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Informationsorganisation und makrostrukturelle Planung in Erzählungen

Italienisch und Französisch im Vergleich unter Berücksichtigung bilingualer SprecherInnen

0514
2018
978-3-8233-9209-5
978-3-8233-8209-6
Gunter Narr Verlag 
Silvia Natale

Im Prozess der Sprachproduktion organisieren Sprecher Inhalte, die zum Ausdruck gebracht werden, indem sie Informationen auswählen, eine Perspektive einnehmen sowie Vorder- und Hintergrund voneinander abgrenzen. Diese Prozesse folgen sprachspezifischen Prinzipien, die zur Folge haben, dass der Informationsaufbau in mündlichen Nacherzählungen je nach Sprache unterschiedliche Präferenzen aufweist. Die vorliegende Studie zeigt auf, inwieweit sich das Französische und Italienische in Bezug auf die Organisation von Informationen voneinander unterscheiden und berücksichtigt dabei auch bilinguale Sprecher des Italienischen und Französischen.

<?page no="0"?> TBL Tübinger Beiträge zur Linguistik Informationsorganisation und makrostrukturelle Planung in Erzählungen Italienisch und Französisch im Vergleich unter Berücksichtigung bilingualer SprecherInnen Silvia Natale <?page no="1"?> Informationsorganisation und makrostrukturelle Planung in Erzählungen <?page no="3"?> Silvia Natale Informationsorganisation und makrostrukturelle Planung in Erzählungen Italienisch und Französisch im Vergleich unter Berücksichtigung bilingualer SprecherInnen <?page no="4"?> Habilitationsschrift zur Erlangung der Venia legendi in romanischer Sprachwissenschaft an der Universität Bern. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-8209-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 1. 11 2. 16 2.1. 16 2.2. 16 2.3. 19 2.4. 21 2.5. 22 3. 24 3.1. 26 3.1.1. 27 3.1.2. 28 3.1.3. 30 3.2. 32 3.3. 35 3.3.1. 35 3.3.2. 44 4. 47 4.1. 47 4.2. 52 4.2.1. 53 4.2.2. 54 4.3. 58 4.3.1. 58 4.3.2. 63 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung in das Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der Textsorte »Erzählung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Struktur von Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Funktion von Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kognitive Komponente beim Erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . Der Quaestio-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgaben der Quaestio für die Textplanung . . . . . . . . . . . . . . . Der referentielle Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wissensbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Vorgaben: Haupt- und Nebenstruktur . . . . . . . . . Quaestio und Informationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Informationsstruktur und der Topikbegriff . . . Die Quaestio und die Topik- Fokusgliederung . . . . . . . Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation . . . . . . . . . . . . Die Grammatik als steuernder Faktor für die Informationsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkrete Beispiele für die Korrelation von Grammatik und Informationsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grammatikalisierung von aspektuellen Kategorien und die Sequenzierung von Ereignissen . . . . . . . . . . . . . Informationsselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevante grammatikalische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . Das Merkmal SVO und Wortstellungsregeln . . . . . . . . Das Merkmal Nullsubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 5. 67 5.1. 68 5.2. 75 5.3. 78 6. 84 6.1. 84 6.2. 85 6.3. 86 6.4. 89 7. 94 7.1. 94 7.2. 96 8. 105 8.1. 105 8.2. 107 8.3. 113 9. 115 9.1. 115 9.2. 120 9.2.1. 121 9.2.2. 124 9.3. 130 9.3.1. 130 9.3.2. 137 Zweisprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typen von bilingualen Sprechern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Den Spracherwerb beeinflussende Variablen . . . . . . . . . . . . . . Der Zusammenhang von Zweisprachigkeit und Kognition . . Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Stimulusmaterial: Der Animationsfilm Quest . . . . . . . . . . Ablauf der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkription und Aufbereitung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . Die Probandenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der temporale Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der temporalen Referenzrahmen im Sprachvergleich: Englisch vs. Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der temporale Referenzrahmen in der Nacherzählung des Kurzfilms Quest: Italienisch und Französisch im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyseverfahren und Kodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse zum Italienischen und Französischen mit Ausblick auf frühe und späte Bilinguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenz auf Protagonisten und Entitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die referentiellen Mittel im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt . . . . . . . . Italienisch, Französisch sowie frühe und späte Bilinguale im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einwirkung einer weiteren Entität (Erzähler) auf die Mittel der Wiedereinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italienisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Französisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 6 <?page no="7"?> 9.3.3. 141 9.3.4. 142 9.4. 143 10. 145 10.1. 146 10.1.1. 146 10.1.2. 147 10.2. 148 10.2.1. 148 10.2.2. 152 10.3. 155 10.3.1. 156 10.3.2. 158 10.3.3. 159 10.4. 163 11. 164 11.1. 164 11.2. 165 11.2.1. 165 11.2.2. 173 11.3. 176 11.4. 178 12. 181 12.1. 182 12.2. 186 190 209 Frühe Bilinguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Späte Bilinguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten . . . . . . . Häufigkeit der Nennung von unbelebten Entitäten . . . . . . . . . Italienisch und Französisch im Vergleich . . . . . . . . . . . . Frühe und späte Bilinguale im Vergleich zum Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kodierung der unbelebten Entitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italienisch und Französisch im Vergleich . . . . . . . . . . . . Frühe und späte Bilinguale im Vergleich zum Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingungen für die Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt eines Hauptsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rolle der Konkurrenzsituation und ihre Auswirkung auf die Kodierung einer unbelebten Entität als Subjekt eines Hauptsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Art der Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorbereitung der Konkurrenzsituation im Italienischen und Französischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linkage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse zur Subordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italienisch und Französisch im Vergleich . . . . . . . . . . . . Frühe und späte Bilinguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse zum Italienischen und Französischen . . . . . . . . . . . Frühe und späte Bilinguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 211 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 8 <?page no="9"?> Ich war in der Zeit, in der diese Arbeit entstanden ist, umgeben von vielen Men‐ schen, die mich mit ihren wertvollen Ratschlägen, mit ihren kritischen An‐ stössen, mit ihren Aufmunterungen und ihrer praktischen Hilfe in vielfältiger Weise unterstützt haben. Ihnen möchte ich von Herzen danken. Beginnen möchte ich mit Mary Carroll, die mich zu dieser Arbeit motiviert und mich in Form unzähliger Telefonate zwischen Bern und Heidelberg nicht nur fachlich begleitet und unterstützt hat. Wie schon einst bei meiner Disser‐ tation, haben die Gespräche mit ihr wichtige Denkprozesse angeregt und mich zu kritischem Denken ermuntert. Die Arbeiten von ihr und Christiane von Stut‐ terheim haben dabei den Rahmen geschaffen, um meine Analysen in einer für mich überzeugenden Form einzubetten. Ich danke Mary Carroll und Christiane von Stutterheim, dass ich Bestandteil ihres Projekts sein darf, das mich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich nach wie vor begeistert. Bruno Moretti möchte ich dafür danken, dass er mich zunächst als Gastwis‐ senschaftlerin, später als Lehrbeauftragte und Oberassistentin und letztendlich als Dozentin am Institut für italienische Sprache und Literatur der Universität Bern willkommen geheissen hat. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Aline Kunz und Etna Krakenberger bilden wir ein Team, in dem Lehren und Forschen auf so motivierende, inspirierende, kollegiale und auch heitere Art geschieht, dass es einfach nur schön ist, dazuzugehören. Auf diesem Wege danke ich auch allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Instituts, die ebenfalls zu dieser sehr angenehmen Atmosphäre beitragen. Meine Freunde und Freundinnen in der Schweiz, in Deutschland und Italien haben mich immer wieder motiviert, zwischendurch aufgemuntert und ge‐ meinsam mit mir die Abgabe der Habilitationsschrift, den Habilitationsvortrag, meine Antrittsvorlesung gefeiert und haben sich mit mir gefreut. Euch allen, die Ihr ganz genau wisst, wer gemeint ist, danke ich, dass ich Euch meine Freunde nennen darf. Mein grösster Dank gilt meiner Familie. Meinem Mann und bestem Freund Armin, der nicht nur geduldig formatiert und Korrektur gelesen hat, den Habi‐ litationsvortrag am Ende sogar auswendig konnte, sondern mich auch immer angefeuert hat, wenn ich den Spagat zwischen Arbeit, Familie und Forschung als mühsam empfunden habe. Meinen Kindern Lea und Luca, die in der Zeit der Habilitation zu wunderbaren Schulkindern herangewachsen sind, danke ich ebenfalls. Ich möchte keine einzige Unterbrechung dieser Arbeit durch meine zauberhaften Nervensägen missen, in der ich Transkripte, Excel-Tabellen und Notizen beiseitegelegt habe, um mich ihnen zu widmen. Meiner Mama und meinen Brüdern, meinen Webers und meiner grossen Familie zwischen Neapel und Hessen danke ich, dass sie immer für mich da sind. <?page no="11"?> 1 An dieser Stelle sei dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissen‐ schaftlichen Forschung gedankt, der diese Arbeit mit einem Habilitationsstipendium im Rahmen des Marie-Heim-Vöglin-Programms gefördert hat. 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit widmet sich einem linguistischen Arbeitsgebiet, das den Zusammenhang zwischen sprachlicher Form und Informationsgliederung in der Sprachproduktion zum Gegenstand hat. 1 Unter Einbezug von psycholinguisti‐ schen Forschungsmethoden und aufbauend auf typologischen Eigenschaften, steht der Zusammenhang zwischen sprachspezifischen grammatikalisierten Ka‐ tegorien und spezifischen Mustern der Informationsorganisation bei der Ver‐ sprachlichung von Ereignissen im Vordergrund der Analyse. Untersucht wird dieser Zusammenhang auf der Grundlage von mündlichen Nacherzählungen eines Kurzfilms, die von italienischen und französischen Muttersprachlern sowie von späten und frühen Bilingualen mit den Sprachen Italienisch und Französisch produziert wurden. Grammatikalisierte Kategorien stehen im Vor‐ dergrund des Sprachvergleichs, da sie für den Sprecher obligatorisch sind. Wenn Sprecher einen komplexen Text, wie beispielsweise eine Erzählung produzieren möchten, müssen sie zum einen aus ihrer Wissensbasis Informati‐ onen auswählen und diese zum anderen ordnen, damit ein kohärenter Text ent‐ stehen kann. Die Ausgangsbasis für diese Untersuchung beruht auf der Grund‐ annahme, dass Sprecher über ein konzeptionelles Wissen verfügen, das sprachspezifisch ist, da es von grammatisch-kodierten Kategorien abhängig ist. Der Informationsaufbau im Text wird dabei vom grammatikalischen Regel‐ werk einer Sprache samt seiner spezifischen Ausprägungen bestimmt (Talmy 1988, Berman und Slobin 1994, von Stutterheim, Carroll, Klein 2003; Carroll und Lambert 2003). Es konnte gezeigt werden, dass grammatisch-kodierte Katego‐ rien bereits auf der Makroplanungsebene Steuerungsgrössen liefern (vgl. Levelt 1999), die als global geltende Leitlinien bei der Informationsorganisation fungieren (Carroll, Rossdeutscher, Lambert und von Stutterheim 2008). Gram‐ matikalisierte Kategorien einer Sprache wirken demnach nicht nur lokal beim Erzählen, sondern sind bestimmend bei der Etablierung des gesamten Erzähl‐ texts, indem sie beispielsweise die Informationsselektion (z. B. welche Informa‐ tionen werden in die Erzählung integriert? ) sowie das information packaging (z. B. wie werden die Informationen sprachlich kodiert? ) steuern. <?page no="12"?> Die vorliegende Arbeit bettet sich in diesen Forschungsbereich ein und un‐ tersucht, wie einzelsprachliche grammatikalische Kategorien im Italienischen und Französischen auf makrostrukturelle Planungsprinzipien im Bereich der Informationsorganisation wirken. Der Vergleich zwischen den beiden roman‐ ischen Sprachen Italienisch und Französisch soll Aufschluss darüber geben, nach welchem Muster diese typologisch eng beieinander liegenden Sprachen den In‐ formationsaufbau handhaben und welche grammatisch kodierten Kategorien als Steuerungsfaktoren bei der Makroplanung bestimmend sind. Trotz der ty‐ pologischen Nähe zwischen dem Italienischen und Französischen unterscheiden sich die beiden Sprachen in Bezug auf wesentliche strukturelle Eigenschaften, die für den Informationsaufbau und die Informationsgewichtung bestimmend sind, wie beispielsweise syntaktische Unterschiede oder Mittel für die Perso‐ nenreferenz. Im syntaktischen Bereich unterscheiden sich Italienisch und Französisch hin‐ sichtlich der Wortstellungsvarianten, die für die Kennzeichnung des Informati‐ onsstatus eines Referenten dienen. Während im Französischen die Wortstellung durch feste Regeln gekennzeichnet ist, weist das Italienische hingegen eine re‐ lativ freie Wortstellung auf. Der Parameter der Wortstellungsregeln stellt somit ein typologisch-relevantes Kriterium dar, das für die Beschreibung des Infor‐ mationsaufbaus und der Informationsgewichtung relevant ist. Ferner unter‐ scheiden sich Italienisch und Französisch unter anderem in der Anwendung von referentiellen Mitteln, die den informationsstrukturellen Status eines Refe‐ renten kennzeichnen. Während im Französischen die Verwendung von Prono‐ mina zumeist bei Referenzerhalt obligatorisch ist, gehört das Italienische zu den Nullsubjektsprachen, in denen die Kategorie »Person« morphologisch am Verb markiert wird. Dadurch kann der Erhalt eines Referenten in der Subjektrolle durch eine »leere« Subjektposition markiert werden. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie sich diese strukturellen Un‐ terschiede auf den Informationsaufbau in mündlichen Erzähltexten auswirken. Die Kernfrage lautet dabei: Korrelieren Unterschiede und Übereinstimmungen beim Informati‐ onsaufbau mit grammatisch-typologischen Eigenschaften der unter‐ suchten Sprachen? Zusätzlich zu den sprachvergleichenden Untersuchungen von monolingualen Sprechern, die Einblicke in makrostrukturelle Planungsprinzipien eröffnen, wird im Hinblick auf die Erlernbarkeit globaler Planungsprinzipien auch die Analyse bilingualer Sprecher in die Untersuchung integriert. Dabei geht es um die Frage, inwieweit frühe und späte Bilinguale jene Prinzipien erwerben, die 1. Einleitung 12 <?page no="13"?> für die Bewerkstelligung einer komplexen Aufgabe, wie sie die Produktion einer Erzählung darstellt, erforderlich sind, um einen kohärenten Text zu produzieren. Dabei geht es jedoch nicht um die Produktion von vermeintlich grammatikalisch korrekten Äusserungen, sondern um die Beschreibung jener Prinzipien, die we‐ sentliche Prozesse der Informationsorganisation steuern. Es ist bereits gezeigt worden für weit fortgeschrittene Lerner, dass bestimmte einzelsprachliche mak‐ rostrukturellen Planungsprinzipien nur schwer zu erlernen sind (vgl. Carroll et al. 2008). Trotz Korrektheit im lexikalischen bzw. grammatischen Bereich treten bei der Informationsorganisation Muster der L1 im Sinne eines Transfers zutage oder es werden lernerspezifische Muster beobachtet, die ebenfalls von den Text‐ aufbauprinzipien der Zielsprache abweichen (vgl. hierzu Carroll und von Stut‐ terheim 2003; von Stutterheim und Carroll 2007). Prinzipien der Informations‐ gliederung werden somit nicht auf der Ebene einzelner Äusserungen sondern kontextgebunden im Rahmen des Textaufbaus analysiert. Die Untersuchung von frühen und späten Bilingualen des Italienischen und Französischen ist insofern von Bedeutung, da so eine weitere Perspektive auf die Ausführung von komplexen Aufgaben und die Steuerungsgrössen bei Mak‐ roplanungsprinzipien durch diese beiden Sprechergruppen eröffnet wird. Es finden sich hier Strategien, die als bilingual-spezifisch zu definieren sind (s. zum Beispiel Flecken 2010). Abweichungen von den Mustern monolingualer Spre‐ cher beim Informationsaufbau erlauben weitere Einblicke in die Steuerungs‐ faktoren, die beim Informationsaufbau wirksam werden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empi‐ rischen Teil. Der theoretische Teil gliedert sich in vier Kapitel, die die Vielfäl‐ tigkeit der mit der Untersuchungsfrage verbundenen Themengebiete wider‐ spiegeln. Der theoretische Teil umfasst zum einen die Behandlung der Textsorte »Erzählung«, zum anderen eine Beschreibung des für die Auswertung der er‐ hobenen mündlichen Filmnacherzählungen ausgewählten Analyseinstruments. Ferner werden die Rolle, die die Grammatik bei der Makroplanung spielt, sowie das Phänomen der Zweisprachigkeit behandelt. Kapitel 2 ist der Textsorte Erzählung gewidmet, da mündliche Erzählungen die Analysegrundlage für den empirischen Teil der Arbeit liefern. Die Textsorte »Erzählung« wird in diesem Kapitel definiert (Kapitel 2.2), wobei ihre Struktur (Kapitel 2.3) und ihre Funktion (Kapitel 2.4.) im Vordergrund stehen. Eine Be‐ 1. Einleitung 13 <?page no="14"?> handlung der kognitiven Komponente beim Erzählen (Kapitel 2.5.) schliesst Ka‐ pitel 2 ab. Kapitel 3 enthält die Beschreibung des Quaestio-Ansatzes, der als Analy‐ sewerkzeug für die empirische Auswertung der Arbeit gewählt wurde. (Ka‐ pitel 3.1.). Dazu gehören auf inhaltlicher Ebene der referentielle Rahmen der Erzählung (Kapitel 3.1.1.), die Wissensbasis für die Erzeugung einer konzeptu‐ ellen Struktur (Kapitel 3.1.2.) sowie die Wahl der Perspektive für die Produktion eines Textes (Kapitel 3.1.3.). Unter den strukturellen Vorgaben wird die Gliede‐ rung des Textes in Haupt- und Nebenstruktur erläutert (Kapitel 3.2.). Das Quaestio-Kapitel enthält ferner Ausführungen zum Zusammenhang zwischen dem Quaestio-Ansatz und der Informationsstruktur. Das terminologisch um‐ fangreiche Feld der Informationsstruktur wird in einem Exkurs umrissen (Ka‐ pitel 3.3.1.) und schliesst mit der Topik-Fokusgliederung ab, wie sie mit dem Quaestio-Ansatz gehandhabt wird (Kapitel 3.3.2.). Kapitel 4 erläutert die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisa‐ tion. Behandelt werden einleitend Forschungsergebnisse, die konkrete Beispiele für die Korrelation von grammatikalisierten Kategorien und Informationsorga‐ nisation liefern (Kapitel 4.2.), die von der Grammatikalisierung z. B. von aspek‐ tuellen Kategorien über die Sequenzierung von Ereignissen (Kapitel 4.2.1.) bis zur Informationsselektion reichen (Kapitel 4.2.2.). Des Weiteren enthält Ka‐ pitel 4 Ausführungen zu den relevanten grammatikalischen Eigenschaften, die für den Vergleich Italienisch und Französisch unabdingbar sind (Kapitel 4.3.). Dazu gehören Unterscheide wie Wortstellungsmerkmale (relativ feste SVO -Stellung im Französischen gegenüber einer eher relativ freien Regelung im Italienischen (Kapitel 4.3.1.) sowie das Vorhandensein des Merkmals »Null‐ subjekt« im Italienischen aber nicht im Französischen (Kapitel 4.3.2.). Das letzte Kapitel des theoretischen Teils (Kapitel 5) ist der Zweisprachig‐ keit gewidmet. Darin werden zunächst Typen von bilingualen Sprechern un‐ terschieden (Kapitel 5.1.) sowie Variablen besprochen, die den Spracherwerb beeinflussen (Kapitel 5.2.). Der Zusammenhang zwischen Zweisprachigkeit und Kognition schliesst den theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit ab. Der empirische Teil gliedert sich in sieben Kapitel. Kapitel 6 illustriert die angewandte Methodik und erläutert das Stimulusmaterial sowie den Ablauf der Datenerhebung. Ebenso enthalten sind Details zur Transkription und zur Aufbereitung der Daten. Das Kapitel wird mit einem Überblick über die Pro‐ bandenschaft abgeschlossen. Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Anwendung von Tempus und Aspekt bei der Verknüpfung von Ereignissen. Einleitend werden Forschungsergebnisse zum Deutschen und Englischen in Bezug auf die Etablierung eines temporalen 1. Einleitung 14 <?page no="15"?> Referenzrahmens dargestellt (Kapitel 7.1.). Ausführungen zum Vergleich des italienischen und französischen Tempus- und Aspektsystems (Kapitel 7.2.) be‐ reiten auf das Kapitel 8 vor, in welchem der temporale Referenzrahmen in den Nacherzählungen des Kurzfilms Quest beschrieben wird. Das Kapitel startet mit Hinweisen auf das Analyseverfahren und die Kodierung (Kapitel 8.1.) und stellt die Ergebnisse zum Italienischen und Französischen mit einem Ausblick auf frühe und späte Bilinguale dar (Kapitel 8.2.). Kapitel 8.3. fasst die Ergebnisse zusammen. Kapitel 9 ist der Personenreferenz gewidmet. Nach einer Einführung werden referentielle Mittel im Allgemeinen (Kapitel 9.1.) dargestellt. In Ka‐ pitel 9.2. wird analysiert, welche referentiellen Mittel für die Referenz auf den Protagonisten gewählt werden, wenn dieser in der Erzählung in einem neuen Erzählabschnitt wieder eingeführt wird (die Filmnacherzählungen sind in vier verschiedene Abschnitte gegliedert, in welchen der Protagonist der Erzählung jeweils neu eingeführt werden muss). Dabei wird untersucht, wie sich die Rolle des Erzählers auf die Wahl der referentiellen Mittel auswirkt. Kapitel 9.3. be‐ schäftigt sich mit der Personenreferenz innerhalb eines Erzählabschnittes und ist auf die Rolle der Kontinuität (Referenzerhalt / Wiederaufnahme) ausge‐ richtet. Kapitel 9.4. fasst die Ergebnisse zusammen. In Kapitel 10 wird das Zusammenspiel zwischen dem Protagonisten, der einzigen belebten Entität der Erzählung, und anderen unbelebten Ent‐ itäten geschildert, die als Agens von einzelnen Handlungen als Konkurrenten des Protagonisten für die Subjektbesetzung in Erscheinung treten. Dabei wird herausgearbeitet, wie häufig diese unbelebten Entitäten erwähnt werden (vgl. 10.1.), wie diese kodiert werden (vgl. 10.2.) und unter welchen Bedingungen sie als Subjekt eines Hauptsatzes erscheinen (vgl. 10.3.). Dabei stehen die systema‐ tischen »Vorbereitungen«, die die Sprecher treffen, im Vordergrund (Art der Einführung der Entitäten in die Diskurswelt sowie die Darstellung einer Kon‐ kurrenzsituation (Topikstatus (Protagonist) oder Agens (unbelebte Entität) als Kriterium bei der Versprachlichung als Subjekt). Kapitel 10.4. fasst die Ergeb‐ nisse zusammen. Kapitel 11 beschäftigt sich mit der Verknüpfung von Ereignissen inner‐ halb der Erzählung. Nach einer allgemeinen Einleitung (11.1) wird im Beson‐ deren auf die Subordination (11.2.). und die Koordination (11.3.) als Mittel der Ereignisverknüpfung eingegangen. Kapitel 12 beinhaltet die Zusammenfassung aller erzielten Ergebnisse und endet mit einem Ausblick, der sich mit der Relevanz und Anwendbarkeit der Ergebnisse befasst. 1. Einleitung 15 <?page no="16"?> 1 Die Vergleichbarkeit der Daten wird durch den konstant gehaltenen Stimulus (nach‐ zuerzählender Kurzfilm) und durch die kontrollierten Aufnahmebedingungen sicher‐ gestellt (vgl. Kapitel 6 für eine detaillierte Beschreibung der angewandten Methode) 2. Erzählungen 2.1. Einleitung in das Kapitel Die Datengrundlage für die folgende Arbeit bilden Filmnacherzählungen. Diese Textsorte wurde zum einen gewählt, um eine Vergleichbarkeit der erho‐ benen Daten zu gewährleisten. 1 Zum anderen bildet die Textsorte Erzählung komplexe linguistische Strukturen ab, die einen Einblick in die zugrundelie‐ genden Organisationsprinzipien gewähren. Erzählungen, die aus einer »sozial erprobten Wissensorganisation« resultieren (Antos 1997: 61), stellen somit eine fruchtbare Analysebasis für die hier formulierten Forschungsziele dar, die sich an der Schnittstelle zwischen psycho- und textlinguistischen Fragestellungen platzieren. Das folgende Kapitel befasst sich mit der Textsorte Erzählung, welche für diese Arbeit von zentraler Bedeutung ist. Im ersten Unterkapitel wird die Er‐ zählung als solche definiert (Kapitel 2.1.). Es folgen Ausführungen zur Struktur (Kapitel 2.2.) im Hinblick auf ihre Komponenten und zu den Funkti‐ onen (Kapitel 2.3), die die Textsorte Erzählung erfüllt. Das Kapitel bietet ferner einen Ausblick auf die kognitiven Leistungen (Kapitel 2.4.), die sich beim Er‐ zählen vollziehen. 2.2. Definition der Textsorte »Erzählung« Erzählungen stellen seit jeher eine wesentliche Grundform von Kommunikation dar und prägen die Menschheitsgeschichte seit ihren Anfängen. Barthes und Duisit (1975) schreiben hierzu: Narrative starts with the very history of mankind; there is not, there has never been anywhere, any people without narrative. Erzählungen stellen somit eine Form des sprachlichen Handelns dar, das als international, transhistorisch und transkulturell zu betrachten ist. Jede Form der menschlichen Gemeinschaft wird geprägt von Geschichten, die in verschie‐ <?page no="17"?> denen Arten wiedergegeben und tradiert werden (vgl. Chroniken, Bilderge‐ schichten, Volkserzählungen, Interviews, Romane usw.) (Barthes & Duisit: 1975). Erzählen repräsentiert eine Schlüsselkompetenz in der menschlichen Kom‐ munikation. Das Erschaffen und Interpretieren einer erzählten Welt (vgl. den Begriff story world von Herman 2009) kommt nicht nur beim ausgewiesenen Erzählen zum Tragen, sondern auch in Situationen, in denen Menschen versu‐ chen, unorganisierte Ereignisse zu strukturieren. Erzählen stellt somit ein ord‐ nendes Prinzip dar, das eine sinnstiftende Funktion hat. Die Definition von Erzählung von Labov und Waletzky (1967: 28), die bis heute als zentral erachtet wird, beruht im Sinne der strukturierenden Funktion von Erzählungen auf der temporalen Verbindung (»temporal junction«) zwischen zwei Äusserungen wie beispielsweise in I shot and killed him. Labov und Wa‐ letzky (1967: 20) definieren eine Erzählung folglich als »one method of recapi‐ tulating past experience by matching a verbal sequence of clauses to the se‐ quence of events which actually occurred« (zum Ansatz von Labov und Waletzky siehe Kapitel 2.3.; für die strukturierende Funktion siehe Kapitel 2.4.). Es erstaunt daher nicht, dass aufgrund des breitgefächerten Anwendungsbe‐ reichs gleich in mehreren Disziplinen ein wissenschaftliches Interesse an dieser Textsorte besteht (Literaturwissenschaft, Sozialanthropologie, verschiedene Teilbereiche der Sprachwissenschaft, Politik, Rechtswissenschaft, Erziehungs‐ wissenschaft, Psychologie und vor allem Kognitionswissenschaft ). Mit der Be‐ grifflichkeit des narrative turn (Fisher 1984, Fludernik 2005) wird in dieser Hin‐ sicht die Zuwendung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften zur Textsorte Erzählung deutlich. Erzähltheoretische Ansätze werden interdiszip‐ linär angewandt, um diese universale Kommunikationsform als Analysegrund‐ lage zu nutzen (beispielsweise in der Psychotherapie im Hinblick auf das Er‐ zählen der Lebensgeschichte für diagnostische Zwecke oder im Rechtswesen in Bezug auf Zeugenaussagen). Die mit dem narrative turn verbundenen Entwicklungen verknüpfen mit der Erzählung folglich nicht nur eine Form der Kunstproduktion, die im Blickfeld der Narratologie steht, sondern beschreiben diese Textsorte als »grundlegendes Verfahren des Menschen, der Welt und dem eigenen Dasein Sinn abzugewinnen, indem Ereignisse in zeitliche und kausale Zusammenhänge eingebunden werden und so Kohärenz erzeugt wird« (Heinen 2007: 1). Besonders die Kogni‐ tionswissenschaft widmet der Textsorte Erzählung in diesem Hinblick beson‐ dere Aufmerksamkeit, um das »world making« und somit menschliche Denk‐ weisen zu ermitteln (Bruner 1986). 2.2. Definition der Textsorte »Erzählung« 17 <?page no="18"?> Die Nutzbarmachung der Erzählung für verschiedene Disziplinen impliziert, dass ihre Definitionskriterien je nach Forschungsrichtung unterschiedliche Akzentuierungen aufweisen (Gülich & Hausendorf 2000). Bei der Übertragung von erzähltheoretischen Paradigmen in andere Disziplinen, verwässern jedoch erzähltheoretische Definitionen, wie Narratologen bedauern. Gleichzeitig werden Narratologen vor die Herausforderung gestellt, die Anwendbarkeit von erzähltheoretischen Grundlagen in nicht-narratologische Kontexte sicherzu‐ stellen (Fludernik 2005). Die Erarbeitung von Definitionskriterien, die verschie‐ denen Ansätzen gerecht werden, gestaltet sich daher als herausfordernd. Auch aufgrund der Vielzahl von Erzählarten in ihren verschiedenen narrativen Dar‐ stellungsformen (mündlich vs. schriftlich, literarisch vs. alltagssprachlich sowie je nach Gattung und Textsorte) wird die Erarbeitung von Definitionskriterien erschwert (Gülich & Hausendorf 2000). Eine Definition kann daher nur auf einer abstrakten Ebene erfolgen, da Präzisierungen nur auf bestimmte, jedoch niemals auf alle Formen des Erzählens zutreffen (Gülich & Hausendorf 2000). Ryan (2007) versucht die Heterogenität der Definitionskriterien zu systema‐ tisieren und fasst sie unter drei semantischen und einer formal-pragmati‐ schen Dimension zusammen. Zu den semantischen Dimensionen der Erzählung gehören die räumliche, die zeitliche und die mentale Dimension. Räumlich bedeutet, dass die Erzäh‐ lung in einer Welt angesiedelt ist, die von ausgewiesenen Handlungsträgern (individuated existents) besiedelt ist. Zeitlich heisst, dass die erzählte Welt in einer bestimmten Zeit verankert ist, in der sich signifikante Veränderungen vollziehen. Als sogenannte rekursive Gattung (Luckmann 1986) spezifiziert die Erzählung, dass die Darstellung des Ablaufs realer oder fiktiver Ereignisse in Bezug auf den Erzählzeitpunkt zurückliegt (Gülich 2000). Veränderungen in der erzählten Welt werden dabei von physikalischen Ereignissen verursacht, die nicht habituell sind (non-habitual physical events). Mental bezeichnet, dass ei‐ nige der Handlungsträger, die die Ereignisse verursachen, intelligent Handelnde (intelligent agents) sind und somit über Geist und Emotionen verfügen. Einige dieser Ereignisse müssen willentlich von den Handelnden ausgeführt werden. In Bezug auf die formal-pragmatischen Dimensionen führt Ryan aus, dass die Ereignissequenz eine geschlossene Kette bilden muss, die zu einem Ab‐ schluss führt. Mindestens eines der erzählten Ereignisse muss als ausgewiesene Tatsache in der Erzählwelt gelten. Die Erzählung als solche muss eine für die Hörerschaft sinnstiftende Mitteilung kommunizieren. 2. Erzählungen 18 <?page no="19"?> 2.3. Zur Struktur von Erzählungen Erzählungen lassen sich in verschiedene Komponenten aufteilen, deren Orga‐ nisation hierarchisch strukturiert ist. Von der Organisation der Komponenten lassen sich bestimmte narrative Strukturen ableiten, die für die Erzählung ty‐ pisch sind. Die Struktur von Erzählungen wird hier aufgrund dreier Grundlagen skizziert: 1. Gesamtstruktur von Erzählungen 2. Strukturierende Elemente innerhalb der Erzählung 3. Struktur der Erzählung als Ergebnis einer Textplanung In Bezug auf die Gesamtstruktur von Erzählungen hat sich im Bereich der textlinguistischen Fragestellungen der Ansatz des narrativen Schemas (narrative schema) von Labov & Waletzky etabliert (vgl. den Band von Bamberg 1997, der sich mit der Nachhaltigkeit dieses Ansatzes in der Forschung auseinandersetzt). Die grundlegende Studie von Labov & Waletzky (1967) verdeutlicht einerseits, dass mündliche Erzählungen, wie oben ausgeführt, temporal aufgebaut sind, da sie durch die Verknüpfung von Ereignissen eine temporale Sequenz bilden (vgl. I shot and killed him). Andererseits werden funktionale Einheiten bestimmt, aus denen sich Ereignisse zusammensetzen. Für mündliche Erzählungen stellen Labov und Waletzky fest, dass ihre Komponenten häufig in einer bestimmten Anordnung organisiert werden. • Abstract (abstract) • Orientierung (orientation) • Komplikation (complication) • Evaluation (evaluation) • Auflösung (resolution) • Coda (coda) Im Abstract, das nicht zwingend vorhanden ist, wird ein Gesamtüberblick über den Inhalt der Erzählung angegeben. In der Phase der Orientierung werden Angaben zu Personen, Ort, Zeit und Handlungssituation gemacht, die an der dargestellten Ereignissequenz beteiligt sind (Komplikation). Die Komplikation enthält folglich einen Verweis auf eine Ereigniskette, die schliesslich in der Evaluation reflektiert wird. In der Evaluation sind Kommentare oder expres‐ sive Ausdrücke in Bezug auf die Komplikation enthalten. Auf die Evaluation folgt die Auflösung, in welcher der Ausgang der Komplikation geschildert wird. In der Coda wird die Sprecherperspektive wieder auf den Zeitpunkt der Gegenwart gelenkt und schlägt den Bogen zum Abstract zurück. 2.3. Zur Struktur von Erzählungen 19 <?page no="20"?> Um mündliche Erzählungen zu strukturieren, können grammatische, lexika‐ lische und intonatorische Mittel ausgeschöpft werden (Gülich 2004). Über gram‐ matikalische Markierungen am Verb kann in Bezug auf dargestellte Ereignisse verdeutlicht werden, welche Ereignisse als Hintergrundhandlungen bzw. als Vordergrundhandlungen zu verstehen sind (vgl. das Inzidenzschema bzw. as‐ pektuelle Oppositionen zwischen passé simple und imparfait im Französischen, vgl. hierzu Pollak 1988 und insbesondere Weinreich 1964). Zu den lexikalischen Mitteln gehören beispielsweise die sogenannten Glie‐ derungssignale, die als universales Merkmal der gesprochenen Sprache eine ordnende Funktion innerhalb des Erzählungsaufbaus haben. Durch diese Form der Gesprächswörter werden innerhalb des Textes Markierungen geschaffen, die den Anfang einer Erzählung, ihren Abschluss oder Exkurse in Bezug auf das Hauptthema signalisieren (vgl. Gülich 1970, Quasthoff 1979, Berretta 1984, Baz‐ zanella 1994). Für die Festlegung von Relevanz und für die Hervorhebung von bestimmten Komponenten innerhalb einer mündlichen Erzählung können u. a. intonatorische Verfahren genutzt werden (vgl. Gülich 2004). Weitere Ansätze für die Beschreibung der Struktur von Erzählungen beziehen eine Planungskomponente ein. Van Dijk, der in diesem Sinne eine Vorreiter‐ rolle einnimmt, setzt für Texte und somit auch für Erzählungen eine Planung voraus, die für den Sprecher semantisch fundiert, aber noch nicht linear ist. Danach besteht jeder Text aus einer Makrostruktur, die hierarchisch aufgebaut ist und sich aus Mikrostrukturen zusammensetzt. Makrostrukturen bilden zum einen den semantischen Rahmen eines Textes (van Dijk, 1972, Kintsch & van Dijk, 1978) und umfassen Propositionen, die das »Informationsskelett« des Textes bilden. Ferner konstituieren schematische Makrostrukturen die for‐ male Struktur eines Textes (Bierwisch, 1965; van Dijk, 1995). Jeder Text stellt für van Dijk das Produkt von angewandten »Makroregeln« dar, nach denen die Konstituenten eines Textes zu einem übergeordnetem Ganzen verbunden werden. Ein Text beruht in diesem Sinne auf einer »vom Sprecher program‐ mierten noch nicht linearen, semantisch basierten Struktur (…), die dann durch Transformationen schrittweise in eine Textoberflächenstruktur überführt wird« (Vater 2001: 67). Nach diesem einleitenden Kapitel, in dem Erzählungen definiert und im Hin‐ blick auf ihre Struktur beschrieben wurden, werden in den folgenden Ab‐ schnitten die Funktionen aufgezeigt, die Erzählungen innehaben. 2. Erzählungen 20 <?page no="21"?> 2 Kohärent bezieht sich hierbei zum einen auf den Inhalt der Erzählung, zum anderen auf deren Struktur (Aufbau) (Klein & Boals 2010). 2.4. Zur Funktion von Erzählungen Im obigen Abschnitt wurde bereits angedeutet, dass der interdisziplinäre Zu‐ gang zu Erzählungen ihre Funktion im Sinne einer identitäts- und kohärenzs‐ tiftenden Tätigkeit sieht. Erzählungen werden von der Tatsache gekenn‐ zeichnet, dass sie von einem dominanten Erzähler wiedergegeben werden (Gülich & Hausendorf 2000), der deutlich macht, wie er in einem interaktiven Engagement die Beschaffenheit seiner referentiellen Welt zum Ausdruck bringt. So schreibt Bamberg: The way the referential world is put together points to how tellers »want to be un‐ derstood,« how they index their sense of self. (Bamberg 2009: 140) Erzählen ist somit jene Diskursform, die »die Sinnbildungsoperation des The‐ matisierens (Erlebens) ist« (Gumbrecht 1980: 409). Durch das Erzählen wird der erlebten Welt ein Sinn verliehen, der in einer kohärenten Struktur 2 resultiert. Die kohärente Struktur ist nicht zuletzt das Ergebnis einer Verknüpfung von Ereignissen (»temporal junction« nach Labov und Waletzky 1967: 20). Diese Verknüpfung stellt eine grundlegende sowie eine ordnende Eigenschaft von Er‐ zählungen dar. Die identitätsstiftende Funktion von Erzählungen wird beson‐ ders aus der Perspektive der Psychologie untersucht. Die Kompetenz des Er‐ zählens, die vom Kindesalter an erworben wird, dient zum einen dem Aufbau der eigenen Identität, zum anderen zeigt die sogenannte narrative Identität auf, welche Verbindungen zur Gesellschaft bestehen: The stories we construct to make sense of our lives are fundamentally about our struggle to reconcile who we imagine we were, are, and might be in our heads and bodies with who we were, are and might be in the social contexts of family, community, the workplace, ethnicity, religion gender, social class, and culture (…) The self comes to terms with society through narrative identity. (McAdams 2008: 243). Gumbrecht plädiert daher für einen anthropologisch fundierten Narrations-Be‐ griff. Durch das Erzählen komme ein sinnbildender Prozess zustande, da subjektive Bewusstseinsabläufe die Ergebnisse subjektiver Erfahrungsprozesse und subjektive Motive in den intersubjektiven Raum der Kommunikation holen. (Gumb‐ recht 1980: 408-409) 2.4. Zur Funktion von Erzählungen 21 <?page no="22"?> Innerhalb dieser sinnbildenden Funktion kommt das oben erwähnte Charakte‐ ristikum zum Tragen, dass Erzählungen von menschlichen oder menschenähn‐ lichen Charakteren getragen werden. Es werden Identitäten von Handlungst‐ rägern aufgebaut, die willentlich Aktionen ausführen und Ereignisse verursachen. Die Entwicklung von Intentionalität, die sowohl den Hand‐ lungsträgern als auch den Erzählenden zugrunde liegt, liefert die notwendige mentale Voraussetzung für das Produzieren und Verstehen von Erzählungen (McAdams 2008). Diese kognitiven Prozesse werden im folgenden Abschnitt beleuchtet. 2.5. Die kognitive Komponente beim Erzählen Mit Blick auf eine Funktion von Erzählungen, die im obigen Abschnitt als sinn‐ stiftend bezeichnet wurde, wird deutlich, dass Erzählungen mit Bedeutungs‐ zuweisung verknüpft sind. Durch das Erzählen werden Erlebnisse klassifi‐ zierbar, erkennbar und erinnerbar gemacht (Nünning 2012). Aus diesem Grunde sieht Herman Erzählungen als ein Werkzeug für das Denken an und bezeichnet sie als Pattern-forming cognitive systems that organize all sequentially experienced struc‐ ture, which can then be operationalized to create tools for thinking. (Herman 2003: 171) Das grundlegende, kognitive Potential beim Erzählen ist verknüpft mit der Aus‐ wahl von Ereignissen, die in einen kausalen Zusammenhang gebracht und somit strukturiert werden (Pethes 2008). Zu den kognitiven Prozessen für die Entste‐ hung einer Erzählung gehören nach von Stutterheim und Kohlmann (2003: 466 ff): 1. Die Bezugnahme auf dynamische Sachverhalte und deren Perspektivie‐ rung im Sinne einer Wiedergabe von einzelnen Phasen eines Geschehens oder dem Geschehen als Ganzes. 2. Die Selektion von Ereignissen aus der Wissensbasis 3. Die Schaffung eines kohärenten Musters 4. Die Linearisierung im Sinne einer Übertragung der Ereignisse auf eine lineare Struktur Diese Prozesse resultieren in einer komplexen linguistischen Struktur, die men‐ tale Prozesse dieser Art abbilden. Im Zusammenhang mit kognitiven Leistungen, die für das Erzählen relevant sind, stehen Intentionalität und Vorstellungskraft 2. Erzählungen 22 <?page no="23"?> (untersucht von der analytischen Philosophie), Wahrnehmung und Kategori‐ sierung (untersucht von der kognitiven Psychologie) sowie Textinterpretation (untersucht von der Linguistik) im Vordergrund. Erzählen wird dabei stets als kognitive Fähigkeit wahrgenommen, die Einblicke in die menschlichen Denk‐ prozesse erlaubt. Die Prozesse, die der Erschaffung einer erzählten Welt (world‐ making) zugrunde liegen, sind komplex. Dies gilt besonders im Hinblick auf die Konfigurierung einer narrativen Welt, in der Bezüge zu einem WAS , WO und WANN aufgebaut werden, die miteinander verknüpft sind. Aus diesem Zusam‐ menspiel resultiert ein ontologisches Make-up, das kognitiv fundiert ist (Herman 2009). Die kognitive Komponente von Erzählungen, die in dieser Arbeit im Vorder‐ grund steht, bezieht sich auf die Konzeptualisierung von Ereignissen. Im Sinne der Bildung eines »begrifflichen Entwurfs« in der konzeptuellen Makro‐ planung (Rickheit & al. 2002: 88, Levelt 1989), die der Produktion von Erzäh‐ lungen zugrunde liegt, werden in dieser Arbeit sprachspezifische, von der Grammatik gesteuerte Präferenzen bei der Konzeptualisierung von Ereignissen beim Erzählen untersucht. Der kognitive Aspekt kommt bezüglich der Makro‐ planungsebene zum Tragen, auf deren Ebene relevante Entscheidungen für den Aufbau einer storyworld wirksam werden. Fassen wir nun dieses Unterkapitel zusammen: Es wurde verdeutlicht, dass Erzählungen eine universelle Kommunikationsform darstellen, die interdiszip‐ linär untersucht wird, da in ihr sinn-, kohärenz- und identitätsstiftende Eigen‐ schaften zum Tragen kommen, die einen Blick in kognitive Prozesse ermögli‐ chen. Der in diesem Zusammenhang bereits gefallene Begriff der Komplexität bezieht sich nicht nur auf die kognitiven Grundlagen bei der Produktion von Erzählungen, sondern auch auf ihre sprachliche Realisierung sowie ihre Ein‐ bettung in eine bestimmte kommunikative Situation. Die Analyse von derart komplexen Texten, wie Erzählungen sie darstellen, bedürfen eines klar defi‐ nierten Instrumentariums, um Planungsprozesse und sprachliche Strukturen im Hinblick auf die Informationsorganisation beschreiben zu können. Erzählungen werden in der vorliegenden Analyse im Sinne des Quaestio-An‐ satzes, der im folgenden Kapitel ausführlich behandelt wird, als eine komplexe Antwort auf eine einleitende Frage aufgefasst. Im folgenden Kapitel wird er‐ läutert, wie sich eine einleitende Frage auf den Aufbau der Erzählung auswirkt und wie der Quaestio-Ansatz als Analyseinstrument für das Datenkorpus nutzbar gemacht werden kann. 2.5. Die kognitive Komponente beim Erzählen 23 <?page no="24"?> 3. Der Quaestio-Ansatz Der Quaestio-Ansatz (vgl. Klein & von Stutterheim 1987, 1992, 2002 sowie von Stutterheim 1997) versteht einen Text und somit auch Erzählungen als komplexe Antwort auf eine explizite oder implizite Frage (= die Quaestio) im Sinne eines Redeanlasses, der die Produktion eines Textes einleitet. Die Quaestio wird als Auslöser für den Textplanungsprozess gesehen, der auf einer globalen Planung basiert (von Stutterheim und Klein 2008). Ein Erzähltext baut beispielsweise auf folgende Fragen auf: Was geschah zum Zeitpunkt tn? Was geschah zum Zeitpunkt tn +1? Was geschah zum Zeitpunkt tn +2? Was geschah zum Zeitpunkt tn +3? Die Frage schafft eine Gesamtvorstellung bzw. einen Rahmen für eine Antwort, innerhalb dessen sich der Sprecher für die Beantwortung der Frage bewegt. Die Frage hat somit als Strukturierungsgröße die Funktion, unterschiedliche Kom‐ ponenten der relevanten Informationen kontextgerecht zu verbinden (Klein und von Stechow 1982). Im folgenden Kapitel werden der Quaestio-Ansatz sowie seine Relevanz für die vorliegende Arbeit behandelt. Im Kapitel 2.3. wurde bereits auf die Struktur von Erzählungen sowohl im Hinblick auf ihren prototypischen Aufbau (vgl. narrative schema nach Labov und Waletzky 1967) als auch in Bezug auf die Makrostruktur eingegangen, die nach van Dijk (1977) der Planung eines strukturierten und kohärenten Textes zugrunde liegt. Kohärenz entsteht nach van Dijk durch die Überführung von einzelnen Sätzen in eine übergeordnete Makrostruktur. Ein Text beruht somit auf einer hierarchischen Struktur, die sich aus Makro- und Mikrostrukturen zu‐ sammensetzt (van Dijk 1977). Diese Konzeption des Textes erfasst jedoch nicht alle relevanten Eigen‐ schaften, die in folgenden Fragen thematisiert werden (vgl. von Stutterheim & Carroll 2018): 1. Wie lässt sich das Verhältnis in Bezug auf den Textaufbau zwischen Makro- und Mikrostrukturen beschreiben? 2. Inwiefern kommen beim Aufbau einer Makrostruktur einzelsprachliche Faktoren zum Tragen? <?page no="25"?> Der Quaestio-Ansatz versucht die oben erwähnten Lücken mit folgenden Mit‐ teln zu kompensieren: Der Quaestio-Ansatz führt durch eine redeeinleitende Frage (die Quaestio) einen makrostrukturellen Rahmen ein, innerhalb dessen sich Äusserungsse‐ quenzen einer Antwort auf eine gegebene Frage zu einem kohärenten Text zu‐ sammensetzen. In other words, the quaestio introduces a macro structural frame which provides suf‐ ficient criteria for the speaker to construct information at the micro-level in accor‐ dance with requirements for coherence at a global level. (von Stutterheim & Carroll 2018) Dieser Ansatz, der für die vorliegende Arbeit als Analysewerkzeug für die Un‐ tersuchung von Erzähltexten genutzt wird, bietet aus folgenden Gründen ein geeignetes Analyseinstrument für die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit: 1. Der Quaestio-Ansatz leistet einen fundamentalen Beitrag zur Integra‐ tion der makro- und mikrostrukturellen Ebene eines Textes, da sowohl die globale Organisation von Texten (vgl. Unterscheidung Vordergrund und Hintergrund oder Episodengliederung) sowie ihre mikrostruktu‐ relle Umsetzung auf Äusserungsebene (anaphorische Mittel, Wortstel‐ lung, Thema-Rhema-Gliederung) berücksichtigt wird (Klein und von Stutterheim 1992, 2002). Der Ansatz liefert in diesem Sinne Einblicke in die Art und Weise, wie Informationen in den hier zugrundeliegenden Er‐ zähltexten organisiert werden. Er verdeutlicht die Prinzipien, nach denen der Sprecher Informationen selegiert und strukturiert, um einen kohärenten Text zu produzieren. Die Quaestio stellt folglich einen Zu‐ sammenhang zwischen der Gesamtstruktur des Textes und der Informa‐ tionsorganisation einzelner Äusserungen her (Klein & von Stutterheim 1992). 2. Aufgrund des Zusammenhangs, der zwischen der globalen und lokalen Ebene der Textplanung hergestellt wird, stellt der Quaestio-Ansatz somit ein Instrument dar, um informationsstrukturelle Organisations‐ muster nicht nur auf Satzebene, sondern auch auf Textebene herausar‐ beiten zu können (was in Bezug auf informationsstrukturelle Studien noch kaum durchgeführt wird, Lambrecht 1994). 3. Als Ansatz, der sich an der Schnittstelle zwischen psycho- und textlin‐ guistischen Fragestellungen platziert, wird die Komplexität des Textpla‐ nungsprozesses ausgehend vom Sprecher betrachtet, bei dem die syn‐ taktischen, semantischen und pragmatischen »Fäden« für die Planung von Texten zusammenlaufen. Der Text wird in diesem Sinne als Ergebnis 3. Der Quaestio-Ansatz 25 <?page no="26"?> eines dynamischen Prozesses und nicht als statisches Produkt angesehen (Klein & von Stutterheim 1992). Der Sprecher trifft dabei Entscheidungen, die Einblicke in makrostrukturelle Planungsprinzipien ermöglichen. Der zentrale Ausgangspunkt für die Erfassung des Quaestio-Ansatzes beruht auf der strukturierenden Kraft, die einer redeeinleitenden Frage innewohnt. Durch eine Frage, sei sie explizit wie »Wie sieht eigentlich Euer neues Haus aus? « oder nur gedacht bzw. implizit, werden Beschränkungen für die Antwort auf‐ erlegt. Die Quaestio wirkt sich auf die folgenden textkonstituierenden Prozesse aus (von Stutterheim & Carroll 2018): 1. Selektion von Informationen, die in der Antwort verbalisiert werden. 2. Die Muster für die Kohärenzbildung und die Ereignisverknüpfung bzw. Linkage (von Klein und von Stutterheim als referentielle Bewegung be‐ zeichnet). 3. Die Informationsstruktur (Topik-Fokus-Organisation, vgl. Kapitel 3.3. für eine Diskussion der Begrifflichkeiten Topik und Fokus). Die Wahl der sprachlichen Mittel seitens des Sprechers, um innerhalb des ge‐ gebenen makrostrukturellen Rahmens seine Antwort zu spezifizieren, wird von Vorgaben beeinflusst, die als inhaltliche und strukturelle Vorgaben be‐ zeichnet werden (von Stutterheim 1997, Klein und von Stutterheim 1992, 2002). 3.1. Vorgaben der Quaestio für die Textplanung In den folgenden Abschnitten wird aufgezeigt, wie sich die Quaestio gliedernd auf die Textplanung auswirkt. Dieses strukturierende Moment der Quaestio zeigt sich anhand von Vorgaben, die die Quaestio sowohl inhaltlich als auch strukturell für einen Text macht. Die Quaestio wirkt sich auf die inhaltliche Planungsseite eines Textes aus, indem sie die Auswahl und die Organisation von Informationen beeinflusst, die in einem Text spezifiziert werden. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang drei Geltungsbereiche, in denen die Quaestio als strukturierende Kraft wirksam wird. Es handelt sich dabei um: • die Schaffung eines referentiellen Rahmens innerhalb dessen die zu spezifizierenden Informationen organsiert werden • die Auswirkung der Quaestio auf die Wissensorganisation • die Erzeugung einer Perspektive für die Darstellung 3. Der Quaestio-Ansatz 26 <?page no="27"?> Die Wahl der sprachlichen Mittel, die der Sprecher unternimmt, um innerhalb des gegebenen makrostrukturellen Rahmens seine Antwort zu spezifizieren, wird von Vorgaben beeinflusst, die als inhaltliche und strukturelle Vorgaben bezeichnet werden (von Stutterheim 1997, Klein und von Stutterheim 1992, 2002). 