Standardisierung lassen sich die Ergebnisse jedoch nicht uneingeschränkt auf Situationen außerhalb des Labors übertragen (vgl. Leonhart 2008, 25). Insbesondere Faktoren wie die Erhebungssituation oder das Verhalten der Versuchsleiter (z. B. Rosenthal-Effekt) beeinflussen die Ergebnisse und müssen bei der Interpretation berücksichtigt werden (vgl. Döring & Bortz 2016, 101). <?page no="260"?> 260 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen Eine Laborstudie schafft eine künstliche Situation unter streng kontrollierten Bedingungen: Beispielsweise könnte mithilfe verschiedener Stifte, die gezielt mit Gewichten manipuliert wurden, der Einfluss der Graphomotorik auf das Schreiben simuliert werden und die Auswirkung auf einzelne Schülerinnen und Schüler beobachtet werden. Bei einer Feldstudie werden Daten systematisch mittels wissenschaftlicher Beobachtung im Alltag unter natürlichen Bedingungen erhoben. Somit können alltägliche Situationen deutlicher, meist jedoch nicht so exakt wie im Experiment, abgebildet werden. Mithilfe von Feldstudien kann überprüft werden, in welchem Umfang Ergebnisse aus Laborstudien gültig sind. 11.2.2.4 Womit erhebt man Daten? (Erhebungsinstrumente) Steht der Untersuchungsort fest, müssen die Daten noch aggregiert werden, d. h. durch Beobachtung, Befragung oder Experiment systematisch erfasst werden: ▶ Bei einer Befragung erhebt ein Interviewer dialogisch bei einer oder mehreren Personen Daten. Dies kann in einem mündlichen Interview (z. B. persönlich oder telefonisch) stattfinden, aber auch schriftlich (z. B. Fragebogen oder Schreibtest). Je nach Grad der Standardisierung wird hierbei zwischen offenen, teilstandardisierten oder vollstandardisierten Fragen unterschieden (vgl. Leonhart 2008, 23). ▶ Durch Beobachtung können Tätigkeiten und Interaktionen der Testpersonen systematisch mit verschiedenen Aufzeichnungsverfahren (z. B. Audiodateien, Videos) festgehalten und anschließend ausgewertet werden (vgl. Leonhart 2008, 24). ▶ In einem Experiment werden die Daten durch standardisierte Testverfahren (z. B. Lesetest) unter vollständig kontrollierten Untersuchungsbedingungen erhoben (vgl. Leonhart 2008, 24). Z. B. sollen Schülerinnen und Schüler grammatische Aufgaben lösen und werden dabei beobachtet, Faktoren wie Fehlerzahl oder Reaktionszeit werden protokolliert und können als Maß für die Leistung dienen. ▶ Häufig werden auch sogenannte quasi-experimentelle Studien durchgeführt. Sie sind wie Experimente angelegt und werden im Feld durchgeführt. Dadurch ist es nicht mehr möglich, die Durchführung so streng zu kontrollieren wie in einem echten Experiment, beispielsweise werden aus praktischen Gründen ganze Klassen zufällig der Bedingung „Schreibtraining / kein Schreibtraining“ zugewiesen, nicht jedoch die einzelnen Schülerinnen und Schüler. Die Gruppen können sich daher systematisch unterscheiden. Sofern entsprechende Instrumente, die Ihren Forschungsgegenstand betreffen, existieren (vgl. Krauss et al. 2015, 624), haben Sie dabei die Wahl zwischen standardisierten oder nichtstandardisierten Testverfahren. Während sich die qualitative Forschung aufgrund nichtnumerischer Daten meist nichtstandardisierter Erhebungsinstrumente bedient, erhebt die quantitative Forschung mittels standardisierter Messinstrumente die „Merkmalsausprägungen in Form von sinnvoll interpretierbaren numerischen Messwerten“ (Döring & Bortz 2016, 223). Messungen müssen, unabhängig von der konkreten Auswahl der Test- <?page no="261"?