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Rolle und Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen

Arbeitspapiere der 38. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts

0813
2018
978-3-8233-9245-3
978-3-8233-8245-4
Gunter Narr Verlag 
Eva Burwitz-Melzer
Claudia Riemer
Lars Schmelter

Die konkrete Gestaltung von Fremd- und Zweitsprachenunterricht hängt in hohem Maße von der Lehrperson und damit von deren Professionalität und Rollenverständnis ab. Hinsichtlich des Zusammenspiels von Fachkompetenz und Professionalität stellt sich für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen in besonderer Weise die Frage, worin Fachkompetenz besteht und wie Professionalität gefördert werden kann. Wenn Fachkompetenz sich nicht allein aus den wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen wie Literatur- und Sprachwissenschaft, die häufig noch den größten Anteil der universitären Lehrerbildung ausmachen, erwachsen soll, dann müssen begründete alternative Konzepte von Fachkompetenz und ihrem Verhältnis zur Professionalität formuliert werden. Auf deren Grundlage können dann auch Curricula für die verschiedenen Phasen von Professionalitätsentwicklung entworfen werden. Anhand von Leitfragen diskutieren knapp 20 Fremdsprachendidaktikerinnen und Fremdsprachendidaktiker verschiedene Aspekte der Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen. Sie gehen dabei auch der Frage nach, welche Aufgaben der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung bei der Entwicklung von Professionalität zukommen. Dabei nehmen sie den aktuellen Forschungsstand ebenso in den Blick wie Desiderate für zukünftige Forschung.

<?page no="1"?> Rolle und Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen <?page no="2"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Eva Burwitz-Melzer/ Claudia Riemer/ Lars Schmelter (Hrsg.) Rolle und Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen Arbeitspapiere der 38. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts <?page no="4"?> © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8245-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Mark Bechtel: Zur Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen 9 Eva Burwitz-Melzer: Ein phasenübergreifendes Portfolio in der Lehramtsausbildung 21 Daniela Caspari: Zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen - Überlegungen im Kontext von Quer- und Seiteneinstieg 32 Bärbel Diehr: Bildung, Erziehung, Vermittlung: Professionalität der Fremdsprachenlehrpersonen 43 Hermann Funk: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache als Vorreiter und Nachzügler einer Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften - zu Unterschieden und gemeinsamen Herausforderungen 54 Wolfgang Hallet: Didaktische Selbständigkeit als Ziel der fremdsprachlichen Lehrer/ innenbildung 66 Friederike Klippel: Sprachenlehrende - lebenslang Lernende 77 Jürgen Kurtz: Ganzheitliche Englischlehrerbildung: Englischunterrichtliche Lehrwerke als vernachlässigte Bildungsinstrumente 88 Michael K. Legutke: Die Bedeutung des Lehrens beim Lernen von Fremdsprachen 98 Hélène Martinez: Lernkompetenz als Grundlage von Professionalität: Plädoyer für ein lebenslanges Lernen 108 Grit Mehlhorn: Zur Professionalität angehender Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte 120 Claudia Riemer: Zur Rolle und Professionalität von DaF-/ DaZ- Lehrer*innen 131 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis 6 Henning Rossa: Die Professionalität der Fremdsprachenlehrperson aus der Innensicht: Wissen, Erfahrungen und beliefs 143 Jutta Rymarczyk: Rolle und Professionalität der Fremdsprachenlehrpersonen 152 Birgit Schädlich: Gegenstände, Prozesse und Personen fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung: Bestandsaufnahme und Forschungsdesiderate 164 Lars Schmelter: Kompetenzbildung, berufsbiographische Aufgabe oder strukturelle Unmöglichkeit? Professionalität von Fremd- und Zweitsprachenlehrern 175 Julia Settinieri: Wie wird jeder Unterricht zu Sprachunterricht? Zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Bereich der sprachlichen Bildung 186 Britta Viebrock: Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften: Anforderungen, Phasenverläufe und Forschungsbedarfe 197 Adressen der Beiträger und Herausgeber 209 Bisher erschienene Arbeitspapiere der Frühjahrskonferenz 213 <?page no="7"?> Vorwort Die Lage könnte widersprüchlicher kaum sein: Einerseits ist mit der Umgestaltung des Bildungswesens die Bedeutung von professionell agierenden Lehrpersonen deutlicher hervorgetreten. Sie manifestiert sich u.a. in den von der KMK (2004ff.; 2008ff.) formulierten Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften bzw. die Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. Diese auch in der breiten Öffentlichkeit diskutierte Bedeutung der Qualität der Lehrpersonen für die Ergebnisse von Bildungsprozessen kulmuniert in der Aussage, dass es auf die Lehrperson ankäme. Andererseits werden in zahlreichen Bundesländern in Ermangelung formal qualifizierter Lehrpersonen für den Fremd- und Zweitsprachenunterricht Quer- und Seiteneinsteiger eingestellt. Diese verfügen oft nicht über formale Qualifikationen, die sich z.B. in einem einschlägigen (Lehramts-)Studium niederschlagen würden. Diese Entwicklungen fordern die Fremdsprachendidaktiken nicht nur mit Blick auf die allgemeinbildenden Schulen auf, sich erneut und intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Aufgaben und welche Rollen eine professionelle Lehrperson übernehmen soll. Über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten muss sie verfügen, welche Kompetenzen muss sie aufgrund welcher (Aus-)Bildungsprozesse bereits mitbringen? Welche können bzw. müssen im Laufe der Berufstätigkeit weiter ausgebaut werden? Nachdem die Fremdsprachendidaktiken sich lange Zeit vornehmlich mit den Lernerinnen und Lernern befasst haben, haben in den letzten Jahren auch diese Fragen - nicht zuletzt durch die oben skizzierten Veränderungen - das Interesse der Fremdsprachenforschung gefunden. Sie bildeten den Hintergrund der Diskussionen 38. Frühjahrskonferenz, die in diesem Band dokumentiert werden. Den bisherigen Gepflogenheiten der Frühjahrskonferenz folgend waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, sich zu vier im Vorfeld von den Veranstalterinnen und vom Veranstalter versandten Leitfragen auf 8 bis 10 Seiten schriftlich zu äußern. Die so entstandenen Stellungnahmen wurden an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Vorbereitung der 38. Frühjahrskonferenz gesendet. Sie bildeten die Diskussionsgrundlage der Konferenz, die vom 15. bis 17. Februar 2018 im Schloss Rauischholzhausen, einer Tagungsstätte der Justus-Liebig-Universität Gießen, stattfand. Die Leitfragen waren: 1. - Die konkrete Gestaltung von Fremd- und Zweitsprachenunterricht hängt in hohem Maße von der Lehrperson und damit von deren Professionalität und Rollenverständnis ab. Welche Rolle und welche spezifischen Aufgaben übernehmen in Ihrem Verständnis des Lehrens und Lernens von Fremd- und Zweitsprachen die Lehrpersonen? Welches <?page no="8"?> Vorwort 8 Verständnis von Professionalität legen Sie dabei zugrunde und worin besteht die fachliche und evtl. didaktische Spezifik der Professionalität, die über die fächerübergreifenden Aspekte hinausgeht? 2. - Wie hängen Professionalität und die häufig als Grundlage guten Unterrichts hervorgehobene Fachkompetenz zusammen? Und worin besteht mit Blick auf Fremd-/ Zweitsprachenlehrerinnen und -lehrer die Fachkompetenz? Bilden die fachspezifischen KMK-Standards zur Lehrerbildung diese Fachkompetenz in angemessener Weise ab? 3. - Welche Aufgabe kommt der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung bei der Entwicklung von Professionalität der Fremd-/ Zweitsprachenlehrpersonen zu? Wie kann eine Entwicklung bzw. eine Förderung der Professionalität von Fremd-/ Zweitsprachenlehrpersonen in den unterschiedlichen Phasen der Ausbildung erreicht werden? Welche Besonderheiten sind zu berücksichtigen? 4. - In welchen Bereichen sehen Sie mit Blick auf die Professionalität von Lehrpersonen den vordringlichen Forschungsbedarf der Fremdsprachenforschung? Die in diesem Band zusammengetragenen Beiträge beruhen auf den von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach der Konferenz überarbeiteten Statements. Sie verdeutlichen einerseits die Breite der Zugänge und die je nach Tätigkeitsfeld und Sprache unterschiedlichen Aufgaben von Lehrpersonen im Bereich des Lehrens von Zweit- und Fremdsprachen. Andererseits zeigt sich in den Beiträgen auch, wie groß der spezifische Forschungsbedarf mit Blick auf die Rolle, die Aufgaben und auch die durch entsprechende Angebote unterstützte Entwicklung von Professionalität der Lehrpersonen noch ist. Die Veranstalterinnen und der Veranstalter danken sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Frühjahrskonferenz danken der Justus-Liebig- Universität und den Verantwortlichen vor Ort für die erneut gewährte Gastfreundschaft. Wie immer war diese für den ertragreichen Verlauf der Konferenz von unschätzbarem Wert. Ganz besonders möchten wir an dieser Stelle noch einmal Frank G. Königs danken, der 22 Jahre - zuletzt als Doyen - dem Veranstaltergremium angehörte. Seit vielen Jahren hat er zudem die Veröffentlichung der Beiträge zur Frühjahrskonferenz betreut. Er hat sich im letzten Jahr aus dem Kreise der Veranstalter zurückgezogen und in diesem Zuge auch die Einrichtung des Manuskripts abgegeben. Gießen, Bielefeld und Wuppertal, im Sommer 2018 Eva Burwitz-Melzer Claudia Riemer Lars Schmelter <?page no="9"?> Zur Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen Mark Bechtel 1 - - Einleitung Spätestens seit der Hattie-Studie ist ins öffentliche Bewusstsein gerückt, dass Lehrkräfte und ihr Unterricht ein zentraler Faktor erfolgreichen schulischen Lernens sind (vgl. Hattie 2017). Gleichzeitig wurde augenfällig, dass in Deutschland ein gesellschaftlicher Bedarf besteht, die Qualität der Lehrerausbildung zu verbessern und damit die Professionalität der zukünftigen Lehrkräfte zu erhöhen. Ziel des Beitrags ist es, zum einen der Frage nachzugehen, mit welchen beruflichen Anforderungen Fremdsprachenlehrpersonen konfrontiert werden und welche Kompetenzen sie benötigen, um diese professionell zu bewältigen. Zum anderen geht es um die Frage, was die universitäre fachdidaktische Ausbildung zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen beitragen kann. 2 - - Zum Verständnis von Professionalität Unter Professionalität versteht Horn (2016, 156) die „Qualität der Ausübung und Erfüllung der professionellen Berufsaufgaben durch die Berufsinhaber“. Meinem Verständnis von Professionalität liegt eine Verknüpfung aus kompetenzorientiertem, strukturtheoretischem und berufsbiografischem Ansatz zugrunde. Der kompetenzorientierte Ansatz gestattet, aus der Analyse der beruflichen Handlungsanforderungen einer Lehrperson, also der Aufgaben, die sie im Berufsalltag erledigen muss, diejenigen Kompetenzen abzuleiten und möglichst genau zu beschreiben, die zur Bewältigung dieser Aufgaben nötig sind. Professionell ist eine Lehrperson nach diesem Ansatz dann, wenn sie „in den verschiedenen Anforderungsbereichen (…) über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt“ (Terhart 2002, 207). Da die Anforderungen an die beruflichen Handlungssituationen von Lehrpersonen komplex sind, benötigt man einen komplexen Kompetenzbegriff, der ein Zusammenwirken von Wissen, Können und Wollen/ Bewusstheit beinhaltet, um Professionalität zu beschreiben. Ein solcher Kompetenzbegriff liegt z.B. dem COACTIV-Projekt zugrunde: Professionelles Handeln entsteht hier <?page no="10"?> Mark Bechtel 10 „aus dem Zusammenspiel von - - spezifischen, erfahrungsgesättigten deklarativen und prozeduralen Wissen (Kompetenzen im engeren Sinne: Wissen und Können); - - professionellen Werten, Überzeugungen, subjektiven Theorien, normativen Präferenzen und Zielen; - - motivationalen Orientierungen sowie - - Fähigkeiten der professionellen Selbstregulation.