3.1.1. Der referentielle Rahmen Es ist zunächst festzustellen, dass durch die Quaestio ein bestimmter Sachver‐ halt für die Diskursrepräsentation eingeführt wird. Bei der Beantwortung einer Frage, sei sie explizit gestellt oder im Sinne eines impliziten Redeanlasses ge‐ meint, geht es immer um die Spezifizierung von Eigenschaften des eingeführten Sachverhalts (im Sinne einer referentiellen Spezifizierung, vgl. von Stutterheim und Carroll 2018). Durch die Quaestio wird die Bezugnahme auf den Sachverhalt gleichzeitig durch einen sogenannten referentiellen Rahmen (Klein und von Stutterheim 1987) eingeschränkt, da mit ihm Referenzbereiche festgelegt werden. Verdeutlichen wir diesen Rahmen anhand eines Beispiels. Eine explizite Frage wie »Wann seid Ihr eigentlich das letzte Mal nach Mailand gefahren? « setzt eine Antwort voraus, in der eine spezifische Zeitreferenz zum Ausdruck gebracht wird, wie in der Antwort »Wir sind vor zwei Wochen zuletzt nach Mailand gefahren«. Neben dieser explizit erfragten Zeitreferenz, findet sich in der Ant‐ wort der Bezug zu weiteren Referenzbereichen. Alle Referenzbereiche sind als konzeptuelle Domänen zu verstehen, die vom Sprecher in seiner zu spezifi‐ zierenden Antwort besetzt werden und für den gesamten Text erhalten bleiben (von Stutterheim 1997). Klein und von Stutterheim listen folgende konzeptuellen Domänen auf, auf die in Abhängigkeit der Quaestio, Bezug genommen werden kann (Klein und von Stutterheim 2002): • Der Bezug zu den Teilnehmenden am dargestellten Ereignis, nämlich jene Personen, die nach Mailand gereist sind. • Der Bezug zu einer spezifischen Aktivität, nämlich des Reisens. • Der Bezug zu einem Ort (Mailand). • Der Bezug zur bereits genannten Zeitreferenz. • Der Bezug zu einer gegeben Modalität (faktisch und nicht etwa fiktiv). Nicht in jeder Frage werden alle Referenzbereiche aufgerufen. So ist offensicht‐ lich, dass mit der Frage »Ist siebzehn eine Primzahl? « kein Bezug zu den Refe‐ renzbereichen Zeit oder Ort hergestellt wird. Festzuhalten bleibt jedoch, dass 3.1. Vorgaben der Quaestio für die Textplanung 27 <?page no="28"?> bei der Beantwortung von redeeinleitenden Fragen der Sprecher je nach Frage Referenten aus den oben genannten Domänen auswählt und sie in eine Äusse‐ rung eingliedert. Der Sprecher verfügt dabei immer über einen gewissen Spiel‐ raum für die referentielle Besetzung (beispielsweise in Bezug auf strukturelle oder lexikalische Wahlmöglichkeiten). Jedoch wirkt sich die Quaestio glie‐ dernd und beschränkend auf diese Wahlmöglichkeiten aus, da sie Vorgaben für die referentielle Besetzung macht (Klein und von Stutterheim 2002). Der durch die Quaestio eingeleitete Referenzrahmen kann folgende refe‐ rentielle Domänen bzw. Referenzbereiche umfassen, die konzeptuell sind und sich auf folgende Bereiche beziehen: • Entitäten (im Sinne der Beteiligten Personen und Objekten an einer Situation) • Prädikat (im Sinne von Zuständen, Ereignissen und Eigenschaften, die eine Situ‐ ation charakterisieren) • Zeitspannen (im Sinne eines Zeitraumes oder Zeitpunktes) • Ort • Modalität (faktisch oder fiktiv) Bei der Einbettung der Referenten in die Äusserung, geht der Sprecher nicht willkürlich vor. Es wird zunächst der Zusammenhang zwischen Entitäten und Prädikaten hergestellt, der das Kernstück der Äusserung darstellt. Die Kombi‐ nation zwischen Entität und Prädikat wird anschliessend in Bezug auf Zeit und Ort lokalisiert. Abschliessend wird die Äusserung im Hinblick auf ihre Reali‐ tätsstatus markiert (Klein und von Stutterheim 2002). 3.1.2. Die Wissensbasis Neben dem referentiellen Rahmen, der die inhaltlichen Komponenten des Ant‐ worttextes beeinflusst, ruft die Quaestio ein bestimmtes Wissen auf, das für die Beantwortung der Frage relevant ist. Dabei erzeugt der Sprecher eine konzep‐ tuelle Struktur, die vom eigenen aber auch vom Wissenstand des Hörers ge‐ prägt wird. Unter Wissen ist dabei nicht ein »neutrales Abbild der Realität« zu verstehen, sondern ein Wissen, das »seinerseits perspektivisch gebunden im Ge‐ dächtnis gespeichert« ist (von Stutterheim & Klein 2008: 228). Im Hinblick auf die Wissensbasis, die mit dem zu spezifizierenden Sachverhalt verbunden ist, unterscheidet von Stutterheim (1997) zwischen einem spezifi‐ 3. Der Quaestio-Ansatz 28 <?page no="29"?> schen und einem standardisierten Wissen. Erläutern wir diese beiden Typen von Wissen anhand eines Beispiels. Nehmen wir die Frage »Wie sieht Deine Lieblingshose aus? «. Für die Beantwortung dieser Frage wird ein spezifisches Wissen aufgerufen, das »akzidentelle, individuelle Eigenschaften« (lang und nicht kurz, Farbe, Material etc.) der Lieblingshose desjenigen enthält, an den die Frage gerichtet wurde. Gleichzeitig hat Wissen auch mit standardisiertem Wissen zu tun. Der Sprecher verfügt über eine standardisierte Vorstellung von einer Hose, die von den charakteristischen Eigenschaften einer Hose geprägt ist (Kleidungs‐ stück, das die Beine teilweise oder ganz von der Taille abwärts bedeckt etc.) (von Stutterheim & Klein 2008: 228). Der Wissensstand des Hörers wird vom Sprecher ebenfalls für den Aufbau der konzeptuellen Struktur berücksichtigt (vgl. Herrmann & Grabowski 1994). Inwieweit der Wissensstand geteilt wird liegt unter anderem am geteilten, so‐ ziokulturellen Hintergrund (denkbar sind soziokulturelle Gegebenheiten, in denen erfragte Sachverhalte nicht vorhanden sind, beispielsweise Elemente aus der regionenspezifischen Flora oder Fauna). Festzuhalten bleibt, dass der Hörer nicht mit Verlässlichkeit ein mit dem Hörer geteiltes Standardwissen antizi‐ pieren kann, da dies von Situation zu Situation variieren kann (von Stutterheim 1997). Für die hier vorliegende Fragestellung ist herauszustellen, dass die Quaestio sich auf drei Operationen auswirkt, die der Sprecher vollzieht, um auf das Wissen zurückzugreifen, das in seinem Gedächtnis gespeichert ist. Die Quaestio liefert dabei Anhaltspunkte für das Zusammenspiel von standardisiertem und spezifischem Wissen. Dabei ergeben sich Auswirkungen für: 1. die Selektion von Informationen: Welche Eigenschaften sind explizit zu benennen und welche können auf‐ grund einer angenommenen gemeinsamen Wissensbasis implizit bleiben? Mit der Selektion der Information eng verbunden ist somit auch 2. die Wahl des Detaillierungsgrades: Auf welchem Granularitätsniveau bewegt sich die Darstellung des er‐ fragten Sachverhalts? Sehr feinkörnig mit zahlreichen Verweisen auf De‐ tails oder sehr grobkörnig? Vgl. in dieser Hinsicht die verschiedenen Ant‐ wortmöglichkeiten auf die Frage »Was habt Ihr im Urlaub gemacht? «, die von »Wir sind Ski gefahren« bis hin zu einer minutiösen Beschreibung des Urlaubs reichen können. Des Weiteren wirkt sich die Quaestio aus auf 3. die Serialisierung von Teilinformationen: Der erfragte Sachverhalt wirkt sich auf die Darstellung der Teilinforma‐ tionen aus. Geht es um die Darstellung eines Ereignisses, wird eine chro‐ nologische Abfolge der Teilereignisse im Vordergrund stehen (vgl. Klein 3.1. Vorgaben der Quaestio für die Textplanung 29 <?page no="30"?> und von Stutterheim 2006, Klein 1992). Werden dagegen Objekte oder Gegenstände beschrieben, werden räumliche Relationen (x ist über y, x liegt neben y etc.) als Parameter für die Serialisierung von Teilinformati‐ onen genutzt (vgl. Carroll 1993, 1997, Kohlmann 1997). Abschliessend bleibt zu den Auswirkungen der Quaestio auf die Serialisierung anzu‐ merken, dass »mit den Eigenschaften des Sachverhalts selbst nicht die Festlegung eines Serialisierungsprinzips verbunden ist. Sie schränken le‐ diglich die Möglichkeiten ein, die prinzipiell gegeben sind« (von Stutter‐ heim 1997: 23). 3.1.3. Die Perspektive Als letzten inhaltlichen Geltungsbereich der Quaestio wird an dieser Stelle die Bedeutung der Quaestio für die Perspektive behandelt. Wir haben bislang ge‐ sehen, dass die Quaestio Vorgaben für die Schaffung eines referentiellen Rah‐ mens schafft, innerhalb dessen sich der Antworttext auf eine redeeinleitende Frage bewegt. Ebenso hat die Quaestio Auswirkungen auf die Wissensorgani‐ sation. Zu betonen ist an dieser Stelle nun, dass die Quaestio einen Sachverhalt nicht in einer neutralen Weise einführt (von Stutterheim 1997: 25), sondern stets ein bestimmter Blickwinkel bzw. eine Perspektive oder viewpoint mit der Themati‐ sierung des eingeführten Sachverhalts verbunden ist. Es geht dabei um einen subjektiven Betrachtungswinkel, der die Gültigkeit einer dargestellten Infor‐ mation auf eine bestimmte Person innerhalb eines Diskurses beschränkt (Sanders und Redeker 1996). Graumann und Kallmeyer geben folgende Defin‐ tion für Perspektive: With ‚perspective’ and ‚viewpoint’ we refer to a position from which a person or group view something (things, persons or events) and communicate their views. (Graumann und Kallmeyer 2003: 1) Jede Äusserung in einem Diskurs enthält eine Perspektive, die entweder durch grammatische Phänomene oder durch die Wahl bestimmter lexikalischer Einheiten zum Ausdruck kommt (Sanders und Redeker 1996: 290 ff.). In Bezug auf den grammatikalischen Ausdruck einer Perspektive soll hier das Beispiel des viewpoints angebracht werden. Im Falle des grammatikalischen Aspekts wird durch den viewpoint beispiels‐ weise ausgedrückt, welche temporale Eigenschaft einer darzustellenden Situa‐ tion hervorgehoben wird. Dazu schreibt Smith (1991): 3. Der Quaestio-Ansatz 30 <?page no="31"?> Aspectual viewpoints function like the lens of a camera, making objects visible to the receiver. Situations are the objects on which viewpoint lenses are trained. And just as the camera lens is necessary to make the object available for a picture, so viewpoints are necessary to make visible the situation talked about in a sentence. Selbst wenn das metaphorische Moment des »Sehens« nur bedingt für die tat‐ sächliche Erfassung von aspektuellen Kategorien nutzbar gemacht werden kann (vgl. die Kritik von Sasse 2002 und Klein et al. 2000), soll hier hervorgehoben werden, dass mit der Wahl bestimmter grammatischer Kategorien eine be‐ stimmte Perspektive auf ein Geschehen deutlich gemacht werden kann. Durch die Kodierung eines Verbs mit dem progressiven Aspekt (vgl. die Form stare + gerundio im Italienischen) wird beispielsweise zum Ausdruck gebracht, dass sich das Ereignis, auf das referiert wird, im Verlauf befindet. Die Perspektive, im Sinne einer »Blickpunkt bezogenen Verarbeitung kogni‐ tiven Materials« (von Stutterheim & Klein 2008: 220), hat folgende Auswir‐ kungen auf die sprachliche Darstellung eines Sachverhalts (von Stutterheim 1997: 24 ff.): 1. Sie schafft eine Auswahl für das Wahrnehmbare. Innerhalb des Wahrnehmbaren wird eine Menge durch die Perspektive ausgewählt. 2. Durch die Perspektive werden Relationen zwischen den beteiligten Grössen einer Konfiguration festgelegt. 3. Mit der Perspektive verleiht der Sprecher einzelnen Komponenten einer Sachverhaltsdarstellung eine bestimmte Gewichtung. Die Quaestio wirkt sich dahingehend auf die Sprachproduktion aus, die für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse ist, dass der Aufbau einer kon‐ zeptuellen Struktur immer unter einer bestimmten Perspektive erfolgen kann. Die Quaestio bestimmt Auswahl, Anordnung und Gewichtung der Informati‐ onen, die für die Darstellung eines Sachverhalts relevant sind. Zusammenfassend soll hier festgehalten werden, dass mit der Quaestio ein conceptual perspective point auf den darzustellenden Sachverhalt festgelegt wird, der in seiner Reichweite unendlich spezifiziert sein kann. Die durch die Quaestio eingeführte Per‐ spektive gilt global und bildet in gewisser Weise den default-Wert für die sprachliche Umsetzung, in der Weise, dass Abweichungen davon explizit markiert werden müssen. (von Stutterheim 1997: 26) Zu bemerken ist hierbei, dass der Sprecher jederzeit von den Vorgaben der Quaestio abweichen kann. In diesem Fall muss er allerdings in Kauf nehmen, dass der produzierte Text nicht mehr als Antwort auf eine Frage betrachtet wird 3.1. Vorgaben der Quaestio für die Textplanung 31 <?page no="32"?> und somit im Sinne der Frage auch kein kohärenter Text entsteht (von Stutter‐ heim und Klein 2008). Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten der Einfluss der Quaestio im Hinblick auf ihre inhaltlichen Auswirkungen behandelt wurde, stehen im fol‐ genden Unterkapitel strukturelle Faktoren im Vordergrund, die die Quaestio für den Antworttext macht. 3.2. Strukturelle Vorgaben: Haupt- und Nebenstruktur Die Eigenschaften, die oben in Bezug auf den referentiellen Rahmen, die Wis‐ sensbasis und die Perspektive beschrieben wurden, lassen sich nicht nur auf Erzählungen, sondern auch auf andere Texte anwenden (wie beispielsweise Be‐ schreibungen oder argumentative Texte). Diese Angaben definieren die »kon‐ stitutiven makrostrukturellen Eigenschaften eines Textes«, die, so von Stutter‐ heim und Carroll (2018), als »Gerüst« zu verstehen sind, in das Informationen auf mikrostruktureller Ebene implementiert werden. Aus diesem »Gerüst« er‐ gibt sich dann eine Auswahl an Informationen und Ausdrucksmitteln, die für jede Frage-Antwort-Konstellation angewandt werden kann. Darin enthalten sind folgende Elemente: 1. Die zu spezifizierenden Kategorien in den relevanten konzeptuellen Do‐ mänen (wie Zeit und Raum). 2. Die referentielle Bewegung innerhalb der Domänen (die Bewegung von einer Hauptstrukturäusserung zur nächsten). 3. Die Zuweisung von spezifischen Bedeutungselementen zur Topik- oder Fokuskomponente. Zu bemerken ist, dass diese Angaben die Wahlmöglichkeiten einschränken, aber dem Sprecher auch Wahlmöglichkeiten eröffnen, innerhalb derer sprachspe‐ zifische Einschränkungen wirksam werden, die in dieser Arbeit in Bezug auf die Informationsorganisation im Vordergrund stehen. In Bezug auf die bereits besprochenen konzeptuellen Domänen des referen‐ tiellen Rahmens gelten folgende strukturellen Angaben: 1. Modalität Der zugewiesene Status wird beibehalten (faktisch oder fiktiv). 2. Zeit Die einzelnen Bezüge auf die Zeit erfahren eine Verschiebung (gemäss der Anordnung der Ereignisse, auf die referiert wird) und bewirken so die Progression der Information. 3. Der Quaestio-Ansatz 32 <?page no="33"?> 3. Raum Den Raum betreffend sind die Bezüge nicht festgelegt (sie können beibe‐ halten und verschoben werden oder unspezifiziert bleiben). 4. Entitäten Bezüge auf Entitäten werden entweder eingeführt oder beibehalten. 5. Prädikate Müssen jeweils neue Informationen einführen. Sie werden im Folgenden anhand eines kurzen Textes erläutert, der auf die fol‐ gende Frage eine Antwort gibt. »Was habt ihr gestern Nachmittag eigentlich ge‐ macht? « Wir sind nach der Vorlesung in die Stadt gegangen. Ich bin noch in das Schreibwa‐ rengeschäft gegangen, Lea in die Bibliothek und Luca hat eine Eisdiele gesehen und hat dann noch Lust auf ein Eis bekommen. Das Wetter war ja zum Glück bis zum Abend noch sehr schön und warm. Dass wir auch noch Keren, Ninaund Lenny ge‐ troffen haben, war der Knaller. Kurzerhand sind wir noch ins Schwimmbad gefahren. Der Nachmittag war echt schön. Die Modalität bleibt faktisch, es geht nicht um ein fiktives, sondern um ein »reales« Ereignis. Die Bezüge auf die Zeit sind auf der Zeitachse entsprechend der chronologischen Abfolge der Ereignisse, auf die referiert wird, in Bezug aufeinander verschoben. Alle Ereignisse liegen vor dem Sprechzeitpunkt und sind als abgeschlossen zu betrachten. 1___ 2___ 3___ 4___ 5___ 6___ 1. nach Vorlesung in die Stadt fahren 2. ins Geschäft gehen 3. in die Bibliothek gehen 4. Eis essen 5. Keren, Nina und Lenny treffen 6. ins Schwimmbad gehen Die Bezüge auf den Raum, die nicht festgelegt sind, werden in diesem Beispiel verschoben: Universität, Stadt, Schwimmbad. Die Entitäten (individuelle, spe‐ zifizierte Personen) werden eingeführt (zunächst Lea und Luca, dann Keren, Nina und Lenny) und beibehalten. Die Prädikate enthalten entsprechend der Ereignisse, auf die sie referieren, jeweils neue Informationen und umfassen so‐ wohl Zustände als Ereignisse. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es in Bezug auf die struk‐ turellen Vorgaben der Quaestio um eine »strukturierte Informationsentfaltung« handelt. Die Quaestio macht Vorgaben für die Kohärenzrelationen zwischen den 3.2. Strukturelle Vorgaben: Haupt- und Nebenstruktur 33 <?page no="34"?> 1 Die Einteilung in Haupt- und Nebenstrukturen unterscheidet sich von der Vorder- und Hintergrundgliederung, wie sie oft für Erzählungen vorgenommen wird (vgl. Hopper 1979): Es werden keine morphologischen (etwa perfektive vs. imperfektive Markierung) oder syntaktischen Kriterien (Subordination vs. Koordination oder Wortstellung) für die Einteilung in Haupt- und Nebenstrukturen angewendet. Die Einteilung resultiert hingegen aus den strukturellen Vorgaben, die sich ausgehend von der Quaestio auf den produzierten Text auswirken. Auch das Kriterium der kommunikativen Wichtigkeit spielt hierbei keine Rolle, die sich im Falle von »rahmensetzenden, beschreibenden Äu‐ ßerungen« als schwer anzuwenden erweist. Die Einteilung in Haupt- und Nebenstruk‐ turen nach dem hier beschrieben Ansatz lässt sich auf verschiedene Texttypen an‐ wenden und beschränkt sich somit nicht auf Erzählungen (vgl. von Stutterheim 1997: 28 ff.). Die Zuteilung richtet sich gänzlich nach der Pertinenz der Quaestio. Äusserungen, indem Muster für die referentielle Bewegung geschaffen werden (von Stutterheim 1997). Dabei können des weiteren Haupt- und Nebenstrukturen des Textes unter‐ schieden werden. Die Hauptstruktur des Textes wird von jenen Äusserungen gebildet, die eine direkte Antwort auf die Quaestio liefern. Nebenstrukturen hingegen werden von jenen Äusserungen gebildet, die von dem Rahmen ab‐ weichen, der von der Quaestio gesetzt wird. Darunter werden Informationen gefasst, die von Stutterheim (1997: 29) als rahmensetzend und beschreibend be‐ zeichnet. Nehmen wir erneut das oben besprochene Beispiel: »Was habt ihr ges‐ tern Nachmittag eigentlich gemacht? «: 1. Wir sind nach der Vorlesung in die Stadt gegangen. 2. Ich bin in das Schreibwarengeschäft gegangen. 3. Lea ist in die Bibliothek. 4. Luca hat dann eine Eisdiele gesehen und Lust auf ein Eis bekommen. 5. Das Wetter war ja zum Glück bis zum Abend noch sehr schön und warm. 6. Dass wir auch noch Keren, Nina und Lenny getroffen haben, 7. war der Knaller. Kurzerhand sind wir noch ins Schwimmbad gefahren. 8. Der Nachmittag war echt schön. Anhand dieses Abschnitts wird deutlich, dass nicht alle Äusserungen eine Ant‐ wort auf die redeeinleitende Fragen geben. Die in kursiv abgedruckten Äusse‐ rungen wie »das Wetter war ja zum Glück bis zum Abend noch sehr schön und warm«, »war der Knaller« und »Der Nachmittag war echt schön« geben Aus‐ künfte, die nicht zur Beantwortung der Frage dienen, sondern stellen zusätzliche Informationen dar. Die Hauptstrukturäusserungen hingegen geben eine unmit‐ telbare Antwort auf die Frage und sind entsprechend des Linearisierungskrite‐ riums der chronologischen Abfolge der Ereignisse organsiert. 1 3. Der Quaestio-Ansatz 34 <?page no="35"?> 3.3. Quaestio und Informationsstruktur Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird die Informationsorganisation in Erzählungen, also in komplexen Texten und nicht auf Äusserungsebene im Vordergrund stehen (vgl. Lambrecht 1994). In den folgenden Abschnitten werden im Kapitel 3.3.1. zunächst das Gebiet der Informationsstruktur sowie der Topikbegriff in Anlehnung an die Forschungsliteratur überblicksartig dis‐ kutiert. In Kapitel 3.3.2. wird auf die Topik-Fokusgliederung in Zusammenhang mit dem Quaestio-Ansatz eingegangen, um einen Lösungsansatz für termino‐ logische Schwierigkeiten darzustellen, die sich im Bereich der informations‐ strukturellen Forschung ergeben. Der folgende Abschnitt skizziert in Form eines Exkurses diese Schwierigkeiten. 3.3.1. Exkurs: Informationsstruktur und der Topikbegriff Im Kapitel 3.3.2. wird die strukturelle Auswirkung der Quaestio behandelt, die sich auf die Topik- und Fokusgliederung innerhalb des Textes bezieht. Damit befinden wir uns in einem Kernbereich der informationsstrukturellen For‐ schung, in der aufgrund terminologischer Undurchsichtigkeiten die Handha‐ bung der Begriffe wie Topik und Fokus jedoch nicht immer eindeutig ist. Es gibt kaum eine Veröffentlichung, die sich mit der Gliederung von Informationen in sprachlichen Kontexten beschäftigt, die nicht auf die scheinbar beklagenswerte Tatsache verweist, dass die zentralen Begrifflichkeiten wie Topik und Fokus sehr heterogen verwendet werden. Levinson geht so weit, dass er dieses terminolo‐ gische Problem als Belastung für die Fachliteratur beschreibt: »Terminological profusion and confusion, and underlying conceptual vagueness plague the relevant literature to a point where little may be salvagable« (Levinson 1983: X, vgl. auch von Stutterheim 1997, Musan 2010). Bereits seit den Anfängen der informati‐ onsstrukturellen Forschung tritt diese terminologische, sich zum Teil wider‐ sprechende Vielfalt zutage (s. den Gebrauch der Begrifflichkeiten »psychologi‐ sches Subjekt« und »psychologisches Prädikat« als Vorläufer der Begriffe Topik und Fokus bei Georg von der Gabelentz 1868 und Hermann Paul 1919 / 1920, vgl. Musan 2002). Der Grund für diese terminologische Problematik liegt darin, dass verschie‐ dene informationsstrukturelle Phänomene mit denselben Begrifflichkeiten eti‐ kettiert werden, obwohl sie verschiedene Erscheinungen beschrieben. Die Be‐ zeichnung für eine Information, die bereits bekannt und kontextuell gebunden ist, wird beispielsweise derweilen unter Topik (vgl. Höhle 1982, Lambrecht 1994, Meinunger 1995), Thema (vgl. Ammann 1928, Danes 1974, Hal‐ 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 35 <?page no="36"?> 2 Folgende Begriffspaare treten auf und werden mit ähnlichen, jedoch nicht deckungs‐ gleichen Phänomen assoziiert: Thema und Rhema (Ammann 1929, Halliday 1967, Sgall 1972) Topik und Kommentar (Hockett 1958, Gundel 1985) Topik und Fokus (Höhle 1982) Thema und Fokus (Halliday 1985) Fokus und Hintergrund (Prince 1981, Vallduvì 1992) Fokus und Präsupposition ( Jackendoff 1972) Präsupposition und Assertion (Lambrecht 1994) Psychologisches Subjekt und psychologisches Prädikat (von der Gabelentz 1868, Paul 1882, 1919). 3 Auf die verschiedenen Verwendungsweisen von Topik und Fokus wird an dieser Stelle nicht eingegangen, sondern auf die Übersicht von Musan (2002) verwiesen. liday 1967, Sgall 1972) oder auch Hintergrund bzw. Präsupposition (vgl. Prince 1981, Vallduvì 1992) gefasst. Gemeint sind damit Ausdrücke, die den Ge‐ genstand für etwas liefern, worüber etwas gesagt wird (Ammann 1928, Halliday 1967). Sie sind somit von Bedeutung für die folgende Prädikation (Dik 1997), identifizierbar (Molnar 1993) und weisen somit einen hohen Grad an Vorher‐ sehbarkeit sowie eine niedrige kommunikative Dynamik auf (Firbas 1964). Informationen, die neu, unbekannt und kontextuell ungebunden sind, werden als Rhema (Ammann 1929, Halliday 1967), Kommentar (Hocket 1958, Gundel 1985) oder Fokus bezeichnet (Vallduvì 1992). Diese Informationen werden von Ausdrücken gestellt, die etwas über die Topik oder das Thema etc. darstellen. Begriffe wie Topik oder Thema sind dabei nicht etwa als Synonyme zu be‐ trachten. Je nach Autor werden verschiedene Aspekte der Informationsstruktur hervorgehoben. 2 Musan (2010: 60) fasst die Gründe für die terminologischen »Irrungen und Wirrungen«, die in besonderer Weise die Fachliteratur zur In‐ formationsstruktur prägen, folgendermassen zusammen: Was sich hier abzeichnet - die Betrachtung verschiedener sprachlicher Phänomene, die Verwendung unterschiedlicher Begriffspaare, unterschiedliche Definitionen für ein und denselben Begriff - hat sich seitdem in der Forschung weiter entwickelt, und weiter verwickelt: Es wurden mehr informationsstrukturelle Dimensionen entdeckt und untersucht; es wurden noch mehr Begriffspaare in die Diskussion eingeführt; und diese wurden munter mal so und mal anders miteinander gepaart und einmal so und einmal anders definiert. 3 Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit steht der Informationsaufbau im Vordergrund. Dabei geht es insbesondere um die Prozesshaftigkeit, die der Informationsorganisation zugrunde liegt. Für jeden produzierten mündlichen Erzähltext kann informationsstrukturell eine »fertige« Struktur beschrieben 3. Der Quaestio-Ansatz 36 <?page no="37"?> 4 Der Begriff der Informationsstruktur geht auf Halliday (1967: 200) zurück: »Any text in spoken English is organized into what may be called ‚information units’. (…) this is not determined (…) by constituent structure. Rather could it be said that the distribution of information specifies a distinct structure on a different plan. (…) Information struc‐ ture is realized phonologically by ‚tonality’, the distribution of the text into tone groups.« werden, jedoch wird in dieser Arbeit auch der Weg zum fertigen Muster, ins‐ besondere der Weg zum Subjektstatus von Entitäten einen entscheidenden Raum einnehmen. Bewusst distanzieren wir uns im empirischen Teil vom Begriff der Informa‐ tionsstruktur, 4 der von Halliday 1967 eingeführt wurde, um eine deutliche Abgrenzung zu jenen Studien zu vollziehen, in denen die Informationsgliede‐ rung im Hinblick auf einzelne Äusserungen untersucht wird (vgl. Lambrecht 1994). Weitere Begrifflichkeiten, die sich mit der Gliederung von Information im Satz beschäftigen sind zum einen die funktionale Satzperspektive, die von der Prager Schule (vgl. Danes 1974) geprägt wurde, zum anderen aber auch das information packaging (vgl. Chafe 1976). Vorgezogen wird für den empiri‐ schen Teil der Arbeit der Begriff der Informationsorganisation, der, wie bereits angedeutet, der Prozesshaftigkeit, insbesondere auf dem Weg zum Subjektstatus von Entitäten, gerechter wird. Im Folgenden werden einleitend Grundgrössen für die Beschreibung der In‐ formationsorganisation behandelt. Dabei wird ein knapper forschungsge‐ schichtlicher Überblick gewährt, der auch auf Studien zur Informationsstruktur auf Äusserungsebene verweist, da diese forschungsgeschichtlich den Ausgangs‐ punkt für informationsstrukturelle Untersuchungen für komplexere Texte wie Erzähltexte darstellen, wie sie hier empirisch behandelt werden. Wenn von Informationsstruktur oder Informationsorganisation die Rede ist, geht es um die Art und Weise wie Informationen in einer Äusserung oder in einem Text »verpackt« werden, um den kommunikativen Anforde‐ rungen in einem bestimmten Kontext gerecht zu werden. Sprecher versehen demnach ihre Äusserungen durch den Einsatz von syntaktischen, morphologi‐ schen oder prosodischen Mitteln mit einer bestimmten Struktur. Sie verpacken sie folglich auf eine bestimmte Art und Weise, um die darin enthaltenen Infor‐ mationen an den Informationsstand des Hörers anzupassen (Engdahl und Vall‐ duví 1996, Musan 2010). Die gewählte Enkodierung, die ein Sprecher vornimmt, stellt immer eine Auswahl an verschiedenen sprachlichen Strukturen dar, die einen bestimmten kommunikativen Effekt erzielt (Foley 1994). Ziel eines solchen kommunikativen Effektes ist es, beispielsweise bestimmte Aspekte einer Botschaft (= Informati‐ 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 37 <?page no="38"?> onen) einer Äusserung in den Vordergrund oder in den Hintergrund zu rü‐ cken und sie als alte oder neue Informationen zu deklarieren (dazu später mehr). Dieser beabsichtigte, kommunikative Effekt geht von Hypothesen aus, die der Sprecher über den Wissensstand des Hörers anstellt und entsprechend anpasst. Prince (1981: 224) drückt diese Anpassung an den Informationsstand des Hö‐ rers plastisch mit dem »Zuschneiden« der Äusserung auf den Hörer aus: On all levels the crucial factor appears to be the tailoring of an utterance by a sender to meet the particular assumed needs of the intended receiver. That is, information packaging in natural language reflects the sender’s hypotheses about the receiver’s assumptions and beliefs and strategies. Der Begriff des information packaging geht zurück auf Chafe (1976), der be‐ tont, dass für den Linguisten in erster Linie die Muster der linguistischen Ver‐ packung von Informationen im Vordergrund stehen und nicht die Information selbst. Durch die Auswahl, die der Sprecher für die Kodierung oder das »pack‐ aging« der Informationen trifft, treten seine eigenen Vermutungen bezüglich des Wissenstandes des Hörers zutage: [The phenomena at issue] have to do primarily with how the message is sent and only secondarily with the message itself, just as the packaging of toothpaste can affect sales in partial independence of the quality of the tooth paste inside (…). The statuses to be discussed here have more to do with how the content is transmitted than with the content itself. Specifically, they all have to do with the speaker’s assessment of how the addressee is able to process what he is saying against the background of a particular context (…). Language functions effectively only if the speaker takes account of such states in the mind of the person he is talking to. (Chafe 1976: 27-28) Mit dieser ersten Annäherung an eine Definition von Informationsorganisation wird deutlich, dass es bei der Gliederung von Informationen im Prinzip um zwei Ebenen geht: 1. Zum einen geht es um eine sprachliche Ebene, die Mittel für die Verpa‐ ckung von Informationen zur Verfügung stellt (Syntax, Morphologie, Prosodie). Es handelt sich dabei um Optionen, die ein Sprecher hat, um ein und denselben Sachverhalt je nach kommunikativen Erfordernissen in unterschiedlichen Kontexten darzustellen (Andorno 2003). 2. Zum anderen geht es um eine aussersprachliche, konzeptuelle, psy‐ chologische Ebene, die die Hypothesenbildung des Sprechers in Bezug den Status von Informationen beim Hörer betrifft. Zu dieser psychologi‐ schen Ebene gehören »ausserlinguistische kognitive oder ‚mentale’ Zu‐ 3. Der Quaestio-Ansatz 38 <?page no="39"?> 5 Die Aussage von Féry über die mentalen Zustände lehnt sich an die Definition von state of affair nach Dik (1997) an: »Something that can be said to occur, take place, or obtain in some world; it can be located in time and space; it can be said to take certain time (have a certain duration); and it can be seen, heard, or otherwise perceived.« (Dik 1997: 51) stände der Referenz, wie Aktion, Örtlichkeit oder auch Zeitlichkeit« (Féry 2010: 2). 5 Es wird deutlich, dass sich das Feld der Informationsorganisation an der Schnitt‐ stelle von verschiedenen linguistischen Disziplinen befindet: Aspekte der Gram‐ matik, der Pragmatik, der formalen Semantik und der Diskursanalyse werden berücksichtigt (Chini 2010: 9). Lambrecht betont jedoch in seinen Ausführungen, dass die psychologische Komponente, die der Informationsorganisation zugrunde liegt (Lambrecht ver‐ wendet den Begriff Informationsstruktur) und sich auf die Hypothesenbildung in Bezug auf die »mental states« des Hörers bezieht, nur dann relevant ist, wenn sie sich auch in grammatischen Strukturen widerspiegelt: Information is NOT concerned with psychological phenomena which do not have correlates in grammatical form. (Lambrecht 1994: 3) Damit verankert Lambrecht die Informationsstruktur in einem grammatischen Rahmen und folgt somit Traditionen wie beispielsweise denen der Prager Schule (vgl. Daneš 1966), die die Informationsstruktur als eine der drei Ebenen der Grammatik ansehen (vgl. auch Fillmore 1976) und gelangt so zu folgender De‐ finition von Informationsstruktur: That component of sentence grammar in which propositions as conceptual represen‐ tations of states of affairs are paired with lexikogrammatical structure in accordance with the mental states of interlocutors who use and interpret these structures as units of information in given discourse contexts. (Lambrecht 1994: 5) Der oben zitierte Ansatz findet in der vorliegenden Arbeit insofern eine Ent‐ sprechung, dass nicht nur der grammatische Ausdruck von Informations‐ struktur im Vordergrund steht, sondern auch, dass die »grammatikalische Aus‐ stattung« einer Sprache, sprich die grammatikalisch-typologischen Eigenschaften wie das Vorhandensein eines Nullsubjekts oder bestimmter Wort‐ stellungsregeln, sich in spezifischer Weise auf die Informationsorganisation auswirkt. Nichtsdestotrotz ist es für die Beschreibung von Informationsorganisation von Bedeutung, die konzeptuellen, psychologischen oder kognitiven Kategorien zu behandeln. Féry (2010: 2) verdeutlicht, wie sich die aussersprachlichen und 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 39 <?page no="40"?> 6 Gundel (2003) stellt den Begriff information status als alternativen Begriff zur Infor‐ mationsstruktur dar. innersprachlichen Aspekte bedingen, auch wenn von Lambrecht die ausser‐ sprachlichen Aspekte den sprachlichen untergeordnet werden: Diese kognitiven und aussersprachlichen Aspekte der Informationsstruktur sind ent‐ scheidend, da sie sich an den grammatischen Bausteinen beteiligen, die die informa‐ tionsstrukturellen Kategorien wiederum implementieren. Nachdem nun die beiden Ebenen der informationsstrukturellen Beschreibung hervorgehoben wurden (die sprachliche und die aussersprachliche, konzeptuelle Ebene) soll an einem Beispiel aus Lambrecht (1994) verdeutlicht werden, wie der gleiche Sachverhalt im Italienischen mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln in Bezug auf den Status 6 der darin enthaltenen Informationen variiert werden kann: a) La mia macchina si è ROTTA . b) È la mia MACCHINA che si è rotta. c) Mi si è rotta la MACCHINA . Ohne im Moment im Detail auf einzelne informationsstrukturelle Kategorien einzugehen, soll anhand der Beispiele aus Lambrecht verdeutlicht werden, welche Einheiten in den obigen Beispielsätzen hervorgehoben werden und somit entsprechend der Kommunikationsabsicht in den Fokusbereich ver‐ schoben werden (zu der Begrifflichkeit Fokus später im Einzelnen). Lambrecht unterscheidet zunächst zwischen drei Typen von Hervorhe‐ bungen: Hervorhebung des Prädikats (predicate focus), Hervorhebung einer Konstituente (argument focus) und Hervorhebung einer ganzen Äusserung (sentence focus) (Lambrecht 1994: 15 ff.). Im Beispiel a) liegt der Fokus auf dem Prädikat. Es wird hervorgehoben, dass das Auto kaputt gegangen ist und nicht etwa gestohlen wurde. In b) liegt der Fokus auf der Nominalphrase (Argument) und es wird hervorgehoben, dass das Auto und nicht etwa der Rasenmäher kaputt gegangen ist. Im Beispiel c) wird die ganze Äusserung hervorgehoben ohne einzelne Einheiten zu fokussieren. Obwohl alle drei Sätze den gleichen Sachverhalt ausdrücken, unterschieden sie sich jedoch in Bezug auf ihren informationellen Wert für den Hörer, den der Sprecher aufbauend auf seine Hypothesen präsupponiert. Sehr verkürzt kann in Bezug auf den angenommenen Wissensstand des Hörers ausgedrückt werden, dass in a) dem Hörer das Auto bekannt ist, in b) dem Hörer bekannt ist, dass etwas kaputt gegangen ist. 3. Der Quaestio-Ansatz 40 <?page no="41"?> Je nach Kontext wird somit verdeutlicht, welchen Status die Informationen in den genannten Äusserungen haben. Die gewählte formale Struktur wird dabei von den pragmatischen Funktionen der Äusserungen begründet. Kanonische Wortstellungsregeln werden verändert, um Erfordernissen des Diskurses ge‐ recht zu werden (Lambrecht 1994: 24-25). Je nach Kontext können sich somit Informationen voneinander unterscheiden. So schreibt Musan (2006: 200): Die Informationsstruktur versucht nun unter anderem zu erfassen, dass der Satz nicht nur eine bestimmte Information ausdrückt, sondern auch im konkreten Informati‐ onsfluss zwischen einem ‚Sprecher’ und einem ‚Hörer’ im weiteren Sinne bestimmte Informationen übermittelt. Die Informationen, die ein Satz ausdrückt, und die Infor‐ mationen, die der übermittelt, können sich voneinander unterscheiden. Die Begriffe Informationsstruktur oder Informationsorganisation stellen somit einen Überbegriff für verschiedene Konzepte dar, die den »Statuts von Indivi‐ duen und den Status von Informationen über ihre Eigenschaften« (Musan 2006: 1999) unter Zuhilfenahme von bestimmten sprachlichen Mitteln beschreiben. Für Chini (2010: 9) steht der Begriff Informationsstruktur für die sprachliche Kodierung von zentralen Dichotomien wie topic vs. comment oder focus vs. background. In dieser Arbeit ist die Diskussion und Problematisierung der Forschungsli‐ teratur nicht beabsichtigt. Da ohnehin die Informationsorganisation in Erzäh‐ lungen, also in komplexen Texten und nicht auf Äusserungsebene im Vor‐ dergrund steht, werden an dieser Stelle für die Informationsstruktur auf Äusserungsebene nur anhand eines Autors, nämlich Lambrecht (1994), grund‐ legende informationsstrukturelle Kategorien behandelt. Dabei handelt es nach Lambrecht um die Begrifflichkeiten: • Präsupposition und Assertion • Identifizierbarkeit und Aktivierung • Topik und Fokus Für Lambrecht (1994: 6) sind die wichtigsten informationsstrukturellen Kate‐ gorien Präsupposition und Assertion, Identifizierbarkeit und Aktivierung sowie Topik und Fokus. Bei dem ersten Begriffspaar Präsupposition und Assertion geht es um die Strukturierung von Äusserungen durch den Sprecher in Bezug auf Elemente der Äusserung, die dem Hörer bekannt bzw. unbekannt sind. Die Präsupposition beschreibt die Annahme über bekanntes Wissen, wäh‐ rend die Assertion neue Informationen übermittelt. 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 41 <?page no="42"?> 7 Spaltsätze stellen für das Italienische ein wichtiges Instrumentarium für die Topikali‐ sierungs-prozesse dar, die an dieser Stelle nicht vertieft werden. Vgl. hierzu Milano (2003). PRAGMATIC PRESUPPOSITION: The set of propositions lexikogrammatically evoked in a sentence which the speakers assumes the hearer already knows or is ready to take for granted at the time the sentence is uttered. PRAGMATIC ASSERTION: The proposition expressed by a sentence which the hearer is expected to know or take for granted as the result of hearing the sentence uttered. (Lambrecht 1994: 52) Entscheidend ist, dass pragmatische Präsupposition und Assertionen mit gram‐ matikalischen Mitteln kodiert werden. Lambrecht (1994: 53) verdeutlicht dies am folgenden Beispielsatz: I finally met the woman who moved in downstairs. Anhand des obigen Beispielsatzes zeigt Lambrecht auf, dass der Gebrauch des bestimmten Artikels auf folgende Annahme des Sprechers hindeutet: Der Hörer wird in der Lage sein, den Referenten der definiten Nominalphrase (= the woman) zu identifizieren. Diese Annahme oder Präsupposition beruht auf einem Wissenstand, den der Sprecher mit dem Hörer teilt; ein geteilter Wissenstand (»shared knowledge«) wird präsupponiert und wird mit Hilfe von lexikogram‐ matikalischen Mitteln zum Ausdruck gebracht (Lambrecht 1994: 53). In most cases, differences in pragmatic presupposition will correspond to differences in grammatical form. (Lambrecht 1994: 64) Am deutlichsten kann die Unterscheidung von Präsupposition und Assertion anhand von Spaltsätzen verdeutlicht werden: It is my keys that I lost. (Lambrecht 1994: 70) Die Präsupposition betrifft die Annahme, dass der Hörer weiss, dass ich etwas verloren habe. Die Assertion betrifft die für den Hörer neue Information, dass es sich bei dem verlorenen Gegenstand um meine Schlüssel handelt. 7 Eng verbunden mit den Begriffen Präsupposition und Assertion sind die Ter‐ mini der Identifizierbarkeit (identificabilty) und der Aktivierung (activation) von Referenten, die präsupponiert oder assertiert werden. Lambrecht (1994: 77) führt aus, dass für in den Diskurs eingeführte Referenten eine Art Akte angelegt wird, die im Laufe der Konversation mit weiteren Informationen gefüllt wird und auf die Hörer zurückgreifen können. 3. Der Quaestio-Ansatz 42 <?page no="43"?> The creation of such a new discourse representation for the addressee can be compared to the establishment of a new referential ‚file’ in the discourse register, to which further elements of information may be added in the course of conversation and which can be reopened in discourse. Ob Referenten identifizierbar oder nicht identifizierbar sind, hängt damit zu‐ sammen, ob sie neu, »brand-new« in den Diskurs eingeführt worden sind oder bereits aktiv sind. Die kognitiven Dimensionen der Identifizierbarkeit und Ak‐ tivierung der Referenten gehen zurück auf Chafe (1987), der die »Zugänglich‐ keit« von Referenten im Hinblick auf den kognitiven Aufwand beschreibt, der zu ihrer Aktivierung führt. Lambrecht (1994: 165) beschreibt die Korrelation zwischen Identifizierbarkeit und Aktivierung mit einer Akzeptabilitätsskala (s. Abb. 8, S. 124), die er basierend auf den kognitiven Bemühungen für die Identi‐ fizierung von Referenten im Hinblick auf ihre Akzeptabilität beschreibt: Akti‐ vierte Referenten weisen die höchste Akzeptabilität auf; nicht in den Diskurs verankerte, neue Referenten weisen die niedrigste Akzeptabilität auf. Eine weitere, zentrale Kategorie der Informationsinformation ist die Dicho‐ tomie Topik und Fokus, wobei dem Topikbegriff in der Forschungsliteratur am meisten Raum gewidmet ist. Lambrecht definiert ihn folgendermassen: A referent is interpreted as the topic of a preposition if in a given situation the pro‐ position is construed as being about this referent, i.e., as expressing information which is relevant to and which increases the addressee’s knowledge of this referent. (Lamb‐ recht 1994: 131) Chini (2010) fasst weitere Interpretationen von Topic zusammen, die in der For‐ schungsliteratur auf Satzebene zumeist angewandt werden: • Topic im Sinne einer aboutness (Begriff eingeführt von Reinhart 1981), indem Topic das ausdrückt, worüber der Sprecher etwas sagt (vgl. Dik 1978, Molnar 1988). • Topic im Sinne des ersten Elements eines Satzes (vgl. Halliday 1967). • Topic im Sinne des grammatischen Subjekts bzw. einer bestimmten syn‐ taktischen Funktion (vgl. Rizzi 1997). • Topic im Sinne eines frames für die Verankerung einer Äusserung (Chafe 1976, Stark 1997). Da sich der Umgang mit dem Topikbegriff mitunter schwierig gestaltet, lehnt sich die vorliegende Arbeit an die Interpretation des Topikbegriffs an, wie er im Quaestio-Ansatz verwendet wird. Im folgenden Abschnitt wird dieser behan‐ delt. 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 43 <?page no="44"?> 3.3.2. Die Quaestio und die Topik- Fokusgliederung Entscheidend bei den Begrifflichkeiten Topik und Fokus, wie sie im Zusam‐ menhang mit dem Quaestio-Ansatz verwendet werden ist, dass die Begriffe sich auf den Inhalt einer Äusserung beziehen und nicht auf einen sprachlichen Aus‐ druck, der gebraucht wird, um einen Inhalt auszudrücken. Die Begriffe Topik und Fokus, wie wir sie hier verwenden, beziehen sich auf die kon‐ zeptuelle Struktur, die einer Äusserung zu Grunde liegt, sie sind für die Ebene der Diskursrepäsentation definiert. Sie beziehen sich nicht auf die sprachlichen Formen, die die Diskursrepräsentation zum Ausdruck bringen. Man muss deshalb zwischen Topik und Topikausdruck und Fokus und Fokusausdruck unterscheiden. (von Stut‐ terheim 1997: 36) Die Tatsache, dass hierbei von der sprachlichen Form abgesehen wird, vermeidet laut von Stutterheim (1997: 35) eine zirkuläre Definition, in der die Funktion eines Ausdrucks durch seine Form erklärt wird. Durchbrochen wird diese Hand‐ habung durch eine Quaestio, die, wie oben erläutert, eine inhaltliche Vorgabe für den Text macht, indem eine bestimmte Situation in Verbindung mit einem bestimmten Referenzrahmen eingeführt wird, innerhalb dessen konzeptuelle Domänen wie Zeit, Raum und Prädikat zu besetzen sind. Die inhaltlichen Kom‐ ponenten, die in der Antwort beibehalten werden (und somit auf gewisse Weise durch die Frage in irgendeiner Weise »bekannt« sind), bilden die Topikkompo‐ nente der Antwort. Gleichzeitig eröffnen diese Komponenten auch eine »Lücke«, die der Sprecher füllen muss, indem er explizite Angaben zu den un‐ terschiedlichen konzeptuellen Domänen macht. Die »Füllung« dieser Lücke mit spezifizierten Angaben bildet die Fokuskomponente der Antwort und enthält »neue« Informationen. Bei der Frage »Wann seid ihr zuletzt nach Mailand gefahren? « werden kon‐ zeptuelle Domänen wie Raum (Mailand), Agens (derjenige der gefragt wird samt Anhang), Prädikat (fahren) und eine Zeitangabe (Menge aller möglichen Zei‐ träume, in den die Reise angetreten wurde) aufgerufen, die in der Antwort bei‐ behalten werden. Diese bilden als Topik die Menge jener Elemente, die Alter‐ nativen für die Antwort eingrenzen. Es geht darum, WANN (Zeit) der Befragte nach MAILAND (Raum) GEFAHREN (Prädikat) ist, und NICHT wann er bei‐ spielsweise zuletzt in Rom Spaghetti gegessen hat. Die Topik setzt in diesem Sinne einen Rahmen (Stutterheim 1992), der beschränkend wirkt. Es wird in der Antwort auf eben jene konzeptuellen Domänen Bezug genommen, die jedoch noch weiter spezifiziert werden, beispielsweise durch die Antwort »Wir sind im Mai zuletzt nach Mailand gefahren«. Der Sprecher wählt aus den Alternativen 3. Der Quaestio-Ansatz 44 <?page no="45"?> aus und bildet die Fokuskomponente der Antwort (Klein und von Stutterheim 2008). Im Quaestio-Ansatz wird als Topikkomponente somit die Menge der Alter‐ nativen bezeichnet, die die referentielle Besetzung der konzeptuellen Domänen durch die Schaffung eines referentiellen Rahmens eingrenzt. Was darin spezi‐ fiziert wird, bildet die Fokuskomponente. Die Quaestio legt also Topikbedingungen (TB) und Fokusbedingungen (FB) für den Antworttext fest. (von Stutterheim 1997: 38) Doch wie wird der Topikbegriff gehandhabt, wenn es sich nicht um eine einzelne Äusserung, sondern um einen ganzen Text handelt, wie beispielsweise im Fall von Erzähltexten, die die Grundlage der vorliegenden empirischen Analysen bilden? Die Funktionen von Topik und Fokus unterscheiden sich im Hinblick auf die Informationsstrukturierung in einzelnen Äusserungen und komplexen Texten nicht. Der Unterschied liegt in der Komplexität der referentiellen Struktur. In unserem Beispiel »Wann seid ihr zuletzt nach Mailand gefahren« wird lediglich eine Zeitangabe erfragt, die durch die Antwort zu spezifizieren ist. Nehmen wir nun eine Frage, die einen ganzen narrativen Text einleitet wie »Was ist Dir im Urlaub denn passiert? «. Hierbei geht es darum, dass der Sprecher eine referen‐ tielle Struktur aufbaut, die über mehrere Äusserungen hinweg vom Sprecher entwickelt wird. »Jeder einzelne Referent ist in der zugrundeliegenden Sachver‐ haltsrepräsentation verankert und die Quaestio führt Beschränkungen dafür ein, welche Referenten zu spezifizieren sind und wie die referentielle Verknüpfung zu leisten ist« (von Stutterheim 1997: 38). Mit einer redeeinleitenden Frage wird ein komplexes Ereignis aufgerufen, das als Makroereignis bezeichnet wird (s. von Stutterheim und Carroll 2018). Der Sprecher muss dieses Makroereignis nun in eine Reihe von Teilereignissen un‐ tergliedern, die in Bezug auf drei Bereiche lokalisiert werden müssen: 1. Lokalisierung innerhalb eines Zeitintervalls t1, das Teil des Zeitintervalls des Makroereignisses ist. 2. Lokalisierung innerhalb eines Makroraums (macro space, sm) 3. Lokalisierung in einer realen Welt (wfac) Durch diese Lokalisierung kann die Quaestio, die für einen ganz Text gilt, in verschiedene Subquaestiones unterteilt werden, für die folgenden Topikbedin‐ gungen gelten (Carroll und von Stutterheim 2018): 1. Was geschah Dir zum Zeitpunkt t1 innerhalb des Raumes sm und in wfac? 2. Was geschah Dir zum Zeitpunkt t2 innerhalb des Raumes sm und in wfac? 3.3. Quaestio und Informationsstruktur 45 <?page no="46"?> 3. Was geschah Dir zum Zeitpunkt t3 innerhalb des Raumes sm und in wfac? Aus den Subquaestiones lassen sich folglich die Topik- und Fokuskomponenten ableiten. Das vorliegende Kapitel hat das Analyseinstrument des Quaestio-Ansatzes dargelegt, der eine Text / Erzählung als komplexe Antwort auf eine Frage behandelt. Die Frage macht dabei Vorgaben, die sowohl inhaltlicher (Auswahl des referentiellen Rahmens, Wissensbasis und Perspektive) als auch struk‐ tureller Art (Gliederung in Haupt- und Nebenstrukturen, Topik-Fokusglie‐ derung) sein können und den Text massgeblich beeinflussen. Von besonderer Bedeutung ist der Zusammenhang zwischen Quaestio und Informations‐ struktur, der in einer spezifischen Topik-Fokus-Gliederung mündet. 3. Der Quaestio-Ansatz 46 <?page no="47"?> 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation Wie in der Einleitung zu dieser Arbeit verdeutlicht wurde, liegt das Hauptau‐ genmerk der vorliegenden Studie auf der Untersuchung des Informations‐ aufbaus und der Informationsorganisation in italienischen und französi‐ schen, narrativen, mündlichen Texten. Die fundamentale Leitlinie für den zugrundeliegenden Analyseansatz beruht auf den Einflüssen, die einzelsprach‐ liche grammatikalische Faktoren (wie Nullsubjekt oder Wortstellungsregeln) auf die Informationsorganisation in mündlichen, narrativen Texten ausüben. Es wird daher in den folgenden Analysen jedes ermittelte Organisationsmuster im Hinblick auf die grammatikalischen Steuerungsgrössen untersucht, die beim Aufbau dieses Musters eine Rolle spielen. Im ersten Unterkapitel wird die Rolle der Grammatik für die Informations‐ organisation diskutiert und dabei der theoretische Rahmen, innerhalb dessen sich die vorliegende Studie bewegt, aufgespannt. Dafür ist es unabdingbar, Pro‐ zesse der Sprachproduktion, die von der Grammatik beeinflusst werden, zu er‐ läutern (dies erfolgt im zweiten Unterkapitel). Im dritten Unterkapitel werden sprachspezifische Auswirkungen auf die Sprachproduktion konkretisiert, indem anhand von drei Themenbereichen Forschungsergebnisse dargelegt werden, die in diesem Zusammenhang erzielt wurden. Behandelt werden erstens die tem‐ porale Sequenzierung von Ereignissen, zweitens der Umgang mit Entitäten und drittens Subordinationsmuster. Ein kurzer Ausblick auf die Ergebnisse ent‐ sprechender Untersuchungen bei L2 Sprechern stützt dabei das Postulat, dass einzelsprachliche grammatikalisierte Kategorien bei der Textplanung relevant sind. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Ausblick auf jene grammatikali‐ sierten Kategorien, die für den Vergleich des Italienischen mit dem Französi‐ schen von Bedeutung sind. 4.1. Die Grammatik als steuernder Faktor für die Informationsorganisation Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, wie sich die Grammatikalisie‐ rung bestimmter Kategorien auf den Informationsaufbau auswirkt. Die Rolle grammatikalischer Strukturen wurde bei Nacherzählungen von Kindern ver‐ <?page no="48"?