> 261 11.2 Planungsphase instrumente, den wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen genügen. Hierfür haben sich sogenannte Gütekriterien etabliert. In der quantitativen Forschung haben sich dabei Objektivität, Reliabilität und Validität etabliert. Objektivität liegt dann vor, wenn unterschiedliche Personen bei der Auswertung desselben Tests zum gleichen Ergebnis kommen. Reliabilität (=Zuverlässigkeit) liegt vor, wenn ein Test bei relativ gleichbleibenden Bedingungen wiederholt wird und vergleichbare Ergebnisse liefert. Validität beurteilt, ob inhaltlich das gemessen wurde, was gemessen werden sollte (vgl. Hussy 2013, 23 f; Hauser & Humpert 2009, 39 ff). Die qualitative Forschung stützt sich auf folgende Gütekriterien: In einer Verfahrensdokumentation werden Planung, Durchführung und Auswertung einer Untersuchung festgehalten. Dieses Vorgehen erfolgt nach zuvor festgelegten Regeln (= regelgeleitet) in der natürlichen Umwelt der Testpersonen (= Nähe zum Gegenstand). Die Interpretation der Daten wird anschließend durch die sogenannte argumentative Interpretationsabsicherung im Forschungsdiskurs verortet. Untersuchungsergebnisse werden mit den Testpersonen diskutiert (= kommunikative Validierung). Eine Triangulation der Daten liegt dann vor, wenn die Fragestellung mit unterschiedlichen Methoden untersucht und Ergebnisse verglichen werden (vgl. Mayring 2002, 140 ff; Hussy 2013, 25). Sowohl bei qualitativen als auch bei quantitativen Untersuchungen ist es sinnvoll, ausreichend Zeit für die Konzeption bzw. Wahl der Testinstrumente einzuplanen. Folgende Leitfragen bieten sich dabei an (vgl. Bühner 2011, 78 ff; Langfeldt 1984, 97 f): ▶ Was misst der Test konkret? Kann ich damit die Daten zur Beantwortung meiner Forschungsfrage gewinnen? ▶ Was gibt der Test zu messen vor? Überprüft er, was er vorgibt zu messen? ▶ Passt der Test zu meiner Zielgruppe? Ist er zu leicht, schwer, ungenau? ▶ Wird beschrieben, wie der Test konstruiert wurde? Erfüllt er die Gütekriterien? ▶ Wie zuverlässig ist der Test? Liegen die Reliabilitätskoeffizienten über 0.70? ▶ Wie wird die Objektivität der Testdurchführung gewährleistet? ▶ Wie lange dauert der Test? ▶ Wie viele Kosten verursacht die Testung? ▶ Welche Hilfestellungen zur Durchführung und Auswertung bietet der Test? Gibt es ein Testhandbuch und Auswertungshinweise? ▶ Wie aufwändig ist die Auswertung? Sobald die konkreten Testinstrumente feststehen, sollten diese vor der eigentlichen Datenerhebung (komplett oder auszugsweise) an einer kleineren Gruppe von Probanden getestet werden (=-Pilotierung), um Fehlerquellen, Unklarheiten, Stolpersteine etc. zu identifizieren, z. B.: Sind die Fragen des Interviews zu Schreibstrategien verständlich? Misst das Testinstrument tatsächlich Aspekte der Schreibkompetenz und nicht beispielweise Lesekompetenz (bspw. beim materialgestützten Schreiben) usw.? <?page no="262"?> 262 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen Recherchieren Sie, welche Testinstrumente für Ihre Untersuchung in Frage kommen. Beantworten Sie dazu die oben aufgeführten Fragen. 11.2.2.5 Wie rekrutiert man eine Stichprobe? (Untersuchungspersonen) Sobald der theoretische Rahmen einer Studie abgesteckt wurde, kann die Konzeption konkret werden, d. h. eine Stichprobe geplant werden. Dabei muss nicht nur überlegt werden, wer befragt, beobachtet oder getestet werden soll, sondern auch wie viele Testpersonen. Diese müssen zu den geplanten Messzeitpunkten (s. o.: Untersuchungsdesign) auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Behalten Sie deshalb auch Feiertage, Schulferien, administrative Vorgaben wie Zustimmungspflicht etc. im Blick. Grundsätzlich sollte die Gruppe der Versuchspersonen (z. B. vierte Klassen) repräsentativ für die untersuchte Gesamtpopulation (alle Schülerinnen und Schüler aller vierten Klassen) sein. Nicht repräsentativ wäre es beispielsweise, nur Schüler zu untersuchen und Schülerinnen außen vor zu lassen. In diesem Fall könnten keine Schlussfolgerungen (Inferenzen) für die Grundgesamtheit getroffen werden (vgl. Krauss et al. 2015, 626). Darüber hinaus sollten die für die Gesamtpopulation charakteristischen Merkmale auch in der Stichprobe adäquat vertreten sein (vgl. Echterhoff 2013, 118). Dies kann auf mehrere Arten erreicht werden. Man unterscheidet hierbei zwischen einer einfachen Zufallsstichprobe, einer geschichteten Stichprobe, einer Klumpenstichprobe bzw. einer mehrstufigen