“ (Baumert/ Kunter 2011, 33) Eine besondere Herausforderung für die Lehrperson ergibt sich dadurch, dass das Lehrerhandeln „unter doppelter Unsicherheit“ (Baumert/ Kunter 2011, 30) steht. Für Baumert/ Kunter (ebd.) ist damit die These verbunden, dass zum einen Unterricht „nur begrenzt planbar“ ist, da „(d)ie interaktive Struktur des Unterrichts und die Unvorhersehbarkeit des aktuellen Verhaltens von Schülerinnen und Schülern (…) den Unterrichtsdiskurs und die Gestalt des Lehrangebots auch bei sorgfältiger Vorbereitung situationsabhängig“ machen, und dass es zum anderen für die Ergebnisse des Unterrichts, d.h. die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler, keine Garantie gibt, da Lernen letztendlich „ein idiosynkratischer mentaler Prozess“ ist. Diese These liegt auch dem strukturtheoretischen Ansatz zugrunde, für den die widersprüchlichen Anforderungen und strukturellen Antinomien (Nähe - Distanz, Schülerorientierung - Sachorientierung, Interaktion - Organisation, Autonomie - Heteronomie) zu einer „Ungewissheit der Handlungssituation“ führen, mit deren vielfältigen Spannungen die Lehrperson in der täglichen Arbeit umgehen muss (vgl. Helsper 2011). Die Undeterminiertheit und strukturelle Widersprüchlichkeit der Handlungssituation sowie die Erfolgsunsicherheit des Lehrerhandelns, die der strukturtheoretische Ansatz hervorhebt, bedeuten jedoch - und hier schließe ich mich dem kompetenzorientierten Ansatz von Baumert/ Kunter (2011, 30) an - „weder, dass die persönlichen Voraussetzungen, die notwendig sind, um in dieser Situation erfolgreich zu handeln, nicht beschrieben werden könnten, noch, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht erlernbar oder vermittelbar seien“. In meinem Verständnis von Professionalität ist zudem der berufsbiografische Ansatz von Bedeutung, da er hervorhebt, dass es sich bei der Professionalisierung um einen Prozess handelt, bei dem Kompetenzentwicklung und professionelles Handeln eng mit Identitätsentwürfen und der eigenen Lern- und Lehrbiografie zusammenhängen (vgl. Herzog 2011). Den Beruf von Fremdsprachenlehrpersonen verstehe ich damit als eine Profession, für dessen Ausübung man sich im Laufe eines berufsbiografischen Entwicklungsprozesses der Professionalisierung die nötigen Kompetenzen aneignen kann, um die widersprüchlichen Anforderungen einer nur bedingt planbaren Unterrichtssituation bewältigen zu können. Diese Kompetenzen <?page no="11"?> Zur Professionalität -von -Fremdsprachenlehrpersonen - 11 sind - so die Annahme - zu unterschiedlichen Zeitpunkten als ein bestimmtes Professionalitätsniveau beschreibbar. 3 - - Zur Bestimmung fachspezifischer Aufgaben von Fremdsprachen--‐ lehrpersonen Worin bestehen neben den allgemein-pädagogischen Aufgaben des „Unterrichtens“, „Erziehens“, Beurteilens“ und „Innovierens“ (vgl. KMK 2014, 7-14) die fachspezifischen Aufgaben von Fremdsprachenlehrpersonen? Geht man für die Bestimmung der fachspezifischen Aufgaben von Fremdsprachenlehrpersonen davon aus, dass Kompetenzbeschreibungen als Pendant zu beruflichen Aufgaben gelesen werden können, so kann man beispielsweise auf die Zusammenstellung von Wipperfürth (2009, 13ff.) zurückgreifen. Auf der Grundlage einer auf fremdsprachendidaktischen Forschungsergebnissen basierenden Analyse der Handlungsanforderungen hat Wipperfürth die dazu erforderlichen Kompetenzen herausarbeitet. Sie sieht die Fachspezifik in den Bereichen „Lehrersprache“, „Mehrsprachigkeit“ und „interkulturelles Lernen“. Aus Platzgründen sei hier nur beispielhaft auf einzelne mit diesen Bereichen verbundene Aufgaben hingewiesen. Im Bereich „Lehrersprache“ ist dies beispielsweise die Aufgabe, die Fremdsprache und die Muttersprache reflektiert zur Gestaltung und Organisation des Lehr-/ Lernprozesses, als fremdsprachlichen Input und als Kommunikationsmedium, einzusetzen (vgl. Wipperfürth 2009, 13). Im Bereich „Mehrsprachigkeit“ ist dies beispielsweise die Aufgabe, Schüler anzuregen, Fertigkeiten und Strategien zu erwerben, die ihnen das Lernen weiterer Fremdsprachen ermöglichen (vgl. Wipperfürth 2009, 18). Im Bereich „Interkulturelles Lernen“ hat die Fremdsprachenlehrperson beispielsweise die Aufgabe, dass sie in Unterrichtsphasen interkulturellen Lernens formbezogenes sprachliches Lernen zurückstellt (vgl. Wipperfürth 2009, 20). Eine andere Quelle, um die fachspezifischen Aufgaben für Fremdsprachenlehrpersonen zu bestimmen, bietet m.E. das „Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung“ (EPOSA) (Newby et al. o.J.). Darin sind für sieben Bereiche (Kontext, Methodik, Ressourcen, Unterrichtsplanung, Durchführung einer Unterrichtsstunde, Selbstständiges Lernen, Beurteilung des Lernens) „Ich-kann“-Formulierungen aufgelistet. Werden sie wie oben als Pendant zu beruflichen Aufgaben gelesen, scheinen insbesondere die Ausführungen im Bereich der Methodik interessant, weil sie detaillierter als bei Wipperfürth die Fachspezifik der Aufgaben illustrieren. Ebenfalls aus Platzgründen seien hier exemplarisch nur drei der acht Aufgaben genannt, die allein für den Bereich Hörverstehen aufgelistet werden (vgl. Newby et al. o.J., 25): Texte gemäß Bedarf, Sprachniveau und Interessen der Schüler auswählen; Aktivitäten vor dem Hören einsetzen, die den Schülern entsprechende Orientierung <?page no="12"?> Mark Bechtel 12 für den Text bieten; Aktivitäten entwickeln und auswählen, um verschiedene Hörstrategien zu üben und weiterzuentwickeln. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung fachspezifischer Aufgaben von Fremdsprachenlehrpersonen könnte darin bestehen, als Ausgangspunkt die Bildungsstandards für die fortgeführte erste Fremdsprache für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012) zu nehmen und daraus abzuleiten, welche Aufgaben Fremdsprachenlehrpersonen bewältigen müssen, um einen Lernprozess bei den Schülern zu initiieren und zu begleiten, der es ihnen ermöglicht, die in den Standards formulierten Kompetenzerwartungen auszubilden. Durch diese Standards kämen verstärkt fachspezifische Aufgaben im Bereich der Förderung von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz sowie im Bereich der Text- und Medienkompetenz in den Blick, die beim EPOSA kaum Berücksichtigung finden. 4 - - Fachkompetenz als mehrdimensionales Konstrukt Versteht man die „Fachkompetenz“ einer Fremdsprachenlehrperson als ein mehrdimensionales Konstrukt, das aus einer fachwissenschaftlichen Kompetenz (in den Teilgebieten Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft), einer fremdsprachlichen Kompetenz und einer fachdidaktischen Kompetenz besteht, dann trägt diese Fachkompetenz neben der allgemein-pädagogischen Kompetenz entscheidend zur Professionalität bei. Allerdings haben die einzelnen Kompetenzen in meinen Augen eine unterschiedlich große Bedeutung. Die fachwissenschaftliche Kompetenz ist für mich eine notwendige Bedingung für Professionalität, jedoch keine hinreichende. Das Gleiche gilt für die fremdsprachliche Kompetenz. Eine ausgeprägte fachwissenschaftliche Kompetenz ermöglicht der Lehrperson, den sprachlichen, literarischen, kulturellen Gegenstand von der Sache her in angemessener Differenziertheit und Tiefe zu durchdringen. Eine ausgeprägte fremdsprachliche Kompetenz gibt der Lehrperson eine gewisse Grundsicherheit, gleichzeitig ist sie Voraussetzung für einen funktional einsprachigen Fremdsprachenunterricht. Die Professionalität einer Fremdsprachenlehrperson beginnt für mich jedoch erst an dem Punkt, an dem sich die Lehrperson mit der Frage befasst, wie sie den Unterrichtsgegenstand mit den Lernenden in Beziehung setzen kann, wie sie „eine intensive Interaktion zwischen Gegenstand und Lernenden zustande (…) bringen und zur Reflexion über Lern- und Verstehensprozesse (anregen) kann“ (Bredella 2003, 49). Hierbei wird nach Bredella (2003, 47) von der Fremdsprachenlehrperson eine Reflexion darüber verlangt, wie „bestimmte Gegenstände in das Blickfeld und den Erfahrungshorizont der Lernenden gerückt werden, so dass sie bildungsrelevant werden und zur Entwicklung ihrer kognitiven, imaginativen, sozialen und ethischen Fähigkeiten beitragen“. Das Gleiche gilt für die fremdsprachliche Kompetenz. Die Professionali- <?page no="13"?> Zur Professionalität -von -Fremdsprachenlehrpersonen - 13 tät beginnt für mich an dem Punkt, an dem sich die Lehrperson mit der Frage befasst, wie sie ihre fremdsprachliche Kompetenz in den Dienst des Lehrens und Lernens der Fremdsprache stellen kann. Dazu gehört eine Reflexion darüber, welche Art des fremdsprachlichen Inputs die Lernenden wann benötigen, mit welchen sprachlichen Schwierigkeiten Sprachanfänger zu tun haben und wie sie motiviert und befähigt werden können, selbst in der Fremdsprache zu kommunizieren. Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft weder eine fachwissenschaftliche noch eine fremdsprachliche Kompetenz weiter, hier ist eine fachdidaktische Kompetenz gefragt. Dass die fachdidaktische Kompetenz ein zentraler Einflussfaktor für erfolgreiches unterrichtliches Handeln ist, konnte z.B. durch das COACTIV- Projekt empirisch untermauert werden (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia/ Kuhn/ Brückner 2013, 9). Insofern stellt erst die Verschränkung von fachwissenschaftlicher Kompetenz, fremdsprachlicher Kompetenz und fachdidaktischer Kompetenz eine hinreichende Bedingung für die Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen dar, wobei die fachdidaktische Kompetenz unabdingbar ist, um eine lernwirksame Interaktion zwischen Unterrichtsgegenstand und Lernenden in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten. 5 - - Zur Fachkompetenz in den fachspezifischen KMK--‐Standards zur Lehrerbildung In den „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (KMK 2017) von 2008 wird für alle Schulfächer der Versuch unternommen, die Fachkompetenz abzubilden. Ich beziehe mich hier auf die Fassung von 2017 und konzentriere mich dabei auf die für die fremdsprachlichen Schulfächer („Neue Fremdsprachen“) festgelegten Anforderungen (KMK 2017, 44-46). Die Anforderungen weisen zwei Teile auf. Der erste Teil enthält ein „Fachspezifisches Kompetenzprofil“, in dem neben einem übergreifenden Kompetenzstandard zwölf Kompetenzerwartungen für Lehramtsabsolventinnen und -absolventen in Form von can-do-statements festgeschrieben sind. 1 Der zweite Teil beinhaltet eine Auflistung von „Studieninhalten“ für die Sprachpraxis, die fachwissenschaftlichen Kompetenzbereiche Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft sowie die Fachdidaktik der studierten Fremdsprache, teilweise differenziert nach Sekundarstufe I und II. Der Fokus meiner Analyse liegt auf den Kompetenzformulierungen des „Kompetenzprofils“. Ich gehe dabei den Fragen nach, a) inwiefern die drei Dimensionen der Fachkompetenz in den can-do-statements abgebildet sind (vgl. Kap. 4), b) welche can-do-statements sich welchen Kompetenzdimensio- 1 Um Verweise zu ermöglichen, habe ich die can-do-statements von 1 bis 12 nummeriert und mit „K“ abgekürzt (z.B. K1). <?page no="14"?> Mark Bechtel 14 nen (Wissen, Können, Bewusstheit) zuordnen lassen (vgl. Kap. 2), und c) ob die Standards die Fachkompetenz angemessen abbilden. Zu a): Im übergreifenden Kompetenzstandard werden alle drei Dimensionen der Fachkompetenz eingefordert). Durch die Zielsetzung, dass die Lehramtsabsolventinnen und -absolventen „ihre Kompetenzen unterrichtsbezogen einsetzen können“ sollen, wird zudem der fachdidaktischen Dimension implizit eine besondere Rolle zugewiesen. Das erste can-do-statement bezieht sich auf die fremdsprachliche Dimension (K1), das zweite auf die fachwissenschaftliche (K2), das dritte auf alle Dimensionen (K3), das vierte und fünfte gleichermaßen auf die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Dimension (K4, K5), die fünf weiteren zielen auf die fachdidaktische Dimension (K6, K7, K8, K9, K10); die letzten beiden haben Kompetenzen im Bereich der Inklusion im Blick, wobei das eine einen fachdidaktischen Bezug hat (K11), während das zweite allgemein-pädagogisch ausgerichtet ist (K12). Insgesamt kann festgehalten werden, dass acht der zwölf Kompetenzerwartungen einen fremdsprachendidaktischen Bezug haben. Dieser hohe Anteil scheint die große Bedeutung der fremdsprachendidaktischen Kompetenz widerzuspiegeln. Zu b): Bei der fremdsprachlichen Kompetenz wird ein Wissen und Können gefordert (K1 „vertieftes Sprachwissen und ein ‚nativenahes‘ Sprachkönnen in der Fremdsprache“), wobei dieses mit einer interkulturellen Kompetenz verbunden wird. Bei der fachwissenschaftlichen Kompetenz wird Wissen (K2 „vertieftes, strukturiertes und anschlussfähiges Fachwissen“) verlangt, das verbalisiert vorliegen muss (K5 „fachliche (…) Fragestellungen und Forschungsergebnisse wissenschaftlich adäquat (…) darstellen), darüber hinaus ein Können (K3 „verfügen über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden“) und Bewusstheit (K3 „Habitus des forschenden Lernens“). 2 Bei der fremdsprachendidaktischen Kompetenz werden ebenfalls die drei Kompetenzdimensionen angesprochen. Die Absolventinnen und Absolventen sollen sich Wissen angeeignet haben über die „wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik“ (K6), über „fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse“ (K7), über „Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements“ (K8) sowie über die „Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kompetenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern“ (K9). Auch hier wird davon ausgegangen, dass das Wissen verbalisiert vorliegen muss (K5 „fachdidaktische Fragestellungen und Forschungsergebnisse wissenschaftlich adäquat (…) darstellen“). Darüber hinaus wird verlangt, das Wissen anzuwenden, und zwar bei der „Didaktisierung von Texten“ (K4) und der „Planung und Durchführung von Fremdspra- 2 Warum der „Habitus des forschenden Lernens“ nur für den Bereich der Sprachwissenschaft gelten soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. <?page no="15"?