> schiedener Sprachen (Englisch, Spanisch, Deutsch und Hebräisch) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Perspektive, mit der Ereignisse konzeptualisiert werden, mit typologischen, einzelsprachlichen Charakteristika korreliert (Berman & Slobin 1994, Slobin 1991, 1996, 2000). Neuere Untersuchungen zeigen, dass es mehrere Ebenen der kognitiven Ver‐ arbeitung gibt, die dem sprachlichen Ausdruck gegenüberzustellen sind. Einige dieser Ebenen sind sprachbezogen, da sie eine Inhaltsplanung für den sprachli‐ chen Ausdruck implizieren (von Stutterheim und Carroll 2005). Der Ansatz thinking for speaking von Slobin (1991, 1996) zeigt anhand grammatikalischer Strukturen mentale Prozesse auf, die bei der Formulierung von sprachlichen Ausdrücken ablaufen und auf eine sprachabhängige Inhaltsplanung hindeuten. Zweifel am Einfluss einzelsprachlicher Merkmale auf das Denken zeigen sich jedoch in Aussagen wie dieser von Levelt (1989: 103-104): It is highly unlikely (…) that English and Dutch speakers perceive distance to ego differently than Spanish and Japanese speakers. Dennoch plädiert Slobin (2003: 2) dafür, Hinweise auf sprachspezifische Wir‐ kungsweisen auf die Wahrnehmung von aussersprachlichen Ereignissen zur Kenntnis zu nehmen: It is, of course, exceptionally difficult to determine how people ‚really’ represent si‐ tuations to themselves; furthermore, ‚weak, undramatic’ effects are not without scien‐ tific interest. I wish to argue that serious study of language in use points to pervasive effects of language on selective attention and memory for particular event characte‐ ristics. Die vorliegende Arbeit schliesst sich in diesem Sinne an die Ergebnisse von Slobin an. Im Vordergrund stehen einzelsprachliche grammatikalisierte Struk‐ turen, die für den Aufbau einer Informationsstruktur eine zentrale Rolle spielen. Sie sind für die Informationsgliederung von zentraler Bedeutung, da sie not‐ wendigerweise berücksichtigt werden. Es werden daher Kategorien untersucht, die bei der Textplanung für den Sprecher als obligatorisch einzustufen sind. Es konnte in einer Reihe sprachvergleichender Untersuchungen nachge‐ wiesen werden, dass einzelsprachliche, grammatikalisierte Kategorien be‐ stimmen, wie Sprecher bei Objektbeschreibungen (Carroll 1993, 1997; Car‐ roll / von Stutterheim 1993) Erzählungen (von Stutterheim, Carroll und Klein 2003; Carroll und Lambert 2003; von Stutterheim und Carroll 2005; von Stut‐ terheim, Flecken und Carroll 2013), sowie bei der Beschreibung von Bewe‐ gungsereignissen (von Stutterheim und Nüse 2003; von Stutterheim et al. 2012) sprachspezifisch vorgehen. Dass die Informationsorganisation von Sprache zu 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 48 <?page no="49"?> Sprache unterschiedlich gehandhabt wird, wird daher nicht nur als Ergebnis von erworbenen einzelsprachlichen Diskurstraditionen oder Stilmustern gesehen, sondern kann, wie es die empirischen Ergebnisse zeigen, auf die Einwirkung von bestimmten grammatischen Faktoren auf den Sprachproduktionsprozess zurückgeführt werden. Bei Erzählungen, wie sie im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit unter‐ sucht werden, werden unterschiedliche Prinzipien des Informationsaufbaus im Italienischen und im Französischen im Hinblick auf Unterschiede analysiert, die sich auf den Einfluss bestimmter grammatischer Kategorien zurückführen lassen. Es wird der Ansatz verfolgt, dass eine Sprache mitsamt ihrer grammati‐ kalischen Ausstattung (vgl. beispielsweise Grammatikalisierung von aspektu‐ ellen Oppositionen, Wortstellungsregeln) massgeblich die Art und Weise beein‐ flusst, wie ein Sprecher Informationen auswählt, die er zum Ausdruck bringen möchte und wie er diese Informationen miteinander verknüpft. Unterscheide in der Informationsgliederung korrelieren daher auf systematische Art und Weise mit grammatikalisierten begrifflichen Kategorien (von Stutterheim und Carroll 2005). So grammatical form is not viewed in the present context as an autonomous system of independent of meaning, but as one which embodies a system of meanings that is treated in a given language as particularly important or essential in the interpretation and conceptualization of reality. (Carroll and Lambert 2003: 267) Ein Ziel dieser Arbeit ist es, die Erzählung als Produkt, das mithilfe des Quaestio-Ansatzes beschrieben werden kann, auch auf ihre Produktionspro‐ zesse hin zu betrachten. Diese gewählte Perspektive, die Produktionsprozesse miteinschliesst, ist relevant, da der Spracherwerb von frühen und späten Bilin‐ gualen für diese Arbeit ebenfalls im Vordergrund steht. Es geht dabei zum einen um die Beschaffenheit des sprachlichen Wissens, das erworben werden muss und zum anderen um die mentalen Prozesse, die bei der Sprachproduk‐ tion ablaufen. Von besonderer Bedeutung ist in Zusammenhang mit der oben beschriebenen Bedeutsamkeit von einzelsprachlichen, grammatikalisierten Strukturen die Frage, ob sich die Grammatik im Sprachproduktionsprozess auf die Entscheidung auswirkt, was oder wie ein Sprecher etwas ausdrückt. Diese beide Ebenen (»deciding what to say« und »deciding how to say something«) werden anhand des Modells von Levelt (1999) dargestellt. Das Modell von Levelt beinhaltet drei Verarbeitungsstufen, auf denen sich die Sprachproduktion vollzieht. Im sogenannten Konzeptualisator wird die kon‐ zeptuelle Struktur der Äusserung vorbereitet; es entsteht »ein begrifflicher Ent‐ wurf der Äusserung« (Rickheit et al. 2007: 88). Das Ergebnis dieses Prozesses ist 4.1. Die Grammatik als steuernder Faktor für die Informationsorganisation 49 <?page no="50"?> eine präverbale Botschaft (preverbal message), die allerdings noch keine sprach‐ liche Form aufweist. Der Prozess der Versprachlichung erfolgt im Formu‐ lator, wo unter Rückgriff auf lexikalisches, syntaktisches und phonologisches Wissen die Botschaft mit einer sprachlichen Form versehen wird. Bei diesen beiden Prozessen der grammatischen und phonologischen Enkodierung werden lexikalische Einheiten aus dem Lexikon ausgewählt und in eine angemessene syntaktische Form gebracht (grammatische Enkodierung). Levelt bezeichnet diese als Oberflächenstruktur (surface structure). Die phonologische Enkodie‐ rung generiert hingegen eine artikulatorische oder phonetische Form für alle Wörter der Äusserung (Levelt 1994). Im Artikulator wird zuletzt die Aktivie‐ rung der Muskeln des Sprechapparats erzeugt, die für den tatsächlichen Aus‐ druck der Botschaft notwendig sind (Levelt 1996, 1999). Entscheidend für diese Arbeit ist die Verarbeitungsstufe des Konzeptualisa‐ tors, in dem zwei entscheidende Prozesse für die Entstehung eines begrifflichen Entwurfs einer Äusserung ablaufen. Levelt bezeichnet diese als Makro- und Mikroplanung. Die Makroplanung betrifft die Entscheidungen, die der Spre‐ cher im Hinblick auf seine kommenden Äusserungen trifft (»deciding what to say«). In der Mikroplanung hingegen werden die ausgewählten Informationen einer Perspektive zugewiesen und in eine propositionale Form gebracht (»deci‐ ding how to say something«). Macroplanning is selecting the information whose expression will serve the purpose of making one’s intention recognizable by the interlocutor. It also involves ordering that information in some effective way for the listener. Microplanning involves casting each bit of information in propositional form, and providing it with perspective. (Le‐ velt 1994: 93) Anders als in gängigen Modellen der Sprachproduktion, die die einzelsprachli‐ chen Einflüsse erst auf der Ebene der Mikroplanung sehen (Levelt 1996 und 1999, Bierwisch und Schreuder 1992, Habel und Tappe 1999), zeigen empirische Ergebnisse (s. Kap. 4.2.), dass bereits im Konzeptualisator Entscheidungspro‐ zesse auf der Ebene der Makroplanung (»deciding what to say«) von grammati‐ kalischen Kategorien beeinflusst werden (vgl. Carroll und Lambert 2003; von Stutterheim und Carroll 2005; Carroll et al 2008; von Stutterheim et al 2012; Flecken et al 2013). Es geht also um die Ebene des cognitive processing, in der Bedeutungen für die Versprachlichung vorbereitet werden. Die Ebenen der Makro- und Mikroplanung auf der Verarbeitungsstufe des Konzeptualisators werden im vorliegenden Framework nicht als sprachunab‐ hängig, sondern als sprachabhängig behandelt (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 50 <?page no="51"?> Bei der Informationsorganisation im Rahmen einer Erzählung muss der Spre‐ cher Entscheidungen treffen, die von einzelsprachlichen Charakteristika beein‐ flusst werden. Es geht um die Selektion, Segmentierung, Strukturierung sowie Linearisierung der aufgerufenen Informationen. Bei der Segmentierung geht es darum, die Sachverhalte, die aus der Wis‐ sensbasis ausgewählt wurden, zu zerlegen. Die ausgewählten Sachverhalte weisen noch keine hierarchische Organisation oder eine Ordnung in Bezug auf ihre Sequenzierung auf. Beispielsweise müssen dynamische komplexe Situati‐ onen in Einzelereignisse und Prozesse zerlegt werden (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). Der Begriff der Selektion beschreibt die Auswahl derjenigen Informationen, die versprachlicht werden sollen sowie die konzeptuellen Bausteine, die für die Erzeugung einer Proposition und somit ihrer Repräsentation vonnöten sind. Diese konzeptuellen Bausteine werden von Entitäten, Räumen, Zeiträumen und Eigenschaften gestellt, wie sie oben bereits unter 3.1.1. in Bezug auf den refe‐ rentiellen Rahmen der Quaestio dargestellt wurden (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). Ein weiterer Entscheidungsprozess betrifft die Linearisierung. Die ausge‐ wählten Sachverhalte müssen in eine Reihenfolge gebracht werden, damit sie in das eindimensionale Medium Sprache eingepasst werden können (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). One important aspect of macroplanning is what I called linearisation (Levelt, 1981), the ordering of information for expression. Speech is a linear medium; we can say only one thing at a time. But we often express complex, multidimensional information. In those cases, we have to decide what to say first, what to say next, etc. (Levelt 1994: 93) All diese Prozesse werden nach dem hier gewählten Ansatz nicht als sprachun‐ abhängig betrachtet, sondern im Gegenteil als Prozesse, die entscheidend von einzelsprachlichen, grammatikalisierten Kategorien geprägt sind. Dieser Zu‐ sammenhang wird im nachfolgenden Unterkapitel erläutert. Im Falle der hier vorliegenden Filmnacherzählungen (s. Kapitel 6 für die de‐ taillierte Beschreibung des Stimulusmaterials) sind verschiedene Informationen aus dem Wissen des Sprechers abrufbar. Welche Informationen ausgewählt und versprachlicht werden, ist Ergebnis eines Selektionsprozesses, der sich auf der Ebene der makrostrukturellen Planung vollzieht. Eine weitere Ebene der Infor‐ mationsorganisation, die mit Entscheidungsprozessen dieser Art verknüpft ist, ist die Sicherstellung der thematischen Kontinuität, die beispielsweise durch eine konsistente Topikzuweisung aufrecht erhalten wird. Schlussendlich fällt in 4.1. Die Grammatik als steuernder Faktor für die Informationsorganisation 51 <?page no="52"?> den Bereich der Entscheidungsprozesse auf makrostruktureller Ebene auch die referentielle Rahmensetzung, in der Ereignisse, beispielsweise in einer Er‐ zählung, temporal und räumlich verankert werden. Für die Entstehung eines kohärenten Textes muss diese Rahmensetzung über mehrere Äusserungen hinweg auf konstante Art beibehalten werden (Carroll et al. 2008). Bedeutsam für diesen Ansatz ist, dass diese Entscheidungsprozesse nicht für jede Äusserung neu getroffen werden, sondern in Form einer »Voreinstellung« auf default-Basis für den gesamten Text als global geltende Leitlinien beibehalten werden und als das Ergebnis einer makrostrukturellen Planung gelten (Carroll et al. 2008). Daher zeigen sich auch in komplexen Texten auf globaler Textebene Prinzi‐ pien, die auf eine makrostrukturelle Planung zurückgehen (von Stutterheim und Carroll 2005). Jeder Verbalisierung vorausgesetzt ist das Sachverhaltswissen, das durch eine je spe‐ zifische kommunikative Aufgabe oder Redeintention aktiviert wird. Bereits an dieser Stelle setzen makrostrukturelle Planungsprozesse ein, die Selektion und Strukturie‐ rung von Komponenten der Wissensrepräsentation steuern. Sie setzen für bestimmte Aspekte der Inhaltsstruktur default-Werte fest, die für den lokalen Aufbau der Ein‐ zeläußerung als Orientierung dienen. Nur so kann die Qualität eines Textes erreicht werden, die mit dem Begriff der Kohärenz bezeichnet wird. (von Stutterheim 2004: 354) Die Prinzipien, die die Muster für die Informationsorganisation festlegen, sind Teil des sprachlichen Wissens, das »in kohärenter und zielgerichteter Weise in Äusserungsketten umgesetzt wird« (von Stutterheim und Carroll 2005: 10-11). Die grammatikalischen Kategorien, die am Aufbau dieser Muster beteiligt sind, haben den Effekt, dass sie innerhalb der Entscheidungsprozesse eine Vorstruk‐ turierung vornehmen und somit die Wahlmöglichkeiten beschränken. Es erfolgt in diesem Sinne eine Automatisierung der höchst komplexen Prozesse, die die Sprachproduktion tragen. Die bedeutet eine Optimierung des Konzeptualisie‐ rungsprozesses (von Stutterheim und Carroll 2005, 2007). 4.2. Konkrete Beispiele für die Korrelation von Grammatik und Informationsorganisation Das folgende Kapitel zeigt die grammatikalischen Faktoren auf, welche sich als relevant für den Aufbau einer Informationsorganisation erwiesen haben. Auch wenn die Darstellung der Ergebnisse einen grammatischen Aspekt exemplarisch 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 52 <?page no="53"?> herausgreift, sei dennoch betont, dass es sich bei der Einwirkung der Grammatik auf die Informationsorganisation um ein mehrdimensionales Gefüge handelt: Differences in information selection cannot be explained by a single, feature; they are determined by a coalition of grammaticized featuresparticularly temporal concepts, the role of the syntactic subject, and word order constraints. Structural featureswhich affect the domains of time, events and entitiesinteract in different ways in informa‐ tion organization and information structure in the languages studied. (Carroll und Lambert 2006: 71) Ermittelt wurden diese Ergebnisse durch die Analysen von Filmnacherzäh‐ lungen, die mit der gleichen Methode erhoben wurden, die auch für diese Arbeit angewendet wurde. Da der hier genutzten Methode ein eigenes Kapitel (Ka‐ pitel 6) gewidmet wird, soll an dieser Stelle nur kurz erwähnt werden, dass die besprochenen Daten auf einem Kurzfilm beruhen, in dem die Geschichte einer Lehmfigur darstellt wird, die sich auf die Suche nach Wasser begibt. Die Pro‐ banden wurden gebeten, bei der Nacherzählung der Geschichte auf die Frage »Was ist passiert? « (= Quaestio) zu antworten. 4.2.1. Die Grammatikalisierung von aspektuellen Kategorien und die Sequenzierung von Ereignissen Bei der Beantwortung der Frage »Was ist passiert? « (= Quaestio), muss der Sprecher in Bezug auf den erwähnten Kurzfilm die Informationen, die er in Form einer Reihe von dynamischen Situationen präsentiert bekommt, gliedern und diese anschliessend in Einheiten passen, die für ihre Repräsentation geeignet sind. Von Bedeutung für diesen Prozess ist die Schaffung eines temporalen Rah‐ mens, innerhalb dessen Ereignisse als im Verlauf begriffen, als abgeschlossen oder als überlappend dargestellt werden können. Der Sprecher muss ent‐ scheiden, wie Ereignisse mit unterschiedlicher temporaler Struktur, die für die Erzählung relevant sind, eine Sequenz formen (Klein 1994). Die Sequenzierung stellt, wie in Kapitel 2 dargelegt wurde, ein entscheidendes Merkmal des Text‐ typs der Erzählung dar (Carroll und Lambert 2006). Beim Vergleich Deutsch-Englisch wurde deutlich, dass die Art und Weise, wie Ereignisse innerhalb eines temporalen Rahmens sequenziert werden, auf die Grammatikalisierung des progressiven Aspekts zurückgeführt werden kann. Im Englischen, wo grammatikalische Oppositionen wie Verlauf am Verb kodiert werden, wird der temporale Rahmen anders als im Deutschen etabliert, wo as‐ pektuelle Bedeutungen lexikalisch kodiert werden. Die temporalen Referenz‐ rahmen im Englischen und Deutschen unterscheiden sich folgendermassen: 4.2. Beispiele für die Korrelation von Grammatik und Informationsorganisation 53 <?page no="54"?> 1 Klein, Ping und Hendriks (2000: 742) definiert die Topikzeit folgendermassen: »It’s not the time ‚at which’ an assertion is made, but the time ‚about which’ an assertion is made.« 2 Für die Auswirkungen der Alternative »then you see«, die ebenfalls im Englischen möglich ist und Auswirkungen auf die Etablierung des temporalen Referenzrahmens aufweist, vgl. Carroll und Lambert 2006. Im Deutschen wird eine unspezifische Topikzeit gesetzt. 1 Bei den Filmna‐ cherzählungen erfolgt dies beispielsweise durch Äusserungen wie »in der ersten Szene«, oder »am Anfang«. Eine temporale Sequenz entsteht, indem die Ereig‐ nisse intrinsisch miteinander verbunden werden. Es entsteht eine anaphorische Relation. Die dabei entstehende, holistische Perspektive beruht auf der Tatsache, dass jedes vorangehende Ereignis als abgeschlossen dargestellt wird (y nach x) und als Referenzintervall fungiert. In der Klein’schen Terminologie (1994) aus‐ gedrückt bedeutet dies: Das Topikzeitintervall TT der einzelnen Äusserung ist bestimmt als in der Nachzeit des vorangehenden Ereignisses (…) liegend. Dies impliziert, dass die Ereignisse als abgeschlossene Ereignisse repräsentiert werden, denn nur dann kann TT2 als nach TSit liegend, hinreichend identifizierbar sein. (von Stutterheim und Carroll 2007: 42) Im Englischen hingegen wird die Topikzeit mit einem extrinsischen Betrach‐ tungsbzw. Referenzpunkt gesetzt. Dieser Punkt, der in Form eines »now you see«  2 als deiktisches Jetzt zu betrachten ist, wird über mehrere Äusserungen hinweg beibehalten und fungiert auch für folgende Ereignisse als Ankerpunkt. Anders als im Deutschen ist somit nicht die Abgeschlossenheit des vorangeh‐ enden Ereignisses notwendig, um die erwünschte Sequenzierung zu erzielen. Die Konsequenz daraus ist, dass in diesem deiktischen Jetzt Ereignisse verankert werden können, die im Verlauf begriffen sind. Damit werden die erforderlichen strukturellen Voraussetzungen geschaffen, um den progressiven Aspekt, der im Englischen grammatikalisiert ist, auszuschöpfen (Carroll und Lambert 2003, Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). Um zu verdeutlichen, wie Ereignisse voranschreiten, kann das Englische auf den Kontrast zwischen der einfachen Form und der progressiven Form zurückgreifen (Carroll und Lambert 2006). Die erzielten Ergebnisse zeigen, dass das Vorhandensein des grammatischen Merk‐ mals »progressiver Aspekt am Verb kodiert« eine Auswirkung auf die makro‐ strukturelle Planung hat. 4.2.2. Informationsselektion Ein weiteres Analysefeld, das in Abhängigkeit von grammatikalischen Merk‐ malen untersucht wurde, ist die Informationsselektion. Im Film, der von den 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 54 <?page no="55"?> 3 In dieser Analyse spielt das Mapping noch keine Rolle. Gezählt wurden sowohl Äus‐ serungen in Neben- und Hauptsätzen. Probanden nacherzählt wird, gibt es eine einzige belebte Hauptfigur, die sich gegen verschiedene Umwelteinflüsse (herumfliegende Blätter, herunterfallende Steine etc.) behaupten muss. Die Frage, der nachgegangen wurde, beschäftigt sich mit der Auswirkung der Rolle des syntaktischen Subjekts auf die Informa‐ tionsselektion, bezogen auf ihre Position im Satz (Carroll und Lambert 2006; Stutterheim und Carroll 2018, Carroll et al. 2008). Gegenübergestellt wurden in diesem Zusammenhang Sprachen, die eine Verbzweit-Stellung aufweisen (Deutsch und Niederländisch) sowie soge‐ nannte SVO -Sprachen, hier Englisch, Französisch und Spanisch, in denen die Position des syntaktischen Subjekts entweder durch pro-drop-Eigenschaften (Spanisch) oder durch Wortstellungsregeln ( SVO ) hervorgehoben wird (Eng‐ lisch, Französisch). Im Englischen und Französischen ist die Position des syntaktischen Subjekts aufgrund einer relativ festen Wortstellung der ersten Position im Satz vorbe‐ halten, nämlich vor dem Verb. Im Deutschen und Niederländischen hingegen kann die Position vor dem Verb von verschiedenen Konstituenten eingenommen werden und ist nicht auf das syntaktische Subjekt festgelegt, das dem Verb auch folgen kann. Ausgehend von diesen grammatikalischen Unterschieden wurde analysiert, welche Auswirkungen diese syntaktischen sowie typologisch rele‐ vanten Eigenschaften auf die Informationsselektion haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die beiden Sprachen, die eine V2-Stellung auf‐ weisen, signifikant weniger häufig unbelebte Entitäten erwähnen. Im Deut‐ schen wird die Referenz auf den Protagonisten deutlich gegenüber der Referenz auf unbelebte Entitäten präferiert, selbst wenn diese an Geschehnissen beteiligt sind, die für den Protagonisten relevant sind. Im Englischen und Französischen hingegen werden unbelebte Entitäten signifikant häufiger erwähnt (37.1 %in Französisch und 34.5 % in Englisch gegenüber 24.5 % im Deutschen). 3 Zurück‐ geführt werden diese Unterschiede in der Informationsselektion auf die Rolle des syntaktischen Subjekts: There is evidence that the status of the syntactic subject drives information selection. (Carroll und Lambert 2003: 282) Im Englischen und Französischen, wo das Subjekt eine fixe Position hat, können jegliche Entitäten, hier belebt (der Protagonist) und unbelebt (die verschiedenen Umwelteinflüsse) ausgewählt werden. Im Deutschen ist dies nur der Fall, wenn das Ereignis, an dem eine unbelebte Entität beteiligt ist, eine direkte Auswirkung 4.2. Beispiele für die Korrelation von Grammatik und Informationsorganisation 55 <?page no="56"?> auf den Protagonisten hat. Die Wahl der Entität und somit die Informationsse‐ lektion »deciding what to say« wird aus der Perspektive des Protagonisten ge‐ filtert. Als Begründung dient die Tatsache, dass im Deutschen die Position vor dem Verb sowohl vom syntaktischen Subjekt als auch von anderen Konstituenten, wie beispielsweise Temporaladverbien eingenommen werden kann. Die Leer‐ stelle vor dem Verb ist typischerweise einer Konstituente vorbehalten, die sich auf eine Zeitangabe, eine im Geschehen involvierte Entität oder eine Rauman‐ gabe bezieht, wo das Ereignis stattgefunden hat. Diese Angaben können jedoch nicht kombiniert vor dem Verb stehen. Durch die Verbzweitstellung entsteht für die Vorfeld-Position eine Wahlmöglichkeit, wodurch die möglichen Kandidaten »gewichtet« werden. In Erzählungen, die in deutscher und niederländischer Sprache abgefasst wurden, wurde beobachtet, dass der Protagonist einen hohen Status in Bezug auf die Nennung in Vorfeldposition aufweist (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004). Entscheidend dafür ist erneut die Beschaffenheit des temporalen Refe‐ renzrahmens. Im Deutschen und Niederländischen werden Ereignisse als abge‐ schlossen dargestellt, da der Protagonist als intentional Agierender durch seine Handlungen Zustandswechsel verursacht, die wiederum die Ereigniskette be‐ stimmen. Events which are linked via anaphoric shift entail a change in state and are typically associated with an animate protagonist acting intentionally in the world in question, as indicated above. Events which do not involve a change in state (water drips) do not meet the criterion which allows specifications of a shift in topic time and this applies in many cases to the inanimate forces. Mission in information selection may in part be attributed to this factor in Dutch and German. (Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004: 199) In SVO -Sprachen, wie dem Englischen oder Französischen, die keine Verbzweit‐ vorgabe aufweisen, gibt es keine Restriktionen, die, wie oben gezeigt, zu einem Fokus auf den Protagonisten führen. Damit steigt die Nennung von unbelebten Entitäten an. Ein Unterschied in Bezug auf die Nennung der unbelebten Entitäten als Sub‐ jekt lässt sich jedoch zwischen Englisch, Spanisch und Französisch feststellen. Im Französischen wird die Referenz auf eine unbelebte Entität überwiegend in einem Nebensatz kodiert, während im Englischen oder auch im Spanischen 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 56 <?page no="57"?> 4 Subjektstatus von unbelebten Entitäten im Englischen 34.5 %, im Spanischen 30.9 %, im Französischen 37.1 %, im Deutschen 24.5 % und im Niederländischen 23.6 %. Unter‐ schiede sind signifikant: t-test Englisch - Deutsch p = 0.006 signifikant; Spanisch - Deutsch p = 0.04 signifikant, Englisch - Spanisch p = 0.25 wie erwartet nicht signifikant (Carroll und Lambert 2003; Carroll et al 2004). unbelebte Entitäten auch in einem Hauptsatz als Subjekt erscheinen. 4 Carroll und Lambert (2003) führen dieses Ergebnis darauf zurück, dass im Englischen der progressive Aspekt am Verb kodiert ist und somit der Verweis auf unbelebte Entitäten, die, wie bereits bemerkt, oft mit im Verlauf befindlichen Ereignissen verbunden sind, mühelos in die Hauptstruktur der Erzählung integriert werden kann. Da dies im Französischen nicht der Fall ist, werden Ereignisse dieser Art subordiniert, um so ihren temporalen Status gegenüber den abgeschlossenen Ereignissen innerhalb der Sequenz zu verdeutlichen. Zusammenfassend geht aus diesen Ergebnissen hervor, dass sich grammati‐ kalische Faktoren wie Wortstellungseinschränkungen im Zusammenspiel mit der Grammatikalisierung von temporalen, aspektuellen Kategorien auf die In‐ formationsselektion auswirken. Die relativ fixe Position des grammatischen Subjekts (Englisch und Französisch) erlaubt, wie es aus dem Vergleich mit Ver‐ bzweitsprachen deutlich wird, die Selektion von verschiedenen Entitäten, die jedoch in Abhängigkeit des etablierten temporalen Referenzrahmens unter‐ schiedlich in die Erzählung integriert werden. Das Vorhandensein des progres‐ siven Aspekts (vgl. Englisch) erlaubt ihre Einbindung in Hauptsätze, während im Französischen, wo dieses Merkmal lexikalisch kodiert wird, über Subordi‐ nation ihr temporaler Status verdeutlicht werden muss (Carroll und Lambert 2003). Das Wissen um mehrdimensionale Wirkungsweisen grammatikalischer Ka‐ tegorien, die anhand der Etablierung eines temporalen Referenzrahmens sowie anhand der Informationsselektion aufgezeigt wurden, zeigt, welche schwierigen Ausgangslagen sich für Lerner einer Zweitsprache ergeben. Ein deutschspra‐ chiger Lerner des Englischen muss beispielsweise nicht nur die Gebrauchsbe‐ dingungen der progressiven Form erlernen, sondern auch um Implikationen wissen, die mit ihrem Gebrauch assoziiert sind. Die Herausforderungen für den Lerner zeigen sich insbesondere im Bereich der Informationsorganisation, in der die mehrdimensionale Wirkungsweise von grammatikalischen Kategorien zum Ausdruck kommt. Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Lerner häufig die Muster ihrer Mut‐ tersprache bei der Informationsorganisation übernehmen. Die Übertragung auf die L2 des komplexen Zusammenspiels zwischen grammatikalischen Kategorien einerseits und ihrer Wirkung auf die Informationsorganisation andererseits, das 4.2. Beispiele für die Korrelation von Grammatik und Informationsorganisation 57 <?page no="58"?> 5 Topikprominente Sprachen hingegen weisen die Wortstellung SOV auf wie das Japa‐ nische (Li und Thompson 1976) in der Muttersprache erworben wurde (vgl. für das Deutsche Halm 2009), zeigt, wie tief verwurzelt diese Prozesse sind. 4.3. Relevante grammatikalische Eigenschaften Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, inwiefern gram‐ matikalische Eigenschaften auf die makrostrukturelle Planung wirken, wird in den nachfolgenden Abschnitten auf jene grammatikalische Charakteristika des Italienischen und Französischen eingegangen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Zunächst wird kurz auf das typologische Merkmal eingegangen, das sich das Italienische und Französische teilen, nämlich die sogenannte Subjektprominenz, die mit der Wortstellungsregel SVO einhergeht. Weiter werden die Wortstel‐ lungsregeln beleuchtet, die das Französische vom Italienischen unterscheiden. Während im Französischen die Wortstellung relativ fest ist, zeichnet sich das Italienische durch eine relativ freie Wortstellung aus. Zuletzt wird das Charak‐ teristikum des Nullsubjekts beschrieben, das für das Italienische von besonderer Bedeutung ist. 4.3.1. Das Merkmal SVO und Wortstellungsregeln In diesem Unterkapitel wird zum einen kurz das Merkmal SVO im Hinblick auf das Italienische und Französische diskutiert. Dabei wird auf die Wortstellungs‐ regeln eingegangen, welche die beiden Sprachen unterscheiden. Das Italienische und das Französische zählen zu den subjektprominenten Sprachen (Li und Thompson 1976). Dies bedeutet, dass in jedem Aktivsatz der »Forderung nach einen grammatisch identifizierbaren Subjekt« (Doval 2011) nachgegangen werden muss. Subjektprominente Sprachen weisen nach Li und Thompson (1976) das Merkmal SVO auf, das folgende grundlegende Satzgliedstellung auf‐ weist: 5 Das Subjekt (S) geht dem Verb (V) voraus, auf das ein Objekt (O) folgt, wie im Beispielsatz: »Luca (S) mangia (V) la pasta (O).« Obwohl die Reihungsmöglichkeiten im Französischen relativ festgelegt sind und im Italienischen dagegen nicht, ist die SVO -Stellung das präferierte Wortstel‐ 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 58 <?page no="59"?> 6 Dem Begriff Markiertheit liegt folgende Definition zugrunde: »The notion of marke‐ dness can be generalized to distinguish the standard from the unusual (…). We distin‐ guish as un-marked the standard, conventional choices that speaker make, unusual choices are marked.« (SMITH, 1991: 16). Für eine Diskussion des Begriffs siehe Ha‐ spelmath (2006). lungsmuster, sowohl im Französischen als auch im Italienischen, wie Sornicola (2006) insbesondere für die gesprochene Sprache feststellt. Sornicola (2006) er‐ mittelt in ihrem Korpus für das Italienische, das verschiedene mündliche und geschriebene Textsorten umfasst, eine Gesamtfrequenz von 77.5 % dieser Satz‐ gliedstellung. SVO wird als die kanonische Wortstellung sowohl für das Italie‐ nische als auch für das Französischen angesehen, die es erlaubt, semantische Kategorien wie Agens oder Objekt einer Handlung zu unterscheiden. Dabei wird keine der Konstituenten pragmatisch hervorgehoben, sodass die SVO -Stellung als unmarkiert gilt. »Luca kitzelt Lea.« Der obige Beispielsatz macht klar, dass Lea von Luca gekitzelt wird und nicht umgekehrt. Das Subjekt Luca übernimmt die Rolle des Agens, während Lea die Rolle des Patiens übernimmt. Durch Reihung werden somit die semantischen Rollen festgelegt. Historisch betrachtet hat sich durch den Wegfall der lateinischen Kasusen‐ dungen in den romanischen Sprachen die unmarkierte Wortstellung SVO durchgesetzt, die für die Bestimmung der oben genannten Mitspielerrollen er‐ forderlich ist (Stark 2003). Die Zuordnung von Mitspielerrollen erfordert, dass Konstituenten fest angeordnet sein müssen, damit die Wortstellung diese Funk‐ tion erfüllen kann. Die Wortstellung kann jedoch verändert werden, wenn bei‐ spielsweise Pronomina semantische Rollen auf morphologischem Wege zu‐ weisen. In Beispielsätzen wie »Lo conosco io« wird dem Pronomen eine Prominenz zugewiesen, die informationsstrukturell relevant ist und als prag‐ matisch markiert resultiert. Dislokationen stellen im gesprochenen Italienisch und Französisch ein häufig genutztes Mittel dar, um eine Konsitutuente infor‐ mationsstrukturell in den Vordergrund zu stellen. Das Französische und das Italienische weisen verschiedene Möglichkeiten auf, um von der unmarkierten 6 SVO -Stellung abzuweichen und eine markierte Wortstellung herzustellen. Das folgende Beispiel zeigt unter b. eine Linksdislo‐ kation im Italienischen auf: a. »Piero mangia la minestra« 4.3. Relevante grammatikalische Eigenschaften 59 <?page no="60"?> 7 Markierungen können auch intonatorisch oder pragmatisch erzielt werden (Salvi und Vanelli 2004: 298). b. »La minestra, la mangia Piero« (Salvi und Vanelli 2004: 298 ff.) 7 Im Italienischen sowie auch im Französischen ist die Schaffung von markierten Strukturen an Bedingungen gekoppelt, die wiederum in Zusammenhang mit kognitiven Kategorien interagieren: Diese kognitiven und aussersprachlichen Aspekte der Informationsstruktur sind ent‐ scheidend, da sie sich an den grammatischen Bausteinen beteiligen, die die informa‐ tionsstrukturellen Kategorien wiederum implementieren. (Féry 2010: 2) Je nach Wortstellung wird verdeutlicht, welchen Status die Informationen in den genannten Äusserungen haben, beispielsweise ob sie dem Hörer bekannt sind oder neu in den Diskurs eingeführt wurden. Die gewählte formale Struktur eines markierten Satzes wird somit von den pragmatischen und kommunika‐ tiven Funktionen der Äusserungen begründet. Kanonische Wortstellungsregeln werden verändert, um den Erfordernissen des Diskurses gerecht zu werden (Lambrecht 1994). Für das gesprochene Italienische hat Milano (2003) gezeigt, wie das kommunikative Bedürfnis, das bereits gegebene Topik-Element an den Satzanfang zu stellen (Berretta 1995), in Konkurrenz zur Stellung des Subjekts stehen kann - und somit markierte Sätze produziert: Mentre dunque l’ordine ‚non marcato’ dei costituenti di frase in italiano standard è SVO, nel parlato si tenderebbe a costruire enunciati ‚comunicativi’ in cui precede ciò di cui si parla, ovvero il tema, e segue ciò che si dice del tema, ovvero il rema. La possibilità che le due parti dell’enunciato non siano collegate sintatticamente dà luogo alle strutture segmentate tipiche del parlato colloquiale. (Milano 2003: 62) Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten syntaktischen Verschiebungen im Italienischen auf, die aus kommunikativen und somit aus informationsstruktu‐ rellen Gründen, eine Abweichung von der SVO -Struktur hervorrufen: 1. Dislocazione a sinistra → Topikelement markiert Bei der sogenannten dislocazione a sinistra (Linksanbindung) wird eine Konstituente einer Äusserung an den Satzanfang gestellt (also nach links versetzt) und durch ein klitisches, anaphorisches Pronomen wieder auf‐ genommen, das die syntaktische Verbindung zwischen dem versetzten Element und dem Rest des Satzes herstellt. Durch diese syntaktische Ver‐ schiebung wird das Element als Topik des Satzes markiert und mündet in der Wortstellung OVS (Berruto 1985, 2011). 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 60 <?page no="61"?> »La pizza la mangia Luca.« 2. Dislocazione a destra → Topikelement markiert Bei der Rechtsversetzung (dislocazione a destra) wird die Konstituente einer Äusserung topikalisiert, indem sie an das Ende der Äusserung ge‐ stellt wird. Ein kataphorisches Klitikon geht der topikalisierten Konsti‐ tuente voraus (Berruto 1986). »Luca la mangia la pizza.« 3. Frase scissa → markiert Fokuselement Die frase scissa wird gebildet, indem eine Konstituente zum Fokuselement erhoben wird. Dabei wird das Fokuselement vom Rest der Äusserung ge‐ trennt und an das Verb essere als Kopulaverb angeknüpft. Der Rest der Äusserung wird von einem che polivalente eingeführt. »È Luca che mangia la pizza.« 4. Kontrastive Topikalisierung → markiert Fokuselement Die kontrastive Topikalisierung entsteht, wenn eine Konstituente als Fo‐ kuselement in präverbale Position gesetzt wird. Anders als bei der Links‐ versetzung wird das versetzte Element nicht durch ein Pronomen wieder aufgenommen. Kontrastive Topikalisierung erfolgt dort, wo eine Kon‐ trastierung, eine Einschränkung oder eine Ergänzung vorgenommen wird (Berruto und Cerruti 2011). »A Luca piace la pizza.« (Kontrastierung) »Solo la pizza mangia.« (Einschränkung) »Anche la pizza mangia.« (Ergänzung) 5. Thetische Äusserung → markiert Fokuselement Bei thetischen Äusserungen ist keine Topik vorhanden. Sie bestehen einzig aus einem Fokuselement. Im gesprochenen Italienischen wird diese Art von markierter Satzgliedstellung insbesondere durch das c’è presen‐ tativo ausgenutzt (Berruto und Cerruti 2011, Berruto 1986). »C’è Luca che mangia la pizza.« Die nächste Übersicht zeigt einige der Mittel, die im gesprochenen Französi‐ schen verwendet werden, um aus Gründen der informationsstrukturellen Re‐ levanz von der kanonischen SVO -Struktur abzuweichen (Stark 2003). 1. Dislocation à gauche → markiert Topikelement »Ce garçon, je le connais.« 4.3. Relevante grammatikalische Eigenschaften 61 <?page no="62"?> 2. Dislocation à droite → markiert Topikelement »Je le connais, ce garçon.« 3. Spaltsätze, mit präsentativer Funktion → markiert Topikelement (vgl. das c’è presentativo als Form des thetischen Satzes) 4. Subjektinversion → markiert Topikelement 5. Fokussierende Cleft-Strukturen, vom Typ C’est la nuit, que Pierre travaille → markiert Fokuselement 6. Pseudo-Cleft-Strukturen, vom Typ Ce qui est décevant, c’est son échec →markiert Fokuselement Obwohl das Italienische und das Französische, wie aus der Übersicht hervorgeht, ähnliche Muster für funktionale Abweichungen von der SVO -Stellung auf‐ weisen, unterscheiden sich die untersuchten Sprachen im Hinblick auf den Grad der Fixierung der Wortstellung. Während die Wortstellung im Französischen als relativ fest zu bezeichnen ist, zeichnet sich das Italienische durch eine relativ freie Wortstellung aus. Dabei ist zu unterstreichen, wie Siewierska bemerkt, dass keine Sprache eine genuin freie Wortstellung aufweist: Although many languages exhibit considerable variation in major sentence consti‐ tuent order, and the order of constituents in some ways has even been characterized as syntactically free, it is commonly acknowledged that no genuine free word order language exists. Needless to say, if word order in languages is not random, the possible orderings and the conditions imposed on them must be stipulated in a grammar. (Sie‐ wierska 1988: 1) Im Italienischen wird dies dadurch unterstrichen, dass bei den Dislokationen ein Pronomen (kataphorisch wie in der dislocazione a destra oder anaphorisch wie in der dislocazione a sinistra) stets das topikalisierte Element wiederauf‐ nimmt bzw. antizipiert. Dies zeigt, dass ein Element nicht ohne weiteres ver‐ schoben werden kann und der Zusammenhang zum Rest der Äusserung herge‐ stellt werden muss (Sornicola 2006). Die Tatsache, dass das Französische im Hinblick auf die Wortstellung rigider als das Italienische ist, zeigt sich anhand der Kombinationsmöglichkeiten der Konstituenten Subjekt, Verb und Objekt. Aus den sechs Kombinationsmöglich‐ keiten können fünf im Italienischen und drei im Französischen realisiert werden (Lahousse und Lamiroy 2012: 393 ff.), wobei anzumerken ist, dass einige Bei‐ spiele für das Italienische ( SOV , OVS , OSV ) eher dem Substandard-Bereich zuz‐ ordnen sind . Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht, dass die Kombinations‐ 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 62 <?page no="63"?> 8 Marginal akzeptabel. möglichkeiten im Französischen im Vergleich zum Italienischen eingeschränkter sind und in einer rigideren Wortstellung resultieren. SVO SOV OVS OSV VOS VSO Italie‐ nisch + Mio figlio ha scritto una po‐ esia. + Mio figlio una po‐ esia ha scritto. + Un bracci‐ aletto ha regalato a Maria Gi‐ orgio per il suo com‐ pleanno. + Un dis‐ corso si‐ mile il ca‐ pitano aveva fatto anche a Natale. + Porterà la macchina Mara. - Franzö‐ sisch + J’adore le chocolat. - - + Un dis‐ cours pa‐ reil le comman‐ dant avait fait à Noël.  8 + Paieront une amende tous les automo‐ bilistes en infra‐ ction. - Tab. 1: Kombinationsmöglichkeiten der Konstituenten Subjekt, Verb und Objekt. Das Merkmal des Nullsubjekts, das im Folgenden behandelt wird, korreliert mit der eben besprochenen, freien Wortstellung. Ebenso steht eine reiche Verbal‐ morpholgie, die eine unerlässliche Voraussetzung für den Nullsubjektparameter darstellt, in engem Zusammenhang mit der freien Wortstellung (Steele 1978, Jelinek 1984, Siewierska 1998, Klein 2001). 4.3.2. Das Merkmal Nullsubjekt Das Italienische gehört zu den Sprachen, die insbesondere im Hinblick auf ty‐ pologische und erwerbstheoretische Fragen als pro-drop oder Nullsubjekt‐ sprache bezeichnet wird (Rizzi 1982, Chomsky 1981, Burzio 1986). Das Merkmal Nullsubjekt impliziert, dass in Hauptsätzen das syntaktische Subjekt nicht er‐ wähnt bzw. phonetisch nicht realisiert werden muss, da aufgrund einer reich‐ haltigen Verbalmorphologie ein eindeutiger Rückschluss auf Person und Nu‐ merus möglich ist (Cordin und Calabrese 1988, Cardinaletti 1994). Das Nullsubjekt wird unter den gleichen syntaktischen Bedingungen gesetzt, die 4.3. Relevante grammatikalische Eigenschaften 63 <?page no="64"?> 9 Im Normgefüge des Italienischen sind durchaus Varietäten vertreten, wie beispielsweise die Norditalienischen Dialekte, die nicht als volle pro-drop Sprachen einzuordnen sind, da für bestimmte Personen des Paradigmas die Setzung eines Nullsubjekts notwendig ist (Caridnaletti und Repetti 2010). 10 Kaiser und Meisel (1991) zeigen, dass bestimmte Varianten des gesprochenen Franzö‐ sisch durchaus Nullsubjekt aufweisen. 11 Benincà (1993: 257 ff.) weist darauf hin, dass sich das Italienische in seinen florentini‐ schen Anfängen zwischen dem Status Nullsubjekt-Sprache und Nicht-Nullsub‐ jekt-Sprache bewegt hat. Er bringt dieses Merkmal mit der Tatsache in Verbindung, dass die zweite Person Singular des Konjunktiv Präsens die Setzung des Personalpronomens erfordert, um Ambiguität zu vermeiden. auch für Pronomina und Nominalphrasen gelten (Wratil 2011). Das Italienische weist dabei ein »pro drop totale« auf. Dies bedeutet, dass jede Art von Subjekt unabhängig von seinem Argumentenstatus ausgelassen werden kann (Cardi‐ naletti 1994: 67). 9 1. »non può venire« → das Nullsbjekt ist ein »true argument« mit einer referentiellen Funktion auf eine Person oder einen Gegenstand (Chomsky 1981: 327). 2. »piove« → das Nullsubjekt stellt ein »quasi-argument« dar, das keine referentielle Funktion hat. 3. »è evidente che Gianni verrà« → das Nullsubjekt wird von einem »non-Ar‐ gument« gestellt. Das Französische hingegen gehört nicht zu den Nullsubjekt-Sprachen, da über Morphologie und Phonetik nicht auf das syntaktische Subjekt geschlossen werden kann. 10 Am Beispiel des Paradigmas des Verbs parlare bzw. parler kann verdeutlicht werden, dass phonetisch betrachtet im Französischen die Singu‐ larformen der ersten, zweiten und dritten Person identisch sind, während sie im Italienisch unterschiedliche Endungen aufweisen und somit eindeutig vonei‐ nander zu unterscheiden sind. Verb parlare / parler Italienisch 11 Französisch 1. Person Singular parlo je parl 2. Person Singular parli tu parl 3. Person Singular parla il parl Tab. 2: Vergleich der Singularformen der Verben parlare und parler. 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 64 <?page no="65"?> Das Nullsubjekt gehört zu den anaphorischen Ausdrücken, das auf Referenten verweist, die bereits in die Diskurswelt eingeführt sind. Das Nullsubjekt tritt, so Schwarze, dann auf, »wenn ein bereits in der Diskurswelt enthaltener Gegenstand mehr als einmal nacheinander als Subjekt wiedererwähnt wird« (Schwarze 1995: 645). Es ist dann als nicht markiert im Sinne eines default-Settings zu betrachten (Hyams 1986). Die explizite Erwähnung des syntaktischen Subjekts oder dessen Auslassung wird von diskurs-pragmatischen Faktoren geregelt. In der Regel wird durch ein Nullsubjekt auf eine bereits eingeführte Entität verwiesen, die im Kontext bei‐ behalten wird, während Pronomina oder Nominalphrasen entweder zur Ein‐ führung eines neuen Referenten oder zur Kontrastierung zweier Diskursrefe‐ renten dienen (Sorace 2005, Frascarelli 2007). Das Interesse am Phänomen des Nullsubjekts bzw. am pro-drop-Parameter in der generativistischen Terminologie ist neben typologischen (Bresnan und Mchombo 1987, Lehmann 1988, Siewierska 1999) und syntaxtheoretischen (Perl‐ mutter 1971, Chomsky 1981, Rizzi 1982, 1986) Fragestellungen insbesondere für die Spracherwerbsforschung seit den achtziger Jahren von Interesse (Hyams 1986, Valian 1991, Pizzuto und Caselli 1992). Die Spracherwerbsforschung hat sich mit dem Phänomen Nullsubjekt auseinander gesetzt, da, wie oben be‐ schrieben, sowohl syntaktische als auch diskurs-pragmatische Bedingungen er‐ worben werden müssen, die den Gebrauch regeln. Erschwert wird der Erwerb ferner auch dadurch, dass es beim Nullsubjekt um »Formen« geht, die phone‐ tisch abwesend, jedoch syntaktisch relevant sind. Ökonomieprinzipien sowie Vermeidungsstrategien (vgl. das avoid pronoun principle bei Chomsky 1981) sind darüber hinaus für den Gebrauch von Nullsubjektpronomina relevant. Ob das Nullsubjekt als isoliertes Phänomen zu betrachten ist oder, wie es Chomsky beschreibt, mit einem Bündel an Eigenschaften (»clustering of proper‐ ties«, Chomsky 1981: 240) einhergeht wie dem Fehlen von expletiven Subjekten (vgl. piove), einer reichhaltigen Morphologie (vgl. das Beispiel des Verbs par‐ lare) und Subjekt-Verb-Inversionen (vgl. »ha telefonato Giovanni«), ist in der Forschungsgeschichte kontrovers diskutiert worden (vgl. Holmberg 2003, Wratil 2011). Für diese Arbeit ist von Bedeutung, dass das Nullsubjekt, als eine zentrale grammatikalische Eigenschaft des Italienischen, Auswirkungen auf makro‐ strukturelle Planungsprinzipien hat, die den Lerner vor schwierige Herausfor‐ derungen stellen (Serratrice und Sorace2003, Sorace 2005). Diese Schwierig‐ keiten münden unter anderem in Übergeneralisierungen in Bezug auf den Gebrauch von Pronomina, die als nicht idiomatisch zu werten sind (Sorace 2005). Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, inwieweit der 4.3. Relevante grammatikalische Eigenschaften 65 <?page no="66"?> »Mechanismus« Nullsubjekt für die Informationsorganisation relevant ist und welche Muster sich im Erwerbsprozess für bilinguale Sprecher daraus ableiten lassen. Der bilinguale Sprecher, der in dieser Arbeit von Bedeutung ist, da er den Vergleich zwischen Italienisch und Französisch durch eine erwerbstheoretische Perspektive erweitert, steht im Vordergrund des letzten Kapitels des theoreti‐ schen Teils. Das vorliegende Kapitel hat aufgezeigt, dass der Informationsaufbau beim Erzählen von einzelsprachlichen Faktoren beeinflusst wird. Die Ausgestal‐ tung des temporalen Referenzrahmens, die Auswahl von Informationen, kurzum die Informationsorganisation beim Erzählen wird von einzelsprach‐ lichen Faktoren bereits auf der Ebene der Makroplanung gesteuert. Für die hier untersuchten Sprachen Italienisch und Französisch wurden im Hinblick auf relevante typologische Eigenschaften Wortstellungsregeln, die Gramma‐ tikalisierung des syntaktischen Subjekts sowie der Nullsubjektparameter be‐ sprochen. 4. Die Rolle der Grammatik für die Informationsorganisation 66 <?page no="67"?> 1 Lüdi und Py (1984) unterscheiden im Hinblick auf die gesellschaftliche Mehrsprachig‐ keit weiter zwischen institutioneller und territorialer Mehrsprachigkeit. 5. Zweisprachigkeit Die Untersuchung von bilingualen Sprechern stellt für die Wissenschaft seit den siebziger Jahren ein relevantes Gebiet im Rahmen der Spracherwerbsforschung dar, die von rein linguistischen Untersuchungen, über soziolinguistische Studien bis hin zu Analysen reicht, die eine neurobzw. psycholinguistische Ausrichtung haben. Eine nach wie vor zentrale Frage, die aus den verschiedenen Forschungs‐ richtungen beleuchtet wird, betrifft den Vergleich zwischen monolingualen und bilingualen Sprechern. Worin unterscheidet sich ihr Sprachverhalten? Unter‐ scheidet sich der bilinguale Spracherwerb vom monolingualen Spracherwerb? Hat Zweisprachigkeit eine positive oder eine negative Auswirkung auf die kog‐ nitiven Fähigkeiten eines bilingualen Sprechers? Bei allen Fragen, die sich berechtigterweise stellen, soll insbesondere für diese Arbeit der Vergleich zwischen monolingualen und bilingualen Sprechern von der folgenden metaphorischen Ausführung von Grosjean (1985) geleitet sein, aus der hervorgeht, dass der Vergleich immer nur ein relativer sein kann. The coexistence and constant interaction of two languages in the bilingual has pro‐ duced a different but a complete language system. An analogy comes from the domain of athletics. The high hurdler blends two types of competencies: that of high jumping and that of sprinting. When compared individually with the sprinter or the high jumper, the hurdler meets neither level of competence, and yet when taken as a whole, the hurdler is an athlete in his or her own right. No expert in track field would ever compare a high hurdle to a sprinter or to a high jumper, even though the former blends certain characteristics of the latter two. In many ways the bilingual is like the high hurdler. (Grosjean 1985: 470-471) Man geht heute davon aus, dass ca. zwei Drittel der Menschheit mehrsprachige Kompetenzen aufweisen. Dort, wo Menschen mit verschiedenen Mutterspra‐ chen aufeinander treffen, ist es unerlässlich zumindest ausreichende Sprach‐ kenntnisse in der Sprache, die nicht die eigene Muttersprache ist, zu erwerben, um erfolgreich miteinander kommunizieren zu können. Mehrsprachigkeit ist sowohl als ein individuelles als auch als ein gesellschaftliches Phänomen 1 zu betrachten (Cenoz 2013). Da der Begriff der Mehrsprachigkeit oft die Kenntnis <?page no="68"?> von mehr als zwei Sprachen beschreibt, wird für die folgenden Abschnitte der Begriff der Zweisprachigkeit bzw. des Bilingualismus vorgezogen. Das folgende Kapitel zur Zweisprachigkeit problematisiert den sehr weit ge‐ fassten Begriff der Zweisprachigkeit und befasst sich mit ihren verschiedenen Ausprägungen. Darüber hinaus werden Variablen diskutiert, die den bilingualen Spracherwerb beeinflussen. Abgeschlossen wird das vorliegende Kapitel mit Ausführungen zum Zusammenhang zwischen Zweisprachigkeit und Kognition. 5.1. Typen von bilingualen Sprechern Seit den siebziger Jahren wird das Forschungsgebiet zur Zweisprachigkeit in‐ terdisziplinär bearbeitet. Neben linguistischen werden auch psychologische sowie soziologische Gesichtspunkte in die Analyse aufgenommen und resul‐ tieren in einer dreigliedrigen Ausrichtung des Arbeitsfeldes (Wei 2013), die hier sehr kurz skizziert wird. Zum einen untersucht die Psycholinguistik die Aus‐ wirkungen von Zweisprachigkeit auf kognitive Prozesse von bilingualen Spre‐ chern, die beispielsweise vom Erwerb zweier Sprachen über Sprachverarbeitung (Sprachproduktion und Sprachrezeption) bis hin zu neurologischen Auswir‐ kungen der Zweisprachigkeit reichen. Die Soziolinguistik nimmt Zweispra‐ chigkeit als gesellschaftliches Konstrukt wahr und sieht den Sprecher als »social actor«, der innerhalb dieses sozialen Gefüges agiert. Die Sprachwissenschaft widmet sich dem Phänomen der Zweisprachigkeit aus verschieden Richtungen. Wei (2013) sieht dabei die Analyse jener sprachlichen Muster im Vordergrund, die sich aus der Zweisprachigkeit ableiten lassen und fasst drei Prozesse zu‐ sammen, in denen sich der Kontakt zwischen zwei Sprachen manifestiert: lang‐ uage maintenance, language shift (z. B. code switching) und language creation (vgl. die Entstehung von Kreolsprachen). In der vorliegenden Arbeit wird die psycholinguistische Perspektive, die sich mit Planungsprozessen auf der Mak‐ roebene befasst, mit der linguistischen Perspektive kombiniert, in der die Be‐ schreibung von verwendeten sprachlichen Strukturen im Vordergrund steht. Doch unabhängig von der Perspektive, aus der Zweisprachigkeit untersucht wird, stösst man unweigerlich auf ein zentrales, terminologisches Problem, das in der Definition des Begriffs Bilingualismus und somit in der Festlegung auf den in Frage kommenden Personenkreis liegt. Wer ist eigentlich als bilingual zu bezeichnen? Und ab wann? Einige Menschen sind ab ihrer Geburt bilingual, andere werden es im Laufe ihres Lebens, andere wiederum wären es gerne. Bi‐ lingualismus ist folglich ein komplexes Phänomen, das aufgrund seiner Hete‐ rogenität nicht einseitig zu definieren ist: 5. Zweisprachigkeit 68 <?page no="69"?