Unterrichtsmanagement
0813
2018
978-3-8233-9213-2
978-3-8233-8213-3
Gunter Narr Verlag
Jörg Roche
Ágnes Einhorn
Ferran Suñer
Guter Unterricht will gut geplant und gut vorbereitet sein, mit messbaren Erfolgen umgesetzt und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den didaktischen, pädagogischen, curricularen und institutionellen Herausforderungen einer guten Lehrpraxis vor, während und nach dem Unterricht. Zur Unterrichtsentwicklung, dem Unterrichtsmanagement und der Evaluation von Unterricht gehören umfassende Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg, vielseitige Verfahren des gemeinsamen Managements sowie eine vertiefte Kenntnis von bewährten Prinzipien des Sprachenerwerbs, wie sie in einschlägige Qualitätsrahmen - etwa im Auslandsschulwesen - eingegangen sind. Der Band eignet sich daher als grundlegende Einführung in das Management von erfolgreichem Fremdsprachenunterricht, als Grundlage für die Lehrplan- und Materialentwicklung und als Pflichtlektüre für alle Lehrkräfte und Institutionen, die sich für die Optimierung der Vermittlung von Sprachen interessieren - in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, aber auch in allen anderen Sprachen.
<?page no="0"?> Guter Unterricht will gut geplant und gut vorbereitet sein, mit messbaren Erfolgen umgesetzt und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den didaktischen, pädagogischen, curricularen und institutionellen Herausforderungen einer guten Lehrpraxis vor, während und nach dem Unterricht. Zur Unterrichtsentwicklung, dem Unterrichtsmanagement und der Evaluation von Unterricht gehören umfassende Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg, vielseitige Verfahren des gemeinsamen Managements sowie eine vertiefte Kenntnis von bewährten Prinzipien des Sprachenerwerbs, wie sie in einschlägige Qualitätsrahmen - etwa im Auslandsschulwesen - eingegangen sind. Der Band eignet sich daher als grundlegende Einführung in das Management von erfolgreichem Fremdsprachenunterricht, als Grundlage für die Lehrplan- und Materialentwicklung und als P ichtlektüre für alle Lehrkräfte und Institutionen, die sich für die Optimierung der Vermittlung von Sprachen interessieren. 6 6 Kompendium DaF/ DaZ DaF/ DaZ 6 Kompendium DaF/ DaZ Roche / Einhorn / Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement ISBN 978-3-8233-8213-3 Jörg Roche / Ágnes Einhorn / Ferran Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement Kompendium DaF/ DaZ Guter Unterricht will gut geplant und gut vorbereitet sein, mit messbaren Erfolgen umgesetzt und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den didaktischen, pädagogischen, curricularen und institutionellen Herausforderungen einer guten Lehrpraxis vor, während und nach dem Unterricht. Zur Unterrichtsentwicklung, dem Unterrichtsmanagement und der Evaluation von Unterricht gehören umfassende Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg, vielseitige Verfahren des gemeinsamen Managements sowie eine vertiefte Kenntnis von bewährten Prinzipien des Sprachenerwerbs, wie sie in einschlägige Qualitätsrahmen - etwa im Auslandsschulwesen - eingegangen sind. Der Band eignet sich daher als grundlegende Einführung in das Management von erfolgreichem Fremdsprachenunterricht, als Grundlage für die Lehrplan- und Materialentwicklung und als P ichtlektüre für alle Lehrkräfte und Institutionen, die sich für die Optimierung der Vermittlung von Sprachen interessieren. 6 6 Kompendium DaF/ DaZ DaF/ DaZ 6 Kompendium DaF/ DaZ Roche / Einhorn / Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement ISBN 978-3-8233-8213-3 Jörg Roche / Ágnes Einhorn / Ferran Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement Kompendium DaF/ DaZ <?page no="1"?> Unterrichtsmanagement <?page no="2"?> Kompendium DaF / DaZ Herausgegeben von Jörg Roche (München) Band 6 <?page no="3"?> Jörg Roche / Ágnes Einhorn / Ferran Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement Kompendium DaF / DaZ Herausgegeben von Jörg Roche (München) Band 6 <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG · Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany ISSN 2512-8043 ISBN 978-3-8233-9213-2 <?page no="5"?> 5 Inhalt Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Curriculum-Design (Enikő Öveges) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen . . . . . . . . . . . . . 18 1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Planung einer Unterrichtseinheit (Sandra Ballweg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1 Lehr- und Lernziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht (Tibor Vígh) . . . . . . . . . . . 85 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung . . . . 110 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten (Tibor Vígh) . . . . . . . . 123 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis (Ágnes Einhorn) . . . . . . . . . . . . 161 5.1 Fördernde Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5.2 Klassentests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.3 Unterricht und Prüfungen-- Zusammenhänge und Rückwirkungen . . . . . . . . 187 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement (Olga Solovyova) . . . . . . 200 6.2 Qualitätskriterien (Éva Major) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen (Jörg Roche) . . . 219 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung (Ágnes Einhorn & Karl Dieter Uesseler) 236 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement (Jörg Roche) . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement (Jörg Roche) . . . . . . . . . . . . . 266 <?page no="6"?> 6 Inhalt 8. Lehren Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung (Anna Majorosi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften (Anna Majorosi & Ágnes Einhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen (Ferran Suñer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 9. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 10. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 <?page no="7"?> 7 Vorwort Vorwort Trotz vieler neuerer Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, beispielsweise bei der Festlegung der Lehrprogression, den Niveaustufen, der Fehlerkorrektur und der Leistungsmessung. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich nun aber auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels werden in dieser Reihe systematisiert und anhand zahlreicher Materialien und weiterführender Aufgaben für den Transfer in die Praxis aufbereitet. Die Reihe Kompendium DaF / DaZ verfolgt das Ziel einer Vertiefung, Aktualisierung und Professionalisierung der Fremdsprachenlehrerausbildung. Der Fokus der Reihe liegt daher auf der Vermittlung von Erkenntnissen aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachlernforschung sowie auf deren Anwendung auf die Sprach- und Kulturvermittlungspraxis. Die weiteren Bände behandeln die Themen Sprachenlernen und Kognition, Kognitive Linguistik, Berufs- und Fachsprachen, Sprachenlehren, Medien, Kultur, Mehrsprachigkeitsforschung, Propädeutik. Durch die thematisch klar abgegrenzten Einzelbände bietet die Reihe ein umfangreiches, strukturiertes Angebot an Inhalten der aktuellen DaF / DaZ-Ausbildung, die über die Reichweite eines Handbuchs weit hinausgehen und daher sowohl in der akademischen Lehre als auch im Rahmen von Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen behandelt werden können. Die Reihe wird daher von (fakultativen) flexibel einsetzbaren Online-Modulen für eine moderne Aus- und Weiterbildung begleitet. Diese Online-Module ergänzen den Stoff der Bücher und enthalten Zusatzlektüre und Zusatzaufgaben (www.multilingua-akademie.de). Das Digitale Lexikon Fremdsprachendidaktik (www.lexikon-mla.de) bietet darüber hinaus Erklärungen der wichtigsten Fachbegriffe und damit einen leichten Zugang zu allen aktuellen Themen der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehr- und -lernforschung. Möglich gemacht wurde die Entwicklung der Inhalte und der Online-Module durch die Förderung des EU Tempus-Projektes Consortium for Modern Language Teacher Education. Neben den hier verzeichneten Autorinnen und Autoren haben eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der editorischen Fertigstellung des Manuskriptes dieses Buches mitgewirkt: Svenja Uth, Julia Bode, Patricia Boos, Eduard Arnhold, Daniel Echter und Kathrin Heyng (Gunter Narr Verlag). Ihnen allen gebührt großer Dank für die geduldige und professionelle Mitarbeit. <?page no="9"?> 9 Warum Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig ist Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Jörg Roche Der Bedarf an solider Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Sprachvermittlung nimmt ständig zu. Immer stärker treten dabei spezialisierte Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Fach- und Berufssprachen, Kompetenzen oder Zielgruppen in den Vordergrund. Theoretisch fundiert sollten die entsprechenden Angebote sein, aber gleichzeitig praxistauglich und praxiserprobt. Genau diese Ziele verfolgen die Buchreihe Kompendium DaF / DaZ und die begleitenden Online-Module. In mehreren Modulen und Bänden soll hiermit eine umfassende Einführung in die Wissenschaft und in die Kunst des Sprachenlernens und Sprachenlehrens gegeben werden, weit weg von fernen Theorie- oder Praxiskonstruktionen und Lehr-Dogmen. Im Mittelpunkt des hier verfolgten Ansatzes steht das, was in den Köpfen der Lerner geschieht oder geschehen sollte. Sachlich, nüchtern, effizient und nachhaltig. Buchreihe und Online-Module sind eine Einladung zur Professionalität eines Bereichs, der die natürlichste Sache der Welt behandelt: den Sprachenerwerb. In diesen Materialien und Kursen werden daher Forschungsergebnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammengetragen und der Nutzen ihrer Synthese für die Optimierung des Sprachenerwerbs und Sprachunterrichts aufgezeigt. Warum Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig ist Wer sich etwas eingehender darum bemüht zu verstehen, welche Rolle die Sprache im weiten Feld des Kontaktes von Kulturen spielt-- oder spielen konnte--, muss von den Gegensätzen, Widersprüchen und Pauschalisierungen, die die Diskussion in Gesellschaft, Politik und Fach bestimmen, vollkommen irritiert sein. Vielleicht lässt sich aus dieser Irritation auch erklären, warum dieser Bereich von so vielen resistenten Mythen, Dogmen und Praktiken dominiert wird, dass das eigentlich notwendige Bemühen um theoretisch fundierte Innovationen kaum zur Geltung kommt. Mangelndes Sprach- und Sprachenbewusstsein besonders in Öffentlichkeit und Politik führen ihrerseits zu einem ganzen Spektrum gegensätzlicher Positionen, die sich schließlich auch bis in die lehrpraktische Ebene massiv auswirken. Dieses Spektrum ist gekennzeichnet durch eine Verkennung der Bedeutung von Sprache im Umgang der Kulturen auf der einen und durch reduktionistische Rezepte für ihre Vermittlung auf der anderen Seite: Die Vorstellung etwa, die Wissenschaften, die Wirtschaft oder der Alltag kämen mit einer Universalsprache wie dem Englischen aus, verkennt die-- übrigens auch empirisch über jeden Zweifel erhabenen- - Realitäten genauso wie die Annahme, durch strukturbasierten Sprachunterricht ließen sich kulturpragmatische Kompetenzen (wie sie etwa für die Integration in eine fremde Gesellschaft nötig wären) einfach vermitteln. Als ineffizient haben sich inzwischen auch solche Verfahren erwiesen, die Mehrsprachigkeit als Sonderfall-- und nicht als Regelfall-- betrachten und daher Methoden empfehlen, die den Spracherwerb vom restlichen Wissen und Leben zu trennen versuchen, also abstrakt und formbasiert zu vermitteln. Der schulische Fremdsprachenunterricht und der Förderunterricht überall auf der Welt tendieren (trotz rühmlicher unterrichtspraktischer, didaktischer, struktureller, konzeptueller <?page no="10"?> 10 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ und bildungspolitischer Ausnahmen und Initiativen) nach wie vor stark zu einer solchen Absonderung: weder werden bisher die natürliche Mehrsprachigkeit des Menschen, die Sprachenökologie, Sprachenorganik und Sprachendynamik noch die Handlungs- und Aufgabenorientierung des Lernens systematisch im Fremdsprachenunterricht genutzt. Stattdessen wird Fremdsprachenunterricht in vielen Gesellschaften auf eine (internationale) Fremdsprache reduziert, zeitlich stark limitiert und nach unterschiedlich kompetenten Standards kanalisiert. Interkulturelle Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung In unserer zunehmend globalisierten Welt gehört die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen zu einem der wichtigsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabenbereiche. Die Globalisierung findet dabei auf verschiedenen Ebenen statt: lokal innerhalb multikultureller oder multikulturell werdender Gesellschaften, regional in multinationalen Institutionen und international in transkontinentalen Verbunden, Weltorganisationen (unter anderem für Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Sport, Banken) und im Cyberspace. Dabei sind all diese Globalisierungsbestrebungen gleichzeitig Teil einer wachsenden Paradoxie. Der Notwendigkeit, die großen sozialen und wirtschaftlichen Probleme wegen der globalen Vernetzung der Ursachen auch global zu lösen, stehen andererseits geradezu reaktionäre Bestrebungen entgegen, der Gefahr des Verlustes der »kulturellen Identität« vorzubauen. Einerseits verlangt oder erzwingt also eine Reduktion wirklicher und relativer Entfernungen und ein Überschreiten von Grenzen ein Zusammenleben und Kommunizieren von Menschen verschiedener Herkunft in bisher nicht gekannter Intensität, andererseits stehen dem Ideal einer multikulturellen Gesellschaft die gleichen Widerstände entgegen, die mit der Schaffung solcher Gesellschaften als überkommen geglaubt galten (Huntington 1997). Erzwungene, oft mit großer militärischer Anstrengung zusammengehaltene multikulturelle Gesellschaften haben ohne Druck keinen Bestand und neigen als Folge des Drucks vielmehr dazu, verschärfte kulturelle Spannungen zu generieren. Auch demokratisch geschaffene multikulturelle Gesellschaften benötigen meist viel Zeit und Energie, um sich aus der Phase der multi-kulturellen Duldung zu inter-kultureller Toleranz und interkulturellem Miteinander zu entwickeln. Die rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und die ethnischen Auseinandersetzungen in Afrika und Asien zeigen, dass es zuweilen gewaltig unter der Oberfläche gesellschaftlicher Toleranz- und Internationalisierungspostulate rumort. Ethnozentrismus, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Rassismus, Diskriminierung, Terrorismus, Bürgerkrieg, Massen- und Völkermord sind durch politisch und wirtschaftlich bewirkten Multikulturalismus nicht verschwunden. Das verbreitete Scheitern von Multikulturalismus-Modellen zeigt, dass ein verordnetes oder aufgezwungenes Nebeneinander von Kulturen ohne Mediationsbemühungen eher Spannungen verstärkt, als nachhaltig Toleranz zu bewirken. Es mangelt an effizienten Verfahren der Vermittlung (Mediation) zwischen Kulturen. Den Sprachen kommt in dem Prozess der Mediation deswegen eine besondere Rolle zu, weil er mit der Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg anfängt und auch nur durch diese am Laufen gehalten wird. Die Sprache kann nicht alle Probleme lösen, aber sie hat eine Schlüsselposition beim Zustandekommen interkulturellen Austauschs, die weit <?page no="11"?> 11 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ über die Beherrschung von Strukturen sprachlicher Systeme hinausgeht. Diese Funktion hat mehr mit Kulturvermittlung als mit strukturellen Eigenschaften sprachlicher Systeme zu tun und sie kann kaum durch eine einzige Lingua Franca erfüllt werden. Das Lernen und Lehren von Sprachen ist in Wirklichkeit eines der wichtigsten politischen Instrumente im Zeitalter der Globalisierung und Internationalisierung. Sprachunterricht und Sprachenlernen werden aber von Lehrkräften und Lernern gleichermaßen oft noch als die Domäne des Grammatikerwerbs und nicht als Zugangsvermittler zu anderen Kulturen behandelt. Wenn kulturelle Aspekte im Fremdsprachenerwerb aber auf die Faktenvermittlung reduziert werden und ansonsten vor allem strukturelle Aspekte der Sprachen in den Vordergrund treten, bleiben wichtige Lern- und Kommunikationspotenziale ungenutzt. Dabei bleibt nicht nur der Bereich des landeskundlichen Wissens unterentwickelt, sondern es wird in erster Linie der Erwerb semantischer, pragmatischer und semiotischer Kompetenzen erheblich eingeschränkt, die für die interkulturelle Kommunikation essentiell sind. Wenn in der heutigen Zeit vordringlich interkulturelle Kompetenzen verlangt werden, dann müssen in Sprachunterricht und Spracherwerb im weiteren Sinne also bevorzugt kulturelle Aspekte der Sprachen und Kommunikation berücksichtigt werden. Dazu bedarf es aber einer größeren Bewusstheit für die kulturelle Bedingtheit von Sprachen und die sprachliche Bedingtheit von Kulturen. Diese müssen sich schließlich in kultursensitiven Lern- und Lehrverfahren manifestieren, die Mehrsprachigkeit nicht nur künstlich rekonstruieren und archivieren wollen, sondern die in Fülle vorhandenen natürlichen Ressourcen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität organisch, dynamisch und effizient zu nutzen wissen. Das Augenmerk der künftigen Lern- und Lehrforschung ist daher verstärkt auf Aspekte der Ökologie und Ökonomie des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements zu richten. Das bedeutet aber, dass die Spracherwerbs- und die Mehrsprachigkeitsforschung sich nicht nur eklektisch wie bisher, sondern systematisch an kognitiven und kultursensitiven Aspekten des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements ausrichten müssen. Diesen Aufgabenbereich zu skizzieren, indem wichtige, dafür geleistete Vorarbeiten vorgestellt werden, ist Ziel dieser Reihe. Interkultureller Fremdsprachenunterricht Als die Forschung begann, sich mit interkulturellen Aspekten in Spracherwerb und Sprachunterricht zu beschäftigen, geschah dies auf der Grundlage bildungspolitischer Zielsetzungen und hermeneutischer Überlegungen. Literarische Gattungen sollten den kommunikativen Trend zur Alltagssprache ausgleichen helfen und damit gleichzeitig frische, auf rezeptionsästhetischen Theorien basierende Impulse für das Fremdverstehen und die Fremdsprachendidaktik liefern (vergleiche Hunfeld 1997; Wierlacher 1987; Krusche & Krechel 1984; Weinrich 1971). Die anfängliche Affinität zu lyrischen Texten weitete sich auf andere Gattungen aus und verjüngte mit dieser Wiederentdeckung der Literatur im Fremdsprachenunterricht gleichzeitig das in den 1980er Jahren bereits zum Establishment gerinnende kommunikative Didaktikparadigma. Man vergleiche die Forderung nach einem expliziten interkulturellen Ansatz von Wylie, Bégué & Bégué (1970) und die bereits frühe Formulierung der konfrontativen Semantik durch Müller-Jacquier (1981). Für die auf Zyklen sozialisierte Zunft der Sprachlehre stand fest: <?page no="12"?> 12 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ das ist eine neue, die vierte Generation der Fremdsprachendidaktik, die interkulturelle, oder zumindest die Version 3.5, die kommunikativ-interkulturelle. Allerdings hat diese Euphorie nicht überall zu einer intensiveren, systematischen Reflexion interkultureller Aspekte in Bezug auf ein besseres Verstehen des Sprachenlernens und eine effizientere Ausrichtung des Sprachenlehrens geführt. Selbst in der Lehrwerksproduktion, deren Halbwertzeitzyklen seitdem immer kürzer werden, ist die Anfangseuphorie vergleichsweise schnell verflogen. Infolge des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen ( GER )-- und bereits seines Vorgängers, des Schwellen-Projektes (threshold level project) des Europarates-- scheinen sich aufgrund der (oft falsch verstandenen) Standardisierungen die starken Vereinheitlichungstendenzen zu einer Didaktik der Generation 3 oder gar 2.5 zurück zu verdichten. Die Aufnahme der Fremdperspektive in Lehrwerken beschränkte und beschränkt sich oft auf oberflächlich vergleichende Beschreibungen fremder kultureller Artefakte, und die Behandlung der Landeskunde unterliegt nach wie vor dem Stigma der vermeintlich mangelnden Unterrichtszeit. Ein kleiner historischer Rückblick auf die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Der Fremdsprachenunterricht ist traditionellerweise vor allem von den bildungspolitischen, pädagogischen, psychologischen und soziologischen Vorstellungen der entsprechenden Epoche und ihren gesellschaftlichen Trends beeinflusst worden. Diese Aspekte überschreiben im Endeffekt auch alle sporadischen Versuche, den Fremdsprachenunterricht an sprachwissenschaftlichen oder erwerbslinguistischen Erkenntnissen auszurichten. So verdankt die Grammatik-Übersetzungsmethode ihre Langlebigkeit den verbreiteten, aber empirisch nicht begründeten Vorstellungen von der Steuerbarkeit des Lerners, der Autorität des Inputs und der Bedeutung elitärer Bildungsziele. Mit den audio-lingualen und audio-visuellen Methoden setzt eine Ent-Elitarisierung und Veralltäglichung des Sprachenlernens ein. Die vorwiegend mit Alltagssprache operierenden Methoden sind direkte, wenn auch reduzierte Abbildungen behavioristischer Lernmodelle und militärischer Bedürfnisse ihrer Zeit. Der kommunikative Ansatz schließlich ist von den Demokratisierungsbestrebungen der Gesellschaften bestimmt. Sein wichtigstes Lernziel, die kommunikative Kompetenz, ist dem soziologischen Ansatz der Frankfurter Schule entlehnt (Habermas 1981). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen stellt zwar keinen neuen didaktischen Ansatz dar, bildet aber über seine Ausrichtung auf den pragmatischen und utilitaristischen Bedarf eines zusammenwachsenden und mobilen europäischen Arbeitsmarktes den Zeitgeist des politisch und wirtschaftlich gewollten Einigungsprozesses in Europa ab und wirkt daher paradigmenbildend und auf den Unterricht stärker standardsetzend als alle didaktischen Ansätze zuvor. Er weist deutliche Parallelen zu den Proficiency-Guidelines des American Council of Teachers of Foreign Languages ( ACTFL ) auf, die ihrerseits-- wie bereits die audiolinguale Methode-- stark von den Bedürfnissen der Sprachschulen des US -Militärs beeinflusst wurden. Eine erwerbslinguistische oder stringente sprachwissenschaftliche Basis weist er nicht auf. Typisch für die zeitlichen Strömungen sind konsequenterweise auch all die Methoden, die in der Beliebigkeit des Mainstreams keine oder nur geringe Berücksichtigung finden können. Diese alternati- <?page no="13"?> 13 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ ven Methoden oder Randmethoden wie die Suggestopadie, Total Physical Response, Silent Way oder Community (Language Learning) Approach reflektieren die Suche des Sprachunterrichts nach zeitgemäßen Verfahren, die vor allem die vernachlässigte Innerlichkeit der Gesellschaft ansprechen oder die Kritik an ihrem Fortschrittsglauben ausdrücken sollen. Die gefühlte Wahrheit der Methoden bei gleichzeitigem Mangel an wissenschaftlich-kritischer Überprüfung der Annahmen ergibt ein inkohärentes Bild der Fremdsprachendidaktik und -methodik, das zwangsläufig zu vielen Widersprüchen, Rückschritten und Frustrationen führen muss. Die rasante Abkehr von der Sprachlerntechnologie der 60er und 70er Jahre, das Austrocknen der alternativen Methoden, die Rückentwicklung der kommunikativen Didaktik oder die neo-behavioristischen Erscheinungen der kommerziellen Sprachsoftware gehören zu den Symptomen dieses Dilemmas. Die anhaltende unreflektierte Verbreitung eklektischer Übungsformen der Grammatik-Übersetzungsmethode oder des Pattern Drills in Unterricht und Lehrmaterial illustriert, wie wenig nachhaltig offenbar die Bemühungen um eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte kommunikative Didaktik waren. Mit dem Auftauchen der interkulturellen Sprachdidaktik und der »vierten Generation von Lehrwerken« (Neuner & Hunfeld 1993) schien sich eine Veränderung gegenüber den Referenzdisziplinen anzubahnen. Zunehmende Migration und Globalisierungstendenzen machten eine entsprechende Öffnung nötig. Aber auch diese anfänglichen Bestrebungen haben sich in der Breite des Lehrmaterials und des Sprachunterrichts genauso wenig durchgesetzt wie wissenschaftlich fundierte Modelle von Grammatik und Sprache. Stattdessen beschäftigt sich die Unterrichtsmethodik geradezu aktionistisch mit temporären Neuerungen (wie den neuen Medien, dem Referenzrahmen, der farbigen Darstellung grammatischer Phänomene) oder Wiedererfindungen bekannter Aspekte (wie dem Inhaltsbezug oder der Diskussion der Bedeutung mündlicher Texte), ohne sich ernsthaft mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Didaktik zu beschäftigen. Ein kurzer Rückblick auf die Vorschläge von Comenius zum inhaltsbezogenen Lernen aus dem 17. Jahrhundert etwa oder der Sprachreformer früherer Jahrhunderte sowie die Modelle aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts würde der neueren Diskussion des Content and Language Integrated Learning ( CLIL ) eine erhellende Perspektive bieten. Comenius hält unter Bezug auf einen christlichen Gelehrten bereits 1623 fest: Die Kenntnis einer Sprache mache noch keinen Weisen, sie diene lediglich dazu, uns mit den anderen Bewohnern der Erdoberfläche, lebenden und toten, zu verständigen; und darum sei auch derjenige, welcher viele Sprachen spreche, noch kein Gelehrter, wenn er nicht zugleich auch andere nützliche Dinge erlernt habe. (Comenius 1970: 269) Dabei verbindet Comenius bereits die Prozesse des Spracherwerbs und der allgemeinen Maturation (der Vision und des Intellekts des Kindes) und nimmt damit Jean Piagets Modell der kognitiven Entwicklung sowie die in der Spracherwerbsforschung etablierten, kognitive Entwicklungsphasen repräsentierenden Konzepte der Erwerbssequenzen vorweg. Darüber hinaus produzierte er bereits ein Lehrbuch (Orbis sensualium pictus), in dem er systematisch die Verwendung visueller Materialien beim Sprachenlernen und -lehren bedachte (Comenius 1981). Auch die Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext der industriellen und sozialen Umwälzungen entstandene, bildungspolitisch und methodisch motivierte Reformbewegung des <?page no="14"?> 14 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Fremdsprachenunterrichts bildet zwar eine didaktische Brücke zwischen den Arbeiten von Comenius und den Elementen des inhaltsbezogenen und handlungsorientierten Lernens moderner didaktischer Ansätze, verfolgt jedoch keine wissenschaftlichen Ziele. Ihr geht es vielmehr darum: Fremdsprachen jedem zugänglich zu machen, anstatt sie einer exklusiven Elite vorzubehalten, den Fremdsprachenunterricht weit über den Unterricht klassischer Literatur hinaus zu erweitern, indem Inhalte des Alltags- und Berufslebens sowie schulischer Fächer in den Fremdsprachenunterricht aufgenommen werden sollten, zum Beispiel in verschiedenen Verfahren des immersiven Lernens. Mitbegründer oder Anhänger dieser Bewegung wie Jesperson (1922), Passy (1899), Sweet (1899), Gouin (1892), Berlitz (1887), Viëtor (1882) prägten die Reformbewegung mit unterschiedlichen auf die Praxis ausgerichteten Ideen, Modellen und Unterrichtsverfahren. In seiner einflussreichen Einführung benennt Stern (1983) diese Phase wie folgt: The last decades of the nineteenth century witnessed a determined effort in many countries of the Western world (a) to bring modern foreign languages into the school and university curriculum on their own terms, (b) to emancipate modern languages more and more from the comparison with the classics, and (c) to reform the methods of language teaching in a decisive way. (Stern 1983: 98) Verschiedene Methoden sind in den 20er Jahren (bis in die 40er Jahre) des 20. Jahrhunderts als »praktische Antworten« auf die vorangehende Diskussion entwickelt worden: darunter die vermittelnde Methode (England), die Lesemethode (England) und BASIC English (British/ American / Scientific / International / Commercial), ein Versuch, das Sprachenlernen zu vereinfachen und zu rationalisieren. Mit diesen Methoden beginnen die ersten Ansätze, das Unterrichtsgeschehen, die sprachliche Basis, das Testen von Fertigkeiten und das Lern- und Lehrverhalten mittels verschiedener Pilotstudien systematisch zu untersuchen (unter anderem die Modern Foreign Language Study der American and Canadian Committees on Modern Languages 1924-1928, siehe Bagster-Collins, Werner & Woody 1930). Dieser Trend wurde in den 40er und 50er Jahren mit der Profilierung der Linguistik noch intensiviert. Hierzu gehören Schlüsselereignisse wie die Veröffentlichung von Psycholinguistics: A Survey of Theory and Research Problems, herausgegeben von Osgood, Sebeok, Gardner, Carroll, Newmark, Ervin, Saporta, Greenberg, Walker, Jenkins, Wilson & Lounsbury (1954), Verbal Behavior von Skinner (1957) und Lados erste systematische Erfassung der kontrastiven Linguistik Linguistics across Cultures: Applied Linguistics for Language Teachers (1957). The American Army Method, deren Errungenschaften später heiß umstritten waren, versuchte nachzuweisen, dass Sprachunterricht auch ohne die traditionellen schulartigen Methoden und mit wesentlich größeren Gruppen und in kürzerer Zeit effizient durchgeführt werden kann. Als Folge der behavioristischen Ideologie wurden besonders in den USA die audiolingualen und in Frankreich die audiovisuellen Lehrverfahren entwickelt, die lange Zeit den Sprachunterricht dominierten und unter anderem auch dem Vormarsch der Sprachlabortechnologie Vorschub leisteten und- - trotz gegenteiliger empirischer Evidenz-- bis heute dem konditionierenden Einsatz elektronischer Medien zugrunde liegen (zum Beispiel in Programmen wie Rosetta Stone oder Tell me more). Die stetige Zunahme von linguistischen Studien und die Begründung der Psycholinguistik als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet leisteten später einen wesentlichen Beitrag zur <?page no="15"?> 15 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Identifizierung der aus den Methoden der behavioristischen Verhaltensformung entstehenden Probleme des Spracherwerbs (zum Beispiel Rivers einflussreiches Buch The Psychologist and the Foreign Language Teacher 1964). Als Folge der zunehmenden Kritik an den intuitiven Methoden gewann schließlich das kognitive Lernen-- bis heute weitgehend als das regelgeleitete, systematische Lernen missverstanden-- in der Diskussion um angemessene Ansätze an Gewicht. Chomskys nativistische Theorie auf der einen Seite und soziolinguistische und pragmalinguistische Strömungen auf der anderen haben im Anschluss daran vor allem die Erwerbsforschung und die Entwicklung neuer methodischer Verfahren geprägt. Chomskys Ausgangshypothese zufolge haben Kinder eine angeborene Fähigkeit der Sprachbildung (in der Muttersprache, L1). Wenn Kinder zum ersten Mal die Sprache hören, setzten allgemeine Prinzipien der Spracherkennung und Sprachproduktion ein, die zusammen das ergäben, was Chomsky den Language Acquisition Device ( LAD ) nennt. Der LAD steuere die Wahrnehmung der gehörten Sprache und stelle sicher, dass das Kind die entsprechenden Regeln ableite, die die Grammatik der gehörten Sprache bildeten. Dabei bestimmten Verallgemeinerungen, wie die Sätze in der entsprechenden Sprache zu bilden seien. Im Zweitsprachenerwerb werde die Reichweite des LAD einfach auf die neue Sprache ausgedehnt. Nativistische Theorien des Spracherwerbs haben jedoch wenig Einfluss auf die Entwicklung von Erwerbs- und Unterrichtskonzepten für Fremdsprachen gehabt. Den stärksten Einfluss haben sie in der Erforschung und Formulierung von Erwerbssequenzen ausgeübt. In deutlichem Kontrast dazu haben sich seit den 1970er Jahren parallel verschiedene Forschungsrichtungen ausgebildet, die sich an die Valenzgrammatik, die Pragmalinguistik (Sprechakttheorie, Diskursanalyse), die funktionale Linguistik, die Textlinguistik und die Psycholinguistik und andere Kognitionswissenschaften anlehnen. Mit wenigen Ausnahmen ist es aber auch dieser Forschung nicht gelungen, nachhaltig auf die Lehr- und Lernpraxis einzuwirken. Unter den Versuchen einer systematischen Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung von Lehrmaterial und Lehrverfahren sind die folgenden zu nennen: ▶ ein kurzlebiger Versuch, die Valenzgrammatik als Grundlage einer didaktischen Grammatik einzuführen (zum Beispiel das DaF-Lehrwerk Deutsch Aktiv) ▶ die eklektische Nutzung von Elementen der pragmatischen Erwerbsforschung in der Lehrwerksproduktion (siehe die DaF-Lehrwerke Tangram, Schritte international) ▶ die Berücksichtigung von Aspekten der Interkomprehensionsdidaktik in Lehransätzen ( EUROCOMM ) ▶ die Gestaltung des Sprachunterrichts nach handlungstheoretischen und konstruktivistischen Prinzipien (Szenariendidaktik, fallbasiertes Lernen, Fachsprachenunterricht). Fremdsprachenunterricht wird verbreitet noch als Domäne des Einzelerwerbs betrachtet. Die systematische Nutzung von Kenntnissen der Vorsprachen beim Erwerb weiterer Sprachen wird bisher nur ansatzweise bedacht und bearbeitet. In Begriffen wie Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch nach Englisch oder Interkomprehensionsdidaktik zeigen sich die Vorboten einer neuen Generation der Fremdsprachendidaktik, deren Grundlagen jedoch noch zu erarbeiten sind, wenn sie nicht bei kontrastiven Vergleichen verharren will. <?page no="16"?> 16 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Zur kognitiven Ausrichtung Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert-- und darum geht es in dieser Buchreihe-- sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale während der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Referenzdisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters ihrer Methoden nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Die kognitive Linguistik, die Psycholinguistik, die Neurolinguistik, die kognitiv ausgerichteten Kulturwissenschaften sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Sie sollen in den Bänden dieser Reihe soweit zum Tragen kommen, wie das nur möglich ist. Bei jedem Band stehen daher die Prozesse in den Köpfen der Lerner im Mittelpunkt der Betrachtung. <?page no="17"?> 17 Zur kognitiven Ausrichtung 1. Curriculum-Design Enik ő Öveges Guter Unterricht ergibt sich nicht aus zufälligen Ereignissen, auch wenn die Zusammensetzung einer Klasse, die Talente und Erfahrungen der Lehrkraft und vieles mehr immer einen Einfluss auf den gelingenden Unterricht haben. Guter Unterricht will aber auch gut geplant, gut vorbereitet, mit messbaren Erfolgen umgesetzt sein und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den Herausforderungen einer guten Unterrichtspraxis, die sich in den Begriffen der Unterrichtsentwicklung und des Unterrichtsmanagements fassen lässt. Hierzu gehören Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen bietet dafür den am weitesten verbreiteten Qualitätsrahmen. Deshalb wird er hier in seiner langjährigen Version, die immer wieder modifiziert wird, präsentiert. Hieraus lassen sich Indikatoren für die Fertigkeits- und Kompetenzbereiche ableiten, die inzwischen weitestgehend die Struktur von Lehrplänen und Lehrmaterialien bestimmen und Einstufungs-, Diagnose- und Leistungstests zugrunde liegen. Fairerweise muss gesagt werden, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen mit all seinen Derivaten trotz seiner weiten Verbreitung durchaus umstritten ist, denn es fehlt an der wissenschaftlichen Validierung. Zu einem guten Unterricht gehört daher auch die Kenntnis und Anwendung von Prinzipien des Sprachenerwerbs. Solche Prinzipien sind in unterschiedliche Qualitätsrahmen eingegangen und liegen auch einem Qualitätsmanagementverfahren zugrunde, das im Rahmen eines deutsch-ungarischen Qualitätsentwicklungsprojektes entwickelt und erprobt worden ist. Dieses Verfahren wurde über verschiedene Managementinstrumente wie Checklisten, Portfolios, Unterlagen für die Unterrichtsplanung und das Design von Curricula sowie Rahmenpläne operationalisiert und wird in diesem Band ebenso dargestellt und bearbeitet wie deren Grundlagen. Wenn sich die Grundlagen von Unterricht und seine Durchführung grundlegend im Sinne eines systematischen Managements ändern, dann hat das konkrete Auswirkungen auf die Unterrichtsplanung, an der in der einen oder anderen Weise nicht nur die Lehrkräfte, sondern alle weiteren Akteure beteiligt sind und meist in Teams arbeiten. Sie benötigen dafür besondere Lehr- und Managementkompetenzen, die über eine entsprechend ausgerichtete Lehreraus- und -weiterbildung vermittelt werden müssen. Auch diese Aspekte werden in diesem Band ausführlich behandelt. Ziel dieses Bandes ist es also, Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer für ein systematisches Management des Unterrichts zu sensibilisieren und sie mit allen dafür nötigen und bewährten Instrumenten auszustatten. Sorgfältige Planung ist einer der wichtigsten Aspekte für den Erfolg des Sprachenunterrichts. Sprachenlehrer und -lehrerinnen müssen vor Beginn und im Verlauf ihrer Karriere viele Entscheidungen auf der Makro- und der Mikroebene treffen. Ihre unmittelbaren Entscheidungen (etwa zu Unterrichtsaktivitäten, verwendeten Textsorten etc.) treffen sie auf der Grundlage längerfristig ausgerichteter Entscheidungen (wie Ziele, Setting, Beurteilung etc.), wobei diese Entscheidungen wiederum von ihrem Ansatz für den Sprachenunterricht, von ihrem theoretischen und praktischen Wissen und von ihren Erfahrungen bestimmt werden. In diesem Kapitel haben Sie die Möglichkeit Ihren Entscheidungshorizont zu erweitern, indem <?page no="18"?> 18 1. Curriculum-Design Sie sich mit Theorien und Praxisbeispielen beschäftigen, die Sie je nach Bedarf in die Überlegungen einer professionellen Unterrichtsplanung einfließen lassen können. Der theoretische Hintergrund fokussiert den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ( GER ) (Europarat 2001), dessen Grundkonzepte und deren praktische Umsetzung im Sprachenunterricht umfassend vorgestellt werden. Die letzte Einheit in diesem Kapitel ergänzt die ersten beiden im Hinblick auf die weitere Konzipierung des Sprachplanungsprozesses mit einer Übersicht zur Theorie des Curriculum- und Lehrplan-Designs. Außerdem stellen wir Ihnen mit der Umsetzung des Kerncurriculums in Ungarn ein konkretes Anwendungsbeispiel vor. 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen Diese Lerneinheit befasst sich mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als grundlegendem Planungsdokument für den Sprachenunterricht. Wenn Sie sich mit seinen Grundkonzepten und seiner Philosophie auseinandersetzen, erhalten Sie als angehender Sprachenlehrer oder angehende Sprachenlehrerin eine theoretische Fundierung, anhand derer Sie ihre Planungsentscheidungen treffen können. Diese Einheit enthält einen kurzen Rückblick auf die Geschichte der einflussreichsten europäischen Veröffentlichung zur Sprachenausbildung, erklärt ihre Ziele und geht auf ihre wichtigsten Merkmale ein. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Sprachverwendungsmodell, das in diesem Dokument beschrieben wird, auf den sechs Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens sowie auf den etablierten Deskriptoren und Skalen. Ein weiterer Abschnitt widmet sich dem Europäischen Sprachenportfolio und dient als eine Orientierungshilfe für die eigene Selbsteinschätzung sowie für die Einweisung anderer in die Nutzung von Selbsteinschätzungsintrumenten. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, seine Ziele, seinen Ansatz und seine zentralen Merkmale skizzieren können; ▶ verstehen können, wie mithilfe des Kompetenzniveau-Systems des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die Sprachkompetenz beschrieben wird; ▶ das System der kommunikativen Sprachaktivitäten und -strategien sowie Sprachverwendungskontexte, Kommunikationsmotive, kommunikative Aufgaben und Sprachprozesse beschreiben können, die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen eingeführt werden und auf diesen aufbauen; ▶ die europäischen Ansätze zum Sprachenunterricht sowie ihre Umsetzung erläutern können; ▶ Ihren eigenen Unterricht besser planen können; ▶ die Rolle des Europäischen Sprachenportfolios und die Selbsteinschätzung erklären können. <?page no="19"?> 19 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen 1.1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Ziele Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) wurde zwischen 1993 und 1996 entwickelt und vom Europarat (Abteilung Sprachenpolitik) veröffentlicht. Er wurde um eine Anleitung ergänzt, um die speziellen Anwendergruppen aus dem Berufsfeld der Sprachenlehre bei der Nutzung des Dokuments zu unterstützen (Bailly, Devitt, Gremmo, Heyworth, Hopkins, Jones, Makosch, Riley, Stoks & Trim 2003). Für Sprachenlehrer- und lehrerinnen enthält Kapitel 3 im ergänzenden Handbuch (Guidance to teachers and learners) die relevantesten Informationen, aber die anderen Sektionen sind ebenfalls hilfreich für ihre Arbeit. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen ist kein Grundsatzdokument, sondern eher eine Sammlung von Leitlinien, die alle Aspekte des Sprachunterrichts behandeln und reflektieren. Dadurch wird eine gemeinsame Basis zur Verbesserung der Gestaltung der Sprachpolitik auf der nationalen Ebene geschaffen. Wie der Name andeutet, ist das Dokument ein Referenzrahmen, der adaptiert und vervollständigt werden muss, damit er zum jeweiligen Unterrichtskontext passt. Mehrere Faktoren haben ihn notwendig gemacht, wie etwa (1) das wachsende Bedürfnis nach internationaler Kommunikation aufgrund der größeren Bedeutung persönlicher und professioneller Mobilität, (2) die rapide Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien, die ein rasches Übersetzen und Verständnis der Inhalte erforderlich macht und (3) die steigende Wichtigkeit des gegenseitigen Verständnisses und der Toleranz. North (2007) resümiert, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen drei allgemeine Ziele verfolgt. Zunächst ging es um die Entwicklung einer Meta-Sprache, die in allen Bildungskontexten über nationale und sprachliche Grenzen hinweg angewandt werden kann, um Lernziele und die Sprachkompetenzstufen zu diskutieren. Dadurch konnten klare Leitlinien zur erwarteten Sprachleistung formuliert werden sowie zu ihrer Erbringung. Das zweite Ziel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens bestand darin, den Lehrkräften im Bereich Sprachunterricht die Reflexion über ihre alltägliche Lehrpraxis zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen. Drittens formulierte das Dokument gemeinsame Referenzpunkte zur Beschreibung und Anwendung des Ansatzes, die in der Abteilung für Sprachenpolitik des Europarats entwickelt wurden. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen hat zur Etablierung eines kompetenzorientierten Referenzrahmens beigetragen und damit unseren Blick auf das Sprachenlernen und auf den Sprachenunterricht als komplexe und dynamische Systeme verändert. Er ist im Grunde ein Planungsdokument mit einem deskriptiven, das heißt nicht-normativen Rahmen für die Gestaltung des Sprachenunterrichts. Sein Ziel ist die Verbesserung der Vereinheitlichung bei gleichzeitiger Wahrung der nationalen Vielfalt. Die Publikation nimmt eine Vielzahl von Lern- und Lehrmethoden als Grundlage, die vor dem Hintergrund der jeweils relevanten theoretischen Ansätze reflektiert und erläutert werden. Ein wichtiges Ziel war die Entwicklung eines transparenten und einheitlichen Systems, das auf verschiedene Nutzergruppen, Bedürfnisse und Umstände anwendbar ist (multifunktional). Diese Ziele werden durch den offenen, dynamischen und nicht dogmatischen Umgang mit den verschiedenen Aspekten erreicht: Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen wurde ohne unnötige Kom- <?page no="20"?> 20 1. Curriculum-Design plexität oder die disproportionale Nutzung von Jargon formuliert (nutzerfreundlich). Abgesehen davon, dass er als Basis für nationale bildungspolitische Entscheidungen dient, wirkt sich der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen auch direkt auf den Unterricht aus. Er verlegt den Schwerpunkt von Noten auf Fähigkeiten und Können, hilft Lehrkräften und Lernern dabei, sich zu orientieren und realistische Ziele zu setzen; und er ermöglicht ein gemeinsames Verständnis, auf das sich der Prozess des Lehrens / Lernens stützen kann. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen fördert Plurilingualismus und verfolgt einen handlungs- und kompetenzorientierten Ansatz. Plurilingualismus geht über die Mehrsprachigkeit hinaus: Das Konzept meint nicht nur, dass mehrere Sprachen in einem speziellen Setting angeboten werden und dass Spracherwerb von mehr als einer Fremdsprache unterstützt wird, sondern betont auch, dass der Spracherwerb kein klar abgegrenzter Prozess ist, sondern in Verbindung mit den gemachten Erfahrungen und dem erworbenen Wissen geschieht. Dieser Ansatz findet sich im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen wieder: Die Sprachvermittlung sollte sich nicht das Ziel der Annäherung an das ideale Erstsprachensprecher-Modell setzen. Vielmehr sollten komplexere kommunikative Fähigkeiten gefördert werden, mit denen es den Lernern gelingt, die passenden sprachlichen Mittel in einem gegebenen Kontext einzusetzen. Im handlungs- und kompetenzorientierten Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen sind Sprachverwender und -verwenderinnen und Sprachenlerner soziale Akteure, die Aufgaben erfüllen und dafür passende Strategien aktivieren, an Sprachaktivitäten und Sprachprozessen teilnehmen, um Texte zu Themen aus bestimmten Bereichen zu erzeugen und zu empfangen. Sie greifen dafür auf ihr Kompetenzspektrum zurück, das sich wiederum aufgrund der Leistung verbessert. 1.1.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Kompetenzniveaus und Skalen Eines der Hauptziele des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen ist die Definition eines Kompetenzstufen-Systems, um Vergleiche zwischen verschiedenen Klassifikationen von Qualifikationen zu ermöglichen. Das Dokument stellt einen Rahmen mit sechs gemeinsamen und umfassenden Kompetenzniveaus vor. Die Stufen heißen Einstieg, Grundlagen, Mittelstufe, Gute Mittelstufe, Fortgeschrittene Kenntnisse, Exzellente Kenntnisse und sind insgesamt auf die klassische Unterscheidung zwischen Grundkenntnissen, Mittelstufe und Fortgeschrittenenstufe zurückzuführen (siehe Tabelle 1.1). Klassische Kompetenzstufen Kompetenzniveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen Grundkenntnisse A1 Einstieg A2 Grundlagen Mittelstufe B1 Mittelstufe B2 Gute Mittelstufe Fortgeschrittenenstufe C1 Fortgeschrittene Kenntnisse C2 Exzellente Kenntnisse Tabelle 1.1: Sprachkompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001: 33 ff) <?page no="21"?> 21 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen Die Kompetenzniveaus werden in summativen Skalierungstabellen mit Deskriptoren in verschiedenen Versionen für unterschiedliche Zwecke beschrieben. Die erste Tabelle im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen dient mit ihren holistischen Beschreibungen der einzelnen Gruppen als Orientierungsrahmen. Neben Tabellen mit Kurzzusammenfassungen der Erwartungen an das Sprachverständnis und an die Sprachproduktion der Lerner gibt es anschauliche Skalen für die Selbsteinschätzung nach einem kompetenzorientierten Ansatz sowie für die Beurteilung der Sprachkompetenz in Bezug auf den Umfang lexikalischer und grammatischer Ressourcen (Spektrum), die Korrektheit, die Flüssigkeit, die Interaktion und die Kohärenz. Diese Deskriptoren liegen in Form von Kann-Beschreibungen vor und jedes Kompetenzniveau greift die Fähigkeiten der darunterliegenden Stufe in der Skala mit auf. Die sechsstufige Struktur bietet Raum für die Erweiterung mit Zwischenstufen (A2+, B1+, B2+) und ermöglicht so eine weitere Differenzierung innerhalb der Gruppen. Die Unterscheidung zwischen den Kriterien auf jeder Stufe und den entsprechenden Plusstufen (besser als die Anforderungen an die entsprechende Gruppe, aber erfüllt noch nicht die der Folgegruppe) wird durch eine horizontale Linie in den Tabellen markiert. Die Referenzstufen können für die jeweiligen Unterrichtskontexte auf verschiedene Weisen und mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad verwendet werden. Mit ihnen werden Transparenz und Kohärenz in der Planung und Umsetzung, sowie Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Bewertung gewährleistet. 1.1.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Sprachverwendungsmodell In Kapitel 4 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens finden Sie eine Art Checkliste mit Parametern und Kategorien, die definieren, was Sprachenlerner wissen sollten, um zu kompetenten Sprachverwendern und -verwenderinnen zu werden. Alle in diesen Prozess involvierten Akteure können diese Liste einsehen und verwenden: Lehrer und Lehrerinnen, Lerner, Kursdesigner, Lehrbuchautoren und -autorinnen oder Prüfer und Prüferinnen. Die Anleitungen in den verschiedenen Bereichen bilden kein festgelegtes „Menü“, sondern eine Grundlage für weitere und bedarfsorientierte Entscheidungen auf der Basis der Expertise von Lehrkräften, für die Beurteilung der Lehr-/ Lernsituation (Bedürfnisse, Motivationen, Merkmale, Ressourcen der Lerner und anderer Interessengruppen) und nicht zuletzt nach eigenem Ermessen. Sie können direkt mit der Planung beginnen, indem Sie die Antworten auf die relevanten Fragen in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Bereichen ausarbeiten. Die Fragen können zum Beispiel lauten: ▶ Bedürfnisse: Welche Aufgaben sollen meine Lerner erfüllen? Mit welchen Themen müssen sie sich auseinandersetzen? ▶ Motivationen: Warum möchten meine Lerner Englisch lernen? ▶ Merkmale, Ressourcen: Wie steht es um die Fähigkeit zum Spracherwerb meiner Lerner? Welche Vorstellungen haben sie vom Sprachenlernen? Eine wichtige Frage, die immer wieder gestellt werden sollte, lautet: „Wofür kann ich die Verantwortung übernehmen? “, da sie den Zuständigkeitsbereich des Sprachenlehrers oder der Sprachlehrerin genau umreißt. Das regt zu Vorabüberlegungen darüber an, worauf sich <?page no="22"?> 22 1. Curriculum-Design Lehrkräfte vorbereiten und welche Ziele sie sich setzen können. Gleichzeitig wird ersichtlich, dass die Planung für die tatsächliche Lehr-/ Lernsituation ausgewählt, strukturiert und angepasst werden muss. Insofern strebt der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen einen lernerzentrierten Ansatz zum Sprachenunterricht an und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Abkehr von inputzentrierten Ansätzen hin zu prozessbasiertem und kompetenzorientiertem, interkulturellem Spracherwerb. Zur verwendeten Sprache gehören auch der Kontext, die Kommunikationsthemen, die kommunikativen Aufgaben und Zwecke, Sprachaktivitäten und -strategien, Sprachprozesse und die verwendeten Texte. Als Unterebenen des Sprachgebrauchsmodells des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens können kommunikative Sprachaktivitäten und -strategien in fünf Gruppen unterteilt werden: produktive, rezeptive, interaktive, sprachmittelnde und nonverbale Kommunikation. Die Sprachverwendung wird als die absichtsvolle Kommunikation von Bedeutung definiert, damit die Lerner ihre Ziele erreichen können. Der kommunikative, aufgabenbasierte Ansatz führt zu einem effektiveren Lehr-/ Lernprozess. Sprachverwendung hängt von den Merkmalen und den Gegebenheiten des Kontextes ab, in dem sie stattfindet. Die wesentlichen externen Elemente der Kontextparameter in Bezug auf Bereiche, Situationen, Bedingungen und Einschränkungen haben wir nachfolgend in Tabelle 1.2 zusammengefasst. Die Berücksichtigung der darin genannten Elemente in Verbindung mit der eigenen Sprachlernerfahrung kann Sprachenlehrern dabei helfen, die Bedürfnisse der Lerner besser wahrzunehmen und ihre Planung entsprechend anzupassen. Externe Kontextaspekte Beispiele, Erläuterungen Bereiche: Handlungssphären oder Problembereiche Persönlich Zum Vergnügen lesen, Tagebuch schreiben Öffentlich Als Mitglied einer Organisation handeln Beruflich Einen Beruf ausüben: berufliche Literatur lesen, Informationen aus dem Berufsfeld präsentieren Bildung An organisiertem Lernen teilnehmen: eine Aufgabe lösen, sich auf eine Prüfung vorbereiten Situationen können beschrieben werden in Form von Ort, Zeit Wann und wo etwas geschieht Institutionen, Organisationen Kontrollstruktur und Prozeduren Beteiligte Personen Ihre sozialen Rollen in ihrer Beziehung zu dem Sprachverwender oder der Sprachverwenderin Objekte Lebendige oder nichtlebendige in der Umgebung Ereignisse Die währenddessen stattfinden Tätigkeiten Die von den beteiligten Personen durchgeführt werden Texte Die in der Situation vorkommen <?page no="23"?> 23 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen Externe Kontextaspekte Beispiele, Erläuterungen Bedingungen und Einschränkungen Körperliche Verfassung Sprechen: Klarheit der Aussprache, Störungen … Schreiben: mangelhafte Kopie einer Drucksache … Soziale Verhältnisse Soziale Beziehungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen untereinander … Druck Zeit: vorgegebenes Zeitlimit … Sonstige: stresserzeugende Situationen … Tabelle 1.2: Externe Kontextaspekte auf Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001: 52 ff) Neben den externen Faktoren gibt es andere wichtige Parameter, die die Sprachverwendung beeinflussen. Sie beziehen sich auf den mentalen Kontext des Lerners, der die oben genannten Elemente interpretiert und filtert. Zu diesen internen Überlegungen gehören die Intentionen des Lerners, Gedankengänge, Erwartungen, Reflexionen, Bedürfnisse, Tatkraft, Motivationen, Interessen oder seine Geisteshaltung, auf die kognitive und affektive Prozesse einwirken können (etwa Gedächtnis, Wissen) und vor allem Vorwissen, Werte und Überzeugungen. Auch der mentale Kontext des Gesprächspartners prägt die Sprachverwendung. Denken Sie daran, dass der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen erwachsene Lerner fokussiert; deshalb müssen Aspekte wie die Themen und die Textsorten für die tatsächliche Zielgruppe angepasst werden (zum Beispiel für Schüler). Die Themen, die in den verschiedenen Diskursformen abgedeckt werden, heißen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Kommunikationsthemen. Das nachfolgende Beispiel in Tabelle 1.3 wurden aus dem Werk Mittelstufe übersetzt (Ek & Trim 1990), die Klassifikation umfasst Thema, Unterthemen und Vorstellungen (Notionen). Thema Unterthemen Notionen Freizeit und Unterhaltung Sport 1. Orte: Feld, Gelände, Stadion 2. Institutionen und Organisationen: Sportart, Team, Club 3. Personen: Spieler 4. Objekte: Karten, Ball 5. Ereignisse: Rennen, Spiel 6. Tätigkeiten: zuschauen, spielen (+ Name der Sportart), um die Wette rennen, gewinnen, verlieren, unentschieden spielen Tabelle 1.3: Beispiel für ein Kommunikationsthema, übersetzt aus dem Werk Mittelstufe (Ek & Trim 1990: 67 ff) 1.1.4 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Deskriptoren Abgesehen von den Sprachkompetenzniveaus sind die wahrscheinlich bekanntesten Teile des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die anschaulichen Skalen mit den Kann-Beschreibungen für bestimmte verbale Sprachaktivitäten und -strategien, die gemäß den sechs allgemeinen Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens unterteilt sind. In der nachfolgenden Tabelle erhalten Sie einen Überblick über die Aktivitäten und Strategien, die zu den Subskalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens gehören. <?page no="24"?> 24 1. Curriculum-Design Kommunikative Fähigkeiten Untergeordnete Sprachlernaktivitäten Untergeordnete Sprachlernstrategien Produktiv Sprechen Mündliche Produktion allgemein Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren (z. B. in einer Debatte) Öffentliche Ankündigungen / Durchsagen machen Vor Publikum sprechen Planung Kompensation Planung und Reparaturhandlungen Schreiben Schriftliche Produktion allgemein Kreatives Schreiben Berichte und Aufsätze schreiben Rezeptiv Hören Hörverstehen allgemein Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen Als Zuschauer / Zuhörer im Publikum verstehen Ankündigungen, Durchsagen und Anweisungen verstehen Radiosendungen und Tonaufnahmen verstehen Absichten verstehen und Schlussfolgerungen ziehen Lesen Leseverstehen allgemein Korrespondenz lesen und verstehen Zur Orientierung lesen Information und Argumentation verstehen Anleitungen lesen Audiovisuelle Rezeption Filme und Fernsehsendungen ansehen Interaktiv Gesprochen Mündliche Interaktion allgemein Muttersprachliche Gesprächspartner verstehen Konversation Informelle Diskussion (unter Freunden) Formelle Diskussion und Besprechungen Zielorientierte Kooperation Transaktionen: Dienstleistungsgespräche Informationsaustausch Interviewgespräche Das Wort ergreifen Kooperieren Um Klärung bitten Geschrieben Schriftliche Interaktion allgemein Schriftverkehr Notizen, Nachrichten und Formulare Sprachmittlung Mündlich Zum Beispiel Simultandolmetschen Zum Beispiel Verfeinern durch Heranziehen von Wörterbüchern Schriftlich Zum Beispiel literarische Übersetzung Tabelle 1.4: Überblick über Sprachlernaktivitäten und -strategien in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001, Kapitel 4) Für textbezogene Aktivitäten wurden zwei zusätzliche Skalen entwickelt: der schriftliche Output als Gegenstück zum mündlichen und schriftlichen Input; das heißt, sich Notizen zu machen (in Vorlesungen, Seminaren) und Texte zu verarbeiten. Kann-Beschreibungen können auch produktiv im Unterricht verwendet werden. Bitte beachten Sie, dass diese De- <?page no="25"?> 25 1.1 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen skriptoren allgemein gehalten sind und sich hauptsächlich auf Erwachsene als Zielgruppe beziehen; das heißt, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen diese Deskriptoren an die Bedürfnisse und Merkmale ihrer Lerner in Bezug auf das Niveau, Alter, die Interessen und Ziele anpassen müssen. 1.1.5 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen: Curriculum-Design Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen steht für einen curricularen Ansatz auf Basis des Plurilingualismus und des Plurikulturalismus als zentrale Grundlagen. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass jede Sprache in Zusammenhang mit den anderen gelehrten Sprachen unterrichtet wird, sondern dass Sprachwissen, Fähigkeiten und das Lernvermögen gleichermaßen als transversal und als zwischen ihnen übertragbar verstanden werden. Über das tatsächliche Curriculum hinaus sollten Lerner außerdem die Kategorien von Kompetenzen kennen, ihre dynamische Wechselbeziehung und den theoretischen Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Da das Sprachenlernen auch außerhalb der Schulstunde oder sogar außerhalb des Schulunterrichts insgesamt stattfindet, müssen die Curricula die Lerner auf die Sprachentwicklung außerhalb des Unterrichts vorbereiten. Curriculum-Designer und Sprachenlehrer und -lehrerinnen sind daher dafür verantwortlich, (1) den plurilingualen und plurikulturellen Kontext während des gesamten Lehr-/ Lernprozesses zu wahren; und (2) bei den Lernern ein Bewusstsein für und ein Vertrauen in ihre Kompetenzen und Ressourcen zu schaffen. Der Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens hat sich stark auf die nationale Sprachenpolitik ausgewirkt: Seine Prinzipien wurden in Struktur und Inhalte der Curricula integriert; und die Anforderungen an den Output wurden gemäß des Stufensystems des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens angepasst, sowohl in Bezug auf die Planung als auch die Beurteilung der Sprachkompetenz. 1.1.6 Das Europäische Sprachenportfolio Ein wichtiges Werkzeug zur Einführung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens im Unterricht ist das Europäische Sprachenportfolio. Es umfasst eine Sammlung der formalen und informellen Sprachlernerfahrungen des Einzelnen mit drei Hauptkomponenten: (1) Sprachenpass: ein Überblick zur Sprachkompetenz (Fähigkeiten, formale Qualifikationen, Beurteilung), (2) Sprachenbiographie: die Reflexion und Bewertung des Sprachlernprozesses und der Erfahrungen durch den Lerner; (3) Dossier: Aufzeichnungen zur Dokumentation der Erfolge und Erfahrungen aus (1) und (2). Das Europäische Sprachenportfolio wurde zu mehreren Versionen für die unterschiedlichen Altersgruppen der Sprachenlerner weiterentwickelt: für junge Lerner, Schulkinder und Erwachsene. Es dient zwei Zwecken: Einerseits soll es den Lernern dazu verhelfen, den eigenen Sprachlernhintergrund zu dokumentieren, und andererseits die Sprachreflexion und -bewusstheit und damit auch die Verantwortung und das Engagement des Lerners für die eigene Sprachentwicklung zu steigern. Das Europäische Sprachenportfolio nutzt die Niveaustufen und die deskriptiven Skalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Lehrkräfte können das Europäische Sprachenportfolio im <?page no="26"?> 26 1. Curriculum-Design Unterricht verwenden, da die Vorstellungen, Ansichten und Ziele in diesen Dokumenten klar beschrieben sind und diese Daten eine mehr auf die Lernerbedürfnisse zugeschnittene Planung des Prozesses ermöglichen. Die Portfolios wurden in den verschiedenen Ländern auf Basis der allgemeinen Struktur entwickelt, die vom Europarat festgelegt wurde; Anleitungsdokumente unterstützen ihre Nutzung. Das European Centre for Modern Languages ( ECML ) hat eine spezielle Seite für Lehrkräfte veröffentlicht, die diese Stufen erklärt. 1.1.8 Zusammenfassung ▶ Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen ist ein wichtiges Sprachplanungsdokument zur Unterstützung der Richtlinien im Sprachenunterricht auf nationaler Ebene. Die Zielsetzung, der Ansatz und die wichtigsten Merkmale des Dokuments bilden eine solide theoretische Basis für sprachliche Vielfalt. ▶ Die sechs Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verbessern die Transparenz bei der Bewertung der Sprachkompetenz. Die Skalentabellen mit den anschaulichen Deskriptoren bieten dafür zusätzliche Unterstützung. ▶ Einen weiteren wichtigen Beitrag leistet der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen durch die Differenzierung nach kommunikativen Sprachaktivitäten und -strategien, Sprachnutzungskontexten, Kommunikationsthemen und kommunikativen Aufgaben und Prozessen. ▶ Die europäischen Ansätze zum Sprachenunterricht sowie die Lehrpraxis wurden auf der Basis und unter Berücksichtigung des Europäischen Sprachenportfolios und der Selbsteinschätzung entwickelt. ▶ All diese Maßnahmen stellen Orientierungshilfen für die entsprechenden Unterrichtsmaßnahmen dar. 1.1.9 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen Sie fünf Eigenschaften, die den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen charakterisieren und erklären Sie diese. 2. Fassen Sie den handlungsorientierten Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zusammen. 3. Skizzieren Sie das Kompetenzniveau-System des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens einschließlich der Einsatzmöglichkeiten, für die es angewandt werden kann. 4. Nennen Sie je drei Sprachlernaktivitäten für alle Fähigkeiten. 5. Stellen Sie kurz das Europäische Sprachenportfolio vor. <?page no="27"?> 27 1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen 1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen Diese Lerneinheit baut auf den theoretischen Erkenntnissen über den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen auf, die Sie in der vorherigen Einheit gewonnen haben, und dient mit einer ausführlichen Einführung in das Kompetenzmodell für Lerner des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens der weiteren Vertiefung. Wir befassen uns mit der Rolle und den Vorteilen des Dokuments für die Sprachausbildung im Allgemeinen und im Speziellen für den Sprachenunterricht. Diese Einheit verfolgt einen praxisorientierten, direkten Ansatz zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen sowie zu seiner Anwendung auf den Sprachenunterricht. Interkulturelles Bewusstsein, aufgabenbasiertes Unterrichten und Bewerten werden erläutert, um die Verbindung zwischen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und dem Unterricht zu verstärken. Diese Einheit bildet die Grundlage für die nachfolgende Einheit, in der die Sprachplanung stärker in den Fokus rückt. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens sowie seine Einzelkomponenten erläutern können; ▶ die Relevanz und das Auftreten dieser Kompetenzen im Sprachenunterricht erkennen können; ▶ diejenigen Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verstehen können, die auf den Fremdsprachenunterricht direkt angewandt werden können; ▶ bei der Anwendung der unterrichtsbezogenen Bereiche des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens die Entwicklung eines interkulturellen Bewusstseins, das aufgabenbasierte Unterrichten und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sowie die Kriterien der Leistungsmessung angemessen berücksichtigen können. 1.2.1 Lernerkompetenzen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen Das Modell des Sprachverwenders und der Sprachverwenderin (Sprachverwender/ Lerner-Modell) im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst zwei große Kompetenzbereiche: (1) allgemeine und (2) kommunikative Sprachkompetenzen. Die zweite Kategorie ist in drei Untergruppen aufgeteilt: (1) linguistische, (2) soziolinguistische und (3) pragmatische Kompetenzen, die wiederum weiter in Teilkompetenzen aufgegliedert sind. Sprachverwender und -verwenderinnen rufen diese Kompetenzen zwecks der Teilnahme an kommunikativen Situation ab, was wiederum zur Verbesserung der Kompetenzen führt. Das Modell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verfolgt einen komplexen Ansatz der kommunikativen Kompetenz, das heißt, es berücksichtigt alle menschlichen Fähigkeiten, <?page no="28"?> 28 1. Curriculum-Design nicht nur die notwendigen sprachlichen Kompetenzen. Die Klassifikation ist in der nachfolgenden Tabelle 1.5 abgebildet und ihre Beschreibung erfolgt über Deskriptorenskalen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. In unserem Text konzentrieren wir uns auf die kommunikativen Sprachkompetenzen. Bitte beachten Sie, dass die verschiedenen Komponenten im Dokument klar getrennt sind (Grammatik versus Semantik oder Diskurs versus Höflichkeitskonventionen). Das ist zwar hilfreich für das Verständnis, spiegelt aber eine nicht integrative und daher weniger passende Perspektive auf den Sprachenunterricht wider. Kompetenzen des Sprachverwenders im GER Allgemein Deklaratives Wissen (savoir) Weltwissen Soziokulturelles Wissen: das tägliche Leben, Lebensbedingungen, interpersonale Beziehungen, Werte, Überzeugungen und Einstellungen, Körpersprache, soziale Konventionen, rituelles Verhalten Interkulturelles Bewusstsein Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir-faire) Praktisch: soziale, alltägliche, berufliche, freizeitbezogene Fertigkeiten Interkulturelle Fertigkeiten Persönlichkeitsbezogen (savoir-être) Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Überzeugungen, kognitiver Stil, Persönlichkeitsfaktoren Lernfähigkeit (savoir-apprendre) Sprach- und Kommunikationsbewusstsein Allgemeines phonetisches Bewusstsein und phonetische Fertigkeiten Lerntechniken Heuristische Fertigkeiten Kommunikative Sprachkompetenzen Linguistisch Lexikalisch Grammatisch Semantisch Phonologisch Orthografisch Orthoepisch Soziolinguistisch Sprachliche Kennzeichnung sozialer Beziehungen Höflichkeitskonventionen Redewendungen, Aussprüche, Zitate und sprichwörtliche Redensarten Registerunterschiede Varietäten Pragmatisch Diskurs Funktional Schema Tabelle 1.5: Kompetenzsystem im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (basiert auf Europarat 2001: 103 ff) Gemäß den Kompetenzniveaus aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen umfasst die kommunikative Sprachkompetenz die folgenden Teilkompetenzen: linguistische Kom- <?page no="29"?> 29 1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen petenzen (zum Beispiel allgemeine sprachliche Reichweite, Vokabular, grammatikalische Fehlerfreiheit); soziolinguistische Kompetenz (zum Beispiel soziolinguistische Angemessenheit); pragmatische Kompetenzen (zum Beispiel Flexibilität, Sprecherwechsel, Themaentwicklung). 1.2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen im Unterricht und im Lehrberuf Zahlreiche Aspekte des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens können direkt im Sprachenunterricht angewandt werden. Der Rahmen dient als Orientierungshilfe für die Kompetenzen, die Fertigkeiten und die Strategien, die Sprachenlerner erlernen oder erwerben sollen. Die Anforderungen wurden entsprechend den aufeinanderfolgenden Kompetenzniveaus skaliert. Somit können Lehrkräfte den Fortschritt des Lerners in den jeweiligen Bereichen mit konstruktivem Feedback begleiten und beurteilen. Die Skalen sehen auch die Integration und Anwendung von Selbsteinschätzung im Sprachenunterricht vor. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen hat Plurilingualismus und plurilinguale Kompetenzen in den Vordergrund gerückt und damit das vormals übliche Konzept des Multilingualismus erweitert. Auch der handlungs- und kompetenzorientierte Ansatz wurde in den Sprachenunterricht integriert. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen geht davon aus, dass Sprachenlehrer und -lehrerinnen eine entscheidende Rolle für den Sprachentwicklungserfolg der Lerner spielen: Lehrer sind Vorbilder, deren Handlungen und Einstellungen die Sprachlernumgebung entscheidend beeinflussen. Die wichtigsten werden in den nachfolgenden Abschnitten zusammengefasst. Interkulturelles und plurikulturelles Bewusstsein meint das Verständnis für Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen Welt des Lerners und den Zielkulturen, ohne dass diese auf potenzielle Stereotype nationaler Identitäten reduziert werden. Wenn Sprachverwender und -verwenderinnen kommunizieren, haben sie bei der Übertragung von Informationen ein Bild der sozialen und kulturellen Identität des Gesprächspartners im Kopf. Deshalb müssen Sprachverwender und -verwenderinnen andere Kulturen mit ihren einzigartigen Merkmalen verstehen und akzeptieren und die Interaktion als eine bereichernde Erfahrung für die persönliche Entwicklung ansehen. Sprachenunterricht mit einem interkulturellen Fokus ermöglicht es den Lernern, die linguistischen Kompetenzen für die orale oder schriftliche Kommunikation zu erwerben; und gleichzeitig wird dabei die interkulturelle Kompetenz gefördert: die Fähigkeit der Lerner, Verständnis für Menschen mit unterschiedlichen sozialen Identitäten zu entwickeln, und ihre Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen zu interagieren. Es liegt in der Verantwortung des Fremdsprachenlehrers oder der Fremdsprachenlehrerin, das Wissen der Lerner über die Fertigkeiten, Haltungen und Werte der Adressaten zu verbessern. Zur interkulturellen Kompetenz gehören (1) Haltungen: Neugier, Offenheit und die Bereitschaft, die eigenen Werte aus der Perspektive von anderen zu sehen; (2) Wissen: Praktiken, allgemeine Prozesse gesellschaftlicher und individueller Interaktion; (3) die Fähigkeit zur Interpretation und zur Bezugnahme: zum Beispiel ein Dokument oder ein Ereignis vor dem eigenen kulturellen Hintergrund; (4) die Fähigkeit zur Entdeckung und Interaktion: <?page no="30"?> 30 1. Curriculum-Design die Fähigkeit, relevantes neues Wissen zu erwerben und es in der Kommunikationspraxis anzuwenden; (5) kritisches kulturelles Bewusstsein: die Bewertung von Handlungen und Prozessen in der eigenen und in der Zielkultur. Insgesamt besteht die Rolle des Sprachenlehrers oder der Sprachlehrerin darin, die Entwicklung der oben genannten Elemente zu unterstützen: Fertigkeiten, Haltungen und das Bewusstsein für die Werte und das Wissen über eine bestimmte Kultur oder ein bestimmtes Land. Wichtig ist auch, dass eine Lehrperson kein Experte für die Kultur des Ziellandes sein muss oder die Sprache des Ziellandes auch nicht unbedingt seine Erstsprache sein muss; viel wichtiger sind Offenheit und die Möglichkeit, sich in die Materie einzuarbeiten. Eine Lehrkraft kann (1) Aktivitäten in den Unterricht einbinden, die es Lernern ermöglichen, ihre eigenen Erfahrungen mit der Zielkultur zu diskutieren; (2) faktische Informationen zu den damit zusammenhängenden Problemen liefern; (3) stets zum Vergleich zwischen den behandelten Kulturen ermutigen (Byram, Gribovka & Starkey 2002). Weitere Aspekte wie die Mediation zwischen Kulturen können aufgegriffen werden. Als methodologische Werkzeuge können Präsentationen, Projektarbeit, Rollenspiele oder Simulationen verwendet werden. Alle Themen eignen sich für Diskussionen aus einer interkulturellen Perspektive und dieser Ansatz kann für den Unterricht zur Förderung aller kommunikativen Fähigkeiten verwendet werden. Die verwendeten Texte sollten authentisch sein (zum Beispiel Karten, Cartoons, Fotografien), wobei ihr Kontext und ihre Absicht eindeutig angegeben sein sollten; und die Aktivitäten können alle Fertigkeiten abdecken (Lesen, Schreiben, Hörverstehen und so weiter). Der Ansatz ist nicht autoritativ, denn die Lerner sollen dazu ermutigt werden, Sichtweisen zu analysieren und zu kontrastieren. Das Internet ist eine ergiebige Materialquelle dafür, aber die Arbeit mit den eigenen Erfahrungen, Souvenirs oder Realien der Lehrkraft und der Lerner ist ebenfalls möglich. Auch die Art und Weise, wie die Lehrperson den Begriff Aufgabe auffasst und diese letzendlich im Unterricht umsetzt, beeinflusst die Sprachentwicklung der Lerner. Im Kontext des GER werden Aufgaben als wesentliche Bestandteile unseres Lebens beschrieben, deren Erfüllung durch die absichtsvolle Aktivierung der notwendigen Kompetenzen in Übereinstimmung mit ihrer Domäne, ihrem Ziel und Ergebnis erfolgt. Dazu können unterschiedliche Sprachaktivitäten gehören. Kommunikation ist immer essenziell, wenn wir an Rezeption, Produktion, Interaktion oder Mediation teilnehmen. Demzufolge sind Aufgaben wesentliche Elemente im Unterricht. Aufgaben im Unterricht können (1) realitätsnah sein, indem sie die tatsächlichen Bedürfnisse und Ziele der Lerner abbilden und (2) pädagogisch sein: Aufgaben in der Unterrichtssituation für die Entwicklung sinnvoller Kommunikation, die nur indirekt reale Aufgaben abbilden (Nunan 1991a). Bei allen Aufgaben im Unterricht wird erwartet, dass die Lerner Bedeutung verstehen, aushandeln und ausdrücken, um ein kommunikatives Ziel zu erreichen beziehungsweise die Aufgabe erfolgreich zu erfüllen. Die Lehrkräfte dürfen jedoch nicht ignorieren, wie Bedeutung kommuniziert wird, das heißt, in der Abfolge der Aktivitäten muss eine Balance zwischen Bedeutung und Form gewährleistet werden. Die erfolgreiche Durchführung von Aufgaben kann mit entsprechender Vorbereitung deutlich verbessert werden, indem die passenden Schritte des Lernprozesses dafür mit einbezogen werden. Zuerst können die Kompetenzen und Fertigkeiten der Lerner aktiviert werden (zum <?page no="31"?> 31 1.2 Die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen Beispiel Vorwissen der notwendigen sprachlichen Elemente abrufen). Darüber hinaus können aufgabenbezogene Anpassungen vorgenommen werden (zum Beispiel kann derselbe Input zu verschiedenen Ergebnissen oder Antworten der Lerner führen, oder der Input kann verschiedene Informationsmengen oder Hilfestellungen zur Erfüllung der Aufgaben umfassen). Ein prinzipientreuer und kohärenter Ansatz zur Auswahl und Abfolge von Aufgaben sollte die Kompetenzen, Merkmale, Absichten und den Lernstil der Lerner berücksichtigen. Das letzte Kapitel des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens fokussiert die Beurteilung der Kenntnisse des Sprachverwenders beziehungsweise der Sprachverwenderin mit zwei Zielen: Es möchte als eine Orientierungshilfe für die (1) Auswahl und die (2) Entwicklung angemessener Testmethoden dienen, wobei beide Aspekte für praktizierende Sprachenlehrer und -lehrerinnen von großer Bedeutung sind. Alle Sprachentests beurteilen die Kenntnisse, aber es gibt andere Formen der Beurteilung (zum Beispiel die Wahrnehmung der Lehrer, Selbsteinschätzung). Auch wenn sie keine schwerwiegenden Konsequenzen herbeiführen und eventuell einen informellen Charakter haben, ist die Qualität der Tests ausschlaggebend für deren Aussagekraft in Bezug auf die Fähigkeiten des Lerners. Die entsprechenden grundlegenden Konzepte werden ausführlich in Kapitel 3 besprochen. Ziel der Skalen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ist es, die Beschreibung der Kompetenzniveaustufen zu vereinfachen, die bereits als Qualifikationen erworben wurden und die Vergleichbarkeit zwischen den Systemen zu verbessern. Lernleistungen werden so transparent, was zu einer besseren Vereinbarkeit nationaler und institutioneller Rahmen beiträgt. Durch den Bezug auf die Kategorien und Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens lassen sich die Ziele verschiedener Prüfungen und Kurse zudem klar abbilden. Die Konstruktion eines Tests hängt primär von seinem Zweck ab, bei dessen initialer Bestimmung der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen auch klare Leitlinien festsetzt. Diese ermöglichen es Sprachenlehrkräften, informelle formative Beurteilungen mit klar vorformulierten und kommunizierten Kriterien zu erstellen und zu regulieren. Beachten Sie jedoch, dass die direkte Anwendung der Testkonstruktion des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nur eingeschränkt möglich ist. Die Empfehlungen wurden zum Beispiel für erwachsene Lerner formuliert und müssen deshalb angepasst werden, um den Anforderungen des tatsächlichen Prüfungskontextes zu entsprechen. <?page no="32"?> 32 1. Curriculum-Design 1.2.3 Zusammenfassung ▶ Im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen gibt es viele Aspekte und Teile, die direkt im Sprachenunterricht verwendet werden können. ▶ Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen kann Sprachenlehrer und -lehrerinnen in verschiedenen Bereichen unterstützen, dazu zählen unter anderem: die Entwicklung eines interkulturellen Bewusstseins, aufgabenbasiertes Unterrichten und der dazugehörige Rahmen und die Beurteilung. ▶ Das Kompetenzmodell, das im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen herausgebildet und eingeführt wurde, ist über die linguistische Kompetenz hinaus erweitert worden: es umfasst zwei große Komponenten (allgemeine und kommunikative Kompetenz) und mehrere Unterkompetenzen, die mit Hilfe von Skalierungstabellen ausgeführt und beschrieben werden. 1.2.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Skizzieren Sie kurz das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. 2. Was bedeutet interkulturelles Bewusstsein im Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens? 3. Was kann ein Sprachenlehrer oder ein Sprachlehrerin tun, um das interkulturelle Bewusstsein der Lerner zu verbessern? 4. Wie kann eine Sprachenlehrkraft die Komplexität reduzieren? 5. Inwiefern kann der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen Sprachenlehrer und -lehrerinnen bei ihren beurteilungsrelevanten Entscheidungen anleiten? <?page no="33"?> 33 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design In dieser Einheit werden die grundlegenden Konzepte der Sprachplanung wie Sprachcurriculum und Lehrplan definiert. Sie erhalten einen Überblick zu den wichtigen Phasen und Voraussetzungen ihrer Erstellung und erfahren mehr über ihre Rolle und Bedeutung für den Sprachenunterricht. Nach der Erläuterung der Konzepte und Prozesse folgt die Beschreibung ihrer Umsetzung im ungarischen dreistufigen curricularen System, in dem in unterschiedlichem Maße zentralisierte Dokumente zu verschiedenen theoretischen Ansätzen und zahlreiche praktische Überlegungen Verwendung finden. Die vorliegende Lerneinheit dient als theoretische Vertiefung der vorangehenden Einheiten über den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen, welcher eines der wichtigsten Sprachplanungsdokumente ist. In dieser Einheit haben Sie also die Möglichkeit sich mit den Grundlagen der Sprachplanung vertraut zu machen, indem Sie anhand authentischer Beispiele einen Einblick in die entsprechenden Entwicklungsprozesse gewinnen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Begriffe Curriculum und Lehrplan verstehen und voneinander differenzieren können; ▶ die wichtigsten Aspekte des Prozesses der Curriculumsentwicklung und des Lehrplan-Designs beschreiben können; ▶ sich am Beispiel der Richtliniendokumente für das ungarische Curriculum ein umfassendes Verständnis über diese theoretischen Begriffe verschaffen können. 1.3.1 Curricula und Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines Curriculums Curricula bilden den gesamten Wissensvorrat ab, den Kinder im Schulkontext erwerben sollen: Dazu gehören die Ziele, die Mittel und die Evaluationskriterien für alle Fachgebiete. Laut McLaren & Madrid (2004) sollen Curricula (1) die erzieherischen Ziele eines Programms angeben; (2) die Lehrprozesse, die Inhalte und die Lernerfahrungen, um diese Ziele zu erreichen; und (3) die Möglichkeiten zur Beurteilung des Erreichens der vorab festgelegten Ziele. Nunan (1988a) betont, dass Curricula eine geplante Intervention in den Ausbildungsprozess darstellen, sich aber in den dafür verwendeten Kriterien und Grundprinzipien voneinander unterscheiden. Die Curriculumtheorie befasst sich mit (1) den Hauptelementen des Curriculums und (2) mit den Prozessen, wie sie konzipiert, umgesetzt und beurteilt werden. Sprachencurricula fokussieren die Entwicklung der Fremdsprachenkenntnisse. Sie stützen sich ebenfalls auf drei Hauptkomponenten: (1) Inhalte, (2) Methodologie und (3) Beurteilung. Diese beziehen sich hier im Speziellen auf den Sprachenunterricht. Die Grundbausteine der sprachlichen Inhalte können Vokabular, Grammatik, Funktionen, Notionen und Text- oder Aufgabentypen sein. Zur Methodologie gehören die Lernaktivitäten, die Prozesse und die Techniken, die von den Lehrkräften angewandt werden; und die Lernergebnisse zeigen, <?page no="34"?> 34 1. Curriculum-Design welche Fähigkeiten die Lerner am Ende eines Unterrichtszeitraums erworben haben. Die Evaluation als drittes Element kann je nach gültigem Curriculum sehr unterschiedlich ausfallen: Sie kann in Form eines anvisierten Erfüllungsgrades auf einer Kenntnisskala oder bei einem standardisierten Test vorliegen, oder die Fähigkeit meinen, effektiv an verschiedenen kommunikativen Situationen teilzunehmen. Bei der Entwicklung eines Sprachencurriculums wird ein Rahmen für die Entscheidungsfindung erstellt, der eine Vielzahl zusammenhängender Prozesse zu Planung, Überprüfung, Einsatz und Beurteilung von Sprachenprogrammen umfasst. Es gibt mehrere Ansätze für die Phasen und die Abfolgen des Entwicklungsprozesses, aber sie alle stimmen in der Integration wesentlicher Bestandteile überein. Dazu gehören Zielbestimmung, Bedarfsanalyse, Selektion und die Erstellung von Lehrmaterialien oder Evaluation, die Nunan (1988b) wie folgt kategorisiert: initiale Planungsprozeduren, Auswahl und Einstufung der Inhalte, Methodologie und fortlaufende Überprüfung. In einigen theoretischen Rahmenplänen werden sie um weitere Elemente ergänzt: Bei McLaren & Madrid (2004) gibt es zum Beispiel eine sprachpolitische Entscheidungsphase und Storey (2007) bezieht eine Planungsphase für effektives Unterrichten mit ein. Auf Basis der unterschiedlichen Ansätze können wir die erforderlichen Phasen für die Entwicklung eines Curriculums als Liste wie folgt zusammenfassen: ▶ Bedarfs- und Situationsanalyse; ▶ Sprachpolitische Entscheidungen: Festlegung der übergeordneten Ziele, Erfüllung nationaler oder lokaler Bedürfnisse und Interessen; ▶ Zielsetzung: Festlegung allgemeiner und spezifischer Ziele, die mittels des Unterrichts von den Schulen erreicht werden sollen; ▶ Entsprechende Planung und Vorbereitung der Lehrinhalte; ▶ Entsprechende Planung und Vorbereitung der Lehr- und Lernmaterialien; ▶ Festlegung der Prüfungs- und Beurteilungsmodalitäten; ▶ Umsetzung in der Schule / im Unterricht; ▶ Evaluation. Für die praktische Umsetzung der konzeptuellen Kategorien wird eine Bedarfs- und Situationsanalyse durchgeführt. Dabei werden der aktuelle Stand der Sprachkenntnisse und Lernbedürfnisse der Studierendenzielgruppe sowie diejenigen kontextuellen Faktoren erfasst, die Einfluss auf die Zielsetzung nehmen könnten, was dem Entscheidungsprozess die notwendige soziokontextuelle Perspektive verleiht. Für ein Curriculum auf der nationalen Ebene könnte die Analyse in Form einer Erhebung von Sprachkenntnissen, Haltungen und Motivationen der Studenten und Studentinnen durchgeführt werden, während eine Situationsanalyse die verfügbaren Ressourcen für den Lehrprozess fokussieren kann. Nach dieser Stufe folgt die Festlegung der übergeordneten Ziele auf der entsprechenden Ebene. Zum Beispiel sollten die anvisierten Lernergebnisse der Studentinnen und Studenten am Ende ihrer Schullaufbahn mit den bildungspolitischen Zielen auf der nationalen oder europäischen Ebene übereinstimmen, etwa die Nutzung der Sprachkenntnisse zur Verbesserung der Chancengleichheit oder das Ideal des dreisprachigen europäischen Bürgers. Zu den allgemeinen und spezifischen Zielen gehören mehrere Aspekte. Allgemeine Ziele sind beispielsweise die Verbesserung der Auto- <?page no="35"?> 35 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design nomie der Studentinnen und Studenten beim Sprachenlernen oder die Stärkung des interkulturellen Bewusstseins, wohingegen zu den spezifischen Zielen etwa das Erreichen bestimmter Kompetenzniveaus aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen am Ende der Schullaufbahn zählt. Die Struktur der inhaltlichen und methodologischen Planung verändert sich in Abstimmung mit den Zielen des Curriculums, wie Sie am Beispiel des ungarischen Falls für diese Phase sehen werden. Die oben genannten Prozesse sollen hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz kontinuierlich mit Kontrollstudien und Erhebungen überprüft werden, an denen alle Interessengruppen beteiligt sind. Richards (2013) unterteilt dieses Vorgehen vereinfachend in drei Elemente: Input (sprachliche Inhalte), Prozess (Methodologie) und Output (Lernergebnisse). Er unterscheidet drei Ansätze für die Entwicklung eines Curriculums: (1) forward, (2) central und (3) backward design, die jeweils auf spezifischen Annahmen zum Sprachenunterricht beruhen. Mit seinem theoretischen Rahmen ergibt sich aus dem forward design ein Curriculum, in dem die drei Elemente Input, Prozess und Output linear und fest verbunden sind; das heißt, dass der Inhalt festgelegt werden muss, bevor die Methodologie oder das erwartete Ergebnis formuliert werden. Richards (2013) nennt beispielweise den Ansatz des Europarats aus den 1970er Jahren oder den inhaltsbasierten Fremdsprachenunterricht (Content-Based Language Teaching). Das central design setzt beim Prozess an (Lehraktivitäten, Methoden) und leitet Input und Output von der Unterrichtsmethodologie ab. Dieser prozessuale Ansatz wird auch als Progressismus in der Curriculum-Entwicklung bezeichnet. Beispiele dafür sind der Silent Way (Gattegno 2010) oder das Counselling Learning (Britto 2014). Das backward design geht vom Output aus. Das heißt, dass zunächst Aussagen über die erforderlichen Ergebnisse getroffen werden (Bedarfsanalyse), auf deren Basis Prozess und Input konzipiert werden. Beispiele dafür sind das kompetenzorientierte und handlungsorientierte Unterrichten oder der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen selbst. Im letztgenannten werden die anvisierten Ziele in Form von Standards dargestellt. Die meisten Modelle für die Entwicklung eines Curriculums (zum Beispiel Johnson 1991) stimmen alle darin überein, dass gewisse Prinzipien, ungeachtet der Abfolge der einzelnen Phasen, für das Design eines Sprachencurriculums berücksichtigt werden müssen. Einen sehr umfassenden Überblick dazu finden Sie bei Nation & Macalister (2010), die 20 solcher Prinzipien identifizieren. Johnson (1989) nennt drei Grundprinzipien: Kohärenz, permanenter Wandel und Innovation, sowie die Integration unterschiedlicher Ansätze. Johnson (1991) unterscheidet ebenfalls unterschiedliche Rollen im Entscheidungsprozess und die Produkte der Hauptphasen des Curriculum-Designs. In seinem Rahmenplan (1) liegt die Planungsphase des Curriculums in der Verantwortlichkeit der politischen Entscheidungsträger und das Ergebnis sind politische Richtlinien. (2) Die Festlegung von Zwecken und Mitteln wird von Bedarfsanalysten und Methodikern durchgeführt und mündet in einen Lehrplan. (3) Die Umsetzung des Programms wird von Materialautoren und Lehrerausbildern und -ausbilderinnen durchgeführt (Lehrmaterial, Lehrerausbildungsprogramme), wohingegen (4) die Umsetzung im Unterricht bei den Lehrkräften und Studentinnen und Studenten in Form von Lehr- und Lernhandlungen liegt. Der letztendliche Nutzen dieses Ansatzes liegt darin, dass alle Interessenvertreter in den Prozess mit einbezogen werden; damit <?page no="36"?> 36 1. Curriculum-Design können Veränderungen effizienter umgesetzt werden. Dieser Ansatz verhindert auch, dass Lehrpersonen geheime Lehrpläne erstellen; das sind alternative Lehrprogramme, die anstelle der offiziellen Verordnungen verwendet werden. Abgesehen von diesem Top-Down-Ansatz gibt es einen Bottom-Up-Ansatz, der auf den Vorstellungen der tatsächlichen Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Lehr-Lernprozess, insbesondere auf denen der Lehrkräfte, aufbaut und das Curriculum wird dementsprechend entworfen. Mit einer Bedarfsanalyse werden die Gründe identifiziert, deretwegen Studentinnen und Studenten eine Fremdsprache erlernen. Die Prozeduren für Bedarfsanalysen wurden im Sprachunterricht mit der Entwicklung eines Lehrprogramms für Englisch als Fachsprache in den 1960er-Jahren erstmals eingesetzt und sind seitdem wesentlicher Bestandteil des Curriculum-Designs. Eine Bedarfsanalyse ist "the systematic collection and analysis of all relevant information necessary to satisfy the language learning requirements of the students within the context of the particular institutions involved in the learning situation" (Brown 1995: 21); und sie wird normalerweise gleich zu Beginn des Designprozesses durchgeführt. Im Zuge der Bedarfsermittlung werden Daten zu den Situationen und den Kommunikationsformen der Sprachverwendung erhoben; außerdem soll sie die anvisierte Sprachkompetenzstufe ermitteln. Sie kann mithilfe mehrerer Techniken durchgeführt werden: Umfragen, Tests, Interviews, Beobachtungen, die Sammlung von samples von Sprachenlernern und Fallstudien. Die Situationsanalyse verfolgt zwar ähnliche Ziele und ist ähnlich aufgebaut, fokussiert allerdings die kontextuellen Faktoren der Curriculum-Entwicklung (zum Beispiel die politischen, institutionellen, sozialen, ökonomischen), die Auswirkungen auf die Umsetzung haben könnten. Die Entwicklung von Sprachencurricula wurde in den 1960er-Jahren im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst (Nunan 1991b; Richards 2001): (1) die Einführung von Englisch als Fachsprache mit der wichtigen Bedarfsanalyse zu Beginn des Designprozesses und (2) das Aufkommen des kommunikativen Sprachenunterrichts als Ersatz für die zuvor vorherrschenden strukturell-situativen und audiolingualen Methoden und als Reaktion auf die Veränderungen in der Linguistik der damaligen Zeit. Wie der Name bereits andeutet, liegt die Kommunikation anstelle der Fehlerfreiheit im Fokus des Sprachenunterrichts. Dieser Ansatz, der als Beispiel für das backward design gilt (Richards 2013), setzt bei der Definition des erwünschten Ergebnisses an und passt den Input und den Prozess entsprechend daran an. Das erste Mal wurde die Sprachplanung in Übereinstimmung mit diesem Ansatz im Lehrplan von Wilkins (1976) vollzogen, der die Kategorie der kommunikativen Funktionen beschreibt (zum Beispiel Entschuldigungen, Anfragen). Das Dokument markiert den Beginn einer neuen Ära: Es führte zur Konstruktion kommunikativer Sprachencurricula, in denen Inhalte als kommunikative Einheiten anstelle von grammatischen Einheiten ausgedrückt wurden. Die Neubetrachtung der Lernziele erweiterte auch die Sprachplanungsdokumente um eine Vielzahl neu entwickelter Komponenten wie sprachliche Notionen, Funktionen oder kommunikative Situationen. Das wiederum führte zur Entwicklung kommunikativ ausgerichteter Rahmenpläne wie dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. <?page no="37"?> 37 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design 1.3.2 Lehrpläne und Lehrplanformen Lehrpläne sind die "specification of the content of language teaching which have been submitted to some degree of structuring or ordering with the aim of making teaching and learning a more effective process" (Wilkins 1981: 83). Diese Definition könnte für Verwirrung bei der Unterscheidung zwischen Lehrplänen und Curricula sorgen, aber sie stellt gleichzeitig den auffälligsten Hauptunterschied zwischen beiden Konzepten heraus: Ein Lehrplan ist ein beschränkteres, aber dafür spezifischeres Dokument (Medgyes & Nikolov 2000: 264), das sich auf die Inhalte eines einzelnen Faches bezieht und auf die Reihenfolge, in der sie gelehrt werden sollen; im Gegensatz dazu ist das Curriculum nach Nunan (1988a) ein breitgefasster Begriff, der die Planung, Umsetzung, Leitung, Verwaltung und Evaluation des Fremdsprachenprogramms abdeckt, wohingegen der Anwendungsbereich von Sprachenlehrplänen enger gefasst ist und die Auswahl und Einstufung der Inhalte fokussiert. Brumfit (1984) ergänzt diese Definition um weitere Aspekte, indem er behauptet, Lehrpläne (1) seien verhandelbar und anpassbar und (2) steigerten als öffentliche Dokumente die Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Lernprozesses. Lehrpläne existieren in mehreren Formen und repräsentieren die unterschiedlichen Ansätze zum Sprachenunterricht (Graves 2008) sowie verschiedene Erwerbstheorien (McLaren 2004). Sie zeigen mehrere Wege auf, wie die verschiedenen Inhalte und Kompetenzen vermittelt werden können, haben aber bestimmte Merkmale gemeinsam. Wilkins (1976) unterscheidet zwischen synthetischen und analytischen Lehrplänen; bei den erstgenannten werden die einzelnen Bestandteile der Sprache separat und graduell bis hin zur Konstruktion der Gesamtstruktur der Sprache unterrichtet, wohingegen sich die letztgenannten auf die Gründe für das Erlernen der Sprache und die dafür benötigte sprachliche Leistung konzentrieren. Die anderen wichtigen Kategorien für Lehrpläne differenzieren zwischen produkt- und prozessorientierten Formen. Wie Nunan (1988a) erläutert, sind die produktorientierten Lehrpläne um die Inhalte und die Fertigkeiten zentriert, die Studenten und Studentinnen erwerben sollten. Sie sind zielspezifisch und fokussieren die erwarteten Ergebnisse. Im Gegensatz dazu sind die prozessorientierten Dokumente um die Lernaktivitäten herum aufgebaut und der Lehrprozess rückt somit ins Zentrum. Beispiele für produktorientierte Lehrpläne sind (1) der strukturell-grammatische (grammatische, phonologische und lexikalische Einheiten, die nach ihrem Schwierigkeitsgrad eingestuft werden) und (2) der funktionale-notionale (Strukturen, Konzepte, Funktionen) Lehrplan. Beachten Sie, dass sich die beiden Beispiele grundlegend in all ihren Merkmalen unterscheiden (sprachliche / kommunikative Kompetenz, Struktur-/ Diskursparadigma, Fehlerfreiheit / Flüssigkeit, Abstufungen) und trotzdem sind beide in Form einer Liste mit erwarteten Ergebnissen strukturiert. Prozessorientierte Lehrpläne schenken individuellen Unterschieden, Lernstrategien, affektiven Faktoren und der Beteiligung von Studentinnen und Studenten mehr Beachtung. Beispiele für den prozessorientierten Typ sind (1) der prozedurale (Aufgaben, die durch die Nutzung bedeutungsvoller Sprache erfüllt werden, zum Beispiel die Informationslücken-Aufgabe) oder (2) der aufgabenbasierte Lehrplan (Aufgaben, die auch andere Ziele als den Spracherwerb verfolgen, zum Beispiel einen Beschwerdebrief verfassen). Laut Breen (1987a) bieten die unterschiedlichen Typen alternative Möglichkeiten dafür, was gelehrt wird und in welcher Reihenfolge. Je nachdem wie eine Lehrkraft Fremdsprachenun- <?page no="38"?> 38 1. Curriculum-Design terricht versteht, wählt sie den einen oder anderen Typ. Situative Lehrpläne werden auf der Basis der situationsbedingten Bedürfnisse der Studenten und Studentinnen formuliert, in manchen anderen Lehrplänen werden strukturelle und funktionale Elemente zusammengeführt, während andere Lehrpläne wiederum die Studentinnen und Studenten ins Zentrum des Prozesses rücken, indem Inhalts- und Prozessentscheidungen in ständiger Übereinstimmung mit ihnen getroffen werden. Bei den meisten Lehrplanformen lässt sich schnell erkennen, worauf der Fokus liegt: lexikalisch, kulturell, fähigkeits-, aufgaben- und inhaltsbasiert oder multidimensional (eine Kombination mehrerer Typen). Die zusätzliche Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse, Strategien und Autonomie der Lerner in den 1970er-Jahren führte zur Entstehung mehrerer Lehrplanformen, einschließlich der prozessorientierten beziehungsweise von Studenten und Studentinnen ausgehandelten Lehrpläne (Breen 1987b), die Lerner vollständig in Bezug auf (1) die Auswahl der Inhalte, (2) den Arbeitsmodus und (3) die Beurteilung mit einbeziehen. Somit bauen sie stark auf dem persönlichen und professionellen Urteilsvermögen der Lehrer und Lehrerinnen auf (White 1988). 1.3.3 Curricula, Lehrpläne und Planung: Funktionen und Nutzung im Sprachenunterricht Curricula und Lehrpläne, die sorgfältig unter der Beteiligung aller Interessengruppen und unter der Berücksichtigung aller notwendigen Stufen entwickelt werden, sind unverzichtbare Voraussetzungen für jedwede Form des effizienten und erfolgreichen Sprachenunterrichts. Mit ihrer Hilfe ▶ wird die Einheitlichkeit über die verschiedenen Aspekte hinweg verbessert (zum Beispiel Institutionen, Gruppen, erzieherische Phasen, Lehrer); das wiederum ▷ führt zu Transparenz, ▷ erlaubt die Transition zwischen den Aspekten, ▷ reduziert unerwünschte Lehrerunterschiede, beispielsweise aufgrund von Unerfahrenheit, ▷ unterstützt Chancengleichheit; ▶ wird Verantwortung eingeräumt; ▶ werden Überwachung und Evaluation konsistenter und verlässlicher. Die Rolle, die Lehrkräfte bei der Erstellung eines Curriculums oder eines Lehrplans spielen können, hängt von der Form und vom Designprozess ab (zum Beispiel vom Grad der Zentralisierung). Zentralisierte Kerncurricula werden üblicherweise von Curriculum-Experten entwickelt, werden dabei aber mit anderen Interessengruppen verhandelt, unter anderem auch mit Sprachenlehrern und -lehrerinnen. Im Schulunterricht dient das nationale Curriculum normalerweise als eine Blaupause für die Lehrpläne. Da Lehrpläne jedoch auf der kommunalen Ebene entwickelt werden können, spiegeln sie auch die Vorstellungen der Institution oder der Lehrperson zum Sprachenunterricht wider. Effektive Lehrpläne können anhand der nachfolgenden Überlegungen erstellt werden, die über die oben genannten fundamentalen Voraussetzungen hinausgehen: <?page no="39"?> 39 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design ▶ Formulieren und folgen Sie Ihrer Lehrphilosophie in dem Maße, wie es die zentralen Regulierungen erlauben. ▶ Wenn ein Lehrwerk vorgegeben ist, konsultieren Sie das Inhaltsverzeichnis. Beachten Sie jedoch, dass es immer zwingend notwendig ist, dass Sie Ihren eigenen Plan schreiben und die Empfehlungen an Ihren eigenen Lehrkontext anpassen. ▶ Prüfen Sie den vorherigen Lehrplan Ihrer Abteilung oder von ehemaligen Instruktoren. ▶ Suchen Sie nach Beispiellehrplänen für denselben oder einen ähnlichen Lehrkontext von Kollegen und Kolleginnen an anderen Einrichtungen. ▶ Erstellen Sie einen detaillierten Plan. Beziehen Sie die Unterrichtsinhalte mit ein, die Beurteilungsformen und -Zeitpunkte, die Lernaktivitäten und so weiter. ▶ Befragen Sie wann immer möglich Ihre Studenten und Studentinnen und ziehen Sie deren Anfragen und Vorschläge in Erwägung. Besprechen Sie Ihre Pläne mit ihnen. ▶ Seien Sie sich über Ihre Verantwortlichkeit und die Ihrer Studenten und Studentinnen im Lehr-Lernprozess im Klaren. Abgesehen von der Teilnahme am Designprozess spielen Lehrkräfte eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Pläne. Sie sind die Agenten, die die Anforderungen mit dem tatsächlichen Unterricht verknüpfen und sie füllen den theoretischen Ansatz der Curriculum- Komponenten mit Praxisbeispielen und Inhalten aus dem alltäglichen Leben. Curricula und Lehrpläne sind Skelette, die das Gerüst für den Lehrprozess bilden: Sie setzen die Ziele fest sowie den erforderlichen Input und Output. Die praktische Umsetzung kann mit der Auswahl eines Lehrwerks beginnen, das zu dem vorgegebenen Curriculum-Rahmenplan passt (zum Beispiel der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen, grammatikalische Einheiten, Konzepte, Funktionen), und der Anpassung an die Bedürfnisse und Profile der entsprechenden Studierendengruppe. 1.3.4 Planungsphasen: die ungarische Lösung In diesem Abschnitt soll der bisherige theoretische Überblick durch ein praktisches Beispiel des Curriculum-Designs und der Curriculum-Richtlinien ergänzt werden. Dabei werden die ungarischen Prozesse für das Sprachencurriculum anhand eines kurzen historischen Rückblicks vorgestellt. In Ungarn ist der Sprachenunterricht im öffentlichen Schulwesen im Wesentlichen durch den Nationalen Grundlehrplan ( NGL ) reguliert, der im Jahr 2000 durch ein untergeordnetes Dokument in Form von Rahmencurricula ergänzt wurde. Zusammen bilden sie die oberen zwei Ebenen eines dreistufigen Systems (Medgyes & Miklósy 2000: 117), dessen dritte Ebene die örtlichen Curricula sind, die von den Schulen erstellt werden. Die ungarischen Curricula sind ein gutes Beispiel dafür, dass solche Dokumente "usually have a slim chance of long-term survival" (Medgyes & Nikolov 2000: 266). Das aktuelle Kerncurriculum verfolgt einen streng regulierten Ansatz mit detaillierten Regeln und dem obligatorischen begleitenden Rahmencurriculum-System. Durch den Prozess der Überarbeitung und Aktualisierung der Curricula in Ungarn kamen die vorherrschenden bildungspolitischen Ziele klarer zum Vorschein: Der <?page no="40"?> 40 1. Curriculum-Design Nationale Grundlehrplan wurde im Jahre 1995 ausgearbeitet und seitdem mehrmals grundsätzlich revidiert. Die inhaltlichen Veränderungen und der Status des Grundlehrplans (wie weit ist er verpflichtend, welche Freiheit wird den Schulen und den Lehrern und Lehrerinnen bei der Ergänzung erlaubt) spiegeln eindeutig die aktuellen bildungspolitischen Erwartungen wider, hängen also stark mit Parteipolitik zusammen. Alle Regulierungsdokumente waren im Einklang mit den vom Europarat empfohlenen grundlegenden europäischen Leitlinien und setzten ausdrücklich die kommunikative Sprachkompetenz in den Fokus. In Bezug auf die Bandbreite und die Anzahl der unterrichteten Sprachen war im ersten Curriculum mindestens eine Fremdsprache für alle Altersgruppen und Schulformen verpflichtend. Im nachfolgenden Curriculum war das Erlernen von zwei Fremdsprachen in weiterführenden Oberschulen verpflichtend und es wurde empfohlen, eine zweite Fremdsprache in der 7. Klasse oder in weiterführenden Berufsschulen einzuführen. Während der erste Nationale Grundlehrplan (1995; 2003; 2007) die freie Wahl der Sprachen in Übereinstimmung mit den örtlichen Bedürfnissen und Potenzialen zusicherte, schränkte die Version aus dem Jahr 2012 zum ersten Mal in der Geschichte des Nationalen Grundlehrplans die Wahl der ersten Fremdsprache auf Englisch, Deutsch, Französisch oder Chinesisch ein. Die geforderten Output-Kompetenzniveaus wurden zuerst im Nationalen Grundlehrplan 2003 in Übereinstimmung mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen festgesetzt. Das erwartete Mindestergebnis war B1 in der ersten Fremdsprache am Ende von Klasse 12 und A2 in der zweiten Fremdsprache. Dieselben Erwartungen wurden in den Nationalen Grundlehrplänen 2003 und 2007 formuliert. Der Ansatz und die zu erreichenden Niveaustufen wurden im Dokument aus dem Jahr 2012 geändert, in dem das verpflichtende Mindestergebnis von Stufe A1 auf Stufe A2 in der 8. Klasse (in der ersten Fremdsprache) erhöht wurde. Viel unterschiedlicher fällt die Anzahl der Unterrichtsstunden in den unterschiedlichen Versionen aus. Am geringsten waren die prozentualen Anteile des Fremdsprachenunterrichts in der Version von 1995 und die folgenden beiden Kerncurricula sicherten einen viel größeren Zeitrahmen zu. Im Vergleich zum Konzept des Dokuments aus dem Jahr 1995, in dem das Lernen der ersten Fremdsprache allerspätestens in der fünften Klasse beginnen sollte, stellt das Dokument aus dem Jahr 2003 einen Fortschritt dar, indem der Beginn verpflichtend auf die vierte Klasse vorverlegt wurde. Der Nationale Grundlehrplan aus dem Jahr 2012 ist in dieser Hinsicht ein Rückschritt, da darin der proportionale Anteil der Stunden für den Fremdsprachenunterricht auf den Stufen 5-8 reduziert wurde. Ähnlich wie 2012 definierte das vorherige Kerncurriculum sämtliche Voraussetzungen für alle modernen Fremdsprachen für alle Schulformen und erzieherischen Phasen. Das nichtsprachenspezifische Kerndokument wurde später um eine Reihe nicht sprachenspezifischer Rahmencurricula ergänzt mit sprachspezifischen Anhängen auf Englisch und Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache und Latein als zweite Fremdsprache. In den Anhängen sind Sprachfunktionen, generelle Notionen und Beispiele in der Zielsprache verzeichnet. Ungeachtet der ständigen Änderungen basieren die ungarischen Sprachencurricula überwiegend auf den Leitlinien des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Die aktuelle Version nimmt das Sprachverwendungsmodell und den Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens als Grundlage, berücksichtigt alle Kompetenzen und wendet die <?page no="41"?> 41 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design Kompetenzniveaus sowie die Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens auf die Output-Voraussetzungen an. Der Nationale Grundlehrplan beinhaltet zusätzlich „gebrauchsfertige“ Beispiele für Aufgaben und Textsorten für den Unterricht sowie sprachspezifische Listen mit Sprechhandlungen, Themenfeldern und Notionen in den jeweiligen Rahmencurricula. Andere relevante ungarische Regulierungen, beispielsweise das Sprachrahmencurriculum oder das zweistufige Abitur, sind ähnlich aufgebaut. Die meisten Änderungen an den Regulierungen für den Sprachenunterricht sind überwiegend Anpassungen an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. 1.3.5 Zusammenfassung ▶ In dieser Einheit wurden die Konzepte Sprachencurriculum und Lehrplan erläutert, damit Sie mehr über die Sprachplanung erfahren. Dabei wurden die verschiedenen Entwicklungsphasen diskutiert, die in den Planungsdokumenten vorgesehen sind. ▶ Mit der Einführung in die Theorie der Erstellung der Sprachplanungsdokumente und mit den Informationen über ihre Rolle und Bedeutung, dient diese Einheit als Unterstützung bei ihrer Berücksichtigung und Integration in den Sprachenunterricht. ▶ Wir haben die Prozesse zur Entwicklung und Überarbeitung von Curricula in Ungarn vorgestellt, damit Sie anhand eines Anwendungsbeispiels sehen, wie die theoretischen Überlegungen in der Praxis angewandt werden. Die Zusammenfassung liefert eine wichtige Grundlage zur Entwicklung von Planungsdokumenten und erläutert die wichtigsten Aspekte, die bei ihrer Anwendung berücksichtigt werden sollten. ▶ Mit den theoretischen Rahmenplänen und dem Praxisbeispiel für die Umsetzung kennen Sie nach dieser Einheit die Grundlagen der Sprachplanung und haben ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie sie einen Beitrag zur erfolgreichen Lehre leistet. 