> Zur Professionalität -von -Fremdsprachenlehrpersonen - 15 chenunterricht“ (K10). Auch Bewusstheit wird gefordert, wenn es bei der Planung und Durchführung von Unterricht darum geht, eine „reflektierte Erfahrung“ (K10) zu machen. Dies impliziert sowohl eine Reflexion über die eigenen Sprachlernprozesse (K7) als auch eine Bezugnahme zum angeeigneten Wissen. Diese Dimension spiegelt sich ebenfalls im geforderten „Habitus des forschenden Lernens“ (K3). Zu c): Den fachlichen KMK-Standards ist zugute zu halten, dass die Fachkompetenz die drei Dimensionen der Fachlichkeit und die drei Kompetenzdimensionen beinhaltet. Darüber hinaus liegt eine Zielrichtung auf das unterrichtliche Handeln vor, wodurch der fremdsprachendidaktischen Kompetenz eine besondere Rolle zuzukommen scheint. Allerdings besteht ein Widerspruch zwischen der relativ hohen Anzahl an fremdsprachendidaktischen can-do-statements im Kompetenzprofil und einer im Vergleich zu den Fachwissenschaften geringen Anzahl der aufgeführten Studieninhalte. Auf die Fachdidaktik entfallen zehn Studieninhalte, während es für die Fachwissenschaften mit 27 fast drei Mal so viele sind. Es fehlt daher eine klare Aussage darüber, wie hoch der Anteil von fachwissenschaftlicher, fremdsprachlicher und fremdsprachendidaktischer Kompetenz bei der Bestimmung der Fachkompetenz sein soll. Ein weiteres Manko ist, dass die Auflistung der Studieninhalte die im „Kompetenzprofil“ festgeschriebene unterrichtliche Zielsetzung weitgehend vermissen lässt. 6 - - Rolle der universitären Ausbildung bei der Entwicklung von Professionalität Bei der Frage, welche Rolle die universitäre Ausbildung bei der Entwicklung von Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen spielt, konzentriere ich mich im Folgenden auf die fachlichen Anteile. Die universitäre fachliche Ausbildung hat die Aufgabe, den Studierenden zu ermöglichen, ein nativnahes Sprachniveau in der Fremdsprache zu erreichen, sich fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Theoriewissen anzueignen und anzuwenden, erste eigene Unterrichtserfahrungen im angestrebten fremdsprachlichen Fach zu sammeln und den als Schüler erlebten und im Fachpraktikum beobachteten sowie den selbst durchgeführten Fremdsprachenunterricht zu reflektieren. Nimmt man den Gedanken der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen in der universitären Lehrerbildung ernst, würde das bedeuten, dass sich die daran beteiligten Fächer und Personen mit den Handlungsanforderungen der beruflichen Situation einer Fremdsprachenlehrperson befassen und sich fragen müssten, welchen Beitrag das eigene Fach in den Modulbeschreibungen und in den konkreten Lehrveranstaltungen zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden leistet. Ohne das Prinzip der Freiheit der Forschung anzutasten, würde das für die Literaturwissenschaft <?page no="16"?> Mark Bechtel 16 aus meiner Sicht bedeuten, dass sich die Themen eines Teils der Seminare auf die Themen der schulischen Lehrpläne (AutorInnen, literarische Strömungen, Gattungen, usw.) beziehen müssten. Für die Sprachwissenschaft wären Themen zu berücksichtigen, die auch für das Unterrichten relevant sind. Dazu gehören die klassischen Themen Phonetik/ Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik, aber auch ein Thema wie Merkmale der gesprochenen Sprache (z.B. zur Beurteilung der Qualität von Hörtexten). Für die Sprachpraxis würde das aus meiner Sicht bedeuten, dass die kommunikativen Kompetenzen (Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben) gleichwertig gefördert werden, dazu die sprachlichen Mittel (Grammatik, Wortschatz, Aussprache, Orthographie) sowie interkulturelle Kompetenzen. Ein Bezug zum schulischen Kontext könnte darin bestehen, dass in der universitären Sprachpraxis modellhaft auch methodische Verfahren eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts eingesetzt werden, die im schulischen Kontext üblich sind. In der Fachdidaktik könnte die Ausbildung der fremdsprachendidaktischen Kompetenzen (K4 bis K10) auf unterschiedliche Veranstaltungsformate verteilt werden: Einführung in die Fachdidaktik der jeweiligen Fremdsprache 3 : Ziel dieser Veranstaltung wäre es, dass sich die Studierenden Wissen sowohl über fachdidaktische Theorien (Modelle, Prinzipien, usw.) als auch über Beispiele der unterrichtspraktischen Umsetzung (Lernziele, methodische Verfahren, Übungen/ Aufgaben) aneignen (K5, K6, K7, K8, K9). Die Herausforderung besteht hierbei darin, eine enorme Breite an Themen abzudecken, von der Bedeutung der Disziplin über die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, Grundzüge der Fremdsprachenerwerbstheorien, die einzelnen kommunikativen Kompetenzen, methodische und interkulturelle Kompetenz bis hin zu Ansätzen der Literatur- und Mediendidaktik. Darüber hinaus bietet eine Einführungsveranstaltung eine gute Gelegenheit, die Studierenden zur Reflexion der eigenen Sprachlernerfahrungen anzuregen (K7). Letzteres bezeichnen Legutke/ Schart (2016, 33) als „der erlebte Unterricht“. Dazu eignet sich m.E. der Einschub von Reflexionsphasen, ein Tutorium und ein studienbegleitendes Portfolio. Schulisches Fachpraktikum bzw. Praxissemester: Ziel ist es, den Studierenden die Gelegenheit zu geben, das angeeignete Theoriewissen zu transferieren (K4), indem sie a) theoriegeleitet Beobachtungsbögen für ausgewählte Hospitationsschwerpunkte erstellen und fremden Unterricht beobachten und analysieren, b) eigenen Fachunterricht planen und durchführen (K4) und c) die dabei gemachten Erfahrungen angeleitet reflektieren (K10). Legutke/ Schart 3 In der Romanistik geht es hier i.d.R. um mehrere Schulsprachen (Französisch und Spanisch, an einigen Standorten auch Italienisch), so dass die Einführung oft sprachenübergreifend gestaltet wird. <?page no="17"?> Zur Professionalität -von -Fremdsprachenlehrpersonen - 17 (2016, 35) bezeichnen dieses Format als „der beobachtete und praktizierte Unterricht“. Im Praktikum können auch Querschnittsthemen platziert werden, die sich nicht für eine rein theoretische Betrachtung eignen, sondern der Anschauung bedürfen (z.B. das Thema „Mündliche Fehlerkorrektur“). Es scheint notwendig, die Studierenden in einer eigenen Veranstaltung auf das Praktikum vorzubereiten. Hierbei können Unterrichtssimulationen zum Einsatz kommen, in denen Studierende in einem „Schutzraum“ Unterrichtssequenzen angeleitet planen, erproben und reflektieren. Legutke/ Schart (2016, 35) nennen dieses Format „der antizipierte Unterricht“. Themenspezifisches fachdidaktisches Seminar: Es dient dazu, dass sich die Studierenden ausgehend von einer Reflexion eigener Sprachlernerfahrungen hinsichtlich des Seminarthemas vertieftes Wissen aneignen und in einer Seminararbeit wissenschaftlich adäquat darstellen (K5) sowie dieses Wissen transferieren und anwenden. Der Transfer und die Anwendung des Wissens kann zum einen durch die Analyse von Lehrbüchern oder videografierten Unterrichtsmitschnitten geschehen. Letzteres fällt bei Legutke/ Schart (2016, 34) unter das Format „der dokumentierte Unterricht“. Zum anderen kann der Transfer und die Anwendung durch die Erarbeitung eines schriftlichen Unterrichtsentwurfs (ebenfalls als Teil der Seminararbeit) angebahnt werden (K4 bis K10). Wenn sich die Seminarthemen in der Fachdidaktik jedes Semester ändern, ist es allerdings unmöglich, einen themenbezogenen Standard für alle Studierende zu setzen. Der Beitrag zur Professionalisierung ist bei diesem Format daher eher methodischer Natur. Die Studierenden erfahren exemplarisch, in welcher Breite und Differenziertheit man sich durch die Beschäftigung mit der Theorie und der Umsetzung in einen Praxisentwurf ein fachdidaktisches Thema aneignen und die eigenen Sprachlernerfahrungen dabei reflektieren kann. Dieses exemplarische Lernen ist mit der Erwartung verbunden, dass sich die Studierenden später bei Bedarf in analoger Weise andere fremdsprachendidaktische Themen aneignen. Fachdidaktische Abschlussarbeit: Die Grundlage für eine fachdidaktische Abschlussarbeit kann ein schulisches Aktionsforschungsprojekt sein, das in einem Team aus einem Studenten/ einer Studentin und einer Lehrperson durchgeführt und von der Betreuerin/ dem Betreuer der Abschlussarbeit beraten und begleitet wird (vgl. Bechtel 2015). Ausgehend von einem praxisrelevanten Problem der Lehrperson erarbeitet der/ die Studierende die theoretischen Grundlagen und entwickelt in Zusammenarbeit mit der Lehrperson einen Unterrichtsentwurf (inklusive Unterrichtsmaterialien), der zur Lösung des Problems beitragen soll. Dieser wird in der Praxis erprobt, wobei die Erprobung unter einer mit der Lehrperson zu Beginn formulierten Forschungsfrage empirisch untersucht wird. Die für die Erforschung notwendigen Kompetenzen eignen sich die Studierenden durch ein Begleitseminar und im Selbststudium an (z.B. anhand des Handbuchs von Altrichter/ Posch 2007). Die Durchführung eines solchen Projekts soll dazu dienen, einen forschenden <?page no="18"?> Mark Bechtel 18 Habitus (K3) auszubilden (vgl. Legutke/ Schart 2016, 36). Neben der Durchführung eines auf die Verbesserung der Praxis abzielenden Aktionsforschungsprojekts kann der forschende Habitus auch durch eine Arbeit zur Lehrwerkanalyse oder der Rekonstruktion der subjektiven Theorie einer Lehrperson ausgebildet werden, wenn eine Verbindung zwischen Theorie, Empirie und Praxisentwurf hergestellt wird. 7 - - Forschungsdesiderata Auf der konzeptuellen Ebene besteht aus meiner Sicht ein Desiderat der Erstellung eines Kompetenzrasters, das zum einen die einzelnen Kompetenzen von Fremdsprachenlehrpersonen abbildet und zum anderen für jede Kompetenz unterschiedliche Kompetenzausprägungen formuliert (auf den Ebenen Reproduktion, Reorganisation, Transfer, Problemlösung). Als Orientierung könnte das Kompetenzraster von Schmoll/ Braun (2015) dienen, das für den allgemein-pädagogischen Bereich erstellt wurde. Auf der Grundlage eines solchen Kompetenzrasters könnten für jede Kompetenz Aufgaben und Materialien für die einzelnen Kompetenzausprägungen erstellt, in der fachdidaktischen Ausbildung eingesetzt und evaluiert werden. Bei der systematischen Zusammenstellung der Kompetenzen könnte auf die in Kapitel 3 angeführten Quellen zurückgegriffen werden. Angesichts der Komplexität und Unbestimmtheit der unterrichtlichen Handlungssituation kommt der Reflexionskompetenz bei der Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen eine bedeutende Rolle zu. Diese Reflexionskompetenz während des Studiums auszubilden, ist jedoch nicht einfach, da in fachdidaktischen Seminaren die Komplexität und Unbestimmtheit von Unterricht nicht abbildbar ist. Eine Möglichkeit, etwas von der komplexen unterrichtlichen Realität in die Seminare hineinzubringen und gleichzeitig - anders als dies während der Hospitation und des eigenen Unterrichtens möglich ist - den Seminarraum als Reflexionsort zu nutzen, bietet der Einsatz von Videomitschnitten realen Fremdsprachenunterrichts. Ein Entwicklungsdesiderat besteht hierbei darin, verstärkt Videomitschnitte realen Unterrichts der einzelnen fremdsprachlichen Fächer in unterschiedlichen Lernjahren zu erstellen, sie hochschuldidaktisch aufzubereiten und in den fachdidaktischen Veranstaltungen einzusetzen. Ein Forschungsdesiderat in diesem Zusammenhang besteht für mich darin zu untersuchen, welche Reflexionsprozesse während der Bearbeitung der Videomitschnitte bei Lehramtsstudierenden bei welchen hochschuldidaktischen Lernarrangements ausgelöst werden und welche Reflexionstiefe und -breite die Studierenden dabei erreichen (vgl. Leonhardt et al. 2010; vgl. Bechtel/ Mayer erscheint). <?page no="19"?> Zur Professionalität -von -Fremdsprachenlehrpersonen - 19 Literaturverzeichnis - Altrichter, Herbert/ Posch, Peter (2007): Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2011): „Das Kompetenzmodell von COAC- TIV“. In: Kunter, Mareike/ Baumert, Jürgen/ Blum, Werner/ Klusmann, Uta/ Krauss, Stefan/ Neubrand, Michael (Hrsg.): Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster/ New York: Waxmann, 29-53. Bechtel, Mark (2015): „Kollaborative Aktionsforschungsprojekte im Rahmen der fremdsprachendidaktischen Lehrerbildung: Möglichkeiten und Grenzen“. In: Bechtel, Mark (Hrsg.): Fördern durch Aufgabenorientierung. Bremer Schulbegleitforschung zu Lernaufgaben im Französisch- und Spanischunterricht der Sekundarstufe I. Frankfurt: Peter Lang, 289-321. Bechtel. 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Zlatkin-Troitschanskaia, Olga/ Kuhn, Christiane/ Brückner, Sebastian (2013): „Professionelle Lehrer. Was zeichnet sie aus? “. In: Schulmagazin 81/ 4, 7-10. <?page no="21"?