> 2 Im Folgenden werden die verschiedenen Bezeichnungen für verschiedene Typen von Bilingualen auf Englisch wiedergegeben. A myriad of factors make the bilingual experience deeply heterogeneous and poten‐ tially alter its consequences. (Bialystok et al. 2009: 90) Die für diese Arbeit ausgewählten Probanden wurden auf der Basis eines de‐ taillierten Fragebogens sowie aufgrund ihrer Angaben zu ihrer Sprachbiogra‐ phie und zu ihrem Sprachverhalten ausgewählt und in zwei Gruppen unterteilt: Die der frühen und späten Bilingualen (s. Kapitel 6 für einen Überblick über die Probandenschaft). Das Attribut »bilingual« hat im Laufe der rezenten Sprachwissenschaftsge‐ schichte verschiedene Definitionsmöglichkeiten angenommen. Die ersten Aus‐ einandersetzungen der modernen Sprachwissenschaft mit der Begrifflichkeit zeigen verschiedene Definitionen auf. Während für Bloomfield (1933) der bilin‐ guale Sprecher in beiden Sprachen einen hohen, muttersprachlichen Kompe‐ tenzgrad aufweist, bildet für Haugen (1953) schon die Fähigkeit, sinnstiftende und vollständige Sätze in einer weiteren Sprache zu produzieren die Basis, um einen Sprecher als bilingual zu definieren (Edwards 2013). Weinreich (1953: 1) bleibt in Bezug auf die Definition von Zweisprachigkeit sehr vage und definiert sie im Sinne von »the practice of alternately using two languages.« Von den verschiedenen Definitionen der Zweisprachigkeit, die sich zwischen dem maximalistischen Ansatz der native competence im Sinne von Bloomfield und der minimalistischen Auffassung im Sinne von Haugen bewegen, wird in der neueren Forschung der maximalistische bevorzugt (Patuto 2012). Für eine umfassende Definition von Zweisprachigkeit lassen sich jedoch neben der Kom‐ petenz in den beiden Sprachen, weitere Kriterien berücksichtigen, die eine um‐ fassendere Handhabung des Begriffs erlauben. 2 Wenden wir zunächst das Augenmerk auf die Kompetenz: Das Verhältnis zwischen den beiden Sprachen in Bezug auf Fertigkeiten bzw. Kompetenz führt zu der Unterscheidung zwischen balanced und dominant bilinguals (Peal und Lambert 1962). Balanced bilinguals sind in beiden Sprachen gleichwertig kom‐ petent, während dominant bilinguals in einer Sprache, nämlich in der dominan‐ teren, eine höhere Kompetenz aufweisen. Diese Unterscheidung betrifft aber nur die Festlegung einer ausgeprägten Kompetenz. Ab welchem Niveau ist ein Sprecher als sehr kompetent einzustufen? Hinweise darauf können Messver‐ fahren geben, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Komplexität nicht ganz von Will‐ kürlichkeit freigesprochen werden können (Butler 2013). Ein weiterer problematischer Punkt in Bezug auf den Kompetenzgrad betrifft die sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Sprecher in beiden Sprachen eine 5.1. Typen von bilingualen Sprechern 69 <?page no="70"?> wirklich gleichwertige Kompetenz aufweist. Fishman (1972) unterstreicht hierbei, dass sich zwei Sprachen komplementär in Bezug auf die Kompetenz in bestimmten Bereichen verhalten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn be‐ stimmte Themen vorzugsweise nur in einer Sprache diskutiert werden. Das complementary principle (Grosjean 2010) beschreibt deshalb, dass Bilinguale selten in allen Domänen in beiden Sprachen ebenbürtige Fertigkeiten haben. Romaine (1995: 63) geht sogar so weit, dass der ohnehin unwahrscheinliche Erwerb eines ebenbürtigen Kompetenzgrades in beiden Sprachen sogar zum Abbau einer gesellschaftlichen Zweisprachigkeit führen kann: No society needs two languages for the same set of functions. Eine weitere Unterscheidung, die sich im Grunde ebenfalls aus dem Kriterium der Kompetenz ableitet, betrifft die funktionellen Fähigkeiten, functional abilities (Butler 2013), über die ein Sprecher verfügt. Die Unterscheidung zwi‐ schen receptive und productive betrifft das Ausmass, in dem ein bilingualer Spre‐ cher über seine beiden Sprachen verfügen kann. Passive oder receptive bilinguals sind diejenigen, die überwiegend aufgrund von Nicht-Nutzung einer Sprache ihre Kompetenz graduell abbauen. Produktive Bilinguale verwenden beide Spra‐ chen häufig. Aus einer passiven Zweisprachigkeit resultiert, dass beispielsweise eine der beiden Sprachen zwar verstanden wird, aber nicht aktiv gebraucht werden kann (Chin und Wigglesworth 2007). Geht der Erwerb einer zweiten Sprache auf Kosten der ersten, spricht man von substractive bilinguals. Erfolgt der Erwerb der zweiten Sprache ohne die erste negativ zu beeinflussen, ist die Rede von additive bilingualism. Eine besondere Stellung nehmen jene Sprecher ein, die ihre Kompetenzen weder in der einen noch in der anderen Sprache ausgebaut haben. Die Bezeich‐ nung semilingual (Hansegard 1968, zitiert in Baker 2006) trifft auf Sprecher zu, die im Vergleich zu monolingualen Sprechern Defizite in Bezug auf die Grösse ihres Vokabulars, die korrekte Verwendung von Sprache sowie in Bezug auf unbewusste Mechanismen der Sprachverarbeitung (Automatisierung) auf‐ weisen. Ferner sind kreative Sprachschöpfungsprozesse und das Bewusst‐ sein für die verschiedenen Funktionen der Sprache wenig ausgeprägt (Chin und Wigglesworth 2007). Der Begriff der semilinguals wurde kontrovers disku‐ tiert und wird aufgrund seiner negativen Konnotation eher mit limited bilingu‐ alism umschrieben (Cummins 1994, Chin und Wiggleswort 2007). Problematisch sind jedoch beide Begriffe, da in der Beschreibung der semilingualen Phänomene nicht der Tatsache Rechnung getragen wird, dass semilinguale Sprecher oft aus einem sozial, politisch und ökonomisch benachteiligten Umfeld stammen. Da‐ raus resultiert, dass semilingualism oft fälschlicherweise als eine Folge von 5. Zweisprachigkeit 70 <?page no="71"?> 3 Als Vorläufer für Lenneberg gelten Penfield und Roberts (1959), die postulieren, dass das Sprachlernvermögen mit neun Jahren abnimmt und erfolgreiches Sprachenlernen aufgrund physiologischer Gründe deutlich erschwert ist. 4 Die immer wieder zitierte Hypothese von Lenneberg (1967) basiert nicht auf Beobach‐ tungen zum Zweitspracherwerb unter normalen Bedingungen, sondern wurde auf‐ grund von Untersuchungen gewonnen, die das Wiedererlernen von beeinträchtigten L1 Fertigkeiten betreffen, beispielsweise nach dem Verlust des Gehörs (Singleton 2005, Abello-Contesse 2008). Zweisprachigkeit gesehen wird, ohne die realen Ursachen für sprachliche De‐ fizite dieser Art zu berücksichtigen. Vielmehr sollte, so Baker (2006), der Tat‐ sache Rechnung getragen werden, dass sozioökonomische Faktoren einen ent‐ scheiden Einfluss auf den Spracherwerb ausüben (Chin und Wigglesworth 2007). Neben den gerade beschrieben Unterschieden in Bezug auf Kompetenzgrade liefert der Zeitpunkt des Erwerbs (Genesee et. al 1978) als biologischer Faktor ein weiteres Kriterium für eine differenzierte Beschreibung von bilingualen Sprechern. Aufbauend auf dem Zeitpunkt des Erwerbs werden early bilinguals von late bilinguals unterschieden. Erstere erwerben eine zweite Sprache in der Kindheit, letztere im Erwachsenenalter. Bein den early bilinguals wird ferner unterschieden, ob die beiden Sprachen gleichzeitig (simultaneous bilinguals) oder nacheinander erworben werden (sequential bilinguals). Aus dem Faktor »Zeitpunkt des Erwerbs« ergeben sich jedoch auch Probleme in Bezug auf die Grenzziehung. Ab wann haben wir es beispielsweise mit jungen Zweitspra‐ chenlernern anstatt mit frühen Bilingualen zu tun (Hulk und Cornips 2006, Tracy und Lemke 2012)? In der Regel erfolgt diese Grenzziehung nach dem 4. Lebensjahr. In Bezug auf das Alter beim Sprachenlernen hält sich im Volksmund die An‐ nahme, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen »besser« oder »schneller« Sprachen lernen bzw. in unserer Terminologie, dass early bilinguals bessere Re‐ sultate erzielen als spätere Lerner. Das, was auch heute noch intuitiv von Laien wahrgenommen wird, wurde seit den sechziger Jahren in der Forschung durch den Ansatz von Lenneberg (1967) als kritische Periode (critical period) um‐ schrieben. 3 Lenneberg führt aus, dass aufgrund von physiologischen Grund‐ lagen in der Zeitspanne zwischen zwei Jahren und der Pubertät Sprachen »au‐ tomatisch« erworben werden. Nach dieser kritischen Periode nimmt dieses Sprachlernvermögen ab: Apparently, there is a period in infancy at which the hemispheres are still equipoten‐ tial. (…) At the beginning of language development both hemispheres seem to be equally involved. (Lenneberg, 1967: 151) 4 5.1. Typen von bilingualen Sprechern 71 <?page no="72"?> 5 Lamendella (1977) ersetzt den Begriff critical mit sensitive, um zu unterstreichen, dass erfolgreiches Sprachenlernen auch im Erwachsenenalter möglicherweise erschwert, aber nicht unmöglich ist. Für Lenneberg fällt diese Periode mit dem Einsetzen der sogenannten laterali‐ zation zusammen, nämlich der Phase, in der die dominante Gehirnhälfte sich für die Sprachfunktionen spezialisiert (Singleton 2005). Befürworter und Gegner der critical age hypothesis liefern sich bis dato er‐ hitzte Diskussionen (De Keyser und Larson-Hall 2005). Während einige empi‐ rische Ergebnisse die critical age hypothesis  5 zu belegen scheinen ( Johnson und Newport 1989), zeigen einige andere Studien jedoch, dass Erwachsene insbe‐ sondere in der Morphosyntax ein Niveau erreichen können, das als »na‐ tive-like« beschrieben werden kann (Birdsong 2005, Bongaerts 1999). »Several experimental studies have demonstrated that native-like attainment is not impos‐ sible for late learners of SLA .« (Birdsong 2005: 120) Gegner der Hypothese wie Marinova-Todd et al. (2000) zeigen unter Berück‐ sichtigung verschiedener Studien auf, dass das Beharren auf den Vorteilen des kindlichen und frühkindlichen Sprachenlernens auf drei irreführende Tatsachen zurückzuführen sei. Erstens werden Beobachtungen zum kindlichen Spracherwerb falsch inter‐ pretiert (misinterpretation). Insbesondere die Studie von Johnson und Newport (1989) zeige nach der Verifizierung der Ergebnisse durch Bialystok und Hakuta (1994) zu Unrecht, dass nach der Pubertät das Sprachlernvermögen abnimmt. Neuere Studien im Bereich der Informationsstruktur zeigen sogar, dass der Erwerb von globalen Planungsprinzipien bis weit in die Pubertät hineinreicht. Halm (2010) hat anhand von Erzählungen von deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen zeigen können, dass ein Erwerbsprozess, der zur Herausbildung und Umsetzung von globalen Planungsprinzipien führt, auch bei 14-jährigen, monolingualen Sprechern noch nicht abgeschlossen ist. Im Bereich der Infor‐ mationsorganisation stellt Halm fest, dass Erzählungen von Teenagern noch nicht die »Reife« von Erzählungen erwachsener Sprecher aufweisen, die sich in Bezug auf textstrukturelle Entwicklungen (thematische Kontinuität und Kohä‐ renz) von diesen unterscheiden. Zwar sind keine oder kaum Fehler in der gram‐ matikalischen bzw. syntaktischen Akkuratesse zu verzeichnen, aber das kom‐ plexe Gefüge der Erzählung wird noch nicht von globalen Planungsprinzipien bestimmt. Die Frage nach dem attainment kann daher nicht generell beantwortet werden, sondern richtet sich nach dem Wissen, das in verschiedenen Studien untersucht wird. Zweitens liegt eine weitere fragwürdige Bestätigung der critical age hypo‐ thesis nach Marinova-Todd et al. (2000) in den vorschnellen Rückschlüssen, die 5. Zweisprachigkeit 72 <?page no="73"?> zwischen neurophysiologischen Ergebnissen und Sprachverhalten hergestellt werden (vgl. Wuillemin und Richardson 1994, Weber-Fox und Neville 1996). Ein Ergebnis dieser Art aus der Gehirnforschung zeigt beispielsweise, dass aufgrund der verzögerten Entwicklung der präfrontalen Kortex sowie aufgrund der ver‐ zögerten Entwicklung der kognitiven Kontrolle, das Lernen von Sprache bei Kindern positiv im Vergleich zu Erwachsenen beeinflusst wird (Wei 2013, Ramscar und Gitcho 2007, Thompson-Schill et al. 2009). Dennoch kommen Ma‐ rinova-Todd et al. zu folgender Aussage: Connections between brain functioning and language behaviour will no doubt in time be confirmed, but their exact nature cannot even be guessed from the data currently available on brain functions in early versus late bilinguals. (Marinova-Todd et al. 2000: 27) Letztendlich, so die Autoren, sei auch die Tatsache, dass immer wieder das Nicht-Erreichen eines muttersprachlichen Niveaus von erwachsenen L2-Ler‐ nern betont werde, ein Grund für das hartnäckige Halten der critical age hypo‐ thesis (misemphasis). Angenommen werden sollte eher ein voranschreitendes Lernen, das weder plötzlich einsetzt noch abrupt endet (Flecken 2010). Selbst wenn die Rezeptivität des kindlichen Gehirns Vorteile in Bezug auf Lernprozesse bringt, ist dieser Vorteil nicht zu überbewerten (Edwards 2013). Die aktuellen Ergebnisse spre‐ chen eher dagegen und selbst wenn eine solche sensitive Periode angenommen wird, ist nicht klar, wie diese in Bezug auf Lebensjahre festzusetzen ist. Kritisch ist bezüglich der critical age hypothesis ferner anzumerken, dass je nach sprach‐ lichem Bereich der Erwerb mit unterschiedlichen Tempi vonstattengeht. Der Erwerb von phonetischen Fertigkeiten im Vergleich zu Syntax und Grammatik scheint früher abgeschlossen zu sein (Singleton 2005). Die critical age hypothesis ist also insofern abzulehnen, da die Abnahme der Lernfähigkeit, die Birdsong (2005) als decline im Spracherwerbsprozess beschreibt, nicht plötzlich im Sinne eines Meilensteins abnimmt, sondern progressiv vonstattengeht und darüber hinaus individuell und von verschiedenen Variablen geprägt ist (Birdsong 2005: 125): In terms of language pedagogy, it can therefore be concluded that (i) there is no single ‚magic’ age for L2 learning, (ii) both older and younger learners are able to achieve advanced levels of proficiency in an L2, and (iii) the general and specific characteristics of the learning environment are also likely to be variables of equal or greater impor‐ tance. (Abello Contesse 2008: 172) 5.1. Typen von bilingualen Sprechern 73 <?page no="74"?> Diese Variablen reichen von der Motivation bis hin zum Umfang des Inputs und den Gegebenheiten des Erwerbsprozesses (Bedingungen im Klassenraum, Kom‐ petenz des Lehrers usw.. Siehe auch Kapitel 5.2. für eine detaillierte Beschrei‐ bung dieser Variablen). Das Alter allein ist somit nicht ausreichend, um als iso‐ lierter Faktor der Beschreibung des komplexen Lernprozesses gerecht zu werden. Das Alter rechtfertigt keine Aussagen im Hinblick auf die Lernfertig‐ keiten von Sprachen. Die Morphosyntax, die in Birdsongs Studien (1992, 2003) im Vordergrund steht, liefert einen entscheidenden Indikator für den Erwerbsfortschritt von späten Lernern, der die Grenzen des Zweitspracherwerbs im Vergleich zum L1-Erwerb aufweicht: (…) demonstrations of native-like performance by late bilinguals are at least of heu‐ ristic utility because they constitute a challenge to received views that the upper limits of late SLA are inevitably inferior to those of L1 acquisition. (Birdsong 2005: 121) Im Vergleich, der in diesem Zusammenhang stets zwischen Bilingualen und Monolingualen etabliert wird, liegt ein entscheidender problematischer Faktor. Bilinguale setzen sich anders als Monolinguale ständig mit der Aktivierung zweier Sprachsysteme auseinander, die beispielsweise in der Unterdrückung der einen Sprache resultieren (Bialystok 2009). Prozesse dieser Art, die bei Mono‐ lingualen nicht stattfinden, erschweren den Vergleich, zumal auch sprachliche Erfahrungen von Monolingualen und Bilingualen nicht gleichzusetzen sind: »The input of monolinguals and bilinguals is too varied for direct comparisons to be justified« (Slabakova 2013: 53). Aus diesem Grunde und nicht nur in Bezug auf die sogenannte kritische Periode im Spracherwerb, ist der Vergleich zwi‐ schen Bilingualen und Monolingualen zu vermeiden, da gerade die »non-mo‐ nolingual likeness« im Sinne von Fertigkeiten als entscheidendes Charakteris‐ tikum für Bilinguale ist (Grosjean 1989, Cook 2003, Ortega 2009). Festgehalten werden soll an dieser Stelle, dass auch ein spätes und erfolgrei‐ ches Lernen von Sprachen möglich ist, das in einem muttersprachenähnlichen Niveau münden kann. Dies ist zwar nicht häufig der Fall (vgl. den Ausweis eines Anteils von 5 % in Birdsongs Studie von 2005) und bleibt die Ausnahme, insbe‐ sondere in komplexen Bereichen wie der Informationsorganisation. Der überwiegende Anteil am Nicht-Erreichen eines muttersprachlichen Ni‐ veaus wurde insbesondere in der Vergangenheit als Misserfolg gewertet und findet leider auch heute noch seine Daseinsberechtigung. The characterization of non-nativelikeness as failure harks back to the pedagogical literature many decades earlier (…); ahead a few decades to the L2 linguistics litera‐ ture (…); and up to the present day in promotions of language learning methods (…). 5. Zweisprachigkeit 74 <?page no="75"?> The equation of the L2 acquisition end state with non-nativelikeness, along with the linkage of non-nativelikeness with failure, are foundations of a societal-level stigma‐ tization of foreignness. (Birdsong und Gertken 2013, 112-113) Birdsong, der wie angeführt, positive Ergebnisse auch für späte Lerner festge‐ stellt hat, fasst nicht ohne Ironie den Zusammenhang zwischen dem Erreichen eines muttersprachlichen Niveaus in der Zweitsprache und dem Nicht-Errei‐ chen desselben folgendermassen zusammen. In a nutshell of irony: native-likeness at the L2 acquisition end state is abnormal, non-nativelikeness is normal, and neither is viewed in a positive light. (Birdsong und Gertken 2013: 113) Bevor im folgenden Abschnitt auf jene Variablen eingegangen wird, die sowohl bei Monolingualen als auch bei Bilingualen auf den Erwerbsprozess einwirken, soll noch kurz das Problem der Messbarkeit der Sprachfertigkeiten diskutiert werden. Die Frage, ob jüngere oder ältere Lerner »besser« lernen sowie das Festlegen eines Kompetenzgrades sowohl bei Bilingualen als auch bei L2-Ler‐ nern, bedingt zur Beantwortung ein Instrumentarium, das geeignet ist, die Sprachfertigkeit festzusetzen. Getestet wird Redegewandtheit (fluency), Flexi‐ bilität und Dominanz einer Sprache in Form von Interviews, Sprachgebrauchs‐ messungen oder Selbsteinschätzungen. Die Qualität der Selbsteinschätzungen hängt von der Bereitschaft und der Fähigkeit des Sprechers ab, die eigenen Sprachkompetenzen zu bewerten (Edwards 2013). Jedes Testverfahren kann als ungenügend gewertet werden, wenn es eine Reihe Faktoren ausser Acht lässt, die sich auf den Spracherwerb auswirken. Diese werden im folgenden Abschnitt diskutiert. 5.2. Den Spracherwerb beeinflussende Variablen Der Spracherwerb wird durch ein Bündel an Faktoren beeinflusst, das sich in vier Voraussetzungen einteilen lässt: Biologische, kognitive, soziale und indivi‐ duelle Voraussetzungen. Für den Vergleich von monolingualen und bilingualen Sprechern ist die Untersuchung von biologischen und kognitiven Faktoren an dieser Stelle jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Sie werden daher im Folgenden nur kurz angerissen. Soziale Voraussetzungen hingegen, die die Be‐ dingungen des Spracherwerbs näher beleuchten, werden, nicht zuletzt im Hin‐ blick auf die Beschreibung des erhobenen Datensatzes, detaillierter beschrieben. Die biologische Dimension betrifft physiologische Merkmale, die mit dem Sprachlernvermögen verbunden sind. Dazu gehören neurologische Prozesse des 5.2. Den Spracherwerb beeinflussende Variablen 75 <?page no="76"?> Gehirns für die Verarbeitung von Informationen, sowie die Hörfähigkeit und die Unversehrtheit der artikulatorischen Organe (Klein 1996). Neben dem Alter, das sich mit Blick auf die Entwicklungsstadien des Gehirns (vgl. Entwicklung des präfrontalen Cortexes) auf das Sprachenlernen auswirkt, wird derweil auch das Geschlecht als eine biologische Variable diskutiert, die den Spracherwerb be‐ einflusst. Ausgehend von neurolinguistischen Studien, die mit Mädchen und Jungen durchgeführt wurden, konnte gezeigt werden, dass Mädchen bis in das Erwachsenenalter hinein bessere Ergebnisse beim Spracherwerb aufweisen (Burman et al 2008). Auch soziolinguistische Untersuchungen zeigen Unter‐ schiede sowohl im Bereich der Motivation (Kissau 2008) als auch im Bereich des kommunikativen Verhaltens auf (Tannen 2003, Romaine 2003). Trotz Unter‐ schiede, die sich im Sprachverhalten bei Männern und Frauen beobachten lassen, ist jedoch keines der untersuchten Merkmale einzig auf das biologische Merkmal »weiblich« oder »männlich« zurückzuführen (Wei 2013). Die kognitive Dimension umfasst die Funktionen des Gehirns, die für das Lernen, Verarbeiten und Evaluieren von Informationen verantwortlich sind (García und Náñez 2011). Als besonders bedeutsam stellt sich dabei das Erinne‐ rungsvermögen heraus (Wei 2013), das gepaart mit Lernfähigkeit die Speiche‐ rung von erworbenem Wissen erlaubt. Unter dem Stichwort der Lernfähigkeit stellen ebenfalls Begabungen im Sinne einer schnellen Auffassungsgabe oder eines ausgeprägt guten Gehörs besonders förderliche kognitive Vorausset‐ zungen dar. Die dritte, und heterogenere Voraussetzung für das Lernen von Sprache, be‐ trifft soziale Voraussetzungen, die die Sprecher umgeben. Eine Voraussetzung betrifft den Ort, an dem bilinguale Sprecher sprachlichen Input erhalten. Ma‐ ckey (2001) differenziert diesbezüglich die Funktion, die eine Sprache erfüllt. Es ist bedeutsam, ob ein bilingualer Sprecher eine der Sprachen ausschliesslich Zuhause spricht oder ob eine der beiden Sprachen eine sogenannte community language ist, die beispielsweise auf dem Arbeitsplatz (occupation group), in der Freizeit (recreation group) oder in der Nachbarschaft gesprochen wird. Ferner unterscheidet Mackey den Input, der in der Schule vermittelt wird von jenem, der durch Massenmedien oder durch stetige Korrespondenz entsteht. Entschei‐ dende Variablen sind dabei die Dauer (Zeitspanne des Sprachkontakts) und die Frequenz des Inputs. Je intensiver der Sprachkontakt, desto höher ist das Lern‐ ergebnis. In jenen Fällen, in denen Zweisprachigkeit nicht auf eine mehrsprachige Fa‐ milienkonstellation zurückgeht, wie beispielsweise im Fall von Eltern mit un‐ terschiedlichen Muttersprachen, liegt ein entscheidender sozialer Faktor im Druck von aussen, der zum Erwerb einer zweiten Sprache führt. Dieser Druck 5. Zweisprachigkeit 76 <?page no="77"?> kann aus wirtschaftlichen Gründen resultieren, z. B. durch die Annahme, dass mit dem Erwerb der zweiten Sprache der wirtschaftliche Wohlstand gesichert oder verbessert werden kann. Aber auch administrative Gründe, die sich ins‐ besondere in zweisprachigen Gesellschaften manifestieren, führen zu der Not‐ wendigkeit, eine zweite Sprache zu erlernen, wie im Falle von Staatsbediens‐ teten eines zweibzw. mehrsprachigen Landes. Der Druck, eine weitere Sprache zu erlernen, kann sich ferner auch aus kulturellen oder politischen Begeben‐ heiten ergeben (Mackey 2001). Nicht immer, besonders im Hinblick auf Mi‐ granten, gestaltet sich der Druck, eine weitere Sprache zu erlernen, in positiver Weise. Krumm (2010: 18) stellt heraus, dass sich bei Migranten durch »verschie‐ dene Kommunikationsräume« (…) »unterschiedliche und extrem dynamische Sprachidentitäten entwickeln.« Die Pendelmigration hinterlässt Spuren in der Sprachenbiographie, wobei sich inten‐ tionale Entwicklungen mit unerwartet zwanghaften Identitätsveränderungen, z. B. durch gesetzliche oder Anforderungen des Arbeitsplatzes, mischen. Unterscheidet man die soziale Dimension der Zweisprachigkeit, wie eben ge‐ sehen im Hinblick auf Funktion oder aufgrund eines sogenannten Sprachdrucks, kommen wir über die Ausführungen von Krumm (2010) zu der individuellen Dimension von Zweisprachigkeit, die je nach Individuum im Hinblick auf Va‐ riablen des Spracherwerbs unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Diese indivi‐ duellen Variablen werden im Zuge des affective turns beschrieben, der seit Be‐ ginn des neuen Jahrtausends Raum in der Zweitspracherwerbsforschung eingenommen hat und sein Augenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Emo‐ tionen und dem Lernen einer Zweitsprache richtet. Unter dem Oberbegriff der affektiven Variablen, die sich auf den Zweitspracherwerb beziehen, fallen eine Vielzahl von emotionalen Haltungen, die im Sammelband von Gabrys-Barker und Bielska (2013) diskutiert werden. Als wichtiger Faktor gilt die Einstellung, attitude, gegenüber der Zweit‐ sprache. Ist die Einstellung gegenüber der Sprache und der entsprechenden Sprachgemeinschaft positiv, werden bessere Ergebnisse erzielt. Daran gekoppelt ist der Wille zu kommunizieren und sich zu integrieren. Ist hingegen die Ein‐ stellung negativ, sowohl zur Sprache selbst als auch zur Sprachgemeinschaft, sind schlechtere Ergebnisse zu erwarten. Gekoppelt an diese Attitüden sind die Persönlichkeit bzw. das Selbstbewusstsein des Lernenden und seine Bereitschaft sich mitzuteilen (Pavlenko 2013, Marinova Todd 2000). Unerlässlich für positive Lernergebnisse ist die Motivation des Lernenden. Je höher die Motivation, desto leichter fällt der Erwerb der Fremdsprache. Die blosse Unterscheidung zwischen intrinsischer Motivation (beispielsweise der 5.2. Den Spracherwerb beeinflussende Variablen 77 <?page no="78"?> 6 http: / / publish.uwo.ca/ ~gardner/ docs/ SPAINTALK.pdf Wille einen positiven Gemütszustand, zu erreichen, etwa durch die Entdeckung einer neuen Sprache und der damit verbundenen Kultur) und extrinsischer Mo‐ tivation in Form von Belohnungen oder Bestrafungen durch Eltern oder Lehrer (Wlosowicz 2013), reicht allerdings nicht aus, um die Rolle der Motivation für den Zweitspracherwerb zu beschreiben. Für Gardner (2006) stellt Motivation ein Geflecht aus Komponenten der Kognition, des Affekts und des Verhaltens dar. Gardner (2006: 11-12) 6 fasst die Motivation eines Lernenden folgendermassen zusammen: 1. Der Lernende ist motiviert, die andere Sprache zu lernen. 2. Der Lernende lernt die Sprache aufgrund eines aufrichtigen Interesses, in der Sprache kommunizieren zu können. 3. Der Lernende hat gegenüber der Lernsituation eine positive Einstellung. Gardners Modell zur Veranschaulichung der Komponenten, die motivations‐ aufbauend sind, bauen auf dem Umfeld auf, in dem sich der Lernende im Hin‐ blick auf Bildung und Kultur befindet. Ausgehend von dieser Umgebung ergibt sich eine Offenheit (integrativeness) und eine positive Haltung in Bezug auf das Lernen der Zweitsprache. Die daraus resultierende Motivation zeigt sich in einem Verhalten, das das classroom behaviour, die Hartnäckigkeit im Lernpro‐ zess, den kulturellen Kontakt und die Speicherung von Lerninhalten begünstigt. Nachdem nun übersichtsartig aufgezeigt wurde, welche Variablen das Lernen von Sprachen beeinflussen, wird im folgenden Abschnitt aufgrund des für diese Arbeit genutzten Datensatzes gezeigt, wie sich der bilinguale Spracherwerb vom monolingualen Spracherwerb unterscheidet. Zudem wird in Kürze behandelt, welche Unterschiede beim L2-Spracherwerb von Kindern und beim L2-Sprach‐ erwerb von Erwachsenen zutage treten. Der Punkt der Vergleichbarkeit mündet immer wieder in der Frage nach der proficiency, der Fertigkeit, die Lerner er‐ reichen. Aus diesem Grunde wird auch die Problematik bei der Messbarkeit der Ergebnisse angerissen. 5.3. Der Zusammenhang von Zweisprachigkeit und Kognition Die Beschreibung des bilingualen Spracherwerbs stand in einigen zentralen Punkten noch immer der Beschreibung des monolingualen Spracherwerbs nach, der hinreichend erfasst ist in Bezug auf die verschiedenen Erwerbsstadien und 5. Zweisprachigkeit 78 <?page no="79"?> in Bezug auf die Muster ihrer Umsetzung in den Bereichen Phonetik, Lexik, Morphologie und Syntax. Heute steht fest, dass der bilinguale Spracherwerb, den Dietrich (2002) als den »von den Erwerbsumständen geprägten, gleichzei‐ tigen Erwerb von Wissen und Fertigkeiten in zwei Varietäten verschiedener Sprachen« definiert, sich nicht merklich vom monolingualen Spracherwerb un‐ terscheidet. Die Etappen im Aufbau der Sprachentwicklung im Sinne der Ent‐ wicklung der phonologischen, lexikalischen und syntaktischen Kompetenzen folgen bei bilingualen Sprechern im Grossen und Ganzen jenen Mustern, die für den monolingualen Spracherwerb beschrieben wurden. Der Erwerb zweier Sprachen verläuft, so Bialystok et. al. (2009) ebenso mühelos, effizient und er‐ folgreich wie der monolinguale Spracherwerb. Ausgehend von der Tatsache, dass Spracherwerb nicht nur als biologische Konstante zu betrachten ist, sondern auch abhängig ist vom Input aus der sprachlichen Umgebung eines Kindes, von seinen Fähigkeiten in puncto Auf‐ merksamkeit und Perzeption sowie von der Entwicklung seiner kognitiven und konzeptuellen Kompetenzen, steht der Vergleich zwischen monolingualen und bilingualen Sprechern im Zeichen des kognitiven Systems. Anhand der Sprach‐ verarbeitung und der Organisation des sprachlichen Wissens können hierbei Unterschiede in der kognitiven Verarbeitung zwischen monolingualen und bi‐ lingualen Sprechern hervorgehoben werden. Therefore, bilingual language use must be intimately tied to a cognitive system in a way that is less essential for monolingual speech. (Bialystok et al. 2009: 92) Anhand verschiedener Studien konnte gezeigt werden, dass die Sprachverar‐ beitung bei bilingualen Sprechern sich aufgrund zweier Faktoren von der Sprachverarbeitung bei Monolingualen unterscheidet. Aufgrund einer weniger ausgeprägten Wissensbasis (vgl. das reduzierte Vokabular bei Bilingualen, Bi‐ alystok, Luk et al. 2010) sowie aufgrund der Verbindung (joint activation) zwi‐ schen den beiden Sprachen und der daraus resultierenden Notwendigkeit, stets Wahlentscheidungen zu treffen, zeigen sich unterschiedliche Verfahren in der Sprachverarbeitung (Bialystok et. al. 2009). Diese können experimentell ge‐ messen werden durch Studien zum lexical retrieval (Abfrage von lexikalischem Wissen, beispielsweise durch das Erstellen von semantischen Klassifizierungen für Wörter), zur sogenannten verbal fluency (beispielsweise durch die Generie‐ rung möglichst vieler Wörter unter Zeitdruck) sowie durch die Kontrolle über sprachliche Ressourcen (Bialystok et al. 2009). Trotz der Tatsache, dass Zweisprachigkeit seit jeher ein weit verbreitetes Phänomen ist, haftete dem bilingualen Spracherwerb lange das Vorurteil an, sich negativ auf die kognitive Entwicklung eines bilingualen Kindes auszuwirken. 5.3. Der Zusammenhang von Zweisprachigkeit und Kognition 79 <?page no="80"?> Vorherrschend war diese Meinung insbesondere in den USA im Zuge der Im‐ migration seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Es wurde ein Zusammenhang zwi‐ schen defizitärer Intelligenz und mentaler Entwicklung einerseits und dem Vor‐ handensein eines zweiten Sprachsystems andererseits hergestellt, das den Sprecher in seiner kognitiven Funktionalität behindert (Edwards 2013, de Groot 2011). Epstein (1915, zitiert in Dietrich 2000: 101) formuliert seine Vorbehalte gegenüber der Mehrsprachigkeit folgendermassen: Cependant, ceux mêmes, qui contestent à l’étude des langues sa valeur éducative ne soupçonnent pas que cet enseignement puisse porter directement préjudice a quelque faculté intellectuelle. Or, le fait nouveau que les langues tendent chez un sujet, à s’in‐ hiber mutuellement, conduit inévitablement à la conclusion que la polyglossie est un facteur de gène et d’entraves pour la pensée verbale; qu’apprendre une nouvelle langue, c’est amoindrir en clarté, en pureté et, dans le meilleur cas, en vitesse le pouvoir expressif dans le langues acquises précédemment. In den sechziger Jahren gab es in der Bewertung der Zweisprachigkeit eine Trendwende, die beginnend mit den Studien von Peal und Lambert (1962) ein positiveres Licht auf die Zweisprachigkeit wirft. Eine günstige Auswirkung der Zweisprachigkeit läge, laut Peal und Lambert in der Denkfähigkeit, die in Bezug auf das Problemlösen, bei bilingualen Sprechern besser ausgeprägt sei. Bialystok leitet aus ihren Untersuchungen ab, dass Bilinguale in Bezug auf ihre kognitiven Fähigkeiten Vorteile im Vergleich zu monolingualen Sprechern aufweisen, die auf die zweigeteilte Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Spra‐ chen zurückzuführen sind, die sich positiv auf Vernetzungen im Gehirn aus‐ wirken. Aus der zweigeteilten Aufmerksamkeit resultiert, dass die kognitive Performanz ein Leben lang positiv beeinflusst wird. Our conclusion is that lifelong experience in managing attention to two languages reorganizes specific brain networks, creating a more effective basis for executive con‐ trol and sustaining better cognitive performance throughout the lifespan. (Bialystok 2012) Bialystok (1999, 2009) hat beispielsweise gezeigt, dass Monolinguale und Bilin‐ guale in Bezug auf analytische Fähigkeiten, beispielsweise im Erkennen von syntaktischen Fehlern, vergleichbare Ergebnisse erzielen. Bilinguale liegen je‐ doch im Vorteil, wenn es darum geht, Aufgaben mit einer selektiven Aufmerk‐ samkeit auf bestimmte Aspekte zu lösen. Anhand verschiedener Anleitungen, Karten eines Kartenspiels zu sortieren, wurde deutlich, dass Bilinguale schneller neuen Anweisungen folgen und diese umsetzen konnten (Bialystok und Craik 2009). Zusammengefasst lassen sich Unterschiede bei Bilingualen im Hinblick 5. Zweisprachigkeit 80 <?page no="81"?> auf selektive Aufmerksamkeitslenkung und mentaler Flexibilität feststellen (Bi‐ alystok et al. 2009), die nicht zuletzt mit einer höheren sprachlichen Kreativität einhergehen (Bialystok 2001). Jedoch kann nicht der Schluss gezogen werden, dass Zweisprachigkeit generell als positiver Nebeneffekt für die Denkfähigkeit zu werten ist. Vielmehr ist aus den Ergebnissen abzulesen, dass Zweisprachig‐ keit keine Nachteile für die kognitive Entwicklung von bilingualen Sprechern darstellt. De Groot (2011) weist darauf hin, dass die bessere kognitive Kontrolle nicht aus dem Beherrschen zweier Sprachen hervorgeht, sondern auf der Tatsache beruhe, dass Sprecher stets darauf angewiesen seien, eine Sprache für den je‐ weiligen Diskurs auszuwählen. Mit dem Beherrschen zweier Sprachen ist ferner eine akzentuierte Sprachfertigkeit gekoppelt, die sich in einem metalinguisti‐ schen Bewusstsein manifestiert. Das Metalinguistische Bewusstsein umfasst word awareness (Verständnis der Beziehung zwischen Wörtern und ihrer Be‐ deutung), syntactic awareness (Bewertung der Korrektheit von Äusserungen) sowie phonological awareness (Bewusstsein über die Phonemstruktur von Wör‐ tern). Die Beobachtung geht auf Untersuchungen zurück, die aufzeigen, dass bilinguale Kinder in der Analyse linguistischer Strukturen in den drei genannten Bewusstseinsfeldern besser abschneiden, als die monolinguale Vergleichs‐ gruppe. Neben den eben genannten Beobachtungen, sind auch ungünstigere Ent‐ wicklungen mit dem Erwerb von zwei Sprachen beobachtet worden. Häufig zitiert wird dabei das Vokabular von Bilingualen, das in der kindlichen Ent‐ wicklung weniger stark ausgeprägt sei, als bei Monolingualen (Bialystok et al. 2009). Hingegen sehen De Houwer et al (2013: 21) aufgrund ihrer Studien keine Nachteile von Zwei- oder Mehrsprachigkeit im Hinblick auf die Grösse des Vo‐ kabulars und auf die lexikalische Entwicklung. Die Autoren plädieren vielmehr dafür, der Form der exposure, also der Beschaffenheit des Inputs, Aufmerksam‐ keit zu widmen, anstatt durch die Vergleiche Unterschiede einzig auf die Zwei‐ sprachigkeit zurückzuführen: Instead of focusing on bilingual - monolingual comparisons, examining variation in children’s language exposure, regardless of the number of languages they are acqui‐ ring, holds better promise for understanding the large variability in early lexical de‐ velopment. Bei all den verschiedenen Ergebnissen, die mit dem Einsetzen der sechziger Jahre für das Phänomen der Zweisprachigkeit betont werden, ist jedoch auf die Schwierigkeit hinzuweisen, Korrelationen zwischen Zweisprachigkeit und Kog‐ nition eindeutig in Bezug auf Ursache und Wirkung zu differenzieren. 5.3. Der Zusammenhang von Zweisprachigkeit und Kognition 81 <?page no="82"?> In der umfangreichen Bibliographie, die sich mit dem bilingualen Spracher‐ werb auseinander gesetzt hat, wurde lange die Frage der Sprachtrennung dis‐ kutiert. Dabei stand die Organisation des Sprachsystems bzw. der Sprachsys‐ teme im Vordergrund. Verfügen Bilinguale über zwei separate Sprachsysteme oder überlappen diese? Einige Erkenntnisse zeigen, dass bilinguale Sprecher ihre beiden Sprachen als zwei getrennte Systeme behandeln (Serratrice 2013, Meisel 1986, De Houwer 1995, Lanza 1992, Tracy 1995). Dennoch gibt es auch Belege dafür, dass es Interferenzen zwischen den beiden Sprachsystemen gibt, die Müller und Hulk (2001) als cross-linguistic influence hypothesis beschreiben. Untersuchungen der beiden Autorinnen haben gezeigt, dass sich die Interakti‐ onen zwischen zwei Sprachen im syntaktischen Bereich weder mit einer Do‐ minanz einer Sprache gegenüber der anderen noch aufgrund einer defizitären Sprachtrennung von Seiten des Sprechers erklären lassen. Vielmehr zeige sich in bestimmten Bereichen der Grammatik aufgrund ausgeprägter Wahlmöglich‐ keiten bei Kindern länger das Inkrafttreten universaler Strategien, die auf fol‐ gendem Muster beruhen: Once language A allows for more than one grammatical analysis from the child’s perspective and language B contains positive evidence for one of those possible ana‐ lyses, language A is likely to be influenced by language B. (Müller und Hulk 2001: 19) Trotz zahlreicher Studien, die Interaktionen zwischen zwei Sprachen bei bilin‐ gualen Sprechern beschreiben (Sorace und Serratrice 2009), ist die Frage nach der Ursache und der Bedingungen für diese Formen der Interferenz noch nicht geklärt. Angeführt werden in diesem Zusammenhang immer wieder die Domi‐ nanz einer Sprache, Entwicklungen in der Zeit oder auch typlogische Unter‐ schiede (Serratrice 2012). Wichtig zu bemerken ist dabei, dass insbesondere bei späten Bilingualen ein Transfer nicht nur im Sinne einer Beeinflussung der L2 durch die L1 zu beobachten ist, sondern dass auch die L1 von der L2 einen Transfer erfahren kann (Pavlenko 2000, Pavlenko und Jervis 2002). In Bezug auf bilinguale Sprecher stellt sich nun die Frage, wie sie sich im Sprachgebrauch von Monolingualen unterscheiden. Erwiesen ist, dass es sich bei Bilingualen nicht um zwei Monolinguale »in one mind« handelt (Grosjean 1989), sondern dass es sich beim Sprachgebrauch bilingualer Sprecher um ein Continuum handelt, das im Verlauf der Lernbiographie ständig erweitert wird. Es geht also nicht allein um die Frage des Transfers, der nicht nur wie gerade beschrieben bidirektional ist (gegenseitige Beeinflussung der L1 und der L2), sondern um die Muster, die in den verschiedenen Sprachproduktionsbereichen 5. Zweisprachigkeit 82 <?page no="83"?> zutage treten (insbesondere in den Konzeptualisierungsprozessen). Bezüglich des Verhältnisses zwischen Ein- und Mehrsprachigkeit schreibt Pavlenko (2011): The relationship between monolingualism and multilingualism is a continuum where, in the process of additional language learning, speakers may internalize additional perspectives, frames of reference or interpretative categories, restructure the frames and categories they already have, and shift their patterns of preference, inhibiting those favored earlier. (Pavlenko 2011: 245) Flecken (2010) hat in ihrer Studie zu deutsch-niederländischen Bilingualen zeigen können, dass Bilinguale nicht lediglich Muster von monolingualen Spre‐ chern replizieren, sondern eigene Wege gehen, die Flecken als bilingual-spezi‐ fisch bezeichnet. Im Bereich der Informationsstruktur wurde in der besagten Studie deutlich, dass bilinguale Sprecher Muster anwenden, die in beiden Spra‐ chen akzeptabel sind. Diese bilingual-spezifischen Muster weisen jedoch keine einzelsprachlichen Charakteristika auf, die bei monolingualen Sprechern des Deutschen und Niederländischen beobachtet wurden. Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit wird sich den sprachspezifischen Mustern zuwenden, die für die Informationsorganisation als Ergebnis von Kon‐ zeptualisierungsprozessen relevant sind. Der Vergleich von monolingualen Sprechern des Italienischen und Französischen mit frühen und späten Bilingu‐ alen wird dabei im Vordergrund stehen. Das Hauptaugenmerk gilt den bilin‐ gual-spezifische Besonderheiten. In diesem Kapitel wurde das Phänomen der Zweisprachigkeit behandelt, da bilinguale Sprecher im empirischen Teil der Arbeit einen wichtigen Indikator für den Erwerb von Planungsprozessen darstellen. Aus diesem Grunde wurden in diesem Kapitel verschiedene Aspekte des Begriffs Zweisprachig‐ keit diskutiert, die von Definitionskriterien bis hin zum Zusammenhang zwi‐ schen Zweisprachigkeit und Kognition reichen. 5.3. Der Zusammenhang von Zweisprachigkeit und Kognition 83 <?page no="84"?> 1 Die Methode der vorliegenden Arbeit für die Verifizierung der Hypothesen basiert auf den Aktivitäten, die im Rahmen des sprachvergleichenden DFG-Projekts »Konzeptu‐ alisierung und einzelsprachliches Wissen in der Sprachproduktion« unter der Leitung von Christiane von Stutterheim durchgeführt wurden. An dieser Stelle sei allen Mit‐ gliedern des Projekts gedankt, die mich in technischen, methodischen und besonders inhaltlichen Fragen unterstützt haben. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Christiane von Stutterheim, Mary Carroll und Monique Lambert. Die sprachvergleichende Aus‐ richtung des Projekts (Deutsch, Niederländisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Hocharabisch etc.) hat den Blick für die Interpretation der hier erzielten Ergebnisse entscheidend mitgeprägt. 6. Methode Für die hier beschriebenen Untersuchungsziele, die in der Untersuchung von sprachspezifischen Faktoren bei der Organisation von Information bei einer Er‐ zählaufgabe liegen, ist es unerlässlich, mit einem Datensatz zu arbeiten, der die Vergleichbarkeit der untersuchten Texte gewährleistet. Aus diesem Grund wurde für die vorliegende Arbeit die empirische Methode der Filmnacherzäh‐ lung gewählt. Der bei Filmnacherzählungen konstant gehaltene Stimulus er‐ laubt eine sehr verlässliche Vergleichbarkeit der spontan-sprachlichen Daten. Die Datenerhebungen erfolgten unter experimentellen Bedingungen für Mut‐ tersprachler des Italienischen und Französischen sowie für frühe und späte Bi‐ linguale mit den Muttersprachen Italienisch und Französisch. Im folgenden Ka‐ pitel werden zunächst das Stimulusmaterial vorgestellt und die Methode bei der Datenerhebung und Aufbereitung der Daten beschrieben. Anschliessend wird ein Profil der Probanden gezeichnet, das insbesondere für die Auswertung der Gruppe der frühen und späten Bilingualen von Bedeutung sein wird. Das Kapitel endet mit Darstellung der zentralen Kodierungsmuster. 6.1. Das Stimulusmaterial: Der Animationsfilm Quest Als Stimulusmaterial für die Elizitierung von spontansprachlichen Daten in Form einer mündlichen Erzählung wurde der Animationsfilm Quest von Thomas Stellmach (1996) gewählt, der die Geschichte einer kleinen Sandfigur erzählt, die sich auf die Suche nach Trinkwasser begibt. 1 Während dieser Suche durch‐ quert die Figur, die die einzige belebte Entität des Films ist, mehrere »Welten«, in denen sie sich mit verschieden atmosphärischen Umwelteinflüssen ausei‐ <?page no="85"?> nandersetzen muss. Die Suche nach Wasser beginnt in einer Wüstenlandschaft, in der die Figur das Tropfen von Wasser vernimmt und daraufhin beim Versuch nach Wasser zu graben von einem Sandstrudel in die Tiefe gezogen wird. In der darauffolgenden Szene landet die Figur in einer Welt, die aus losen Papierblät‐ tern besteht und von heftigen Windböen heimgesucht wird. Erneut vernimmt die Figur das Tropfen von Wasser und versucht nochmals, durch Graben an einer feuchten Stelle, an Wasser zu gelangen. Jedoch reisst das Papier und die Figur fällt in eine dritte Welt, die diesmal aus sich selbstständig bewegenden Steinen besteht. Das Muster wiederholt sich: Der Versuch den Steinboden zu durchbre‐ chen, um an Wasser zu gelangen, scheitert und die Figur stürzt in eine vierte Welt, die an eine Industrielandschaft erinnert und in zwei Ebenen unterteilt ist: Eine obere Ebene, die unter freiem Himmel lokalisiert ist sowie eine untere Ebene, die im Inneren einer Fabrik angesiedelt ist. Der Übergang von der einen in die nächste Ebene wird ebenfalls durch einen Sturz gekennzeichnet. Die »Reise« der Figur endet vorerst, als sie in der unteren Ebene der Industriewelt von einer Müllpresse zerdrückt wird und in Form von Sandkörnern kurz vor ihrem Ziel in das ersehnte Wasser rieselt, das sich unterhalb der Fabrik befindet. Das Rieseln der Sandkörner ins Wasser geht fliessend über in das Rieseln von Sandkörnern in eine Wüstenlandschaft, in der dann eine neue Sandfigur ent‐ steht. Der Originalfilm, der unter folgendem Link auf Youtube abrufbar ist, wurde auf eine ca. achtminütige Version gekürzt: https: / / www.youtube.com/ watch? v=uB_8OA59hWE. 6.2. Ablauf der Datenerhebung Die Datenerhebung erfolgte für alle durchgeführten Aufnahmen auf die gleiche Weise. Alle Erhebungen erfolgten unter Aufsicht der Versuchsleiterin in einem ruhigen Raum in universitären Einrichtungen oder in Schulen. Die Probanden wurden zu Beginn der Erhebung zunächst in die Modalitäten der Datenerhebung eingewiesen. Dann wurde der Film den Probanden einmal in voller Länge vor‐ geführt. Anschliessend sahen die Probanden den Film ein weiteres Mal. Jedoch wurde bei der zweiten Filmvorführung nach jeder Zwischenszene, den Über‐ gängen in die nächste Welt, der Film gestoppt und die Probanden wurden ge‐ beten, auf die Frage, was ist passiert, zu antworten, die somit die Quaestio stellt (vgl. Kapitel 3). Es wurde im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit bereits auf die rede‐ einleitende Quaestio und ihre Auswirkungen auf die Erzähltexte in Form von Vorgaben eingegangen, deren Auswirkungen anhand des vorliegenden Daten‐ 6.2. Ablauf der Datenerhebung 85 <?page no="86"?> 2 Gutfleisch-Rieck et. al. (1989) satzes zu beschreiben sind. Durch das Stoppen des Films und der Beantwortung der Quaestio nach jeder Szene sind pro Proband fünf Erzählabschnitte ent‐ standen, die digital erfasst wurden. Die Erzählungen wurden für die linguisti‐ sche Analyse orthographisch transkribiert. 6.3. Transkription und Aufbereitung der Daten Die aufgenommenen Daten wurden gemäss der Vereinbarungen des Sonder‐ forschungsbereiches 245 Sprache und sozialer Kontext  2 transkribiert. Entspre‐ chend wurde die italienische bzw. die französische Standardorthographie in Kleinbuchstaben verwendet. Schwer verständliche Äusserungseinheiten stehen in runden Klammern, während nichtverständliche Äusserungseinheiten durch Bindestriche (--) gekennzeichnet sind. Ferner wurden Pausen mit Asterisken (*) markiert. Sind die Pausen kurz, werden sie mit einem Asterisken gekenn‐ zeichnet. Bei Pausen, die eine Sekunde oder länger andauern, wird die Pausen‐ länge in Sekunden zwischen zwei Asterisken angegeben. Hält eine Pause bei‐ spielsweise zwei Sekunden an, so wird dies mit * 2* transkribiert. Abbrüche und Neuplanungen werden mit einem Schrägstrich gekennzeichnet (/ ). Bevor nun die auf die Aufbereitung der Daten eingegangen wird, soll exemp‐ larisch die Transkription eines italienischen Probanden aufgezeigt werden (1.bis 3. Szene): 1. allora questo film angosciante inizia con un uomo di terra fatto di terra tipo creta in un deserto in una specie di deserto accanto a una bottiglia 2. l’uomo si sveglia 3. e cerca di prendere la bottiglia 4. la bottiglia è vuota 5. quest’uomo evidentemente deve avere una sete della madonna 6. anche perché va bè l’ambiente è abbastanza indicativo 7. dopodiché si alza 8. si tira su 9. e si guarda intorno 10. sente un rumore di goccia 11. e per cui pensa 12. che ci sia da qualche parte acqua 13. si intuisce 14. per cui incomincia a scavare scavare scavare scavare 6. Methode 86 <?page no="87"?> 15. e insomma scava scava scava 16. viene inghiottito da una voragine di sabbia 17. e sparisce 18. questo è il primo pezzetto END OF SCENE 1 19. l’omino di prima lo stesso omino di prima si risveglia in un mondo strano tipo fatto di fogli di carta di pezzi di carta 20. che volano di qua e di là 21. un mondo non si capisce bene 22. che mondo sia 23. però ha sempre ’sto incubo dell’acqua 24. per cui comincia a guardarsi intorno 25. e sente sempre questa goccia questo rumore di goccia 26. e vede anche un punto in uno/ su uno di questi fogli di carta come bagnato 27. per cui va lì 28. per vedere 29. se c’è dell’acqua 30. alza le mani 31. ha delle manone enormi 32. e alza le mani verso il cielo 33. per cercare di vedere 34. se l’acqua cade dal cielo 35. invece si rende conto 36. che l’acqua evidentemente è ancora / è lì sotto sotto questo foglio di carta 37. per cui comincia come nella precedente esperienza a scavare a scavare 38. per cercare di togliere questo foglio d’acqua / questo foglio di carta 39. per vedere 40. cosa c’è sotto 41. e viene come inghiottito anche in questo frangente END OF SCENE 2 42. questa volta l’omino si risveglia in un mondo di pietra 43. tutto fatto di pietra con delle colonne di pietra 44. e oltretutto ci sono pietre 45. che volano da tutte le parti 46. pietre che nascono in certi punti 47. e questo non è tanto normale 48. e si risveglia 6.3. Transkription und Aufbereitung der Daten 87 <?page no="88"?> 49. e sente nuovamente un rumore di goccia 50. mentre cammina 51. per cercare 52. da dove arriva / il punto da dove arriva questa goccia 53. si alza un cumulone di pietra pazzesco 54. dove è proprio lui 55. per cui viene issato in alto su questo cumulo di pietre 56. e vede da lì vede 57. dove veniva la goccia 58. e vede 59. che c’è bagnato per terra su una roccia 60. per cui deve pensare 61. come fare 62. per andare a raggiungere dove c’è la goccia 63. e quindi comincia a calarsi da questo cumulo molto alto 64. e ci sono pietre 65. che cadono 66. insomma scivola 67. e così e si spiaccica per terra 68. si rialza 69. e va verso la goccia 70. e vede 71. e tocca 72. e sente 73. che è bagnato 74. guarda su 75. per vedere 76. se cade dal cielo 77. invece viene da lì viene da lì sotto 78. per cui prende una pietra 79. e comincia a spaccare la pietra 80. per cercare di vedere 81. cosa c’è sotto 82. se sotto c’è dell’acqua 83. con una fatica incredibile perché non dà l’idea di essere molto forte 84. comincia a cercare di spaccare la pietra 85. a un certo punto si apre una voragine 86. e ovviamente fionda giù nella voragine END OF SCENE 3 6. Methode 88 <?page no="89"?> Die Nacherzählungen sind in Segmente unterteilt, die je einer Äusserungs‐ einheit entsprechen. Eine Äusserungseinheit entspricht je einem Sachverhalt und kann eine Handlung, einen Zustand oder einen Vorgang umfassen. Auch Nebensätze können einer Äusserungseinheit entsprechen. Folgende Konstruktionstypen erhalten eine eigene Äusserungseinheit. 