Stichprobe. Bei einer einfachen Zufallsstichprobe werden alle Probanden mit gleicher Wahrscheinlichkeit aus der (zur Verfügung stehenden) Gesamtpopulation gezogen und zufällig Bedingungen etc. zugeteilt, z. B. Schülerinnen und Schüler werden zufällig einem Schreibtraining bzw. regulärem Unterricht zugewiesen, unabhängig von besonderen Merkmalen. Die Gefahr dabei ist, dass die Stichprobe trotz dieser Randomisierung nicht repräsentativ wird, beispielsweise, wenn bestimmte Gruppen in der Gesamtpopulation (z. B. Kinder mit Legasthenie) unterrepräsentiert sind. Diesem Problem versucht die geschichtete Stichprobe zu begegnen. Sie strukturiert die Grundgesamtheit vor, indem sie diese in unterschiedliche Schichten zerlegt. Aus diesen Schichten werden dann, z. B. aufgrund der prozentualen Verhältnisse in der Gesamtpopulation, Zufallsstichproben gezogen. Die Klumpenstichprobe hingegen bedient sich der im Feld tatsächlich vorhandenen Strukturen: Beispielsweise haben Sie im schulischen Kontext kaum die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler aus dem Klassenverband herauszulösen. Sie können zwar nicht die Schülerinnen und Schüler zufällig verteilen, jedoch die Klassen. Häufig führt dies zu einer nichtoptimalen Verteilung der Merkmale, weshalb die Stichprobenziehung gut dokumentiert werden sollte. Mehrstufige Stichprobenverfahren gehen in mehreren Schritten vor: Zunächst wird zufällig eine Klumpenstichprobe mit relativ großen Klumpen gezogen. Im Anschluss werden diese weiter „zerlegt“: Man zieht eine Zufallsstichprobe aus ihnen. Dieses Vorgehen bietet sich an, wenn man Schwierigkeiten hat, eine Stichprobe auf direktem Wege aus der Grundgesamtheit zu ziehen. <?page no="263"?> 263 11.3 Durchführungsphase Abb. 11.4: Möglichkeiten der Stichprobenziehung (Eine Übersicht über die verschiedenen Stichproben mit einer jeweils kurzen Anleitung zur Erhebung bieten Döring & Bortz 2016, 291-319; Eid et al. 2015, 225 ff sowie 285-292; Häder 2015, 139-188 und Pospeschill 2013, 144-149 sowie 180-189) Der Umfang der gezogenen Stichprobe sollte der Untersuchung angemessen sein. Je nach Forschungsansatz, Untersuchungsgegenstand und untersuchter Population sind andere Stichproben nötig (vgl. Eid et al. 2015, 45). Als Faustregel kann jedoch gelten: Je größer der Umfang einer Stichprobe ist, desto genaueren und weitreichenderen Einblick bieten die Daten (vgl. Boelmann 2016, 16). Für eine quantitative längsschnittliche Erhebung der Qualität von Figurenbeschreibungen in narrativen Texten (s. o.) sollten beispielsweise mehrere Klassen untersucht werden, um Schul- oder Klasseneffekte zu vermeiden. 11.3 Durchführungsphase Gerade bei längsschnittlichen Untersuchungen ist es in der Durchführungsphase einer Studie unabdingbar, v. a. den Zeitrahmen der Datenerhebung im Blick zu behalten. Wie viel Zeit die Datenerhebung in Anspruch nimmt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst müssen Sie sich überlegen, wie Sie die Datenerhebung organisieren und was vorab geklärt werden muss. Bereits im Vorfeld einer Testung müssen die forschungsethischen Standards beachtet werden (vgl. Ethische Richtlinien DGP s und BDP 2016). Dazu gehört die Aufklärung der Teilnehmenden über die Studie bzw. Testung ebenso wie das Beachten der Datenschutzrichtlinien und das Einholen von Einwilligungserklärungen etc. Bei minderjährigen Probanden sind hier in der Regel Erziehungsberechtigte, Lehrkräfte sowie Schulleitung/ -administration die Ansprechpartner. Alle Teilnehmenden müssen außerdem darauf hingewiesen werden, dass die Teilnahme freiwillig ist und jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden kann. Die Daten müssen ferner vertraulich behandelt, d. h. anonymisiert oder pseudonymisiert werden. Achten Sie hier darauf, dass jeder Versuchsperson ein eindeutiges Pseudonym zu- <?page no="264"?