> Ein phasenübergreifendes Portfolio in der Lehramtsausbildung 1 Eva Burwitz-Melzer 1 - Ausbildungsmodelle in der Lehrerbildung und bildungspolitische Beschreibungen von professionellen Kompetenzen von Fremd--‐ und Zweitsprachenlehrenden Historisch gesehen fokussiert die Lehramtsausbildung und damit auch die Ausbildung zu Fremd- und Zweitsprachenlehrern und -lehrerinnen in den letzten hundert Jahren in den meisten Ländern auf einigen wenigen pädagogischen Modellen, dem Craft-Modell, dem Applied Science Modell und dem Konzept des Reflective Practitioner, die jeweils unterschiedliche Foki auf Handlungswissen und wissenschaftliche Konzepte sowie die Reflexionsfähigkeit von Lehramtsstudierenden legen (vgl. Grenfell 2012, 167f). Während das Craft-Modell eine Art Meister-Schule beschreibt, in der die Auszubildenden von Experten lernen, indem sie ihnen zuschauen, verfolgt das Applied- Science-Modell einen Ansatz, der auf einer spezifischen Lerntheorie beruht (z.B. dem Behaviorismus) und diesen einüben lässt. In den 80er und 90er Jahren und noch darüber hinaus wird besonders das reflective practitioner- Modell favorisiert, das nach Schoen (1980) ein Zusammenspiel von Wissen über das Lehren und Lernen, Lehrerfahrung und Reflexion propagiert (Burwitz-Melzer 2004 und Grenfell 2012, 168). Dieses Modell hat die Lehramtsausbildung, auch die Ausbildung von Sprachenlehrenden, maßgeblich beeinflusst, denn es gibt heute wohl kaum einen Lehramtsstudiengang, der das Element der Reflexion nicht aufgreift und an einer zentralen Stelle im Ausbildungsgang verortet. In jüngster Zeit tritt neben diese drei Modelle ein Kompetenzorientiertes Modell (CBTE), das eine Liste von Kompetenzen als Maßstab für gutes Lehrerhandeln vorgibt und diese Kompetenzen im Laufe der Ausbildung fördern möchte (vgl. Grenfell 2012, 168 f.). Wichtig ist es zunächst zu klären, was man konzeptionell unter dem Begriff der professionellen Kompetenz im Zusammenhang der Lehramtsausbildung überhaupt ver- 1 Dieser Aufsatz enthält Abschnitte aus einem längeren Artikel über ein phasenübergreifendes Portfolio für Lehrkräfte, der 2018 in einem Sammelband von S. Ballweg und Bärbel Kühn mit dem Titel Portfolioarbeit im Fremdsprachenunterricht erscheinen wird. <?page no="22"?> Eva Burwitz--‐Melzer 22 steht. Wie Blömeke unter Rückgriff auf eine Definition von Bromme ausführt, geht er weit über „deklaratives Faktenwissen“ hinaus (Blömeke 2013, 11) und umfasst die einmal bewusst gelernten Fakten, Theorien und Regeln sowie die Erfahrungen und Einstellungen der Lehrkraft. „Der Begriff umfasst also auch Wertvorstellungen, nicht nur deskriptives und erklärendes Wissen“ (Bromme 1992, 9 f., zitiert in Blömeke 2013, 11). Insofern ist dieses komplexe Konstrukt der professionellen Lehrer- und Lehrerinnenkompetenz durch seine Mehrperspektivität auf kognitive und affektiv-motivationale Fähigkeiten durchaus vereinbar mit dem Weinertschen Kompetenzbegriff (vgl. auch ibid.). Bildungspolitische Dokumente aus den letzten fünfzehn Jahren, die sich mit der Lehrerausbildung sowie der Fremd- und Zweitsprachenlehrerausbildung befassen, gehen ebenfalls von einem Kompetenzmodell aus, das oft als eine Art Raster oder als Anforderungsliste dargestellt wird. In den bisher in Deutschland veröffentlichten Dokumenten dieser Art erscheint die Konzeption der Kompetenz und ihr Zusammenwirken mit anderen Faktoren der Lehrerpersönlichkeit aber bisher nicht erschöpfend durchdacht, da sie die unterschiedlichen Aspekte der Fachwissenschaften und -didaktiken sowie der Pädagogik nicht zusammenführen: Zwar existieren in Deutschland die Standards für die Lehrerausbildung: Bildungswissenschaften (KMK 2004), die ein grobes Raster von Standards für die Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren anbieten, doch wird bei diesem Entwurf nicht bedacht, dass drei der Bereiche, nämlich Unterrichten, Beurteilen und Innovieren nur sinnvoll dargestellt werden können, wenn sie auch stets in fachdidaktische Überlegungen integriert dargestellt werden, da der pädagogische Ansatz allein für die angehenden Lehrkräfte im jeweiligen Fach zu kurz greift. Abgesehen von sehr basalen Fertigkeiten und Wissensbereichen fehlt in diesem Dokument der bereits durch den Filter der Fachdidaktik spezifisch ausgerichtete Blick auf die Materie, der es den angehenden Lehrkräften ermöglicht, die Kompetenzbereiche überhaupt mit ihren Fächern zu verknüpfen. Im zweiten großen bildungspolitischen Dokument zur Lehrerbildung, den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2008), werden die Standards nur in sehr grober Form für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II angeboten. Es wird nur eine Niveaustufe erfasst. Eine genauere Beschreibung von Kompetenzprofilen der berufsbildenden Gymnasien und der Sonderpädagogik erfolgt nicht, obwohl sich das Dokument explizit auch auf diese Lehrämter beziehen soll. Die ausgewählten Kompetenzbereiche sind zwar insgesamt ausreichend, da die Sprachpraxis, die Sprachwissenschaft, die Literatur- und die Kulturwissenschaft ebenso wie die Fachdidaktik einbezogen werden. Eine Darstellung des Kompetenzprofils von Sprachenlehrerinnen und -lehrern im Grundschullehramt wird aber ausgespart, was zu einem unnatürlichen und wenig überzeugenden Bruch zwischen den verschiedenen Lehrämtern führt. <?page no="23"?> Ein -phasenübergreifendes Portfolio -in -der -Lehramtsausbildung 23 Dass 2014 kurze Anmerkungen für einen heterogenen und inklusiven Unterricht angefügt wurden, kann aber weder Lehrkräfte noch ihre Ausbilder überzeugen und erfüllt eher eine Feigenblatt-Funktion. Auch das im Jahr 2015 von der KMK herausgegebene Dokument zur Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt: Gemeinsame Empfehlung (KMK 2015) kann diesen Mangel nicht ausgleichen. 2 - Rollenverständnis, Professionalität und Reflexion - drei Leitbegriffe für die Ausbildung (nicht nur) von Fremd--‐ und Zweitsprachenlehrkräften Professionalität und Rollenverständnis sind für Fremd- und Zweitsprachenlehrkräfte zwei Aspekte, die alle Phasen ihrer Ausbildung und der beruflichen Beschäftigung maßgeblich prägen und begleiten. Während der Ausbildung werden Professionalität und Rollenverständnis im besten Falle kontinuierlich thematisiert, diskutiert und durch Wissenserwerb und Praxisphasen gefördert. Ein wichtiger Aspekt der Ausbildung ist dabei die Reflexion, die wie ein Transmissionsriemen unterschiedliche Erfahrungen, Vorbedingungen, Einstellungen und Wissensbestände zusammenführen kann. Sie soll Fremd- und Zweitsprachenstudierende wie alle Lehramtsstudierende allmählich dazu befähigen, eine Brücke zu schlagen zwischen kognitivem Wissen, Unterrichtserfahrungen als Lernende und als Lehrende sowie ihren Einstellungen zum beruflichen Kontext. Während der beruflichen Phase müssen Lehrerinnen und Lehrer selbst in der Lage sein, ihre Professionalität zu beurteilen und zu überprüfen und ihr Rollenverständnis weiter auszubauen und weiter zu reflektieren. Rollenverständnis und Professionalität werden deshalb immer wieder in Kooperationsabkommen zwischen Universitäten und Schulämtern sowie in Lehrerakademien thematisiert, ohne dass es bisher zu einer endgültigen Klärung der Begriffe oder zu einer systematischen Verortung der beiden Aspekte in der Ausbildung von Lehrkräften gekommen ist. Mehrere Modelle zur Lehrerprofessionalität der letzten fünfzehn Jahre, die aus der Perspektive der Pädagogischen Psychologie oder der Pädagogik erstellt wurden, gehen davon aus, dass zu einer guten Lehrkraft weitaus mehr gehört als Kompetenzen; sie vereinen persönlichkeitsorientierte und kompetenzorientierte Anforderungen miteinander und betonen auch, dass es nicht nur ein normativ ausgerichtetes Kompetenzmodell für gute Lehrkräfte geben kann, da jeweils unterschiedliche Kontexte für Lehrerinnen und Lehrer (etwa Schulform, Fachunterricht etc.) eine größere Detailgenauigkeit bei den Merkmalen erfordern. Deshalb beinhalten diese Konzepte meist eine Art Referenzrahmen, innerhalb derer die Anforderungen an gute Lehrkräfte definiert werden. In Anlehnung an ein pädagogisches Konzept der Lehrkraftpersönlichkeit von Korthagen (2004) und seiner Bearbeitung durch Kohonen (2012), möchte ich im Folgenden kurz eine Weiterentwicklung ihres Zwie- <?page no="24"?> Eva Burwitz--‐Melzer 24 belmodells anbieten, das für Fremd- und Zweitsprachenlehrerinnen und -lehrer genutzt werden kann. Abb. 1: Die Lehrerpersönlichkeit als Modell Eingelagert in einen bildungspolitischen und schulischen Kontextrahmen findet sich die Darstellung der Lehrerpersönlichkeit als Abfolge von sechs „Zwiebelringen“, die von einem erwartbaren und beobachtbaren Lehrerverhalten bis zur persönlichen Identität zentrale Elemente einer Lehrerpersönlichkeit darstellen. Wie bei Korthagen (2004) und Kohonen (2012) beeinflussen sich die Schichten des Modells von außen nach innen aber auch umgekehrt. Das Lehrerverhalten, also jene Aspekte, die Lehramtsstudierende meist am dringendsten interessieren, wenn sie ihr Studium beginnen, wird durch die äußeren Rahmungen bestimmt, aber auch durch die darunterliegenden Ringe, die Kompetenzen der Lehrkraft und ihre Einstellungen. Diese wiederum speisen sich maßgeblich aus der professionellen Identität, ihrer Mission, d.h. den persönlichen Überzeugungen und Anliegen im gesellschaftlichen Leben, sowie der persönlichen Identität der (angehenden) Lehrkraft. Da die Schwierigkeit für auszubildende Lehrkräfte in der Regel darin liegt, ein solches Modell auf sich selbst zu beziehen und detailliert zu reflektieren, werden im Folgenden in Anlehnung an Korthagen Fragen mit den einzelnen Aspekten des Modells verknüpft, die darauf abzielen, deutlich zu machen, welche Elemente der Lehrkraftpersönlichkeit jeweils genauer betrachtet werden. Die unten abgebildete Tabelle zeigt beispielhaft solche Fragen, kann Mission Persönliche Identität Professionelle2Identität Einstellungen Kompetenzen Lehrerverhalten Schulkontext Bildungspolitischer2Rahmen <?page no="25"?> Ein -phasenübergreifendes Portfolio -in -der -Lehramtsausbildung 25 jedoch jeweils nur eine Auswahl vorstellen, die je nach Fach ergänzt werden sollte. Hinter den Fragen ist jeweils angegeben, welche der drei Bereiche, die die Lehrerprofessionalität betreffen, Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Pädagogik, mit den Fragen angesprochen werden. Grafikelement Titel Fragestellung äußeres Quadrat Bildungspolitischer Rahmen In welchem gesetzlichen und bildungspolitischen Rahmen agiere ich? Kenne ich mich in diesem Rahmen aus? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) inneres Quadrat Schulkontext In welchen Schulformen und Fächern agiere ich? In welchem schulischen Kontext agiere ich? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Lehrerverhalten Wie agiere ich in den unterschiedlichen Kontexten des schulischen Handelns (Klassenzimmer, Lehrergespräch, Kooperation mit Kollegen etc.)? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Kompetenzen Welche Wissensbestände und welche Fertigkeiten habe ich? Wo sehe ich Defizite? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Einstellungen Welche professionellen Einstellungen habe ich? Wo erkenne ich fachdidaktische Probleme? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Professionelle Identität Wer bin ich als Lehrer/ Lehrerin? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Mission: Persönliche Überzeugungen und Anliegen im gesellschaftlichen Leben Weshalb bin ich in der Schule, in der Klasse, im Fremdsprachenunterricht? Was ist mir bei der Erziehung von jungen Menschen besonders wichtig? (Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Pädagogik) Ring Persönliche Identität Wer bin ich als Individuum in der Gesellschaft? Abb. 2: Reflexionsfragen zum Modell der Lehrerpersönlichkeit <?page no="26"?> Eva Burwitz--‐Melzer 26 Dieses Modell ist für die Ausbildung und für die berufliche Weiterentwicklung von Lehramtsstudierenden unter Bezugnahme auf ihre grundwissenschaftlichen, fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausbildungsverläufe gedacht. Es möchte zwei ganz grundlegende Ziele anstreben: Erstens sollen auszubildende Lehrkräfte, die dieses Modell betrachten und einsetzen, sich über die Multiperspektivität des angestrebten Berufs klarwerden. Es soll so schon frühzeitig eine deutliche Verortung der Lehrkraftpersönlichkeit innerhalb der bildungspolitischen, schulischen, pädagogischen und fachdidaktischen Systeme erfolgen. Zweitens sollen reflektierende Studierende sich darüber klarwerden, welche Strukturen und Schichten zu einer Lehrkraftpersönlichkeit gehören, so dass frühzeitig erkannt wird, dass neben pädagogischen Aspekten auch fachwissenschaftliche und fachdidaktische Seiten des Berufs professionell entwickelt bzw. weiterentwickelt werden müssen. 2 Das Modell hilft deshalb kleinschrittig nachzufragen, wie sich jeder einzelne Studierende der Lehramtsfächer selbst verortet und einschätzt, damit alle Schichten voneinander unterschieden werden können. Es strebt auch an, dass der sich selbst reflektierende Lehramtsstudent oder die sich selbst beobachtende Lehrerin nicht nur positive Aspekte herausarbeiten kann bei der Reflexion, sondern auch Schwächen und Defizite zu erkennen vermag. Erst beides zusammen stärkt die Selbstwirksamkeit und macht eine Selbstbetrachtung in Ausbildung und Weiterbildung sinnvoll. 