1. jegliche Arten von Nebensätzen: eh poi si accorge che praticamente cade eh una goccia d’acqua dall’alto verso il basso 2. jegliche Arten von Infinitiverweiterungen: cerca di creare un passaggaio per arrivare a raggiungere l’acqua 3. Vergleiche jeglicher Art: L’acqua adesso è azzurra Non è più una pozzanghera ma sembra quasi un mare un lago Korrekturen werden nicht als neue Äusserungseinheit gezählt: Ha trovato / intravede lo scorcio uno scorcio d’acqua 6.4. Die Probandenschaft Für die Analyse der informationsorganisatorischen Muster im Italienischen und Französischen wurden für die beiden L1 Gruppen monolinguale Mutter‐ sprachler und Muttersprachlerinnen aufgenommen. Im Falle der italienischen Probanden, Studierende zwischen 20 und 25 Jahren, wurde für die Neutralisie‐ rung von etwaigen diatopischen Variationseinflüssen darauf geachtet, dass die Probanden aus verschiedenen italophonen Regionen stammen. Es handelt sich dabei um Universitätsstudierende, die in drei Erhebungsphasen aufgenommen wurden. In der ersten Phase wurden an der Universität Heidelberg Erasmuss‐ tudierende kurz nach Beginn ihres ersten Auslandssemesters erhoben, die über‐ wiegend aus Pavia und Rom stammten. Eine zweite Phase wurde in Neapel mit Studierenden von der Universität Federico II durchgeführt. Die letzten Auf‐ nahmen sind an der Universität Bern entstanden. Hier nahmen überwiegend Studierende aus dem Tessin an dem Experiment teil. Die Anzahl an männlichen 6.4. Die Probandenschaft 89 <?page no="90"?> 3 Im Vergleich zu den beiden L1 Gruppen sind die bilingualen Probanden etwas jünger, was dem Umstand geschuldet ist, dass die Rekrutierung von bilingualen Probanden in einer Institution wie der französischen Schule in Mailand deutlich erfolgsversprech‐ ender ist, als ohne institutionelle Anbindung. und weiblichen Probanden ist nahezu ausgeglichen. Für das Italienische wurde insgesamt mit 59 Probanden gearbeitet, für das Französische mit 49 Probanden. Die Erhebung der französischen Muttersprachler erfolgte in zwei Aufnah‐ mezyklen. Zum einen wurden in Paris (Université Paris VIII ) Studierende ver‐ schiedener Studienrichtungen erhoben, nicht zuletzt, um das Verhältnis von weiblichen und männlichen Probanden zu egalisieren. Der zweite Aufnahme‐ zyklus wurde an einem Gymnasium in Lyon (Lycéé Ampère) durchgeführt, wo Abiturienten am Experiment teilnahmen. Für die Erhebung der bilingualen Sprecher wurden Aufnahmen am franzö‐ sischsprachigen Gymnasium Lycée Stendhal in Mailand durchgeführt. Die Be‐ schulung findet dort überwiegend in französischer Sprache statt: Im Kinder‐ garten werden 24 Schulstunden in französischer Sprache und 2 Schulstunden in italienischer Sprache gehalten. In der Grundschule werden 21,5 Stunden auf französischer Sprache unterrichtet, 2 auf Italienisch und 1,5 auf Englisch. Im Gymnasium (collège und lycée) werden 22,5 Stunden auf Französisch, 2 auf Ita‐ lienisch und 1,5 auf Englisch unterrichtet. Die Schüler sind zwischen 16 und 18 Jahre alt. 3 Für den Vergleich von frühen mit späten Bilingualen wurden Probanden er‐ hoben, die folgendes Profil aufwiesen: Im Fall der frühen Bilingualen (n = 27) handelt es sich um Schüler, die in Mailand geboren und aufgewachsen sind, jedoch mindestens einen frankophonen Elternteil haben. Sie besuchen seit dem Kindergartenalter die französischsprachigen Einrichtungen des Lycée Stendhal, die vom Kindergarten über die Grundschule bis zum Gymnasium reichen. In den ausgeteilten Fragebögen gaben diese Probanden an, zuhause sowohl Itali‐ enisch als auch Französisch zu sprechen. Sie sind über Hobbys und Freundes‐ kreise in der italienischsprachigen Gesellschaft voll integriert. Die Gruppe der späten Bilingualen (n = 20) setzt sich aus Kindern von fran‐ zösischen Expats zusammen, die seit vier bis acht Jahren in Mailand leben. Die Schüler haben in dem Fragebogen angegeben, ihre Italienischkenntnisse in der Schule erworben zu haben und zuhause ausschliesslich Französisch zu sprechen. Diese Gruppe ist in Bezug auf das assessment heterogener als die Gruppe der frühen Bilingualen, die als balanced bilinguals zu bezeichnen sind Heterogen deshalb, da einige von ihnen eine französischsprachige Umgebung vorziehen, während sich andere in die italienische Gesellschaft integrieren und über 6. Methode 90 <?page no="91"?> Hobbys und Freundeskreise den Erwerb des Italienischen kontinuierlich voran‐ treiben. L1 Ital. L1 Franz. Frühe Bilin‐ guale Späte Bilin‐ guale Anzahl aus‐ gewerteter Transkripti‐ onen 59 49 27 20 Tab. 3: Anzahl ausgewerteter Transkriptionen nach L1- und Bilingualen-Gruppen. Um eine gezielte Auswahl der Probanden zu gewährleisten wurden sprachbio‐ graphische Fragebögen eingesetzt. Die Fragen dienen zum einen der Erfassung sprachbiographischer Daten und zum anderen der Erhebung einer Selbstein‐ schätzung der Sprachkompetenzen der Schüler: Fragen zum sprachbiographischen Teil des Fragebogens: 1. Nome 2. Età 3. Luogo di nascita 4. Da quanto tempo vivi a Milano? 5. Hai mai vissuto in un paese francofono? 6. Se la risposta è sì, dove e per quanti anni? 7. Hai mai vissuto in un paese né italofono né francofono? 8. Se la risposta è sì, dove e per quanti anni? 9. Qual è la lingua materna di tua madre? 10. Qual è la lingua materna di tuo padre? 11. In che lingua parlate in famiglia? 12. In che lingua parli con tua madre? 13. In che lingua parli con tuo padre? 14. In che lingua parli con i tuoi fratelli? 15. In che lingua parli con i tuoi compagni? 16. In che lingua parli con i tuoi amici al di fuori della scuola? 17. Dove hai imparato l’italiano? 18. Dove hai imparato il francese? 19. Da quanto tempo studi l’italiano? 20. Da quanto tempo studi il francese? 21. Parli altre lingue oltre all’italiano e al francese? 22. Dove le hai imparate? 6.4. Die Probandenschaft 91 <?page no="92"?> 4 Auf einer Skala zwischen 5 (sehr gut) und 1 (sehr schlecht) konnten die Schüler ihre Selbsteinschätzung vornehmen. 23. (specifica per ogni lingua menzionata nella domanda precedente) 24. Da quanto tempo le parli / studi? 25. Parli attivamente un dialetto? 26. Se sì, quale? 27. Qual è, secondo te, la tua lingua dominante? 28. Indica la competenza che hai, secondo te, nelle seguenti lingue: Lingua Parlato Scritto Com‐ pren‐ sione Lettura Scrittura Pro‐ nuncia Italiano Francese Altra 1 Altra 2 Altra 3 Tab. 4: Kategorien zur Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz. 4 Nachdem im ersten Teil der Arbeit die theoretische Grundlagen für den em‐ pirischen Teil gelegt wurden, indem auf die Textsorte Erzählung, den Zugang zu ihrer Analyse (Quaestio-Ansatz) und die Wirkungen grammatikalischer Faktoren auf Planungsprozesse eingegangen wurde sowie für Erwerbs‐ fragen die Kategorie von bilingualen Sprechern näher erläutert wurde, richtet sich nun das Augenmerk auf die eigenen, durchgeführten empirischen Ana‐ lysen. Sämtliche durchgeführte Analysen sind auf die Beschreibung der infor‐ mationsorganisatorischen Beschaffenheit der Erzählungen von italo‐ phonen und frankophonen Sprechern ausgerichtet, die mit den Texten von frühen und späten Bilingualen verglichen werden (analysiert wurden Erzäh‐ lungen, die in italienischer Sprache verfasst wurden). Begonnen wird die empirische Arbeit mit der Darstellung des temporalen Referenzrahmens, der in Kapitel 7 allgemein zunächst durch den Vergleich Englisch - Deutsch (im Hinblick auf Studien auf Grundlage von Nacherzäh‐ lungen von Quest) und anschliessend durch den Vergleich Italienisch-Franzö‐ sisch beschrieben wird (mit Fokus auf der Verwendung von Tempora und der Grammatikalisierung des progressiven Aspekts). In Kapitel 8 wird der Vergleich des temporalen Referenzrahmens Italienisch-Französisch fortgesetzt. Grund‐ 6. Methode 92 <?page no="93"?> lage hierfür sind die mündlichen Nacherzählungen des Kurzfilms Quest, die den Übergang zu den eigenen empirischen Befunden darstellen. Im theoretischen Teil der Arbeit wurde bereits aufgezeigt, dass die Beschaffenheit des temporalen Referenzrahmens eng mit der Informationsorganisation verbunden ist (vgl. Ka‐ pitel 4.2.1.). Die Analyse dient dazu, Italienisch und Französisch im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu differenzieren. In einer zweiten Analyse wird das reference management (Kapitel 9) in Form der Personenreferenz untersucht. Diese Analyse ist angelegt worden, um die durch das Nullsubjekt bedingten Unterschiede in der Personenreferenz im Ita‐ lienischen herauszuarbeiten und darüber hinaus den Erwerb und den Einsatz von adäquaten Referenzmitteln in den beiden Lernervarietäten zu beschreiben. Ferner wird der Subjektstatus des Protagonisten und der mit ihm konkurrier‐ enden Entitäten beschrieben, die in Kapitel 10 im Vordergrund stehen. Zentral in dieser Analyse sind Präferenzen bei der Selektion dieser Entitäten und ihrer sprachlichen Kodierung, die Aussagen über ihre Prominenz erlauben. Auch hier eröffnet die Analyse der Präferenzen innerhalb der beiden Lernervarietäten Einblicke in die »Erwerbbarkeit« von Planungsprinzipien, die auf einzelsprach‐ liche Faktoren zurückgehen. Abgeschlossen wird der empirische Teil mit einer Analyse zum Linkage, deren Ziel es ist, Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Verknüpfung von Ereignissen herauszuarbeiten, sowohl im Bereich der Subordination als im Bereich der Koordination (Kapitel 11). Hier werden eben‐ falls bilinguale Sprecher für einen Vergleich herangezogen. 6.4. Die Probandenschaft 93 <?page no="94"?> 7. Der temporale Referenzrahmen Im ersten Teil dieses Kapitels wird in die Thematik des temporalen Referenz‐ rahmens eingeführt, indem über einen sprachvergleichenden Ansatz Unter‐ schiede im Englischen und Deutschen dargestellt werden. Im zweiten Teil werden die Tempus- und Aspektsysteme des Italienischen und Französischen vergleichen, wobei ein Fokus auf der Grammatikalisierung des progressiven Aspekts liegt. 7.1. Der temporalen Referenzrahmen im Sprachvergleich: Englisch vs. Deutsch Ein Proband, der aufgefordert ist, eine mündliche Nacherzählung des Kurzfilms Quest zu produzieren, beantwortet die redeeinleitende Frage, was ist passiert (s. Kap. 3 zur Darstellung des Quaestio-Ansatzes). Um diese Frage zu beantworten, muss der Sprecher eine temporäre, konzeptuelle Struktur erzeugen, indem er auf ein spezielles Wissen zurückgreift. Dabei muss er Entscheidungen treffen, die sich auf die Selektion von Informationen, auf die Wahl des Detaillierungsgr‐ ades sowie auf die Serialisierung der Teilinformationen beziehen (Klein und von Stutterheim 2008). Die Serialisierung der Teilinformationen hängt in be‐ sonderem Masse mit dem Aufbau eines temporalen Referenzrahmens zu‐ sammen, da das Erzeugen einer Reihenfolge unter anderem durch temporale Mittel erfolgt. In Bezug auf die Serialisierung ist bei Erzählungen, wie sie hier vorliegen, entscheidend, dass die Darstellung der Ereignisse durch eine chronologische Abfolge gekennzeichnet ist. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in der zeitlichen Dimension eine zentrale Eigenschaft von Erzählungen liegt. Die er‐ zählte Welt ist in einer bestimmten Zeit verankert, in der sich signifikante Veränderungen vollziehen (Ryan 2007). Der temporale Referenzrahmen ent‐ steht durch die temporale Verankerung der Ereignisse und durch die Etablierung einer temporalen Beziehung zwischen den Zeitintervallen (von Stutterheim 1997). Der Sprecher muss bei dieser zeitlichen Verankerung die nacherzählten dy‐ namischen Situationen, die im Übrigen unterschiedliche temporale Strukturen aufweisen können, gliedern und in Einheiten einpassen, die für ihre Repräsen‐ <?page no="95"?> 1 Die hier verwendete und gängige Metapher der Begrenzung (boundedness, vgl. Lyons 1977) beinhaltet Beschränkungen in ihrer Anwendbarkeit, die Klein, Ping und Hendriks (2000: 730) in drei Punkten kritisieren. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Situationen begrenzt, »bounded«. Auch Situationen, die vermeintlich keine Begrenzung aufweisen (vgl. etwa »schlafen«), sind temporal begrenzt. Das Schlafen endet in der Regel irgend‐ wann. Rechtfertigt man das Kriterium der »unboundedness«, indem man sagt, dass die Situation als zeitlich begrenzt oder unbegrenzt gesehen wird, wird erneut mit einem metaphorischen Ansatz gearbeitet. tation geeignet sind. Der Sprecher hat dabei verschiedene Möglichkeiten für die Ereignisdarstellung. Ereignisse können in Bezug auf ihre temporalen Eigen‐ schaften als abgeschlossen, als nicht-abgeschlossen oder als überlappend dar‐ gestellt werden. Abgeschlossene Situationen beinhalten einen Anfangs- oder einen Endpunkt oder beides, nicht-abgeschlossene Situationen zeigen keine Form der Begrenzung auf (Sasse 2002). Die Begrenzung 1 ist eine entscheidende Eigenschaft von dynamischen Situationen und ist somit auch für Erzählungen von zentraler Bedeutung, da sie die narrative Zeit voranbringt: Narrative consists of consequentially related events, recounted in the sequence in which they occur - the main story line (Labov and Waletzky 1967; Moens 1987). The essence of a narrative is dynamism: as the events of the narrative unfold in sequence, we understand that narrative time advances. The dynamism that advances narrative time is due to aspectual information, and to explicit time adverbials and inference. A narrative advances with bounded, perfective events and with explicit, temporal ad‐ verbials. It fails to advance with states and ongoing events unless additional infor‐ mation warrants an inference of advancement. (Smith und Erbaugh 2005: 744) Neben der Ereignisdarstellung stehen dem Sprecher verschiedene Optionen für die Ereignisverknüpfung zur Verfügung, die in einem spezifischen temporalen Rahmen resultieren. Es wurde im theoretischen Teil bereits aufgezeigt (vgl. Ka‐ pitel 4.2.1.), dass die Art und Weise wie Ereignisse in einer Erzählung mitei‐ nander verknüpft werden, auf makrostrukturellen Planungsprinzipen beruht. Die Schnelligkeit, mit der Sprecher Entscheidungen treffen und die Beständig‐ keit, mit der diese umgesetzt werden, bestätigen diese Annahme. Die makro‐ strukturelle Planung wird entscheidend vom Vorhandensein bestimmter gram‐ matikalischer Strukturen beeinflusst. Anhand des Sprachvergleichs zwischen Deutsch und Englisch (s. Carroll, von Stutterheim und Nüse 2004) wurde deut‐ lich, dass die Grammatikalisierung des progressiven Aspekts im Englischen sich auf den Aufbau eines temporalen Referenzrahmens auswirkt. Im Englischen wird ein externer Referenzpunkt in Form eines deikti‐ schen Jetzt (»now you see«) als Topikzeit gesetzt, der beibehalten wird. Dieses deiktische Jetzt erlaubt es, alle Ereignisse in dieser Topikzeit zu verankern, so‐ 7.1. Der temporalen Referenzrahmen im Sprachvergleich: Englisch vs. Deutsch 95 <?page no="96"?> wohl solche, die phasal segmentiert, beispielsweise nicht abgeschlossen sind, als auch abgeschlossene Ereignisse. Sowohl abgeschlossene als auch nicht abge‐ schlossene Ereignisse bilden eine Ereignissequenz. Die temporale Relation, die zwischen den Ereignissen besteht und durch »then« kodiert wird, drückt zwar die Vorzeitigkeit eines Ereignisses in Bezug auf das folgende aus, jedoch anders als im Deutschen nicht seine Abgeschlossenheit. Durch dieses Prinzip ist es möglich, auch nicht abgeschlossene, im Verlauf befindliche Ereignisse in die storyline zu integrieren (Carroll und Lambert 2006). Das Deutsche weist eine andere Zusammensetzung des temporalen Refe‐ renzrahmens auf. Da das Tempus-Aspekt-System des Deutschen keine Gram‐ matikalisierung von aspektuellen Oppositionen aufweist, liegt das Grundkon‐ zept beim Aufbau des temporalen Referenzrahmens in der Aneinanderreihung von abgeschlossenen Ereignissen in Form einer anaphorischen Verschiebung. In der Erzählsequenz, also der Hauptstruktur der Erzählung, werden Ereignisse dermassen dargestellt, dass sie einen Zustandswechsel (im Sinne des Erreichens eines Endpunkts, EP ) enthalten, der durch einen animierten Agens verursacht wird. Ereignisse werden auf der Grundlage der Relation, was passiert nach EP ? , miteinander verknüpft. Daraus resultiert, dass die Topikzeit verschoben wird und die Nachzeit des vorangehenden Ereignisses zur Topikzeit des folgenden Ereignisses wird. Dieses Muster, in dem die Nachzeit eines Ereignisses zur To‐ pikzeit des folgenden Ereignisses wird, ist nur möglich, wenn das vorangehende Ereignis als abgeschlossen dargestellt wird. Durch die Abgeschlossenheit fun‐ giert das vorangehende Intervall als Referenzpunkt für eine Verschiebung in der Zeit, die Abgeschlossenheit schafft. Gestützt wird dieses Muster durch den Ge‐ brauch des Adverbials »dann«. Der temporale Referenzrahmen des Deutschen wird daher als anaphorisch beschrieben. 7.2. Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich Für den Vergleich zwischen dem Italienischen und Französischen wird folgen‐ dermassen vorgegangen: Zum einen werden die Tempora des Indikativs aufge‐ führt. Anschliessend wird auf aspektuelle Oppositionen eingegangen, wobei in besonderem Masse der Grammatikalisierung des progressiven Aspekts Auf‐ merksamkeit geschenkt wird. Strukturell betrachtet weisen das italienische und das französische Verbal‐ system sehr ähnliche Zusammensetzungen auf. Beide Sprachen unterscheiden 7. Der temporale Referenzrahmen 96 <?page no="97"?> 2 vgl. etwa beim Futur den periphrastischen Ursprung im Vulgärlatein gebildet durch Infinitiv + konjugierte Form des Verbs habere im Präsens Indikativ. bei den Tempora des Indikativs einfache und zusammengesetzte Verbformen, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind: Italienisch Französisch Presente io parlo Présent je parle Imperfetto io parlavo Imparfait je parlais Passato remoto io parlai Passé simple je parlai Futuro semplice io parlerò Futur simple je parlerai Tab. 5: Einfache Tempora des Indikativs im Italienischen und Französischen. Italienisch Französisch Passato prossimo io ho parlato Passé composé j’ai parlé Trapassato prossimo io avevo parlato Plus-que-parfait j’avais parlé Trapassato remoto io ebbi parlato Passé antérieur j’eut parlé Futuro anteriore io avrò parlato Futur antérieur j’aurai parlé Tab. 6: Zusammengesetzte Tempora des Indikativs im Italienischen und Französischen. Neben der diachronen Entwicklung der Formen, die in Bezug auf die einfachen Verbformen bis auf wenige Ausnahmen auf die gleichen Quellen zurück‐ gehen, 2 zeichnen sich im Italienischen und im Französischen der Gegenwart ähnliche Tendenzen ab, die als Vereinfachungstendenzen beschrieben werden können. Dazu zählen der fast ausschliessliche Gebrauch des passé simple im geschriebenen Französisch sowie eine fast vollständige Abwesenheit des passato remoto in mündlichen Varianten Norditaliens und der italienischen Schweiz. Insgesamt lässt sich für die gesprochene Sprache eine Entwicklung aufzeigen, in der strukturelle Möglichkeiten in Bezug auf den Gebrauch der Tempora nicht ausgeschöpft werden. Eine der ersten grösseren Studien zum gesprochenen Ita‐ lienisch der neunziger Jahre hat gezeigt, dass in einem Hauptsatz Formen des Indikativs zu 79,4 % im Präsens, zu 10,4 % im passato remoto sowie in 5,7 % der Fälle im Imperfekt realisiert werden (Voghera 1992). Diese Zahlen zeigen, dass 7.2. Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich 97 <?page no="98"?> die strukturellen Möglichkeiten nur bedingt ausgenutzt werden. Begleitet werden diese semplificazioni durch eine Reorganisation des Verbalsystems, das sowohl das Tempussystem des Italienischen sowie des Französischen der Ge‐ genwart kennzeichnet. Erwähnt sei an dieser Stelle die funktionelle Ausweitung des Imperfekts, das im gesprochenen Italienisch in hypothetischen Satzgefügen das Konditional oder den Konjunktiv ersetzen kann (Sabatini 1985). Auch der Abbau des Futurs, das von erweiterten Funktionen des Präsens in Kombination mit futurischen Temporaladverbien (vom Typ vengo domani) ersetzt wird, reiht sich in diese Tendenzen ein (vgl. im Französischen die Substitution des Futurs mit der periphrastischen Konstruktion des futur périphrastique vom Typ je vais partir). Auch wenn es Unterschiede in Bezug auf die Realisierungswahrschein‐ lichkeit des futurischen Sachverhalts gibt, die im Gebrauch des futur périphras‐ tique eher gegeben ist als im futur simple (Schrott 2003), zeichnet sich ab, dass das periphrastische Futur im Französischen überhandnimmt (Dahl 2000). Die Grundfunktionen der Tempora in ihren deiktischen und anaphorischen Bezügen auf die Sprechzeit oder andere zeitliche Referenzpunkte, weisen keine Differenzierung auf. Die Vergleiche zwischen dem passato remoto und dem passé simple sowie zwischen dem passato prossimo und dem passé composé zeigen, dass sich die Verwendungsweisen nur kaum unterscheiden. In informellen Konver‐ sationen wird sowohl im Italienischen als auch im Französischen das zusam‐ mengesetzte Perfekt verwendet, während für die Darstellung von historischen Ereignissen (historic events, Bertinetto und Squartini 2000: 422) und Erzählungen das passato remoto sowie das passé simple überwiegen. In persönlichen Erzäh‐ lungen wird im Französischen das passé composé präferiert, es sei denn die ge‐ schilderten Ereignisse reichen weit in die Vergangenheit zurück oder es handelt sich um einen style soutenu, einen sehr gehobenen Sprachstil (Bertinetto und Squartini 2000: 422). Im Italienischen wird für persönliche Erzählungen das passato prossimo vorgezogen, wobei dies nicht für ganz Italien gleichermassen gilt: Im Süden wird das passato remoto, teils mit Übergeneralisierungen im Sinne einer Verwendung auch für die Schilderung von rezenten Ereignissen, im Ge‐ sprochenen häufiger verwendet als im Norden (D’Achille 2003). Coseriu (1976) definiert das romanische Verbalsystem als ein primär zeitliches System, dem die Aspektualität nachgeordnet ist. In Bezug auf das Aspektsystem teilen sich das Italienische und das Französische die Eigenschaft, dass sich die aspektuelle Opposition perfektiv vs. imperfektiv anders als beispielsweise in den slawischen Sprachen auf die Tempora der Vergangenheit bezieht: The opposition between an imperfective and a perfective form is restricted to past time reference. With present and future time reference the distinction is neutralized, 7. Der temporale Referenzrahmen 98 <?page no="99"?> namely the same form can be used both in perfective and imperfective contexts. (Squartini 1995: 119) Der grammatikalische Aspekt, der als die Art und Weise beschrieben wird, wie die »innere temporale Beschaffenheit einer Situation« (temporal constituency) (Comrie 1995: 1244) gesehen wird, drückt in Bezug auf die temporalen Eigen‐ schaften einer Situation aus, ob diese als abgeschlossen (perfektiv) oder als nicht-abgeschlossen (imperfektiv) betrachtet wird. Abgeschlossen bedeutet wie im Falle der Verbformen è andato oder il est allé, dass die Situation den Endpunkt der Handlung enthält. Die Form andava oder il allait drückt hingegen aus, dass die aussersprachliche Situation »x geht von [a] nach [b]« noch nicht zum Ab‐ schluss gekommen ist. Sie zeigt ein Teilintervall des Geschehens auf, das inner‐ halb des Gesamtereignisses liegt. Diese Perspektive umfasst somit nur einen Teil des dargestellten Geschehens. Die Opposition perfektiv vs. imperfektiv bezieht sich auf den Kontrast zwi‐ schen Imperfekt (imperfektiver Aspekt) und dem perfektiven Aspekt, der im Italienischen und Französischen sowohl durch das passato remoto bzw. das passé simple als auch durch das passato prossimo bzw. das passé composé zum Ausdruck kommt. Entscheidend hierbei ist, dass die beiden zusammengesetzten Perfekt‐ formen passato prossimo und passé composé in Bezug auf ihren aspektuellen Ge‐ halt nicht mit dem passato remoto und dem passé simple gleichzusetzen sind, da im Falle der zusammengesetzten Perfektformen ein Aktualitätsgrad eine Ver‐ bindung zum Sprechzeitpunkt aufbaut. Im Falle des passato remoto und des passé simple besteht keine Verbindung zwischen dem dargestellten Sachverhalt und dem Sprechzeitpunkt (Schrott 2003). Ein Unterschied, der sich im aspektuellen Bereich zwischen Italienisch und Französisch hervortut, betrifft die Grammatikalisierung des progressiven As‐ pekts, der als eine besondere Form des imperfektiven Aspekts ausdrückt (Comrie 1976), dass eine gegebene Situation als im Verlauf befindlich dargestellt wird (Bybee et al. 1994). Zum Ausdruck des Verlaufs werden sämtliche Begren‐ zungen bei der Betrachtung der Handlung ausgeblendet bzw. defokussiert: Progressives present a situation (…) as ongoing at a reference time, without respect to boundaries. (Ebert 1996: 42) In der Terminologie von Klein (1994, s. auch Klein, Li und Hendriks 2000), be‐ deutet dies, dass Verben, die mit progressiven Markern kodiert sind, sich auf eine Topikzeit/ Assertionszeit beziehen, die komplett in die Situationszeit fällt (vgl. 8.1). Dieses Inklusionsverhältnis deckt sich, so Klein (1994) mit der meta‐ phorischen Ausdrucksweise, dass der imperfektive Aspekt ein Geschehen von innen heraus »betrachtet« (Comrie 1976). 7.2. Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich 99 <?page no="100"?> Sowohl im Französischen als auch im Italienischen kann der progressive As‐ pekt periphrastisch ausgedrückt werden, wobei in beiden Sprachen das fokali‐ sierende Progressiv überwiegt, das eine Handlung zu einem bestimmten Punkt ihres Ablaufs betrachtet (im Gegensatz zum durativen Progressiv, das ein länger andauerndes Intervall hervorhebt; vgl. Bertinetto et al. 2000). Ein Unterschied betrifft formal betrachtet die morphologische Realisierung des Progressivs. Im Italienischen wird der progressive Aspekt über die Verbal‐ periphrase stare + gerundio ausgedrückt, die aufgrund einer syntaktischen As‐ similation der griechischen Verbalperiphrase eimi + Partizip Präsens im Vul‐ gärlatein durch das Verb STARE + Ablativ entstanden ist (Dietrich 1973). Die heutige Verbalperiphrase stare + gerundio besteht aus dem desemantisierten Auxiliar stare und einer gerundiven Form. Die französische Verbalperiphrase être en train de + Infinitiv ist ein deutlich rezenteres Verbalsyntagma, dessen Aufkommen erst im 18. Jahrhundert festzu‐ stellen ist. Ausgangsbasis ist anders als im Italienischen keine lateinische Grund‐ lage, sondern das französische Verb trainer, das sich zum wesentlichen Bestand‐ teil der Verbalperiphrase être en train de + Infinitiv entwickelt hat (Mitko 1999). Entscheidend sind in diesem Hinblick die unterschiedlichen Grammatikalisie‐ rungsstufen, die das Progressiv in den beiden untersuchten Sprachen einnimmt. Im Italienischen hat sich aus einer ursprünglich lokativen Grundbedeutung der Verbalperiphrase, die aufgrund der Semantik des Verbs stare einen zustandsar‐ tigen, statischen Charakter aufwies, ein duratives Progressiv entwickelt. An diese Grammatikalisierungsstufe anschliessend, hat sich eine fokalisierende Progressivität herausgebildet (Bertinetto et al. 2000). Im Französischen ist aus‐ gehend vom Verb der Bewegung trainer durch Bedeutungswandel zunächst die Bedeutung être en humeur d’agir entstanden, die eine Disposition bzw. Intention des Sprechers in Bezug auf die Handlung ausdrückt (Mitko 1999). Die Gram‐ matikalisierung hin zu einer progressiven Verbalperiphrase ist anders als im Italienischen nicht über den Weg der Lokativität und der Durativität gegangen (Squartini 1998). Heute teilen sich die beiden progressiven Verbalperiphrasen des Italienischen und des Französischen weitgehend den gleichen aspektuellen Funktionsbereich, in dem sie auf Handlungen verweisen, die sich im Verlauf befinden. Charakte‐ ristisch für den progressiven Aspekt im Allgemeinen sind die eingeschränkte Kombinierbarkeit mit statischen Verben und die Inkompatibilität mit perfek‐ tiven Tempora (Squartini 1998). Diese beiden Eigenschaften weisen sowohl das Italienische als das Französische auf. Lenken wir nun das Augenmerk auf die Stellung der beiden Periphrasen in‐ nerhalb des Verbalsystems. Bei beiden Periphrasen handelt es sich um fakulta‐ 7. Der temporale Referenzrahmen 100 <?page no="101"?> 3 Laca (1996: 21): »Insbesondere bei der Erforschung von periphrastischen Konstrukti‐ onen führt diese Tatsache (Grammatikalisierungsprozesse auch bei Einheiten in be‐ stimmten Konstruktionen) zu einer störenden Zweideutigkeit in der Verwendung des Begriffes. ‚Grammatikalisierung’ wird manchmal auf einen Bestandteil der Konstruk‐ tion angewandt - und somit der ‚Auxiliarisierung’ gleichgesetzt -, manchmal aber auf die Konstruktion als Ganzes, auf ihre Semantik oder auf die Rolle der durch sie ausge‐ drückten Kategorie im System der Sprache.« tive Formen, da ihr Gebrauch für den Ausdruck von Progressivität nicht zwin‐ gend ist und sie in jedem Kontext durch die einfache Form des Präsens Indikativ, gegebenenfalls in Kombination mit Zeitadverbien, ersetzt werden können. Der Begriff der unvollständigen Grammatikalisierung kann hier sowohl für stare + gerundio als auch für être en train de + Infinitiv gebraucht werden, da beide Formen das Kriterium der obligatorization (Dahl 2000) nicht erfüllen: »It is not fully grammaticalized since the corresponding synthetical form can always be used instead of the periphrasis« (Squartini 1995: 127). In Bezug auf die Grammatika‐ lisierung als Verbalperiphrase weist stare + gerundio jedoch ein hohes Gram‐ matikalisierungsstadium auf (Bertinetto 1990). 3 Für das Französische ist zu unterscheiden, ob mit dem Begriff der Gramma‐ tikalisierung der Periphrasenstatus gemeint ist, der sich aufgrund der Dese‐ mantisierung von lexikalischen Komponenten etabliert oder eine Aussage, die an Verwendungshäufigkeit in Folge der obligatorization gekoppelt ist. In Bezug auf den Periphrasenstatus ist être en train de + Infinitiv als grammatikalisiert zu betrachten (Do-Hurinville 2007), in Bezug auf die Verwendungshäufigkeit spricht Pusch (2003) von einem mittleren Grammatikalisierungsgrad. Bezüglich der Verankerung der beiden Formen im Verbalsystem besteht hin‐ sichtlich des Italienischen Einigkeit, dass es sich bei der progressiven Verbalpe‐ riphrase stare + gerundio um eine Form handelt, der eine wachsende Verbreitung attestiert wird (Bertinetto 1990, Strudsholm 2004, D’Achille 2003, Cortelazzo 2007, Natale 2009). Im Hinblick auf das Französische finden sich verschiedene Ansichten: Bertinetto bezeichnet être en train de + Infinitiv in seinem Überblick über morphosyntaktische Ausdrucksweisen für Progressivität im Romanischen als »marginalen« Typen, da die Verbalperiphrase nicht häufig verwendet wird (Bertinetto 2000). Im Gegensatz hierzu verweist Mitko darauf, dass être en train de + Infinitiv zum Ausdruck der Progressivität bereits umfassend in der Sprech‐ sprache verwendet wird (Mitko 2000). Insgesamt wird in den Grammatiken den beiden Verbalperiphrasen wenig Raum gewährt, insbesondere bezüglich von Eigenschaften, die über Aussagen hinausgehen, dass mit den Formen ein sich im Verlauf befindliches Ereignis beschrieben werden kann oder Hinweisen, die Restriktionen bezüglich ihrer 7.2. Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich 101 <?page no="102"?> 4 Verankert sind beide Studien in Methodik und Ausrichtung in den Projekten, die am IDF der Universität Heidelberg unter der Leitung von Christiane von Stutterheim zur Er‐ forschung von Einflüssen von grammatikalisierten Konzepten auf die Ereigniskonzep‐ tualsierung durchgeführt wurden. Unter einer breit angelegten sprachvergleichenden Perspektive wurden neben germanischen Sprachen wie Englisch Deutsch, Niederlän‐ disch und Norwegisch, auch semitische Sprachen (Standardarabisch und Algerisch), slawische Sprachen (Tschechisch und Russisch) sowie romanische Sprachen untersucht (Italienisch, Spanisch und Französisch). Kombination mit bestimmten Verben oder Tempora betreffen (Leclercq 2007, Natale 2009). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass auf der einen Seite zahlreiche theoretische Studien über progressive Aspektmarkierungen und ihrer Interpre‐ tation zur Verfügung stehen (Comrie 1976, Smith 1991, Bertinetto 1986, Berti‐ netto et. al. 2000, Dahl 2000), empirische Studien jedoch deutlich weniger durch‐ geführt wurden. Die Studien, die nun im Folgenden für das Italienische und das Französische angeführt werden (Natale 2009 und Leclercq 2007), beschäftigen sich mit den Gebrauchsbedingungen, die mit der Verwendung des progressiven Aspekts assoziiert werden. 4 Grundlage für die Untersuchungen sind nichtverbale Stimuli in Form von Videoclips, die alltägliche Ereignisse darstellen und nicht miteinander ver‐ bunden sind. Die dargestellten Ereignisse unterscheiden sich in Bezug auf ihre temporalen Eigenschaften und wurden im Hinblick darauf systematisch variiert. Folgende Ereignistypen wurden untersucht: • Situationen, die einen Zustandswechsel beinhalten (z. B. das Falten eines Papierfliegers) • Situationen, die keinen Zustandswechsel beinhalten (z. B. Aktivitäten wie Joggen) • Ortswechsel (mit und ohne erreichten Endpunkt) Alle Untersuchungen gehen von der Hypothese aus, dass sich ausgehend vom Grammatikalisierungsgrad von aspektuellen Kategorien unterschiedliche tem‐ porale Eigenschaften auf den Gebrauch des progressiven Aspekts auswirken. We hypothesize that aspectual constructions with a less grammaticalized status than the English progressive (…) are subject to certain constraints that relate to properties of situations, possibly to a different extent in the different languages. (Behrens, Fle‐ cken und Carroll 2013) In Bezug auf das Italienische und Französische haben die Studien von Natale (2009) und Leclercq (2007) gezeigt, dass sich die progressive Komponente in den dargestellten Ereignissen, d. h. die Inferierbarkeit eines Endpunkts in Form eines substantiellen Ergebnisses (beispielsweise einen fertig gefalteten Papier‐ 7. Der temporale Referenzrahmen 102 <?page no="103"?> flieger), als richtungsweisend für den Gebrauch der beiden Verbalperiphrasen erwiesen hat. Quantitative Auswertungen haben ergeben, dass Ereignisse, die dieses Merkmal aufweisen, als Attraktoren für die Verwendung des progressiven Aspekts fungieren. Die dargestellten Ereignisse zeigen dabei nicht nur homo‐ gene, sondern kumulative Intervalle auf: Jedes einzelne Teilereignis trägt zur Entwicklung bei, die durch das substantielle Ergebnis getragen wird. »Temporal ausgedrückt besteht bei den Entstehungsprozessen ein temporaler Kontrast zwischen den Intervallen, die vor dem Umschlagpunkt des Ereignisses und da‐ nach liegen (= Nachzustand)« (Natale 2009: 97). Die Häufigkeit der Verwendung der Verbalperiphrasen in diesen Kontexten hat aufgezeigt, dass sie eine pro‐ gressive Komponente haben. Zeigen die Videoclips hingegen reine Aktivitäten ohne inhärenten Endpunkt auf (beispielsweise Fussball spielen) und enthalten keine Entwicklung auf ein substantielles Ergebnis, sinkt der Gebrauch der ex‐ pliziten Kodierung. Dies trifft ebenso auf den Situationstyp des Ortswechsels zu (Natale 2009). Insgesamt lassen sich durch die beiden genannten Studien Gebrauchsdeter‐ minanten für den Gebrauch des progressiven Aspekts im Italienischen und Französischen spezifizieren. Der Gebrauch steigt dann an, wenn eine progres‐ sive Komponente in Form eines inferierbaren Endpunktes und eines substan‐ tiellen Ergebnisses im dargestellten Ereignis gegeben ist. In der Grammatikali‐ sierungsphase, in der sich beide Verbalperiphrasen gegenwärtig befinden, ist die Sensibilität für diese spezielle temporale Eigenschaft gegeben. Dies trifft auch auf das Niederländische zu, das zwar in puncto Grammatikalisierung weniger weit fortgeschritten ist (Flecken 2010), jedoch ähnliche Tendenzen aufweist. Das Englische, dessen progressiver Aspekt als vollständig grammatikalisiert gilt, zeigt keine Präferenzen dieser Art auf, da alle im Experiment gezeigten Szenen gleichermassen das Progressiv anziehen. Auch wenn die italienische und die französische, progressive Aspektperi‐ phrase fast identische Funktionsbereiche und Gebrauchsdeterminanten auf‐ zeigen, unterscheiden sie sich doch massgeblich im Hinblick auf ihre Frequenz. Während im Italienischen die Gesamtfrequenz bei 42,0 % liegt, erreicht sie im Französischen nur 15,9 %. Gemeinsam ist dem Italienischen und dem Französi‐ schen hingegen, dass der Gebrauch der progressiven Verbalperiphrasen von einer sehr ausgeprägten, individuellen Variation gekennzeichnet ist: Während einige Sprecher das Experiment ausführen, ohne jemals den progressiven As‐ pekt zu verwenden, verwenden insbesondere im Italienischen einige Sprecher den progressiven Aspekt in bis zu über 80 % der gezeigten 40 Videoclips. Diese individuelle Variation ist der Tatsache geschuldet, dass der Gebrauch der pro‐ 7.2. Das italienische und das französische Tempus-Aspektsystem im Vergleich 103 <?page no="104"?> gressiven Verbalperiphrase in keinem Kontext obligatorisch ist, um beispiels‐ weise eine habituelle oder generische Lesart auszuschliessen. Nachdem nun die italienischen und französischen Tempussysteme dargestellt wurden und auf das Aspektsystem näher eingegangen wurde, wird in dem fol‐ genden Kapitel aufgezeigt, wie der temporale Referenzrahmen in beiden unter‐ suchten Sprachen bei der Nacherzählung des Kurzfilms Quest gestaltet ist. 7. Der temporale Referenzrahmen 104 <?page no="105"?> 1 Klein, Ping und Hendriks (2000: 742) definieren die Topikzeit folgendermassen: »It’s not the time ‚at which’ an assertion is made, but the time ‚about which’ an assertion is made.« 8. Der temporale Referenzrahmen in der Nacherzählung des Kurzfilms Quest: Italienisch und Französisch im Vergleich 8.1. Analyseverfahren und Kodierung Der Vergleich zwischen dem Italienischen und dem Französischen auf Grund‐ lage der Nacherzählungen des Kurzfilms Quest beruht auf einer Analyse, in der die Hauptstrukturäusserungen der Texte in Bezug auf die angewendeten Se‐ quenzierungsprinzipien untersucht wurden. Bei der Beantwortung der Frage, was ist passiert, wird in italienischsowie in französischsprachigen Nacherzäh‐ lungen ein temporaler Referenzrahmen geschaffen, der auf einer anaphorischen Sequenzierung beruht. Die anaphorische Sequenzierung kommt durch einen temporalen shift zustande, der erreicht wird, indem der Protagonist als intenti‐ onal Agierender dargestellt wird. Durch die Handlungen des Protagonisten werden Zustandswechsel verursacht, die eine Ereigniskette bilden und auf dem Prinzip der Abgeschlossenheit einander vorangehender Ereignisse beruht (vgl. Kapitel 4.2.1.). In der Analyse wurden daher Verben in Bezug auf ihre inhärenten temporalen Eigenschaften klassifiziert. Für die Klassifizierung wurde das Begriffsinstru‐ mentarium von Klein (vgl. Klein et al. 2000) gewählt, das auf dem Verhältnis zwischen Topikzeit / Assertionszeit 1 und dem lexikalischen Gehalt des Verbs be‐ ruht. Das Verhältnis entsteht durch »Kontraste«, die folgende Ausprägungen annehmen können: 1. Zwischen dem lexikalischen Gehalt in einer Assertionszeit und einer an‐ deren Assertionszeit ist kein Kontrast möglich, wie in dem Beispiel >tot sein<. Lexikalische Gehalte, die diese Eigenschaft aufweisen werden als 0-phasiger-Gehalt oder im Falle von Verben als 0-Zustandsverben be‐ zeichnet. Es handelt sich meist um atemporale lexikalische Inhalte. 0-Zu‐ standsverben sind zu jeder Zeit wahr, d. h. sie stehen niemals in Kontrast zu einer anderen Assertionszeit, in welcher der lexikalische Gehalt nicht <?page no="106"?> zutrifft. Ausdrücke dieser Art sind nicht begrenzt sondern unbounded und somit nicht abgeschlossen. 2. Es besteht mindestens ein Kontrast zwischen dem lexikalischen Gehalt und einer anderen möglichen Assertionszeit. Beispiel: >müde sein<. Es sind Assertionszeiten denkbar, in denen der lexikalische Gehalt nicht wahr ist. Also eine Zeit, in der jemand nicht müde ist. Verben oder lexi‐ kalische Gehalte, die diese Eigenschaft aufweisen werden als 1-phasige Gehalte oder 1-Zustandsverben bezeichnet. 3. Es besteht mindestens ein Kontrast zwischen dem lexikalischen Gehalt und einer Assertionszeit. Beispiel: >hinsetzen<. Im Gegensatz zu 1-Zu‐ standsverben ist ein interner Kontrast zwischen einem Quell- und einem Zielzustand im Verb enthalten. Ein Zustandswechsel wird innerhalb der ausgewählten Zeitspanne ausgedrückt. So enthält das Verb »hinsetzen« einen Zustand des noch nicht Sitzens und des bereits Sitzens. Solche Verben werden daher als 2-Zustandsverb oder als 2-phasiger Inhalt bezeichnet. Die dargestellten lexikalischen Gehalte unterscheiden sich neben den verschie‐ denen Relationen im Verhältnis zu anderen Assertionszeiten auch in Bezug auf ihre Intervallstruktur. Die beschriebenen Relationen können so zusammengefasst werden: 1. 0-Zustandsverben sind atemporal und entziehen sich zeitlichen In‐ tervallen. 2. 1-Zustandsverben erstrecken sich über ein Intervall (z. B. malen) und enthalten keinen impliziten Zustandswechsel. 3. 2-Zustandsverben erstrecken sich über zwei Intervalle. Sie enthalten einen Zustandswechsel, der durch den Übergang von einem Quellin einen Zielzustand gekennzeichnet ist (z. B. sterben). Die unabgeschlossenen Ereignisse traten in dreierlei Gestalt auf: Entweder durch einen Inchoativ wie in inizia a cercare l’acqua, einer morphologische Markierung wie im Falle der Gerundien oder durch einen lexikalischen Inhalt wie in continua a sentire il rumore dell’acqua. Abgeschlossene Ereignisse wurden semantisch qualifiziert, in dem sie entweder einem Zweizustandsverb oder einem 1-Zustandsverb zugeordnet werden. Das 1-Zustandsverb ist in allen untersuchten Fällen mit einem Adjunkt verbunden. Beispiele für abgeschlossene Ereignisse sind arriva in un mondo di carta (2-Zustandsverb) oder im Falle der 1-Zustandsverben Perzeptionsverben wie vede (Perzeptionsverb) in lontananza una pozzanghera (Adjunkt). 8. Der temporale Referenzrahmen in Quest: Italienisch vs. Französisch] 106 <?page no="107"?> 8.2. Ergebnisse zum Italienischen und Französischen mit Ausblick auf frühe und späte Bilinguale Im Französischen (vgl. Carroll und Lambert 2006) wie im Italienischen basiert der temporale Referenzrahmen auf einer anaphorischen Sequenzierung (vgl. Kapitel 4.2.1.). Das vorangehende Intervall/ Ereignis wird als abgeschlossen dargestellt -y nach x- und fungiert als Referenzintervall. Dies bedeutet, dass der Grossteil der in der Hauptstruktur erwähnten Ereignisse als abgeschlossen ko‐ diert wird. Summiert man die Werte für 1-Zustandsverben plus Adjunkt und 2-Zustandsverben, ergibt sich im Italienischen ein Wert von 71.0 % für abge‐ schlossene Ereignisse. Für das Französische wurde ein vergleichbarer Wert von 68.3 % erhoben. Abb. 1: Der temporale Referenzrahmen im Italienischen und Französischen [in %]. Mehr als zwei Drittel der Ereignisse in der Hauptstruktur werden folglich als abgeschlossen kodiert. Die Abgeschlossenheit eines vorangehenden Ereignisses liefert den Ankerpunkt für das nachfolgende Ereignis. Durch die Relation y folgt auf x ergibt sich eine Sequenzierung, die über die Nachzeit eines Ereignisses (vgl. Klein 1994) ein neues Zeitintervall ermöglicht und somit eine zeitliche Ver‐ schiebung verursacht. Diese Möglichkeit wird im Italienischen durch das Temporaladverb poi und im Französischen durch puis, ensuite umgesetzt. Die Verwendung dieses tem‐ poralen Shifters im Italienischen und im Französischen weist ähnliche Fre‐ quenzen auf: 13.6 % im Italienischen und 15.1 % im Französischen. Das folgende Transkriptionsbeispiel aus dem Französischen zeigt, wie sich die untersuchten temporalen Merkmale typischerweise in einer Erzählung manifestieren (die kursiv gedruckten Äusserungen gehören zur analysierten Hauptstruktur): 8.2. Ergebnisse mit Ausblick auf frühe und späte Bilinguale 107 <?page no="108"?> donc il est en danger Nicht-abgeschlossen et cette fois il a une autre preuve qu’il y a de l’eau: c’est des gouttes qui tombent dans une flaque donc il se dirige vers cette flaque Nicht-abgeschlossen en descendant de la…du pilier Nicht-abgeschlossen il tombe Abgeschlossen (2-Zustand) et il se relève Abgeschlossen (2-Zustand) et il va vers la… Abgeschlossen (1-Zustand plus Adjunkt) il s’avance vers la flaque d’eau Abgeschlossen (1-Zustand plus Adjunkt) et il tente de voir Nicht-abgeschlossen ce qu’il y a dessous et il prend une pierre Abgeschlossen (2-Zustand) et il casse la stèle de pierre Abgeschlossen (2-Zustand) pour pouvoir passer en dessous Bei frühen und späten Bilingualen zeigt sich ein analoges Bild: Die Sequenzie‐ rung der Ereignisse erfolgt ebenfalls über ihre Kodierung als abgeschlossenes Ereignis. Abb. 2: Der temporale Referenzrahmen bei frühen und späten Bilingualen [in %]. 8. Der temporale Referenzrahmen in Quest: Italienisch vs. Französisch] 108 <?page no="109"?> Häufig sind in L1 Italienisch und Französisch (vgl. obiges Beispiel) kausale Ver‐ knüpfungen, die in Form von quindi im Italienischen und in Form von donc im Französischen ausgedrückt werden. Kausale Verknüpfungen dieser Art stellen einen impliziten Ausdruck einer temporalen Beziehung dar. Die Kausalität im‐ pliziert, dass y eine Folge von x ist. Durch die Verwendung von kausalen Kon‐ nektoren wie donc wird die Bildung der Ereigniskette verstärkt: La progression linéaire basée sur des enchaînements d’événements liés par des rela‐ tions de cause à effet et sur la référence aux attitudes, aux intentions, aux perceptions du protagoniste contribue à créer une chaîne causale entre événements de différents types. (Lambert, Carroll und von Stutterheim 2008: 16) Vergleichen wir den Gebrauch dieser kausalen Konnektoren im Italienischen und Französischen, ergibt sich zunächst die Schwierigkeit, dem Gebrauch von donc und quindi eindeutig eine kausale Bedeutung zuzuschreiben. Beide Formen können als Diskursmarker im Sinne von Gesprächswörtern bzw. Abtönungs‐ partikeln auch eine textgliedernde Funktion aufweisen, wie das folgende Bei‐ spiel zeigt: Donc cette fois-ci il se retrouve dans un désert de feuilles où il y a du vent Realisierungen von donc, wie im obigen Beispiel, stehen jenen gegenüber, die eine klare, kausale Beziehung ausdrücken: et il se rend compte qu’il n’a rien donc il continue Aus diesem Grund wurde für den Vergleich von kausalen Verbindungen diffe‐ renziert, ob es sich um kausale Verknüpfungen handelt oder um den Ausdruck einer textgliedernden Funktion. Folgende Ergebnisse wurden erzielt: Sowohl im Italienischen als auch im Französischen überwiegt der Gebrauch einer kausalen Verwendung mit 76.5 % im Italienischen und 74.5 % im Französischen. 8.2. Ergebnisse mit Ausblick auf frühe und späte Bilinguale 109 <?page no="110"?> Abb. 3: Kausale Verknüpfungen im Italienischen und Französischen [in %]. Das folgende Beispiel aus dem Italienischen zeigt, welche Verknüpfungen mit quindi als kausal eingestuft wurden: vede questa la pozza d’acqua e quindi riscende da questa colonna di massi e precipita pure e si fa male però poi si rialza e raggiunge la pozza e nuovamente non riesce a capire da dove arrivi l’acqua e quindi prende una pietra e comincia a hm a battere questa pietra sulla roccia dove c’è la pozza Insgesamt sind jedoch im Französischen kausale Verknüpfungen höher als im Italienischen, da sich der Wert für das Italienische von 4,3 % im Französischen auf 12.7 % fast verdreifacht. 8. Der temporale Referenzrahmen in Quest: Italienisch vs. Französisch] 110 <?page no="111"?> Abb. 4: Genuin kausale Verknüpfungen im Italienischen und Französischen [in %]. Der Vergleich mit den späten Bilingualen zeigt eine höhere Frequenz von quindi im Sinne einer textgliedernden Funktion auf: Abb. 5: Kausale Verknüpfungen im Italienischen und Französischen verglichen mit späten Bilingualen [in %]. Das folgende Beispiel eines späten Bilingualen zeigt sogar eine Übergenerali‐ sierung von quindi auf: e quindi un livello fatto tutto di pietra, e quindi lui si alza, comincia a mettersi in cerca di qualcosa, e quindi continua a camminare e poi viene colpito da una piattaforma che esce dal suolo, si ritrova sulla piattaforma, guarda giù, si chiede 8.2. Ergebnisse mit Ausblick auf frühe und späte Bilinguale 111 <?page no="112"?> 2 Ausgewertet wurden die Papier- und die Steinszenen, n= 59. come scendere quindi ha un po’ paura, poi vede di nuovo quella pozzanghera d’acqua giù, quindi prova a scendere, mentre sta scendendo cade Angesichts der besprochen Unterschiede im Hinblick auf den Status der pro‐ gressiven Verbalperiphrasen (Frequenz und Grammatikalisierungsgrad; vgl. Ka‐ pitel 7.2.), sollen im Folgenden noch die Frequenzen von stare + gerundio und être en train de + Infinitiv aufgezeigt werden. Diese Analyse wurde durchgeführt, da durch die progressive Verbalperiphrase ein Ereignis explizit als im Verlauf befindlich und somit als unabgeschlossen kodiert wird. Die Frequenz der pro‐ gressiven Verbalperiphrasen wurde anteilig an den verbalisierten Ereignissen der Haupt- und Nebenstruktur der Erzählungen bestimmt. Für das Italienische 2 wurde in der Hauptstruktur ein Wert von 0.7 % (4 Ok‐ kurrenzen auf 575 verbalisierte Ereignisse), sowie ein Wert von 3.5 % in den Nebenstrukturen (22 Okkurrenzen auf 633 verbalisierte Ereignisse) ermittelt. Es wird aus diesen Ergebnissen ersichtlich, dass unabgeschlossene Ereignisse, die durch stare + gerundio ausgedrückt werden, überwiegend in den Nebenstruk‐ turen zu finden sind. Dies steht im Einklang mit der Beschaffenheit des tempo‐ ralen Referenzrahmens, der auf einer anaphorischen Sequenzierung beruht und die ihrerseits auf abgeschlossen Ereignissen gründet. Im Französischen ist der Wert der progressiven Verbalperiphrase être en train de + Infinitiv wie erwartet deutlich geringer ausgeprägt. In der Hauptstruktur wurde lediglich eine Okkurrenz auf 924 Ereignisse festgestellt. In der Neben‐ struktur wurde gar keine Okkurrenz auf 705 Ereignisse festgestellt. Abb. 6: Progressivität im Italienischen und Französischen [in %]. 8. Der temporale Referenzrahmen in Quest: Italienisch vs. Französisch] 112 <?page no="113"?> Der Vergleich von frühen mit späten Bilingualen liefert folgende Ergebnisse: Zunächst ist für beide Gruppen festzustellen, dass anders als im Italienischen, kein Unterschied in Bezug auf die Verwendung der Verbalperiphrase stare + gerundio in der Hauptstruktur und in der Nebenstruktur gemacht wird. In beiden Gruppen zeigt sich eine ebenso hohe Verwendung in der Hauptstruktur wie in der Nebenstruktur (frühe Bilinguale 4 / 586 Hauptstruktur, 3 / 346 Neben‐ struktur; späte Bilinguale 9 / 344 Hauptstruktur, 5 / 226 Nebenstruktur). Ferner lässt sich trotz der geringen Werte feststellen, dass späte Bilinguale insgesamt eine höhere Verwendung der progressiven Verbalperiphrase auf‐ weisen (sowohl im Vergleich zu L1 Französisch als auch im Vergleich zu den frühen Bilingualen), die aufgrund der obigen Ausführung in der Hauptstruktur sogar höher als in L1 Italienisch ist. Abb. 7: Progressivität im Italienischen und Französischen verglichen mit frühen und späten Bilingualen [in %]. 