> 264 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen gewiesen wird, ansonsten können Sie sie bei mehreren Messzeitpunkten später nicht mehr zuordnen. Die Aufbewahrung muss über einen längeren Zeitraum (i. d. R. 10 Jahre) an einem sicheren Ort erfolgen. Liegen entsprechende Einwilligungen und Strukturen vor, können Daten erhoben werden. Dies muss nicht unbedingt durch die Projektleitung selbst erfolgen. Im Gegenteil kann es beispielsweise im schulischen Kontext sinnvoll sein, die Datenerhebung gerade nicht selbst durchzuführen, sondern Lehrkräfte damit zu beauftragen, um Versuchsleitereffekte zu minimieren. Die Lehrkräfte benötigen dazu eine entsprechende Schulung und eine genaue (! ) Durchführungsanweisung. Ihnen muss überdies klar sein, dass diese penibel zu befolgen ist. Abweichungen vom vorgegebenen Ablauf sollten dokumentiert werden. Nicht nur bei Längsschnittuntersuchen ist es sinnvoll, im Hinblick auf die zeitliche Organisation der Studie Puffer einzuplanen (vgl. Pissarek & Wild 2018). Empirische Studien sind zeitaufwändig und stoßen gerade bei der Datenerhebung immer wieder auf unvorhergesehene Probleme. Wenn Sie im schulischen Kontext testen, müssen administrative Vorgaben (z. B. Genehmigung der Studie durch Schulbehörde & Schulleitung etc.) sowie schulorganisatorische Gegebenheiten (z. B. Ferien, Projektphasen, Exkursionen) berücksichtigt werden, die zusätzlichen Vorlauf benötigen. Darüber hinaus wird auch Zeit für die Testungen selbst benötigt, beispielsweise schaffen es Schülerinnen und Schüler kaum, eine Erzählung in weniger als einer Schulstunde zu schreiben. Zudem müssen sie sich ggf. zwischen Testungen erholen. Planen Sie diese Zeiträume mit ein. 11.4 Auswertungsphase Sobald Daten vorliegen, kann die eigentlich Arbeit beginnen: ihre Aufbereitung und systematische Auswertung. 11.4.1 Wie wertet man erhobene Daten aus? (Datenaufbereitung und -analyse) Vor der Auswertung der erhobenen Daten steht die sorgfältige Datenaufbereitung. Sofern die Daten schon digital vorliegen, sollte ein mit Datum versehenes Backup der unbearbeiteten Rohdaten angelegt werden, um bei Problemen etc. darauf zurückgreifen zu können. Bei analogen Daten sollte die Archivierung entsprechend vorbereitet werden, bevor die „Digitalisierung“ erfolgt: Interviews, Texte etc. müssen transkribiert, Fragebogenantworten müssen numerisch eingegeben (kodiert) werden etc., bevor die Daten mit Statistikprogrammen wie R, SPSS , MAXQDA o. ä. eingelesen werden können (Datentransformation). Dort sollten sie anhand der Erhebungsprotokolle kommentiert werden, um Abweichungen, Probleme etc. nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine vollständige Aufbereitung und Auswertung aller Daten ist im Allgemeinen aus zeitökonomischen Gründen nicht realistisch (vgl. Field 2016, 59). Als Rohdaten bezeichnet man unbearbeitete Daten, die unmittelbar aus der Erhebung resultieren. Sie sind unkodiert, unformatiert und enthalten häufig noch Fehler (vgl. Döring & Bortz 2016, 25). <?page no="265"?> 265 11.4 Auswertungsphase Die Aufbereitung von qualitativ erhobenen Daten unterscheidet sich hinsichtlich der Schwerpunkte von anderen Vorgehensweisen. Bei ihnen nimmt insbesondere die Transkription, also die Verschriftlichung der Rohdaten (z. B. Audio-, Videoaufzeichnungen, Schülertexte) großen Raum bei der Datenaufbereitung ein. Ziel der Datenaufbereitung ist es, die Basis für eine nachvollziehbare Auswertung zu schaffen (vgl. Häder 2015, 413). Inzwischen haben sich diesbezüglich verschiedene standardisierte Vorgehensweisen etabliert (vgl. Selting et al. 2009; Ramge 1978; Ehlich & Switalla 1976). Beispielsweise müssen Schülertexte erst so aufbereitet werden, dass mit ihnen gearbeitet werden kann (z. B. durch Einscannen, Abschreiben etc.). Erst dann können auffällige Merkmale markiert werden (z. B. „Welche Eigenschaften werden bei Figuren beschrieben? “) und schließlich in Kodegruppen (z. B. „Aussehen“, „Kleidung“) zusammengefasst werden, die die Basis der Theoriebildung ausmachen. Zur Transkription mündlicher Daten hat sich das „Gesprächsanalytische