3 - Die Rolle und Verantwortung der Universitäten bei der Aus--‐, Fort--‐ und Weiterbildung Die Rolle, die die Universität in Bezug auf die Aus-, Fort-, und Weiterbildung von Fremd-/ Zweitsprachenlehrkräften übernehmen muss, ist zentral. Für einen nachhaltigen Ausbildungserfolg ist es eigentlich unabdingbar, dass alle am Studium von Fremd- und Zweitsprachenlehrkräften (oder anderer Lehramtsstudierenden) beteiligten Fächer zusammenwirken und - darüber hinaus - alle Phasen der Lehramtsausbildung miteinander kooperieren. Idealerweise bietet sich für eine solche Ausbildungskonstellation ein phasenübergreifendes Portfolio an, das nachhaltig bestimmte, als Schlüsselkomponenten für den Lehrberuf erkannte Kompetenzen, Einstellungen und Fertigkeiten entwickeln helfen soll. Im Bereich der Ausbildung von Fremd- und Zweitsprachenlehrkräften gibt es bereits ein Dokument, das an zahlreichen Universitäten Europas zum Einsatz kommt, innerhalb Deutschlands aber nur als sehr begrenzt eingesetzt wird: Das European Profile for Language Teacher Education (EPOSTL, deutsch EPOSA; European Centre for Modern Languages 2010), 2 Das Zwiebelmodell in der vorliegenden Form ist seit dem Wintersemester 2017/ 18 versuchsweise Bestandteil der englischdidaktischen Ausbildung im ersten Semester an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. <?page no="27"?> Ein -phasenübergreifendes Portfolio -in -der -Lehramtsausbildung 27 das aus zwei europäischen Forschungsprojekten hervorgegangen ist (vgl. Grenfell 2012 156-7). Das EPOSTL möchte einen validen Rahmen liefern für die fachspezifische Ausbildung der Sprachenlehrenden. Untersucht man das EPOSTL daraufhin, erkennt man, dass hier der Weg der Selbstbeurteilung gewählt wurde, der durch eine umfassende Reflexion des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenzen ergänzt wird, um die Professionalisierung der Studierenden voranzutreiben. Die Kategorien der aus mehreren europäischen Framework-Dokumenten bekannten „Kann- Beschreibungen“ beziehen sich auf sieben Kompetenzfelder, die jeweils noch weitere Unterstrukturen aufweisen: den Lehr-/ Lernkontext, die Methodik des Lehrens, die Ressourcen, die zum Lehren und Lernen benötigt werden, die Beurteilung des Lernens, das selbständige Lernen, die Planung von Unterricht und seine Durchführung (vgl. European Centre for Modern Languages 2010, 13). Insgesamt ist das EPOSTL als Instrument des/ der Auszubildenden gedacht, nicht als Evaluationsinstrument. Als seine Ziele werden u.a. genannt, dass auszubildende Lehrkräfte für Fremdsprachen in der Reflexion über ihre Kompetenzen und das Wissen, das ihnen zugrunde liegt, gefördert werden sollen (vgl. European Centre for Language Teacher Education 2010, 5). Darüber hinaus soll es als Unterstützung der Lehrenden in Ausbildung während der verschiedenen Ausbildungsphasen dienen, Anleitung zur Selbstbewertung und Anlass zu Gesprächen mit Ausbildern und Ausbilderinnen sowie Mentoren/ Mentorinnen bieten. Das EPOSTL, das bereits in zahlreichen Universitätsausbildungen oder in Teilen davon erfolgreich eingesetzt wird 3 , ist damit ein Dokument, das Elemente der oben beschriebenen Ausbildungswege des Kompetenzorientierten Modells und des reflective practitioner-Modells zusammenführt, um eine fachspezifische Ausbildung im Bereich Fremdsprachen zu unterstützen. Trotz dieses großen Anspruchs bleibt das EPOSTL mit seiner Engführung auf ein Fach und seiner nicht ganz überzeugenden Auswahl von Kompetenzbereichen hinter den Erwartungen an ein die Professionalität von Lehramtsstudierenden umfassend begleitendes Dokument zurück 4 . Es fehlt ihm zum einen an einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Lehrerpersönlichkeit und der Profession, zum anderen fehlen über die reine Kompetenzorientierung im Sinne von Handlungswissen (und dessen Reflexion) weitere fachliche und fachdidaktische Aspekte wie die Selbstbewertung der Sprachpraxis, des Wissens und die differenzierte Reflexion von Lehr-/ Lerntheorien und ihre 3 Zahlreiche Hochschulen insbesondere in Österreich haben EPOSA (oder EPOSTL) als Unterrichtsgegenstand oder auch als studienbegleitendes Instrument in der Lehramtsausbildung der ersten Phase verankert (vgl. Newby 2012), in Deutschland wird es bisher nicht so häufig studienbegleitend, sondern eher punktuell eingesetzt (Kupetz/ Ruhm 2013). 4 Es fehlt beispielsweise der Kompetenzbereich Hör/ Sehverstehen ganz. Fiktionale Texte und Spielfilme werden nur wenig berücksichtigt. <?page no="28"?> Eva Burwitz--‐Melzer 28 historische Bedeutung in der fachdidaktischen Ausbildung sowie alle Bezüge zu Forschungsaspekten. Dabei wurde offensichtlich ein sehr wichtiger Faktor der Lehramtsausbildung (in den Fremdsprachen aber auch in anderen Fächern) völlig vergessen oder hintangestellt: Die Fachdidaktiken der Hochschulen rekrutieren aus ihren Auszubildenden im Lehramt immer auch ihren wissenschaftlichen Nachwuchs, der sich am Ende des Lehramtsstudiums entscheidet, ob er eine Lehramtslaufbahn oder eine wissenschaftliche Karriere an der Hochschule mit einer Promotion einschlägt. Theoriebezogene Studieninhalte und Forschungsmethoden sowie Forschungsdesigns sind zum Teil bereits in die Lehramtsausbildung integriert und kommen dort während des gesamten Studiums zur Sprache. Dies geschieht, um den wissenschaftlichen Nachwuchs rechtzeitig auszubilden, aber auch, um angehenden Lehrerinnen und Lehrern die Chance zu bieten, schon während der ersten Phase des Studiums Lehr-/ Lernsituationen in ihren Fächern oder in allgemeinen pädagogischen Zusammenhängen selbst zu beforschen - etwa für eine Staatsexamensarbeit oder MA-Thesis. Es werden im EPOSTL im Zielpunkt 7 zwar Forschungsprojekte genannt, die von den auszubildenden Sprachlehrenden durchgeführt werden sollen 5 , Wissen (und damit Reflexion) über Forschungsprojekte wird aber nicht durch einen eigenen Kompetenzbereich innerhalb der Kann-Beschreibungen nachgefragt, so dass es zweifelhaft bleibt, ob und woher die Studierenden dieses Wissen beziehen und wie sie es systematisch ausbauen sollen, um selbst zu forschen. Es ist aus der Sicht der ersten Ausbildungsphase von Lehrerinnen und Lehrern wenig angemessen, die zentralen Gebiete der qualitativen und quantitativen sowie hermeneutischen Forschung in den Kann-Beschreibungen auszusparen, bieten sie doch vielfältige Möglichkeiten und Anregungen zur weiteren Erkundung des Berufsfelds, stellen oft Grundlagen für Innovationen dar und laden Lehrerinnen und Lehrer letztlich auch zu action research-Projekten ein, die helfen können, Schwierigkeiten im Unterricht zu untersuchen, die eigene Rolle zu reflektieren und damit auch neu zu beleuchten. Lehrerinnen und Lehrer, die oft Innovationen „von oben“ durchführen müssen, weil sich der Lehr-Lernkontext stetig ändert, können nur mit einer ausreichenden Wissensgrundlage in Lehr- und Lerntheorien diese Innovationen beurteilen. Eine professionelle Beurteilung neuer Sachverhalte ist aber die Grundlage für eine professionelle Umsetzung in der täglichen Praxis. Auch jene Aspekte der Lehrkraftpersönlichkeit, die über rein fachliche und fachdidaktische Kompetenzen hinausgehen, z.B. persönliche Wertvorstellungen und Einstellungen, werden im EPOSTL nicht reflektiert. So kann das Portfolio für angehende Englischlehrkräfte zwar einen wertvollen Rahmen vorgeben für die Lehramtsausbildung von Sprachenleh- 5 Im Dossier erscheint die Aufforderung, den Dokumenten auch Fallstudien und Aktionsforschungsbeispiele beizufügen, die dann reflektiert werden können, doch wird dieser Punkt in den Kann-Beschreibungen nicht ausreichend angeleitet. <?page no="29"?> Ein -phasenübergreifendes Portfolio -in -der -Lehramtsausbildung 29 rern, dieser Rahmen ist aber nicht ausreichend breit an den tatsächlichen Ausbildungskomponenten und den heutigen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrern orientiert. Darüber hinaus bietet das EPOSTL auch keinen umfassenden, phasenübergreifenden Ansatz an, der die Ausbildung der Lehrkraftpersönlichkeit insgesamt begleiten könnte. Sollte es politischer Wille sein, die deutsche Lehramtsausbildung durch ein Portfolio zu begleiten, dann wäre es sicher vorteilhaft, wenn ein phasenübergreifendes Lehramtsportfolio alle fachwissenschaftlichen, -didaktischen und pädagogischen Teilbereiche der Ausbildung zusammenfassen und miteinander verbinden könnte. Um der Rolle der Verantwortung wirklich gerecht zu werden, reicht es m.E. nicht aus, das Rahmenmodell des EPOSTL einzusetzen, vielmehr muss ein ernstzunehmendes Portfolio in die hochschuldidaktischen und schulischen Lehr- Lernsituationen fest integriert und auch als Prüfungsinhalt eingesetzt werden. Dabei kann man in Anlehnung an bereits bekannte Portfoliostrukturen anknüpfen: Der Lehramtspass dokumentiert summativ mit der Sammlung von Zeugnissen, Sprachqualifikationen und Belegen über Auslandsaufenthalte des Portfolioeigners, welche institutionellen Schritte beim Lehramtsstudium (z.B. beim Erlernen der Sprachen) bereits absolviert wurden. Dieser Teil des Portfolios hat Dokumentationsfunktion, d.h. er ist bei Wechseln in eine andere schulische oder universitäre Bildungsinstitution und bei beruflichen Bewerbungen im In- und Ausland von großem Wert. Die Selbsteinschätzung (mit Könnens-Beschreibungen) hat eine prozessdiagnostische und eine planerische Funktion: Hier findet die angehende Lehrkraft Deskriptoren zu den je nach Fach wichtigen Kompetenzbereichen. Dieser Teil hat eine prozessdiagnostische Funktion; er ist nicht öffentlich. Im Dossier, dem dritten Teil, kommen sowohl die produktorientierte Dokumentationsfunktion wie auch die prozessdiagnostische Funktion zum Tragen, es ist ebenfalls eine formative Art der Selbsteinschätzung: Indem die Portfolioeigner selbst besonders gute, jeweils aktuelle Arbeiten zum Nachweis ihres professionellen Kompetenzstandes auswählen und dort präsentieren, akkumulieren sich im Laufe der Zeit Dokumente ihres Lernprozesses, die einen Lernfortschritt belegen. Als vierter und letzter Teil des Portfolios ist der Reflexionsteil zu nennen, der ebenfalls eine prozessdiagnostische Funktion innehat. Er ist in der Regel nicht einsehbar für die Ausbilder, kann aber, falls dies gewünscht wird, in bestimmten Phasen, z.B. den Praktikumsphasen des Studiums oder im Referendariat, die zentrale Gelenkstellen der Ausbildung darstellen, als Grundlage für Gespräche sichtbar gemacht werden. Der Reflexionsteil verbindet alle Teile des Portfolios miteinander, indem dort der Transfer von Wissen und Erfahrung in allen Fächern und über die Fächer hinaus stattfindet, der Grundlage der Lehrerpersönlichkeit ist. Für die Ausbildung von Fremd- und Zweitsprachenlehrenden sind die folgenden Kompetenzfelder vorstellbar: Einstellungen zum Lehren und Lernen, unterschiedliche Lehr-/ Lernkontexte, lerntheoretische Grundlagen und <?page no="30"?> Eva Burwitz--‐Melzer 30 Forschungsgrundlagen, methodische Aspekte, Unterrichtsplanung und -durchführung, Diagnostik, Rollen der Lehrkraft, Sprachenkompetenz und Aspekte der Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kompetenz 4 - Fazit Ein phasenübergreifendes Portfolio für Fremd- und Zweitsprachenlehrkräfte muss die Ansprüche an ein Lehramtsstudium mit Staatsexamen oder mit einem BA/ MA-Abschluss erfüllen können. Es muss Lehramtsstudierende sowie Sprachenlehrkräfte in der Erwachsenenbildung berücksichtigen. Dabei ist es m.E. besonders wichtig, dass ein solches Portfolio sich nicht ausschließlich auf ein Fach oder ein Teil eines Faches, z.B. das Fach Englisch und seine Didaktik, beziehen kann, sondern an die Ausbildungsstruktur für Lehramtsstudierende in Deutschland angepasst werden sollte, sonst wird es bei den verschiedenen Gruppen von Beteiligten auf wenig Akzeptanz stoßen. Nur ein alle Ausbildungsfächer und -bereiche bündelndes Portfolio rechtfertigt die große Anstrengung, alle Kompetenzen, die in den Fächern ausgebildet werden, abzubilden und alle Ausbildungsphasen miteinander zu verbinden. Literatur - Blömeke, Sigrid (2013): „Einleitung: Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf“. In: Blömeke, Sigrid/ Bremerich-Vos, Albert/ Kaiser, Gabriele/ Nold, Günter/ Haudeck, Helga/ Keßler, Jörg-Uwe/ Schwippert, Knut (Hrsg.): Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf: Weitere Ergebnisse zu Deutsch-, Englisch-, und Mathematiklehrerausbildung aus TEDS-LT. Münster, New York: Waxmann, 7-24. Bromme, Rainer (1992): Der Lehrer als Experte. Zur Psychologie des professionellen Wissens. Bern Huber. Burwitz-Melzer, Eva (2004): „Ein Lehramtsportfolio für Fremdsprachenlehrkräfte (LAPF): Auf dem Weg zum „reflective practitioner‘“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 15 (1), 145-157. European Centre for Modern Languages/ Newby, David/ Allan, Rebecca/ Fenner, Anna-Brit/ Jones, Barry/ Komorowska, Hanna/ Soghikyan, Kristine (Hrsg.) (2010): European Portfolio for Student Teachers of Languages: A Reflection Tool for Language Teacher Education. http: / / archive.ecml.at/ mtp2/ fte/ pdf/ STPExtract.pdf (03/ 01/ 2018) Grenfell, Mike (2012): “The EPOSTL and the European Profile for Language Teacher Education”. In: Newby, David (Hrsg.): Insights into the European Portfolio for Student Teachers of Languages (EPOSTL). Cambridge: Cambridge Scholars Publishing, 155-174. KMK (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland) (2004): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. <?page no="31"?