1.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen Sie die unterschiedlichen Phasen der Entwicklung eines Curriculums. 2. Warum wenden Lehrkräfte heimliche Lehrpläne an? 3. Welche Faktoren werden bei einer Bedarfsanalyse untersucht und warum? 4. Wie lassen sich kommunikative Curricula mit den zuvor überwiegend genutzten vergleichen? 5. Wie können Lehrkräfte zentrale Curricula im alltäglichen Unterricht nutzen? <?page no="43"?> 43 1.3 Curriculum- und Lehrplan-Design 2. Planung einer Unterrichtseinheit Sandra Ballweg In Kapitel 1 haben Sie sich mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ( GER ) sowie Curricula und Lehrplänen beschäftigt, die eine Grundlage für die Gestaltung und Planung von Unterricht darstellen. Darauf aufbauend führt der Weg, den Lehrer und Lehrerinnen beim Unterrichten gehen, von der Bedarfs- und Situationsanalyse über Entscheidungen zur allgemeinen Ausrichtung des Unterrichts und die konkrete Planung von Unterrichtseinheiten und einzelnen Unterrichtsstunden bis zur Überprüfung des Erreichens der Lehrziele und zur Evaluation des Unterrichts (vergleiche Abschnitt 1 in Lerneinheit 1.3). In diesem Kapitel steht die konkrete Planung einer Unterrichtseinheit im Fokus. Diese nimmt für Lehrerinnen und Lehrer meist mehr Zeit in Anspruch als das Halten des Unterrichts selbst, und ohne sie ist es kaum möglich, guten Unterricht zu gestalten. Die Planungsphase beinhaltet nicht nur, den Ablauf einer Stunde vorab festzulegen sowie Arbeitsmaterialien auszuwählen und selbst zu erstellen, sondern zuvor auch das Festlegen von Lehr- und Lernzielen. Darum geht es im ersten Teil dieses Kapitels. Wir beschäftigen uns mit der Frage, welche unterschiedlichen Ziele es im Fremdsprachenunterricht geben kann und wie sie aus curricularen Vorgaben einerseits und den Bedürfnissen der Lerner andererseits abgeleitet werden können. In Lerneinheit 2.2 gehen wir der Frage nach, welche Möglichkeiten es gibt, Unterricht zu planen und was dabei zu beachten ist. Damit der Unterricht allen Lernern in einer Lerngruppe gleichermaßen gerecht wird, wird der Unterricht in der Regel individualisiert und binnendifferenzierend gestaltet, was Gegenstand der dritten Lerneinheit dieses Kapitels ist. <?page no="44"?> 44 2. Planung einer Unterrichtseinheit 2.1 Lehr- und Lernziele Wer Unterricht planen und vorbereiten will, steht vor der Aufgabe, Ziele zu definieren, die in einer einzelnen Unterrichtsstunde, in einer Woche und über einen längeren Zeitraum, beispielsweise ein Schuljahr, erreicht werden sollen. Doch welche Ziele sollen das sein? Woraus werden sie abgeleitet? Die Auswahl der Ziele stellt Lehrerinnen und Lehrer vor eine große Herausforderung: Aus einer Vielzahl von möglichen Zielen müssen die ausgewählt beziehungsweise mit den Lernern ausgehandelt werden, die den jeweiligen curricularen Vorgaben entsprechen, den vielfältigen Bedürfnissen und Zielen aller Lerner in einer Lerngruppe gerecht werden und die relevant sind. In dieser Lerneinheit wird beleuchtet, wie Ziele aus Bedürfnissen der Lerner, Bildungsstandards, Lehrplänen oder anderen Formen von bildungspolitischen und curricularen Vorgaben sowie aus den Vorstellungen der Lehrkräfte abgeleitet und ausgehandelt werden, wie sie definiert, klassifiziert, gruppiert und auch formuliert werden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Begriffe Lehr- und Lernziele kennen; ▶ Lehr- und Lernziele nach verschiedenen Kriterien klassifizieren können, zum Beispiel nach ihrer Detailliertheit, nach ihrem erwarteten Mindestmaß (Minimalziele vs. Maximalziele) und nach inhaltlichen Gesichtspunkten; ▶ die Rolle von Lehr- und Lernzielen bei der Planung von Fremdsprachenunterricht beschreiben können; ▶ Lehr- und Lernziele für Ihren Unterrichtskontext festlegen und formulieren können. 2.1.1 Ziele im Bildungskontext Unabhängig davon, wo und wen Sie unterrichten, werden Sie feststellen, dass sich für eine Lerngruppe keine allgemeingültigen Ziele formulieren lassen, weil alle Lerner unterschiedliche Ziele haben. Vielleicht werden Sie auch feststellen, dass Sie wenig über die Lernziele Ihrer Lerner wissen oder sie nicht berücksichtigen können, was besonders dann der Fall sein kann, wenn Ihr Unterricht durch enge Lehrpläne und vorgegebene Ziele bestimmt ist. Trotzdem bietet es sich an, die Ziele der Lerner kennenzulernen, um sie zu integrieren. Je nach Unterrichtskontext werden Sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Schülerinnen und Schüler lernen vielleicht Fremdsprachen, weil der Lehrplan es vorsieht. Sie haben manchmal weniger klar definierte eigene Lernziele. Dagegen haben beispielsweise Menschen, die am Abend nach der Arbeit noch einen Sprachkurs besuchen, häufig vergleichsweise klare Vorstellungen davon, was sie in dem Kurs lernen möchten. Sicher sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ziele, die Lerner haben, immer verschiedenen Einflüssen unterliegen. <?page no="45"?> 45 2.1 Lehr- und Lernziele Die Vielfalt an Lehr- und Lernzielen, in die Sie bereits einen ersten Einblick erhalten haben, werden wir im Folgenden nun genauer beleuchten. 2.1.2 Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Lehr- und Lernzielen? Im Fremdsprachenunterricht und auch beim selbstgesteuerten Fremdsprachenlernen werden verschiedene Ziele verfolgt. Diese Ziele stellen einen Zwischen- oder Endpunkt einer Lernphase dar und steuern die Handlungen von Lehrerinnen und Lehrern und Lernern im Prozess (vergleiche Beckmann 2016: 11-12, 23). Das übergreifende Ziel des Fremdsprachenunterrichts ist es, die Lerner sprachlich handlungsfähig zu machen (vergleiche zum Beispiel Huhta, Vogt, Johnson & Tulkki 2013: 10). Je nach individuellen Zielsetzungen der Lerner können damit unterschiedliche Lernziele verbunden sein. Wollen Lerner die Zielsprache im Beruf nutzen, haben sie andere Erwartungen an den Unterricht als wenn sie die Sprache aus touristischen Gründen lernen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das macht besonders im außerschulischen Kontext eine Ziel- und Bedarfsanalyse unabdingbar (vergleiche Huhta et al. 2013: 10). Gleichzeitig werden die im Fremdsprachenunterricht zu erreichenden Ziele nicht nur durch die Lerner bestimmt, sondern es werden auch Ziele verfolgt, die von der Lehrperson festgelegt werden, die wiederum Curricula, Lehrpläne, institutionelle Vorgaben und vieles mehr berücksichtigen muss. Es kann also zwischen Lehr- und Lernzielen unterschieden werden. Genau genommen beschreiben Lernziele die Ziele der Lerner, wohingegen Lehrziele von den zu vermittelnden Inhalten ausgehend gedacht, von der Lehrperson festgelegt und von Lehrplänen etc. vorgegeben werden (vergleiche Roche 2013: 214). Allerdings werden die Begriffe in der Fachliteratur auch anders verwendet, meistens synonym. Nicht selten wird in der Unterrichtsplanung mit dem Begriff des Lernziels das beschrieben, was eigentlich ein Lehrziel ist. In diesem Kapitel sollen die Begriffe im eigentlichen Sinne verwendet werden: Lernziele als die Ziele der Lerner, Lehrziele als die Ziele, die durch Lehrerinnen und Lehrer, Lehrpläne, Curricula, Institutionen oder andere Instanzen festgelegt werden (vergleiche dazu zum Beispiel auch Beckmann 2016: 23). Denn selbst die output-orientierten Ziele, wie sie auch im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen verwendet werden, beschreiben zwar das Ergebnis des Lernprozesses, sind aber zunächst fremdgesetzt (vergleiche Kleinbeck 2010) und müssen also noch von den Lernern angenomen werden. Da sich Lehr- und Lernziele häufig gegenseitig beeinflussen und nicht immer klar zu trennen sind (Lehrziele können Lernziele werden, sobald sie von den Lernern angenommen werden), kann es auch sinnvoll sein, sie gemeinsam zu nennen und damit das Zusammenspiel der verschiedenen Ziele zu verdeutlichen. Das Nebeneinander von Lehr- und Lernzielen und die komplexen Aushandlungsprozesse, die damit einhergehen, sind kennzeichnend für die Ziele, die im Unterricht gelten. Wenn unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, werden häufig gemeinsame Ziele festgelegt, aber auch solche, die sich entgegenstehen. Hier spricht man von der Zielkomplexität, die das „Zusammen- und Gegeneinanderwirken verschiedener Ziele“ (Beckmann 2016: 27) beschreibt. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre der Fall, dass jemand an einem Kurs teilnimmt, <?page no="46"?> 46 2. Planung einer Unterrichtseinheit um für eine Reise einige wichtige Sätze und Phrasen in einer Fremdsprache zu lernen, ohne sich mit der Sprachstruktur auseinandersetzen zu wollen, während die Lehrperson die Sprache aber systematisch vermitteln möchte. An diesen Aushandlungsprozessen sind allerdings nicht nur Lehrerinnen und Lehrer sowie Lerner beteiligt, sondern auch zahlreiche Akteurinnen und Akteure, die nicht unmittelbar sichtbar werden, wie etwa Verantwortliche in der Bildungspolitik,- - von der europäischen Ebene bis hin zur jeweiligen Institution-- die Eltern von jungen Lernern oder andere Menschen im unmittelbaren oder weiteren Umfeld der Lerner. Auch gesellschaftliche Überzeugungen beeinflussen die Ziele, beispielsweise die verbreitete Überzeugung, dass Englisch eine wichtige Sprache sei, in der man sich verständigen können sollte. Diese Aufzählung kann noch weiter fortgesetzt werden. Je nach Unterrichtskontext und Umfeld kommen andere Einflüsse dazu, beispielsweise im Fremdsprachenunterricht im beruflichen Kontext, in dem aus konkreten Arbeitssituationen Ziele entstehen. Die Gewichtung der Einflüsse kann sehr unterschiedlich sein. Im schulischen Fremdsprachenunterricht dominieren in der Regel durch den Lehrplan oder Bildungsstandards bestimmte Lehrziele. Die Ziele einzelner Unterrichtsstunden sind häufig durch darauf abgestimmte Lehrwerke vorgegeben oder dadurch zumindest maßgeblich beeinflusst, wobei die Überzeugungen und Entscheidungen der Lehrerinnen und Lehrer dazu führen, dass auch bei der Arbeit mit einem Lehrwerk bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden, einzelne Ziele als wichtiger erachtet werden als andere, und weitere Ziele ergänzt werden. Typisch für den schulischen Kontext ist, dass die Lerner seltener wählen können, ob sie eine Fremdsprache lernen wollen und sie dementsprechend wenig explizite Ziele haben. Stellt man sich im Gegensatz dazu einen Volkshochschulkurs für Italienisch vor, der einmal wöchentlich am Abend stattfindet, fallen einige Unterschiede auf: Einen konkreten Lehrplan gibt es dort in der Regel nicht. Vielmehr ist als Ziel eine Stufe des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens vorgegeben, auf die auch das Lehrwerk ausgerichtet ist. Dazu kommen auch hier die persönlichen Ziele der Lehrerinnen und Lehrer. Die Lernziele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind in einem solchen Kurs häufig vielfältig, teilweise auch sehr speziell. So könnten Lerner die Sprache aus beruflichen Gründen lernen wollen, wobei sie vermutlich möglichst schnell und zielgerichtet die für sie relevanten Bereiche der Sprache kennenlernen wollen. Andere mögliche Gründe wären eine geplante Urlaubsreise, die Kommunikation mit einem Freund oder auch die beabsichtigte Migration in das Zielsprachenland. In allen Fällen haben die Lerner unterschiedliche Erwartungen an den Unterricht, die Lehrerinnen und Lehrer idealerweise erfragen (vergleiche dazu die Ausführungen zur Bedarfs- und Situationenanalyse in Lerneinheit 1.3) und mit den Lehrzielen in Einklang bringen müssen. 2.1.3 Kompetenzorientierte Ziele Mit der Kommunikationsorientierung im Fremdsprachenunterricht, dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und Leistungsvergleichsstudien wie PISA und DESI hat die Kompetenzorientierung Einzug in die Unterrichtsräume gehalten. Typische Beispiele hierfür sind die Implementierung von Bildungsstandards sowie die Ersetzung von Lehrplänen durch <?page no="47"?> 47 2.1 Lehr- und Lernziele Kerncurricula, die outputorientiert arbeiten (vergleiche Roche 2013: 215), das heißt die sich dadurch auszeichnen, dass sie weniger die Lerninhalte beschreiben, wie es bei traditionell formulierten Lehrzielen der Fall ist, als vielmehr Ergebnisse formulieren und das festhalten, was Lerner am Ende können sollen (vergleiche Küster 2016: 83) (siehe dazu Abschnitt 2 in Lerneinheit 2.2). Sie basieren weniger als Lehrziele auf einer fachwissenschaftlichen Systematik, sondern lösen sich davon (vergleiche Merkens 2010: 50). Kompetenzen sind daher in der Regel komplexer und breiter gefasst, so dass sie nicht in einer einzelnen Schulstunde erreicht werden könnten. Wenn Lehrkräfte also über einen längeren Zeitraum, beispielsweise ein Schuljahr, komplexere Kompetenzen aufbauen möchten, dann formulieren sie dazu mehrere kurzfristige Ziele, die sich auf Teilkompetenzen beziehen. Ein Beispiel für eine Zielkompetenz wäre die Fähigkeit, mit literarischen Texten in einer Fremdsprache umzugehen, was in viele Teilziele aufgeteilt werden muss, um im Unterricht bearbeitet werden zu können. In diesem Abschnitt gehen wir der Frage nach, was diese Kompetenzen und kompetenzorientierten Lehr- und Lernziele auszeichnet. Experiment Sehen Sie sich diese kompetenzorientierte Formulierung an: „Die Lerner können einfache Telefonate im beruflichen Kontext führen. Dazu zählt es, dem Gesprächspartner zuzuhören, seine Äußerungen zu verstehen sowie die eigenen Äußerungen adressaten- und situationsgerecht auszuwählen und zu formulieren.“ Wie würden Sie eine solche Zielformulierung beschreiben? Kreuzen Sie die Aussagen an, die Sie zutreffend finden, und ergänzen Sie die Liste: Die Zielbeschreibung … erinnert an die Kann-Beschreibungen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. legt den Fokus auf zu erwerbendes Wissen (Wortschatz, Grammatik etc.). legt den Fokus auf das Lernergebnis (Outcome-Orientierung). legt den Fokus auf den Lernprozess, also darauf, wie gelernt wird. ist anwendungsorientiert. beschreibt eine sprachliche Handlung, die bewältigt werden soll. … … … Sicher sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass beim kompetenzorientierten Ansatz die Beherrschung bestimmter Sprachhandlungsaspekte und damit die Handlungsfähigkeit <?page no="48"?> 48 2. Planung einer Unterrichtseinheit in einer Anwendungssituation im Vordergrund steht. Die Kann-Beschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens illustrieren das besonders gut. Allerdings geht es nicht nur darum, sprachliche Handlungsfähigkeit zu erreichen. In Anlehnung an Weinert (2001: 27-28) und Klieme, Avenarius, Blum, Döbrich, Gruber, Prenzel, Reiss, Riquarts, Rost, Tenorth & Vollmer (2003: 72) versteht auch die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung in einem Positionspapier ( DGFF : 2008: 3) unter Kompetenz eine Problemlösefähigkeit, die kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft und Fähigkeit voraussetzt. Das heißt, dass es nicht nur um Wissen und Können geht, sondern auch die Motivation und Bereitschaft zur Umsetzung gegeben sein müssen, die je nach Aufgabe alleine oder gemeinsam mit anderen geschieht. Kompetenzen sind demnach deutlich mehr als eine Fertigkeit, nämlich ein Zusammenspiel von Wissen, Können und Handeln in konkreten Handlungssituationen, das nicht kurzfristig trainierbar ist, sondern langfristig entwickelt werden muss (vergleiche Erpenbeck & Heyse 1999: 23; Königs 2012: 34-38). Es geht also darum, komplexe sprachliche Handlungssituationen zu bewältigen, wozu neben Sprachwissen und Sprachkönnen auch zahlreiche andere Fähigkeiten eingesetzt werden müssen, beispielsweise um die entsprechende Situation richtig einzuschätzen, sich auf das Gegenüber einzustellen und flexibel zu agieren. Mit der Kompetenzorientierung verändert sich auch die Formulierung von Lehrzielen bzw. Zielkompetenzen im Unterricht. Der Fokus verschiebt sich von kleineren, klar definierten Lehrzielen, die häufig auf kognitive Aspekte ausgerichtet sind, hin zur Bewältigung komplexer Situationen und von Lehr- und Lerninhalten hin zu den Ergebnissen eines Lernprozesses. Experiment Betrachten Sie die Beispiele aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und aus dem Kerncurriculum für moderne Fremdsprachen für die Sekundarstufe 1 in Hessen, das auf den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz basiert. Beschreiben Sie die Besonderheiten. Die folgenden Attribute und Beschreibungen können Ihnen als Anregung dienen. eher zutreffend eher nicht zutreffend messbar und operationalisierbar beobachtbare Fertigkeiten komplexe Fertigkeiten handlungs- und anwendungsorientiert auf Sprachwissen fokussiert auf Lernfähigkeit ausgerichtet … … <?page no="49"?> 49 2.1 Lehr- und Lernziele Ich kann ganz kurze, einfache Texte lesen. Ich kann in einfachen Alltagstexten (z. B. Anzeigen, Prospekten, Speisekarten oder Fahrplänen) konkrete, vorhersehbare Informationen auffinden und ich kann kurze, einfache persönliche Briefe verstehen. Beispiel aus: GER , Fertigkeit Lesen, A2 (http: / / www.goethe.de/ Z/ 50/ commeuro/ 303.htm) Überfachliche Kompetenzen Mit Blick auf die überfachlichen Kompetenzen wird im neuen Kerncurriculum für Hessen zwischen vier zentralen Bereichen - mit ihren Dimensionen und Aspekten - unterschieden: Personale Kompetenz: Diese umfasst jene Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten, die die Lernenden von ihren kognitiven und psychischen Voraussetzungen her befähigen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu handeln. [..] Zur personalen Kompetenz gehören ebenfalls Aspekte der Selbstregulierung wie die Fähigkeit, sich situationsangemessen zu verhalten und eigene Lern- und Arbeitsprozesse sachgerecht und konzentriert zu steuern. Sozialkompetenz: Hierbei geht es um eine vielschichtige Handlungskompetenz, die sich im Zusammenspiel verschiedener Fähigkeiten, Fertigkeiten, Motivationen und Einstellungen entfaltet. Grundlage ihrer Entwicklung ist eine soziale Wahrnehmungsfähigkeit. In Interaktionen entwickeln die Lernenden Rücksichtnahme und Solidarität gegenüber ihren Partnern. Kooperation und Teamfähigkeit haben zentrale Bedeutung für ein erfolgreiches gemeinsames Arbeiten. […] Die Lernenden übernehmen gesellschaftliche Verantwortung und üben ihre (Mit-)Gestaltungsrechte aktiv aus. Ihr Handeln trägt zur interkulturellen Verständigung bei. Lernkompetenz: Sie zeigt sich in der Fähigkeit, variable Anforderungssituationen und Aufgaben mithilfe geeigneter Strategien zu erschließen sowie den Lernprozess und seine Ergebnisse angemessen reflektieren zu können. […] Problemlösekompetenz zeigt sich darin, Probleme zu analysieren, (alternative) Lösungswege zu planen und letztlich Entscheidungen zu treffen. Arbeitskompetenz ermöglicht es, Arbeitsprozesse sachgerecht zu planen, Ressourcen angemessen zu nutzen und Lernstrategien bewusst einzusetzen. Medienkompetenz ist für die Erschließung von Informationen sowie zur Dokumentation von Ergebnissen notwendig. […] Sprachkompetenz: In diesem Bereich kommt dem Aufbau und der kontinuierlichen Sicherung der Lesekompetenz eine herausgehobene Stellung zu. Ohne ein angemessenes Leseverständnis sind erfolgreiche Lernprozesse auf Dauer nicht möglich; gleiches gilt für die Schreibkompetenz. Kommunikationskompetenz setzt voraus, sich verständlich auszudrücken und sich an Gesprächen konstruktiv zu beteiligen. Die Lernenden entwickeln zunehmend die Fähigkeit, Kommunikations- und Interaktionssituationen aufmerksam wahrzunehmen, zu verfolgen und zu reflektieren. Dabei lernen sie, Rede- und Gesprächsformen zu unterscheiden, Kommunikationsmittel sowie Rede- und Gesprächsstrategien situations-, adressaten- und sachbezogen anzuwenden. Die genannten Prozesse zielen auf eine aktive mündliche und schriftliche Sprachverwendung sowie auf die argumentative Qualität von Sprech- und Schreibleistungen. Beispiel aus: Hessisches Kultusministerium: Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum für Hessen. Sekundarstufe I - Gymnasium. Moderne Fremdsprachen. (https: / / kultusministerium.hessen.de/ sites/ default/ files/ media/ kerncurriculum_moderne_ fremdsprachen_gymnasium.pdf) <?page no="50"?> 50 2. Planung einer Unterrichtseinheit Vermutlich haben Sie sich notiert, dass die beschriebenen Zielkompetenzen stark anwendungsorientiert sind: Lerner sollen in der Lage sein, die Sprache in bestimmten Situationen anzuwenden, aber auch befähigt werden, ihren Lernprozess zu reflektieren und ihn effektiv zu gestalten. Daher sind die beschriebenen Fertigkeiten und Fähigkeiten sehr komplex, nicht immer beobachtbar (zum Beispiel die Reflexionsfähigkeit) und deshalb schwer mess- und prüfbar. Beim oben angeführten Beispiel aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen stellt sich die Frage, was einen einfachen Text auszeichnet oder ob die Niveaustufe erreicht ist, wenn eine Speisekarte gelesen werden kann, eine andere aber nicht. Die Stärken dieses Ansatzes liegen auf der Hand: Statt der Defizite und des Nicht-Könnens stehen das Können und die sprachliche Handlungsfähigkeit der Lerner im Vordergrund. Auch die Beurteilung individueller Leistungen ist leichter möglich (vergleiche dazu DGFF 2008). Darüber hinaus stellt die Abkehr vom Ziel, einzelne Grammatikphänomene zu beherrschen, einen großen Fortschritt dar, denn dieses wird ersetzt durch das Ziel, verschiedene sprachliche Mittel situations- und kontextangemessen zu verwenden. In konkreten Unterrichts- und Prüfungssituation kann die Orientierung an Zielkompetenzen allerdings auch schwierig werden. Bei der Unterrichtsgestaltung stehen Lehrerinnen und Lehrer vor allem vor der Frage, welche Teilkompetenzen vermittelt werden müssen, um die Lerner an eine Zielkompetenz heranzuführen, wie eine Kompetenz also zu operationalisieren ist. Das Beispiel aus dem Kerncurriculum verdeutlicht die Vielzahl der Teilkompetenzen. Auch bei der Leistungsbeurteilung kommen diese Probleme der Operationalisierbarkeit zum Tragen. Hierzu werden derzeit verschiedene Aufgabentypen, Beschreibungen und Diagnoseaufgaben entwickelt, aber es besteht noch weiterer Handlungsbedarf (vergleiche DGFF 2008: 12), um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten und diese Ansätze besser umsetzbar zu machen. Trotz der genannten Schwierigkeiten ist die Arbeit mit Zielkompetenzen sinnvoll, um das Ziel der sprachlichen Handlungsfähigkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer ist es, sie auf lernbare Teilkompetenzen herunterzubrechen und damit im Unterricht zu arbeiten. 2.1.4 Welche Ziele können beim Fremdsprachenlernen unterschieden werden? Unabhängig davon, wie Lehrziele formuliert sind, gilt es in allen Fällen, Bereiche zu definieren, die für das Fremdsprachenlernen relevant sind. Aus der allgemeinen Didaktik ist die Taxonomie von Lehr- und Lernzielen von Benjamin Bloom aus dem Jahr 1976 bekannt. Hier wird zwischen kognitiven, affektiven und psychomotorischen Zielen unterschieden (vergleiche Bloom 1976: 20-21). Kognitive Ziele sind diejenigen, „die Erinnern oder Erkenntnis von Wissen und die Entwicklung intellektueller Fertigkeiten und Fähigkeiten behandeln“ (Bloom 1976: 20). In diesem Bereich sind Curricula meist sehr differenziert beschrieben, so dass häufig eine gute Grundlage für klare Zieldefinitionen besteht. Der affektive Bereich, der sich auf Ziele bezieht, die mit Interessen, Einstellungen und Werten verbunden sind und die Entwicklung einer Anpassungsfähigkeit einschließt (vergleiche Bloom 1976: 20), wird in der Unterrichtspraxis häufig weniger beachtet, nicht zuletzt, weil er schwieriger zu beschreiben und zu erfassen ist. Die von Bloom als dritte Gruppe genannten psychomotorischen Ziele (vergleiche <?page no="51"?> 51 2.1 Lehr- und Lernziele Bloom 1976: 20) spielen im Fremdsprachenunterricht kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildet das Schreibenlernen, bei dem die motorische Komponente zu berücksichtigen ist. Eine solche Gruppierung von Zielen ist sinnvoll, um einen besseren Überblick zu erhalten und auch die Ziele nicht aus dem Blick zu verlieren, die nicht beobachtbar oder gar messbar sind. Welche Ziele im Kontext des Fremdsprachenlernens relevant sind, können Sie in diesem Abschnitt anhand eines Beispiels aus dem Lehrwerk deutsch.com erarbeiten. Im Lehrwerkausschnitt auf den folgenden Seiten wird mit einem Ausschnitt aus einem literarischen Werk gearbeitet. Daher nimmt das Lesen viel Raum ein. Vorab findet eine inhaltliche Vorentlastung des Leseverstehens statt, bei der die Sprechfertigkeit trainiert werden kann. Weder das Lesen noch das Sprechen werden differenziert angeleitet, sondern es geht um eine Anwendungsmöglichkeit. Das globale Leseverständnis wird durch eine Zuordnungsübung gesichert, bei der die drei Abschnitte drei Bildern zugeordnet werden sollen. In Aufgabe C3 sollen die Inhalte des Textes schriftlich reproduziert werden. Neben dem Leseverstehen ist hier vor allem mündliche oder schriftliche Formulierungsfertigkeit gefragt. Das ist allerdings nicht unbedingt ein Lehrziel, da sie in diesem Kapitel nicht vermittelt, sondern vielmehr vorausgesetzt wird. Die Schreibaufgabe unter C4 verlangt, dass die Lerner ihren ersten Schultag beschreiben. Dazu benötigen sie neben Kenntnissen über die Schriftsprache und Textkonventionen auch themenspezifischen Wortschatz und zahlreiche andere Kenntnisse und (Teil-)Fertigkeiten. Diese Vorgehensweise findet sich in vielen Lehrwerken: Der Weg durch eine Aufgabe oder zu einem Lehrziel wird in großen Schritten gegangen, die die wenigsten Lernenden so vollziehen können. Daher ist es notwendig, Teilziele zu definieren, diese zuerst anzugehen und darüber eine Basis für das Erreichen des Lehrziels zu schaffen. Teilziele müssen daher kleinschrittig gestaltet und sinnvoll aufeinander abgestimmt sein, um durch sie eine Steuerung des Lernprozesses zu erreichen. Bei outputorientierten Zielen, mit denen Lehrwerke überwiegend arbeiten, ist es leichter zu erkennen, wann sie erreicht sind, wie die Beispiele aus dem Bereich Grammatik (konzessive Hauptsätze mit trotzdem, Verben, Adjektive und Substantive mit Präpositionen und dem jeweiligen Kasus) zeigen. Unter der Überschrift „Das kann ich jetzt! “ werden die erreichten Ziele der Lektion zusammengefasst. Darunter sind ganz im Sinne der Anwendungsorientierung sechs Äußerungssituationen aufgeführt, die die Lerner nun mit den gegebenen sprachlichen Mitteln bewältigen können. Damit zeigt sich, was sich schon in den Aufgaben abgezeichnet hat: Die Lehrziele dieser Lektion liegen neben der Übung der Fertigkeit Lesen in den Bereichen Grammatik, Wortschatz sowie schriftliches und mündliches Ausdrucksvermögen. Das Lesen eines literarischen Textes, das einen Zugang zu Literatur bieten und auch mit landeskundlichem Lernen verbunden werden kann, wird nicht erwähnt. Bei der Arbeit mit einer solchen Lektion ist es die Aufgabe der Lehrperson, Prioritäten zu setzen und für die jeweilige Lerngruppe relevante Lehrziele zu ergänzen. Die Verbesserung der Fertigkeiten Lesen, Sprechen und Schreiben könnten bei der Arbeit mit dieser Lektion durch Anleitung und ergänzende Aktivitäten in den Blick genommen werden. Auch die Arbeit mit literarischen Texten oder der Bereich Landeskunde lässt hier Raum für weitere Ziele, die auch im affektiven Bereich liegen könnten, beispielsweise bei der Lesemotivation. Daran <?page no="52"?> 52 2. Planung einer Unterrichtseinheit Experiment Sehen Sie sich diesen Ausschnitt aus dem Lehrwerk deutsch.com 2 an. Welches allgemeine Lehrziel könnte auf diesen Seiten verfolgt werden? Was sind vermutlich die Teilziele der einzelnen Aufgaben und Aktivitäten? 38 L E K T I O N 2 3 C 23 C Benjamin Lebert: „Crazy” Die Klasse 8B ist nicht groß: zwölf Schüler. Mich eingeschlossen. In den staatlichen Schulen sieht das anders aus. Da sind es immer um die fünfunddreißig. Aber die müssen schließlich auch nicht zahlen. Hier zahlen wir. Und zwar bis es kracht. Wir sitzen, wie eine große Familie, in Hufeisenform vor dem Lehrer. Wir halten uns beinahe bei den Händen, so sehr lieben wir uns. Internat eben. Eine Gruppe, eine Freundschaft, eine Familie. Und Mathelehrer Rolf Falkenstein ist unser Papi. Er ist ein großer Kerl. Fast 1,90m.(…) Ich fürchte mich ein wenig vor ihm. Barsch knallt er sein großes Geodreieck gegen die Tafel. Er zieht einen Strich. Mitten durch ein geometrisches Gebilde. Ich glaube, es soll eine Gerade sein oder so. Ich versuche, sie abzuzeichnen. Doch es gelingt mir nicht. Immer wieder rutscht das Geodreieck beiseite. Schließlich mache ich es per Hand. Was herauskommt, ist ein komisches Gebilde. Einem Glücksdrachen ähnlicher als einer Geraden. Nach dem Unterricht lässt mich Falkenstein zur Seite treten. „Du wirst Nachhilfe haben müssen“, sagt er. „Und so wie ich das sehe, mindestens eine Stunde täglich.“ Große Freude steigt in mir auf. „Nun gut. Wenn es denn sein muss.“ Ich gehe. C1 BESPRECHEN Was wisst ihr schon über Benjamin Lebert und seinen Roman? C2 LESEN Abschnitte und Bilder: Ordne zu. Benjamin ist den ersten Tag an der neuen Schule. Es ist eine Privatschule, ein Internat. Er beschreibt in seinem Roman seine Klasse und seine erste Mathematikstunde so: C3 LESEN Beantworte die Fragen. 1 Was schreibt Benjamin: Welche Unterschiede gibt es zwischen den privaten und den staatlichen Schulen? 2 Was muss Benjamin im Mathe-Unterricht zeichnen? 3 Welches Problem hat er dabei? Was ist das Ergebnis? 4 Was sagt der Mathelehrer nach dem Unterricht zu Benjamin? C4 SCHREIBEN Wie war dein erster Schultag? Schreib einen kleinen Bericht. CRAZY ist Benjamin Leberts erster Roman - ein Weltbestseller, in 33 Sprachen übersetzt und von Hans-Christian Schmid verfilmt. A B C 1 2 3 5 10 Wo? Welche Klasse? Wie viele Schüler? Wie war dein(e) Lehrer(in)? Wie waren deine Mitschüler? Wie war der Klassenraum? Welche Gefühle hattest du? 1 y 2 y 3 y … Und zwar bis es kracht. = hier: die Eltern zahlen viel Geld für die Schule sich fürchten vor = Angst haben vor das Geodreieck nicht gelingen = nicht können der Glücksdrachen die Nachhilfe = Extra-Unterricht 034_039_001659_001_02.qxp: Layout 1 29.06.2010 13: 06 Uhr Seite 38 Abbildung 2.1: deutsch.com 2, Kursbuch (Neuner 2009: 38) <?page no="53"?> 53 2.1 Lehr- und Lernziele L E K T I O N 2 3 D 39 Das ist wichtig! D Nomen maskulin (m) der Abschluss, ¨-e der Bankkaufmann, -leute der Enkel, der Erfolg, -e der Mensch, -en der Parlamentarier, der Schriftsteller, der Traum, ¨-e der Verein, -e neutral (n) das Abitur, nur Sg. das Magazin, -e das Mitglied, -er das Zeugnis, -se das Ziel, -e feminin (f) die Aktion, -en die Ausbildung, -en die Fantasie, -n die Gesamtschule, -n die Grundschule, -n die Hauptschule, -n die Kindheit, nur Sg. die Lösung, -en die Lust, nur Sg. Lust haben (auf Akk.) die Natur, nur Sg. die Partei, -en die Politik, nur Sg. die Schulpolitik die Portion, -en die Realschule, -n die Tafel, -n die Unterschrift, -en Verben auf|wachen denken (an Akk.), hat gedacht erfinden, hat erfunden kapieren malen mit|arbeiten passen (zu Dat.) rennen, ist gerannt Sport treiben, hat Sport getrieben sprechen (mit Dat.), hat gesprochen stören verändern verlassen, a→ä, hat verlassen warten (auf Akk.) wechseln Adjektive aktiv eigen gemeinsam politisch sauber zufrieden (mit Dat.) zufrieden sein Adverbien hinten plötzlich vorn Hilfe ablehnen Nein danke, ich kann das schon alleine. etwas nachfragen Sind Sie jetzt zufrieden mit mir? Zufriedenheit ausdrücken Ich bin zufrieden mit dir. GRAMMATIK Konzessiver Hauptsatz mit trotzdem Hauptsatz Hauptsatz mit trotzdem Position 1 Position 2 … Anna Lührmann ist erst 19 Jahre alt, trotzdem ist sie schon Parlamentarierin. Verben/ Nomen/ Adjektive mit Präpositionen denken an + Akkusativ (m) den Opa. Ich denke an (n) das Beispiel. (f) die Schule. auch so : warten auf, (Pl) die Mathestunden. Lust haben auf sprechen mit + Dativ (m) dem Lehrer. Ich spreche mit (n) dem Kind. (f) der Lehrerin. auch so : passen zu, (Pl) den Lehrern. zufrieden sein mit WORTSCHATZ Das kann ich jetzt! eine Situation erklären Benjamin kann nicht mit den anderen Kindern rennen und spielen. Trotzdem ist er glücklich in seiner Kindheit. Ärger ausdrücken So, jetzt ist es aber genug! Hilfe anbieten Soll ich dir helfen? Lernen lernen Lern die Verben/ Nomen/ Adjektive immer zusammen mit der Präposition! → B5 034_039.qxp: Layout 1 12.12.2011 10: 00 Uhr Seite 39 Abbildung 2.2: deutsch.com 2 , Kursbuch (Neuner 2009: 39) <?page no="54"?> 54 2. Planung einer Unterrichtseinheit zeigt sich die allgemeine Tendenz, faktenorientierte, outputorientierte Ziele in den Vordergrund zu rücken. Diese sind leichter zu operationalisieren und besser evaluierbar als andere Ziele, beispielsweise affektive oder interkulturelle, die demzufolge häufig etwas vernachlässigt werden (vergleiche Beckmann 2016: 24). Natürlich können nicht alle denkbaren Ziele in jeder Unterrichtseinheit berücksichtigt werden. Meist empfiehlt es sich, ein übergeordnetes Lehrziel zu formulieren, mit welchem verschiedene Teilziele und begleitende Ziele verbunden werden. So könnte beispielsweise bei dem zuvor vorgestellten Ausschnitt aus dem Lehrwerk das übergeordnete Ziel lauten, sich am Beispiel des präsentierten Textausschnitts literarischen Texten anzunähern, was am Ende eines längeren Lernabschnitts zu dem Ziel führen kann, insgesamt besser mit literarischen Texten umgehen zu können, wobei das sicher nie alle denkbaren literarischen Texte einschließt. Folgende weitere Ziele könnten beispielsweise damit einhergehen: Die Lerner können ▶ die textuellen Besonderheiten literarischer Texte kennenlernen, ▶ ihre Lesefertigkeit verbessern, indem sie ihre Lesegewohnheiten reflektieren und eine neue für literarische Texte geeignete Lesetechnik ausprobieren, ▶ Wissen über den Autor und seine Werke erlangen, ▶ über die Arbeit am literarischen Text und das Sich-Hineinversetzen in die Figuren ihre Empathiefähigkeit weiterentwickeln und ihr Antizipationsvermögen schulen, ▶ eine Gelegenheit erhalten, ihre Lesemotivation auszubauen, ▶ … Diese Liste könnte noch beliebig fortgeführt werden. Eine wesentliche Aufgabe der Lehrperson ist es, Prioritäten zu setzen und nur eine bewältigbare Anzahl an Zielen für eine Unterrichtseinheit zu nennen. Um Ziele sinnvoll auswählen zu können, ist es zunächst notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer einen Überblick über mögliche Lehrziele haben und sich ihrer Breite bewusst sind, denn Lerner müssen zahlreiche Teilkompetenzen erwerben, um die Sprache in vielfältigen Situationen adäquat anwenden und ihre Sprachkenntnisse selbstständig ausbauen zu können. Es müssen sowohl Ziele verfolgt werden, die sich auf Sprache als Produkt beziehen, wie etwa Grammatikkenntnisse, landeskundliche Kenntnisse oder Wissen über Textkonventionen, als auch solche, die den Prozess der Sprachverwendung in den Blick nehmen, wie zum Beispiel die Bewältigung von Schreib- und Leseverstehensprozessen. Aus der Verbindung dieser beiden Bereichen entsteht die Sprachverwendung, mit der die Ziele der Flüssigkeit, Korrektheit und Komplexität (vergleiche Viebrock 2009: 49) verbunden sind. Auch die Fähigkeit, die zwischenmenschliche Interaktion angemessen zu gestalten, muss entwickelt werden, wozu beispielsweise Empathie und Aufgeschlossenheit der Lerner ausgebaut werden können. Da das Fremdsprachenlernen immer auch als lebenslanges Lernen angelegt ist, sind Lerntechniken, Selbstlernkompetenzen und Sprachlernbewusstheit unerlässlich. Das beginnt bei der Selbstevaluation und der Einschätzung der Lerner, welche weiteren sprachlichen Mittel und Fertigkeiten sie benötigen, über das selbstgesteuerte Lernen bis hin zur erneuten Evaluation dieses Lernschritts (vergleiche dazu Macaro 2008: 56-57), für die die Lerner einige Fertigkeiten benötigen, nicht zuletzt Ausdauer. <?page no="55"?> 55 2.1 Lehr- und Lernziele Eine Übersicht über die Vielfalt an möglichen Lehr- und Lernzielen wird im Folgenden dargestellt, bevor wir im darauffolgenden Abschnitt der Frage nachgehen, was das für die Unterrichtspraxis bedeutet. Die Ziele werden nach Roche (2013: 215-216) in die folgenden vier Bereiche unterteilt: ▶ Wissenserwerb; ▶ sprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten; ▶ Persönlichkeitsentwicklung; ▶ Berufs- und Schlüsselqualifikationen. In diesen Kategorien benennt er weitere Teilbereiche, in denen Ziele angesiedelt sein können: Wissenserwerb Sach- und Fachwissen über Ausgangs- und Zielkultur Sprachwissen und Wissen über Konventionen, Normen, Texttypen und Textsorten Wissen über die Funktionsweise und kulturelle Verankerung von Texten Wissen über die Kultur (Landeskunde) und die Zwecke der Lehrinstitutionen und Bildungssysteme Theorie- und Methodenwissen Sprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten Ausgangs- und zielsprachliche Kenntnisse Kulturkompetenzen Pragmatische Kompetenzen Textverstehens- und -verarbeitungskompetenzen Vermittlungsfertigkeiten Ausdrucksfähigkeit und Stilempfinden schriftlich und mündlich produktive Kompetenz in Bezug auf Texttypen und Textsorten kohärente und logische Gestaltung von Texten Persönlichkeitsentwicklung emotionale Stabilität Kritik- und Reflexionsfähigkeit inklusive Selbstkritik Konzentrationsfähigkeit Ausdauer Flexibilität Verantwortungsbewusstsein Intuition, Aufgeschlossenheit, Empathie Kreativität Berufs- und Schlüsselqualifikationen Analyse-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit (kritische Kompetenz) Analogie- und Kontextualisierungsfähigkeit Erschließungs- und Einarbeitungsfähigkeit Recherchefertigkeiten Medienkompetenzen Interpersonale und interkulturelle Vermittlungskompetenzen Tabelle 2.1: mögliche Lehr- und Lernziele nach Roche (2013: 215-216) <?page no="56"?> 56 2. Planung einer Unterrichtseinheit Eine vollständige Liste, die für alle Unterrichtskontexte und alle Lerner gilt, kann vermutlich nur schwer erstellt werden. Mit dieser Zusammenstellung erhalten Sie einen Überblick über verschiedene mögliche Lehr- und Lernziele. Sicher ist es immer möglich, eine solche Liste weiter zu ergänzen oder auch anders zu unterteilen. Häufig werden im Fremdsprachenunterricht in komplexen Szenarien mehrere Ziele aus unterschiedlichen Bereichen in einer Unterrichtseinheit verfolgt. So eignet sich beispielsweise Projektarbeit ausgezeichnet, um nicht nur Ziele im Bereich des Wissenserwerbs zu erreichen, wenn etwa Informationen recherchiert werden, sondern auch, um die Sprache bei der Recherche, bei der Präsentation und ggf. auch in der Arbeitsgruppe auf unterschiedliche Art und Weise anzuwenden und darüber hinaus auch die Recherchefertigkeit, die Entscheidungsfähigkeit, die Selbstorganisationsfähigkeit und vieles mehr auszubauen. Eine Liste dieser Art hilft Ihnen dabei, die Orientierung nicht zu verlieren und sich selbst immer wieder an die vielfältigen Bereiche zu erinnern, die es zu berücksichtigen gilt. 2.1.5 Wie werden Lehrziele ausgewählt? Die Unterrichtsvorbereitung wird häufig als zweiteilig verstanden: Sie besteht erstens aus Vorerwägungen und zweitens aus der Entwicklung des Unterrichtsablaufs (vergleiche Gehring 2009: 192-193). Zu den Vorerwägungen zählt die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Besonderheiten der Lerner sowie mit dem Unterrichtsgegenstand und seiner Verortung in Lehrplänen und Curricula (vergleiche Ur 2002: 197). Daraus können zunächst Groblehrziele abgeleitet werden, die sich auf einen längeren Zeitraum, beispielsweise ein Schuljahr, beziehen und aus denen detailliertere Feinlehrziele enstehen, die in einzelnen Unterrichtseinheiten oder -stunden verfolgt werden. Damit verbunden ist die Entscheidung über die relative Bedeutung der Lehrziele für die Lerner einerseits und das Erfüllen von vorgegebenen Zielen andererseits. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Auswahl von Lehrzielen. In den letzten Jahren zeichnet sich in einem konstruktivistisch ausgerichteten, lernerzentrierten Fremdsprachenunterricht die Tendenz ab, Lernziele gegenüber den Lehrzielen aufzuwerten, nicht zuletzt um die individuelle Bedeutsamkeit des Sprachenlernens für die Lerner zu erhöhen. Sie müssen aber immer mit den durch Lehr- und Bildungspläne vorgegebenen und von den subjektiven Vorstellungen der Lehrerinnen und Lehrer beeinflussten Lehrzielen in Verbindung gebracht werden. Um den unterschiedlichen Zielen, die innerhalb einer Lerngruppe bestehen (vergleiche Beckmann 2016: 59), gerecht zu werden und auch unterschiedliche Voraussetzungen der Lerner zu berücksichtigen, ist es sinnvoll, auch die ausgehandelten Ziele differenziert zu gestalten. Das Minimalziel, auch Fundamentum genannt (vergleiche Schröder 2002), beschreibt das, was alle Lerner in einer Gruppe am Ende einer Unterrichtseinheit beherrschen sollten. Darüber hinaus können weitere Ziele definiert werden, die in einer Unterrichteinheit oder -stunde gelernt werden können, die nicht von allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen beherrscht werden müssen. Hier ist die Rede vom Maximalziel oder Additum. So könnte das Minimalziel beispielsweise lauten, dass alle Lerner in der Lage sind, mit einer deutschsprachigen Freundin über Kurznachrichten einen Kinobesuch zu vereinbaren. Dieses Ziel beinhaltet Teilziele in den Bereichen Wortschatz, <?page no="57"?> 57 2.1 Lehr- und Lernziele Grammatik, Textsortenkenntnisse, kulturelle Kenntnisse etc. Maximalziele könnten dann beispielsweise in den Bereichen Grammatik (Verwendung des Konjunktivs II zusätzlich zu Modalverben) oder Adressatenorientierung und Stil (Nachrichten an eine entfernte Bekannte versus Nachrichten an eine enge Freundin) formuliert werden. In einem handlungs- und kompetenzorientierten Unterricht stehen in der Regel sprachliche Fertigkeiten im Vordergrund. Weitere Lernziele werden darauf ausgerichtet. Wenn Lerner zum Beispiel lernen sollen, sich über Hobbys und Interessen auszutauschen, benötigen sie rezeptive und produktive mündliche Fertigkeiten, die geübt und ausgebaut werden sollen. Außerdem muss der themenspezifische Wortschatz erworben werden, um Hobbys und Aktivitäten sowie Vorlieben und Abneigungen zu beschreiben. Das sind in diesem Fall vor allem Verben, die natürlich ohne Kenntnisse über die entsprechenden morphosyntaktischen Strukturen nicht verwendet werden können. Daher müssen neben den kommunikationsorientierten Lehrzielen auch wortschatz- und grammatikbezogene Ziele formuliert werden. Wenn sich Jugendliche tatsächlich mit Sprecherinnen und Sprechern des Zielsprachenlandes über Hobbys und Interessen austauschen wollen, bedarf es außerdem weiterer Fähigkeiten wie Empathie, Reflexionsfähigkeit, landeskundlicher Kenntnisse, um eventuell zusätzliche Erklärungen geben zu können, und gegebenenfalls auch Frustrationstoleranz, falls die Kommunikation nicht auf Anhieb wie geplant gelingt. An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, wie komplex die Auswahl von Lehrzielen ist und dass Lehrziele selten für sich, sondern vielmehr in gegenseitiger Abhängigkeit zu anderen formulierten Zielen stehen. Für die Auswahl von Lehrzielen sollten Lehrerinnen und Lehrer folgendes beachten: ▶ Die Aufgabe der Lehrperson ist es, Lehrziele so auszuwählen, dass Vorgaben und Rahmenbedingungen sowie Bedürfnisse und Wünsche der Lerner berücksichtigt werden. Dabei sollte die Individualität der Lerner miteinbezogen werden. ▶ Zunächst werden Fernziele für eine Lerneinheit, beispielsweise für ein Schuljahr, festgelegt. Aus diesen werden dann Nahziele abgeleitet. Eine Herausforderung ist es, die Fernziele nicht aus den Augen zu verlieren. ▶ Die formulierten Lehrziele werden in Teilziele zerlegt, bei denen die vier zuvor dargestellten Bereiche berücksichtigt werden sollten. ▶ Nicht in jeder Unterrichtsstunde können alle Bereiche bedient werden, aber über einen längeren Zeitraum sollte keiner der Bereiche vernachlässigt werden. ▶ Oft ist es hilfreich, zunächst von sprachlichen Fertigkeiten und Kompetenzen auszugehen und anschließend Ziele zu ergänzen, die sich auf Wissenserwerb, Schlüsselkompetenzen und persönliche Eigenschaften beziehen. ▶ Lehrziele müssen erreichbar sein, und ihr Erreichen sollte in regelmäßigen Abständen evaluiert werden. ▶ Eine wesentliche Aufgabe der Lehrperson ist es, Prioritäten zu setzen. Wie Lehr- und Lernziele dann formuliert sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, nicht zuletzt von institutionellen Gepflogenheiten. Doch warum ist es überhaupt so wichtig, wie Lehrziele formuliert sind? Das liegt nicht nur daran, dass nur eine präzise Formulierung <?page no="58"?> 58 2. Planung einer Unterrichtseinheit erlaubt, anschließend zu evaluieren, ob dieses Ziel wirklich erreicht wurde, sondern auch daran, dass mit der Zielformulierung ein Verständnis von Lernen und ein bestimmtes Bild von Lernern verbunden ist. Funk (2016: 151) erläutert, dass ausgelöst durch die Bildungsreformdebatten der 1970er Jahre „[p]räskriptive Planungsformulierungen im Kollektiv-Subjekt (‚Der Schüler soll- …‘)- […] abgelöst [wurden] durch subjekt-differenzierende, deskriptive Formulierungen: ‚Schülerinnen und Schüler lernen, machen, usw.‘“ Allerdings werden auch diese Formulierungen kritisch gesehen, weil sie Behauptungen darstellen, die so nicht unbedingt zutreffen. Die wichtigste Frage bei der Formulierung der Ziele ist allerdings die der Erreichbarkeit. Experiment Welche dieser Lehrziele halten Sie für eine Unterrichtsstunde für geeignet und erreichbar? O Die Lernenden können komplexe Texte verstehen. O Die Lernenden kennen neue Lesetechniken und können sie evaluieren und anwenden. O Die Lernenden haben einen Überblick über die deutsche Gegenwartsliteratur. O Die Lernenden erweitern ihren Wortschatz zum Thema Schule. O Die Lernenden können konzessive Nebensätze bilden. O Die Lernenden sind flexibel. O Die Lernenden verbessern ihre Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit. O Die Lernenden kennen die Textsortenmerkmale einer geschäftlichen E-Mail. Wenn Sie beispielsweise das Ziel „Lerner können komplexe Texte verstehen“ formulieren, dann ist es zu allgemein, zu ungenau und daher schwer messbar. Komplexe Texte zu lesen, verlangt nämlich viele Teilfertigkeiten, die kaum in einer Unterrichtsstunde erworben werden. Ebenso wenig wird es nur in einem größeren Zeitraum möglich sein, einen Überblick über die gesamte deutsche Gegenwartsliteratur zu erlangen. Hier bieten sich kleinere Ziele an. Bei Zielen wie der Verbesserung von Flexibilität, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit wäre es sinnvoll, die Formulierung zu präzisieren und einen Teilbereich herauszugreifen. Selbst dann sind sie schwer evaluierbar, aber nicht weniger wichtig. Ob die Ziele erreichbar sind, ist nicht pauschal zu beantworten, da das von der Zielgruppe und vom Unterrichtskontext abhängt. Insgesamt ist es empfehlenswert, kleinere Ziele zu formulieren, und diese dann auch konsequent zu verfolgen. Es geht allerdings nicht darum, ein Ziel als erreicht oder nicht erreicht abzuhaken. Vielmehr sollten Lehrerinnen und Lehrer und Lerner gemeinsam evaluieren und beschreiben, inwiefern ein Ziel erreicht wurde (vergleiche Lerneinheit 5.1). So entsteht gleich schon ein Fahrplan für die nächsten Lernschritte. <?page no="59"?> 59 2.1 Lehr- und Lernziele 2.1.6 Zusammenfassung ▶ Lehrziele sind die Ziele, die Lehrerinnen und Lehrer auf der Basis von bildungspolitischen und curricularen Vorgaben verfolgen, während Lernziele die Ziele der Lerner sind. Da sich die Ziele gegenseitig beeinflussen, ist häufig von Lehr- und Lernzielen die Rede. ▶ Im Zuge des kompetenzorientierten Unterrichts wurden in verschiedenen Curricula und auch im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Zielkompetenzen formuliert. Kompetenzen sind komplexe Problemlösefähigkeiten der Lerner, die handlungs- und anwendungsorientiert sind und nicht in einer Unterrichtsstunde erreicht werden können. Sie werden über einen längeren Zeitraum verfolgt und in verschiedene Teilkompetenzen aufgespalten. ▶ Eine mögliche Beschreibung von Lernzielen erfolgt nach den Kategorien a) Wissenserwerb, b) sprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten, c) Persönlichkeitsentwicklung und d) Berufs- und Schlüsselqualifikationen. ▶ In der Unterrichtspraxis stehen häufig kognitive und faktenorientierte Ziele im Fokus, weil sie leicht zu benennen und auch zu überprüfen sind. Sprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten spielen allerdings auch eine zentrale Rolle. Daneben sind metakognitive und affektive Ziele nicht zu vernachlässigen, um lebenslanges Lernen zu ermöglichen. ▶ Die größte Herausforderung der Lehrerinnen und Lehrer bei der Auswahl von Zielen besteht darin, die individuellen Ziele und Interessen der Lerner mit den curricular vorgegebenen Zielen durch Aushandlungsprozesse vereinbar zu machen. ▶ Bei der Festlegung der Ziele für eine Unterrichtseinheit oder -stunde ist es sinnvoll, nicht zu viele Ziele auszuwählen und diese so anzusetzen und zu formulieren, dass sie auch erreichbar sind. Mit der Auswahl der Ziele ist ein wesentlicher Schritt der Unterrichtsplanung getan. 2.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was bleibt Ihnen aus diesem Abschnitt in Erinnerung? Vervollständigen Sie die Sätze und notieren Sie, was Ihnen wichtig erscheint. ▷ Lehrziele sind-… ▷ Lernziele beschreiben-… ▷ Lehr- und Lernziele werden beeinflusst durch-… ▷ Zielkomplexität beschreibt, dass-… ▷ Kompetenzen sind-… ▷ Lehr- und Lernziele können im Kontext des Fremdsprachenunterrichts folgendermaßen klassifiziert werden: -… ▷ Der Unterschied zwischen Additum und Fundamentum ist-… ▷ Bei der Festlegung und Formulierung von Lehrzielen ist zu beachten,-… ▷ Mir erscheint außerdem wichtig,-… 2. Welche Vorteile und Komplikationen ergeben sich aus der Orientierung an Zielkompetenzen? <?page no="60"?> 60 2. Planung einer Unterrichtseinheit 3. Wie würden Sie das Konzept der Zielkomplexität anhand eines konkreten Beispiels erklären? 4. Formulieren Sie jeweils ein Ziel für jede der folgenden Kategorien: ▷ Wissenserwerb: ▷ Sprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten: ▷ Persönlichkeitsentwicklung: ▷ Berufs- und Schlüsselqualifikationen: <?page no="61"?> 61 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung In der vorherigen Lerneinheit haben Sie gesehen, dass die Aushandlung des Lehr- und Lernziels einer der ersten Schritte der Unterrichtsplanung ist, bei weitem aber nicht der erste. Betrachtet man die Unterrichtplanung insgesamt, steht an erster Stelle die Analyse curricularer, institutioneller und auch gesellschaftlicher Rahmenbedingungen sowie die Reflexion der eigenen Überzeugungen und Erwartungen bezüglich Unterricht und Fremdsprachenlernen. Gleichzeitig erfolgt die Bedarfsanalyse bei den Lernern. Darauf aufbauend werden methodische und didaktische Entscheidungen getroffen, die den Ablauf einer Unterrichtsstunde, die Sozial- und Arbeitsformen und vieles mehr bestimmen. In diesem Abschnitt haben Sie die Gelegenheit, sich mit der Planung von Unterricht zu beschäftigen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die grundlegenden didaktisch-methodischen Prinzipien der Unterrichtsplanung kennen und reflektieren können; ▶ die Eignung der verschiedenen Phasenmodelle begründen und auf Ihre eigene Unterrichtspraxis anwenden können; ▶ die wichtigsten Sozial-, Kommunikations- und Aktionsformen kennen und diese in der Unterrichtspraxis einsetzen können. 2.2.1 Unterrichtsprinzipien Wie Sie eine Unterrichtsstunde planen und gestalten, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Vorstellungen von Lernen und Spracherwerb Sie haben (vergleiche zum Beispiel Schmotz 2009: 13). Es spielen unter anderem gesellschafts-, erziehungs-, bildungs-, instruktions-, lern-, handlungs- und kommunikationstheoretische Überzeugungen eine Rolle (vergleiche Wiater 2011: 33-60), wenn Sie Lerninhalte aufbereiten, Aufgabenformate auswählen, Erklärungen vorbereiten oder die Interaktion mit der Lerngruppe planen. Welche Vorstellungen haben Sie von Ihren Lernern? Welches Rollenverständnis haben Sie? Was sollen Ihre Lerner können? Was wollen oder sollen Sie ihnen mitgeben? Wie lernt man wohl am besten? Wie lehrt man am nachhaltigsten? All diese Aspekte beeinflussen Ihren Unterricht und aus ihnen werden Prinzipien abgeleitet, die Unterricht ganz allgemein zugrunde gelegt werden. Diese Unterrichtsprinzipien oder methodisch-didaktischen Prinzipien ändern sich im Laufe der Zeit und gelten nicht in jedem Teil der Welt gleichermaßen. In Deutschland sind in der derzeitigen Fachdiskussion die Begriffe der Handlungs- und Anwendungsorientierung, der Kompetenzorientierung, der Individualisierung und der Lernerorientierung vorherrschend (vergleiche dazu auch Ende, Grotjahn, Kleppin & Mohr 2013: 26-31; Thaler 2007). Unter Handlungsorientierung wird verstanden, dass der Unterricht auf sprachliche Handlung ausgerichtet ist, wie es beispielsweise im Projektunterricht der Fall ist. Der Unterricht ist <?page no="62"?> 62 2. Planung einer Unterrichtseinheit aktivierend, soll alle Sinne ansprechen, Selbstverantwortung fördern, Lebensbezug aufweisen und kooperatives Handeln anregen. Damit verbunden ist das Ziel, Lerner auch in tatsächlichen Kommunikationssituationen handlungsfähig zu machen. Auch die Kompetenzorientierung, die in Abschnitt 2.1.3 schon diskutiert wurde, zielt in diese Richtung und ist mit einer Abkehr von einem wissens- und faktenorientierten Unterricht verbunden ist. Stattdessen sollen Lerner im Unterricht das Handwerkszeug erhalten, um komplexe Lern- und Handlungssituationen zu bewältigen. Da das nicht nur für den Unterricht selbst gilt, sondern dort das lebenslange Lernen angelegt werden soll, kommt das Prinzip der Autonomieförderung zum Tragen, demzufolge schon im Unterricht Elemente selbstgesteuerten Lernens integriert werden und nach dem den Lernern Techniken an die Hand gegeben werden, um auch in der Zukunft selbstständig weiter lernen zu können (vergleiche Kapitel 5). Die Lernerorientierung rückt statt der Lerninhalte die Lerner mit ihren Interessen, Bedürfnissen und ihrer Individualität in den Mittelpunkt des Unterrichts. Zu diesem Zweck soll der Unterricht binnendifferenzierend gestaltet werden. Darüber hinaus sind häufig weitere Schlagwörter wie Kommunikationsorientierung, Interaktionsorientierung, Aufgabenorientierung, interkulturelle Orientierung und Mehrsprachigkeitsorientierung zu lesen (vergleiche zum Beispiel Ende et al. 2013: 29-30; Klippel 2016: 317), die verschiedene mögliche Ausrichtungen von Unterricht illustrieren. Auch Ihre spracherwerbstheoretischen Grundannahmen beeinflussen, wie Sie Sprache vermitteln und den Ablauf einer Unterrichtsstunde gestalten. Wer den Spracherwerb vornehmlich mit nativistischen Ansätzen erklärt, wird andere Übungs- und Aufgabenformate wählen als eine Lehrperson, die interaktionistischen Ansätzen folgt. Ein Beispiel für enge methodische Vorgaben liefern Berlitz-Sprachschulen, die auf die sogenannte Direkte Methode setzen und immersiv arbeiten. Lehrerinnen und Lehrer sind an diesen Sprachschulen angehalten, nur die Zielsprache zu verwenden und weitestgehend auf Grammatikerklärungen zu verzichten. Auch wenn Methoden kaum in Reinform umgesetzt werden (vergleiche Kumaravadivelu 1994: 29), so steht doch außer Frage, dass die spracherwerbstheoretische Überzeugung und methodische Ausrichtung Einfluss auf die konkrete Unterrichtsplanung, auf die Rolle der Lehrperson, auf die Art der Aufbereitung von Lerninhalten und nicht zuletzt auf Aufgaben- und Übungsformate haben. Über diese grundsätzliche Ausrichtung sollte sich jede Lehrperson im Klaren sein, bevor sie Unterricht plant. 2.2.2 Prinzipien der Unterrichtsplanung Doch was bedeutet es eigentlich, Unterricht zu planen? Unterricht ist als komplexe Interaktion mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren zu verstehen, weshalb er schwer planbar ist und wodurch häufig spontane Handlungsentscheidungen erforderlich werden (vergleiche Helsper 2000: 145). Das macht Unterrichtsplanung aber nicht weniger wichtig, im Gegenteil: Es ist vielmehr notwendig, Unterricht besonders weitsichtig zu planen und verschiedene mögliche Verläufe zu antizipieren. Unterrichtsplanung ist nicht das Festlegen von fixen Abläufen, sondern vielmehr ein vorausschauendes Organisieren (vergleiche Wiater 2011: 18) und das Skizzieren von Handlungsschritten. <?page no="63"?> 63 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung Der Orientierung bei der Unterrichtsplanung dienen zunächst einige allgemeine Planungsgrundsätze (vergleiche Wiater 2011: 128-130), die nicht nur für eine Unterrichtseinheit, sondern auch für einen längeren Planungsabschnitt, etwa ein Schuljahr, gelten sollten: ▶ Das Prinzip der Kontinuität im Kompetenzaufbau betont die Bedeutung der Lehr- und Lernziele: Zunächst werden auf der Basis der Analyse der Lerngruppe, der institutionellen und curricularen Vorgaben sowie des Unterrichtsgegenstandes Fernlehrziele oder Zielkompetenzen entwickelt, aus denen die Ziele für eine Unterrichtseinheit und dann wiederum für eine Unterrichtsstunde abgeleitet werden. Die festgelegten Zielkompetenzen dienen der Orientierung bei der Planung und sorgen gewissermaßen für den roten Faden im Unterrichtsverlauf. ▶ Nach dem Prinzip der Revidierbarkeit sollen sich Lehrerinnen und Lehrer stets bewusst sein, dass sie bei der Unterrichtsplanung mit zahlreichen nicht berechenbaren Variablen operieren, die vor allem durch die komplexe Interaktion mit den Schülern und Schülerinnen bedingt sind. Dieses Prinzip hält folgerichtig die Lehrinnen und Lehrer dazu an, ihre Planung zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern oder aufzuheben, wenn sich die Umsetzung nicht wie beabsichtigt gestaltet. ▶ Das Prinzip der Interdependenz der Planungsentscheidungen bezieht sich auf die Tatsache, dass sich alle Entscheidungen gegenseitig bedingen und beeinflussen und die Unterrichtsplanung daher als ein kohärentes Ganzes und nicht als die Summe einzelner Aktivitäten begriffen wird. Das gilt für die Abfolge von Sozialformen-- von der Arbeit im Plenum bis zur Einzelarbeit-- genauso wie beispielsweise für die Art des Einstiegs in die Unterrichtsstunde-- mit einer Gruppenarbeit beginnend etc.,-- die den weiteren Verlauf bestimmt. ▶ Mit dem Prinzip der theoretischen Fundierung wird deutlich gemacht, dass Lehrerinnen und Lehrer sich ihrer theoretischen Grundüberzeugungen bewusst werden sollten, um dann reflektiert damit umgehen zu können. Darüber hinaus sollten aber auch die einzelnen Entscheidungen über Lehrziele und den Unterrichtsgegenstand sowie methodisch-didaktische Entscheidungen theoretisch begründet sein. ▶ Ebenso wichtig wie die theoretische Begründung ist das Prinzip der praktischen Realisierbarkeit der Unterrichtsplanung. Hierzu ist praktische Unterrichtserfahrung notwendig, die aber auch reflektiert werden muss, um gewinnbringend in die zukünftige Unterrichtsplanung einfließen zu können. Bei der Planung beziehen Lehrerinnen und Lehrer theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen ein und versuchen, daraus eine geeignete Vorgehensweise abzuleiten. Eine gute Planung, die beides einbezieht, kann dazu beitragen, Lehrziele besser zu erreichen, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten, den Lehrstoff sinnvoll und verständlich aufzubereiten, allen Lernern mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gut gerecht zu werden und sich immer wieder auf neue Situationen einzustellen. Außerdem werden bei der Planung auch verschiedene mögliche Verläufe miteinbezogen, zum Beispiel wenn die Lerner sich nicht an einer Diskussion beteiligen, mehr Zeit als geplant brauchen oder schneller mit einer Aufgabe fertig sind als gedacht. Was passiert, wenn der Unterricht nicht gut geplant ist, haben viele <?page no="64"?> 64 2. Planung einer Unterrichtseinheit Lehrkräfte schon einmal erfahren: Sie schlagen das Lehrwerk auf und stellen erst beim Unterrichten fest, dass die Erklärungen unverständlich oder die Übungen nicht geeignet sind und dass eigentlich Zusatzmaterial notwendig gewesen wäre. Es kann auch vorkommen, dass die Lerner nicht auf das vorausgesetzte Vorwissen zurückgreifen können und die geplante Stunde gar nicht durchgeführt werden kann. Besonders häufig kommt es vor, dass Aufgabenstellungen nicht gut genug erklärt werden können, wenn sie nicht vorbereitet sind, was dann bei den Lernern zu Verwirrung führt. Diese möglichen Szenarien können unmittelbare Folgen einer unzureichenden Unterrichtsplanung sein. Eine gravierendere Folge, die aber erst nach längerer Zeit auffällt, ist die, dass Fernlehrziele aus den Augen verloren und nicht erreicht werden. Aus diesen Gründen ist eine gute Unterrichtsplanung unerlässlich. In der Regel gehört zur Unterrichtsplanung sowohl eine Sachanalyse, also die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand und seinen Besonderheiten, als auch eine didaktische Analyse, bei der die Lerngruppe analysiert und der Unterrichtsgegenstand in seiner Passung auf die Lerngruppe beschrieben wird. Darüber hinaus ist die Unterrichtsplanung an äußere Bedingungen gebunden, beispielsweise an die zeitlichen Vorgaben (vergleiche Greiten 2015: 243) in Form der Anzahl der zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden sowie der Länge einer Unterrichtsstunde. Auf die Festlegung von Unterrichtszielen und Unterrichtsgegenständen folgen Überlegungen zu den Aktivitäten der Lehrperson wie auch der Lerner, durch die die Gegenstände erarbeitet und die Ziele erreicht werden sollen. Außerdem beinhaltet die Planung auch Überlegungen dazu, wie das Erreichen der Ziele evaluiert werden kann (vergleiche Merkens 2010: 77; vergleiche zur Evaluation auch Kapitel 4 und die Lerneinheit 5.2 über Klassentests). Es ist notwendig, dass Unterrichtsgegenstände nicht nur aus fachwissenschaftlicher Sicht analysiert werden, sondern dass sie auch für den Unterricht passend gemacht werden. Das beinhaltet, dass die entsprechenden Aspekte ausgewählt, in einer geeigneten Abfolge angeordnet und für die Vermittlung aufbereitet werden (vergleiche Wiater 2011: 215). Am einfachen Beispiel der Grammatikvermittlung wird das deutlich: Im Unterricht wird in der Regel das Perfekt nicht komplett eingeführt. Die didaktische Reduktion kann darin bestehen, zunächst die Partizipformen einzuführen und anschließend die verbreitetere, einfachere Form der Perfektformen mit haben vorzustellen und zu üben, bevor die mit sein folgen. Gleichzeitig wird die Einführung eines Grammatikphänomens in den seltensten Fällen ein Selbstzweck sein, sondern ist vielmehr Teil einer sprachlichen Handlung, die wiederum mit rezeptiven und produktiven schriftlichen oder mündlichen Fertigkeiten sowie mit dem notwendigen Wortschatz verbunden ist. Diese Aspekte gilt es auf eine Weise zu verbinden, dass der Unterricht für die Lerner interessant und relevant ist. Das Modell der Didaktischen Analyse von Klafki (1958, 2007) arbeitet mit fünf zentralen Fragen, die leitend für die Unterrichtsplanung sind: (1) Gegenwartsbedeutung: Inwiefern ist der Unterrichtgegenstand für die Lerner in der jetzigen Situation von Bedeutung? Inwiefern war er in der Vergangenheit für sie schon relevant? <?page no="65"?> 65 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung (2) Zukunftsbedeutung: Inwiefern wird der Unterrichtsgegenstand in der Zukunft bedeutsam für sie sein? (3) Exemplarische Bedeutung: Inwiefern ist das, was im Unterricht gelernt werden soll, auf andere Situationen und Anwendungsbereiche übertragbar? (4) Thematische Strukturierung: Wie ist der Unterrichtsgegenstand strukturiert? Wie kann er aufbereitet werden? Über welches Vorwissen verfügen die Lerner vielleicht schon? (5) Zugänglichkeit: Welche Aspekte des Unterrichtsgegenstandes sind für die Lerner besonders relevant oder interessant? Die ersten drei Fragen beziehen sich auf die Relevanz des Unterrichtsgegenstandes für die Lerner. Besonders relevant ist die Frage nach der exemplarischen Bedeutung, also nach der Übertragbarkeit auf andere Anwendungsbereiche. Wenn beispielsweise im Anfangsunterricht ein Partnerinterview durchgeführt wird und in dem Zuge einige erste W-Fragen formuliert werden sollen, so liegt eine große exemplarische Bedeutung vor, weil die Wortstellung und die Intonation bei Fragesätzen auch auf zahlreiche andere Kommunikationssituationen übertragen werden können. Die Analyse der thematischen Strukturierung ist eine zielgruppenorientierte Form der Sachanalyse, bei der der Unterrichtsgegenstand aus fachwissenschaftlicher Sicht betrachtet und aufbereitet wird. Mit der letzten Frage nach der Zugänglichkeit wird ein Aspekt ausgewählt, mit der das Interesse der Lerner geweckt werden kann und wodurch ihnen die Relevanz deutlich wird. Auch das Aufbauen auf Vorwissen ist hier angelegt. Eine Analyse dieser Art ist notwendig, um die allgemeine Ausrichtung einer Unterrichtseinheit festzulegen. Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie viele unterschiedliche Möglichkeiten bestehen können: Wenn das Ziel lautet, die Schreibfertigkeit der Lerner zu fördern, kann sehr unterschiedlich damit umgegangen werden: ▶ Der Fokus kann auf dem Schreibprodukt liegen, indem der Frage nachgegangen wird, was einen guten Text ausmacht. Dazu kann gemeinsam im Unterricht ein Kriterienraster für eine bestimmte Textsorte entwickelt werden, die die Lerner dann auf Beispieltexte, Texte der Mitschüler und eigene Texte anwenden. So entwickeln sie ihre Textsortenkompetenz und erhalten auch eine wichtige Hilfestellung, um eigene Texte in Zukunft besser überarbeiten zu können. ▶ Auf der sprachlichen Ebene könnten Übungen zur Textkohärenz genutzt werden, beispielsweise indem Texte in Abschnitte zerschnitten und dann neu zusammengefügt werden müssen oder indem Übergänge geschrieben werden. ▶ Alternativ kann der Schreibprozess im Vordergrund stehen. Ein Beispiel hierfür wäre es, verschiedene Techniken und Strategien kennenzulernen, die das Schreiben einer Erstfassung unterstützen, beispielsweise free writing oder Techniken, bei denen eigene Audio-Aufnahmen verschriftlicht werden. ▶ Aus der Vielfalt der Möglichkeiten wird deutlich, dass all diese Aspekte niemals in einer Unterrichtsstunde berücksichtigt werden können. Daher ist eine gute Auswahl und Schwerpunktsetzung dringend notwendig. Natürlich können je nach zeitlichem Rahmen auch verschiedene Ansätze kombiniert werden. Leitend für die Auswahl ist die Sachlogik <?page no="66"?> 66 2. Planung einer Unterrichtseinheit des Gegenstands selbst, am Beispiel der Schreibförderung können das beispielsweise die Textebene, die Produktebene und der Schreibprozess sein, sowie die Relevanz für die Lerner, die in den von Klafki vorgeschlagenen Dimensionen beschrieben werden können. In der für den Fremdsprachenunterricht adaptierten Form der Didaktischen Analyse von Westhoff (1981) sind die Planungsbereiche folgende: ▶ Evaluation des Lernstandes; ▶ Festlegung der Lehrziele; ▶ Beschreibung der Aktivitäten der Lerner, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind; ▶ Auswahl der geeigneten Sozialformen, Materialien und Medien; ▶ Beschreibung der Aktivitäten der Lehrperson in den jeweiligen Phasen; ▶ erneute Evaluation des Lernstandes. An den Darstellungen fällt auf, dass die beiden Listen mit Planungsdimensionen unterschiedliche Reichweiten haben: Die Didaktische Analyse nach Klafki eignet sich gut, um einen Unterrichtsgegenstand auszuwählen, zu erfassen und in seiner Passung für die Zielgruppe zu beschreiben. Das gilt für einzelne Unterrichtsstunden, mehr noch aber für ganze Unterrichtseinheiten, bei denen die Lehrperson vor der Aufgabe steht, einen Unterrichtsgegenstand in geeigneter Weise auf mehrere Unterrichtsstunden zu verteilen, so dass sowohl Kontinuität als auch eine angemessene Progression gewährleistet sind. Westhoffs Planungsbereiche eignen sich mit den Fragen nach dem Lernstand sowie nach den Lehrzielen auch zu diesem Zweck, die Beschreibung von Lerneraktivitäten und von Aktivitäten der Lehrerinnen und Lehrer sowie Sozialformen, Materialien und Medien zielt allerdings eher auf die Planung einer konkreten Unterrichtsstunde ab. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, diese beiden Planungsinstrumente zu kombinieren. Dazu können all diese Aspekte in einer einfachen Checkliste für die Unterrichtsplanung zusammengefasst werden, die beispielsweise folgendermaßen aussehen kann: (1) Der ausgewählte Unterrichtsgegenstand ist für die Lerner relevant und berücksichtigt ihre Interessen. (2) Der ausgewählte Unterrichtsgegenstand hat eine Relevanz für die Zukunft der Lerner. (3) Die Transfermöglichkeit von Fertigkeiten / Kompetenzen auf andere Bereiche wird gewährleistet. (4) Der Unterrichtsgegenstand ist aus fachwissenschaftlicher Sicht gut strukturiert. (5) Die zu vermittelnden Aspekte des Unterrichtsstoffes sind klar definiert. (6) Der Lernstand sowie die Stärken und Schwächen der Lerner werden angemessen berücksichtigt. (7) Die Ziele der einzelnen Unterrichtsstunden sind klar definiert. (8) Die Lerner wissen darüber Bescheid, was sie zur Erreichung der Ziele tun sollen. (9) Bei Fragen oder Problemen kann ich als Lehrperson fachkompetent eingreifen. (10) Die Sozialformen, Materialien und Medien sind für die geplanten Übungen und Aufgaben gut geeignet. (11) Der Lernstand am Ende der Unterrichtseinheit lässt sich zuverlässig evaluieren. <?page no="67"?> 67 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung 2.2.3 Phasen des Unterrichts Die Aufgabe beim Übergang von der Planung einer Unterrichtseinheit zu der einer einzelnen Unterrichtsstunde besteht darin, die zuvor festgelegten Inhalte der Unterrichtseinheit auf einzelne Unterrichtsstunden zu verteilen und sie dort jeweils in Lernschritte aufzuteilen und in einen zeitlichen Ablauf zu bringen. Dazu werden die Inhalte nicht nur auf die vorhandene Zeit verteilt, sondern die Unterrichtsstunde wird auch in Phasen aufgeteilt. Es gibt verschiedene Phasenmodelle, von denen Sie hier einige kennenlernen. Die Auswahl der Modelle hängt von den Zielsetzungen im Unterricht ab. Verbreitet ist zunächst ein Grundrhythmus aus Einstieg, Erarbeitung und Sicherung (vergleiche Greiten 2015: 244; Meyer 2002: 149), wobei die Dauer der Phasen jeweils sehr unterschiedlich sein kann (vergleiche Funk 2016: 155). Die Einstiegsphase dient unter anderem der Einstimmung auf das Unterrichtsthema, der Besprechung von Inhalten aus der letzten Stunde und gegebenenfalls von Hausaufgaben, der Aktivierung von Vorwissen sowie des Schaffens einer geeigneten, motivierten Arbeitsatmosphäre. Auch etwas Smalltalk zu Beginn hat hier Platz. In dieser Phase werden auch Lehr- und Lernziele ausgehandelt. Dazu eignen sich Aufgaben oder Übungen, bei denen alle Lerner aktiviert werden und die Gelegenheit haben, sich auszutauschen. Beispielsweise könnte über ein Bild ein stummer Impuls gegeben werden, um in ein neues Thema einzuführen und das Interesse der Lerner zu wecken. Die Lerner könnten sich in Partnerarbeit dazu austauschen, bevor im Plenum Ideen und Meinungen gesammelt werden. So wird durch Äußerungen der Lerner und Ergänzungen der Lehrperson Wortschatz aktiviert. Auch faktenorientiertes Vorwissen wird in diesem Zuge gesammelt und beispielsweise an der Tafel festgehalten. Die Lehrperson expliziert die Lehrziele für die Unterrichtsstunde und fragt die Lerner nach eigenen Interessen und Wünschen. Wenn wenig Zeit ist, kann das über Zurufe geschehen. Andernfalls bieten sich strukturiertere Verfahren an, beispielsweise über Wunschkärtchen, bei denen alle Lerner zu Wort kommen. Es folgt in der Erarbeitungsphase die Erarbeitung der Inhalte, was unterschiedlich gestaltet werden kann. Die Aufbereitung hängt nicht nur von der Sachlogik der zu erarbeitenden Inhalte ab, sondern wie zuvor skizziert auch von theoretischen und methodischen Ausrichtungen und Überzeugungen. Hier wird Lernmaterial präsentiert oder erarbeitet, Inhalte werden geübt, Verständnisfragen werden geklärt und Arbeitsergebnisse präsentiert. Auch der Transfer der erarbeiteten Inhalte auf andere Anwendungsbereiche ist hier angesiedelt. An die Erarbeitungsphase, die üblicherweise den größten Teil einer Unterrichtsstunde einnimmt, schließt sich die Ergebnissicherung an, durch die das Verständnis der Lerninhalte bei allen Lernern gewährleistet werden soll und bei der die Ergebnisse in einer-- meist schriftlichen-- Form aufbereitet und festgehalten werden können, die es den Lernern ermöglicht, auch später wieder darauf zuzugreifen. Die Unterrichtsstunde endet in der Regel mit einem gemeinsamen Abschluss, der häufig weniger inhaltliche als vielmehr soziale und organisatorische Absichten verfolgt, beispielsweise um Aufgaben zur nächsten Stunde zu besprechen und die Lerngruppe zu verabschieden. Im Fremdsprachenunterricht findet dieses Phasenmodell aus der allgemeinen Didaktik ebenfalls Anwendung. So können beispielsweise nach einem Einstieg ins Thema die Text- <?page no="68"?> 68 2. Planung einer Unterrichtseinheit sortenmerkmale einer E-Mail im beruflichen Kontext erarbeitet werden, die anschließend zur Ergebnissicherung an der Tafel festgehalten werden. Im Zuge der Handlungsorientierung wird die Ergebnissicherung häufig durch eine Anwendungsphase ersetzt, die im Sinne des sogenannten Bumerang-Modells (vergleiche Harmer 2007, zitiert nach Ende et al. 2013: 104) die Ergebnissicherung beinhalten soll, indem Lerner feststellen, wo ihre Erarbeitung falsch oder lückenhaft war, so dass die Anwendung noch nicht möglich ist, um dann die fehlenden Elemente zu erarbeiten. Wer sich zum Beispiel auf das oben angeführte Partnerinterview im Anfangsunterricht vorbereitet, es aber versäumt, die Bildung von Fragesätzen zu erarbeiten, wird das vor der Durchführung des Interviews nachholen müssen. Diese Vorgehensweise ist deshalb sinnvoll, weil sie mit einer kontinuierlichen Selbstevaluation verbunden ist und Lerner meist einen guten Anreiz haben, die fehlenden Lerninhalte aufzuarbeiten. Allerdings eignet sich dieses Modell nicht für jeden Unterrichtsgegenstand, denn nicht immer ist die Selbstevaluation möglich und nicht immer ergeben sich erkennbare Lücken, die dann geschlossen werden können. In der Vergangenheit war in einem fakten- und grammatikorientierten Fremdsprachenunterricht das PPP -Modell dominant, das die Phasen „presentation“, „practice“ und „production“ vorsieht (vergleiche Criado 2013). Es eignet sich besonders für die Vermittlung der Grundfertigkeiten oder von Grammatikphänomenen. Die Inhalte werden zunächst durch die Lehrperson präsentiert, anschließend eingeübt und zum Abschluss in die mündliche und / oder schriftliche Sprachproduktion integriert. Ähnlich ist das Phasenmodell für den Grammatikunterricht von Zimmermann (1988) angelegt: Auf die (1) Präsentation eines Grammatikphänomens folgen (2) die Einübung, (3) der Transfer und (4) die Anwendung, wobei (5) die Kognitivierung oder Bewusstmachung alle Schritte begleitet. Im handlungs- und kompetenzorientierten Unterricht ist diese Vorgehensweise für eine ganze Unterrichtsstunde weniger gut geeignet, weil sie statt auf komplexe Anwendungsaufgaben eher auf kleinschrittige Übungen setzt. Das Modell ist daher vielleicht eher für eine Phase in einer Unterrichtsstunde geeignet, in der ein Grammatikphänomen eingeübt werden soll, bevor es Anwendung findet. Ein weiteres Phasenmodell, das im Fremdsprachenunterricht verbreitet ist, sieht nach der (1) Einführung und (2) Präsentation die Phasen der (3) Semantisierung und des (4) Übens vor. Unter Semantisierung ist die Erarbeitung der Bedeutung von unbekannten sprachlichen Einheiten auf Wort- und Satzebene zu verstehen, was dazu dient, auf der Textebene einen Sinn zu erschließen (vergleiche Bimmel, Kast & Neuner 2011: 90). Dieses Modell ist damit besonders geeignet, wenn die Rezeption schriftlicher Texte, also das Leseverstehen, eine zentrale Rolle in einer Unterrichtsstunde einnimmt. Aber auch hier fehlen komplexe Anwendungsaufgaben, und es liegt ein starker Fokus auf den Lehraktivitäten. Neuere Phasenmodelle sind ähnlich wie Harmers Bumerang-Modell auf Handlungsorientierung ausgerichtet und berücksichtigen die Komplexität der im Fremdsprachenunterricht zu lernenden Inhalte. Sie sind konstruktivistisch geprägt und gehen vom Vorwissen und den Aktivitäten der Lerner aus, wie beispielswiese das SOS -Modell aus der induktiven Grammatikvermittlung mit den Schritten (1) suchen, (2) ordnen und (3) systematisieren. <?page no="69"?> 69 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung Außerdem zeichnen sich die neueren Modelle dadurch aus, dass die sprachliche Struktur und das Faktenwissen berücksichtigt, aber hinten angestellt werden. So beschreibt Roche (2013: 264-265; vergleiche auch Roche 2016: 468) ein Phasenmodell, das von der Instruktion zum selbstständigen Lernen führt und einen fünfstufigen Aufbau hat: (1) Aktivierung / Vorentlastung / Einführung; (2) thematische Differenzierung (Hinführung und Darstellung des Themas zum Beispiel durch Texte); (3) strukturelle Differenzierung (Vermittlung, Erklärung, Einübung der sprachlichen und landeskundlichen Besonderheiten); (4) Erweiterung / Expansion (Anwendung, Festigung, Transfer, Vertiefung); (5) Integration / Reflexion (Aufbau einer kritischen Kompetenz). Auch dieses Modell ist so angelegt, dass auf die Rezeption die Produktion folgt, wenn bei der thematischen Differenzierung mündliches oder schriftliches Textmaterial präsentiert und bearbeitet wird. Es folgt die vertiefte Bearbeitung, wozu auch Wortschatz- und Grammatikarbeit zählen. In der Expansionsphase steht beispielsweise die Arbeit an komplexeren oder zusätzlichen Materialien zur Vertiefung oder zum Transfer. In der letzten Phase, derjenigen der Integration und Reflexion, nimmt die Lehrperson eine begleitende Rolle wie die einer Tutorin oder eines Tutors ein, um einen weiteren Transfer des Gelernten vorzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen (vergleiche Roche 2013: 265). An den verschiedenen Ausrichtungen der Modelle können Sie erkennen, dass sie jeweils auf unterschiedliche Herangehensweisen und auch Unterrichtsgegenstände ausgerichtet sind. Der Lehrperson kommt die Aufgabe zu, sich für ein für den jeweiligen Unterrichtsgegenstand geeignetes Modell zu entscheiden. Die älteren Modelle, die kaum handlungs- und kompetenzorientiert sind, eignen sich weniger gut für die Gestaltung ganzer Unterrichtsstunden, sondern dienen vielmehr dazu, einzelne Aktivitäten ode Phasen einer Unterrichtssequenz zu strukturieren, wie zum Beispiel die Präsentation eines Grammatikthemas innerhalb einer Unterrichtssequenz, die auf die Erstellung eines Posters zum Chiemsee Reggae Summer abzielt. Dafür würde sich das Modell nach Zimmermann besonders gut eignen, obwohl an dieser Stelle einschränkend anzumerken ist, dass es unbedingt um anwendungsorientierte Elemente ergänzt werden sollte, da das Modell auf die Vermittlung relativ isolierter Sprachstrukturen ausgerichtet ist. Beim Lesen einer Kurzgeschichte mit Fokus auf das Verstehen und auf sprachliche Phänomene bietet sich die Abfolge aus Einführung, Präsentation, Semantisierung und Üben an. Wenn die Ziele des Unterrichts allerdings komplexer sind, wie das in der Regel im modernen Unterricht der Fall ist, bietet sich eher das Modell von Roche an. Wird innerhalb einer Stunde ein Wortfeld erarbeitet, könnte das PPP -Modell zum Einsatz kommen, bevor anwendungsorientierte Schritte folgen. Beim Schreiben einer E-Mail wäre das Bumerang-Modell besonders gut geeignet, weil bei der Bearbeitung der Aufgabe gegebenenfalls Lücken erkennbar werden und die Lerner einen guten Anreiz haben, diese zu schließen. Das sind allerdings nur einige Möglichkeiten. <?page no="70"?> 70 2. Planung einer Unterrichtseinheit 2.2.4 Sozial-, Kommunikations- und Aktionsformen Für alle Aktivitäten werden in den verschiedenen Phasen des Unterrichts Sozial-, Kommunikations- und Aktionsformen ausgewählt, die zum Erreichen der Ziele am besten geeignet sind. Sozialformen beschreiben die Konstellation, in der Lerner zusammenarbeiten. Mit Kommunikationsformen wird erläutert, wie Lehrerinnen und Lehrer mit Lernern und die Lerner untereinander kommunizieren, ob beispielsweise ein Wechsel von Fragen und Antworten vorgesehen ist oder ob die Lehrperson einen Vortrag hält. Mit Aktionsformen sind schließlich die Aktivitäten von Lernern gemeint, beispielsweise ob Lehrinhalte präsentiert werden oder ob die Lerner in einem Spiel lernen. Die verbreitetsten Sozialformen (vergleiche Greiten 2015: 172-179) finden Sie in der folgenden Übersicht: Frontalunterricht und Arbeit im Plenum Diese Sozialform beschreibt, dass die Lehrperson der gesamten Lerngruppe gegenübersteht und Aktivitäten in der Regel von ihr ausgehen. Sie eignet sich beispielsweise, wenn Informationen vermittelt werden, die alle Lerner gleichermaßen benötigen. Es ist eine für Lehrerinnen und Lehrer gut planbare Sozialform, die Sicherheit vermittelt und bei der die Lerner sprachlichen Input erhalten, der Vorbildcharakter hat. Gleichzeitig ist wenig selbstgesteuertes Lernen möglich, ebensowenig wie Individualisierung. Die Kommunikationszeit der Einzelnen ist eher gering (vergleiche Haß 2016: 336-337). Gruppenarbeit Bei der Gruppenarbeit sind die Lerner in kleine Gruppen eingeteilt, in denen sie Arbeitsaufträge erfüllen. Dabei haben entweder alle Lerner dieselbe Aufgabe zu erfüllen, oder jede Gruppe bearbeitet eine andere Aufgabe. In der Gruppe können nebenbei Schlüsselqualifikationen geübt und erworben werden, wie etwa Teamfähigkeit, Toleranz und Organisationsfähigkeit. Allerdings besteht auch eine Schwierigkeit, beispielweise weil einzelne Lerner sich eventuell weniger stark einbringen und gegebenenfalls große Unterschiede zwischen starken und schwachen Lernern bestehen, so dass manchmal eine Aufgabe nicht zufriedenstellend bearbeit werden kann und die Lehrperson nachsteuernd eingreifen muss (vergleiche Haß 2016: 338). Der Lehrperson kommt die Aufgabe zu, alle Gruppen im Arbeitsprozess zu begleiten und die Ergebnissicherung zu gewährleisten. Partnerarbeit In der Partnerarbeit arbeiten jeweils zwei Lerner zusammen. Auch hier muss die Lehrperson im Arbeitsprozess unterstützen und die Ergebnissicherung begleiten. Insgesamt besteht eine große Ähnlichkeit zur Gruppenarbeit, da die Partnerarbeit als kleinstmögliche Gruppenkonstellation zu verstehen ist. Der Planungsaufwand ist geringer als in einer größeren Gruppe, und sowohl die individuelle Sprechzeit als auch die Aktivität der einzelnen Lerner sind größer (vergleiche Haß 2016: 339). Einzelarbeit/ Stillarbeit In der Einzelarbeit, die besonders im schulischen Kontext gelegentlich auch Stillarbeit genannt wird, arbeiten die Lerner alleine an einer Aufgabe. Auch hier werden Arbeitsprozess und Ergebnissicherung von der Lehrperson begleitet. So können Lerner in ihrem eigenen Lerntempo arbeiten, und es besteht die Möglichkeit zur Individualisierung. Bei der Einzelarbeit sind die Lerner oft unterschiedlich schnell mit einer Aufgabe fertig, so dass es nicht nur möglich, sondern sogar sinnvoll ist, binnendifferenzierende Aufgaben zu stellen (vergleiche Abschnitt 2.3). Gerade schwächere Lerner brauchen eventuell mehr Unterstützung, weil sie - anders als bei der Gruppen- und Partnerarbeit - nicht auf die Hilfe der Mitlerner zählen können (vergleiche Abendroth-Timmer 2016). Im Unterricht ist allerdings nicht nur die Sozialform entscheidend, sondern auch die Art der Kommunikation und Aktivität, die in dieser Phase stattfinden. Bei der Kommunikation können folgende Formen unterschieden werden (vergleiche Greiten 2015: 172-179): <?page no="71"?> 71 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung ▶ Vortrag: Bei der Kommunikationsform des Vortrags präsentiert eine Person einen Lerninhalt oder ähnliches. Die verbreitetste Sozialform hierfür ist das Plenum. In den meisten Fällen ist die Lehrperson die präsentierende Person, es liegt dann ein sogenannter Lehrervortrag vor. ▶ Fragen-Antwort-Runden: Ebenfalls meist im Plenum finden Fragen-Antwort-Runden statt, die in der Regel so gestaltet sind, dass die Lehrperson eine Frage stellt, auf die die Lerner antworten. Die Offenheit der Fragen bestimmt dann den weiteren Verlauf. In diesem Format sind die Fragen aber oft eher geschlossen oder verlangen eher kurze Antworten. ▶ Gespräche: Wenn Lehrerinnen und Lehrer offene Fragen stellen oder geeignete Impulse geben, kann es auch zu Gesprächen im Plenum oder in Kleingruppen kommen. Hier können neue Ideen erarbeitet werden, und die Lerner erhalten die Gelegenheit, eigene Gedanken und Perspektiven einzubringen. Für Lehrerinnen und Lehrer sind diese Gespräche nicht leicht zu gestalten, weil sich nicht immer geeignete Impulse finden und der Verlauf schwer vorherzusagen ist. ▶ Debatten, Diskussionen, Streitgespräche: Ebenso wenig vorhersagbar ist der Verlauf von Debatten, Diskussionen und Streitgesprächen, bei denen die Lerner unterschiedliche Perspektiven vertreten. Da nicht immer unterschiedliche Perspektiven in der Lerngruppe vertreten werden und Lerner auch nicht gedrängt werden sollten, ihre ganz persönlichen Sichtweisen einzubringen, ist es im Unterricht verbreitet, gegensätzliche Positionen zuzuweisen, die die Lerner dann vertreten, beispielsweise mit einer Pro- und einer Contra-Gruppe. Die zentralen Aufgaben der Lehrperson sind die Vorbereitung und Moderation der Gespräche und Diskussionen. Bei Aktivitäten unterscheiden wir (vergleiche Greiten 2015: 172-179): ▶ Darbieten: Eine wichtige Aktionsform im Unterricht ist das Darbieten. Hierbei werden Inhalte schriftlich oder mündlich präsentiert, beispielsweise in einem Vortrag, durch ein Tafelbild oder durch verschiedene andere mediale Möglichkeiten. Dabei kann es sich um einen Lerninhalt handeln, wie beispielsweise eine Grammatikregel. Es können aber auch Video- oder Audioaufnahmen oder Inhalte in anderer medialer Aufbereitung dargeboten werden. ▶ Gemeinsames Erarbeiten: Während das Darbieten jeweils nur von einer Person, häufig von der Lehrperson, durchgeführt wird, zeichnet sich das gemeinsame Erarbeiten dadurch aus, dass die Lerner gemeinsam aktiv werden und kooperativ Inhalte erschließen. ▶ Selbstorganisiertes Lernen: Beim selbstorganisierten Lernen erhalten die Lerner in der Regel einen Arbeitsauftrag oder eine Zielvorgabe. Den Weg zum Erreichen des Ziels gestalten sie allerdings selbst, indem sie sich beispielsweise die Zeit frei einteilen, den Arbeitsort auswählen, die Abfolge der Schritte festlegen und die Techniken und Methoden frei wählen. Ein Beispiel für selbstorganisiertes Lernen ist Wochenplanarbeit, bei der den Lernern zur Erledigung verschiedener Aufgaben ein Zeitraum zur Verfügung gestellt wird, in dem sie frei agieren können. <?page no="72"?> 72 2. Planung einer Unterrichtseinheit ▶ Lernen durch Spiel: Spiele und spielerische Elemente werden im Fremdsprachenunterricht zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Sehr verbreitet ist der Einsatz zum Üben von Grammatik und Wortschatz, aber auch neue Inhalte können durch Spiele eingeführt werden. Empirische Studien haben gezeigt, dass der Lernerfolg beim Lernen mit Spielen nicht größer ist als auf anderen Wegen, dass es aber häufig affektiv positiv besetzt ist (vergleiche Jentges 2007). Welche Formen im Unterricht zum Einsatz kommen, hängt von verschiedenen Faktoren ab (vergleiche Haß 2016: 335-336), nicht zuletzt von zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten. Da beispielsweise die Aufteilung der Lerngruppe in Kleingruppen Zeit kostet, ist dies nur möglich, wenn ein ausreichend großes Zeitfenster zur Verfügung steht. Auch ein kleiner Klassenraum mit fest montierten Stühlen und Bänken lädt Lehrerinnen und Lehrer eher nicht dazu ein, eine Gruppenarbeit zu planen. Außerdem entstammen die verschiedenen Formen unterschiedlichen methodischen Denkrichtungen, so dass sie sich für bestimmte Ziele im Unterricht mehr oder weniger eignen. Beim Fokus auf Wissensvermittlung wird die Arbeit im Plenum häufiger gewählt. Wenn die mündliche Kommunikation und Interaktion im Mittelpunkt stehen soll, bieten sich Gruppen- und Partnerarbeit an, um die Sprechzeit der einzelnen Lerner zu erhöhen. Alle Varianten haben ihre Stärken und Schwächen, so dass es sinnvoll ist, je nach Ziel einer Unterrichtsphase verschiedene Optionen in Erwägung zu ziehen. Die Übersicht zeigt nur eine Auswahl verschiedener möglicher Sozial-, Kommunikations- oder Aktionsformen. Meist werden die jeweiligen Sozialformen mit bestimmten Kommunikations- und Aktionsformen kombiniert. So sind Spiele im Plenum in großen Gruppen ebenso unwahrscheinlich wie selbstorganisiertes Lernen. Viel eher sind hier Vorträge und Fragen-Antwort-Runden zu erwarten. Streitgespräche sind zwar im Plenum möglich, diese Konstellation hat aber den Nachteil, dass nur wenige Lerner zu Wort kommen, während andere lediglich zuhören. Lernerorientierter, handlungsorientierter und kompetenzorientierter Unterricht, bei dem die Bedürfnisse aller Lerner berücksichtigt werden und alle aktiv werden sollen, verlangt grundsätzlich eine Vielfalt an Arbeitsformen: In Gruppenarbeiten können Lerner zusammenarbeiten, Projekte umsetzen und sich austauschen, in Einzelarbeitsphasen den eigenen Interessen nachgehen und selbstorganisiert lernen. Verfahren wie Lernen durch Lehren sehen vor, dass auch Lerner Lehrinhalte darbieten und sie dadurch selbst besser lernen. Aber auch die Arbeit im Plenum hat nicht ausgedient, denn sie kann dazu genutzt werden, Ergebnisse zu präsentieren und die Lerngruppe immer wieder zusammenzuführen. 2.2.5 Weitere methodische Entscheidungen bei der Unterrichtsplanung Bei der Planung der Unterrichtsstunde ist es auch notwendig, den Einsatz von Materialien und Medien zu bedenken. Im Fremdsprachenunterricht wird häufig mit einem Lehrwerk gearbeitet, das dann das wichtigste Material darstellt und den Unterricht auch gewissermaßen vorstrukturiert (vergleiche Roche 2016: 467). Auch Zusatzmaterialien zum Lehrwerk oder von der Lehrperson frei ausgewählte aufbereitete Materialien spielen eine wichtige Rolle. Selbst wenn diese Materialien schon aufbereitet sind, ist es notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer <?page no="73"?> 73 2.2 Aspekte der Unterrichtsplanung sich auf die Arbeit damit vorbereiten. Sie stellen sich die Frage, welche Aktivitäten aus dem Lehrwerk sie einsetzen möchten und welche nicht, wie sie zu diesen Aktivitäten hinführen und von einer zur anderen überleiten und wo Ergänzungen notwendig sind. Neben dem Lehrwerk kommen aber auch viele weitere Materialien zum Einsatz, zum Beispiel Wörterbücher, Grammatiken und andere Nachschlagewerke, selbst erstellte Arbeitsblätter oder auch Scheren, Klebstoff und Stifte, wenn beispielsweise Plakate erstellt werden sollen. Auch der Einsatz der Medien muss vorab durchdacht werden. Das gilt nicht nur für technisch anspruchsvolle Medien wie Video- und Audiodateien, oder verschiedene Apps. Auch ein Tafelanschrieb sollte sinnvoll konzipiert sein. Ob die Planung dann ausführlich schriftlich festgehalten wird, zum Beispiel mit einer ausführlichen schriftlichen Sachanalyse und didaktischen Analyse und einem detaillierten Verlaufsplan, oder ob sich eine Lehrperson nur einige Notizen in Form von Stichworten macht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von ihrer Vertrautheit mit dem Unterrichtsgegenstand, von ihrer Erfahrung, diesen Gegenstand zu unterrichten, von ihrer Unterrichtserfahrung allgemein, von Anforderungen von außen, von persönlichen Vorlieben etc. In der Regel werden Planungsprozesse mit zunehmender Berufserfahrung schneller, routinierter und weniger systematisch (vergleiche Neuweg 2007). Das heißt, wenn eine Lehrperson einen Unterrichtsgegenstand unterrichtet, den sie schon häufiger unterrichtet hat, und auch insgesamt über viel Unterrichtserfahrung verfügt, wird sie sich vielleicht nur die einzelnen Schritte in Stichpunkten notieren. Die zeitliche Taktung gestaltet sie dann nach Gefühl, benötigte Medien und Materialien hat sie im Kopf, ebenso wie die passenden Sozialformen. Ihr gelingt es dann auch, wieder einen sinnvollen Unterrichtsverlauf herzustellen, wenn durch unvorhergesehene Ereignisse beispielsweise die zeitliche Planung durcheinandergeraten ist. Weniger erfahrene Lehrerinnen und Lehrer oder solche, die einen Unterrichtsgegenstand zum ersten Mal unterrichten, werden sich ausführlichere Notizen machen. Diese enthalten Details zum Unterrichtsgegenstand, zu zeitlichen Abläufen, Sozialformen, Medien und vielem mehr. Oft ist es auch hilfreich, Erklärungen und Aufgabenstellungen sowie Tafelanschriebe schon vorab zu formulieren. Wenn es zu Veränderungen kommt, weil beispielsweise neue Inhalte vermittelt werden sollen, in anderen Lerngruppen oder Kontexten unterrichtet wird oder weil Lehrerinnen und Lehrer neue Methoden ausprobieren und ihren Unterricht umgestalten wollen, wird eine detaillierte Planung für alle Lehrerinnen und Lehrer erforderlich, unabhängig davon, über wieviel Erfahrung sie verfügen. <?page no="74"?> 74 2. Planung einer Unterrichtseinheit 2.2.6 Zusammenfassung ▶ Die Planung des Unterrichts wird durch vielfältige bildungstheoretische, gesellschaftliche, fachwissenschaftliche, fachdidaktische, politische und auch persönliche Überzeugungen beeinflusst, denen sich Lehrerinnen und Lehrer zu Beginn eines Planungsprozesses bewusst sein sollten. ▶ In vielen Ländern sind derzeit die Unterrichtsprinzipien der Handlungsorientierung, der Kompetenzorientierung und der Lernernorientierung leitend. Damit verbunden sind die Leitideen der Individualisierung, der Autonomieförderung, der Kommunikationsorientierung. Darüber hinaus werden oft weitere Prinzipien ergänzt, an denen der Unterricht ausgerichtet werden kann. ▶ Ein hilfreiches Planungsinstrument bei der Auswahl und Aufbereitung des Unterrichtsgegenstandes sind das Modell der Didaktischen Analyse von Klafki (1958, 2007) sowie die Adaption nach Westhoff (1981), bei dem die Gegenwartsbedeutung, die Zukunftsbedeutung, die exemplarische Bedeutung, die thematische Strukturierung sowie die Zugänglichkeit für die Lerner beleuchtet werden, um einen geeigneten Unterrichtsgegenstand auszuwählen und auf die Lerner zuzuschneiden. ▶ Ebenso wie die Auswahl der Sozial-, Kommunikations- und Aktionsformen, der Materialien und der Medien ist auch die Entscheidung für ein Phasenmodell im Unterricht abhängig vom Unterrichtsgegenstand. Im Sinne der Handlungs- und Inhaltsorientierung gestalten sich die Phasen in Roches Modell (2013) so, dass auf die Einführung, Aktivierung und Vorentlastung zunächst eine thematische, dann erst eine strukturelle Differenzierung folgt. Daran schließen sich eine Erweiterungsphase sowie eine Integrations-/ Reflexionsphase an. 2.2.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche didaktischen Prinzipien können dem Unterricht zugrunde gelegt werden? 2. Welche Planungsprinzipien gelten bei der Planung einer Unterrichtseinheit? 3. Welche Leitfragen dienen der Unterrichtsplanung im Rahmen der didaktischen Analyse nach Klafki beziehungsweise in der Abwandlung nach Westhoff ? 4. Welche Phasenmodelle kennen Sie? 5. Welche Phasenmodelle sind für den Fremdsprachenunterricht in Ihrem Kontext relevant und für welche Unterrichtsgegenstände eignen Sie sich? 6. Welche Sozial-, Kommunikations- und Aktionsformen gibt es und für welche Aktivitäten eignen sie sich? 7. Was ist bei der Auswahl der Materialien und Medien zu beachten? <?page no="75"?> 75 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung Bereits bei den Ausführungen zur Festlegung und Aushandlung von Lehrzielen sowie zur Planung einer Unterrichtseinheit wurde deutlich, dass Unterricht nicht für eine gesamte Lerngruppe gleichermaßen geplant werden kann. Dem Unterrichtsprinzip der Lernernorientierung folgend ist das Ziel, die Lerner mit ihren individuellen Eigenschaften und Besonderheiten anzuerkennen und im Unterricht zu berücksichtigen. Es waren schon verschiedene Möglichkeiten angeklungen, Unterricht binnendifferenzierend zu gestalten, beispielsweise indem bei Lehrzielen ein Fundamentum sowie ein Additum definiert wird oder indem die Sozialformen so gewählt werden, dass sich Lerner entweder gegenseitig helfen können oder aber in Einzelarbeit in ihrem eigenen Lerntempo arbeiten. In diesem Abschnitt werden wir uns intensiver mit Möglichkeiten der Binnendifferenzierung auseinandersetzen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ individuelle Unterschiede zwischen Lernern identifizeren können; ▶ Lernerprofile erstellen können; ▶ verschiedene Möglichkeiten der Binnendifferenzierung und ihre Einsatzmöglichkeiten kennen und den Unterricht zielgruppenspezifisch binnendifferenzierend planen können. 2.3.1 Zur Notwendigkeit der Binnendifferenzierung Es ist sehr schwierig, Unterricht für eine gesamte Lerngruppe zu planen, denn eine homogene Gruppe mit den gleichen Voraussetzungen, Zielen und Bedürfnissen findet sich wohl kaum, auch wenn die Unterschiede nicht so augenscheinlich sein mögen. Um den Unterricht individualisiert und lernerorientiert zu gestalten und die Stärken der einzelnen Lerner aufzubauen (vergleiche Eisenmann 2016: 361), ist es notwendig, binnendifferenzierend zu arbeiten. Ist das nicht der Fall, kann es beispielsweise vorkommen, dass schüchterne Lerner kaum zu Wort kommen, dass langsamere Lerner dem Unterricht nicht folgen können, dass sich die schnelleren Lerner langweilen, dass vorhandene Kenntnisse und Ressourcen der Einzelnen, die das Lernen erleichtern könnten, nicht genutzt werden, dass individuelle Ziele nicht erreicht werden können und vieles mehr. Die Individualisierung des Unterrichts ist daher aus verschiedenen Gründen sinnvoll, nicht nur, weil man so den Bedürfnissen der einzelnen Lerner besser gerecht werden kann, sondern auch weil Unterrichtsabläufe sinnvoller und harmonischer werden, beispielsweise wenn am Ende der Bearbeitungszeit einer Aufgabe ein Teil der Lerner noch gar nicht fertig ist, während andere sich schon seit einer geraumen Zeit langweilen. Die Individualisierung des Unterrichts findet also im Interesse der Lerner, aber auch mit einem Vorteil für das Unterrichtsgeschehen statt. <?page no="76"?> 76 2. Planung einer Unterrichtseinheit Die Betonung der Individualität der Lerner sowie das Prinzip der Lernerorientierung sind keine neuen Konzepte für den Unterricht. Vielmehr haben sie mit reformpädagogischen Ansätzen bereits Ende des 19. Jahrhunderts Einzug in den Unterricht gehalten (vergleiche Kirchhöfer 2013). Sie sind außerdem eng mit einer konstruktivistischen Sicht auf das Fremdsprachenlernen verbunden, bei der davon ausgegangen wird, dass Menschen Informationen individuell unterschiedlich und vor dem Hintergrund der eigenen Disposition, Vorkenntnisse und Einschätzungen wahrnehmen (vergleiche Königs 2005: 448-449). Doch welche individuellen Unterschiede können bestehen? Was sind Dispositionen und Vorkenntnisse? Unterschiede bezüglich Geschlecht, Alter, Ausgangssprache, Sprachenrepertoire, Sprachlernerfahrung, Introvertiertheit und Extrovertiertheit, Motivation, Sprachenprofilen und vielem mehr sind dabei entscheidende Merkmale. Auch Faktoren wie Intelligenz, Ausdauer, soziales Umfeld, Selbstbewusstsein und Lernstile können das Fremdsprachenlernen beeinflussen. Wenn von Heterogenität die Rede ist, ist es sinnvoll, genauer zu beschreiben, worauf sich die Heterogenität bezieht, die im binnendifferenzierenden Unterricht berücksichtigt werden soll. Besonders im englischsprachigen Raum besteht eine lange Tradition zur Erforschung, Modellierung und Klassifizierung von individuellen Einflussfaktoren auf das Fremdsprachenlernen, wie beispielsweise Ehrman, Leaver & Oxford (2003) oder die Beiträge in Robinson (2002) zu Motivation, Intelligenz, Sprachlerneignung, Alter, Arbeitsgedächtnis etc. zeigen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Voraussetzungen beim Lernen der ersten Fremdsprache anders sind als bei der zweiten, dritten oder vierten, nicht zuletzt, weil auf Sprachlernerfahrung und Wissen über die Systeme der zuvor gelernten Sprachen zurückgegriffen werden kann (vergleiche Hufeisen & Gibson 2003). Einen umfassenden Überblick über mögliche individuelle Unterschiede bei Fremdsprachenlernern bietet Roche (2013: 37-38): (1) Zielorientierung, Leistungsmotive, Zukunftsperspektiven, Selbstständigkeit, Vorstellungen von der eigenen Selbstverwirklichung, Selbstbewusstsein, Selbsteinschätzung (Selbstkonzept); (2) Vitalität; (3) Akzeptanz von Offenheit (Ambiguitätstoleranz und Risikobereitschaft / Angst); (4) Extrovertiertheit / Introvertiertheit; (5) (Un)Abhängigkeit von einer Regelorientierung; (6) Reflexivität und Impulsivität; (7) Fähigkeit und Bereitschaft zu kritischem Denken und zur Selbstreflexion (kritische Kompetenz); (8) Fähigkeit zu analytischem und ganzheitlichem (holistischem) Lernen, Merkfähigkeit; (9) Empathie / soziale Einstellung zu Menschen der eigenen und fremden Kultur, Fremdenfreundlichkeit (Xenophilie) oder Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie); (10) Aufnahmefähigkeit aus der Umwelt; (11) integrative Motivation sich in eine fremde Kultur einzupassen; (12) Einstellungen zum Lernen allgemein; <?page no="77"?> 77 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung (13) Einstellungen zu Unterricht und Lehrkräften; (14) Präferenzen für bestimmte Aufnahmekanäle und Kenntnis der eigenen Lernorientierung (visuell, analytisch, haptisch und Ähnliches); (15) Einstellungen zur Sprache, Sprachbewusstsein, sprachliche Sensibilität; (16) emotionale Stabilität, Emotionen, Stimmungen, Temperament. Hier können weitere Faktoren ergänzt werden, die für das Fremdsprachenlernen mehr oder weniger relevant sind, wie beispielsweise das Alter (vergleiche dazu z. B. Berndt 2009) und das Geschlecht. Außerdem sind Lerner auch durch Lerntraditionen geprägt, in denen sie sozialisiert wurden (vergleiche Roche 2013: 39). Die Beschreibung der Lerner in Bezug auf diese Faktoren dient dazu, Lernerprofile zu erstellen und dabei nicht nur der Intuition zu folgen, sondern kriteriengeleitet vorzugehen. Experiment Versuchen Sie es einmal selbst: Beschreiben Sie sich selbst als Fremdsprachenlernerin oder -lerner anhand dieser Kriterien. Beschreiben Sie als nächstes bitte eine Ihrer Lernerinnen oder einen Ihrer Lerner. Sicher haben Sie festgestellt, dass man nicht einmal für sich selbst einfach ein Lernerprofil erstellen kann, denn verschiedene Menschen würden ein und dieselbe Person sicher unterschiedlich einschätzen. Zu beachten ist auch, dass Menschen als soziale Wesen durch ihre Umgebung geprägt sind und in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen anders reagieren. Es zeigt sich, dass nicht alle Faktoren gleich gut zu erfassen sind: Während Alter und Geschlecht leicht zu beschreiben sind, ist es bei der Motivation oder bei den kognitiven Präferenzen der Lerner deutlich schwieriger (vergleiche Wolff 2010: 291). Die Persönlichkeit der Lerner zu erfassen und zu beschreiben, erweist sich für Lehrerinnen und Lehrer als noch schwieriger. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht alle Merkmale der Lerner konstant sind, sondern dass viele von ihnen beeinflussbar und veränderlich sind (vergleiche Wolff 2010: 298), beispielsweise weil Menschen sich in unterschiedlichen Lebensbereichen, aber auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, anders verhalten oder auch weil das Lernverhalten von den zu lernenden Inhalten abhängt. Lernerprofile dienen daher nur der Orientierung für Lehrkräfte, um die Bereiche zu skizzieren, in denen Heterogenität besteht. Diese deskriptive Vorgehensweise unterscheidet sich von dem Forschungsfeld des Good Language Learners, in dem versucht wurde, die Merkmale erfolgreicher Fremdsprachenlerner zu beschreiben (vergleiche Stern 1975, Rubin 1975, Naiman 1978). Sie haben nun zahlreiche mögliche Unterschiede zwischen Lernern kennengelernt und sich damit beschäftigt. Um einen besseren Überblick zu erhalten, ist es sinnvoll, die Faktoren in Gruppen zusammenzufassen. In der Fremdsprachenforschung wurden daher in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Klassifikationsschemata entwickelt. Es gibt unzählige Möglichkeiten der Klassifizierung. Zwei davon werden hier nun kurz skizziert. <?page no="78"?> 78 2. Planung einer Unterrichtseinheit Von Larsen-Freeman und Long (1991) liegt eine Unterteilung mit sieben Kategorien vor, was deutlich detaillierter ist als viele andere, die mit drei oder vier Kategorien auskommen. Larsen-Freeman und Long unterscheiden ▶ Alter, ▶ soziopsychologische Faktoren, ▶ Lernstrategien, ▶ Persönlichkeit, ▶ kognitiver Stil, ▶ hemisphärische Spezialisierung, ▶ andere Faktoren, zum Beispiel Gedächtnis, Geschlecht. Unter den Bereich der soziopsychologischen Faktoren fassen die Autoren Motivation und Haltungen, zur Persönlichkeit zählen in dieser Klassifizierung neben Empathie, Schüchternheit und Ambiguitätstoleranz beispielsweise auch Faktoren wir Angst und Extrobzw. Introvertiertheit. Der kognitive Stil kann beispielsweise beinhalten, ob Lerner eher feldabhängig oder feldunabhängig sind, das heißt ob ihre Wahrnehmung eher von der Umgebung beeinflusst wird oder nicht, oder ob sie eher analytisch oder eher relational sind. Die hemisphärische Spezialisierung nimmt eine ähnliche Dichotomisierung vor, indem davon ausgegangen wird, dass Lerner die eine oder andere der unterschiedlich belegten Hirnhälften stärker oder anders nutzen. Es geht also darum, ob eine eher intellektuelle, rationale Herangehensweise bevorzugt wird oder eine eher intuitive. Eine andere Aufteilung nimmt Riemer (1997: 233) vor, die zunächst zwischen individuellen und universellen Einflussfaktoren unterscheidet. Ihre Unterteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen: <?page no="79"?> 79 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung Abbildung 2.3: Individuelle Einflussfaktoren beim Fremdsprachenlernen nach Riemer (1997) Diese Klassifizierung ist hilfreich, um die Vielzahl an Faktoren zu bündeln. Sie verdeutlicht aber auch, wie vielfältig die Einflussfaktoren sind und in wie vielen Bereichen Lerner sich unterscheiden können. Diese Erkenntnis wird u. a. in der Einzelgänger-Hypothese zusammengefasst (vergleiche Riemer 1997: 228-229), die verdeutlicht, dass das Lernen einer Person von einem individuellen Faktorenkomplex bestimmt wird. Auch im Rahmmen der Dynamic System Theory (de Bot et al. 2007) wird betont, dass die einzelnen Faktoren je nach Phase der Sprachentwicklung unterschiedliche Gewichtungen innerhalb des Komplexes erlangen und daher unterschiedlich miteinander interagieren. Darüber hinaus ist zentral, dass aus soziokultureller Sicht auf das Fremdsprachenlernen Lernende in ihrer sozialen Geprägtheit und mit ihrer sozialen Einbindung, auch in die Lerngruppe, gesehen werden sollten. 2.3.2 Unterricht binnendifferenzierend planen und gestalten In Abschnitt 2.3.1 wurde deutlich, durch welche unterschiedlichen Einflussfaktoren Fremdsprachenlernen beeinflusst und bestimmt wird. Dadurch wird eine Differenzierung nötig. Im schulischen Kontext wird in Deutschland zunächst eine Differenzierung nach Alter und nach Leistung vorgenommen (vergleiche Trautmann 2016: 21), indem Lerner in Jahrgangsstufen <?page no="80"?