Transkriptionssystem 2 ( GAT 2)“ bewährt. Wie es funktioniert, beschreiben Selting et al. (2009) anschaulich anhand von Beispielen. Bei der Aufbereitung quantitativer Daten ist es das Ziel, diese für die folgenden Analysen in computerlesbare numerische Datensätze zu übertragen (vgl. Häder 2015, 415). In der Regel liegen diese Daten (z. B. Items in einem Fragebogen) schon vorstrukturiert vor, sodass sie „lediglich“ mittels einer Anleitung (Kodiermanual) in das Statistikprogramm eingegeben werden müssen, beispielsweise „0“ für eine Figurenbeschreibung mit wenigen Eigenschaften bis „3“ für eine sehr ausführliche Figurenbeschreibung. Zusammenfassend haben sich bei beiden Ansätzen hinsichtlich der Datenaufbereitung folgende Schritte etabliert (vgl. Peters & Dörfler 2014, 243 ff): ▶ Sammeln Sie alle Rohdaten (=-unbearbeitete Daten). ▶ Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Daten, dokumentieren und strukturieren Sie diese. Beispielsweise müssen Sie bei längsschnittlichen Untersuchungen sicherstellen, dass Sie Texte zu beiden Messzeitpunkten dem jeweiligen Probanden zuordnen können. ▶ Transformieren und kodieren Sie die Daten. ▶ Geben Sie diese in Ihr Statistikprogramm ein. ▶ Beschriften Sie sie dort sorgfältig, indem Sie Ihrem Datensatz einen klaren, verständlichen sowie mit Datum versehenen Namen vergeben. Erstellen Sie außerdem eine Variablendokumentation dazu, in der Sie die Variablen des Datensatzes genau beschreiben und sogenannte Wertelabels für Ihre Codes und ggf. das Skalenniveau (bei quantitativen Daten) festlegen. Zur Datenaufbereitung gehört darüber hinaus die Datenbereinigung (vgl. Döring & Bortz 2016, 580). Sie dient dazu, den Datensatz in Bezug auf Fehleingaben, fehlende oder fehlerhafte Daten etc. zu überprüfen (vgl. Leonhart 2017, 103 ff). Sollten Sie im Rahmen dessen Teilnehmer aus ernstzunehmenden Gründen ausschließen, muss dies dokumentiert und gut begründet werden (vgl. Peters & Dörfler 2014, 55 sowie 247 ff): Beispielsweise kann der Test verfälscht sein, weil ein Kind während eines Speed-Tests Nasenbluten bekam und nicht <?page no="266"?> 266 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen weiter arbeiten konnte oder weil eine Lehrkraft der Klasse über die Vorgaben der Durchführungsanweisung hinaus zusätzliche Zeit eingeräumt hatte. Außerdem sollten fehlende Werte (=- missing data) durch eine entsprechende Kodierung (z. B. „99“) gekennzeichnet werden (vgl. Döring & Bortz 2016, 590 f). Sie können beispielsweise entstehen, wenn eine Testperson zu einem Messzeitpunkt fehlt oder eine Antwort fehlt. Achtung: Verwenden Sie eine bestimmte Kodierung für fehlende Werte, so muss diese im Statistikprogramm auch als solche definiert werden. Achten Sie darauf, nur solche Werte als „Missing“ zu definieren, die die Rohdaten nicht einnehmen können. Ansonsten werden Testwerte wie Rohwerte behandelt oder umgekehrt. Wie mit fehlenden Werten umgegangen werden kann, beschreiben Ender (2010) und Leonhart (2017, 113 f) ausführlich. Für einen ersten Überblick über die Daten, um beispielsweise Auffälligkeiten zu entdecken, sind bei quantitativen Daten deskriptivstatistische Verfahren hilfreich (vgl. Krauss et al. 2015, 628 ff). Gängige statistische Kennwerte sind die Maße der zentralen Tendenz (z. B. arithmetisches Mittel, Median und Modalwert), welche beschreiben, „um welchen Wert die Häufigkeitsverteilung eines Merkmals sich ‚im Mittel‘ bewegt“ (Krauss et al. 2015, 628). Weitere Kennwerte sind die sogenannten Streuungsmaße (z. B. Varianz und Standardabweichung), welche die Abweichung einzelner Merkmale „vom Durchschnitt“ angeben (vgl. Krauss et al. 2015, 628 f). Dadurch werden einerseits Tendenzen deutlich, andererseits können so auch Ausreißer identifiziert werden: Beispielsweise, wenn ein Wert von 2,5 auftritt, die Kodierung aber nur 0, 1, 2 oder 3 erlaubt. Bei qualitativen Daten ist dies z. T. ebenfalls hilfreich. Darüber hinaus sollte man auch einen Blick auf die Fälle werfen, die