8.3. Zusammenfassung Es wurde festgestellt, dass sowohl im Italienischen als auch im Französischen eine anaphorische Sequenzierung der Ereignisse innerhalb der Hauptstruktur erfolgt. In beiden Sprachen werden knapp 70 % der Ereignisse als abgeschlossen (in Form von 1-Zustandsverben samt Adjunkt oder als 2-Zustandsverben) dar‐ gestellt, wobei das vorausgehende, abgeschlossene Ereignis als Ankerpunkt für das nachfolgende Ereignis dient. Als besondere Form der impliziten temporalen Verknüpfung wurden kausale Relationen untersucht, die im Französischen (vgl. donc) deutlich häufiger als im Italienischen sind und bei späten Bilingualen häufig als Diskursmarker in Form von quindi oder allora zum Einsatz kommen. Dies könnte auf eine Planungs‐ 8.3. Zusammenfassung 113 <?page no="114"?> unsicherheit zurückzuführen sein und ermöglicht die Interpretation der Dis‐ kursmarker als hesitation phenomena. Der Gebrauch von progressiven Verbalperiphrasen, die ein Ereignis als sich im Verlauf befindlich und folglich als nicht abgeschlossen darstellen, ist im Ita‐ lienischen häufiger als im Französischen, wo nur eine Okkurrenz der französi‐ schen Verbalperiphrase festgestellt wurde. Dies untermauert die Beschaffenheit des temporalen Referenzrahmens, der auf anaphorischer Sequenzierung basiert. Zu erwähnen ist im Bereich der Verwendung von progressiven Verbalperiph‐ rasen, dass sowohl späte als auch frühe Bilinguale eine höhere Verwendung von stare + gerundio aufweisen. Obwohl die Okkurrenzen der progressiven Verbalperiphrase womöglich auf‐ grund der weiter vorangeschrittenen Grammatikalisierung im Italienischen häufiger sind als im Französischen, gehe ich nicht davon aus, dass bei derart niedrigen Frequenzen Unterschiede in der Informationsorganisation (vgl. Ka‐ pitel 10 zu Mustern im Bereich der Informationsselektion und Kodierung) auf den Status des progressiven Aspekts zurückgeführt werden können. Nachdem nun die temporale Ausgangsbasis vorbereitet wurde, wird im nächsten Kapitel auf die Personenreferenz eingegangen, die einen wichtigen Einblick in den Aufbau der Informationsorganisation ermöglicht. 8. Der temporale Referenzrahmen in Quest: Italienisch vs. Französisch] 114 <?page no="115"?> 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten Die Untersuchung des Referenzhaushalts für den Verweis auf den Protagonisten und die Entitäten liefert eine geeignete Ausgangsbasis, um Unterschiede in der informationsorganisatorischen Ausrichtung des Italienischen und Französi‐ schen aufzuzeigen. Die Analyse der Mittel der Personenreferenz lenkt das Au‐ genmerk auf das Charakteristikum des Nullsubjekts, das im Italienischen nicht nur ein entscheidendes sprachliches Mittel für die Herstellung von Kohärenz und Kohäsion darstellt, sondern auch, wie es die folgenden Kapitel zeigen werden, ein grammatikalisches Merkmal betrifft, mit dem weitere informati‐ onsorganisatorische Strategien verknüpft sind. Im Vordergrund stehen in diesem Kapitel die sprachlichen Mittel, die auf den Protagonisten und die Ent‐ itäten verweisen. Das Kapitel 9 ist folgendermassen aufgebaut: Im ersten Unterkapitel (9.1.) wird ein Einblick in die Thematik der Personenreferenz gegeben. Im zweiten Unterkapitel (9.2.) wird die Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt analysiert, sowohl im Allgemeinen als auch in Abhängigkeit von einer ge‐ wählten Erzählperspektive. Kapitel 9.3. verweist auf die referentiellen Mittel, die ermittelt wurden, um innerhalb eines Erzählabschnitts auf den Protago‐ nisten zu verweisen. In diesem Kapitel steht zu beiden Gruppen von Bilingualen die Frage im Vordergrund, ob die Sprecher den Zugang zu den angemessenen sprachlichen Mittel erworben haben und wie sie diesen umsetzen. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung (9.4.). 9.1. Die referentiellen Mittel im Allgemeinen Der Sprecher macht sich bei der Wahl der referentiellen Mittel ein Bild über den Wissensstand des Hörers (Hermann 1989, Hermann und Grabowski 1994) und handelt kooperativ (vgl. cooperative principle von Grice 1975), indem er die Aussagen, die er trifft, dem Wissensstand des Hörers anpasst. Die Auswahl der referentiellen Mittel basiert somit auf dem angenommenen Wissenstand des Hörers. Anhand der Personenreferenz kann der kohärenz- und kohäsionsstif‐ tende Charakter von referentiellen Mitteln illustriert werden, da die Kohärenz‐ bildung im Falle der Nacherzählungen des Kurzfilms Quest, wie sie hier vor‐ <?page no="116"?> liegen, eng mit dem Protagonisten des Films und somit mit dem Verweis auf diesen verknüpft ist. Für die Nacherzählungen, die hier behandelt werden, haben wir es mit einer belebten Entität zu tun, der Figur aus Lehm. Die belebte Entität wird innerhalb der referentiellen Bewegung beibehalten und nur selten, wie wir sehen werden, von unbelebten Entitäten als Agens abgelöst. In diesem Zusammenhang stellen referentielle Mittel, beispielsweise die Anapher, eindeutige Verbindungen zum Protagonisten her und erhalten ihn als Topik der Erzählung, indem sogenannte topic chains mit einer starken kohäsiven Funktion entstehen (Chini 2003). (…) Il riferimento personale funziona spesso come decisivo fattore di coerenza e coe‐ sione narrative, che unifica una costellazione di gesti, vicende, pensieri, motivazioni e scelte, collocati in tempi e luoghi diversi (potenzialmente anche disparati), in forza della loro comune riconducibilità al protagonista o ad alcuni personaggio a lui collegati in vario modo. (Chini 1998: 213-214) Das kohärente Moment, das durch Referenz entsteht, bezieht sich in diesem Zusammenhang daher nicht nur auf einen syntaktischen, sondern auch auf einen semantisch-kognitiven Aspekt, der für die korrekte Interpretation eines Textes unabdingbar ist (Vater 2001). Die kognitiven Bedingungen, unter denen Sprecher und Hörer in einer Kommunikationssituation ihr komplexes Bezie‐ hungsgeflecht organisieren, lassen sich am Beispiel der Referenz illustrieren. Die Art und Weise wie ein Sprecher seine Referenzmittel auswählt, um auf Referenten zu verweisen, drückt immer seine Annahme darüber aus, auf welche Weise der Hörer den Bezug zu einem Referenten herstellt: (…) the way a speaker chooses between different forms of referential device, under different informational conditions during the course of a narrative, should reflect his presuppositions about the recoverabilty, by the listnener, of the intended referents. (Marlsen-Wilson, Levy und Komiarjevsky Tyler 1982: 340) Verknüpft werden sowohl mit der Referenz im Allgemeinen als auch mit der Personenreferenz im Speziellen kognitive Prinzipien, die sich auf die Zugäng‐ lichkeit des Referenten beziehen. Die Kodierung der Mittel für die Personen‐ referenz hängt davon ab, ob ein Referent dem Hörer bekannt und somit zu‐ gänglich oder unbekannt und damit weniger zugänglich ist. Lambrecht (1994: 6) prägt in diesem Zusammenhang die Begriffe der Präsupposition und der As‐ sertion. Die Präsupposition beschreibt die Annahme über bekanntes Wissen, während die Assertion neue Informationen übermittelt. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 116 <?page no="117"?> PRAGMATIC PRESUPPOSITION: The set of propositions lexikogrammatically evoked in a sentence which the speakers assumes the hearer already knows or is ready to take for granted at the time the sentence is uttered. PRAGMATIC ASSERTION: The proposition expressed by a sentence which the hearer is expected to know or take for granted as the result of hearing the sentence uttered. (Lambrecht 1994: 52) Entscheidend ist, dass pragmatische Präsupposition und Assertionen mit gram‐ matikalischen Mitteln kodiert werden. Lambrecht (1994: 53) verdeutlicht dies am folgenden Beispielsatz: I finally met the woman who moved in downstairs. Anhand dieses Beispielsatzes zeigt Lambrecht auf, dass der Gebrauch des be‐ stimmten Artikels auf folgende Annahme des Sprechers hindeutet: Der Hörer wird in der Lage sein, den Referenten der definiten Nominalphrase (= the woman) zu identifizieren. Diese Annahme oder Präsupposition beruht auf einem Wissenstand, den der Sprecher mit dem Hörer teilt; ein geteilter Wissenstand (»shared knowledge«) wird präsupponiert und mit Hilfe von lexiko-grammati‐ kalischen Mitteln zum Ausdruck gebracht (Lambrecht 1994: 53). In most cases, differences in pragmatic presupposition will correspond to differences in grammatical form. (Lambrecht 1994: 64) Eng verbunden mit den Begriffen Präsupposition und Assertion sind die Termini der Identifizierbarkeit (Identifiability) und der Aktivierung (Activation) von Referenten, die präsupponiert oder assertiert werden. Lambrecht (1994: 77) führt aus, dass für die in den Diskurs eingeführten Referenten eine Art Akte angelegt wird, die im Laufe der Konversation mit weiteren Informationen gefüllt wird, auf die der Hörer zurückgreifen kann: The creation of such a new discourse representation for the addressee can be compared to the establishment of a new referential ‚file’ in the discourse register, to which further elements of information may be added in the course of conversation and which can be reopened in discourse. Ob Referenten identifizierbar oder nicht identifizierbar sind, hängt damit zu‐ sammen, ob sie neu in den Diskurs eingeführt werden oder ob sie bereits aktiv sind. Die kognitiven Dimensionen der Identifizierbarkeit und Aktivierung der Referenten lassen sich anhand verschiedener Skalierungen messen, welche die »Zugänglichkeit« von Referenten im Hinblick auf den kognitiven Aufwand be‐ schreiben, der zu ihrer Aktivierung bzw. zur Verbindung zwischen den referen‐ tiellen Mitteln und ihrem Antezedens führt (s. Givon 1983, Chafe 1987). Lamb‐ 9.1. Die referentiellen Mittel im Allgemeinen 117 <?page no="118"?> 1 Weitere Modelle sind die Accessibility Marked Scale (Ariel 1990) und die Givenness Hie‐ rarchy (Gundel et al. 1993). 2 Der Topikbegriff, wie in Givon ihn in diesem Zusammenhang gebraucht, bezieht sich auf bestimmte sprachliche Formen, die einen topikalen Ausdruck formen. Der hier zu‐ grunde gelegte Topikbegriff basiert auf Annahmen im Rahmen der Quaestio, wie sie in Kapitel 3.2.2. dargestellt wurden. recht (1994: 165) beschreibt die Korrelation zwischen Identifizierbarkeit und Aktivierung mit einer Akzeptabilitätsskala, die er basierend auf den kognitiven Bemühungen für die Identifizierung von Referenten beschreibt: Aktivierte Re‐ ferenten weisen die höchste Akzeptabilität auf; nicht in den Diskurs verankerte, neue Referenten weisen die niedrigste Akzeptabilität auf. 1 Active accessible unused brand-new anchored brand-new unanchored most acceptable least acceptable Abb. 8: Akzeptabilitätsskala nach Lambrecht (1994). Diese kognitiv-pragmatische Betrachtung der Akzeptabilität der Referenten ist verknüpft mit den sprachlichen Mitteln, um zwischen aktiven und »brand‐ neuen« Referenten zu unterscheiden. Givon (1983) stellt eine Skala auf, um die Zugänglichkeit zum Topik 2 über den Zugriff auf bestimmte referentielle Mittel zu markieren. Aufbauend auf empirischen Daten entwickelt er ein Kontinuum, das aus zwei Polen besteht, und in welchem grammatikalische Mittel mit der Zugänglichkeit des Topiks verknüpft werden. Im folgenden Schaubild wird das Modell von Givon an das Italienische adaptiert (Beispiele aus Chini 2003: 184 ff). Givon beschreibt die beiden Pole in Bezug auf die Kontinuität bzw. Diskonti‐ nuität des Topiks und der entsprechenden Zugänglichkeit: Ist das Topik im Text continuous, also beständig, so ist es zugänglich. Ist das Topik im Text unstetig, discontinuous, so ist die Zugänglichkeit nicht gegeben (Givon 1983: 17). Folgende sprachliche Mittel entsprechen diesen beiden Polen und ihren Abstufungen. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 118 <?page no="119"?> Grammatikalisches Mittel Beispiel aus dem Italienischen Nullanapher Gianni mi promise di venire subito. Unbetonte, gebundene Pronomina Riccardo se ne era accorto, ma non se la prese. Betonte, freie Pronomina Io. Definite Nominalsyntagmen in Rechtsdis‐ lokation Io l’ho visto ieri, il film. Definite Nominalsyntagmen in neutraler Position Mi ha raccontato il film dettagliatamente. Definite Nominalsyntagmen in Linksdis‐ lokation Il film lo possiamo vedere dopo, prima ceniamo. Kontrastive Topikalisierung Il film hanno premiato, non gli attori. Spaltsätze/ fokalisierte Konstruktionen È il film che hanno premiato, non gli at‐ tori. Indefinierte referentielle Nominalsyn‐ tagmen Hanno proiettato un film in bianco e nero. Tab. 7: Sprachliche Mittel und Zugänglichkeit zum Topik. Chini (2003: 216 ff.) stellt ein Inventar der italienischen Formen auf, die auf Per‐ sonen und Entitäten verweisen. Sie unterscheidet in Bezug auf die textuelle Funktion der Referenz drei Bereiche: Einführung von neuen Referenten, konti‐ nuierliche Referenz (topic continuity) und Referentenwechsel. Die folgende Ta‐ belle zeigt übersichtsartig auf, welche Mittel für die drei genannten Funktionen in den hier untersuchten Nacherzählungen festgestellt wurden. Auf das Auf‐ zeigen von Formen, die nicht im Korpus vorkommen, wird verzichtet. Funktion Sprachliche Mittel Einführung von neuen Referenten • Indefinite Nominalsyntagmen → oft in Verbindung mit einem Präsenta‐ tivsatz vom Typ c’è + Pseudorelativ‐ satz. • Eigennamen. • Definite Nominalsyntagmen, wenn der Referent aus dem Kontext be‐ kannt ist. Kontinuierliche Referenz • Nullsubjekt. • Betonte Personalpronomina. 9.1. Die referentiellen Mittel im Allgemeinen 119 <?page no="120"?> Funktion Sprachliche Mittel • Andere lexikalische Mittel (Syno‐ nyme, Hyperonyme usw.). Referenzwechsel • Definite Nominalsyntagmen. • Betonte Personalpronomina. Tab. 8: Referenzbereiche nach Chini (2003). Für diese Arbeit ist die Personenreferenz von besonderer Bedeutung, da das Vorhandensein eines Nullsubjekts im Italienischen, das im Französischen in dieser Form nicht vorhanden ist, unterschiedliche Voraussetzungen für die In‐ formationsorganisation sowie ein Muster zur Personenreferenz schafft. Im nachfolgenden Kapitel werden die Ergebnisse zur Personenreferenz in den beiden Gruppen L1 Italienisch und Französisch sowie in den beiden Gruppen frühe und späte Bilinguale behandelt. Das besondere an den Nacherzählungen des Films Quest ist, dass nur eine belebte Entität als Protagonist des Films vor‐ handen ist. Der prominente Status, den der Protagonist dabei einnimmt, wird durch die Quaestio gegeben: Was geschah (mit x) zu tn + 1? Was geschah (mit x) zu tn + 2 usw. wobei der Protagonist durch (x) in der Quaestio repräsentiert wird. Die nachfolgenden Kapitel zeigen auf, welche Mittel im Italienischen und Fran‐ zösischen gewählt werden und nach welchen Prinzipien bilinguale Sprecher ihren Referenzhaushalt gestalten. 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt Die folgende Analyse beschäftigt sich mit der Wiedereinführung des Protago‐ nisten in einem neuen Erzählabschnitt. Ausgewertet wurden die zweite, dritte und vierte Szene (Papier, Stein sowie Industriewelten). Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass zu Beginn der Erhebung der Film einmal in voller Länge vorgeführt wurde und dass anschliessend die Probanden den Film ein weiteres Mal sahen. Bei der zweiten Filmvorführung wurde jedoch nach jedem Übergang der Sandfigur in eine neue Welt der Film gestoppt. Die Probanden wurden ge‐ beten auf die Frage, was ist passiert? , zu antworten. Daraus ergibt sich bei jedem neuen »Erzählansatz« die Notwendigkeit, den Protagonisten wieder einzu‐ führen. Die Unterschiede zwischen Italienisch und Französisch betreffen im Bereich der Personenreferenz zunächst die Rolle, die volle Nominalphrasen im Italieni‐ schen einnehmen, da diese die Prominenz des Protagonisten festigen und somit 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 120 <?page no="121"?> 3 Ausgewertet wurde die Wiedereinführung in der Papier-, Stein sowie in der ersten Industriewelt. den Gebrauch des Nullsubjekts etablieren. Neben der Etablierung des Protago‐ nisten ist aber noch ein weiterer Faktor für den Gebrauch von Nominalphrasen von Bedeutung: Je nach eingenommener Erzählperspektive, die im Folgenden erläutert wird, kann die Frequenz von vollen Nominalphrasen variieren, wenn neben dem Protagonisten eine weitere Entität, nämlich der Erzähler, hinzu‐ kommt und so den Gebrauch des Nullsubjekts schmälert bzw. die Frequenz von Nominalphrasen erhöht. 9.2.1. Italienisch, Französisch sowie frühe und späte Bilinguale im Vergleich Der Protagonist wird, wie es die folgende Tabelle zeigt, im Italienischen zumeist über eine Nominalphrase in den neuen Erzählabschnitt eingeführt. 3 Italienisch Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 63.0 % (114 / 181) 6.1 % (11 / 181) 30.9 % (56 / 181) Tab. 9: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 Italienisch. Diese Form der Wiedereinführung geschieht zumeist über eine definite Nomi‐ nalphrase, häufig auch in Kombination mit Demonstrativpronomina, beispiels‐ weise »questo omino«, dieses Männchen. Die Wiedereinführung des Protago‐ nisten kann in einem neuen Erzählabschnitt auch über ein Nullsubjekt erfolgen, wie aus der obigen Tabelle ersichtlich wird. Dies geschah in 30.9 % der Fälle. Hier sei festgehalten, dass die Wiedereinführung des Protagonisten weitgehend über eine Nominalphrase geschieht. Im Französischen zeigen sich hingegen andere Ergebnisse. Mit 62.1 % stellen Pronomina das häufigste Wiedereinführungsmittel dar. Dies ist im Vergleich zum Italienischen (6.1 %) ein deutlich höherer Wert. Französisch Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 37.9 % (55 / 145) 62.1 % (90 / 145) - Tab. 10: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 Französisch. 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt 121 <?page no="122"?> Das folgende Diagramm zeigt die Mittel für die Wiedereinführung des Prota‐ gonisten in einem neuen Erzählabschnitt für den Vergleich Italienisch vs. Fran‐ zösisch auf: Abb. 9: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. Aus der Tabelle können folgende Erkenntnisse für den Vergleich zwischen Ita‐ lienisch und Französisch abgelesen werden: • Der Gebrauch von Nominalphrasen für die Wiedereinführung des Pro‐ tagonisten ist im Italienischen mit 63.0 % sehr häufig, im Französischen ist der Gebrauch mit 37.9 % nicht ganz so häufig. Im Französischen ist ein Pronomen für die Disambiguierung ausreichend, während dies im Italie‐ nischen klar nicht der Fall ist. • Der Gebrauch von Nominalphrasen im Italienischen kann durch das Vor‐ handensein des Nullsubjekts erklärt werden, dessen Gebrauch durch eine vorangehende, volle Nominalphrase legitimiert wird. Der Blick auf die beiden Gruppen der Bilingualen eröffnet folgendes Bild: Beide Gruppen weisen ein gemeinsames Muster auf, das sich den beiden L1-Sprachen entgegensetzt. Im Italienischen, wo auf eine ausreichende Aktivierung des Pro‐ tagonisten in einem neuen Erzählabschnitt in Form einer Nominalphrase ge‐ achtet wird, ist der Wert für Nullsubjekte für die Wiedereinführung mit 30.9 % deutlich geringer als die Werte für frühe Bilinguale mit 63.0 % und für späte Bilinguale mit 68.2 %. Auch das Muster des Französischen ist nicht zu erkennen, wo die präferierten Pronomina eine Verwendung von 62.1 % erreichen, während sie bei frühen bzw. späten Bilingualen nur bei 11.1 % bzw. 13.6 % liegen. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 122 <?page no="123"?> Abb. 10: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 und Bilinguale im Ver‐ gleich [in %]. Aus diesem Diagramm sind folgende Erkenntnisse ersichtlich: • Der Blick auf die beiden Gruppen der Bilingualen deutet auf eine Über‐ generalisierung des Nullsubjekts hin, da dieses deutlich häufiger als im Italienischen für die Wiedereinführung eingesetzt wird. • Die Wahl der referentiellen Mittel für die Wiedereinführung korreliert mit grammatikalischen Strukturen. Für die Setzung des Nullsubjekts als Mittel des Topikerhalts im Italienischen ist von Bedeutung, dass auch im neuen Erzählabschnitt der Referent im Sinne von Givon (1983) ausrei‐ chend aktiviert ist, um ihn durch das Nullsubjekt wieder aufnehmen zu können. Aus der Notwendigkeit einer maximalen Aktivierung, die ge‐ wissermassen den Gebrauch des Nullsubjekts ermöglicht, erklärt sich der recht hohe Wert für Nominalphrasen im Italienischen. Im Französischen ist diese explizite Aktivierung in Form einer Nominalphrase aufgrund der Abwesenheit des Nullsubjekts nicht nötig. Dies rechtfertigt die Setzung des Pronomens, des ohnehin präferierten Referenzmittels. • Eng verknüpft mit der Wahl des Mittels für die Wiedereinführung des Protagonisten in einen neuen Erzählabschnitt ist die Perspektive, unter der der Kurzfilm Quest nacherzählt wird. Diese wird im kommenden Un‐ terkapitel thematisiert. 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt 123 <?page no="124"?> 9.2.2. Die Einwirkung einer weiteren Entität (Erzähler) auf die Mittel der Wiedereinführung Es wurde bereits mehrfach verdeutlicht, dass der Protagonist des Kurzfilms auf‐ grund der Quaestio eine hohe Prominenz aufweist (sie erfragt was x, dem Pro‐ tagonisten, zu einem bestimmten Zeitpunkt geschah). Der Protagonist kann somit jederzeit innerhalb der Ereignissequenz als Subjekt eines Hauptsatzes auftreten und dabei durch den Einsatz spezifischer referentieller Mittel als Agens der Erzählung erhalten bleiben. In der Textsorte Erzählung kommt noch ein weiterer Kandidat hinzu, der ebenfalls als high profile entity zu beschreiben ist (vgl. Carroll und Natale 2010). Dabei handelt es sich um den Erzähler, der ebenfalls an jeder Stelle als Subjekt eines Hauptsatzes auftreten kann. Dies er‐ folgt durch das unpersönliche si im Italienischen und das ebenfalls unpersön‐ liche on im Französischen, welche als Subjekt eines Satzes an eine Perzeption gebunden sind, die der Erzähler wahrnimmt. Beispiele für solche Äusserungen, in denen der Erzähler Subjekt des Hauptsatzes ist, sind: Si vedono volare in lontananza dei fogli di carta On entend à nouveau le bruit d’eau Auf unsere Erzählung übertragen bedeutet dies, dass die Ereignisse entweder aus Sicht des Protagonisten oder aus Sicht des Erzählers geschildert werden können. Somit ergeben sich zwei Perspektiven: Eine interne, nämlich die des Protagonisten, durch den die Darstellung der Ereignisse gefiltert wird (vgl. »er sieht ein Blatt Papier auf sich zukommen«) oder eine externe Perspektive, in der ein Erzähler mit einem gewissen Abstand das Geschehen beschreibt (»man sieht, wie er von einem Blatt Papier umgehauen wird«). Die Zuordnung eines Sprechers im Korpus zu einer Perspektive erfolgt auf‐ grund von Perzeptionen des Protagonisten (er hört) und des Erzählers (man hört), die einen messbaren Indikator für die Zuordnung zu einer der beiden Per‐ spektiven liefern. Die Zuordnungen erfolgten anhand der Häufigkeit von Er‐ zählerelementen wie si und on. Für die vier untersuchten Gruppen zeigt sich folgende Verteilung auf die Perspektive des Erzählers und des Protagonisten auf: Erzähler Protagonist L1 Italienisch 64.4 % (38 / 59) 35.9 % (21 / 59) L1 Französisch 51.0 % (25 / 49) 49.0 % (24 / 49) Frühe Bilinguale 40.7 % 59.3 % 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 124 <?page no="125"?> Erzähler Protagonist (11 / 27) (16 / 27) = 59.25 % Späte Bilinguale 30.0 % (6 / 20) 70.0 % (14 / 20) Tab. 11: Die Perspektivenzugehörigkeit. Aus den Zahlen kann abgeleitet werden, dass beide Gruppen bilingualer Spre‐ cher eine protagonistenorientierte Perspektive vorziehen, während im Italieni‐ schen die erzählerorientierte Perspektive dominiert. Im Französischen lässt sich hingegen keine klare Präferenz feststellen. Abb. 11: Die Perspektivenzugehörigkeit [in %]. Die folgenden Transkriptionsbeispiele aus dem Italienischen zeigen auf, wie die beiden besprochenen Perspektiven umgesetzt werden: Erzählerorientierter Sprecher Protagonistenorientierter Sprecher 1. allora innanzitutto vediamo 2. cioè si vede il cielo 3. e si vede questa specie di spiaggia 4. cioè è tutta sabbia tutta sabbia pulita 5. a un certo punto la telecamera cade su un agglomerato di sabbia 6. che sembra più asciutta delle altre 7. cioè sembra un come la costruzione di un castello sabbia 8. che comunque è stata bagnata 9. e poi ha preso / ha assunto una certa forma 10. a fianco c’è una bottiglia 1. praticamente c’è questo personaggio questo ominide 2. che sembra fatto di creta argilla 3. che si risveglia in mezzo al deserto o meglio una distesa di sabbia con una bottiglia vuota davanti a sé stesso 4. e sente un rumore d’acqua sotto di lui 5. e visto che si trova in mezzo a un de‐ serto 6. ed è penso disidratato 7. e non ha acqua nella bottiglia 8. sceglie di scavare nella sabbia 9. per vedere 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt 125 <?page no="126"?> Erzählerorientierter Sprecher Protagonistenorientierter Sprecher 11. allora si vede questa forma 12. che piano piano si alza 13. e ha la forma cioè ha la forma di un uomo 14. prende questa bottiglia 15. vede 16. che non c’è più acqua 17. si alza 18. e inizia a sentire dei rumori 19. sente rumori di acqua 20. che gocciola 21. e è 22. come se stesse iniziando a piovere 23. allora inizia a scavare nella sabbia 24. per capire 25. da dove viene questo rumore 26. scava 27. e a un certo punto viene riassorbito dalla sabbia stessa 28. però non riesce a trattenersi 29. e quindi viene proprio travolto dalla sabbia 30. e non si vede più 10. se riesce a trovare questa questa fonte d’acqua 11. e mentre scava 12. viene risucchiato dalla sabbia Tab. 12: Transkriptionsbeispiel für die Perspektivenzugehörigkeit. Das Beispiel der Erzählerperspektive zeigt, wie in Form des unpersönlichen si eine externe Perspektive auf das Geschehen eingeführt wird, die im Beispiel der Protagonistenperspektive nicht vorhanden ist. Protagonistenorientierte Spre‐ cher weisen keine Erzählelemente dieser Art auf. Die Ergebnisse im Italienischen zeigen, dass sich in Abhängigkeit von der eingenommenen Perspektive, die Häufigkeit des Einsatzes des Nullsubjekts bei der Wiedereinführung des Protagonisten ändert. Wichtig für die Wahl der Mittel ist somit die Anzahl der Kandidaten bei der Subjektbesetzung: Erzählerorien‐ tierte Sprecher agieren mit zwei Kandidaten für die Subjektbesetzung (Erzähler und Protagonist). Dies hat zur Folge, dass auch bei etablierten Kandidaten, wie durch den Protagonisten dargestellt, die Wiedereinführung über eine Nominal‐ phrase präferiert wird. Der Wert für Nullsubjekte bei dieser Gruppe ist daher mit 5.3 % sehr niedrig. Bei der Protagonistenperspektive besteht hingegen keine Konkurrenz zu einer anderen Entität, was zur Folge hat, dass bei der Wieder‐ einführung des Protagonisten in einen neuen Erzählabschnitt der Wert für Null‐ subjekte mit 30.2 % deutlich höher ist. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 126 <?page no="127"?> Abb. 12: L1 Italienisch: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektivenzu‐ gehörigkeit [in %]. Der Blick auf das Französische offenbart im Grunde die gleichen Ergebnisse. Der Wert für Nominalphrasen in der Erzählerperspektive ist mit 60.1 % ausge‐ prägt und der Wert für Pronomina liegt mit 39.4 % entsprechend tiefer. Sprecher, die der protagonistenorientierten Perspektive zuzuordnen sind, weisen mit 83.6 % für Pronomina einen deutlich höheren Wert auf, da keine Disambiguie‐ rung vorzunehmen ist. Abb. 13: L1 Französisch: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektiven‐ zugehörigkeit [in %]. Zusammenfassend können für den Vergleich des Italienischen mit dem Franzö‐ sischen betreffend der Referenz auf den Protagonisten und Entitäten folgende Ergebnisse festgehalten werden: • Für das Französische gilt das gleiche Muster wie für das Italienische: Die erzählerorientierte Perspektive bedarf einer eindeutigen referentiellen 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt 127 <?page no="128"?> Bezeichnung in Form von Nominalphrasen, um den Protagonisten vom Erzähler zu differenzieren. • Protagonistenorientierte Sprecher, die keine Disambiguierung in dieser Form vornehmen müssen, greifen häufiger zu leichteren referentiellen Mitteln. • Italienisch und Französisch unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf diese Ausprägung: Im Französischen wird das »leichtere« referentielle Mittel deutlich bevorzugt, während im Italienischen auch bei der prota‐ gonistenorientierten Perspektive die Nominalphrase überwiegt, die, wie oben betont, den folgenden Gebrauch des Nullsubjekts implementiert. Im Italienischen zeigt sich die Auswirkung der Perspektive in der Frequenz des Nullsubjekts (5.3 % in der erzähler-orientierten Perspektive vs. 30.2 % in der protagonistenorientierten Perspektive). Eine mögliche Erklärung hierfür liegt darin, dass auch bei der protagonistenorientierten Perspek‐ tive die Etablierung des Nullsubjekts, das heisst die Schaffung der Vo‐ raussetzung für seine Nutzung in der auf die Wiedereinführung folgende Erzählsequenz, über die Setzung einer Nominalphrase erfolgt. Der Blick auf die frühen Bilingualen zeigt ein Bild, das sowohl vom Muster des Italienischen als auch von dem des Französischen abweicht. Es lassen sich keine perspektivengebundenen Präferenzen feststellen, wie sie im Französischen deutlich zutage treten, indem die Protagonistenperspektive eindeutig mit der Wahl »leichterer« referentieller Mittel korreliert. Zwar sind Nominalphrasen und Pronomina bei erzählerorientierten Sprechern leicht häufiger als bei pro‐ tagonistenorientierten Sprechern, aber es fällt eher auf, dass anders als im Ita‐ lienischen der Gebrach von Nullsubjekten deutlich höher ausfällt. Die Werte von 50.0 % bei erzählerorientierten Sprechern und 70.6 % bei den protagoniste‐ norientierten Sprechern deuten auf eine Übergeneralisierung hin. Es wurde nicht erworben, dass bei einem neuen Erzählabschnitt auch in der protagonis‐ tenorientierten Perspektive das Nullsubjekt überwiegend an eine vorangehende Nominalphrase anschliesst, welche die Voraussetzung für die konsequente Set‐ zung des Nullsubjekts schafft. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 128 <?page no="129"?> Abb. 14: Frühe Bilinguale: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektiven‐ zugehörigkeit [in %]. Bei den späten Bilingualen eröffnet sich das gleiche Bild, das hier aufgrund der niedrigeren Probandenzahlen aber nicht weiter vertieft behandelt wird. Festzu‐ halten bleibt, dass auch in dieser Gruppe eine Übergeneralisierung der Null‐ subjektsetzung zu erkennen ist. Es wird nicht an eine Nominalphrase ange‐ schlossen, die eine konsequente Setzung des Nullsubjekts vorbereitet. Abb. 15: Späte Bilinguale: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektiven‐ zugehörigkeit [in %]. 9.2. Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt 129 <?page no="130"?> 4 Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Szenen der Papier- und der Steinwelt besonders gut für die Analyse eignen. Die erste Szene (die Sandwelt) fungiert als Phase, in der die Sprecher ihre Narration aufbauen. Ab der Papierwelt sind die Erzählungen meist flüssig. Die beiden letzten Szenen (Industriewelten), zeichnen sich mitunter durch lexikalische Herausforderungen heraus (gemeint sind hier technische Begriffe für die Beschreibung der Maschinen, die diese Welt charakterisieren), die im Falle der beiden Gruppen von Bilingualen ein Hindernis für den narrativen Fluss darstellen. Aus diesem Grunde wurde auf die Analyse der Sand- und Industriewelten verzichtet. 5 In 802 Äusserungen wiesen 469 Äusserungseinheiten den Protagonisten als Subjekt auf, 333 wiesen andere Entitäten (Wind, Papierblätter, Steine, Wasser etc.) als Subjekt auf. 6 Ausgenommen wurden jene Äusserungen, in denen der Protagonist im Erzählabschnitt wiedereingeführt wird, da diese gesondert behandelt werden. 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes Im folgenden Unterkapitel wird untersucht, welche referentiellen Mittel ge‐ braucht werden, um auf den Protagonisten zu verweisen, wenn dieser bereits am Anfang eines neuen Erzählabschnitts eingeführt ist. 9.3.1. Italienisch Von 469 analysierten Äusserungseinheiten aus der zweiten und dritten Szene (der Papier- und der Steinszene), 4 in der auf den Protagonisten als bereits ein‐ geführte belebte Entität als Subjekt eines Satzes verweisen wird, 5 wird die Pro‐ minenz des Nullsubjekts deutlich. 6 Da die analysierten Referenzen innerhalb der Erzählsequenz erscheinen, in der der Protagonist bereits eingeführt ist, deckt die Funktion der verschiedenen gewählten Formen den Referenzerhalt ab. Für das Italienische wurde dabei festgestellt, dass in knapp 90 % der Fälle das Null‐ subjekt verwendet wird. Der Gebrauch von Nominalphrasen vom Typ »l’omino« (das Männchen), »l’uomo« (der Mann) oder betonten Pronomina (»lui«, er) ist niedrig. Im un‐ tersuchten Korpus werden sie wie oben gezeigt überwiegend für die Wieder‐ einführung des Protagonisten am Anfang einer neuen Erzählabschnitts ver‐ wendet (vgl. Kapitel 9.2.). Entscheidend bei den vorliegenden Ergebnissen ist die Rolle des Nullsubjekts. Der Fokus der folgenden Analysen betrifft die Identifi‐ kation von Kontexten, die zum Gebrauch eines Pronomens, einer vollen Nomi‐ nalphrase oder eines Nullsubjekts führt, wenn der Protagonist in der Rolle eines syntaktischen Subjekts eines Hauptsatzes in die Hauptstruktur der Erzählung bzw. in der Ereignissequenz erwähnt wird. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 130 <?page no="131"?> Die Analysen von 1303 Äusserungseinheiten, in denen 48 Nominalphrasen und 70 Pronomina verwendet werden, haben gezeigt, dass der Gebrauch von Pronomina und Nominalphrasem systematisch und in einem spezifischen Kontext erfolgt. Die folgende Tabelle zeigt überblicksartig auf, mit welcher Frequenz die sprachlichen Mittel Nominalphrase, Pronomen und Nullsubjekt verwendet werden. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass Nullsubjekte mit 90.9 % am häufigsten sind, während Pronomina mit 5.4 % und Nominalphrasen mit 3.7 % folgen. Entscheidender als die Frequenz ist jedoch die Systematik, die beim Einsatz der referentiellen Mittel deutlich wird. Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 3.7 % 5.4 % 90.9 % 48 / 1303 70 / 1303 1185 / 1303 Tab. 13: Italienische Formen für die Wiedereinführung innerhalb des Erzählabschnittes. Die folgende Textstelle illustriert unter Einbezug der Zugehörigkeit zur Haupt- oder zur Nebenstruktur und des Kriteriums Haupt- oder Nebensatz, den Er‐ zählabschnitt (Steinszene) eines Sprechers, in der Pronomina und Nominalph‐ rasen, sowie Nullsubjekte, systematisch bei der Wiederaufnahme innerhalb des Erzählabschnitts eingesetzt werden. Die folgende Untersuchung bezieht sich auf Äusserungen innerhalb der Hauptstruktur. Die expliziteste Form, die volle Nominalphrase, wird in den Äusserungsein‐ heiten ( ÄE ) 7, 9 und 32 verwendet. In den übrigen Texten des Korpus erfolgt die Kodierung des Protagonisten über eine NP analog zum obigen Beispiel, wenn folgender Kontext gegeben ist: • Eine unbelebte Entität erscheint in der vorangehenden Äusserung in Form eines syntaktischen Subjekts eines Hauptsatzes, jedoch nicht in einem Nebensatz (siehe Äusserungseinheiten 6-7, 8-9, 27-28). Im Gegensatz zum Gebrauch einer Nominalphrase erscheinen die sehr häufig gebrauchten Formen Nullsubjekt und Pronomen dann, wenn die Wiederauf‐ nahme nach einem Nebensatz erfolgt. In diesem Fall stellt die vorangehend er‐ wähnte unbelebte Entität das Subjekt eines Nebensatzes dar (siehe Äusserung‐ seinheiten 16-17 in Textauszug 1, 4-5 in Textauszug 2). 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 131 <?page no="132"?> Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 1. nella scena successiva l’omino cade su un ter‐ reno Hauptstruktur Prot. NP (Hauptsatz, ab jetzt HS) 2. che è pieno di pietre Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz, ab jetzt NS ) 3. queste pietre / alcune di queste pietre sono accu‐ mulate le une sulle altre Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 4. e formano delle colonne Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 5. le pietre cadono dall‐ ’alto Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 6. oppure spuntano anche dal terreno Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 7. infatti mentre l’omino cammina Nebenstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme NP (HS) 8. ad un certo punto dal terreno spunta una co‐ lonna di pietre Hauptstruktur Anderes Subjekt (Hauptsatz) 9. e l’omino si viene a tro‐ vare in alto Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme NP (HS) 10. guarda verso il basso Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 11. e vede / Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 12. non sa bene cosa fare Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 13. quando ad un certo punto sente il rumore di una goccia Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 14. che cade Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz) 15. e vede Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme Nullsub‐ jekt (HS) 16. che si sta formando un‐ ’altra pozzanghera Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz) 17. a questo punto cerca di scendere Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme Nullsub‐ jekt (HS) 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 132 <?page no="133"?> Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 18. lasciandosi cadere Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (NS) 19. e ad un certo punto una pietra della base della colonna si rompe Hauptstruktur Anderes Subjekt (Hauptsatz) 20. e l’omino cade per terra Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme NP (HS) 21. si rialza Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 22. si avvicina alla pozzang‐ hera Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 23. e allunga le mani Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 24. per raccogliere l’acqua Nebenstruktur Prot. Nullsubjekt (NS) 25. ma quando la tocca Nebenstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 26. la pozzanghera si as‐ ciuga Hauptstruktur Anderes Subjekt (Hauptsatz) 27. sembra Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 28. che l’acqua sia filtrata nel terreno Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 29. allora l’omino rac‐ coglie una pietra Hauptstruktur Prot NP (HS) 30. e con questa pietra col‐ pisce ripetutamente il terreno Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 31. formando delle crepe Hauptstruktur Prot. Nullsubjekt (HS) 32. ad un certo punto le crepe diventano più fonde Hauptstruktur Anderes Subjekt (HS) 33. e l’omino cade nella vor‐ agine Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme NP (HS) Tab. 14: L1 Italienisch: Transkriptionsbeispiel 1 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. Wie oben erwähnt, zeigt der nächste Textauszug den Gebrauch des Nullsubjekts, wenn die Wiederaufnahme nach einem Nebensatz erfolgt (siehe Äusserung‐ seinheiten 4-5, 11-12). Bei Sprechern wie dem Folgenden können bis zu 5 ÄE , die ein anderes Subjekt als den Protagonisten aufweisen, aufeinanderfolgen und 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 133 <?page no="134"?> 7 Protagonist im Fokusbereich der ÄE durch NP kodiert. dennoch über ein Nullsubjekt die Referenz auf den Protagonisten wieder her‐ stellen (siehe Äusserungseinheiten 11-12 und 13-14 im folgenden Textab‐ schnitt). Die vorangehenden Äusserungen sind erneut als Nebensätze kodiert. Besonders an der ÄE 12 jedoch ist, dass der Protagonist in der ÄE 11 über ein Pronomen in Fokusposition gerückt wird. Dies scheint die Wiederaufnahme in ÄE 12 über ein Nullsubjekt zu begünstigen. Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 1. questa volta si vede ca‐ dere il personaggio dall’alto 7 Hauptstruktur Anderes Subjekt (HS) 2. e arriva di nuovo in una landa desolata questa volta di sassi Hauptstruktur Protagonist Nullsubjekt (HS) 3. e si sente ancora il ru‐ more di questa goccia d’acqua Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 4. che cade Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz) 5. e muov/ comincia a muoversi nostro amico Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme Nullsub‐ jekt (HS) 6. si / trova degli ostacoli Hauptstruktur Protagonist Nullsubjekt (HS) 7. ci son delle torri di sassi Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 8. che si trovano un po’ dappertutto Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 9. e alcune crescono anche Nebenstruktur Anderes Subjekt(HS) 10. finché a un certo punto una lo coglie (di) sor‐ presa Hauptstruktur Anderes Sub‐ jekt(NS)überrascht 11. lo colpisce Hauptstruktur Anderes Subjekt (NS) 12. e quando si trova in cima questa torre Nebenstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahmeNullsub‐ jekt (HS) 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 134 <?page no="135"?> Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 13. che si è appena alzata dal terreno Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz) 14. sì sente ancora la goccia d’acqua Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahmeNullsub‐ jekt (HS) 15. e poi si guarda ancora in giro Hauptstruktur Protagonist Nullsubjekt (HS) Tab. 15: L1 Italienisch. Transkriptionsbeispiel 2 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. Der nächste Textauszug zeigt, dass die Erwähnung des Protagonisten in Fokus‐ position jedoch keine Voraussetzung für den Gebrauch des Nullsubjekts ist. Das Beispiel zeigt, wie nach bis zu 5 ÄE ohne die Vorbereitung der Wiederaufnahme des Protagonisten im Fokusbereich das Nullsubjekt angeschlossen werden kann ( ÄE 7). Die vorangehende Äusserung enthält eine Entität als Subjekt eines Ne‐ bensatzes und nicht eines Hauptsatzes (siehe ÄE 6-7 im folgenden Textauszug). Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 1. Allora l’omino di sabbia stavolta casca in un de‐ serto di rocce Hauptstruktur Protagonist NP (HS) 2. ci sono alcune rocce Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 3. che cadono dall’alto Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 4. ma anche rocce Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 5. che spuntano dal basso Nebenstruktur Anderes Subjekt (Ne‐ bensatz) 6. e si formano come dei pilastri di roccia Nebenstruktur Anderes Subjekt Ne‐ bensatz 7. si guarda intorno Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme Nullsub‐ jekt (HS) 8. mentre cammina Nebenstruktur Protagonist Nullsubjekt (NS) 9. e si toglie un pezzo di roccia Hauptstruktur Protagonist Nullsubjekt (HS) 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 135 <?page no="136"?> Nr. Text Struktur Subjekt der ÄE 10. che gli si è infilato sul braccio Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) Tab. 16: L1 Italienisch: Transkriptionsbeispiel 3 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei der Wiedereinführung des Protagonisten innerhalb der Erzählsequenz ein hoher Grad an Systematizität zutage tritt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Faktor »Subjekt eines Hauptsatzes« oder »Subjekt eines Nebensatzes« bestimmend ist. Somit wird der Gebrauch von Nominalphrasen, Pronomina und Nullsubjekten bei der Wiedereinführung des Protagonisten beeinflusst, wenn dieser als Subjekt eines Hauptsatzes innerhalb der Erzählsequenz auftritt. Die ermittelten Muster können wie folgt zusam‐ mengefasst werden: • Der Protagonist wird durch eine Nominalphrase oder ein Pronomen wie‐ dereingeführt. In diesem Fall ist die vorangehende unbelebte Entität als syntaktisches Subjekt eines Hauptsatzes kodiert. • Der Protagonist wird durch ein Nullsubjekt wiedereingeführt. In diesem Fall steht in der vorangehenden Äusserung eine unbelebte Entität als Subjekt eines Nebensatzes. Dieses Muster trifft auch bei Pronomina zu. In dieser letzten Konstellation ist der Protagonist schon mit dem Status als be‐ reits erwähntes syntaktisches Subjekt eines Hauptsatzes in der Erzählung etab‐ liert. Es bedarf der Erwähnung einer anderen Entität als Subjekt eines Haupt‐ satzes, um den Status des Protagonisten zu unterbrechen. Wichtig ist zu bemerken, dass der Gebrauch des Nullsubjekts als Mittel der Wiedereinführung auf systematische Weise über den Gebrauch eines Neben‐ satzes etabliert wird, um die Prominenz von anderen Referenten im Sinne eines downgrading zu schmälern. Die Tatsache, dass der Gebrauch von »leichten« Formen, wie Nullsubjekt und Pronomina mit einer hohen Frequenz im vorliegenden Korpus auftreten, kann darin bedingt sein, dass der Protagonist die einzige belebte Entität in der Dis‐ kursdomäne darstellt und er im Vergleich zu den unbelebten Entitäten anders an Ereignissen partizipieren kann. Für späte Bilinguale bedeutet dies, dass sie lernen müssen, dass für die Ko‐ härenzstiftung das Nullsubjekt das weitaus häufigste sprachliche Mittel ist und von der Struktur der vorangehenden Äusserung abhängig ist (unbelebte Entität als syntaktisches Subjekt eines Nebensatzes). Eventuell gehen Bilinguale auf der Grundlage der Prominenz des Protagonisten als einzige belebte Entität vor, aber 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 136 <?page no="137"?> sind sie auch in der Lage systematisch Haupt- und Nebensätze anzuwenden, die sich auf die Wahl der referentiellen Mittel auswirken, wie oben beschrieben? Unterscheiden sich frühe und späte Bilinguale in der Systematizität in Bezug auf das downgrading durch Subordination? Ob sich das für das Italienische zutreffende Muster auch für die Bilingualen zutrifft, werden die folgenden Abschnitte zeigen. Zunächst wird jedoch auf das Französische System eingegangen. 9.3.2. Französisch Die Analysen zeigen, dass im Französischen die häufigste Form, um auf den Protagonisten zu verweisen, eindeutig das Pronomen ist. Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 0.9 % 96.2 % 2.9 % 3 / 346 333 / 346 10 / 346 Tab. 17: Französische Formen für die Wiedereinführung innerhalb des Erzählabschnittes. Die Äusserungen 4-12 des folgenden Beispiels verweisen alle auf den Protago‐ nisten und beruhen auf dem Rückgriff auf Pronomina. Nr. Text Struktur Subjekt der Äusse‐ rung 1. il esquive une pierre Hauptstruktur Protagonist (NP) (HS) 2. et il y a un empilement de pierres Nebenstruktur Anderes Subjekt/ leeres Subjekt (HS) 3. qui le soulève Hauptstruktur Anderes Subjekt (NS) 4. il est en haut Nebenstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 5. et il refuse de rede‐ scendre Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 6. parce qu’il a peur Nebenstruktur Protagonist (Pronomen) (NS) 7. et quand il entend l’eau Nebenstruktur Protagonist (Pronomen) (NS) 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 137 <?page no="138"?> Nr. Text Struktur Subjekt der Äusse‐ rung 8. il essaie de descendre Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 9. il tombe Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 10. enfin il se fait un peu mal Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 11. il entend l’eau Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 12. il voit Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) 13. où c’est Hauptstruktur Anderes Subjekt (NS) 14. Et il essaie de creuser Hauptstruktur Protagonist (Pronomen) (HS) Tab. 18: L1 Französisch: Transkriptionsbeispiel zur Wiederaufnahme des Protagonisten. Im Französischen wird, wie das folgende Beispiel zeigt, unter bestimmten Be‐ dingungen eine Nullanapher verwendet. Nr. Text 1. il se retrouve au sommet d’une pile de rochers 2. qui vient de justement pousser 3. il se penche dangereusement 4. mais finalement il renonce 5. il essaie de descendre 6. en descendant 7. le rocher sur lequel il se tenait 8. se casse 9. donc il tombe 10. il se relève 11. et retrouve une flaque d’eau 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 138 <?page no="139"?> Nr. Text 12. il se dirige vers la flaque d’eau à quatre pattes 13. et ne trouvant toujours pas la source de l’eau 14. il saisit un rocher 15. il se retrouve au sommet d’une pile de rochers 16. et s’en sert comme d’un pieu 17. pour briser le sol 18. et il tombe à nouveau Tab. 19: Beispiel für Nullanapher im Französischen. Die Verwendung einer Nullanapher ist eingeschränkt und wird dann beo‐ bachtet, wenn das beschriebene Ereignis in engem und kausalem Zusammen‐ hang zum vorangehenden Ereignis steht (s. auch Carroll & Lambert 2006). Die Zahlen belegen jedoch, dass solche Zusammenhänge nur sehr selten vor‐ kommen. Im Französischen wird das Pronomen als »leichteres« Referenzmittel beim Referenzerhalt eingesetzt, wenn der Protagonist in die Diskurswelt eingeführt ist. Bei der Wiedereinführung wird eine volle NP gebraucht, wenn der voran‐ gehende Satz ein anderes Subjekt als den Protagonisten aufweist und in einem Hauptsatz steht. Das folgende Beispiel zeigt diesen Fall auf. Dieser Fall konnte jedoch lediglich sieben Mal beobachtet werden, wie die obige Tabelle zeigt. Nr. Text Struktur Subjekt 1. le petit bonhomme de terre arrive dans un autre monde Hauptstruktur Protagonist (HS) 2. où il y a des feuilles de papier Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 3. qui volent un peu par‐ tout Nebenstruktur Anderes Subjekt (SN) 4. il y a beaucoup de vent Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 5. et là il voit une goutte d’eau Hauptstruktur Anderes Subjekt (HS) 6. qui tombe à nouveau Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 139 <?page no="140"?> Nr. Text Struktur Subjekt 7. et à l’endroit où la feuille est tombée Nebenstruktur Anderes Subjekt (NS) 8. la feuille de papier est mince Nebenstruktur Anderes Subjekt (HS) 9. et donc elle se déchire Hauptstruktur Anderes Subjekt (HS) 10. et le petit bonhomme à nouveau tombe dans un trou Hauptstruktur Protagonist Wieder‐ aufnahme NP (HS) Tab. 20: Beispiel für die Wiederaufnahme des Protagonisten durch NP im Französischen. Abb. 16: Wiederaufnahme des Protagonisten: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Protagonist als NP wieder eingeführt wird, wenn eine unbelebte Entität in der vorangehenden Äusserung Subjekt eines Hauptsatzes ist, der in der Erzählsequenz eingebettet ist. Dies ist jedoch nur sieben Mal vorgekommen (7 / 329 = 2.1 %). Das gleiche Muster ist, wie oben dargestellt, auch in italienischen Erzählungen beobachtet worden. Der Unterschied zwischen den beiden Sprachen liegt in der Tatsache, dass Pronomina einen unterschiedlichen Status aufweisen. Da im Französischen kein Nullsubjekt vorhanden ist, werden Pronomina im Französischen in der Er‐ 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 140 <?page no="141"?