> 80 2. Planung einer Unterrichtseinheit auf verschiedene Schultypen eingeteilt werden, was als äußere Differenzierung bezeichnet wird. Werden die Unterschiede innerhalb einer Lerngruppe berücksichtigt, ist von einer inneren Differenzierung oder Binnendifferenzierung die Rede. Das Ziel der Binnendifferenzierung besteht also darin, die Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lerner, wie sie im vorherigen Abschnitt beschrieben wurden, im Unterricht zu berücksichtigen. Es geht also längst nicht nur darum, Übungen und Aufgaben für Lerner mit unterschiedlicher Leistungsstärke bereitzuhalten, wie es lange verbreitet war (vergleiche Eisenmann 2016: 359), sondern Unterricht darüber hinaus so zu gestalten, dass die Lerner Raum finden, den Lernprozess nach ihren Bedürfnissen zu gestalten und dabei entsprechend angeleitet werden. Nach Wolff (2010: 303) geht es bei der veränderten Unterrichtsgestaltung darum, „die Lehrer-Schüler-Interaktion zu verändern, sie zu einer offenen Interaktion werden zu lassen, in die [sic! ] Schüler auf der gleichen Stufe wie der Lehrer stehen, sie zu Mitgestaltern des Unterrichtsdiskurses werden zu lassen, die eigene Vorstellungen und Überlegungen ausdrücken dürfen.“ Im Unterrichtsalltag werden die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lerner leider häufig nicht berücksichtigt (vergleiche Trautmann 2016: 28; Wolff 2010: 292), nicht zuletzt weil die Rahmenbedingungen es nicht leicht erlauben, beispielsweise weil vorgegebene Ziele von allen Lernern erreicht werden müssen und weil oft eine Lehrperson alleine eine große Gruppe von Lernern unterrichtet. Dabei bestehen Differenzierungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen (vergleiche zum Beispiel Greiten 2015: 247): Lerner können nach Fähigkeiten und Interessen unterschiedliche Inhalte bearbeiten, wobei je nach Lerntempo und Leistungsstärke unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung stehen kann. Sie können-- auch innerhalb eines curricular gesetzten Rahmens-- individuelle Ziele verfolgen, dabei je nach bevorzugten Wahrnehmungskanälen und eigenem Lernstil unterschiedliche Lernwege beschreiten bzw. unterschiedliche Lerntechniken einsetzen. Auch bei der Wahl der Sozialformen können individuelle Bedürfnisse und Lerngewohnheiten berücksichtigt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht beim Grad der Selbstständigkeit, mit dem Aufgaben bearbeitet werden, indem Hilfestellungen je nach Bedarf gegeben werden (vergleiche zu Scaffolding beispielsweise Becker-Mrotzek 2007: 31) (siehe dazu noch Abschnitt 3 in der Lerneinheit 5.3). Das kann ganz unterschiedlich umgesetzt werden, wie die folgenden Beispiele zeigen: ▶ Die Lerner entscheiden, ob sie eine Aufgabe in Einzel-, Partner- oder Kleingruppenarbeit erledigen. ▶ Arbeitsblätter enthalten einen Zusatzbereich, den die Lerner bearbeiten können, wenn sie mit den anderen Aufgaben schon fertig sind. Zusätzliche Aufgaben können auch auf Kärtchen an einem festgelegten Ort im Klassenzimmer bereitliegen, wo die Lerner sie sich nach Bedarf und Interesse auswählen können. ▶ Aufgaben werden in zwei Varianten mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad angeboten. ▶ Die schnelleren / stärkeren Lerner helfen den langsameren / schwächeren, sobald sie ihre Aufgabe erledigt haben. <?page no="81"?> 81 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung ▶ Ein Text kann als Hörtext oder Lesetext angeboten werden, so dass die Lerner nach dem bevorzugten Wahrnehmungskanal auswählen können. Es kann auch die Möglichkeit bestehen, einen Lesetext zusätzlich zu hören. Natürlich muss dafür gesorgt werden, dass alle Lerner auch ausreichend Gelegenheit haben, die jeweils andere Fertigkeit zu trainieren. ▶ Zu Aufgaben stehen Hilfekärtchen zur Verfügung, die die Lerner nach Bedarf nutzen können. ▶ Die Lerner haben die Möglichkeit, eigene Themen auszuwählen und eigene Interessen einzubringen. An diesen Beispielen erkennen Sie, dass jede Aktivität und Übung im Unterricht binnendifferenzierend gestaltet werden kann. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, in komplexeren Lehr-Lern-Szenarien verschiedene Sozial-, Aktions- und Kommunikationsformen (vergleiche Abschnitt 2.2.4) sinnvoll zu kombinieren, um die Individualität der Lerner zu berücksichtigen. Im Folgenden lernen Sie einige dieser methodischen Umsetzungsmöglichkeiten kennen: (1) Projektunterricht: Hierbei handelt es sich um eine offene, themenorientierte Form des Unterrichts, in dem die Lerner Themen arbeitsteilig und selbstorganisiert bearbeiten (vergleiche Legutke 2016). Dabei werden auch die Prinzipien der Handlungs- und Kompetenzorientierung umgesetzt. Die Lerner können in einem gesetzten Rahmen ein Thema auswählen, das ihren eigenen Interessen möglichst gut entspricht. Vorab wird vereinbart, welche Ergebnisse vorliegen sollen und wie diese am Ende präsentiert werden. Die Lerner organisieren sich dann in einer Gruppe selbst, recherchieren die notwendigen Informationen, verlassen dabei gegebenenfalls auch das Schulgelände, um die Aufgaben zu erfüllen, und arbeiten ihre Ergebnisse dann schriftlich und / oder mündlich auf. Um die Aufgaben zu erfüllen, müssen die Lerner komplexe sprachliche Handlungen bewältigen, wozu rezeptive und produktive Fertigkeiten geübt, grammatische Strukturen angewendet und der notwendige Wortschatz wiederholt und erarbeitet wird. (2) Freiarbeit: Bei der Freiarbeit erhalten Lerner Aufgaben, die sie im eigenen Tempo selbstorganisiert bearbeiten, meistens innerhalb einer Unterrichtsstunde. Sehr verbreitet ist dabei Einzelarbeit, aber die Lerner können auch ermutigt werden, eine für sie geeignete Sozialform zu wählen. (3) Wochenplanarbeit: Bei der Wochenplanarbeit werden den Lernern einige Stunden in der Woche zur freien Arbeit zur Verfügung gestellt, in denen sie von der Lehrperson vorgegebene Pflicht- und Wahlaufgaben erledigen. Ein zentraler Unterschied zur Freiarbeit besteht im längeren Zeitraum, in dem die Aufgaben erledigt werden. So haben die Lerner größere Gestaltungsspielräume, aber es bestehen auch höhere Anforderungen an die Selbstorganisation. Die Lerner arbeiten nicht nur in ihrem Tempo, sondern können auch entscheiden, welche Aufgaben sie zuerst bearbeiten, in welcher Sozialform sie die jeweiligen Aufgaben bearbeiten und welche Hilfsmittel sie nutzen. (4) Portfolioarbeit: Portfolios sind eine Sammlung von Dokumenten, die dazu dienen, individuelle Arbeitsprozesse und -ergebnisse für die Lerner selbst und für andere zu <?page no="82"?> 82 2. Planung einer Unterrichtseinheit dokumentieren. Sie können die Individualisierung von Lernprozessen unterstützen und zur individualisierten Leistungsbeurteilung eingesetzt werden, indem individuelle Entwicklungen sichtbar und damit zur möglichen Beurteilungsgrundlage werden. Portfolios dienen daher als Klammer für individualisiertes Lernen, denn es hilft den Lernern, ihr Lernen zu strukturieren und es ermöglicht den Lehrerinnen und Lehrern, Zwischenergebnisse zu betrachten, häufig in sogenannten Portfoliogesprächen, und die Lerner bei weiteren Schritten zu beraten. Portfolios können unterschiedliche Ausschnitte des Fremdsprachenlernens in den Blick nehmen, beispielsweise als Hör- oder Schreibportfolios. Sie enthalten in der Regel einige Pflichtinhalte sowie zusätzliche Materialien, mit denen die Lerner ihre Lernprozesse und -ergebnisse illustrieren. Um Portfolioarbeit sinnvoll umsetzen zu können und den Lernern zu ermöglichen, eigene Materialien zu erstellen werden im Unterricht viele Freiräume benötigt, die von der Lehrperson gut angeleitet und moderiert werden müssen. Allen Formen der Binnendifferenzierung ist gemeinsam, dass sie eine hohe Komplexität aufweisen und damit große Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer stellen (vergleiche Greiten 2015: 247; Ballweg 2015: 217-240). So müssen Lehrerinnen und Lehrer in der Vorbereitung und Planung des Unterrichts zusätzliche Materialien entwickeln, sich auf die Organisation komplexer Abläufe im Unterricht vorbereiten und verschiedene mögliche Unterrichtssituationen antizipieren (vergleiche Greiten 2015: 250). Im Unterricht selbst muss die Lehrperson die Aktivitäten aller Lerner überblicken und gegebenenfalls unterstützend oder steuernd eingreifen. Auch eine lernberatende, moderierende, Lernumgebung gestaltende Tätigkeit kommt dazu (vergleiche Eisenmann 2016: 361). Allerdings ist es nicht nur ein organisatorischer Aufwand, sondern um erfolgreich binnendifferenzierend zu arbeiten, ist ein verändertes Rollenverständnis der Lehrerinnen und Lehrer notwendig, um eine offene Interaktion auf Augenhöhe zu ermöglichen, wie es eingangs ausgeführt wurde. Die Lehrkräfte gestalten die Lernumgebung, beraten die Lerner, helfen ihnen, eigene Stärken und Bedürfnisse zu erkennen und ihren Lernprozess entsprechend zu gestalten. Auch die Lerner stehen vor großen Herausforderungen, gerade wenn ihnen offene Arbeitsformen bisher noch nicht vertraut sind. Sie müssen sich nicht nur mit den Lerninhalten selbst auseinandersetzen, sondern benötigen auch zahlreiche Fähigkeiten, um ihren Lernprozess zu organisieren. Um diesen hohen Anforderungen im Unterricht gerecht werden zu können, führt Eisenmann (2016: 360-361) fünf Prinzipien an, die bei der Binnendifferenzierung leitend sein können: (1) Methodenvielfalt, um den Unterricht abwechslungsreich und aktivierend zu gestalten; (2) ganzheitliches Lernen, das handlungsorientiert, kommunikativ, sozial, interaktiv, emotional und kreativ angelegt ist; (3) Öffnung des Unterrichts, so dass er entdeckendes, problemlösendes, handlungsorientiertes und selbstverantwortliches Lernen ermöglicht statt auf geschlossene Übungs- und Aufgabenformate sowie Interaktionen zu setzen; <?page no="83"?> 83 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung (4) kooperative Lernformen, die durch Kommunikationsanlässe lerneraktivierend sind und es den Lernern ermöglichen, sich mit ihren Interessen und Stärken einzubringen; (5) Material- und Medienvarianz, um Wahlfreiheit entsprechend der Interessen, Medienpräferenzen, Vorerfahrungen und individuellen Fähigkeiten zu ermöglichen. Die Vielfalt, zum Beispiel der Methoden und des Materials, soll allerdings nicht zu einer Überforderung oder zu einem ständigen Wechsel führen. Vielmehr soll Einseitigkeit vermieden werden, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Angebote für alle Lerner zu schaffen. Außerdem sollen Wahlmöglichkeiten bestehen und die Lerner bei der Wahl angeleitet und beraten werden. Sie sehen, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, den Unterricht binnendifferenzierend zu gestalten. Das ist zwar oft mit einem gewissen Planungs- und Organisationsaufwand verbunden, lohnt sich aber, um den Lernern gerecht zu werden und jeden einzelnen optimal zu fördern. Viel schwieriger ist die Binnendifferenzierung und Individualisierung bei der Leistungsbeurteilung, wie Sie in Kapitel 3 dieses Moduls erfahren werden. Problematisch ist, dass ein Spannungsfeld zwischen Standardorientierung und Individualisierung besteht, mit dem Lehrerinnen und Lehrer weitgehend alleingelassen sind (vergleiche Biederstädt 2016: 138): Auch wenn Lehrpersonen den Unterricht individualisiert gestalten, gelten in der Regel Lehrziele und curriculare Vorgaben, die von allen Lernern gleichermaßen erreicht werden müssen. Dieses Spannungsverhältnis zeigt sich am Beispiel deutscher Schulen, an denen binnendifferenzierendes Arbeiten verpflichtend vorgeschrieben ist, differenzierende Klassenarbeiten jedoch nicht erlaubt sind. Dabei bestehen in Anlehnung an die Unterteilung in Fundamentum und Additum Möglichkeiten, auch Klassenarbeiten mit einem Basis- und einem Erweiterungsteil zu gestalten, Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad vorzugeben oder über die Wahl der Lösungshilfen auch in Test- und Prüfungssituationen eine Binnendifferenzierung zu erreichen (vergleiche Biederstädt 2016: 138-144). Was aber häufiger Eingang in den Unterricht findet, sind summative, informelle Formen der Leistungsbeurteilung, zum Beispiel über Checklisten und Selbstbeurteilungsbögen, beispielsweise im Europäischen Sprachenportfolio (siehe dazu Kapitel 5). Dabei ist auch die Einschätzung kooperativ erbrachter Leistungen möglich, was in klassischen Test- und Prüfungsformaten nicht vorgesehen ist, obwohl nach einem sozialkonstruktivistischen Verständnis das Zusammenwirken und die Interaktion Leistungen beeinflussen (vergleiche Idel & Rabenstein 2016: 10) und Unterricht immer stärker auf Kooperation setzt. Es zeigt sich also, dass binnendifferenzierender und individualisierter Unterricht Lehrerinnen und Lehrer vor einige Herausforderungen stellt, nicht nur, weil er mit einem großen Planungs- und Organisationsaufwand verbunden ist und ein neues Verständnis von Unterricht, Lernen und Lehren damit einhergeht, sondern auch, weil dieses neue Verständnis oft institutionellen Vorgaben und Gegebenheiten entgegensteht. <?page no="84"?> 2.3.4 Zusammenfassung ▶ Unter Binnendifferenzierung oder innerer Differenzierung versteht man ein Vorgehen, bei dem durch organisatorische und methodische Maßnahmen den unterschiedlichen Bedürfnissen, Begabungen, Wünschen und anderen individuellen Gegebenheiten der Lerner entsprochen werden kann. ▶ Die Individualität der Lerner besteht in unterschiedlichen Bereichen wie Alter, Geschlecht, Sprachenrepertoire, Lernerfahrung, Lernstil, Sprachbewusstheit, verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen und vielen mehr. ▶ Differenzierungsmöglichkeiten bestehen nicht nur über die zu bearbeitende Quantität und das Lerntempo, sondern auch über individuelle Ziele, bevorzugte Wahrnehmungskanäle, unterschiedliche Lernwege, Sozialformen, Medien, den Grad der Selbstständigkeit und das Maß der Hilfestellungen etc. ▶ Formate zur Förderung der Binnendifferenzierung sind beispielsweise der Projektunterricht, die Freiarbeit, die Wochenplanarbeit und die Portfolioarbeit. Dazu schlägt Eisenmann (2016: 360-361) folgende Prinzipien vor: (1) Methodenvielfalt, (2) ganzheitliches Lernen, (3) Öffnung des Unterrichts, (4) kooperative Lernformen und (5) Material- und Medienvarianz. ▶ Die Vielfalt, zum Beispiel der Methoden und des Materials, soll allerdings nicht zu einer Überforderung oder zu einem ständigen Wechsel führen. Vielmehr soll Einseitigkeit vermieden werden, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Angebote für alle Lerner zu schaffen. Außerdem sollen Wahlmöglichkeiten bestehen und die Lerner bei der Wahl angeleitet und beraten werden. 2.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen Sie bitte zehn Beispiele für individuelle Einflussfaktoren auf das Lernen. 2. Warum sind Binnendifferenzierung und Individualisierung sinnvoll? 3. Nach welchen Kriterien kann beispielsweise differenziert werden? 4. Welche Umsetzungsmöglichkeiten für Binnendifferenzierung gibt es? Nennen Sie bitte sieben Beispiele, von ganz einfachen Möglichkeiten bis zu komplexeren Szenarien. 5. Was ist bei binnendifferenzierendem Unterricht zu beachten? <?page no="85"?> 85 2.3 Binnendifferenzierung und Individualisierung 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Tibor Vígh Sprachtests sind ein wichtiger und notwendiger Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts. Sie haben als Fremdsprachenlerner sicherlich gemerkt, dass die Verwendung von Sprachtests Ihren Lernprozess beeinflusst hat. Wenn Sie schon Unterrichtserfahrungen haben, dann haben Sie ganz bestimmt erlebt, dass Sie durch die Anwendung von Tests viele Informationen über die Sprachkenntnisse von Schülerinnen und Schülern erhalten können. Außerdem haben Sie auch erfahren, wie Sprachprüfungen die Inhalte, Methoden und Bewertungsverfahren des Lehr- und Lernprozesses bestimmt haben. So haben Sie sich sicherlich schon mal die Frage gestellt, zu welchem Zweck Sprachkenntnisse mit welchen Methoden getestet werden können. Welche Schlussfolgerungen kann man aus den Sprachtests für die Unterrichtpraxis ziehen, um den Lernprozess zu unterstützen? In diesem Kapitel zeigen wir, wie Sprachkenntnisse mit Sprachtests gemessen, evaluiert und bewertet werden können. In der ersten Lerneinheit dieses Kapitels geben wir einen Überblick über die Ziele und die Rolle der Leistungsmessung und erläutern die Unterschiede zwischen den im Unterricht verwendbaren Sprachtests und Tests zur Zertifizierung. Danach beschäftigen wir uns mit Kriterien, anhand derer die Qualität von Sprachprüfungen und selbst erstellten Sprachtests evaluiert werden kann. In der dritten Lerneinheit stellen wir vor, wie der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (Europarat 2001) in der Leistungsmessung verwendet werden kann und wir behandeln den Prozess der Testerstellung. Mit diesem Kapitel wollen wir also die Grundlagen für die Behandlung der Problematik von Leistungsmessung im Fremdsprachenunterricht schaffen. <?page no="86"?> 86 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung In dieser Lerneinheit soll die Leistungsmessung anhand der Ziele und Funktionen von verschiedenen Sprachtests dargestellt werden. In diesem Rahmen werden wir der Frage nachgehen, in welchem Zusammenhang Sprachprüfungen und Unterricht stehen. Wie können die Grundbegriffe der Leistungsmessung interpretiert werden? Welche Unterschiede gibt es zwischen Sprachtests? Welche Ziele verfolgen sie und welchen Stellenwert haben sie im Unterricht? Zur Beantwortung dieser Fragen werden wir zunächst die Unterschiede und die Zusammenhänge zwischen Messen, Evaluieren und Testen darlegen. Weiterhin werden wir die verschiedenen Messziele differenziert betrachten und die formellen Sprachtests von den informellen Tests unterscheiden. Abschließend beschreiben wir die Funktionen dieser Tests im Unterricht. Dabei gehen wir auch auf Überschneidungen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Testtypen ein. Damit wollen wir Sie auf einige Aspekte aufmerksam machen, mithilfe derer Sie Sprachtests in Ihrer Unterrichtspraxis beurteilen können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Begriffe Messen und Evaluieren sowie verschiedene Typen von Tests bestimmen können; ▶ die Unterschiede zwischen informellen und formellen Sprachtests charakterisieren können; ▶ Sprachtests nach ihren Zielen und Funktionen analysieren und beurteilen können. 3.1.1 Grundbegriffe der Leistungsmessung Experiment Um die Ähnlichkeiten und die Unterschiede im Prozess des Messens im alltäglichen Leben und im Fremdsprachenunterricht darlegen und darüber reflektieren zu können, führen Sie bitte das folgende Experiment durch: Stellen Sie sich vor, Sie möchten die Länge eines Tisches messen. Versuchen Sie an eine konkrete Situation zu denken und sich vorzustellen, wie Sie vorgehen würden, indem Sie auf die folgenden Fragen antworten: ▶ Warum ist in der ausgedachten Situation die Messung notwendig? Welche Instrumente brauchen Sie zum Messen? Welche Messinstrumente entsprechen ihrem Ziel, welche nicht? Warum? ▶ Wie sollten Sie beim Messen vorgehen? Welches Ergebnis erhalten Sie? Wie können Sie das Ergebnis interpretieren? Welche Schlussfolgerungen können Sie daraus im Hinblick auf die erdachte Situation ziehen? Mit diesem Experiment wollten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass Messen ein zielorientierter Prozess ist. Im alltäglichen Leben brauchen Sie das Messen, wenn Sie zum Beispiel <?page no="87"?> 87 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung ein Zimmer einrichten möchten und dabei feststellen wollen, wie die Maße der zu kaufenden Möbelstücke sein sollen. Im schulischen Kontext ist Messen beispielsweise notwendig, wenn die Lehrkraft eine Schülerin oder einen Schüler auf eine Sprachprüfung vorbereitet und einige Wochen vor der Prüfung wissen möchte, ob sie oder er das anvisierte Sprachniveau beim Leseverstehen erreicht hat, um dem Lerner eine detaillierte Rückmeldung über den aktuellen Sprachstand geben und die weiteren Arbeitsschritte planen zu können. In beiden Fällen ist es also erforderlich, nach Genauigkeit zu streben. Ziel ist es, statt subjektiven Meinungsäußerungen begründete Aussagen zu formulieren. Deshalb muss die untersuchte Eigenschaft (zum Beispiel die Länge eines Tisches oder das Leseverstehen eines Schülers oder einer Schülerin) genau festgelegt werden. Danach kann die zu messende Eigenschaft mit einem Messinstrument an eine Skala gesetzt werden, um diese abschließend quantifizieren zu können. Es gibt aber einen deutlichen Unterschied zwischen dem Messen im alltäglichen Leben und der Leistungsmessung. Die Länge eines Tisches kann direkt mit einem Maßband gemessen werden. Eine Leistungsmessung ist dagegen nicht so einfach durchzuführen, weil Sprachkenntnis ein Merkmal ist, das im Kopf des Schülers existiert. Deshalb lässt sich Sprachkenntnis nur mittelbar anhand des beobachtbaren sprachlichen Verhaltens und auf Basis der Produktion der Lerner erschließen (vergleiche Grotjahn 2008). Dies kann zum Beispiel durch die Beantwortung von Fragen zum Inhalt eines Lesetextes oder durch das Vorlesen eines Textes geschehen. Zur Bestimmung der zu messenden Eigenschaft muss zwischen Kompetenz und Performanz unterschieden werden (Chomsky 1965; Hymes 1972; Europarat 2001). Kompetenz wird als Sprachwissen bezeichnet und bedeutet die Fähigkeit zur Verwendung einer Sprache, während Performanz auf die konkrete Verwirklichung und auf die beobachtbare Produktion des Sprachwissens in einem angemessenen Kontext hindeutet. So können Sprachkenntnisse in der Verwendung der Sprache (Performanz) gemessen werden und dadurch können wir auf die Sprachkompetenz der Lerner schließen. Die zu messenden Eigenschaften werden auch als Konstrukt bezeichnet. Sie stellen die Grundlage für einen Sprachtest dar und werden als Indikator für die Interpretation der Ergebnisse gewertet (Bachman 2004: 15; Davies, Brown, Elder, Hill, Lumley & McNamara 1999: 31; Dlaska & Krekeler 2009: 36). Am Ende der Messung erhalten wir ein zahlenmäßiges Ergebnis und können dadurch Aussagen machen, wie zum Beispiel Der Tisch ist 154 cm lang oder Der Schüler oder die Schülerin hat beim Test zum Leseverstehen 35 Punkte erreicht. Welche Konsequenzen können aus diesen Ergebnissen gezogen werden? Wie können diese Messwerte interpretiert werden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im Evaluationsprozess. Beim alltäglichen Messen sind diese Fragen wiederum einfach zu beantworten: Es muss nur überprüft werden, ob im Zimmer genügend Platz für den Tisch und andere Möbelstücke vorhanden ist. Auch in der Leistungsevaluation brauchen wir eine Vergleichsperspektive zur Interpretation des Ergebnisses. Aus dem Ergebnis der Messung erhalten wir also Informationen zur Evaluation, deren Funktion ist, Entscheidungen über die Sprachkenntnisse der Lerner zu treffen. Die Evaluation hängt wiederum stark von der Qualität der gesammelten Informationen (zum Beispiel von der Qualität der Erstellung und Anwendung der Messinstrumente) ab (vergleiche Bachman 1990; Rheinberg 2002; Lerneinheit 5.2). Die Ergebnisse des Lerners können zum erwarteten Sprachniveau in Relation gesetzt werden und dadurch kann festgestellt werden, ob der Schüler oder <?page no="88"?> 88 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht die Schülerin den vorher genau angegebenen Fähigkeitsgrad erreicht hat oder nicht. Diese sogenannte kriteriumsorientierte Bewertung gibt Aufschluss darüber, in welchen Fertigkeiten der Schüler oder die Schülerin sich noch weiterentwickeln soll. Dabei basiert diese Bewertung oft auf den Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Auf der Basis dieser Beschreibungen werden die Testaufgaben erstellt, deren Sprachniveau ganz genau festgelegt ist. Wie das erfolgen kann, erfahren Sie in der Lerneinheit 3.3. Im Evaluationsprozess ist es auch möglich, die Ergebnisse der Lerner untereinander oder im Verhältnis zum Mittelwert der Bezugsgruppe zu vergleichen. Dadurch kann zum Beispiel festgestellt werden, ob ein Schüler oder eine Schülerin zu der unteren, mittleren oder oberen Leistungsgruppe der Klasse gehört und dies ermöglicht eine Rangordnung und so eine Differenzierung innerhalb der Gruppe. Dadurch können wir Mitteilungen wie Der Schüler oder die Schülerin ist der fünfte in der Klasse oder Du bist unter dem Mittelwert deiner Klasse formulieren. Bei dieser normorientierten Bewertung hängt die Interpretation der Ergebnisse jedoch stark von der Zusammensetzung der Lerngruppe ab (vergleiche Rheinberg 2002; Grotjahn 2008). Zu den Instrumenten der Leistungsmessung und Evaluation gehören Tests. Dieser Begriff bezeichnet Verfahren, die Personen unter kontrollierten Bedingungen zu bestimmten Verhaltensweisen veranlassen und die Rückschlüsse auf nicht direkt beobachtbare Konstrukte (zum Beispiel Sprachfähigkeit, Wissensstrukturen, sprachliche Fertigkeiten) ermöglichen sollen (vergleiche Grotjahn 2000a). Sprachtests dienen im Allgemeinen dazu, sprachliche Leistungen zu überprüfen. In der Praxis wird dieser Begriff oft in einer sehr engen Bedeutung verwendet: Tests werden mit den sogenannten geschlossenen Aufgabenformaten gleichgesetzt, in denen die Lerner ihre Antwort nur durch Ankreuzen angeben sollen. In der Fachliteratur wird dieser Begriff aber in einer weiten Bedeutung angewendet: Tests können sowohl geschlossene als auch offene Aufgabenformate beinhalten und rezeptive oder produktive Fertigkeiten überprüfen. Aber sie müssen ermöglichen, dass die Leistungen eindeutig auswertbar, miteinander vergleichbar und quantifizierbar sind (vergleiche Kapitel 4). 3.1.2 Formen von Sprachtests Sie können sich ganz bestimmt daran erinnern, dass in Ihrer Schulzeit Sprachtests in unterschiedlichen Unterrichtsphasen mit unterschiedlichen Messzielen unter differenzierten Bedingungen verwendet wurden. Derselbe Test kann in Abhängigkeit von seinem Anwendungsziel angemessen oder nicht angemessen sein. Deshalb ist es interessant, die Unterschiede zwischen den in verschiedenen Messsituationen anwendbaren Sprachtests strukturiert zu behandeln. Dies ist für Sie deshalb wichtig, damit Sie die Tests Ihren Messzielen entsprechend erstellen und verwenden können. <?page no="89"?> 89 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung Experiment Um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen von Sprachtests besser zu verstehen, schauen Sie sich einige Situationen an, die verschiedene Anwendungsziele von Tests zum Leseverstehen darstellen. Nehmen wir an, Sie arbeiten an einem Gymnasium als Deutschlehrer oder Deutschlehrerin. Lesen Sie sich bitte die folgenden Situationen durch. (1) Sie werden eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen unterrichten, die schon seit zwei Jahren Deutsch lernen. Sie kennen aber das sprachliche Niveau im Leseverstehen einzelner Schülerinnen und Schüler und der Lerngruppe nicht. (2) Sie möchten genau wissen, welche Fortschritte Ihre Schüler und Schülerinnen im Unterrichtsprozess beim Leseverstehen machen, damit Sie ihre Sprachkenntnisse weiter fördern können. (3) Am Ende des Unterrichtsprozesses im Gymnasium sollen Ihre Schüler und Schülerinnen das Abitur ablegen. In dieser Prüfung wird auch Leseverstehen gemessen. (4) Petra, eine Schülerin von Ihnen, möchte eine Zertifizierung darüber erhalten, dass sie das Sprachniveau B1 auch im Leseverstehen erreicht hat. Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen zu allen Situationen einzeln: ▶ Bezüglich des Messziels: In welcher Phase des Unterrichtsprozesses wurde der Sprachtest eingesetzt? Wer kann die durch den Test gesammelten Informationen verwenden? Denken Sie an die Perspektive der Lehrkraft und des Schülers oder der Schülerin. ▶ Bezüglich der Art der Entwicklung, Durchführung und Auswertung des Tests beziehungsweise der Konsequenzen: Von wem sollte der Test entwickelt werden? Wie kann der Test durchgeführt werden? Von wem sollte er ausgewertet werden? Welche Konsequenzen hat der Sprachtest für die Schüler und Schülerinnen? Die Beispiele in diesem Experiment deuten darauf hin, dass Sprachtests aus unterschiedlichen Gründen und Zielsetzungen in verschiedenen Situationen innerhalb oder außerhalb des fremdsprachlichen Unterrichtsprozesses in unterschiedlichen Phasen verwendet werden können (vergleiche Bachman 1990; Europarat 2001). Aus der Sicht der Phasen des Unterrichtsprozesses unterscheidet man traditionell drei Typen von Testzielen: Tests können zur diagnostischen, formativen und summativen Evaluation verwendet werden (Scriven 1967). Am Anfang des Unterrichtsprozesses werden Tests nach Scriven (1967) zur Verwirklichung der diagnostischen Evaluation verwendet (vergleiche Situation 1 im zweiten Experiment oben). Messziele dieser Tests sind, möglichst detaillierte Daten über das sprachliche Niveau einzelner Schüler oder Schülerinnen und der ganzen Lerngruppe zu sammeln. Die Ergebnisse der Tests werden vor dem Unterricht verwendet, damit die Lehrkraft aufgrund dieser Informationen die Lerngruppe zusammenstellen, ihren Unterricht planen und die angemessenen Methoden und Lehrmaterialen auswählen kann. Sprachtests können innerhalb des Unterrichtsprozesses zur formativen Evaluation verwendet werden, um fortlaufend Informationen über die Fortschritte einzelner Schüler und Schülerinnen beziehungsweise der Lerngruppe <?page no="90"?> 90 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht zu erhalten (vergleiche Situation 2 im zweiten Experiment oben). Diese Tests geben sowohl für die Lehrkraft als auch für die Lerner wichtige Rückmeldungen, um sie so während des Unterrichts unterstützen zu können. Die Lehrkraft kann Informationen auch zur Förderung des weiteren Unterrichtsprozesses gewinnen. Die Rückmeldungen dienen den Schülern und Schülerinnen vor allem zur Motivation, und sie können auch zur Schülerautonomie beitragen (vergleiche Lerneinheit 5.1 und 5.2). Nach dem Abschluss einer Unterrichtsphase oder am Ende eines Unterrichtsprozesses werden die zur summativen Evaluation entwickelten Sprachtests verwendet. Ziel dieser Sprachtests ist es, Informationen über den erreichten Sprachstand des Schülers oder der Schülerin zu erhalten (vergleiche Situationen 3 und 4 im zweiten Experiment oben). Dazu gehören Sprachprüfungen, die unter anderem zur Zertifizierung, zum Vergleich oder zur Selektion dienen. Diese unterschiedlichen Messziele bestimmen die Entwicklung, Durchführung und Bewertung von Tests und deren Konsequenzen für die Schüler und Schülerinnen. Aus dieser Sicht können Sprachtests in zwei Gruppen unterteilt werden. Sie können einerseits von der Lehrkraft selbst erstellt, angewendet, ausgewertet und interpretiert werden. Die Resultate dieser Tests haben oft geringere Konsequenzen für die Lerner und dienen der informellen Leistungsmessung in verschiedenen Phasen des Unterrichtsprozesses (vergleiche Situationen 1 und 2 im zweiten Experiment oben). Andererseits kann es vorkommen, dass Schüler und Schülerinnen Sprachprüfungen ablegen müssen, damit ihre Sprachkenntnisse zertifiziert werden können (vergleiche Situation 4 im zweiten Experiment oben). Dabei werden die Aufgaben zentral entwickelt und bewertet. Ferner werden die Ergebnisse zentral interpretiert. Diese Prüfungen gehören zu den formellen Tests. Das Begriffspaar der formellen und informellen Sprachtests stellt ein Kontinuum dar, mithilfe dessen verschiedene Tests charakterisiert werden können. Auch bei Abiturprüfungen (vergleiche Situation 3 im zweiten Experiment oben) werden die Tests oft zentral erstellt, aber die Lehrkräfte können in den Durchführungs- und Bewertungsprozess involviert werden. In der Fachliteratur wird der Begriff Test vor allem in einem weiteren Sinne verwendet (vergleiche Lienert & Raatz 1994; Perlmann-Balme 2010; Hughes 2003; Brown 2004). So gibt es keinen Unterschied zwischen dem Begriff Test und Prüfung. Diese Begriffe werden aber oft auch im engeren Sinne verwendet: So bezeichnet der Begriff Prüfung ein stärker formalisiertes und oft standardisiertes (also einheitlich festgelegtes) Verfahren. In diesem Fall bezeichnen wir die formelle Leistungsmessung als Prüfung, die informellen Messinstrumente als Tests. Informelle Sprachtests dienen dazu, den Unterrichtsprozess in einer Lerngruppe zu unterstützen. Deshalb haben sie einen engeren Bezug zum Curriculum und beziehen sich auf einen begrenzten Lernstoff. Für die informelle Leistungsmessung werden in der Regel mehrere Tests dezentral von einer Lehrkraft erstellt und bewertet. Informelle Tests werden vorher meist nicht erprobt, deshalb sind sie oft weniger aufwändig und psychometrisch weniger anspruchsvoll als formelle Tests. Diese Tests haben geringere Konsequenzen für die Lerner, da sich die Testergebnisse direkt auf den Unterrichtsprozess beziehen: Sie dienen zur Planung des Unterrichtsprozesses, zur Aufdeckung individueller Unterschiede, geben Informationen über den Lernfortschritt, diagnostizieren die Stärken und Schwächen der Klasse sowie einzelner Schüler oder Schülerinnen und ermöglichen dadurch Entscheidungen zur Weiterentwick- <?page no="91"?> 91 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung lung der Fähigkeiten der Lerner. Sie können also für diagnostische, formative und summative Messziele verwendet werden (vergleiche Bolton 1996; Dlaska & Krekeler 2009; Grotjahn 2008; Hughes 2003; Brown 2004; Lerneinheit 5.1). Formelle Sprachtests haben gewichtige Konsequenzen, weil sie oft zur Zertifizierung dienen. Sie werden vor allem am Ende eines Lernprozesses mit summativen Messzielen eingesetzt, um das Sprachniveau der Kandidaten und Kandidatinnen festzustellen. Diese Tests sind unabhängig vom Curriculum, von der Bezugsgruppe, vom konkreten Unterricht oder vom verwendeten Lehrbuch. Sie messen die einzelnen Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen der Prüflinge, die durch den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen vor dem Messen genau bestimmt wurden. Diese Tests werden häufig zentral von mehreren Prüferinnen und Prüfern erstellt. Vor ihrer Verwendung werden sie häufig an einer Kandidatengruppe erprobt und standardisiert und anhand von einer repräsentativen Stichprobe normiert. Die Qualität der Aufgaben wird anhand der Testresultate detailliert analysiert. Sie müssen vielen Güte- und Qualitätskriterien in hinreichendem Maße entsprechen (vergleiche Bolton 1996; Dlaska & Krekeler 2009; Grotjahn 2008; Hughes 2003; Brown 2004). Diese Kriterien werden in Lerneinheit 3.2 detailliert erläutert. 3.1.3 Funktionen und Typen von Sprachtests Sowohl informelle als auch formelle Tests haben verschiedene Funktionen und diese beeinflussen die Inhalte, die Planung, Durchführung und Bewertung der Sprachtests. Deshalb müssen zuerst die Funktionen von (in)formellen Tests geklärt werden. Wir unterscheiden zwischen drei Hauptfunktionen: Es gibt Sprachtests, die einen Bezug (1) zu einem Curriculum oder (2) zu einem sprachlichen Kriterium (wie zum Beispiel ein im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen definiertes Sprachniveau) haben und auch Tests, (3) die sich auf die Zukunft beziehen (Dlaska & Krekeler 2009: 27). Sprachtests mit Bezug zur Zukunft haben die Funktion, die Erfolgsaussichten des weiteren Sprachenlernens anhand des aktuellen Sprachstands zu prognostizieren. Auf Grund dieser drei Funktionen werden im Weiteren die Einstufungs- und Lernfortschrittstests beziehungsweise die verschiedenen Sprachprüfungsarten, also die Abschluss-, Feststellungs- und Zulassungsprüfungen, beschrieben. Dabei gehen wir auch auf Überschneidungen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Testtypen ein. Einstufungstests werden zu Beginn eines Lernabschnitts oder einer Lernstufe beziehungsweise eines Unterrichtsprozesses zur Feststellung des Sprachstands und der sprachlichen Vorkenntnisse der Lerner verwendet. Die Inhalte dieser Tests umfassen also die zum Unterricht notwendigen Sprachkenntnisse und Fertigkeiten der Schüler und Schülerinnen. Diese Tests haben prognostische Funktionen: Sie sollen Lehrkräften helfen, den Unterrichtsprozess zu planen. Einstufungstests werden häufig dann eingesetzt, wenn Lehrkräfte einen Einfluss auf die Zusammenstellung der Lerngruppe haben. Lehrinstitutionen, Bildungseinrichtungen oder Sprachinstitutionen bieten zum Beispiel oft mehrere Kurse auf verschiedenen Sprachniveaus an. Um die Lerner auf die Kurse verteilen zu können und dabei hinsichtlich des Leistungsniveaus möglichst homogene Lerngruppen und Sprachkurse bilden zu können, werden Einstufungstests gebraucht. Diese Tests werden meist von den Lehrkräften selbst <?page no="92"?> 92 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht erstellt und bewertet, sie orientieren sich an verschiedenen Sprachniveaus (Hughes 2003; Brown 2004). Die Erwartungen an Einstufungstests betreffen die rasche Feststellung des sprachlichen Niveaus der Lerner, weshalb meist die rezeptiven Fertigkeiten (Lese- und Hörverstehen), Grammatik und Wortschatz oder die allgemeine Sprachbeherrschung mithilfe von geschlossenen Aufgabenformaten getestet werden (Perlmann-Balme 2010). Diese Tests sollen auch die Leistungsfähigkeit der Lerner genau vorhersagen. Aus diesen Gründen bieten Testzentren oft zentral erstellte, erprobte und standardisierte Einstufungstests an. Dazu gehört zum Beispiel der vom TestDaF-Institut erstellte Online-Einstufungstest Deutsch als Fremdsprache (kurz onDaF). Dieser Test ist internetgestützt, misst rasch und genau die allgemeinen Sprachkompetenzen der Lerner, bietet ihnen eine individuelle Rückmeldung und ermöglicht die Dokumentation der eigenen Lernfortschritte (Eckes 2010, 2014). Vor der Verwendung solcher Tests sollten Sie sich als Lehrkraft genau über Konstrukt, Durchführung und Bewertung sowie über die Interpretation der Testergebnisse informieren. Lernfortschrittstests sind für alle Lehrkräfte wichtige Messinstrumente. Funktionsgemäß werden diese Tests im Laufe des Unterrichts verwendet. Sie dienen zur kontinuierlichen Unterstützung und Kontrolle des Lernprozesses. Die Grundlage für diese Tests bilden die im Curriculum angegebenen Lernziele und Lernergebnisse, die die Schüler und Schülerinnen am Ende eines Lernprozesses erreicht haben sollten. So wird mit diesen Sprachtests auf dem erzielten Sprachniveau getestet, inwieweit die Lerner den im Unterricht vermittelten Lernstoff beherrschen. Dabei werden die Fertigkeiten getrennt oder integriert überprüft, die Ergebnisse der Lerner werden mit Blick auf die im Curriculum angegebenen Ziele und Inhalte interpretiert (Albers & Bolton 1995). Experiment Um Ihnen die unterschiedlichen Messziele von Lernfortschrittstests mit einem Beispiel illustrieren zu können, lesen Sie bitte die folgende Testaufgabe (aus Einhorn 2004: 171). Nehmen wir an, dass Ihre Schüler und Schülerinnen sie lösen sollen und Sie wollen ihre Ergebnisse interpretieren und Rückmeldungen geben. Wie würden Sie bei der Anwendung dieser Aufgabe vorgehen, wenn Sie das Ziel haben, den Lernprozess Ihrer Schülerinnen und Schüler entweder zu fördern oder den erreichten Sprachstand am Ende eines Lernprozesses zu kontrollieren? Schreiben Sie eine kurze Antwort in 40-50 Wörtern. Hallo Leute, ich bin ein Schüler aus Benin im Alter von 17 Jahren. Seit drei Jahren lerne ich Deutsch. Ich lese, singe und tanze gern. Wenn du auch eine Brieffreundschaft suchst, dann schreibe mir und stelle dich vor. Ich antworte sofort. Marcel E-mail: marcel@freemail.be <?page no="93"?> 93 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung Um die Lerner im Verlauf des Unterrichtsprozesses fördern zu können, werden die Testaufgaben so verwendet, dass sie detailliert bewertet und die Ergebnisse auch detailliert analysiert werden können. Sie können beispielsweise die im Experiment angegebene Aufgabe so anwenden, dass Sie einzelnen Schülern und Schülerinnen eine detaillierte schriftliche Rückmeldung über den Text geben, damit sie ihre Textproduktion weiterentwickeln können. Dadurch können Sie als Lehrkraft auch Rückschlüsse darauf ziehen, welche Bereiche im Unterricht noch vertieft behandelt werden sollten oder ob etwas geändert werden sollte und dabei können Sie auch Informationen über die Effektivität des Unterrichts sammeln, um die Schüler und Schülerinnen im weiteren Verlauf des Lernprozesses unterstützen zu können (vergleiche Bolton 1996; Davies et al. 1999; Schumann & Spannhake 2008; Perlmann-Balme 2010). Es kann auch vorkommen, dass die Lerner in den Korrekturprozess mit der Verwendung einer Bewertungsanleitung involviert werden, damit sie rasch eine Rückmeldung über die erreichten Lernfortschritte erhalten können. So können Lernfortschrittstests zur formativen Evaluation verwendet werden. Wenn die Lehrkraft am Ende eines Lernprozesses den erreichten Sprachstand der Lerner kontrollieren und dabei beispielsweise die Aufgabe im Experiment zur summativen Evaluation verwenden möchte, kann sie die Lernertexte nach verschiedenen Kriterien wie zum Beispiel nach kommunikativer Angemessenheit oder grammatischer Korrektheit bewerten und danach Noten geben. In der Lerneinheit 5.2 behandeln wir, wie Tests zur formativen und summativen Evaluation zusammengestellt und verwendet werden können. Es gibt Sprachprüfungen, die einen engeren Bezug zum Curriculum haben und damit zwischen den informellen und formellen Sprachtests stehen. Sie werden Abschlussprüfungen genannt. Dazu gehören zum Beispiel Abiturprüfungen. Dieser Prüfungstyp kann am Ende eines Lernprozesses zur summativen Evaluation abgelegt werden. Er orientiert sich an den Inhalten des Unterrichtsprozesses: Was unterrichtet wurde, wird in der Prüfung gemessen. Ausgangspunkt für diesen Prüfungstyp bildet das im Curriculum als Ziel gesetzte und definierte Sprachniveau, an dem sich die Anforderungen für die Prüfungsentwicklung orientieren. Die Aufgaben werden zentral oder dezentral in der Schule erstellt. Die Bewertung erfolgt oft durch die Lehrkraft, die die Schülerinnen und Schüler unterrichtet hat. Die Interpretation der Ergebnisse der Lerner erfolgt mit Blick auf die im Curriculum beschriebenen Lernziele und Anforderungen. Die formellen Sprachtests werden Feststellungsprüfungen genannt, die sich auf die Messung eines sprachlichen Kriteriums beziehen. Dazu gehören zum Beispiel die vom Goethe-Institut angebotenen Sprachprüfungen. Ziel dieses Prüfungstyps ist, den Sprachstand der Prüflinge festzustellen. Dieser Prüfungstyp kann unabhängig vom Lernprozess abgelegt werden, er orientiert sich an dem zu messenden Konstrukt. Die Bestimmung dieses Konstrukts basiert meist auf den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Diese Prüfungen können oft auf mehreren Sprachniveaus abgelegt werden. Der Kandidat oder die Kandidatin entscheidet, auf welchem Sprachniveau er oder sie die Prüfung ablegen möchte. Diese Sprachniveaus bestimmen die Anforderungen für die Prüfungsentwicklung. Die Testaufgaben werden zentral erstellt. Die Bewertung erfolgt durch Fachleute, die die Kandidaten und Kandidatinnen nicht unterrichtet haben, damit die Prüfungsergebnisse <?page no="94"?> 94 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht miteinander vergleichbar sind. Die Prüfung kann zu verschiedenen Zeitpunkten abgelegt werden. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf das getestete Sprachniveau interpretiert. Es gibt Prüfungen, die sich auf die Zukunft beziehen und prognostische Funktionen haben. Sie werden Zulassungsprüfungen genannt. Durch sie wird überprüft, ob der am Ende eines Unterrichtsprozesses erreichte Sprachstand der Prüflinge für die erforderliche Sprachverwendung ausreicht, zum Beispiel zu Beginn eines Studiums an einer Universität (siehe zum Beispiel die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang, DSH ). Diese Prüfungen werden zur Auswahl von Teilnehmern aus einer größeren Gruppe verwendet. Krekeler (2005) argumentiert dafür, dass man Zulassungsprüfungen aus der Sicht der Testersteller als Feststellungsprüfungen ansehen sollte, weil mit diesem Prüfungstyp auch die Sprachniveaus der Kandidaten und Kandidatinnen nachgewiesen werden können, die die Anforderungen und Inhalte der Prüfungsentwicklung bestimmen. Deshalb ähneln diese Prüfungen in vielen Punkten den Feststellungsprüfungen: Sie können auch unabhängig vom Lernprozess zu verschiedenen Zeitpunkten abgelegt werden, sie werden zentral durch eine Testinstitution erstellt, die auch bewertet, ob der Kandidat oder die Kandidatin über den erwarteten Fähigkeitsgrad verfügt oder nicht. Aus der Sicht der Anwender handelt es sich also um eine Zulassungsprüfung. Auch die gemessenen Inhalte unterscheiden sich von den Feststellungsprüfungen. Es werden nämlich Inhalte ausgewählt, die eine prognostische Funktion haben. Bei DSH zum Beispiel orientieren sich die Themen der einzelnen Prüfungsteile am studienbezogenen Alltag und an fächerübergreifenden, allgemein wissenschaftlichen Themen. In dieser Prüfung werden aber keine Fachkenntnisse, sondern die Sprachverwendung in universitären Kommunikationssituationen gemessen. Bisher haben wir die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Funktionen verschiedener Sprachprüfungen dargestellt. In der Praxis lassen sich jedoch fließende Übergänge zwischen den Sprachprüfungstypen beobachten: So kann es vorkommen, dass eine Prüfung mehrere Merkmale unterschiedlicher Sprachprüfungstypen aufweist (vergleiche Davies et al. 1999). Als Beispiel können wir formelle Sprachtests mit Fachbezug erwähnen. Bei diesen Tests werden sowohl der Sprachstand der Kandidatinnen und Kandidaten wie bei Feststellungsprüfungen als auch die sprachliche Handlungskompetenz im Fach wie bei Zulassungsprüfungen gemessen. Bei diesen Prüfungen geht es aber nicht um die Entscheidung, ob die Sprachkompetenz der Prüflinge ausreichend ist oder nicht, sondern vielmehr werden die Fach- und Sprachkenntnisse gemeinsam durch zentral erarbeitete Verfahren gemessen und bewertet (vergleiche Krekeler 2012). Ein anderes Beispiel für die Mischung verschiedener Sprachprüfungstypen bilden Abiturprüfungen, bei denen häufig Elemente von Abschluss- und Feststellungsprüfungen kombiniert werden. <?page no="95"?> 95 3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung Illustrierendes Beispiel In Ungarn ist die Abiturprüfung für Deutsch als Fremdsprache einsprachig, orientiert sich an den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens, die Leistungsmessung ist fertigkeitsorientiert und sie besteht aus fünf Teilen (Lese- und Hörverstehen, Strukturen und Wortschatz, Schreib- und Sprechfertigkeit). Die Prüfung kann auf einer sogenannten Mittel- oder einer Oberstufe abgelegt werden. Die Mittelstufenprüfung funktioniert sowohl als Abschlussprüfung in der Mittelschule als auch als Feststellungsprüfung, weil die Niveaustufe B1 gemessen wird. Die auf B2 kalibrierte Oberstufenprüfung entspricht auch diesen zwei Funktionen, aber sie dient auch als Einstiegsqualifikation für das Hochschulstudium. Bei der Bestimmung der Anforderungen sind nicht die Erwartungen der Hochschule dominant wie bei Zulassungsprüfungen, sondern das im Curriculum der Mittelschule erzielte Sprachniveau wie bei Abschlussprüfungen. Die Vermischung der Prüfungsfunktionen hat Folgen für die Gestaltung der Abiturprüfung. Die Testaufgaben der schriftlichen Prüfungsteile auf beiden Stufen und die mündlichen Aufgaben der Oberstufenprüfung werden zentral erstellt und die Leistungen auf der Oberstufe zentral bewertet. Auch aus diesen Gründen kann diese Prüfung als Feststellungsprüfung bezeichnet werden, aber die zentral erstellten Testaufgaben werden vorher nicht erprobt und normiert. Die Erstellung der Testaufgaben zum mündlichen Ausdruck und die Bewertung der ganzen Mittelstufenprüfung erfolgt dezentral von den eigenen Lehrkräften der Lerner. Der Grund dafür ist, dass das Mittelstufenabitur im Rahmen des Schulsystems abgewickelt wird und zum gleichen Zeitpunkt viele (circa 25 000) Abiturientinnen und Abiturienten die Prüfung ablegen sollen. (Weitere Informationen zum Thema Rückwirkung von Prüfungen auf den Unterricht erhalten Sie in Lerneinheit 5.3.) <?page no="96"?> 96 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht 3.1.4 Zusammenfassung ▶ Die Ziele der Leistungsmessung betreffen einerseits die Formulierung von begründeten Aussagen über das zu messende Konstrukt durch die Quantifizierung mit klar definierten Verfahren. Andererseits soll Leistungsmessung die Evaluation der Testergebnisse, also die Bestimmung der Sprachkenntnisse der Lerner ermöglichen. Zu den Messinstrumenten gehören Tests, die in unterschiedlichen Unterrichtsphasen mit unterschiedlichen Messzielen unter differenzierten Bedingungen verwendet werden können. ▶ Wir unterscheiden zwischen den Formen der formellen und informellen Leistungsmessung: (1) Informelle Tests werden von den Lehrkräften innerhalb des Fremdsprachenunterrichts, (2) formelle Tests eher am Ende eines Unterrichtsprozesses mit summativen Messzielen verwendet. ▶ Sowohl informelle als auch formelle Sprachtests haben verschiedene Rollen im Unterricht. Sie können einen Bezug zum Curriculum oder zu einem sprachlichen Kriterium haben, oder sie können sich auf die Zukunft beziehen. ▶ Sprachtests sollten nach ihren Anwendungszielen und Hauptfunktionen beziehungsweise nach ihrer Erstellung und Bewertung beurteilt werden. Außerdem sollte analysiert werden, wie die Sprachniveaus gemessen und die Ergebnisse interpretiert werden. 3.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie würden Sie den Prozess des Messens beschreiben? 2. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Messen, Evaluieren und Testen? 3. Was sind die Unterschiede zwischen norm- und kriteriumsorientierter Bewertung? 4. Nach welchen Aspekten können Sie informelle und formelle Tests voneinander unterscheiden? 5. Welche Typen von Sprachtests existieren und wie können Sie diese charakterisieren? <?page no="97"?> 97 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests In dieser Lerneinheit können Sie erfahren, wie Sie über den Sprachstand der Lerner genaue Informationen erhalten können. In der Lerneinheit 3.1 sind wir davon ausgegangen, dass die in den Tests erreichten Punkte von den sprachlichen Leistungen der Lerner abhängen. In Wirklichkeit ist das aber nur selten der Fall. Sie können sich ganz bestimmt an Probleme aus Ihrer Schulzeit erinnern, die sich aus der Erstellung, Durchführung und Auswertung von Tests ergeben und die Ihre Leistung beeinflusst haben (wie zum Beispiel Achtlosigkeit oder wenn ein Lerner die Aufgabe durch Raten löst). Um diesen Problemen zu entgehen, sollten sowohl die Sprachprüfungen zur Zertifizierung als auch die informellen Tests bestimmten Qualitätskriterien entsprechen. Deshalb erläutern wir zuerst, warum die Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen in der Leistungsmessung wichtig ist. Dann behandeln wir die Gütekriterien von Sprachtests mithilfe von Beispielen. Abschließend stellen wir vor, wie formelle und informelle Tests anhand von Qualitätskriterien evaluiert werden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Wichtigkeit von Qualitätsmerkmalen bei der Verwendung von Sprachtests begründen können; ▶ die Güte- und Qualitätskriterien zur Analyse und Beurteilung der Qualität von Sprachprüfungen nutzen können; ▶ informelle Sprachtests anhand von Qualitätskriterien evaluieren und verbessern können. 3.2.1 Gütekriterien von Tests Im Folgenden wollen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, warum die erreichten Punktwerte in den Tests nicht nur über den Sprachstand der Lerner, sondern auch über die Qualität der Erstellung und Verwendung von Sprachtests Informationen liefern. Messungen und damit auch Tests sind grundsätzlich fehlerbehaftet. Eine mögliche Quelle von Messfehlern liegt zum Beispiel darin, dass mit den Tests irrelevante Merkmale der Lerner gemessen werden, die nicht mit den Messzielen übereinstimmen. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass die Schüler und Schülerinnen durch ihr Hintergrundwissen eine Frage im Test-- ohne den Text zu lesen- - beantworten können. Wenn die Aufgabenstellung im Test zu kompliziert oder missverständlich formuliert ist, können ebenfalls Messfehler entstehen. Eine weitere, häufige Quelle von Messfehlern liegt darin, dass die Tests mitunter nicht genau oder nicht einheitlich durchgeführt werden (dies kann vorkommen, wenn zum Beispiel die verwendbaren Hilfsmittel nicht angegeben werden, oder eine schlechte Akustik beim Hörverstehen die Leistungen beeinflusst). Bei der Bewertung von offenen Aufgaben, vor allem zum schriftlichen und mündlichen Ausdruck, müssen Messfehler durch eine geeignete Bewertungsanleitung kontrolliert werden (vergleiche Lerneinheit 4.3 im selben Band). <?page no="98"?> 98 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Um diese Einflussfaktoren kontrollieren zu können, wird auf die Qualitätssicherung von Sprachprüfungen großer Wert gelegt. Auch bei informellen Tests müssen die Messfehler kontrolliert werden, sonst erhalten wir nur ungenaue Informationen über die Schülerleistungen. Wenn zum Beispiel Lehrkräfte bei ihren selbst erstellten Tests mit summativen Messzielen nicht genug auf die Qualität der Tests achten, dann kann es vorkommen, dass Lerner wichtige Noten auf der Basis nicht unbedingt angemessener Messinstrumente erhalten. Damit wir die Messfehler kontrollieren können, müssen die Messinstrumente den Gütekriterien der Objektivität, Validität und Reliabilität entsprechen (vergleiche Bachman 1990; Bachman & Palmer 2005; Lienert & Raatz 1994; Grotjahn 2000b, 2008, 2009; Dlaska & Krekeler 2009; Perlmann-Balme 2010). Experiment Um die Beschreibung der Kriterien deutlich zu machen, lösen Sie bitte die untenstehenden Aufgaben zum Leseverstehen. Die Aufgaben sind bewusst nicht immer angemessen, damit wir Ihnen die Problematik von Gütekriterien zeigen können. Denken Sie deshalb auch darüber nach, inwieweit die Aufgaben und der Lösungsschlüssel angemessen sind. Lesen Sie den Text von Wolf (2010) und lösen Sie die Aufgaben. Karneval international Europas wohl bekanntester Karneval wird in Venedig gefeiert. Im Vergleich zum Karneval anderer Städte gibt es hier keinen Umzug - seinen Reiz bezieht das Fest aus der fantasievollen Maskierung der Beteiligten. Damit karikieren sie lokale Eigentümlichkeiten der Städte und Provinzen Italiens. Seinen Höhepunkt erfuhr der venezianische Karneval im 17. Jahrhundert durch immer kunstvollere Kostüme. Mit der französischen Invasion Ende des 18. Jahrhunderts kam jedoch schon sein Ende. Erst um 1980 wurden die alten Bräuche von Tourismusverbänden wiederentdeckt. Der Karneval in Rio de Janeiro hat zwei Gesichter. Zum einen das der Parade der Sambatänzer. Zwischen dreitausend und sechstausend Tänzer der vierzehn größten Sambaschulen nehmen am Umzug teil. Jede Schule wird von einer Jury nach strengen Regeln beurteilt. Das zweite Gesicht ist der „Carnaval de rua“ - der Straßenkarneval. Er repräsentiert das Rio der Einheimischen. Fast aus dem Nichts zaubern sie bunte Kostüme und tanzen zur Musik der Sambagruppen ihrer Viertel. Der ausgelassenste Karneval in Nordamerika ist der Mardi Gras in New Orleans. Im französischen Stadtteil tobt die wildeste Party Amerikas. Bands mit origineller Dixielandmusik begleiten gleich mehrere Umzüge durch die Straßen der Stadt. Hin und wieder werfen die „Jecken“ alte spanische Goldmünzen (Dublonen) in die Menge, die begehrte Sammlerstücke sind. 1. Kreuzen Sie an, welche Aussage zum Karneval in Venedig passt. Achtung! Sie dürfen insgesamt 3-mal ankreuzen. a) … Dieser Karneval ist der berühmteste in Europa. b) … Während des Karnevals wird die Musik der Bands von einer Jury beurteilt. <?page no="99"?> 99 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests c) … Die Leute ziehen zum Karneval interessante Kostüme an. d) … Die Masken dieses Karnevals sind Karikaturen der regionalen Besonderheiten. e) … Typisch für diesen Karneval ist die Parade der Tänzer. 2. Welche Aussage passt zum Karneval in Rio de Janeiro und / oder New Orleans? Schreiben Sie die entsprechenden Buchstaben neben den Stadtnamen. a) Rio de Janeiro: …………………… b) New Orleans: ……………………… c) Beide: ………………………………… A) Hier sind Sambaproduktionen typisch. B) Hauptattraktion des Karnevals ist ein typischer Tanz oder eine typische Musik. C) Typisch für diesen Karneval ist der Umzug durch die Straßen. D) Dieser Karneval findet in einem bestimmten Teil der Stadt statt. 3. Welches Bild passt zum Karneval in Venedig? Begründen Sie Ihre Wahl. A) C) B) Abbildung 3.1: Karneval A-C Wikimedia Commons (2018) a) Geben Sie den Buchstaben des gewählten Bildes an. …… b) Geben Sie eine kurze Begründung. ………………………………………………… 4. Welche Aussage trifft auf den Karneval in New Orleans zu, welche nicht und welche steht nicht im Text? a) … Dieser Karneval ist der berühmteste in Nordafrika. b) … Die Leute ziehen zum Karneval interessante Masken an. c) … Hier gibt es keinen Umzug. d) … Die offiziellen Farben dieses Karnevals sind violett, grün und gold. e) … Die Kostümierten werfen Münzen in die Menge. 5. Bitte beantworten Sie die Fragen. a) Wann erfuhr der Karneval in Venedig seinen Höhepunkt? ………………………………………………………………………… b) Was symbolisiert der „Carnaval de rua“ in Rio de Janeiro? ………………………………………………………………………… <?page no="100"?> 100 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Die Objektivität muss in den verschiedenen Anwendungsphasen der Tests gesichert werden. Dementsprechend werden drei Typen unterschieden: ▶ Zur Sicherung der Durchführungsobjektivität sollte in Anleitungen genau und klar festgelegt werden, wie viel Zeit zum Lösen des Tests zur Verfügung steht, welche Instruktionen der Administrator den Testpersonen mitteilen kann und welche Hilfsmittel die Lerner beim Lösen der Aufgaben verwenden können. ▶ Die Auswertungsobjektivität ist dann gesichert, wenn unterschiedliche Prüfer bei der Auswertung eines Tests zum gleichen Ergebnis kommen. Bei geschlossenen Aufgabenformaten ist dieses Kriterium einfach zu erfüllen (wie zum Beispiel bei den Aufgaben 1-2, 3a und 4 im Experiment). Bei offenen Aufgaben müssen die Bewertungsverfahren (zum Beispiel die richtigen und akzeptablen Lösungen, die Bewertungskriterien und -skalen) vorher genau festgelegt werden (vergleiche Kapitel 4). ▶ Die Sicherung der Objektivität ist auch in der Phase der Interpretation der Testergebnisse notwendig. Zur Erfüllung der Interpretationsobjektivität muss sichergestellt werden, dass gleiche Ergebnisse gleich interpretiert werden und aus ihnen die gleichen Schlussfolgerungen gezogen werden. Bei Sprachprüfungen sollten die durch die Testergebnisse getroffenen Entscheidungen zu verschiedenen Zeitpunkten gleich konsequent und reproduzierbar sein (vergleiche Kunnan 2004). Dazu sollte das Sprachniveau der ganzen Prüfung genau bestimmt und empirisch nachgewiesen werden (vergleiche Lerneinheit 3.3). Die Reliabilität bezeichnet das Maß für die Genauigkeit beziehungsweise die Zuverlässigkeit der Messinstrumente. Sie gibt eine Schätzung über den Einfluss der Messfehler auf Gruppenebene an. Ein Test mit hoher Reliabilität deutet darauf hin, dass die Messfehler niedrig liegen. Ein universeller Reliabilitätskoeffizient ist Cronbachs Alpha, der Werte zwischen minus unendlich und eins annehmen kann. Als Regel bei formellen Tests gilt, dass diese Werte höher als 0,8 liegen sollten, um die Reliabilität des Tests als akzeptabel zu bezeichnen. Bei informellen Sprachtests wird oft kein Reliabilitätskoeffizient errechnet. Es ist aber auch bei der Erstellung von diesen Tests empfehlenswert zu wissen, welche Faktoren den Wert c) Was wird während des Karnevals in New Orleans in die Menge geworfen? ………………………………………………………………………… Lösungsschlüssel: 1. angekreuzt: a, c, d (insgesamt 3 Punkte) 2. a) A, b) D, c) B und D (insgesamt 3 Punkte) 3. a) A; b) Wir sehen eine Karikatur der regionalen Besonderheiten (insgesamt 2 Punkte) 4. Lösungen: a) falsch, b) steht nicht im Text, c) falsch, d) steht nicht im Text, e) richtig (insgesamt 5 Punkte) 5. a) im 17. Jahrhundert; b) das Rio der Einheimischen c) spanische Goldmünzen (insgesamt 3 Punkte) <?page no="101"?> 101 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests der Reliabilität beeinflussen. Dieser hängt stark von der Anzahl und der Qualität der Items ab. Items sind die kleisten Elemente eines Tests, die mit Punkten bewertbar sind. Reliabilität hangt auch von der Zusammenstellung der Leistungsgruppe ab, in der der Test verwendet wurde (vergleiche Grotjahn 2000b, 2008; Dlaska & Krekeler 2009). ▶ Generell gilt: Je größer die Anzahl der Items, desto zuverlässiger wird gemessen. Aus der Praxis können wir festlegen, dass ein Test minimal aus 25-30 Items bestehen sollte. Die Erhöhung der Zahl der Items kann auch zur Erhöhung der Reliabilität führen (dabei muss natürlich die zum Lösen des Tests notwendige Zeit und die Schwierigkeit der Items beachtet werden). ▶ Bei der Erstellung von (in)formellen Tests muss vor allem darauf geachtet werden, dass die Items voneinander unabhängig sind. Die Qualitätsprobleme der Items konnten Sie im Experiment erleben. Ihnen ist in der ersten Aufgabe sicherlich aufgefallen, dass die Aufgabenstellung Ihre Lösungstätigkeit gesteuert hat. Außerdem funktioniert die Auswertung nicht, wenn Sie zum Beispiel alle Antworten ankreuzen. In der zweiten Aufgabe kann man zwei Punkte verlieren, wenn nur eine Antwort nicht angemessen ist. Wenn man in der dritten Aufgabe das unangemessene Bild auswählt, kann man für das andere Item keinen Punkt erhalten. ▶ Reliabilität ist auch davon beeinflusst, ob die Leistungsverteilung in der Gruppe der getesteten Personen homogen oder heterogen ist. Im Allgemeinen liegt die Reliabilität in einer heterogenen Gruppe höher. In diesem Fall kann der Test die Differenzen zwischen den Leistungen der Testpersonen genau erfassen. In einer homogenen Gruppe kann ein Test keine genauen Informationen über den Sprachstand der Lerner liefern, wenn er für die meisten Schüler und Schülerinnen ganz eindeutig oder kaum lösbar ist. Illustrierendes Beispiel In der folgenden Tabelle sehen Sie die Ergebnisse eines Tests zu Strukturen und Wortschatz aus dem ungarischen Oberstufenabitur. Der Test ist auf dem Sprachniveau B2 kalibriert und wurde von 578 Kandidaten und Kandidatinnen ausgefüllt. Der Mittelwert deutet auf die Schwierigkeit der Aufgaben und des ganzen Tests hin. Die Streuung zeigt die Verteilung der einzelnen Werte um den Mittelwert und damit können wir sehen, wie die Ergebnisse der Aufgaben und des ganzen Tests sich unter den getesteten Personen verteilen. Kategorie Aufgabe Test 1. 2. 3. 4. Anzahl der Items 8 10 15 12 45 Mittelwert (%) 56 75 68 64 67 Streuung (%) 21 15 19 26 18 Cronbachs Alpha 0,52 0,46 0,69 0,80 0,88 Tabelle 3.1: Ergebnisse eines Tests zu Strukturen und Wortschatz <?page no="102"?> 102 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Der ganze Test besteht aus 45 Items, ist mittelschwer (Mittelwert=67 %) und die Streuung ist relativ hoch (18 %). Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Leistungsverteilung in dieser Gruppe heterogen ist. Die höhere Anzahl der Items und die Heterogenität der Lerngruppe führten dazu, dass der Reliabilitätskoeffizient (Cronbachs Alpha=0,88) angemessen ist. Die einzelnen Aufgaben weisen aber unterschiedliche Reliabilitätskoeffizienten auf. Im Folgenden werden sie miteinander verglichen. Die zweite Aufgabe war am einfachsten (Mittelwert=75 %) zu lösen, die Lerngruppe ist im Vergleich zu den anderen Aufgaben homogener (Streuung=15 %) und die Aufgabe besteht nur aus zehn Items. Diese Gründe führten dazu, dass Cronbachs Alpha am niedrigsten liegt (0,46). Die erste Aufgabe ist am schwierigsten zu lösen (Mittelwert=56 %), die Streuung beträgt 21 %, sie beinhaltet aber nur wenige Items, so liegt die Zuverlässigkeit niedrig (0,56). In der dritten Aufgabe ist die Streuung ähnlich wie in der ersten Aufgabe, sie besteht aber aus mehreren Items, so misst diese Aufgabe zuverlässiger. Die Reliabilität der vierten Aufgabe ist am besten (Cronbachs Alpha=0,80), weil diese Aufgabe zwölf Items beinhaltet und die Differenzen zwischen den Leistungen der Kandidaten und Kandidatinnen genau erfasst werden konnten (vergleiche Streuung=26 %). Unter Validität wird das Ausmaß verstanden, in dem ein Test wirklich das überprüft, was überprüft werden soll. Sie bezieht sich auf den Grad der Gültigkeit der aus den Testergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse von Sprachtests zeigen einerseits, welche aktuellen Leistungen die Kandidaten und Kandidatinnen erreichten, andererseits sollen valide Tests die Übertragbarkeit oder die Verallgemeinerung der Ergebnisse ermöglichen. Das Problem liegt aber darin, dass Sprachkompetenz sich nur mittelbar anhand des beobachtbaren Verhaltens der Lerner erschließen lässt (vergleiche Lerneinheit 3.1). Deshalb müssen Belege dafür gefunden werden, dass bestimmte Interpretationen der Testergebnisse zweckmäßig sind. Um Validität sichern zu können, müssen vor der Erstellung und Verwendung eines Tests die Messziele, die Anforderungen und die Inhalte genau festgelegt werden. In der Praxis können allerdings Validitätsprobleme auftreten, wenn zum Beispiel die Testaufgaben ungenau oder zu kompliziert formuliert sind (wie zum Beispiel in der Aufgabe 4 im Experiment) oder wenn sie auch durch Vorwissen (wie beim Item 4a im Experiment) lösbar sind. In der Auswertung entsteht ein Validitätsproblem, wenn man die inhaltlich richtigen Antworten im Test zum Leseverstehen nicht akzeptiert (siehe Aufgabe 5 im Experiment), die das Verständnis nicht störende grammatische Fehler (zum Beispiel falsche Adjektivendungen) enthalten. Typisch für diese Beispiele ist, dass die Messziele mit der Bewertung nicht im Zusammenhang stehen. Um den Validitätsproblemen zu entgehen, ist es notwendig, dass Tests dem kommunikativen Gebrauch der Sprache in Alltagssituationen entsprechen. Nur so können wir aus den Testergebnissen tatsächlich auf die zu messende Eigenschaft einer Person schließen. Das wird in der Fachliteratur Konstruktvalidität genannt. Darunter wird das Ausmaß verstanden, in dem das direkt beobachtbare Verhalten der Testpersonen (Performanz) auf bestimmte zugrundeliegende, nicht direkt beobachtbare Konstrukte (zum Beispiel kommunikative Kom- <?page no="103"?> 103 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests petenz) zurückgeführt werden kann (vergleiche Messick 1996b; Weir 2005). Nach Morrow (1981) beruht kommunikativer Sprachgebrauch auf Interaktion. Er wird in einem Kontext verwirklicht, ist ziel- und handlungsorientiert und erfolgt in authentischen kommunikativen Situationen mithilfe sprachlicher Mittel. Aus diesen Merkmalen können die folgenden Ziele des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts abgeleitet werden: Sprachlehrkräfte sollten durch die Förderung von sprachlichen Fertigkeiten die Lerner dazu befähigen, dass sie ihre Mitteilungsbedürfnisse realisieren, kommunikativ und situativ angemessen und erfolgreich handeln können (vergleiche Albers & Bolton 1995; Bolton 1996). Diese komplexe Fähigkeit wird in der Fachliteratur als kommunikative Sprachkompetenz bezeichnet. Zur Bestimmung der Komponenten dieses Konstrukts wurden zahlreiche Modelle entwickelt (zum Beispiel Canale & Swain 1980; Bachman 1990; Bachman & Palmer 1996; Europarat 2001). Das Ziel dieser Modelle ist aus Sicht der kommunikativen Leistungsmessung, Validität zu sichern. Valide Tests können ermöglichen, die Testergebnisse außerhalb der Testsituation hinsichtlich der Ausführung kommunikativer Sprachaktivitäten wie Rezeption, Produktion und Interaktion in verschiedenen Lebensbereichen zu interpretieren. In Kapitel 4 stellen wir ausführlich vor, wie diese Aktivitäten mit Testaufgaben überprüft und die sprachlichen Leistungen der Lerner bewertet werden können. 3.2.2 Qualitätskriterien von Sprachprüfungen Um mit der Verwendung von formellen Sprachtests die einzelnen Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen aktivieren zu können, wird danach gestrebt, die Fertigkeiten unabhängig voneinander zu erfassen, obwohl in der Realität die verschiedenen Sprachaktivitäten kombiniert vorkommen. Auf integrierte Testaufgaben wird in Sprachprüfungen folglich verzichtet: eine Aufgabe zum schriftlichen Ausdruck, die einen längeren und anspruchsvollen Inputtext beinhaltet, wäre zum Beispiel nicht angemessen, weil das Ergebnis stark vom Leseverstehen der Kandidaten und Kandidatinnen abhängt. Valide Sprachprüfungen sollen aber die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reelle Situationen ermöglichen und mit den Lernzielen des Fremdsprachenunterrichts im Einklang stehen. Um kommunikativ orientierte Prüfungen erstellen zu können, wurden verschiedene Kriterienkataloge (vergleiche Lienert & Raatz 1994; Messick 1996b; Bachman & Palmer 1996, 2005; Kunnan 2004) entwickelt. Sie haben sich auch in der deutschsprachigen Fachliteratur durchgesetzt (vergleiche zum Beispiel Grotjahn 2008; Dlaska & Krekeler 2009). Die Kriterien, die im Folgenden behandelt werden, dienen auch dazu, die Qualität der Sprachtests zu beurteilen und zu verbessern. Damit wir die Erfüllung des Lernziels der verwendbaren sprachlichen Kommunikationsfähigkeit überprüfen können, sollten in den formellen Sprachtests realitätsnahe Kommunikationssituationen simuliert und dazu authentische Materialien verwendet werden. Authentizität gilt deshalb als ein wichtiges Kriterium der Testaufgaben. Sie bezieht sich auf das Verhältnis zwischen der realen Sprachverwendungssituation und der Aufgabe (Bachman & Palmer 1996). Wie Sie zum Beispiel in der Aufgabe im Experiment sehen können, wird dieses Kriterium einerseits durch die Verwendung eines authentischen Textes erfüllt, der in der Zielsprache mit einer bestimmten Mitteilungsabsicht von Muttersprachlern verfasst und <?page no="104"?> 104 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Experiment Um die Beschreibung der Qualitätskriterien zu verdeutlichen, lösen Sie bitte die Aufgabe zum Lesetext „Jugendgästehaus Wien - Brigittenau“. Die Testaufgabe stammt aus der ungarischen Abiturprüfung. <?page no="105"?> 105 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests Abbildung 3.2: Testaufgabe aus ungarischer Abiturprüfung (Oktatási és Kulturális Minisztérium 2009: 4 f, http: / / www.oktatas.hu/ pub_bin/ dload/ kozoktatas/ erettsegi/ feladatok2009tavasz/ k_nemet_09maj_fl.pdf) nicht für Testzwecke erstellt wurde. Andererseits werden in den Aufgaben die Testsituationen und die Ziele der Testaktivität so angegeben, dass sie den Merkmalen zielsprachlicher Verwendungssituationen entsprechen. Damit die formellen Sprachtests mit den Merkmalen des schülerzentrierten Unterrichts in Einklang stehen, sollten auch die Testaufgaben ermöglichen, dass die Lerner ihre Sprachfähigkeit, ihr Wissen über das Thema oder ihre metakognitiven Strategien zur Lösung der Aufgabe einbeziehen. Deshalb werden zum Beispiel Inhalte ausgewählt, die das Interesse der getesteten Personen wecken, damit sie demonstrieren können, dass sie den Situationen und Adressaten entsprechend angemessen handeln können. Aus diesem Grund bildet die Aufgabe im Experiment auch eine realitätsnahe Sprachverwendungssituation ab. Das Verhältnis zwischen den Testaufgaben und den Testteilnehmern und Testteilnehmerinnen wird in der Fachliteratur als Interaktivität bezeichnet (auch Handlungsorientierung genannt, vergleiche Grotjahn 2008). Sie bezieht sich auf den Grad der Aktivierung und Einbeziehung der Kandidaten und Kandidatinnen (Bachman & Palmer 1996). Mit der Berücksichtigung von Authentizität und Interaktivität kann auch das grundsätzliche Ziel von Sprachprüfungen erreicht werden, den Intentionen der Prüfungsersteller entsprechende positive Auswirkungen zu verwirklichen. Das entsteht, wenn Lerner auf die Prüfung so vorbereitet werden, dass sie auch in realen Kommunikationssituationen sprachlich handeln können (vergleiche Bachman & Palmer 1996). Sprachprüfungen, vor allem Abschlussprüfungen, haben eine bedeutsame Steuerungsfunktion im Bildungssystem. Da diese <?page no="106"?> 106 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Prüfungen schwerwiegende Konsequenzen für die Kandidaten und Kandidatinnen haben, könnten negative Auswirkungen auftreten, wie zum Beispiel die Orientierung an den Testinhalten und Aufgabenformaten im Fremdsprachenunterricht, das Einüben von Teststrategien mit der Verwendung von Prüfungsaufgaben. Die Rückwirkung muss aber nicht notwendigerweise negativ sein. Wenn Sprachlehrkräfte die Unterschiede zwischen Prüfungstraining und Förderung, Testaufgaben und Übungen genau kennen, können Sprachprüfungen auch zu positiven Veränderungen im Unterricht führen (vergleiche Messick 1996b; Lerneinheit 5.3). Deshalb wird auf die Erforschung von Auswirkungen einer Sprachprüfung ein großer Wert gelegt (vergleiche Alderson & Wall 1993; Messick 1996b). Sprachprüfungen haben gewichtige Konsequenzen für die Kandidaten und Kandidatinnen. Deshalb sollten sie faire Entscheidungen über die Leistungen der Prüflinge gewährleisten. In der neueren Testforschung gilt deshalb Fairness oder Gerechtigkeit als ein wichtiges Qualitätskriterium. Sie bedeutet die Abwesenheit von systematischen Benachteiligungen (sogenannte Bias) bestimmter Gruppen von Testpersonen und damit die Abwesenheit von Verzerrungen des Testergebnisses, die zum Beispiel durch das Geschlecht, Alter, Muttersprache, kulturellen Hintergrund entstehen können (vergleiche Kunnan 2004). Bias kommt vor, wenn beispielsweise die Leistungen von weiblichen Prüfungskandidatinnen milder beurteilt werden, als die von männlichen Kandidaten oder wenn die Entfernung zur Tonquelle einen Einfluss auf die Hörverstehensleistung der Probanden hat (Grotjahn 2008). Da auf die Qualität von formellen Sprachtests großer Wert gelegt wird (vergleiche Lerneinheit 3.1), sollten diese Tests ein sinnvolles Verhältnis zwischen den Mitteln, die für die Testerstellung, -durchführung und -auswertung benötigt werden, und den Ressourcen, die dafür zur Verfügung stehen, anstreben. Zu den Mitteln gehören Personal, Material und Zeit. Dieses Verhältnis wird in der Fachliteratur Wirtschaftlichkeit (auch Testökonomie oder Praktikabilität) genannt. Dieses Kriterium steht in einem engen Zusammenhang mit Reliabilität, weil die Zuwendungen die Qualität und die Zuverlässigkeit, aber auch zugleich die Kosten erhöhen. In der Prüfungserstellung zum Beispiel werden von mehreren Aufgabenerstellern in mehreren Schritten einzelne Aufgaben entwickelt und erprobt, deren Schwierigkeit bestimmt und deren Funktionieren in der Prüfung detailliert untersucht (vergleiche Lerneinheit 3.3). Mit diesem Kriterium verweisen Bachman und Palmer (1996) also darauf, dass ein zweckmäßiger Test in einem sinnvollen Verhältnis zum Aufwand stehen muss. 3.2.3 Qualitätskriterien von informellen Sprachtests Zur Evaluation der Qualität der von den Lehrkräften erstellten Sprachtests können als Grundlage die Gütekriterien von Tests und die Qualitätskriterien von Sprachprüfungen verwendet werden. Dabei muss aber beachtet werden, dass informelle Tests oft die Funktion haben, den Unterrichtsprozess zu unterstützen, während Sprachprüfungen dazu eingesetzt werden, den am Ende eines Prozesses erreichten Sprachstand zu ermitteln. Aus diesem Grund sollten die Qualitätskriterien auch berücksichtigen, wie die Lehrkräfte mit den Ergebnissen umgehen, damit sie den Lernprozess fördern können. Ein solcher Kriterienkatalog wurde von Dlaska und Krekeler (2009, 2011) speziell für den Unterrichtsgebrauch entwickelt. Er basiert auf <?page no="107"?> 107 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests den Qualitätskriterien von Sprachprüfungen, ist aber besser geeignet, die Qualität der von Lehrkräften erstellten Sprachtests zu evaluieren. Im Folgenden geben wir nur einen kurzen Überblick über diese Kriterien und im Kapitel 5 beschreiben wir ausführlicher und mit konkreten Beispielen, wie diese gesichert werden können. Experiment Im Folgenden können Sie richtige und falsche Aussagen über informelle Tests lesen. Was meinen Sie, welche treffen auf diese Tests zu, welche nicht? Kreuzen Sie bitte vor der Bearbeitung des nächsten Abschnittes für jede Aussage an, ob Sie sie für richtig oder falsch halten. Kehren Sie dann nach dem nächsten Abschnitt zu den Aussagen zurück und entscheiden Sie aufgrund der Bedeutung der behandelten Kriterien erneut, ob die Aussagen richtig oder falsch sind. Aussage Richtig Falsch 1. In informellen Sprachtests werden alle Fertigkeiten immer isoliert gemessen. 2. Die Rückmeldung über die Ergebnisse einzelner Schüler erfolgt nur durch die eigene Lehrkraft. 3. Vor der Durchführung informeller Sprachtests sollten den Lernern rechtzeitig klare Informationen darüber gegeben werden, was und wie getestet wird. 4. Die Erstellung von informellen Sprachtests beginnt mit der Entwicklung der Testaufgaben. 5. Mit informellen Tests soll überprüft werden, was geübt wurde und wie es geübt wurde. 6. Die Schüler können in die Korrekturphase von informellen Sprachtests nicht involviert werden. 7. Die im informellen Test verlangte Beherrschungsstufe (rezeptiv, reproduktiv oder produktiv) sollte der Stufe entsprechen, auf der geübt wurde. 8. Die Ergebnisse von informellen Tests sollten immer benotet werden. 9. Informelle Sprachtests sollten mit dem Ziel verwendet werden, den Lernprozess der Schüler zu unterstützen. 10. Informelle Sprachtests können auch dazu dienen, die individuellen Fortschritte der Lerner im Vergleich zu früheren Leistungen zu überprüfen. nach Bimmel (2006: 34); Dlaska und Krekeler (2009) <?page no="108"?> 108 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Im kommunikativen Fremdsprachenunterricht ist die Kompetenzförderung ein zentrales Unterrichtsprinzip und durch sie sollte die Überprüfung von sprachlichen Kompetenzen ins Zentrum gerückt werden. Dies kann durch informelle Sprachtests nur gewährleistet werden, wenn sie eine sinnvolle Aktivität darstellen. Das kann nach Dlaska und Krekeler (2009: 71 ff) in der Testentwicklung so gesichert werden, dass auch in informellen Tests die Kennzeichen realer Sprachverwendungssituationen abgebildet und die Sprachkompetenz beziehungsweise die Interessen der Testteilnehmer aktiviert werden. Auch diese Tests sollten also den Kriterien der Authentizität und Interaktivität entsprechen. Außerdem ist es wichtig, dass die Testziele mit den Unterrichtszielen übereinstimmen. Wenn sie konkurrieren, gewinnen immer die Testziele, weil für die Schüler und Schülerinnen immer die Gebiete Priorität haben, die im Test aufgenommen werden (Einhorn 2008). Aus der Berücksichtigung der Unterrichtsprinzipien erfolgt ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der zu messenden Sprachaktivitäten. Im Gegensatz zu Sprachprüfungen ist es bei informellen Tests nicht so wichtig, alle Fertigkeiten gezielt und isoliert zu überprüfen, sondern es kann auch vorkommen, dass die Fertigkeiten kombiniert getestet werden (vergleiche Bolton 1996; Kapitel 5). Das eignet sich auch besser, um das Lernziel der Entwicklung von kommunikativer Kompetenz umzusetzen. Im Unterrichtsprozess ist es wichtig, dass sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen durch die Anwendung von informellen Sprachtests nicht benachteiligt fühlen. Deshalb sollten auch diese Tests dem Kriterium der Gerechtigkeit entsprechen. Sie kann unter anderem durch eine angemessene Objektivität, Reliabilität und Validität gesichert werden. Da informelle Tests oft nicht erprobt werden, sollte Reliabilität zum Beispiel durch die Identifizierung von problematischen Items und durch die Berücksichtigung von aufgabentypologischen Regeln gesichert werden, beziehungsweise sollte deren Schwierigkeitsgrad der Lerngruppe entsprechen. Um Validität zu gewährleisten, ist es wichtig, dass informelle Tests mit den Lernzielen und dem Lernstoff übereinstimmen. Auch die Formulierung und Auswertung der Testaufgaben sollte sich aus den Messzielen ergeben. Die Objektivität dieser Tests sollte in der Durchführungs- und Bewertungsphase gesichert werden. Die Bewertung sollte den Lernern schlüssig und nachvollziehbar erscheinen. Bei diesem Kriterium betonen Dlaska und Krekeler (2009, 2011) auch die Transparenz informeller Leistungsmessung. Um sie zu sichern, ist es notwendig, dass die Schüler und Schülerinnen über die Testziele, Inhalte, Aufgaben und Bewertungskriterien beziehungsweise über die Art der Interpretation der Ergebnisse in expliziter und verständlicher Formulierung informiert werden. Durch eine Teilnehmerorientierung kann also erreicht werden, dass die Lerner den Test akzeptieren. Der Umgang mit den durch informelle Sprachtests gewonnen Ergebnissen ist ein wichtiger Aspekt informeller Leistungsmessung. Deshalb bezeichnen Dlaska und Krekeler (2009, 2011) Rückmeldung als ein zentrales Kriterium dieser Sprachtests, weil deren Qualität eine wesentliche Voraussetzung für den Lernerfolg darstellt. Während sich die Rückmeldung bei formellen und summativen Sprachtests vor allem auf das erbrachte Ergebnis bezieht, das meist durch eine Gesamtpunktzahl und durch eine Zensur ausgedrückt wird und gewichtige Konsequenzen hat, ist die Rückmeldung bei informellen Sprachtests eher prozessorientiert. Damit ist gemeint, dass sie zum Beispiel durch Kommentare, durch Korrekturzeichen am Text, durch Hinweise zur Verbesserung oder durch Gespräche über die Leistung nicht nur <?page no="109"?> 109 3.2 Qualitätsmerkmale von Sprachtests durch die Lehrkraft, sondern auch durch die anderen Lerner erfolgen kann. Außerdem kann der Schüler oder die Schülerin zum Beispiel durch die Anwendung einer Bewertungsanleitung eine Selbstbeurteilung durchführen. Die Rückmeldung sollte zeitnah gegeben werden und die aktuelle Leistung beziehungsweise den nächsten Lernschritt beschreiben. Die Verwendung von Sprachtests sollte positive Auswirkungen auf das Lernen und die Motivation zum Lernen haben. Dlaska und Krekeler (2009: 76) halten Testauswirkungen für ein übergreifendes Kriterium. Es ist zum größten Teil ein Resultat der übrigen Kriterien: eine sinnvolle Testaktivität, eine hohe Gerechtigkeit und effektive Rückmeldungen tragen zu positiven Auswirkungen bei. Sie können dadurch erreicht werden, dass die Vorbereitung auf den Test mit der Vorbereitung auf tatsächliche Sprachverwendungssituation übereinstimmt. 3.2.4 Zusammenfassung ▶ Bei der Erstellung und Verwendung von Tests muss mit Messfehlern gerechnet werden. Sie entstehen oft aus konstruktirrelevanten Aspekten, die sich auf die Charakteristika der Getesteten und der Tests, beziehungsweise auf die Durchführung und Bewertung von Tests beziehen. Damit wir den Einfluss der Messfehler auf die Bestimmung sprachlicher Leistungen kontrollieren können, sollten die Tests den Gütekriterien der Objektivität, Validität und Reliabilität entsprechen. Die Leistungen der Lerner sollten also objektiv bewertet, genau erfasst und zuverlässig gemessen werden. ▶ Sprachtests sollten zur Sicherung von Konstruktvalidität vielen Qualitätskriterien entsprechen. Authentizität und Interaktivität sind wichtige Testmerkmale von Sprachprüfungen. Fairness und Wirtschaftlichkeit beziehen sich auf die Abwicklung der Prüfung und die Auswirkungen auf ihre Konsequenzen. ▶ Die Qualitätskriterien informeller Sprachtests stimmen in vielen Aspekten mit den Kriterien der Sprachprüfungen überein, setzen aber andere Schwerpunkte, weil bei diesen Tests die Unterstützung des Lernprozesses entscheidend ist. Deshalb wird Leistungsmessung im Unterricht anhand eigener Kriterien, wie beispielsweise Aktivität, Gerechtigkeit, Rückmeldung und Auswirkungen, evaluiert. 3.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Aus welchen Quellen können Messfehler entstehen? 2. Was bedeuten die Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität? 3. Nach welchen Qualitätskriterien können Sprachprüfungen entwickelt, durchgeführt und evaluiert werden? 4. Wie kann man die Qualität informeller Leistungsmessung mit Blick auf die Kriterien von Aktivität, Gerechtigkeit, Rückmeldung und Auswirkungen evaluieren? <?page no="110"?> 110 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung In Kapitel 1 dieses Moduls haben wir die Ziele und die charakteristischen Merkmale des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens vorgestellt. In dieser Einheit verfolgen wir das Ziel, darzustellen, warum es empfehlenswert ist, den Referenzrahmen als Grundlage der formellen und informellen Leistungsmessung zu verwenden. Als Lehrkraft ist für Sie vor allem die Niveaueinschätzung Ihrer Lerner und der Testaufgaben von großer Bedeutung. Damit Sie Aufgaben dem Sprachniveau Ihrer Lerngruppe entsprechend auswählen und entwickeln können, ist es wichtig, dass Sie die Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens kennen und zwischen ihnen differenzieren können. Um diese Ziele zu erreichen, fassen wir zuerst die Funktionen des Referenzrahmens aus der Perspektive der Leistungsmessung - vor allem durch die Praxis der Sprachprüfungen - zusammen. Dann behandeln wir, wie der Referenzrahmen für die Bestimmung des Sprachniveaus der Lerner und von Testaufgaben verwendet werden kann. Abschließend stellen wir vor, wie die Qualität der Aufgaben im Prozess der Testentwicklung mit der Verwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens gesichert werden kann. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens in der Leistungsmessung charakterisieren können; ▶ die Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zur Beschreibung der sprachlichen Leistungen der Lerner und zur Niveaueinschätzung der Testaufgaben verwenden können; ▶ den Verwendungsprozess des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens in der Testentwicklung und -durchführung darstellen können; ▶ Testbeschreibungen und Testergebnisse analysieren und daraus Schlussfolgerungen ziehen können. 3.3.1 Grundlagen: Warum ist der Referenzrahmen in der Leistungsmessung notwendig? Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen wurde mit dem Ziel entwickelt, „eine gemeinsame Basis für die Entwicklung von zielsprachlichen Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken etc. in ganz Europa [zu erstellen- …]“ (Europarat 2001: 14). Der Referenzrahmen macht keine Vorschriften: „Es ist nicht die Aufgabe des Referenzrahmens festzulegen, welche Ziele die Benutzer anstreben oder welche Methoden sie dabei einsetzen sollten“ (Europarat 2001: 8). Er will als Grundlage zur Festlegung von Zielen, Anforderungen, Lehr- und Testinhalten dienen (Quetz 2001; Glaboniat & Müller 2006). Der Referenzrahmen ist sprach- und kontextneutral: er definiert die Kompetenzniveaus auf einer allgemeinen sprachenübergreifenden Ebene, weshalb er in Hinblick auf die jeweilige Sprache angewendet und basierend auf dem speziellen Bildungskontext interpretiert werden sollte (Broek & van den <?page no="111"?> 111 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung Ende 2013: 26). Seit der Veröffentlichung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens streben Lehrinstitutionen, Verlage und Testzentren an, die in ihren Curricula definierten Anforderungen, die Lehrmaterialien und Prüfungen den Skalen des Referenzrahmens zuzuordnen (vergleiche Arras 2007). 2008 wurde als Empfehlung des Ministerkomitees an die EU -Mitgliedstaaten ein Dokument veröffentlicht, das sie dazu einlud, den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen innerhalb ihrer Bildungssysteme umzusetzen. Ziele dieser Empfehlung waren, Mehrsprachigkeit in Europa zu erreichen, beziehungsweise Transparenz, Kohärenz und Einheitlichkeit beim Erlernen von Fremdsprachen zu fördern und sicherzustellen. Seitdem stellt der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen einen gemeinsamen Rahmen für Lehrpläne, Unterrichtsprogramme, Lehrbücher und Prüfungen für den Fremdsprachenunterricht in allen europäischen Staaten dar (Broek & van den Ende 2013: 15). Ein wichtiges Ziel des Referenzrahmens ist es, auf unterschiedlichen Niveaustufen zu beschreiben, welche fremdsprachlichen Kompetenzen die Lerner erwerben müssen, damit sie eine Sprache erfolgreich benutzen können. Die Niveaustufen für die elementare (A1, A2), selbständige (B1, B2) und kompetente (C1, C2) Sprachverwendung stellen die vertikalen Dimensionen des Rahmens dar. Zu allen Stufen gehören Deskriptoren oder Kann-Beschreibungen, die die horizontalen Dimensionen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen bilden (Europarat 2001: 27). Die Kann-Beschreibungen „basieren auf jenen, die von Gruppen muttersprachlicher wie nicht-muttersprachlicher Lehrender aus verschiedenen Bildungssektoren und mit sehr unterschiedlicher Sprachkenntnis und Lehrerfahrung als ,transparent', ,nützlich' und ,relevant' beurteilt wurden“ (Europarat 2001: 10, Hervorhebung im Original). Sie wurden dann in drei Sprachen mit Hunderten von Probanden überprüft und zum Schluss wurden die Skalen mithilfe statistischer Verfahren hergestellt. So wurden alle Deskriptoren den einzelnen Niveaustufen zugeordnet und in den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen übernommen (Schneider & North 2000). Die Kann-Beschreibungen sind positiv formuliert: sprachliches Können steht im Mittelpunkt der Deskriptoren und nicht sprachliche Defizite. Sie beschreiben die für ein bestimmtes Sprachniveau notwendigen sprachlichen Handlungen. Außerdem sind sie relativ kurz und prägnant gehalten und zeichnen sich durch geringe Abstufungen aus. Sie sind außerdem kontextunabhängig, deshalb können die zu den unterschiedlichen Kompetenzen verfassten, aber zum gleichen Sprachniveau gehörenden Deskriptoren als eine Liste in der Leistungsmessung verwendet werden (vergleiche Arras 2007; Jurecka 2007). In den Kann-Beschreibungen ist auf unterschiedlichen Stufen definiert, was man unter Beherrschung einer Fremdsprache versteht und wie gut diese Beherrschung ausgeprägt ist (Perlmann-Balme 2010). Vor allem auf der Stufe der elementaren Sprachverwendung sind Einschränkungen charakteristisch, wie zum Beispiel bei allgemeiner mündlicher Interaktion auf dem Niveau A1: „Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen oder auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt“ (Europarat 2001: 79). In den Kann-Beschreibungen sind die für die einzelnen Niveaustufen charakteristischen Fehler beschreibend und nicht beurteilend ausgedrückt, wie zum Beispiel bei grammatischer Korrektheit auf dem Niveau A2: „Kann einige einfache Strukturen korrekt verwenden, macht aber noch systematisch elementare Fehler“ (Europarat 2001: 114). <?page no="112"?> 112 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Kompetenzorientierung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens einen Paradigmenwechsel in Bezug auf die Fehlerkorrektur eingeleitet hat. Dabei ist es wichtig, den Lernprozess nicht aus der Defizitperspektive wahrzunehmen, sondern aus einer Perspektive heraus, die in den Mittelpunkt stellt, was der Lerner bereits kann. Auch in der Leistungsmessung steht das sprachliche Können im Mittelpunkt, weil wir nicht bewerten können, was jemand nicht kann (vergleiche Christ 2003; Glaboniat & Müller 2006; Caspari, Grünewald, Hu, Küster, Nold, Vollmer & Zydatiß 2008, Lerneinheit 5.2). Durch die Verwendung der Deskriptoren lässt sich der Sprachstand der Lerner kriterienorientiert beschreiben (vergleiche Lerneinheit 3.1). Dadurch kann dem Niveau entsprechend die Handlungsfähigkeit eines Schülers oder einer Schülerin charakterisiert werden und unabhängig von der Leistung der anderen Lerner und der Gruppe bewertet werden, um seinen oder ihren Fortschritt verfolgen und durch individuelle Rückmeldungen unterstützen zu können. Dazu ist es wichtig, das am Ende eines Lernprozesses zu erreichende Sprachniveau klar zu beschreiben, die Lernziele und Anforderungen festzulegen und den Unterrichtsprozess dementsprechend zu planen und umzusetzen (vergleiche Arras 2007; Jurecka 2007, Caspari et al. 2008). Mit der Verwendung des Referenzrahmens können Sprachprüfungen auf ein externes System bezogen werden. Dadurch können Überschaubarkeit, Vergleichbarkeit und Grundlagen für die gegenseitige Anerkennung von Prüfungen und Qualifikationen in Europa geschaffen werden. Außerdem kann der Referenzrahmen dazu beitragen, Transparenz und Kohärenz in Bezug auf Ziele, Evaluation und Zertifizierung im Sprachenlernen zu erreichen. Die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen definierten Kompetenzniveaus und ihre Beschreibungen können zur Sicherung der Validität von Sprachtests beitragen. Durch sie können nämlich die Messziele, die Anforderungen und die Testinhalte bestimmt und das sprachliche Niveau einer Sprachprüfung dem Referenzrahmen zugeordnet werden (vergleiche Glaboniat & Müller 2006; Arras 2007; Broek & van den Ende 2013). 3.3.2 Verwendung der Deskriptoren zur Bestimmung des Sprachniveaus von Testaufgaben Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen enthält kein Verfahren zur Durchführung der Stufenzuordnung. Deshalb war es notwendig einen Prozess zu definieren, mit dem Prüfungen ihre Sprachniveaus an dem Referenzrahmen anpassen können. Ein einheitliches Verfahren zur Anpassung von Sprachniveaus an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen wurde vom Europarat veröffentlicht (Council of Europe 2003, 2009). Zur Durchführung des Anpassungsprozesses wurden Fallstudien publiziert, die die Anwendung des Referenzrahmens illustrieren (Alderson, Figueras, Kuijper, Nold, Takala & Tardieu 2006). Auch wurden Referenzaufgaben auf den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entwickelt, die als Bezugspunkt dienen können (Council of Europe 2005, 2006). In diesem Prozess müssen sich zuerst die Testanbieter mit den Niveaustufen des Referenzrahmens vertraut machen. Dann werden die Inhalte der jeweiligen Sprachprüfung mit den vom Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen angegebenen Inhalten verglichen und darauf bezogen. In den nächsten Phasen werden die Testaufgaben den verschiedenen Niveaus des Referenz- <?page no="113"?> 113 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung rahmens mithilfe von Referenzaufgaben und Leistungsbeispielen zugeordnet. Zum Schluss wird aufgrund von Testergebnissen einerseits untersucht, inwieweit die Prüfung selbst valide und verlässlich ist, andererseits muss die Anpassung an dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen empirisch nachgewiesen werden. Dabei werden die in den vom Testanbieter erstellten Testaufgaben erreichten Leistungen mit den Ergebnissen der Referenzaufgaben verglichen und beurteilt, ob sich die neuen Aufgaben und die Referenzaufgaben ähnlich verhalten. Wenn dies der Fall ist, dann kann behauptet werden, dass die Sprachprüfung dem angestrebten Sprachniveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entspricht. In der Anpassung von Sprachprüfungen an die Niveaustufen des Referenzrahmens ist der Prozess des sogenannten standard settings von großer Bedeutung. Darunter wird eine Gruppe von strukturierten Verfahren verstanden, deren Ziel darin besteht, Testaufgaben und Leistungen auf die Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens zu beziehen (Kenyon 2013: 1). In diesem Prozess wird in Form von individuellen Expertenurteilen und Gruppendiskussionen festgelegt, auf welchem Niveau sich eine bestimmte Aufgabe und die konkrete Lösung einer Aufgabe befindet (Caspari et al. 2008). Standard setting bezieht sich vor allem auf rezeptive Leistungen, in der Regel auf Testergebnisse zum Hör- und Leseverstehen. Während dieses Prozesses wird ein Panel aus Experten und Expertinnen gebildet, die mit den Skalen des Referenzrahmens vertraut sind. Zuerst lösen die Fachleute individuell die Aufgaben und entscheiden, in welchem Maße die Aufgaben mit den im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen definierten Inhalten und Niveaus übereinstimmen. Dann äußern sie ihre Meinung darüber, auf welchem Niveau die Sprachkenntnisse der Prüflinge sein sollten, um die Items lösen zu können. In der nächsten Phase werden die Einzelurteile während einer Gruppendiskussion miteinander verglichen und vereinheitlicht. Abschließend entscheiden die Fachleute darüber, welche Punktwerte die Prüflinge minimal erreichen sollten, damit ihre Leistung dem zu messenden Sprachniveau entspricht. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Bestehensgrenzen in Form von Schwellenwerten (englisch cut-scores) festzulegen, die als Anhaltspunkte bei der Bewertung und Interpretation der Kandidaten und Kandidatinnen verwendet werden können (vergleiche Cizek & Bunch 2007). Illustrierendes Beispiel Im Folgenden können Sie einen Teil aus einer Testaufgabe zum Leseverstehen lesen, die aus der Sprachprüfung Fit in Deutsch 2 stammt (Hennemann & van der Werff 2013: 22, 30 f). In einer deutschen Jugendzeitschrift findest du zwei Briefe von Lesern an Frau Dr. Brandt, Psychologin. Was ist richtig und was ist falsch? Liebe Frau Brandt, eigentlich verstehe ich mich ganz gut mit meinen Eltern, aber gestern habe ich mich richtig mit ihnen gestritten! Ich wollte ein bisschen mehr Taschengeld - nur 2 Euro pro Woche mehr. Ich bekomme nämlich weniger als alle meine Freunde. Aber meine Eltern haben sofort „nein“ gesagt! … <?page no="114"?> 114 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Frank streitet oft mit seinen Eltern. richtig falsch Frank will 20,- € mehr Taschengeld pro Woche. richtig falsch … Quelle: Übungssatz 01, Lesen Teil 2, Leserbrief 2, Aufgabe 12-13: 16 (https: / / www.goethe.de/ resources/ files/ pdf29/ uebungssatz_01.pdf) Zur Niveaueinschätzung der angegebenen Beispielitems sind die Kann-Beschreibungen zu Leseverstehen allgemein, Korrespondenz lesen und verstehen und Information und Argumentation verstehen relevant. Der Kandidat oder die Kandidatin soll einen kurzen, einfachen Brief aus einer Jugendzeitschrift lesen, in dem Frank um Rat bittet. Er oder sie soll sich bei beiden Items dafür entscheiden, dass die Aussagen falsch sind. Um diese zwei Items lösen zu können, sollten die Sprachkenntnisse der Lerner minimal auf dem Sprachniveau A2 sein. Die relevante Kann-Beschreibung ist: „Kann aus einfacheren schriftlichen Materialien wie Briefen, Broschüren oder Zeitungsartikeln, in denen Ereignisse beschrieben werden, spezifische Informationen herausfinden“ (Europarat 2001: 76). Standard setting kann sich auf die Beurteilung schriftlicher und mündlicher Leistungen beziehen. Dafür ist allerdings eher die Verwendung des Begriffs benchmarking üblich (Council of Europe 2009). In diesem Prozess werden nicht nur die Aufgaben und die Bewertungsanleitung, sondern auch Beispiele in Form von produktiven Lernerleistungen (sogenannte benchmarks) verwendet. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die in der Testaufgabe angegebenen kommunikativen Ziele auf verschiedenen Stufen erreicht werden können. Aus diesem Grund werden in diesem Prozess nicht nur Referenzaufgaben, sondern auch vorher festgelegte, also standardisierte Leistungsbeispiele verwendet (vergleiche Council of Europe 2006; Bolton, Glaboniat, Lorenz, Perlmann-Balme & Steiner 2008). Sie werden zuerst von den Experten studiert, dann werden sie analysiert und bewertet. Mit diesen zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen kalibrierten und angegebenen Beispielen kann auch die Leistung eines Lerners verglichen werden, um feststellen zu können, ob das Sprachniveau des zu bewertenden Lerners niedriger ist, genauso hoch wie oder höher als die in den Referenzbeispielen angegebenen Leistungen. Dieses Verfahren kann also auch zur Standardisierung der Bewertung verwendet werden. Die Durchführung des Anpassungsprozesses hat auf zahlreiche Probleme der Kann-Beschreibungen hingewiesen. Einerseits wurde angemerkt, dass die Skalen nicht immer kohärent sind, weil Inkonsistenzen hinsichtlich der Niveaubeschreibungen vorkommen (Alderson et al. 2006). Die verwendeten Begriffe und Kategorien können unterschiedlichen Stufen zugeordnet werden (Quetz 2001). Andererseits können die Deskriptoren zwar zur Bestimmung des Sprachniveaus einzelner Aufgaben und als Leitfaden für die Testentwicklung verwendet werden, aber die Kann-Beschreibungen sind zu abstrakt formuliert (Figueras, North, Takala, Verhelst & van Avermaet, 2005), um mithilfe von ihnen Testaufgaben zu erstellen und Bewertungsverfahren auszuarbeiten. Deshalb müssen die sprachenübergreifenden globalen <?page no="115"?> 115 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung Kann-Beschreibungen konkretisiert werden. Dazu wurde zum Beispiel Profile Deutsch ausgearbeitet (Glaboniat, Müller, Rusch, Schmitz & Wertenschlag 2005), das für die deutsche Sprache den sechs Niveaustufen entsprechend die globalen Kann-Beschreibungen und auch die dazugehörenden detaillierten Deskriptoren beinhaltet, die in Bezug auf bestimmte Situationen oder Themen konkretisiert sind. Profile Deutsch enthält auch Sprachhandlungen, einen thematischen Wortschatz, eine systematische und funktionelle Darstellung der Grammatik und dient unter anderem als Hilfsmittel zur Erstellung von Sprachtests und kann auch bei der Bewertung von Schülerleistungen verwendet werden. 3.3.3 Prozess der Testentwicklung Im Weiteren stellen wir Ihnen vor, wie der Referenzrahmen in der Testentwicklung und -durchführung verwendet werden kann. Dabei stützen wir uns auf die Praxis der Sprachprüfungen. Die folgende Abbildung fasst die Phasen der Prüfungsentwicklung in chronologischer Reihenfolge zusammen (vergleiche Alderson, Clapham & Wall 1995; Bachman & Palmer 1996; Milanovic 1997; ALTE 2012). Die Pfeile deuten auf die kontinuierliche Überprüfung der Messziele und Anforderungen beziehungsweise auf die Kontrolle der Qualität der Messinstrumente hin und sie zeigen, dass die Entwicklung von Tests ein zyklisches Verfahren ist. Der Prozess der Entwicklung von Sprachprüfungen ist komplex, weil die Ergebnisse gewichtige Konsequenzen für die Lerner haben. Aus diesem Prozess können wichtige Schlussfolgerungen für die Erstellung eigener Tests gezogen werden (vergleiche Lerneinheit 5.2). Die Grundsätze der Entwicklung von formellen und informellen Sprachtests sind nämlich gleich, auch wenn die einzelnen Schritte zur praktischen Umsetzung variieren. Im Folgenden stellen wir die Phasen der Prüfungserstellung nicht detailliert vor, vielmehr werden zentrale Aspekte bei der Verwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens in diesem Prozess beschrieben. <?page no="116"?> 116 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Abbildung 3.3: Phasen der Prüfungsentwicklung (vergleiche Alderson, Clapham & Wall 1995; Bachman & Palmer 1996; Milanovic 1997; ALTE 2012). Festlegung der Messziele und Anforderungen Sowohl bei formellen als auch bei informellen Tests ist es wichtig festzulegen, welchen Zweck der entsprechende Test erfüllen soll. Mögliche Messziele sind zum Beispiel Schulabschluss, Messung des Sprachstands zwecks Zertifizierung, Förderung des Lernfortschritts oder Lernstandsdiagnose der Schüler und Schülerinnen (vergleiche Lerneinheit 3.1 und 5.2). Außerdem gilt es in dieser Phase zu beachten, für welche Zielgruppe der Test entwickelt werden soll. In dieser Phase muss jedoch mit dem Problem gerechnet werden, dass die Sprachkenntnisse der Lerner heterogen, aber die im Referenzrahmen beschriebenen einzelnen Sprachniveaus relativ homogen sind. Dies ist nicht nur innerhalb einer Lernergruppe charakteristisch, sondern es ist typisch, dass die rezeptiven Fertigkeiten der Lerner auf einem höheren Niveau liegen, als die produktiven Fertigkeiten. Diese Problematik wird bei der Zielsetzung verschiedener Sprachtests unterschiedlich behandelt: ▶ Um die Heterogenität der Kandidaten und Kandidatinnen bei Feststellungsprüfungen zu berücksichtigen, orientieren sich diese Prüfungen an verschiedenen Sprachniveaus und sind für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt. Das Goethe-Institut zum Beispiel bietet Sprachprüfungen auf verschiedenen Sprachniveaus für Kinder ab 10 Jahren, für Jugendliche und auch für Erwachsene an. Bei diesen Prüfungen ist das zu messende Sprachniveau gleich, die Inhalte sind aber dem Lebensalter entsprechend unterschiedlich. <?page no="117"?> 117 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung ▶ Bei Abschlussprüfungen orientieren sich die gemessenen Sprachniveaus an verschiedenen Stufen des Referenzrahmens, das heißt es wird versucht, innerhalb eines Tests mehrere (meist zwei) Niveaus abzudecken (für einen Vergleich siehe Broek & van den Ende 2013: 48 ff), damit die Prüfungen den im Curriculum angegebenen Lernzielen entsprechen. Es ist aber notwendig, solche Niveaus auszuwählen, die die Lerner innerhalb des Bildungssystems erreichen können. Sie sollten also der im Schulsystem avisierten Leistungsfähigkeit entsprechen, um keine Prüfungsgruppe zu benachteiligen. Deshalb sind Untersuchungen notwendig, die den Sprachstand der Lerner verfolgen und die Auswirkungen der Prüfung auf den Fremdsprachenunterricht analysieren. ▶ Die von Lehrkräften entwickelten Sprachtests können sich an zielgruppenspezifischen Kompetenzprofilen orientieren. In Schulen können beispielsweise Tests entwickelt werden, die die rezeptiven Aktivitäten ihrer Lerner auf einem höheren Sprachniveau messen als die produktiven Fertigkeiten (vergleiche Glaboniat & Müller 2006). Bei diesen Tests sollte der Bezug zum Bildungskontext (also Lehrplan, Lernziele, Anforderungen) genau untersucht werden und die Messziele dementsprechend festgelegt werden. Erstellung der Testspezifikation Die Bestimmung des Messziels und der Anforderungen dienen als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Testformats. Der Referenzrahmen kann zur Definition der Inhalte einzelner Prüfungsteile, beziehungsweise zur Erstellung des Bewertungssystems für die produktiven Fertigkeiten verwendet werden (vergleiche Kapitel 4). Ziel dieser Phase ist es, Testspezifikationen zu entwickeln, die garantieren können, „dass die einzelnen Testversionen immer auf derselben Grundlage basieren und dass der Test zum Lehrplan oder zu anderen Aspekten des Prüfungskontexts passt“ ( ALTE 2012: 31). In den Testspezifikationen sollte genau bestimmt werden, aus welchen Teilen die Prüfung besteht und wie lange die Durchführung der Tests dauert. Bei allen zu messenden Fertigkeiten werden beispielsweise die (zu verarbeitende oder produzierende) Textsorte, die Anzahl und Länge der Texte, die Aufgabentypen, die Anzahl der Items, die kognitiven Operationen und die Eigenschaften der Bewertung angegeben. Die genauen Beschreibungen in der Testspezifikation vereinfachen nicht nur die Testerstellung, sondern sie können auch als Grundlage für die Qualitätskontrolle dienen (Arras 2007). Qualitätssicherung in der Test- und Aufgabengestaltung Der Überblick über den Prozess der Prüfungserstellung deutet darauf hin, dass Sprachprüfungen nicht dem direkten und kurzen Weg folgen, in dem die Aufgaben durch eine Gruppe von Lehrkräften erstellt und selbst kontrolliert werden, sondern der Weg der Aufgabe vom Hersteller zum Verbraucher komplexer ist und länger dauert. Grundsätzliches Ziel der Prüfungsentwicklung ist die Verbesserung der Aufgabenqualität durch das Einbauen von Maßnahmen, die dazu führen können, dass Messfehler noch vor der Verwendung der Testaufgaben entdeckt und reduziert werden können. <?page no="118"?