> Ein -phasenübergreifendes Portfolio -in -der -Lehramtsausbildung 31 https: / / www.kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2004/ 2004_ 12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf (05/ 03/ 2018). KMK (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland) (2008): Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. https: / / www.kmk.org/ fileadmin/ Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 20 08/ 2008_10_16-Fachprofile-Lehrerbildung.pdf (05/ 03/ 2018). KMK (2015): Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt. https: / / www.kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2015/ 2015_ 03_12-Schule-der-Vielfalt.pdf (14/ 04/ 2018). Kohonen, Vilja (2012): „Developing Autonomy Through ELP-oriented Pedagogy: Exploring the Interplay of Shallow and Deep Structures in a Major Change within Language Education“. In: Kühn, Bärbel/ Perez Cavana, Maria Luisa (Hrsg.): Perspectives from the European Language Portfolio: Learner Autonomy and Self-Assessment. London, New York: Routledge, 22-42. Kupetz, Rita und Ruhm, Hannah, (2012): “The EPOSTL as a Tool to Document and reflect on Teaching Experience Abroad“. In: Newby, David (Hrsg.) (2012): Insights into the European Portfolio for Student Teachers of Languages (EPOSTL). Cambridge: Cambridge Scholars Publishing, 217 - 228. Korthagen, Fred (2004): „In Search of the Essence of a Good Teacher: Towards a more Holistic Approach in Teacher Education”. In: Teaching and Teacher Education 20, 77-97. Newby, David (Hrsg.) (2012): Insights into the European Portfolio for Student Teachers of Languages (EPOSTL). Cambridge: Cambridge Scholars Publishing. Schoen, David A. (1983): The Reflective Practitioner: How Professionals Think in Action. London: Basic Books. <?page no="32"?> Zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen - Überlegungen im Kontext von Quer--‐ und Seiteneinstieg Daniela Caspari 1 - - Einleitung Das Thema Rolle und Professionalität der Fremdsprachenlehrpersonen erhält angesichts des andauernden Lehrpersonenmangels in mehreren Bundesländern eine besondere Aktualität. Während die universitäre Lehrkräftebildung im letzten Jahrzehnt mit der Etablierung von Bachelor- und Master- Studiengängen, der Erhöhung fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Anteile sowie der Einführung längerer, durch die Universitäten begleiteter Praxisphasen („Praxissemester“) einen deutlichen Professionalisierungsschub erhalten hat, scheinen diese Errungenschaften angesichts der aktuellen Notlage zumindest teilweise aufgegeben zu werden. In meinem Beitrag möchte ich daher anhand der Problematik „Quer- und Seiteneinstieg“ die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen diskutieren und dabei Erfahrungen aus einem im WS 2016/ 17 gestarteten Modellstudiengang zum Quereinstieg in den MA of Education (Q-Master) an der Freien Universität Berlin einbringen. 2 - - Zur Situation des Quer--‐ und Seiteneinstiegs in das Lehramt Die Begriffe „Quereinstieg“ bzw. „Quereinsteiger/ innen“ und „Seiteneinstieg“ bzw. „Seiteneinsteiger/ innen“ werden nicht trennscharf verwendet. Die KMK benutzt nur die Bezeichnung „Seiteneinsteiger/ innen“ und versteht darunter Lehrkräfte […], die in der Regel über einen Hochschulabschluss, nicht jedoch über die erste Lehramtsprüfung verfügen und ohne das Absolvieren des eigentlichen Vorbereitungsdienstes in den Schuldienst eingestellt werden. [Sie] erhalten über ihre fachlichen Kenntnisse hinaus eine pädagogische Zusatzqualifikation, die teilweise auch berufsbegleitend vermittelt wird. Der Einsatz von Seiteneinsteigern erfolgt in aller Regel, um das Unterrichtsangebot in bestimmten Fächern, Schularten und Regionen mit Bewerbermangel aufrechterhalten zu können (KMK 2017a, 35). Auf den Webseiten des Deutschen Bildungsservers wird zwischen „Seiteneinsteiger/ innen“ und „Quereinsteiger/ innen“ unterschieden: Als „Seiteneinsteiger/ innen“ werden Personen bezeichnet, die „weder Lehramt studiert noch ein Referendariat abgeschlossen“ haben, als „Quereinsteiger/ innen“ werden <?page no="33"?> Zur Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrpersonen 33 Personen bezeichnet, die ebenfalls nicht auf Lehramt studiert haben, bei denen „im Gegensatz zu Seiteneinsteigern […] aber die Pflicht eines Referendariats [besteht]“, um in den Schuldienst eingestellt zu werden (Deutscher Bildungsserver: https: / / www.bildungsserver.de/ Quereinsteiger-Seiteneinsteiger- 1573-de.html (30/ 04/ 2018)). Die Einstellungsbedingungen, Qualifizierungsmaßnahmen und Bezahlung variieren erheblich nach Bundesland, Schulform und Fach (vgl. die Übersicht auf der Startseite des Bildungsservers, ebda.) und werden beständig an die jeweiligen Bedarfe angepasst. Die KMK verzichtet denn auch auf eine begriffliche Unterscheidung der verschiedenen Maßnahmen und benutzt die Formulierung „Gestaltung von Sondermaßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften“ (KMK 2013, 2). Zusätzlich zu den o.g. Gruppen sind aus Sicht der Fachdidaktik weitere Personengruppen als Querbzw. Seiteneinsteier/ innen zu bezeichnen, weil sie Regelunterricht an Schulen erteilen, ohne über die dafür übliche Qualifizierung zu verfügen: fachfremd unterrichtende Lehrpersonen, Lehrpersonen, die für andere Schulformen ausgebildet wurden, und Studierende (vgl. GFD 2018, 1). Es ist unmöglich, den Umfang des Regelunterrichts zu beziffern, der durch diese Lehrpersonengruppen erteilt wird. So gab der Pressesprecher der KMK Tobias Funk gegenüber der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) an, dass die KMK keine Kenntnis über Zahlen der in den Ländern als Vertretungskräfte beschäftigten Personen und ihre fachliche Qualifikation habe (Quelle: telefonische Mitteilung vom 10.08.2017). Der KMK-Einstellungsbericht 2016 (vgl. KMK 2017a, 36) weist für den Bereich Fremdsprachen bundesweit 242 1 Quer- und Seiteneinsteigerinnen für die Modernen Fremdsprachen aus (174 für Englisch, 50 für Französisch, 18 für andere Moderne Fremdsprachen) gegenüber 561 in Naturwissenschaften, 425 in Deutsch und 258 in Mathematik. Damit ist die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger/ innen innerhalb eines Jahres (von 2015 auf 2016) bundesweit von 4,4 % auf 8,4 % gestiegen. Den Spitzenplatz über alle Schulformen und Fächer hinweg nimmt 2016 Berlin mit 864 Personen ein, gefolgt von Sachsen mit 615, Nordrhein-Westfalen mit 580 und Niedersachsen mit 464 Personen, die anderen Bundesländer folgen mit 150 oder weniger Personen (vgl. KMK 2017a, ebda.). Die aktuellen Zahlen dürften in einigen Bundesländern deutlich höher liegen. So berichtete der Berliner Tagesspiegel am 11.8.2017, dass „von den 1003 neuen Lehrkräften [im Land Brandenburg] nur 422 direkt aus dem Referendariat [kommen], 324 wurden in Brandenburg ausgebildet […]. Mehr als ein Fünftel der neuen Lehrer, genau 222, sind Seiteneinsteiger, davon haben 142 einen Hochschul- 1 Als Gesamtzahl werden allerdings 256 Personen angegeben, davon drei mit Alten Sprachen. <?page no="34"?> Daniela -Caspari 34 abschluss“ (Fröhlich 11.8.2017). In Berlin waren im Schuljahr 2016/ 2017 mit 667 Lehrpersonen mehr als ein Drittel der neu eingestellten 1900 Lehrer Quereinsteiger/ innen (vgl. Klovert in: Spiegel online 03.01.2017), im Schuljahr 2017/ 18 über 40 % (Klesmann in: Berliner Zeitung 31.8.2018). Besonders prekär sieht die Situation an Berliner Grundschulen aus, dort waren von den 850 neu eingestellten Lehrpersonen nur etwa 200 für diesen Schultyp ausgebildet (Quelle: ebda.), in Sachsen lediglich 30 % (Wilms in: FAZ 2.1.2018). Die Situation hat sich in den letzten Jahren zugespitzt, sie ist jedoch nicht neu. Schon in den 1970er Jahren unterrichteten in Nordrhein-Westfalen Lehrpersonen, die lediglich über ein Abitur und somit über die Berechtigung für ein Lehramtsstudium verfügten, die sog. „Mikätzchen“ (nach dem Namen des damaligen Ministers) (vgl. https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Mik%C3% A4tzchen (30/ 04/ 2018)), in den 1990er Jahren stellte sich die Aufgabe ehemalige Russischlehrer/ innen für den Unterricht in anderen Fremdsprachen fortbzw. weiterzubilden sowie Lehrpersonen für den neu eingerichteten Fremdsprachenunterricht an Grundschulen zu qualifizieren. Auch muttersprachige Lehrpersonen für die Erteilung von Bilingualem Unterricht verfügen oft nicht über eine deutsche Lehramtsausbildung. Bedenklich ist aus Sicht der Schule vor allem die Tatsache, dass die Quer- und Seiteneinsteiger/ innen (ich verwende diesen Begriff im Folgenden als Sammelbegriff für alle Personen, die regulär in Schulen unterrichten, ohne das 1. und 2. Staatsexamen oder entsprechende Äquivalente vorweisen können) nur mit geringer, teilweise sogar ohne jegliche pädagogische Vorbildung von den Kolleginnen und Kollegen aufgefangen und bei laufendem Betrieb eingearbeitet und qualifiziert werden müssen. Zudem werden sie i.d.R. unbefristet eingestellt und können bei mangelnder Eignung bzw. nicht ausreichender Fort- und Weiterbildung kaum wieder entlassen werden. Aus Sicht der Quer- und Seiteneinsteiger/ innen ist neben der hoch belastenden Situation, sich neben regulärer Unterrichtstätigkeit im Schnelldurchgang orientieren und nachqualifizieren zu müssen, u.a. problematisch, dass sie i.d.R. ein niedrigeres Einkommen erhalten und geringere Aufstiegschancen haben und dass ihre Qualifizierung meist nur in dem jeweiligen Bundesland gilt. Aus Sicht der Schule sowie derzeitiger Studierender ist problematisch, dass mit den Quer- und Seiteneinsteiger/ innen zwar aktuellen Notlagen begegnet wird, dabei aber absehbar ist, dass regulär ausgebildete Lehrpersonen möglicherweise schon in naher Zukunft keine Stellen mehr finden werden (sog. Schweinezyklus). Nicht nur angesichts der immer wieder entstehenden Notlagen, sondern auch angesichts der u.a. durch die wachsende Mobilität bedingten zunehmend heterogenen Berufsbiographien muss m.E. daher grundsätzlich über den Quer- und Seiteneinstieg in den Lehrberuf nachgedacht werden. Die Gesellschaft für Fachdidaktiken (GFD) hat sich 2017/ 18 im Rahmen einer Arbeitsgruppe, an der ich beteiligt war, genau dieser Frage gewidmet und <?page no="35"?> Zur Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrpersonen 35 unter dem Titel „Ergänzende Wege der Professionalisierung von Lehrkräften“ (GFD 2018) ein Positionspapier veröffentlicht, das die Forderung vertritt, nachhaltige Konzepte zu entwerfen und sie empirisch zu erforschen. Grundlage jeglicher Professionalisierung von Lehrpersonen müssen die gültigen Standards für die Lehrkräftebildung sein. So fordert die KMK, dass sich die länderspezifischen Sondermaßnahmen für die Gewinnung von Lehrkräften „grundsätzlich an der jeweils gültigen Fassung der von der KMK verabschiedeten Standards und ländergemeinsamen Vereinbarungen zur Lehrerausbildung [orientieren]“ (KMK 2013, 2). Die GFD teilt diese Auffassung und formuliert sie aus Sicht der Lehrkräfte wie folgt: „Eine solche an gemeinsamen Standards orientierte Professionalisierung steht nach Auffassung der GFD allen an der Schule Tätigen zu“ (GFD 2018, 1). Von diesem Grundsatz ausgehend postuliert sie als 1. Leitlinie für die Entwicklung ergänzender Professionalisierungswege: „Die Standards einer akademischen Profession sind nicht verhandelbar. Sie gelten daher für alle Professionalisierungswege“ (ebda.). 3 - - Grundlagen der Professionalisierung von Fremdsprachen--‐ lehrpersonen: Die bildungspolitischen Vorgaben Die Standards für die Lehrkräftebildung umfassen die Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (KMK 2004) und die Ländergemeinsame[n] inhaltliche[n] Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (erstmals KMK 2008, aktuelle Fassung KMK 2017b). Die Standards für die Bildungswissenschaften gelten fächer- und schulformübergreifend und umfassen ausdrücklich die 1.und 2. Phase der Lehrkräftebildung, die 3. Phase wird, auch wenn sie nicht ausdrücklich thematisiert wird, ebenfalls berücksichtigt (vgl. KMK 2004, 4). Damit sind die Standards dem lebenslangen Lernen im Lehrberuf verpflichtet (vgl. ebda.). Sie umfassen elf inhaltliche Schwerpunkte, von „Bildung und Erziehung“ und „Beruf und Rolle des Lehrers“ über „Lernen, Entwicklung und Sozialisation“ sowie „Diagnostik, Beurteilung und Beratung“ bis hin zur „Schulentwicklung“ und „Bildungsforschung“. Die insgesamt elf Kompetenzbereiche, die nicht mit den inhaltlichen Schwerpunkten identisch sind, sind den Kompetenzbereichen „Unterrichten“, „Erziehen“, „Beurteilen“ und „Innovieren“ zugeordnet, die bereits 1970 vom Deutschen Bildungsrat (1970) als die zentralen Bereiche des Berufsbildes von Lehrerinnen und Lehrern bestimmt wurden. Die formulierten Standards werden gleichzeitig den theoretischen und den praktischen Ausbildungsabschnitten zugeordnet, wobei beide Phasen der Lehrkräftebildung sowohl Theorieals auch Praxisanteile in unterschiedlicher Gewichtung enthalten: „Ausgehend von dem Schwerpunkt Theorie erschließt die erste Phase die pädagogische Praxis, während in der zweiten Phase diese Praxis und deren theoriegeleitete Reflexion im Zentrum stehen“ (KMK 2004, <?page no="36"?