> zählsequenz für den Referenzerhalt gebraucht. Nullanaphern werden nur in spezifischen Kontexten gebraucht, in denen eine enge kausale Verbindung zwi‐ schen Ereignissen innerhalb der Sequenz besteht. Wie oben erwähnt, verfahren Bilinguale eventuell aufbauend auf der Identi‐ fizierbarkeit des Protagonisten als einzige belebte Entität und gebrauchen das Nullsubjekt systematisch im Gegensatz zu Pronomina. Aber die zentrale Frage lautet wie folgt: Gebrauchen frühe und späte Bilinguale referentielle Mittel, die in Relation zum Status der unbelebten Entität stehen? Hat ihre Kodierung als Haupt- oder Nebensatz eine Auswirkung auf die Wahl der referentiellen Mittel, wie im Italienischen gezeigt? Wird über die Subordination (downgrading) sys‐ tematisch der Gebrauch des Nullsubjekts angelegt? 9.3.3. Frühe Bilinguale Frühe Bilinguale haben nicht erworben, dass der Rückbezug auf den Protago‐ nisten mittels Nullsubjekt an systematische Mechanismen des downgrading ge‐ knüpft ist. Es spielt in den Texten der frühen Bilingualen für die Wahl der refe‐ rentiellen Mittel im Kontext des Rückbezugs anders als im Italienischen keine Rolle, ob die vorangehende Entität als Subjekt eines Nebensatzes oder als Subjekt eines Hauptsatzes kodiert werden (letzterer Kontext kam im vorliegenden Korpus nicht vor). Die syntaktische Kodierung der Entität hat keine Auswirkung auf die Auswahl der referentiellen Mittel innerhalb des Erzählabschnitts für den Rückbezug auf den Protagonisten. Das folgende Beispiel zeigt, dass nach Ent‐ itäten, die als Subjekt eines Nebensatzes auftreten eine Nullsubjektsetzung ebenfalls möglich ist. Nr. Text Struktur Subjekt der Äusse‐ rung 1. inizia a camminare Hauptstruktur Protagonist (Nullsub‐ jekt) (HS) 2. e mentre cammina Nebenstruktur Protagonist (Nullsub‐ jekt) (NS) 3. spunta fuori un mazzo di rocce di rocce Hauptstruktur Anderes Subjekt (No‐ minalphrase) (HS) 4. eh quindi viene messo in cima a questo mazzo Hauptstruktur Protagonist (Nullsub‐ jekt) (HS) 9.3. Referenz auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnittes 141 <?page no="142"?> Nr. Text Struktur Subjekt der Äusse‐ rung 5. e da lassù vede una pi‐ etra bagnata Hauptstruktur Protagonist (Nullsub‐ jekt) (HS) Tab. 21: Frühe Bilinguale: Wiedereinführung durch Nullsubjekte. Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 0.8 % 7.7 % 91.5 % 5 / 600 46 / 600 549 / 600 Tab. 22: Formen des Referenzerhalts und der Wiedereinführung bei frühen Bilingualen. Abb. 17: Der Referenzerhalt im Italienischen, Französischen und bei frühen Bilingualen [in %]. 9.3.4. Späte Bilinguale Die Analyse der späten Bilingualen zeigt ein fast identisches Bild. Nullsubjekte stellen innerhalb des Erzählabschnitts das häufigste Referenzmittel dar und der Wert von 95.1 % ist mit dem Italienischen vergleichbar (90.9 %). 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 142 <?page no="143"?> Nominalphrase Pronomen Nullsubjekt 0.9 % 4.0 % 95.1 % 3 / 329 13 / 329 313 / 329 Tab. 23: Formen des Referenzerhalts und der Wiedereinführung bei späten Bilingualen. Wie bei den frühen Bilingualen zeigt sich, dass der Gebrauch von Nominalph‐ rasen und Pronomina nicht systematisch innerhalb des Erzählabschnitts erfolgt, um auf den Protagonisten zurückzuverweisen. Selbst wenn eine unbelebte En‐ tität als Subjekt eines Hauptsatzes kodiert wird, hat dies keine Implikationen für die Wahl der referentiellen Mittel, die auf den Protagonisten zurückver‐ weisen. Der Zusammenhang zwischen syntaktischer Kodierung bzw. downgra‐ ding und der Wahl der referentiellen Mittel wurde nicht erworben. Diese Ergebnisse zeigen, dass späte Bilinguale auf einer formalen Ebene die referentiellen Mittel, die das Italienische zur Verfügung stellt, erworben haben. Sie haben jedoch nicht gelernt, die Wahl der referentiellen Mittel für den Rück‐ bezug auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnitts an die syntaktische Struktur des vorangehenden Satzes anzupassen, wenn dieser eine unbelebte Entität als syntaktisches Subjekt enthält. Referentielle Mittel werden anders als in L1 Italienisch nicht systematisch eingesetzt. 9.4. Zusammenfassung Bei der Einführung in einen neuen Erzählabschnitt wurde deutlich, dass im Italienischen die Nominalphrase das präferierte Mittel der Wiedereinführung darstellt. Durch die Nominalphrase wird eine Voraussetzung für die konsequ‐ ente Setzung des Nullsubjekts geschaffen, indem der Referent eindeutig aktiviert wird. Frühe und späte Bilinguale zeigen indes eine Übergeneralisierung der Nullsubjektsetzung auf, da auch zu Beginn eines neuen Erzählabschnitts auf den Protagonisten in Form des Nullsubjekts verwiesen wird. Die Ergebnisse im Be‐ reich der Perspektive zeigen, dass im Italienischen der Anteil an Nullsubjekten steigt, wenn das Geschehen aus Sicht des Protagonisten geschildert wird. Wenn ein Erzähler als weiterer Kandidat für die Subjektbesetzung hinzukommt, fällt der Einsatz von Nullsubjekten geringer aus, um Ambiguitäten zu vermeiden. Sowohl im Italienischen als auch im Französischen korreliert die eingenommene Perspektive mit der Wahl der referentiellen für die Wiedereinführung: Erzäh‐ lerorientierte Sprecher neigen zu Disambiguierung, protagonistenorientierte 9.4. Zusammenfassung 143 <?page no="144"?> Sprecher können zu »leichteren« referentiellen Mitteln greifen. Bei den beiden Gruppen von Bilingualen fällt auf, dass die Perspektive, und damit die Anzahl der Kandidaten für die Subjektbesetzung, keine Auswirkung auf die Art hat, wie der Protagonist wiedereingeführt wird. Vielmehr zeigt sich erneut die Überge‐ neralisierung bei der Verwendung des Nullsubjekts. Die Analyse des Italienischen hat wie zu erwarten gezeigt, dass das Nullsub‐ jekt das präferierte Mittel ist, um auf den Protagonisten innerhalb des Erzäh‐ labschnitts zu verweisen, wenn dieser eingeführt ist. Über die kontinuierliche Setzung des Nullsubjekts wird ein wichtiges Instrument zur Kohäsionsstiftung ausgenutzt, indem der Protagonist erhalten bleibt. Andere referentielle Mittel in Form von Nominalphrasen oder Pronomina werden zu einem deutlich geringeren Anteil verwendet, wobei der Einsatz sys‐ tematisch geschieht, und zwar dann, wenn ein anderes Subjekt vorausgeht. Ein wichtiges Ergebnis betrifft hierbei die syntaktische Kodierung des Subjekts. Wird innerhalb des Erzählabschnitts auf den Protagonisten zurückverwiesen nachdem eine andere, unbelebte Entität Subjekt eines Satzes ist, ist entschei‐ dend, ob diese Subjekt eines Haupt- oder eines Nebensatze ist. Erscheint die unbelebte Entität in prominenter Form, d. h. als Subjekt eines Hauptsatzes, wird auf den Protagonisten mittels Nominalphrasen bzw. Pronomina verwiesen. Ist die unbelebte Entität als Subjekt eines Nebensatzes kodiert, ist der Wiederan‐ schluss über Pronomina fest gestellt worden. Zentral ist die Tatsache, dass Pro‐ nomina oder Nominalphrasen nie »unmotiviert« innerhalb einer Sequenz ver‐ wendet werden, sondern dass ihre Funktion immer eine disambiguierende ist, die systematisch an die syntaktischen Gegebenheiten, die oben beschrieben wurden, gekoppelt sind. Im Französischen ist das präferierte Mittel das Personalpronomen »il«, das fast ausschliesslich in knapp 97 % verwendet wird. Nullsubjekte werden nur in aufeinanderfolgenden Handlungen des Protagonisten verwendet, wenn diese in einem engen kausalen Zusammenhang stehen. Bilinguale setzen in ihren Nacherzählungen die referentiellen Mittel anders als L1-Sprecher des Italienischen ein. Das Nullsubjekt ist zwar wie im Italieni‐ schen das bei weitem präferierte Referenzmittel, Nominalphrasen und Prono‐ mina werden jedoch nicht systematisch, d. h. aufbauend auf vorausgehende syntaktische Strukturen (unbelebte Entität Subjekt eines Nebensatzes oder eines Hauptsatzes) ausgewählt. 9. Referenz auf Protagonisten und Entitäten 144 <?page no="145"?> 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten Im vorherigen Kapitel wurde im Hinblick auf die Personenreferenz bereits an‐ gedeutet, dass innerhalb der Nacherzählungen der Protagonist als einzige be‐ lebte Entität und somit als erster Kandidat für die Subjektbesetzung in Frage kommt. Diese Tatsache ist zunächst der Auswahl des Stimulus geschuldet, in der nur eine einzige belebte Entität enthalten ist. Zum anderen hängt die Pro‐ minenz des Protagonisten auch mit der Quaestio, (Was geschah (mit x) zu tn + 1? Was geschah (mit x) zu tn + 2 usw.) zusammen. Dennoch können auch andere Subjekte in Form von unbelebten Entitäten (fliegende Blätter, Steine) oder auch in Form des Nacherzählers auftreten. Prinzipiell lassen sich aus informations‐ organisatorischer Sicht zwei Typen Agens in Subjektposition unterscheiden: Solche, die den Protagonisten und die mit ihm assoziierten Handlungen be‐ treffen, sowie solche, die unbelebte Entitäten aus der Umwelt des Protagonisten angehen. In diesem Kapitel wird anhand von zwei ausgewählten Kontexten untersucht, ob sich das Italienische und das Französische im Hinblick auf die Erwähnung von unbelebten Entitäten unterscheiden, die in der grammatikalischen Rolle eines Agens als Mitspieler des Protagonisten in Erscheinung treten können. Diese Untersuchung behandelt somit den Bereich der Informationsselektion als einen Prozess der makrostrukturellen Planung. Analysiert werden hierzu je eine Szene aus der Papierwelt sowie eine Szene aus der Steinwelt. In diesen beiden Szenen treten unbelebte Entitäten in Konkurrenz zum Protagonisten, da sie als Agens einer Äusserung auftreten können. In der Papierszene geht es um die Erwähnung eines Blattes Papier, das den Protagonisten im Gesicht streift und ihn zu Boden wirft. In der Steinszene wird die Szene untersucht, in der der Protagonist nur knapp einem Stein ausweicht, der auf ihn herabfällt und ihn zu erschlagen droht. Die Äusserungen, die die Probanden dabei produzieren, ge‐ hören immer zur Hauptstruktur des Textes, da sie mit einem Zustandswechsel einhergehen. Bei der folgenden Analyse geht es um folgende Fragen: 1. Unterscheiden sich das Italienische und das Französische im Hinblick auf die Häufigkeit der Nennung von diesen unbelebten Entitäten in der In‐ formationsselektion? <?page no="146"?> 2. Unterscheiden sich das Italienische und das Französische im Hinblick auf das mapping, die syntaktische Einbettung in Haupt- oder Nebensätze der unbelebten Entitäten, wenn diese erwähnt werden? 3. Wie häufig erreichen sie den Status »Subjekt eines Hauptsatzes«? Wird die Kodierung des Subjektstatus vorbereitet? Und wenn ja, durch welche sprachlichen Mittel? 4. Zeigen sich Unterschiede bei Häufigkeit und mapping auch im Hinblick auf die gewählte Perspektive? 5. Inwieweit sind die ermittelten Unterschiede in Bezug auf makrostruktu‐ relle Planungsperspektiven an einzelsprachliche Faktoren gekoppelt? 6. Erwerben Bilinguale das für das Italienische beschriebene Muster? Im Zuge der folgenden Analyse werden Bausteine für die Interpretation der Daten gesammelt, die es erlauben sollen, das Zusammenspiel von Protagonisten mit unbelebten Entitäten zu untersuchen, die unter bestimmten Bedingungen als Subjekt eines Hauptsatzes erwähnt werden. Es geht dabei um die Messung von verschiedenen Grössen, die in der Erzählung verbalisiert werden. Die Un‐ tersuchung der sprachlichen Mittel, ihrer Realisierung und ihre Verknüpfung innerhalb der Erzählung soll das komplexe Geflecht der Informationsselektion und ihrer Einbettung beleuchten. 10.1. Häufigkeit der Nennung von unbelebten Entitäten 10.1.1. Italienisch und Französisch im Vergleich Es zeigt sich im Vergleich Italienisch-Französisch kein Unterschied in Bezug auf die Nennung der unbelebten Entitäten. Während im Italienischen in 44.0 % (52 / 118) der Fälle das Blatt Papier, das den Protagonisten umwirft, oder der Stein, der ihn fast trifft, erwähnt werden, trifft dies im Französischen in 46.9 % der Fälle (46 / 98) zu. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis auf das Merkmal der Subjektprominenz, das sowohl auf das Italienische als auch auf das Französische zutrifft. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 146 <?page no="147"?> Abb. 18: Häufigkeit der Erwähnung der unbelebten Entitäten im Italienischen und Fran‐ zösischen [in %]. 10.1.2. Frühe und späte Bilinguale im Vergleich zum Italienischen Die Analysen ergeben, dass frühe und späte Bilinguale die unbelebten Entitäten fliegendes Blatt und fallender Stein leicht seltener als Muttersprachler des Itali‐ enischen erwähnen. Frühe Bilinguale nennen diese beiden unbelebten Entitäten in 37.0 % (20 / 54) der Fälle während späte Bilinguale dies in 32.5 % (13 / 40) der Fälle tun. Der Wert für die späten Bilingualen liegt leicht unter dem Wert der frühen Bilingualen, was angesichts der kleineren Anzahl an Probanden aber statistisch nicht abgesichert ist. Abb. 19: Häufigkeit der Erwähnung von unbelebten Entitäten: Späte und frühe Bilinguale im Vergleich zum Italienischen [in %]. Doch kommen wir nun zu den Unterschieden in der Kodierung der unbelebten Entitäten. Aus den Analysen von Carroll und Lambert (2003) wurde ersichtlich, dass im Französischen unbelebte Entitäten überwiegend als Subjekt eines Ne‐ bensatzes kodiert werden. Die nachfolgenden Analysen werden aufzeigen, welche Präferenzen für das Italienische zu erkennen sind, inwieweit sie sich vom Französischen unterscheiden und welche Muster aus den Texten von frühen und späten Bilingualen abzuleiten sind. 10.1. Häufigkeit der Nennung von unbelebten Entitäten 147 <?page no="148"?> 10.2. Die Kodierung der unbelebten Entitäten Die vorangehende Analyse hat gezeigt, dass sich das Italienische und das Fran‐ zösische in puncto Informationselektion nicht unterscheiden. Die nächste Ana‐ lyse wird zeigen, wie die Entitäten im Italienischen und Französischen »ver‐ packt« werden. Unter dem sogenannten information packaging ist allgemein die Strukturierung von Sätzen in Bezug auf ihre syntaktische, prosodische oder morphologische Verpackung gemeint, die auf den Wissenstand des Hörers aus‐ gerichtet ist (Valluduvì und Engdahl 2014). An dieser Stelle steht die syntaktische Verpackung im Vordergrund, die die Prominenz der erwähnten unbelebten Ent‐ itäten zum Ausdruck bringt. 10.2.1. Italienisch und Französisch im Vergleich Im Korpus wurden fünf Möglichkeiten ermittelt, um die unbelebte Entität zu kodieren. Die Unterschiede lassen sich hierarchisch im Hinblick auf die Promi‐ nenz der unbelebten Entität darstellen. So gesehen wird die höchste Position der unbelebten Entität kodiert, indem sie als Subjekt eines Hauptsatzes auftritt. Tiefergestellt ist die Kodierung der unbelebten Entität hingegen als Subjekt eines Nebensatzes. Erscheint der Protagonist als Subjekt des Satzes (in einem Haupt- oder Nebensatz oder in einer passivischen Konstruktion), ist die unbe‐ lebte Entität in puncto Prominenz untergeordnet, da sie dann in Form einer Verbergänzung oder eines Adjunkts auftritt. Das folgende Schaubild bildet diese Hierarchie ab: • Entität Subjekt eines Hauptsatzes • Entität Subjekt eines Nebensatzes • Entität Verbergänzung oder Adjunkt in Haupt- oder Nebensatz oder auch passivischer Konstruktion mit Protagonist als Sub‐ jekt Hierarchie der syntaktischen Kodierung. Abb. 20: Hierarchie der syntaktischen Kodierung. Die folgende Übersicht stellt die verschieden Kodierungsmöglichkeiten für die unbelebte Entität mit Beispielen aus dem Korpus L1 Italienisch dar. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 148 <?page no="149"?> Satzstruktur Beispielsatz aus Korpus Entität Subjekt eines Hauptsatzes E si vede anche un t/ un tornado di fogli all’orizzonte E poi uno dei fogli lo butta a terra Entität Subjekt eines Nebensatzes Allora si ritrova su un terreno molto par‐ ticolare con fogli di carta Che volteggiano Sì / e che lo ricoprono a un certo mo‐ mento Protagonist Subjekt eines Haupt‐ satzes Sfugge per un attimo per un pelo alla roccia Protagonist Subjekt eines Neben‐ satzes Anche qui inizia muoversi Scansando un po’ le i le cadute dei massi Passiv Ok dalla caduta nella voragine il nostro uomo di fango arriva su un terreno deci‐ samente morbido fatto di pezzi di carta Non è un terreno stabile A un certo punto il nostro perso‐ naggio viene colpito da un foglio di carta Tab. 24: L1 Italienisch: Kodierungsoptionen für die Erwähnung der unbelebten Entität. Die folgende Tabelle hingegen zeigt die Beispiele aus dem Korpus L1 Französisch auf: Satzstruktur Satzstruktur Entität Subjekt eines Hauptsatzes il esquive de peu une feuille qui le rate une tornade de papier se voit au loin une feuille se plaque contre lui Entität Subjekt eines Nebensatzes et donc il y a des feuilles de papier qui volent un peu partout et il y en a une qui le fait tomber Protagonist Subjekt eines Haupt‐ satzes donc il retombe du ciel là il y a une notion de danger qui commence à se faire sentir un peu plus présente on a vu dans le premier il est en peu en insécurité 10.2. Die Kodierung der unbelebten Entitäten 149 <?page no="150"?> Satzstruktur Satzstruktur dans le second il se prend une feuille de papier dans la figure Protagonist Subjekt eines Neben‐ satzes Alors là il arrive dans un monde recouvert de pierres qui semble assez dangereux parce qu’il manque de se prendre une pierre sur la tête Passiv à un moment il est renversé par une feuille de papier Tab. 25: L1 Französisch: Kodierungsoptionen für die Erwähnung der unbelebten Entität. Wie aus der ersten Analyse ersichtlich wurde, unterscheiden sich das Italieni‐ sche und das Französische nicht im Hinblick auf die Häufigkeit, mit der unbe‐ lebte Entitäten erwähnt werden. Werfen wir einen Blick auf das mapping der unbelebten Entitäten, wird jedoch deutlich, dass unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf die Kodierung der unbelebten Entität zu erkennen sind. Abb. 21: Mapping der unbelebten Entitäten im Italienischen und Französischen [in %]. Das Diagramm zeigt, dass im Italienischen im Vergleich zum Französischen das mapping der unbelebten Entitäten anders vollzogen wird und sich im Hinblick auf den Status des Protagonisten unterscheidet. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 150 <?page no="151"?> Es wird deutlich, dass im Italienischen die Möglichkeit, der unbelebten Entität die Funktion Subjekt eines Hauptsatzes zuzuschreiben, häufiger als im Franzö‐ sischen genutzt wird. Hier stehen sich 38.5 % der Fälle (20 / 52) im Italienischen und 15.2 % der Fälle (7 / 46) im Französischen gegenüber. Im Gegensatz hierzu wird im Französischen die unbelebte Entität vorzugsweise (47.8 % resp. 22 / 46) als Verbergänzung oder Adjunkt in einem Satz kodiert, in dem der Protagonist Subjekt eines Hauptsatzes bleibt. Die Entität erfährt somit im Französischen ein downgrading, indem der Protagonist als Subjekt des Satzes erhalten bleibt und die unbelebte Entität ihm in der Hierarchie untergeordnet wird (vgl. Carroll und Lambert 2003). Eine Konsequenz dieser Unterordnung liegt in der Aufrechter‐ haltung der thematischen Kontinuität, da der Protagonist als Subjekt des Satzes erhalten bleibt. Im Italienischen wird diese Form des downgrading nur in 21.2 % der Fälle (11 / 52) genutzt. Der Blick auf die weiteren Kodierungsmöglichkeiten zeigt, dass die Werte für die Kodierung der Entität als Subjekt eines Nebensatzes, als Verbergänzung oder Adjunkt eines Nebensatzes, in dem der Protagonist Subjekt ist oder auch in Passivkonstruktionen nahe beieinander liegen. Satzstruktur Italienisch Französisch Entität Subjekt eines Hauptsatzes 38.5 % 20 / 52 15.2 % 7 / 46 Entität Subjekt eines Nebensatzes 28.8 % 15 / 52 26.1 % 12 / 46 Protagonist Subjekt eines Hauptsatzes 21.2 % 11 / 52 47.8 % 22 / 46 Protagonist Subjekt eines Nebensatzes 1.9 % 1 / 52 4.3 % 2 / 46 Passiv 9.6 % 5 / 52 6.5 % 3 / 46 Tab. 26: L1 Italienisch vs. L1 Französisch: Kodierungsoptionen der unbelebten Entität. Es können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: • Im Italienischen erreichen unbelebte Entitäten, die in den Szenen Papier und Stein vorkommen, häufiger Subjektstatus als im Französischen. Das folgende Schaubild zeigt, dass dies nicht nur im Hinblick auf die Ko‐ dierung in einem Hauptsatz erfolgt, sondern auch wenn Haupt- und Ne‐ bensätze gemeinsam betrachtet werden. 10.2. Die Kodierung der unbelebten Entitäten 151 <?page no="152"?> Abb. 22: Unbelebte Entitäten als Subjekt von Haupt- und Nebensätzen [in %]. • Es wird deutlich, dass im Italienischen deutlich häufiger der Status »Sub‐ jekt in einem Hauptsatz« zu beobachten ist, als im Französischen (im Falle der Nebensätze zeigt sich kein Unterschied ab). • Im Französischen wird die erwähnte Entität als Verbergänzung oder Ad‐ junkt in einem Hauptsatz kodiert, in dem der Protagonist als Subjekt des Satzes erscheint. 10.2.2. Frühe und späte Bilinguale im Vergleich zum Italienischen Der Blick auf die Ergebnisse der frühen Bilingualen zeigt, dass hier ein Bild entsteht, das sich sowohl vom Italienischen als auch vom Französischen unter‐ scheidet. Im Gegensatz zu den beiden L1 Sprachen, präferieren frühe Bilinguale die Kodierung der unbelebten Entität in einem Nebensatz, in dem sie selbst Subjekt ist. Es scheint, dass frühe Bilinguale aus dem Französischen das Muster des downgrading übernehmen, indem die Entität in einem Nebensatz erscheint, gleichzeitig jedoch einen Subjektstatus zuweisen, der dem italienischen Muster näher kommt. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 152 <?page no="153"?> Abb. 23: Kodierung der unbelebten Entitäten: Italienisch, Französisch und frühe Bilin‐ guale [in %]. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass Bilinguale nicht dem Muster der mo‐ nolingualen Sprecher mit jeweils L1 Italienisch und L1 Französisch folgen, son‐ dern in der Informationsorganisation einen eigenen, bilingual-spezifischen Weg gehen (vgl. hierzu Flecken 2010). Die Wahl der Kodierungsoption für die unbe‐ lebte Entität in einem Nebensatz, in dem sie Subjekt ist, wird von L1 Sprechern des Italienischen und des Französischen zwar genutzt (28.8 % im Italienischen und 26.1 % im Französischen), jedoch liegt der Wert für Bilinguale mit 65.0 % deutlich darüber. Satzstruktur Italienisch Französisch Bilinguale Entität Subjekt eines Haupt‐ satzes 38.5 % 20 / 52 15.2 % 7 / 46 10.0 % 2 / 20 Entität Subjekt eines Neben‐ satzes 28.8 % 15 / 52 26.1 % 12 / 46 65.0 % 13 / 20 Protagonist Sub‐ jekt eines Haupt‐ satzes 21.2 % 11 / 52 47.8 % 22 / 46 10.0 % 2 / 10 10.2. Die Kodierung der unbelebten Entitäten 153 <?page no="154"?> Satzstruktur Italienisch Französisch Bilinguale Protagonist Sub‐ jekt eines Neben‐ satzes 1.9 % 1 / 52 4.3 % 2 / 46 5.0 % 1 / 10 Passiv 9.6 % 5 / 52 6.5 % 3 / 46 10.0 % 2 / 10 Tab. 27: Frühe Bilinguale: Kodierung der unbelebten Entität im Vergleich zum Italieni‐ schen und Französischen. Die Zahlen für die späten Bilingualen sind aufgrund der geringeren Proban‐ denzahl kleiner als die der eben beschriebenen Gruppen, daher sollen an dieser Stelle die Daten nicht interpretiert, sondern lediglich aufgeführt und knapp kommentiert werden. Aus den Daten geht hervor, dass späte Bilinguale mehr noch als italophone Sprecher die Präferenz aufweisen, die unbelebte Entität als Subjekt eines Hauptsatzes zu kodieren. Satzstruktur Italienisch Französisch Frühe Bilin‐ guale Späte Bilin‐ guale Entität Sub‐ jekt eines Haupt‐ satzes 38.5 % 20 / 52 15.2 % 7 / 46 10.0 % 2 / 20 53.8 % 7 / 13 Entität Sub‐ jekt eines Neben‐ satzes 28.8 % 15 / 52 26.1 % 12 / 46 65.0 % 13 / 20 23.5 % 3 / 13 Protagonist Subjekt eines Hauptsatzes 21.2 % 11 / 52 47.8 % 22 / 46 10.0 % 2 / 10 23.5 % 3 / 13 Protagonist Subjekt eines Nebensatzes 1.9 % 1 / 52 4.3 % 2 / 46 5.0 % 1 / 10 - Passiv 9.6 % 5 / 52 6.5 % 3 / 46 10.0 % 2 / 10 - Tab. 28: Späte Bilinguale: Kodierung der unbelebten Entität im Vergleich zum Italieni‐ schen, Französischen und frühen Bilingualen. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 154 <?page no="155"?> Eine Vermutung, die hier unter Vorbehalt geäussert werden soll, betrifft man‐ gelnde Subordinationen, die in Texten von Lernern auffallen. Lerner neigen dazu, überwiegend parataktscihe Satzgefüge zu bilden und somit seltener zu subordinieren. Subordination wird informationsstrukturell nicht als Mittel zum downgrading ausgeschöpft, sondern, wie das nächste Kapitel zeigen wird, für die temporale Sequenzierung genutzt. Abb. 24: Kodierung der unbelebten Entitäten: Italienisch, Französisch sowie frühe und späte Bilinguale im Vergleich [in %]. 10.3. Bedingungen für die Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt eines Hauptsatzes Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit der Erwähnung der unbelebten Entitäten und ihres mapping aufgezeigt wurden, beschäftigt sich die nachfolgende Analyse mit den Bedin‐ gungen, die zu der Erwähnung von unbelebten Entitäten als Subjekt eines Hauptsatzes führen. Es wird in den folgenden Abschnitten untersucht, welche sprachlichen Mittel eingesetzt werden, um den Status des Protagonisten als Agens lokal zu unterbrechen. Dabei werden folgende Fragen beantwortet: 1. Ist das Vorhandensein einer Konkurrenzsituation (Entität ist Agens einer Handlung, in der der Protagonist Subjekt ist) ausschlaggebend für 10.3. Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt des Hauptsatzes: Bedingungen 155 <?page no="156"?> die Erwähnung der unbelebten Entität und der Zuweisung eines Subjekt‐ status? 2. Wird der Subjektstatus durch vorbereitende Kontexte erst möglich? Wie können diese Kontexte beschrieben werden? 10.3.1. Die Rolle der Konkurrenzsituation und ihre Auswirkung auf die Kodierung einer unbelebten Entität als Subjekt eines Hauptsatzes In der Papierszene gibt es zwei Situationen, in denen ein Blatt Papier umher‐ fliegt. In der ersten Situation hat das fliegende Blatt keine Auswirkungen auf den Protagonisten, in der zweiten Szene, welche bereits im vorhergehenden Abschnitt analysiert wurde, wirft das Blatt Papier hingegen den Protagonisten um. Im zweiten Fall konkurriert das Blatt Papier folglich als Agens mit dem Protagonisten um die semantische Rolle des agens. In der folgenden Analyse wird untersucht, ob sich das Vorhandensein einer solchen Konkurrenzsituation auf die Erwähnung der unbelebten Entität und ihrer Kodierung als Subjekt auswirkt. Hängt die Erwähnung der unbelebten Entität vom Einfluss ab, den sie auf den Protagonisten ausübt? Hierbei steht zunächst der Vergleich des Italienischen mit dem Französischen im Vorder‐ grund. Aus den Untersuchungen ergaben sich bei der Erwähnung der fliegenden Blätter drei Kontexte, in denen diesen ein Subjektstatus zugewiesen wird: 1. Das Blatt wird als Subjekt kodiert, wenn es eine Auswirkung auf den Protagonisten hat (Erwähnung also ausschliesslich in Konkurrenzsitua‐ tion). 2. Das Blatt wird als Subjekt kodiert, auch ohne Auswirkung auf den Pro‐ tagonisten (Erwähnung ausserhalb der Konkurrenzsituation). 3. Das Blatt wird sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Konkurrenzsi‐ tuation erwähnt. Der folgende Textauszug illustriert diese dritte Option: allora questa volta siamo siamo in un mondo in cui il insomma il terreno è fatto tutto di fogli di carta e questi fogli di carta volano anche insomma (keine Konkurrenzsit.) volano anche in aria e l’uomo di insomma l’uomo di sabbia precipita dall’alto cade su appunto su questi fogli e quando si rialza 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 156 <?page no="157"?> continua a cercare l’acqua un foglio a un certo punto lo colpisce (Konkurrenzsituation) mentre vola lo colpisce Die Auswertung der Daten zeigt, dass im Französischen die Kodierung der En‐ tität als Subjekt stärker als im Italienischen an die Konkurrenzsituation ge‐ bunden ist. Während im Französischen das fliegende Blatt Papier überwiegend erwähnt wird, wenn es als agens mit dem Protagonisten konkurriert, ist dies im Italieni‐ schen seltener der Fall (in 60.0 % der Fälle im Französischen vs. 27.9 % im Itali‐ enischen). Im Italienischen wird dem fliegenden Blatt Papier auch dann ein Subjektstatus zugewiesen, wenn das Blatt nicht auf den Protagonisten einwirkt (44.2 % der Fälle im Italienischen vs. 10.0 % im Französischen). Abb. 25: Erwähnung des Blatts Papier in Abhängigkeit der Konkurrenzsituation [in %]. Diese Ergebnisse bilden einen weiteren, wichtigen Baustein, der für den Ver‐ gleich des Italienischen mit dem Französischen im Falle des Entitätenmanage‐ ments von Bedeutung ist. Es wurde an vorheriger Stelle gezeigt, dass sich das Italienische und das Französische nicht im Hinblick auf die Häufigkeit unter‐ scheiden, mit der eine unbelebte Entität erwähnt wird, sondern in Bezug auf ihr mapping: Im Französischen erfährt die erwähnte unbelebte Entität ein down‐ grading, indem sie subordiniert wird. Im Italienischen erreicht sie hingegen hie‐ rarchisch gesehen einen höheren Status, da sie präferiert als Subjekt eines Hauptsatzes kodiert wird. Ein weiterer Unterschied, der sich nun aus der obigen Analyse ableiten lässt, betrifft eine Eigenschaft, die an die Selektion der Entität gekoppelt ist: Hat das Zusammenspiel zwischen Protagonist und unbelebter Entität eine Auswirkung auf den Protagonisten, qualifiziert sich die Entität für eine Erwähnung. Im Ita‐ 10.3. Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt des Hauptsatzes: Bedingungen 157 <?page no="158"?> lienischen ist Agentivität jedoch nicht ausschlaggebend, da die Konkurrenzsi‐ tuation anders als im Französischen nicht ausschlaggebend ist. Die folgende Tabelle fasst die bis hierher erzielten Ergebnisse überblicksartig zusammen: Häufigkeit der Er‐ wähnung Syntaktischer Status in Form von mapping Eigenschaften der unbelebten En‐ tität Italienisch Kein Unterschied zwischen beiden Sprachen. Entität Subjekt eines Hauptsatzes. Agentivität ist nicht relevant. Französisch Kein Unterschied zwischen beiden Sprachen. Entität Adjunkt oder Ergänzung in Hauptsatz, in dem der Protagonist Subjekt bleibt. Agentivität ist rele‐ vant. Tab. 29: Überblick über den Status von unbelebten Entitäten im Italienischen und Fran‐ zösischen. Das nächste Kapitel wird nun aufzeigen, wie unter welchen Bedingungen die Erwähnung einer unbelebten Entität als Subjekt eines Hauptsatzes zustande kommt. Für diesen Zweck wird untersucht, wie die Entitäten in die Erzählung eingeführt werden. 10.3.2. Die Art der Einführung Für das Italienische und das Französische werden nach Carroll und Lambert (2003) zwei introductory modes unterschieden. Zu den eingebetteten Einfüh‐ rungen gehören jene Äusserungen, in denen die Papierwelt meistens in Form einer Präpositionalphrase an die Handlung des Protagonisten angeschlossen ist (z. B. il arrive dans un monde de papier). Zu den prominenten Einführungen zählen hingegen Äusserungen, in denen entweder in Form von Existenzaus‐ sagen (va a finire in un mondo dove ci sono tanti fogli di carta per terra) oder durch Perzeptionen (nella seconda parte si vede una superficie di carta) auf die Papierwelt verwiesen wird. Die Analysen zeigen, dass das Italienische und das Französische ähnliche Präferenzen bei der Einführung in die Papierwelt aufweisen. In beiden Sprachen erfolgt die Einführung in die Papierwelt über eine Einbettung in die Handlung des Protagonisten. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 158 <?page no="159"?> Abb. 26: Die Art der Einführung [in %]. Im Folgenden werden die Konkurrenzsituationen vertieft betrachtet, in denen unbelebte Entitäten eine herausragende Rolle als Agens der Handlung spielen. In der folgenden Analyse wird dazu untersucht, durch welche sprachlichen Mittel das Blatt Papier eingeführt wird, das den Protagonisten umwirft und so entsprechend in der Erzählung erwähnt wird. Analysiert wird die Papierszene, da in dieser Szene die Agentivität des Blattes durch eine weitere Entität, nämlich den Wind getragen wird. Die folgende Analyse wird zeigen, wie die Agentivität des fliegenden Blattes vorbereitet wird. Es geht hier nicht mehr um den intro‐ duction mode, sondern um weitere sprachliche Mittel, die als Vorbereitung für die Darstellung der Konkurrenzsituation genutzt werden. 10.3.3. Die Vorbereitung der Konkurrenzsituation im Italienischen und Französischen Beginnen wir zunächst mit dem Italienischen. Für das Italienische sind drei Modi festgestellt worden, die die Erwähnung des fliegenden Blatt Papiers (Konkur‐ renzsituation) vorbereiten. Im ersten Modus wird der Wind in Form eines Exis‐ tenzausdrucks erwähnt und seine direkte Wirkung auf das Papier beschrieben, wie das folgende Beispiel zeigt (fett gedruckt sind die einführenden Mittel, un‐ terstrichen ist die Konkurrenzsituation). a. Nennung von Wind durch Existential + explizite Wirkung des Windes a) c’è il vento b) e il vento fa volare questo foglio di carta c) l’omino si alza d) cammina e) e mentre cammina 10.3. Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt des Hauptsatzes: Bedingungen 159 <?page no="160"?> f) viene colpito da alcuni fogli e) e addirittura un foglio lo fa cadere per terra In diesem Beispiel wird die Referenz auf den Protagonisten als Subjekt in den Äusserungen c) - f) aufrechterhalten. Ein Shift auf den Agens der Handlung findet nicht statt. Dies erfolgt erst in e) nachdem in f) jedoch die unbelebte Entität in Fokusposition gerückt ist und sich als Subjekt der folgenden Äusse‐ rung e) qualifiziert. In diesem Falle e) geht die Erwähnung des Protagonisten dem Verb voraus uns resultiert in der Wortstellung SOV , die im Italienischen möglich ist. b. Nennung von Papier und Wind durch Existential a) questo cosiddetto uomo di sabbia va a finire in un’altra dimensione b) dove c’è solamente un mondo di carta c) ci sono tanti fogli d) si rialza e) e inizia a camminare su questi fogli f) e c’è anche un ciclone g) cioè si vede proprio h) che c’è un sacco di vento i) i fogli che gli vanno addosso Im zweiten Modus wird auch zuerst durch einen Existenzausdruck auf Papier und den Wind verwiesen. Die Wirkung des Windes auf die Blätter ergibt sich durch das Weltwissen und wird nicht wie im ersten Beispiel explizit erwähnt. Referenz auf den Protagonisten wird nicht erhalten (siehe hierzu f). Es wird ein weiterer Existenzausdruck eingeführt, der die Erwähnung der unbelebten En‐ tität als Subjekt und Agens der Handlung vorbereitet. c. Verweise auf fliegende Blätter (ohne explizite Nennung des Windes) a) allora questa volta siamo siamo in un mondo b) in cui il insomma il terreno è fatto tutto di fogli di carta c) e questi fogli di carta volano anche insomma volano anche in aria d) e l’uomo di insomma l’uomo di sabbia precipita dall’alto e) cade su appunto su questi fogli f) e quando si rialza g) continua a cercare l’acqua h) un foglio a un certo punto lo colpisce i) mentre vola j) lo colpisce Im dritten Modus verweisen die Sprecher auf die fliegenden Blätter in Form einer Beschreibung, ohne sie über Existenzausdrücke hervorzuheben. Eine für die Agentivität relevante Handlung c) wird dadurch prominent. In diesem Fall 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 160 <?page no="161"?> wird das Blatt als Agens in der Subjektrolle erwähnt, ohne im vorigen Satz er‐ wähnt zu werden, siehe hierzu h). In einigen Fällen sind keine vorbereitenden Kontexte festgestellt worden. Die Papierwelt ist über ein introduction mode eingeführt worden, aber das fliegende Blatt Papier vor der Nennung nicht weiter spezifiziert. Die Entität erscheint unvermittelt als Kontrahent zum Protagonisten. a) allora nella seconda scena vediamo b) che l’omino cade * da dalla sabbia insomma c) e cade su un mosaico di fogli questi fogli d) e si accorge che / allora nel cadere e) l’omino perde un pochino f) forse é fatto di terra g) perde terra h) e pure quando cammina i) questa terra viene lasciata come impronta j) eh l’omino vede venire verso di sé un foglio k) e quindi lo scansa l) ch / però giustamente nello scansare m) andandosi a rigirare n) ne / che uno lo coglie in pieno viso Untersuchen wir nun, welche Präferenzen sich bei der Vorbereitung der Kon‐ kurrenzsituation im Italienischen ergeben. Die Ergebnisse zeigen, dass im Ita‐ lienischen in 69.2 % der Fälle die Konkurrenzsituation vorbereitet wird. Die En‐ tität kann zwar unvermittelt als Kontrahent zum Protagonisten auftreten, aber ein vorbereitender Kontext wird präferiert, da letzteres in nur 30.8 % der Fälle vorkommt. Aus diesen Daten kann abgelesen werden, dass die Erwähnung einer unbelebten Entität, die als Kontrahent zum Protagonisten erwähnt wird, von »langer Hand« vorbereitet wird. Es wird deutlich, dass wir es mit einem höchst komplexen Planungsprozess zu tun haben, der die Agentivität der Entität vor‐ bereitet. 10.3. Erwähnung der unbelebten Entitäten als Subjekt des Hauptsatzes: Bedingungen 161 <?page no="162"?> Abb. 27: Überblick über die Vorbereitung der Erwähnung von unbelebten Entitäten [in %]. Innerhalb der vorbereitenden Modi wird sogar die expliziteste Form mit 34.6 % präferiert, gegenüber den anderen Formen, die seltener eingesetzt werden. Der Vergleich mit dem Französischen zeigt in Bezug auf die Vorbereitung des Blattes Papier, das den Protagonisten umwirft, ein analoges Bild. Im Fran‐ zösischen wird ebenso wie im Italienischen die Agentivität des Blattes durch vergleichbare Mittel vorbereitet. Papier Vorbereitungs‐ modus Absolut In % Vorbereitende Modi Existential Wind + Wirkung 13 / 28 46.4 Existential Wind 5 / 28 17.9 Fliegende Blätter 3 / 28 10.7 Summe Vorbereitende Modi 21 / 28 75.00 Unvermittelt Keine Hinweise 7 / 28 25.00 Tab. 30: Sprachliche Mittel zur Vorbereitung der Erwähnung von unbelebten Entitäten. Da die Anzahl der Kontexte in den beiden bilingualen Gruppen gering ist, wurden an dieser Stelle nur die beiden L1 Sprachen Italienisch und Französisch analysiert. 10. Das Zusammenspiel von Protagonist und unbelebten Entitäten 162 <?page no="163"?> 10.4. Zusammenfassung Die Analysen des vorliegenden Kapitels haben wie erwartet gezeigt, dass sich das Italienische und das Französische nicht im Hinblick auf die Häufigkeit der Nennung der unbelebten Entitäten unterscheiden (vgl. Kapitel 10.1). Die beiden Gruppen von Bilingualen liegen in der Häufigkeit der Erwähnung leicht unter den Werten für die beiden L1 Sprachen. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich hingegen im Mapping der unbelebten Entitäten (vgl. Kapitel 10.2). Im Italienischen erreichen unbelebte Entitäten häu‐ figer den Status eines »Subjekts eines Hauptsatzes« als im Französischen, wo diese überwiegend als »Subjekt eines Nebensatzes« erscheinen. Gekoppelt ist diese Form des downgrading an die thematische Kontinuität des Protagonisten, die im Französischen durch die Subordination der unbelebten Entitäten aufrecht erhalten wird, wenn diese erwähnt werden. Frühe Bilinguale weisen im Map‐ ping ein bilingual-spezifisches Muster auf, in welchem die unbelebte Entität vorzugsweise als Subjekt eines Nebensatzes auftritt (eine Form des mappings, das weder das Italienische noch das Französische kennzeichnet). Insgesamt ist für das Italienische und das Französische beobachtet worden, dass in beiden Sprachen die Erwähnung unbelebter Entitäten mit einer weit‐ reichenden Vorbereitung einhergeht, die über verschiedene Formen von Exis‐ tenzaussagen, sowie Referenzerhalt oder Fokusposition erreicht wird (vgl. Ka‐ pitel 10.3.3). Als ein weiteres Merkmal, das vom Italienischen ausgeschöpft werden kann, um die thematische Kontinuität des Protagonisten aufrecht zu erhalten, ist die Wortstellung OVS vom Typ e gli arriva un foglio in faccia he‐ rausgearbeitet worden. Durch das Invertieren der Wortstellung behält der Pro‐ tagonist seinen Topikstatus bei, auch wenn er selbst das Objekt der Äusserung ist. 10.4. Zusammenfassung 163 <?page no="164"?> 11. Linkage 11.1. Einleitung Wie in den vorangehenden Analysen gezeigt wurde, stellen mündliche Nach‐ erzählungen, wie sie dieser Arbeit zugrunde liegen, Anforderungen in puncto Informationsorganisation an den Sprecher, die in erster Linie Prinzipien der Kohärenzstiftung zuzuordnen sind. Neben dem Aufbau des temporalen Refe‐ renzrahmens, dem Umgang mit referentiellen Mitteln und der Auswahl der Entitäten, die der Sprecher als relevant erachtet, gehören zu den kohärenzstif‐ tenden Mitteln auch Verknüpfungen, die der Sprecher vornimmt, um die Kette von Ereignissen, auf die er referiert, zu verbinden. Die Art und Weise, wie der Sprecher die Verknüpfung von Ereignissen vornimmt, wird in diesem Kapitel einer Analyse unterzogen. Dabei sei erneut betont, dass wir antizipieren, dass die Prinzipien, nach denen Verknüpfungen vollzogen werden, auf grammatika‐ lische Faktoren (wie Nullsubjektsetzung, grammatikalischer Aspekt, Wortstel‐ lungsregeln) zurückzuführen sind und sich bereits auf der Makroebene auf die Sprachproduktion auswirken. Daraus resultiert, dass Entscheidungen nicht für jede Äusserungen neu zu treffen sind, sondern dass sich Sprecher an Prinzipien orientieren können, die für einen bestimmten Texttyp im Sinne einer de‐ fault-Einstellung festgelegt sind (vgl. Carroll und von Stutterheim 2003; Carroll, von Stutterheim & Klein 2003; Carroll et al. 2008). Es wird im Folgenden analysiert, welche Typen der Subordination und der Koordination als Mittel der Ereignisverknüpfung im Italienischen und Franzö‐ sischen angewendet werden. Zentral bei diesem Vergleich ist erneut das Vor‐ handensein der Nullsubjektmarkierung im Italienischen, die es erlaubt, die Re‐ ferenz auf eine Entität beizubehalten. Wir gehen davon aus, dass das Vorhandensein des Nullsubjekt-Parameters Auswirkungen auf den Informati‐ onsfluss hat (s. Personenreferenz in Kapitel 9) und somit auf die Verknüpfung von Informationen wirkt, was in spezifischen Verknüpfungsmustern resultiert. Neben dem Vergleich von Italienisch und Französisch in Bezug auf die Ereig‐ nisverknüpfung werden die ermittelten Muster auch im Hinblick auf Nacher‐ zählungen von frühen und späten bilingualen Sprechern analysiert und in ihrem diffizilen Unterfangen, sprachliches Wissen zu erwerben, interpretiert. In den folgenden Unterkapiteln wird aufgezeigt, welche Formen der Ereig‐ nisverknüpfung in den untersuchten Nacherzählungen ermittelt werden <?page no="165"?> können. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Subordination geschenkt, die einen Mechanismus darstellt, um Sätze miteinander zu verknüpfen. Sie zeichnet sich neben der Eigenschaft nicht isoliert auftreten zu können (Lyons 1968, Van Valin and LaPolla 1997) dadurch aus, dass die Verbindung zwischen einem Nebensatz und einem Hauptsatz durch verschiedene semantische Bezie‐ hungen zum Ausdruck kommen kann. Im Einklang mit Cristofaro (2003: 2) wird Subordination wie folgt definiert: Subordination will be regarded as a particular way to construe the cognitive relation between two events, such that one of them (which will be called the dependent event) lacks an autonomous profile, and is construed in the perspective of the other event (which will be called the main event). In den folgenden Analysen, in denen die Ereignisverknüpfung sowohl im Hin‐ blick auf Subordination als auch in Bezug auf Koordination untersucht wird, steht die Hauptstruktur der Texte (s. S. 28) im Vordergrund, da der Verknüpfung von Ereignissen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Somit werden jene Äusserungen untersucht, die eine Antwort auf die Frage, was ist passiert, liefern. Die Antworten »hangeln« sich gewissermassen an den Zeitpunkten tn +1, tn+2 usw. entlang und produzieren Zustandswechsel und somit ein Ereignis, das als abgeschlossen präsentiert wird. Es entsteht folglich eine anaphorische Zeitrelation (»Was geschieht nachdem tn abgeschlossen ist? «), die typischerweise mit dem temporalen shifter »dann« zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Kapitel 3). Berücksichtigt werden in den folgenden Analysen sowohl Subordination und Koordination als syntaktische Mittel der Ereignisverknüpfung. Subordinationen in der Hauptstruktur der Nacherzählungen sind im Italienischen mit 31.9 % der Fälle (202 / 633) zwar seltener als in den Nebenstrukturen, wo in knapp 86 % der Fälle (500 / 575) eine Subordination vorliegt (meist Beschreibung von Hinter‐ grundinformationen in Form von Nebensätzen). Dennoch zeigen die Mittel für die Subordination von Information in der Ereignissequenz, d. h. in der Haupt‐ struktur, Unterschiede zwischen den beiden Sprachen auf, die nachfolgend de‐ tailliert beschrieben werden. 11.2. Ergebnisse zur Subordination 11.2.1. Italienisch und Französisch im Vergleich In den italienischen Nacherzählungen wurden 7 verschiedene Subordinations‐ typen in der Hauptstruktur ermittelt. In 1208 untersuchten Äusserungen, von 11.2. Ergebnisse zur Subordination 165 <?page no="166"?> denen 633 zur Hauptstruktur gehören, sind 202 subordiniert. Folgende Subor‐ dinationstypen treten in der Hauptstruktur auf: Subordinationstyp Beispiel aus dem Korpus Final Per cui comincia come nella precedente esperienza a scavare Per togliere questo foglio di carta Per vedere cosa c’è sotto Infinitiv E appunto nell’evitare questa caduta di pie/ di pietre Che cadono dal cielo Si ritrova su una di queste colonne di roccia Relativ Si crea anche un vortice Che lo assorbe completamente Gerundium Allora alza le mani Cercando di raccogliere queste gocce Objektsatz Vede Che un masso cade dal cielo Kausal Il nostro amico improvvisamente si sveglia Perché un foglio gli passa / lo sfiora Temporal Mentre si rialza Sente di nuovo il rumore dell’acqua Tab. 31: Subordinationsbeispiele aus dem Italienischen. Die Ergebnisse zeigen, dass im Italienischen Gerundien mit 39.6 % der Fälle den häufigsten Subordinationstypen darstellen. Gerundien sind nicht-finite Ver‐ bformen, deren Hauptfunktion darin liegt, eine adverbiale Subordination abzu‐ bilden. Etwa halb so oft treten Relativsätze mit 20.8 % und temporale Nebensätze mit 18.3 % auf. Objektsätze mit 7.4 % und kausale Nebensätze mit 8.9 % liegen bei 11. Linkage 166 <?page no="167"?> 1 Typ n= 202 Final Infi‐ nitiv Relativ Gerun‐ dium Objekt Kausal Tem‐ poral Ab‐ solut 3 7 42 80 15 18 37 In % 1.5 3.5 20.8 39.6 7.4 8.9 18.3 einer Häufigkeit von knapp unter 10 %. Selten sind dagegen Infinitivsätze mit 3.5 % und finale Nebensätze mit 1.5 %. 1 Abb. 28: Subordination im Italienischen [in %]. Gerundien stellen eine »adverbiale Form des Verbs« dar und verbinden in se‐ mantischer Hinsicht den durch sie dargestellten Sachverhalt mit einem anderen Vorgang oder Zustand (Schwarze 1995: 217). Die Verbindung zwischen dem im Gerundium stehenden Ereignis oder dem Zustand des Nebensatzes und dem ihm übergeordneten Hauptsatz, kann verschiedene semantische Ausprägungen an‐ nehmen, die von instrumentaler, konsekutiver, kausaler, konditionaler oder ad‐ versativer Natur sind. Die folgenden Beispiele nach Schwarze (1995: 217 ff.) ver‐ deutlichen den semantischen Zusammenhang, der zwischen Haupt- und Nebensatz besteht. 11.2. Ergebnisse zur Subordination 167 <?page no="168"?> Instrumental: Camminava trascinando i piedi. Konsekutiv: L’albero cadde, trascinando con sé arbusti e alberi più piccoli. Kausal: Non avendo la chiave, non poté aprire. Konditional: Andando sempre dritto, arriverete a un ponte ferroviario: poi girate a sinistra, e continuate fino al semaforo. Adversativ: Pur avendo superato l’esame con il massimo die voti, (mit anche Gianni non trova lavoro. oder pure) Die Interpretation des Zusammenhangs zwischen Haupt- und Nebensatz im Sinne einer kausalen, konditionalen oder auch instrumentalen Verknüpfung, beruht auf dem Weltwissen des Hörers (Lonzi 2001). Pragmatisches Wissen steuert die Zuweisung des adverbialen Werts des Gerundiums, welcher jedoch nicht immer eindeutig zu bestimmen ist (Lonzi 2011). Eine weitere Eigenschaft des Gerundiums liegt in der häufigen Koreferenz mit dem Subjekt oder einer anderen Konstituente des Hauptsatzes. Aufgrund dieser Koreferenz ist es im Rahmen der Grammatikalisierung von Gerundien dazu gekommen, dass das Subjekt des Gerundiums meist implizit bleiben muss (Haspelmath 1995). Im Italienischen kann zwar im gehobenen Sprachregister das Gerundium ein anderes Subjekt als das Verb des Hauptsatzes aufweisen, dies ist jedoch an eine bestimmte syntaktische Position geknüpft, die entweder post‐ verbal oder aber an das Hilfsverb angeschlossen sein muss, wie es die folgenden Beispielen aus Lonzi (2011: 572) zeigen: Spingendola Giovanni, la macchina forse ripartirebbe. (postverbal) Pur avendo tu aiutato, non sono andata lon‐ tano. (nach Auxiliar) Im vorliegenden Korpus ist in keinem einzigen Kontext das Gerundium in Kom‐ bination mit einem eigenen Subjekt verwendet worden. Die durchgängige Ko‐ referenz mit dem Subjekt des Hauptsatzes, das in den meisten Fällen mit dem Protagonisten zusammenfällt, ist informationsorganisatorisch für Erzählungen, wie sie hier vorliegen, von zentraler Bedeutung, da dieser Typ der Subordination Unterbrechungen im Informationsfluss verhindert und so zur Beibehaltung des Topics dient. Aus dem Sprachvergleich mit dem Französischen, der im folgenden Abschnitt dargestellt wird, wird die Bedeutung des Gerundiums aus informati‐ onsorganisatorischer Perspektive deutlich. 11. Linkage 168 <?page no="169"?> 2 Typ n= 132 Final Infi‐ nitiv Relativ Gerun‐ dium Objekt Kausal Tem‐ poral Ab‐ solut 0 0 67 32 13 7 13 In % - - 50.8 24,2 9.8 5.3 9.8 Die folgende Tabelle stellt die Häufigkeit der Subordinationstypen im Italie‐ nischen im Vergleich zum Französischen dar. Ein wichtiger Unterschied liegt in der Häufigkeit von Relativsätzen und Gerundien, die sich fast entgegengesetzt zueinander verhalten. Im Französischen 2 stellen Relativsätze mit 50.8 % die häu‐ figste Subordinationsart dar, die im Italienischen mit 20.8 % nur etwas mehr als halb so oft genutzt wird. Gerundien sind mit 24.2 % nicht selten, zeigen aber eine geringere Frequenz im Vergleich zum Italienischen auf, wo hingegen Gerundien bei 39.6 % liegen. Die Unterschiede im Bereich der Objektsätze sowie bei den kausalen und temporalen Verknüpfungen sind nur minimal. Abb. 29: Subordination: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die Relativsätze, die ein wichtiges Abgrenzungskriterium für den Vergleich zwischen italienischen und französi‐ 11.2. Ergebnisse zur Subordination 169 <?page no="170"?