> 118 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Die Qualität der Testaufgaben kann vor allem dadurch gesichert und erhöht werden, dass keine kompletten Tests, sondern zuerst isolierte Aufgaben erstellt werden (vergleiche Einhorn 2008). Erst am Ende der Prüfungsentwicklungsphase werden aus ihnen Tests erstellt. Die Aufgabenerstellung erfolgt auf verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung von mehreren Fachleuten, die an einzelnen Schritten arbeiten. Zuerst sollten anhand der Testspezifikationen die wichtigsten Merkmale der Aufgaben in Form von praktischen Hinweisen und Checklisten zusammengefasst werden. Diese sollten dazu dienen, die Arbeit der Aufgabenersteller zu steuern. Dann werden die Aufgaben geschrieben, deren Qualität von Experten kontrolliert wird, die in die Erstellung der Aufgaben nicht involviert sind, um alle möglichen Fehler zu entdecken. Deshalb wird in Kommissionen geprüft, inwieweit die Aufgaben den Testspezifikationen entsprechen. Diese Phase wird Moderation genannt (vergleiche Alderson & Bolton 1995); sie weist gewisse Ähnlichkeiten zum Verfahren des standard settings und benchmarkings auf: Die Fachleute schlüpfen zuerst in die Rolle der Testpersonen, lösen selbst die Aufgabe, beurteilen sie allein aufgrund von vorher festgelegten Kriterien (vergleiche Lerneinheit 3.2). Dann werden in Gruppendiskussionen die Ergebnisse miteinander verglichen. Ziel dieses Verfahrens ist es aber nicht, Bestehensgrenzen zu definieren, sondern die Testaufgabe zu verbessern. Deshalb werden die erkannten Probleme ausführlich besprochen und Änderungsvorschläge formuliert. Den Aufgabenautoren und -autorinnen werden detaillierte Rückmeldungen gegeben, damit sie einerseits ihre Testaufgabe überarbeiten und andererseits ihre Fertigkeiten in der Aufgabenerstellung weiterentwickeln können. Nach dem Korrekturdurchlauf werden die Aufgaben erneut überprüft. Ziel dieses zyklischen Verfahrens ist es, die Aufgabe für die Erprobung vorzubereiten. Die Erprobung der Aufgaben kann zur Qualitätserhöhung der Aufgaben deutlich beitragen. Dadurch können Ungenauigkeiten in der Aufgabenformulierung entdeckt werden. Außerdem kann die Schwierigkeit der Aufgaben festgelegt und diese mit den Expertenmeinungen verglichen werden. Bei geschlossenen Aufgaben kann beispielsweise überprüft werden, wie die angegebenen Optionen funktionieren. Die Ergebnisse der Erprobung werden auch dazu genutzt, gute Bewertungsanleitungen für offene Aufgaben zu erstellen. Außerdem können Kandidatenbeispiele ausgewählt werden, um Modellbewertungen anfertigen zu können. Wichtig ist in dieser Phase, dass die an der Erprobung Teilnehmenden der Zielgruppe so ähnlich wie möglich sein sollten. Aus diesem Grund werden zum Beispiel Lerner einbezogen, die sich auf die entsprechende Sprachprüfung vorbereiten. Als Ergebnis dieser Phase werden die geeigneten Aufgaben in eine Materialbank eingestellt. Erst danach werden die Tests zu den einzelnen Prüfungsteilen zusammengesetzt und durchgeführt. Evaluation von Testergebnissen Die Evaluation der Testergebnisse trägt zur Qualitätssicherung der Sprachtests deutlich bei. Dadurch können die Messziele und Anforderungen kontrolliert, eventuell modifiziert oder die Testspezifikationen überarbeitet werden. Aufgrund der Daten aus den Erprobungen können die Tests verbessert werden, da deutlich wird, wie die Aufgaben und Items funktionieren und somit ein entsprechender Fokus auf die Überarbeitung der Aufgaben gelegt werden kann. <?page no="119"?> 119 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung Außerdem können die Aufgabenersteller wichtige Rückmeldungen erhalten, aus denen sie Schlussfolgerungen für ihre weitere Arbeit ziehen können. In der Qualitätssicherungsphase der bereits durchgeführten Tests ermöglichen die statistischen Analysen die detaillierte Begutachtung der Tests und der Art, wie sie erstellt wurden. Eine Prüfung ist also niemals fertig, die Qualität muss durch die Evaluation der Testergebnisse immer überprüft und verbessert werden. Im Weiteren stellen wir die grundlegend notwendigen klassischen Analyseverfahren vor, die auch im schulischen Unterricht verwendet werden können. Die Analyse erfolgt zuerst auf der Ebene des ganzen Tests, dann werden die Aufgaben und erst dann die einzelnen Items detailliert analysiert. Die folgende Tabelle stellt als Beispiel einen Auszug aus einer Datenbank vor, der zeigt, wie die gesammelten Daten zur Analyse geordnet werden sollten. Senkrecht ist die Identifikationsnummer der jeweiligen Kandidaten und Kandidatinnen angegeben, die auch demographische Informationen enthalten kann (die erste Nummer deutet zum Beispiel auf die Klasse, in die die Lerner gehören, die zweite Nummer zeigt das Geschlecht: 1: weiblich, 2: männlich). Waagerecht sind die von den Lernern in den acht Items der 2. Aufgabe erreichten Punktzahlen angezeigt. Die richtige Antwort wird mit 1, die falsche mit 0 angeführt. In den letzten zwei Spalten sind die Punktzahlen, die die Prüflinge in der zweiten Aufgabe und im ganzen Test erreicht haben, aufgeführt. In der Tabelle wurde der Lerner mit dem schlechtesten Resultat im Test als erster aufgeführt, der Lerner mit der besten Leistung steht am Ende. Kandidaten- -kode Items der Aufgabe 2 Punktzahl 2_01 2_02 2_03 2_04 2_05 2_06 2_07 2_08 Aufgabe 2 Test 3216 1 0 0 0 0 1 0 0 2 5 3101 0 0 0 0 0 1 0 0 1 14 3118 0 0 0 0 0 1 0 0 1 14 3104 1 0 0 0 0 0 0 0 1 15 3115 1 0 0 0 0 0 0 0 1 16 3217 1 0 0 0 1 1 0 0 3 17 3107 1 0 1 1 0 0 0 0 3 18 3210 1 0 1 1 1 0 0 0 4 18 3214 1 1 1 0 1 1 0 0 5 19 3103 1 0 1 1 1 0 0 0 4 20 3208 1 1 1 0 1 1 0 0 5 21 3109 1 1 1 1 1 0 1 0 6 21 3106 1 1 1 1 0 1 1 0 6 24 3212 1 1 1 1 1 0 1 1 7 25 3121 1 1 1 1 1 1 1 1 8 26 Schwierigkeit 0,87 0,40 0,60 0,47 0,53 0,53 0,27 0,13 3,80 18,20 Streuung 0,36 0,51 0,50 0,52 0,51 0,52 0,47 0,36 2,37 3,92 Trennschärfe 0,32 0,72 0,76 0,65 0,56 -0,15 0,69 0,56 -- -- Tabelle 3.2: Auszug aus der Datenbank einer Testanalyse <?page no="120"?> 120 3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht Der Schwierigkeitsgrad des Tests wird durch eine Mittelung der Ergebnisse errechnet, die den Anteil der richtigen Lösungen widerspiegelt und somit zeigt, wie einfach oder schwer der Test, die Aufgabe oder die Items innerhalb der untersuchten Lerngruppe waren. Da die Items in einer anderen Gruppe anders funktionieren können, ist es notwendig, die Erprobungen in einer Teilnehmergruppe durchzuführen, die der Zielgruppe entspricht. Der ganze Test besteht in diesem Beispiel aus 33 Items. Die Tabelle oben zeigt, dass die Testpersonen durchschnittlich 18 Punkte erreicht haben, der Mittelwert des Tests entspricht 55 %. An der analysierten Aufgabe, die aus 8 Items besteht, haben die Kandidaten und Kandidatinnen 4 Punkte erreicht. So können wir festlegen, dass sowohl der ganze Test, als auch diese Aufgabe mittelschwer für die Lerner war. Der Schwierigkeitswert der Items liegt zwischen 0 und 1. Je höher die Zahl ist, desto leichter ist das Item. Erwartungsgemäß sollten die Werte in der Spannweite von 0,25-0,75 sein. Das Item 2_01 ist in dieser Lerngruppe beispielsweise zu leicht, Item 2_08 dagegen zu schwer. Gemeinsames Merkmal von diesen Items ist, dass die Streuung niedrig liegt (0,36). Damit wird errechnet, wie scharf die Items zwischen leistungsstärkeren und -schwächeren Lernern differenzieren. Bei diesen Items deutet Streuung darauf hin, dass die Lerngruppe homogen war: diese Items waren für die meisten Testpersonen ganz eindeutig oder kaum lösbar. So liefern sie keine genauen Informationen über den Sprachstand der Schüler, deshalb haben sie wenige Funktionen im Test und sollten korrigiert werden. Die anderen Items waren mittelschwer und ihre Streuung liegt höher. Wenn wir uns das Muster jedes einzelnen Items in den Spalten ansehen, dann können wir eine allgemeine Tendenz feststellen: Je besser die Leistung der Lerner im ganzen Test ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auch das Item lösen und umgekehrt: Leistungsschwache Personen im ganzen Test können generell die einzelnen Items auch nicht lösen. Es gibt also einen engen Zusammenhang zwischen dem Funktionieren der Items und des ganzen Tests, der den Erwartungen der Testersteller entspricht. Betrachtet man aber das Item 2_06, kann man feststellen, dass es sich nicht so verhält: sowohl in den unteren als auch in den mittleren und oberen Leistungsgruppen kommt es vor, dass die Kandidaten und Kandidatinnen das mittelschwere Item lösen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass dieses Item etwas anderes misst, als die anderen Items. Es kann beispielsweise vorkommen, dass die Optionen nicht angemessen sind, und die Lerner das Item durch Raten lösen können oder dass das Item missverständlich formuliert oder der Lösungsschlüssel falsch ist. Diese Items sollten identifiziert und unbedingt korrigiert werden. Dieses Verhaltensmuster der Items können wir mit dem Parameter der Trennschärfe charakterisieren. Sie wird über die Korrelation zwischen den Ergebnissen aller Lerner für ein Item (1 oder 0) und für den ganzen Test berechnet. Die Ergebnisse können zwischen -1 und 1 sein. Damit einen engen Zusammenhang zwischen Item und Gesamtergebnis entsteht, sollten die Werte höher als 0,3 liegen. Die Errechnung der angeführten Parameter kann auch bei informellen Sprachtests informativ sein. Sie können beispielsweise mit Excel-Funktionen berechnet werden. Im Falle der Sprachprüfungen werden die Daten auch detaillierter und mit anderen Methoden überprüft. Dazu gehören vor allem die Analyseverfahren mit probabilistischen Modellen. Sie sind während des Anpassungsprozesses von Sprachprüfungen an den Gemeinsamen Europäischen <?page no="121"?> 121 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung Referenzrahmen dazu notwendig, die Schwierigkeit der Items in Hinblick auf die Fähigkeit der Prüflinge zu errechnen und mithilfe der Referenzaufgaben zu kalibrieren. 3.3.4 Zusammenfassung ▶ Mit der Verwendung des Referenzrahmens können sich Sprachprüfungen auf ein externes System beziehen, um die Vergleichbarkeit und die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen zu schaffen. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen kann auch dazu verwendet werden, den Lernprozess einzelner Schüler und Schülerinnen und der Lerngruppe kriteriumsorientiert zu bewerten und zu verfolgen. ▶ Um die Sprachniveaus der Lerner und der Sprachtests anhand des Referenzrahmens feststellen zu können, sollten die Testaufgaben an die Niveaubeschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens angepasst werden. Dieser Prozess kann mithilfe von gut definierten Verfahren durchgeführt werden: ▷ Im Prozess der Prüfungsentwicklung sollten zuerst die Messziele und Anforderungen aufgrund der Kann-Beschreibungen festgelegt werden. ▷ Zur Bestimmung der Inhalte werden Testspezifikationen erstellt. ▷ Die Aufgaben werden in verschiedenen Phasen mithilfe von Moderation und Erprobungen entwickelt, um deren Qualität zu sichern. ▶ Auch bei selbst erstellten informellen Sprachtests ist es wichtig, die Ziele und Inhalte genau zu planen und die Qualität der Aufgabe durch Besprechungen zu überprüfen und zu analysieren. 3.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Zu welchen Zwecken kann der Referenzrahmen im Kontext der Leistungsmessung verwendet werden? 2. Wie können Sie die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen angegebenen Sprachniveaus und Kann-Beschreibungen charakterisieren? 3. Durch welche Verfahren kann das Sprachniveau einer Testaufgabe bestimmt werden? Charakterisieren Sie diese Verfahren. 4. Wie werden Sprachprüfungen entwickelt? Charakterisieren Sie die Phasen der Prüfungsentwicklung. 5. Durch welche Verfahren wird im Prüfungsentwicklungsprozess die Qualität der Testaufgaben gesichert? Charakterisieren Sie diese Verfahren. 6. Wie können Ergebnisse auf Test-, Aufgaben und Itemebene analysiert werden? <?page no="123"?> 123 3.3 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen in der Leistungsmessung 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Tibor Vígh Die Entwicklung der kommunikativen Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler ist ein Hauptziel des Fremdsprachenunterrichts. Um dieses Ziel zu erreichen, sammeln die Lehrkräfte im Laufe des Lehr- und Lernprozesses Informationen über die sprachlichen Fertigkeiten der Lerner. Dazu werden Testaufgaben verwendet. Die Gestaltung der Aufgaben zu den einzelnen Teilfertigkeiten ist aber oft ein Bereich, in dem Lehrerinnen und Lehrer selbst unsicher sind. Sie haben sich sicherlich schon mal gefragt, wie Testaufgaben zur Überprüfung des Lese- und Hörverstehens, Schreibens und Sprechens sowie der kommunikativen Sprachkompetenzen entwickelt und durchgeführt werden, beziehungsweise wie die von den Lernern produzierten sprachlichen Leistungen bewertet werden können. Die Beantwortung dieser Fragen ist vor allem aus folgenden Gründen relevant: Da Lehrkräfte oft in die Abwicklung von Sprachprüfungen involviert sind und die Schülerinnen und Schüler sich oft auf diese vorbereiten, sollten Sie wissen, wie die einzelnen Fertigkeiten überprüft werden. Außerdem können Sie für Ihre Lerner Prüfungsaufgaben selbst erstellen, durchführen und deren Ergebnisse bewerten. Bei der Gestaltung dieser Aufgaben muss aber darauf geachtet werden, dass sie mit den Prinzipien und Lernzielen des kommunikativen Sprachunterrichts im Einklang stehen. Das Wissen über die Erstellung von Prüfungsaufgaben kann auch als Grundlage für die Entwicklung von informellen Sprachtests dienen. Das Hauptziel dieses Kapitels ist es, Ihnen zu zeigen, wie Sie Prüfungsaufgaben zu den einzelnen Teilfertigkeiten entwickeln beziehungsweise die schriftlichen und mündlichen Leistungen der Lerner bewerten können. Dabei stützen wir uns auf die in Kapitel 3 behandelten Themen. Auf die Entwicklung von informellen Sprachtests gehen wir in Kapitel 5 detailliert ein. <?page no="124"?> 124 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten Mit Testaufgaben zum Lese- und Hörverstehen haben alle Sprachlehrkräfte Erfahrungen. In der Praxis bereiten oft die Auswahl der angemessenen Lese- und Hörtexte, die Gestaltung der Aufgaben und die Interpretation der Ergebnisse hinsichtlich des Entwicklungsstands der Lerner viele Schwierigkeiten. Wie lässt sich der Prozess des Lese- und Hörverstehens zu Testzwecken charakterisieren? Mit welchen Aufgabenformaten werden Lesen oder Hören überprüft? Wie können Testaufgaben entwickelt werden? Um diese Fragen beantworten zu können, beschreiben wir das Testkonstrukt des Lese- und Hörverstehens. Dann stellen wir dar, wie Prüfungsaufgaben aufgrund des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nach der Definition der Messziele und Anforderungen gestaltet werden können. Zum Schluss behandeln wir die Merkmale sowie die Vor- und Nachteile der Anwendung von geschlossenen und halboffenen Aufgaben. Wir gehen auch darauf ein, welche Prinzipien Sie bei der Gestaltung und Auswertung beachten sollten, damit Sie Ihre eigenen Aufgaben Ihren Messzielen entsprechend erstellen und verwenden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ den Prozess und das Testkonstrukt des Lese- und Hörverstehens charakterisieren können; ▶ zwischen verschiedenen Lese- oder Hörstilen differenzieren können; ▶ den Messzielen entsprechend Testaufgabenformate auswählen können; ▶ die Merkmale, sowie die Vor- und Nachteile der Testaufgabenformate bestimmen können; ▶ die Qualität von Testaufgaben zum Lese- und Hörverstehen beurteilen können; ▶ die Prinzipien bei der Erstellung und Verwendung von Testaufgaben zur Überprüfung des Lese- oder Hörverstehens beachten können. 4.1.1 Grundlagen: Charakteristika von Lese- und Hörfertigkeit Lese- und Hörverstehen gehören zu den sogenannten rezeptiven Fertigkeiten. Der Begriff rezeptiv bezieht sich darauf, dass Lesen oder Hören durch visuelle oder auditive Reize von außen initiiert werden. Die ausgelösten mentalen Prozesse laufen im Kopf des Lesers oder Hörers ab, wobei er während der Konstruktion der Bedeutung des Hör- oder Lesetextes eine aktive und keine aufnehmende, passive Rolle hat (vergleiche Alderson 2000; Grotjahn 2000c, 2000d; Dlaska & Krekeler 2009). Sie haben ganz bestimmt schon erlebt, dass Ihr Verständnis desselben Texts, wenn Sie zum Beispiel ein Buch später noch einmal gelesen haben, tiefer und detaillierter war. Das Textverstehen hängt also nicht nur von Textmerkmalen, sondern beispielsweise auch vom Vorwissen, dem Interesse und der Absicht des Lesers oder Hörers ab. Bei der Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten sind der Prozess des Verstehens und das Verständnis nicht immer direkt beobachtbar. Um das Niveau des Lese- oder Hörverstehens feststellen zu können, ist es notwendig, diese Prozesse mithilfe von Aufgaben zu externalisieren und sichtbar zu machen. <?page no="125"?> 125 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten Experiment Um Ihnen die Möglichkeit zu bieten, über die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen Lese- und Hörverstehen zu reflektieren, schlüpfen Sie bitte in die Rolle einer Testkandidatin oder eines Testkandidaten und lösen Sie folgende Testaufgaben, die aus einer Sprachprüfung für Erwachsene stammen (Rodi & Dengler 2013: 6, 13). Leseverstehen: Ein Brief von Eva Kaubisch Lesen Sie den Text. Dazu gibt es zwei Aufgaben. Entscheiden Sie, ob die Aussage richtig oder falsch ist und welche Antwort (A, B oder C) am besten passt. Kreuzen Sie Ihre Lösungen an. Sehr geehrte Eltern, unsere Grundschule nimmt an dem Leseförderungsprogramm „Wir lesen! “ teil. Die Kinder können mit Fragen testen, wie gut sie den Inhalt eines Buches verstanden haben und bekommen dafür Punkte. Das Programm bietet nur die Fragen an, aber in der Stadtbücherei können Sie viele der darin behandelten Bücher ausleihen. Unsere Schule nimmt schon seit einigen Jahren an diesem Projekt teil. In der 2. Klasse beginnen wir mit dem Programm und führen es bis zur vierten Klasse durch. Zur Anmeldung ist ein Passwort notwendig, das die Kinder von der Klassenlehrkraft erhalten. Dafür benötigen wir einmalig eine Einverständniserklärung mit der Unterschrift der Eltern. Bitte geben Sie uns diese bis zum 01.10. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.wirlesen.de. Mit freundlichen Grüßen Eva Kaubisch 1) Das Leseprogramm ist für Eltern und Kinder. Richtig Falsch 2) Die Eltern sollen bei Interesse A ihr Kind selbst im Internet anmelden. B eine Erklärung unterschreiben. C der Lehrkraft ein Passwort mitteilen. Hörverstehen: Ein Gespräch zwischen Margit und Susanne Sie hören ein Gespräch einmal. Dazu gibt es zwei Aufgaben. Entscheiden Sie, ob die Aussage richtig oder falsch ist und welche Antwort (A, B oder C) am besten passt. Kreuzen Sie Ihre Lösungen an. Den Hörtext finden Sie unter http: / / www.klett-sprachen.de/ download/ 2502/ Track_15.mp3 3) Margit ist im Reisebüro. Richtig Falsch 4) Wie möchte Margit reisen? A Mit dem Auto. B Mit dem Flugzeug. C Mit der Bahn. <?page no="126"?> 126 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Beantworten Sie bitte zur Analyse der Aufgabe und Ihrer Lösungstätigkeit die folgenden Fragen: ▶ Wie sind Sie vorgegangen: Was haben Sie vor, während und nach dem Lesen und Hören gemacht? Welche Strategien haben Sie bei der Lösung der Aufgaben verwendet? Welche Ähnlichkeiten können Sie in den einzelnen Phasen der Lösungstätigkeit feststellen? ▶ Welche Unterschiede gibt es bei der Lösungstätigkeit dieser Aufgaben? Was meinen Sie, woraus ergeben sich diese Unterschiede? Wie Sie im Experiment vermutlich festgestellt haben, zeigt die Lösungstätigkeit der Aufgaben gewisse Ähnlichkeiten: Zuerst können die Lerner die Aufgabe und die Aussagen lesen und dabei das Thema feststellen. Sie können auch wichtige Wörter in den Aussagen markieren. Während des Lesens und Hörens sollten Prüflinge die zur Lösung der Aufgabe passenden Stellen identifizieren: Sie sollten die Hauptinformationen erkennen, und die Einzelinformationen im Text mit der angegebenen Aussage vergleichen. Abschließend geben sie ihre Lösungen an. Insgesamt können wir also davon ausgehen, dass die Lerner sowohl beim Lesen als auch beim Hören dieselben mentalen Repräsentationen bilden, nämlich die Textoberfläche, die propositionale Textbasis und das mentale Modell (vergleiche Schnotz 2006; auch im Band »Sprachenlernen und Kognition«). Lediglich bei der Worterkennung an der Textoberfläche lassen sich Unterschiede zwischen dem Lesen und Hören feststellen, die auf die unterschiedliche Verarbeitung der visuellen und auditiven Reize zurückzuführen sind (Kürschner & Schnotz 2008). Die Leser können den Text und die einzelnen Textstellen je nach Bedarf mehrmals lesen. Die zur Lösung der Items relevanten Stellen können im Lesetext markiert werden. Durch die visuelle Präsentation des Textes erhält der Leser Signale (zum Beispiel Abschnitte und Satzzeichen), die das Verstehen des Textes erleichtern. Der Hörprozess läuft dagegen in Echtzeit ab. Auditive Reize sind flüchtiger und daher weniger stabil als visuelle Reize. Der Hörtext kann auch aufgrund von Nebengeräuschen schwieriger verstehbar sein. Wenn wiederholtes Anhören des Textes nicht möglich ist, müssen die Lerner alle nötigen Informationen direkt beim ersten Versuch verstehen. Das ruft unter ihnen oft Frustrationen und Stress hervor oder erzeugt Ängste, die zu einer falschen Einschätzung ihrer Leistungen führen können. Um diese Beeinträchtigungen zu reduzieren, können die Lerner je nach Messzielen die Texte auch mehrmals anhören. Auch die Intonation kann ihnen helfen, wenn sie sie richtig interpretieren. Zur Interpretation der beobachtbaren Leistung (also der angegebenen Lösung) müssen wir klären, welche Schlussfolgerungen wir daraus hinsichtlich des Verstehens und Verständnisses der Lerner ziehen können. Können wir zum Beispiel sagen, dass der Kandidat oder die Kandidatin, der oder die bei allen Items falsch antwortete, nichts aus den Texten verstanden hat? Oder können wir sicher sein, dass der Prüfungsteilnehmer oder die -teilnehmerin, der oder die alle Items in einer Aufgabe richtig gelöst hat, über die zu messende Fertigkeit in hinreichendem Maße verfügt? Nein, können wir nicht. Um in Sprachtests faire, valide und reliable Entscheidungen über den Sprachstand der Prüflinge treffen zu können, werden abwechslungsreiche Textsorten verwendet. Die Testaufgaben bestehen aus relativ vielen Items <?page no="127"?> 127 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten (vergleiche Lerneinheit 3.2), die unterschiedliche Lese- oder Höraktivitäten, verschiedene Teilfertigkeiten verlangen. In der ersten Phase des Testentwicklungsprozesses müssen die Informationen, die zur Erstellung der einzelnen Aufgaben notwendig sind, in einem Testkonstrukt bestimmt werden. Dieses beschreibt alle Teilfertigkeiten, die ein Test erfassen soll (vergleiche Grotjahn 2000c, 2000d; Arras 2014). Die Definition des Testkonstrukts ist nicht nur bei formellen Sprachtests, sondern auch bei informellen Tests notwendig. Nur dadurch können den Messzielen entsprechend Testaufgaben entwickelt und die Leistungen der Schüler und Schülerinnen sinnvoll interpretiert werden. Die Festlegung des Testkonstrukts dient also dazu, die Konstruktvalidität eines Tests zu sichern (vergleiche Lerneinheit 3.2). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen kann als Grundlage zur Bestimmung des Testkonstrukts verwendet werden (vergleiche Lerneinheit 3.3), indem die Deskriptoren nicht nur zu der zu messenden Fertigkeit allgemein, sondern auch nach verschiedenen Lese- und Höraktivitäten (wie zum Beispiel Korrespondenz lesen und verstehen oder Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen) angegeben werden. Zu allen Aktivitäten können also die Kann-Beschreibungen als Liste zur Definition der Messziele angewendet werden. Wir lesen und hören im alltäglichen Leben nicht jeden Text Wort für Wort, sondern unsere Lese- und Hörabsicht bestimmt, wie wir einen Text verarbeiten. Damit auch die Testaufgaben der realen Lebenswelt und den Interessen der Lerner entsprechen, sollten die Aufgaben die authentischen Lese- oder Hörsituationen so widerspiegeln, dass sie der Hör- oder Leseabsicht entsprechen. Diese Absicht bezieht sich darauf, zu welchem Zweck ein Text gelesen oder gehört wird. Diese Ziele bestimmen die Art und Weise, wie man den Text liest, den Hörtext verarbeitet und damit also den Lese- und Hörstil (vergleiche zum Beispiel Bolton 1996, Grotjahn 2000d). Im Fall des globalen Verstehens haben wir das Ziel, die Hauptaussagen eines Textes zu identifizieren und so seinen Sinn zu erfassen. Beim selektiven Verstehen strebt man danach, den eigenen Zielen und Interessen entsprechend bestimmte Details rasch im Text aufzufinden. Während des detaillierten Verstehens verfolgen wir das Ziel, die im Text angebotenen Einzelinformationen zu wichtigen inhaltlichen Details zu entnehmen. Um eine Testaufgabe zu erstellen, werden Anforderungen definiert. Sie sollten ▶ angeben, mit welchen Texten und Aufgabenformaten die Hör- und Leseaktivität, die Messziele und der Hör- und Lesestil überprüft werden; ▶ eine beobachtbare Aktivität der Testperson beschreiben; ▶ sich auf eine Handlung außerhalb der Testsituationen beziehen. Die Testaufgaben werden aufgrund der Anforderungen so erstellt, dass sie der Lebenssituation der Lerner entsprechen. Nur dadurch kann überprüft werden, inwieweit der Kandidat oder die Kandidatin zur Situation passend den Hör- und Lesetext verarbeiten kann. Die Verwendung von handlungsorientierten Aufgaben erlaubt die Übertragbarkeit der gemessenen Kompetenzen auf reelle Situationen und damit eine höhere Validität des Tests. <?page no="128"?> 128 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Illustrierende Beispiele Im Folgenden stellen wir vor, wie handlungsorientierte Aufgaben in der Testbeschreibung von Sprachprüfungen charakterisiert werden (vergleiche zum Beispiel Perlmann-Balme, Plassmann & Zeidler 2009). Dazu verwenden wir die bereits kennengelernten Items aus dem Experiment. Beispiel 1: Items zum Lesetext „Ein Brief von Eva Kaubisch“ Leseaktivität: Information und Argumentation verstehen Messziel: B1: Kann in einfachen Alltagstexten wie Briefen, Informationsbroschüren und kurzen offiziellen Dokumenten wichtige Informationen auffinden und verstehen (Europarat 2001: 75). Lesestil: Globalverstehen (Item 33), Detailverstehen (Item 34) Anforderung: Die Lerner sollen aus einem halbformellen Brief eine Hauptinformation und eine wichtige Detailinformation entnehmen. Beispiel 2: Hörtext „Ein Gespräch zwischen Margit und Susanne“ Höraktivität: Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen Messziele: A2: Kann im Allgemeinen das Thema von Gesprächen, die in seiner / ihrer Gegenwart geführt werden, erkennen, wenn langsam und deutlich gesprochen wird (Item 16); B1: Kann im Allgemeinen den Hauptpunkten von […] Gesprächen folgen, die in seiner / ihrer Gegenwart geführt werden, sofern deutlich artikuliert und in der Standardsprache gesprochen wird. (Item 17, Europarat 2001: 72). Hörstil: Globalverstehen (Item 16), Detailverstehen (Item 17) Anforderung: Die Lerner sollen ein Gespräch über ein alltägliches Thema einmal anhören, daraus die Situation erkennen und eine wichtige Einzelheit entnehmen. 4.1.2 Aufgabengestaltung zum Lese- oder Hörverstehen Im Folgenden gehen wir auf einige zentrale Aspekte zur Gestaltung von Hör- oder Leseverständnisaufgaben ein. Wir behandeln vor allem die Frage, von welchen Faktoren die Schwierigkeit einer Lese- oder Höraufgabe abhängt. Dazu stellen wir zuerst vor, wie der Text den Anforderungen entsprechend ausgewählt werden sollte. Dann behandeln wir, nach welchen Prinzipien die Testaufgabe zum Lese- und Hörverstehen konstruiert werden sollte. <?page no="129"?> 129 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten Experiment Um die Prinzipien der Aufgabengestaltung an Beispielen zu illustrieren und bei der Bearbeitung folgender Abschnitten darüber zu reflektieren, lesen Sie bitte zuerst die Aufgaben zum Hör- und Leseverstehen aus einem Modelltest zur Sprachprüfung telc Deutsch A2 (Übungstest 1, Start Deutsch 2 2017: 7-17). Die Aufgaben und den Hörtext finden Sie unter https: / / www.telc.net/ pruefungsteilnehmende/ sprachpruefungen/ pruefungen/ detail/ telc-deutsch-a2.html#t=2. Beantworten Sie die folgenden Fragen zur Analyse der Aufgaben: ▶ Was meinen Sie, nach welchen Qualitätsmerkmalen (vergleiche Lerneinheit 3.2) wurden die Lese- und die Hörtexte zu den Testaufgaben ausgewählt? Inwieweit hängt die Schwierigkeit der Texte von den Textmerkmalen ab? ▶ Welche Rolle kann das Vorwissen der Lerner über das Thema und über den Inhalt der Texte im Prozess des Lese- oder Hörverstehens haben? ▶ Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass die Items vor dem Lesetext platziert wurden? ▶ Was kann der Grund dafür sein, dass die Lerner den Hörtext im Teil 1 und 3 zweimal und im Teil 2 nur einmal anhören können? So wie Sie es in diesem Experiment gesehen haben, werden die Testaufgaben zum Lese- und Hörverstehen den Qualitätsmerkmalen der Authentizität und der Interaktivität entsprechend erstellt. Dazu werden die Texte nicht von dem Aufgabenersteller selbst geschrieben, sondern die Gestaltung der Testaufgabe beginnt mit der Auswahl eines geeigneten authentischen Lese- und Hörtextes. Eine präzise formulierte Anforderung gibt genau an, welche geschriebene oder gelesene Textsorte gewählt werden sollte. In den Testaufgaben werden oft Gebrauchstexte (zum Beispiel Gebrauchsanweisungen, Telefonansagen, Anzeigen), informative, argumentative oder narrative Texte (zum Beispiel Zeitungsartikel, Nachrichten, Meldungen aus dem Radio, private oder (halb)offizielle Briefe) verwendet. Die Hör- und Lesetexte sollten dem Interesse und dem Lebensbereich, beziehungsweise der Erfahrungen der Lerner entsprechen. Die Schwierigkeit eines Lese- und Hörtextes wird durch das Thema, den Inhalt, den Satzbau und durch den Anteil der unbekannten Wörter bestimmt. Es ist wichtig, dass die Schlüsselwörter der zu messenden Niveaustufe entsprechen. Zur Überprüfung der Textschwierigkeit kann Profile Deutsch (Glaboniat, Müller, Rusch, Schmitz & Wertenschlag 2005) verwendet werden (vergleiche Lerneinheit 3.3). Wenn Testaufgaben zu den Niveaustufen der elementaren Sprachverwendung gestaltet werden, kommt es vor, dass die originalen authentischen Texte gekürzt werden. Die Textsortenmerkmale sollten aber auch in diesem Fall deutlich erkennbar sein. Man kann aber die Schwierigkeit einer Lese- und Hörverstehensaufgabe nur sehr beschränkt aufgrund von Textmerkmalen (Wortschatz und Satzbau) vorhersagen (Grotjahn 2000d). Die Schwierigkeit hängt grundsätzlich von der Formulierung der Aufgabe und der einzelnen Items ab. Entscheidend sind auch Faktoren, die das Verstehen erleichtern oder erschweren, wie die Rolle des Vorwissens der Lerner. Testaufgaben sollten ermöglichen, dass die Lerner die Items durch das Lesen oder Hören des Textes und nicht aufgrund Ihres <?page no="130"?> 130 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Weltwissens lösen. Das ist zur Sicherung der Validität notwendig (vergleiche Lerneinheit 3.2). Den Grad des Einflusses des Hintergrundwissens kann man einschätzen, indem man zuerst die Items ohne das Lesen und Hören des Textes beantwortet und dabei an die potenzielle Zielgruppe denkt, von der der Lese- und Hörtext bearbeitet wird. Nach der Auswahl des geeigneten Hör- und Lesetextes sollten die Testsituation und die Ziele der Testaktivität in der Aufgabe so angegeben werden, dass sie die Merkmale zielsprachlicher Verwendungssituationen widerspiegeln, damit die Lerner demonstrieren können, dass sie situativ angemessen handeln können (vergleiche Arras 2014). Die Angabe der sprachlichen Situation und des Ziels der Lösungstätigkeit muss mit dem vorher festgelegten Lese- und Hörstil im Einklang stehen, um die Qualitätsmerkmale von Prüfungsaufgaben zu sichern (vergleiche Lerneinheit 3.2). Im Allgemeinen sollte bei der Erstellung der Items zum Lesen und Hören darauf geachtet werden (vergleiche ALTE 2006a), dass sie ▶ in der Reihenfolge des Textes formuliert werden; ▶ voneinander unabhängig sind; ▶ sich auf wichtige Informationen des Textes beziehen; ▶ einfacher formuliert werden, als die zu messende Niveaustufe; ▶ hinsichtlich ihrer Schwierigkeit gemischt werden, also die Aufgabe sollte leichtere und schwierigere Items enthalten. Im Folgenden gehen wir auf die Gestaltung von Aufgaben zum Leseverstehen ein. Dabei muss man entscheiden, ob die Items vor oder nach dem Text platziert werden. Das kann man vor allem anhand des Lesestils und aufgrund des Sprachniveaus bestimmen. Da bei selektivem Verstehen überprüft wird, ob die Lerner in der Lage sind, den angegebenen Situationen und Zielen entsprechend bestimmte Details rasch im Text aufzufinden, sind die Items im Allgemeinen vor dem Text platziert. Beim Global- und Detailverstehen können die Items voran- oder nachgestellt werden. Bei der vorangestellten Positionierung der Items (vergleiche im zweiten Experiment die Aufgabe 2 zum Lesen) kann man die Aufmerksamkeit der Lerner besser auf wichtige und spezifische Informationen lenken. Das führt aber dazu, dass einige Teile des Textes eher oberflächlich gelesen werden. Deshalb wird diese Platzierung eher auf den Niveaustufen für die elementare Sprachverwendung angewendet. Wenn aber die Kandidaten und Kandidatinnen auch textbasierte Schlussfolgerungen ziehen sollten, ist es besser, die Items nachzustellen. Das kann zu einem tieferen und gründlicheren Lesen führen. Die Entscheidung über die Positionierung der Items sollte also aus dem Messziel und der Anforderung abgeleitet werden und von der angezielten Tiefe der Verarbeitung abhängig gemacht werden (Grotjahn 2000d: 38). In Aufgaben zum Hörverstehen werden die Items in den meisten Fällen vorangestellt. Diese Platzierung ist authentischer, weil in der Wirklichkeit das Anhören eines Textes mit Zielsetzungen und Fragestellungen verbunden ist (Grotjahn 2005: 131). Entscheidend ist bei diesen Aufgaben die Frage, ob die Kandidaten und Kandidatinnen den Text nur einmal oder auch mehrmals anhören können. In Sprachprüfungen können die Hörtexte bei Aufgaben zum Globalverstehen meist nur einmal angehört werden, was mit der Lebensrealität übereinstimmt (vergleiche das erste Experiment und im zweiten Experiment die Aufgabe 2 zum <?page no="131"?> 131 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten Hören). Was die Testaufgaben zum selektiven und detaillierten Hörverstehen betrifft, so können Lerner die Texte oft zweimal anhören, damit sie nicht überfordert werden. Das gilt nicht nur bei Aufgaben, in denen die Testpersonen zum Beispiel Ankündigungen, Durchsagen und Anweisungen oder Radiosendungen und Tonaufnahmen verstehen sollen, sondern auch bei Testaufgaben, in denen es um das Verstehen von Gesprächen zwischen Muttersprachlern geht, obwohl man diese in der Wirklichkeit normalerweise nur einmal hört. Weiterhin ist das mehrmalige Anhören dieser Texte notwendig, damit die während der Lösung der Testaufgabe fehlende Gestik, Mimik, etc. das Verstehen nicht erschwert (vergleiche Bolton 1996, Grotjahn 2005). Wenn Texte zweimal angehört werden können, geht man oft folgendermaßen vor: Zuerst wird Zeit zum Durchlesen der Aufgabe gelassen, dann hören die Lerner den Text als Ganzes, abschließend können sie während und nach dem zweiten Anhören ihre Antworten ergänzen, kontrollieren oder modifizieren. Bei der Erstellung von Aufgaben zum Hörverstehen muss darauf geachtet werden, dass die Lerner genügend Zeit zum Lesen der Items, beziehungsweise zum Notieren der Lösungen haben. Dies ist deshalb notwendig, weil bei der Verarbeitung von Hörtexten spezifische Probleme von Lernern vorkommen können (vergleiche Grotjahn 2000c, 2005), wie zum Beispiel eine geringere Verarbeitungs- und Speicherkapazität im Gedächtnis als in der Muttersprache. Um den Einfluss des Leseverstehens zu reduzieren und eine höhere Validität zu erreichen, werden oft Bilder oder Zeichnungen als Illustrationen vor allem auf den Niveaustufen der elementaren Sprachverwendung verwendet. 4.1.3 Aufgabenformate zum Lesen oder Hören Es gibt zwei Aufgabenformate zum Lese- und Hörverstehen. Bei der Lösung des sogenannten geschlossenen Aufgabenformats sollen die Kandidaten die richtige Lösung erkennen und markieren. Dazu gehören drei Aufgabentypen: ▶ Bei Mehrwahlantwortaufgaben (oder Mehrfachwahlaufgaben, Multiple-Choice-Aufgaben) sollen die Testpersonen aus mehreren Antwortmöglichkeiten die richtige auswählen. ▶ Bei Alternativantwortaufgaben (auch als Ja-Nein-Aufgaben oder Richtig-Falsch-Aufgaben bezeichnet) sollen die Lerner eine Entscheidung hinsichtlich der gestellten Aussage treffen. ▶ Bei Zuordnungsaufgaben müssen die Kandidaten und Kandidatinnen die passenden Informationen einander zuordnen. Zum anderen Aufgabenformat gehören die halboffenen Aufgaben, in denen die Lerner die Antworten nicht erkennen, sondern kurze Fragen zum Lese- und Hörtext beantworten, sich Notizen machen oder Kurztexte mit fehlenden Informationen ergänzen sollen. Vor allem in der deutschsprachigen Fachliteratur werden die halboffenen Aufgaben von den offenen Testaufgaben zum schriftlichen und mündlichen Ausdruck unterschieden, in denen die Lerner ihre Lösungen frei und selbstständig formulieren sollen (vergleiche Lerneinheit 4.2). Mehrwahlantwortaufgaben bestehen immer aus einer richtigen Lösungsalternative (sogenannter Attraktor) und aus mindestens zwei falschen Alternativen (sogenannte Distraktoren). <?page no="132"?> 132 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Die Erhöhung der Anzahl der Distraktoren kann auch die Schwierigkeit der ganzen Aufgabe erhöhen. Bei Aufgaben zum Hörverstehen sollten deshalb nicht mehr als drei Optionen verwendet werden. Die höhere Anzahl von Auswahlmöglichkeiten kann nämlich zur Unterschätzung der Hörverstehensleistung der Lerner führen (Grotjahn & Kleppin 2015: 91). Multiple-Choice-Aufgaben werden vor allem eingesetzt, um überprüfen zu können, ob die Lerner in der Lage sind, aus einem Text die Hauptaussagen (vergleiche im zweiten Experiment die Aufgabe 2 zum Hören) oder bestimmte spezifische Einzelinformationen (wie im ersten Experiment) zu entnehmen. Aber sie können auch zur Überprüfung des selektiven Verstehens verwendet werden (siehe im zweiten Experiment die Aufgabe 1 zum Lesen). Die Vorteile dieser Aufgaben sind, dass die Antworten der Kandidaten eindeutig und objektiv mit Hilfe eines Rasters oder Computers ausgewertet werden können. Zu den Nachteilen dieser Aufgaben gehört, dass sie das Kriterium der Authentizität nur beschränkt erfüllen können. Außerdem lassen sie sich nicht einfach gestalten, weil die richtige Lösungsvariante immer eindeutig richtig und die falschen Alternativen anhand des Textes eindeutig falsch aber auch sinnvoll sein müssen. Es ist nicht immer leicht, genügend gute Distraktoren zu erstellen. Die Gestaltung von reliablen Mehrfachwahlaufgaben ist also zeitaufwändig. Vor der Verwendung sollten die Aufgaben erprobt und das Funktionieren der Auswahlmöglichkeiten analysiert werden. Deshalb lohnt sich die Erstellung dieser Aufgaben nur, wenn der Test mehrmals oder mit vielen Testpersonen verwendet wird. Aus diesem Grund wird dieser Aufgabentyp in den von Lehrkräften erstellten Prüfungsaufgaben eher nicht verwendet. Bei der Erstellung dieses Aufgabentyps sollte man auf die folgenden Aspekte achten (vergleiche ALTE 2006a: 12; Grotjahn & Kleppin 2015: 91): ▶ Die Items müssen klar, einfach und leicht verständlich formuliert werden. ▶ Die Items sollen dem Textverlauf folgen. Wenn mit dieser Aufgabe das Detailverstehen getestet wird, dann werden oft die Zeilen angegeben, auf die sich das jeweilige Item bezieht. ▶ Der Attraktor und die Distraktoren sollten ungefähr die gleiche Länge haben, damit sie gleichwertige Alternativen anzubieten scheinen. ▶ Es ist empfehlenswert, die Antwortmöglichkeiten in den Aufgaben zum Leseverstehen mit den Buchstaben a, b, c etc. zu bezeichnen. In Alternativantwortaufgaben sollen die Kandidaten und Kandidatinnen bei allen Items eine Entscheidung treffen, ob die Aussage oder die Frage auf den Textinhalt zutrifft oder nicht. Mit diesem Aufgabentyp kann vor allem das Globalverstehen (wie im ersten Experiment) oder Detailverstehen (wie im zweiten Experiment bei der Aufgabe 2 zum Lesen) überprüft werden. Alternativantwortaufgaben sind authentischer und leichter erstellbar als Mehrwahlantwortaufgaben. Auch sie können automatisch ausgewertet werden. Bedeutende Nachteile dieser Aufgaben sind, dass die Ratewahrscheinlichkeit bei jedem einzelnen Item bei 50 % liegt. Aus diesem Grund wird versucht, eine möglichst große Anzahl von Items zum Text zu formulieren. Diese Aufgaben können Lehrkräfte nicht nur als Prüfungsaufgabe für summative Messziele, sondern auch in den Fällen verwenden, wenn Sie die Schwächen und Stärken im Entwicklungsstand der Schüler diagnostizieren möchten. Dazu können mehrere, detailliert <?page no="133"?> 133 4.1 Überprüfung der rezeptiven Fertigkeiten gepunktete Alternativantwortitems erstellt werden. Die Erhöhung der Anzahl der Items kann auch zu einer höheren Reliabilität und Gerechtigkeit führen (vergleiche Lerneinheit 3.2), wenn man während der Aufgabenerstellung darauf achtet, dass jedes Item ▶ der Reihenfolge des Textes folgt; ▶ sich nur auf eine (wichtige) Information im Text bezieht; ▶ zur Textlänge in angemessenem Verhältnis steht; ▶ möglichst gleichmäßig im Text verteilt ist; ▶ einfacher als das zu messende Sprachniveau formuliert ist. Bei der Lösung von Zuordnungsaufgaben sollen die Testpersonen die passenden Informationsteile einander zuordnen. Diese Aufgaben können entweder zur Messung des Detailverstehens (vergleiche im zweiten Experiment die Aufgabe 3 zum Hören) oder des selektiven Verstehens (wie im zweiten Experiment bei der Aufgabe 3 zum Lesen) verwendet werden. Mit diesen Aufgaben kann also überprüft werden, ob der Lerner dazu fähig ist, den in der Testaufgabe angegebenen Situationen und Zielen entsprechend entweder Hauptaussagen oder einzelne Informationen, zum Beispiel aus Anzeigen, zu entnehmen. Vorteile dieser Aufgaben sind die hohe Authentizität der Aufgabenstellung und die relativ einfache Erstellung der Testaufgabe, wenn man kurze Texte zu einem Themenbereich gefunden hat. Ein Nachteil dieses Aufgabentyps ist, dass die einzelnen Items gewissermaßen miteinander zusammenhängen. Das kann in der Phase der Aufgabengestaltung so kontrolliert werden, dass mehr Wahlmöglichkeiten angeboten werden, als erforderlich. So ergibt sich die letzte Zuordnung nicht automatisch von selbst. In der Aufgabenstellung muss die Testperson dann allerdings darauf aufmerksam gemacht werden. Bei den halboffenen Aufgaben sollten die Lerner ihre Antworten relativ selbstständig und frei angeben. Sie eignen sich zur Überprüfung des Global- oder Detailverstehens (vergleiche im zweiten Experiment dieser Lerneinheit die Aufgabe 1 zum Hören), beziehungsweise des selektiven Verstehens eines Hör- und Lesetextes. Diese Aufgaben sind also hinsichtlich der Messziele vielfältig einsetzbar und relativ leicht erstellbar. Auch die Lerner können differenzierter ausdrücken, was sie verstanden haben. So erhält die Lehrkraft bei der Auswertung genauere Informationen über mögliche Probleme im Verstehensprozess. Deshalb empfiehlt es sich, diese Aufgaben in selbst erstellten Tests im Unterrichtskontext einzusetzen. Wenn sie bei Sprachprüfungen verwendet werden, dann wird danach gestrebt, die Antwortmöglichkeiten der Lerner einzuschränken, um die Leistungen möglichst objektiv auszuwerten. Zu den Nachteilen gehört die zeitaufwendige Auswertung, weil man bei den von dem Lösungsschlüssel abweichenden Leistungen entscheiden muss, ob die Antworten akzeptiert werden. Um die Validität zu sichern, ist es wichtig, immer die Übereinstimmung mit dem Inhalt zu bewerten, weshalb richtige Lernerantworten trotz etwaiger grammatischer und orthographischer Fehler akzeptiert werden, vorausgesetzt sie sind noch verständlich. Ein weiterer Nachteil ist, dass Testpersonen Teile aus dem Lesetext abschreiben können. Sie sollen jedoch eine produktive Schreibleistung erbringen. <?page no="134"?> 134 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten 4.1.4 Zusammenfassung ▶ Bei der Überprüfung von Lese- und Hörverstehen ergibt sich die Herausforderung, dass der Prozess des Verstehens und das Verständnis nicht immer direkt beobachtbar sind. Aus diesem Grund muss das Testkonstrukt in folgenden Schritten definiert werden: ▷ Zuerst werden die Lese- oder Höraktivität bestimmt. ▷ Dann werden die der zu messenden Niveaustufe entsprechenden Deskriptoren aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen verwendet, um die Messziele festzulegen. ▷ Zum Schluss werden die zur Ausführung notwendigen Lese- und Hörstile bestimmt und die Anforderung angegeben. ▶ Den Anforderungen entsprechend werden die Hör- oder Lesetexte ausgewählt und die Testaufgabe gestaltet. Bei der Überprüfung des Lese- und Hörverstehens verwendet man geschlossene oder halboffene Aufgabenformate. Bei Sprachprüfungen werden eher geschlossene Aufgaben und eingeschränkte Kurzantwortaufgaben bevorzugt, weil sie objektiv auswertbar sind. ▶ Die Qualität von Prüfungsaufgaben sollte kontinuierlich überprüft und verbessert werden, um eine valide und reliable Messung zu sichern, und um den Sprachstand der Lerner feststellen zu können. 4.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Fassen Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Überprüfung des Lese- und Hörverstehens zusammen. 2. Welche Informationen müssen im Testkontrukt bestimmt werden, um die Testaufgaben zum Lese- und Hörverstehen erstellen zu können? 3. Was sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Hör- und Lesestilen? 4. Welche Faktoren haben Einfluss auf das Funktionieren von Lese- und Höraufgaben, die kontrolliert werden sollten? 5. Charakterisieren Sie die Merkmale und die Vor- und Nachteile der einzelnen geschlossenen Aufgabenformate und die der halboffenen Aufgaben zur Überprüfung des Lese- und Hörverstehens. <?page no="135"?> 135 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten Oft berichten Fremdsprachenlerner recht emotional über Testaufgaben und über Prüfungssituationen, deren Ziele sind, schriftlichen oder mündlichen Ausdruck zu überprüfen. Dabei verweisen sie auf wichtige Problembereiche, wie zum Beispiel auf die (häufig als künstlich erlebte) Durchführung der Testaufgabe oder auf die (subjektive) Bewertung ihrer Leistungen. Diese Erfahrungen deuten darauf hin, dass die Überprüfung der produktiven Fertigkeiten oft durch die Abwicklung der Testaufgabe und durch die Qualität der Bewertung beeinflusst ist. In dieser Lerneinheit beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie schriftliche und mündliche Textproduktion mit Hilfe von Testaufgaben überprüft werden können, in denen möglichst authentische Sprachhandlungen simuliert werden. Wir gehen zuerst auf die Merkmale von realen Sprachverwendungssituationen ein, aus denen sich wichtige Konsequenzen für die Leistungsmessung ableiten lassen. Dann stellen wir vor, wie man offene Aufgaben aufgrund der Deskriptoren im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen entwickeln, den Messzielen entsprechend verwenden und die Erfüllung der Aufgabenstellung beurteilen kann. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ das Testkonstrukt des schriftlichen und mündlichen Ausdrucks charakterisieren können; ▶ die Merkmale von offenen Aufgabenformaten beschreiben können; ▶ den Messzielen entsprechend offene Aufgaben auswählen und anwenden können; ▶ die Qualität von Testaufgaben zur Schreib- und Sprechfertigkeit beurteilen können; ▶ die Prinzipien bei der Gestaltung und Verwendung von Testaufgaben zur Überprüfung der produktiven Fertigkeiten beachten können; ▶ produktive sprachliche Leistungen nach inhaltlichen und kommunikativen Aspekten bewerten können. 4.2.1 Grundlagen zur Überprüfung von Schreib- und Sprechfertigkeit Sprechen und Schreiben sind Bestandteile der kommunikativen Fertigkeiten. Sie befähigen Sprachverwendende dazu, sich schriftlich oder mündlich auszudrücken und den eigenen Mitteilungsbedürfnissen entsprechend kommunikative Aufgaben erfolgreich zu erfüllen. In realen Sprachverwendungssituationen produzieren wir geschriebene und gesprochene Texte mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Wenn man zum Beispiel über Erlebnisse spricht oder einen Aufsatz darüber schreibt, handelt es sich um produktive Sprachaktivitäten. Bei der Produktion entstehen Hör- und Lesetexte, die von Personen rezipiert werden, die nicht unbedingt sprachlich darauf reagieren müssen (Europarat 2001: 63, 66, 100). Wenn aber der Partner oder die Partnerin Nachfragen über die Erlebnisse stellt oder Kommentare über den Aufsatz gibt und der oder die Sprachverwendende darauf reagiert, geht es um Interaktionen. Im Gegensatz zum Hör- oder Leseverstehen kann man anhand der sprachlichen Performanz <?page no="136"?> 136 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten besser erkennen, über welche Kompetenz die Lerner verfügen. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der mündlichen und schriftlichen Kommunikation besteht darin, dass die produktiven und rezeptiven Prozesse während der mündlichen Interaktionen zeitweise synchron stattfinden (vergleiche Europarat 2001: 92 ff; Bygate 2000). In schriftlicher Interaktion dagegen überschneiden sich diese Prozesse nicht, so dass der oder die Sprachverwendende mehr Zeit hat, seine oder ihre Äußerung zu planen, zu formulieren und zu kontrollieren. In diesen Prozessen werden kommunikative Strategien vor allem dazu eingesetzt, möglichst ökonomisch zu kommunizieren. Sie dienen zur Planung, Ausführung, Kontrolle oder zur Reparatur der Sprachhandlungen (Bachman & Palmer 2010; Europarat 2001). Dazu gehören unter anderem auch Diskursstrategien, die dazu dienen, Redebeiträge zu organisieren und das Verständnis zu sichern (eine Liste dieser Strategien befindet sich in Perlmann-Balme, Plassmann & Zeidler 2009: 95 f). So wie Sie es in diesem Experiment erlebt haben, wird Schreiben in kommunikativen Sprachtests als Zielfertigkeit gemessen. Das trifft auch auf Sprechen zu. Bei der Erstellung der Auf- Experiment Um Ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich mit der Aufgabenerstellung auseinanderzusetzen, schlüpfen Sie bitte zuerst in die Rolle einer Testkandidatin oder eines Testkandidaten und beantworten Sie dann einige Fragen zur Analyse der Aufgabe und Ihrer Lösungstätigkeit. a) Lesen Sie die folgende Aufgabe, die aus Sprachprüfungen für Erwachsene stammt (Glaboniat & Lorenz 2009: 19) und erstellen Sie den Antwortbrief. Sie haben im letzten Urlaub eine Österreicherin (Marianne) kennen gelernt, die Sie sehr nett fanden. Sie haben ihr deshalb nach dem Urlaub geschrieben und sie zu sich in Ihr Heimatland eingeladen. Sie hat Ihnen auch gleich geantwortet. Liebe(r) ……………………………….., Salzburg, 14.9. ………………………… danke für deine nette Einladung! Ich komme dich sehr gerne besuchen, um dein Land kennen zu lernen - wie du weißt, war ich ja noch nie da. Wann wäre die beste Zeit, dich zu besuchen? Ich weiß noch nicht einmal, ob es bei euch im Sommer sehr heiß wird - allzu große Hitze mag ich nämlich nicht so sehr. Und gibt es sonst noch irgendwelche Dinge, die ich wissen sollte, bevor ich diese Reise mache? Bitte schreib mir möglichst bald, damit ich mich gut auf die Reise vorbereiten kann. Herzliche Grüße Marianne Schreiben Sie einen Antwortbrief, der die folgenden Punkte enthält: ▶ welche Ausflüge Sie mit ihr machen wollen ▶ was für Ihre Bekannte die beste Jahreszeit für die Reise ist ▶ welche Kleidung sie mitnehmen soll ▶ wie sie sich am besten auf die Reise vorbereiten kann <?page no="137"?> 137 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten gaben soll-- genauso wie bei den rezeptiven Fertigkeiten (vergleiche Lerneinheit 4.1)-- die Konstruktvalidität (vergleiche Lerneinheit 3.2) gesichert werden. Deshalb wird als erster Schritt das Testkonstrukt definiert. Um die Messziele und Anforderungen zu bestimmen, können die Deskriptoren aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen verwendet werden. (1) Im Testkonstrukt wird angegeben, was die Lerner auf der erzielten Niveaustufe in verschiedenen Kontexten der produktiven und interaktiven Sprachaktivitäten können sollen. (2) Zur Entwicklung des Bewertungssystems wird beschrieben, wie gut die Lerner einzelne Bereiche der kommunikativen Sprachkompetenzen auf der jeweiligen Stufe beherrschen können (vergleiche Lerneinheit 4.3). Anhand dieser Informationen sollten die Anforderungen so definiert werden, dass sie ▶ der zu messenden Teilfertigkeit, Aktivität und dem Messziel entsprechen; ▶ eine beobachtbare Lösungsaktivität der Prüflinge ausdrücken; ▶ den Merkmalen von handlungsorientierten Aufgaben im Alltag entsprechen; ▶ darauf hindeuten, in welcher Situation und unter welchen Umständen sie bewertet werden. Bevor Sie den Brief schreiben, überlegen Sie sich die passende Reihenfolge der Punkte, eine passende Einleitung und einen passenden Schluss. Vergessen Sie nicht Datum und Anrede. b) Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen: ▷ Was meinen Sie, nach welchen Qualitätsmerkmalen (vergleiche Lerneinheit 3.2) wurden der Inputtext und die Situation ausgewählt? ▷ Welche Strategien haben Sie bei der Phase der Planung, Ausführung und Korrektur verwendet? Inwieweit haben die angegebenen Informationen Ihre Lösungstätigkeit beeinflusst? ▷ Welche Schlussfolgerungen können Sie aus dem produzierten Text ziehen? <?page no="138"?> 138 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Illustrierendes Beispiel Die folgende Tabelle illustriert die Zusammenhänge zwischen dem Testkonstrukt, der Aufgabe, der Performanz und deren Interpretation an dem im Experiment angeführten Beispiel. Testkonstrukt Schriftlicher Ausdruck Teilfertigkeit Interaktion Aktivität Korrespondenz Messziel B1: „Kann in persönlichen Briefen und Mitteilungen einfache Informationen von unmittelbarer Bedeutung geben oder erfragen und dabei deutlich machen, was er oder sie für wichtig hält“ (Europarat 2001: 86). Anforderung Der Lerner soll einen persönlichen Antwortbrief schreiben und darin ein geplantes Ereignis beschreiben, beziehungsweise Vorschläge ausdrücken. ⬇ ⬇ Aufgabe Die Testperson schreibt einen informellen Brief als Antwort auf eine schriftliche Vorgabe und dabei bearbeitet sie vier Leitpunkte. ⬇ ⬇ Performanz Die Testperson bewältigt die Aufgabe der angegebenen Situation und den Absichten entsprechend erfolgreich. ⬇ ⬇ Folgerung und Interpretation Die Testperson kann außerhalb der Prüfungssituation persönliche Briefe zu Themen aus dem alltäglichen Bereich und dem persönlichen Interessengebiet ihrer Kommunikationsabsichten entsprechend, kommunikativ angemessen verfassen und Informationen austauschen. Tabelle 4.1: Zusammenhänge zwischen dem Testkonstrukt, der Aufgabe, der Performanz und deren Interpretation Sprechen und Schreiben werden mithilfe von Performanztests gemessen, die den Qualitätskriterien von Authentizität und Interaktivität entsprechend entwickelt werden (vergleiche Lerneinheit 3.2). Das bedeutet, dass die Testaufgaben so gestaltet werden, dass sie möglichst realitätsnahe Kommunikationssituationen abbilden und zielsprachliche Verwendungsdomänen repräsentieren (Bachman & Palmer 2010: 60). In diesen Aufgaben wird also danach gestrebt, dass das in der Prüfungssituation geforderte sprachliche Handeln in realen Situationen in ähnlicher Form vorkommt, um aus der Testleistung auf entsprechende Leistungen außerhalb der <?page no="139"?> 139 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten Prüfungssituation schließen zu können (Grotjahn & Kleppin 2015: 43). Außerdem sollten in den Aufgaben für die Lerner realitätsnahe und relevante Rollen festgelegt werden, in denen zum Beispiel ihr Alter und Bildungsstand berücksichtigt werden. Daraus folgt also, dass die Aufgaben immer in einen angemessenen sozialen und situativen Kontext eingebettet werden sollen. Anhand der durch die Aufgaben ausgelösten Performanz wird überprüft, inwieweit der Kandidat oder die Kandidatin die Sprachhandlungen effektiv und erfolgreich umgesetzt hat. Um diese Performanz sinnvoll interpretieren zu können, wird zwischen den in der Testsituation gezeigten Aktivitäten und den zu messenden Sprachkompetenzen unterschieden. Ziel ist es zu erreichen, dass Folgerungen aus einer erfolgreichen Performanz auf das Konstrukt zurückbezogen werden, das als Messziel definiert wurde. Daraus folgt, dass die Entscheidung für eine Testaufgabe nicht willkürlich, sondern nach sorgfältiger Überlegung und Festlegung der Zielsetzungen im Testkonstrukt zu treffen ist. 4.2.2 Aufgabengestaltung zum schriftlichen und mündlichen Ausdruck Die produktiven Fertigkeiten werden mit Hilfe von offenen Aufgabenformaten getestet, die auch in hinreichendem Maße den Kriterien der Objektivität und Reliabilität entsprechen sollten. Das Problem liegt aber darin, dass diese Kriterien nicht vollständig erfüllt werden können, weil die Beurteilung produktiver sprachlicher Leistungen immer auch subjektive Elemente enthält. Deshalb werden verschiedene Objektivierungsverfahren in den Testaufgaben und bei der Bewertung (vergleiche Lerneinheit 4.3) verwendet, um die Schülerleistungen vergleichen und unter gleichen Umständen bewerten zu können. Experiment Wir illustrieren die Prinzipien der Aufgabenerstellung an Beispielen, auf die wir in den folgenden Abschnitten zurückkommen werden. Bitte lesen Sie die folgenden Schreib- und Sprechaufgaben: a) Die Schreibaufgaben stammen aus einem Modellsatz zum Zertifikat B1 für Jugendliche (Dengler, Lorenz & Wiedenkeller 2012: 19). Sie finden sie unter http: / / www.berzsenyi.hu/ dibusz/ nemet_mk/ nyelvvizsga/ goethe_osd/ goethe_osd_b1_jugendliche/ goethe_osd_b1_ zert_jug_modellsatz.pdf. b) Die Kandidaten- und Prüferblätter zu den Sprechaufgaben stammen aus einem Modellsatz zum telc Deutsch A2 (Übungstest 1, Start Deutsch 2 2017: 21-25, 31-32): https: / / www. telc.net/ pruefungsteilnehmende/ sprachpruefungen/ pruefungen/ detail/ telc-deutsch-a2.html#t=2. Beantworten Sie die folgenden Fragen: ▶ Wie wurde die Textproduktion der Lerner in den Schreib- und Sprechaufgaben gesteuert? ▶ Was meinen Sie: Warum ist es bei den Sprechaufgaben notwendig, die Arbeit der Moderatoren und Assessoren, die die sprachliche Leistung bewerten, zu verteilen? Warum müssen die Moderatoren festlegen, welche Informationen sie den Testpersonen mitteilen können und wie sie die Fragen stellen sollen? <?page no="140"?> 140 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Die analysierten Testaufgaben in dem Experiment zeigen, dass sie sich voneinander dadurch unterscheiden, wie sehr sie die Lösungstätigkeit steuern und welche Hilfestellungen sie anbieten. Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Prinzipien der Aufgabengestaltung formulieren (vergleiche ALTE 2006a: 30 ff): ▶ Je niedriger die Steuerung ist, desto offener ist die Aufgabe und desto schwieriger ist die faire Bewertung, weil die Lerner inhaltlich unterschiedliche Texte produzieren, deren Qualität auch vom Bildungshintergrund der Testpersonen abhängen kann. ▶ Je höher die Steuerung, desto größer ist die Menge an Inputtexten, die Lerner bei der Lösung der Aufgabe verarbeiten sollen, und umso stärker wird die Leistung durch Lese- und Hörfertigkeit beeinflusst. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Prüflinge (modifizierte) Sätze aus dem Input übernehmen. ▶ Je komplexer die Steuerung, desto einheitlicher sind die Antworten der Lerner und desto geschlossener ist die Aufgabe, und umso schneller und zuverlässiger kann die Bewertung sein aber diese Steuerung kann die Validität herabsetzen. ▶ Je höher das erwartete Sprachniveau der Testpersonen ist, desto komplexer sollte die geforderte produktive Leistung sein, um die Validität zu sichern. Im Folgenden geben wir Ihnen einige Hinweise zur Erstellung von Schreib- und Sprechaufgaben an die Hand (vergleiche ALTE 2006a: 41 f; Tankó 2005: 48). Die Anweisung in der Testaufgabe sollte ▶ klar, kurz und eindeutig dem zu messenden Sprachniveau entsprechend formuliert werden; ▶ nicht zu kompliziert oder missverständlich formuliert werden; ▶ in einen Kontext durch die Angabe einer Situation eingebettet werden; ▶ Alter und Bildungshintergrund der Testpersonen berücksichtigen; ▶ alle, aber nur die notwendigen Informationen angeben; ▶ einheitlich, vorab festgelegt, also standardisiert sein (zum Beispiel durch die Verwendung gleicher Zeitvorgaben, Hilfsmittel, Instruktionen und Bewertungskriterien); ▶ bei unbekannten Lösungstätigkeiten und auf der elementaren Sprachverwendung eine Musterantwort enthalten. Damit die Testaufgaben realen Kommunikationssituationen und der Lebensrealität der Lerner entsprechen, wird der kommunikative Rahmen in den Arbeitsanweisungen genau definiert (Bolton 1996: 81). Dabei muss die Rolle der Testperson und des Kommunikationspartners oder der -partnerin genau angegeben werden. Die Testaufgabe soll auch Informationen darüber enthalten, in welcher Situation (Anlass) und zu welchem Zweck (kommunikativer Absicht, Ziel) die Lerner die Aufgaben bewältigen sollen. Die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin bestimmt auch seine oder ihre soziokulturell angemessene Ansprache, das von den Prüflingen erwartete sprachliche Register (formell, informell, halbformell oder neutral) und die Höflichkeitsformen. Die genaue Angabe des kommunikativen Rahmens ist auch zur Bewertung des produzierten Textes nach kommunikativen Aspekten notwendig. In den Testaufgaben werden in Abhängigkeit von den Messzielen verschiedene Steuerungsformen angewandt (Einhorn 2012: 51 f): <?page no="141"?> 141 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten ▶ Um die formale Steuerung zu erreichen, wird in der Testaufgabe angegeben, welcher Textsorte entsprechend die Lerner den Text gestalten sollen. Deshalb werden die Testpersonen zum Beispiel darauf aufmerksam gemacht, die formalen Besonderheiten wie zum Beispiel Anrede, Datum, Gruß und Unterschrift in einem Brief zu beachten. ▶ Bei der sprachlichen Steuerung werden die Testpersonen zum Beispiel darüber informiert, welche Rolle die sprachliche Ausdrucksweise bei der Bewertung spielt. In der Testaufgabe oder in der Prüfungsregelung wird angegeben, welche Hilfsmittel (zum Beispiel Wörterbücher, Nachschlagewerke) die Prüflinge verwenden können. Zu der sprachlichen Steuerung gehört auch, wenn Lösungsbeispiele von der Moderatorin oder von dem Moderator während der mündlichen Prüfung vor allem auf dem Niveau elementarer Sprachverwendung gegeben werden. ▶ Die strategische Steuerung bezieht sich darauf, die Aufmerksamkeit der Kandidaten und Kandidatinnen vor der Lösung der Aufgaben in Form einer Anleitung auf die einzelnen Phasen (Planung, Ausführung, Kontrolle oder Reparatur) der Textproduktion zu lenken. Damit werden sie unterstützt, effektive Kommunikationsstrategien in der zur Verfügung stehenden Zeit zu aktivieren. ▶ Die inhaltliche Steuerung in Form von Inhaltspunkten ist von großer Bedeutung, weil sie einerseits dazu dienen können, die Textproduktion der Testpersonen detailliert zu steuern und andererseits die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. Außerdem müssen die Prüflinge genau darüber informiert werden, was und wie viel von ihnen erwartet wird. Damit die Inhaltspunkte diese Funktionen erfüllen, sollten in den Testaufgaben nur die Leitpunkte angegeben werden, die aus dem Input und aus der Mitteilungsabsicht erfolgen, und die die Prüflinge bei der Behandlung verändern sollen. Zwischen den Leitpunkten sollten möglichst keine Überlappungen vorkommen. Die Verwendung dieser Steuerungsformen in den Aufgaben ist ein flexibles Verfahren, das dem Sprachniveau der Lerner angepasst werden kann (vergleiche Bolton 1996). Daraus folgt aber immer das Dilemma des Aufgabenerstellers, die Hilfe und Steuerung genau und hinreichend dem Messziel anzupassen. Diese bewusste Anwendung der Steuerungsformen ist auch bei informellen Performanztestaufgaben und Lernaufgaben von großer Bedeutung. Durch sie kann die Lehrkraft den Lernern die einzelnen Schritte der Textproduktion verdeutlichen und überprüfen, in welcher Phase sie noch Unterstützung brauchen (vergleiche Lerneinheit 5.3). Schreibaufgaben gestalten Auf den Niveaustufen für die elementare Sprachverwendung werden viele Steuerungsformen verwendet, um die Textproduktion der Lerner zu unterstützen. Der Grund dafür ist, dass sprachliches Handeln auf diesen Stufen auf den rein funktionalen Bereich beschränkt bleibt. Aufgrund der Deskriptoren im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen können Lerner „einfache, isolierte Wendungen und Sätze schreiben und diese [auf Stufe A2] mit Konnektoren wie ,und', ,aber' oder ,weil' verbinden“ (Europarat 2001: 67). Auch die produzierbaren Textsorten sind beschränkt (zum Beispiel Formulare ausfüllen, Postkarten oder einfache Mitteilungen schreiben). Elementare Sprachverwender sind auf die Unterstützung <?page no="142"?> 142 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten des Gesprächspartners oder der -partnerin angewiesen. Deshalb werden in den Testaufgaben die Inputtexte und die Leitpunkte sprachlich ausformuliert angegeben. Dabei wird also bewusst hingenommen, dass die Fertigkeiten Lesen und Schreiben voneinander nicht getrennt werden können. Deshalb wird den Probanden die Möglichkeit gegeben, einzelne Wendungen oder Formulierungen aus der Testaufgabe sprachlich modifiziert in ihre Texte zu übernehmen. Schreibende sind auf den Niveaus B1 und B2 weniger auf Hilfestellungen des Gesprächspartners oder der -partnerin angewiesen (vergleiche Europarat 2001: 67, 86). Zur Bewältigung der kommunikativen Aufgaben sollte auch auf der Stufe B1 eine gewisse Vertrautheit mit den Themen vorhanden sein, aber im Vergleich zur Stufe A2 sollten komplexere Sprachhandlungen (wie beschreiben, begründen, erläutern, vergleichen, Meinung äußern) nicht nur in privaten, sondern auch in halböffentlichen Schreibsituationen bewältigt werden. Lerner auf B2 sind in der Lage, schriftliche Äußerungen angemessen zu strukturieren und unter anderem Sachverhalte oder Ideen klar und systematisch auszudrücken, um auch argumentative, detaillierte Texte zu schreiben. Deshalb werden die Steuerungsformen eher dazu verwendet, die Prüflinge zu informieren, ihre Aufmerksamkeit auf die Erwartungen bezüglich des zu produzierenden Textes zu lenken. Dabei wird darauf geachtet, den Testpersonen nicht allzu viel sprachliches Material vorzugeben. Deshalb werden die Leitpunkte eher abstrakt und stichwortartig vorgegeben. Zwischen den Niveaustufen der kompetenten Sprachverwendung (C1-C2) und den Stufen B1 und B2 gibt es Unterschiede bei den Schreibaufgaben hinsichtlich der erwarteten Komplexität, Länge und der sprachlichen Qualität der Texte. Prüflinge auf C1 und C2 sollten klare, gut strukturierte Ausführungen zu komplexen und abstrakten Themen schreiben und dabei zentrale Punkte deutlich hervorheben. Dazu sollten sie einen differenzierten Umgang mit formellen Registern pflegen können (Europarat 2001: 67, 86). Mögliche Aufgaben sind: die im Input angegebenen Informationen in einen Brief umsetzen oder einen Text mit Registerwechsel umformulieren (vergleiche zum Beispiel Goethe-Zertifikat C2, Modellsatz: 2011). Sprechaufgaben gestalten Auch bei Sprechaufgaben hat die zu messende Teilfertigkeit und die Niveaustufe einen Einfluss darauf, welche Aufgabentypen und welche Steuerungsformen darin verwendet werden. Es gibt aber eine Reihe von Merkmalen, die speziell bei der Entwicklung von Sprechaufgaben beachtet werden sollten. Sie ergeben sich aus den Unterschieden zwischen der schriftlichen und mündlichen Textproduktion. Folgende Fragen sind bei der Gestaltung und Verwendung von Sprechaufgaben zu klären (vergleiche ALTE 2006a: 37): ▶ Wird die Aufgabe als Gespräch mit einem Prüfer durchgeführt oder werden die Lerner aufgefordert untereinander zu kommunizieren? ▶ Werden die Vorgaben mündlich, schriftlich, in Form von Bildern oder in kombinierter Form gegeben? <?page no="143"?> 143 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten Diese Fragen könnten auch mit einem Wie? ergänzt werden, weil die Art und Weise, wie Sprechaufgaben verwendet werden, deren Qualität deutlich beeinflusst. Deshalb muss der Aufgabenautor oder die -autorin sich bei der Gestaltung der Sprechaufgaben sorgfältig überlegen, wie die Vorgaben angegeben und wie die Aufgabe dem Messziel entsprechend angewendet werden sollte. Das bedeutet in der Praxis, dass es nicht ausreicht, die Aufgaben nur für die Prüflinge zu gestalten, sondern zur Aufgabenerstellung gehört auch, Prüferblätter mit klaren Hinweisen zur Durchführung der mündlichen Prüfung und Zusatzfragen zu planen. Dadurch können schon vor der Verwendung der Aufgaben viele Qualitätsprobleme entdeckt und behandelt werden. Deshalb ist es empfehlenswert, die Prüferblätter auch bei den von der Lehrkraft erstellten, informellen Aufgaben zu gestalten. Außerdem soll auf angemessenes Prüferverhalten geachtet werden (vergleiche die Prüferregeln in Perlmann-Balme & Dengler 2007: 62 f). Im Folgenden stellen wir Aufgaben zur mündlichen Produktion und Interaktion vor und zeigen dabei, auf welche Aspekte bei deren Erstellung und Durchführung geachtet werden sollte. Mit Testaufgaben zur mündlichen Produktion kann überprüft werden, inwieweit die Lerner dazu fähig sind, zusammenhängend über ein Thema zu sprechen. Nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001: 64 ff) ist die Produktion auf den Stufen A1 und A2 auf die Formulierung von isolierten und einfachen Wendungen und Sätzen beschränkt, deshalb werden die Prüflinge aufgefordert, nach einem Musterbeispiel über sich selbst zu sprechen. Ab den Niveaustufen für die selbstständige Sprachverwendung sind Lerner dazu fähig, in einem Monolog ein Thema zu präsentieren. Die Unterschiede zwischen den Niveaustufen betreffen unter anderem die Erweiterung des Themenkreises und der Strukturierung der Gedanken. Je nach dem erwarteten Sprachniveau besteht die Aufgabe darin, ein Thema aufgrund von Inputtexten oder aufgrund des Vergleichs von Bildern oder Meinungen strukturiert vorzustellen, dabei eigene Erfahrungen einzubringen, Stellung zu nehmen, die angegebenen Informationen miteinander zu vergleichen, und die persönliche Meinung zur dargestellten Problematik zu äußern. Ziele dieser Aufgaben sind nicht das inhaltliche Vorwissen über das Thema, sondern die sprachliche Realisierung der Produktion zu überprüfen. Um diese Aspekte zu trennen und zu erreichen, dass die Lerner ihren sprachlichen Leistungsstand optimal zeigen können, werden bei der Aufgabenerstellung folgende Verfahren in der Praxis der Sprachprüfungen verwendet: ▶ Den Testpersonen werden Wahlmöglichkeiten angeboten, damit sie über ein Thema sprechen können, das ihrem Interesse und Hintergrundwissen am meisten entspricht. Um die Produktionen der Lerner miteinander vergleichen zu können, wird auf die Äquivalenz der Themen und der Sprachhandlungen geachtet (so ist zum Beispiel der Aufbau der Aufgabe gleich). ▶ Die Prüflinge werden auf allen Niveaustufen vor allem durch die Verwendung von inhaltlichen und strategischen Steuerungsformen unterstützt. Dadurch wird verhindert, dass sie den Vortrag vorher auswendig lernen. ▶ Den Lernern wird immer eine bestimmte, angemessene Vorbereitungszeit gegeben, um ihre Gedanken zu sammeln und sich eventuell Notizen zu machen. Je nach Messzielen können sie dabei Wörterbücher verwenden. <?page no="144"?> 144 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten ▶ Während der mündlichen Produktion werden die Prüflinge darauf aufmerksam gemacht, die Präsentation frei vorzutragen und nicht vom Blatt abzulesen. Zum mündlichen Ausdruck gehört auch, dass Lerner muttersprachliche Gesprächspartner verstehen und auf ihre Fragen adäquat reagieren können. Dabei können Prüfende zu einer Vorstellung der Testperson Nachfragen stellen. Die Sprache der Prüfer wird vor allem auf dem Niveau für elementare Sprachverwendung gesteuert: Die Fragen werden vorher festgelegt, damit das Gespräch bei allen Lernern gleich abläuft und die Testpersonen unterstützt werden können. Auf höherer Stufe dient das mündliche Interview einerseits dazu, zum monologischen Sprechen Nachfragen zu stellen. Außerdem können die Fragen in der Aufwärmphase als Eisbrecher verwendet werden. Ihre Funktion ist, die Prüfungsatmosphäre aufzulockern und Angst zu reduzieren. Dabei wird darauf geachtet, die Fragen dem eigenen Interesse und dem Sprachniveau der Kandidaten und Kandidatinnen anzupassen. Im Folgenden finden sich die wichtigsten Charakteristika solcher Aufgaben (vergleiche Swender 1999; Tschirner 2005): ▶ Das mündliche Interview besteht aus verschiedenen Phasen und dazu wird in der Regel keine Vorbereitungszeit gegeben, um das spontane Reagieren der Testperson überprüfen zu können. ▶ Die angemessene Durchführung des mündlichen Interviews setzt eine hohe Prüfungskompetenz voraus. Prüferinnen und Prüfer sollten über eine angemessene Fragetechnik verfügen. Sie ist vor allem durch die Verwendung von offenen W-Fragen charakterisiert. Wenn Entscheidungsfragen gestellt werden, dann muss man die Antwort der Lerner zum weiteren Verlauf des Gesprächs verwenden. Bei der Fragestellung muss auch darauf geachtet werden, nicht allzu viele Fragen nacheinander zu stellen. ▶ Beim mündlichen Interview stellen Prüflinge normalerweise selbst keine Fragen, deshalb ist diese Aufgabenform eher unangemessen, um zu überprüfen, inwieweit die Lerner dazu fähig sind, an thematischen Konversationen teilzunehmen. Zum Testkonstrukt des mündlichen Ausdrucks gehört auch, zu überprüfen, inwieweit die Lerner dazu fähig sind, an Gesprächen aktiv teilzunehmen und kommunikative Aufgaben zu bewältigen. Aufgaben zur Überprüfung elementarer Sprachverwendung können darin bestehen, sowohl Fragen zu stellen als auch diese angemessen zu beantworten. Auf höheren Stufen wird erwartet, dass Lerner ein Gespräch beginnen, aufrechterhalten und abschließen, beziehungsweise dabei Kommunikationsbedürfnisse realisieren, zum Beispiel etwas herausfinden oder gemeinsam ein Problem kommunikativ angemessen lösen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden oft Paarprüfungen angewendet. Die mündliche Interaktion kann auch als Einzelprüfung mit einem Prüfer durgeführt werden. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile (vergleiche Csépes & Együd 2004: 32 ff; Brooks 2009; Einhorn 2012: 54 f; Grotjahn & Kleppin 2015: 67, 152): ▶ Vorteile von Paarprüfungen sind, dass die Lerner an das eher langsame Sprachtempo des Gesprächspartners oder der -partnerin gewöhnt sind. So können sie einander besser verstehen und sich gegenseitig unterstützen. Nachteile sind, dass die Schülerpaare sich hinsichtlich der gegenseitigen Unterstützung und der verwendeten kommunikativen <?page no="145"?> 145 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten Strategien voneinander deutlich unterscheiden können. Außerdem ist die getrennte Bewertung der sprachlichen Leistung oft nicht einfach. ▶ Ein Vorteil von Einzelprüfungen ist, dass die Durchführung einheitlicher sein kann, wenn die Prüferin oder der Prüfer sich sprachlich auf die Lerner einstellen und ihnen die Gesprächsführung überlassen kann. Ein Nachteil ist, dass Lerner während der Einzelprüfungen selbst weniger Fragen stellen und im Vergleich zu den Paarprüfungen weniger komplexe Interaktionen und Handlungsprozesse führen. Um diese Vor- und Nachteile angemessen berücksichtigen zu können, müssen bei der Erstellung von Testaufgaben zur partnerorientierten Interaktion folgende Aspekte beachtet werden: ▶ Den Testpersonen werden Rollenkarten gegeben, die die Funktion haben, die Interaktion anzustoßen und zu leiten, um so das in der Aufgabe angegebene Problem kommunikativ zu lösen. Dazu können Aufgaben mit einer Informationslücke verwendet werden, in denen während der Paarprüfung zum gleichen Problem unterschiedliche Kandidatenblätter oder in einer Einzelprüfung für die Prüfende zusätzliche Informationen vermittelt werden. ▶ Es gilt für alle mündlichen Aufgaben, aber speziell für Rollenspiele, dass die Lerner nur ihrem Alter und Bildungshintergrund entsprechende Rollen übernehmen dürfen. 4.2.3 Bewertung sprachlicher Leistungen nach inhaltlichen und kommunikativen Aspekten Bei der Beurteilung nach inhaltlichen Aspekten wird überprüft, inwieweit die Testperson ihr kommunikatives Ziel erreicht hat, und wie die in den Anforderungen angegebenen Sprachhandlungen erfüllt wurden. Bei der Bewertung der inhaltlichen Angemessenheit des produzierten Textes können einerseits die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen definierten Deskriptoren zur Genauigkeit des Ausdrucks verwendet werden, und zwar „die Fähigkeit, Gedanken und Inhalte so zu formulieren, dass das Gemeinte klar wird“ (Europarat 2001: 128). Andererseits dienen die Inhaltspunkte in den Testaufgaben dazu, die Bewertung zu ermöglichen. Dabei sollen die Prüferinnen und Prüfer nicht nur eine quantitative Entscheidung treffen (das heißt, ob die Behandlung des jeweiligen Leitpunktes vorhanden ist oder nicht), die Formulierung der Inhaltspunkte sollte auch die qualitative Entscheidung ermöglichen, ob der behandelte Leitpunkt inhaltlich und im Umfang ausführlich genug oder nur oberflächlich ausgeführt wurde. Die Erfüllung der Aufgabenstellung kann auch durch kommunikative Aspekte beurteilt werden. Dabei wird überprüft, inwieweit die adressatenbezogene Ausdrucksweise angemessen ist. Dazu gehört, inwieweit das sprachliche Register der Textsorte und der Mitteilungsabsicht im Hinblick auf den Kommunikationspartner und den Anlass des Schreibens oder des Sprechens entspricht. Dabei wird also die soziolinguistische Kompetenz bewertet, die „die Kenntnisse und Fertigkeiten [betreffen], die zur Bewältigung der sozialen Dimension des Sprachgebrauchs erforderlich sind“ (Europarat 2001: 118). Dazu gehört unter anderem die sprachlich angemessene Realisierung sozialer Beziehungen (zum Beispiel durch die Verwendung angemessener Anrede- und Grußformeln), die Berücksichtigung der Höflichkeitskon- <?page no="146"?> 146 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten ventionen und des sprachlichen Registers. Die Kann-Beschreibungen zur soziokulturellen Angemessenheit (Europarat 2001: 121 f) können als Grundlage zur Bewertung verwendet werden. In kommunikativen Sprachprüfungen ist die Bewertung des produzierten Textes nach inhaltlichen und kommunikativen Aspekten vorrangig. Das bedeutet in der Praxis Folgendes: Wenn der Text seine kommunikativen Ziele nicht erfüllt und den angegebenen Mitteilungsabsichten nicht entspricht, wird die Gesamtpunktzahl der Schülerarbeit mit 0 Punkten bewertet, auch wenn der Text aus formeller Sicht angemessen ist. Wenn die Testperson die kommunikative Situation missversteht und das Thema verfehlt, dann kann man die gezeigte Performanz nicht den Messzielen und Anforderungen entsprechend interpretieren. Daraus folgt die Verantwortung, die Aufgabe klar zu formulieren und gegebenenfalls während der mündlichen Prüfung einzugreifen. Bei informellen Sprachtests ist es aber ratsam, auch diese Texte nach ihrer sprachlichen Qualität (vergleiche Lerneinheit 4.3) zu bewerten, um darüber Rückmeldungen geben zu können. 4.2.4 Zusammenfassung ▶ Bei der schriftlichen und mündlichen Textproduktion handelt es sich um produktive und interaktive sprachliche Aktivitäten. Anhand der Performanz, die Lerner während der Erfüllung der kommunikativen Sprech- oder Schreibaufgaben gezeigt haben, kann man auf die Sprech- und Schreibfertigkeit außerhalb der Prüfungssituationen schließen. ▶ Um das Testkonstrukt zur Erstellung der Performanztestaufgaben zu definieren, wird zuerst die zu messende Teilfertigkeit bestimmt. Dann werden die zu der zu messenden Niveaustufe gehörenden Kann-Beschreibungen für die Bereiche schriftliche und mündliche Produktion beziehungsweise Interaktion allgemein und in verschiedenen Aktivitäten verwendet, um die Messziele festzulegen. Diese Informationen werden benötigt, um die Testaufgabe den Anforderungen gemäß zu gestalten. ▶ Bei der Erstellung der Schreib- und Sprechaufgabe wird darauf geachtet, dass sie der Lebenssituation der Lerner wirklich entspricht. Nur dadurch kann überprüft werden, inwieweit die Testperson zur angegeben Situation passend handeln kann. ▶ Anhand der produzierten Texte wird in erster Linie die inhaltliche und kommunikative Aufgabenbewältigung überprüft. 4.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Beschreiben Sie den Prozess der Definition des Testkonstrukts zum schriftlichen und mündlichen Ausdruck. 2. Charakterisieren Sie die Merkmale und die Bestandteile von Performanztestaufgaben und die Funktionen von Objektivierungsverfahren und Steuerungsformen. 3. Woraus ergeben sich die Unterschiede zwischen den Schreibaufgaben auf den verschiedenen Niveaustufen? <?page no="147"?> 147 4.2 Überprüfung der produktiven Fertigkeiten 4. Stellen Sie die Aufgabenformen zur mündlichen Produktion und Interaktion vor und charakterisieren Sie dabei, worauf man bei der Erstellung und Durchführung der Aufgaben achten sollte. 5. Wie kann man die produzierten Texte nach inhaltlichen und kommunikativen Aspekten bewerten? <?page no="148"?> 148 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen Kommunikative Sprachkompetenzen werden von den Sprachverwendern und -verwenderinnen dazu eingesetzt, rezeptive, produktive und interaktionelle Sprachaktivitäten zu verwirklichen. Einzelne Elemente dieser Kompetenzen wie Grammatik und Wortschatz werden im Fremdsprachenunterricht sowohl gesondert als auch in kommunikativen Aktivitäten integriert vermittelt und überprüft. Außerdem ermöglichen die produzierten schriftlichen und mündlichen Lernertexte Rückschlüsse auf einzelne Bestandteile dieser Sprachkompetenzen wie zum Beispiel auf Flüssigkeit, Aussprache, Kohärenz, Wortschatzbeherrschung, Orthographie oder sprachliche Realisierung. Sie haben aber ganz bestimmt Erfahrungen darüber, dass die Beurteilung der sprachlichen Qualität der Texte auch einige subjektive Elemente enthalten kann. In diesem Zusammenhang behandeln wir die folgenden Fragen: Wie können die kommunikativen Sprachkompetenzen charakterisiert werden? Wie können einzelne Komponente dieser Kompetenzen isoliert oder integriert überprüft werden? Mit welchen Verfahren können die Einflussfaktoren kontrolliert werden, die die Qualität der Bewertung der produzierten Lernertexte beeinflussen? In dieser Lerneinheit geben wir Ihnen auch die Möglichkeit, Bewertungsskalen anzuwenden und wir stellen dar, wie Sie diese adaptieren und verwenden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen charakterisieren können; ▶ den Anforderungen entsprechend Testaufgaben zur Überprüfung einzelner Elemente der lexikalischen und grammatischen Kompetenz selbst erstellen können; ▶ verschiedene Bewertungsverfahren zur Überprüfung der sprachlichen Qualität der geschriebenen und gesprochenen Texte charakterisieren können; ▶ Bewertungsskalen den Messzielen entsprechend verwenden und adaptieren können. 4.3.1 Zum Begriff der kommunikativen Sprachkompetenz Bei der Ausführung der kommunikativen Sprachaktivitäten realisieren Sprachverwendende ihre kommunikativen Kompetenzen, um verschiedene kommunikative Aufgaben zu bewältigen. „Kommunikative Sprachkompetenzen befähigen Menschen zum Handeln mit Hilfe spezifisch sprachlicher Mittel“ (Europarat 2001: 21). Die Komponenten dieses Konstrukts wurden in verschiedenen Modellen beschrieben (siehe Canale & Swain 1980; Canale 1983; Bachman 1990; Bachman & Palmer 1996, 2010; Weir 2005; Europarat 2001), um die Komplexität der Kommunikationsfähigkeit überschaubarer zu machen und um das Messen des Sprachwissens zu ermöglichen. Abgesehen von den Einzelheiten, besteht es in diesen Modellen Einigkeit darüber, dass kommunikative Kompetenzen die Summe vom deklarativen und prozeduralen Sprachwissen sind. Deklaratives Wissen bedeutet die Kenntnisse über die <?page no="149"?> 149 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen Sprache. Prozedurales Wissen umfasst die Fähigkeiten und mentale Prozesse, die die Verwendung von Kenntnissen ermöglichen. Grammatik und Wortschatz sind zur Ausführung von sprachlichen Handlungen notwendig, aber sie sind nicht die einzigen Elemente, sondern integraler Bestandteil aller sprachlichen Aktivitäten. Im kommunikativen Fremdsprachenunterricht sollten sie deshalb, soweit möglich, den Handlungszwecken untergeordnet explizit vermittelt werden. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, während und am Ende des Lehr- und Lernprozesses zu überprüfen, inwieweit die Lerner über lexikalische, grammatische, semantische und pragmatische Kenntnisse verfügen. Dementsprechend werden Grammatik und Wortschatz in kommunikativen Sprachprüfungen als Mittel zum Zweck des Hör- und Leseverstehens, schriftlichen und mündlichen Ausdrucks mitbewertet. Auch die einzelnen Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen (siehe Tabelle 4.2) werden fähigkeitsübergreifend in den verschiedenen Prüfungsteilen integriert getestet. In Lese- und Hörverstehenstests werden sie rezeptiv überprüft und bei den produktiven Fertigkeiten werden sie mit Hilfe von Bewertungsskalen nach inhaltlichen, kommunikativen und sprachlichen Aspekten bewertet. Gezielt können Grammatik- und Wortschatzkenntnisse in den Prüfungsteilen Leseverstehen und Schreibfertigkeit integriert (wie zum Beispiel in den Goethe-Sprachprüfungen) oder in einem Prüfungsteil (wie in den TELC -Sprachprüfungen) gesondert gemessen werden. Kommunikative Sprachkompetenzen Komponenten Linguistische Kompetenzen Soziolinguistische Kompetenzen Pragmatische Kompetenzen Elemente ▶ Lexik ▶ Grammatik (Morphologie, Syntax) ▶ Semantik ▶ Orthographie ▶ Aussprache, Intonation ▶ Konventionen des Sprachgebrauchs ▶ Dialekt und Varietäten ▶ Register ▶ Diskurskompetenz (Textuelles Wissen: Rhetorik, Kohärenz und Kohäsion, Stil) ▶ Funktionale Kompetenz Tabelle 4.2: Komponenten und Elemente der kommunikativen Sprachkompetenzen (Europarat 2001: 109 ff) Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen bietet Kann-Beschreibungen an (Europarat 2001: 37 f, 110 ff), die zur Definition der Messziele und Anforderungen, und zur Bewertung der sprachlichen Qualität der während der schriftlichen und mündlichen Textproduktion gezeigten Performanz verwendet werden können. Die Deskriptoren ermöglichen auf den einzelnen Niveaustufen die Beurteilung von verschiedenen qualitativen Aspekten der linguistischen Kompetenzen (zum Beispiel Spektrum und Beherrschung des Wortschatzes, Aussprache und Intonation, etc.). Die soziolinguistischen Kompetenzen können durch die Überprüfung der soziolinguistischen Angemessenheit der produzierten Texte bewertet werden. Die pragmatischen Kompetenzen können durch Kohärenz und Kohäsion, mündliche Flüssigkeit und Genauigkeit beurteilt werden (vergleiche Lerneinheit 4.2). <?page no="150"?> 150 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten 4.3.2 Isolierte und integrierte Überprüfung von Sprachkompetenzen Um die Kenntnis grammatischer Strukturen und lexikalischer Ausdrücke überprüfen zu können, ist es notwendig, dem Sprachniveau entsprechend die erwarteten lexikalischen und grammatischen Elemente zu bestimmen. Zu diesem Zweck kann Profile Deutsch verwendet werden (Glaboniat, Müller, Rusch, Schmitz & Wertenschlag 2005). In Sprachprüfungen wird das Sprachmaterial aufgelistet in Inventaren angegeben (siehe zum Beispiel Glaboniat, Perlmann-Balme & Studer 2013), die die Funktion haben, Sprachhandlungen, Wortschatz und Grammatik als Obergrenze und als Richtwerte zu definieren, die die Kandidaten auf dem jeweiligen Sprachniveau können sollten. Auf den Niveaustufen der elementaren Sprachverwendung werden die angegebenen sprachlichen Elemente eher rezeptiv überprüft und bei der Produktion hat die Verständlichkeit der Mitteilung einen höheren Stellenwert als die formale Korrektheit. Auf den Stufen für die selbstständige Sprachverwendung wird eine Erweiterung des Umfangs und des Spektrums der sprachlichen Mittel erwartet. Auf C1 und C2 ist die Überprüfung einer höheren Genauigkeit in der Beherrschung von Grammatik und Wortschatz charakteristisch. Experiment Um die Problematik der Aufgabenstellung zu Grammatik und Wortschatz zu illustrieren, lösen Sie bitte die folgenden Aufgaben. Zu allen Aufgaben gehört derselbe authentische Text, aber die Lösungstätigkeiten sind unterschiedlich. Woraus ergeben sich die Unterschiede? Wie sollten die Lösungen ausgewertet werden? Welche Aufgabe ist für die Überprüfung von Grammatik und Wortschatz geeignet, welche nicht? Begründen Sie Ihre Antworten. 1. Schreiben Sie die angegebenen Wörter in der richtigen Form in den Text. Achtung! Schreiben Sie in jede Lücke nur ein Wort. (0) ist ein Beispiel für Sie. beginnen finden gefallen kommen machen zusammentragen Der Handysammler Auf die Idee, Handys zu sammeln, ……kam ……(0) Benny bereits mit acht Jahren. Damals ………………………(1) er unterwegs ein kaputtes Mobiltelefon, das jemand achtlos weggeworfen hatte. Benny ………………………(2) die ausgedienten Apparate zu sammeln. Inzwischen hat er 113 Modelle ……………………… (3) und würde später am liebsten einmal aus seiner Sammlung ein Museum ………………………(4). Am besten ……………………… (5) ihm sein „Knochen“, ein schweres Motorola-Ungetüm. <?page no="151"?> 151 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen 2. Schreiben Sie die angegebenen Wörter in der richtigen Form in den Text. Achtung! Schreiben Sie in jede Lücke nur ein Wort. (0) ist ein Beispiel für Sie. 0. kommen 1. finden 2. beginnen 3. zusammentragen 4. machen 5. gefallen Der Handysammler Auf die Idee, Handys zu sammeln, ……kam ……..(0) Benny bereits mit acht Jahren. Damals ………………………(1) er unterwegs ein kaputtes Mobiltelefon, das jemand achtlos weggeworfen hatte. Benny ………………………(2) die ausgedienten Apparate zu sammeln. Inzwischen hat er 113 Modelle ………………………(3) und würde später am liebsten einmal aus seiner Sammlung ein Museum ………………………(4). Am besten ………………………(5) ihm sein „Knochen“, ein schweres Motorola-Ungetüm. 3. Schreiben Sie die angegebenen Wörter in den Text. Achtung! Schreiben Sie in jede Lücke nur ein Wort. Es gibt zwei Wörter zu viel. (0) ist ein Beispiel für Sie. begann fand gefällt gegessen ging kam machen zusammentragen Der Handysammler Auf die Idee, Handys zu sammeln, ……kam ……..(0) Benny bereits mit acht Jahren. Damals ………………………(1) er unterwegs ein kaputtes Mobiltelefon, das jemand achtlos weggeworfen hatte. Benny ………………………(2) die ausgedienten Apparate zu sammeln. Inzwischen hat er 113 Modelle ……………………… (3) und würde später am liebsten einmal aus seiner Sammlung ein Museum ………………………(4). Am besten ……………………… (5) ihm sein „Knochen“, ein schweres Motorola-Ungetüm. Quelle: http: / / iundervisning.dk/ Tysk/ Hjemmesider/ Juma.de/ v.php@fl=2004_2fj3_04_2fmaga.htm Grammatik und Wortschatz werden in kommunikativen Sprachtests mit Aufgaben überprüft, die in authentische Texte eingebettet sind. Daraus folgt aber das Problem, dass die Leistungen durch Lesefertigkeit beeinflusst werden, wie Sie das bei der Durchführung des Experiments gesehen haben. Das Messziel von Aufgabe 1 ist komplex: Um sie zu lösen, brauchen die Lerner nicht nur Grammatik- und Wortschatzkenntnisse, sondern sie sollen auch den ganzen Text detailliert verstehen. Um die Ergebnisse interpretieren zu können, sollten bei jedem Item ein Punkt für die Wahl des richtigen Verbs und ein anderer für die richtige Form gegeben werden. Dadurch hängen aber die Items voneinander ab, deshalb sollte diese Aufgabe nicht für Testzwecke verwendet werden. Aufgabe 2 ist besser dafür geeignet, grammatische Kenntnisse zu überprüfen: Jedes Item testet ein grammatisches Phänomen (Verbkonjugation) auf Satzebene, <?page no="152"?> 152 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten so hängt die Wahl der richtigen Form nicht vom Verständnis des Textes ab. Die Aufgabe 3 ist für die Überprüfung von grammatischen Kenntnissen nicht geeignet, weil sie ohne das Verstehen des ganzen Textes nicht lösbar ist. Sie kann aber als Testaufgabe zur Messung von Leseverstehen verwendet werden. Wenn also das Messziel ist, nur Grammatik und Wortschatz zu testen, dann sollte bei der Aufgabenerstellung darauf geachtet werden, ▶ im Vergleich zu Leseverstehensaufgaben kürzere authentische Texte zu verwenden, die sprachlich einfacher sind und unter dem getesteten Sprachniveau stehen; ▶ das erste Item im Text nicht zu früh anzugeben, damit die Testpersonen die Möglichkeit haben, sich eine Vorstellung vom Text zu machen; ▶ zwischen den einzelnen Items ausreichend Wörter zu lassen, damit die Testpersonen den logischen Zusammenhang des Textes erschließen können; ▶ die einzelnen Items auf Satzebene zu stellen, damit deren Lösung möglichst unabhängig vom Verständnis des ganzen Textes ist; ▶ mit jedem einzelnen Item nur ein grammatisches oder lexikalisches Phänomen zu überprüfen; ▶ die Lösungen nicht zu akzeptieren, die sprachliche oder orthographische Fehler enthalten. Mit den Testaufgaben, die für die Überprüfung kommunikativer Sprachkompetenzen entwickelt werden, können zwei unterschiedliche Anforderungsniveaus getestet werden (Bolton 1996: 118): (1) das Erkennen und (2) das selbstständige Produzieren der richtigen Lösung (siehe Tabelle 4.3). Die Festlegung dieser Anforderungsniveaus ist zur Bestimmung der erwarteten Lösungstätigkeit und zur Auswahl eines angemessenen Aufgabenformats notwendig. Anforderungsniveau Erkennen Produzieren ⬇ ⬇ ⬇ Lösungstätigkeit die richtige Lösung identifizieren, auswählen. die richtige Lösung benennen; ein angegebenes Wort modifizieren; falsche Variante korrigieren; selbständig Texte produzieren ⬇ ⬇ ⬇ Aufgabenformat geschlossen (Mehrfachwahl- und Zuordnungsaufgabe) halboffen (Ergänzungsaufgabe, Fehlerkorrekturaufgabe) offen (Schreib-, Sprechaufgabe) Tabelle 4.3: Zusammenhänge zwischen Anforderungsniveau, Lösungstätigkeit und Aufgabenformat <?page no="153"?> 153 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen Des Weiteren geben wir einen kurzen Überblick über die Charakteristika der oft verwendeten Aufgabentypen. Die geschlossenen Aufgabenformate testen das Erkennen als Anforderungsniveau: ▶ In Mehrfachwahl-Aufgaben (siehe Lerneinheit 4.1) sollen die Testpersonen identifizieren, welche Antwort aus den Optionen richtig ist (Einen Überblick über die Regel zur Erstellung dieser Aufgaben finden Sie in: ALTE 2006a: 12, Bolton 1996: 122 ff; telc Deutsch B1+ Beruf 2014: 24 f). ▶ In Zuordnungsaufgaben sollen die Lerner aus angegebenen Wörtern die passenden in die einzelne Lücke einordnen. Die Testpersonen brauchen die Wörter, die zu mehreren Wortarten gehören, nicht zu modifizieren. Mit diesen Aufgaben können auch syntaktische Kenntnisse überprüft werden, wenn der Text abwechslungsreiche Strukturen enthält. Die erste Hälfte des Satzes wird im Text vorgegeben und die Testpersonen sollen den richtigen Satzteil auswählen, um den Text zu rekonstruieren. Bei beiden Formen soll man Distraktoren angeben, die von leistungsschwachen Lernern als mögliche Lösung angesehen werden, aber nicht in die Lücken passen. Zu den halboffenen Aufgabentypen gehören Ergänzungsaufgaben, in denen die Lerner selbstständig einen Lückentext ausfüllen. Hinsichtlich des Messziels gibt es unterschiedliche Aufgaben: ▶ Mit Ergänzungsaufgaben, in denen die Wörter bewusst getilgt wurden, können bestimmte sprachliche Mittel gezielt überprüft werden: Die Lerner sollen zum Beispiel die in der Testaufgabe angegebenen Wörter (also Verben, Artikel, und so weiter) in der richtigen Form einfügen (wie im Experiment Beispiel 2). ▶ In Cloze-Tests werden ab dem zweiten Satz eines authentischen Textes jedes X-te (meistens 5.-8.) Wort mechanisch gelöscht. Mit dieser Aufgabe können verschiedene Teilkompetenzen wie die Kenntnis grammatischer, semantischer und orthographischer Regeln, globales und detailliertes Textverstehen gemessen werden. Außerdem kann die Fähigkeit überprüft werden, fehlende Informationen aus dem Kontext zu erschließen (Bolton 1996: 127 ff). ▶ Der C-Test besteht aus mehreren (vier bis sechs) kürzeren authentischen Texten, in denen ab dem zweiten Satz die zweite (bei ungerader Anzahl der Buchstaben die kleinere) Hälfte jedes zweiten Wortes gelöscht wird, die die Testpersonen ergänzen sollen. Damit kann man ein umfassendes Bild der allgemeinen sprachlichen und fertigkeitsübergreifenden Kompetenzen (wie Lesekompetenzen, lexikalische, semantische und orthographische Kompetenzen) erhalten (vergleiche Grotjahn 2014). Fehlerkorrekturaufgaben dienen dazu, festzustellen, inwieweit die Prüflinge dazu fähig sind, morphologische, syntaktische und semantische Fehler in einem Text zu erkennen und zu korrigieren ( ALTE 2006a: 21). Die Fähigkeit zur Korrektur von sprachlichen Fehlern ist eine wichtige strategische Kompetenz, aus der sich auf die produktive Verwendung von sprachlichen Mitteln schließen lässt (Grotjahn & Kleppin 2015: 103). Diese Aufgaben werden eher auf den Niveaustufen für selbstständige und kompetente Sprachverwendung angewandt, weil <?page no="154"?> 154 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten die Durchführung der Selbstkorrektur ab dem Niveau B2 ein entscheidendes Kriterium ist (Europarat 2001: 37 f). Mit offenen Performanztestaufgaben (vergleiche Lerneinheit 4.2) kann die selbstständige Textproduktion überprüft werden. Anhand der produzierten Texte können die kommunikativen Sprachkompetenzen nach inhaltlichen, kommunikativen und sprachlichen Aspekten bewertet werden. 4.3.3 Bewertung der Qualität produktiver sprachlicher Leistungen Bei der Bewertung von produktiven Fertigkeiten wird grundsätzlich erwartet, dass die sprachliche Leistung der Lerner mit Hilfe von Punktwerten ausgedrückt wird, aus denen den Messzielen entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden. Der Messwert hängt aber nicht nur von den zu testenden Fertigkeiten ab, sondern er wird durch zahlreiche interne und externe Faktoren beeinflusst (siehe die Modelle von Engelhard 1992: 173, Eckes 2005: 78, Figueras 2012: 17): ▶ Zu den Merkmalen der Testpersonen gehören neben den mit dem zu messenden Konstrukt in Zusammenhang stehenden Faktoren auch konstruktirrelevante Einflussvariablen wie zum Beispiel die Vertrautheit mit dem Aufgabenformat oder Prüfungsangst (vergleiche Lerneinheit 3.2). Die Testaufgaben können den Messwert in dem Sinne beeinflussen, dass sie hinsichtlich der Steuerung der Textproduktion unterschiedlich sein können. Die Art der Testdurchführung kann auch eine Wirkung auf die Leistung der Lerner vor allem bei Sprechaufgaben (vergleiche Lerneinheit 4.2) ausüben. Diese Faktoren sollten bei der Entwicklung und Verwendung der Testaufgaben kontrolliert werden. ▶ Die Beurteiler können bei der Bewertung von Schülerleistungen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Sie können sich zum Beispiel hinsichtlich ihrer Strenge und Milde unterscheiden, beziehungsweise wie sie die auf unterschiedlichen Sprachniveaus stehenden Testpersonen bewerten (vergleiche Eckes 2005, 2008). Deshalb wird in Sprachprüfungen danach gestrebt, die eigenen Norminterpretationen durch Prüferschulungen zu vereinheitlichen und durch statistische Analysen zu untersuchen. ▶ Der Messwert wird deutlich durch die Qualität der Bewertungskriterien und -skalen beeinflusst (vergleiche Lumley 2002, Eckes 2008). Von den Bewertungsskalen wird erwartet, dass sie geeignet sind, die Fertigkeitsniveaus der Probanden genau zu beschreiben. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit den Merkmalen und mit den Vor- und Nachteilen verschiedener Bewertungsverfahren, die dazu dienen, die Subjektivität der Beurteilung auf ein Minimum zu reduzieren. Die Bewertung der formalen Korrektheit kann vor allem (1) nach der Fehleranzahl im Text erfolgen, die sprachliche Qualität der Lernertexte kann durch (2) globale oder (3) analytische Bewertung bestimmt werden (vergleiche Bachman & Palmer 1996; Europarat 2001; ALTE 2006b; Einhorn 2012; Grotjahn & Kleppin 2008, 2015). <?page no="155"?> 155 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen Experiment Um Ihnen die Problematik der verschiedenen Bewertungsverfahren vorzustellen, sehen Sie sich einen Teil aus einer mündlichen Prüfung an. Sie können sehen, wie Pia und Lorenzo die erste Aufgabe im Rahmen ihrer Sprachprüfung lösen. Das Video finden Sie unter http: / / www.goethe. de/ lrn/ prj/ pba/ bes/ gzb/ mat/ deindex.htm#lightbox-video oder unter https: / / www.youtube.com/ watch? v=GZbZLbWMF0M, das Gespräch beginnt bei 1: 40. a) Sehen Sie sich den Videoteil mindestens zweimal an und bewerten Sie Pias und Lorenzos sprachliche Leistung auf Grund der Fehler, die sie machen. Gehen Sie auf folgende Weise vor: ▶ Identifizieren Sie die formalen Fehler, die das Verständnis nicht oder kaum beeinträchtigen. ▶ Identifizieren Sie die sprachlichen Fehler, die das Verständnis stören. ▶ Inwieweit ist das Gesagte verständlich und inwieweit stören die vorkommenden Aussprachefehler das Verständnis? Welche Unterschiede können Sie nach diesen Aspekten bei den Kandidaten erkennen? Denken Sie darüber nach, was bei dieser Bewertung für Sie einfach ging, was bereitete Probleme. b) Ordnen Sie Pias und Lorenzos Leistungen der entsprechenden Niveaustufe des GER anhand der Deskriptoren für „Spektrum sprachlicher Mittel, allgemein“ (Europarat 2001: 110-111) zu. Gehen Sie auf folgende Weise vor: ▶ Lesen Sie die Deskriptoren aufmerksam durch. ▶ Achten Sie bei der Beurteilung nicht auf die sprachlichen Fehler, sondern darauf, wozu die Kandidaten fähig sind. Bei welchen Aspekten (zum Beispiel Wortschatz, Grammatik, Textkohärenz, Aussprache) können Sie Unterschiede zwischen den Leistungen der Kandidaten feststellen? Wie Sie im Experiment festgestellt haben, kann die sprachliche Richtigkeit des Textes dadurch bestimmt werden, dass die Prüfer alle Fehler in der Grammatik, Lexik, Syntax, Aussprache identifizieren und die Texte dadurch bewerten, wie viele Fehler sie enthalten. Dabei kann die Anzahl der Fehler von einer maximalen Punktzahl abgezogen werden oder bei geschriebenen Texten ein Fehlerquotient (also der Anteil der Fehler im Hinblick auf die Gesamtanzahl der Wörter im produzierten Text) berechnet werden. Für dieses Verfahren spricht die (scheinbare) Objektivität der Bewertung: Die Fehler können identifiziert und gezählt werden. Dabei wird oft auf Grund der Komplexität der Fehler differenziert und diese danach gewichtet, inwieweit sie das Verständnis stören. Da die produktive Verwendung von einigen lexikalischen Ausdrücken und grammatischen Strukturen von den Kandidaten und Kandidatinnen vor allem auf den Niveaustufen für elementare Sprachverwendung nicht erwartet wird, haben die Prüfer die Aufgabe, sprachliche Fehler den erwarteten Niveaustufen entsprechend zu gewichten. Bei der Verwendung dieses Bewertungsverfahrens können viele Schwierigkeiten auftreten: <?page no="156"?> 156 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten ▶ Bei der Identifizierung der Fehler können die Prüfer und Prüferinnen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, weil es nicht immer einfach ist zu entscheiden, ob ein Fehler vorliegt oder nicht. Die Identifizierung der das Verständnis störenden Fehler ist auch nicht immer eindeutig. Es ist oft nicht klar, wie man mit Wiederholungsfehlern umgehen sollte. ▶ Dieses Verfahren benachteiligt Prüflinge, die mehr schreiben oder sprechen und danach streben, sprachlich anspruchsvollere Strukturen zu verwenden, weil sie dabei vergleichsweise mehr Fehler begehen können, als jene Lerner, die kürzere und einfachere Texte produzieren. ▶ Die Prüfer achten auf die Defizite und nicht darauf, was die Lerner können. Aus diesen Gründen wird vermieden, nur dieses Verfahren in kommunikativen Sprachprüfungen zu verwenden. Die Anzahl der Fehler ist nämlich von sekundärer Bedeutung, wichtiger ist, die sprachliche Qualität des Textes zu beurteilen. Deshalb wird zunächst bewertet, was die Leistung im positiven Sinne charakterisiert. Bei der holistischen oder ganzheitlichen Bewertung wird die sprachliche Gesamtqualität des produzierten Textes beurteilt. Der Vorteil dieses Verfahrens ergibt sich daraus, „dass Sprache und Kommunikation sehr komplex sind, sich kaum in kleinste Teile zergliedern lassen und mehr sind als die Summe ihrer Teile“ (Europarat 2001: 183). Außerdem ist die Verwendung von globaler Bewertung ökonomisch. Zu den Nachteilen gehört, dass unterschiedliche Beurteiler auf verschiedene Leistungsmerkmale fokussieren und deswegen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen können. Um dem zu entgehen, können die Globalskalen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (wie zum Beispiel die Deskriptoren für „Spektrum sprachlicher Mittel, allgemein“) verwendet werden. Dadurch kann die Leistung der Lerner in die entsprechende Niveaustufe eingeordnet werden. Alternativ dazu können die Deskriptoren auch dazu verwendet werden, eine Bewertungsskala zu definieren. Die globale Bewertung formaler Richtigkeit ist eher für die Niveaustufen der elementaren Sprachverwendung charakteristisch. Bei der analytischen Bewertung haben die Prüfer die Aufgabe, die Leistung der Lerner nach gleichen qualitativen Aspekten einzeln zu beurteilen, die vorher genau festgelegt werden. Die Gesamtpunkzahl ergibt sich aus der Summe der Punkte, die Testpersonen aufgrund verschiedener Kriterien erreicht haben, zu denen analytische Skalen gehören. Im Vergleich zur Beurteilung nach dem Gesamturteil ist die analytische Bewertung aufwändiger, aber sie ist einheitlicher und objektiver und liefert vergleichbare und zuverlässige Ergebnisse. Damit ist es auch möglich, detaillierte Informationen über die sprachliche Leistung zu erhalten, dadurch die gezeigte Performanz zu diagnostizieren und darüber ausführliche Rückmeldungen zu erstellen. Da in Sprachprüfungen dieses Verfahren verwendet wird, stellen wir im Weiteren vor, wie analytische Bewertungsskalen entwickelt, verwendet und für den schulischen Kontext adaptiert werden können. Zuerst sollten die Bewertungskriterien klar und genau definiert werden. Dazu können die im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen angegebenen qualitativen Aspekte zu den einzelnen Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen verwendet werden. Es ist <?page no="157"?> 157 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen empfehlenswert, die Anzahl der Kriterien relativ klein zu halten, um diese möglichst ökonomisch und praktikabel anwenden zu können. Die Beurteilung nach mehr als fünf Kategorien kann zu kognitiver Überlastung führen. Bei der Bestimmung der Bewertungskriterien muss anhand der Messziele eine Entscheidung getroffen werden, welches Gewicht auf die einzelnen Kriterien gelegt wird. Das zeigt die Präferenz der Testersteller. Zu allen Kriterien werden analytische Bewertungsskalen auf Grund der Kann-Beschreibungen entwickelt, in denen verschiedene Leistungsstufen definiert werden. Zu allen Kriterien werden also 3-5 Stufenbeschreibungen angegeben, zu denen nur ein Punkt oder mehrere Punktzahlen gehören. Mit der Verwendung der Bewertungsskala wird eine kriteriumsorientierte Bewertung durchgeführt (vergleiche Lerneinheit 3.1). Die Anwendungspraxis von Ratingskalen unterscheidet sich dadurch, ob die Sprachprüfung das Ziel verfolgt, eine oder mehrere Sprachniveaus abzudecken. Im Deutsch-Test für Zuwanderer, dessen Ziel es ist, Sprachkenntnisse auf den Stufen A2-B1 zu messen, werden zum Beispiel bei der Definition der Punktzahlen die Deskriptoren aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen angegeben (vergleiche Perlmann-Balme, Plassmann & Zeidler 2009). Wenn das Ziel einer Prüfung ist, eine Niveaustufe abzudecken, dann repräsentiert die Stufenbeschreibung der maximalen Punktzahl das erwartete Kriterium, das auf den Kann-Beschreibungen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen basiert. Bei der Erstellung der anderen Leistungsstufen wird das Kriterium in Stufen verteilt, in die die Schülerarbeit auf Grund der Beschreibung von den Prüfern eingeordnet werden kann (siehe nachfolgendes Experiment). Von der Prüferin oder vom Prüfer wird erwartet, dass sie oder er die Qualität der sprachlichen Leistung unabhängig von den anderen Aspekten beurteilt. <?page no="158"?