> Daniela -Caspari 36 4). Beide Phasen sollen so koordiniert werden, „dass insgesamt ein systematischer, kumulativer Erfahrungs- und Kompetenzaufbau erreicht wird“ (ebda.). Dagegen beziehen sich die Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2017b) (im Folgenden kurz: fachspezifische KMK-Standards) lediglich auf die erste Phase, das Studium. Das eine Seite umfassende fachspezifische Kompetenzprofil für die Neuen Fremdsprachen (vgl. KMK 2017b, 44) führt zwölf Standards auf, die im Vergleich zu der Fassung von 2010 (KMK 2010) um die Bereiche des Lehrens und Lernens in heterogenen Lerngruppen und des inklusiven Unterrichts ergänzt wurden. Die Auflistung der Studieninhalte ist in die Bereiche Sprachpraxis, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft und Fachdidaktik der Fremdsprachen unterteilt. Während die Inhalte in den ersten vier Bereichen gegenüber der Fassung von 2010 nahezu unverändert blieben (bis auf die Ergänzung „Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs bei Beeinträchtigungen in der Sprachentwicklung“ in der Sprachwissenschaft, KMK 2017b, 45), wurden die fachdidaktischen Standards deutlich erweitert. Dies umfasst zum einen die mit dem Unterricht in heterogenen Lerngruppen bzw. inklusiven Unterrichts verbundenen Anforderungen, zum anderen einen neuen Standard zur „ziel-, schüler- und fachgerechte[n] Planung, Durchführung und Reflexion kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts unter Berücksichtigung individueller Förderbedarfe in heterogenen Lerngruppen“ (ebda., 46). Damit kommt - auf Kosten der nun nicht mehr aufgeführten „theoriegeleitete[n] Analyse von Lehr- und Lernmaterialien“ (KMK 2010, 35) - der unterrichtlichen Praxis bereits im Studium eine wichtige Bedeutung zu, obwohl dieser Aspekt im einleitenden Kapitel 2 nicht genannt wird (vgl. KMK 2017b, 4). Dort wird dieser Inhalt, wie auch der letzte dem fachdidaktischen Inhalt zugeordnete Punkt, die Fähigkeit in multiprofessionellen Teams zusammenzuarbeiten, dem Vorbereitungsdienst zugeordnet. Im Vergleich zu den Standards für die Bildungswissenschaften halte ich es für nachteilig, dass die fachspezifischen Standards und Inhalte nicht den einzelnen Phasen zugeordnet werden. Stattdessen wird zu Beginn des Dokumentes lediglich in allgemeiner Form formuliert: 1. Grundlegende Kompetenzen hinsichtlich der Fachwissenschaften, ihrer Erkenntnis- und Arbeitsmethoden sowie der fachdidaktischen Anforderungen werden weitgehend im Studium aufgebaut. 2. Die Vermittlung mehr unterrichtspraktisch definierter Kompetenzen ist hingegen vor allem Aufgabe des Vorbereitungsdienstes; zahlreiche Grundlagen dafür werden aber schon im Studium gelegt bzw. angebahnt. 3. Schließlich ist die weitere Entwicklung in der beruflichen Rolle als Lehrerin oder Lehrer Aufgabe der Fort- und Weiterbildung (KMK 2017b, 3). <?page no="37"?> Zur Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrpersonen 37 M.E. wird damit dem für kumulatives Lernen konstitutiven Wechselspiel zwischen eher theoretischen Wissensbeständen und ihrer unterrichtlichen Anwendung und Reflexion nicht wie in den Standards für die Bildungswissenschaften Rechnung getragen, sondern es wird die von vielen Studierenden und Ausbilder/ innen verinnerlichte Trennung zwischen der „universitären Theorie“ und der „authentischen unterrichtlichen Praxis“ fortgeschrieben. Eine solche Trennung zwischen fachwissenschaftlichen Wissensbeständen und ihrer Anwendung ist teilweise auch in den Standardformulierungen selbst zu erkennen, denn es wird bei der Formulierung nicht von (zukünftigen) professionellen Anforderungen, sondern von den einzelnen Disziplinen aus gedacht. So sollen die Studienabsolventinnen und -absolventen u.a. „auf vertieftes, strukturiertes und anschlussfähiges Fachwissen in den Teilgebieten der Sprachwissenschaft, Linguistik, Literaturwissenschaft zugreifen und grundlegende wie aktuelle Fragestellungen und Methoden erkennen und weiterentwickeln“ (KMK 2017, 33). Auch das sprachpraktische Können wird nicht hinsichtlich der beruflichen Anforderungen spezifiziert, sondern es wird pauschal „ein vertieftes Sprachwissen und ‚nativnahes Sprachkönnen‘ in der Fremdsprache“ (ebda.) erwartet. Bei aller Problematik, professionelle Anforderungen zu antizipieren und dafür Kompetenzen zu formulieren, hielte ich es für dringend geboten, auch für die fachspezifischen Standards einen Gesamtansatz wie in den Bildungswissenschaften zu wagen und dabei die Funktion und die Vernetzung der aufgeführten Studieninhalte aus den einzelnen Disziplinen aufzuzeigen (vgl. Caspari 2007). Damit plädiere ich nicht dafür, fachwissenschaftliche Inhalte per se zu reduzieren oder sie ausschließlich im Horizont unterrichtlicher Anwendungsmöglichkeiten zu betrachten. Stattdessen plädiere ich dafür, sich konsequent zu vergegenwärtigen, welche Ziele mit den jeweiligen Studieninhalten und - zu ergänzen - den damit verknüpften Forschungsmethoden im Einzelnen verbunden werden können bzw. sollen. Erst dann ist es m.E. möglich, sich über den potenziellen Beitrag der Inhalte für die fachliche und für die persönliche Bildung der zukünftigen Lehrer/ innen zu verständigen. Möglicherweise stellt man dann auch den „größere[n] Vertiefungsgrad“ und die Ausweitung der Inhalte für das Lehramt an Gymnasien/ Sek. II gegenüber den übrigen Lehrämtern in Frage, zumal z.B. in Berlin generell nicht mehr zwischen dem Lehramt für mittlere und gymnasiale Schulformen unterschieden wird. Und möglicherweise führt eine solche zielbezogene Durchsicht dann auch zu einer Revidierung und Modernisierung mancher Inhalte, insb. im Bereich Kulturwissenschaft. 4 - Zur Professionalisierung von Seiten--‐/ und Quereinsteiger/ innen Trotz des umfangreichen Standard- und Inhaltskataloges wird durch die KMK-Standards nur ein Teil der von der bildungswissenschaftlichen und <?page no="38"?> Daniela -Caspari 38 fachdidaktischen Forschung für notwendig erachteten Fachkompetenzen abgebildet (vgl. u.a. EPOSA von Newby et al. 2007; Hallet 2006; Krumm 2016; Schart/ Legutke 2012). Neben dem fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Wissen sowie unterrichtspraktischen Fähigkeiten zählen dazu u.a. Einstellungen, affektive Komponenten, motivationale Orientierungen, soziale Fähigkeiten und personale Kompetenzen. Insbesondere die Fähigkeit und die Bereitschaft, über sich als Lehrperson zu reflektieren und sich berufslebenslang fachlich und persönlich weiterzuentwickeln, sind für eine erfolgreiche und befriedigende Ausübung des Lehrberufs unverzichtbar. Daher sollten die Grundlagen für diesen anspruchsvollen Entwicklungsprozess m.E. weiterhin im Studium gelegt werden. Denn im Studium wird - anders als im Vorbereitungsdienst oder beim Seiteneinstieg - der notwendige gedankliche und zeitliche Raum gewährt, um ohne unmittelbaren unterrichtlichen Handlungsdruck Wissen in den unterschiedlichsten für den Lehrberuf relevanten Bereichen zu erwerben, komplexe Konzepte zu durchdringen und den Habitus forschenden Lernens einzuüben. Dieser Frei-Raum ermöglicht es zudem, sich der eigenen subjektiven Theorien zum Fremdsprachenlernen und -lehren bewusst zu werden und sie durch einen Vergleich mit anderen subjektiven und wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnissen zu verändern. Wenn es denn das Ziel der Lehrkräftebildung sein soll, nicht nur Unterricht halten zu können, um die schulische Stundentafel ‚abzudecken‘, sondern in einem umfassenden Sinne professionelle Lehrpersonen (auszu-)bilden, dann müssen für Quer- und Seiteneinsteiger/ innen Konzepte entwickelt werden, mit denen sie im Verlauf ihrer beruflichen Laufbahn die Gelegenheit erhalten, die entsprechenden - weit gefassten - Kompetenzen ausbilden zu können. Hierfür sind angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedarfe differenzierte modulare Wege notwendig, die in Zusammenarbeit von erster, zweiter und - insbesondere - dritter Phase zu entwickeln sind. Die GFD postuliert, dass den Fachdidaktiken in solchen ergänzenden Professionalisierungsprozessen „eine zentrale Bedeutung“ zukommt, sowohl bezüglich ihrer „wissenschaftlichen Expertise für das fachliche Lehren und Lernen“ als auch für die „Vernetzung der beteiligten Fachdisziplinen und Institutionen der Lehrkräftebildung“ (GFD 2018, 2). Folgende Elemente sind nach Auffassung der GFD für die Konzeption ergänzender Professionalisierungswege zentral: 1. Erstellung einheitlicher prototypischer Qualifizierungswege für die unterschiedlichen Personengruppen, z.B. bei nur einem studierten Unterrichtsfach oder fehlender pädagogischer Ausbildung. 2. Standardisierte Verfahren zur Feststellung der individuellen Qualifizierungen und Potentiale der Bewerber/ innen auf Grundlage der Standards. 3. Entwicklung von Qualifizierungsmodulen, die ja nach Individuum und aktueller Situation angepasst werden können, z.B. in Form einer zeitlich versetzten Weiterbildung für ein zweites Unterrichtsfach. <?page no="39"?> Zur Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrpersonen 39 4. Entwicklung von Instrumenten zur Reflexion und Beratung in allen drei Professionalisierungsphasen. […] (GFD 2018, 2). In die Formulierung dieser Elemente flossen auch die Erfahrungen bei der Konzeption und Realisierung des Quereinstiegs-Masters (sog. Q-Masters) an der Freien Universität Berlin ein (http: / / www.fu-berlin.de/ sites/ k2teach/ imueberblick/ tp4/ (30/ 04/ 2018)). Bedingung seitens der Berliner Senatsverwaltung war, dass alle durch das Berliner Lehrkräftebildungsgesetz vorgesehenen Studienbestandteile des MA of Education studiert werden müssen: 21 Leistungspunkte (LP) Erziehungswissenschaften, 8 LP DaZ/ Sprachbildung, 22 LP Fachdidaktik pro Fach, jeweils mit einem Anteil im obligatorischen Praxissemester. Dazu kommen insgesamt 35 LP Fachwissenschaften und 15 LP MA- Arbeit. Die Umsetzung erweist sich für die Studierenden der MINT-Fächern vergleichsweise einfach: Sie bringen i.d.R. ein abgeschlossenes Fach mit und haben innerhalb dieses Faches bereits einen Anteil eines zweiten Faches (i.d.R. Mathematik oder Informatik) studiert. Zudem sind die Studienordnungen in diesen Fächern bundesweit sehr ähnlich, so dass auch für auswärtige Studierende i.d.R. ohne große Schwierigkeiten die noch zu studierenden Module identifiziert werden können. Anders sieht es bei den Studierenden mit (fremd-)sprachlichen Fächern und Geschichte aus. Sie bringen in aller Regel Anteile aus beiden Fächern mit, häufig in einem hohen Spezialisierungsgrad, z.B. bei Studierenden, die mit einem rein literaturwissenschaftlichen oder linguistischen Studienabschluss oder einem Studium z.B. in Filmwissenschaften. Hier ist es viel schwieriger, die ‚lehramtsrelevanten‘ Vorleistungen zu identifizieren und die noch zu erbringenden Leistungen festzulegen, nicht zuletzt, weil der LP-Anteil für die Fachwissenschaften mit insgesamt 50 LP (35 während des MA und 15 für die MA-Arbeit) doch recht begrenzt ist. Zudem müssen am Ende die KMK- Standards so weit erfüllt sein, dass die Studierenden in allen notwendigen Teildisziplinen beider Fächer entsprechende Kompetenzen erworben haben. Das größte Problem besteht nach Erfahrungen aus eineinhalb Jahren jedoch in den o.g. Vorgaben des Landes Berlin sowie in der grundsätzlichen Art und Weise, wie heutzutage Studien- und Prüfungsordnungen konstruiert sind. Viele der Studierenden bringen bereits, teilweise erhebliche, Unterrichtserfahrungen oder Erfahrungen aus anderen pädagogischen Kontexten mit. Diese können zwar als Leistung im Rahmen des MA-Studiums anerkannt werden, es ist aber nicht möglich, den dadurch ‚frei‘ werdenden LP-Anteil für fachwissenschaftliche Studienanteile zu verwenden. Ein anderes Problem besteht darin, dass in einem MA-Studiengang nur zu einem geringen Anteil Veranstaltungen des Bachelor besucht werden dürfen. Dies stellt vor allem für die Studierenden ein Problem dar, die mit einem Fach oder innerhalb eines Faches mit einer oder zwei Teildisziplinen völlig neu beginnen. Es wäre für individualisierte Studienverläufe wesentlich einfacher, wenn alle Vorleistungen der Studierenden hinsichtlich der quantitativen und qualitativen KMK- <?page no="40"?> Daniela -Caspari 40 Vorgaben für den MA-Abschluss berechnet werden könnten und anschließend im Vergleich mit den Vorgaben festgelegt werden könnte, welche Leistungen noch zu erbringen sind. Diese könnten dann individuell auf die insgesamt zur Verfügung stehenden 120 LP des MA-Studiums verteilt werden. Dabei sollten auch die im Praxissemester zu erbringenden Leistungen an den Schulen flexibler mit den bereits vorhandenen Erfahrungen verrechnet werden und der dadurch gewonnene Freiraum für individuelle Bedürfnisse genutzt werden können. Für ein solch ‚ganzheitliches Vorgehen‘, das Leistungen aus BA und MA umfasst, wäre ein Typ von Studien- und Prüfungsordnung, wie sie für die alten Magister-Studiengänge verwendet wurden, wesentlich besser geeignet als die aktuellen, bis ins Detail festgelegten und daher wenig flexiblen Ordnungen. 