> schen Subordinationstypen darstellen. Relativsätze erscheinen im vorliegenden Korpus zumeist in Verbindung mit Existenzaussagen vom Typ ci sono, c’è/ il y a. Lambrecht (1994: 180) sieht die Funktionen dieser Verbindung, die er als »bi-clausal presentational construction« bezeichnet, in der Einführung eines Re‐ ferenten in die Diskurswelt. Durch den Relativsatz wird der neu eingeführte Referent attributiv modifiziert. (Relative clauses) delimit the reference of a noun phrase by specifying the role of the referent of that noun phrase in the situation described by the relative clause. (Hendery 2012) Das entscheidende Kriterium für den Vergleich des Italienischen mit dem Fran‐ zösischen liegt hier in der Subjektrolle, die im Fall der französischen Relativsätze in 59 % der Fälle von einer unbelebten Entität eingenommen wird, wie in il se retrouve sur un pierre qui monte. Da wie im Italienischen auch im Französischen der Protagonist als Subjekt eines Hauptsatzes in der Hauptstruktur am häu‐ figsten erscheint, werden, um topic shifts zu vermeiden, mit dem Protagonisten konkurrierende Entitäten in Form von Relativsätzen subordiniert. Im Italienischen werden Relativsätze, die in den meisten Fällen ebenfalls mit der Nennung einer unbelebten Entität einhergehen, seltener verwendet. Der Gebrauch von Relativsätzen würde die Verwendung von disambiguierenden, sprachlichen Mitteln in Form von Personalpronomina erhöhen, wenn der Rück‐ bezug zum Protagonisten wiederhergestellt werden soll, der, wie bekannt, als Subjekt kodiert wird. Die Nullsubjektsprache Italienisch markiert und sichert den damit verbundenen Topikstatus einer Entität durch die konsequente Set‐ zung des Nullsubjekts. Informationsorganisatorisch wird das Nullsubjekt also entsprechend genutzt und eingesetzt. Der Gebrauch von Relativsätzen in der Hauptstruktur würde diese strukturell angelegte Topikerhaltungsstrategie stören, die der Sprecher des Französischen hingegen bei der Textplanung nicht berücksichtigen muss. Aus den unterschiedlichen Strategien für den Topikerhalt ergibt sich ein Unterschied in der Subordination im Italienischen und Franzö‐ sischen, der somit typologisch bedingt ist. Der Gebrauch von Relativsätzen in der Hauptstruktur steht dem Subjekterhalt, der über eine konsequente Null‐ subjektsetzung im Italienischen erreicht wird, entgegen, da Relativsätze zumeist ein mit dem Protagonisten kontrastierendes Subjekt aufweisen. Dieser typolo‐ gisch bedingte Unterschied stellt französische Lerner des Italienischen in puncto Informationsorganisation vor eine grosse Herausforderung, wie es die nächsten Abschnitte zeigen werden. Wichtig ist beim Vergleich des Gebrauchs von Relativsätzen im Italienischen und Französischen, dass im Italienischen, anders als im Französischen, Relativ‐ 11. Linkage 170 <?page no="171"?> sätze überwiegend in den Nebenstrukturen der Texte gebraucht werden, wie in ci sono delle gocce d’acqua che cadono dall’alto. Der folgende Textausschnitt aus dem Französischen zeigt, wie Relativsätze sowohl in der Hauptals auch in der Nebenstruktur zum Einsatz kommen. Et donc il y a des feuilles de papier Qui volent un peu partout (Nebenstruktur) Et il y en a une Qui le fait tomber (Hauptstruktur) Mais finalement il trouve l’endroit Où ces gouttes d’eau tombent (Nebenstruktur) Die Unterscheidung in Haupt- und Nebenstruktur ist entscheidend, da in der Gesamtbetrachtung des Textes die Anzahl der Relativsätze nicht sehr weit aus‐ einanderliegt (284 / 570 = 49.8 % im Französischen vs. 256 / 707 = 36.2 % im Itali‐ enischen). Betrachtet man jedoch, wie in der vorliegenden Analyse, nur die Hauptstruktur, wird der Unterschied deutlicher, wie oben dargelegt. Es sei er‐ neut angemerkt, dass die Verknüpfung von Relativsätzen in der Hauptstruktur im Italienischen ebenso wie im Französischen möglich ist, jedoch hier deutlich seltener ausgeschöpft wird. Folgende Ergebnisse für den Vergleich Italienisch vs. Französischen lassen sich im Bereich der Subordination zusammenfassen: Unterschiede im Bereich der Subordination sind verknüpft mit informationsorganisatorischen Mitteln für die Subjektkontinuität innerhal b der Erzählsequenz (= Hauptstruktur), die typologisch bedingt sind. Anders als im Französischen wird der Informations‐ fluss im Italienischen dahingehend ausgerichtet, dass das typologische Merkmal der Nullsubjektmarkierung zum Einsatz kommt, um den Subjektstatus des Pro‐ tagonisten zu erhalten. Subordination über Gerundien, die die Koreferenz zwi‐ schen dem Subjekt des Hauptsatzes (dem Protagonisten) und dem Subjekt des Nebensatzes gewissermassen voraussetzen, dienen als Mittel dieses Erhalts. Subordination im Italienischen folgt somit informationsorganisatorischen Vor‐ gaben. Das Nullsubjekt kann zwischen dem Protagonisten und einer unbelebten Entität nicht differenzieren. Der daraus resultierende Gebrauch von disambi‐ guierenden Mitteln in Form von Pronomina im Bereich der Personenreferenz würde den Eigenschaften der Nullsubjektsprache entgegenstehen. Im Kern verbirgt sich hier eine entscheidende Schwierigkeit für den Lerner, der das Wissen erwerben muss, dass im Italienischen die Nullsubjektsetzung 11.2. Ergebnisse zur Subordination 171 <?page no="172"?> nicht nur die Möglichkeit der Subjektauslassung bietet, sondern dass mit dem Nullsubjekt informationsorganisatorische Strategien für den Subjekterhalt ein‐ hergehen, die sich in einem spezifischen Subordinationsmuster widerspiegeln. Im Französischen wird die Kontinuität des Protagonisten gesichert, indem er Subjekt des Hauptsatzes bleibt. Mit ihm konkurrierende Entitäten werden in der Subordination insbesondere in Form von Relativsätzen »downgegraded«. Der Relativsatz erlaubt durch die Kombination mit Existenzausdrücken andere Ent‐ itäten, beispielsweise als Agens einer Handlung, in die Diskurswelt, insbeson‐ dere in die Erzählsequenz, einzuführen. Die Disambiguierung im Hinblick auf den Protagonisten erfolgt in Form von Pronomina oder Nominalphrasen, die anders als im Italienischen das informationsorganisatorische Geflecht für den Subjekterhalt nicht »stört«. Sprecher des Französischen können durch den Ge‐ brauch von Relativsätzen zwischen dem Protagonisten als Subjekt eines Haupt‐ satzes und einer Entität, in der Rolle als Subjekt eines relativen Nebensatzes, wechseln. Die dargestellten Unterschiede, die in einem konsistenten Gebrauch von ver‐ schiedenen Subordinationsmustern münden, zeigen, dass Planungsprinzipien für eine komplexe Aufgabe dieser Art, nämlich der Nacherzählung, auf Makro‐ planungsebene erfolgen. Planungsprinzipien erfolgen nicht für jede Äusserung neu, wenn Kodierungsoptionen ausgewählt werden müssen, sondern sie werden konsistent in der Nacherzählung auf Makroplanungsebene eingesetzt. Der Erwerb dieser makrostrukturellen Prinzipien der Textplanung im Bereich der Subordination steht in den nächsten Abschnitten bei frühen und späten Bi‐ lingualen im Vordergrund. 11. Linkage 172 <?page no="173"?> 3 Typ n= 50 Final Infi‐ nitiv Relativ Gerun‐ dium Objekt Kausal Tem‐ poral Ab‐ solut 0 0 23 3 8 3 13 In % - - 46.0 6.0 16.0 6.0 26.0 11.2.2. Frühe und späte Bilinguale Beginnen wir mit den späten Bilingualen. 3 Die Auswertung zeigt, dass späte Bilinguale dem französischen Subordinationsmuster folgen. Es fällt auf, dass mit 46 % der Wert für Relativsätze annähernd so hoch ist, wie in den Texten fran‐ zösischer Muttersprachler. Die hohe Frequenz an Relativsätzen steht in Gegen‐ satz zu der geringeren Frequenz an Relativsätzen im Italienischen, die, wie oben erwähnt, eher in den Nebenstrukturen der Texte erwähnt werden. Abb. 30: Subordination: Französisch, Italienisch und späte Bilinguale im Vergleich [in %]. Das folgende Beispiel eines späten Bilingualen zeigt den hohen Gebrauch von Relativsätzen innerhalb der Erzählsequenz (Steinszene), die für das Italienische eher untypisch sind. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass in dieser recht kurzen Nacherzählung der Steinszene alle verwendeten Relativsätze der Hauptstruktur 11.2. Ergebnisse zur Subordination 173 <?page no="174"?> angehören. Diese Ausschöpfung von Relativsätzen in der Hauptstruktur ist im Italienischen nicht zu erkennen. e dunque l’ultima parte (Hauptstruktur) possiamo vedere dunque l’uomo (Nebenstruktur) che si cade in un mundo di rocchie (Hauptstruktur) dove continua da cercare acqua (Hauptstruktur) e in questo mondo c’e come dei piramidi di rocchi (Nebenstruktur) che lo alzano dalla terra (Hauptstruktur) e dunque beh dopo dopo dopo un piccolo tempo si scende di una piramide (Hauptstruktur) e poi cade ancora un’altra volta (Hauptstruktur) dopo che ha cercato acqua (Nebenstruktur) Ferner fällt bei der Auswertung der Daten auf, dass der Wert für Gerundien sehr tief ist. Mit 6.0 % liegt er deutlich unter dem Wert für das Italienische von 39.6 % und, was erstaunlich ist, auch deutlich unter dem Wert, der für das Französische ermittelt wurde (24.2 %). In den Daten der frankophonen Lerner des Italieni‐ schen wird folglich in Bezug auf die Gerundien ein Weg eingeschlagen, der sich weder in Richtung der Präferenzen der Zielsprache (Italienisch) orientiert, noch als Einfluss der L1 gewertet werden kann. Zusammenhängen könnte dies mit der syntaktischen Komplexität, die dem Gerundium anhaftet. Ein weiterer interessanter Punkt liegt in dem recht häufigen Wert, der tem‐ porale Nebensätze betrifft. Mit 26.0 % sind temporale Nebensätze deutlich häu‐ figer als in den Texten der L1 Französisch Sprecher (9.8 %). Die Nähe in puncto Frequenz zum Italienischen (18.3 %) ist weniger als erfolgreicher Erwerb dieses Subordinationstyps zu beurteilen, sondern als lernerspezifisches Subordinati‐ onsmuster. Die Ausschöpfung von temporalen Konnektoren wie quando oder mentre (vgl. quando si toglie il foglio di faccia vede che uno di questi fogli è bag‐ nato) kann eher damit erklärt werden, dass die temporalen Beziehungen, die durch sie ausgedrückt werden, eng mit der Quaestio verbunden sind, die lautet: Was geschah (x) zu dem Zeitpunkt tn + 1? Was geschah (x) zu dem Zeitpunkt tn + 2? Es scheint, als ob sich Lerner in diesem Erwerbsstadium über den Einsatz expliziter temporaler Verknüpfungen an der sequentiellen Ereigniskette orien‐ tieren, wenn sie das Gesehene nacherzählen. Eine besondere Ausschöpfung der 11. Linkage 174 <?page no="175"?> 4 Typ n= 76 Final Infi‐ nitiv Relativ Gerun‐ dium Objekt Kausal Tem‐ poral Ab‐ solut 0 0 29 37 5 4 1 In % - - 38.2 48.7 6.6 5.3 1.3 temporalen Subordination zeigt sich auch in anderen Untersuchungen, die sich mit Lernern auf dem Niveau der Unter- und der Mittelstufe auseinandersetzen (Giacalone Ramat 1999, 2003; Chini 2003 für deutsche Lerner des Italienischen; Rosi 2010 für chinesische Lerner des Italienischen sowie Degand und Hader‐ mann 2009 für niederländische Lerner des Französischen). Ebenso hat die Ana‐ lyse von deutsch-niederländischen Bilingualen (Flecken 2011) einen übermäs‐ sigen Gebrauch von temporalen Verbindungen aufgezeigt, wenn es um die Verknüpfung von Ereignissen geht, die häufig durch den Konnektor »dann« vonstattengeht. Die Studien von Halm (2012) zeigen auf, wie beim Erwerb von narrativen Kompetenzen bei deutschsprachigen Kindern bis zum Alter von circa 13 Jahren ein höherer Gebrauch von »dann« zu verzeichnen ist als bei Erwach‐ senen. Temporale Verknüpfungen stellen somit ein Lernerphänomen dar, das auch in den vorliegenden Daten durch den erhöhten Gebrauch von temporalen Nebensätzen zum Ausdruck kommt. Frühe Bilinguale 4 zeigen ähnlich wie späte Bilinguale im Vergleich zu L1 Italienisch eine grössere Präferenz für relative Nebensätze auf, die im Kern den typologischen Unterschied zwischen dem Italienischen und dem Französischen repräsentieren. Mit 38.2 % liegen sie deutlich höher als im Italienischen und leicht niedriger als im Französischen. 11.2. Ergebnisse zur Subordination 175 <?page no="176"?> Abb. 31: Subordination: Italienisch, Französisch sowie späte und frühe Bilinguale im Vergleich [in %]. Anders verhält es sich bei Gerundien. Diese weisen mit 48.7 % bei den frühen Bilingualen sogar eine noch höhere Frequenz als bei L1 Italienisch auf. Im Ge‐ gensatz zu den späten Bilingualen und auch im Gegensatz zu L1 Italienisch und L1 Französisch spielen temporale Nebensätze keine Rolle. Frühe Bilinguale zeigen somit Subordinationsmuster auf, die als integriertes System des Franzö‐ sischen und des Italienischen beschrieben werden können, da beide präferierten Muster der Subordination (Gerundien wie im Italienischen und Relativsätze wie im Französischen) eingesetzt werden. Anders als späte Bilinguale orientieren sie sich weniger an der sequentiellen Abfolge der Ereignisse und nutzen kaum explizite temporale Verknüpfungen. Das »temporale Gerüst«, an dem sich späte Bilinguale bei der Erzählung »entlanghangeln«, ist bei frühen Bilingualen nicht relevant. Kohärenzstiftung in Form von Linkage wird auf andere Domänen wie die Personenreferenz übertragen. Im nächsten Abschnitt wird aufgezeigt, wie auf parataktischer Ebene Ereignisse miteinander verbunden werden. 11.3. Ergebnisse Koordination In der Koordination werden, anders als in der Subordination, zwei Satzgefüge paritär miteinander verbunden. 11. Linkage 176 <?page no="177"?> 5 Konklusiv Adversativ Temporal Italienisch 117 / 201 54 / 201 30 / 201 Französisch 149 / 217 14 / 217 54 / 217 Frühe Bilin‐ guale 70 / 108 18 / 108 20 / 108 Späte Bilinguale 60 / 95 7 / 95 28 / 95 Coordination is a relation of sociation [i.e. non-dependency] combining two syntagms of the same type and forming a syntagm which is again of the same type. (Lehmann 1988: 182) Im vorliegenden Datensatz sind drei Typen von Koordinationsmitteln vor‐ handen. Zum einen eine temporale Koordination, die im Italienischen durch poi und im Französischen durch ensuite ausgedrückt wird. Adversative Koor‐ dination wird durch ma und però im Italienischen sowie durch mais im Franzö‐ sischen realisiert. Konklusive parataktische Verbindungen erscheinen im Ita‐ lienischen in Form von quindi, dunque, perciò, per cui und allora. Im Französischen kommt für die konklusive Koordination donc zum Einsatz. Das nachfolgende Schaubild zeigt, 5 dass in allen vier untersuchten Varietäten konklusive Koordination deutlich präferiert wird. Diese Art der Verknüpfung bringt zum Ausdruck, dass ein Ereignis als Konsequenz des vorangehenden Ereignisses zu werten ist (Giusti 2001). In der konsekutiven Koordination ver‐ birgt sich eine implizite temporale Komponente, die sich jedoch nur aus der engen Verknüpfung der verbundenen Ereignisse ergibt. Ein Unterschied zwischen Italienisch und Französisch liegt im Bereich der adversativen Koordination, die im Italienischen mit 25.7 % deutlich höher als im Französischen ist (6.5 %). Frühe Bilinguale verbinden Hauptsätze häufiger als im Französischen adversativ (16.7 %), während bei späten Bilingualen der Wert mit 7.4 % fast gleichauf mit dem Französischen (6.5 %) ist. Temporale Koordination liegt bei späten Bilingualen höher als im Italienischen und Französischen, was, wie im Bereich der Subordination, auf die Orientierung an der sequentiellen Ereignisfolge zurückgeführt werden kann. 11.3. Ergebnisse Koordination 177 <?page no="178"?> Abb. 32: Koordination: Italienisch, Französisch sowie späte und frühe Bilinguale im Ver‐ gleich [in %]. 11.4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, wie sich das grammatikalische Merkmal des Nullsubjekts im Bereich der Subordination auf die Informationsorganisation auswirkt. Es wurde durch die Analyse festgestellt, dass das Vorhandensein des Merkmals »Nullsubjekt« im Italienischen Unterschiede mit sich bringt, die an spezifische Muster der Subordination gekoppelt sind. Im Italienischen betrifft dies Gerundien, im Französischen Relativsätze. Gerundien haben, wie oben gezeigt wurde, die Eigenschaft, den Protagonisten als Subjekt und als Topik innerhalb der Erzählsequenz aufrechtzuerhalten. Das Nullsubjekt und Gerundien zeigen somit eine Deckungsgleichheit in diesem Bereich auf, da Haupt- und Nebensatz sich den gleichen Referenten teilen. Das bedeutet, dass die Referenz auf den Protagonisten typischerweise implizit bleibt. Im Hauptsatz erfolgt dies durch die Setzung des Nullsubjekts, im Nebensatz durch das Gerundium, in dem das Subjekt ebenso implizit bleibt. Durch diese Kombination wird die Kontinuität im Informationsfluss gesichtert, die, so haben die Analysen gezeigt, ein Kernelement des italienischen Sprachsystems reflek‐ tiert: Die Möglichkeit der Nullsubjektsetzung. Im Französischen, das über diese Möglichkeit nur in sehr geringem Umfang verfügt (in engen konsekutiven Adjazenzrelationen wie in il enlève le caillou / agite sa main / et il se rend compte / qu’il n’a rien), schlägt die Subordination einen 11. Linkage 178 <?page no="179"?> anderen Weg ein. Im Französischen, wo Relativsätze das präferierte Subordina‐ tionsmuster innerhalb der Erzählsequenz darstellen, erfüllt die Subordination eine andere Funktion. Relativsätze dienen dazu, unbelebte Entitäten (neben dem Protagonisten) in die Diskurswelt einzuführen. Dies erfolgt im Italienischen ausschliesslich über die Nebenstrukturen, in denen Hintergrundinformationen geliefert werden. Die »Verdrängung« dieser Form von Einführung unbelebter Entitäten in die Nebenstrukturen stellt ein weiteres Mittel dar, den Subjektstatus des Protagonisten zu sichern. Dieser wird im Italienischen folglich durch zwei Mechanismen gesichert, die sich folgendermassen vom Französischen unter‐ scheiden: 1. Einführung weiterer Entitäten in der Nebenstruktur → das Französische kann dies auch in der Hauptstruktur durch Relativsätze leisten. 2. Wahl eines Subordinationsmusters, das die Nullsubjektsetzung unter‐ stützt. Der Blick auf späte und frühe Bilinguale zeigt, dass der Erwerb dieser makro‐ strukturellen Planungsprinzipien nur schwer zu erreichen ist. Das Zusammen‐ spiel von Nullsubjektsetzung auf der einen Seite und die daraus folgenden Im‐ plikationen für die Informationsorganisation auf der anderen Seite, stellen Bilinguale und Lernende vor grosse Herausforderungen. Späte Bilinguale zeigen im Bereich der Subordination eine Orientierung am französischen Muster auf, da Relativsätze, anders als im Italienischen, das präferierte Subordinations‐ muster darstellen. Es wird deutlich, dass Kernprinzipien der Informationsorga‐ nisation und des Topikmanagements in der Nullsubjektsprache Italienisch nicht erworben wurden, wie der Gebrauch des Gerundiums als Mittel der Aufrecht‐ erhaltung der Topikkontinuität. Der hohe Anteil an temporaler Subordination innerhalb der Erzählsequenz bei späten Bilingualen deutet auf ein lernerspezi‐ fisches Muster hin, das für diesen Erwerbsstand charakteristisch ist. Die Aus‐ schöpfung temporaler Relationen dient als guideline für die Umsetzung der nar‐ rativen Aufgabe. Frühe Bilinguale schöpfen temporale Subordination kaum aus und reflek‐ tieren vielmehr das Muster des Französischen durch einen hohen Wert an Re‐ lativsätzen. Die Tatsache, dass Gerundien sogar häufiger als im Italienischen Verwendung finden, zeigt, dass es sich hier um ein bilingualspezifisches Muster handelt, das sowohl Tendenzen des Italienischen als auch des Französischen integriert. Die hohe Frequenz von Relativsätzen deutet darauf hin, dass infor‐ mationsorganisatorische Prinzipien anders als im Italienischen gestaltet werden. Die Aufrechterhaltung des Protagonisten als Topik wird durch die Re‐ lativsätze unterbrochen. 11.4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 179 <?page no="180"?> Der erhöhte Gebrauch von Relativsätzen bei frühen Bilingualen zeigt, dass die Strategien des Topikmanagements im Italienischen (d. h. die Kombination vom Gebrauch von Gerundien mit Einführung von unbelebten Entitäten in den Nebenstrukturen) nicht erworben wurden. Die sprachspezifischen Strukturen, die für das Italienische und Französische ermittelt wurden, zeigen, dass Entscheidungen, die Sprecher für die Enkodie‐ rung von Inhalten treffen müssen, nicht für jede Entscheidung neu getroffen werden. Sie beruhen auf Planungsprinzipien, die im Sinne einer default-Ein‐ stellung je nach Aufgabe voreingestellt sind. Dies bedeutet für Lerner im Bereich der Subordination, dass sie ein spezifisches Wissen erwerben müssen, das, je nach sprachstruktureller Voraussetzung, bestimmte Subordinationsmuster be‐ vorzugt. Zu betonen ist hierbei, dass es keine »falschen« Subordinationen gibt, solange sie formal korrekt sind. Es geht um den Erwerb von Präferenzen der Zielsprache, die von grammatikalischen Eigenschaften auf der Ebene der mak‐ rostrukturellen Planung gesteuert werden. Die Analysen haben ergeben, dass selbst frühe Bilinguale, das Muster des Italienischen, des Sprache des Landes in dem sie leben, nicht erworben haben. Die Ergebnisse deuten auf eine Nähe zum Französischen hin, also der Sprache, die sie in der Schule überwiegend verwenden, die Sprache, durch die sie lernen. Diese Daten unterstreichen die Wichtigkeit jener Sprache, die als Kanal zum Wissenszugang dient. 11. Linkage 180 <?page no="181"?> 12. Zusammenfassung und Schlusswort In diesem Kapitel werden die zentralen Ergebnisse des empirischen Teils der Arbeit noch einmal zusammengefasst und ein Ausblick gegeben, der zum einen die Interpretation des Gesamtergebnisses betrifft als auch Implikationen der Ergebnisse umfasst. In dieser Zusammenfassung werden anders als im Haupt‐ text die Ergebnisse zu den beiden L1 Sprachen Italienisch und Französisch ge‐ trennt von den Ergebnissen für die beiden Gruppen von Bilingualen behandelt. Doch führen wir zunächst die Aufgabenstellung für die vorliegende Arbeit noch einmal auf: Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, das Italienische und das Französische im Hinblick auf makrostrukturelle Planungsprinzipien zu untersuchen, die zum einen auf typologisch-grammatische Unterschiede zu‐ rückzuführen sind und sich zum anderen auf die Art und Weise auswirken, wie der Informationsaufbau in italienischen und französischen Filmnacherzäh‐ lungen organisiert wird. Ausgegangen wurde von der Annahme, dass das Vor‐ handensein des Nullsubjekts im Italienischen und die Unterschiede in der Wort‐ stellung (relativ frei im Italienischen sowie relativ fest im Französischen) in den beiden untersuchten Sprachen zu unterschiedlichen Auswirkungen im Bereich der Informationsorganisation führen. Die zentralen Untersuchungsebenen umfassten folgende Bereiche der Infor‐ mationsorganisation: • die Erzählfolge und Verknüpfung von Ereignissen • die Informationsselektion • das mit der Informationsselektion verbundene information packaging • die Wahl der referentiellen Mittel im Bereich der Personenreferenz als kohäsionsstiftende Elemente Hervorzuheben ist erneut, dass der informationsorganisatorische Aspekt nicht im Hinblick auf einzelne Äusserungen untersucht wurde, sondern stets der Text, hier die Erzählungen, als Einheit betrachtet wurde, die makrostrukturelle Pla‐ nungsprinzipien reflektiert. Ausgehend von der den Erzählungen zugrundelie‐ genden Quaestio, die einen makrostrukturellen Rahmen für die Informations‐ organisation schafft, wurden kohärenzstiftende informationsorganisatorische Massnahmen als globale Planungsprinzipien analysiert. Untersucht wurde zum einen, wie sich das Italienische und das Französische in den ausgewählten Untersuchungsbereichen voneinander unterscheiden. <?page no="182"?> Dabei wurden die Unterschiede im Lichte der unterschiedlichen grammatikali‐ schen Voraussetzungen kommentiert. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um die informationsorganisatorischen Vorgehensweisen der beiden bilingualen Gruppen im Hinblick auf ihre »Nähe« zum zielsprachlichen Muster und somit auf die Erlernbarkeit von makrostrukturellen Planungsprinzipien zu untersu‐ chen. 12.1. Ergebnisse zum Italienischen und Französischen Ausgehend von Untersuchungen, die gezeigt haben, dass die Beschaffenheit des temporalen Rahmens Auswirkungen auf den Bereich der Informationsorgani‐ sation hat (s. für den Vergleich Deutsch, Englisch und Französisch Carroll und Lambert 2003), wurde in Kapitel 8 untersucht, wie der temporale Referenz‐ rahmen in den in italienischer und französischer Sprache verfassten Erzäh‐ lungen aufgebaut ist. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass in beiden Sprachen eine anaphorische Sequenzierung innerhalb der Hauptstruktur der Texte zu be‐ obachten ist. In beiden Sprachen werden mehr als zwei Drittel der Ereignisse als abgeschlossen kodiert (als 1- Zustandsverben plus Adjunkt wie in »va verso una pozzanghera« oder als 2-Zustandsverb wie in »arriva in un altro mondo«). Dies bedeutet, dass das jeweils vorangehende, als abgeschlossen dargestellte Ereignis, einen temporalen Ankerpunkt für das nachfolgende Ereignis darstellt. Diese anaphorische Sequenzierung, die in beiden Sprachen gleich ausgeprägt ist, schliesst die Möglichkeit aus, dass etwaige Unterschiede im Bereich der In‐ formationsorganisation auf temporale Unterschiede zurückzuführen sind. In Kapitel 9, das die Personenreferenz zum Gegenstand hat, ist ein Kernbe‐ reich der Informationsorganisation untersucht worden: Die Wahl der referen‐ tiellen Mittel. In diesem Analysebereich offenbart sich der grundlegendste Un‐ terschied zwischen den beiden untersuchten Sprachen, nämlich das Vorhandensein des Nullsubjekts im Italienischen, das im Bereich der Personen‐ referenz Kohärenz und Kohäsion stiftet. Erinnert sei an dieser Stelle daran, dass aufgrund des Kurzfilms Quest, der als Stimulusmaterial verwendet wurde, in den Erzählungen nur auf eine belebte Entität als Protagonisten verwiesen wird. In diesem Kapitel wurde zunächst untersucht, wie der Protagonist der Er‐ zählung in jedem neuen Erzählabschnitt wieder eingeführt wird (vgl. Ka‐ pitel 9.2.). Die Ergebnisse haben gezeigt, dass sich das Italienische und Franzö‐ sische nicht nur wie zu erwarten im Hinblick auf das Nullsubjekt unterscheiden, das sich im Französischen nicht für die Wiedereinführung anbietet und daher auch in keinem einzigen Fall von den Versuchspersonen gewählt wird (im Ita‐ 12. Zusammenfassung und Schlusswort 182 <?page no="183"?> lienischen in 30.9 %, d. h. in 56 von 181 Kontexten). Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt in den Verwendungsbedingungen von Nominalphrasen und Pronomina. Im Italienischen ist der Wert für Nominalphrasen mit 63.0 % (in 114 von 181 Kontexten) deutlich höher als im Französischen (37.9 %, 55 / 145), wäh‐ rend sich der Wert für Pronomina (6.1 % im Italienischen, d. h. in 11 von 181 Kontexten) deutlich unterscheidet (im Französischen 62.1 %, in 90 von 145 Kontexten). Die dargelegten Unterschiede können dem Vorhandensein des Nullsubjekts im Italienischen zugeordnet werden: Mit einer Nominalphrase wird der Referent (hier der Protagonist) eindeutig - im Sinne einer maximalen Aktivierung - wieder eingeführt, der dann über das Nullsubjekt als Subjekt bei‐ behalten werden kann. Im Französischen hingegen, ist die Wiedereinführung durch eine Nominalphrase nicht notwendig, da Pronomina ausreichen, um den Rückbezug auf den Protagonisten wieder herzustellen und Ambiguitäten zu vermeiden. In einer weiteren Untersuchung wurde analysiert, inwiefern sich die Erwäh‐ nung des Erzählers auf die Wiedereinführung des Protagonisten in einem neuen Erzählabschnitt auswirkt, da der Erzähler auch als Kandidat für die Besetzung der Subjektstelle in Frage kommt. Unter dieser Bedingung sind daher drei Mit‐ spieler Subjektfähig: der Protagonist, der Erzähler und unbelebte Entitäten. Sprecher die den Erzähler als Beobachter eingeführt haben, wurden als erzäh‐ lerorientiert klassifiziert. Bei dieser Gruppe wird bei der Wiedereinführung des Protagonisten bei jedem neuen Erzählabschnitt, sowohl im Französischen als auch im Italienischen, die Verwendung einer eindeutigen referentiellen Be‐ zeichnung (Nominalphrasen) beobachtet, um Ambiguitäten zu vermeiden. Bei der »erzählerorientierten« Gruppe ist der Wert für Nominalphrasen im Italienischen hoch (87.6 %). Bei der protagonistenorientierten Gruppe dagegen, die in ihren Texten keinen ausgewiesenen Erzähler aufweisen, ist die Verwen‐ dung von Nominalphrasen niedriger (63.4 %). Deutlich dabei ist das Gefälle in der Verwendung von Nullsubjekten, die bei protagonistenorientierten Erzähler einen Wert von 30.2 % erreichen, während erzählerorientierte Sprecher nur 5.3 % aufweisen. Es wurde auch bei dieser Analyse deutlich, dass sich Italienisch und Französisch in der Wahl der referentiellen Mittel unterscheiden. Die Wieder‐ einführung des Protagonisten verläuft bei erzählerorientierten Sprechern im Französischen mit einer Zunahme von Nominalphrasen (60.1 %) gegenüber den protagonistenorientierten Sprechern (16.2 %), bei welchen die Verwendung von Pronomina bei (83.6 %) liegt. Im Italienischen dagegen sind Nominalphrasen aus dem oben genannten Grund die präferierte Form. Im Italienischen zeigt sich in diesem Zusammenhang, wie der Stellenwert von Pronomina durch das Vorhandensein vom Nullsubjekt »verschoben« wird: Sind 12.1. Ergebnisse zum Italienischen und Französischen 183 <?page no="184"?> die Bedingungen einer strikten Kohärenz für die Verwendung des Nullsubjekts nicht gewährleistet, sieht der Informationsaufbau eher die Verwendung von eindeutigen Formen vor (wie eine volle Nominalphrase), obwohl pronominale Formen, die auf den Protagonisten verweisen, auch disambiguierend sein könnten. Bedingungen beim Informationsaufbau, die die Verwendung von Pro‐ nomina ermöglichen, können mit der systematischen Verwendung einer ein‐ deutigen Nominalphrase beim Informationsaufbau ausgespart werden. Damit wird deutlich wie der Informationsaufbau auf die Verwendung des Nullsubjekts ausgerichtet ist, wie auch in den weiteren Analysen gezeigt wird. In Kapitel 9.3. wurde untersucht, welche referentiellen Mittel beim Erhalt des Protagonisten innerhalb der Erzählsequenz gebraucht werden (d. h. abzüglich der ersten Erwähnung innerhalb eines neuen Erzählabschnitts). Für das Italie‐ nische wurde deutlich, dass das Nullsubjekt mit 90.1 % (in 1185 von 1303 Kon‐ texten) bei weitem das präferierte referentielle Mittel ist. Bei der Wiederaufnahme des Protagonisten innerhalb der Erzählsequenz, d. h., wenn in der vorangehenden Äusserung eine andere Entität (in diesem Fall unbelebte Entitäten) als Subjekt eines Hauptsatzes vorkommt, erfolgt die Ko‐ dierung des Protagonisten über eine Nominalphrase mit einem hohen Grad an Systematizität. Steht die vorangehende unbelebte Entität als Subjekt in einem Nebensatz, also in einer hierarchisch untergeordneten Satzstruktur, wird der Protagonist durch ein »leichteres« referentielles Mittel wieder eingeführt (Pro‐ nomina oder gar Nullsubjekte). Steht dagegen die unbelebte Entität als Subjekt eines Hauptsatzes, und somit einen hohen hierarchischen Status einnimmt, erfolgt die Wiederaufnahme des Protagonisten innerhalb der Erzählsequenz eindeutig über eine Nominalphrase. Diese feinkörnige Analyse hat gezeigt, dass der Informationsaufbau im Bereich der Personenreferenz einen Mechanismus aufweist, der den Status Haupt‐ satz / Nebensatz beim Informationsaufbau berücksichtigt, um lokalen Unterbre‐ chungen des Subjektstatus des Protagonisten innerhalb der Hauptstruktur Rechnung zu tragen. Der Vergleich mit dem Französischen war in diesem Punkt nicht durch‐ führbar, da im Französischen nur 7 Fälle beobachtet wurden (2.1 % bezogen auf 329 Äusserungen), in denen eine unbelebte Entität als Subjekt eines Hauptsatzes auftritt. Beim Informationsaufbau im Französischen ist der Protagonist Kan‐ didat für die Besetzung der Subjektstelle in einem Hauptsatz. Andere Entitäten kommen vorwiegend als Subjekt eines Nebensatzes vor, wie im nächsten Ab‐ schnitt gezeigt wird. Kapitel 10 hat sich bezüglich des Informationsaufbaus mit jenen Entitäten auseinandergesetzt, die als Agens in Subjektpositionen als Konkurrenz zum 12. Zusammenfassung und Schlusswort 184 <?page no="185"?> Protagonisten für die Subjektbesetzung erscheinen können. In Kapitel 9 wurde bereits deutlich, dass sich die Art ihrer Kodierung (als Subjekt eines Nebensatzes oder als Subjekt eines Hauptsatzes) auf die Wahl der referentiellen Mittel aus‐ wirkt, daher wurde untersucht, inwieweit sich Italienisch und Französisch im Hinblick auf die Häufigkeit der Erwähnung dieser Entitäten sowie in ihrer Ko‐ dierung unterscheiden. Zunächst wurde festgestellt, dass sich die beiden Sprachen bei der Informa‐ tionsselektion nicht in Bezug auf die Häufigkeit der Erwähnung unterscheiden, jedoch in ihrer Kodierung. Im Italienischen erreichen unbelebte Entitäten häu‐ figer den Status »Subjekt eines Hauptsatzes« als im Französischen, wo diese überwiegend als Subjekt eines Nebensatzes kodiert werden. Im Französischen wird durch diese Form des downgrading der Status des Protagonisten aufrecht‐ erhalten, während er im Italienischen lokal durchbrochen werden kann. Es stellt sich die Frage, weshalb unbelebte Entitäten im Italienischen Subjektstatus in einem Hauptsatz erreichen und warum diese prinzipiell mögliche Kodierung im Französischen nicht mit einer vergleichbaren Häufigkeit vorkommt. Wie oben beschrieben, werden im Italienischen beim Informationsaufbau andere Kohä‐ renzbedingungen gewährleistet. Ausgehend von der Hypothese, dass das Vorhandensein des Nullsubjekt-Pa‐ rameters sich auf den Informationsfluss auswirkt (siehe die Ergebnisse der Ka‐ pitel 9 und 10), wurde in Kapitel 11 eingehend untersucht, inwieweit das Null‐ subjekt einen Einfluss auf die Verknüpfung von Informationen im Bereich der Subordination und der Koordination ausübt. Es wurden dabei für das Italieni‐ sche und das Französische folgende spezifische Muster festgestellt: Im Bereich der Subordination konnte gezeigt werden, dass innerhalb der Hauptstruktur im Italienischen die Verwendung von Gerundien präferiert, während im Französi‐ schen Relativsätze die häufigste Form bilden. Die Gerundien dienen dazu, die Referenz auf den Protagonisten aufrechtzuerhalten. Im Französischen dagegen dient der Relativsatz dazu, andere Entitäten einzuführen, die dann durch Pro‐ nomina wieder aufgenommen werden können. Beide Verknüpfungsmuster fussen auf spezifischen sprachlichen Eigen‐ schaften: Im Italienischen ist der hohe Gebrauch von Gerundien auf das Vor‐ handensein des Nullsubjekts zurückzuführen, da zwischen Gerundien und Null‐ subjekt in struktureller Hinsicht eine Deckungsgleichheit auftritt: Der Protagonist ist in beiden Fällen Subjekt des Satzes. Ebenso wie bei Nullsubjekten bleibt bei Gerundien die Referenz auf den Protagonisten typischerweise implizit. Im Hauptsatz erfolgt die Sicherung der Kontinuität des Protagonisten durch das Nullsubjekt, im Nebensatz durch das Gerundium, in welchem das Subjekt ebenso implizit bleibt. Somit reflektiert das Subordinationsmuster letztendlich ein 12.1. Ergebnisse zum Italienischen und Französischen 185 <?page no="186"?> Kernelement des italienischen Sprachsystems: Die Möglichkeit der Nullsub‐ jektsetzung, die die Subjektkontinuität des Protagonisten aufrechterhält. Dieser Zusammenhang belegt eine stringente Form der Kohärenzstiftung beim Infor‐ mationsaufbau im Italienischen. Unbelebte Entitäten können jedoch, wie oben erwähnt, als Subjekt eines Hauptsatzes zum Protagonisten in Konkurrenz treten. Um diesen Status zu er‐ langen, werden sie in der Nebenstruktur im Vorfeld etwa über Existenzaussagen in die Diskurswelt eingeführt, oder in eine Fokusposition gerückt bzw. im Hauptsatz durch OVS Wortstellung entsprechend gekennzeichnet. Ihre Wie‐ deraufnahme in der Hauptstruktur als Subjekt eines Hauptsatzes muss sich ferner nicht an die Ersterwähnung direkt anschliessen. Die Wiederaufnahme wird systematisch anhand einer Nominalphrase vollzogen, die nicht notwendi‐ gerweise an die Ersterwähnung direkt anschliessen muss. Kohärenzbedin‐ gungen wie im Französischen, die eine Verwendung von Pronomina erlauben, sind bei dieser Verfahrensweise im Informationsaufbau nicht notwendig. Wie oben erwähnt, überwiegen im Französischen im Bereich der Subordina‐ tion Relativsätze, die die Funktion haben, unbelebte Entitäten in die Diskurswelt einzuführen. Es wurde bereits in Kapitel 9 gezeigt, dass mit dem Protagonisten konkurrierende Entitäten in dieser Form systematisch »downgegraded« werden, um den Subjektstatus des Protagonisten nicht zu unterbrechen. Spre‐ cher des Französischen können durch den Gebrauch von Nebensätzen zwischen dem Protagonisten als Subjekt eines Hauptsatzes und einer weiteren Entität als Subjekt eines Nebensatzes wechseln. Die Systematik im Informationsaufbau korreliert mit der festen Wortstellung in dieser Sprache. In dem vorhandenen Sprachvergleich konnte somit in diesem Analysebereich gezeigt werden, wie makrostrukturellen Planungsprinzipien beim Informati‐ onsaufbau durch die grammatikalisierten Mittel der jeweiligen Sprache ge‐ steuert werden. 12.2. Frühe und späte Bilinguale Fassen wir nun die erzielten Ergebnisse der frühen und späten Bilingualen zu‐ sammen, die in italienischer Sprache getestet wurden, und die dokumentieren, inwieweit die mit der Nullsubjektsetzung verbundenen makrostrukturellen Pla‐ nungsprinzipien erworben werden können. Im Bereich der Personenreferenz wurde deutlich, dass bei der Einführung des Protagonisten in einen neuen Erzählabschnitt (vgl. Kapitel 9.2.) beide Gruppen ein gemeinsames Muster aufweisen, das sich den beiden L1-Sprachen entge‐ 12. Zusammenfassung und Schlusswort 186 <?page no="187"?> gensetzt. Im Italienischen, wo wie gezeigt die Aktivierung des Protagonisten in einem neuen Erzählabschnitt in Form einer Nominalphrase gewährleistet wird, ist der Wert für Nullsubjekte bei der Wiedereinführung mit 30.9 % deutlich ge‐ ringer im Vergleich zu 63.0 % (frühe Bilinguale) und 68.0 % (späte Bilinguale) in den beiden Gruppen von Bilingualen. Auch das Muster des Französischen ist nicht zu erkennen, wo die präferierten Pronomina 62.1 % erreichen, während sie bei frühen und späten Bilingualen bei 11.1 % bzw. 13.6 % liegen. Dies deutet bei beiden Gruppen auf eine Übergeneralisierung des Nullsubjekts hin. Auch bezüglich der Personenreferenz (Wiederaufnahme) innerhalb des Er‐ zählabschnittes (vgl. Kapitel 9.3.) wurde ein von der Zielsprache abweichendes Muster beobachtet. Beide Gruppen an Bilingualen haben auf einer formalen Ebene die referentiellen Mittel, die das Italienische zur Verfügung stellt, er‐ worben. Beide Gruppen haben jedoch nicht gelernt, die Wahl der referentiellen Mittel für den Rückbezug auf den Protagonisten innerhalb des Erzählabschnitts an die syntaktische Struktur, und damit an den Informationsstatus Haupt‐ satz / Nebensatz, des vorangehenden Satzes anzupassen, wenn dieser eine un‐ belebte Entität als syntaktisches Subjekt enthält. Referentielle Mittel werden anders als in L1 Italienisch nicht systematisch eingesetzt. Dies zeigt, dass in diesem Bereich das komplexe Zusammenspiel zwischen der syntaktischen Ko‐ dierung weiterer am Geschehen beteiligter Entitäten und der Wahl der referen‐ tiellen Mittel nicht erworben wurde. Im Bereich der Informationsselektion (vgl. Kapitel 10.1.) zeigen sich keine Unterschiede der beiden Gruppen an Bilingualen bezüglich der Häufigkeit der Nennung von unbelebten Entitäten. Jedoch wurde im Bereich ihrer Kodierung (vgl. Kapitel 10.2.) bei den frühen Bilingualen ein Weg deutlich, der sich sowohl vom Italienischen als auch vom Französischen unterscheidet und als bilin‐ gual-spezifisch einzuordnen ist. Es trat in dieser Analyse hervor, dass vom Ita‐ lienischen die Tendenz übernommen wird, der unbelebten Entität einen Sub‐ jektstatus zuzuweisen, jedoch in einem Nebensatz, was dem Muster des downgrading im Französischen näher kommt. Im Bereich der Ereignisverknüpfung (Linkage) konnte für die späten Bilin‐ gualen beschrieben werden, dass das französische Subordinationsmuster prä‐ feriert wird und somit in der Hauptstruktur relative Nebensätze zu finden sind, die für das Italienische unüblich sind. Gerundien sind, eventuell wegen ihrer syntaktischen Komplexität nicht nur deutlich niedriger als im Italienischen, sondern auch deutlich niedriger als in der Ausgangssprache Französisch. Bei frühen Bilingualen konnte der häufige Gebrauch von temporalen Neben‐ sätzen beobachtet werden. Frühe Bilinguale zeigen im Bereich der Subordina‐ tion ein Muster auf, das als integriertes System des Französischen und des Ita‐ 12.2. Frühe und späte Bilinguale 187 <?page no="188"?> lienischen beschrieben werden kann, da sowohl Gerundien als auch relative Nebensätze verwendet werden. Im Bereich der Koordination zeigt sich bei frühen Bilingualen ein höherer Wert für die adversative Verknüpfung, die sich dem italienischen Muster annähert. Späte Bilinguale zeigen eine recht hohe Frequenz von temporaler Koordination auf, die auf die Orientierung an einer sequentiellen Ereignisfolge zurückgeführt werden kann. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass der Erwerb von makrostrukturellen Planungsprinzipien nur schwer umzusetzen ist. Auf formaler Ebene zeigen ins‐ besondere frühe Bilinguale keine Mühe bei der Produktion von Filmnacherzäh‐ lungen. Die formulierten Äusserungen verstossen weder auf morphologischer und syntaktischer noch auf lexikalischer Ebene gegen die sprachimmanenten Regeln des Italienischen. Vergleichen wir jedoch das Prozedere beim Informa‐ tionsaufbau wird deutlich, dass die Muster von jenen Vorgehensweisen abwei‐ chen, die für das Italienische ermittelt worden sind. Insbesondere das komplexe Zusammenspiel zwischen der Möglichkeit der Nullsubjektsetzung und der Wahl der sprachlichen Mittel im Bereich der Personenreferenz und der Ereignisver‐ knüpfung ist nicht erworben worden. Die feinkörnigen Analysen haben gezeigt, wie die komplexen Planungspro‐ zesse im Italienischen beim Informationsaufbau im Rahmen einer Erzählung abhängig von grammatikalischen Faktoren sind. Die Analysen haben ergeben, dass diese Verzahnung von grammatikalischen Eigenschaften auf folgenden Faktoren beruht: • Bedingungen für die Implementierung des Nullsubjekts werden ge‐ schaffen (siehe die syntaktische Kodierung bzw. »Gewichtung« von Ent‐ itäten, die mit dem Protagonisten konkurrieren, die die Wahl von Nomi‐ nalphrasen auslösen) • Die Wahl der Ereignisverknüpfung reflektiert strukturelle Eigenschaften des zentralen Nullsubjekts (siehe den Gebrauch des Gerundiums als sub‐ ordinierendes sprachliches Mittel) Hinzu kommen die Anforderungen sowie Möglichkeiten einer Sprache mit einer relativ freien Wortstellung. Die hier erzielten Ergebnisse konzentrieren sich auf eine besondere Form von Sprachdaten, nämlich Filmnacherzählungen, die meine Probanden, seien es Muttersprachler oder Bilinguale vor eine komplexe Aufgabe gestellt haben. Die Sprachdaten sind ferner durch das Stimulusmaterial geprägt, das auf eine belebte Entität eingeschränkt wurde, die sich somit als Kandidat für die Subjektbesetzung qualifiziert. Dadurch wurde die der Literatur besprochenen und meistens als »Topik-Fokus« bezeichnete Problematik bei der Analyse insbesondere der Lernerdaten vereinfacht, um die Erwerbsprinzipien 12. Zusammenfassung und Schlusswort 188 <?page no="189"?> genauer bestimmen zu können. Dadurch konnten Ergebnisse abgeleitet werden, die den Bereich des Informationsaufbaus (Personenreferenz, Informationsse‐ lektion, information packaging sowie linkage) erhellen und auf makrostruktu‐ relle Planungsprinzipien zurückführen, die grammatisch bedingt sind. Es sind Schwierigkeiten für bilinguale Sprecher, sowohl frühe als auch späte Bilinguale, offenbart worden, die zeigen, dass das Verhältnis zwischen dem Erwerb von Formen einerseits und ihren Funktionen in einem komplexen Zusammenhang bei grundlegenden Prinzipen im Informationsaufbau andererseits zu differen‐ zieren ist. Monolinguale Sprecher haben in diesem Zusammenhang den Vorteil eines einzelnen Sprachsystems. Wünschenswert wäre an dieser Stelle eine di‐ daktische Massnahme, die die Verzahnung von grammatikalisch-relevanten Ka‐ tegorien dargelegt, sodass Sprecher ein Bewusstsein für die Implikationen der jeweils unterschiedlichen Kategorien erwerben. Denkbar wären hier Textgram‐ matiken, die die hier beschriebenen sprachspezifischen Prinzipien aufzeigen. 12.2. Frühe und späte Bilinguale 189 <?page no="190"?> Bibliographie Abello-Contesse, Christian (2008): Age and the critical period hypothesis. In: ELT Journal 63, S. 170-172. Ammann, Hermann (1928): Der Satz. 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. . . 113 Abb. 8: Akzeptabilitätsskala nach Lambrecht (1994). . . . . . . . . . . . . 118 Abb. 9: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . 122 Abb. 10: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 und Bilinguale im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abb. 11: Die Perspektivenzugehörigkeit [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Abb. 12: L1 Italienisch: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektivenzugehörigkeit [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abb. 13: L1 Französisch: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektivenzugehörigkeit [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abb. 14: Frühe Bilinguale: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektivenzugehörigkeit [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 15: Späte Bilinguale: Die Wiedereinführung des Protagonisten nach Perspektivenzugehörigkeit [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 16: Wiederaufnahme des Protagonisten: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Abb. 17: Der Referenzerhalt im Italienischen, Französischen und bei frühen Bilingualen [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abb. 18: Häufigkeit der Erwähnung der unbelebten Entitäten im Italienischen und Französischen [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 <?page no="210"?> Abb. 19: Häufigkeit der Erwähnung von unbelebten Entitäten: Späte und frühe Bilinguale im Vergleich zum Italienischen [in %]. 147 Abb. 20: Hierarchie der syntaktischen Kodierung. . . . . . . . . . . . . . . . 148 Abb. 21: Mapping der unbelebten Entitäten im Italienischen und Französischen [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Abb. 22: Unbelebte Entitäten als Subjekt von Haupt- und Nebensätzen [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abb. 23: Kodierung der unbelebten Entitäten: Italienisch, Französisch und frühe Bilinguale [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Abb. 24: Kodierung der unbelebten Entitäten: Italienisch, Französisch sowie frühe und späte Bilinguale im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Abb. 25: Erwähnung des Blatts Papier in Abhängigkeit der Konkurrenzsituation [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abb. 26: Die Art der Einführung [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Abb. 27: Überblick über die Vorbereitung der Erwähnung von unbelebten Entitäten [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Abb. 28: Subordination im Italienischen [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abb. 29: Subordination: Italienisch und Französisch im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Abb. 30: Subordination: Französisch, Italienisch und späte Bilinguale im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Abb. 31: Subordination: Italienisch, Französisch sowie späte und frühe Bilinguale im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abb. 32: Koordination: Italienisch, Französisch sowie späte und frühe Bilinguale im Vergleich [in %]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Abbildungsverzeichnis 210 <?page no="211"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1: Kombinationsmöglichkeiten der Konstituenten Subjekt, Verb und Objekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Tab. 2: Vergleich der Singularformen der Verben parlare und parler. . 64 Tab. 3: Anzahl ausgewerteter Transkriptionen nach L1- und Bilingualen-Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Tab. 4: Kategorien zur Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz. . . . 92 Tab. 5: Einfache Tempora des Indikativs im Italienischen und Französischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tab. 6: Zusammengesetzte Tempora des Indikativs im Italienischen und Französischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tab. 7: Sprachliche Mittel und Zugänglichkeit zum Topik. . . . . . . . . . . 119 Tab. 8: Referenzbereiche nach Chini (2003). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Tab. 9: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 Italienisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tab. 10: Wiedereinführung in einem neuen Erzählabschnitt: L1 Französisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tab. 11: Die Perspektivenzugehörigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tab. 12: Transkriptionsbeispiel für die Perspektivenzugehörigkeit. . . . 125 Tab. 13: Italienische Formen für die Wiedereinführung innerhalb des Erzählabschnittes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tab. 14: L1 Italienisch: Transkriptionsbeispiel 1 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Tab. 15: L1 Italienisch. Transkriptionsbeispiel 2 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Tab. 16: L1 Italienisch: Transkriptionsbeispiel 3 zur Wiederaufnahme des Protagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Tab. 17: Französische Formen für die Wiedereinführung innerhalb des Erzählabschnittes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Tab. 18: L1 Französisch: Transkriptionsbeispiel zur Wiederaufnahme des Protagonisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Tab. 19: Beispiel für Nullanapher im Französischen. . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Tab. 20: Beispiel für die Wiederaufnahme des Protagonisten durch NP im Französischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Tab. 21: Frühe Bilinguale: Wiedereinführung durch Nullsubjekte. . . . . 141 <?page no="212"?> Tab. 22: Formen des Referenzerhalts und der Wiedereinführung bei frühen Bilingualen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Tab. 23: Formen des Referenzerhalts und der Wiedereinführung bei späten Bilingualen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Tab. 24: L1 Italienisch: Kodierungsoptionen für die Erwähnung der unbelebten Entität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Tab. 25: L1 Französisch: Kodierungsoptionen für die Erwähnung der unbelebten Entität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Tab. 26: L1 Italienisch vs. L1 Französisch: Kodierungsoptionen der unbelebten Entität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Tab. 27: Frühe Bilinguale: Kodierung der unbelebten Entität im Vergleich zum Italienischen und Französischen. . . . . . . . . . . . . 153 Tab. 28: Späte Bilinguale: Kodierung der unbelebten Entität im Vergleich zum Italienischen, Französischen und frühen Bilingualen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Tab. 29: Überblick über den Status von unbelebten Entitäten im Italienischen und Französischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Tab. 30: Sprachliche Mittel zur Vorbereitung der Erwähnung von unbelebten Entitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Tab. 31: Subordinationsbeispiele aus dem Italienischen. . . . . . . . . . . . . . 166 Tabellenverzeichnis 212 <?page no="213"?> www.narr.de Im Prozess der Sprachproduktion organisieren Sprecher Inhalte, die zum Ausdruck gebracht werden, indem sie Informationen auswählen, eine Perspektive einnehmen sowie Vorder- und Hintergrund voneinander abgrenzen. Diese Prozesse folgen sprachspezifischen Prinzipien, die zur Folge haben, dass der Informationsaufbau in mündlichen Nacherzählungen je nach Sprache unterschiedliche Präferenzen aufweist. Die vorliegende Studie zeigt auf, inwieweit sich das Französische und Italienische in Bezug auf die Organisation von Informationen voneinander unterscheiden und berücksichtigt dabei auch bilinguale Sprecher des Italienischen und Französischen.