> 158 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten Experiment Sehen Sie sich zuerst die folgende Übersicht an, die die Zusammenhänge zwischen dem Konstrukt, dem Bewertungskriterium und der -skala am Beispiel des Goethe-Zertifikats B1 (Glaboniat et al. 2013) zeigen. Denken Sie dabei darüber nach, in welche Leistungsstufe Pias und Lorenzos Leistung eingestuft werden kann. Vergleichen Sie dann Ihre Beurteilung mit der Standardbewertung. Testkonstrukt Kommunikative Sprachkompetenzen Komponent Linguistische Kompetenzen Element Grammatische Korrektheit Messziel „Verwendet verhältnismäßig korrekt ein Repertoire gebräuchlicher Strukturen und Redeformeln, die mit eher vorhersehbaren Situationen zusammenhängen. […] Kann sich in vertrauten Situationen ausreichend korrekt verständigen; im Allgemeinen gute Beherrschung der grammatischen Strukturen trotz deutlicher Einflüsse der Muttersprache. Zwar kommen Fehler vor, aber es bleibt klar, was ausgedrückt werden soll.“ (Europarat 2001: 38, 114) Anforderung Die Lerner sollen sich in Bezug auf das Spektrum und die Beherrschung der Strukturen angemessen äußern. ⬇ ⬇ Bewertungskriterium Mit dem Kriterium Strukturen wird bewertet, (1) welche Strukturen verwendet werden und (2) wie korrekt die verwendete Sprache im Hinblick auf Morphologie und Syntax ist. ⬇ ⬇ Bewertungsskala Aspekt A B C D E Spektrum differenziert überwiegend angemessen teilweise angemes-sen oder begrenzt kaum vorhanden Äußerung größtenteils unverständlich Beherrschung (Morpholgie, Syntax) vereinzelte Fehlgriffe stören nicht mehrere Fehlgriffe stören nicht mehrere Fehlgriffe stören teilweise mehrere Fehlgriffe stören erheblich Tabelle 4.4: Zusammenhänge zwischen dem Testkonstrukt, dem Bewerungskriterium und der Bewertungsskala <?page no="159"?> 159 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen „Die Bewertungsskala und die damit verbundenen Abstufungsmöglichkeiten sind fünfstufig. […] Die beiden oberen Stufen A und B bilden eine mündliche Leistung ab, die dem Niveau B1 entspricht. A wird vergeben, wenn eine mündliche Leistung eindeutig auf dem Niveau liegt, B, wenn sie einzelne Abstriche hat […]. Die Bewertungen C und D bilden eine Leistung ab, die unter dem Niveau B1 anzusiedeln ist. Dabei wird C vergeben, wenn die mündliche Leistung nur knapp unter der gewünschten B1-Leistung liegt. D wird vergeben, wenn die mündliche Leistung in diesem Kriterium deutlich unter dem B1-Niveau liegt. […] Die Bewertung E wird gewählt, wenn die mündliche Leistung aufgrund des nicht zur Aufgabe passenden Inhalts, der Kürze oder der mangelnden Verständlichkeit nicht bewertbar ist.“ (Glaboniat et al. 2013: 117) Pias und Lorenzos Leistung kann anhand dieses Bewertungskriteriums in die Leistungsstufe B eingeordnet werden. Bei beiden Kandidaten ist das Spektrum angemessen, mehrere Fehlgriffe stören das Verständnis nicht (Glaboniat et al. 2013: 104, 107). Im Fall der Sprachprüfungen werden die Bewertungsraster in einem langen Prozess entwickelt, durch Hinzuziehung zahlreicher Lerner und Prüfer ausprobiert, und die Qualität der Bewertungen analysiert (vergleiche Lerneinheit 3.3). Ziel ist es, eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen den Prüfern zu erreichen. Aus diesem Grund werden Prüferschulungen durchgeführt, damit die Bewertungsskalen möglichst einheitlich verwendet werden. Außerdem werden die Leistungen von zwei Prüfern unabhängig beurteilt und nach der doppelten Bewertung wird die Punktzahl der Lerner erstellt. Bei standardisierten Tests wird die mündliche Prüfung aufgenommen und die Qualität der Bewertungen kontrolliert. Bei dem für die eigenen Messziele erstellten Bewertungsraster gelten natürlich nicht die gleichen Ansprüche wie für Bewertungsskalen für standardisierte Prüfungen. Bei selbst erstellten Prüfungsaufgaben sollten sie aber verwendet werden, um eine faire, transparente, objektive und reliable Bewertung zu ermöglichen. Sie können Bewertungsraster aus Sprachprüfungen adaptieren oder selbst erstellen. Bei der selbstständigen Erstellung empfehlen wir Ihnen ▶ die Bewertungskriterien auf Grund des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nach verschiedenen qualitativen Aspekten zu definieren; ▶ die Leistungsstufen in Form von Kann-Beschreibungen anzugeben; ▶ bei der Bewertung primär auf die sprachliche Qualität des Textes zu achten und sekundär auf die sprachlichen Fehler; ▶ Ihre Schülerinnen und Schüler mit den Bewertungskriterien und -skalen vertraut zu machen, um die Bewertungsraster transparent zu verwenden. Diese Empfehlungen können auch zur besseren Vorbereitung auf die Prüfung führen, ermöglichen die Erhöhung der Qualität der Prüfung und erlauben auch eine detaillierte und kriteriumsorientierte Rückmeldung zu den Ergebnissen. Außerdem können Bewertungsraster im Unterricht verwendet werden, um Selbst- und Peer-Bewertung zu verwirklichen (vergleiche Lerneinheit 5.2). <?page no="160"?> 160 4. Testaufgaben gestalten und sprachliche Leistungen bewerten 4.3.4 Zusammenfassung ▶ Kommunikative Sprachkompetenzen werden von den Sprachverwendern zur Bewältigung rezeptiver, produktiver und interaktioneller Sprachaktivitäten realisiert. Dieses Konstrukt besteht aus linguistischen, soziolinguistischen und pragmatischen Teilkompetenzen (Europarat 2001). ▶ Einzelne Elemente der linguistischen Kompetenzen wie Grammatik und Wortschatz werden mit geschlossenen Aufgabenformaten und mit halboffenen Ergänzungsaufgaben in möglichst authentischen Kontexten isoliert überprüft. Mit dem Cloze-Test, C-Test und mit Fehlerkorrekturaufgaben können die sprachlichen Einzelelemente mit anderen Kompetenzen integriert getestet werden. Mit offenen Sprech- und Schreibaufgaben kann die selbständige Textproduktion überprüft werden. ▶ Zur Bewertung der sprachlichen Qualität der produzierten Lernertexte können verschiedene Bewertungsverfahren verwendet werden. Die weit verbreitete analytische Bewertung verwirklicht eine kriteriumsorientierte Bewertung und sie setzt die genaue Kenntnis des Kriteriums, also die Skalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens voraus. ▶ Bei der Bewertung von kommunikativen Sprachkompetenzen sollten die Schülerarbeiten in erster Linie auf Grund ihrer sprachlichen Qualität und sekundär anhand der Anzahl der Fehler bewertet werden. 4.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Beschreiben Sie die Komponenten und die einzelnen Elemente des Testkonstrukts der kommunikativen Sprachkompetenzen. 2. Fassen Sie die Charakteristika von geschlossenen und halboffenen Aufgabenformaten zur Überprüfung einzelner Elemente der kommunikativen Sprachkompetenzen zusammen. 3. Charakterisieren Sie die Merkmale, die Vorteile und die Probleme der Bewertung nach der Fehleranzahl, beziehungsweise der holistischen und analytischen Bewertung. 4. Beschreiben Sie die einzelnen Schritte der Entwicklung von analytischen Bewertungsskalen. <?page no="161"?> 161 4.3 Überprüfung der kommunikativen Sprachkompetenzen 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Ágnes Einhorn Ein wichtiger Bestandteil der Unterrichtsabläufe ist die Leistungsbewertung der Schüler beziehungsweise Schülerinnen, und das ist der Bereich, in dem Lehrer und Lehrerinnen viele offene Fragen haben. Sie haben sich sicherlich schon mal die Frage gestellt, wie Sie die Leistungen der Lerner am besten beurteilen können, wie Sie fair und konsequent vorgehen können, wie Ihre Schüler und Schülerinnen aus der Bewertung wirklich profitieren können. Im Kapitel 3 haben Sie viel über die grundsätzlichen Probleme der Leistungsmessung erfahren und im Kapitel 4 gelesen, wie gute Testaufgaben zu den einzelnen Teilfertigkeiten entwickelt werden können. In diesem Kapitel haben Sie die Möglichkeit, die Problematik der Leistungsmessung und der Bewertung in der täglichen Unterrichtspraxis zu untersuchen. Welche Rolle spielt die Bewertung im Entwicklungsprozess der Lerner? Wie kann ein guter Klassentest zusammengestellt werden? Wie können Prüfungen den Unterricht steuern? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Übungen und Testaufgaben? Das sind Fragen, die sich Lehrkräfte in der Praxis oft stellen und die wir in diesem Kapitel beantworten wollen. Das Hauptziel des Kapitels ist, dass Sie die fördernde Perspektive, also die Zukunftsorientierung der Leistungsmessung entdecken: Während viele Lehrkräfte die Testphase als abschließendes Phänomen praktizieren, dessen Hauptfunktion die Beurteilung ist, beweisen Schulentwicklungen und die Praxis von vielen Institutionen, dass Leistungsmessung und Leistungsbewertung innerhalb des Lernprozesses viel mehr Möglichkeiten anbieten. Auf dem Gebiet der Leistungsmessung und Bewertung spielen Routinen und Traditionen eine große Rolle, die Resistenz gegen Veränderungen ist relativ groß, trotzdem ist es wichtig, dass sich „die Philosophie“ der Bewertung ändert. <?page no="162"?> 162 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis 5.1 Fördernde Leistungsbewertung Die Benotung spielt in der Schule eine zentrale Rolle, daher denkt man oft, dass die Leistungsbewertung eine Aktivität mit abschließendem Charakter ist und daher in der Regel am Ende einer Unterrichtsphase erfolgt, mit schwerwiegenden Konsequenzen. Lehrkräfte stellen sich oft die Frage, wie die Leistungsbewertung fördernd wirken kann. Gibt es einen Unterschied zwischen Beurteilung und Bewertung? Wie hängen Auffassungen über Lehrer- und Schülerrollen mit der Bewertungskultur zusammen? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns in dieser Einheit. Wir definieren zuerst Begriffe zum Thema und sammeln Überlegungen, wie die Bewertung zukunftsorientiert sein kann. Anschließend beschäftigen wir uns mit der Frage, inwiefern gewisse Aspekte der Lehrtätigkeit umdefiniert werden sollten: die Behandlung der Fehler ist dabei ausschlaggebend. Zum Schluss werden Methoden und Techniken dazu behandelt, wie Lernfortschritte und Lernschwierigkeiten der Schüler und Schülerinnen so festgestellt und interpretiert werden können, dass damit der weitere Lernprozess unterstützt wird. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ wissen, wie man durch Bewertung den Lernprozess der Schüler und Schülerinnen unterstützen kann; ▶ wissen, welche Rolle die konstruktive Fehlerbehandlung bei der Effektivität der Bewertung spielt; ▶ die Bewertung als pädagogisches Mittel verwenden können. 5.1.1 Merkmale der fördernden Bewertung In dieser Lerneinheit wollen wir zunächst Grundbegriffe der Leistungsmessung klären und auf dieser Basis die Grundsätze der fördernden Perspektive festlegen. Die Leistungsmessung und die Evaluation sind generelle Begriffe für ein Überprüfungsverfahren, anhand von dessen Ergebnissen, Fortschritte der Lerner festgestellt werden können. Die Leistungsmessung und die Evaluation erfolgen mit unterschiedlichen Funktionen (summativ, diagnostisch und formativ) (Lerneinheit 3.1). Im schulischen Alltag wird die abschließende, also die summative Funktion der Leistungsmessung oft überbetont, und zwar reduzieren die Lehrkräfte sehr oft den ganzen Vorgang darauf, dass sie- - oft in der Form von Noten- - Urteile über Schülerergebnisse fassen, mit starkem Fokus auf die Vergangenheit (assessment of learning). Diese Perspektive stammt aus der formellen Leistungsmessung, wo die individuellen Lernergebnisse mit den Anforderungen verglichen werden (kriteriumsorientierte Bewertung) oder mit der Bezugsgruppe, also mit den Leistungen der anderen Lerner der Gruppe (normorientierte Bewertung) (Bachmann 1990; Europarat 2001). Im informellen Bereich kann aber die Bewertung auch auf die Zukunft und auf die individuelle Entwicklung fokussieren und dadurch die Förderung der Schüler und Schülerinnen unterstützen. In dieser Hinsicht ist <?page no="163"?> 163 5.1 Fördernde Leistungsbewertung das eigentliche Ziel der Bewertung selbst die Förderung und die Betreuung des Lernprozesses (assessment for learning oder assessment as learning), und die Leistungsfeststellung wird nicht nur in den besonderen Testphasen, vom Unterricht abgekoppelt realisiert, sondern der Unterricht und die Bewertung werden miteinander verbunden. Eine Voraussetzung dafür ist aber, dass die Rollen der Lehrkräfte und der Lerner anders definiert und teilweise neue Techniken eingesetzt werden. Diese Verbindung des Unterrichts und der Bewertung, die eine starke Zukunftsorientierung aufweist, wird fördernde oder formative Bewertung genannt (Gardner et al. 2008). Wenn wir den Lernprozess als Entwicklungsprozess der Schüler und Schülerinnen betrachten, ergibt sich die Konsequenz, dass Lehrkräfte und Schüler beziehungsweise Schülerinnen regelmäßig Informationen über den Ablauf dieses Prozesses brauchen. Die fördernde Bewertung ist ein Mittel dazu, dass Lehrer und Lehrerinnen, sowie Schüler und Schülerinnen einen Nachweis darüber erhalten, wo sie im Lernprozess gerade stehen und was sie zur weiteren Entwicklung noch benötigen. In diesem Prozess werden also Informationen über Leistungen dazu verwendet, dass Lerner und Lehrkräfte bestimmen können, welchen Weg die Schüler und Schülerinnen schon gemeistert haben, welches Ziel als nächstes ansteht und wie sie es erreichen können (Assessment Reform Group 2002). Die Bewertung erfolgt also nicht abschließend, sondern permanent. Dabei hat nicht nur die Lehrkraft die Möglichkeit zur Bewertung, sondern auch die Schüler und Schülerinnen selbst. Die Idee der fördernden Bewertung ist noch gar nicht so alt: 1998 ist das oft zitierte Werk von Paul Black und Dylan Wiliam (1998) Inside the Black Box: Raising Standards through Classroom Assessment erschienen. In dieser Arbeit haben die Autoren mit Hilfe von Forschungsergebnissen beschrieben, dass die formative Bewertung die Entwicklung der Lerner, also den Lernprozess unterstützt (Black & Wiliam 1998). Dieser prozessbasierte Bewertungsbegriff erfordert neue Techniken und Methoden, er hat auch eine starke Auswirkung auf die Unterrichtsplanung. In diesem Konzept erscheinen die Lerner als aktive, handelnde Partner beziehungsweise Partnerinnen im Bewertungsprozess und nicht nur als „Opfer“ der Leistungsmessung und der Bewertung. Die Lehrkräfte konzentrieren sich nicht auf Fehler und Mängel, sondern eher darauf, wie man sie verbessern kann. So kann die Bewertung die Motivation und die Kompetenzen der Lerner im Bereich der Selbstevaluation erhöhen, dadurch verstärkt sie auch die Reflexionsfähigkeit und die Autonomie der Schüler und Schülerinnen (Assessment Reform Group 2002). Die wichtigsten Voraussetzungen für die formative Bewertung sind also die Folgenden (Gardner et al. 2008): ▶ die Bewertung erfolgt immer dann, wenn etwas noch zu verändern ist (nicht erst nach dem Abschluss einer Unterrichtsphase), ▶ die Bewertung erfolgt kontinuierlich und regelmäßig und in unterschiedlichen Formen (nicht nur mit den klassischen Testtechniken, sondern mit unterschiedlichen Methoden), ▶ Lernziele für größere und kleinere Einheiten sind transparent und diese Ziele werden zusammen mit den Schülern und Schülerinnen auch bearbeitet, <?page no="164"?> 164 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis ▶ die Lerner nehmen an der Bewertung aktiv teil (Selbstevaluation, Paarevaluation, Gruppenevaluation), ▶ die Lerner bekommen (auch) positive Rückmeldungen, die Bewertung soll die weitere Entwicklung ermöglichen. Die fördernde Perspektive bedeutet, dass Wege und Techniken der Bewertung angewandt werden, die es den Lernern ermöglichen, aus der Bewertung zu lernen oder aufgrund der Bewertung ihre Produkte noch verbessern zu können. Solche Aktivitäten sind im Unterricht zum Beispiel: ▶ Der Lehrer oder die Lehrerin erklärt am Anfang der Stunde, welche Lernziele er oder sie bei der Unterrichtsplanung beachtet hat, und am Ende der Stunde müssen die Schüler und Schülerinnen darüber nachdenken, wie weit sie diese Ziele erreicht haben. ▶ Während des Lernprozesses gibt es Phasen, in denen die Schüler und Schülerinnen mit Hilfe des Sprachenportfolios darüber nachdenken, welche Fortschritte sie gemacht haben. ▶ Bei den Schreibaufgaben gibt es zuerst eine Korrektur in Partner- oder Gruppenarbeit. Die Schüler und Schülerinnen bewerten die Produkte ausführlich, sie formulieren einander Korrekturvorschläge. Erst der korrigierte Text wird vom Lehrer oder von der Lehrerin bewertet. ▶ Im Klassentest werden auch die Teilkompetenzen bewertet, die Ergebnisse werden vom Lehrer oder von der Lehrerin detailliert kommentiert. ▶ Die Testergebnisse werden so bearbeitet, dass ein individueller Förderungsplan für die einzelnen Schüler und Schülerinnen entsteht. 5.1.2 Lehrtätigkeiten umdefinieren Für den gesamten Unterrichtsprozess ist es ausschlaggebend, was Lehrer und Lehrerinnen über ihre eigene Rolle denken, wie sie ihre Aufgaben im Lernprozess und die der Schüler und Schülerinnen definieren. Die Idee und die Verwirklichung der fördernden Bewertung hängen eng damit zusammen, wie weit die traditionelle, lehrerzentrierte Gestaltung des Unterrichtsprozesses als überholt betrachtet wird. Sie kann daher auch bei der Modernisierung von Schulen eine wichtige Rolle spielen. Aus diesem Themenkomplex werden hier zwei wichtige Aspekte behandelt: der Prozess, wie Lehrer und Lehrerinnen Ziele bestimmen und die Fehlerkorrektur. Bei der Zielbestimmung ist es ausschlaggebend, ob während der Unterrichtsplanung der Lernstoff im Zentrum steht (was muss ich unterrichten) oder das Lernziel (was müssen meine Schüler und Schülerinnen lernen) (Doyé 1995; zum Problem der Lehr- oder Lernziele finden Sie wichtige Aspekte im Kapitel 2). Zur Verwirklichung der fördernden Bewertung brauchen Lehrer und Lehrerinnen klare Vorstellungen hinsichtlich des zu erwartenden Lernzuwachses, also der Lernergebnisse (learning outcomes). Standards, Curricula oder Qualifikationsrahmen werden heutzutage in der Form von Lernergebnissen ausgearbeitet (Using Learning Outcomes 2011), und die Verbreitung des Begriffs hat einen engen Zusammenhang <?page no="165"?> 165 5.1 Fördernde Leistungsbewertung zum Europäischen Qualifikationsrahmen (European Qualifications Framework: EQF ), dessen Hauptanliegen die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Abschlüsse und Qualifikationen in der Europäischen Union ist (Explaining the European Qualifications Framework for Lifelong Learning 2008). Lernergebnisse setzen auch eine viel weitere und differenziertere Auffassung von Lernzielen voraus, da so neben Kenntnissen und Kompetenzen auch die Autonomie, Einstellungen oder Motivation gleichrangig erscheinen können. Die formative Bewertung geht mit einer starken Orientierung an den Lernergebnissen einher: Bei der Vorbereitung auf den Unterricht wird nämlich im Voraus festgelegt, welche Veränderungen die Lehrkraft mit dem Unterricht bei den Lernern erreichen will, und alle Beteiligten reflektieren darüber, inwieweit das in der Tat realisiert wurde. Gut formulierte Lernergebnisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie (nach Kennedy 2007): ▶ konkret und beobachtbar sind, ▶ die Entwicklung oder die Veränderung der Schüler und Schülerinnen während des Unterrichtsprozesses beschreiben, ▶ ganz konkrete Tätigkeiten und Handlungen beschreiben (zum Beispiel wichtige Merkmale nennen, zusammenfassen, die Hauptinformationen verstehen), ▶ sich nicht nur auf die Fertigkeiten oder auf das Wissen beziehen, sondern auch auf die Motivation, Einstellungen und die Autonomie der Schüler und Schülerinnen. Ein gutes Beispiel für die Formulierung von Lernergebnissen stellen die Niveaubeschreibungen (Deskriptoren) des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001) dar, die daher als Modell verwendet werden können (siehe Kapitel 1). Die Fehlerkorrektur ist der zweite Aspekt bei den Einstellungen der Lehrer und Lehrerinnen. Wie werden Fehler und Misserfolge der Schüler und Schülerinnen interpretiert? Fehler werden meistens negativ beurteilt: selbst das Wort ,Korrektur‘ bedeutet schon eine Abwertung, eine Position der Ausmerzung (Königs 2003). Rückt aber der Lernprozess selbst in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit, sollte man die Fehler auch anders betrachten, da sie nämlich Zeichen des Lernprozesses sind (Königs 2003). Wenn die Schüler und Schülerinnen versuchen, das neu Erlernte zu verwenden, machen sie sicherlich Fehler. Die ständige Korrektur der Fehler kann dazu führen, dass Schüler und Schülerinnen versuchen bereits gefestigte Strukturen zu verwenden, um Fehler zu vermeiden. Unter dem Aspekt der Förderung sind also die Techniken und Methoden zielgerecht, die nicht die einfache Korrektur der Fehler anvisieren, sondern eher einen Vorgang unterstützen, in dem die Schüler und Schülerinnen aus den Fehlern lernen können. Zur Behandlung der Fehler gehört auch, wie der Lehrer oder die Lehrerin Fehler und Mängel zur Sprache bringt. Zum Lernen brauchen Schüler und Schülerinnen einerseits Ermutigung, andererseits konkrete Hilfe wenn es darum geht, die eigenen Produkte zu verbessern. Bei der Bewertung einer Leistung sollte deshalb der Lehrer oder die Lehrerin das Positive hervorheben, aber auch Fragwürdiges und Fehlerhaftes erwähnen. Ein gutes Schema für die Bewertung ist die sogenannte Dreiteilung (Ziebell & Schmidjell 2012): Die Lehrerkraft sollte zuerst das Gute finden (Ermutigung und Lob), dann das Fragwürdige und Problematische formulieren und zum Schluss Ratschläge geben, wie der Lerner das Produkt verbessern kann. <?page no="166"?> 166 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Mit diesem „Bewertungssandwich“ kann der Lehrer oder die Lehrerin erreichen, dass die Bewertung den weiteren Lernprozess der Lerner unterstützt. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich festhalten, dass alle Bereiche des Unterrichtsverfahrens und das Grundverhalten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen verändert werden müssen, um die fördernde Bewertung praktizieren zu können. Dafür gibt es Techniken und Methoden, die Sie im folgenden Abschnitt kennen lernen. 5.1.3 Methoden und Techniken der formativen Bewertung Die formative Bewertung ist eher als Lernphilosophie aufzufassen und nicht als konkrete Methode, man kann aber gewisse typische Techniken beschreiben (nach Gardner et al. 2008): ▶ Alle Unterrichtsstunden und -aktivitäten haben klare und transparente Ziele und alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen im Prozess reflektieren darüber, ob und inwieweit diese Ziele erreicht wurden. ▶ Lerner werden dabei unterstützt, wie sie die Lernziele interpretieren sollen; die Standards, die Erwartungen und die Bewertungskriterien, an die sich Schüler und Schülerinnen bei ihrer Arbeit halten sollten, werden im Unterricht bearbeitet. ▶ Während der Arbeit werden Daten über die Lernerfolge gesammelt, dazu verwendet man unterschiedliche Methoden: zum Beispiel Beobachtung, Besprechung, Befragung, Analyse von Produkten, sowie Fragebögen zur Selbstevaluation, vorstrukturierte Lerntagebücher. ▶ Die Bewertung erfolgt durch Aktivitäten, in die die Lerner auch einbezogen werden, die Evaluation erfolgt auch mit interaktiven Methoden (zum Beispiel mit Bewegungen, Spielen, Zeichnungen). ▶ Schüler und Schülerinnen reflektieren über den eigenen Lernprozess, sie überprüfen und bewerten ihre eigene Arbeit so, dass sie genau darüber informiert werden, welche Ziele sie haben sollten, wie die Qualität ihrer Arbeit sein sollte. ▶ Die Schüler und Schülerinnen bewerten ihre Fortschritte und Produkte oft in Partner- oder in Gruppenarbeit gegenseitig. ▶ Die Rückmeldungen zeigen den Schülern und Schülerinnen, wie sie sich weiterentwickelt haben, die Lerner werden aber auch dabei unterstützt, aus den Rückmeldungen Konsequenzen für den weiteren Lernweg zu formulieren. Es gibt klare Anweisungen dazu, wie die Schüler und Schülerinnen sich selbst und ihre Arbeit weiterentwickeln können, die Schüler beziehungsweise Schülerinnen übernehmen die Verantwortung dafür. ▶ In die Bewertung werden alle Komponenten und Elemente einbezogen, die für den Lernerfolg wichtig sind (zum Beispiel Einstellungen, Motivation, Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit). Da die fördernde Bewertung sehr komplex ist, bedeutet sie auch neue Aufgabenbereiche für die Lehrer oder Lehrerinnen, einer davon ist, dass die Autonomie der Lerner trainiert und sorgfältig eingeführt werden muss (Brown & Harris 2014). Das erfordert einerseits, dass die Lerner Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Lernwegen bekommen, andererseits aber <?page no="167"?> 167 5.1 Fördernde Leistungsbewertung eine konsequente Arbeit an individuellen Ansprüchen und Lernstrategien. Es ist auch wichtig, dass die Schüler und Schülerinnen die eigenen Ergebnisse und Lernfortschritte kritisch beurteilen können. Die Selbstevaluation muss aber auch gelernt werden, denn sie ist mit einer Reihe von potenzielle Problemen behaftet: die formative Bewertung scheitert oft daran, dass Schüler und Schülerinnen nicht in der Lage sind, ihre Ergebnisse selbstständig und realistisch zu interpretieren oder sie können von den eigenen Ergebnissen keine Maßnahmen für die Zukunft ableiten. Bei der Selbstevaluation haben sogar Erwachsene schwerwiegende Probleme, für Jugendliche ist es aber oft noch schwieriger. Klare Urteile werden nämlich oft von psychologisch begründeten Faktoren erschwert: man tendiert dazu, die eigenen Ergebnisse unrealistisch oder zu optimistisch zu beurteilen, es kommt auch vor, dass bei der Selbstevaluation wichtige Informationen ausgeklammert werden (Brown & Harris 2014). Deshalb sollte die fachgemäße Durchführung der Selbstevaluation geplant, schrittweise eingeführt und ständig geübt werden. Im Folgenden behandeln wir konkrete Beispiele für den Einsatz von Unterrichtsmaßnahmen. Diese sind eher als Denkanstöße für die kreative Arbeit des Lehrers oder der Lehrerin zu betrachten. Es gibt viele Spiele und Aktivitäten, die es ermöglichen, dass Lehrkräfte und Lerner gleich Rückmeldung über den Lernfortschritt oder über die Erfüllung der Ziele bekommen. Eine oft beschriebene einfache Methode ist die Verkehrsampel: Sie wird eher bei jüngeren Schülern und Schülerinnen verwendet, komplexere Evaluationsmethoden sind zum Beispiel Punktabstimmungen oder stumme Dialoge. Beispiele Verkehrsampel Alle Schüler und Schülerinnen haben drei Punkte oder Papiere in drei Farben: rot - ich verstehe es noch nicht gelb - ich bin unsicher, ob ich es verstehe grün - ich habe es verstanden Bevor der Lehrer oder die Lehrerin im Lernstoff voranschreitet erkundigt, er oder sie sich nach dem Lernerfolg und die Schüler zeigen die Farbe, die auf sie zutrifft. Nach der Anzahl der unterschiedlichen Farben kann der Lehrer oder die Lehrerin gleich entscheiden, ob noch weitere Erklärungen oder Übungen nötig sind. Punktabstimmung Der Lehrer oder die Lehrerin bereitet einfache Entscheidungsfragen oder Behauptungen vor, die die erwarteten Lernergebnisse repräsentieren. Die Schüler und Schülerinnen können auf einer Meinungslinie (völlig einverstanden/ trifft völlig zu - gar nicht einverstanden / trifft gar nicht zu) mit farbigen Punkten kennzeichnen, wie weit sie selbst dieses Ziel erreicht haben. Man kann dazu farbige Punkte zum Aufkleben verwenden oder einfach mit buntem Stift Punkte markieren lassen. <?page no="168"?> 168 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Die bisher genannten Techniken ermöglichen, dass Lehrer und Lehrerinnen schnell und leicht gewisse Informationen über den Lernfortschritt der ganzen Gruppe bekommen, ohne dabei individuelle Einzelheiten zu erfahren. Es gibt aber andere Techniken, wie man die Selbstevaluation der Schüler und Schülerinnen unterstützt und dabei auch individuelle Fortschritte und Bedürfnisse wahrnehmen kann. Zu diesem Zweck werden sehr oft Lerntagebücher verwendet, die eventuell in Form von Lernblogs verfasst werden können: die Schüler und Schülerinnen schreiben regelmäßig vorstrukturierte reflektierende Textsorten, zum Beispiel Zusammenfassungen, Stellungnahmen zum Lernprozess oder Bewertungen des eigenen Lernfortschrittes. Das Lerntagebuch ist also ein Dokument darüber, wie sich Schüler und Schülerinnen mit dem Lernstoff auseinandersetzen, mit welchen Methoden und Strategien sie lernen. Es dient vor allem der Selbstevaluation, aber es kann auch die Lehrer und die Lehrerinnen darüber informieren, was die Lerner beschäftigt, welche Probleme sie haben. Beispiele für die Vorlagen zum Lerntagebuch: Das habe ich heute gelernt: -… Damit hatte ich heute Schwierigkeiten: -… So habe ich heute gelernt: -… Ich muss nachsehen, fragen: -… Ich bewerte meine Arbeit jetzt so: -… Darüber möchte ich mit meinem Lehrer oder meiner Lehrerin sprechen: -… Beispiele für Behauptungen: Ich verstehe schon, was der Unterschied zwischen … und … ist. Ich weiß, wie man einen offiziellen Brief anfangen und beenden soll. Ich konnte an der Gruppenarbeit gut teilnehmen, ich habe zum Produkt beigetragen, ich konnte den anderen helfen. … Stummer Dialog Im Raum werden Flipchartpapiere oder Packpapiere aufgehängt oder auf die Tische gelegt. Auf den Papieren befinden sich Fokuspunkte zur Evaluation. Die Lerner können ihre Meinung zu den einzelnen Themen schreiben. Dabei können sie auch auf Meinungen der Anderen reagieren. Wichtig ist, dass nur schriftliche Kommunikation erlaubt ist, in dieser Phase dürfen die Schüler und Schülerinnen nicht miteinander sprechen, sie gehen nur hin und her, lesen die Meinungen und schreiben dazu Bemerkungen. Beispiele für Fokuspunkte: Qualität der Kommunikation in der Gruppenarbeit Organisation der Arbeit in der Gruppenarbeit Verständlichkeit der Aufgaben Was habe ich heute gelernt / Wie habe ich mich gefühlt <?page no="169"?> 169 5.1 Fördernde Leistungsbewertung Die Selbst- oder Partnerevaluation kann dadurch unterstützt werden, dass klare Bewertungskriterien vorbereitet werden, das nennt man auch Kriterienkatalog. Wie Bewertungsskalen entwickelt oder verwendet werden, und welche Funktionen Kriterienkataloge bei der Qualität der Bewertung haben, dazu haben Sie in den Kapiteln zur Leistungsmessung wichtige Grundlagen kennengelernt (siehe Kapitel 3 und 4 im selben Band). Aus der Praxis der Sprachprüfungen ist Ihnen sicherlich auch bekannt, wie man zu konkreten Aufgaben Bewertungsskalen verwendet. Ähnliche Kriterienkataloge zur Selbst- und Paarevaluation können zu konkreten Aufgaben gestaltet werden, die den eigenen Lernfortschritt für die Schüler sehr gut veranschaulichen und ihnen auch dabei helfen, Maßnahmen zum weiteren Lernweg effektiv zu planen. Kriterienkataloge beinhalten konkrete Hinweise zur Bewertung des konkreten Produkts, was die Aufmerksamkeit der Schüler und Schülerinnen auf strategische Bereiche lenkt. Kriterienkataloge können aber auch mit den Lernern gemeinsam zusammengestellt werden, der Prozess selbst, in dem die Lernziele reflektiert und wichtige Aspekte ausgewählt und versprachlicht werden, hat einen fördernden Charakter. Beispiele für Kriterienkataloge zur Selbst- und Paarevaluation Schreibaufgabe, Selbstbewertung Vor dem Schreiben Ich habe über das Thema mit meinen Freunden gesprochen. Ich habe den Text geplant. … Während des Schreibens Wenn mir etwas nicht eingefallen ist, habe ich versucht ein anderes Wort zu suchen. … Nach dem Schreiben Ich habe kontrolliert, ob ich wirklich das geschrieben habe, was ich wollte. Ich habe einige Teile gestrichen. … (nach Lénárd & Rapos 2006) Vortrag, Partnerevaluation Ergänze die Sätze: Ich habe … verstanden, was du gesagt hast, … Du warst gut, als … Vielleicht könntest du das nächste Mal … (nach Lénárd & Rapos 2006) <?page no="170"?> 170 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Beim Fremdsprachenlernen werden sehr oft Portfolios verwendet. Das Europäische Sprachenportfolio wurde schon im ersten Kapitel vorgestellt (siehe Kapitel 1 im selben Band). Die Grundidee des Portfolios kann vielfältig eingesetzt werden: Portfolios bieten nämlich die Möglichkeit, Lernwege und Lernprozesse sichtbar zu machen. Die Idee ist ähnlich wie bei den Lerntagebüchern: Regelmäßige Zusammenfassungen, eigene Überlegungen und Stellungnahmen werden gesammelt, außerdem aber auch Produkte und Ergebnisse von detaillierten Fragebögen, die Ergebnisse der Selbstevaluation zeigen. Portfolios können dazu beitragen, den Schülern und Schülerinnen bereits vorhandene Kompetenzen und Fortschritte bewusstzumachen. Die intensive Beschäftigung mit den Lernfortschritten verstärkt auch die Lernerautonomie und fördert die Kommunikationsfähigkeit über das Lernen. Es ist möglich, konkrete Arbeitsblätter zur Selbstevaluation zu gestalten, in schlichter Form sind sie verhältnismäßig leicht in den Unterricht zu integrieren. Dabei braucht man zwei Elemente: Zuerst müssen Lehrer oder Lehrerinnen ganz konkrete Lernergebnisse formulieren, zum Beispiel Ich kann sehr einfache Fragen verstehen (Hören A1); Ich kann kurze, einfache Mitteilungen auf Postkarten verstehen (Lesen A1). Dann können Lerner über ihren Fortschritt nachdenken und über Behauptungen entscheiden, zum Beispiel so (Sprachen lernen 2009): ++ Ich kann das sehr gut. + Ich kann das gut. ! Das fällt mir noch schwer. Zur Verwendung des Sprachenportfolios gibt es Schulversuche (zum Beispiel Ziebell & Schmidjell 2012, DVD 2, Videomitschnitt aus einer Schule in Oslo), wo der Lehrer oder die Lehrerin Aufgaben und Übungen gestaltet, die einen eindeutigen Zusammenhang mit den Kann-Beschreibungen des Referenzrahmens (oder des Portfolios) haben. Es werden mehrere Aufgaben parallel zu unterschiedlichen Lernergebnissen angeboten. Die Schüler und Schülerinnen können im ersten Schritt darüber entscheiden, in welchen Bereichen sie eine Weiterentwicklung benötigen (oder wozu sie gerade Lust haben), dadurch erstellen sie ihr eigenes Lernprogramm, sie wählen die entsprechenden Aktivitäten aus dem Angebot. In der Stunde bearbeiten die Schüler und Schülerinnen unterschiedliche Aufgaben allein oder in Gruppen, aber jeder Schüler konzentriert sich auf die gewählten Lernergebnisse. Am Ende der Stunde können die Lerner und die Lehrkräfte beurteilen, wie gut die gewählten Lernergebnisse erreicht wurden. Da die summative Bewertung, also die Notengebung in den Schulen vorgeschrieben ist, stellt sich die Frage, wie die traditionelle Leistungsbeurteilung neu definiert werden könnte, wenn in einer Schule die fördernde Bewertung praktiziert wird. Die zwei unterschiedlichen Aspekte sollten soweit wie möglich auseinandergehalten werden: Die Schüler und Schülerinnen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie nach dem Abschluss einer Lernphase mit anderen Methoden bewertet werden als während des Lernprozesses. Es gibt aber Versuche, die Leistungsbeurteilung mit der fördernden Bewertung zu kombinieren. Wie bei der summativen Bewertung, also bei Klassentests die fördernde Perspektive erscheinen kann, darüber erfahren Sie mehr in der Lerneinheit 5.2. <?page no="171"?> 171 5.1 Fördernde Leistungsbewertung Bei der Leistungsbewertung lassen sich aber auch neuartige Formate einsetzen, wie zum Beispiel die Gamification. Bei diesem Verfahren werden Strukturen und Logik von Online-Spielen in einem anderen Kontext umgesetzt (Deterding 2011). Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben unterschiedliche Aufgaben, sie sammeln dadurch Punkte, die gewisse Vorteile bedeuten. Für die Verwendung im pädagogischen Kontext gibt es auch interessante Beispiele: gamification kann den ganzen Unterricht bestimmen, wenn alle Aufgaben in einem großen, zusammenhängenden Kontext erscheinen, in dem-- ähnlich, wie bei Online-Spielen-- eine virtuelle Welt aufgebaut wird. Ein Beispiel für eine solche Lernspielumgebung stellt das Tool classcraft (www.classcraft.com/ de/ ) dar, in dem fiktive Figuren beziehungsweise Avatare die Aufgaben lösen müssen, die von Lehrkräften fachspezifisch und didaktisch begründet formuliert werden. Die Grundidee der gamification wird aber oft in einer bescheideneren Form nur im Bereich der Leistungsmessung verwendet (zum Beispiel Prievara 2015). Nicht der ganze Unterricht wird also auf das Prinzip der Online-Spiele umgestellt, wohl aber wird die (summative) Bewertung nach dem Konzept der gamification organisiert. In diesem Fall bekommen die Lerner viele Aufgabenmöglichkeiten, die teilweise auch Aktivitäten außerhalb des Klassenzimmers initiieren. Die Lerner können aus den angebotenen Möglichkeiten ihre Aufgaben, also ihr Lernprogramm selbst zusammenstellen, wobei sie von ihrer Lehrkraft betreut werden. Mit den gewählten Tätigkeiten können die Schüler und Schülerinnen in festgelegten Zeiträumen Punkte sammeln (eine Phase kann zum Beispiel 3 Wochen lang dauern), und die erworbenen Punkte werden am Ende der Phase in Noten umgerechnet. Die Regeln zur Arbeit werden mit der Gruppe gemeinsam ausgearbeitet und vereinbart, die Vorbereitung der Aufgaben und die Organisation der individuellen Lernwege ist die Aufgabe der Lehrer und Lehrerinnen (Prievara 2015). Diese Arbeitsform ist aus der Lehrerperspektive ziemlich zeitaufwendig, da der Lehrer oder die Lehrerin die Aufgaben vorbereiten und die Lerner bei der Zusammenstellung ihres Programms beraten muss, außerdem müssen alle Produkte ausführlich kommentiert werden; diese Bewertungsform kann aber für die Schüler und Schülerinnen sehr motivierend sein und dadurch zu besseren Ergebnissen führen (Bíróné 2017; Prievara 2015). <?page no="172"?> 172 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Fallbeispiel Gamification an der Technischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Budapest Die Technische Fachsprache ist ein Pflichtfach in einer beliebigen Fremdsprache (3 Credits, wöchentlich einmal 90 Minuten). Das Semester dauert 14 Wochen lang. Das Kursprogramm ist „normal“, die Prinzipien der gamification erscheinen nur in der Bewertung: ▶ Die Studenten und Studentinnen sammeln Punkte in zwei Phasen: in den Wochen 1-6 und 7-12, ▶ die Punkte werden (zweimal) in Noten umgerechnet und die Seminarnote wird auf Grund der beiden Noten berechnet, ▶ für die beste Note (im ungarischen System eine 5) brauchen die Studenten und Studentinnen 20 Punkte, für das „Bestanden“ (Note 2) 10 Punkte. ▶ Die Fehler in den Aufgaben werden beim ersten Einreichen nur markiert, aber sie werden bei der Bewertung beachtet (der Student oder die Studentin bekommt für die Aufgabe weniger Punkte), ▶ alle Aufgaben können einmal korrigiert werden, und wenn dadurch die Produkte wirklich verbessert werden, bekommt der Student oder die Studentin weitere Punkte. Es gibt keine Pflichtaufgaben, sogar Tests sind optional. Die Studenten bestimmen selbst, welche Aufgaben sie wählen, sie können ihre Strategie zur Ansammlung der Punkte auch selber bestimmen. Das Angebot (Beispiele): ▶ Essay „Typische Verfahren, Materialien und Werkzeuge in meinem Fachbereich“ - 10 Punkte ▶ Übersetzung eines Fachtextes in die Muttersprache (ca. eine halbe Seite, die Studenten wählen den Text frei) - 10 Punkte ▶ Kleiner Wortschatztest - 5 Punkte ▶ Diskussionsspiel oder kurzer Beitrag während der Stunde - 3 Punkte ▶ Textgestaltung in Gruppenarbeit in der Stunde - 3 Punkte ▶ Glossar für den eigenen Fachbereich (50 Wörter / Ausdrücke) - 15 Punkte ▶ Eine interessante Erscheinung in meinem Fachbereich - (schriftlich: 6 Punkte, mündliche Präsentation: 10 Punkte) ▶ aktive Mitarbeit in der Stunde - 1 Punkt Die fördernde Bewertung bedeutet also eine motivierende, interessante Arbeit sowohl für Schüler und Schülerinnen, wie auch für Lehrkräfte, kann aber besonders schwierig werden, wenn nur ein Lehrer oder eine Lehrerin in der Schule daran beteiligt ist. Es ist natürlich viel wirksamer, wenn eine solche Bewertungskultur nach gemeinsamer Entscheidung in mehreren Fächern oder in der ganzen Schule eingeführt wird. <?page no="173"?> 173 5.1 Fördernde Leistungsbewertung 5.1.4 Zusammenfassung ▶ Die Bewertung ist ein sehr wichtiges pädagogisches Mittel: die gut und sorgfältig vorbereitete Bewertung kann die Förderung der Schüler und Schülerinnen stark unterstützen. Mit innovativen und interessanten Methoden können Schüler und Schülerinnen über ihren eigenen Lernweg ständig Rückmeldungen bekommen. ▶ Die Bewertung erfolgt nicht nur mithilfe von traditionellen Testmethoden und die Lerner spielen eine aktive Rolle dabei. ▶ Die fördernde Bewertung hängt mit der Unterrichtsplanung zusammen: Vielfältige und motivierende Lernergebnisse werden geplant, die Aktivitäten werden davon abgeleitet, und die Ziele sind auch für die Schüler und Schülerinnen transparent. Selbst- und Paarevaluation helfen die Schülerautonomie zu entwickeln. ▶ Der konstruktive und positive Umgang mit den Leistungen, Fehler eingeschlossen, trägt dazu bei, dass bei der Bewertung eher die Zukunftsperspektive betont wird: Die Bewertung erfolgt in Unterrichtsphasen, in denen noch an den Ergebnissen gearbeitet wird, sie dient dazu, den weiteren Lernweg effektiver zu gestalten. 5.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für die konstruktive, fördernde Bewertung, die zukunftsorientiert ist? 2. Wie können Lernergebnisse im Zusammenhang mit der fördernden Bewertung interpretiert werden? 3. Welche Rolle haben Fehler im Lernprozess, und wie kann man das Potenzial der Fehler nutzen? 4. Wie ist konstruktive Bewertung zu interpretieren? 5. Beschreiben Sie drei Techniken, die zur formativen Bewertung gut geeignet sind. <?page no="174"?> 174 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis 5.2 Klassentests Sie haben in den Kapiteln 3 und 4 wichtige Grundsätze der Testgestaltung hauptsächlich im formellen Bereich kennengelernt, in dieser Einheit beschäftigen wir uns mit den gleichen Aspekten im informellen Bereich. Klassentests haben in der Unterrichtspraxis einen hohen Stellenwert und werden sehr oft nach den Grundprinzipien von Prüfungen entworfen. In dieser Einheit stellen wir Möglichkeiten vor, wie Lehrkräfte den individuellen Entwicklungsprozess der Schüler und Schülerinnen mit Hilfe von Tests unterstützen können. Wie kann man einen guten Klassentest zusammenstellen? Wozu kann man unterschiedliche Tests und die Testergebnisse verwenden? Womit können Leistungen der Lerner verglichen werden und welche Vor- und Nachteile haben unterschiedliche Bezugsnormen? Diesen Fragen wollen wir in dieser Einheit nachgehen. Die Grundüberlegung ist, dass die informelle Leistungsmessung über die Möglichkeiten der formellen Leistungsmessung weit hinausgeht: Testergebnisse können auch zur Motivation, zur Planung des Weiteren Lernwegs oder zur Diagnose verwendet werden. Bei der Vorbereitung und Nachbereitung von Klassentests haben pädagogische Überlegungen Vorrang. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Klassentests zu unterschiedlichen Zwecken zusammenstellen können; ▶ wissen, wie man Lernzielkataloge und Testentwürfe für Klassentests machen kann; ▶ unterschiedliche Bezugsnormen bei der Bewertung verwenden können; ▶ die fördernde Perspektive der informellen Leistungsmessung verstehen. 5.2.1 Klassentests zu unterschiedlichen Zwecken Klassentests (auch informelle Tests genannt) unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von formellen Tests und Prüfungen, obwohl die grundsätzlichen Techniken und Methoden der Aufgabengestaltung und der Testzusammenstellung ähnlich sind. Bei der informellen Leistungsmessung stehen aber die pädagogischen Aspekte im Vordergrund: sie beeinflussen nämlich den Prozess, wie Tests entworfen und nachbearbeitet werden. Wir behandeln zuerst die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen Prüfungstests und Klassentests, dann stellen wir unterschiedliche Testsituationen dar, in denen Klassentests verwendet werden können. „Sprachtests werden vor allem eingesetzt, um Entscheidungen zu treffen“ (Grotjahn 2000a: 71), und das gilt sowohl für die Prüfungstests, wie auch für Klassentests. Jedoch werden bei Prüfungen sehr oft Selektions- oder Einstufungsentscheidungen getroffen, während bei Klassentests eher darüber entschieden wird, ob die Lernziele erreicht wurden oder wie der zukünftige Unterrichtsprozess laufen soll. In der Lerneinheit 5.1 wurden die unterschiedlichen Perspektiven der Bewertung detaillierter beschrieben, indem wir nach Scriven (1967) zwischen summativen, formativen und diagnostischen Aspekten bei der Bewertung unter- <?page no="175"?> 175 5.2 Klassentests schieden haben. Diese pädagogische Vielfalt ist aber nur für die informelle Leistungsmessung charakteristisch, denn Prüfungen haben einen summativen Charakter: Bei Prüfungen ist nur die punktuelle Leistung wichtig (was der Lerner zum Zeitpunkt der Prüfung von seinen Kompetenzen zeigen kann), eigentlich ist sowohl der Weg zur Prüfung, wie auch der weitere Lernweg der Testkandidaten und -kandidatinnen irrelevant. Dementsprechend werden Instrumente der formellen Leistungsmessung immer so entworfen, dass die Testverfasser und -verfasserinnen keine genauen Angaben über den tatsächlichen Lernweg haben, nur die vorgeschriebenen Inhalte (die curricularen Vorgaben, Standards) kennen. In Klassentests haben dagegen die Lehrkräfte ausführliche Informationen über den eigentlichen Unterrichtsprozess vor der Testphase: Was wurde nicht so tief behandelt, in welchen Bereichen hatten die Lerner Schwierigkeiten? Formelle Tests werden also immer auf der Basis der Erwartungen zusammengestellt (was sollte im Unterricht passieren), wobei informelle Tests immer den „Ist-Zustand“ beachten können (was ist in der Tat passiert). Die Nachbearbeitung der Tests (die Bewertung und die Analyse der Ergebnisse) läuft auch unterschiedlich. Da die Prüfer und Prüferinnen für den weiteren Lernweg des Prüfungskandidaten keine Verantwortung tragen, ist die fördernde Perspektive in einer Prüfung völlig ausgeklammert, wichtig ist nur, dass die Produkte objektiv bewertet werden und dass die Testkandidaten und -kandidatinnen die Beurteilung ihrer Kompetenzen in einem transparenten Verfahren bekommen. Ein weiterer Unterschied im Bereich der Bewertung ist, dass die Prüfer und Prüferinnen die Testkandidaten und -kandidatinnen in den Prüfungen grundsätzlich nicht kennen, so bewerten sie nur ihre punktuelle Leistung, in Klassentests werden aber die Ergebnisse gewollt oder ungewollt mit den Daten verglichen, die die Lehrkräfte während des Lernprozesses gewonnen haben. Klassentests kann man vielfältig verwenden, es gibt unterschiedliche Situationen und Lernkontexte, in denen Lehrer in irgendeiner Form die Leistungen der Schüler überprüfen wollen: zum Beispiel die Planung des weiteren Unterrichtsprozesses, die Unterstützung der Schüler bei der Planung ihres Lernwegs, die Motivation der Schüler, die Überprüfung der Ergebnisse einer neuen Methode oder eines Lehrmaterials oder die Selbstkontrolle der Lehrer. Klassentests können also in unterschiedlichen Situationen und zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden, und das hat starke Auswirkungen auf das Verfahren, wie die Tests entworfen und nachbereitet werden. Die Leistungsmessung ist kein homogenes Gebiet, die grundlegenden Testziele haben einen starken Einfluss auf die Testgestaltung und auf das Bewertungsverfahren, deshalb müssen je nach Zielsetzungen unterschiedliche Tests zusammengestellt werden: der gleiche Test kann also in unterschiedlichen Situationen passend oder unpassend sein. Zur Konkretisierung dieser Behauptung beschreiben wir vier unterschiedliche Situationen, in denen Lehrkräfte Klassentests verwenden können: <?page no="176"?> 176 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Beispielsituationen zur Testgestaltung 1. Können wir weitergehen? Ein thematischer Block wurde gerade beendet, der Lehrer oder die Lehrerin überlegt, ob er oder sie mit dem Lernstoff weitergehen kann oder weitere Übungen und Erklärungen noch nötig sind. Ziel des Tests: Datenerhebung zur Unterrichtsplanung, Planungshilfe für die Fortsetzung der Arbeit. Mögliche Fragen der Lehrkraft: Soll ich noch für die ganze Gruppe Aktivitäten zu diesem Thema einplanen? Gibt es Schüler in der Gruppe, die noch eine individuelle Förderung benötigen? 2. Wie wollen wir das neue Material bearbeiten? Der Lehrer oder die Lehrerin braucht eine Diagnose für die Planung einer neuen Einheit. Das ist relevant, wenn die Lehrkraft die Gruppe noch nicht kennt, wenn eine Arbeitsform neu eingeführt wird, oder wenn ein Thema, das früher schon behandelt wurde, neu aufgegriffen wird. Ziel: Datenerhebung zur Unterrichtsplanung, Diagnose vor der Arbeit. Mögliche Fragen der Lehrkraft: Welche Vorkenntnisse haben die Lerner, woran erinnern sie sich noch, welche Strategien sind schon vorhanden? Welche individuellen Bedürfnisse haben die Lerner? 3. Du kannst es schon! In der Gruppe gibt es viele Schüler und Schülerinnen, die die Fremdsprache ungerne verwenden, Hemmungen haben. Der Lehrer oder die Lehrerin möchte den Lernern zeigen, dass die geleistete Arbeit schon Ergebnisse gezeitigt hat. Ziel: Angst abbauen, Motivation. Mögliche Fragen der Lehrkraft: Welchen Fortschritt haben die Lerner gemacht? Wie kann ich ihnen am besten zeigen, was sie schon können? 4. Was haben wir gemacht? Ein thematischer Block wurde beendet. Der Lehrer oder die Lehrerin möchte beurteilen inwieweit die Lernziele erreicht wurden. Laut der Vorschriften der Schule müssen die Lerner dreimal pro Semester eine Abschlussarbeit schreiben. Ziel: Beurteilung oder Bewertung der Ergebnisse nach Bearbeitung einer Einheit. Mögliche Fragen der Lehrkraft: Inwieweit wurden die Lernziele erreicht? Wie ist die individuelle Leistung der Lerner im Vergleich zum Lehrplan? <?page no="177"?> 177 5.2 Klassentests Experiment Lesen Sie die Beschreibungen der vier Beispielsituationen, und überlegen Sie, welche Unterschiede Sie bei der Vor- und Nachbereitung der Tests feststellen können. Denken Sie dabei an die folgenden Fragen: ▶ Wie bestimmen Sie den Testinhalt (zu welchen Bereichen bereiten Sie Aufgaben vor)? ▶ Wie schätzen Sie die Schwierigkeit der Testaufgaben ein? ▶ Wie bereiten Sie die Testergebnisse nach (was beachten Sie bei der Bewertung, benoten Sie den Test, wie bearbeiten Sie die Testergebnisse)? Während des Experiments haben Sie die prinzipiellen Fragen der Testgestaltung (wie zum Beispiel Testinhalt, Schwierigkeit der Aufgaben, Beurteilung der Ergebnisse) in den vier Situationen sicherlich unterschiedlich beantwortet (Tabelle 5.1). In der ersten Situation (Können wir weitergehen? ) wird gemessen, wie weit die Lernziele erreicht wurden, dabei ist aber nicht der abgeschlossene Lernprozess wichtig, sondern eher der weitere Lernweg. Durch die Reflexion der Unterrichtsabläufe hat der Lehrer oder die Lehrerin sicherlich eine Vorstellung davon, wo Probleme zu erwarten sind. Auf der Basis des Testzieles müssen die Testaufgaben gerade zu diesen problematischen Inhalten gestaltet werden, was sich auf die Testschwierigkeit auswirkt: Es ist zu erwarten, dass dieser Test für einige Lerner zu schwer sein wird. Daher wäre es unfair, die Ergebnisse zu benoten, bei guten Leistungen kann aber die Benotung motivierend wirken. Da der weitere Lernweg mit der Datenerhebung begründet wird, ist die genaue Analyse, die ausführliche Besprechung der Ergebnisse sowohl für die Lehrkraft als auch für die einzelnen Lerner wichtig. Bei der zweiten Situation (Wie wollen wir das neue Material bearbeiten? ), hat der Test ein „klassisches“ diagnostisches Ziel: der Lehrer oder die Lehrerin will nur überprüfen, ob gewisse Teilkompetenzen oder Vorkenntnisse, die für die weitere Arbeit notwendig sind, schon oder noch vorhanden sind. Die Aufgaben werden also zu den Bereichen gestaltet, die für die weitere Arbeit wichtig sind, und wegen der Genauigkeit der Diagnose müssen gemischte Aufgabenschwierigkeiten vorkommen. Bei diesem Test ist die Zukunftsperspektive sehr stark ausgeprägt und die Ergebnisse sind vor allem für methodische Entscheidungen der Lehrkraft wichtig. Die detaillierte Auswertung der Ergebnisse ist also für die Lerner nicht unbedingt informativ. Bei diesem Test werden vorhandene Schülerkompetenzen überprüft, hinter guten Leistungen steckt nicht unbedingt harte Arbeit, daher wäre die Benotung unfair. In der dritten Situation (Du kannst es schon! ) werden die Testinhalte so bestimmt, dass die Lehrkraft vor allem den individuellen Fortschritt der einzelnen Lerner wahrnehmen und verdeutlichen kann, bei sehr heterogenen Gruppen können eventuell unterschiedliche Tests konstruiert werden. Der individuelle Fortschritt wird bewertet und die Lerner brauchen Hilfe bei der Interpretation der Ergebnisse. Die vierte Situation (Was haben wir gemacht? ) ist eigentlich der traditionelle Abschlusstest. Das ist ein summativer Test, daher ist die traditionelle Bewertung angebracht, nach transparenten Bewertungskriterien, möglicherweise ergänzt durch individuelle Rückmeldungen. Es <?page no="178"?> 178 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis ist also wichtig, dass die Lerner interpretieren können, in welchen Teilbereichen, bei welchen Kompetenzen sie sich noch anstrengen müssen. Ziele / Gründe 1. Können wir weitergehen? (Unsicherheit des Lehrers) 2. Wie wollen wir das neue Material bearbeiten? (Diagnose vor der Arbeit) 3. Du kannst es schon! (Angst abbauen, Motivation) 4. Was haben wir gemacht? (Abschlussarbeit) Testinhalte Problematische, schwierige Teile des Materials. Teilkompetenzen, die zur Bearbeitung des neuen Materials nötig sind. Unproblematische, interessante Teile des Materials. Inhalte, die die wichtigsten Lernziele abdecken. Schwierigkeit der Aufgaben Schwierige Aufgaben (eventuell auf unterschiedlichen Niveaus). Gemischte Schwierigkeit, Grundlage zur Differenzierung. Interessante, motivierende, den unterschiedlichen Kompetenzen entsprechende (eventuell leichte) Aufgaben. Unterschiedliche Aufgabentypen, gemischte Schwierigkeit. Behandlung der Testergebnisse Testergebnisse werden sehr differenziert bearbeitet, den Lernern wird eine detaillierte Rückmeldung über Erfolge und Probleme gegeben. Testergebnisse werden sehr differenziert bearbeitet, die Lehrkraft macht anhand der Ergebnisse individuelle Förderungspläne. Die Lerner bekommen eine detaillierte Rückmeldung über den eigenen Lernfortschritt. Testergebnisse werden ausführlich analysiert. Benotung Nur für die guten Leistungen. Keine. Nur für die guten Leistungen und für den individuellen Fortschritt. Kriteriumsorientiert, nach transparenten Kriterien. Tabelle 5.1: Unterschiede in verschiedenen Testsituationen nach: Einhorn 2012: 78 Die vier Situationen machen deutlich, dass pädagogische Aspekte die angewandten Testmethoden und Bewertungstechniken beeinflussen. Die tägliche Praxis der Lehrkräfte zeigt aber, dass Prüfungen sich stark auf den informellen Bereich auswirken: der Klassentest wird oft nicht als pädagogisches Mittel verwendet. 5.2.2 Die Vorbereitung von Klassentests In den Kapiteln 3 und 4 haben Sie viel über die Testgestaltung erfahren, in dieser Einheit wollen wir detaillierter behandeln, wie Klassentests zu unterschiedlichen Testzwecken erstellt werden können, dabei wollen wir auch untersuchen, wie man Techniken und Methoden der Prüfungsentwicklung bei Klassentests einsetzen kann. Bei Prüfungstests werden zuerst die Prüfungsanforderungen bestimmt, dann wird das Modell der Prüfung entworfen und diese Informationen werden in der Testspezifikation festgehalten (Bachman & Palmer 1996) (Lerneinheit 3.3). In den Prüfungsanforderungen wird also ein Katalog über die Kompetenzen und Wissensbereiche erstellt, die der Prüfungskandidat <?page no="179"?> 179 5.2 Klassentests wissen oder können sollte, und mit Hilfe des konkreten Tests wird davon eine Stichprobe genommen. Im Test können also prinzipiell alle Themen und Kompetenzbereiche vorkommen, die im Katalog aufgezählt sind, das Zufallsprinzip entscheidet, was von den Anforderungen im konkreten Test tatsächlich geprüft wird. Bei Klassentests läuft der Vorgang ähnlich, da wir aber in diesen Tests unterschiedliche Testziele haben können (siehe 5.2.1), ist dieses Auswahlverfahren etwas komplizierter. Bei Klassentests arbeiten die Lehrkräfte in zwei Schritten: zuerst werden Lernziele (Lernergebnisse) analysiert („was haben die Schüler gelernt? “) und davon können die Testziele oder Messziele abgeleitet werden („was will ich messen? “), im Einklang mit der Testsituation (Tabelle 5.1). Die Lernziele oder Lernergebnisse werden also im ersten Schritt in einer Liste gesammelt, die auch Lernzielkatalog genannt wird. Bei dieser Analyse ist es sehr wichtig, dass möglichst alle Bereiche einbezogen werden: Sollten nämlich gewisse Teilbereiche bei der Analyse vernachlässigt werden, erscheinen sie nachher im Test auch nicht. Zur Analyse kann man unterschiedliche Checklisten verwenden, ein Beispiel ist Tabelle 5.2. Textverstehen (Hören, Lesen) Textsorten (was verstehen) Leseart, Lesestrategie (wie verstehen) Thema, Wortschatz / Strukturen, Kommunikationsabsichten - rezeptiv Textproduktion (Sprechen, Schreiben) Textsorten (was produzieren) Situation, Rolle Kommunikationsabsichten Thema, Wortschatz, Strukturen - produktiv Strukturen / Wortschatz Funktionen / Kommunikationsabsichten Strukturen, Wortschatz - rezeptiv, produktiv Sonstiges Strategien, Motivationen, Einstellungen etc. Tabelle 5.2: Inhalte zur Analyse der Lernziele Zur Erstellung der Lernzielkataloge können Inhaltsverzeichnisse und Lehrerhandbücher verwendet werden, da sie viele Informationen beinhalten, die wichtigste Quelle ist aber natürlich die Stundenvorbereitung der Lehrkräfte. Das Ergebnis kann in einer beliebigen Form festgelegt werden, ein Beispiel dafür zeigt die Tabelle 5.3. Textsorte, Strategie, Kommunikationsabsicht Lesen Die Hauptinformationen in einem beschreibenden Text zum Thema Freizeit verstehen. Inhaltliche Struktur des Textes verstehen. Die Beschreibung von Hobbys detailliert verstehen. Hören Bericht zum Thema Ehrenamt verstehen. Schreiben Bericht schreiben über die Freizeitgestaltung der Gruppe. In einem persönlichen Brief über das eigene Hobby berichten Sprechen Wünsche, Absichten ausdrücken. Kurze Informationen über die Freizeitgestaltung formulieren. Interview zum Thema Freizeit durchführen, sich über das Hobby von anderen informieren. <?page no="180"?> 180 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Wortschatz, Strukturen Thema / Wortschatz Handlungen, Gegenstände, Orte in Bezug auf Freizeittätigkeiten kennen. Strukturen Konjunktiv, indirekte Rede. Sonstiges Erkennen, dass freiwillige Tätigkeiten in der anderen Kultur eine große Tradition haben. Tabelle 5.3: Beispiel für einen Lernzielkatalog zum Lehrwerk Deutsch mit Grips 1 Lektion 4 (Szablyár et al. 2001), nach Einhorn 2012: 87 Wenn Sie die Lernziele detailliert aufgelistet haben, haben Sie bereits den Grundstein für viele mögliche Tests gelegt. Sie müssen deshalb zuerst darüber nachdenken, was Sie davon wirklich messen möchten. Dabei sollten Sie vor allem das allgemeine Ziel des Tests beachten (zum Beispiel Diagnostik, Abschluss, Einstufung, Lernberatung, Motivation) (Tabelle 5.1). Natürlich müssen Sie dabei auch die Umstände beachten: zum Beispiel Zeit, Technik, Anzahl der Schüler, aber auch Messbarkeit der entsprechenden Lernergebnisse. Wenn Sie die möglichen Testziele gesammelt haben, sollten Sie Ihren Test genauer planen. Bei Prüfungen oder bei formellen Tests werden zu diesem Zweck Testentwürfe erstellt, die auch bei Klassentests behilflich sein können (Tabelle 5.4). Der Testentwurf unterstützt die Aufgabengestaltung, weil alle Merkmale der Aufgaben im Voraus festgelegt werden: zum Beispiel das Thema, die Textlänge, die Komplexität des Textes, die Lese- oder Hörstrategie. In diesem Entwurf werden auch die Zeiteinteilung und die Punktverteilung grob geplant. Testziel Teil 1 Leseverstehen eine Aufgabe, geschlossen Zeit: 15 Minuten Bewertung: 40 % Der Lerner versteht die wichtigsten Informationen in einem einfachen beschreibenden Text zum Thema Freizeit. Teil 2 Schreibfertigkeit eine Aufgabe, persönlicher Brief Zeit: 30 Minuten Bewertung: 40 % Der Lerner kann mit viel Hilfe einen kurzen persönlichen Brief formulieren, der Lerner kann Informationen erfragen. Teil 3 Strukturen und Wortschatz zwei Aufgaben, halboffen Zeit: 15 Minuten Bewertung: 20 % Der Lerner kann Nebensätze mit weil bilden, er kann Begründungen ausdrücken. Tabelle 5.4: Das Schema eines Testentwurfs (Klassentest) In der Entwurfsphase müssen viele Entscheidungen getroffen werden, die Schwierigste von ihnen ist, welche (Teil)kompetenzen getestet werden. Bei der informellen Leitungsmessung stellt nämlich der Zeitfaktor ein spezielles Problem dar: während Sprachprüfungen meistens einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen können, steht für die Klassentests meistens nur eine Unterrichtsstunde, also 40-60 Minuten zur Verfügung. Unter diesen Umständen ist es unmöglich einen komplexen Sprachtest vorzubereiten, wo alle vier Fertigkeiten gemessen <?page no="181"?> 181 5.2 Klassentests werden. Ein guter Kompromiss kann sein, wenn die Klassentests für eine längere Zeitspanne grob vorgeplant werden. Es ist möglich, dass in einem Test vor allem das Leseverstehen und Wortschatzkenntnisse überprüft werden, während im nächsten Test andere Kompetenzen geprüft werden, zum Beispiel Hörverstehen und Schreibfertigkeit. Diese Planung muss sorgfältig gemacht werden, erstens weil man nur so über alle Kompetenzen Informationen gewinnen kann, andererseits haben die Tests immer eine eindeutige Botschaft an die Lerner: was nie getestet wird, kann den Lernern unwichtiger vorkommen (Bolton 1996). Wenn zum Beispiel die Sprechfertigkeit der Lerner aus technischen Gründen grundsätzlich nicht gemessen und bewertet wird, können Lerner die Wichtigkeit der mündlichen Kommunikation unterschätzen. Es funktioniert aber auch umgekehrt: wenn in jedem Test vor allem Grammatik überprüft wird, können Lerner denken, dass die sprachliche Korrektheit das wichtigste Ziel beim Lernen ist. Ein weiterer wichtiger und interessanter Aspekt ist die Planung der Punktverteilung. Bei Sprachprüfungen ist die Tendenz zu beobachten, dass die vier Fertigkeiten möglichst gleich bewertet werden, weil sie in der Kommunikation die gleiche Wichtigkeit haben (Bachman & Palmer 1996). Bei Klassentests können unterschiedliche Aspekte überlegt werden: Was wurde in der Lernphase intensiver geübt oder was ist schwieriger? Was ist auf Grund des Testzieles wichtiger? (Bolton 1996) Im obigen Testentwurf (Tabelle 5.4) wird zum Beispiel die Überprüfung der Schreibfertigkeit und des Leseverstehens gleichmäßig bewertet (40-40 %), Strukturen und Wortschatz spielen in der Gesamtbewertung eine kleinere Rolle (20 %). Diese Entscheidung kann dadurch begründet werden, dass die sprachliche Richtigkeit auch bei der Schreib- und Leseaufgabe mitgemessen und mitbewertet wird. Eine andere Gewichtung ist aber ohnehin möglich, wichtig ist aber, dass die Bewertung von den Testzielen abgeleitet und vorgeplant wird (Bolton 1996). In vielen Klassentests wird zum Beispiel die Grammatik dadurch überbetont, dass die Grammatikaufgaben mehr Items haben als die Aufgaben zum Leseverstehen oder zum Hörverstehen. Wenn für alle Items automatisch ein Punkt vergeben wird, dann kann die innere Gewichtung des Tests den eigentlichen Zielsetzungen widersprechen. Technisch kann man diese Probleme so lösen, dass in gewissen Testteilen die Items mehr oder weniger Punkte bringen. Die Testentwicklung ist im informellen Bereich sehr interessant: gewisse Techniken der formellen Leistungsmessung lassen sich gut einsetzen, wie zum Beispiel die Lernzielkataloge oder Testentwürfe. Beim Entwurf von Klassentests sind aber auch gravierende Unterschiede im Vergleich zu den Prüfungen festzustellen: Klassentests lassen mehr Freiraum für die Lehrkräfte, bedeuten aber zugleich mehr Verantwortung in dem Sinne, dass pädagogische Ziele mitberücksichtigt werden müssen. 5.2.3 Die Beurteilung der Ergebnisse bei Klassentests In der Einheit 5.1.3 haben Sie grundlegende Aspekte und alternative Techniken zur formativen Bewertung kennen gelernt, wobei die formative Bewertung mit der Unterrichtsplanung und mit der Unterrichtsgestaltung verbunden dargestellt wurde. In diesem Abschnitt behandeln wir das Problem, wie die Leistungen der Lerner in den gewohnten Bereichen der Leitungs- <?page no="182"?> 182 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis messung mit der fördernden Perspektive beurteilt werden können. Die Nachbereitungsphasen von Klassentests und Prüfungen unterscheiden sich nämlich ebenfalls teilweise. Bei der Beurteilung von Schülerleistungen in Klassentests ist es besonders interessant, welche Bezugsnorm am besten zu den Testzielen passt. Die Bezugsnorm bedeutet, dass die Leistungen mit drei unterschiedlichen Quellen verglichen werden können: erstens mit den Anforderungen und Standards, die in Lehrplänen formuliert wurden (kriteriumsorientierte Norm), zweitens mit den Leistungen der anderen Schüler (normorientierte Norm) und drittens mit den früheren Ergebnissen des betroffenen Schülers (individuelle Norm) (Bachmann 1990; Europarat 2001; Rheinberg 2001). Da diese Problematik eng mit der individuellen Förderung der Lerner verbunden ist, wollen wir das Thema etwas ausführlicher behandeln. Welche Möglichkeiten Lehrer bei der Auswahl der entsprechenden Bezugsnorm haben, lässt sich am besten an einem konkreten Beispiel veranschaulichen. Ein Lehrer oder eine Lehrerin hat eine Lerngruppe mit 9 Schülern, die in diesem Halbjahr drei Tests geschrieben haben. In Tabelle 5.5 finden Sie die Ergebnisse der Klassentests in Prozenten angegeben und nun müssen die Ergebnisse des dritten Tests beurteilt werden. Lerner Test 1 (%) Test 2 (%) Test 3 (%) 1. 70 60 50 2. 20 20 20 3. 60 70 80 4. 45 30 20 5. 80 80 80 6. 10 15 20 7. 30 40 50 8. 98 90 80 9. 50 50 50 Tabelle 5.5: Testergebnisse in drei Klassentests nach Rheinberg 2001 Experiment a) Wie beurteilen Sie das Testergebnis der Schüler im dritten Test (Tabelle 5.5)? Entscheiden Sie über die Beurteilung der einzelnen Schüler, Sie haben vier Kategorien: sehr gut - gut - schlecht - sehr schlecht. b) Formulieren Sie für sich selbst, welche Prinzipien Sie bei der Bewertung beachtet haben. c) Diskutieren Sie im Forum über Ihre Entscheidungen. Die Ergebnisse des dritten Tests (Tabelle 5.5) können unterschiedlich interpretiert werden. Die erste Möglichkeit ist, dass Sie kriteriumsorientiert vorgehen: auf Grund der Lehrpläne oder der Anforderungen werden die Erwartungen über gute und schlechte Leistungen fest- <?page no="183"?> 183 5.2 Klassentests gestellt, sie werden in Notengrenzen veranschaulicht und dementsprechend werden die Ergebnisse automatisch umgerechnet (zum Beispiel sehr gut: 100-81 %; gut: 80-66 %; schlecht: 65-51 %; sehr schlecht: 50-0 %). Die zweite Möglichkeit ist, dass zunächst einmal alle Leistungen im dritten Test analysiert werden und erst nachher die Beurteilung festgelegt wird. In diesem Fall werden die Leistungen der Lerner miteinander verglichen (normorientierte Bewertung). Bei diesem Test ist es auffallend (Tabelle 5.5), dass niemand in der Gruppe über 80 % abgeschnitten hat, auch die Lerner nicht, die früher bessere Leistungen erbracht haben. Wir können natürlich gar nicht beurteilen, ob der Test zu schwierig oder missverständlich war, ob sich die Lerner nicht gut vorbereitet haben, oder ob die Unterrichtsmethoden unpassend waren. Man könnte aber bei der Bewertung so vorgehen, dass die besten Leistungen in der Gruppe (in diesem Fall 80 %) als „sehr gut“, die schlechtesten (20 %) als „sehr schlecht“ beurteilet werden können. Auf diese Weise kann die Lehrkraft eventuelle Qualitätsprobleme des Tests oder des Unterrichts gerecht behandeln: trotz der Schwierigkeiten des Tests gab es bessere und schlechtere Leistungen. Ein dritter Weg wäre, dass bei jedem einzelnen Lerner der individuelle Fortschritt bewertet wird (individuelle Bezugsnorm). Ein Leistungszuwachs in den Ergebnissen wird als „gut“ oder „sehr gut“ und ein Leistungsabfall als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewertet. Dann stellt sich allerdings die Frage, wie man Leistungen, die konstant bleiben, beurteilt und es ist auch fraglich, ob es gerecht ist, eine Steigerung von 10 auf 20 % genauso zu behandeln, wie eine Steigerung von 60 auf 80 %, da im ersten Fall die eigentliche Leistung trotz Steigerung sehr mangelhaft ist. Auf jeden Fall kann man mit der individuellen Bezugsnorm auf die Entwicklung der Lerner reagieren. Alle drei Bezugsnormen haben Vorteile, alle drei können also mit Recht verwendet werden, man kann aber gewisse Kritikpunkte nicht verschweigen (Tabelle 5.6). Die kriteriumsorientierte Bewertung scheint gerecht und objektiv zu sein, es ist aber nicht so einfach bei einem Test die genauen Bewertungsgrenzen festzulegen (das nennt sich bei Prüfungen benchmarking, dazu finden Sie mehr in der Einheit 3.3). Eine Voraussetzung dafür ist, dass ganz genaue Vorstellungen mit genauen Niveauunterschieden bezüglich der erwarteten Leistungen beschrieben werden (Standards). Beim Vergleich mit anderen (Normorientierung) wird die individuelle Leistung nicht gewürdigt. Die individuelle Bezugsnorm hat eine fördernde und motivierende Funktion, sie kann aber auch falsche Botschaften vermitteln, weil dadurch auch prinzipiell schwache Leistungen gewürdigt werden können, wenn die Tendenz zur Verbesserung festzustellen ist. Der Vergleich von unterschiedlichen Testergebnissen ist außerdem nur für den Fall möglich, dass die Testinhalte ähnlich sind. Da das konkrete Beispiel in Tabelle 5.5 Ergebnisse von fremdsprachlichen Tests zeigt, ist es möglich, dass im Test 1 vor allem Leseverstehen, im Test 2 Schreibfertigkeit und im Test 3 Wortschatz getestet wurde; in diesem Fall können die unterschiedlichen Ergebnisse nicht als Entwicklung interpretiert werden, weil sie nicht vergleichbar sind. <?page no="184"?> 184 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Kriteriumsorientierte, sachbezogene Norm Normorientierte, sozialbezogene Norm Individuelle Norm Vorteil ▶ Eindeutiger Bezug zu den Lernergebnissen ▶ Transparenz ▶ ermöglicht schnelle und automatische Entscheidungen ▶ bietet Möglichkeit zur Standardisierung ▶ Einwände der Lerner oder der Eltern sind leichter zu behandeln ▶ Qualitätsprobleme des Tests oder des Unterrichts können beachtet werden ▶ die persönliche Leistung wird gewürdigt ▶ kann bei leistungsschwächeren Lernern motivierend wirken Nachteil / Gefahr ▶ Notengrenzen sind schwierig festzulegen ▶ nur scheinbare Objektivität ▶ Qualitätsprobleme des Tests werden nicht berücksichtigt (zum Beispiel missverständliche Aufgaben) ▶ Qualitätsprobleme des Unterrichts werden nicht reflektiert ▶ klasseninterne Gültigkeit ▶ persönliche Leistung wird nicht gewürdigt ▶ kann sowohl bei guten wie auch bei schlechten Ergebnissen hemmend wirken ▶ Subjektivität ▶ mögliche Einwände von den Lernern oder Eltern Tabelle 5.6: Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Bezugsnormen nach Rheinberg 2001; Schott & Ghanbari 2012 Da die drei unterschiedlichen Bewertungsverfahren Vor- und Nachteile haben, sollte man sie kombinieren und sehr bewusst anwenden: In verschiedenen Arbeitsphasen oder bei unterschiedlichen Zielsetzungen kann die Bewertung nach anderen Prinzipien vorgehen. Während des Lernprozesses ist es sinnvoll die fördernde Perspektive vorzuziehen, die individuelle Bezugsnorm hervorzuheben und dadurch den individuellen Fortschritt der einzelnen Personen zu reflektieren, nach dem Abschluss einer Phase sollten die Ergebnisse und Leistungen aber mit den Erwartungen und mit den Lernzielen verglichen werden. Lerner können mit diesen Unterschieden umgehen, wenn das Verfahren transparent und begründet ist. Für die Lehrkräfte (und oft auch für die Lerner) scheint es objektiver oder gerechter zu sein, wenn bei der Bewertung keine individuellen Bezugsnormen verwendet werden, aber mit der norm- und kriteriumsorientierten Bewertung werden Anstrengungen und Fortschritte der Lerner nicht unbedingt anerkannt. Manche Lerner erhalten so die Rückmeldung, dass sie-- unabhängig von ihren Anstrengungen-- immer schlechter als die anderen sind, wobei aber auch das Gegenteil demotivierend wirken kann: Lerner, die eventuell ohne große Anstrengung meistens besser bewertet werden als ihre Mitschüler und Mitschülerinnen, verlieren ebenfalls das Interesse an ihrer Weiterentwicklung. Deshalb müssen Lerner erleben, dass ihre Leistungen manchmal mit anderen verglichen werden, oft wird aber der individuelle Fortschritt bewertet. Besonders wichtig sind diese Überlegungen bei bildungsbenachteiligten Kindern, sie profitieren nämlich sehr davon, wenn bei der Bewertung die individuellen Fortschritte beachtet werden (K. Nagy 2013; Rheinberg 2001). Für die reale Selbsteinschätzung der leistungsschwächeren Kinder spielt die individuelle Bezugsnorm eine äußerst wichtige Rolle, und ihre Akzeptanz in der Gruppe kann dadurch erleichtert werden, dass der Lehrer oder <?page no="185"?> 185 5.2 Klassentests die Lehrerin die individuellen Stärken betont und die harte Arbeit für die Entwicklung hervorhebt (K. Nagy 2013). Die übertrieben kriteriumsorientierte Bewertung kann außerdem die Bemühungen und die Experimentierfreudigkeit der Lerner blockieren, weil die damit verbundenen eventuellen Fehler von den Lernern als riskant eingestuft werden (Knausz 2008). Mit erprobten, bewährten Lösungen, mit schon eingeübten, gefestigten Strukturen läuft man nämlich nicht Gefahr, eventuell schlechtere Beurteilungen zu bekommen. Wenn man also aus Gewohnheit oder aus Angst vor Problemen die fördernde Perspektive bei der Bewertung systematisch ausklammert, wird die Förderung der einzelnen Schüler bedeutend erschwert. Testergebnisse können auch zur Lernberatung verwendet werden, auf Grund der Ergebnisse kann nämlich der Lehrer oder die Lehrerin die Lerner bei der Planung des eigenen Lernwegs und damit beim autonomen Lernen unterstützen. Individuelle Förderpläne der Schüler werden auch datenbasiert erstellt, in diesen Dokumenten können die Lehrkräfte genau beschreiben, welche Lernziele oder Lernergebnisse für die einzelnen Lerner relevant sind und welche Methoden, Aufgaben, Aktivitäten etc. für die Förderung nützlich sein können. Testergebnisse können aber nicht nur Informationen über Schülerleistungen oder Schülerkompetenzen liefern, sondern auch über die Qualität der Unterrichtsmethoden, der Lehrpläne und der Lehrmaterialien. Bei der Interpretation der Testergebnisse kann auch die Frage der Verantwortung mitbedacht werden: wer ist für die unerreichten Lernziele verantwortlich und welche Zuständigkeiten haben Lerner und Lehrkräfte in der Nachbearbeitungsphase der Testergebnisse? Schlechte Testergebnisse können aus der Perspektive der Lerner, der Eltern oder der Schulleitung eventuell anders interpretiert werden als aus der Sicht der Lehrkraft. Diese differenziertere Sichtweise ist besonders wichtig, wenn man an der Unterrichtsqualität ständig arbeiten möchte (siehe dazu mehr in den Lerneinheiten 6.1 und 7.1). 5.2.4 Zusammenfassung ▶ Die Leistungsmessung wird oft von traditionellen Techniken und Auffassungen geprägt, obwohl dieser Bereich viele pädagogische Möglichkeiten bietet. ▶ Die Ziele und die Durchführung von Klassentests können differenzierter behandelt werden: außer zur Beurteilung können Testergebnisse zur Unterrichtsplanung, zur Diagnostik, zur Lernberatung oder zur Motivation der Schüler verwendet werden. ▶ Im Bereich der informellen Leistungsmessung können Verfahren und Mittel der Prüfungserstellung verwendet werden: bei der Testzusammenstellung kann man zum Beispiel viel genauer und kleinschrittiger arbeiten, indem man Lernzielkataloge und Testentwürfe zusammenstellt. ▶ Die Beurteilung der Schülerleistungen kann nach unterschiedlichen Bezugsnormen vorgehen, die Kombination und die bewusste Auswahl der Bezugsnormen kann die Effektivität der Bewertung verstärken. ▶ Die detaillierte Bearbeitung der Testergebnisse ermöglicht Konsequenzen sowohl für die individuelle Förderung der Schüler, wie auch für die Evaluation der Unterrichtsmethoden und Curricula. <?page no="186"?> 186 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis 5.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Sie möchten einen Klassentest professionell konstruieren. Legen Sie die notwendigen Arbeitsschritte fest. a. allgemeine Ziele festlegen (warum will ich testen) b. … c. … 2. Welche Rolle und Verwendungsmöglichkeiten haben Klassentests im Unterrichtsprozess? 3. Welche Vor- und Nachteile haben die kriteriumsorientierte und die normorientierte Bewertung bei Klassentests? 4. Welche Rolle hat die individuelle Bezugsnorm bei der Förderung der Lerner? 5. Wie kann man Testergebnisse zur Lernberatung oder zur Entwicklung von Förderplänen verwenden? <?page no="187"?> 187 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen In der Lehrpraxis stellt sich oft die Frage, inwiefern der Unterricht auf die speziellen Formate von Prüfungen ausgerichtet werden soll. Die Rückwirkung der Prüfungen und Abschlusstests (auch washback genannt) ist oft positiv (kompetenzorientierte Prüfungen können zum Beispiel zur Modernisierung des Unterrichts beitragen), es gibt aber auch negative Tendenzen (wenn die Prüfungsformate den Unterricht stark bestimmen). Vor diesem Hintergrund schauen wir uns anhand eines Fallbeispiels an, wie sich Prüfungen und Sprachzertifikate auf den Unterricht (positiv und negativ) auswirken. Außerdem werden in der Einheit die Unterschiede zwischen Übungen und Testaufgaben analysiert. Wir beschäftigen uns mit der Frage, warum mit der Anwendung von Testaufgaben oder Modelltests die Schülerleistungen nicht unbedingt erhöht werden können. Welche Gemeinsamkeiten sind zwischen Übungen und Testaufgaben festzustellen, wie kann also die „Philosophie“ der Kompetenzförderung und die der Leistungsmessung einander nähergebracht werden? Es wird auch behandelt, wie Prüfungstraining in den Unterricht einzubauen ist. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Rückwirkung der Prüfungen auf den Unterricht kennen; ▶ die Unterschiede zwischen Testaufgaben und Übungen kennen; ▶ das Prüfungstraining vom Aufbau der Kompetenzen unterscheiden können; ▶ wissen, dass die Zielorientierung und die bewusste Steuerung der Schülertätigkeit sowohl bei den Übungen als auch bei den Testaufgaben wichtig sind. 5.3.1 Die Rückwirkung der Prüfungen auf den Unterricht Die mögliche positive Rückwirkung der Prüfungen auf den Unterricht, die auch washback oder backwash (Alderson & Wall 1993) genannt wird, wird bei Prüfungsentwicklungen beachtet und geschätzt: Die Modernisierung der Abschlussprüfungen kann nämlich zur Veränderung des Unterrichts beitragen. Prüfungen können aber den Unterricht auch negativ beeinflussen: Wenn nämlich Sprachzertifikate für die Schüler und Schülerinnen sehr wichtig sind, dann werden Probetests von unterschiedlichen Sprachprüfungen oft und früh im Unterricht eingesetzt und die Modell-Testaufgaben mischen sich in die Kompetenzförderung. Beide Phänomene können wir am Beispiel von Ungarn näher beobachten: Das ungarische Abitur (die Abschlussprüfung der Mittelschulen) wurde 2005 reformiert, und die Veränderungen der Prüfung haben zur Modernisierung des Fremdsprachenunterrichts beigetragen. Andererseits spielen Sprachzertifikate im ungarischen Fremdsprachenunterricht eine überbetonte Rolle, der schulische Fremdsprachenunterricht wird stark von Prüfungsformaten geprägt, dadurch können wir auch die negative Auswirkung von Prüfungen mit diesem Beispiel veranschaulichen. <?page no="188"?> 188 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Wie in allen ehemaligen Ostblock-Ländern, war auch in Ungarn die Modernisierung des Schulwesens in den 90er-Jahren eine Priorität, langfristige Reformen konnten aber nur schwierig umgesetzt werden, da in der neuen Demokratie die fehlende Kompromissbereitschaft der unterschiedlichen politischen Parteien nur kurzfristige, meistens nur für eine politische Periode gültige Veränderungen ermöglichte (Mátrai 2001). Grundsätze und Konzepte der Bildungspolitik verändern sich seitdem auch mit jedem politischen Wechsel, was zu einer gewissen Reformresistenz der Lehrer und Lehrerinnen geführt hat (Horváth & Lukács 2006). In diesem Kontext wurde das neue Modell des Abiturs zwischen 1996-2005 ausgearbeitet, und damit wurden die Organisation der gesamten Prüfung, die Prüfungsanforderungen und die Prüfungsmodelle für alle Schulfächer verändert. Das explizite Ziel der Prüfungsentwicklung war die inhaltliche Modernisierung der Schulpraxis und die bessere Prüfungsqualität, um zuverlässigere Prüfungsergebnisse zu erreichen. Die Anforderungen, die Prüfungsaufgaben und die Bewertungstechniken haben sich in allen Schulfächern wesentlich verändert, die neue Prüfung ist kompetenzorientiert, denn bei vielen Aufgaben müssen die Prüfungskandidaten und -kandidatinnen lebensnahe Problemstellungen lösen (Horváth & Lukács 2006). Die Einführung der Prüfung im Jahre 2005 war mit vielen Konflikten belastet, dabei fehlte oft die Bereitschaft der Schulen und der Lehrkräfte zu lernen (Halász 2006). Nach der Einführung der Prüfung wuchs die Akzeptanz sehr schnell, so dass die neuen Testformate einen schnellen und ziemlich direkten Einfluss auf den schulischen Unterricht hatten (Bánkuti & Lukács 2008), die positive Rückwirkung der Prüfung hat sich also in einer inhaltlichen Modernisierung gezeigt. In den modernen Fremdsprachen waren die Abschlussprüfungen vor der Abiturreform eher traditionell ausgerichtet: eine zentrale schriftliche Prüfung mit Grammatikaufgaben und Übersetzung (50 % in der Bewertung) und eine mündliche Prüfung (50 %), aber die genaue Abwicklung der mündlichen Prüfung, wie auch die Bewertung in beiden Teilen waren gar nicht geregelt. Diese Grammatikorientiertheit spiegelte die Unterrichtspraxis wider: Erhebungen und Unterrichtsbeobachtungen haben nämlich gezeigt, dass die Lehrer zwar gewusst haben, welche Kompetenzen sie entwickeln sollten, sie haben aber trotzdem eher traditionellere Methoden verwendet (Petneki 2007). Laut den Ergebnissen einer Untersuchung zwischen 2001-2003 unter Fremdsprachenlehrern war die häufigste Aktivität in den Sprachstunden die Erklärung des Lehrers und die häufigste Schüleraktivität die Lösung von Grammatik- oder Wortschatzaufgaben, gefolgt vom lauten Vorlesen von Texten und von der Übersetzung, wobei das Hörverstehen und die Sprechfertigkeit selten trainiert wurden (Petneki 2007). In den Schulen wurden im Deutschunterricht oft traditionelle Lehrwerke eingesetzt, die die Kompetenzförderung der Schüler nur beschränkt ermöglicht haben (Petneki & Szablyár 1998). Da die Prüfungsreform auch mit der Absicht initiiert wurde, den Unterricht zu modernisieren, wurde bei der Ausarbeitung des neuen Prüfungsmodells diese Unterrichtstradition nicht beachtet. Die neue Prüfung ist nämlich kompetenzorientiert (Prüfungsteile: Leseverstehen, Hörverstehen, Schreibfertigkeit, Strukturen und Wortschatz, Sprechfertigkeit), für die Tests werden authentische Texte verwendet, die Prüfung ist einsprachig (enthält also keine Übersetzungsaufgaben) und es gibt ganz genaue, kriterienorientierte Bewertungsanleitungen (Einhorn 2002). Die Anforderungen wurden auf der Basis der Niveaubeschreibungen des Re- <?page no="189"?> 189 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen ferenzrahmens formuliert (Einhorn & Major 2006; Petneki 2009). Die Prüfungsentwicklung, also der Entwurf und die Erprobung unterschiedlicher Aufgaben, die Erprobung des Modells und die Entwicklung der Bewertungskriterien war eine interessante Forschungsaufgabe (Vígh 2009, 2012; Einhorn 2015b); auch die Rückwirkungsmechanismen wurden erforscht (Vígh 2012). Da die Prüfung in einer modernen Fremdsprache für alle Schüler Pflicht war, waren die Lehrkräfte gezwungen, diese Veränderungen zu berücksichtigen: Die kompetenzorientierte Arbeit und die konsequente Förderung aller Fertigkeitsbereiche führten in der Folge dazu, dass auch vernachlässigte Bereiche (wie Hörverstehen und Sprechfertigkeit) in den Sprachstunden entwickelt wurden. In Ungarn ist eine positive Entwicklung des schulischen Fremdsprachenunterrichts zu beobachten, Forschungsergebnisse weisen auf eine leichte Modernisierung des Fremdsprachenunterrichts und auf die Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse der Schüler hin (Nikolov & Vígh 2012). Die Veränderungen wurden durch viele unterschiedliche Maßnahmen und Aktivitäten unterstützt; man kann zwar keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Abiturreform und der Entwicklung beweisen (bei solchen komplizierten Vorgängen können die Gründe nur schwierig erforscht werden), aber die Tendenz zur Modernisierung wurde dadurch verstärkt, dass der Lernprozess durch eine kompetenzorientierte Prüfung abgeschlossen wird. Mit gezielten Lehrerfortbildungen wäre die Auswirkung sicherlich noch stärker gewesen, aber dazu war die Zeit zwischen zwei politischen Wechseln zu kurz. Für die negative Rückwirkung finden wir in diesem Land auch Beispiele. In Ungarn sind die Fremdsprachenkenntnisse im europäischen Vergleich schwach: In der Eurobarometer- Erhebung haben im Jahre 2012 nur 35 % der ungarischen Befragten behauptet mindestens eine Fremdsprache zu sprechen (der EU -Durchschnitt ist 54 %), damit hat Ungarn den letzten Platz in der Erhebung belegt (Europäische Kommission 2012). Diese Ergebnisse zeigen aber gleichzeitig eine gewisse Progression, da einerseits die ungarischen Erhebungen in den 90er Jahren noch niedrigere Ergebnisse gezeigt haben (Nikolov & Vígh 2012), andererseits die Fremdsprachenkenntnisse der Jugendlichen oder der Schulkinder bedeutend besser sind als die der älteren Generationen (Imre 2007, Nikolov & Vígh 2012). Es gibt unterschiedliche Hypothesen, warum die Ergebnisse des ungarischen Fremdsprachenunterrichts so schlecht sind. Die langsame Modernisierung des Fremdsprachenunterrichts trägt zu den Ergebnissen sicherlich bei: oft werden traditionelle Unterrichtsmethoden verwendet, die Arbeit in den Sprachstunden ist häufig lehrerzentriert (Petneki 2009, Vágó 2007), aber die sprachliche und kulturelle Homogenität des Landes spielt dabei wahrscheinlich auch eine wichtige Rolle (Vágó 2007); im Alltag von vielen Kindern gibt es nämlich nur selten Situationen, in denen Fremdsprachenkenntnisse erforderlich sind. Sprachzertifikate haben in der ungarischen Kultur eine hohe Bedeutung: Beim Studium und bei der Arbeitssuche bedeuten Sprachzertifikate einen eindeutigen Vorteil. Die Studienplätze werden in einem Wettbewerb verteilt, in dem die Ergebnisse des Abiturs nach einem komplizierten Verfahren in Punkte umgerechnet werden. Von den maximalen 500 Punkten kann man 40 Punkte für Sprachzertifikate bekommen: 28 Punkte für ein Zertifikat auf dem Niveau B2, und 40 für zwei B2-Zertifikate oder eins auf dem Niveau C1, bei sehr gefragten Studienrichtungen haben die Bewerber und Bewerberinnen ohne Sprachzertifikate keine <?page no="190"?> 190 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Chance. Die Voraussetzung für einen Hochschulabschluss ist mindestens ein Sprachzertifikat auf dem B2-Niveau, bei gewissen Studiengängen werden zwei Sprachzertifikate oder das Niveau C1 verlangt. Ohne den Erwerb des Zertifikats können zwar die Studenten und Studentinnen die Abschlussprüfung am Ende des Studiums ablegen, erhalten aber den Studienabschluss nicht. Seit 2000 gibt es in Ungarn eine zentrale Institution, die die Qualität von Sprachprüfungen und Prüfungszentren überprüft (Csépes 2012): Nur die Zertifikate der akkreditierten Sprachprüfungen und Prüfungszentren werden im Hochschulbereich akzeptiert und das höhere Niveau des zweistufigen Abiturs gilt bei einer Leistung von über 60 % auch als Sprachzertifikat. Diese Regelung erhöht die Motivation für das Fremdsprachenlernen, verursacht aber eine Situation, in der Fremdsprachenkenntnisse mit Sprachzertifikaten gleichgesetzt werden und dadurch entsteht eine sehr pragmatische Einstellung zum Fremdsprachenlernen. Dieser Pragmatismus spiegelt sich auch in Untersuchungen über die Ziele des Fremdsprachenlernens unter 15-Jährigen wider: Das wichtigste Ziel der Befragten war das Abitur oder ein Sprachzertifikat (45,3 %), bedeutend weniger Schüler und Schülerinnen wollten ihre Fremdsprachenkenntnisse bei der Arbeit verwenden (29,6 %) oder im Ausland arbeiten (27,6 %), und die Verwendung der Fremdsprache im Alltag erschien nur bei 24,6 % der Befragten als Ziel (Vágó 2007: 159). In der Eurobarometer-Erhebung, in der auch die Motivation zum Fremdsprachenlernen erforscht wurde, ist diese pragmatische Einstellung auch zu beobachten: Unter den Antwortmöglichkeiten wurden zwar Sprachzertifikate nicht angegeben, aber bei ungarischen Antwortenden (aus allen Altersgruppen) waren die pragmatischen Ziele sehr häufig erwähnt (im Ausland arbeiten, einen besseren Arbeitsplatz bekommen), und die interkulturellen Zielsetzungen des Fremdsprachenlernens, wie das Kennenlernen von Menschen aus anderen Ländern oder eine Fremdsprache für die eigene Zufriedenheit zu lernen waren für ungarische Antwortende weniger relevant als für Befragte aus allen anderen EU -Ländern (Europäische Kommission 2012: 18). Die Auswirkung dieser Situation auf die in der Schulpraxis verwendeten Methoden ist sehr interessant, die Arbeit in den Sprachstunden ist nämlich auch oft pragmatisch: Modellaufgaben der Prüfungen werden häufig und auch auf niedrigeren Sprachniveaus in den Stunden oder als Hausaufgabe verwendet, die Kenntnisse der Schüler werden oft mit Modelltests der Prüfungen überprüft, die motivierenden und spielerischen Arbeitsformen werden unterschätzt. Die Idee, dass Fremdsprachenlernen Spaß machen könnte, ist ziemlich fremd, die Motivation, das Fremdsprachenlernen nach dem Erwerb des Zertifikats fortzusetzen, ist vielen unbekannt. Die Beurteilung und die Wichtigkeit von Sprachzertifikaten sind in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich. Es gibt aber Kulturen, in denen Sprachzertifikate eine große Anziehungskraft haben, und deshalb die Vorbereitung auf die Prüfungen in der Schulpraxis relevant ist. Das Prüfungstraining kann ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts sein, ist aber mit dem Fremdsprachenunterricht nicht gleichzusetzen. Durch die Lösung von Modelltests können die Schüler die echte Prüfungssituation erleben oder ihren Kenntnisstand überprüfen, aber dadurch wird die kommunikative Kompetenz der Schüler nicht unbedingt erhöht, weil Testen und Üben grundsätzlich unterschiedliche Tätigkeiten sind. Dieser Aspekt soll im Abschnitt 5.3.2 näher behandelt werden. <?page no="191"?> 191 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen 5.3.2 Unterschiede zwischen Übungen und Testaufgaben In den früheren Lerneinheiten haben Sie viel über die Aufgabengestaltung und über die Verbindung des Lernprozesses und der Leitungsmessung erfahren (siehe Lerneinheiten 5.1 und 5.2), in diesem Abschnitt wollen wir die Unterschiede zwischen Üben und Testen klarer formulieren: Beim Testen werden nämlich produktorientierte Aufgaben verwendet, die bewertbar sein müssen; diese Grundprinzipien sind in der Übungsphase nicht erforderlich. Der Begriff Testaufgabe sollte vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen eindeutig sein: Es handelt sich um Aufgaben, die zum Ziele der Leistungsmessung in Klassentests oder in formellen Tests verwendet werden. Die Testaufgaben sollen gewissen Qualitätsmerkmalen entsprechen (siehe Kapitel 3), sie sind deshalb oft formalisiert. Es gibt aber Aufgaben oder Übungen, die nicht zum Testen geeignet sind und als Lernaufgaben bezeichnet werden (Caspari, Grotjahn & Kleppin 2010). Die Begriffe ‚Aufgabe‘ und ‚Übung‘ werden in der Umgangssprache oft als Synonyme verwendet, in der Fachliteratur erscheint aber bei einigen Autoren eine Unterscheidung nach didaktischer Funktion (Funk, Kuhn, Skiba, Spaniel-Weise & Wicke 2014; Häusermann & Piepho 1996). In diesem Kontext dienen Übungen dem Aufbau der Lernerkompetenzen: Mit Hilfe von Übungen werden Teilbereiche entwickelt und gefördert, sie bereiten auf die „echte“, lebensnahe Kommunikation vor. Die Aufgabe ist dagegen eine Aktivität, in der die Schüler mit sehr wenig Unterstützung eine echte kommunikative Situation bewältigen müssen (Funk et al. 2014). In didaktischen Überlegungen oder in Lehrwerken wird aber das Wort ‚Aufgabe‘ allgemein verwendet: alle Arbeitsanweisungen, die eine Schülertätigkeit hervorrufen, werden nämlich als Aufgabe bezeichnet, ohne Berücksichtigung der didaktischen Funktion. Die obige Unterscheidung zwischen Übung und Aufgabe kann beim Thema Stundenplanung oder Lehrmaterialentwicklung sehr wichtig sein, um den didaktischen Aufbau der Kompetenzförderung besser zu verstehen, für unser Thema ist aber diese Problematik von kleinerer Bedeutung, da wir die Kompetenzförderung und das Testen unterscheiden wollen. In unseren Überlegungen sind daher Übungen die geplanten Schülertätigkeiten im Lernprozess mit der Zielsetzung der Kompetenzförderung und ihnen stehen Testaufgaben gegenüber, die zur Überprüfung der Kenntnisse und Kompetenzen konzipiert wurden. Zwischen Testaufgaben und Übungen gibt es viele Gemeinsamkeiten, es gibt aber auch gravierende Unterschiede, vor allem ist es ausschlaggebend, dass Testaufgaben immer produktorientiert, Übungen dagegen prozessorientiert sind. Bei der Testaufgabe ist nämlich der Weg zum Produkt, also der Prozess meistens unwichtig, nur die Ergebnisse werden bewertet, da der Testkandidat mit Hilfe der vorbereiteten Aufgabe seinen Kompetenzstand zeigen muss (Bachmann & Palmer 1996). Bei Übungen ist es umgekehrt: Die Steuerung des Lernprozesses, also der Lernfortschritt der Schüler steht im Mittelpunkt, deshalb sind die Ergebnisse der Übungen primär nicht wichtig. Die Prozessorientiertheit ist bei Übungssequenzen genauso wichtig: Wenn nämlich in einem Lehrwerk oder in einer Unterrichtstunde mehrere Übungen miteinander verbunden werden, ist der Entwicklungsprozess der Lerner das übergeordnete Ziel bei der Bestimmung der Abfolge der einzelnen Übungen. <?page no="192"?> 192 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Experiment Den Unterschied zwischen Produkt- und Prozessorientiertheit können wir an den folgenden Beispielen gut beobachten. Lesen Sie zuerst die Beispiele 1 und 2, dann die Beispiele 3 und 4. Bestimmen Sie, welche von den Aufgaben prozess- und welche produktorientiert sind, begründen Sie Ihre Antwort. 1. Du hörst jetzt ein Interview mit einem deutschen Schüler. Höre den Text und entscheide dabei: Sind die folgenden Aussagen richtig oder falsch? Richtig Falsch 1. Peter geht zur Schule. 2. Er hat montags 6 Stunden Unterricht. 3. Er isst zu Mittag immer in der Schule. 4. Dienstag und Donnerstag hat er Training. 5. Hausaufgaben hat er nur selten. 2. 1. a) Sieh dir das Foto von Peter an. Was denkst du: Was macht er, wie lebt er? b) Höre den Text. Was stimmt von deinen Ideen? 2. a) Lies die folgenden Sätze. Richtig Falsch 1. Peter geht zur Schule. 2. Er hat montags 6 Stunden Unterricht. 3, Er isst zu Mittag immer in der Schule. 4. Dienstag und Donnerstag hat er Training. 5. Hausaufgaben hat er nur selten. b) Höre den Text noch einmal. Sind die Aussagen richtig oder falsch? Kreuze an. 3. a) Vergleiche deine Lösung mit deinem Nachbarn. Besprecht die Unterschiede. b) Hört den Text noch einmal. Konzentriert euch auf die problematischen Textstellen. 4. Welche Informationen hast du jetzt über Peter? Lebt er genauso wie du? <?page no="193"?> 193 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen Das erste Beispiel ist eine Richtig-falsch-Aufgabe zu einem Hörtext. Mit dieser Aufgabe kann überprüft werden, ob der Testkandidat oder die Testkandidatin dem Text gewisse Imformationen entnehmen kann. Zur Lösung dieser Aufgabe muss der Schüler oder die Schülerin viele Aktivitäten ausführen, vor allem die Folgenden: ▶ Die Aufgabestellung (samt den Sätzen in der Aufgabe) verstehen. ▶ Die (zur Problemlösung) nötigen Textstellen im Hörtext finden (den ganzen Text global verstehen, die entsprechenden Textstellen lokalisieren). ▶ Die zur Lösung nötigen Textstellen detailliert verstehen. ▶ Die gehörten und gelesenen Inhalte miteinander vergleichen. ▶ Die Aufgabe lösen (ankreuzen). Diese Tätigkeiten müssen die Lerner bei der Lösung der Aufgabe automatisch ausführen, sie bekommen keine Unterstützung bei diesem Prozess, das Beispiel 1 ist also eine produktorientierte Testaufgabe. Wenn aber das Ziel die Förderung des Hörverstehens ist, dann müssen die oben erwähnten Teilkompetenzen entwickelt werden und dieser Förderungsprozess wird in Beispiel 2 gezeigt. In dieser Übungssequenz wird mit den Teilaufgaben das Verstehen vorbereitet, die Richtig-falsch-Aufgabe dient dazu, dass die Aufmerksamkeit der Schüler auf gewisse Informationen gelenkt wird (selektives Lesen). Der geschriebene Text kann dazu beitragen, dass die Lerner unbekannte Wörter des Textes entschlüsseln und damit die 3. Ihre deutsche Brieffreundin sammelt im Rahmen eines Projekts Informationen über Essgewohnheiten in unterschiedlichen Ländern. Schreiben Sie ihr einen Brief. Verwenden Sie dafür 120-150 Wörter. Schreiben Sie über die folgenden Punkte: ▶ Grund des Schreibens ▶ Wo und was essen Sie an Wochentagen? ▶ Wo und was essen Sie am Wochenende? ▶ Was essen Sie gern und ungern? ▶ Wie ist das traditionelle Essen in Ihrem Land? Die Reihenfolge der Leitpunkte können Sie selbst bestimmen. Vergessen Sie nicht Datum, Anrede, Gruß und Unterschrift. 4. a) Seht euch das Bild an. Sammelt in der Gruppe Ideen dazu, worüber man anhand des Bildes schreiben könnte. b) Vergleicht eure Vorschläge mit den Ideen der anderen Gruppe. c) Wählt zusammen ein Thema aus und sammelt in der Gruppe Wörter und Ausdrücke, die man für den Text gut verwenden könnte. d) Arbeitet in Paaren weiter. Ordnet die Ideen und Ausdrücke. e) Schreibt zu zweit einen kurzen Text zum Thema anhand des Bildes. <?page no="194"?> 194 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Textoberfläche besser erschließen. Nach dem Verstehen des Textes haben die Lerner auch die Möglichkeit, ihre Gedanken und Ideen zum Thema oder zum Text zu äußern, was mit einem tiefer gehenden Lernen verbunden ist (Schnotz 2006). Diese Übungssequenz ist prozessorientiert, in dem die Schüler und Schülerinnen sowohl vom Lehrer als auch von den Mitschülern unterstützt werden. Eine ähnliche Gegenüberstellung wird in den Beispielen 3 und 4 dargestellt. Beispiel 3 ist eine Testaufgabe, das zu erstellende Produkt ist zwar genau beschrieben, der Prozess selbst ist aber völlig den Lernern überlassen, im Gegensatz dazu wird im Beispiel 4 die Entwurfsphase genau beschrieben. Die Konsequenz aus der Prozess- oder Produktorientiertheit ist, dass die Verwendung von Modell-Testaufgaben zwar Informationen über die zukünftige Prüfung vermitteln, mit diesen Aufgaben kann aber nur überprüft werden, ob die entsprechenden Kompetenzen der Schüler schon vorhanden sind, der Aufbau der Kompetenz ist damit nicht möglich. Die Konsequenz aus dem Experiment ist, dass die Testaufgaben im Unterricht nur eine vernünftige Verwendung finden können, wenn sie mit didaktischen Schritten ergänzt werden. Ein weiterer Unterschied zwischen Übungen und Testaufgaben ist der Aspekt der Bewertbarkeit. Schülerprodukte in Testaufgaben müssen immer eindeutig bewertbar sein, was gewisse Voraussetzungen erfordert: Ergebnisse von Testaufgaben müssen interpretierbar, zuverlässig und vergleichbar sein (siehe Kapitel 3). Es gibt sehr viele Übungen, die im Lernprozess ihre Bedeutung haben, ihre Ergebnisse können aber zur Bewertung des Lernfortschritts nicht verwendet werden, weil sie nicht interpretierbar sind. Einige Beispiele dafür: ▶ Welche neuen Informationen hast du im Text gelesen? ▶ Unterstreiche im Text die Textteile, die du besonders interessant findest. ▶ Welche Gefühle hast du beim Hören / Lesen dieses Textes? Versuche deine Gefühle mit Hilfe von Mimik oder Gestik auszudrücken. Die Voraussetzung der Bewertbarkeit wirkt auf die Testaufgaben einschränkend, das übliche Testformat für die Schreibfertigkeit ist in den meisten Prüfungen der Brief oder die E-Mail zu angegebenen Inhaltspunkten (siehe dazu Beispiel 3 im Experiment). Der Anspruch auf Bewertbarkeit schränkt also die Textauswahl und die Form der Aufgaben ein: In Prüfungen sind viele interessante Textsorten, zum Beispiel fiktionale Texte ausgeschlossen, damit die Kreativität der Kandidaten nicht mitgemessen wird, und die Inhaltspunkte sind für die Objektivität der Bewertung nötig. Das Ergebnis ist ein Aufgabenformat, das die Überprüfung der Schreibkompetenz zwar gut ermöglicht, aber demotivierend und einschränkend ist, da die Lerner nicht über die für sie wichtigen Themen schreiben und keine eigenen Ideen formulieren können. Die Verwendung von Testaufgaben im Unterricht ist also anscheinend zielgerecht, weil die Förderung und die Vorbereitung auf die Prüfung miteinander verbunden werden; diese Praxis kann aber sehr demotivierend wirken: Schüler können nämlich die Lust am Schreiben schnell verlieren. Diese Beispiele zeigen, dass die Notwendigkeit der Qualitätssicherung (zu den Gütekriterien: Objektivität, Validität und Reliabilität, vergleiche Kapitel 3) zu einer starken Normierung der Testaufgaben führt (siehe Kapitel 4). Die Verwendung von Testaufgaben in der Übungs- <?page no="195"?> 195 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen phase bedeutet also eine unnötige Eingrenzung: Testaufgaben sind oft geschlossener und langweiliger als Übungen und Aufgaben im Lernprozess, die Lerner bekommen die nötige Unterstützung nicht unbedingt und verlieren leicht die Motivation. Es wäre deshalb besser, das Prüfungstraining von der Kompetenzförderung eindeutig zu trennen. Das Prüfungstraining bedeutet also nicht unbedingt die häufige Verwendung von Modell- Testaufgaben. Zum erfolgreichen Bestehen der Prüfungen gehören unterschiedliche Kompetenzen und Strategien, die weiterentwickelt werden müssen und wichtige praktische Fragen müssen auch geklärt werden, zum Beispiel: ▶ Welche Aufgabenformate werden in der Prüfung verwendet? ▶ Wie kann der Schüler oder die Schülerin die Zeit am besten einteilen? ▶ Wie muss man die Aufgaben praktisch lösen (Lösungsblätter, Bleistift oder Stift etc.)? ▶ Wie kann sich der Prüfungskandidat selbst korrigieren? Diese Erkenntnisse sind also für die erfolgreich bestandene Prüfung wichtig, die Modelltests können aber die Sprachkompetenz der Schüler nur begrenzt entwickeln, weil die Testaufgaben zur Kompetenzentwicklung nicht gut geeignet sind. 5.3.3 Gemeinsamkeiten zwischen Übungen und Testaufgaben Prüfungen, Leistungsfeststellung, Bewertung und Unterricht bilden eine komplexe Einheit. In den vorangehenden Einheiten haben Sie viel darüber erfahren, wie man die Grundprinzipien der Leistungsmessung und der Bewertung mit denen des Unterrichts in Einklang bringen kann. Die Wirkung ist aber in der anderen Richtung genauso wichtig: Die konsequente und disziplinierte Arbeit an Testaufgaben kann die Gestaltung von Unterrichtmaterialien inspirieren. Vieles, was Sie über gute Testaufgaben oder Tests in den bisherigen Kapiteln gelernt haben, gilt auch für Übungen, die Sie während des Unterrichts verwenden können. Daher wollen wir abschließend noch kurz behandeln, was Sie von den bisherigen Überlegungen zu Testaufgaben bei der Gestaltung von Unterrichtsmaterialien adaptieren können. Wichtig sind dabei einerseits der Aspekt der Authentizität, die in den Tests auch den kommunikativen Rahmen darstellt, und andererseits die präzise Arbeit an den Zielen. Weiterhin lassen sich die Prinzipien der Aufgabengestaltung (Aufgabentypologie, Steuerung, Arbeitsanweisung) auch leicht auf Übungen übertragen. Bei der Gestaltung der Testaufgaben spielt der kommunikative Rahmen der Aufgaben eine wichtige Rolle (siehe Kapitel 4), damit lässt sich nämlich die Authentizität beim Testen sicherstellen. In jeder Testaufgabe muss der Testkandidat oder die Testkandidatin über den Kontext der Kommunikation genau informiert sein, deshalb wird bei den rezeptiven Fertigkeiten gleich in der Aufgabenstellung geklärt, wie die Lese- oder Hörsituation ist: In welcher Rolle und warum der Text gelesen oder gehört wird, wozu die gewonnenen Informationen zu verwenden sind (zum Beispiel: Die folgenden Personen suchen nach einem Freizeitjob. Lesen Sie die Anzeigen und entscheiden Sie, welche zu ihren Erwartungen am besten passt). Bei den produktiven Fertigkeiten wird immer genau erklärt, in welcher Rolle und mit welchen genauen Zielen der schriftliche oder mündliche Text gestaltet werden muss (zum <?page no="196"?> 196 5. Bewertung und Beurteilung in der Unterrichtspraxis Beispiel: Ihre deutsche Freundin hat sie zu einer Party eingeladen, sie können aber leider nicht kommen. Schreiben Sie Ihrer Freundin eine kurze Mail und schreiben Sie über die folgenden Punkte: -…). Diese Technik kann auch auf die Übungen übertragen werden. Authentizität der Spracharbeit bedeutet nämlich nicht nur, dass authentische Texte verwendet werden, sie bedeutet vielmehr, dass während der Spracharbeit der kommunikative Rahmen hergestellt wird, dass echte Kommunikationssituationen vorkommen und dass der „Ich-Aspekt“, also die Personalisierung, konsequent durchgezogen wird: Es gibt in der Sprachstunde oft echte Fragen, echte Probleme, über die man kommunizieren sollte, natürlich mit den (Sprach) Mitteln, über die die Sprachlerner auf dem entsprechenden Niveau verfügen. Kenntnisse über Aufgabentypen spielen auch in der Unterrichtsgestaltung eine wichtige Rolle. Im Kapitel 4 haben Sie viel über die Technik erfahren, wie offene und geschlossene Aufgaben gestaltet werden können, und sie haben auch Kriterien dafür bekommen, wie Aufgabenformate an Ziele angepasst werden können. Diese Erkenntnisse sind für die Sicherstellung der Progression in Übungssequenzen sehr nützlich, da geschlossene Aufgaben meistens mehr Hilfe zur Lösung beinhalten und dadurch oft einfacher sind als offene Aufgaben, die oft komplexere Tätigkeiten verlangen. Die Aufgabentypologie kann auch bei heterogenen Gruppen eine wichtige Rolle in den didaktischen Überlegungen spielen, da Lehrer und Lehrerinnen dadurch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lerner Rücksicht nehmen können. Zum gleichen Text kann man nämlich parallel verschiedene Aufgaben vorbereiten: zum Beispiel geschlossene Aufgaben für die Schüler, die mehr Hilfe brauchen (eine Alternativ-Antwort- Aufgabe oder Richtig-falsch-Aufgabe) und auch offenere für die Schüler, die selbstständiger arbeiten können (kurze Antworten oder Notizen machen). Die genaue Bearbeitung einer Testaufgabe bedeutet, dass man von den Messzielen auch den Grad und die Art und Weise der Steuerung ableitet (siehe Lerneinheit 4.3 in diesem Band). Steuerung bedeutet, dass die Testgestalter in den Aufgaben alles zur Verfügung stellen, was die Lerner zur Lösung brauchen. Auf der Basis der Messziele wird darüber entschieden, wie viel und welche Art der Steuerung nötig ist. Der gleiche Überlegungsprozess kann auch bei der Gestaltung von Übungssequenzen durchgeführt werden. Die Steuerung kann formal sein (es wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die Textsortenmerkmale eines geschriebenen Textes beachtet werden müssen) oder inhaltlich (in einem Kaufgespräch wird zum Beispiel eine Preisliste angegeben). In manchen Übungsphasen ist eine sprachliche Steuerung notwendig (zum Beispiel die Bereitstellung relevanter Chunks). In den prozessorientierten Übungssequenzen ist die strategische Steuerung sehr wichtig (zum Beispiel ein Hinweis auf die nötigen Arbeitsschritte). Die entsprechende Steuerung kann von den erwarteten Lernergebnissen oder von den Testzielen abgeleitet werden, und das Grundprinzip ist sowohl bei Übungen wie auch bei Testaufgaben das Gleiche: Lerner sollten unterstützt werden, sie sollten aber weder zu viel noch zu wenig Hilfe bekommen. Diese Überlegungen spielen beim Scaffolding-Konzept eine wichtige Rolle, dessen Grundprinzip ist, dass die Lehrkräfte den Verschiedenheiten der Schüler gerecht werden müssen und die Lernenden auf ihrem Lernweg systematisch unterstützt werden können (Kniffka & Neuer 2008). Die Aufgabengestaltung ist sehr ähnlich bei Übungen und bei Testaufgaben. Arbeitsanweisungen müssen möglicherweise die folgenden Teile beinhalten: <?page no="197"?> 197 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen ▶ Was sollen die Lerner ganz genau tun? ▶ Zu welchem Ergebnis müssen sie kommen? ▶ Welche Materialien und Hilfsmittel können sie verwenden? ▶ In welchen Schritten müssen sie arbeiten? ▶ In welcher Sozialform müssen sie arbeiten? ▶ Wie viel Zeit steht zur Verfügung? ▶ Nach welchen Kriterien wird das Produkt bewertet? 