den jeweiligen Kodes zugeordnet wurden, z. B. welche konkreten Kategorien berührt ein Kind bei seiner Figurenbeschreibung? Sie finden bei Field (2014, 122 ff), Hauser & Humpert (2009, 66 ff) oder Leonhart (2017, 86 ff) einen Überblick über die gängigen grafischen Darstellungsarten (u a. Kreis-, Balken-, Säulendiagramm etc.). Ausführliche Erklärungen und Anleitungen zur Berechnung finden Sie z. B. bei Bühner & Ziegler 2017, 27 ff; Döring & Bortz 2016, 621 ff; Echterhoff 2013, 169 ff; Eid et al. 2015, 127 ff Neben der Auseinandersetzung mit den deskriptiven Ergebnissen sollten Sie auch die Zuverlässigkeit Ihrer Daten überprüfen. Bei Fragebögen kann es beispielsweise passieren, dass Items aus Formulierungsgründen unterschiedlich „gepolt“ sind. Die Kodierungen sind dann gegenläufig, z. B. von 1-= sehr gut-… 3-= sehr schwach vs. 1-= sehr schwach-… 3-= sehr gut. Dass dies für sämtliche Berechnungen problematisch ist, dürfte klar sein. Sie müssen die Items also auf ein gemeinsames Schema umkodieren (zum Vorgehen vgl. Peters & Dörfler 2014, 313). Darüber hinaus kann es für die Interpretation der Daten interessant sein, wie bestimmte Items gelöst wurden. Dies beschreibt die Itemschwierigkeit bzw. die Trennschärfe (vgl. Field 2014, 706 ff). Das weitere Vorgehen Ihrer Datenanalyse hängt stark von dem gewählten Forschungsansatz, Ihren Forschungsfragen bzw. -hypothesen, dem Studiendesign etc. ab. In quantitativen <?page no="267"?> 267 11.4 Auswertungsphase Studien kommen beispielsweise sehr häufig Methoden der Inferenzstatistik (schließende Statistik) zum Einsatz. Sie beschreiben, ob sich die Daten der untersuchten Stichprobe auf die Grundgesamtheit verallgemeinern lassen, d. h. vereinfacht, ob eine Verallgemeinerung zulässig ist oder nicht. Gute „Schritt für Schritt“-Anleitungen zu inferenzstatistischen Methoden finden Sie bei Bühner & Ziegler (2017, 167 ff), Eid et al. (2015, 217 ff) oder Leonhart (2008, 62 ff). 11.4.2 Was macht man mit den Analyseergebnissen? Die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse bildet den Abschluss einer empirischen Arbeit. In der Regel verläuft diese von einer Grobebene zu einer Feinebene. Achten Sie hierbei vor allem auch darauf, Ihre eigenen Ergebnisse in den bereits vorliegenden Forschungsstand einzuordnen, stellen Sie Gemeinsamkeiten heraus, gehen Sie auf Unterschiede kritisch ein (vgl. Peters & Dörfler 2014, 336). Schlussfolgerungen, die Sie aufgrund Ihrer Daten und dem Forschungsstand ziehen, sollten für den Leser bzw. die Leserin der Arbeit nachvollziehbar sein. Darüber sollten auch Überlegungen und Empfehlungen für künftige Studien und Forschung thematisiert werden, gerade, wenn Ihre Ergebnisse weniger klar und eindeutig ausfallen, als Sie das erwartet hätten (vgl. Eid et al. 2015, 48). Im Folgenden finden Sie Leitfragen, die Sie bei der Interpretation und Diskussion unterstützen können. Überlegen Sie sich, welche Ergebnisse Sie bei Ihrer Untersuchung in Bezug auf Ihre Fragestellungen / Hypothesen erwarten. Belegen Sie Ihre Erwartungen mit Forschungsliteratur. 11.4.3 Welche Aspekte müssen diskutiert werden? (Leitfragen zur Diskussion) In Bezug auf Fragestellungen bzw. Hypothesen: ▶ Kann die Fragestellung beantwortet bzw. die Hypothese falsifiziert werden? ▶ Welche konkreten Erkenntnisse liefert die Untersuchung diesbezüglich? ▶ Welche Ursachen könnte es dafür geben? ▶ Welche alternativen Erklärungen für das Zustandekommen der Ergebnisse finden sich? Z. B.: Haben die gewählten Methoden das Ergebnis beeinflusst? ▶ Welche Fragen sind offengeblieben? In Bezug auf den Forschungskontext bzw. die Schulpraxis: ▶ Was ist identisch / unterschiedlich zu den Ergebnissen des aktuellen Forschungsstands? ▶ Welche neuen Erkenntnisse ergeben sich aus der Studie? ▶ Wie können die Ergebnisse mit der Schulpraxis in Bezug gesetzt werden? In Bezug auf theoretische bzw. praktische Konsequenzen: <?page no="268"?