5.3.4 Zusammenfassung ▶ Die positive Rückwirkung von Prüfungen auf den Unterricht kann bei Modernisierungsversuchen gut genutzt werden: Prüfungsformate können nämlich die konsequente Kompetenzförderung in allen Teilbereichen anregen. Der Einfluss von Abschlussprüfungen kann sogar stärker sein als der von Lehrplänen. ▶ Übungen und Testaufgaben sind unterschiedlich: Testaufgaben sind produktorientiert, bewertbar und normiert, die Übungen sind dagegen prozessorientiert und erlauben kreative und individuelle Lösungen. ▶ Übungssequenzen und Tests werden unterschiedlich aufgebaut, deshalb können Prüfungstests oder Modelltests nur schwer in den Unterricht integriert werden. Es ist aber wichtig, dass die Schüler Techniken und Formate der Prüfungen üben, bevor sie in echte Prüfungssituationen kommen. ▶ Übungen und Testaufgaben haben viele Ähnlichkeiten: die Authentizität wird durch den kommunikativen Rahmen verwirklicht, Kenntnisse im Bereich der Aufgabentypologie erlauben es, der Heterogenität der Schüler gerecht zu werden und die Steuerung von Aufgaben wird den Zielen entsprechend bestimmt. Lehrkräfte können die Kenntnisse, die sie im Bereich der Leistungsmessung erworben haben, sehr gut auf den Aufbau der Kompetenzen übertragen. 5.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie können sich Prüfungen auf den Unterricht auswirken? Nennen Sie positive und negative Rückwirkungen. 2. Was ist der Unterschied zwischen Übungen und Testaufgaben? Nennen Sie drei Merkmale und bringen Sie Beispiele dafür. 3. Welche Gemeinsamkeiten kennen Sie zwischen Testaufgaben und Übungen? Nennen Sie drei Merkmale und bringen Sie Beispiele dafür. 4. Warum ist die Steuerung bei der Gestaltung der Testaufgaben und Übungen wichtig? Welche Arten der Steuerung kennen Sie? 5. Welche Teile hat eine gute Aufgabenstellung? <?page no="199"?> 199 5.3 Unterricht und Prüfungen - Zusammenhänge und Rückwirkungen 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Das Thema dieses Kapitels ist die Unterrichtsqualität, die auf allen Ebenen des Fremdsprachenunterrichts interessant ist: Es ist wichtig zu beschreiben, wie qualitativ hochwertiger Unterricht im Klassenzimmer aussehen soll und wie Systeme zur Qualitätssicherung auf institutioneller Ebene funktionieren. Außerdem ist die Unterrichtsqualität eine Kernfrage der Lehrerausbildung. In der ersten Einheit des Kapitels werden generelle Fragen des Qualitätsmanagements geklärt und es wird beschrieben, wie Systeme zur Qualitätssicherung aus der Wirtschaft in die Bildung übertragen wurden. Anschließend werden unterschiedliche Modelle zum Qualitätsmanagement in Schulen behandelt. Diese Modelle haben Einstellungen zum und Verhalten im Unterricht verändert, besonders interessant ist die Interpretation der Kundenzufriedenheit in der Bildung. In der zweiten Lerneinheit werden Kriterien zur Unterrichtsqualität gesammelt, erläutert und systematisiert. Aufgrund unterschiedlicher Forschungsergebnisse kann beschrieben werden, welche Erwartungen Lerner haben, was sie über guten und schlechten Unterricht denken und welche Merkmale von Lehrkräften sie für gut oder schlecht befinden. Des Weiteren wird in der zweiten Einheit das Europäische Sprachenportfolio für Sprachlehrende in Ausbildung ( EPOSA ) vorgestellt, das ein wichtiges Werkzeug ist, weil mit seiner Hilfe die Kompetenzen der Studentinnen und Studenten in der Lehrerausbildung ausführlich reflektiert und beurteilt werden können. In der dritten Einheit werden spezifische Aspekte des Sprachkursmanagements an Hochschulen behandelt. Dieser Aspekt ist besonders interessant, da in Ländern, in denen Fremdsprachen an öffentlichen Schulen gar nicht oder nur marginal unterrichtet werden, der Sprachunterricht an den Hochschulen stattfindet. Es wird dargestellt, wie grundlegende Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung an diesen Institutionen beschrieben werden können. Außerdem werden in der Einheit wichtige Thesen und Empfehlungen für internationale Hochschulprojekte beschrieben und Erfahrungen mit unterschiedlichen mehrsprachigen Programmmodellen erläutert. <?page no="200"?> 200 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement Olga Solovyova Es besteht kein Zweifel daran, dass hochwertige Bildung und herausragende Lehrerinnen und Lehrer großen Einfluss auf Lerner haben können. Aber was macht hochwertige Bildung aus? Gibt es einen Unterschied zwischen der Qualität in der Betriebsausbildung und in der institutionellen Bildung? Welche Fähigkeiten benötigen Lehrer und Lehrerinnen, um die Lerner beim Erreichen ihrer angestrebten Ziele zu unterstützen? Sollten die Lerner in das Qualitätsmanagement mit einbezogen werden? Um diese zahlreichen Fragen zu beantworten, beschreiben wir einige Modelle des Qualitätsmanagements in der Bildung. Zunächst werden Modelle beschrieben, die sich in Qualitätssicherungsprozessen der Industrie bewährt haben und später auch im Bildungswesen Verwendung gefunden haben. Danach untersuchen wir ergebnis-, prozess- und wertorientierte Ansätze, ihre Vorteile für organisationale und persönliche Erfolge und ihr Potenzial für kontinuierliche Verbesserungen im Qualitätsmanagement. Abschließend stellen wir die DPIMIC -Strategie zur Unterrichtsführung vor, die unterschiedliche Dimensionen von Qualität umfasst und Lehrkräfte dabei unterstützt, das Qualitätsmanagement im Fremdsprachenunterricht zu verbessern. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Prinzipien des Qualitätsmanagements in der Bildung nachvollziehen können; ▶ verschiedene Ansätze des Qualitätsmanagements kennen und beschreiben können; ▶ die Rollen von Lehrern und Lehrerinnen sowie Lernern im Qualitätsmanagement verstehen. 6.1.1 Qualitätsmanagement in der Bildung Das Programme for International Student Assessment ( PISA ) führt regelmäßig Schulleistungsuntersuchungen durch, um die besten Bildungssysteme zu ermitteln und die Unterrichtspraktiken in 65 Ländern und Wirtschaftssystemen miteinander zu vergleichen. Warum schneidet eine Schule besser ab als eine andere hinsichtlich des Wissens, der Fähigkeiten und des Könnens der Lerner? Hängt die Leistung der Lerner nur von den Unterrichtsmethoden ab, die in der Schule Anwendung finden? Wodurch ist die Organisation und Verwaltung einer Schule effektiver als die einer anderen? Warum zeigen die PISA -Testergebnisse, dass Lerner bessere Leistungen an Schulen erreichen, an denen sie das Gefühl haben, dass sie von Lehrerinnen und Lehrern sowie der Verwaltung unterstützt werden, an denen sie regelmäßig um schriftliche Rückmeldungen zu den Unterrichtsstunden, der Lehrpraxis und den Ressourcen gebeten werden oder an denen sie aktiv in den Lernprozess eingebunden sind (siehe OECD 2013)? Um diese Fragen beantworten zu können, muss man systematischer über die Qualität von Bildung nachdenken. <?page no="201"?> 201 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement Bedeutende Qualitätsmodelle aus der Industrie Die Vorstellungen von Unterrichtsqualität und ihrem Management entwickelten sich mit dem Wachstum von Industrieunternehmen. Eine bedeutende Theorie in diesem Zusammenhang stellte zunächst Demings plan-do-study-act-Modell ( PDSA , auch Demingkreis genannt) dar, in dem Qualität in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess von vier Schritten zu erreichen ist: Planen, Umsetzen, Überprüfen, Handeln (Deming 1993, 2000). Ein weiteres bedeutendes Modell war das Total-Quality-Management-Modell ( TQM ), das auch im Bildungswesen anerkannt und verwendet wurde. Das Grundprinzip von Total-Quality-Management ist, dass die Ressourcen der Organisation zur Verwirklichung der Ziele optimal verwendet werden. Das Modell konzentriert sich auf die Leitung, auf die Funktionen der Organisation, auf das Engagement der Mitarbeiter und auf die Kundenzufriedenheit. Das Total-Quality-Management-Modell basiert auf vier Grundpfeilern: Planung, Organisation, Überwachung und Verbesserung. Montes, Jover & Fernandez (2003) betonen, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der Total-Quality-Management-Prinzipien die Kundenzufriedenheit erhöht, die interne Kommunikation innerhalb der Organisation verbessert und für bessere Problemlösung sowie weniger Fehler sorgt. Diese Erfahrungen erklären, warum Total-Quality-Management im Bildungswesen rasch Verbreitung fand. Um die aufgrund sich weiterentwickelnder Technologien und Anforderungen des globalen Arbeitsmarkts veränderten und gestiegenen Herausforderungen zu meistern, müssen Bildungsorganisationen die akademischen Standards nämlich ständig aktualisieren und messbare Ergebnisse vorweisen können- - mit anderen Worten also, das Streben nach Qualität in ihre unmittelbaren Ziele aufnehmen. Die Umsetzung des Total-Quality-Management-Modells in der Bildung ist jedoch keine leichte Aufgabe, da die Lerner sowohl „Produkte“ als auch „Produzenten“ sind, die mit Lehrkräften in bestimmten Bildungsumgebungen für das Erreichen besserer Qualität kollaborieren. Drei wesentliche Ansätze des Qualitätsmanagements in der Bildung Im Bereich der Bildung beinhaltet Qualitätsmanagement unterschiedliche Aspekte. Postnikova (2002) und Faktorovich (2012) skizzieren drei wesentliche Ansätze, die bei der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen ( QMS ) in der Bildung relevant sind: der ergebnisorientierte, der prozessorientierte und der wertorientierte Ansatz. Alle drei Ansätze fokussieren die Zufriedenheit des Kunden (in unserem Fall: des Lerners), tun dies aber auf unterschiedliche Weise. Beim ergebnisorientierten Ansatz wird die Qualität des Unterrichts und des Lernens mittels messbarer Ergebnisse bestätigt, die von den Lernern in Form von akademischen Leistungen oder Qualifikationen erzielt werden. Ihre Vorhersagen basieren daher hauptsächlich auf den Ergebnissen der Lerner in standardisierten Leistungstests. Die erwarteten Ergebnisse der Einzelpersonen hängen von dem jeweiligen Bildungsparadigma ab und sind in den relevanten Standards festgelegt. Meistens wird die Qualität des Fremdsprachenunterrichts anhand der folgenden Aspekte bewertet: Kenntnisse und Fähigkeiten der Lerner, kognitive Entwicklung, Einstellungen, Handlungsfähigkeit in der Wirklichkeit <?page no="202"?> 202 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung (Faktorovich 2012: 68). Im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen wird die Unterrichtsqualität dem kompetenzorientierten Bildungsparadigma entsprechend hinsichtlich der Entwicklung einer Reihe allgemeiner und kommunikativer Sprachkompetenzen der Lerner evaluiert (Europarat 2001). Die Rückwirkung des ergebnisorientierten Ansatzes kann sowohl positiv wie auch negativ interpretiert werden. Abschlüsse und Qualifikationen, also messbare Ergebnisse des Fremdsprachenunterrichts können vor allem in Ländern mit selektiven Schulsystemen die Ergebnisse der Lerner positiv beeinflussen: ihr akademisches Wissen, ihre messbaren Fähigkeiten und ihre Sprachkompetenz werden gefördert. Andererseits schränkt aber die Ergebnisorientiertheit die Spracharbeit ein, sie kann auch demotivierend wirken, da die Lehrkräfte den Fortschritt des Einzelnen nicht als einen Indikator für Qualität betrachten. Zu diesem Problem können Sie in der Einheit 5.3 ein Fallbeispiel lesen. In der modernen Welt wird der Erfolg des Fremdsprachenunterrichts und des Fremdsprachenlernens nicht nur mithilfe messbarer Testergebnisse beurteilt, sondern auch anhand der Fähigkeit und der Bereitschaft der Lerner, außerhalb des Unterrichts zu lernen und zu interagieren und anhand ihrer Kapazität in unserer multikulturellen Welt angemessen auf sozikulturelle Unterschiede in Sprache und Verhalten zu reagieren (siehe Kapitel 1). Der prozessorientierte Ansatz basiert auf sechs grundlegenden Prinzipien des Total-Quality-Management-Modells: Kundenfokus, der Einsatz der Führung und des Managements, Teamwork, kontinuierliche Entwicklung; Einbezug, Bildung und Training der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Total-Quality-Management in der Bildung zielt, genau wie in der Industrie, auf die Kundenzufriedenheit ab und basiert auf der Teilnahme aller Mitglieder einer Organisation an der Verbesserung der Prozesse, Produkte, Dienstleistungen und der Kultur, in der sie arbeiten. Der prozessorientierte Ansatz ist in der Bildung weit verbreitet, weil er die wichtigsten Qualitätsaspekte abdeckt und die Funktionen sowohl des Verwaltungsals auch des Lehrpersonals im Qualitätsmanagement darlegt. Innerhalb des Prozessansatzes priorisiert die Schulverwaltung daher die Analyse der pädagogischen Prozesse und der Unterrichtsumgebung; die Prognostizierung möglicher Probleme und mangelhafter Leistung; die strategische Planung und Organisation des Unterrichtsprozesses; die Überwachung, Messung und Verbesserung der Lernergebnisse (vergleiche Moiseeva 2005: 51). Die Lehrkräfte wiederum arbeiten auf der Unterrichtsebene: Lerner koordinieren und ihre Aktivitäten betreuen, Leistungen der Lerner analysieren und bewerten, Rückmeldungen und Unterstützung anbieten, Lehrpraxis reflektieren, um die Qualität sowohl des Lehrals auch des Lernprozesses zu steigern. Der wertorientierte Ansatz bedeutet für die Unternehmensführung, dass ein ständiger Wertzuwachs erzielt werden soll. Im schulischen Kontext wird damit die Bereitschaft der Lehrer und Lehrerinnen sowie der Lerner gemeint, die festgelegten Lehr- und Lernziele zu erreichen. Schulen werden als Organisationen gesehen, die aus Individuen bestehen, die die Ziele der Organisation erreichen, die Organisation als eine soziale Einheit aufrechterhalten und die sozialen Bedürfnisse der Individuen erfüllen wollen (White, Martin, Stimson & Hodge 1991: 6 f). <?page no="203"?> 203 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement Das EFQM Excellence Modell Prozessbasierte Qualitätsmanagementsysteme im Bildungssystem, insbesondere im Hochschulwesen, werden oft in Übereinstimmung mit den Qualitätsmanagementsystem-Standards der Reihe ISO 900 der International Organization for Standardization ( ISO ) erstellt, die den Inhalt der nationalen Standards und der Lehrpläne definieren. Qualitätsmanagementprinzipien, die in ISO eingebettet sind, sind dem Konzept des Total-Quality-Management stark angenähert, wobei folgende Aspekte beachtet werden ( ISO 2012: 1): Kundenfokus (Lernerzentrierung), bewusste Führung des Prozesses, Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der pädagogischen Entwicklung, prozessorientierter Ansatz und kontinuierliche Verbesserung der Arbeit. Die Verwendung dieser Begriffe im Kontext der Bildung hat heftige Diskussionen ausgelöst, Kundenfokus bedeutet nämlich, dass Lerner und ihre Eltern aktiver und bewusster am Prozess teilnehmen können (siehe dazu mehr in der Einheit 7.1). Im Rahmen eines lernerzentrierten Ansatzes des Fremdsprachenunterrichts wird die Lernerzufriedenheit unweigerlich zum Primärziel jedes Qualitätsmanagementsystems, das auf den Richtlinien der International Organization for Standardization basiert. Die Umsetzung des prozess- und systembasierten Ansatzes im Qualitätsmanagement ermöglicht eine effektive Strukturierung der Organisation und eine Harmonisierung der Prozesse innerhalb des Systems durch Planung, Überwachung, internes und externes Auditing, Analyse der Organisationsressourcen, Kapazitäten und Einschränkungen zur Verbesserung der Systemleistung. Aber heben diese Mittel wirklich die erwarteten Standards der Lernerleistungen an? Hängt der Grad der Zufriedenheit von der Qualität der Führung des Verwaltungs- und Lehrpersonals ab, von ihrer Fähigkeit zur Koordination der angemessenen Lernumgebung, der Planung, Umsetzung und Überwachung der Lehr- und Lernprozesse? Fallstudien haben gezeigt, dass die Einführung von Total-Quality-Management-Konzepten und ISO -basierten Standards die Dokumentenzirkulation innerhalb von Bildungsorganisationen verbessert, die zentralen und unterstützenden Prozesse harmonisiert und zur Kooperation zwischen internen und externen Kunden beiträgt (vergleiche Faktorovich 2012; Postnikova 2002; Komkina 2012). Den von der American Society of Quality erhobenen Daten zufolge war eine deutliche Verbesserung der Qualität in jenen Schulbezirken messbar, welche die ISO 9001: 2000-Zertifizierung erlangt hatten (American Society for Quality 2015). Die Fallstudien zeigen weiterhin, dass Lerner große Erwartungen sowohl an die Ergebnisse als auch an den Prozess richten. Können die ergebnis- und prozessorientierten Ansätze einander in gut abschneidenden Schulen ergänzen? Die meisten Qualitätsmanagementsysteme in der Bildung kombinieren ergebnis- und prozessorientierte Ansätze des Qualitätsmanagements, um die Zufriedenheit der Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Lerner zu verbessern. Ein anschauliches Beispiel dafür ist das EFQM Excellence Modell, das von der European Foundation for Quality Management verbreitet wird. Das EFQM Excellence Modell wurde auf Basis von acht fundamentalen Konzepten erstellt: Kundennutzen mehren; Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft übernehmen; Partnerschaften aufbauen; Innovation und Kreativität fördern; mit Vision, Inspiration und Integrität führen; mittels Prozessen lenken; durch Menschen erfolgreich sein; ausgewogene Ergebnisse erzielen ( EFQM 2013). Das <?page no="204"?> 204 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Excellence Modell EFQM nähert sich damit dem wertorientierten Ansatz an. Dieser Ansatz wird im Qualitätsmanagement angewandt, um die Heterogenität der beteiligten Personen zu berücksichtigen. Der Ansatz basiert auf der Motivation, den Haltungen und den Fähigkeiten der involvierten Personen (Muresan, Heyworth, Mateva & Rose 2008: 14). Die mögliche Fallgrube hier ist die kulturelle und religiöse Diversität aller an der Qualitätsentwicklung beteiligten Personen. Diese sollte berücksichtigt werden, wenn die Ziele der Organisation und die Wege, wie sie erreicht werden sollen, festgesetzt werden. Außerdem kann der Prozess der Festlegung der Werte zum Ausschluss jener Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Lerner führen, die die vorherrschenden Werte oder Ideologien nicht teilen. Gleichzeitig kann die Definition gemeinsamer Ziele zu einem Ausgangspunkt für die Verbesserung der Schulqualität hinsichtlich der Toleranz gegenüber Diversität werden, wodurch die Schule in einer multikulturellen demokratischen Gesellschaft wettbewerbsfähiger werden könnte. 6.1.2 Qualitätsmanagement im Unterricht Jedes Qualitätsmanagementsystem im Unterricht fokussiert die Verbesserung der Qualität jedes einzelnen Elements, jeder Handlung und Interaktion eines pädagogischen Prozesses: Absichten und Lernziele, Fächerlehrpläne, die Auswahl und Strukturierung von Lernmaterial, die Koordination der Lernumgebung und die Gestaltung der Beteiligung der Lerner an den Aktivitäten im Unterricht, Überwachung, Messung und Analyse der Prozesse auf der Schulebene. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, sollen Lehrerinnen und Lehrer jeden Aspekt des Unterrichts und des Lernens steuern, womit sie zu den Schlüsselfiguren der gesamten Qualitätsverbesserung werden. Um ein hohes Qualitätsniveau zu gewährleisten, müssen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer über mehrere Führungsqualitäten verfügen: Planung, Analytik, Motivation, Organisation, Kommunikation, Adaption und Kontrolle (vergleiche Passov 2015: 213). Die DPIMIC -Strategie zur Unterrichtsführung wird als ein prozess- und wertorientierter Ansatz angesehen, der wesentliche Konzepte des Total-Quality-Management-Modells umfasst. DPIMIC ist ein Akronym für sechs wichtige Steuerungsmaßnahmen von Lehrkräften im Fremdsprachenunterricht: define, plan, implement, monitor, improve und control (‚definieren, planen, umsetzen, überwachen, verbessern, kontrollieren’). Eine Fremdsprachenlehrerin oder ein Fremdsprachenlehrer sollte zunächst die Interessen, Bedürfnisse und Motive der Lerner definieren und ihre kognitiven Ressourcen analysieren. Der nächste Schritt besteht in der Planung einer Unterrichtsstunde im Fremdsprachenunterricht in Übereinstimmung mit dem aktuellen Bildungsparadigma, dem nationalen Lehrplan und den Lernzielen, wobei mögliche psychologische und pädagogische Probleme prognostiziert und das relevante Lehrmaterial sowie die passenden pädagogischen Technologien und Techniken ausgewählt werden. Dann sollte die Lehrperson ihren Plan umsetzen, indem sie ihre Lerner dazu motiviert, die bestmöglichen Leistungen zu erzielen und indem sie eine fördernde Lernumgebung schafft. Ein wichtiger Schritt ist die Überwachung der Lernfortschritte, das Einholen von regulären Rückmeldungen der Lerner und die Förderung ihrer Autonomie auf dem Weg zu nachhaltiger <?page no="205"?> 205 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement Qualität. Eine gute Lehrperson muss die Qualität sowohl der Lehrals auch der Lernprozesse verbessern, indem sie Probleme unmittelbar anspricht oder sich nach der sorgfältigen Analyse mit ihren Ursachen auseinandersetzt. Zuletzt erfolgt die Kontrolle der Lernerzufriedenheit, des Fortschritts und des Niveaus der akademischen Leistung. Der erste Schritt der DPIMIC -Strategie ist das Definieren (define), dabei sollten wir aber hervorheben, dass die DPIMIC -Strategie zur Unterrichtsführung die Lerner nicht als Produkt begreift, sondern als Kunden, die vollumfänglich in die kommunikativen Interaktionen im Unterricht eingebunden sind (Sallis 2002); Kunden, deren Motivationen, Interessen und individuelle Merkmale bestimmen müssen, welche Ziele gesetzt werden und auf welchem Weg sie erreicht werden müssen. Das heißt, Qualität wird in einem lerner- und nicht in einem lehrerzentrierten Unterricht entwickelt. Jones (2007: 2) beschreibt das folgendermaßen: A student-centered classroom isn’t a place where the students decide what they want to learn and what they want to do. It’s a place where we consider the needs of the students, as a group and as individuals, and encourage them to participate in the learning process all the time. Ein Lehrer oder eine Lehrerin muss analytische Fähigkeiten besitzen, um die kognitiven Ressourcen der Lerner zu erkennen sowie die Lernstile und die Strategien der Lerner wahrzunehmen, die sie bei Problemlösungen wählen. Beim Planen (Plan) ist es ausschlaggebend, dass Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen die Fähigkeit zur Analyse und zur Strukturierung besitzen, um ihren Plan mit einem Lehransatz, mit einer Methode und den darin angewandten Prinzipien zu koordinieren (weitere Details finden Sie in Kapitel 3 des Bandes »Sprachen lehren« und in Kapitel 2 in diesem Band). Unabhängig von dem Ansatz sollten sie als Lehrperson den sprachlichen und kulturellen Input kritisch prüfen, außerdem die gewählten Materialien sorgfältig organisieren und sequenzieren. Die Ziele einer Unterrichtsstunde festzulegen setzt bei der Lehrperson ein hohes Maß an Analysekompetenz voraus (siehe dazu Kapitel 2 und 5). In den meisten Ländern werden die Ziele in Übereinstimmung mit den Total-Quality-Management- und ISO -Konzepten festgelegt sowie mit den Bedürfnissen und Erwartungen interner und externer Kunden (einzelne Lerner, Eltern, Gesellschaft, Staat, Arbeitsmarkt, Bildungssystem) abgeglichen. Während sie eine effiziente Unterrichtsstunde planen, sollten Lehrerinnen und Lehrer an die Verwendung von Aktivitäten und Übungen denken, die die Kommunikation im Unterricht fördern und Lerner in sinnvolle Interaktionen verwickeln. Außerdem sollte sie aber auch die konkrete Situation der Schule beachten, zum Beispiel die örtliche Bildungsumgebung und den soziokulturellen Kontext der Lerner. Die Umsetzung des Plans (Implement) erfordert motivationale, kommunikative und organisatorische Fähigkeiten des Lehrers oder der Lehrerin. Die affektive Komponente der Lerner (Bedürfnisse, Haltungen und Motivationen) ist von entscheidender Bedeutung für die Unterrichtsführung, weil die Beteiligung und das Engagement der Lerner beim Fremdsprachenerwerb den Ablauf und den Erfolg der Unterrichtsstunde definieren. Die organisatorischen Fähigkeiten der Lehrperson sind gefragt, um eine Lernumgebung zu schaffen, in der die Lerner günstige Bedingungen für sinnvolle Interaktionen in einer Fremdsprache <?page no="206"?> 206 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung vorfinden (Passov 2015). Da es sich um einen lernerzentrierten Ansatz handelt, muss die Unterrichtsumgebung den Lernern ermöglichen: ▶ überwiegend in Paaren oder Gruppen zu arbeiten, Ideen oder Erfahrungen zu vergleichen und zu besprechen, Probleme zu lösen, das Lernmaterial zu untersuchen, ihre Meinung abzugeben und so weiter; ▶ alleine zu arbeiten, während sie eine kurze schriftliche Aufgabe erfüllen oder Grammatik- und Vokabelübungen machen, lesen oder sich Notizen für weitere Diskussionen machen; ▶ in Rollenspielen, Simulationen, Debatten, Diskussionen, Brainstormings zusammenzuarbeiten; ▶ eine Hörverstehensaufgabe alleine oder als Gruppe zu lösen und auf die Meinungen, Ergebnisse, Vorschläge der anderen zu reagieren; ▶ mit einem Lehrer oder einer Lehrerin und der gesamten Klasse in Paneldiskussionen zu interagieren (Jones 2007: 2 ff). Hohe Qualität in der Unterrichtsführung kann nicht erreicht werden, wenn der Lernprozess nicht kontinuierlich überwacht wird (Überwachen, Monitor). Dafür sind die Überwachungs- und Analysefähigkeiten des Lehrers oder der Lehrerin gefragt. Lehrkräfte können den Lernern beispielsweise Selbsteinschätzungsbögen zur Verfügung stellen, die Lerner am Ende der Stunde oder am Ende des Schuljahresabschnitts ausfüllen können (dazu finden Sie konkrete Beispiele im Kapitel 7). Während des Unterrichtsprozesses und am Ende gewisser Abschnitte sollten die Lerner über ihre Lernfortschritte nachdenken (siehe dazu Kapitel 5 in diesem Band) und entscheiden, welche Aktivitäten, Aufgabentypen, Lerntechniken für sie persönlich am effektivsten oder am schwierigsten waren und warum. Im Total-Quality-Management-Modell spielt die Verbesserung (Improve) eine wichtige Rolle: Die Qualität der Unterrichtsstunde kann unmittelbar verbessert werden, indem die Lehrkraft den geplanten Unterrichtsablauf im Notfall sofort ändert (zum Beispiel bei einer unerwarteten Reaktion der Lerner oder wenn sie unerwartete Fehler machen). Die Lehrkraft kann auch ihre konkreten Beobachtungen im Unterricht und die Rückmeldungen der Lerner reflektieren und dementsprechend die Abfolge der eingesetzten Materialien und Aktivitäten ändern. Auch die Lerner können in den Verbesserungsprozess involviert werden, was ihre Autonomie fördert. Ebenso wie die Qualität wird die Lernerautonomie nicht als ein Produkt verstanden, sondern eher als ein psychologischer Prozess, der stark von den kognitiven Ressourcen des Lerners abhängt (Little 1991; Benson 2006; Thanasoulas 2000). Die Förderung der Autnomie spielt auch eine große Rolle: Die Kapazität der Lerner zur Planung, Überwachung, Regulierung und Evaluation ihres Lernprozesses hängt zwar in großem Maße von ihrem kognitiven Stil ab (Messick 1996; Kholodnaya 2002), kann aber auch von der Lehrkraft bewusst gefördert werden. Das letzte, aber bei weitem nicht unwichtigste Element der Unterrichtsführung ist die Qualitätskontrolle (control). Genauere Informationen dazu erhalten Sie in den nachfolgenden Einheiten (siehe Einheiten 6.2 und 6.3) und im Kapitel 7. <?page no="207"?> 207 6.1 Elemente und Werkzeuge im Qualitätsmanagement 6.1.3 Zusammenfassung ▶ Im Rahmen eines lernerzentrierten Ansatzes für den Fremdsprachenunterricht gelten die Kunden (die Lerner) nicht als passive Produkte, sondern als aktive Agenten, deren Zufriedenstellung das Primärziel ist. ▶ Es gibt drei wesentliche Ansätze des Qualitätsmanagements in der Bildung: ergebnisorientiert, prozessorientiert und wertorientiert. Sie alle fokussieren die Zufriedenheit interner und externer Kunden (einzelne Lerner, Gesellschaft, Staat, Arbeitsmärkte etc.). ▶ Die meisten Qualitätsmanagementsysteme in der Bildung kombinieren ergebnis- und prozessorientierte Ansätze. Qualitätsmanagementmodelle auf Basis verschiedener Ansätze (zum Beispiel das EFQM Excellence Modell) werden von Bildungseinrichtungen als Werkzeuge zur Selbsteinschätzung und zur Planung genutzt. ▶ Um die verschiedenen Dimensionen von Qualität in die kommunikative Unterrichtsführung zu integrieren, sollten Lehrerinnen und Lehrer die Interessen, Bedürfnisse, Motive und Vorkenntnisse der Lerner definieren; eine Unterrichtstunde planen; den Plan umsetzen; den Lernprozess überwachen; die Qualität verbessern, indem sie die Probleme direkt ansprechen oder sich nach einer sorgfältigen Analyse mit ihren Ursachen auseinandersetzen; Zufriedenheit, Fortschritt und Niveau der akademischen Leistungen der Lerner kontrollieren. 6.1.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Warum ist die Philosophie des Total-Quality-Management wichtig für die Bildung? 2. Ist es automatisch möglich, die Prinzipien des Total-Quality-Management-Modells im Unterricht umzusetzen? 3. Welche Ergebnisse kann eine Bildungseinrichtung erzielen, wenn sie die Ansätze zum Qualitätsmanagement umsetzt? 4. Welche Elemente der Qualität umfasst die DPIMIC -Strategie zur Unterrichtsführung? 5. Wie kann die DPIMIC -Strategie zur Unterrichtsführung die Qualität des Sprachenlernens beeinflussen? <?page no="208"?> 208 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung 6.2 Qualitätskriterien Éva Major Das Ziel dieser Lerneinheit ist die Auseinandersetzung mit Qualität im Unterricht, einem Konzept, mit dem sich alle Lehrkräfte auseinandersetzen sollten. Wir möchten alle gerne wissen, wie gut wir unterrichten, welche Auswirkungen unsere Bemühungen haben, wie wir im Vergleich zu anderen Lehrkräften abschneiden und wie unsere Arbeit evaluiert und gemessen werden kann. Zu Beginn sehen wir uns an, was eine gute oder schlechte Lehrkraft aus Sicht der Lerner ausmacht, indem wir Forschungsergebnisse zur Effektivität des Unterrichts betrachten. Es ist nämlich sehr interessant, welche Aspekte oder Merkmale des Lehrerverhaltens von den Lernern für nützlich, nötig oder hemmend gehalten werden. Danach beschäftigen wir uns mit den Kompetenzen der Lehrkräfte und mit der Frage, über welche Wissensbereiche, Fertigkeiten und Werte sie verfügen sollten. Zum Schluss stellen wir ein reflexives Werkzeug vor und zwar das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung ( EPOSA ), das bei der Reflexion und der Beurteilung der Lehrkompetenzen während der Ausbildung hilft und dadurch die Entwicklung von werdenden Lehrkräften unterstützt. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ unterschiedliche Aspekte der Unterrichtsqualität interpretieren können; ▶ Forschungsergebnisse dazu kennen, welche Vorstellungen Lerner über guten Unterricht oder über gute Lehrkräfte haben; ▶ einen Überblick über die nötigen Lehrerkompetenzen gewinnen können; ▶ das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung ( EPOSA ) und seine Verwendungsmöglichkeiten kennen. 6.2.1 Guter Unterricht - schlechter Unterricht Was meinen wir mit „gutem“ oder „schlechtem“ Unterricht? Erinnerungen an eine gute oder schlechte Lehrperson fallen bei jedem Studenten und bei jeder Studentin anders aus; das Nachdenken über die Eigenschaften von Lehrkräften sowie der im Unterricht angewandten Pädagogik und der Behandlung der Schüler und Schülerinnen können ein guter Ausgangspunkt dafür sein, um über die Effektivität von Unterricht nachzudenken. Die empirische Studie, die wir hier als Referenz verwenden (La Lopa & Wray 2013), ist eine von vielen zu diesem Thema und ihre Erkenntnisse basieren auf den Antworten von 200 Universitätsstudentinnen und -studenten auf Fragen, die ermitteln sollten, was für sie Elemente eines guten Unterrichts sind. In Tabelle 6.1 sehen Sie, welche Schlüsselbegriffe hinsichtlich der Beschreibung von guten und schlechten Lehrkräften als Ergebnis der Analyse festgehalten werden konnten. In der Tabelle erscheinen die unterschiedlichen Aspekte in einer Rangfolge. <?page no="209"?> 209 6.2 Qualitätskriterien Schlüsselbegriffe in der Beschreibung der besten Lehrer und Lehrerinnen Schlüsselbegriffe in der Beschreibung der schlechtesten Lehrer und Lehrerinnen sorgt sich um die Studenten und Studentinnen negatives Auftreten Sinn für Humor schlechte didaktische Methoden organisiert langweilig und träge Leidenschaft für das Lehren unvorbereitet und unorganisiert gute Lernumgebung monoton hat das Material klar erklärt interaktiver Unterricht bezieht das Material auf die echte Welt Tabelle 6.1: Schlüsselbegriffe in der Beschreibung der besten und schlechtesten Lehrer und Lehrerinnen (nach La Lopa & Wray 2013: 3 f) Wenn Studentinnen und Studenten gefragt werden, was guten Unterricht für sie auszeichnet, beziehen sie sich üblicherweise auf die persönlichen Merkmale der Lehrer und Lehrerinnen, auf die von ihnen angewandten Unterrichtsmethoden und auf die Einhaltung eines lernerzentrierten Ansatzes. So wurden die Antworten aus der Studie unter diesen Überschriften kategorisiert, das Ergebnis sehen Sie in Tabelle 6.2. Merkmale guten Unterrichts Merkmale der Lehrperson Unterrichtsmethoden Lernerzentriertheit Schafft eine positive Atmosphäre Unterstützt nachhaltiges Lernen Anpassung an die Lerner Enthusiasmus für das Fach Setzt klare Ziele Bietet Feedback an Hält die Aufmerksamkeit aufrecht Stellt den Bezug zwischen dem Material und der echten Welt her Respektiert die Lerner Organisiert Interaktiv Nahbar und verfügbar Leicht zu verstehen Stellt Anleitungen zum Lernen zur Verfügung Hört den Lernern zu Fachwissen Baut eine Beziehung zu den Lernern auf Wertschätzt die Perspektive der Lerner Tabelle 6.2: Merkmale guten Unterrichts (nach La Lopa & Wray 2013: 2) Eine Möglichkeit zur Beschreibung schlechten Unterrichts, wäre zu sagen, dass es sich dabei um das genaue Gegenteil des guten Unterrichts handelt: Wenn die Merkmale des guten Unterrichts nicht vorhanden sind, ist der Unterricht demzufolge schlecht. In der Studie wurde die Fähigkeit der Lehrperson, die Disziplin im Unterricht aufrechtzuerhalten und ihre kommunikativen Fähigkeiten von den Studenten und Studentinnen als gut oder schlecht bewertet. Bei gutem Unterricht waren die Beschreibungen jedoch ausführlicher und sie fokussierten <?page no="210"?> 210 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung viel mehr den Enthusiasmus und die Qualität der Anleitungen im Unterricht. Der Aspekt des Wissens wurde häufiger im negativen Kontext erwähnt (siehe Tabelle 6.3). Merkmale schlechten Unterrichts Kommunikation Wissen Disziplin Langweilige Präsentation Ist kein Experte für das Thema Kommt zu spät zum Unterricht, gibt Arbeiten spät zurück Herablassend Ist nicht sicher im Umgang mit dem Material Erscheint unvorbereitet Spricht undeutlich Veraltete Informationen Flößt keinen Respekt ein Keine klare Argumentation oder kein eindeutiger Kontext Keine logische Abfolge Verliert die Kontrolle über die Klasse Unorganisiert Irrelevante Informationen Nervös oder fehlendes Selbstvertrauen Tabelle 6.3: Merkmale schlechten Unterrichts (nach La Lopa & Wray 2013: 2) Die Erwartungen der Studenten und Studentinnen können je nach ihrem Alter, ihrer Persönlichkeit, ihrem Fachwissen und der Umgebung sehr unterschiedlich sein. Der Lehrer oder die Lehrerin sollte sich dessen bewusst sein und auch berücksichtigen, dass es unmöglich ist, all diesen Erwartungen gleichzeitig gerecht zu werden. Er oder sie kann jedoch über die unterschiedlichen Erwartungen reflektieren und kontinuierlich um Rückmeldung zu den möglichen Bereichen bitten, in denen er oder sie sich verbessern oder weiterentwickeln kann. Die in der zitierten Studie genannten Bereiche sind dafür gute Ausgangspunkte (Merkmale der Lehrperson, Unterrichtsmethoden, Lernerzentriertheit, Kommunikation, Wissen, Disziplin). 6.2.2 Der gute Lehrer oder die gute Lehrerin: intelligent, sachkundig oder kompetent? Guter Unterricht setzt voraus, dass die Qualität der Lehrkräfte in allen Merkmalen gut ist, die zu erstrebenswerten Bildungsergebnissen führen (Cochran-Smith & Fries 2005)- - mit anderen Worten in jeder Aktivität, die zu einer Verbesserung des Fortschritts eines Lerners führt. Die Forschung zur Qualität von Lehrkräften nennt zwei Argumentationsmöglichkeiten als Ausgangspunkt. Dabei handelt es sich erstens um die Bright Person Hypothesis ( BPH ), die besagt, dass gute Lehrerinnen und Lehrer gewisse stabile kognitive Merkmale bereits aufweisen, bevor sie den Berufsweg des Lehrers oder der Lehrerin einschlagen. „The best teachers are bright, well-educated people who are smart enough and thoughtful enough to figure out the nuances of teaching in the process of doing it“ (Kennedy, Ahn & Choi 2008, zitiert nach Kunter, Klusmann, Baumert, Richter, Voss & Hachfeld 2013: 2). Der zweite Ansatz besagt, dass der wichtigste Faktor in der Lehrerausbildung das fachspezifische Inhaltswissen sein sollte, das die Trainees erwerben. Wir bezeichnen dieses Argument als die knowledgeable teacher <?page no="211"?> 211 6.2 Qualitätskriterien hypothesis ( KTH ). Die aktuelle Forschung unterscheidet zwischen dem fachspezifischen Inhaltswissen der Lehrkräfte, dem fachspezifischen, pädagogischen Inhaltswissen und dem fachunspezifischen psychologisch-pädagogischen Wissen. Der Anteil dieser Elemente innerhalb des Lehrerausbildungsprogramms kann variieren und die Frage, welche Kursarten oder Inhalte die größte Rolle spielen, ist nach wie vor offen. Zusätzlich zu den beiden genannten Hypothesen gibt es noch das Konzept der Fachkompetenz, über das Sie im nächsten Abschnitt mehr erfahren und das einen dritten Weg zum Verständnis des Lehrererfolgs darstellen kann. Experiment Denken Sie, dass man Lehren lernen kann? Viele Lehrkräfte und Trainer und Trainerinnen betonen die Wichtigkeit des Rapports, der besonderen Beziehung zwischen der Lehrperson und den Lernern, die in vielerlei Hinsicht die Qualität des Unterrichts bestimmt. Nachfolgend sehen Sie einige der Merkmale, die für die Schaffung einer positiven Beziehung und einer positiven Lernatmosphäre wichtig sein können. Entscheiden Sie, welche Elemente angeboren sind (das heißt, dass sie in gewisser Weise mit der Bright Person Hypothesis in Verbindung stehen) und welche erarbeitet und verbessert werden könnten: Abbildung 6.1: Merkmale der positiven Lernatmosphäre (nach Scrivener 2011: 16 ff) Sie haben bei der Durchführung des Experiments sicherlich festgestellt, dass eine Entscheidung darüber, welche Elemente angeboren sind und welche erarbeitet und verbessert werden können, gar nicht so eindeutig zu treffen ist. Jede Antwort ist vertretbar, denn trotz aller <?page no="212"?> 212 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Diskussionen können alle diese Merkmale erlernt und verbessert werden, bei einigen kann das jedoch schwieriger sein als bei anderen. Doch bevor wir uns der Fachkompetenz widmen, sollten wir die möglichen Komponenten guten Unterrichts aus einem anderen Blickwinkel untersuchen. Wir können effektives Lehren als etwas definieren, das zu verbesserten Leistungen der Lerner führt und Ergebnisse produziert, die für ihren künftigen Erfolg wichtig sind. Die Forschung kehrt immer wieder zu diesem entscheidenden Punkt zurück: der Fortschritt der Lerner ist die Messlatte, an der die Qualität der Lehrer und Lehrerinnen festgemacht werden sollte. Um zu beurteilen, ob der Unterricht effektiv ist und um als wertvoll zu gelten, muss er letztendlich vor dem Hintergrund des Fortschritts geprüft werden, den die Lerner machen. Schulen verwenden aktuell mehrere Rahmenpläne zur Beschreibung der Kernelemente des effektiven Unterrichts. Das Problem dabei ist, dass diese Attribute so breit definiert sind, dass sie für unterschiedliche Interpretationen Raum lassen, inwieweit im Klassenraum tatsächlich qualitativ hochwertiger Unterricht stattgefunden hat. Es ist wichtig, diese Beschränkungen zu verstehen, wenn man die Lehrqualität beurteilt. Nachfolgend sehen Sie eine Liste (vergleiche Coe, Aloisi, Higgins & Major 2014: 2) der sechs geläufigen Komponenten, die von der Forschung vorgeschlagen werden und die Lehrer und Lehrerinnen berücksichtigen sollten, wenn sie die Qualität des Unterrichts beurteilen. Die Liste umfasst diese Komponenten in der Reihenfolge der Stärke ihrer Beweiskraft, um zu zeigen, dass eine Fokussierung darauf die Lernergebnisse der Schüler und Schülerinnen verbessern kann: (1) (Pädagogisches) Inhaltswissen; (2) Qualität der Anweisungen; (3) Unterrichtsklima; (4) Unterrichtsführung; (5) Vorstellungen der Lehrkraft; (6) Professionelles Verhalten. Sie können diese Liste als eine Art „Startpaket“ für Ihre Überlegungen zur effektiven Pädagogik verwenden. Qualitativ hochwertiger Unterricht ist wahrscheinlich eine Kombination dieser Attribute, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren; die allerbesten Lehrer und Lehrerinnen sind diejenigen, die all diese Merkmale besitzen. 6.2.3 Fachkompetenz, Lehrkompetenzen Lehrkompetenzen sind die Kombination aus Wissen, Fähigkeiten, Haltungen, Werten und persönlichen Merkmalen, die es der Lehrperson durch ihre kohärente Anwendung ermöglichen, professionell und angemessen in einer Situation zu reagieren (Koster & Dengerink 2008). Die Unterscheidung zwischen Lehrkompetenzen und Lehrerkompetenzen kann sich hier als nützlich erweisen. Als Lehrkompetenzen können solche Fähigkeiten bezeichnet werden, die sich auf die Rolle des Lehrers oder der Lehrerin in Aktion im Unterricht konzentrieren, die also direkt mit der Lehrtätigkeit in Verbindung stehen. Lehrerkompetenzen <?page no="213"?> 213 6.2 Qualitätskriterien umfassen eine breitere Sichtweise der Professionalität des Lehrers oder der Lehrerin, einschließlich der vielen Rollen der Lehrkraft auf mehreren Ebenen-- auf der Individualebene, der Ebene der Schule, der örtlichen Gemeinschaft und auf der Ebene professioneller Netzwerke (Caena 2011). Sowohl Lehrerals auch Lehrkompetenzen sind in der EU aus vielen Gründen zu Schlüsselthemen geworden. Einer davon ist die Erklärung der Europäischen Kommission, dass das Wissen, die Fähigkeiten und das Engagement der Lehrer und Lehrerinnen, sowie die Qualität der Schulleitung die wichtigsten Faktoren bei der Erreichung qualitativ hochwertiger Bildungsergebnisse seien. Ein weiterer ist, dass sich die Rolle von Lehrkräften und Schulen verändert und ebenso die damit verbundenen Erwartungen: von Lehrinnen und Lehren wird gefordert, dass sie in zunehmend multikulturellen Klassen unterrichten, Lerner mit speziellen Bedürfnissen integrieren, Informations- und Kommunikationstechnologien für den effektiven Unterricht verwenden, sich an Evaluations- und Rechenschaftsprozessen beteiligen und die Eltern miteinbeziehen. Außerdem müssen sie Lernern dabei helfen, richtige Lernziele zu finden: teachers need to help students acquire not only the skills that are easiest to teach and easiest to test but more importantly, ways of thinking (creativity, critical thinking, problem-solving, decision-making and learning); ways of working (communication and collaboration); tools for working (including information and communications technologies); and skills around citizenship, life and career and personal and social responsibility for success in modern democracies. (European Commission 2012: 22) Aber was genau sind das Wissen, die Fähigkeiten, Werte und persönlichen Merkmale, die Lehrkräfte brauchen? Ein aktueller Überblick von Williamson MacDiarmid & Clevenger- Bright (2008) fasst die relevanten dazu veröffentlichten Studien mitsamt den Lehrerkompetenzen zusammen. In Tabelle 6.4 finden Sie eine Synthese der Schlüsselelemente aus einem aktuellen Überblick zur Konzeptualisierung der Lehrerkompetenzen. Die hier genannten Merkmale gehören drei Kategorien an: Wissen, Fertigkeiten und Werte. Wissen Fertigkeiten Werte Fachwissen Planung, Steuerung und Koordination des Unterrichts Epistemologisches Bewusstsein Pädagogisches Fachwissen Verwendung von Lehrmaterialien und Bildungstechnologien Bereitschaft zur Veränderung Pädagogisches Wissen Steuerung von Lernern und Gruppen Einsatz dafür, dass alle Lerner lernen Curriculares Wissen Überwachung und Beurteilung des Lernprozesses Bereitschaft zur Förderung der demokratischen Haltung und Praktiken der Lerner als künftige europäische Bürger Grundlagen der Bildungswissenschaften (interkulturell, historisch, philosophisch, psychologisch, soziologisch) Zusammenarbeit mit Kollegen, Eltern und sozialen Diensten Bereitschaft zu Flexibilität und lebenslangem Lernen <?page no="214"?> 214 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Aspekte der bildungspolitischen Richtlinien (kontextuell, institutionell, organisatorisch) Verhandlungsgeschick Bereitschaft, die eigene Praxis zu prüfen, zu diskutieren und zu hinterfragen Fragen der Inklusion und der Diversität kollaborative, reflexive, zwischenmenschliche Fähigkeiten für das Lernen in beruflichen Gemeinschaften Neue Technologien Fähigkeit, sich an mehrdimensionale Dynamiken mit Quereinflüssen anzupassen (politische Richtlinien, Dynamik der Lerner, des Unterrichts und der Schule) Gruppenprozesse und Dynamiken, Lerntheorien, Motivationsprobleme Fähigkeit, Schlussfolgerungen zu ziehen und Entscheidungen für den Unterricht und für das Lernen auf Basis von Beweis- und Dateninterpretationen zu treffen Entwicklungspsychologie Prozesse und Methoden der Evaluation und Bewertung Tabelle 6.4: Überblick der Lehrerkompetenzen (nach MacDiarmid & Clevenger-Bright 2008) 6.2.4 Ein Reflexionswerkzeug - Einführung in das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung ( EPOSA ) ist ein Dokument (Newby, Allan, Fenner, Jones, Komorowska & Soghikyan 2007), das sich an Studenten und Studentinnen in der Lehrererstausbildung richtet. Es ermutigt sie zur Reflexion ihres didaktischen Wissens und der Fähigkeiten, die für den Sprachenunterricht notwendig sind. Außerdem unterstützt es sie dabei, ihre eigenen didaktischen Kompetenzen zu beurteilen, ihren Fortschritt zu überwachen und ihre Lehrerfahrungen während der Lehrerausbildung zu dokumentieren. Das EPOSA wurde von einem Team von Lehrerausbildern und -ausbilderinnen aus fünf unterschiedlichen Ländern (Armenien, Norwegen, Österreich, Polen, Vereinigtes Königreich) für das Europäische Fremdsprachenzentrum des Europarates entwickelt und besteht im Wesentlichen aus drei Sektionen: (1) Einem Teil für die persönliche Beschreibung, der Studentinnen und Studenten zu Beginn ihrer Lehrerausbildung bei der Reflexion allgemeiner Fragen zum Unterricht unterstützt; (2) einem Teil zur Selbstbeurteilung, der aus Kann-Beschreibungen mit Bezug auf didaktische Kompetenzen besteht; (3) einem Dossier, in dem Studentinnen und Studenten ihren Fortschritt dokumentieren und Beispiele aus ihrer Unterrichtsarbeit aufzeichnen können, die für ihre Lehrerausbildung und ihren künftigen Beruf relevant sind. Die Deskriptoren (Kann-Beschreibungen) im EPOSA werden in sieben allgemeine Kategorien unterteilt (siehe Abbildung 6.2). Sie stehen für Wissens- und Kompetenzbereiche der <?page no="215"?> 215 6.2 Qualitätskriterien Lehrerinnen und Lehrer, die für Entscheidungen notwendig sind, die mit dem Unterricht zusammenhängen. Jede allgemeine Kategorie ist weiter unterteilt, woraus sich insgesamt 32 Bereiche und 195 Kompetenzdeskriptoren ergeben. Diese Strukturierung bietet eine flexible Struktur, mit der die Kompetenzdeskriptoren in jeder möglichen Reihenfolge verwendet und wiederverwendet werden können, die für den Kursinhalt, die Lehrpraxis und für weitere Faktoren angemessen sind. Abbildung 6.2: Deskriptoren von EPOSA (McDiarmid & Clevenger-Bright 2008) Zu jedem Deskriptor gibt es eine unausgefüllte Säule mit einem nach vorne zeigenden Pfeil (siehe Abbildung 6.3). Diese Säulen helfen den Studenten und Studentinnen dabei, ihre Kompetenz einzuschätzen und ihren Fortschritt zu dokumentieren, sobald sie mehr Wissen und Lehrerfahrung erworben haben. <?page no="216"?> 216 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Abbildung 6.3: Beispiele aus dem EPOSA (Newby et al. 2007: 15) Dafür färben die Studenten und Studentinnen einen Teil der Säule ein und fügen das Datum hinzu, an dem die Beurteilung durchgeführt wurde. Ein Student kann zum Beispiel eine erste Beurteilung zu Beginn seiner Lehrerausbildung vornehmen; eine zweite Beurteilung kann erfolgen, nachdem er einen Kurs zu einer bestimmten Kompetenz absolviert hat, eine dritte Beurteilung nach dem Erwerb von Lehrerfahrung und so weiter. Illustrierendes Beispiel Hier sehen Sie ein Beispiel für die Reflexion eines Lehrers in Ausbildung zur Unterrichtsführung (Newby et al. 2007: 44): Unterrichtsführung Ich bin in der Lage, gemäß den Bedürfnissen der SchülerInnen und Anforderungen der jeweiligen Aktivität unterschiedliche Rollen einzunehmen (Person, die Information zur Verfügung stellt, VermittlerIn, Aufsichtsperson etc.). Als ich meine ersten Lehrerfahrungen gesammelt habe, habe ich über den Unterricht nur aus der Sicht des Lehrers nachgedacht. Ich habe den Lehrer im Zentrum des Geschehens gesehen, der alles leitet. Jetzt bin ich mir der Tatsache bewusst, dass das nicht immer der Fall ist und dass es nicht immer notwendig ist, diese Rolle zu spielen. Ich habe gelernt, den Unterricht aus der Sicht des Lerners zu sehen und ich habe realisiert, dass ich fokussieren muss, was die Lerner machen und was in ihrem Gehirn geschieht, wenn ich eine Unterrichtsstunde plane. Diese Erfahrung hat mir dabei geholfen, zu erkennen, dass es in Ordnung ist, wenn ich nicht die ganze Zeit im Zentrum stehe, wenn ich einfach herumgehe und den Lernern bei der Gruppenarbeit helfe, oder dass ich gar nicht beschäftigt bin, weil sie mich für eine bestimmte Phase nicht brauchen und ich mich in dieser neuen Rolle als eine Ressourcenperson entspannen kann, die nur aktiviert wird, wenn sie gebraucht wird. Ich kann nur vermuten, wie die Rolle eines Mediators im Unterricht wohl aussieht. Ich habe gesehen, wie mein Mentor einige Male eingegriffen hat, als Kindergruppen miteinander ge- <?page no="217"?> 217 6.2 Qualitätskriterien Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ( GER ) (Europarat 2001) und dem Rahmenplan des Europäischen Portfolios für Sprachenlehrende in Ausbildung ( EPOSA ). Erstens verfolgen sie beide das Ziel, eine gemeinsame Basis für Lehrkräfte und Lehrerausbilder und -ausbilderinnen in ganz Europa zu schaffen. So wie der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen eine gemeinsame europaweite Basis für die Ausarbeitung von Sprachenlehrplänen, Curriculum-Leitlinien, Prüfungen, Lehrbücher und weitere Aspekte bietet, will EPOSA eine gemeinsame Basis für Lehrkräfte in Ausbildung, ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen und Lehrerausbilder und Lehrerausbilderinnen schaffen. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen beschreibt ausführlich, was Sprachenlerner können müssen, um in einer Sprache zu kommunizieren und welches Wissen und welche Fähigkeiten sie entwickeln müssen, um in der Fremdsprache effektiv handeln zu können. Das Europäische Portfolio für Sprachenlehrende in Ausbildung beschreibt seinerseits ausführlich, was Sprachenlehrer und -lehrerinnen lernen sollten, um Lernern beizubringen, wie sie eine Sprache für die Kommunikation nutzen können und welches Wissen und welche Fähigkeiten die Lehrkräfte brauchen, um die Lerner zur effektiven Handlung in der Fremdsprache zu befähigen. 6.2.5 Zusammenfassung ▶ In dieser Einheit haben wir uns mit der Unterrichtsqualität befasst. Wir haben gesehen, dass guter Unterricht sehr schwer zu definieren ist. ▶ Es wurden einige Forschungsergebnisse behandelt, die die Erwartungen der Lerner in Bezug auf guten Unterricht und gute Lehrkräfte verständlicher machen. ▶ Wir haben einige Modelle vorgestellt, die versuchen, grundlegende Elemente des guten Unterrichts zu identifizieren. ▶ Im vergangenen Jahrzehnt hat sich herausgestellt, dass die berufliche (Lehrer- oder Lehr-) Kompetenz als wichtigstes Konzept die Auffassung von gutem Unterricht anleitet. ▶ Es gab insbesondere in der EU wissenschaftliche Projekte, um Wissen, Fertigkeiten, Haltungen und Werte zu untersuchen und zu beschreiben. Diese Projekte haben unterschiedliche Zielsetzungen, unter anderem die Entwicklung der Inhalte und der Form der Lehrerausbildung und die Erweiterung der Verantwortlichkeit der Lehrkräfte. ▶ Im letzten Teil der Einheit haben wir ein Reflexionswerkzeug eingeführt, das Studenten und Studentinnen in Lehrerausbildung dabei helfen soll, ihre Stärken und Schwächen sowie ihren weiteren Entwicklungspfad zu identifizieren. stritten haben oder einander beleidigt haben - ich denke, dass das eine andere Rolle ist, die nicht direkt etwas mit dem Sprachenunterricht zu tun hat - aber sie ist auch wichtig, damit die Lerner das Gefühl haben, sie werden ernstgenommen und damit sie sich im Unterricht wohlfühlen. Wenn jemand schlecht behandelt oder ausgeschlossen wird, kann er nicht gut lernen, weil ihm die persönlichen Probleme im Weg stehen. <?page no="218"?> 218 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung 6.2.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen Sie einige Merkmale von gutem und schlechtem Unterricht aus Sicht der Lerner. 2. Welche Art von Wissen oder Fertigkeiten benötigt ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin? 3. Wie lassen sich Lehrkompetenzen definieren? 4. Inwiefern kann EPOSA bei der Entwicklung von Lehrertrainees oder jungen Lehrern und Lehrerinnen helfen? 5. Wie würden Sie kurz die Unterschiede zwischen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und dem EPOSA zusammenfassen? <?page no="219"?> 219 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen Jörg Roche Wir haben uns hier bereits ausführlich mit unterschiedlichen Aspekten des Qualitätsmanagements im Unterricht beschäftigt. In dieser Lerneinheit sollen spezifische Aspekte des Sprachkursmanagements an Hochschulen zur Sprache kommen, denn an vielen Hochschulen findet der „eigentliche“ Sprachunterricht statt. Zumindest dort, wo an öffentlichen Schulen gar nicht oder nur marginal Sprachen unterrichtet werden. Allerdings unterscheidet sich der Sprachunterricht an Hochschulen oft weder von den Lehrtraditionen noch vom Lehrmaterial her wesentlich von dem an öffentlichen Schulen. Das ist insofern erstaunlich, als die Lerner ja Studierende sind, die schon über größeres Weltwissen verfügen und mit dem Sprachenerwerb besondere Ziele verfolgen, zum Beispiel ein Studium im Ausland. Inzwischen gibt es eine Reihe von Hochschulen und Hochschulprojekten, die ihre Sprachenkonzepte systematisch an den übrigen Studienzielen und an der Profilbildung ihrer Hochschule ausrichten wollen, statt vor allem Standardkurse ohne wissenschaftssprachlichen Bezug anzubieten. Besonderes Innovationspotenzial haben dabei die sogenannten „Exporthochschulen“, also Hochschulausgründungen der Bundesrepublik, wie die Deutsch-Jordanische Hochschule, die Deutsch-Vietnamesische Hochschule, die Chinesisch-Deutsche Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Shanghai und andere, denn hier werden Deutschlandaufenthalte, wie auch bei verschiedenen bilateralen Projekten deutscher Hochschulen, konstitutiv für die Studiengänge vorgesehen. Für solche „hochkarätigen“ internationalen Hochschulprojekte hat eine Reihe von Expertinnen und Experten für Deutsch als Fremdsprache im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdiensts ( DAAD ) einen Leitfaden für gute Praxis entwickelt, der hier in Teilen vorgestellt werden soll (Althaus, Kleppin, Roche unter Mitarbeit von anderen 2014). Er eignet sich auch als Maßstab für andere Sprachzentren und Projekte, auch wenn dort die Ausstattung vielleicht nicht perfekt sein mag. Qualitätsmanagement betrifft alle Sprachkursangebote, sofern Qualität und Effizienz auch dort ein Ziel sind. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ grundlegende Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung beschreiben können; ▶ die zehn wichtigsten Thesen und Empfehlungen für internationale Hochschulprojekte erläutern können; ▶ verschiedene Modelle für die Sprachvermittlung und Beispiele dazu kennen. 6.3.1 Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung Zum Qualitätsmanagement eines Lehrbetriebs gehören, wie wir schon gesehen haben, eine Reihe von Voraussetzungen und Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung. Dabei sind die folgenden Aspekte zu beachten: <?page no="220"?> 220 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung ▶ Angemessene Honorierung. Dieser Punkt steht am Anfang dieses Abschnitts, da in nahezu allen Projekten Sprachlehrkräfte unterbezahlt sind. Dies geht meist einher mit Qualitätsdefiziten (unzureichenden pädagogischen oder Sprachkompetenzen) und infolgedessen einer hohen Fluktuation. ▶ Kombination von lokalen, mutter- und zielsprachlichen (internationalen) Festangestellten und Honorarlehrkräften. Mittels kollegialer Fortbildungen und Unterstützung kann das Lehrteam selbst wesentlich zum Qualitätsmanagement und der Qualitätsentwicklung beitragen. Siehe mehr in Kapitel 7. ▶ Einsatz von Praktikantinnen und Praktikanten (deutscher Hochschulen; aus lokalen Masterstudiengängen) und Sprachassistentinnen und Sprachassistenten unter Anleitung und Supervision erfahrener Lehrkräfte. ▶ Gegebenenfalls Ausbildung eigener Lehrkräfte in Bachelor- oder Masterstudiengängen. Solche Studiengänge müssen ausgerichtet sein auf die Entwicklung der fachlichen Kompetenzen. Traditionelle auslandsgermanistische Studiengänge ohne einen Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache erscheinen in diesem Kontext nicht zielführend. Die hier präsentierten Kriterien-- sowohl für die Leitungspositionen, als auch für das Lehrpersonal-- sind weder als Wunschlisten noch als verpflichtender Katalog zu verstehen, der in jedem einzelnen Punkt eingehalten und von jeder Institution erfüllt werden muss. In der Summe sollte bei der Zusammensetzung von Teams jedoch darauf geachtet werden, dass die genannten Kriterien möglichst vollständig abgedeckt werden. Die Qualität des Sprachenunterrichts bestimmt nachhaltig die Qualität Kompetenzen der Studentinnen und Studenten und der Hochschule. 6.3.2 Sprachkursplanung - pädagogische Aspekte Bei der Darstellung unterschiedlicher Sprachenkonzepte und Kursmodelle wurden meist schon Angaben zu den notwendigen Stunden und zu Sprachkompetenzen der Lehrkräfte gemacht. Im Folgenden sollen diese Angaben noch einmal mit Blick auf eine konkrete Planung des Deutschunterrichts vervollständigt werden. Dabei stehen, anders als in den vorausgegangenen Abschnitten, nicht Hinweise für ein gutes Management im Vordergrund. Vielmehr liefern die folgenden Abschnitte praktische Anregungen für die pädagogische und sprachdidaktische Arbeit. Stundenzahl Je nach Vermittlungssprache(n) der Studiengänge sind unterschiedliche Stundenzahlen für die Vermittlung dieser Sprachen anzusetzen. Wenn die Studenten und Studentinnen nach absolviertem Bachelorstudiengang nach Deutschland kommen, um dort einen Master auf Englisch zu studieren, sollten sie für das „Überleben im universitären Alltag“ möglichst das Niveau B1 in der deutschen Sprache erreicht haben. Wie viele Kontaktstunden zum Erreichen des Niveaus B1 notwendig sind, wird von Ort zu Ort unterschiedlich sein. Wo das Erlernen <?page no="221"?> 221 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen einer Fremdsprache mit einem Wechsel des Schriftsystems verbunden ist, kann sich die Dauer deutlich erhöhen. Die Anforderungen lassen sich jedoch je nach Studiengang auch modifizieren. Die genauen Anforderungen legen die Fächer selbst fest. Dabei sollten sie sich in Bezug auf die entsprechenden Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens ( GER ) und einer möglichen Profilierung von Mitarbeitern des Sprachenzentrums beraten lassen. Das schließt eine Beratung zu adäquaten Testverfahren mit ein. Sprachkursplaner und -planerinnen sollten sich also zunächst vor Ort informieren, was die regional üblichen Stundenzahlen beim Goethe-Institut oder einer lokalen Organisation sind. Danach können sie davon ausgehen, dass sie mit einer professionellen Organisation, die eine starke Selbstlernkomponente einbezieht, diese Stundenzahl etwas reduzieren können. Soll das Masterstudium auf Deutsch stattfinden, müssen die Studentinnen und Studenten mit Studienbeginn in der Regel das Niveau DSH 2 (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang, kurz DSH ) oder TestDaF-Niveaustufe 4 in allen 4 Teilkompetenzen erreicht haben. Man sollte entsprechende Vorkehrungen im Zeitplan dafür treffen, dass eine entsprechende Anzahl von Kontaktstunden zur Verfügung steht. DSH 2 und TDN 4 beschreiben zudem Fähigkeitsniveaus zu Beginn eines Studiums. Sie sollten- - gerade in einem nicht deutschsprachigen Umfeld-- durch studienbegleitenden Deutschunterricht, durch Angebote zum Selbstlernen (E-Learning) oder durch Sprachlern- und Schreibberatung ergänzt werden. Wird bei dieser Variante (Masterstudiengang auf Deutsch) dem Spracherwerb zu wenig Zeit eingeräumt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Studentinnen und Studenten das Studium abbrechen oder nur unzulängliche Ergebnisse erreichen. Nicht wenige Beispiele zeigen, dass gerade beim Übergang zum Studium oder Praktikum in Deutschland zeitraubende und teure Förderkurse zwischengeschaltet werden müssen. Lehrpersonal Lehrkräfte sollten, wie gesagt, im Idealfall methodisch-didaktisch im Bereich Deutsch als Fremdsprache qualifiziert sein und mit den Lerntraditionen, den Sprachen und den kulturellen Voraussetzungen vor Ort vertraut sein. Zu den erwünschten Lehrerkompetenzen finden Sie mehr Information in den Lerneinheiten 6.2, 7.2 und 8.3. Es handelt sich im Idealfall also entweder um eine Sprecherin oder einen Sprecher mit Deutsch als Erstsprache (L1) und DaF-Studium, die / der schon einige Zeit im Land der Zielsprache verbracht hat, oder um eine L1-Sprecherin oder einen L1-Sprecher der Landes- oder Lernersprache, der in Deutschland zumindest teilweise studiert und eine DaF-Qualifikation erworben hat. Es ist nicht erwiesen, dass L1-Sprecherinnen oder L1-Sprecher die besseren Lehrkräfte sind. Im Gegenteil: L1-Sprecherinnen oder L1-Sprechern fehlen wegen des hohen Automatisierungsgrades von Sprache oft wichtige Informationen und Strategien für den fremdsprachigen Zugang zu ihrer eigenen Sprache. Lerner nehmen die fremde Sprache viel bewusster und kritischer in den Blick. In diesem Kontext müssen Lehrkräfte über differenzierte interkulturelle Kompetenzen verfügen. Zu den interkulturellen Komponenten gehören klassische Elemente kultureller Praktiken, wie Begrüßungs- und Kommunikationsrituale, eine gute Kenntnis der geopolitischen, sozialen und gegebenenfalls religiösen Verhältnisse, die Kenntnis von Tabus, Strukturen, <?page no="222"?> 222 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Verfahren und Kulturtechniken der anderen Wissenschaftskultur und vor allem eine grundsätzliche Bereitschaft und Fähigkeit, durch genaues Beobachten mehr über die Zielkultur zu lernen (Sensibilität, Empathie). Die Annahme, man könne Bedingungen, Einstellungen, Ziele, Praktiken, Verfahren und Methoden wie an der Heimathochschule erwarten und einsetzen, wird sehr schnell zu verschlossenen Türen und Gehirnen führen. Interkulturelle Standardeinführungen sind dabei in der Regel nur von sehr begrenztem Nutzen, weil sie fremde Kulturen meist stereotyp und deterministisch betrachten. Elaborierte Literatur zu fremden Kulturen, die über Reiseführer und interkulturelle Schnellorientierungen hinausgehen, sind hier vorzuziehen. Dazu sollte Literatur zur Sensibilisierung für das Fremdverstehen gehören. Lehrmaterial Lehrwerke, so heißt ein schöner Spruch, sind keine Mangelware, sondern Mängelware. Es gibt in Deutschland produzierte Lehrwerke, die weltweit im Einsatz sind, und in Teilen der Welt Lehrwerke, die für die Lerner in dem jeweiligen Land geschrieben sind. Lehrwerke, die von Deutschland aus für die gesamte Welt produziert werden, sind natürlich nicht zielgruppenspezifisch; ihr Vorteil liegt darin, dass zumeist versucht wurde, das komplexe Miteinander von Grammatikvermittlung, Wortschatzvermittlung, Ausspracheschulung, Textsortenvielfalt, Übungsvielfalt und so weiter auf handwerklich hohem Niveau in ein produktives Gleichgewicht zu bringen. Ihnen fehlt aber-- von eventuell vorhandenen zweisprachigen Glossaren abgesehen-- meist eine kontrastive Komponente, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Sprachenvergleich, sondern vor allem im Hinblick auf interkulturelle Phänomene und unterschiedliche Sprachlerngewohnheiten. Im Zeitalter des zunehmenden Einsatzes elektronischer Medien in Alltag und Lehre, sind die meisten Lehrwerke dazu übergegangen, digitale Komponenten zu produzieren, die es den Lernern erlauben, individuell vertiefend zu üben. Offene Lernprogramme eröffnen zudem die Möglichkeit, den deutschsprachigen Raum im Netz zu erforschen und deutschsprachige Quellen nach individuellen Interessen beliebig zu nutzen. Im Folgenden fassen wir die 10 wichtigsten Empfehlungen für Sprachprogramme (in Exportmodellen) zusammen. 6.3.3 Zehn Thesen und Empfehlungen für internationale Hochschulprojekte Bedeutung von Sprachenkonzepten Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Fachstudium im Rahmen von Studienangeboten deutscher Hochschulen im Ausland ist ein schlüssiges und nachhaltiges Konzept für die Verwendung und den Unterricht von Sprachen. Fachliche Inhalte, egal ob natur-, ingenieur- oder sozialwissenschaftlicher Art, werden immer auch sprachlich vermittelt. Fast alle Studienangebote im Ausland sehen auch Aufenthalte in Deutschland vor. Diese brauchen eine sprachliche und interkulturelle Vorbereitung, die frühzeitig im Studium beginnen muss. Deshalb ist es <?page no="223"?> 223 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen für den Erfolg des Studienangebots unerlässlich, dass vor Einführung des Studiengangs ein ausgearbeitetes und implementierungsfähiges Sprachenkonzept vorliegt. Für ein erfolgreiches Sprachenkonzept ist eine Bestands- und eine Bedarfsanalyse notwendig: Welche Sprachen sind vorhanden (Deutsch, Englisch, Umgebungssprachen)? Welche Sprachen können zu Beginn des Studiums in der Lehre eingesetzt werden? Welche Sprachen müssen wie weitgehend vermittelt werden, damit sie im Laufe des Studiums verwendet werden können? Antworten auf diese Fragen bestimmen die Wahl des Modells. Aus dem Sprachenkonzept und der Konstellation der Sprachen in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen ergeben sich weitere Anhaltspunkte, welche Sprachen in welcher Tiefe und in welchem Umfang unterrichtet werden müssen. Verschiedene Modelle von Sprachenkonzepten Bei den Studienangeboten im Ausland ist grundsätzlich von einer mehrsprachigen Situation auszugehen. Neben Deutsch und Englisch werden eine oder manchmal auch mehrere Umgebungs- oder Regionalsprachen eine Rolle spielen. Je nach Sprachensituation vor Ort und den Zielen des Projektes sind unterschiedliche Modelle denkbar, welche Sprache(n) in welchem Umfang und in welchen Situationen verwendet werden. Im Kern gehen alle hier vorgestellten Modelle davon aus, dass entweder Deutsch oder Englisch als Unterrichtsprache festgelegt wird. Die Modelle zeigen auf, wie weitere Sprachen in die Konzeption integriert und kombiniert werden können um die Studien- und Berufsziele sicher zu erreichen. Sinnvoll für die Sprachenvermittlung ist demnach eine realistische Einschätzung dazu, welche Lernziele von welchen Studentinnen und Studenten mit welchen Lernerfaktoren erreicht werden sollen. Ziel der Sprachenausbildung ist nicht die (mehr oder weniger vollständige) allgemeine „Beherrschung“ von zwei oder drei Sprachen. Ziel ist es vielmehr, Studenten, Studentinnen und Lehrkräfte für die erwartbaren alltags-, verkehrs-, fach-, berufs- und wissenschaftssprachlichen Situationen in den dafür erforderlichen Sprachen angemessen handlungsfähig zu machen. Sprachkompetenzen Sprachkompetenz bezeichnet die Fähigkeit beziehungsweise den Grad der Fertigkeit von (Fremd-)Sprachenlernern, ihr Wissen über eine Sprache und ihr Können in einer Sprache anwenden zu können. Sprache ist der Schlüssel zu Kommunikation, Verständnis und Diskurs und somit essentiell für ein erfolgreiches Studium unabhängig vom Studienfach. Kompetenzen in mehreren Sprachen sind Voraussetzung zur Bewältigung eines (internationalen) Studiums und ein mehrfacher Vorteil für Studenten und Studentinnen. Ohne eine gezielte Förderung sprachlicher Kompetenzen sind weder wissenschaftliche Kommunikation noch internationale Karrieren möglich. Dabei müssen sich die Englischkenntnisse auf Seiten <?page no="224"?> 224 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung der Studentinnen und Studenten und der Lehrer und Lehrerinnen auf einem Niveau befinden, das eine akademische Sprachhandlungskompetenz gewährleistet, die ein Fachstudium zulässt, ohne sprachlich begründete Studienausfälle oder -abbrüche zu provozieren. Intensität des Sprachenunterrichts Je nach gewähltem Modell wird der Sprachenunterricht unterschiedlich intensiv sein. Wenn das Ziel ein Praktikum in Deutschland ist, wird es umfangreicheren Deutschunterricht geben müssen als bei einem Studium, das komplett auf Englisch absolviert wird. Zur Unterstreichung der Relevanz der Studienkomponente Sprache ist es-- und zwar nicht nur aus motivationalen Gründen-- unerlässlich, diese Komponente mit ECTS - oder gleichwertigen Punkten zu versehen. Wenn Deutsch vom Null-Niveau bis zur Studierfähigkeit entwickelt werden soll, muss sorgfältig überlegt werden, wie die dafür erforderliche hohe Stundenzahl mit dem Fachunterricht in Einklang gebracht werden kann. Möglich und sinnvoll ist die Einführung eines foundation year, in dem vor allem Sprachen und gegebenenfalls einige Fachkurse unterrichtet werden. Möglich ist zum Beispiel auch die Verlängerung von Bachelorstudiengängen auf vier oder fünf Jahre, falls dies das Studiensystem des jeweiligen Landes möglich macht. Verhältnis von Fach- und Sprachenunterricht Bei der Organisation der Sprachenausbildung soll versucht werden, diese soweit wie möglich auf die Fachkontexte zu beziehen (zum Beispiel Leseverstehen schwieriger Passagen aus Texten der Fachseminare, mündliche Wissenschaftskommunikation). Gleichzeitig soll innerhalb des Sprachenunterrichts eine frühzeitige Verschränkung von fachsprachlichen mit allgemeinsprachlichen Elementen erfolgen. Der fachliche Unterricht eignet sich hervorragend auch für die Vermittlung von Sprachkompetenzen. Material Es gibt weder bei den Print-Lehrwerken noch bei Online-Materialien perfekte Lösungen „von der Stange“; es müssen daher immer zielgenau und lernerorientiert Materialien erstellt, adaptiert und weiterentwickelt werden. Dies gilt insbesondere für fachsprachliche Lernmaterialien, bei deren Erstellung sich eine Kooperation zwischen Fachdozentinnen und Fachdozenten sowie Lehrkräften der Sprachenzentren empfiehlt. Darüber hinaus sollten möglichst adäquate deutschsprachige Quellen aus der Umgebung und aus dem Internet genutzt und fokussiert in den Unterricht eingebaut werden. <?page no="225"?> 225 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen Sprachentests Es gibt standardisierte Tests (zum Beispiel TestDaF, DSD oder DSH ) und normierte Niveaustufenbeschreibungen von Sprachständen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen des Europarats- - GER ), die Aufschluss über Sprachkompetenzen geben. Es wird empfohlen, sich an diesen zu orientieren, weil sie auch Hinweise darauf geben, welche Stufe für welches Ziel zugrunde gelegt oder anvisiert werden sollte; zum Beispiel für ein Praktikum in Deutschland oder für die Alltagskommunikation. Aus Gründen der Qualitätssicherung sollten nur die hier genannten, von den Wissenschaftsorganisationen autorisierten Prüfungen für Zulassungszwecke anerkannt werden. Institutionalisierung Bei größeren bi- oder multinationalen Universitätsgründungen ist die Einrichtung eines Sprachenzentrums unabdingbar, in dem sowohl die administrative Seite des Sprachenkonzeptes, die unterrichtliche Umsetzung als auch die Forschungsarbeit geleistet wird. In einem solchen Zentrum werden auch die Lehrkräfte kontinuierlich fortgebildet. Dafür sind systematisch und regelmäßig Ressourcen einzuplanen. Bei kleineren Projekten, wie zum Beispiel einem Studiengang, ist die Gründung eines Sprachenzentrums meist nicht erforderlich; dennoch sollte es eine professionelle Sprachbegleitung geben, zum Beispiel durch Beratung durch eine / n DAAD -Lektor / in vor Ort oder die Betreuung durch das Sprachenzentrum der deutschen Partnerhochschule und einem universitären Sprachenzentrum oder auch einem Goethe-Institut vor Ort. Da sich die Lernziele und damit die Vorgehensweisen bei der Sprachenvermittlung je nach lokalem Kontext unterscheiden, ist es zwingend erforderlich, lokale Curricula zu entwickeln, in denen die angezielten Kompetenzen beschrieben werden: ▶ Lokale Curricula geben Empfehlungen zu geeigneten unterrichtsmethodischen Verfahren und kontinuierlichen Lernerfolgsüberprüfungen. ▶ Lokale Curricula geben, bezogen auf die jeweiligen Verwendungskontexte aus den Fachbereichen, beispielhaft sach- und fachorientierte sprachliche Mittel, fachspezifische Redewendungen oder sprachliche Routinen an. Die sprachlichen Mittel (nicht nur Einzelwörter) können kontinuierlich vervollständigt werden, damit Sprachdozentinnen und -dozenten bewusst-- ausgerichtet an den Fachbereichen-- agieren können. ▶ Lokale Curricula geben die zur Erreichung dieser Ziele verbindlichen Inhalte an. ▶ Lokale Curricula können sich auf bestimmte Teilkompetenzen beschränken beziehungsweise unterschiedliche Niveaustufen für bestimmte Teilkompetenzen anstreben. ▶ Lokale Curricula können zu erreichende Maximal- und Minimalstandards angeben. ▶ Lokale Curricula beschreiben die am Ende eines bestimmten Zeitabschnitts (zum Beispiel eines Semesters) zu erreichenden Kompetenzen auf der Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. ▶ Lokale Curricula geben an, wie die Sprachkompetenz überprüft wird, das heißt welche Tests am Ende eines bestimmten Zeitabschnitts abzulegen sind. <?page no="226"?> 226 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung Lehrpersonal Wie das Fachstudium muss auch der Sprachenunterricht in professionelle Hände gelegt werden; „Deutsch zu können“ ist keine hinreichende Qualifikation, um an der Universität Sprachen zu unterrichten. Wenn es vor Ort keine eigene Deutschlehrerausbildung und Deutschlehrkräfte gibt, sollten zunächst ausgebildete Deutschlehrkräfte rekrutiert oder es sollte mit einer anderen Institution zusammengearbeitet werden. Gleichzeitig muss jedoch dafür Sorge getragen werden, dass einheimische Lehrkräfte ausgebildet werden, zum Beispiel durch Stipendien für Masterstudenten und -studentinnen oder Tandem-Programme mit deutschen Partneruniversitäten. Vorbereitung auf den Deutschlandaufenthalt Neben der sprachlichen Vorbereitung für das Studium sind eine Vorbereitung auf den deutschen Alltag und eine Sensibilisierung für interkulturelle Phänomene, Kontraste und Ähnlichkeiten für einen Deutschlandaufenthalt-- sei es für ein Praktikum oder das Auslandssemester oder auch für die Bewerbungsphase-- unerlässlich. Dieses Propädeutikum sollte so weit wie möglich mit dem Sprachenunterricht verbunden sein. Wie aber lassen sich diese Prinzipien in Modellen von Sprachprogrammen umsetzen? Davon handelt der folgende Abschnitt. 6.3.4 Entwicklung eines Sprachenkonzepts Deutsche Hochschulen kooperieren verstärkt mit Hochschulpartnern im Ausland. Sie praktizieren dabei vielfältige Formen der Zusammenarbeit: Austausch von Studentinnen und Studenten und Postgraduierten, gemeinsame Forschungsvorhaben, gemeinsame Studiengänge, Ausgründungen einzelner Studiengänge bis hin zur Gründung binationaler Hochschulen. Unabhängig von der Form und der Intensität solcher Projekte kommt der Sprachenausbildung eine entscheidende Rolle zu. Wissenschaft wird immer über das Medium Sprache vermittelt. Im internationalen Kontext sind es meist mehrere Sprachen von unterschiedlichem Gewicht in unterschiedlichen Funktionszusammenhängen. Ganz gleich, welche Arbeitssprachen zur Wissensvermittlung und Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse gewählt werden, immer hängt der Erfolg der internationalen Hochschulprojekte davon ab, ob und in welchem Maß die Akteure in der Lage sind oder in die Lage versetzt werden, sich in einer oder mehreren gemeinsamen Sprachen zu verständigen. Internationale Hochschulprojekte können daher nur erfolgreich sein, wenn sie über ein ausgearbeitetes, an die konkreten Kooperations- und Ausbildungsziele angepasstes Sprachenkonzept verfügen. Dieses Sprachenkonzept formt dann die Modelle der Sprachenausbildung. Mit Sprachenkonzept wird hier die bewusste und angemessene Einbeziehung aller für die unterschiedlichen Kommunikationssituationen erforderlichen Sprachen bezeichnet: <?page no="227"?> 227 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen ▶ Die Sprache(n), in der oder in denen fachwissenschaftliche Inhalte vermittelt werden. ▶ Die Sprachen, in denen wissenschaftliche (Qualifikations-) Arbeiten verfasst werden. ▶ Die Sprachen, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse rezipiert werden müssen. ▶ Die Sprachen, die für Auslandsaufenthalte (Studienabschnitte, Praktika)-- sowohl zur wissenschaftlichen Ausbildung als auch im Alltag-- erforderlich sind. ▶ Die Sprachen, in denen im Berufsleben nach dem Studium kommuniziert wird. Wir gehen im Folgenden von vier Leitgedanken aus: (1) Sprachkompetenz und Fachkompetenz tragen gleichermaßen zum Erfolg internationaler Hochschulprojekte bei. Daher kommt der Sprachausbildung eine weit wichtigere Rolle zu als in der nationalen Hochschulausbildung. Nur Studierende, die sowohl fachlich als auch sprachlich zielorientiert handlungsfähig sind, erfüllen die Anforderungen und reüssieren im Studium und in ihren Berufen. (2) Die internationalen Hochschulprojekte sind heterogen, verfolgen unterschiedliche Ziele. Daher müssen die Sprachenkonzepte, die Modelle der Sprachvermittlung und die didaktisch-methodischen Konzepte lokal entworfen werden. (3) Das Sprachenkonzept ist die Grundlage der praktischen Sprachenausbildung: Die Richtlinien für die Sprach(en)ausbildung orientieren sich an deren Stellenwert und Funktion im Sprachenkonzept. Ist Deutsch (oder Englisch) die Sprache der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte, so muss vor und während der ersten Semester Deutsch (oder Englisch) auf entsprechend hohem Niveau produktiv und rezeptiv beherrscht werden. (4) Die Sprachenausbildung muss auf das wissenschaftliche und berufliche Handeln bezogen sein: Das Sprachenkonzept berücksichtigt nicht nur die „Beherrschung“ der im Studium erforderlichen Sprache(n); Sprache kann nicht losgelöst von den praktischen Anforderungen in Studium und Beruf erworben beziehungsweise vermittelt werden. Ziel der sprachlichen Ausbildung muss es sein, das an bestimmte Sprachen (meist Deutsch oder Englisch) gebundene Fachwissen in andere Sprachen zu transferieren und an Sprecherinnen und Sprecher zum Beispiel der Landessprache vermitteln zu können (Berufskompetenz). Die Verwendung der Sprachen und ihre Vermittlung ist daher immer handlungsbezogen. Das Sprachenkonzept muss auch die Lehrkräfte in den wissenschaftlichen Fächern und ihre Qualifikation für eine fremdsprachliche Vermittlung von Fachinhalten sowie die fachsprachlichen Grundlagen mitberücksichtigen. 6.3.5 Mögliche Modelle der Sprachvermittlung Aus der Kombination der genannten Faktoren, also den vorhandenen Fremdsprachenkompetenzen bei den Studenten und Studentinnen, den Sprachenkompetenzen der zur Verfügung stehenden Dozentinnen und Dozenten und den kulturpolitischen Aspekten ergeben sich folgende Modelle der Sprachvermittlung, die nach den örtlichen Bedingungen unterschiedlich ausgeformt sein können: <?page no="228"?> 228 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung (1) Unterrichtssprache (überwiegend) Deutsch; (2) Bilinguale Modelle-- Unterrichtssprachen Deutsch und Englisch mit mehreren Modellvarianten; (3) Unterrichtssprache überwiegend oder nur Englisch. Alle Modelle gehen von Konzepten der Mehrsprachigkeit aus und unterscheiden sich in der unterschiedlichen Gewichtung von Arbeits-, Lern-, Wissenschafts- und Umgebungssprache. Sie beziehen sich nur auf die Sprachenkompetenzen. Nur dort, wo zum besseren Verständnis der Modelle Aussagen zum Fachstudium notwendig sind, wird darauf Bezug genommen. Die Modelle und ihre Varianten werden im Folgenden vorgestellt, dabei beschränken wir uns auf die ersten beiden Modelle. Unterrichtssprache (überwiegend) Deutsch Die Entscheidung über die Unterrichtssprache gehört zu den schwierigsten, die zu Beginn von den Trägern der internationalen Hochschulprojekte zu treffen sind. Nicht selten wird Englisch gewählt. Meist in der Annahme, ein Studienangebot in dieser Sprache mache das Hochschulprojekt auf dem Feld der Transnationalen Bildung marktfähig und für die Absolventinnen und Absolventen besonders attraktiv. Wo es jedoch bereits englischsprachige Angebote gibt, kann die Wahl für Deutsch größere Vorteile bieten. Wo die Chance besteht, nach dem Studium eine Berufskarriere in deutschen Firmen zu starten und wo längere Studienabschnitte an Hochschulen in Deutschland absolviert oder Doppeldiplome angestrebt werden,-- überall da stünde eine intensive Förderung des Deutschen und die Wahl der Unterrichtssprache Deutsch im Vordergrund. Prominentestes Beispiel dürfte die Türkisch-Deutsche Universität sein, die sich mit ihrem Sprachenkonzept nicht nur deutlich von englischsprachigen Angeboten in der Region abhebt, sondern zugleich die besonderen Migrations- und Sprachenerfahrungen vieler Studenten und Studentinnen nutzt. Die folgende Grafik verdeutlicht, wie unterschiedlich ausgeprägte Sprachkompetenzen in der Erst- und gegebenenfalls Zweitsprache sowie in den Fremdsprachen aufgegriffen und zu einem Gesamtkonzept verbunden werden können. <?page no="229"?> 229 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen Abbildung 6.4: Ablauf der Sprachenausbildung im Modell Studiersprache Deutsch (Althaus, Kleppin, Roche unter Mitarbeit von anderen 2014: 18) Bilinguale Modelle - Unterrichtssprachen Deutsch und Englisch Bilinguale deutsch-englische Modelle sind in unterschiedlicher Ausprägung möglich. Eine Mischung der Unterrichtssprachen Deutsch und Englisch kann sich dabei als sinnvoll erweisen. ▶ In den meisten Ländern ist Englisch in der Schule erste Fremdsprache. Selbst wenn Deutsch vor dem Studium in der Schule oder auch in anderen Institutionen gelernt wurde, ist das Niveau meist deutlich niedriger. Dennoch ist vor allzu hohen Erwartungen an die Englischkenntnisse der Studenten und Studentinnen (und Lehrkräfte) zu warnen. Diese können individuell und je nach Bildungssystem sehr stark variieren. Meist liegen die rezeptiven Kenntnisse im marginalen, die produktiven im rudimentären Bereich. Insofern geht es hier meist auch um die Förderung und den Ausbau der Englischkompetenzen von Dozentinnen und Dozenten sowie von Studenten und Studentinnen. In der Regel sind die rezeptiven Kenntnisse dabei wichtiger als die produktiven. Auch hier kann mit Selbstlernprogrammen oder anderen mediengestützten Programmen gearbeitet werden. Für die systematische Vermittlung von Deutsch nach Englisch und Deutsch mit Englisch liegen derzeit nur wenige Programme vor. <?page no="230"?> 230 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung ▶ Die Akzeptanz, ein gesamtes Studium auf Deutsch im Heimatland zu absolvieren, ist niedrig. Dadurch lassen sich möglicherweise sehr fähige Studentinnen und Studenten abschrecken. ▶ Die Verwertbarkeit des Studiums im internationalen Kontext wird höher eingestuft für Studienabgänger, die im beruflichen und akademischen Kontext sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch kooperieren können. Solche Studienabgänger könnten eventuell auch im Interesse Deutschlands zwischen den (Fach)kulturen vermitteln. (1) Bilinguales oder trilinguales Modell von Beginn des Studiums an - eine flexible Lösung Dieses Modell könnte vor allem dort gewählt werden, wo deutschsprachige Studiengänge auf geringe Akzeptanz stoßen, wo hingegen bilinguale Studiengänge flexibel auf den Bedarf und entsprechende Berufschancen hin ausgelegt werden können. Das Studium findet-- möglichst integriert-- in beiden Fremdsprachen und in der Landessprache statt. Es kann sich um Parallelveranstaltungen handeln oder um Veranstaltungen, in denen gleichermaßen-- je nach Handlungsziel-- auf Englisch und Deutsch oder in der Landessprache kommuniziert wird. Das Modell zielt auf gleichermaßen hohe Kompetenzen in den Fremdsprachen Englisch und Deutsch. Die Studentinnen und Studenten studieren von Anfang an in beiden Sprachen, wenn auch für unterschiedliche Handlungsfelder und auf der Basis unterschiedlicher sprachlicher Kompetenzen. Das Modell setzt Kompetenzen für Deutsch insbesondere bei den für die Studierfähigkeit notwendigen rezeptiven Teilkompetenzen (Leseverstehen und Hörverstehen) auf dem Niveau B1 voraus. Bei den produktiven Teilkompetenzen (Schreiben, dialogisches und monologisches Sprechen) sollte von der Niveaustufe A2 ausgegangen werden. Dies kann zum Beispiel in Ländern erreicht werden, in denen Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache in der Schule gelernt wird, in denen die Studienanwärter und Studienanwärterinnen Sprachdiplomschulen des Auslandsschulwesens absolviert und die Stufenprüfung DSD I bereits abgelegt haben und in denen sie gleichwertige Prüfungen an Goethe-Instituten (A2 / B1) absolviert haben und Ähnliches. Für Englisch sollte das Eingangsniveau B2 gelten, damit von Anfang an im Fachunterricht je nach sprachlicher Komplexität des fachlichen Themas Englisch als Absicherung und „Ausgleichssprache“ genutzt werden kann. Studieneingangstests beziehungsweise die Vorlage entsprechender anerkannter Tests überprüfen das Eingangsniveau. Gegebenenfalls sind Lernangebote zu machen, die unterschiedliche Niveaus berücksichtigen (Binnendifferenzierung). Dies kann über zusätzlichen Unterricht, über individuelle Lernpläne und nicht zuletzt über ergänzende mediale Lernprogramme (zum Beispiel Deutsch Uni Online) erfolgen. Lerner, die bereits über das Einstiegsniveau hinausgehen, sollten ebenfalls individuell gefördert werden, entweder sprach- oder fachvertiefend. Somit wird man ihrem individuellen Bedarf gerecht, ohne die Anschlussfähigkeit an den Rest der Gruppe zu gefährden. Solche Fälle sind nicht selten anzutreffen, weil einige Exportprogramme in Regionen mit deutschstämmigem Anteil an der Bevölkerung (zum Beispiel Kasachstan) oder mit einem höheren Remigrantenpotenzial (zum Beispiel Kurdistan, Türkei) angesiedelt sind. Die Studentinnen und Studenten haben dann oft einen erweiterten Bedarf am Erwerb von (korrekten) schrift- <?page no="231"?> 231 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen und bildungssprachlichen Kompetenzen, während ihre mündlich-sprachlichen Kompetenzen sich oft an umgangssprachlichen, dialektal gefärbten Normen orientieren. Orientierungswerte zum Erreichen der Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens Das Erreichen einer bestimmten Kompetenzstufe ist von vielen Faktoren abhängig: Erfahrung im Erlernen von Fremdsprachen, Beherrschung der Erstsprache, Motivation, Qualität der Lehrkräfte, der Lernmaterialien und des Unterrichts, Distanz der Erstzur Fremdsprache … Es können daher keine exakten Stundenangaben (Unterrichtseinheiten in der Regel von 45 Minuten) gemacht werden. Zudem ist die Lerndauer für die Erreichung der jeweils nächsten GER -Stufe nicht gleich. Das Erreichen der Stufe A1 zum Beispiel erfordert wesentlich weniger Zeit als der Fortschritt von B1 zu B2. Eine Abschätzung der Lerndauer bis zum Erreichen der GER -Niveausrufen kann nach (unverbindlichen) Empfehlungen des Goethe-Instituts wie folgt aussehen: GER -Niveaustufe Unterrichtseinheiten C2 1.000-1.200 C1 800-1.000 B2 600-800 B1 350-650 A2 200-350 A1 80-200 Tabelle 6.5: Darstellung der Niveaustufen des GER und der korrespondierenden Unterrichtseinheiten (Althaus, Kleppin, Roche unter Mitarbeit von anderen 2014: 21) Zwei Szenarien sind möglich: (1) Ein dem Studium vorgeschaltetes Propädeutikum für die Studenten und Studentinnen, die noch keine Sprachkompetenzen im Deutschen haben (Junior Year, Foundation Year): Hierfür sind insgesamt circa 800-1.000 Stunden für den Erwerb einer Sprache bis zur Studienreife (B2 / C1) anzusetzen. In dieser Zeit muss (auch bei geringerer Stundenzahl) die Stufe B2 (Mittelstufe) bei den rezeptiven Teilkompetenzen, die für den akademischen Kontext von Bedeutung sind, erreicht werden. (2) Ein direkter Einstieg in das bilinguale Studium nach einem Diagnostiktest: Im Fachstudium werden von Anfang an deutschsprachige Phasen beziehungsweise Elemente in den Unterricht integriert. Dies können deutschsprachige Texte sein, die auf Englisch weiterverarbeitet werden. Zum Teil können auch komplexere Texte bearbeitet werden, die für den Fachkontext von Bedeutung sind, ohne dass alle Ein- <?page no="232"?> 232 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung zelheiten der Grammatik bekannt sind. Die entsprechenden Verfahren orientieren sich am bilingualen Sachfachunterricht, erfordern eine fokussierte Grundausbildung der Lehrkräfte, sind aber auch außerhalb des Sprachunterrichts einsetzbar. Bei beiden Szenarien gibt es während des Studiums begleitenden Deutschunterricht und ein Angebot virtueller Selbstlern- oder Blended Learning-Phasen. Die Studenten und Studentinnen absolvieren spätestens mit Ende des ersten Studienjahres den TestDaF, um ihre Kompetenzen nachzuweisen. Es empfiehlt sich festzulegen, welche Niveaustufen erreicht werden sollen. (2) Bilinguales Modell in der Endphase des Studiums - Lösung bei geringer Sprachkompetenz im Deutschen Dieses Modell könnte vor allem dort gewählt werden, wo Studenten und Studentinnen auf Englisch am Fachunterricht teilnehmen können (mindestens B2), wo eine Akzeptanz für deutschsprachige Studiengänge existiert, aber noch geringe Sprachkompetenzen im Deutschen vorhanden sind. Der Fachunterricht verläuft auf Englisch oder in der Landessprache und ab dem zweiten Studienjahr anwachsend auf Deutsch. Beim deutschsprachigen Fachunterricht stellen sich die Fachdozentinnen und -dozenten auf ein niedriges sprachliches Niveau im Deutschen ein. Das Modell zielt darauf, Studierfähigkeit auf Deutsch bis zum Ende des Studiums zu erreichen. Die Studentinnen und Studenten absolvieren ihr Studium vor allem auf Englisch; ab dem zweiten Studienjahr können sie auch an Veranstaltungen auf Deutsch teilnehmen, in denen sich die Dozentin beziehungsweise der Dozent auf ihre Sprachkompetenzen einstellt, indem er oder sie zum Beispiel langsam und sehr deutlich formuliert, vordringlich die Rezeptionskompetenzen fördert, komplexe Satzkonstruktionen vermeidet, visuelle Unterstützungen anbietet und vieles mehr. Zulassungsvoraussetzung ist eine Sprachkompetenz im Englischen von mindestens B2 (Obere Mittelstufe). Für das Deutsche stellt sich dieses Modell flexibel auf die sprachlichen Eingangskompetenzen der Studenten und Studentinnen ein. Wünschenswert wäre es, wenn Dozentinnen und Dozenten auf Englisch und Deutsch im akademischen Kontext handlungsfähig sind. Notwendig ist es, dass sich Dozentinnen und Dozenten in den ersten Studienjahren auf die noch niedrigen sprachlichen Kompetenzen im Deutschen einstellen können. Eventuell müssen sie hierfür gesondert geschult werden. Zwei Szenarien sind möglich: (1) Ein dem Studium vorgeschaltetes Propädeutikum für die Studenten und Studentinnen, die noch keine Sprachkompetenzen in Deutsch haben (siehe früher). (2) Das Fachstudium wird in der Regel auf Englisch absolviert und kann im letzten Studienjahr auf Kompetenzen im Deutschen zurückgreifen, die je nach Bedarf und Fach nutzbar gemacht werden können (zum Beispiel Kontakte zu Hochschulen in Deutschland, Lesen von Fachliteratur und Ähnliches). Ein begleitender Deutsch- <?page no="233"?> 233 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen unterricht läuft nach einer Einstufung in entsprechende Niveaus parallel ab. Der Anteil ist anfangs noch hoch (> 8 Stunden pro Woche) und kann im Verlauf auf 2 Stunden pro Woche reduziert werden. Je nach Bedarf kann das Studium zum Beispiel auf fünf Jahre gestreckt werden. Der studienbegleitende Präsenz-Deutschunterricht sowie virtuelle Phasen beziehen sich insbesondere auf den Bedarf im Studium und richten sich so weit wie möglich am Fachunterricht aus. Über den Einsatz von virtuellen Lehrangeboten kann fächerdifferenzierend gearbeitet werden (Technikdeutsch, Medizindeutsch, Juradeutsch, Politikdeutsch, Biodeutsch und andere Fachsprachen). Der Präsenzunterricht fokussiert einerseits auf strategische Kompetenzen, die das eigenständige Weiterlernen anstoßen. Andererseits wird vor allem fächerübergreifend anhand von allgemeinen akademisch relevanten Texten gearbeitet. Bis zum Ende des Studiums (aber besser noch vor Beginn des Deutschlandaufenthaltes) sollte der TestDaF auf der Niveaustufe TDN 4 für die rezeptiven Teilkompetenzen und Niveaustufe TDN 3 für die produktiven Teilkompetenzen bestanden werden. Darüber hinaus ist eine Aufbereitung fachlicher Inhalte für einen fachbezogenen Sprachunterricht anzuraten, in dem vor allem Vorlesungen und Unterrichtsmaterialien vorentlastet und bearbeitet werden. (3) Abstufungsmodell - Erhöht die fachlich-kulturelle Bindung an Deutschland Dieses Modell könnte vor allem dort gewählt werden, wo Studenten und Studentinnen in der Regel kaum auf Kompetenzen im Deutschen zurückgreifen, aber auf Englisch am Fachunterricht teilnehmen können (mindestens B2). Es bietet sich dort an, wo zwar eine sehr geringe Akzeptanz oder Notwendigkeit für deutschsprachige Studiengänge existiert, wo jedoch eine hohe Akzeptanz für deutsche Universitäten, deutsche Forschung und deutsche Studiengänge besteht. Der Unterricht erfolgt weitgehend auf Englisch oder zum Teil auch in der Ausgangssprache der Studentinnen und Studenten. Deutsch soll als Sprache hinzukommen, um eine fachlich-kulturelle Bindung an Deutschland zu ermöglichen. Das Modell zielt darauf ab, Alltagssituationen im akademischen Kontext auf Deutsch bewältigen zu können; es geht hier nicht um Studierfähigkeit auf Deutsch, vielmehr um Deutsch als Sympathie- und Begegnungssprache. Zulassungsvoraussetzung ist eine Sprachkompetenz im Englischen von mindestens B2. Für das Deutsche wird in der Regel ein Unterricht für Anfängerinnen und Anfänger angeboten oder eine Einstufung für diejenigen vorgenommen, die Vorkenntnisse haben. Es ist kein Propädeutikum geplant. Die Fachdozentinnen und -dozenten brauchen in der Regel vor allem hohe Sprachkompetenzen im Englischen. Wünschenswert sind allerdings-- soweit es sich nicht um deutschsprachige Dozentinnen und Dozenten handelt-- auch für Deutsch möglichst Kompetenzen auf dem Niveau B1. Dies kann einen motivierenden Charakter für die Studenten und Studentinnen haben. Studiert wird vor allem auf Englisch. Damit setzt das Fachstudium mit dem ersten Jahr ein. Es wird durch einen begleitenden Deutschunterricht möglicherweise gestreckt, der <?page no="234"?> 234 6. Qualitätsmanagement und Unterrichtsführung unabhängig vom Fachstudium stattfindet, sich aber dennoch auch im Anfangsstadium auf den akademischen Kontext bezieht. Ziel ist es, eine allgemeine Diskurskompetenz für die Alltagstauglichkeit im akademischen Kontext zu erreichen. Fachliteratur wird in der Regel nicht auf Deutsch gelesen, es sei denn, sie kann etwa auf dem Niveau B1 rezipiert werden, das als Zielkompetenz angestrebt wird. 6.3.6 Zusammenfassung ▶ Der Praxisleitfaden für deutsche Hochschulprojekte im Ausland (Althaus, Kleppin, Roche unter Mitarbeit von anderen 2014) kann als Orientierung für Sprachenkonzepte an Sprachzentren und in anderen Hochschulprojekten dienen. ▶ Es gibt eine Reihe von Aspekten, die bei Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung beachtet werden sollten, unter anderen zählen dazu: angemessene Honorierung der Lehrkräfte, Kombination von lokalen, mutter- und zielsprachlichen (internationalen) Festangestellten und Honorarlehrkräften, Einsatz von Praktikantinnen und Praktikanten und Sprachassistentinnen und Sprachassistenten unter Anleitung und Supervision erfahrener Lehrkräfte, gegebenenfalls Ausbildung eigener Lehrkräfte. ▶ Folgende Aspekte sollten bei der Konzeption von Sprachprogrammen berücksichtigt werden: (1) Bedeutung von Sprachkonzepten im Kontext der Studiengänge, (2) verschiedene Schwerpunkte in den Modellen von Sprachkonzepten, (3) Spezifizität und Reichweite der angestrebten Sprachkompetenzen, (4) Intensität und angestrebtes Niveau des Sprachenunterrichts, (5) Verhältnis von Fach- und Allgemeinsprachenunterricht, (6) Verfügbarkeit und Passgenauigkeit des Materials / der Medien, (7) Qualität und Verbindlichkeit von Sprachentests, (8) Institutionalisierung des Sprachprogrammes und Zwecke lokaler Curricula, (9) Qualifikation, Verfügbarkeit und Bezahlung des Lehrpersonals, (10) Rolle der Vorbereitung auf einen Deutschlandaufenthalt. ▶ Sprachenkonzepte müssen alle für die unterschiedlichen Kommunikationssituationen der Studentinnen und Studenten erforderlichen Sprachen bewusst und angemessen einbeziehen. ▶ Es gibt verschiedene Modelle der Sprachenvermittlung, die nach den örtlichen Bedingungen unterschiedlich ausgeformt sein können: (1) Unterrichtssprache (überwiegend) Deutsch, (2) Bilinguale Modelle - Unterrichtssprachen Deutsch und Englisch mit mehreren Modellvarianten, (3) Unterrichtssprache überwiegend oder nur Englisch. 6.3.7 Aufgabe zur Wissenskontrolle 1. Welches sind die 10 wichtigsten Thesen und Empfehlungen für internationale Sprachenprogramme? <?page no="235"?> 235 6.3 Qualitätsmanagement im Sprachunterricht an Hochschulen 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit einem Qualitätsmanagementverfahren für den modernen DaF-Unterricht, das im Kontext eines 2007 an deutsch-ungarischen Schulen durchgeführten Projektes entwickelt wurde. Alle Lerneinheiten dieses Kapitels orientieren sich am Bericht der deutsch-ungarischen Expertenkommission, der die Durchführung, die Ergebnisse des Projekts und die sich daraus ergebenenden Empfehlungen zusammenfasst (Friss, Nuding, Wegmann, Buhren, Seiler, Lenz, Knab, Mendly, Kállai, Balogh, Roche, Haisch, Uesseler, Einhorn & Englender 2007). Die erste Lerneinheit gibt einen Gesamtüberblick. Sie lernen Instrumente und Techniken von Qualitätsverfahren, der Qualitätssicherung und der Datenerhebung zur Evaluation Ihres Unterrichts kennen. Außerdem werden Sie sich damit auseinandersetzen, wie Sie die Evaluationsergebnisse für die Verbesserung Ihrer Unterrichtsqualität nutzen können. Die Lerneinheiten 7.2 und 7.3 vertiefen und konkretisieren den allgemeinen Überblick aus Lerneinheit 7.1 und sind auf die praktische Anwendung ausgerichtet. Die Aufgaben in diesen Lerneinheiten sind also im besten Falle auf Ihre eigene Unterrichtspraxis ausgelegt. In Lerneinheit 7.2 wird Ihnen ein Qualitätsrahmen für innovative und offene Unterrichtsgestaltung präsentiert. Es werden Ihnen praktische Instrumente an die Hand gegeben, mit denen Sie Ihren DaF-Unterricht an Lehrstandards im Sinne autonomer und konstruktivistischer Verfahren anpassen können und somit handlungsorientiertes und kreatives Lernen ermöglichen können. Die letzte Lerneinheit dieses Kapitels dient dazu, Sie mit einem Hospitationsbogen und dessen (gegenseitigem) Einsatz im Team und unter anderem mit der Arbeit mit Lernportfolios vertraut zu machen. Sie lernen den Umgang mit abweichenden Ergebnissen, die sich aus der Datenerhebung mit unterschiedlichen Instrumenten ergeben können, kennen. Außerdem präsentieren wir Ihnen einen Leitfaden für den Umgang mit den verschiedenen Instrumenten. Zuletzt zeigen wir Wege der Optimierung der Schulmanagement-Qualitätsprozesse im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Umsetzungshilfen für ein nachhaltiges Qualitätsmanagement auf. <?page no="236"?> 236 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung Ágnes Einhorn & Karl Dieter Uesseler Der Unterricht bildet den Kernbereich des schulischen Alltags: Die wichtigsten „Klientinnen und Klienten“ der Lehrkraft sind die Schülerinnen und Schüler. Häufig stellen sich Lehrkräfte eine Reihe von Fragen. Wie kann man Schüler und Schülerinnen in Prozesse der Erzeugung und Evaluation von Unterrichtsqualität einbinden und Interesse dafür schaffen? Welche Rolle spielt das Feedback bei der Verbesserung von Unterricht? Wie werden Qualitätsmaßnahmen in den Unterricht einbezogen und deren Wirkung kontrolliert und damit evaluiert? In diesem Kapitel bekommen Sie Anregungen dazu, wie Qualitätssicherung in der Praxis verwirklicht werden kann, indem wir Ergebnisse und Produkte eines konkreten Projektes bearbeiten, das 2007 an ungarischen Sekundarschulen stattgefunden hat. Sie werden erfahren, wie wichtig Offenheit und Vertrauen in diesem Prozess sind. Viele Lehrpersonen sehen sich immer noch als Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen. Der Qualitätsgedanke muss aber auf die Kooperation der Fachlehrkräfte untereinander sowie auf die Zusammenarbeit der Fachgruppen mit der Schulleitung bauen können. Nur so entsteht auf der Schulebene ein Qualitätsbewusstsein. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Instrumente und Techniken der Qualitätsverfahren auf Ihre konkrete Unterrichtssituation anwenden können; ▶ Daten Ihres Unterrichts erheben und mit Daten aus unterschiedlichen Quellen abgleichen können; ▶ einzelne Phasen der Evaluation beschreiben können und diese gewinnbringend auf die Entwicklung und Verbesserung von Unterrichtsqualität anwenden können; ▶ sich dessen bewusst sind, dass es für ein funktionierendes System der schulischen Qualitätssicherung der Kooperation mit den Fachkollegen beziehungsweise Fachkolleginnen und der Schulleitung bedarf. 7.1.1 Rahmenbedingungen Das Unterrichten einer Fremdsprache ist eine hochkomplexe Aufgabe. Wäre dem nicht so, könnte die Lehrkraft den Unterrichtsverlauf mit klaren Handlungsanweisungen, sprich den richtigen „Rezepten“ bewältigen. Lehrpersonen handeln jedoch als Teil eines komplexen sozialen Systems innerhalb eines institutionellen Rahmens. Dieses soziale System ist nur in gewissen Grenzen durchsichtig, und das Verhalten von Aktanten und Aktantinnen ist oft nicht vorhersehbar. Deswegen ist es keinesfalls zu beherrschen, sondern allenfalls zu beeinflussen. Seitdem die Lerner in den Mittelpunkt des Unterrichts rücken, nimmt die Komplexität nur noch weiter zu. Die Erwartungen, die von der Gesellschaft an die Schule herangetragen werden, sind immens. Kein Wunder: Was in der Schule geschieht, mit welchen Kompetenzen <?page no="237"?> 237 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung diese ihre Schüler und Schülerinnen in die weitere akademische oder berufliche Laufbahn entlässt, beeinflusst in hohem Maße die Zukunft des Individuums und der Gesellschaft. Früher oder später kommt jede Lehrkraft an den Punkt, an dem die Routine nicht mehr befriedigt oder die erwünschten Effekte erzielt. Man beginnt sich nachdrücklicher zu fragen, worin erfolgreiche pädagogische Arbeit besteht und unter welchen Bedingungen sie möglich oder unmöglich ist. Ein diffuser Veränderungsdrang meldet sich. Unzufriedenheit allein aber reicht nicht als Anstoß zum Handeln-- denn in jeder Institution tun sich Nischen auf, und der Alltag hält neben der Arbeit eine Fülle von Fluchtmöglichkeiten bereit. Eine stärkere Motivation ergibt sich daraus, dass eines der wichtigsten Elemente unseres Selbstbildes jedoch unsere eigene Professionalität ist. Jeder Mensch möchte seine Arbeit zur eigenen Zufriedenheit gut machen. Neben der finanziellen Vergütung leben wir von der Anerkennung der Umwelt, das heißt von der Anerkennung der Vorgesetzten, der Kollegen und Kolleginnen sowie der „Klienten“ und „Klientinnen“. 7.1.2 Qualitätskriterien und Indikatoren Was verstehe man unter Qualität? Qualität ist ein Versprechen. Im übertragenen Sinne verspricht der Anbieter einer Ware dem potenziellen Klienten eine bestimmte Qualität. Dafür gibt es Kriterien: Ein bestimmter Pullover zum Beispiel enthält nur Baumwollfasern, die aus biologischem Anbau stammen. Die Fasern sind mit chemischen Stoffen behandelt, die nachweislich keine dermatologischen Schäden hervorrufen. Der Pullover ist fair gehandelt worden (fair trade). Für diese Aussagen stehen Gütesiegel. Die Aussagen sind also überprüfbar, weil sie Indikatoren, das heißt messbare Angaben enthalten. Ein Qualitätskriterium ist also eine Aussage oder ein Versprechen. Erst durch verifizierbare Indikatoren wird etwas überprüfbar. Die Aussage kann sich, dem eben erwähnten Beispiel folgend, auf den Inhalt eines Produkts oder auf den Prozess seiner Herstellung beziehen. Qualität kann ebenso in Bezug auf Pädagogik generiert und evaluiert werden. Qualitätskriterien in der Pädagogik spiegeln immer klare Vorstellungen darüber wider, was eigentlich guter Unterricht ist oder sein sollte. Die Konzeptionierung von Qualitätskriterien, also der Vorgang selbst, kann bereits die Schulqualität verbessern, da er eine intensive Zusammenarbeit und einen regen Austausch unter Lehrkräften voraussetzt. Qualitätskriterien beinhalten klare Formulierungen darüber, wie Lehrkräfte ihre Aufgaben und Rollen im Lernprozess interpretieren sollen. Kriterien müssen aber auch ihr Klientel im Auge behalten, also welche spezifischen Probleme, Aufgabenbereiche und Zielsetzungen für die jeweilige Schule relevant sind. Es ist kein Zufall, dass Schulentwicklungsprojekte fast immer damit anfangen, dass Lehrkräfte sich darüber austauschen, wie sie sich einen guten Unterricht vorstellen. Von diesen gemeinsamen Vorstellungen kann man Qualitätskriterien ableiten, die der Ausgangspunkt für den Entwicklungsprozess sein können. Bei dieser Konsensfindung müssen Fragen, die die Lernerorientiertheit, Autonomie, Aktivität, Bewertungskultur etc. betreffen, diskutiert und ausgehandelt werden. Nach den neuesten Forschungsergebnissen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD ) kann man sieben Kernbereiche nennen, welche für eine <?page no="238"?> 238 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag gute Lernumgebung und damit bessere Ausgangsbedingungen für Schülerinnen und Schüler charakteristisch sind (vergleiche Conner & Sliwka 2014; OECD 2010): (1) Die Lehrkraft verwendet schüleraktivierende Methoden und verstärkt die Schüler- und Schülerinnenautonomie. (2) Während des Unterrichts besteht die Möglichkeit zum sozialen Lernen. Schülerinnen und Schüler erleben so kooperative Arbeitsformen. (3) Lehrkräfte nehmen die Rolle der Motivation und der Emotionen wahr. (4) Schüler und Schülerinnen werden differenziert gefördert. Lehrkräfte beachten Vorerfahrungen und mitgebrachte individuelle Kompetenzen der Schüler und Schülerinnen. (5) Das Lernen beansprucht viel Aufwand, der Schüler und Schülerinnen aber nicht überfordert. (6) Die Erwartungen von Lehrkräften sind transparent. Bewertungskriterien sind Teil dieses Erwartungshorizonts und bilden damit formative Rückmeldungen, die die weitere Entwicklung der Schüler und Schülerinnen unterstützen (vergleiche Kap. 5.1 im selben Band). (7) Die inhaltlichen Zusammenhänge werden transparent gemacht: Die Schule öffnet sich der realen Umgebung und vernetzt sich mit außerschulischen Lebens- und Wissensbereichen. Diese allgemeinen Kriterien bilden einen übergreifenden Ausgangspunkt für qualitative Evaluation. Jedoch gibt es auch spezielle Kriterien für den Fremdsprachenunterricht. Diese orientieren sich an Curricula und nationalen Bildungsstandards. Viele von ihnen basieren jedoch auf der Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. In einem deutsch-ungarischen Projekt zur Qualitätssicherung des DaF-Unterrichts wurden zu den folgenden Themen Qualitätskriterien gesammelt (Friss, Nuding, Wegmann, Buhren, Seiler, Lenz, Knab, Mendly, Kállai, Balogh, Roche, Haisch, Uesseler, Einhorn & Englender 2007: 86 ff): ▶ Handlungsorientierung und Lernerbezug; ▶ Spracherwerbsystematik; ▶ Interkulturelle Kompetenz; ▶ fachliches und pädagogisches Profil; ▶ kollegiales Feedback und Zusammenarbeit in der Fachgruppe. <?page no="239"?> 239 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung Exkurs: Projektbeschreibung In diesem Kapitel verwenden wir Materialien aus einem deutsch-ungarischen Projekt, das vom ungarischen Ministerium für Bildung und Kultur, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg und von der bundesdeutschen Zentralstelle für Auslandsschulwesen konzipiert wurde (Projektleitung: Péter Friss, Johannes Nuding, Heribert Wegmann). Ziel war die Ausarbeitung eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses und die Bereitstellung von Instrumenten des Qualitätsmanagements für Deutsche Auslandsschulen in Ungarn und DSD-Schulen, das heißt ungarische Schulen mit dem Deutschen Sprachdiplom. Daran arbeiteten in den Jahren 2005 bis 2007 zwei Expertenkommissionen: eine für modernes Schulleitungsmanagement (Claus Buhren, Helmut Seiler, Heinz Lenz, Elisabeth Knab, Lajos Mendly, Mária Kállai, Lászlóné Balogh) und eine für den modernen Fremdsprachenunterricht (Jörg Roche, Wolfgang Haisch, Dieter Uesseler, Ágnes Einhorn, Ibolya Englender). Eingriffe in das Bildungssystem berühren die staatliche Souveränität. Beide Kommissionen waren deshalb sowohl mit deutschen wie auch mit ungarischen Experten besetzt, die unterschiedliche Fachkompetenzen einbrachten. Ein Qualitätsrahmen, und damit eine umfangreiche Kriteriensammlung für guten Fremdsprachenunterricht, enthält auch Angaben zu den Instrumenten, anhand derer überprüft werden kann, inwieweit die Kriterien erfüllt worden sind. Diese Angaben stellen die Indikatoren des Qualitätsverfahrens dar. Das Festlegen und Zusammenstellen derartiger Indikatoren ist ein Prozess, der von kulturspezifischen Wertvorstellungen in Hinsicht auf pädagogische Qualität und guten Unterricht geprägt ist. Eine weit verbreitete Vorstellung über Schulqualität ist, dass man vor allem die Schüler- und Schülerinnenleistungen als wichtigste Indikatoren betrachten sollte. Diese Auffassung klammert aber andere wichtige Aspekte aus: Zu ihnen zählen Lernfortschritte der Schüler und Schülerinnen, Zufriedenheit der Schüler und Schülerinnen oder der Eltern, Entwicklungsmöglichkeiten der Lehrkräfte, Kooperation bei der Lösung von pädagogischen Problemen (Kooperation der Lehrkräfte untereinander und zwischen Lehrkräften und Eltern). Selbst der Gedanke, dass man im Zusammenhang mit dem Schulwesen von Kunden und Kundinnen beziehungsweise Klienten und Klientinnen spricht, wird oft diskutiert. Die aus der Betriebswirtschaft entlehnten Begriffe wie zum Beispiel Produktqualität oder Kundenzufriedenheit erscheinen vordergründig als modische Rhetorik beziehungsweise als Ausdruck eines Denkens, das dem Auftrag des öffentlichen Bildungswesens fremd und der alltäglichen Erfahrung in der Unterrichtspraxis unangemessen ist. Bei näherem Hinsehen zeigen sich aber Chancen für den Gebrauch dieser Begriffe im Bereich der Qualitätssicherung im Fremdsprachenunterricht. Diese liegen erstens in einem systemischen Verständnis beziehungsweise einer ganzheitlichen Strategie, in der einzelne qualitätssichernde Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind. Die Chancen sind zweitens in den Freiräumen der Schulentwicklung begründet (vergleiche von der Handt 2007: 390). Ausgangspunkt aller Qualitätsbestrebungen sind dabei die Schüler und Schülerinnen. Diese sind jedoch nicht nur Kunden und Kundinnen, sondern zusammen mit den Lehrkräften Koproduzenten und Koproduzentinnen der Unterrichtsqualität (vergleiche Kempfert & Rolff 2002: 29). <?page no="240"?> 240 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Als Beispiel eines Kriterienkatalogs zeigen wir in Tabelle 7.1 einen Ausschnitt aus dem Qualitätsrahmen Deutsch als Fremdsprache des erwähnten Projekts (Friss et al. 2007: 91). In Lerneinheit 7.2 werden wir noch genauer auf den Qualitätsrahmen eingehen. Hier soll nur der generelle Aufbau verdeutlicht werden. Der unten dargestellte Ausschnitt gehört zu der Ausarbeitung des Begriffes „Fachliches und pädagogisches Profil“. In dieser Tabelle kann man gut nachvollziehen, wie zu den großen Themen Teilbereiche formuliert werden (Thema) und wie dazu die einzelnen Aussagen produziert werden (Kriterien). Es ist wichtig, dass die Überprüfbarkeit der Kriterien von Anfang an mitbedacht wird; in der Spalte „Quellen der Nachweisbarkeit“ stehen Dokumente und andere Quellen, mit deren Hilfe die Indikatoren überprüfbar sind. Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Professionalität, Selbstverständnis, Auffassung von der Lehrerrolle und vom Erziehungsauftrag Der Lehrer ist nicht nur Instruktor, sondern bietet auch Hilfe zur Selbsthilfe durch Lernarrangements an, die selbstständiges Lernen ermöglichen. Persönliches Q(ualitäts)-Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer verfügt über Konzepte und Methoden erzieherischen Handelns auf der Grundlage ethischer Prinzipien. (zum Beispiel Gerechtigkeit und Unvoreingenommenheit) Persönliches Q(ualitäts)-Portfolio, Selbsteinschätzung Er vermittelt in seinem Unterricht Werte und fördert interkulturelle Kompetenz. Persönliches Q(ualitäts)-Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer holt regelmäßig die Rückmeldungen seiner Schüler ein. Persönliches Q(ualitäts)-Portfolio, Selbsteinschätzung Motivationstechniken Der Lehrer gestaltet seinen Unterricht abwechslungsreich, interessant und altersgemäß. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er geht auch auf die Interessen der Schüler ein. Er kann sich in die Sicht- und Erlebensweise der Schüler hineinversetzen und dies für den Unterricht nutzbar machen. Er ermuntert seine Schüler zur Eigeninitiative und bietet entsprechenden Freiraum in seinem Unterricht. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er kann Schülern fördernde Rückmeldung geben und Selbstvertrauen vermitteln. Er kann Schülerleistungen würdigen und Fehlverhalten angemessen sanktionieren. Er fordert Arbeitsdisziplin und Fleiß von seinen Schülern ein. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Unterrichtsklima Der Lehrer kann eine positive und angenehme Lernatmosphäre schaffen. Er geht mit allen Schülern respektvoll um. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er tritt seinen Schülern auch als Mensch gegenüber und agiert, wenn nötig, als Vertrauensperson für seine Schüler. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Tabelle 7.1: Ausschnitt aus dem Qualitätsrahmen der deutsch-ungarischen Expertenkommission (Friss et al. 2007: 91) <?page no="241"?> 241 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung Spannend wird es, wenn man die Kriterien und die Indikatoren in der Praxis verwenden will. Man muss nämlich im Voraus festlegen, welche Minima man bei den Indikatoren akzeptiert, um das Kriterium als erfüllt zu betrachten. Diese quantitative Angabe stellt das sogenannte benchmarking dar, das heißt die Bestimmung der Schwelle, ab der die Lehrkraft das Qualitätskriterium als erreicht betrachtet. Professionell formulierte Qualitätskriterien beinhalten also auch einen Zufriedenheitswert. Auf jeden Fall ist diese Überlegung sehr wichtig: Wann ist ein Kriterium erfüllt, wann können wir mit der Qualität zufrieden sein und ab wann sollte man Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität ergreifen? Dies ist für Lehrpersonen nichts Unbekanntes. Bei der Bewertung von Lernerleistungen sind sie es gewohnt, solche Schwellenwerte zu formulieren: zum Beispiel müssen für ein „Sehr gut“ mehr als 90 % der erwarteten Leistung erbracht werden. Während das Zensurengeben zum Alltagsgeschäft gehört, ist eine Selbstevaluation von Lehrkräften schon seltener. Deshalb erscheint ein benchmarking hier eher willkürlich, während es sich bei der Schülerzensur auf allgemein anerkannte Standards beziehungsweise sogar auf Notendefinitionen stützen kann. Eine professionelle Lerngemeinschaft, zum Beispiel die Fachschaft Deutsch als Fremdsprache, kann durchaus auch selbst Standards in einem erweiterten Sinne setzen, indem sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse zum Beispiel der Spracherwerbsforschung oder auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen bezieht. 7.1.3 Qualitätsverfahren - Handlungsmöglichkeiten für einzelne Lehrer und Lehrerinnen Der einzelne Lehrer beziehungsweise die einzelne Lehrerin kann viele Daten sammeln, die Informationen über die Qualität ihrer Arbeit enthalten. Die Selbstevaluation der Lehrkraft wird verstanden als datengestützte Selbstbewertung. Daten sind zum Beispiel sowohl Testergebnisse der Lerner oder ihre Produktionen in den einzelnen Stunden (zum Beispiel Mindmaps, Bilder, Rollenspiele) als auch die schriftliche Stundenvor- und Stundennachbereitung der Lehrkraft. Bei einigen Kriterien sind auch die Schüler und Schülerinnen zu befragen. In anderen Fällen können Hospitationen von Kollegen und Kolleginnen die nötigen Daten liefern. Jedoch muss sich die Lehrkraft selbst evaluieren, ohne „dem blinden Fleck“ in der Selbstwahrnehmung zum Opfer zu fallen. Das Schlüsselwort für die Selbstevaluation heißt Triangulation. Unter Triangulation versteht man ein Verfahren, in dem Informationen und Wahrnehmungen aus unterschiedlichen Perspektiven verglichen und ausgewertet werden. Anspruch und Wirklichkeit beziehungsweise Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung weichen erfahrungsgemäß meistens voneinander ab-- das liegt in der Natur der Sache. Deshalb kommt an dieser Stelle die Triangulation zum Einsatz. Einen Eckpunkt des „Wahrnehmungsdreiecks“ bildet die Selbstreflexion der Lehrkraft. Dazu gehört der Unterricht, dessen Vor- und Nachbereitung, das Agieren in der Stunde selbst und auch das Agieren der Schülerinnen und Schüler und dessen Perzeption aus der eigenen subjektiven Perspektive der Lehrkraft. Um die Fokuspunkte möglichst vollständig zu erfassen, kann man auch einen vorformulierten Lehrerfragebogen verwenden. Weil es aber auch der Unterricht der Schüler und Schülerinnen ist (Koproduzenten und Koproduzentinnen! ), bildet deren Sicht auf den Unterricht den wichtigen zweiten Eckpunkt des <?page no="242"?> 242 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag „Wahrnehmungsdreiecks“. Die Selbstreflexion der Lehrkraft und die Meinungen der Schüler und Schülerinnen werden verglichen und aufeinander bezogen. Wird für die Erhebung der Schülerperspektive zusätzlich ein Fragebogen eingesetzt, so ist darauf zu achten, dass dessen Fokuspunkte einen Vergleich mit denen im Lehrerfragebogen ermöglichen. Dieser Vergleich kann als Ausgangspunkt für Gespräche über ähnliche oder unterschiedliche Sichtweisen auf den Unterricht herangezogen werden. Bei Problemen oder großen Unterschieden stützt man sich auf einen dritten Eckpunkt: Man lässt sich von einem Fachkollegen oder einer Fachkollegin während des Unterrichts beobachten. Das Auswertungsgespräch kann sehr informativ und hilfreich sein. Triangulation heißt also, dass man die Selbstreflexion mit den Reflexionen der Schüler und Schülerinnen und denen eines Kollegen oder einer Kollegin vergleicht. Im vorgestellten ungarisch-deutschen Projekt wurden Lehrer- und Schülerfragebögen sowie ein Hospitationsbogen im Sinne der Triangulation entwickelt, die in den beiden folgenden Lerneinheiten 7.2 und 7.3 detailliert vorgestellt werden. In der Qualitätsbestimmung spielt die kollegiale Hilfe eine äußerst wichtige Rolle. Kollegiale Hilfe bedeutet, dass die einzelne Lehrkraft gewisse Probleme wahrnimmt und einen Kollegen oder eine Kollegin in den Unterricht einlädt. Der hospitierende Kollege beziehungsweise die hospitierende Kollegin hilft bei der Problemlösung, indem er oder sie den Unterrichtsverlauf sehr fokussiert beobachtet und der Lehrkraft in einem Auswertungsgespräch mitteilt, was ihm oder ihr aufgefallen ist. Gemeinsam sucht man nach möglichen Lösungsansätzen. Es ist also wichtig, dass der Wunsch nach einer Hospitation von Seiten der beobachteten Lehrkraft kommt. Um diese Möglichkeiten wahrnehmen zu können, ist ein gutes Arbeitsklima nötig, das von Offenheit, Vertrauen, Kooperation und Ehrlichkeit der Lehrkräfte im Verhältnis untereinander bestimmt ist. In Situationen, in denen Lehrkräfte einander als Konkurrenten und Konkurrentinnen erleben, erscheint die kollegiale Hospitation als Mittel der Qualitätsbestimmung nicht angebracht und gleicht eher einer Kontrolle. Folgende einfache Problemfälle könnten auf Basis der Selbstreflexion dafür hergenommen werden, sich durch eine andere Lehrkraft und damit aus einer anderen Perspektive heraus evaluieren zu lassen: ▶ Mit der Klasse 10b ist das Arbeiten schwierig. Ich kann sie nicht motivieren, es ist nur schwer zu erreichen, dass sie miteinander kooperieren. ▶ Schüler A ist in meinen Stunden sehr undiszipliniert; ich kann ihn kaum zur Arbeit motivieren. ▶ Ich denke, ich sollte mehr Gruppenarbeit machen, aber ich bin mir unsicher, wie gut ich es mache. Weitere Beispiele für Probleme, bei denen ein Beobachter oder eine Beobachterin behilflich sein kann: ▶ Die Schüler denken, dass meine Erklärungen oft unverständlich sind. / Die Eltern haben in der Elternversammlung thematisiert, dass die Schüler meine Erklärungen nur schwer verstehen. <?page no="243"?> 243 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung ▶ Ich denke, dass ich sehr oft Rückmeldungen darüber gebe, wie gut die Schüler und Schülerinnen gearbeitet haben; aber sie meinen, dass sie wenig Feedback bekommen. ▶ Ich war mit dieser Gruppe sehr zufrieden; mich haben aber ihre schlechten Ergebnisse in der Abschlussarbeit wirklich überrascht. Zur effektiven Hospitation müssen klare Fokuspunkte gefunden werden, die möglicherweise schon in einer Zusammenarbeit der beiden betroffenen Lehrkräfte ausgearbeitet wurden. Es gibt unterschiedliche Vorlagen, die dabei helfen, fokussiert zu hospitieren (siehe dazu Ziebell & Schmidjell 2012). Im deutsch-ungarischen Projekt wurde, wie bereits erwähnt ein Hospitationsbogen ausgearbeitet (vergleiche für eine genauere Beschreibung Lerneinheit 7.3), der dabei behilflich sein kann, generelle Wahrnehmungen über die Stunde zu unterstützen (vergleiche Friss et al. 2007: 108-109). Darin sind folgende Kriterien zum Thema Unterrichtsplanungs- und Umsetzungskompetenz formuliert: ▶ Der Unterricht ist sorgfältig geplant und klar strukturiert. ▶ Die Lernziele sind klar, werden zielstrebig angegangen und auch erreicht. ▶ Die Planung orientiert sich erkennbar an den Vorgaben und berücksichtigt außerdem inhaltlich wie methodisch die Interessen der Schüler und Schülerinnen. ▶ Die Planung enthält, soweit möglich, binnendifferenzierende Elemente und berücksichtigt verschiedene Lernertypen. ▶ Wichtige didaktische Grundprinzipien werden berücksichtigt: anschaulich / klar / lernergerecht / vom Einfachen zum Schweren / vom Rezeptiven zum Produktiven und so weiter. ▶ Die Planung wird flexibel umgesetzt, auf die Belange der Schüler und Schülerinnen wird eingegangen. ▶ Die Aktivierung der Schüler und Schülerinnen gelingt gut, und es bleibt Raum für selbstständiges Arbeiten und Lernen. ▶ Die Motivierung der Schüler und Schülerinnen ist gegeben. Interesse wird geweckt und aufrechterhalten. Auch der Ablauf des Auswertungsgesprächs ist von hoher Bedeutung. Eine neutrale, aber auch konstruktiv unterstützende Auswertung sollte die Motivation für die Arbeit an der Qualität möglichst inspirieren. Es spielt in den Bestrebungen nach Qualität auf schulischer Ebene eine dominierende Rolle, inwieweit Lehrkräfte dazu gebracht werden können, dass sie die Türen der Klassenräume öffnen. Gegenseitige Hospitationen können den einzelnen Lehrkräften zeigen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind, dass sie Stärken und Schwächen haben, genauso wie alle anderen Lehrkräfte. Es kann aber auch zu einem besseren Arbeitsklima führen, wenn Lehrkräfte kooperativ an Problemen arbeiten. Im Schulbereich ist man oft noch hierarchisches Denken gewohnt. So wird Evaluation mit Kontrolle von oben und Rechenschaftslegung gegenüber der Schulaufsicht gleichgesetzt. Hier gilt es ein Umdenken zu fördern und das Potential der Evaluationen in den Mittelpunkt zu rücken. <?page no="244"?> 244 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.1.4 Wie kann Schulqualität verbessert werden? Bisher sind wir, was die Optimierung von Schulqualität betrifft, lediglich auf die Möglichkeiten der einzelnen Lehrkräfte eingegangen. Es ist aber wichtig, Qualitätsprobleme und die Evaluation derselben auch auf institutioneller Ebene zu betrachten. Was kann eine Schule tun, um die Schulqualität zu verbessern? Hier ist es sinnvoll, eine Unterscheidung zwischen Top-Down- und Bottom-Up-Prozessen vorzunehmen. Das erwähnte Misstrauen gegenüber der Evaluation finden wir vor allem bei den Top-Down-Prozessen, da Evaluation auch ein Führungsinstrument ist. Zu oft glauben Lehrkräfte erfahren zu haben, dass die von der Bildungsadministration durchgeführten Qualitätserhebungen und daraufhin initiierten Reformen nur wenig gebracht haben: Die zusätzliche Arbeitszeit hätte man viel lieber in die Verbesserung des eigenen Unterrichts gesteckt, lautet die gängige Redeweise. Aber ohne eine gewisse Selbstführung (Empowerment, vergleiche Edge 1994; Edge & Gick 1997; Hinweis bei Krumm 2007: 354) bleibt dies folgenlos. Und es gehört noch mehr dazu, damit die Qualitätsbemühungen des einzelnen Lehrers oder der einzelnen Lehrerin (im Hinblick auf den eigenen Unterricht) auf der Ebene der gesamten Schule wirksam werden (Bottom-up). In dem Projekt der Deutsch-Ungarischen Expertenkommissionen (Friss et al. 2007) wurden Materialien und Ideen dazu entwickelt, wie man auf schulischer Ebene, in einem offenen und demokratischen Verfahren, an der Qualität des Unterrichts arbeiten kann. In den bisherigen Ausführungen haben wir uns auf das Fremdsprachenlernen konzentriert; es ist aber sicherlich klargeworden, dass Projekte zur Qualitätssicherung natürlich auch über die Grenzen dieses Faches hinaus erweitert werden können. Der ideale Prozess zur Qualitätssicherung wäre der folgende (vergleiche Friss et al. 2007: 96): (1) Selbstevaluation der Lehrkräfte Ziel: den Ist-Zustand feststellen Methode: Lehr- und Schülerfragebogen ausfüllen lassen, Ergebnisse vergleichen Ergebnis: Ansprüche auf Weiterbildung und Unterstützung formulieren (2) Evaluation in der Fachgruppe Ziel: den Ist- und Soll-Zustand feststellen, Handlungsbedarf ermitteln Methode: gemeinsame Auswertung der Ergebnisse (Fragebögen, Hospitationen, Vergleichsarbeiten) Ergebnis: Fortbildungsbedarf feststellen, Möglichkeiten zur internen Unterstützung feststellen (Materialien erstellen, interne Fortbildungen organisieren), den Bedarf an externer Unterstützung feststellen (3) Gespräch mit der Schulleitung Ziel: Abstimmung, Bereitstellung von Ressourcen Methoden: Zielvereinbarungen treffen, Regelmäßige Überprüfung der Zielvereinbarungen (4) Externe Evaluation Vergleiche mit anderen Institutionen (Vergleichsarbeiten, Qualitätsportfolio der anderen Schule) <?page no="245"?> 245 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung Dieser Ablauf zeigt also einen Weg, wie die Arbeit zur Qualitätssicherung vor allem von unten bei den Lehrkräften angefangen wird. Natürlich gibt es dafür Voraussetzungen, wie beispielsweise eine demokratische Führung der Schule, die Offenheit für neue Erfahrungen sowie die Bereitschaft zur Kooperation und zum Vertrauen untereinander und zwischen den Ebenen beziehungsweise Interessengruppen. In vielen Fällen kann man auch feststellen, dass Schulentwicklungsprojekte von der Seite des Schulmanagements initiiert werden. Wenn aber Lehrerinnen und Lehrer keinen Bedarf sehen, bleibt ein solcher Impuls ohne Wirkung. Die Ursache dafür kann darin bestehen, dass die Lage unterschiedlich beurteilt wird. Deshalb ist es sinnvoll, die Lehrkräfte in die Bedarfsanalyse einzubeziehen. Sehr oft ist es zum Beispiel der Fall, dass sich der Kundenkreis der Schule verändert (zum Beispiel Schüler oder Schülerinnen mit einem schwierigen sozialen Hintergrund oder mit sprachlichen Problemen) und es stellt sich heraus, dass die alten Techniken und Methoden der Lehrkräfte nicht mehr zu den erwarteten Ergebnissen führen. Die Neugestaltung der pädagogischen Kultur fängt mit der Bearbeitung des Ist-Zustandes an und damit, dass man Zielvereinbarungen trifft. Evaluation ist also ein gutes Mittel zur Schulentwicklung, da die folgenden Aspekte fördernd wirken: ▶ Evaluation dient der Überprüfung von Unterrichts- und Erziehungszielen und trägt damit zur Professionalisierung des Lehrerhandelns bei. ▶ Evaluation dient der Entwicklung gemeinsamer Ziele und Normen und trägt deshalb zur Identitätsstiftung eines Lehrerkollegiums bei. ▶ Evaluation dient der Anpassung von Schule an gesellschaftliche Anforderungen und Veränderungen und trägt deshalb zur Modernisierung von Bildung und Erziehung bei. ▶ Evaluation dient der Beteiligung aller an Schule und Unterricht partizipierenden Gruppen und trägt damit zur Demokratisierung von Schule bei. (Arbeitsgruppe SchuB-Q 2002: 262) Berücksichtigt man alles, was bisher über die Qualitätssicherung gesagt wurde, mündet die Evaluation in die Planung von Maßnahmen, die einen möglichen Negativbefund verbessern sollen. Nachdem die Maßnahmen zur Qualitätssteigerung nach einer abgeschlossenen Evaluation umgesetzt sind, sollte der Fokusbereich nach einer gewissen Zeit erneut evaluiert werden, um den Erfolg der Maßnahmen zu messen. Diesen fortwährenden Prozess nennt man auch den Zielkreislauf der Evaluation. In der Praxis ist es nicht einfach, die einzelnen Phasen des Zielkreislaufs aus Abbildung 7.1 sauber voneinander zu trennen. Insbesondere die Phasen 3, 4 und 5 stellen sich als schwierig dar. Manchmal ist es aber schon nicht leicht, den Fokus der Evaluation zu bestimmen. <?page no="246"?> 246 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Abbildung 7.1: Zielkreislauf / Prozessmodell (Rolff 2009: 5; vergleiche Kempfert & Rolff 2002: 96) Experiment Ein Beispiel: Im Unterricht gibt es immer wieder Ärger mit den Smartphones der Schülerinnen und Schüler. Laut Schulordnung ist es eigentlich verboten, Smartphones während der Unterrichtszeit zu benutzen. Will eine Lehrkraft einem Schüler oder einer Schülerin die Nutzung verbieten oder das Gerät sogar einziehen, wird ihm gesagt: „Die Frau X, der Herr Y erlaubt das aber.“ Im Fremdsprachenunterricht beschweren sich die Schüler und Schülerinnen darüber, dass sie zu jeder Deutschstunde einen schweren Stapel Wörterbücher aus der Bibliothek „herbeischleppen“ müssten, dabei sei es doch so leicht, mit dem Smartphone ein Online-Wörterbuch zu benutzen. „Und jeder Schüler hat doch ein Smartphone.“ Die Schulordnung geht also irgendwie an der Wirklichkeit vorbei. Die Fachgruppe DaF beschließt, dieses Problem zu evaluieren. In der Besprechung gehen die Vorstellungen weit auseinander. Ein Kollege schlägt vor, den Fokus darauf zu legen, ob aus fachlicher Sicht der Ersatz von Printwörterbüchern durch Online-Wörterbücher zu rechtfertigen ist und die Schüler und Schülerinnen an diesem Prozess zu beteiligen. Eine Kollegin wendet ein, es solle zunächst im Kreis der Fachkollegen geklärt werden, welche Qualitätsleitsätze für Wörterbücher gelten sollen. Dazu könne man auf die Protokolle zurückgreifen, in denen die damalige Entscheidung für die Anschaffung des aktuell genutzten Printwörterbuchs begründet wird. Einwand: Die Relevanz der Gründe wird bezweifelt. Es war Geld da - die Gründe lassen sich dann leicht finden. Eine Kollegin mit Kontakten in die Welt der Schulbuchverlage will sich über Qualitätskriterien in den Fachredaktionen schlau machen. Eine weitere Kollegin will aus <?page no="247"?> 247 7.1 Maßnahmen der Qualitätssicherung Nachdem wir bereits über die Qualitätssicherung seitens des Lehrkörpers gesprochen haben (Bottom-Up), muss erwähnt werden, dass eine Evaluationskultur in der Schule auch maßgeblich von der Schulleitung abhängt und von dieser hergestellt und unterstützt werden muss (Top-Down). Pädagogische Führung ist Ausdruck eines Paradigmenwechsels in dieser Funktion. Man spricht daher oft von einer demokratischen Schulleitung. Auch hier folgen die Überlegungen dem Vorbild moderner Unternehmensführung. In der Wirtschaft hat sich der Abbau oder zumindest die Abflachung von Hierarchien als Alternative zu traditionellen vertikalen Organisationsstrukturen etabliert. Die Schulleitung fördert und stützt die Prozesse der kollegialen Schulentwicklung und sorgt für das Design der Evaluationskultur. Dabei fördert der Direktor beziehungsweise die Direktorin auch die professionelle Weiterentwicklung der Lehrkräfte durch Fortbildung. Ein modernes Verständnis von der Leitung einer Schule bedeutet, diese nicht nur als funktionierenden Verwaltungsapparat, sondern als „lernende Organisation“ zu begreifen. Allgemeingültige Rezepte können natürlich nicht gegeben werden, da alle Schulen andere Voraussetzungen haben. Erfahrungen zeigen aber, dass die Arbeit an der Schulqualität nur mit der direkten Beteiligung der Betroffenen vorstellbar ist. Sind die Lehrer und Lehrerinnen nämlich nicht von der Nützlichkeit der Maßnahmen überzeugt, werden sie diesbezügliche Aufgaben oft oberflächlich, sehr schnell und ohne Gedanken an die Nachhaltigkeit absolvieren. Es ist auch deshalb sehr wichtig, dass die Maßnahmen und die Auswertungsgespräche zukunftsorientiert ablaufen. Das Ziel der Qualitätsmaßnahmen ist nicht die Beurteilung der Lehrkräfte, sondern deren Unterstützung bei der Weiterentwicklung des schulischen Qualitätsmanagements. Unter anderem können beim Festlegen der Standards und beim benchmarking Interessenkonflikte auftreten. Eltern haben das Wohl ihrer Kinder im Auge. Das Lernen soll ihnen leichtfallen, Kinder sollen Erfolg haben und wesentliche Kompetenzen für ein erwachsenes, selbstbestimmtes Leben erwerben. Oft werden Vergleiche mit anderen Lehrpersonen oder anderen Schulen bemüht. Um die Auseinandersetzungen zu versachlichen, kann es hilfreich sein, sich bei befreundeten Schulen nach deren Erfahrungen mit Fokusevaluationen zu erkundigen und so die Qualitätssicherung auch über die eigene Institution hinaus zu verwirklichen. Ergebnissen der Spracherwerbsforschung ermitteln, welche Bedeutung dem Einsatz von Wörterbüchern im Fremdsprachenunterricht beigemessen wird. Endlich fragt jemand: „Wissen wir eigentlich genau darüber Bescheid, welche Dimension das Problem hat? Wir reden bisher doch nur über Einzelkonflikte. Bevor wir die Schulordnung ändern wollen, müssen wir doch genau wissen, in welchem Umfang tatsachlich Printbeziehungsweise Onlinewörterbücher im Fremdsprachenunterricht dieser Schule genutzt werden und welche persönlichen Einstellungen dazu beziehungsweise Erfahrungen damit vorhanden sind.“ (Phase 1) Führen Sie das Beispiel „Smartphones im Fremdsprachenunterricht“ für die Phasen 2 bis 5 modellhaft weiter! Erstellen Sie Fragebögen für die verschiedenen Gruppen (Kollegen beziehungsweise Kolleginnen, Eltern, Schülerinnen und Schüler)! <?page no="248"?> 248 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.1.5 Zusammenfassung ▶ Es ist schwierig, die Unterrichtsqualität zu verbessern, und es verwundert nicht, dass sich unter Lehrkräften Widerstände, ja auch Ängste gegen etwas Neues entwickeln. ▶ Dies hat den Grund, dass der Begriff der Schulentwicklung oft negativ besetzt ist, was durch Maßnahmen der Bildungsadministration und Schulaufsicht, die den wechselnden Vorgaben der Bildungspolitik manchmal allzu hektisch und unüberlegt folgen, zu erklären ist. ▶ Verfahren, mit denen Qualitätskriterien festgelegt werden und der Prozess, bei dem unterschiedliche Daten zur Unterrichtsqualität verglichen werden (Triangulation), unterstützen die Bewusstmachung und Sicherheit der Lehrkräfte. ▶ Auf schulischer Ebene braucht man Vertrauen und Kooperation, um Veränderungen zu erzielen. Es gibt aber auch klare Modelle dafür, in welchen Schritten Schulqualität verbessert werden kann. ▶ Die Bottom-Up-Prozesse, das heißt der geduldige Aufbau eines Qualitätsmanagements von unten, sind langwierig, können aber langfristig erfolgreich, qualitätssichernd und qualitätssteigernd sein. 7.1.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen Sie Beispiele für Indikatoren, die Unterrichtqualität veranschaulichen. Beachten Sie dabei besonders den Aspekt des lernerzentrierten, lerneraktivierenden und kompetenzfördernden Ansatzes. 2. Welche Rolle hat die Kooperation in Bezug auf die Schulqualität? Denken Sie dabei an unterschiedliche Teilnehmer (Schüler und Schülerinnen, Lehrkräfte, Schulleitung, Eltern). 3. Welche charakteristischen Schritte beinhaltet das Qualitätsverfahren auf der Ebene der einzelnen Lehrkräfte? <?page no="249"?> 249 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement Jörg Roche Wir haben bereits gesehen, dass allgemeine Entwicklungen im gesellschaftlichen Kontext, neue Arbeitsweisen in den Schulen, veränderte Interessen, Ziele und Bedürfnisse der Lehrkräfte und der Lerner sowie die Erkenntnisse pädagogischer und zweitbeziehungsweise fremdsprachendidaktischer Forschung Anstöße geben für eine Neuorientierung des Fremdsprachenunterrichts. In der vorangehenden Lerneinheit wurde bereits skizziert, welche Konsequenzen diese Entwicklungen auch für das Management des Unterrichts und guter Sprachprogramme hat. Ein innovatives Konzept setzt eine offene Unterrichtsgestaltung voraus, die auf die Lernerfahrungen und Perspektiven der Lerner eingeht und den Lernprozess in den Mittelpunkt stellt, und zwar im Sinne autonomer und konstruktivistischer Verfahren. Dazu bedarf es der Entwicklung von Lehrbeziehungsweise Unterrichtsstandards, die so konkret zu beschreiben sind, dass sie erfasst beziehungsweise evaluiert werden können. Der Sprachenerwerb wird von persönlichen Präferenzen der Lerner für Lernstrategien (Lernstile) und ihrem kulturspezifischen Vorwissen geprägt. Dies geschieht allerdings nicht (nur) auf Grund grammatischer Übertragungen (Interferenzen), sondern vielmehr durch umfangreiche und tiefgreifende Konzeptualisierungen der Welt durch den Lerner. Als Folge dessen ergibt sich für einen optimierten Fremdsprachenunterricht, dass er sich nicht ausschließlich auf die kommunikativen Empfehlungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens ( GER ) beschränken kann, sondern in Bezug auf Progressionen und die Berücksichtigung kulturspezifischen Vorwissens eine Umstrukturierung und Erweiterung erfahren muss. Durch Steuerungsmaßnahmen im Unterricht und adäquate Lernmaterialien, die über die Skalierungen des Referenzrahmens hinaus ein handlungsorientiertes und kreatives Lernen ermöglichen, lassen sich die natürlichen Erwerbsprozesse entscheidend fördern. Dafür sind differenzierte Diagnoseverfahren erforderlich. In dieser Lerneinheit stellen wir den dafür nötigen Qualitätsrahmen und praktische Instrumente für die Umsetzung vor. Autoren der zitierten Materialien sind: Jörg Roche, Wolfgang Haisch, Dieter Uesseler, Ágnes Einhorn, Ibolya Englender. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ den von der deutsch-ungarischen Expertenkommission erarbeiteten Qualitätsrahmen kennenlernen; ▶ Instrumente für die praktische Unterrichtsplanung, das Unterrichtsmanagement und die Qualitätskontrolle erhalten; ▶ die Instrumente für Ihre eigenen Unterrichtszwecke anpassen können. <?page no="250"?> 250 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.2.1 Der Qualitätsrahmen Grundlage eines jeden Qualitätsmanagements im Bereich der Sprachlehre ist ein Qualitätsrahmen, der den neuesten Stand der Spracherwerbsforschung und der Didaktik abbildet. Dies wird-- wie bereits in der einleitenden Lerneinheit erwähnt-- in dem hier zugrundeliegenden Projekt anhand von fünf Bereichen vorgenommen: ▶ Handlungsorientierung und Lernerbezug; ▶ Spracherwerbssystematik; ▶ Interkulturelle Kompetenz; ▶ fachliches und pädagogisches Profil; ▶ kollegiales Feedback und Zusammenarbeit in der Fachgruppe. (Friss, Nuding, Wegmann, Buhren, Seiler, Lenz, Knab, Mendly, Kállai, Balogh, Roche, Haisch, Uesseler, Einhorn & Englender 2007: 85). In den folgenden Tabellen (Friss et al. 2007: 86-95) sind für einen differenzierten und vollständigen Überblick die wichtigsten Kriterien der Unterrichtsqualität zusammengestellt. Diese müssen jedoch stets weiterentwickelt und auch an die Bedingungen des Unterrichts vor Ort angepasst werden. Denn nicht alle Kriterien sind mit allen Unterrichtsformaten und -zielen vereinbar. Grundlage für den hier genannten Qualitätsrahmen für Deutsch als Fremdsprache waren Lehrstandards, wie sie für die Ausbildung von Referendaren an Seminaren entwickelt wurden. Maßgeblich dabei waren insbesondere die im Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Stuttgart erarbeiteten Lehrstandards. Diese legen fest, welche Fertigkeiten ein junger Lehrer oder eine junge Lehrerin beherrschen muss, um guten und zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht erteilen zu können, der den im Referenzrahmen genannten Grundsätzen wie etwa Handlungsorientierung oder Lernerautonomie gerecht wird. Der Qualitätsrahmen verbindet innerhalb dieser Aspekte ein Thema mit Kriterien oder Grundanforderungen, deren Erfüllung im guten Fremdsprachenunterricht gewährleistet sein muss. Ergänzend nennt er Instrumente, mit deren Hilfe die Erreichung der Unterrichtsstandards überprüft werden kann. So konkretisiert sich zum Beispiel das Thema „Unterrichtskonzept“ in Form des Kriteriums „Berücksichtigung von Binnendifferenzierung bei der Planung“ und lässt sich dann später zum Beispiel in Form einer Lehrerbefragung überprüfen. Der Qualitätsrahmen dient natürlich auch als Grundlage für die Erstellung eines Selbstevaluationsbogens für Lehrerinnen und Lehrer sowie eines Schülerfragebogens, die den Unterricht aus der jeweiligen Perspektive erfassen. <?page no="251"?> 251 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement Qualitätsrahmen DaF Bereich 1: Handlungsorientierung und Lernerbezug Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Lernzielorientierung und Unterrichtsvorbereitung Die einzelnen Stunden in einer Sequenz haben einen erkennbaren Zusammenhang untereinander. Die Stundenvorbereitung wird regelmäßig schriftlich fixiert. Stoffverteilungspläne, schriftliche Stundenvorbereitungen Die Stundenvorbereitung enthält klar erkennbare Ziele (Grob- und Feinlernziele) und weist einen deutlichen Bezug zu den Lehrplanvorgaben auf. s. o. Methoden, Medien- und Materialieneinsatz sind auf die Lernziele und die Lerner abgestimmt. s. o. Unterrichtskonzept Die Abfolge von lehrergesteuerten Unterrichtsphasen (Instruktion) und lernerbezogenen Unterrichtsphasen (Konstruktion, autonomes Lernen) ist begründet. Lehrerbefragung Das Konzept berücksichtigt Binnendifferenzierung und individualisierte Lernkonzepte, um den Lernern angemessene Lernchancen zu bieten. s. o. Der langfristige Aufbau von Problemlösungsstrategien und eines Methodenrepertoires ermöglicht dem Lerner zunehmende Selbstständigkeit bei der Lösung komplexer Aufgaben. s. o. Das Unterrichtskonzept wird flexibel umgesetzt. Hospitationsbogen Fertigkeiten (Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben, Grammatik als Werkzeug) Die Fertigkeiten werden handlungsorientiert an authentischen Materialien bzw. in realistischen Situationen geübt (Szenarien, Fallstudien) und weiterentwickelt. Lehrerbefragung, Schülerbefragung Die Fertigkeiten werden im Kontext der Inhalte geübt. Die Grammatik ist nicht Selbstzweck, sondern hat Werkzeug-Funktion (Textanalyse, Ausbildung einer Sprachbewusstheit). Lehrerbefragung Die Vermittlung von Lernstrategien und Lerntechniken fördert die Lernerautonomie (entdeckendes Lernen). Umsetzungsvorschläge Unterrichtsmethoden Der Aufbau von Lernsequenzen in den Unterrichtseinheiten führt vom Rezeptiven zum Produktiven. Lehrerbefragung Der Medieneinsatz im Unterricht ist durchdacht und ökonomisch. Die Lernarrangements ermöglichen den Lernern den Aufbau einer Medienkompetenz. Umsetzungsvorschläge, Lehrerbefragung Der Unterricht fördert die sozialen Kompetenzen und die Teamfähigkeit der Lerner. Lehrerbefragung Das deutschsprachige Lernumfeld (z. B. deutschsprachige Wochenzeitungen, Goethe- Institut usw.) wird im Unterrichtskonzept berücksichtigt. Umsetzungsvorschläge Tabelle 7.2: Qualitätsrahmen DaF Bereich 1: Handlungsorientierung und Lernerbezug II (Friss et al. 2007: 87) <?page no="252"?> 252 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Qualitätsrahmen DaF Bereich 2: Spracherwerbssystematik Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Prozessorientierung, Lehrbarkeit und Lernbarkeit Die Progression richtet sich nach pragmatischen, lernpsychologischen und erwerbslinguistischen Aspekten aus. Unterrichtsbeobachtung, Stundenentwürfe, Lehrerbefragung Bei der Bestimmung der Ziele und der Inhalte des Unterrichts wird berücksichtigt, wie weit das Material lehrbar und lernbar ist. Lehrerbefragung Aufbau und Schritte in den Übungssequenzen berücksichtigen Ziele, Motivation und Vorkenntnisse der Zielgruppe. Stundenentwürfe, Lehrbücher, Lehrerbefragung Die sprachliche Progression wird pragmatisch bestimmt (Wichtigkeit oder Häufigkeit der Struktur im Sprachgebrauch). Die formalgrammatische Progression spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Fehlerkultur (Diagnose und Fehlerkorrektur) Fehler werden als notwendige Bestandteile des sprachlichen Entwicklungsprozesses betrachtet. Lehrerbefragungen, Schülerbefragungen, Unterrichtsbeobachtung Durch Behandlung der Fehler wird den Schülern verdeutlicht, welche Fortschritte sie gemacht haben. Lehrerbefragungen, Schülerbefragungen, Unterrichtsbeobachtung Leistungsfeststellung und Bewertung durch den Lehrer, Selbstevaluation der Lerner Bei der Leistungsfeststellung werden immer klare Ziele gesetzt. Inhalte und Methoden werden dementsprechend bestimmt. Lehrerbefragung, Schülerbefragungen Bei der Leistungsfeststellung werden die einzelnen Teilbereiche ausgewogen gemessen. Lehrerbefragung, Schülerbefragungen, Dokumentation Tabelle 7.3: Qualitätsrahmen DaF Bereich 2: Spracherwerbssystematik I (Friss et al. 2007: 88) Qualitätsrahmen DaF Bereich 2: Spracherwerbssystematik Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Leistungsfeststellung Die unterschiedliche Funktion von Prüfungstraining und Leistungsfeststellung wird berücksichtigt. Lehrerbefragung, Schülerbefragungen, Dokumentation und Bewertung durch den Lehrer, Selbstevaluation der Lerner Die Leistungsfeststellung hat nicht immer nur bewertenden Charakter. Die diagnostischen Lehrerbefragung, und die pädagogischen Schülerbefragung Funktionen werden auch berücksichtigt. <?page no="253"?> 253 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement Qualitätsrahmen DaF Bereich 2: Spracherwerbssystematik Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Im Unterrichtsprozess erscheinen Tätigkeiten / Handlungen, die den Sprachenportfolio, Lernenden dabei helfen, sich Unterrichtsbeobachtung Techniken der Selbstevaluation anzueignen. Mit der regelmäßigen Verwendung des Sprachenportfolios können Lernende ihren Fortschritt in Sprachenportfolio, den einzelnen Teilbereichen Schülerbefragungen feststellen und ihren Lernprozess zunehmend selbst planen und gestalten. Tabelle 7.4: Qualitätsrahmen DaF Bereich 2: Spracherwerbssystematik II (Friss et al. 2007: 89) Qualitätsrahmen DaF Bereich 3: Interkulturelle Kompetenz Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Ausrichtung am: Ungarischen Nationalen Kerncurriculum ( NAT ), Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ( GER ), Rahmenplan DSD der KMK , an der Prüfungsbeschreibung für das ungarische Abitur Der von der Fachkonferenz erstellte Lehrplan berücksichtigt die Vorgaben bzw. Anregungen von NAT , GER und DSD - Rahmenlehrplan DaF-Lehrplan der Schule Der Lehrplan berücksichtigt neben landeskundlichem Wissen auch Methodenkompetenz im Umgang mit dem Fremden (zum Beispiel Kommunikationsstrategien, Sensibilisierung für Unterschiedlichkeit, Konfliktlösungsstrategien usw.) DaF-Lehrplan der Schule Verstehensgespräche im Unterricht, Rollenspiele, längere schriftliche Arbeiten, Projektdokumentationen Landeskunde- und Literaturunterricht als Sprach- und Verstehenslehre Der Unterricht bietet reichhaltiges Material, das die Ankopplung an und Vermittlung zwischen unterschiedlichen Konzeptwelten (Weltsichten, „dritter Ort“) ermöglicht. Lehrbücher, Zusatzmaterialien Hospitationen, Kollegenfeedback, Textvielfalt Der Unterricht leitet dazu an, Stereotype und Autostereotype zu erkennen und zu hinterfragen Lehrbücher, Zusatzmaterialien Hospitationen, Kollegenfeedback <?page no="254"?> 254 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Qualitätsrahmen DaF Bereich 3: Interkulturelle Kompetenz Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Der Unterricht versetzt die Lerner in die Lage, sich selbst und Elemente der eigenen Kultur Fremden erklären zu können. Lehrbücher, Zusatzmaterialien Hospitationen, Kollegenfeedback Der Unterricht thematisiert Bedingungen des Gelingens und des Misslingens von Kommunikation (Meta-Ebene). Lehrerbefragung, Schülerbefragung Der Unterricht vermittelt verbale und nonverbale Strategien und Techniken, die Missverständnisse klären helfen. Lehrerbefragung, Schülerbefragung Prozessorientierung Außerunterrichtliche Maßnahmen dienen der interkulturellen Begegnung und werden im Unterricht sorgfältig vor- und nachbereitet. Befragung von Schülern, Lehrern, Schulleitung zu: Schulpartnerschaften, Klassenfahrten, Briefpartnerschaften, Tandemlernen) Tabelle 7.5: Qualitätsrahmen DaF Bereich 3: Interkulturelle Kompetenz (Friss et al. 2007: 90) Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Professionalität, Selbstverständnis, Auffassung von der Lehrerrolle und vom Erziehungsauftrag Der Lehrer ist nicht nur Instruktor, sondern bietet auch Hilfe zur Selbsthilfe durch Lernarrangements an, die selbstständiges Lernen ermöglichen. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer verfügt über Konzepte und Methoden erzieherischen Handelns auf der Grundlage ethischer Prinzipien (zum Beispiel Gerechtigkeit und Unvoreingenommenheit). Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Er vermittelt in seinem Unterricht Werte und fördert interkulturelle Kompetenz. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer holt regelmäßig die Rückmeldungen seiner Schüler ein. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Umgang mit den Vorgaben, aktive Mitgestaltung des Schulcurriculums, Fortbildung Der Lehrer kennt die relevanten Lehrpläne und Prüfungsanforderungen seines Faches, seine Inhalte und die damit verbundenen Konzepte wie Mehrsprachigkeit, Handlungsorientierung und interkulturelle Kompetenz. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer kennt wichtige Spracherwerbstheorien und ist mit neuen Erkenntnissen der Sprachlehr- und Lernforschung vertraut. Er erweitert so seine fachdidaktischen Kenntnisse und erprobt Neues im Unterricht. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Tabelle 7.6: Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil I (Friss et al. 2007: 91) <?page no="255"?> 255 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Er verfügt über fachspezifische Diagnose-, Förderungs- und Beurteilungsverfahren. Er kann unterschiedliche Lernbedürfnisse erkennen und Fördermöglichkeiten gezielt einsetzen, gegebenenfalls unter Heranziehung außerschulischer Hilfsmöglichkeiten. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Er beherrscht Methoden der Lernprozessanalyse und der Lernerfolgsdiagnose und kann unterschiedliche, auch alternative Formen der Leistungsmessung und - beurteilung einsetzen. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Zielsprache, Zielkultur Der Lehrer beherrscht die Zielsprache sicher, kann sie formal korrekt, flexibel und kommunikativ angemessen verwenden. Er verfügt über solide Grammatikkenntnisse, ein einschlägiges thematisch orientiertes Vokabular sowie einen reichen Erklärungs- und Vermittlungswortschatz. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer hat ein fundiertes Landeskundewissen insbesondere in den bildungsplanrelevanten Bereichen, er verfolgt wichtige aktuelle politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen des Ziellandes und erweitert so seine diesbezüglichen Kenntnisse laufend. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Der Lehrer kennt die wichtigste Literatur des Ziellandes und bildet sich literarisch weiter fort. Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Tabelle 7.7: Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil II (Friss et al. 2007: 92) Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Motivationstechniken Der Lehrer gestaltet seinen Unterricht abwechslungsreich, interessant und altersgemäß. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er geht auch auf die Interessen der Schüler ein. Er kann sich in die Sicht- und Erlebensweise der Schüler hineinversetzen und dies für den Unterricht nutzbar machen. Er ermuntert seine Schüler zur Eigeninitiative und bietet entsprechend Freiraum in seinem Unterricht. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er kann Schülern fördernde Rückmeldung geben und Selbstvertrauen vermitteln. Er kann Schülerleistungen würdigen und Fehlverhalten angemessen sanktionieren. Er fordert Arbeitsdisziplin und Fleiß von seinen Schülern ein. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Unterrichtsklima Der Lehrer kann eine positive und angenehme Lern- Atmosphäre schaffen. Er geht mit allen Schülern respektvoll um. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er tritt seinen Schülern auch als Mensch gegenüber und agiert, wenn nötig, als Vertrauensperson für seine Schüler. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Er nimmt seine Verantwortung für das Schulklima wahr und handelt entsprechend. Selbsteinschätzung und Schülerbefragung Tabelle 7.8: Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil III (Friss et al. 2007: 93) <?page no="256"?> 256 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Der Lehrer kooperiert auf Engagement für die Schule verschiedenen schulischen Persönliches Q(ualitäts)- und das Schulcurriculum Ebenen mit Eltern und Portfolio, Selbsteinschätzung außerschulischen Partnern. Der Lehrer nimmt aktiv am Persönliches Q(ualitäts)- Portfolio, Selbsteinschätzung Schulleben teil und gestaltet Prozesse der Unterrichts- und Schulentwicklung mit, indem er sich u. a. an der Erstellung des Schulcurriculums beteiligt. Tabelle 7.9: Qualitätsrahmen DaF Bereich 4: Fachliches und pädagogisches Profil IV (Friss et al. 2007: 94) Qualitätsrahmen DaF Bereich 5: Kollegiales Feedback und Zusammenarbeit in der Fachgruppe Thema Kriterien Quellen der Nachweisbarkeit Prozessorientierung Die Lehrer der Fachgruppe hospitieren regelmäßig im Unterricht der Kollegen. Die Rückmeldung orientiert sich an den hier vorgelegten Kriterien für den guten Fremdsprachenunterricht. Gegenseitige Hospitationen, Führen von Hospitationsprotokollen, anschließend Auswertungsgespräche (zwischen Lehrer und Lehrer sowie Lehrer und Fachgruppenleiter) Zusammenarbeit in der Fachgruppe (evtl. auch zwischen mehreren Schulen) Die Fachgruppe vereinbart im Rahmen der genannten Kriterien und des pädagogischen Programms der Schule gemeinsame fachliche Ziele und überprüft regelmäßig deren Umsetzung. Fachkonferenzprotokolle Die Fachgruppe trifft sich regelmäßig, um über Lehrwerke, Stoffverteilungspläne, Methoden, Anforderungen und Leistungsmessverfahren zu beraten und zu beschließen. Fachkonferenzprotokolle Lernergebnisse der Schüler(gruppen) werden in Abständen gemeinsam analysiert und verglichen. Lehrerbefragung Gemeinsame Entwicklung der Methodenkompetenz Die Mitglieder der Fachgruppe nehmen an unterschiedlichen Fortbildungen teil und präsentieren die erworbenen Kenntnisse in der Fachgruppe in so genannten „inneren” Fortbildungen. Übersichten über Fortbildungen Tabelle 7.10: Qualitätsrahmen DaF Bereich 5: Kollegiales Feedback und Zusammenarbeit in der Fachgruppe (Friss et al. 2007: 95) <?page no="257"?> 257 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement In einem nächsten Schritt müssen adäquate Instrumente gefunden werden, um die Kriterien zu überprüfen. Dafür stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Wahl. Diese wurden bereits in Lerneinheit 7.1 aufgeführt (vergleiche Friss et al. 2007: 96), sollen hier aber noch einmal kurz zurück ins Gedächtnis gerufen und stichpunktartig betrachtet werden. Im Anschluss daran wird gezeigt, wie sich der Qualitätsrahmen in einem Fragebogen für Lehrkräfte (Friss et al. 2007: 97-101) abbilden lässt. Natürlich muss auch er an die örtlichen Verhältnisse angepasst werden. Er ist ein Instrument für das eigenständige Evaluieren des eigenen oder gemeinsamen Unterrichts. Er ist nicht als externes Evaluationsinstrument konzipiert. 7.2.2 Die Evaluationsinstrumente und die Ebenen, auf denen sie eingesetzt werden können (1) Selbstevaluation Instrumente: Lehrerfragebogen-- Schülerfragebogen Verfahren: Die ausgefüllten Fragebögen miteinander vergleichen Zielsetzung: Den Ist-Zustand feststellen und die Selbsteinschätzung des Lehrers validieren, im Vergleich mit dem Qualitätsrahmen den persönlichen Qualifizierungsbedarf feststellen; Unterstützungsangebote: intern aus der Fachgruppe, extern durch schriftliche Erläuterungen und Workshops Dokumentation: Persönliches Fortbildungsportfolio führen (2) Evaluation in der Fachgruppe Instrumente: Lehrerfragebogen-- Schülerfragebogen, Hospitationsbogen, Qualitätsrahmen (Kriterienkatalog), interne Vergleichsarbeiten Verfahren: Gemeinsame Auswertung der Befragungen und internen Vergleichsarbeiten, Vergleich mit dem Qualitätsrahmen (Kriterienkatalog), gegenseitige Hospitationen und kollegiales Feedback Dokumentation: Qualitätsportfolio der Fachgruppe führen Die oben genannten internen Instrumente sollen helfen, Ist- und Soll-Zustände festzustellen und gegebenenfalls mit weiteren externen Daten zu kontrastieren (Triangulation), um damit Selbsteinschätzungen zu validieren. Zielsetzung: Ermittlung des Fortbildungsbedarfs, Materialerstellung und -austausch, Berichte von externen Fortbildungen Unterstützungsangebote einholen: Prozessbegleitung durch externe Berater (Näheres unter Empfehlung, Abschnitt B in Friss; Nuding; Wegmann; Buhren; Seiler; Lenz; Knab; Mendly; Kállai; Balogh; Roche; Haisch; Uesseler; Einhorn & Englender 2007: 118 ff und in Lerneinheit 7.3) (3) Gespräche mit der Schulleitung Zielsetzung: Abstimmung im Hinblick auf Schulprofil, Schulqualität, Bereitstellung von Ressourcen (Näheres unter Empfehlung, Abschnitt A in Friss et al. 2007: 67 ff) <?page no="258"?> 258 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag (4) Externe Evaluation Instrumente: Qualitätsportfolio der Schule, Hospitationsbögen, zentrale Vergleichsarbeiten (z. B. Modellsätze DSD I und II , auch DSD -A2-Prüfung) (vergleiche Friss et al. 2007: 96) In den folgenden zwei Unterkapiteln finden Sie nun zunächst den Lehrer- und anschließend den Schülerfragebogen. In Lerneinheit 7.3 beschäftigen wir uns dann mit dem Hospitationsbogen. Der Lehrerfragebogen SCHULENTWICKLUNG IM RAHMEN DES DEUTSCH-UNGARISCHEN PROJEKTES ZUR FÖRDERUNG DER UNTERRICHTSQUALITÄT UND DER KOLLEGIALEN ZUSAMMENARBEIT IN DEN FACHBEREICHEN „DEUTSCH“ UND „DEUTSCHSPRACHIGER FACHUNTERRICHT“ 1.1 Fragebogen für Lehrer / innen SELBSTEINSCHÄTZUNG DER LEHRPERSON Hinweise der PQM -Gruppe Betrachten Sie diesen Fragebogen als eine Hilfe für Ihre eigene Arbeit. Er setzt die Kriterien für guten Fremdsprachenunterricht in ein konkretes Checklisten-Format um. Sie können daraus konkrete Schritte ableiten: für von Ihnen selbst eingeleitete und durchgeführte Maßnahmen für mit Ihren Kollegen abgestimmte und durchgeführte Maßnahmen für die Identifikation des Fortbildungs- und Ressourcenbedarfs an Ihrer Schule und Maßnahmen der Schulverwaltung Für den deutschsprachigen Fachunterricht ( DFU ) sind naheliegenderweise nur die Kriterien des Fragebogens relevant, die sich auf Unterricht allgemein beziehen. Dies sind folgende Fragen im Lehrerfragebogen: 1-2-3-4-5-6-7-11-13--15-16-18 und 23-40. 1. Name und Ort der Schule: 2. Lehrerin: ⬜ Lehrer: ⬜ 3. Funktion (Mehrfachnennung möglich): ⬜ Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache (DaF) ⬜ Lehrkraft für deutschsprachigen Fachunterricht ( DFU ) ⬜ Fachgruppenleiter / in ⬜ Gastlehrer / in aus Deutschland Tabelle 7.11: Erfassung allgemeiner Informationen im Lehrerfragebogen (Friss et al. 2007: 97) <?page no="259"?> 259 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement A. Fachkompetenz trifft voll zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu 1 Die sprachlichen Anforderungen des einsprachigen Unterrichts stellen für mich überhaupt kein Problem dar. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 2 Ich setze den Lehrplan in meinem Unterricht um. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 3 Ich informiere meine Schüler über die Unterrichts- und Stundenziele. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 4 Ich reflektiere meinen Unterricht regelmäßig. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 5 Mein Unterricht ist alters- und lernergerecht. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 6 Bei der Planung berücksichtige ich, dass das Sprachmaterial weder übernoch unterfordert. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 7 Mein Unterricht ist durch ein umfangreiches Methodenrepertoire geprägt. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 8 In meinem Unterricht werden die Fertigkeiten handlungsorientiert an authentischen Materialien in realistischen Situationen eingeübt. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 9 In meinem Unterricht ist die Grammatik nicht Selbstzweck, sondern Werkzeug. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 10 Ich gebe meinen Schülern vielfältige Anregungen, ihren Wortschatz systematisch zu erweitern, zu differenzieren und zu festigen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 11 Ich baue die Methodenkompetenz (zum Beispiel Lesetechniken) der Schüler systematisch aus und vermittle ihnen Lernstrategien. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 12 Für meinen Unterricht gilt das Prinzip: von der Sprachrezeption zur Sprachproduktion. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 13 Mein Unterricht fördert die sozialen Kompetenzen und die Teamfähigkeit der Schüler. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 14 In meinem Unterricht behandle ich Situationen des Gelingens und Misslingens von Kommunikation. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 15 Schüler dürfen Fehler machen. Ich nutze die Fehler, um ihnen Lernhilfen zu geben. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 16 Methoden und Kriterien der Beurteilung sind den Schülern transparent. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ Tabelle 7.12: Lehrerfragebogen Teil A Fachkompetenz Frage 1-16 (Friss et al. 2007: 98) <?page no="260"?> 260 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag A. Fachkompetenz trifft voll zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu 17 In meinem Unterricht ist Prüfungstraining nicht vorrangiges Ziel, sondern die Förderung der sprachlichen Kompetenzen im Sinne eines lebenslangen Lernens. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 18 Die Leistungsfeststellung dient in meinem Unterricht nicht nur zur Bewertung, sondern hat auch diagnostische und pädagogische Ziele. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 19 Ich verwende in meinem Unterricht ein Sprachenportfolio mit dem Ziel, meinen Schülern einen Überblick über ihre Sprachkompetenzen zu verschaffen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 20 Ich bringe grundlegende und aktuelle landeskundliche Kenntnisse in meinen Unterricht ein. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 21 Ich bringe grundlegende Kenntnisse der deutschsprachigen Literatur - auch Texte zeitgenössischer Autoren - in meinen Unterricht ein. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 22 Ich ergänze meinen Unterricht durch interkulturelle Begegnungen außerhalb des Unterrichts. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ Tabelle 7.13: Lehrerfragebogen Teil A Fachkompetenz Frage 17-22 (Friss et al. 2007: 99). B. Pädagogische Kompetenz trifft voll zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu 23 Ich fördere die Selbstständigkeit meiner Schüler. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 24 Ich praktiziere bewusst Werte-Erziehung in meinem Sprachunterricht. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 25 In meinem Unterricht gelingt es mir, Schüler für Themen zu interessieren. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 26 Die Schüler können ihre Interessen in den Unterricht einbringen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 27 Es gelingt mir, eine angenehme und konstruktive Unterrichtsatmosphäre zu schaffen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 28 Ich stärke das Selbstvertrauen meiner Schüler. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 29 Ich mache den Schülern ihre Stärken bewusst. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 30 Ich respektiere meine Schüler und behandle sie fair. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 31 Disziplin ist für mich ein unverzichtbarer Bestandteil meines Unterrichts. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ Tabelle 7.14: Lehrerfragebogen Teil B Pädagogische Kompetenz Frage 23-31 (Friss et al. 2007: 100) <?page no="261"?> 261 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement C. Engagement trifft voll zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu 32 Ich fühle mich auch für das Klima an der Schule verantwortlich und gestalte es bewusst mit. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 33 Ich nehme mir Zeit für Gespräche mit Eltern und ergreife - wenn nötig - auch selbst die Initiative. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ Tabelle 7.15: Lehrerfragebogen Teil C Engagement Frage 32-33 (Friss et al. 2007: 100) D. Persönlicher Fortbildungsbedarf trifft voll zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu 34 Ich möchte gern Zugang zu neuen Erkenntnissen der Sprachlehr- und -lernforschung haben. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 35 Ich möchte mich in unterschiedlichen Leistungsmessungs- und Beurteilungsverfahren fortbilden. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 36 Ich möchte lernen, bei meinen Schülern systematisch Methodenkompetenz aufzubauen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 37 Ich möchte Konzepte kennen lernen, wie moderne Medien meinen Unterricht sinnvoll ergänzen können. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 38 Ich fände es gut, wenn man einen regelmäßigen Austausch zwischen den Fachkollegen über pädagogische Fragen organisieren würde. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 39 Ich möchte gemeinsam mit meinen Fachkollegen darüber nachdenken, was wir unter interkultureller Kompetenz verstehen und mit welchen Konzepten wir diese fördern wollen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 40 Raum für weitere Eintragungen Tabelle 7.16: Lehrerfragebogen Teil D Persönlicher Fortbildungsbedarf (Friss et al. 2007: 101) Zwischen der Einschätzung von Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern sind Unterschiede zu erwarten, die jeweils ihre Berechtigung haben. Um die beiden Perspektiven gegenüberzustellen und damit beide besser verstehen zu lernen, wird das jeweilige Kriterium des Lehrerfragebogens aus der Schülerperspektive formuliert. Hier also die Abbildung des Qualitätsrahmens im Schülerfragebogen. <?page no="262"?> 262 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Der Schülerfragebogen Name und Ort der Schule: Klasse: Junge ⬜ Mädchen ⬜ Tabelle 7.17: Erfassung allgemeiner Informationen im Schülerfragebogen nach Friss er al. 2007: 102 Bitte pro Zeile nur 1 x ankreuzen. Freie Antwort möglich bei Nr. 32 trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft voll zu 1 Der Unterricht verläuft in der Regel einsprachig ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 2 Der Lehrer informiert uns über die Unterrichtsziele ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 3 Der Unterricht führt zu klaren Ergebnissen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 4 Der Lehrer überfordert mich. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 5 Der Lehrer unterfordert mich. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 6 Bei Lernproblemen bekomme ich Hilfestellung und Tipps. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 7 Vielfältige Arbeitsformen und Arbeitsmethoden werden eingesetzt und ihr Sinn wird erklärt. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 8 Ich kann im Unterricht oft in verschiedenen Sozialformen arbeiten (zum Beispiel Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit). ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 9 Alltagssituationen werden im Unterricht eingeübt. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 10 Ich komme im Unterricht oft zu Wort. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 11 Die Grammatikerklärungen sind für mich gut verständlich und die Übungen dazu ausreichend. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ <?page no="263"?> 263 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement Bitte pro Zeile nur 1 x ankreuzen. Freie Antwort möglich bei Nr. 32 trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft voll zu 12 Wortschatzarbeit nimmt einen wichtigen Platz im Unterricht ein. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 13 Im Unterricht sprechen wir auch aktuelle politische, soziale und kulturelle Probleme des Ziellandes an. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 14 Der Lehrer macht deutlich, was er bei den Leistungsüberprüfungen von uns verlangt. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 15 Die Formen der Leistungsüberprüfung sind mir aus dem Unterricht vertraut. Die Bewertung ist mir klar. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 16 Im Unterricht werden auch Werte wie z. B. Toleranz und Disziplin angesprochen und diskutiert. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 17 Der Lehrer behandelt mich fair und verständnisvoll. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 18 Mein Selbstvertrauen wird gefördert. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 19 Mein Lehrer macht mir Mut, wenn ich Lernschwierigkeiten habe. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 20 Im Unterricht herrschen Disziplin und Ordnung. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 21 Ich kann mich und meine Interessen auch in den Unterricht einbringen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 22 Der Unterricht ist interessant und abwechslungsreich. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 23 Der Lehrer hilft mir meine Fehler zu verstehen und gibt mir Hinweise, wie ich mich weiterentwickeln kann. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 24 Wir lernen nicht nur für die Prüfung. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ <?page no="264"?> 264 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Bitte pro Zeile nur 1 x ankreuzen. Freie Antwort möglich bei Nr. 32 trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft voll zu 25 Die Leistungsmessung dient nicht nur der Benotung, sondern ich bekomme vom Lehrer Hilfen zur Interpretation meiner Ergebnisse. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 26 Ich weiß, wie man mit einem Sprachenportfolio umgeht. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 27 Der Lehrer weckt mein Interesse an den Unterrichtsthemen. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 28 Die Atmosphäre im Unterricht empfinde ich als angenehm. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 29 Ich habe ein Vertrauensverhältnis zum Lehrer. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 30 Der Lehrer lässt auch andere Meinungen gelten. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 31 Ich hätte gerne zusätzlich zum Unterricht mehr Kontakt mit der deutschen Gegenwartskultur. ⬜ ⬜ ⬜ ⬜ 32. Ich nehme gern am Unterricht teil. Dies sind die Gründe, warum oder warum nicht. (Antworte / Antworten Sie bitte auf Deutsch) Tabelle 7.18: einsprachige Version des Schülerfragebogens nach Friss et al. 2007: 103-107 Der Schülerfragebogen war ursprünglich zweisprachig, in Deutsch und Ungarisch, (vergleiche Friss et al. 2007: 102-107), da es sehr wichtig ist, dass Schüler und Schülerinnen die Fragen gut verstehen. Einzelne Fragen wurden so konzipiert, dass die Selbstreflexion der Lehrkraft und die Schüler- und Schülerinnenmeinungen direkt zu vergleichen sind, worauf wir in der folgenden Lerneinheit 7.3 noch genauer eingehen möchten. <?page no="265"?> 265 7.2 Instrumente für das Qualitätsmanagement 7.2.3 Zusammenfassung ▶ Grundlage eines jeden Qualitätsmanagements im Bereich der Sprachlehre ist ein Qualitätsrahmen, der den neuesten Stand der Spracherwerbsforschung und der Didaktik abbildet, beispielsweise wie der in dieser Lerneinheit vorgestellte Qualitätsrahmen durch die Berücksichtigung dieser fünf Bereiche: Handlungsorientierung und Lernerbezug, Spracherwerbssystematik, Interkulturelle Kompetenz, Fachliches und pädagogisches Profil, Kollegiales Feedback und Zusammenarbeit in der Fachgruppe (Friss et al. 2007: 85). ▶ Die Kriterien eines Qualitätsrahmens und Evaluationsinstrumente müssen stets weiterentwickelt und an die Bedingungen des Unterrichts vor Ort angepasst werden. ▶ Die wichtigsten Ebenen der Evaluation und Evaluationsinstrumente sind: ▷ Selbstevaluation: Lehrerfragebogen, Schülerfragebogen ▷ Evaluation in der Fachgruppe: Lehrerfragebogen - Schülerfragebogen, Hospitationsbogen, Qualitätsrahmen (Kriterienkatalog), interne Vergleichsarbeiten ▷ Gespräche mit der Schulleitung ▷ Externe Evaluation: Qualitätsportfolio der Schule, Hospitationsbögen, zentrale Vergleichsarbeiten (z. B. Modellsätze DSD I und II , auch DSD -A2-Prüfung) ▶ Die vorgestellten Fragebögen können Ihnen als Hilfe für eigene Unterrichtsevaluationen dienen. ▶ Zwischen der Einschätzung von Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern sind Unterschiede zu erwarten, die jeweils ihre Berechtigung haben und aus denen Konsequenzen abgeleitet werden sollten. 7.2.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche 5 Qualitätsbereiche weist der Qualitätsrahmen auf und welche wichtigen Themen behandelt er? 2. Welche Qualitätskriterien verwendet der Qualitätsrahmen? 3. Auf welchen Ebenen können die Evaluationsinstrumente eingesetzt werden? <?page no="266"?> 266 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement Jörg Roche In der vorangehenden Lerneinheit haben Sie den von der deutsch-ungarischen Expertenkommission erarbeiteten Qualitätsrahmen kennengelernt und sich mit seiner Nutzung im Unterricht vertraut gemacht. Sie wissen bereits, dass er bei aller Orientierung an der Lehr- und Lernforschung und der Sprachdidaktik nicht in Stein gemeißelt ist, sondern in Ihrem Team für Ihre spezifischen Zwecke angepasst werden sollte. In dieser Lerneinheit setzen wir die Behandlung des Qualitätsmanagements im Sprachunterricht fort, mit weiteren Instrumenten und mit Ergebnissen zu einer Pilotstudie in Ungarn, die zeigt, wie mit den Instrumenten und ihren Ergebnissen umgegangen werden kann. Autoren der verwendeten Materialien sind wiederum Jörg Roche, Wolfgang Haisch, Dieter Uesseler, Ágnes Einhorn, Ibolya Englender. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ einen Hospitationsbogen für den Unterricht kennenlernen, den Sie im Team (gegenseitig) einsetzen können; ▶ die Arbeit mit Lehrportfolios wie dem Europäischen Portfolio der Sprachen kennenlernen; ▶ den Umgang mit den abweichenden Ergebnissen, die sich aus den unterschiedlichen Instrumenten ergeben durch die Präsentation eines Beispiels in Form einer Pilotstudie in ungarischen Schulen, nachvollziehen können; ▶ einen Leitfaden für den Umgang mit den Instrumenten kennenlernen; ▶ Wege der Optimierung der Schulmanagement-Qualitätsprozesse im Bereich DaF und Umsetzungshilfen für ein nachhaltiges Qualitätsmanagement aufzeigen können. 7.3.1 Hospitationen Hospitationen sind oft ein Instrument für externe Kontrollen und sind entsprechend gefürchtet. Dabei lassen sie sich im Team auch einfach als Instrumente systematischer Rückmeldungen nutzen, ohne Angst vor Kontrolle und Bewertungen. Für die gemeinsame oder gegenseitige Hospitation im Team und unter Kolleginnen steht auch bei dem hier vorgestellten Qualitätsmanagementverfahren ein Hospitationsbogen zur Verfügung. Wenn hier von „externen Evaluatoren“ die Rede ist, ist dies nicht als Kontrolle oder Aufsicht misszuverstehen (Friss; Nuding; Wegmann; Buhren; Seiler; Lenz; Knab; Mendly; Kállai; Balogh; Roche; Haisch; Uesseler; Einhorn & Englender 2007: 106-111). Auch der Hospitationsbogen sollte wieder an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Sie finden den auf der Grundlage des Qualitätsrahmens DaF entwickelten Hospitationsbogen nun auf den folgenden Seiten. <?page no="267"?> 267 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement Hospitationsbogen auf der Grundlage des Qualitätsrahmens DaF Name: Schule: Klasse: Hinweise zum Gebrauch: Der Hospitationsbogen dient als Grundlage für die Unterrichtsbeobachtung durch Kollegen oder externe Evaluatoren. Er enthält durchweg beobachtbare Aspekte des Unterrichts, die sich aus dem Qualitätsrahmen ergeben. Es ist nicht daran gedacht, bei der Hospitation alle im Bogen genannten Aspekte abzudecken, sondern Schwerpunkte zu bilden. Diese richten sich nach dem vereinbarten Ziel der Evaluation. So erhält die Lehrperson zum Beispiel eine konkrete Rückmeldung zu bestimmten Aspekten ihres Unterrichts, die sie zur persönlichen Weiterbildung verwendet. Der Hospitationsbogen schafft auch für externe Evaluatoren eine einheitliche Grundlage und kann deshalb zur Fremdbewertung herangezogen werden. I. Personale Kompetenz der Lehrperson: 1. Auftreten: selbstsicher/ zaghaft / gleichgültig/ eher unbeteiligt usw. 2. Sprechweise: Deutlich/ lebendig/ gleichförmig usw. 3. Beziehung zu den Schülern: freundlich/ umgänglich/ nachgiebig/ partnerschaftlich/ fordernd/ autoritär/ herablassend usw. II . Unterrichtsplanungs- und Umsetzungskompetenz: 1. Der Unterricht ist sorgfältig geplant und klar strukturiert. 2. Die Lernziele sind klar, werden zielstrebig angegangen und auch erreicht. 3. Die Planung orientiert sich erkennbar an den Vorgaben und berücksichtigt außerdem inhaltlich wie methodisch die Interessen der Schüler. 4. Die Planung enthält, soweit möglich, binnen-differenzierende Elemente und berücksichtigt verschiedene Lernertypen. 5. Wichtige didaktische Grundprinzipien werden berücksichtigt: anschaulich/ klar/ lernergerecht/ vom Einfachen zum Schweren/ vom Rezeptiven zum Produktiven usw. 6. Die Planung wird flexibel umgesetzt, auf die Belange der Schüler wird eingegangen. 7. Die Aktivierung der Schüler gelingt gut und es bleibt Raum für selbstständiges Arbeiten und Lernen. 8. Die Motivierung der Schüler ist gegeben. Interesse wird geweckt und aufrechterhalten. III . Kompetenz zur Vermittlung der sprachlichen Fertigkeiten: 1. Im Unterricht wird nachhaltig für einen ausgewogenen Auf- und Ausbau der Fertigkeiten gesorgt. <?page no="268"?> 268 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 2. Die Fertigkeiten werden handlungsorientiert an authentischen Materialien bzw. in realistischen Situationen geübt. 3. Die Übungssequenzen sind abwechslungsreich und abgestimmt auf die Unterrichtsziele sowie die Vorkenntnisse der Schüler. 4. Mit Fehlern wird konstruktiv umgegangen, und sie werden als notwendiger Bestandteil des Lernprozesses verstanden und entsprechend nutzbar gemacht. 5. Auf Sprachrichtigkeit wird erkennbar Wert gelegt, ohne die Schüler dabei zu demotivieren. Es wird unauffällig, aber effizient verbessert. Tabelle 7.19: Hospitationsbogen, Allgemeine Angaben, Hinweise zum Gebrauch und Teile I- III : I. Personale Kompetenz der Lehrperson; II . Unterrichtsplanungs- und Umsetzungskompetenz; III . Kompetenz zur Vermittlung der sprachlichen Fertigkeiten (Friss et al. 2007: 106-108) IV . Methodenkompetenz: 1. Der Lehrer verfügt über eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden und setzt sie zielführend ein. 2. Seine Fragetechnik ist ausgefeilt und schülergerecht. 3. Der Medieneinsatz ist durchdacht und ökonomisch, den Lernern wird der Aufbau einer eigenständigen Medienkompetenz ermöglicht. 4. Im Unterricht wird auch die personale Kompetenz des einzelnen Schülers gestärkt, beispielsweise durch Lob, Appelle an die Eigenverantwortung des Schülers usw. 5. Im Unterricht werden auch die sozialen Kompetenzen der Schüler sowie ihre Teamfähigkeit gestärkt, zum Beispiel durch Gruppen- oder Partnerarbeit. 6. Landeskunde und Literatur dienen auch als Grundlage des Aufbaus von interkultureller Kompetenz, also zur Reflexion eigener Werte und möglicher Voreingenommenheit dem Fremden gegenüber. Tabelle 7.20: Hospitationsbogen Teil IV Methodenkompetenz (Friss et al. 2007: 108) V. Fachliche Kompetenz: 1. Sprachbeherrschung: Phonetik/ Intonation/ Wortschatz/ Grammatik/ Idiomatik 2. Der Lehrer verfügt über gute landeskundliche und literarische Kenntnisse, die den Unterricht bereichern. 3. Der Unterricht ist inhaltlich anspruchsvoll, ohne die Schüler zu überfordern. 4. Die Fähigkeit zur Texterschließung ist gut und wird den Schülern auch systematisch vermittelt. 5. Im Unterricht findet auch Wertevermittlung bzw. die Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen statt. Tabelle 7.21: Hospitationsbogen Teil V Fachliche Kompetenz (Friss et al. 2007: 109) <?page no="269"?> 269 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement 7.3.2 Der Leitfaden zum Gebrauch der Fragebögen Qualitätsrahmen und Qualitätsstandards sind abgeleitet von neueren Erkenntnissen der pädagogischen, didaktischen und erwerbslinguistischen Forschung. Diese können jedoch verständlicherweise in den vorliegenden Instrumenten nicht expliziert, sondern nur komprimiert werden. Die Frage- und Evaluationsinstrumente bilden diese Standards in einer Form ab, die den Betroffenen auch dann verständlich und eingängig erscheinen sollte, wenn sie mit der zugrundeliegenden Forschung nicht im Einzelnen vertraut sind. Hinweise zur Interpretation der Ergebnisse aus den Befragungen Anspruch und Wirklichkeit beziehungsweise Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung durch andere weichen erfahrungsgemäß meistens voneinander ab, auch wenn man sich um Ehrlichkeit bemüht. Das liegt in der Natur der menschlichen Wahrnehmung und ist grundsätzlich kein Problem. Im Gegenteil: skeptisch werden sollte man gerade auch dort, wo Ergebnisse ein zu homogenes Bild wiedergeben. Das kann zwar im Einzelfall durchaus zutreffend die Realität abbilden, kann aber auch auf methodische oder infrastrukturelle Probleme oder Unklarheiten oder auf ein Fehlverständnis der Evaluationsprozesse hinweisen. Dies läge zum Beispiel vor, wenn die Nutzer der Instrumente damit einen Zustand projizieren wollten oder müssten, der äußere Präsentationszwecke der Schule befriedigen soll, anstatt internen Handlungsbedarf zu identifizieren. Handlungsbedarf lässt sich am einfachsten feststellen, wenn man ähnliche Fragen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet (siehe dazu die Problematik der Triangulation in der Lerneinheit 7.1). Aus der Kontrastierung ergeben sich zwar nicht automatisch auch Lösungen, aber zumindest Indizien für produktiv nutzbare Diskrepanzen. Diese sind in einem zweiten Schritt qualitativ zu prüfen. In manchen Fällen werden sie leicht vermittelt oder aufgelöst werden können, in anderen Fällen werden sie sich vielleicht als übertrieben oder irrelevant erweisen. Oft wird aber eine qualitative Betrachtung solcher Diskrepanzen auch zu konstruktiven Vorschlägen für einen Ausgleich führen. Ab wann entsteht Handlungsbedarf, gibt es kritische Niveaus? Diese Fragen kann man nicht pauschal beantworten. Sowohl aus den statistischen Angaben als auch aus den qualitativen Beobachtungen lassen sich Ergebnisse ableiten, aber je nach Größe der Schulpopulation ergeben sie auch die nötige Repräsentativität. Insofern gehört es auch zu den unumgänglichen Aufgaben des eigenen Qualitätsmanagements, „Signifikanzniveaus“ oder Zufriedenheitswerte (benchmarks) festzulegen (siehe dazu die Lerneinheit 7.1). Also: Ab welchem Prozentergebnis können wir sagen, dass ein Kriterium voll erfüllt ist und deshalb kein Handlungsbedarf besteht? Die Ergebnisse können von der einzelnen Schule auf einfache Weise mittels einer im Internet frei verfügbaren Software (www.grafstat.de) ausgewertet werden. Die Bedienung kann leicht erlernt werden. Das Programm lässt sich für die eigenen Zwecke modifizieren und ist kostenlos und ständig online verfügbar. <?page no="270"?> 270 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Wie spiegeln sich Fragen des Lehrerfragebogens im Schülerfragebogen? Die Reihenfolge der Fragen im Lehrerfragebogen orientiert sich an der Reihenfolge der Kriterien im Qualitätsrahmen, damit dieser bei der Interpretation der Ergebnisse zu Rate gezogen werden kann. Die Fragen an die Schüler folgen relativ willkürlich aufeinander, um ein mechanisches Ausfüllen der Bögen weitgehend zu unterbinden. Um den sinnvollen Vergleich der Ergebnisse aus beiden Befragungen zu ermöglichen, kann sich die Lehrkraft an Hand der folgenden Zuordnung orientieren. (Friss et al. 2007: 113) Lehrerfragebogen Schülerfragebogen 1 1 2 Keine Entsprechung 3 2, 3 4 Keine Entsprechung 5, 6 4, 5,6 7 7, 8 8 9 9 11 10 12 11 7 12 10 13 8 14 9 15 23 16 14, 15 Lehrerfragebogen Schülerfragebogen 17 24 18 23, 25 19 26 20, 21, 22 13, 31 23 8 24 16 25 27, 22 26 21 27 28, 29 28 18 29 19 <?page no="271"?> 271 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement 30 17, 3 31 20 32-40 Keine Entsprechung Tabellen 7.22 und 7.23: zu Vergleichszwecken zusammengetragene Zuordnung von Fragen aus dem Lehrerfragebogen zu Fragen aus dem Schülerfragebogen (Friss et al. 2007: 113) 7.3.3 Die Erprobung der Fragebögen An der Erprobung der Fragebögen haben folgende Schulen teilgenommen: ▶ Thomas Mann Gymnasium, Budapest ▶ Kossuth Lajos Gymnasium Budapest ▶ Ungarndeutsches Gymnasium, Budapest ▶ Ungarndeutsches Bildungszentrum, Baja ▶ Valeria Koch Gymnasium, Pécs ▶ Városmajori Gymnasium Budapest Im ersten Schritt wurden die Fragebögen in drei Schulen in Form eines kleinen „Pilotprojektes“ (im Kossuth Lajos Gymnasium Budapest, im Városmajori Gymnasium Budapest und im Valeria- Koch-Gymnasium Pécs) erprobt. Aufgrund der Rückmeldungen auf einem Metafragebogen wurden an ihnen kleine Veränderungen vorgenommen. In einem zweiten Schritt wurden die Bögen durch das Ungarische Bildungsministerium den fünf erst genannten beteiligten Schulen zugeschickt, die sie durch 45 Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen, DFU -Lehrkräfte und Fachschaftsleiter und -leiterinnen auf der einen und durch mehrerer hundert Schüler und Schülerinnen der 9. und 11. Klassen auf der anderen Seite ausfüllen ließen. Der Expertengruppe selbst dienten die Ergebnisse in erster Linie dazu, die Plausibilität der Fragen zu überprüfen und-- falls es notwendig erschien-- diese aus den Fragebögen zu eliminieren beziehungsweise sie umzuformulieren. Allerdings wurden die Schulen vom Ministerium auch gefragt, wie sie selbst mit den Ergebnissen umgegangen sind. Aus den Rückmeldungen der Schulen gehen folgende Schwerpunkte hervor: ▶ Die Fachschaftsleiter und -leiterinnen präsentierten die Ergebnisse der Fragebögen, diese wurden vorerst in der Fachschaft diskutiert mit dem Ziel, nach möglichen Ursachen der Ergebnisse zu suchen und Maßnahmen zu vereinbaren. ▶ In einem nächsten Schritt wurden die Ergebnisse mit der Schulleitung besprochen, an einer Schule bildeten sie das Thema einer Lehrerkonferenz. ▶ Die Antworten auf die Fragen fielen meistens positiv aus, viele Kriterien, die für diese Schulen wichtig sind-- wie Einsprachigkeit, methodisch abwechslungsreicher Unterricht, dienende Funktion der Grammatik, Hilfestellung-- wurden von den Schülern und Schülerinnen positiv registriert. <?page no="272"?> 272 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Als Defizite erschienen: Information über die Unterrichtsziele, zielstrebige Unterrichtsgestaltung, systematische Wortschatzarbeit, der Begriff des Portfolios war den Schülern und Schülerinnen unbekannt. ▶ Bei manchen Fragen gab es unterschiedliche Einschätzungen zwischen Lehrkräften und Schülern und Schülerinnen: zum Beispiel bei der Frage nach Fairness und nach der Methodenvielfalt. ▶ Vereinbarte Maßnahmen: bei Kriterien, die für die Fachschaft wichtig sind und keinen optimalen Ergebniswert gezeigt haben, wurde nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht; gegenseitiges Hospitieren innerhalb der Fachschaft wurde vereinbart; zu einigen Kriterien sollte ein Gespräch mit den Schülern und Schülerinnen geführt werden beziehungsweise die Fragen (wie Wertebezug, Aktuelles im Unterricht) sollten in den Stunden aufgegriffen werden. ▶ Von einer Schule kam auch die Überlegung, ob Schüler und Schülerinnen der 9. Klasse überhaupt befragt werden sollten, zumal das für sie das erste Gymnasialjahr und damit das erste Jahr überhaupt an der Schule ist und sie noch nicht über genügend Informationen beziehungsweise Erfahrungen verfügen. ▶ Die Evaluation schulischer Teilbereiche wurde später fortgesetzt. ▶ Von einer Schule kam die Feststellung-- der man durchaus zustimmen kann--, dass die Gefahr bestehe, dass taktische Antworten gegeben würden in dem Bemühen, der eigenen Schule zu nützen. 7.3.4 Erste vergleichende Auswertung der Lehrer- und Schülerfragebögen Wie bereits ausgeführt dient die Kontrastierung der beiden Fragebögen einmal der Ermittlung von Diskrepanzen, zum anderen aber auch der Feststellung von Übereinstimmungen, durch die sich die Lehrpersonen bestätigt fühlen können. Die unterschiedlichen Einschätzungen von Lehrkräften und Schülern und Schülerinnen liefern Hinweise auf Bereiche, in denen offensichtlich Handlungsbedarf besteht. Dies soll nun am Beispiel der durchgeführten Befragung von 45 Lehrern aus 5 Schulen im Vergleich mit den Aussagen ihrer Schüler und Schülerinnen aus 9. und 11. Klassen gezeigt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer sind entweder ungarische Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache beziehungsweise für deutschsprachigen Fachunterricht oder aber Gastlehrkräfte aus Deutschland. Es ergeben sich bei einer ersten allgemeinen Auswertung insgesamt folgende signifikante Abweichungen: <?page no="273"?> 273 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement Lehrer Schüler Frage 3: Unterrichts- und Stundenziele werden benannt: allgemein bestätigt (von 90-100 %) Nur durchschnittlich 61 % der Schüler bestätigen dies. Ausgeprägte Schwankungen von 43 % bis 79 % zwischen den Schulen → liefert der einzelnen Schule wichtige Informationen und Vergleichswerte Frage 6: Material weder übernoch unterfordernd: durchschnittlich von 95 % bejaht 31 % fühlen sich im Schnitt überfordert. Deutliche Schwankungen von 17 % bis 52 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelnen Schulen möglich Frage 7: Methodenvielfalt im Unterricht: durchschnittlich 90 % der Befragten sehen dies gewährleistet Durchschnittlich 26 % der Schüler bestätigen dies nicht. Deutliche Schwankungen von 10 % bis 45 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 8: Handlungsorientierung + Vorbereitung auf realistische Situationen: von durchschnittlich 88 % bestätigt Durchschnittlich nur von 51 % bestätigt. Enorme Schwankungen von 28 % bis 75 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 15: Fehler als Grundlage, um Lernhilfen zu geben: ausnahmslos gewährleistet 100 % Durchschnittlich von 20 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 2 % bis über 30 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 20: Einbringen grundlegender und aktueller landeskundlicher Tatbestände in den Unterricht: durchschnittlich von 94 % bestätigt Durchschnittlich von 56 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 38 % bis 68 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 24: Werteerziehung betreiben: durchschnittlich 82 % sehen dies gewährleistet Durchschnittlich von 40 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 28 % bis 55 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 25: Schüler für Themen interessieren können: durchschnittlich von 96 % bestätigt Durchschnittlich von 31 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 22 % bis 45 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 27: Schaffung einer angenehmen und konstruktiven Unterrichtsatmosphäre: ausnahmslos von allen bestätigt (100 %) Durchschnittlich von 13 % der Schüler nicht bestätigt. Schwankungen von 5 % bis 25 % zwischen den einzelnen Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 28: Stärkung des Selbstwertgefühls der Schüler: durchschnittlich von 96 % bestätigt Durchschnittlich von 49 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 32 % bis 66 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Frage 30: respektvolle und faire Behandlung der Schüler: ausnahmslos von allen bestätigt (100 %) Durchschnittlich von 16 % der Schüler nicht bestätigt. Deutliche Schwankungen von 2 % bis 30 % zwischen den Schulen → Rückschlüsse auf die einzelne Schule möglich Tabelle 7.24: signifikante Abweichungen zwischen Lehrer- und Schülerfragebögen (Friss et al. 2007: 115 f) Insgesamt zeigt sich also Handlungsbedarf in 11 von circa 30 Feldern, in denen ein Vergleich möglich ist. Wie ausgeprägt der Handlungsbedarf ist, hängt von der Einschätzung der Diskrepanzen durch den einzelnen Lehrer oder die einzelne Lehrerin, durch die Fachschaft oder aber durch die Schule beziehungsweise die Schulleitung ab. <?page no="274"?> 274 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Hat man sich an einer Schule auf die Verwendung von benchmarks, das heißt Erfüllungs- oder Zufriedenheitsquoten geeinigt, so ist dies der Gradmesser für die Einschätzung, welche Probleme vordringlich zu bearbeiten sind. Wie und mit wessen Hilfe dies geschehen könnte, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden, sondern wäre Teil eines Folgeprojekts. Die Ermittlung des persönlichen Fortbildungsbedarfs der Lehrkräfte anhand der Lehrerfragebögen ergibt folgendes Bild: (1) Wunsch nach Zugang zu neuen Erkenntnissen der Sprachlehr- und Lernforschung: durchschnittlich 87 % der Befragten; (2) Wunsch nach Weiterbildung in Beurteilungsverfahren: durchschnittlich 65 %; (3) Wunsch nach Hilfe beim Ausbau von Methodenkompetenz bei den Schülern und Schülerinnen: durchschnittlich 61 %; (4) Wunsch nach Fortbildung zum Einsatz neuer Medien im Unterricht: durchschnittlich 77 %; (5) Wunsch nach regelmäßigem Austausch mit Fachkollegen: durchschnittlich 93 %. 7.3.5 Empfehlungen für die Arbeit mit dem Qualitätsrahmen Deutsch als Fremdsprache Die Empfehlungen beziehen sich im ersten Abschnitt auf die Optimierung der vorgeschlagenen Schulmanagement-Qualitätsprozesse sowie die Anwendung der vorgelegten Instrumente. In einem zweiten Abschnitt werden Vorschläge für den Einsatz von Unterstützungsmaßnahmen beschrieben. Diese werden sowohl im Zuständigkeitsbereich der einzelnen Projektpartner (Republik Ungarn, Auswärtiges Amt, Land Baden-Württemberg) entwickelt und angewandt als auch in gemeinsamer Absprache zwischen ihnen. Im dritten Abschnitt werden Hinweise auf weitere Instrumente und Maßnahmen gegeben, die in die Qualitätsprozesse einbezogen werden können. Optimierung der Schulmanagement-Qualitätsprozesse im Bereich DaF Aus dem Einsatz der Qualitätssicherungsinstrumente ergeben sich verschiedene Konsequenzen für die kontinuierliche Weiterarbeit. ▶ Die einzelne Schule setzt alle zwei Jahre die entwickelten Erhebungsinstrumente in den Jahrgangsstufen 9 und 11 ein. Die Erhebungsergebnisse werden gemeinsam von Schulleitung und Fachlehrern und -lehrerinnen der Bereiche Deutsch als Fremdsprache und des deutschsprachigen Fachunterrichts analysiert. Die Dateninterpretation richtet sich vor allem auf Hinweise für die zukünftige Entwicklungsarbeit. ▶ Dieser Prozess kann durch Gespräche über gemeinsame Zielvereinbarungen initiiert und durch die verschiedenen Evaluationsinstrumente weiter überprüft werden. In Beratungen mit der Schulleitung können die Lehrkräfte (Fachgruppe) die für nötig erachteten Maßnahmen in Bezug auf die Bereitstellung benötigter Ressourcen, das Schulprofil und die Entwicklung der Schulqualität abstimmen. Ebenso lassen sich Maßnahmen für die Fortbildung und die Personalentwicklung planen. Aus diesem Prozess werden sich in der <?page no="275"?> 275 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement Regel Adjustierungen ergeben. Es sollten daher regelmäßige Überprüfungen der Notwendigkeit und Wirksamkeit von Maßnahmen vereinbart und vorgenommen werden. Erhebungsergebnisse und ihre Interpretation werden in einem Evaluationsbericht festgehalten, der in einen konkreten Maßnahmenplan mündet. ▶ Auf der Grundlage des Evaluationsberichts vereinbaren Schulleitung und Fachschaft ein bis zwei Entwicklungsschwerpunkte für einen anschließenden Zweijahreszeitraum und halten diese Vereinbarung in schriftlicher Form fest. Hierbei werden Verantwortliche ebenso bestimmt wie Verfahren der Dokumentation und der regelmäßigen Berichterstattung. ▶ Um Schulleitung und Kollegium über mittelfristige Zeiträume Periodenvergleiche der Datenentwicklung zu ermöglichen, wird eine entsprechende Datenbank in der Schule aufgebaut. Für die Betreuung der Datenbank wird ein Verantwortlicher ernannt. ▶ Damit die Schule eine realistische Einschätzung des eigenen Entwicklungsstands in den verschiedenen Qualitätsbereichen vornehmen kann, wird ihr über eine Referenzdatenbank eine entsprechende Vergleichsmöglichkeit angeboten. Diese Referenzdatenbank befindet sich auf der Homepage eines zentralen Pädagogischen Instituts, das die Daten der einzelnen Schulen in anonymisierter Form vorhält. ▶ Vor jedem Einsatz der Erhebungsinstrumente vereinbaren Schulleitung und Kollegium unter Berücksichtigung der Referenzdatenbank für die einzelnen Kriterien Ergebnisprozentsätze im Sinne von benchmarks. Unterstützungsmaßnahmen Der schulinterne Aufbau eines Systems von Selbstevaluationszyklen bedarf der fachlichen Unterstützung durch externe Stellen. Zielführende Unterstützungsmaßnahmen sind: ▶ die Ausbildung von schulinternen Evaluationsbeauftragten; ▶ die externe Bereitstellung einer geeigneten Software zur Auswertung der Evaluationsdaten und zum Aufbau einer schulinternen Evaluationsdatenbank; ▶ externe Publikation von Beispielen für erfolgreiche Schulentwicklungsprojekte. Ein zentrales Pädagogisches Institut lädt die beteiligten Schulleiter im Zweijahresrhythmus zu einem Seminar ein, das sowohl der Schulung zu Verfahren der Datenanalyse und Interpretation dient als auch der Bewertung der anonymisierten Ergebnisse der Referenzdatenbank. ▶ Externe Fortbildungsmaßnahmen werden regelmäßig für Schulleitungen angeboten. ▶ Dem einzelschulischen Qualitätsmanagement wird bei Bedarf die Unterstützung durch externe Prozessbegleiter angeboten. <?page no="276"?> 276 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag Weitere schulinterne und -externe Instrumente In diesen Prozess können außer den oben genannten Instrumenten weitere schulinterne und- - externe Instrumente herangezogen werden. Dazu gehören Aufzeichnungen über Hospitationen (vergleiche den Hospitationsbogen), die gemeinsame Beschäftigung mit Themen der professionellen Praxis im Rahmen selbst organisierter Workshops, Gespräche mit Schülern und Schülerinnen, Eltern und anderen Beteiligten, Interviews, Beobachtungen, Schülerportfolios, Qualitätsdokumentationen der Schule und Dokumentenanalysen sowie zentrale Vergleichsarbeiten, wie sie etwa in den DSD - oder anderen Prüfungen vorliegen. Zu den Elementen der Qualitätsdokumentation der Schule gehören individuelle Qualifizierungspläne, ausgewählte Ergebnisse der Fachschaftsevaluation, Qualitätssicherungsmaßnahmen auf der Fachgruppenebene, Übersichten über absolvierte interne und externe Fortbildungen, die Beschreibung des externen Fortbildungsbedarfs, Ergebnisse von Schülerwettbewerben, Projektberichte, Berichte über Auswertungen interner und externer Vergleichsarbeiten und weitere schulische und außerschulische Aktivitäten (zum Beispiel Zusammenarbeit mit Vereinen und Gruppierungen aus dem schulischen Einzugsgebiet-- der so genannten „community“--, deutschsprachige Schüler-Austauschprogramme, gegebenenfalls Veröffentlichungen etc.). Für die einzelne Lehrkraft kann es nützlich sein, den Stand der persönlichen Weiterqualifizierung zu dokumentieren. Ein solches „Persönliches Fortbildungsportfolio“ könnte folgende Übersichten (und ggfs. die entsprechenden Dokumente) enthalten: Persönliches Fortbildungsportfolio (Name) 1. Bisherige Aufenthalte im deutschen Sprachraum (Zeitraum / Tätigkeit) 2. Persönliche Fortbildung In den letzten fünf Jahren besuchte Fortbildungsveranstaltungen im In- und Ausland (Zeitraum / Tätigkeit) 3. Tätigkeit als Fortbildner In den letzten fünf Jahren geleitete Fortbildungsveranstaltungen im In- und Ausland (Zeitraum / Tätigkeit) 4. Potenziale Besondere Erfahrungen und Kompetenzen bei der Umsetzung von Unterrichtsinhalten, die ich an Interessierte weitergeben kann 5. Persönliche Fortbildungsziele Bereiche, in denen ich mich fachlich / persönlich qualifizieren bzw. fortbilden möchte 6. Mein persönlicher Plan für Unterricht und Fortbildung (Das möchte ich tun / Partner, Unterstützungssystem / Zeitplan) Tabelle 7.25: Persönliches Fortbildungsportfolio (Friss et al. 2007: 120) Ein weiteres Instrument des Qualitätsmanagements ist das Europäische Portfolio der Sprachen, das in verschiedenen Versionen vorliegt und für eigene Zwecke adaptiert werden kann (zum Beispiel www.sprachenportfolio.ch). Es ist ein geeignetes Instrument der Dokumentation des Lernfortschrittes von Schülerinnen und Schülern. <?page no="277"?> 277 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement Bei der Einführung dieses Systems sollten die bislang genannten Maßnahmen mit geeigneten Maßnahmen tatkräftig unterstützt werden, zum Beispiel durch ▶ die Entwicklung von entsprechenden Curricula, Lehrmaterialien und Testmaterialien für einen modernen auf interkulturelle Kompetenzen ausgerichteten Deutsch als Fremdsprache-- und deutschsprachigen Fachunterricht; ▶ zusätzliche Ressourcen, Lernportale und Umsetzungsbeispiele; ▶ geeignete Lehrerausbildungsangebote; ▶ spezifische Weiterbildungsmaßnahmen; ▶ Lehreraustauschprogramme; ▶ Beteiligung anderer Mittlerorganisationen und der Wirtschaft und Wissenschaft. 7.3.6 Zusammenfassung ▶ Hospitationen lassen sich im Team als Instrumente systematischer Rückmeldung nutzen, ohne Angst vor Kontrolle und Bewertungen. ▶ Der vorgestellte Hospitationsbogen enthält durchweg beobachtbare Aspekte des Unterrichts, die sich aus dem Qualitätsrahmen ergeben und an örtliche Begebenheiten angepasst werden müssen. ▶ Fragen aus Lehrer- und Schülerfragebögen, die sich auf dieselben Aspekte des Unterrichts beziehen, sollten verglichen und signifikanten Abweichungen sollte nachgegangen werden, da sie auf offensichtlichen Handlungsbedarf hinweisen. ▶ Schulen sollten sich bei Fragebögen auf die Verwendung von benchmarks einigen, das heißt auf Erfüllungs- oder Zufriedenheitsquoten. ▶ In Beratungen mit der Schulleitung können Lehrkräfte die für nötig erachteten Maßnahmen in Bezug auf die Bereitstellung benötigter Ressourcen und Fortbildungen, das Schulprofil und die Entwicklung der Schulqualität abstimmen. ▶ Schulen sollten ein System von Selbstevaluationszyklen aufbauen und zu diesem Zweck schulinterne Evaluationsbeauftragte ausbilden lassen, geeignete Software zur Auswertung und Speicherung der Evaluationsdaten bereitstellen und bei Bedarf externe Beratung in Anspruch nehmen. ▶ Weitere schulinterne und -externe Instrumente sind beispielsweise Aufzeichnungen über Hospitationen, die gemeinsame Beschäftigung mit Themen der professionellen Praxis im Rahmen selbst organisierter Workshops, Gespräche mit Schülern und Schülerinnen, Eltern und anderen Beteiligten, Interviews, Beobachtungen, Schülerportfolios, Qualitätsdokumentationen der Schule. ▶ Lehrkräfte können sich „Persönliche Fortbildungsportfolios“ anlegen, um den Stand ihrer Weiterqualifizierung im Blick zu haben und um den Ansporn zu weiteren Fortbildungen aufrecht zu erhalten. ▶ Das Europäische Portfolio der Sprachen ist ein geeignetes Instrument der Dokumentation des Lernfortschrittes der Lerner. ▶ Der Handlungsbedarf, der sich aus Evaluationsergebnissen an Schulen ergibt, muss in einer (Weiter-) Entwicklung von entsprechenden Curricula, Lehrerausbildungsangeboten, Weiterbildungsmaßnahmen, Lehrmaterialien, Testmaterialien etc. münden. <?page no="278"?> 278 7. Qualitätsverfahren im schulischen Alltag 7.3.7 Aufgabe zur Wissenskontrolle 1. Welche Folgen für die Optimierung des Qualitätsmanagements ergeben sich aus der Erprobung der Instrumente? <?page no="279"?> 279 7.3 Weitere Instrumente zum Qualitätsmanagement 8. Lehren Lernen Aufgrund stets steigender Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und der immer größer werdenden Nachfrage nach einer qualitativ entwickelten Mehrsprachigkeit finden sich in der Sprachlehrpraxis zunehmend Lehrkräfte, die keine grundständige Ausbildung in DaF / DaZ absolviert haben und daher einen kontinuierlichen Fort- und Weiterbildungsbedarf aufweisen. Auch bei denjenigen Lehrkräften, deren Lehrerausbildung bereits einige Jahre zurückliegt, erweist sich eine Aktualisierung beziehungsweise Auffrischung von Kompetenzen in bestimmten Anforderungsbereichen als dringend notwendig, was unter anderem durch neue Herausforderungen in der Lehrpraxis, durch neue Erkenntnisse aus der Sprachlehrforschung oder durch veränderte Lehrpläne und Curricula bedingt ist. Die besonderen zeitlichen, finanziellen und oft auch geografischen Rahmenbedingungen berufstätiger Lehrkräfte stellen jedoch besondere Anforderungen an die Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie sich Lernprozesse im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen effizient unterstützen lassen. Zu diesem Zweck werden in der Lerneinheit 8.1 zunächst die Besonderheiten des lebenslangen Lernens erläutert sowie die wichtigsten Paradigmen im Kontext der Erwachsenenbildung skizziert. In der Lerneinheit 8.2 werden die Qualitätsmerkmale von Fortbildungsmaßnahmen diskutiert und die wichtigsten Formate vorgestellt. Schließlich werden in der Einheit 8.3 die Grundlagen für die Planung, Durchführung und Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen besprochen. <?page no="280"?> 280 8. Lehren Lernen 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung Anna Majorosi In dieser Einheit stehen Konzepte der lebenslangen Erwachsenenbildung, auch Andragogik genannt, im Mittelpunkt. Sie, als (künftige) Lehrperson sind Experte oder Expertin für das Lernen und Lehren, weshalb Sie jede Lernsituation auf mindestens zwei Ebenen erleben: Sie erleben die Lernsituation und erlernen die Inhalte und gleichzeitig reflektieren Sie, wie das Lernszenario gestaltet wurde und was Sie aus dieser Lernsituation für Ihren eigenen Unterricht gelernt haben, was Sie übernehmen oder ablehnen würden. Außerdem ist es die Aufgabe jeder Lehrperson, die Lerner für das lebenslange Lernen zu motivieren beziehungsweise sie auf diesem Weg zu begleiten. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt dieser Einheit: Was unterscheidet formales Lernen von non-formalem und informellem Lernen? Welcher Paradigmenwechsel ist zurzeit charakteristisch für die Erwachsenenbildung? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den ausgewählten Konzepten der Erwachsenenbildung, die sich alle mit der humanistischen Psychologie in Einklang bringen lassen? Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Unterschiede zwischen formalem, non-formalem und informellem Lernen erläutern und deren Bedeutung im Kontext des lebenslangen Lernens begründen können; ▶ den Paradigmenwechsel in der Erwachsenenbildung anhand Ihrer Erfahrungen reflektieren können; ▶ Merkmale des Lernens von Erwachsenen kennen. 8.1.1 Lebenslanges Lernen Lebenslanges Lernen beziehungsweise lebensbegleitendes Lernen oder lebensbegleitende Bildung bezeichnet sämtliche Lernaktivitäten in jedem Alter. Obwohl der Begriff des lebenslangen Lernens alle Altersstufen des menschlichen Lebens integriert, wird der Bereich dennoch bildungspolitisch der Erwachsenenbildung zugeordnet. Im Sinne des lebenslangen Lernens ändert sich auch die Rolle der Lehrer und Lehrerinnen sowohl im öffentlichen Bildungswesen als auch in der Erwachsenenbildung in Richtung Lernberater oder Lernberaterin beziehungsweise Lernbegleiter oder Lernbegleiterin, und zwar unabhängig davon, ob dies von schulischen oder außerschulischen Institutionen wahrgenommen wird oder nicht. Die Wirkung von erfolgreichen internationalen Firmen wie Google oder Prezi auf die Arbeits- und -lernkultur und auf die Bildungslandschaft wird schneller sichtbar als 50 Jahre pädagogische Forschung. Arnold (2012), einer der namhaftesten deutschen Vertreter der Andragogik, geht von einer ähnlichen Entwicklung wie bei innovativen Startup-Firmen aus, die in wenigen Jahren voraussichtlich zur Realität wird: <?page no="281"?> 281 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung Das Lehren ist nicht zu retten-- und mit ihm auch nicht die lehrorientierten Didaktikmodelle. Eine nachhaltige Förderung und Begleitung kompetenzbildenden Lernens setzt deshalb Lehrkräfte voraus, die keine (mehr) sind. Sie sind vielmehr Lernspezialisten, die das Lernen anderer Menschen anzuregen, zu begleiten und zu fördern verstehen. Eine in diesem Sinne ,kluge‘ Lehre ist Lernberatung. Sie fußt auf einer Didaktik, die sich als Wissenschaft vom Lernen, seiner Förderung und Begleitung versteht. (Arnold 2012: 54) Die Lehrerforschung (vergleiche Hascher 2001; Messner & Reusser 2000; Zeichner & Liston 1996) zeigt seit den 80er-Jahren, dass die meisten Lehrpersonen, besonders in pädagogisch schwierigen Situationen, dazu neigen, so zu unterrichten, wie sie unterrichtet wurden. Vor diesem Hintergrund deckt die Fort- und Weiterbildung, die unter anderem durch die regelmäßige Aktualisierung von Curricula und die wachsenden Anforderungen an Lehrkräfte aufgrund von sich stets verändernden sozio-ökonomischen Bedingungen motiviert ist, den Bedarf an ständiger professioneller Weiterentwicklung und erstreckt sich dabei über das ganze Berufsleben von Lehrkräften: Lehrerfortbildung hat vielfältige Perspektiven: Sie trägt zur Qualität und Weiterentwicklung des Schulwesens bei und hilft der Lehrkraft, sich dem Wandel der gesellschaftlichen Anforderungen zu stellen. Sie unterstützt das personale Selbstverständnis und die berufliche Identität des Lehrers. Sie kann auch Aufgaben der Ausbildung und der Weiterbildung übernehmen.-[…] Lehrerfortbildung als Instrument der Personalbzw. Organisationsentwicklung umfasst eine geplante Weiterqualifizierung, Begleitung der beruflichen Entwicklung und Prävention berufsimmanenter Probleme. Sie trägt zur Professionalisierung der Lehrkräfte im Umgang mit allen am Schulleben Beteiligten bei, bereitet sie für neue Aufgaben vor und bildet Funktionsträger und Führungskräfte in Schule und Schulverwaltung aus. Sie bietet Unterstützung in Form von Qualifizierungs- und Trainingsangeboten, die auf die jeweiligen beruflichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. August 2002 Az.: III / 7-P 4100-6 / 51 011) Die veränderten Auffassungen über das Lehren und das Lernen stehen in engem Zusammenhang damit, dass im Sinne des lebenslangen Lernens gewisse Lernsituationen und Lernprozesse eine höhere Akzeptanz gewonnen haben. Neben dem formalen Lernen, das sich auf die traditionelle, institutionell eingebettete Form der Bildung bezieht, haben das non-formale Lernen und das informelle Lernen an Bedeutung und Anerkennung gewonnen, was zeigt, dass das Lernen nicht an Schulen gebunden ist und Lernprozesse in allen Lebensbereichen und in allen Lebensphasen stattfinden können. Das non-formale und das informelle Lernen bezeichnen natürliche Formen des Lernens, durch die Erwachsene den eigenen Ansprüchen entsprechend gewisse Kompetenzen erwerben oder Wissenslücken füllen. Diese beiden Formen des Lernens müssen wiederum genauer differenziert werden: Non-formal oder nichtformal werden die Lernformen genannt, bei denen eine Art Betreuung besteht (Curriculum, Lernmaterial, Betreuer oder Lehrperson). Informelles Lernen bedeutet hingegen, dass man aus den Lebenserfahrungen, aus Tätigkeiten in der Arbeitswelt oder in der Freizeit kontinuierlich lernt. Um die Jahrtausendwende wurden unterschiedliche internationale Projekte ins Leben <?page no="282"?> 282 8. Lehren Lernen gerufen (zum Beispiel das OECD -Projekt RNFIL , Recognition of Non-Formal and Informal Learning), in denen untersucht wurde, wie diese unterschiedlichen Lernformen in verschiedenen Ländern mit dem formalen Lernen verbunden werden können (Werquin 2010). Die Verbindung zwischen den beiden Bereichen wirft nämlich interessante Fragen auf, vor allem die der Anerkennung der Lernergebnisse. In der formalen Bildungsstruktur gelten vor allem die erworbenen Zertifikate und Abschlüsse als Beweise für das Lernen, Formen des non-formalen Lernens werden allerdings meistens nicht mit staatlich anerkannten Zertifikaten abgeschlossen und die Lernergebnisse des informellen Lernens werden grundsätzlich nicht zertifiziert. Die Anerkennung von Wissen und Kompetenzen, die vorhanden, aber nicht zertifiziert sind, ist zwar ein schwieriger Prozess, erweitert aber die Möglichkeiten der Erwachsenenbildung, weil dadurch Weiterbildungsformen im formellen Bereich gekürzt oder individualisiert werden können. Dies stärkt wiederum bei Erwachsenen die Motivation fürs Lernen (Werquin 2010). Im Bereich der Lehrerfortbildungen sind diese Tendenzen auch zu beobachten, da die non-formalen und informellen Lernformen in der Weiterentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern immer bedeutender werden. Ab den 90-er Jahren gab es Versuche, Qualitätssicherung unter den unterschiedlichen Fortbildungskursen zu schaffen, in vielen Ländern erscheint im non-formalen Bereich ein Akkreditierungsverfahren, das die Qualität der unterschiedlichen Fortbildungskurse bis zu einem gewissen Grad garantieren kann (Zafeirakou 2002). Das informelle Lernen bleibt auch nicht mehr nur im individuellen Bereich verhaftet, es entwickeln sich nämlich Konzepte dafür, wie das Lehrerkollegium einer Schule miteinander und voneinander lernen kann. Dafür gibt es gute Beispiele in Deutschland, wo die vergleichsweise schlechten Ergebnisse in den PISA -Untersuchungen im Jahre 2000 viele Schulentwicklungsprojekte ins Leben gerufen haben (Eckart, Endler, Schmied & Singer 2005; Rolff 2010). In diesen Projekten werden die Lehrerkompetenzen nicht in kursgebundenen Lernformen weiterentwickelt, sondern alltägliche und konkrete Probleme der Lehrer und Lehrerinnen gemeinsam analysiert, mögliche Lösungen recherchiert und erprobt. Die Ergebnisse zeigen, dass das informelle Lernen von Lehrergruppen sehr gut gesteuert werden kann, wenn entsprechende Rahmenbedingen in der Schule sichergestellt werden. Da diese Form des Lernens mit den täglichen Bedürfnissen der Lehrerinnen und Lehrer in einem engen Zusammenhang steht, ist sowohl die Lernmotivation der Lehrkräfte als auch die positive Auswirkung auf die Unterrichtsqualität groß (Eckart et al. 2005). Über diese Lernformen erfahren Sie mehr in der Lerneinheit 8.2. 