> 268 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen ▶ Welche forschungspraktischen Konsequenzen ergeben sich aus meinen Befunden? ▶ Welche Folgen haben die Ergebnisse für die Schulpraxis? ▶ Was sollte, falls die Untersuchung wiederholt wird, verändert bzw. beibehalten werden? ▶ Wurden neue Fragen durch die Untersuchung aufgeworfen? 11.5 Datenpräsentation Da Forschung dem Erkenntnisgewinn dient, sollten Ihre Ergebnisse der „Scientific Community“ präsentiert werden. Etablierte Medien sind Zeitschriftenartikel, Konferenzvorträge und Poster (vgl. Döring & Bortz 2016, 25). Zwar ist dies bei Qualifikationsarbeiten selten der Fall, jedoch folgen diese einer ähnlichen, relativ einheitlichen Grobstruktur. In der Regel beinhalten diese die folgenden Bestandteile (vgl. Krauss et al. 2015, 615; Peters & Dörfler 2014, 334 ff, Pospeschill 2013, 66 ff): Arbeitsteil Umfang* Titelblatt, ggf. mit Zusammenfassung / Abstract Inhaltsverzeichnis Einleitung Was ist die Motivation der Studie? Warum wird sie gerade jetzt gemacht? Warum ist die Untersuchung dieser Fragestellung wichtig? Wie dient sie dem wissenschaftlichen Fortschritt? Wem könnten die Ergebnisse nutzen? etc. 05 % Theorieteil mit Forschungsstand, theoretischem Hintergrund Welches Konstrukt liegt der Studie zugrunde? Was ist der Forschungsstand im Fachbereich? Welche ähnlichen Studien gibt es bereits? Welche offenen Fragen ergeben sich aus deren Ergebnissen? 20 % Forschungsfragen/ -hypothesen Welche Fragestellungen möchte die Studie beantworten? Welche Desiderate gibt es und welchen Wissenszuwachs verspricht die Untersuchung hier? Wie positionieren sich die Fragestellungen im Rahmen der vergleichbaren Forschung? Welche Art(en) von Hypothese(n) werden aufgestellt? 10 % Methodenbeschreibung und Auswertung Wie ist die Studie aufgebaut? (Beschreibung des Studiendesigns) Wie werden die Daten erfasst? (Beschreibung der Untersuchungsinstrumente) Wie wird die Stichprobe rekrutiert? Wie ist sie aufgebaut? (Stichprobenbeschreibung) Wie wurde die Studie durchgeführt? Wie verlief die Erhebung tatsächlich? 15 % Ergebnisteil genaue Beschreibung und Darstellung der jeweiligen Ergebnisse 30 % Diskussion Was sind meine Hauptergebnisse? (Zusammenfassung dieser) Was sind die Stärken und Schwächen meiner Untersuchung? Wie wirken sich diese aus? Wo liegen die Grenzen meiner Untersuchung? Wo kann hier möglicherweise angeknüpft werden? 20 % Literatur Neben fachspezifischen Formen haben sich die Standards der American Psychological Association ( APA ) etabliert ( APA 2010). Ggf. Anhänge, z. B. (Teile der) Daten ggf. auch digital; Material, das eingesetzt wurde etc. Tab. 11.3: Gliederungsvorschlag für eine empirische Arbeit (*: Vorschlag) <?page no="269"?> 269 11.6 Ausblick Der jeweilige Umfang der Teile kann variieren-- dies hängt von Ihrer Studie ab. Insgesamt sollten Sie auf eine schlüssige Argumentation achten, die sich nicht in einer Zusammenfassung des Forschungsstandes erschöpft, sondern zielgerichtet diejenigen Ergebnisse und offenen Fragen diskutiert, die Grundlage Ihrer Studie sind. Beim Schreiben können Sie sich diesbezüglich selbst überprüfen: „Gibt das, was ich gerade schreibe, eine (Teil-)Antwort auf meine Forschungsfrage? “ Falls nicht, gehört es auch nicht in Ihren Text. 11.6 Ausblick Dieses Kapitel kann keine umfassende statistische Ausbildung bzw. die umfangreichen Grundlagenwerke der Statistik ersetzen. Da die Methoden der empirischen Bildungsforschung inzwischen nicht mehr aus der Ausbildung und dem Berufsleben von Lehrkräften (und Dozierenden) wegzudenken sind, sollte dieses Kapitel einen ersten Zugang zu eigenen Studien geben, d. h. notwendige Arbeitsschritte bei der Planung, Durchführung und Auswertung erklären, die Sie im Folgenden nochmals tabellarisch zusammengefasst finden. 11.7 Zeitliche Planungsskizze (für eine sechsmonatige Studie) Bei Qualifikationsarbeiten: Halten Sie in allen Phasen regelmäßig Rücksprache mit dem / der Betreuenden! <?page no="270"?