8.1.2 Ziele und Konzepte der Fort- und Weiterbildung In den meisten Ländern der Welt haben Lehrerinnen und Lehrer-- genauso wie andere Berufsgruppen-- eine Fortbildungspflicht. Diese ist vielerorts auch mit Prüfungen, Sanktionen oder Karrieremöglichkeiten verbunden, aber die Veränderungen, die sich die Entscheidungsträger von diesen Veranstaltungen erhoffen, sind in der reellen Unterrichtspraxis oft kaum spürbar. Nachhaltige Wirkungen zeigen längerfristige Maßnahmen, die in Krisensituationen an ganzen Institutionen im Interesse einer positiven Veränderung der Situation durchgeführt werden oder an denen aus welchem Grund auch immer intrinsisch hochmotivierte Lehrerinnen und Lehrer teilnehmen. Im Folgenden sollen einige terminologische Aspekte geklärt <?page no="283"?> 283 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung werden, die selbst unter Fachexperten im Berufsalltag im deutschsprachigen Raum immer wieder für Verwirrung sorgen, nämlich die unterschiedlichen Arten von Lehrerbildung. Grundsätzlich werden in der Lehrerbildung vier Bereiche differenziert: die Ausbildung, die Praxiseinführung, die Lehrerfortbildung und die Lehrerweiterbildung. In der Realität werden aber lediglich die ersten zwei oder drei (je nach Land) praktiziert. Durchdachte, geduldige und längerfristige Konzepte, die alle vier Bereiche umfassen, sind rar. Die Lehrerbildung in Europa wird von den einzelnen Staaten geregelt und auf diesem Gebiet gibt es eher länderübergreifende Kooperationen zwischen den Institutionen der Ausbildung, der Praxiseinführung, der Fortbildung und der Weiterbildung als zwischen den Institutionen innerhalb der Lehrerbildung des eigenen Landes. Der Bologna-Prozess beschleunigte die Modularisierung der Lehrerausbildung durch die Formulierung von Lernergebnissen (learning outcomes) und durch Anerkennung des anderswo erworbenen Wissens, was aber bis dato kaum spürbare Konsequenzen für die Lehrerfort- und -weiterbildung hat; nur vereinzelt finden wir internationale Masterprogramme zur Lehrerfortbildung, unter anderem aufgrund sehr strenger gesetzlicher Auflagen in den einzelnen Ländern (zum Beispiel wird ein ausländischer Lehramtsabschluss in Deutschland nicht direkt anerkannt). Die Begriffe Fort- und Weiterbildung werden oft als Synonyme verwendet, wobei sie als unterschiedliche Phasen des Lernprozesses zu interpretieren sind und in der Realität oft verschmelzen, weswegen sie eher als ein Kontinuum anzusehen sind. In der Fortbildung frischen Lehrpersonen das Gelernte auf und erwerben neue pädagogisch-didaktische, methodischfachwissenschaftliche und bildungspolitische Kenntnisse und Erkenntnisse, um diese im Unterricht mit ihren Schülerinnen und Schülern an ihrer Schule umzusetzen. Lehrpersonen können zu regelmäßiger Teilnahme an berufsbegleitenden Fortbildungsveranstaltungen verpflichtet werden und sich auch an zusätzlichen Fortbildungsveranstaltungen beteiligen. Die Leistungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer solcher Veranstaltungen können von den verschiedenen berechtigten Trägerinstitutionen durch Bestätigungen anerkannt werden. In der Weiterbildung erwerben (meist) bereits fortgebildete Lehrpersonen hingegen zusätzliche Kompetenzen, die sie befähigen, im öffentlichen Bildungswesen eine neue Funktion (zum Beispiel Fachberaterin oder Fachberater, Mentorin oder Mentor, Fachexperte oder Fachexpertin, Schulleiterin oder Schulleiter, Inspektorin oder Inspektor, Lehrerfortbildnerin oder Lehrerfortbildner) auszuüben. Die zentralen, berufsbegleitenden Lehrgänge, die meist von staatlichen Institutionen durchgeführt werden, basieren stets auf einem Curriculum. Die Leistungen der Lehrpersonen werden durch (anerkannte) Zertifikate bestätigt. Lehrerfort- und -weiterbildungen können auf didaktischer Ebene unterschiedlich ablaufen, da sie nach Prinzipien des geschlossenen oder des offenen didaktischen Modells konzipiert werden können (vergleiche Sapsál 2000: 179-198; vergleiche auch rationalistische oder erfahrungsbasierte Ansätze zur Fortbildung in Lerneinheit 8.3). Das geschlossene Modell zeigt eine meist von außen und von oben bestimmte Herangehensweise, nach der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen als Teile eines Systems fungieren sollen. Im offenen didaktischen Modell stehen hingegen die Entwicklung der fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen der teilnehmenden Lehrkräfte im Mittelpunkt. <?page no="284"?> 284 8. Lehren Lernen Im geschlossenen didaktischen Modell sollen Lehrpersonen ihre fachlichen Kenntnisse anhand neuester Erkenntnisse aus der Wissenschaft auffrischen, ihre Kenntnisse erweitern, ihre Einstellungen und Ansichten im Spiegel neuer Lernziele, moderner Technologien, der Veränderung der Lernumwelt und aktueller Forschungsergebnisse modifizieren. Sie sollen befähigt werden, zentral verordnete Veränderungen in den Lehrplänen und auf anderen Gebieten der Unterrichtspraxis umzusetzen. Die Schulen wiederum sollen dazu befähigt werden, Lehrpläne und neue Strategien weiterzuentwickeln und umzusetzen. Der Informations- und Expertisenaustausch soll zwischen Lehrpersonen und Hochschulangehörigen oder Vertretern der betrieblichen Praxis erfolgen und die Lehrpersonen sollen Hilfestellungen zur Verbesserung ihrer Unterrichtstätigkeit bekommen. Im Gegensatz dazu wird im offenen didaktischen Modell von den Erfahrungen der Lehrpersonen ausgegangen und ihnen wird ermöglicht, durch neue Lern-, Lehr- und Bewertungserfahrungen sowie Beobachtungs- und Aufarbeitungsaufgaben den eigenen Lernprozess zu reflektieren und die eigenen Entwicklungsrichtungen zu bestimmen. Die Aufgabe der Lehrkräfte ist die Suche nach Fragestellungen und deren verschiedenen Lösungen, die auf Untersuchungen, Beobachtungen, Reflexionen und Experimenten beruhen. Statt isolierter Lernerfahrungen wird kooperatives und soziales Lernen bevorzugt und Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch in den Mittelpunkt gestellt (siehe Schulentwicklungsprojekte in Lerneinheit 8.2 und Lerngemeinschaften in Lerneinheit 8.3). Der Transfer der bearbeiteten Inhalte, Methoden und Gedanken in den eigenen Unterricht ist gewährleistet und durch gemeinsame Problem- und Antwortsuche, durch Entwicklung von brauchbaren Modellen werden Verbindungen zur Schule als Ort des Lernens gesucht. Vergleicht man die zwei Modelle, so lässt sich feststellen, dass die Lehrerfortbildung sowohl in einem geschlossenen als auch in einem offenen Modell, die Lehrerweiterbildung hingegen ausschließlich in einem offenen didaktischen Modell umsetzbar ist. Wie sich diese zwei grundsätzlichen Modelle von Fortbildungen auf die Planung und Phasierung der Lernprozesse auswirken, wird in Lerneinheit 8.3 behandelt. 8.1.3 Paradigmen der Erwachsenenbildung Das lebenslange Lernen für Alle soll auf der Grundlage einer konstruktivistischen Lernauffassung und eines „handlungsbezogenen Pragmatismus" (Dohmen 1999: 9) Menschen ermöglichen, durch zielbewusstes Aufnehmen, durchdachtes Verarbeiten, „wertendes Interpretieren und vergleichendes Integrieren" (Dohmen 1999: 9) neuer Informationen im breitesten Sinne ihre Erkenntnis-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz ständig zu erweitern und zu reflektieren, um sich in verschiedenen Situationen selbst behaupten, in sozialen Kontexten beteiligen zu können und gesellschaftspolitische Verantwortung wahrzunehmen. Vereinfacht kann man sagen, dass jedem Bürger und jeder Bürgerin durch Bildungsangebote die Möglichkeit in der Gesellschaft gegeben werden soll, das eigene Lebensprojekt kompetent managen zu können. Nach Dohmen führt die zunehmende Pluralisierung zur Auflockerung vorherrschender einheitlicher Strukturen und zur Herausbildung einer gleichberechtigten Vielfalt von diversen Wegen, Formen, Systemen und Optionen. Daraus folgt, dass Menschen in allerlei Lebenssituationen zunehmend verantwortungsbewusst zwischen alternativen Möglichkeiten wählen können und müssen. Diese Entwicklungstendenzen schränken aber die Möglichkeiten einer <?page no="285"?> 285 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung zentralen Planung und Regelung ein und führen zur Verlagerung der Entscheidungen und der Verantwortung auf die betroffenen Individuen und Gruppen vor Ort und tragen zur Verstärkung der dezentralen Strukturen bei. Da die individuellen Lebenswege immer unterschiedlicher werden, können die zentralen, verpflichtenden Bildungsangebote immer weniger den Ansprüchen der Menschen gerecht werden. Paul Watzlawicks berühmtestes Axiom über die Kommunikation-- Man kann nicht nicht kommunizieren! - - kann umformuliert für das Lernen auch zutreffen, nämlich Man kann nicht nicht lernen! Ausgehend von diesem Gedanken erfolgt in der Erwachsenenbildung ein Paradigmenwechsel im Lernen und Lehren, der uns in Bezug auf Formen des Lernens und Lehrens zum Umdenken anleitet und neue Handlungsfelder eröffnet. Somit erleben wir seit Mitte der 90er-Jahre die Verlagerung der Perspektiven, Akzente und Strukturen, also einen Paradigmenwechsel, der in Tabelle 8.1 zusammengefasst dargestellt werden kann. Die Paradigmen koexistieren, wobei das neue Paradigma sukzessive das Alte ablöst. Im Fremdsprachenunterricht hat der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen bedeutend zu diesem Prozess beigetragen, da darin Merkmale des lernerzentrierten und kompetenzorientierten Unterrichts ausführlich beschrieben werden. Außerdem erscheint der handlungsorientierte Ansatz in den Hinweisen zur Unterrichtsplanung und es sind Vorlagen dafür zu finden, wie man in Curricula die Fortschritte der Lerner in Form von Lernergebnissen beschreiben kann. (Europarat 2001, ausführlicher dazu siehe Kapitel 1). Altes Paradigma Neues Paradigma fremdbestimmtes Lernen selbstgesteuertes Lernen instruktionsbezogenes Lernen aufgaben- und projektorientiertes Lernen theoretisch-verbales Lernen praktisch-situatives Lernen Lehrer-Lerner Interaktion Interaktion zwischen Lernern und Problemfeldern rezeptive Wissensspeicherung aktive Wissenskonstruktion und Wissenserneuerung verbindliche Curricula bedürfnisorientierte vielfältige Lernmöglichkeiten kanonbezogenes, komplexitätsanstrebendes Lernen situatives Lernen - konkrete Probleme und exemplarische Beispiele aus der Lebenswelt der Lerner aus einer Fachsystematik abgeleitete kohärente Lerninhalte von den Lernern aufgeworfene Problemzusammenhänge bilden den inhaltlichen Faden Lernen findet in nur für Lernen geschaffenen Institutionen statt (Schule, Bildungsinstitutionen) plurale Lernumgebungen wie: Gesprächscafés oder Lerncafés, Medienzentren, Lernateliers, Recherche- Stationen, Performance-Studios, Kunstwerkstätten, Ausstellungsräume, Lesesalons zertifikats- und berechtigungsbezogenes Lernen Dokumentation der Lernbiographie (Portfolios) von Experten erstellte Lehrmaterialien, vorwiegend in Form von Büchern im virtuellen Raum von verschiedenen Personen zu verschiedenen Anlässen erstellte Artikel, Präsentationen, Videos, Blogs, Videoblogs und Webinare bieten die Grundlage für die Aufarbeitung von Themen Lernen in fixen Lerngruppen Lernen in offenen Communities Tabelle 8.1: Das alte und das neue Paradigma (nach Dohmen 1999) <?page no="286"?> 286 8. Lehren Lernen Experiment Notieren Sie sich fünf angenehme und drei unangenehme konkrete, von Ihnen erlebte Lernsituationen aus Ihrer Lernbiographie. Überlegen Sie sich, was die Gründe für Ihre Empfindungen waren. Tauschen Sie sich im Forum aus! Formulieren Sie zusammen drei Aussagen in Bezug darauf, was diese erlebten angenehmen und unangenehmen Lernsituationen für Ihre Tätigkeit als Sprachlehrkraft bedeuten. Überlegen Sie, wie sich diese Situationen auf Ihren Unterricht auswirken (werden). Das Ziel des Lernens ist letztendlich, in verschiedenen wechselnden Anforderungssituationen verstehend und handelnd zurechtzukommen. Um Lernern bei der Erreichung dieses Richtziels behilflich sein zu können, soll Lernberatung verstärkt gefördert und für das lebenslange Lernen ein Lernmarketing betrieben werden, anhand dessen der Schul- und Lernfrust vieler Erwachsener abgebaut werden kann. Für die Lehrerfort- und -weiterbildung heißt das, dass Lehrpersonen einerseits auf die Aufgabe des kompetenten Lernberaters beziehungsweise der kompetenten Lernberaterin vorbereitet werden sollen, andererseits in der eigenen Fortbildung mit (autonomen) Lernmöglichkeiten konfrontiert werden sollen, die sie auf ihre schulische und außerschulische Situation bewusst transferieren können. Diese Idee ist vor allem durch den Ansatz des Handlungslernens stark geprägt, der im Folgenden in seinen Grundzügen präsentiert werden soll. Handlungslernen ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die Menschen mit ihren kognitiven, emotionalen und motorischen Fertigkeiten als Ganzes anspricht. Um diese drei Ebenen im Lernprozess miteinander verknüpfen zu können, werden Lernszenarios entwickelt, die (intensive) Lernerlebnisse und mehrkanaliges Lernen, also das Lernen durch Handeln mit der Übernahme der Verantwortung für das selbstständige Lernen ermöglichen. Handlungslernen weist eine große Vielfalt an verschiedenen Methoden auf und bildet die Grundlage für projektorientiertes Lernen und diverse Lernprojekte. Ein Akzent des Handlungslernens liegt auf der Schulung der Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung von Fremden und der Sensibilität, wodurch es eine Basis für interkulturelles Lernen darstellt. Folgerichtig werden heutzutage in Fortbildungsgängen auch Schnupperkurse in den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unbekannten Sprachen angeboten, damit sie sich in die Welt der Lerner hineinversetzen können und dadurch noch mehr Rücksicht auf potenzielle Lernschwierigkeiten nehmen können. Die Verantwortung für sich, für das eigene Lernen und die bewusste Reflexion des eigenen Handelns und des Lernprozesses wurden von John Dewey (amerikanischer Philosoph, Pädagoge 1859-1952) und von seinem Altersgenossen, William James nach den Schriften von Rousseau und Pestalozzi als wichtige Grundlage für die reformpädagogischen Bewegungen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts formuliert. Im Mittelpunkt des Handlungslernens stehen die Schlüsselqualifikationen (zum Beispiel Handlungskompetenz, soziale Kompetenz, Medienkompetenz, Selbstkompetenz), die uns ermöglichen, unerwartete und komplexe Lebenssituationen und Anforderungen in den Griff zu bekommen (Siebert 2009). Die soziale und die Selbstkompetenz werden zum Beispiel in den unterschiedlichen kooperativen Arbeitsformen gefördert. Eine effiziente Umsetzung handlungsbasierter Lernprozesse im <?page no="287"?> 287 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung Rahmen von Lehrerfort- und -weiterbildungen bedarf auch flexibler Instrumente, die den Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes und dem stets heterogenen Bedarf gerecht werden können. In dieser Hinsicht bieten Fort- und Weiterbildungskonzepte, die Präsenz- und Online-Lernphasen miteinander kombinieren, ein enormes Potenzial, das von Roche und Suñer (2015: 346 f) wie folgt zusammengefasst wird: (1) Die aktuelle Arbeitsbelastung der Lehrkräfte verlangt nach flexiblen und dynamischen Fort- und Weiterbildungsformaten. Zugang über alle möglichen geografischen, fachlichen, zeitlichen und anderen Distanzen hinaus gehört daher zu modernen Fort- und Weiterbildungskonzepten. (2) Gleiches gilt auch für die grundständige Ausbildung, die oft parallel zu einem Beruf oder einer weiteren Ausbildung erfolgt und sich daher ggf. auch länger hinzieht und über größere Distanzen erfolgt. (3) Da die Weiterbildung schnelllebiger geworden ist, verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen traditioneller Fort- und Weiterbildung und Ausbildung. Es wird in der Ausbildungspraxis daher nicht selten vorkommen, dass neuere Fort- und Weiterbildungsmodule die aktuelle Forschung besser und zugänglicher präsentieren als ältere Ausbildungsmodule, die sich auf überholte Literatur stützen. Fort- und Weiterbildung und Ausbildung können also Synergieeffekte produzieren, wenn sie gut aufeinander abgestimmt sind. Die Kombination von Online- und Präsenzphasen, die auch als Blended Learning bekannt ist, unterliegt keinen bemerkenswerten Beschränkungen, denn die mediale Realisierung ermöglicht grundsätzlich alle Sozialformen, die auch in Präsenzveranstaltungen eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang beschreiben Roche & Suñer (2015: 353) die Funktionen des Videokonferenztools der Plattform, die zur Vertiefung der vorliegenden Reihe „Kompendium DaF / DaZ“ genutzt wird: Im Videokonferenztool- […] können z. B. videobasierte Vorlesungen mit der entsprechenden Anzeige der Powerpoint-Folien synchronisiert und bei Bedarf in Kombination mit dem interaktiven Whiteboard genutzt werden. Die Dozentin kann im Videokonferenztool die Kursteilnehmer in verschiedene Gruppen mit jeweils einem eigenen Whiteboard einteilen und später die Ergebnisse aus den Gruppen-Whiteboards auf das allgemeine Whiteboard zur Diskussion im Plenum übertragen. Während der Vorlesungen oder Plenumsdiskussionen sind auch vielfältige Funktionen zur besseren Interaktion möglich, wie z. B. „Hand heben“, „Zustimmung / Ablehnung ausdrücken“, „langsamer / schneller“, „Verwirrung“ etc. Insgesamt bietet die Plattform mit dem Videokonferenztool und weiteren Werkzeugen wie Wikis, Forum, Chat, Audio / Video-Aufnahmen, Blogs etc. vielfältige Möglichkeiten und qualitativ unterschiedliche Wege der synchronen und asynchronen Kommunikation zwischen den Kursteilnehmern untereinander sowie zwischen den Dozenten und den Kursteilnehmerinnen. Es ist dennoch darauf hinzuweisen, dass sich der erwünschte Lernmehrwert durch den Einsatz der Medien erst durch eine handlungsbasierte Gestaltung der Lernarrangements erzielen lässt, die wiederum verschiedene Lernformen kombiniert (zum Beispiel forschendes, <?page no="288"?> 288 8. Lehren Lernen kollaboratives, produktorientiertes und individualisiertes Lernen; vergleiche Schulz-Zander & Tulodziecki 2011, Suñer & Paland 2015). Dies soll die Skizze von Claudia Wiepcke (2006) zu Blended Learning veranschaulichen (Abbildung 8.1): Blended Learning Methoden Theorien Medien asynchron synchron Behaviorismus Kognitivismus Konstruktivismus offline online Selbstlernen Informelles Lernen Teletutoring Präsenzunterricht Gruppenarbeit Drill & Practice Textpräsentationen Tutorielle Systeme Adaptive Systeme CD-ROM Pädagogische Spiele Simulationen Printmedien Mikrowelten Video/ Fernsehen Website Application Sharing Videokonferenz Chat E-Mail Newsgroup Abbildung 8.1: Blended Learning nach Wiepcke (2006: 69) 8.1.4 Konsequenzen für die Konzipierung von Fort- und Weiterbildungen Die Erwachsenenbildung hat erst in den 50er-Jahren an Bedeutung gewonnen. Vor allem die diversen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der politischen Bildung führten dazu, dass sowohl die Lehrerbildungspraxis als auch die Lehrerforschung sich im Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse jeweils mit der Erstellung und Evaluierung neuer Konzepte intensiv beschäftigten. Dabei ging es unter anderem darum zu differenzieren, unter <?page no="289"?> 289 8.1 Grundlagen der Erwachsenenbildung welchen Gesichtspunkten sich die Lernprozesse von Kindern und Erwachsenen voneinander unterscheiden. Vor dem Hintergrund der vorhergehenden Einheiten lässt sich festhalten, dass Lernprozesse bei Kindern und Erwachsenen zwar ähnlich ablaufen, es jedoch marginale Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter und Lebenserfahrung der jeweiligen Personen gibt. In dieser Hinsicht nennen Meier-Gantenbein & Späth (2006: 17 f) vier wichtige lernpsychologische Unterschiede: (1) Erwachsene lernen eher kontextbezogen als faktenbezogen: je älter man wird, desto schwieriger fällt es einem, isolierte Fakten zu lernen. Dies hängt einerseits mit der Funktion unseres Gehirns, andererseits mit der Verringerung der Bereitschaft, etwas nicht Sinnvolles zu lernen, zusammen. (2) Erwachsene lernen eher anwendungsbezogen als prüfungsbezogen. (3) Erwachsene lernen selbstbestimmter. (4) Erwachsene verfügen über eine längere Lerngeschichte und sind sich daher in größerem Maße ihrer eigenen Lernerfahrungen und Lernstrategien bewusst. Aus diesen Unterschieden ergeben sich Anforderungen, die bei der Gestaltung der Lernarrangements von Lehrerfortbildungen erfüllt werden sollen und die Joss (2000: 379 f.) wie folgt zusammenfasst. Lehrkräfte können von Lehrerfortbildungen profitieren: ▶ wenn sie sich in einem sicheren Lernklima befinden; ▶ wenn sie eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts erleben, sich selbst ernst nehmen und von anderen ernst genommen werden; ▶ wenn sie zu ihren eigenen Erfahrungen stehen und diese auch von den andern geschätzt sehen; ▶ wenn sie Zeit erhalten, diese Qualitäten in einem Geiste der Offenheit zielorientiert zu entwickeln; ▶ wenn sie vom Hier und Jetzt, den aktuellen Problemen ihrer beruflichen Praxis ausgehen und anhand aktueller Beispiele lernen können; ▶ wenn sie Erfahrungen reflektieren und sie als Quelle des Lernens und der Entwicklung selbstkritisch nutzen können; ▶ wenn sie ihre kurz-, mittel- und langfristigen Ziele selbst bestimmen können, und das sowohl bezogen auf persönliche Bedürfnisse als auch auf berufliche Anforderungen; ▶ wenn sie die Verantwortung für die Planung ihres Lernens übernehmen und mit anderen verhandeln können; ▶ wenn sie aktiv in den Lernprozess einbezogen werden und erleben, dass ihr Beitrag gewürdigt und geschätzt wird; ▶ wenn sie ihre Erfahrung, Reflexion und Problemlösestrategien mit allgemeinen Prinzipien verbinden können; ▶ wenn sie die Verantwortung für ihr individuelles Lernen übernehmen; ▶ wenn sie die Dynamik der Lerngruppe als Lernchance sehen; ▶ wenn sie autonom werden und ihr Lernen selbst bestimmen. <?page no="290"?> 290 8. Lehren Lernen Auf der Basis dieser Unterschiede werden in der Lerneinheit 8.2 dieses Bandes Merkmale und Formen der Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte festgelegt und die unterschiedlichen Formen des Lernens von Lehrkräften gesammelt und analysiert. Wie sich diese Konsequenzen bei der Planung und Durchführung von Fortbildungen umsetzen lassen, erfahren Sie in Lerneinheit 8.3. 8.1.5 Zusammenfassung ▶ Das Konzept des lebenslangen Lernens hat das Denken über die verschiedenen Lernformen grundsätzlich verändert: neben den institutionell eingebetteten Strukturen haben die non-formalen und informellen Formen des Lernens an Akzeptanz und Prestige gewonnen. ▶ Den Zielsetzungen entsprechend können Fort- und Weiterbildungen von Lehrkräften nach dem geschlossen oder nach dem offenen didaktischen Modell gestaltet werden. ▶ In der Erwachsenenbildung ist genauso ein Paradigmenwechsel zu beobachten, wie auch im Unterricht von Kindern: neben dem lehrerzentrierten Ansatz, dessen Kern die Wissensvermittlung bildet, erscheint der lernerzentrierte Ansatz, der eher Kompetenzförderung erzielen möchte. ▶ Handlungslernen wird in der Erwachsenenbildung genauso hochgeschätzt, wie im Unterricht von Kindern. In der Erwachsenenbildung hat Handlungslernen eine große Bedeutung, weil dadurch der Transfer in den eigenen Unterricht erleichtert wird. ▶ Blended Learning ist eine häufige Lernform in der Erwachsenenbildung, die versucht die Vorteile des traditionellen, kursgebundenen Lernens und die des Online-Lernens zu nutzen. In dieser Lernform werden unterschiedliche Medien, Methoden und Ansätze verknüpft. ▶ Das Lernen von Erwachsenen läuft ähnlich wie das der Kinder, trotzdem unterscheiden sich die beiden Prozesse aber deutlich voneinander. 8.1.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche Alternativen gibt es zum formalen Lernen? 2. Was beinhaltet das offene didaktische Modell und warum ist es wichtig, dass in der Erwachsenenbildung möglicherweise nach dem offenen Modell gearbeitet wird? 3. Wie interpretieren Sie den Paradigmenwechsel in Lehrerfort- und -weiterbildungen? Nennen Sie einige Merkmale des neuen Paradigmas! 4. Welche Vorteile hat Blended Learning? 5. Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Lernen von Kindern und Erwachsenen? <?page no="291"?> 291 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften Anna Majorosi & Ágnes Einhorn In der ersten Lerneinheit dieses Kapitels haben Sie die Grundlagen des lebenslangen Lernens sowie die wichtigsten Lernparadigmen der Erwachsenenbildung kennengelernt. In dieser Einheit werden die Qualitätsmerkmale und die unterschiedlichen Formen der Fortbildungen von Lehrkräften gesammelt und beschrieben. Die grundsätzliche Frage dieser Einheit lautet: Welche Aspekte tragen zu einer besseren Qualität der Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte bei? Die fördernde Lernumgebung ist bei Fortbildungsveranstaltungen nicht nur wegen des besseren Lerneffekts wichtig, sondern auch wegen des Transfererfolgs: Bei der Qualität von Fortbildungsveranstaltungen ist es nämlich ausschlaggebend, welche Auswirkungen sie auf das Verhalten der Lehrkräfte haben und wie die Nachhaltigkeit der Auswirkungen zu sichern ist. Es gibt unterschiedliche Fortbildungsformate und neben den kursgebundenen Formen sind auch Veranstaltungen nützlich, in denen die Lehrkräfte Netzwerke bilden und in diesen Lerngruppen miteinander und voneinander lernen. Besonders interessant sind Schulentwicklungsprojekte, in denen meistens unterschiedliche Lernformen kombiniert werden und die dazu dienen, dass ein Lehrerkollegium die eigenen pädagogischen Probleme versteht und angebrachte Problemlösungen findet. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Qualitätsmerkmale von Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte interpretieren können; ▶ die Bedeutung des Transfers erkennen, also bewusst darauf achten können, wie Inhalte, Methoden und Szenarios von Fortbildungen den Weg in den eigenen Unterricht finden; ▶ das breite Spektrum an möglichen Formen von Fortbildungsveranstaltungen kennen; ▶ Vor- und Nachteile von Schulentwicklungsprojekte verstehen. 8.2.1 Wie sind gute Lehrerfortbildungen gestaltet? Die Anforderungen an eine zeitgemäße Lehrerfort- und -weiterbildung (im Weiteren nur Fortbildung genannt) sind sehr hoch, angefangen mit der Auffrischung der Fachkenntnisse der Lehrkräfte durch die Erneuerung ihres pädagogischen Repertoires unter sich ständig verändernden gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedingungen, über die Bekämpfung des Burn-Outs und die Stärkung der persönlichen und sozialen Kompetenzen bis hin zur Unterstützung von Schulentwicklungsprozessen und der Vorbereitung auf verschiedene Funktionen im Bildungswesen. Es ist also schwierig allgemeine Grundsätze dafür zu finden, welche Merkmale gute Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte haben sollten. In früheren Einheiten dieses Bandes haben Sie unterschiedliche Überlegungen dazu gelesen, wie guter Unterricht aussehen sollte: Zum Beispiel wurden in Lerneinheit 6.2 Merk- <?page no="292"?> 292 8. Lehren Lernen male guten und schlechten Unterrichts und in der Einheit 7.1 Merkmale der fördernden Lernumgebung gesammelt. Die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen sind dementsprechend Aktivität (Handlungsorientierung, Teilnehmeraktivierung), Kooperation, Lernerautonomie und der Bezug zur Realität der Lerner. Lehrerfortbildung ist auch eine Art Unterricht, denn der Lernprozess von Erwachsenen hat viele Gemeinsamkeiten mit dem von Kindern, es gibt aber auch Unterschiede (siehe dazu Lerneinheit 8.1). Für das Erreichen einer möglichst hohen Qualität von Lehrerfortbildungen ist es deshalb ausschlaggebend, dass allgemeine Aspekte des erfoglreichen Lernens beachtet und die Veranstaltungen „erwachsenengerecht“ gestaltet werden (ausführlicher dazu siehe Paradigmenwechsel in Tabelle 8.1, Lerneinheit 8.1). Im Folgenden werden zunächst Merkmale der fördernden Lernumgebung beschrieben, dann beschäftigen wir uns mit dem Problem, wie der Transfer in den Unterricht gewährleistet werden kann und zum Schluss wird besprochen, wie die Ergebnisse von Fortbildungsveranstaltungen aus bildungspoltischer Sicht interpretierbar sind. Die fördernde Lernumgebung Ein wichtiges Qualitätsmerkmal von gutem Unterricht ist, dass die Lernumgebung den Entwicklungsprozess der Lerner untersützt, indem unter anderem lerneraktivierende und kooperative Methoden verwendet, die Lernerautonomie gestärkt und die formative Bewertung eingesetzt wird ( OECD 2010). Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte können also unabhängig vom zentralen Thema einen großen Beitrag zur pädagogischen Kultur der Lehrer und Lehrerinnen leisten, da Lehrkräfte in diesen Veranstaltungen erleben können, wie diese Merkmale aus der Lernerperspektive funktionieren und welchen Beitrag die Handlungsorientierung oder die Kooperation zum Lernen leisten können. In der Schulpraxis ist der Zeitdruck, der durch Lehrpläne oder durch gesellschaftliche Erwartungen entsteht, meistens sehr groß und da alle lerneraktivierenden Methoden zeitaufwendiger als Lehrervorträge sind, weigern sich die Lehrkräfte oft, die gewohnte lehrerzentrierterte pädagogische Kultur zu verlassen. In Fortbildungsveranstaltungen können Lehrerinnen und Lehrer erleben, dass lerneraktivierende Methoden nicht zwecks der Auflockerung der Lernsituation oder der Belohnung nach dem disziplinierten Zuhören eingesetzt werden, sondern dass sie einen wichtigen Bestandteil des Lernprozesses darstellen. Die fördernde Lernumgebung ist daher in Fortbildungsveranstaltungen auf zwei Ebenen wichtig: Einerseits können dadurch in den Veranstaltungen bessere Lernergebnisse erzielt werden, andererseits bedeutet sie aber auch eine Lernerfahrung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Lehrkräfte können die Intensität der handlungsorientierten Arbeit erleben, den Lerneffekt der Methode „learning by doing“ erfahren oder zum Beispiel Vor- und Nachteile der kooperativen Arbeit während der Stunde erleben. Handlungsorientierung setzt auch technische Aspekte voraus, die Lehrkräfte beobachten können: Organisation und Gestaltung von Aufgaben, die Behandlung von Problemen bei der Kooperation, die Bearbeitung und die Evalution von Gruppenergebnissen. Für Lehrkräfte kann auch interessant oder bestätigend sein, wie Kursleiter und Kursleiterinnen oder Betreuer und Betreuerinnen mit Fehlern <?page no="293"?> 293 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften umgehen, wie sie Ergebnisse evaluieren, wie Produkte fördernd bewertet werden oder wie Problemsituationen in der Gruppe behandelt werden. In Fortbildungsveranstaltungen können Lehrkräfte auch erfahren, wie Lernerautonomie zu verwirklichen ist, wie also die Lerner für das eigene Lernen verantwortlich gemacht werden können. Die Teilnehmerorientierung ist daher auch auf zwei Ebenen zu interpretieren: Erstens müssen Themen, Arbeitsformen und die Organisation der Veranstaltungen mit den Teilnehmern in unterschiedlichen Diksussionsprozessen ausgehandelt werden, damit die Veranstaltung zielgerechter abläuft, zweitens können Lehrer und Lehrerinnen dadurch Erfahrungen darüber sammeln, wie Entscheidungsprozesse in einer Gruppe mit flacher Hierarchie ablaufen und wie weit die Entscheidungen bei Wahlmöglichkeiten die eigene Verantwortung verstärken. Ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal von Fortbildungen für Lehrkräfte ist die Motivation der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Es ist nämlich wichtig, dass die Nützlichkeit von Themen und Formen der Veranstaltungen für die Lehrer und Lehrerinnen transparent erscheinen und sie die Transfermöglichkeiten für den eigenen Unterricht schnell entdecken können. Dies ist aber nicht immer einfach, da die Ziele der Lehrerfortbildung von gesellschaftlichen Interessen, von den involvierten Institutionen, von den Adressatinnen und Adressaten sowie vom Selbstanspruch und der Rollendefinition der Kursleiterinnen und Kursleiter beeinflusst werden. Die gesellschaftlichen Interessen sind nach Nezel (1992) von den Tendenzen des kulturepochalen und wirtschaftstechnologischen Wandels, von weltanschaulichen Strömungen, von Forschungskonzepten und Forschungsmethoden, pädagogischen Richtungen, Erziehungsbildern, von der Entstehung neuer wissenschaftlicher Fachdisziplinen und Technologien, von methodischen Modetrends, von lokalen methodischen Bräuchen und von der Auffassung der Aufgabe und Funktion von Schule geprägt. Transfer in den Unterricht Organisierte Fortbildungen sollen auf jeden Fall einen Bezug zur Schule herstellen, also schul- und unterrichtsbezogen sein, es ist aber gar nicht so einfach Praxisbezogenheit und wissenschaftliche Fundiertheit miteinander zu vereinbaren. In diesem Abschnitt wollen wir behandeln, wie Praxisbezogenheit realisierbar ist und welche Rolle dabei die Reflektivität spielt. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal ist, dass Fortbildungen wissenschaftlich (sowohl pädagogisch als auch fachwissenschaftlich) gestützt sein sollen. Das oft erwähnte und vorgeschlagene Prinzip für die gesamte Lehrer- und Lehrerinnenbildung „aus der Praxis für die Praxis" wirft aber auch das Problem auf, wie weit Theorie und Praxis miteinander verknüpft werden können. Da die Praxis meistens an zu konkrete Lernsituationen gebunden ist, besteht die Gefahr, dass Lehrer und Lehrerinnen nur konkrete Vorgehensweisen („Tipps und Tricks“) mitnehmen, ihre pädagogischen Einstellungen aber unberührt bleiben. Es ist daher wichtig, dass Fortbildungen zwar von der Praxis der Erziehungswirklichkeit ausgehen, sie müssen aber auf dem Weg der theoretischen Reflexion in diese Praxis zurückkehren (vergleiche Roche & Suñer 2015). Lehrer- und Lehrerinnenfortbildung im fachdidaktischen Bereich kann sich somit weder allein auf die Systematisierung ihres Problemfeldes beschränken, noch kann sie <?page no="294"?> 294 8. Lehren Lernen sich lediglich an praktischen Problemsituationen orientieren: Sie ist weder ausschließlich systematische Theorie, noch ein bloßes (wenn auch noch so reiches) Inventar von Fallstudien und Vorschlägen zur Unterrichtsgestaltung. Den Transfer in den eigenen Unterricht erleichtern reflexive Tätigkeiten, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Erstens ist es im Entwicklungsprozess von Lehrern und Lehrerinnen wichtig, dass sie in den Veranstaltungen die Möglichkeit haben, die eigenen früheren Schulerlebnisse (die sie als Schüler gesammelt haben) zu reflektieren, dadurch können sie nämlich die Auswirkungen von Lehrerhandlungen besser verstehen. Zweitens müssen sie bei der Behandlung der Themenbereiche der Veranstaltung ständig die eigene alltägliche Realität reflektieren und sich Fragen stellen wie: Wie mache ich es im Alltag? Welche guten Ideen, Beispiele kann ich den anderen zeigen? Was kann ich von den gelernten Inhalten in die Praxis umsetzen? Drittens müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die didaktische Funktion von Lösungen, Aufgabenformen und Techniken, die in der Veranstaltung verwendet wurden, nicht nur verstehen, sondern auch über die Umsetzungsmöglichkeiten, also über Verwendungsmöglichkeiten im Unterricht, nachdenken. Reflexion ist ein lebenslanger Prozess, in dem Lehrkräfte ihre praktischen Theorien und Tätigkeiten immer wieder überprüfen, abwägen und modifizieren, um professioneller handeln zu können. Eine alle Beteiligten herausfordernde Funktion der Lehrerfortbildung ist es, zu ermöglichen, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen Methoden, Konzepte, neue Formen, Lösungsmöglichkeiten oder alternative Beurteilungswege, die sie als Lerner nicht erlebt haben, aber im eigenen Unterricht einsetzen sollen oder wollen (zum Beispiel Arbeit mit dem Europäischen Sprachenportfolio oder eine Stationenarbeit selbst erleben), am eigenen Leib erfahren und reflektieren. Somit ist die Reflexion meistens eine Voraussetzung für die Umsetzung von neuen Inhalten oder Methoden in die Praxis. Die Qualität von Fort- und Weiterbildungen aus bildungspolitischer Sicht Die Zielsetzung der Bildungspolitik mit ihren diversen Fortbildungsmaßnahmen ist die längerfristige Veränderung der Unterrichtspraxis in der Schule. Der Erfolg beziehungsweise die Wirkung einer Fortbildungsveranstaltung kann in zwei Phasen betrachtet und beurteilt werden. Direkt nach der Lehrerfortbildung ist der Veranstaltungserfolg zu messen, also ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die gesetzten Ziele erreicht und die gewünschten Leistungen erbracht haben. Mit einer zeitlichen Distanz wird auch der Transfererfolg sichtbar: die Übertragung des Gelernten auf den Schulalltag. Landert (1999) definiert die Wirksamkeit als die Übereinstimmung von beabsichtigter und eingetroffener Wirkung oder von vorgegebenen und realisierten Zielsetzungen (Landert 1999: 21). Somit wird die Wirksamkeit mit dem Veranstaltungserfolg gleichgesetzt, was eigentlich eine Einschränkung ist. Über Transfererfolg oder Nachhaltigkeit können wir sprechen, wenn sich die im Rahmen der Veranstaltung erlangten Kompetenzen im Verhalten der Lehrkräfte widerspiegeln. Der Transfererfolg kann auf vier unterschiedlichen Ebenen interpretiert und evaluiert werden (siehe Tabelle 8.2), was auch die Nachhaltigkeit der Ergebnisse veranschaulicht. Die ersten, konkreten Reaktionen der Lehrer und Lehrerinnen können <?page no="295"?> 295 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften evaluiert werden und die Ergebnisse stellen eine gute Rückmeldung über die Gestaltung der Veranstaltung (Ebene 1) dar. Im besten Fall erreicht die Veranstaltung einen Lernzuwachs: Die fachliche Kompetenz der Teilnehmer und Teilnehmerinnen wird erweitert, im Themenbereich der Fortbildung bekommen die Lehrkräfte einen Überblick über moderne wissenschaftliche Theorien, die Begrifflichkeit wird konkreter usw. (Ebene 2). Viel komplexer ist die Wirkung der Fortbildung, wenn die Veränderungen auch im Lehrerverhalten, also in der täglichen Praxis zu beobachten sind (Ebene 3). Die Nachhaltigkeit der Auswirkungen ist aber in dem Fall am sichersten, wenn durch die Veranstaltung Veränderungen in der Schule, im Lehrerkollegium erreicht werden können (Ebene 4) (Kirkpatrick & Kirkpatrick 2006). Die Wirksamkeit von Fortbildungsveranstaltungen kann daran gemessen werden, auf welcher Ebene die Ergebnisse zu beobachten sind. Wenn eine Lehrperson die bereits vorhandenen Kompetenzen mit den neu erworbenen richtig kombiniert, können wir die Fortbildung als nachhaltig bezeichnen. Im Falle von kürzeren, impulsartigen Fortbildungen ist die Erwartung der Nachhaltigkeit selbstverständlich unrealistisch. Ebene Wirkungsbereich Ebene 1: Reaktion (unmittelbare Reaktionen und Einschätzungen der Lehrpersonen) Akzeptanz, Zufriedenheit, Nützlichkeit Ebene 2: Lernen (kognitive Veränderungen) fachliches, fachdidaktisches, pädagogisch-psychologisches und diagnostisches Wissen, veränderte Einstellungen, Kompetenzen etc. Ebene 3: Verhalten Veränderung des Verhaltens der Lehrerinnen und Lehrer Ebene 4: Auswirkungen Veränderungen in der Schule Tabelle 8.2: Wirkungsebenen von Fortbildungen (Kirkpatrick & Kirkpatrick 2006: 20-22) Zur Planung, Durchführung und Evaluierung von Lehrerfortbildungsveranstaltungen kann folgendes Modell gut verwendet werden (Majorosi & Perjés 1999) (siehe Abbildung 8.2). Das Urbild des Modells wurde 1995 von der Firma CLAC in der Schweiz entworfen und diente ursprünglich zur Planung von Lehrerfortbildungsveranstaltungen. Nach kleineren Modifizierungen wurde das Modell zur Evaluation von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen eingesetzt und im Rahmen einer Studie in Ungarn empirisch validiert (Majorosi & Perjés 1999). Metaphorisch kann man bei diesem Modell von einer dreischichtigen „Hochzeitstorte“ sprechen, die in zehn Stücke geschnitten wird. Nach diesem Modell kann Qualität (Effektivität) einer Fortbildungsmaßnahme dann ermittelt werden, wenn die zehn „Schnitte dieser dreischichtigen Torte“ vertikal wie horizontal einander entsprechen. Die „Torte“ hat vertikal folgende drei Schichten: die bildungspolitische Ebene, das gesamte Kursangebot und den konkreten Kurs. Die zehn Sektoren beschreiben die Bereiche, die die wichtigsten Faktoren der Qualität bilden (Majorosi & Perjés 1999). Eine solide Qualität der Lehrerfortbildungsmaßnahme ist gewährleistet, wenn sowohl in der Planungsphase als auch in der Durchführungs- und Evaluationsphase horizontal wie auch vertikal eine mindestens 80 %-ige Kompatibilität nachzuweisen ist. Die seit der Jahrtausendwende immer professioneller ge- <?page no="296"?> 296 8. Lehren Lernen wordene Akkreditierung in den verschiedenen Ländern bezieht sich meist auf diese Sektoren, wobei anzumerken ist, dass Akkreditierung vielerorts mit der Anerkennung von erbrachten Leistungen gleichgesetzt wird (Majorosi & Perjés 1999). Abbildung 8.2: Tortenmodell nach Majorosi & Perjés (1999: 318-319) Jede Tortenebene hat folgende zehn Schnitte (Sektoren): ▶ Sektor 1: Bedarf und Bedürfnisse ▶ Sektor 2: Zielsetzungen ▶ Sektor 3: Form ▶ Sektor 4: Inhalt ▶ Sektor 5: Teilnehmer ▶ Sektor 6: Kursanbieter ▶ Sektor 7: Zertifizierung ▶ Sektor 8: Qualitätskontrolle ▶ Sektor 9: Organisation ▶ Sektor 10: Finanzen Auf der Ebene der Bildungspolitik herrscht heutzutage Konsens, dass Fortbildung in Angebot und Wahrnehmung ein Kontinuum in der Berufstätigkeit darstellen, und sie zugleich auch in der Lage sein sollte, auf unerwartete Bedürfnisse zu reagieren. Lehrerfortbildungen sollten auch durch ein entsprechendes Bildungsmarketing zugänglich gemacht werden, aber Lehrerfortbildungsinstitutionen sollten nicht sofortige Erfolge erzielen müssen und auf finanzielle Gewinne angewiesen sein. Auf der bildungspoltischen Ebene wird nicht nur der Qualitätssicherung der Lehrerfortbildungen Aufmersamkeit geschenkt, sondern auch dem <?page no="297"?> 297 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften Problembereich, wie die Grundkompetenzen von Lehreraus- und -fortbildnerinnen und -fortbildern zu bestimmen sind (European Commission 2010; European Commission 2013). Zur Qualität der Lehrerfortbildungen und zum Erreichen des Transfererfolgs ist es nämlich unentbehrlich, dass die Betreuer, Trainer oder Kursleiter sowohl wissenschaftlich als auch didaktisch gut vorbereitet sind. In Lerneinheit 8.3 lernen Sie, wie sich die verschiendenen Aspekte des Modells praktisch umsetzen lassen. 8.2.2 Formen der Lehrerfortbildung Aus der Sicht der Lehrerinnen und Lehrer, die in den verschiedenen Schultypen unterrichten, gibt es zahlreiche institutionell gebundene und individuelle Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, unterschiedliche Fortbildungsformen, die auch in Kombination miteinander auftreten können, aufzuzeigen. Die verschiedenen Formen können sowohl in der eigenen Institution, als auch auswärts und sowohl individuell als auch in der Gruppe stattfinden, es werden formale, non-formale und auch informelle Formen erwähnt. Die Auflistung dient auch dazu, den Lesern und Leserinnen die vielfältigen Möglichkeiten vorzustellen, damit sie die eigene Weiterbildung später bewusster und facettenreicher planen und eventuell an der eigenen Institution initiieren können. Experiment Denken Sie über Ihren Lernweg nach und recherchieren Sie im Internet. Sammeln Sie (1) zuerst mögliche Fortbildungskurse, an denen Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen teilnehmen können, und (2) machen Sie nachher eine Sammlung über andere (nicht kursgebundene) Möglichkeiten, wie Lehrer und Lehrerinnen sich weiterbilden können. Sie haben sicherlich viele unterschiedliche Formen gefunden: Neben den „klassischen“ kursgebundenen Lehrerfortbildungen gibt es viele Möglichkeiten, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Netzwerken und als Lergruppe arbeiten, außerdem können sich Lehrkräfte in Bildungsreisen, Forschungsprojekten und Austauschprogrammen weiterbilden. Im Folgenden sytematisieren wir die unterschiedlichen Möglichkeiten. Fortbildungskurse und Seminare Es gibt unterschiedliche Formen von Seminaren und Kursen, einige sind der formalen Bildung zuzurechnen, die meisten gehören aber in den non-formalen Lernbereich, sie sind daher sehr oft akkreditiert, manchmal auch zeritifiziert. Die klassischen Fortbildungskurse haben viele Vorteile: Lehrpläne und Lehrmaterial werden meistens vorbereitet, es gibt immer eine fachgemäße Kursführung oder Betreuung. <?page no="298"?> 298 8. Lehren Lernen Die häufigsten Formen: ▶ Ausbildungszyklen mit begleiteter Praxisphase: Vorbereitung auf neue Aufgaben im öffentlichen Bildungswesen wie Schulleiterin und Schulleiter, Inspektorin und Inspektor, Materialentwicklerin und Materialentwickler; ▶ blended learning: ein Fortbildungskurs, in dem Präsenzlernen und E-Learning sinnvoll miteinander verknüft werden (siehe auch Lerneinheit 8.1); ▶ Follow up: Nachfolgeveranstaltung nach einem längeren Ausbildungszyklus, um die Transfererfolge zu überprüfen oder neue Impulse zu geben; ▶ Längere Kurse: (mehrmals 1-2 Wochen) mit Umsetzungsbegleitung an Nachmittagen; ▶ Langzeitfortbildung (Trimester- oder Semesterkurse): ganztägige Kurse über ein Trimester oder Semester, wobei die Lehrpersonen vom Unterricht freigestellt werden; ▶ MOOC (Massive Open Online Courses): offene und internationale Online-Kurse zu verschiedenen Themen mit Videos, Quiz und Austausch sowie Lernerfolgskontrolle unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern; ▶ Sommerkurse: einbis zweiwöchige Kurse im Sommer; das fachliche Programm wird mit einem Rahmenprogramm unterstützt; ▶ Studienwoche: einwöchige überregionale Lernwoche mit Referaten, Workshops, Ideenbörse und Rahmenprogramm; ▶ Web-Based Training, Fernstudium: umfasst die internetgestützte Form des Fernlernens mit und ohne Betreuung durch Tutoren; ▶ Wochenendkurse: mehrtägige Veranstaltungen jeweils über ein spezifisches Thema. Fortbildung in Netzwerken Das gemeinsame Lernen, das konkrete Bearbeiten von Problemen oder einer Aufgabe, mit denen die Lehrer oder Lehrerinnen konfrontiert werden, ist eine sehr intensive Form der Fortbildung, bei der das Prinzip des Lernens durch eigene Erfahrung im Zentrum steht. Diese Initiativen werden oft auf der schulischen Ebene verwirklicht und meistens von Trainern oder von Moderatoren betreut. Charakteristisch für diese lernenden Gruppen sind die flache Hierarchie, die gemeinsame Planung des Vorgangs, beziehungsweise das bewusste und geplante Voneinanderlernen. Die Netzwerke werden schulintern oder nach unterschiedlichen Prinzipien gebildet und der Kontakt kann auch virtuell sein. Diese Lernformen werden oft kombiniert und erscheinen häufig in Schulentwicklungsprojekten, über die Sie mehr im Abschnitt 8.2.2.4 lesen können. Die häufigsten Formen: ▶ Arbeitsgruppe, Lernwerkstatt: Lehrer arbeiten an fachspezifischen oder interdisziplinären Themen, sie erstellen Materialien oder Lehrpläne, sie erproben neue Methoden; ▶ Großprojekt: nach den Prinzipien der Projektarbeit wird in regionalen Gruppen gemeinsam ein thematischer Schwerpunkt erarbeitet oder ein Produkt erstellt oder Teilnahme an Tempus-, Erasmus-, Leonardo- und weiteren internationalen Projekten; <?page no="299"?> 299 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften ▶ Hospitation (in Gruppen): Unterrichtsbesuch bei einer Lehrperson an der eigenen oder einer anderen Schule nach einer Vorbereitungsphase und mit gemeinsamer Auswertung; ▶ Lerngemeinschaft oder die praxisbezogene Gemeinschaft (community of practice CoP): eine Gruppe von Lehrern arbeitet gemeinsam an für sie relevanten Problemen. (siehe Lerneinheit 8.3); ▶ lesson study: Arbeit in einer kleineren Arbeitsgruppe an jeweils einer Unterrichtsplanung, die von einer Lehrperson aus der Gruppe umgesetzt und von den anderen beobachtet wird. Die Stunde wird gemeinsam analysiert und reflektiert; ▶ Praxisberatung, Supervision: unter psychologisch kundiger Leitung werden Probleme des eigenen Lehrerverhaltens in regionalen Kleingruppen thematisiert; ▶ Qualitätszirkel: didaktisch vorbereitete Nachmittagsveranstaltung an der Schule über Erziehungsfragen unter wechselnder Leitung aus dem Lehrerkollegium; ▶ Schulinterne Lehrerfortbildung (SchiLf): von drei Stunden an einem Nachmittag bis mehrere Tage, für jedes Kollegiumsmitglied einer Schule (meistens mit einer Moderation von außen); ▶ web based collaboration: Zusammenarbeit mehrerer (bekannter oder unbekannter, aber gleichgesinnter) Personen an einer Lernaufgabe mit Hilfe der ICT . Sonstige, individuelle Formen der Weiterbildung Es gibt weitere Formen der Fortbildung, die eher das informelle Lernen ermöglichen und die meist individuell konzipiert und durchgeführt werden. Die häufigsten Formen: ▶ Engagement in sozialen, kirchlichen oder sonstigen Gruppen, deren Ziel eine Hilfeleistung für benachteiligte Menschen, für Kinder, für Tiere oder für den Umweltschutz ist.; ▶ Forschung und Entwicklung: Aktionsforschung oder aktive Teilnahme an Forschungsprojekten; ▶ Konferenz, Forum, Symposium: oft zweibis dreitägige Veranstaltungen mit Inputcharakter über pädagogische Teilfragen mit beabsichtigtem Erfahrungsaustausch; ▶ Lehreraustausch (Semester, Trimester oder 2-3 Wochen): Übernahme der Verpflichtungen einer Kollegin oder eines Kollegen in einer anderen Schule oder in einem anderen Land; die Ergebnisse werden in einer schriftlichen Arbeit oder Portfolio reflektiert; ▶ Sabbatical, Sabbatjahr, Bildungskarenz: eine vorab festgelegte Zeit ohne Verpflichtung zum Unterrichten mit einer entsprechend reduzierten Besoldung (nicht in jedem Land möglich); ▶ selbstständige Bearbeitung von Lektüren zu selbstgewählten Fragestellungen aus Fachzeitschriften, Büchern, Youtube-Videos, freien Webinaren; ▶ Sprachaufenthalte: bieten Möglichkeiten zum Erlernen einer neuen Sprache und Kultur oder zur Auffrischung der Sprachkenntnisse; ▶ Studienreise: horizonterweiternde, organisierte Reise mit einem thematischen Schwerpunkt (mit inhaltlicher Vor- und Nachbereitung). <?page no="300"?> 300 8. Lehren Lernen Es gibt sehr viele Möglichkeiten der Lehrerfortbildung, die unterschiedlichen Bedürfnissen oder Möglichkeiten entsprechen, meistens entscheiden darüber Lehrer oder Lehrerinnen individuell, es kommt aber oft vor, dass sich eine ganze Schule erneuern will und gemeinsam ein Entwicklugnsprojekt startet. Da diese Form der Lehrerfortbildung auch relativ häufig ist, können Sie im nächsten Abschnitt über die Möglichkeiten und die Probleme dieser Fortbildungsform mehr lesen. Schulentwicklungsprojekte als Mittel zur Lehrerfortbildung Schulentwicklungsprojekte bieten eine Möglichkeit zur Erneuerung der pädagogischen Kultur in einer Schule oder zur Lösung von gemeinsamen Problemen. Sie stellen eine sehr intensive und direkte Form der Fortbildung dar, da das Lehrerkollegium die eigenen Probleme und Bedürfnisse analysiert und gemeinsam Problemlösungen findet, wobei unterschiedliche Formen der Fortbildungen kombiniert werden. Gut funktionierende Projekte können zur Erneuerung der pädagogischen Kultur bedeutend beitragen, es gibt aber viele Hindernisse und Fragen: Wie sind zum Beispiel die flache Hierarchie von Netzwerken und die hierarchische Struktur von Schulen miteinander zu vereinbaren? Wie können alle Mitglieder eines Lehrerkollegiums zur Teilnahme motiviert werden? Wie können Veränderungen oder Veränderungsversuche den Schülern und den Eltern vermittelt werden? Wie kann die Extraarbeit berechnet, anerkannt, eventuell bezahlt werden? (Einhorn 2015a) Großartige Veränderungen in der pädagogischen Kultur einer ganzen Schule werden meistens nur in Krisensituationen vorgenommen, da dem Lehrerkollegium die sehr aufwendige Arbeit nur dann akzeptabel erscheint, wenn die tägliche Lehrtätigkeit schon mit sehr viel Frustration oder Erfolglosigkeit belastet ist. Es kommt vor, dass die Ergebnisse der Schulen nicht den Erwartungen entsprechen (vergleiche zum Beispiel die Reaktion in Deutschland auf die Ergebnisse der PISA - Studie im Jahre 2000, siehe Einheit 8.1 in diesem Band) (Eckart, Endler, Schmied & Singer 2005) oder dass sich das Zielpublikum der Schulen verändert und dadurch die gewohnten Techniken und Methoden nicht mehr zielführend sind und das Kollegium nach neuen Möglichkeiten sucht (K. Nagy 2015). Diese Fortbildungsform wird durch ihre eindeutige Konkretheit charakterisiert: Das eigentliche Ziel ist ohne Einschränkung der Transfererfolg. Es ist daher sehr wichtig, dass konkrete Veränderungen im Alltag, im Klassenraum bewirkt werden (Eckart et al. 2005). Die gemeinsame Arbeit der Lehrkräfte folgt oft der Logik der Aktionsforschung, wo sich die folgenden Tätigkeiten im Kreislauf wiederholen: Beobachtung und Analyse des Unterrichts; Recherche nach möglichen Problemlösungen; Entwicklung von Materialien oder Techniken; Erprobung der Technik oder des Materials im Unterricht; wieder Beobachtung und Analyse und so weiter (Altrichter & Posch 2007). Es kommt vor, dass Schulen ein pädagogisches Modell adaptieren, wie im deutschen Beispiel die heftig diskutierte Klippert- Methode (Klippert 2000; Eckart et al. 2005), mithilfe welcher Grundkompetenzen der Schüler entwickelt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Adaptation der Methode der Stanford-Universität (Complex Instruction, Lotan 2012) in Ungarn: In vielen ungarischen Grundschulen, in denen arme, meistens Roma-Kinder lernen, wurde mithilfe dieser speziellen kooperativen <?page no="301"?> 301 8.2 Merkmale und Formate der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften Methode versucht, die Schwierigkeiten dieser Kinder zu behandeln (K. Nagy 2015). Da mit der Anwendung der Methode in einigen Schulen positive Veränderungen erreicht wurden, haben viele Schulen Entwicklungsprojekte gestartet, in denen das Lehrerkollegium die Methode gemeinsam gelernt hat und die teilnehmenden Lehrkräfte sich während der Einführung kollegial unterstützt haben (K. Nagy 2015). Es ist aber ohnehin immer möglich, dass eine Schule die Projektmethode, die formative Bewertung (siehe Kapitel 5 in diesem Band) oder ein komplexes Mittel zur Qualitätssicherung (siehe Kapitel 7 in diesem Band) einführt. Das gemeinsame Lernen eines Lehrerkollegiums verändert oft die ganze Struktur der Schule: auch die Techniken des Schulmanagements, die Aufgabenverteilung und die Interaktion im Lehrerkollegium werden durch die intensive gemeinsame Arbeit beeinflusst (Rolff 2010). Meistens läuft die Veränderung in Schulen nach dem Schneeballprinzip: zuerst beteiligen sich an der Arbeit nur die sehr aktiven oder innovativen Lehrkräfte und langsam schließen sich die weiteren Kollegen und Kolleginnen an (Eckart et al. 2005; K. Nagy 2015). Die Einführung der Neuigkeiten ist notwendigerweise mit gegenseitigen Hospitationen verbunden und selbst die Tatsache, dass die Lehrkräfte im schulischen Alltag regelmäßig an Stunden der Kollegen und Kolleginnen teilnehmen, hat einen bedeutenden Beitrag zu ihrem Lernprozess und verändert sowohl die pädagogsiche Kultur, wie auch die Gruppendynamik des Lehrerkollegiums (Eckart et al. 2005; K. Nagy 2015). 8.2.3 Zusammenfassung ▶ Die Fortbildungen für Lehrer und Lehrerinnen können einen großen Beitrag zur Modernisierung des Unterrichts leisten, sie sind aber auch für die Gesundheit der Lehrer und Lehrerinnen wichtig: die neuen Impulse helfen die Monotonie und den Stress des Alltags zu bekämpfen. ▶ Wichtige Qualitätsmerkmale von Lehrerfortbildungen sind die Verwirklichung der fördernden Lernumgebung (Handlungsorientierung, Kooperation, Lernerautonomie und Bezug zur Realität der Lernenden). ▶ Es ist sehr wichtig, dass die Fortbildungen auch einen Transfererfolg haben, also auch im Verhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Veränderungen auftreten. Zur nachhaltigen Wirkung ist die Motivation der Teilnehmenden sehr wichtig, außerdem können ständige Reflexionen auf die Geschehnisse den Prozess der Umsetzung verstärken. ▶ Fortbildungen haben viele unterschiedliche Formen: kursgebundene Seminare oder längere Veranstaltungen, Netzwerke, in denen die Lehrkräfte voneinander lernen können und unterschiedliche individuelle und informelle Lernformen, wie Studienreisen, Konferenzen, Forschung etc. ▶ Schulentwicklungsprojekte bedeuten eine komplexe Fortbildungsform, in der ein ganzes Lehrerkollegium gemeinsam lernt. 8.2.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie können Sie die fördernde Lernumgebung in Bezug auf Fortbildungen von Lehrkräften interpretieren? <?page no="302"?> 302 8. Lehren Lernen 2. Was ist der Transfererfolg und wie kann er beurteilt werden? 3. Interpretieren Sie das Tortenmodell. Warum müssen die Schnitte horizontal und vertikal kompatibel sein? 4. Nennen Sie einige nicht kursgebundene Fortbildungsformen für Lehrkräfte und karaktierisieren Sie diese. 5. Warum kann ein Schulentwicklungsprojekt als eine Form der Fortbildung betrachtet werden? <?page no="303"?> 303 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Ferran Suñer Der Besuch einer Fortbildung wird sowohl von Lehrkräften als auch von den Bildungsträgern als ein effizientes Mittel zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts angesehen (vergleiche Cohen & Hill 2000). Durch den Erwerb von Kompetenzen in Bezug auf den Einsatz von neuen Arbeitsmethoden, Medien, Interaktionsstrategien etc. erhoffen sich Lehrkräfte eine effiziente Bewältigung konkreter Herausforderungen im eigenen Unterricht und damit eine Aktualisierung und Professionalisierung der Lehrpraxis. Für die Bildungsinstitutionen stellen Fortbildungen vor allem ein Mittel zur besseren Kalibrierung von Qualitätsstandards unter den verschiedenen Lehrkräften, zur Angleichung der Lehrerkompetenzen an die steigenden curricularen Anforderungen sowie zur Deckung eines punktuellen Bedarfs von Lehrkräften dar. Doch werden diese Ziele in den Fortbildungen immer erfüllt? Wie lässt sich der Erfolg einer Fortbildung denn überhaupt messen? Und vor allem: Wie lässt sich eine erfolgreiche Fortbildung planen und durchführen? In der vorliegenden Einheit gehen wir diesen Fragen nach, indem wir uns zuerst ansehen, wie die zu fördernden Lehrerkompetenzen durch eine Bedarfsanalyse ermittelt werden können. Danach werden Aspekte der Planung von Fortbildungen behandelt, wie zum Beispiel die inhaltliche Gestaltung des Lehrgangs oder die effiziente Nutzung von personellen und technischen Ressourcen. Schließlich werden die verschiedenen Ebenen und Instrumente zur Evaluierung des Erfolgs von Fortbildungen vorgestellt. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ das breite Spektrum der zu förderndenden Kompetenzen im Bereich des Fremdsprachenunterrichts kennen und den Bedarf ermitteln können; ▶ die wichtigsten Prinzipien der Konzipierung von Fortbildungen kennen und diese je nach Bedarf anwenden können; ▶ den Mehrwert der neuen Medien bei der Durchführung von Fortbildungen begründen können; ▶ die Ebenen der Evaluation von Fortbildungen erkennen und die Funktion der verschiedenen Evaluationsinstrumente erklären können. 8.3.1 Bedarfsanalyse Der Fortbildungsbedarf kann je nach Bildungskontext auf unterschiedlichen Ebenen formuliert werden. So wird zum Beispiel in der Handreichung der Serviceeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz zwischen Fortbildungserfordernissen der Fachkonferenzen, Klassen(stufen) konferenzen oder Arbeitsgruppen, der einzelnen Lehrkräfte hinsichtlich deren fachlicher und persönlicher Weiterentwicklung sowie der (erweiterten) Schulleitung (Handreichung der Serviceeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz, ohne Jahr: 5) differenziert. In jedem Fall <?page no="304"?> 304 8. Lehren Lernen wird der Fortbildungsbedarf auf der Grundlage des Orientierungsrahmens für Schulqualität, der Bildungsstandards und der Lehrpläne festgelegt. Das heißt also, dass sich Aspekte wie die Inhalte beziehungsweise die thematische Schwerpunktsetzung, der zeitliche Umfang, die zu erreichenden Ziele, das Profil der Teilnehmer und Teilnehmerinnen (inklusive Vorerfahrungen, Kompetenzniveau, Vorbildung etc.) anhand des gemeinsamen institutionellen Rahmens ermitteln lassen (zum Beispiel haben die meisten Lehrkräfte eine vergleichbare Ausbildung absolviert). Dies kann jedoch dadurch erschwert werden, dass die Lehrerausbildungen der Lehkräfte einer Schule sich aufgrund von Generationsunterschieden stark voneinander unterscheiden können. Die derzeitigen Lehrerausbildungen vermitteln höchstwahrscheinlich qualitativ völlig unterschiedliche Kompetenzen als die Lehrerausbildungen vor 40 Jahren, wo es noch keine richtigen handlungsorientierten Schulcurricula gab und Medien hauptsächlich in Sprachlaboren eingesetzt wurden. Auch die damalige Sprachlehrforschung, aus der sich die Lehrerausbildungen speisten, wurde stark von Spracherwerbstheorien geprägt, die heutzutage nicht mehr vertreten werden oder gar obsolet geworden sind. In anderen Bildungskontexten wie kleineren und größeren Sprachschulen lassen sich die zu erreichenden Ziele und die thematische Schwerpunktsetzung aufgrund fehlender spezifischer Qualitätsstandards und einer extrem heterogenen Vorausbildung der Lehrkräfte auch nicht viel einfacher festlegen. In privaten Sprachschulen kann es zum Beispiel sein, dass einige Lehrkräfte eine regelrechte Ausbildung zum Sprachlehrer oder zur Sprachlehrerin abgeschlossen haben (Lehramt- oder Master-Abschluss) und andere lediglich ein allgemeineres geisteswissenschaftliches Studium (zum Beispiel Übersetzung, Germanistik oder Kulturwissenschaften) mit einer Zusatzausbildung in Deutsch als Fremdsprache absolviert haben. Auch die internen Qualitätsrahmen, in denen die Grundlagen guten Unterrichts festgelegt werden, geben in der Regel wenig Aufschluss darüber, welche minimalen Kompetenzen in Anforderungsbereichen wie der Sprachbewusstheit, der interkulturellen Kompetenz, der Steuerung von Interaktion oder der Evaluation zu erwarten sind und wie sich diese durch Indikatoren zuverlässig beobachten lassen. Die Feststellung eines Fortbildungsbedarfs fällt daher oft intuitiv und ungenau aus und der Lerneffekt der Fortbildungsmaßnahmen ist wenig aussichtsreich und schwer zu evaluieren. Trotzdem ist an dieser Stelle anzumerken, dass private Sprachschulen aufgrund ihres ausgeprägten Interesses an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts sowie ihrer starken Konkurrenzorientierung oft eine effektivere Qualitätssicherung betreiben, die nicht selten an eine Verbesserung stellenmäßiger Bedingungen (Beförderung zum Leiter der Spracharbeit oder zum Koordinator der Online-Kurse) gekoppelt ist. Das sogenannte European Profiling Grid ( EPG ) stellt jedoch ein relativ solides Instrument dar, mit dem sich der tatsächliche Fortbildungsbedarf der Lehrkräfte in Bildungsinstitutionen wie Sprachschulen ermitteln lässt. Dabei handelt es sich um ein Raster zur Messung der Lehrerkompetenz auf internationaler Ebene, das ursprünglich von den Evaluation and Accreditation of Quality Language Services ( EAQUALS ) für interne Zwecke erstellt wurde und von einer Arbeitsgruppe im Rahmen eines europäischen Projekts (www.epg-project.eu) umfassend evaluiert wurde. Das Raster nimmt den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als Grundlage und formuliert Deskriptoren für insgesamt dreizehn Kompetenzbereiche mit <?page no="305"?> 305 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen jeweils sechs verschiedenen Niveaustufen. Das Raster sieht folgende Kompetenzbereiche vor (vergleiche auch Tabellen 7.2-7.11 der Lerneinheit 7.2): Sprache und Kultur 1. Sprachkenntnisse und Sprachkompetenz, 2. Interkulturelle Kompetenz, 3. Sprachbewusstheit (Erklärungskompetenz und Sprachreflexion), Ausbildung und Erfahrung 4. Ausbildung / Qualifikation, 5. bewertetes Unterrichten (Umfang und Art der Rückmeldungen zum eigenen Unterricht), 6. Unterrichtserfahrung (zum Beispiel unterrichtete Niveaustufen und Lernkontexte), Fachkompetenzen 7. Didaktik / Methodik, 8. Evaluieren (Aufgaben- und Testerstellung), 9. Unterrichts- und Kursplanung, 10. Steuerung von Interaktion, 11. Medienkompetenz, Berufsprofil 12. berufliche Weiterentwicklung (zum Beispiel Erfahrung als Mentor oder Fortbildner), 13. Administration (zum Beispiel Kurskoordination). Tabelle 8.3: Die Anforderungsbereiche des E-Grid gruppiert nach Kategorien (E-Grid 2017) Im Sinne einer möglichst unkomplizierten Erhebung und Auswertung der Lehrerkompetenz, verwenden die Anforderungsbereiche Deskriptoren in Form von Lernergebnissen, die sowohl für Lehrkräfte als auch für Fortbildner und Schulleiter nachvollziehbar sind. Tabelle 8.4 zeigt die Formulierung von Deskriptoren als Beispiel des Anforderungsbereiches der interkulturellen Kompetenz. Während auf der niedrigsten Niveaustufe lediglich eine grundsätzliche Anerkennung des Einflusses linguakultureller Aspekte erwartet wird, sollten Lehrkräfte auf der höchsten Niveaustufe nicht nur ein sehr ausgeprägtes Wissen über interkulturelle Konzepte und Methoden besitzen, sondern dieses auch Kollegen vermitteln und in der Materialentwicklung nutzen können. Ein solches Schema lässt sich auch in anderen Anforderungsbereichen wie der Mediekompetenz beobachten. <?page no="306"?> 306 8. Lehren Lernen 1.1 1.2 2.1 ▶ versteht, dass die Beziehung zwischen Sprache und Kultur ein wichtiger Faktor beim Lehren und Lernen von Sprachen ist. ▶ weiß, dass kulturelle Aspekte im Unterricht wichtig sind. ▶ kann Lernende in relevante Unterschiede in Bezug auf kulturelle Verhaltensweisen und Traditionen einführen. ▶ kann in kulturell und sozial heterogenen Lerngruppen eine Atmosphäre von Toleranz und Verständnis schaffen. ▶ erkennt und geht mit Stereotypen um. ▶ kann eigenes interkulturelles Bewusstsein einsetzen, um das Wissen der Lernenden über kulturelle Verhaltensweisen zum Beispiel Höflichkeit, Körpersprache usw. zu fördern. ▶ kann erkennen, wie wichtig es ist, interkulturelle Probleme im Unterricht zu vermeiden und vermittelt Zugehörigkeitsgefühl und gegenseitigen Respekt. 2.2 3.1 3.2 ▶ unterstützt Lernende darin, Vorurteile und Stereotypen zu analysieren. ▶ kann im eigenen Unterricht interkulturell relevante Konzepte wie zum Beispiel Höflichkeit, Körpersprache usw. thematisieren. ▶ kann Lernmaterialien einsetzen, die für den kulturellen Horizont der Lerngruppe geeignet sind und diesen durch lernerorientierte Aktivitäten erweitern. ▶ kann Webrecherchen, Projektarbeit und Präsentationen nutzen, um interkulturelles Verstehen und Wertschätzung bei sich selbst und bei den Lernenden zu erweitern. ▶ kann die Fähigkeit von Lernenden entwickeln, soziale und kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren und darüber zu diskutieren. ▶ kann interkulturell sensible Bereiche voraussehen und befähigt Lernende, effektiv damit umzugehen. ▶ kann auf breites interkulturelles Wissen zurückgreifen und damit weniger erfahrene Kolleginnen / Kollegen unterstützen ▶ kann durch Vermittlung von Techniken die Fähigkeit von Kolleginnen / Kollegen fördern, mit interkulturell schwierigen Situationen, Missverständnissen und „critical incidents“ umzugehen ▶ kann interkulturelle Lernaktivitäten, Aufgaben und Materialien für sich selber sowie für Kolleginnen und Kollegen erstellen und kann dazu Rückmeldung einholen Tabelle 8.4: Die Deskriptoren der sechs Stufen des Anforderungsbereichs interkulturelle Kompetenz im E-Grid (E-Grid 2017) Neben der Ermittlung des Fortbildungsbedarfs kann das Raster ebenfalls bei der Anstellung von neuen Lehrkräften oder zur sinnvollen Einteilung der Lehrkräfte sowie zur Beschreibung der Lehrerkompetenz im Laufe der Karriere eingesetzt werden. Demnach können Lehrkräfte je nach Umfang und Art ihrer Berufserfahrung und Qualifikationen in verschiedenen Bereichen jeweils auf einer Kompetenzskala bewertet und damit eventuelle verbesserungsbedürftige Anforderungsbereiche identifiziert werden, deren Förderung zu einem ausgeglichenen Lehrerprofil beitragen könnte. Leider ist es aber oft so, dass das ganze Spektrum von Kompetenzen nicht vollständig abgedeckt wird. So werden in Fortbildungsreihen oft Lehrgänge zu Medienkompetenz oder interkulturellen Kompetenz angeboten, während Lehrgänge zur Steuerung von Interaktion kaum zu finden sind. Als Ergänzung zum Raster empfiehlt sich auch die Nutzung eines Fragebogens mit offenen Fragen, anhand dessen sich Informationen über die Einschätzung der Lehrkräfte bezüglich des Ist- und des Soll-Stands ihrer eigenen Kompetenzen ermitteln lassen (siehe auch Triangulation in Lerneinheit 7.1). In der Handreichung der Serviceeinrichtungen des Landes <?page no="307"?> 307 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Rheinland-Pfalz werden unter anderem folgende Fragen zur Selbstkontrolle vorgeschlagen (Handreichung der Serviceeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz: 17): ▶ Was sind mittel- und langfristig angestrebte Ziele meiner fachlichen Arbeit? ▶ Welche Aufgaben müssen von mir erledigt werden, um diese Ziele zu erreichen? ▶ Welche Kenntnisse und Fertigkeiten sind erforderlich, um die genannten Aufgaben zu bewältigen? ▶ In folgenden Bereichen entsprechen die vorhandenen Kompetenzen nicht den angestrebten Zielen: ▶ Mein persönlicher kurzfristiger Fortbildungsbedarf liegt in folgenden Bereichen: Nach der Ermittlung der verbesserungsbedürftigen Anforderungsbereiche, empfiehlt es sich, den thematischen Schwerpunkt der Fortbildung möglichst konkret festzulegen, damit sich die Wirkung der erworbenen Kompetenzen auf den eigenen Unterricht auch leichter beobachten lässt. Erweist sich zum Beispiel die effiziente Steuerung von Interaktion als ein dringend zu fördernder Kompetenzbereich, dann sollte sich die Fortbildung eher auf die Interaktion in kollaborativen Arbeitsformen konzentrieren als auf die Unterrichtsinteraktion im Allgemeinen. In dieser Hinsicht zeigen Studien aus der Lehrerforschung (Baumert et al. 2010), dass eine Fortbildung mit einem engen Fachbezug beziehungsweise mit einem Schwerpunkt auf der Förderung einer umgrenzten Lernerkompetenz (zum Beispiel Aussprachetraining statt mündlicher Kompetenz) deutlich mehr Erfolgschancen hat (vergleiche Lipowsky & Rzejak 2015: 6). Wie die gewonnenen Informationen über den Fortbildungsbedarf für die Planung verwendet werden können, sehen wir uns im nächsten Abschnitt an. Experiment Stellen Sie nun unter Verwendung des E-Grid fest, welchen Fortbildungsbedarf Ihre Kollegen und Kolleginnen / Freunde haben. Nutzen Sie die verschiedenen Bereiche als Gesprächsbasis und nicht als Bewertungsraster. Welche Bereiche halten Ihre Kolleginnen und Kollegen für verbesserungsbedürftig? Welche Bereiche sind bereits sehr gut abgedeckt? Welchen thematischen Schwerpunkt würden Sie auf Basis Ihrer Befunde für die nächste Fortbildung vorschlagen? Erstellen sie eine Liste von Themen, die für alle Kollegen und Kolleginnen / Freunde von Interesse sein könnten. Suchen Sie anschließend nach geeigneten Fortbildungen in der FIBS -Datenbank (Fortbildung in bayerischen Schulen: fortbildung.schule.bayern.de) Wie Sie im Experiment vermutlich erfahren haben, waren sich Ihre Kolleginnen und Kollegen der Vielfalt an Anforderungsbereichen, die sich aus dem E-Grid ergeben, nicht bewusst. Das erleichtert einerseits die Suche nach geeigneten Themen, andererseits kann eine zu starke thematische Spezifizierung zu sehr die Unterschiede zwischen dem Fortbildunsbedarf der Kolleginnen und Kollegen hervorheben. Darüber hinaus haben Sie bei der Suche nach geeigneten Fortbildungsangeboten sicher festgestellt, dass manche Anforderungsbereiche des E-Grid nicht abgedeckt sind (zum Beispiel die Sprachbewusstheit). <?page no="308"?> 308 8. Lehren Lernen 8.3.2 Planung der Lernprozesse in Fortbildungen Es gibt bekanntlich keine allgemeine Formel für die Planung von Fortbildungen. Wie wir in Lerneinheit 8.2 gesehen haben, konnte die bisherige Lehrerforschung jedoch relativ zuverlässig zeigen, dass für das Erreichen nachhaltiger Lerneffekte eine Fortbildung nicht nur neuen Input anbieten soll, sondern auch Raum und Zeit für die Umsetzung der neuen Kenntnisse sowie für die Reflexion vorsehen soll (vergleiche Gersten, Dimino, Jayanthi, Kim & Santoro 2010; Lipowsky 2004; Fögele & Mehren 2015). Das bedeutet nicht, dass ein praxisorientierter Vortrag durch einen DaF-Professor wenig ertragreich ist. Vielmehr sollte durch die Fortbildung sichergestellt werden, dass das neu erworbene Wissen (zum Beispiel der Einsatz von Strategien zur Fehlerkorrektur) auf die Praxis angewandt wird und die Erfahrungen der Lehrkräfte abschließend ausgewertet und kritisch reflektiert werden (siehe Lerneinheit 8.2). Erst wenn das neu erworbene Wissen eine persönliche Relevanz erlangt, können Lehrkräfte es mit ihrem bereits vorhandenen Vorwissen vereinbaren und daraus veränderte Handlungsmuster entwickeln (vergleiche Gersten et al. 2010). Konkret kann das über mehrere Wege erreicht werden. So führen einige Fortbildungen die Erprobungs- und Reflexionsphase (vergleiche Lipowsky & Rzejak 2015) jeweils als Hands-on-Aktivitäten (praktische Aktivitäten) mit anschließendem Erfahrungsaustausch am Fortbildungsort selbst durch. In diesen Fällen verfügen die Lehrkräfte nicht über eine Schülergruppe und werden daher dazu angehalten, den Unterricht zu simulieren oder gar die Inhalte auf Situationen aus dem eigenen Unterricht zu projizieren. Eine Erprobung der erarbeiteten Materialien im reellen Unterricht findet also nicht statt. Andere Fortbildungen sehen eine Phase zwischen zwei Präsenzsitzungen vor, in der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die neuen Methoden, Medien etc. im eigenen Unterricht erproben können. Anschließend haben die Lehrkräfte im Rahmen einer weiteren Präsenzsitzung die Möglichkeit, über die eigenen Erfahrungen ausführlich zu berichten sowie über die Gelingensbedingungen und den erwartbaren Mehrwert der neuen Handlungsweisen nachzudenken (vergleiche Lipowsky & Rzejak 2015: 6). Dabei sollten möglichst die drei Entwicklungsstufen von Lehrkräften nach Fuller & Bown (1975) angesprochen werden (ausführlicher siehe Lerneinheit 8.2). Erst wenn die Wirksamkeit neuer Unterrichtspraktiken von den Lehrkräften erkannt wird, werden diese in ihr Handlungsrepertoire übernommen und zur Optimierung der Lernprozesse der Schüler eingesetzt (Fögele & Mehren 2015). Der Transfer von der Theorie in die Praxis ist damit vollzogen. Dieser Prozess lässt sich in Anlehnung an Yoon, Duncan, Lee, Scarloss und Shapley (2007) wie folgt veranschaulichen: <?page no="309"?> 309 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Abbildung 8.3: Prozess des Tranfers von der Theorie in die Praxis (Yoon et al. 2007: 4) Werden solche Phasen jedoch nicht berücksichtigt und stattdessen lediglich One-Shot-Fortbildungen (zum Beispiel 2 oder 3 Stunden Fortbildung an einem einzigen Tag) durchgeführt, besteht die Gefahr, dass sich die vermittelten Inhalte als „intellectually superficial, disconnected from deep issues of curriculum and learning, fragmented, and noncumulative” (Ball & Cohen 1999: 3 f) erweisen. Dies führt unter anderem dazu, dass die Lehrkräfte die bereits erworbenen Kenntnisse kaum vertiefen und daher keine Kontinuität der Professionalisierung erreichen (siehe auch Lerneinheit 8.2). Vor diesem Hintergrund haben sich einige Lehrerforscher mit der Frage des optimalen zeitlichen Umfangs von Fortbildungen beschäftigt und haben in einer groß angelegten Studie festgestellt, dass nur diejenigen Fortbildungen nachhaltige Lerneffekte bewirken konnten, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten (Yoon et al. 2007; vergleiche auch Garet, Cronen, Eaton, Kurki, Ludwig, Jones, Uekawa, Falk, Bloom, Doolittle, Zhu, Sztejnberg & Silverberg 2008; Gersten, Chard & Baker 2000). One-Shot-Fortbildungen konnten hingegen kaum bis keinen Lerneffekt bewirken, unter anderem weil sie keine optimalen Bedingungen für die praktische Anwendung und Besprechung der Erfahrungen bieten. Daraus ergibt sich also, dass die Zeit, die den Lehrkräften zur Verarbeitung der Inhalte aus den Fortbildungen sowie zur Erprobung und Reflexion gegeben wird, den Erfolg der Veranstaltung stark bedingt. Neben dem zeitlichen Aspekt betonen Yoon et al. (2007: 4) jedoch auch die Wichtigkeit der inhaltlichen Ausrichtung einer Fortbildung sowie die sorgfältige Planung der Lernprozesse: ”it should be based on a carefully constructed and empirically validated theory of teacher learning and change and promote and extend effective curricula and instructional models-- or materials based on a well defined and valid theory of action”. Folgende Fragen sind daher bei der Planung einer Fortbildung zu klären: Wird der Mehrwert des Fortbildungsthemas und der Bezug des Fortbildungsthemas zum eigenen Unterricht und zur Berufspraxis klar hergestellt? Welche Ressourcen sind für die Erprobung nach der Fortbildung erforderlich? Wie werden die Ergebnisse der Erprobung im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das Lernen der Schüler und Schülerinnen ausgewertet? Wie wird der Erfahrungsaustausch unter <?page no="310"?> 310 8. Lehren Lernen den Lehrkräften und mit dem Fortbildner oder der Fortbildnerin unterstützt? (vergleiche Handreichung der Serviceeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz: 11 ff.) Bei der Gestaltung der verschiedenen Phasen einer Fortbildung stellt sich ebenfalls die Frage der Lernformen. In der Forschungsliteratur wird grundsätzlich zwischen ”kognitiv-theoretischen Lernformen (Vorträge und Referate), die in erster Linie der Informationsvermittlung dienen, kooperativen (zum Beispiel Gruppenarbeit) und kommunikativ-prozessorientierten Verfahrensweisen (zum Beispiel Projektarbeit) sowie reflexiven Methoden (zum Beispiel Self-Assessment und Feedback sowie Supervision)” (Huber & Schneider 2015: 53) unterschieden. Hinzu kommt eine weitere Lernform, die wegen des in der Regel nicht verbindlichen Charakters oft in Vergessenheit gerät, nämlich das Selbststudium. Das kann in Form einer Literaturliste, eines Readers oder Videovorlesungen erfolgen und kann sogar Formen der Selbstevaluation vorsehen (vergleiche Huber & Schneider 2015: 54), wie es zum Beispiel bei den Fragen zur Wissenskontrolle am Ende der Einheiten des vorliegenden Bands der Fall ist. Auch wenn diese Lernformen ursprünglich in Bezug auf die gesamte Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften formuliert wurden, lassen sie sich auch auf einzelne Fortbildungskurse anwenden. Demzufolge sollten Fortbildungskurse, die einen längeren zeitlichen Umfang haben (zum Beispiel einen ganzen Tag oder mehr), in Bezug auf die unterstützten Lernanlässe möglichst ausgeglichen sein. Eine magische Formel zur optimalen Abfolge von Lernanlässen gibt es hierfür nicht, denn je nach Thema und Umfang können verschiedene Reihenfolgen sinnvoll erscheinen. So könnte sich zum Beispiel für den Einstieg ein kleiner Vortrag (kognitiv-theoretische Lernform) von einem akademischen Experten mit anschließender Diskussion (kooperative Lernformen) eignen, in der die Fragen der Lehrkräfte gesammelt werden. Alternativ dazu können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen darum gebeten werden, bereits im Vorfeld der Fortbildung Texte zu lesen und Unterrichtsmaterialien zu studieren oder sich gar Videovorlesungen von Experten anzuschauen und in Gruppen Fragen zu formulieren, die sie dann in das Forum der gemeinsamen Plattform stellen. Beide Verfahrensweisen folgen den sogenannten rationalistischen Ansätzen zur Lehrerfortbildung, die sich durch kognitivistische Instruktion einen Wissenstransfer in die Praxis erhoffen: „(i) Der Vortrag durch einen ausgewiesenen Experten, (ii) die anschließende Diskussion und (iii) die erwartete praktische Umsetzung der Erkenntnisse durch die Lehrenden” (Legutke 2011: 1352). Solche Ansätze wurden unter anderem wegen des starken defizitorientierten Charakters kritisiert, denn sie gehen von der Annahme aus, dass die Lehrpraxis Mängel aufweist, die sich durch die Erkenntnisse aus den Fachwissenschaften beheben lassen (vergleiche Legutke 2011). Dadurch wird einerseits die Kluft zwischen Theorie und Praxis akzentuiert (vergleiche Birnbaum, Kupke & Schramm 2016) und andererseits werden Aspekte wie die Meinungen und die Vorerfahrungen der Lehrkräfte völlig außer Acht gelassen, die Bestandteile der sogenannten subjektiven Theorien der Lehrer und Lehrerinnen sind und daher den weiteren Ausbau der Lehrerkompetenzen stark beeinflussen (vergleiche Legutke 2011; Caspari 2003). Unter diesen Umständen sind die Chancen auf positive Auswirkungen der Fortbildungsmaßnahme auf die Handlungsweisen der Lehrpersonen eher gering. Im folgenden Abschnitt soll besprochen werden, durch welche Verfahren und Instrumente sich Fortbildungen handlungsorientiert gestalten lassen. <?page no="311"?> 311 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen 8.3.3 Handlungsorientiertes Lernen in den Fortbildungen Eine stärkere Orientierung am Handlungskontext der Lehrkräfte setzt unter anderem voraus, dass konkrete Probleme der Unterrichtspraxis sowie die damit verbundenen Einstellungen, Ideen und Bedürfnisse der Lehrerinnen und Lehrer als Ausgangspunkt genommen werden (vergleiche auch die Liste von optimalen Lernbedingungen nach Joss 2000: 379 f in Lerneinheit 8.1). In dieser Hinsicht wäre zum Beispiel denkbar, dass die teilnehmenden Lehrkräfte Videoausschnitte aus dem eigenen Unterricht mitbringen und zu Beginn der Fortbildung im Plenum bestimmte Probleme identifizieren, die dann im weiteren Verlauf der Fortbildung behandelt werden sollen. Das handlungs- und erfahrungsorientierte SERA -Modell (Simulation-Erfahrung-Reflexion-Anwendung, vergleiche Legutke 1995) setzt hingegen beim Einstieg den Schwerpunkt auf die Simulation, anhand derer die Lehrkräfte in die Rolle der Schülerinnen und Schüler schlüpfen dürfen. Ist das Fortbildungsthema beispielsweise die Nutzung von Videoproduktionstools zur Förderung der kommunikativen Kompetenz, so würde es sich anbieten, dass die teilnehmenden Lehrkräfte zuerst eine Aufgabe bearbeiten, in der sie einen Dialog anhand des Videoproduktionstools erstellen und damit die Lernerperspektive einnehmen. Durch die Simulation einer ganzheitlichen Situation aus der eigenen Unterrichtspraxis sammeln die Lehrkräfte erste Erfahrungen in Bezug auf die potenziellen Lerneffekte auf die Schüler und Schülerinnen und machen sich gleichzeitig mit technischen Aspekten des Tools vertraut. In der zweiten Phase tauschen sich die Teilnehmer über die gemachten Erfahrungen aus und setzen sich mit der verwendeten Methode kritisch auseinander. In einer dritten Phase soll durch eine theoretische Vertiefung die Reflexion gefördert werden. Dies kann zum Beispiel in Form eines kurzen Vortrags durch einen Experten mit anschließender Dikussion erfolgen. Dabei geht es unter anderem um die Vereinbarung von praktischem und theoretischem Wissen, das sich aus Ergebnissen aktueller Forschung zum lernwirksamen Unterricht speist (vergleiche Fögele & Mehren 2015, vergleiche auch Lerneinheit 8.2). In der letzten Phase soll den Teilnehmern die Möglichkeit geboten werden, die präsentierten Ansätze, Methoden, Materialien etc. selbst zu erproben. Diese Phase ist enorm wichtig, denn „das Erleben der eigenen Wirksamkeit ist Voraussetzung für Veränderungen von Lehrerüberzeugungen” (Fögele & Mehren 2015: 12). Denkbare Formate für diese Phase sind zum Beispiel die Erstellung einer Unterrichtssequenz oder die Entwicklung konkreter Materialien (zum Beispiel eine animierte Darstellung eines Grammatikthemas) (vergleiche Birnbaum et al. 2016: 148). Ein anderes Format, das je nach Fortbildungsdauer auch für diese Phase in Frage kommt, ist das sogenannte Microteaching (Duminy, MacLarty & Maasdorp 1992). Dabei zeichnen die Teilnehmer kurze Sequenzen des eigenen Unterrichts auf und analysieren sie anschließend in Gruppen. Das Microteaching ist zwar mit einem erhöhten Aufwand verbunden, aber der Einsatz von video-basierten Kollaborationstools (zum Beispiel DiVi DU ) und die Bildung sogenannter Lerngemeinschaften können die praktische Umsetzung sinnvoll unterstützen. Dies soll im nächsten Abschnitt erläutert werden. <?page no="312"?> 312 8. Lehren Lernen 8.3.4 Lerngemeinschaften Die sogenannten professionellen Lerngemeinschaften haben sich unter anderem für die Erprobungsbeziehungsweise Anwendungsphase von Fortbildungen als ein besonders effizientes Mittel erwiesen (Lomos, Hofman & Bosker 2011; Vescio, Ross & Adams 2008), wie zum Beispiel bei Ausbildungszyklen mit begleiteter Praxisphase (siehe Lerneinheit 8.2). Nach Huber & Hader-Popp (2008: 33) sind Lerngemeinschaften „Gruppen von Spezialisten mit Expertise in ihrer Profession und der Notwendigkeit, diese ständig zu aktualisieren und zu erweitern“. Das kooperative Arbeiten spielt eine primäre Rolle, denn es „führt zur Entwicklung von neuem Wissen, das geteilt und in die Ausübung der Profession eingebracht wird“ (Huber & Hader-Popp 2008: 33). Der Lernmehrwert von Lerngemeinschaften liegt vor allem darin, dass sich die Effekte der Fortbildung direkt auf der Schülerebene beobachten lassen und sie damit für die Lehrkräfte erfahrbar werden (Vescio et al. 2008). Das Arbeitsverfahren in Lerngemeinschaften ist nämlich darauf ausgerichet, die Lehrerkompetenz schrittweise zu optimeren, indem Videosequenzen aus den sogenannten Forschungsstunden im Hinblick auf die Wirksamkeit bestimmer Handlungsweisen in der Gruppe analysiert und kritisch reflektiert werden. Besonders interessant für das Unterrichtsmanagement ist auch die Tatsache, dass die Diskussionen über die Qualität des Unterrichts auf der Basis authentischer Unterrichtssequenzen erfolgen und nicht auf der Ebene allgemeiner Prinzipien bleiben (Brown Easton 2011: 5). Es ist jedoch anzumerken, dass nicht jede Gruppe von Lehrkräften, die für einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten, automatisch eine professionnelle Lerngemeinschaft ist. Nach Louis, Marks & Kruse (1996: 757-798) sollten folgende Voraussetzungen erfüllt werden: ▶ gemeinsame Fokussierung auf die Lernprozesse der Schüler: Nicht das Lehren, sondern das Lernen steht im Mittelpunkt der professionellen Lerngemeinschaft. ▶ Zusammenarbeit: Mit dem Ziel der Verbesserung des eigenen Unterrichts tauschen sich die Lehrkräfte über die Praktiken intensiv miteinander aus. ▶ deprivatisierte Lehrpraxis: Die Lehrkräfte hospitieren jeweils im Unterricht der anderen Lehrkräfte mit dem Ziel eines kollegialen Feedbacks beziehungsweise Peer-Coachings. Damit wird die eigene Lehrpraxis öffentlich und zu einem Ort, an dem eventuelle Probleme gemeinschaftlich gelöst werden können. ▶ reflexiver Dialog: Die teilnehmenden Lehrkräfte sind dazu bereit, die Lehrpraxis zu reflektieren und gemeinsame Wege zur Analyse und zum Verständis von relevanten Aspekten des Unterrichts zu entwickeln. Weiterhin merken Fögele & Mehren (2015) an, dass die Bildung der professionellen Lerngemeinschaften in Fortbildungen soweit möglich durch einen methodisch angeleiteten Findungsprozess erfolgen sollte, damit eine gemeinsame Orientierung der Lehrkräfte gewährleistet wird. Die Bildung von Lerngemeinschaften bestehend aus Lehrkräften mit unterschiedlichen Überzeugungen kann nämlich dazu führen, dass sie wenig effektiv zusammenarbeiten und lediglich allgemeine Glaubenssätze zum guten Unterricht diskutieren (Fögele & Mehren 2015: 12). Die Lehrerforschung nennt auch weitere Gelingensbedingungen für eine effektive Zusammenarbeit und das Erreichen nachhaltiger Lerneffekte: Die Teilnehmer und <?page no="313"?> 313 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Teilnehmerinnen sollten eine ähnliche Zielgruppe unterrichten, möglichst spezifische Ziele mit einem klaren Bezug zur Unterrichtspraxis aller Teilnehmer und Teilnehmerinnen festlegen, Fachwissen beziehungsweise Ergebnisse aus der Unterrichtsforschung als Grundlage zur Ausarbeitung von neuen Handlungsweisen nehmen sowie spezifisches und häufiges Feedback erhalten (Gersten, Dimino, Jayanthi, Kim & Santoro 2010; Hall & Hord 2001). Werden die Lehrkräfte jedoch dazu angehalten, im Rahmen einer Gruppenarbeitsphase (zum Beispiel zwischen zwei Präsenzsitzungen) zu kooperieren, kann es dazu kommen, dass die Interaktion einer Lerngemeinschaft aufgrund geographischer Entfernung online erfolgen muss und deswegen die Analyse von Videosequenzen und die Besprechung des Feedbacks erheblich erschwert werden. Einen möglichen Lösungsansatz zu diesem Problem stellen die videobasierten kollaborativen Tools wie DiVi DU (Kulk, Janssen, Gielis & Scheringa 2005) dar. Dieses Tool bietet eine virtuelle Lernumgebung, die darauf ausgerichtet ist, die Prozesse der Analyse, Reflexion und Evaluation durch strukturierte Verfahren zu unterstützen. In drei verschiedenen Modulen lernen die Teilnehmer, wie authentische Unterrichtssituationen analysiert und reflektiert werden und wie sie die erworbenen Kompetenzen selbst in die Tat umsetzen können. Abbildung 8.4: Interface des Tools DiVi DU (Gielis & Admiraal 2008: 2) Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können unter anderem Videos aus der eigenen Unterrichtspraxis hochladen, die Videos mit Aufgaben zur Analyse oder Reflexion verbinden und diese für eine Wiederverwertung speichern. Durch das Tool lassen sich also sowohl <?page no="314"?> 314 8. Lehren Lernen Peer-Coaching als auch Hospitationen virtuell realisieren. Der Einsatz von DiVi DU wurde bereits in Bereichen wie der Fachkommunikation verwendet und die meisten Teilnenehmer und Teilnehmerinnen berichteten, dass sie durch die Nutzung des Tools auf eigene Schwächen aufmerksam wurden, die sie dann schrittweise nachjustieren konnten (vergleiche Hulsman, Harmsen, & Fabriek 2009). Besonders interessant ist auch die Möglichkeit, eine Art Datenbank mit aktualisierten Videosequenzen als Best-Practice-Beispielen zu erstellen, die sowohl den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Gruppe als auch den Kolleginnen und Kollegen an der eigenen Institution zugänglich gemacht werden kann. Durch die Erstellung solcher Datenbanken wird also sichergestellt, dass die Ergebnisse einzelner Umsetzungsschritte festgehalten und im Sinne einer nachhaltigen Verwendung an das Kollegium vermittelt werden (vergleiche Handreichung der Pädagogischen Serviceeinrichtungen im Land Rheinland-Pfalz: 12). Die Erstellung einer solchen Datenbank war ebenfalls das Ziel des EU -Projekts Interactive Technologies in Language Teaching. Dort lassen sich die circa 250 Videosequenzen zwar nicht kommentieren und / oder mit Aufgaben zur Analyse des Unterrichtes versehen, aber sie können heruntergeladen und in Lernumgebungen wie DiVi DU integriert werden. Abbildung 8.5: Einstiegsseite des EU -Projektes (itilt.eu 2017) 8.3.5 Evaluation von Fortbildungen Nachdem wir uns die verschiedenen Phasen der Planung und Durchführung von Fortbildungen angesehen haben, soll nun besprochen werden, wie eine möglichst umfassende Evaluation gestaltet werden kann. Damit soll ermöglicht werden, dass die tatsächlichen Gründe für den <?page no="315"?> 315 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Erfolg (oder Misserfolg) von Fortbildungsmaßnahmen zuverlässig ermittelt werden. So haben einige Studien festgestellt, dass die Zufriedenheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht unbedingt mit dem Wissenszuwachs zusammenhängt (vergleiche Forschungsüberblick bei Lipowsky & Rzejak 2012: 2 f). Vielmehr scheint die Einschätzung des Nutzens der in der Fortbildung vermittelten Inhalte ein bedeutsamer Indikator für den Lernerfolg der Lehrpersonen zu sein. Dies ist wiederum keine Garantie dafür, dass sich die erworbenenen Kompetenzen tatsächlich in der Unterrichtspraxis einsetzen lassen und sich am Ende auch auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler positiv auswirken. In Lerneinheit 8.2 wurde folgerichtig zwischen folgenden Evaluationsebenen unterschieden, die in diesem Abschnitt ebenfalls als Grundlage dienen sollen: (1) Die Reaktionen der teilnehmenden Lehrkräfte, (2) das Lernen der Lehrerinnen und Lehrer, (3) Veränderungen im unterrichtlichen Handeln der Lehrperson, (4) die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler (Lipowsky & Rzejak 2012: 2 ff, vergleiche auch Kirkpatrick & Kirkpatrick 2006). Im Folgenden sollen diese Ebenen erläutert werden. Diese wurden zwar bereits in der Lerneinheit 8.2 behandelt, hier werden sie jedoch in Bezug auf die konkreten Planungsprozesse und Phasen besprochen. Auf der ersten Ebene werden nach Lipowsky & Rzejak (2012) Aspekte wie die Zufriedenheit der Fortbildungsteilnehmer und -teilnehmerinnen oder die persönliche Relevanz der Fortbildungsinhalte evaluiert, die zwar nicht immer einen Indikator für das tatsächliche Lernen darstellen, aber bei extrem niedrigen Werten auf einen mangelhaften Wissenserwerb schließen lassen. Auf der zweiten Ebene werden die Lernprozesse sowie die Veränderung der Einstellung und Wahrnehmung von Lehrkräften in Bezug auf den Unterricht erhoben, auch wenn der letztere Aspekt in der Forschung oft außer Acht gelassen wird (Lipowsky & Rzejak 2012: 4). Relevante Aspekte hier wären zum Beispiel die Qualität des Inputs, die Berücksichtigung der verschiedenen Lernformen, das Vorhandensein einer Erprobungsphase, die Austauschmöglichkeiten zwischen den Teilnehmern und Teilnehmerinnen sowie die Erfahrbarmachung des Mehrwerts der vermittelten Inhalte durch die Lehrkräfte. Die dritte Ebene betrifft nach Lipowsky & Rzejak (2012) den tatsächlichen Einsatz der vermittelten Inhalte und damit auch die Veränderung der unterrichtlichen Praxis. Eine Erhebung dieses Aspekts gestaltet sich vor allem bei One-Shot-Fortbildungen als sehr schwierig (der Einsatz im reellen Unterricht erfolgt erst nach der Fortbildung), er sollte jedoch immer Teil einer Evaluation sein (eventuell anhand einer Follow-Up-Befragung oder individueller Berichte von Lehrkräften nach der Fortbildung). Schließlich soll auf der vierten Ebene ermittelt werden, inwiefern sich die Fortbildungsmaßnahme (mittels der veränderten Handlungsweise der Lehrkraft) positiv auf die Schülerinnen und Schüler ausgewirkt hat. Erst dann lässt sich ermitteln, ob der eingangs formulierte Bedarf gedeckt werden konnte (zum Beispiel Blockaden der Lerner in der mündlichen Interaktion). Auch hier kann die Evaluation je nach thematischem Schwerpunkt unterschiedlich schwierig sein. Zielte die Fortbildung zum Beispiel auf die Steigerung der Interaktion in mündlicher Kommunikation ab, so ließe sich relativ kurzfristig beobachten, welche Effekte bei den Schülern und Schülerinnen durch das veränderte unterrichtliche Handeln der Lehrkraft bewirkt werden konnten. Bei anderen Themen wie der Förderung interkultureller Kompetenz reicht eine einfache Beobachtung einzelner Interaktionen in der Regel nicht aus. <?page no="316"?> 316 8. Lehren Lernen Eine flächendeckende Evaluation sollte nicht nur zwischen diesen vier Ebenen unterscheiden, sondern auch die Phasen der Fortbildung (Planung, Durchführung und Umsetzung / Erprobung) miteinbeziehen, denn erst dann lassen sich die Probleme dort identifizieren, wo sie entstanden sind. Eine relativ niedrige Wahrnehmung des Nutzens der vermittelten Inhalte könnte nämlich sowohl auf das Nichtvorhandensein einer Erprobungsphase als auch auf die Themenfestlegung während der Bedarfsanalyse zurückzuführen sein. Folgende Fragen könnten Ihnen deswegen helfen, phasenspezifische Items für den Evaluationsbogen zu entwickeln (angepasst nach der Handreichung der Pädagogischen Serviceeinrichtungen im Land Rheinland-Pfalz: 13 ff.): Evaluationsfragen zur Fortbildungsplanung ▶ War der Planungsprozess für die Kolleginnen und Kollegen transparent? ▶ Waren die Beteiligungsmöglichkeiten der Kolleginnen und Kollegen bei der Abfrage ihrer Fortbildungswünsche und der Festlegung der Schwerpunkte ausreichend? ▶ Sind die Inhalte der Fortbildungsplanung an der schulischen Praxis orientiert? ▶ Welche Relevanz hat die Themenfestlegung für die Schulentwicklung? Evaluationsfragen zu den Fortbildungsveranstaltungen ▶ Welche Ziele waren gegeben und welche Ziele wurden erreicht? ▶ Welche Erwartungen hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und welche wurden erfüllt? ▶ Welche Erkenntnisse aus der Fortbildung sollen umgesetzt werden? ▶ Welche Ziele werden mit der Umsetzung (Unterrichtsbzw. Schulentwicklung) verfolgt? Evaluationsfragen zur Umsetzung der Ergebnisse ▶ Was soll(te) durch die Fortbildung verändert werden? ▶ Was wurde durch die Fortbildungsmaßnahme verbessert? ▶ Wie waren die Rahmenbedingungen für die Umsetzung (zum Beispiel Unterstützung der Schule, Bildung einer Lerngemeinschaft etc.)? ▶ Welche förderlichen und hinderlichen Faktoren gab es bei der Umsetzung? ▶ Was hat sich durch die Umsetzung verändert (Auswirkungen auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler)? ▶ Wie haben sich die Veränderungen für die beteiligten Personen ausgewirkt (unter anderem bezüglich der Wahrnehmung der Lehrkräfte selbst)? <?page no="317"?> 317 8.3 Planung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen 8.3.6 Zusammenfassung ▶ Das E-Grid nimmt den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als Grundlage und formuliert Deskriptoren für insgesamt dreizehn Kompetenzbereiche mit jeweils sechs verschiedenen Niveaustufen. Damit lässt sich der Fortbildungsbedarf ermitteln, die Kompetenz der Lehrkräfte bei Anstellungen beurteilen, die Lehrkräfte innerhalb einer Institution sinnvoll einteilen sowie die Entwicklung der Lehrerkompetenz im Laufe der Karriere beschreiben. ▶ Zur Erreichung nachhaltiger Lerneffekte sollten Fortbildungen nicht nur neuen Input anbieten, sondern auch Raum und Zeit für die Umsetzung der neuen Kenntnisse sowie für die Reflexion vorsehen. One-Shot-Fortbildungen sind in der Regel wenig ertragreich, unter anderem weil sie keine optimalen Bedingungen für die praktische Anwendung und Besprechung der Erfahrungen bieten. ▶ Rationalistische Ansätze zur Lehrerfortbildung gehen davon aus, dass die Lehrpraxis Mängel aufweist, die sich durch die Erkenntnisse aus den Fachwissenschaften beheben lassen. Die handlungsorientierten Ansätze nehmen konkrete Probleme der Unterrichtspraxis sowie die damit verbundenen Einstellungen, Ideen und Bedürfnisse als Ausgangspunkt. ▶ Eine professionnelle Lerngemeinschaft ist eine Gruppe von Lehrkräften, die ihre Lehrerkompetenz durch Zusammenarbeit schrittweise optimieren und aktualisieren wollen. Eine professionnelle Lerngemeinschaft zeichnet sich unter anderem durch geteilte Normen und Werte, den gemeinsamen Fokus auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler, gemeinsame Ziele und reflexiven Dialog aus. 8.3.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche Anforderungsbereiche sind im E-Grid enthalten? 2. Welche Aspekte des Fortbildungsformats (Zeit, Umfang) und der Phasen sind für den Erfolg einer Fortbildung entscheidend? 3. Mit welchen Problemen sind Fortbildungen nach den rationalistischen Ansätzen behaftet und wie werden diese bei erfahrungs- und kompetenzbasierten Fortbildungen gelöst? 4. Welche Probleme können bei der Zusammenarbeit in Lerngemeinschaften auftreten und wie lassen sie sich effizient lösen? <?page no="319"?> 319 9. Literaturverzeichnis 9. Literaturverzeichnis Abendroth-Timmer, Dagmar (2016), Einzelarbeit. In: Burwitz-Melzer, Eva; Mehlhorn, Grit; Riemer, Claudia; Bausch, Karl-Richard & Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht (6., vollst. überarb. & erweit. Aufl.). Tübingen: A. Francke, 340-343. Albers, Hans-Georg & Bolton, Sibylle (1995), Testen und Prüfen in der Grundstufe. Einstufungstests und Sprachstandsprüfungen. Berlin, München: Langenscheidt. Alderson, Charles J. & Wall, Dianne (1993), Does washback exist? Applied Linguistics 14: 2, 115-129. Alderson, J. Charles (2000), Assessing Reading. Cambridge: Cambridge University Press. Alderson, Charles J.; Clapham, Caroline & Wall, Dianne (1995), Language Test Construction and Evaluation. Cambridge: Cambridge University Press. 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München: Hueber Verlag, 39. 2.3: Individuelle Einflussfaktoren beim Fremdsprachenlernen nach Riemer (1997); Eigene Abbildung. 3.1: Karneval A-C; A https: / / upload.wikimedia.org/ wikipedia/ commons/ 2/ 28/ Masche-re_carnevale_venezia.JPG, B: https: / / upload.wikimedia.org/ wikipedia/ commons/ f/ f1/ Car-nival_of_Rio_de_ Janeiro_2011_-_Samba_Dancers_%286776105192%29.jpg, C: https: / / upload-.wikimedia.org/ wikipedia/ commons/ 0/ 0a/ InfrogmationTromboneMardiGras.jpg 3.2: Testaufgabe aus ungarischer Abiturprüfung; Oktatási és kulturális minisztérium (2009), Budapest: Oktatási és kulturális minisztérium, 4-5. 3.3: Phasen der Prüfungsentwicklung; Eigene Abbildung. 6.1: Merkmale der positiven Lernatmosphäre nach Scrivener (2011: 16 ff); Eigene Abbildung. 6.2: Deskriptoren von EPOSA ; European Centre for Modern Languages oft he Council of Europe (o. J.), Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung. Informationsbroschüre. Graz: European Centre for Modern Languages, 4. 6.3: Beispiele aus dem EPOSA nach Newby et al. (2007: 15); Eigene Abbildung. 6.4: Ablauf der Sprachenausbildung im Modell Studiersprache Deutsch; Althaus, Joachim; Hufeisen, Britta; Kleppin, Karin; Koreik, Uwe; Luckscheiter, Roman; Roche, Jörg; Rösler, Dietmar; Thimme, Christian & Werner, Jürgen (2014), Entwicklung von Sprachenkonzepten. Ein Praxisleitfaden für deutsche Hochschulprojekte im Ausland. Bonn: DAAD & HRK , 18. 7.1: Zielkreislauf / Prozessmodell; Rolff, Hans Günter (2009), Pädagogisches Qualitäts-Management( P- QM ): Skizze einer Gesamtübersicht (überarbeitete Fassung des Originals von 2001), 5 [Online unter www.bva.bund.de/ DE/ Organisation/ Abteilungen/ Abteilung_ZfA/ Auslandsschularbeit/ PaedagogischesQualitaetsmanagement/ PQM_Skizze_einer_Gesamt%C3%BCbersicht.doc? __ blob=publicationFile&v=2 15. November 2017]. 8.1: Blended Learning nach Wiepcke (2006: 69); Eigene Abbildung. 8.2: Tortenmodell nach Majorosi & Perjés (1999: 318-319); Eigene Abbildung mit Zeichnung von Theo Scherling. 8.3: Prozess des Tranfers von der Theorie in die Praxis; Yoon, Kwang S.; Duncan, Teresa; Lee, Silvia W.-Y; Scarloss, Beth & Shapley, Kathy L. (2007), Reviewing the evidence on how teacher professional development affects student achievement. Issues & Answers Report, REL 2007-No. 033. Washington, DC : U. S. Department of Education, Institute of Education Sciences, National Center for Education Evaluation and Regional Assistance, Regional Educational Laboratory Southwest, 4 [Online unter http: / / ies.ed.gov/ ncee/ edlabs, 17. 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Oktober 2017]. 8.5: Einstiegsseite des EU -Projektes; http: / / www.itilt.eu/ . <?page no="341"?> 341 Sachregister Aktionsforschung 300 Aktivität 108 Alternativantwortaufgabe 131 Analytische Bewertung 156 Anforderungen 127 Anpassung von Sprachniveaus 112 Aufgabe 191 Authentizität 103 BBedarfsanalyse 36 benchmarking 241 Bewertungsskalen 157 Bezugsnorm 182 Binnendifferenzierung 80 Blended Learning 287 Bottom-Up Prozess 244 Bright Person Hypothesis (BPH) 210 Burn-Out 291 CCurriculum 33 DDas Europäische Sprachenportfolio 25 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) 19 DPIMIC-Strategie 204 EEinstufungstests 91 Ergebnisorientierter Ansatz 201 Erprobung 118 European Profiling Grid (EPG) 304 Evaluation 87 FFachspezifisches Inhaltswissen 210 Fachspezifisches, pädagogisches Inhaltswissen 211 Fairness 106 Fördernde oder formative Bewertung 163 Förderpläne 185 Formales Lernen 281 Formelle Sprachtests 91 GGamification 171 geheime Lehrpläne 36 Gerechtigkeit (von informellen Tests) 108 geschlossene Aufgabenformate 131 Hhalboffene Aufgabenformate 131 Handlungslernen 286 Handlungsorientierung 61 Handlungs- und kompetenzorientierter Ansatz 20 Heterogenität 76 Holistische (ganzheitliche) Beurteilung 156 IInformelles Lernen 281 Informelle Sprachtests 90 Interaktionen 135 Interaktivität 105 Interkulturelles und plurikulturelles Bewusstsein 29 KKann-Beschreibungen 21 Knowledgeable Teacher Hypothesis (KTH) 211 kommunikativer Rahmen 140 Kommunikative Sprachkompetenzen 148 kommunikative Strategien 136 Kompetenz 48 Kompetenzniveau 20 Konstrukt 87 Kriterienkatalog 169 LLebenslanges Lernen 280 Lehrerfortbildung 282 Lehrerkompetenzen 212 Lehrerweiterbildung 283 Lehrkompetenzen 212 Lehrplan 37 Lehrziele 45 Lernberatung 185 Lernergebnisse (learning outcomes) 164 Lernerorientierung 62 Lernfortschrittstests 92 Lerntagebücher 168 Lernziele 45 Lernzielkatalog 179 Lese- und Hörstil 127 Lückentext 153 M Sachregister <?page no="342"?> 342 Sachregister Maximalziel (Additum) 56 Mehrwahlantwortaufgabe 131 Messen 86 Microteaching 311 Minimalziel (Fundamentum) 56 Modell der Didaktischen Analyse 64 Modelltest 190 Moderation 118 NNachhaltigkeit 294 Non-formales Lernen 281 OObjektivierungsverfahren 139 Objektivität 100 PPerformanztests 138 Phasenmodelle 67 plan-do-study-act-Modell (PDSA-Modell, auch Demingkreis) 201 Plurilingualismus 20 Portfolio 170 positive Auswirkungen (von Tests) 105 Prinzip der Interdependenz 63 Prinzip der Kontinuität 63 Prinzip der praktischen Realisierbarkeit 63 Prinzip der Revidierbarkeit 63 Prinzip der theoretischen Fundierung 63 Prozessorientierter Ansatz 201 Prüfungstraining 190 QQualitätskriterien 237 Qualitätsmanagementsystem 201 RReferenzaufgaben 112 Reliabilität 100 Rückmeldung (bei informellen Tests) 108 SScaffolding 196 Schwierigkeitswert 120 Sprachencurriculum 33 Sprachprüfungen 93 Sprachverwender / Lerner-Modell des GER 27 standard settings 113 Steuerung 196 Steuerungsformen 140 Streuung 120 subjektive Theorien 310 TTaxonomie von Lehr- und Lernzielen 50 Teilnehmerorientierung 293 Testaufgabe 191 Testkonstrukt 127 Testökonomie (Wirtschaftlichkeit) 106 Tests 88 Testspezifikationen 117 Testziele / Messziele 179 Top-Down-Prozess 244 Total-Quality-Management-Modell (TQM) 201 Transfererfolg 294 Trennschärfe 120 Triangulation 241 UÜbung 191 Übungssequenz 191 Unterrichtsprinzipien 61 VValidität 102 Veranstaltungserfolg 294 Videobasiertes Kollaborationstool 311 WWertorientierter Ansatz 201 Wirtschaftlichkeit (Testökonomie) 106 ZZielkomplexität 45 Zielkreislauf der Evaluation 245 Zuordnungsaufgabe 131 <?page no="343"?> Guter Unterricht will gut geplant und gut vorbereitet sein, mit messbaren Erfolgen umgesetzt und systematisch optimiert werden können. Dieser Band widmet sich daher all den didaktischen, pädagogischen, curricularen und institutionellen Herausforderungen einer guten Lehrpraxis vor, während und nach dem Unterricht. Zur Unterrichtsentwicklung, dem Unterrichtsmanagement und der Evaluation von Unterricht gehören umfassende Kriterien für die Qualität des Unterrichts und Indikatoren für seinen Erfolg, vielseitige Verfahren des gemeinsamen Managements sowie eine vertiefte Kenntnis von bewährten Prinzipien des Sprachenerwerbs, wie sie in einschlägige Qualitätsrahmen - etwa im Auslandsschulwesen - eingegangen sind. Der Band eignet sich daher als grundlegende Einführung in das Management von erfolgreichem Fremdsprachenunterricht, als Grundlage für die Lehrplan- und Materialentwicklung und als P ichtlektüre für alle Lehrkräfte und Institutionen, die sich für die Optimierung der Vermittlung von Sprachen interessieren. 6 6 Kompendium DaF/ DaZ DaF/ DaZ 6 Kompendium DaF/ DaZ Roche / Einhorn / Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement ISBN 978-3-8233-8213-3 Jörg Roche / Ágnes Einhorn / Ferran Suñer (Hg.) Unterrichtsmanagement Kompendium DaF/ DaZ