> 270 11 Sprachkompetenz empirisch erforschen Abb. 11.5: Planungsübersicht für eine Studie (eigene Darstellung auf Basis: Bierhoff & Petermann 2014, 69; Boelmann 2016, 11; Bryman 2008, 10 f; Diekmann 2012, 186 ff; Döring & Bortz 2016, 22 ff sowie 154; Eid et al. 2016, 10 f; Field 2014, 3 sowie 37; Häder 2015, 70 ff; Hauser & Humpert 2009, 35; Krauss et al. 2015, 615; Kromrey 2002, 88; Leonhart 2008, 23 ff; Meindl 2011, 56 ff; Peters & Dörfler 2014, 63 f; Pospeschill 2013, 34 sowie 72) <?page no="271"?> 271 Literatur Literatur Abraham, Ulf; Baurmann, Jürgen & Feilke, Helmuth (2015). 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Sebastian Franz ist wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Variationslinguistik und DaZ / DaF an der Universität Augsburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sprache und Identität, deutschbasierte Minderheitensprachen, Förderung von und Umgang mit Mehrsprachigkeit, Variationslinguistik. Christian Gegner M. A. (Sprecherzieher Univ./ DGSS ) ist Lehrkraft für besondere Aufgaben am Lehrgebiet Mündliche Kommunikation und Sprecherziehung der Universität Regensburg. Er leitet das Projekt "Stimmscreening für Lehramtsstudierende" und seine Arbeitsschwerpunkte sind die artikulatorische und akustische Phonetik sowie Rede- und Gesprächspädagogik. Marina Goldenstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrerin sowie Beraterin für Migration im Regierungsbezirk Mittelfranken. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung sowie die Didaktik des Deutschen als Zweitsprache. Christina Knott ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur der Universität Regensburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die empirische Lese- und Schreibdidaktik. Sarah Pieles M. Ed. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungs- und Kooperationszentrums ForumOst an der Universität Augsburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte im Bereich Angewandter Linguistik sind Mehrsprachigkeit, Bildungssprache, Grammatikunterricht und Sprachkritik. Derzeit arbeitet sie im Rahmen ihrer Dissertation am Konzept der Bildungssprache im DaZ-Unterricht. Prof. Dr. Anita Schilcher leitet seit 2007 den Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur sowie das Zentrum für Sprache und Kommunikation der Universität Regensburg. Darüber hinaus ist sie stellvertretende Leiterin des Regensburger Universitätszentrum für Lehrerbildung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Lese- und Schreibdidaktik, literarisches Lernen sowie die Professionalität von Deutschlehrkräften. Prof. Dr. Alfred Wildfeuer ist seit 2013 Professor für Variationslinguistik und DaZ / DaF an der Universität Augsburg. Zudem leitet er das Forschungszentrum ForumOst. Seine Schwer- <?page no="302"?> 302 Autoren punkte in Forschung und Lehre sind Innere und Äußere Mehrsprachigkeit, Erwerb von Grammatikalität, Norm und Variation im DaF- und DaZ-Unterricht und deutschbasierte Minderheitensprachen. Johannes Wild ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur der Universität Regensburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Lese-, Rechtschreib- und Schreibdidaktik. <?page no="303"?> Das Buch stellt wichtige Themenbereiche der Erst- und Zweitsprachdidaktik übersichtlich und einsteigerfreundlich dar, bietet aber auch vertiefende Informationen. Es eignet sich damit hervorragend für Studium, Examensvorbereitung, Referendariat und Schulpraxis. Die Kapitel des Buches berücksichtigen durchgängig die Perspektive von DaZ-Lernenden und gehen auf wichtige Voraussetzungen sowie auf mögliche Stolpersteine beim Erwerb des Deutschen ein. Potenziell unbekannte Fachausdrücke werden durch so genannte „Infokästen“ erklärt und mit weiterführenden Informationen vernetzt. ISBN 978-3-8233-8202-7 Wild / Wildfeuer Sprachendidaktik Sprachendidaktik Johannes Wild / Alfred Wildfeuer Eine Ein- und Weiterführung zur Erst- und Zweitsprachdidaktik des Deutschen 18202_Umschlag.indd 1-3 09.05.2019 08: 49: 21