5 - Fazit und Ausblick Auf jeden Fall müssen diese und andere Formen des Quer- und Seiteneinstiegs wissenschaftlich begleitet und empirisch erforscht werden. Dies ist zum einen notwendig, um ihre Wirksamkeit im Sinne der Erreichung der vorgegebenen Standards festzustellen. 2 Genauso wichtig erscheinen mir berufsbiographische Forschungen, insb. zu den Voraussetzungen und Beweggründen für einen Quer-/ Seiteneinstieg, zur Entwicklung beruflicher Identität oder auch zur Entwicklung der Vorstellungen hinsichtlich der unterrichteten Fächer. Darüber hinaus erscheint mir die empiriegestützte Entwicklung von Konzepten einer komplexitätsreduzierten Praxiserfahrung notwendig, z.B. in Form von Lehr-/ Lernlaboren, Team-Teaching, Micro-Teaching oder auch von auf die Förderung nur einer Kompetenz fokussierter Unterrichtsreihenplanungen (vgl. Caspari 2016). Für die Professionalisierung von Quer- und Seiteneinsteigerinnen in der 2. und 3. Phase wären m.E. verpflichtende Aktionsforschungsprojekte (vgl. u.a. Benitt 2015, Bergfelder-Boos/ Caspari 2018) und die Erforschung ihrer Wirksamkeit ein besonders vielversprechender Ansatz, um persönliche Qualifizierung und Unterrichtsentwicklung miteinander zu verbinden. Aktionsforschungsprojekte könnten darüber hinaus die Verzahnung der Ausbildungsphasen fördern, z.B. indem die Praktikant/ innen der 1. Phase die Referendar/ innen aus der 2. Phase bzw. die Lehrer/ innen aus der 3. Phase bei der Datenerhebung und -analyse sowie der Literaturbeschaffung unterstützen könnten und durch das Projekt alle gemeinsam einen forschenden Blick auf die Unterrichtspraxis und ihre reflektierte, systematische Veränderung entwickeln (vgl. Bechtel 2015). 2 Ein solcher Vergleich stößt jedoch auf Schwierigkeiten, weil keine bzw. kaum Daten von sog. Regel-Studierenden vorliegen. M.E. ist auch nicht sicher, ob eine solche, notwendigerweise breit angelegte Testung der Kompetenzen von Regel- Studierenden bildungspolitisch überhaupt erwünscht wäre. <?page no="41"?> Zur Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrpersonen 41 Insgesamt scheint es mir angesichts der immer heterogeneren Berufsbiographien sinnvoll und notwendig, Quer- und Seiteneinsteigerinnen in das Lehramt nicht ausschließlich als (kurzfristiges) Problem zu betrachten. Die aktuelle Situation sollte vielmehr zum Anlass genommen werden, nachhaltige Konzepte für individuell(er)e Professionalisierungswege zu entwickeln, ohne dabei die Regel-Qualifizierung über ein Lehramtsstudium mit fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Anteilen im BA und MA in Frage zu stellen. Literatur Bechtel, Mark (2015) (Hrsg.): Fördern durch Aufgabenorientierung. Bremer Schulbegleitforschung zu Lernaufgaben im Französisch- und Spanischunterricht der Sekundarstufe I. Frankfurt/ M.: Lang Benitt, Nora (2015): Becoming a (Better) Language Teacher. Classroom Action Research and Teacher Learning. Tübingen: Narr. Bergfelder-Boos, Gabriele/ Caspari, Daniela (2018): „Aktionsforschung als Instrument der Lehrkräftebildung: Erfahrungen aus Weiterbildungsprojekten - für die Hochschule neu gedacht“. Vortrag für die Tagung Fremdsprachendidaktische Hochschullehre 3.0, Universität Tübingen, 23.02.2018. 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Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften beruht auf der Qualität und dem Umfang des fachlichen Könnens und Wissens. Es muss Schulenglisch, Schulfranzösisch usw. abdecken, aber auch deutlich darüber hinausgehen. Lehrerinnen und Lehrer verfügen über die Inhalte und Kompetenzen, die es im Fremdsprachenunterricht zu vermitteln gilt und die kein anderes Unterrichtsfach vermitteln kann: die Sprache und Kultur der Zielsprachenländer. Neben kognitiven Bestandteilen zählen auch attitudinale und affektive Komponenten zur Professionalität hinzu. Dazu gehören insbesondere die Engagiertheit für das Unterrichtsfach und seine Inhalte, der Einsatz für das Lernen von Sprachen im Allgemeinen und der speziellen Fremdsprache im Besonderen, die Überzeugung, dass diese Sprache und ihre kulturellen Manifestationen es wert sind, vermittelt und gelernt zu werden und dass damit ein Beitrag zu Mehrperspektivität, kritischer Diskursfähigkeit und internationaler Verständigung geleistet wird. Die Wirkung, die das berufliche Handeln der Fremdsprachenlehrkräfte auf Seiten der Lernenden erzeugen soll, umfasst sowohl fächerübergreifende, dem Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schule entsprechende Aspekte als auch fachspezifische Lernergebnisse und Kompetenzen. In dieser Trias von Bildung, Erziehung und Lernen muss die professionell handelnde Lehrperson in der Lage sein, die fachliche Bildungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen zu fördern, im Fachunterricht erzieherisch tätig zu werden und fachspezifische Lehr-Lern-Prozesse zu gestalten. Wünschenswerte Folgen im Bereich ‘Bildung’ umfassen z.B. die Fähigkeit und Bereitschaft der Lernenden zum Perspektivwechsel, zur Dezentrierung, zur Offenheit und Empathie sowie die Bereitschaft, die eigene kulturelle Prägung zu reflektieren und zu erweitern. Ein erstrebenswerter Beitrag professionell erteilten Fremdsprachenunterrichts zum schulischen Erziehungsauftrag besteht z.B. in der Befähigung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs in einer anderen Sprache als der eigenen Erstsprache, an der demokratischen <?page no="44"?> Bärbel -Diehr 44 Meinungsbildung sowie respektvoller Kommunikation. Schließlich wird im Bereich der Lernergebnisse und Kompetenzen erwartet, dass die Fremdsprachenlehrperson zum Sprachlernen motiviert und anleitet und ein sprachliches Können bewirkt, das dem Lernstand angemessen ist und auf Sprachwissen beruht. 2 - Professionalität und Fachkompetenz Die systematische Erforschung der distinktiven Merkmale des Lehrens einer Fremdsprache geht insbesondere auf die Arbeiten von Appel (2000) und Borg (2006) zurück und wurde durch die o.g. Erkenntnisse aus der DESI-Studie (2008) erweitert. Legutke und Schart (2016, 17) kommen auf der Grundlage des derzeitigen Forschungsstands zwar zu dem Schluss, „dass es zum jetzigen Zeitpunkt als verfrüht erscheint, detaillierte Typologien von Kompetenzen zu entwerfen“, sehen die Fremdsprachenforschung jedoch in der Verantwortung, in Zukunft ein Kompetenzmodell speziell für Fremdsprachenlehrende zu entwickeln. Zu diesem Zweck legen sie einen Orientierungsrahmen (2016, 18) vor, mit dem sie die umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben anstoßen. In einem Wuppertaler QLB Projekt werden diese Anregungen aufgegriffen, um ein Modell der professionellen Planung von Englischunterricht zu entwickeln (Diehr erscheint; siehe auch Abschnitt 4). Abgesehen von diesem Orientierungsrahmen liegt meines Wissens noch kein Modell der professionellen Kompetenz von Fremdsprachenlehrkräften vor. 1 Das KMK Papier Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen an die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (2017) enthält zwar ein fachspezifisches Kompetenzprofil für Neue Fremdsprachen, legt diesem aber kein theoretisch fundiertes Modell zugrunde. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das KMK-Kompetenzprofil bei der Konzeption jüngerer Studien zum Professionswissen nur in Ansätzen berücksichtigt wird. Für die Diskussion der Fachkompetenz von Fremdsprachenlehrkräften erscheinen mir drei Studien aus der Professionsforschung 2 beachtenswert, die sich speziell mit der (universitären) Englischlehrerbildung befassen. Sie verfolgen das Ziel, Professionswissen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Englischstudium und Professionalisierungsprozess zu erfassen. Die zentralen 1 Mit den Kompetenz- und Qualifikationsbeschreibungen des Europäischen Portfolios für Fremdsprachenlehrende in Ausbildung (Newby et al. 2007) und des Europäischen Profilrasters für Sprachlehrende (EPR 2013) liegen erste Beschreibungen vor, allerdings ohne ein klar erkennbares, theoretisch fundiertes Modell. 2 Es handelt sich im Einzelnen um die TEDS-LT Studie (Teacher Education and Development Study: Learning to Teach) (Blömeke et al. 2011, 2013), die PKE Studie (Professionelle Kompetenz von Englischlehrkräften) (König et al. 2016) und die FALKO-E Studie (Fachspezifische Lehrerkompetenzen Englisch) (Kirchhoff 2017). <?page no="45"?> Bildung, Erziehung, Vermittlung 45 Schlüsse aus der Zusammenschau dieser drei Studien ergeben m.E. kein klares Bild von der Professionalität der Fremdsprachenlehrkräfte und liefern auch keine überzeugenden Entwicklungsperspektiven für ihre Professionalisierung (vgl. auch Diehr erscheint und Roters erscheint). • - Die Erstellung des standardisierten Professionswissenstests erweist sich in allen drei Studien als schwierig. Hier kommt die schwache Kanonisierung der Studieninhalte und die Expansion und Diversifizierung der Philologien zum Tragen. Bildungsforscher (vgl. Blömeke et al. 2011) bezeichnen die Anglistik im Vergleich zur Mathematik daher als eine „gering strukturierte Domäne“, der ein Äquivalent zur Schulmathematik fehle (vgl. Blömeke 2011, 19). Es überrascht daher nicht, dass die Subdimensionen des Fachwissens im Bereich Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft in der Studie TEDS-LT (Blömeke 2013, 13) niedrig korrelieren und dass in der Studie FALKO-E (Kirchhoff 2017, 132f.) der statistisch erfasste Zusammenhang zwischen fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Wissen schwach ausfällt. • - Dementsprechend lassen sich auch keine generalisierbaren Aussagen zum Wissenszuwachs im Fremdsprachenstudium treffen. In der Studie FALKO-E erzielen Englischstudierende höherer Semester bessere Ergebnisse im fachwissenschaftlichen Testteil, zeigen aber keine Zuwächse im fachdidaktischen Wissen (Kirchhoff 2017, 136, Lindl/ Krauss 2017, 407). In den Studien TEDS-LT und PKE verhält es sich genau umgekehrt: Dort ist im Verlauf des Studiums kaum Zuwachs im fachwissenschaftlichen Wissen zu verzeichnen, im fachdidaktischen Wissen hingegen schon (Blömeke 2013, 14; Jansing et al. 2013; 95ff.; König et al. 2016, 329). • - Es wird in den drei Studien nicht ersichtlich, ob aus den jeweiligen Befunden zum Wissensstand in den verschiedenen Probandengruppen Rückschlüsse für die Reform des Lehramtsstudiums gezogen werden können. Positiv ist zu vermerken, dass für FALKO-E das vollständig veröffentlichte Testinstrument einsehbar ist. Damit kann das Problem des Fachwissens auf einer konkreten Grundlage mit Lehramtsstudierenden erörtert werden. Klar ist aber auch, dass sich keiner der verwendeten Tests für eine Rückmeldung an Studierende über ihre Kompetenzentwicklung während des Studiums eignet. Lindl und Krauss (2017, 385) stellen sogar ausdrücklich fest, dass die „Testentwicklung […] nicht auf Individualdiagnostik abzielt“. Für die fachspezifische Kompetenz von Fremdsprachenlehrkräften liegt noch keine (vollständige) theoretische Modellierung vor. Auch ein Konzept und Instrument zur Erfassung von Entwicklungen und Zuwächsen im Verlauf des Studiums und zur Rückmeldung fehlen derzeit noch. <?page no="46"?> Bärbel -Diehr 46 3 - Professionalisierung in den Phasen der Lehrerausbildung Die Unterschiede zwischen der universitären Lehrerbildung und der anschließenden Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst erfasst Schröder (2017, 192) mithilfe der Gegenüberstellung von „praxisorientierter Wissenschaftlichkeit“ in der ersten Phase und „wissenschaftsorientierter Praxis“ in der zweiten. Dementsprechend erfolgt der Professionalisierungsprozess, der „berufsbiographische Entwicklungsprozess“ (Terhart 2005, 89), zwar kontinuierlich, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So ist der Aufbau von Handlungsroutinen für die Unterrichtspraxis dem Vorbereitungsdienst vorbehalten, während das analytische und kritische Bearbeiten fachlicher Gegenstände und Inhalte sowie ihrer Didaktisierung ein Charakteristikum des Studiums ist. Auf die Kritik der fehlenden institutionalisierten Abstimmung zwischen Schule und Hochschule im Bereich der Lehrerbildung haben zahlreiche Bundesländer mit der Einrichtung eines Praxissemesters reagiert. Die an vielen Standorten zunächst skeptisch betrachtete, ministeriell verordnete Zusammenarbeit hat zu einer stärkeren Vernetzung, zu fruchtbaren Kooperationsstrukturen und zu einem vertieften Verständnis für die Besonderheiten der jeweils anderen Phase geführt. Allerdings sind die ambivalenten Äußerungen der Bildungspolitik einer Klärung der Zuständigkeiten wenig zuträglich. So legt die KMK (2017, 3) fest, dass „[g]rundlegende Kompetenzen hinsichtlich der Fachwissenschaften, ihrer Erkenntnis- und Arbeitsmethoden sowie der fachdidaktischen Anforderungen […] weitgehend im Studium aufgebaut“ werden. Dieser Spezifizierung der ersten Phase wird folgende Anforderung hinzugefügt: Trotz dieser phasenbezogenen Schwerpunktsetzungen ist es notwendig, die Anforderungen an die Lehrerbildung im Zusammenhang, d.h. über den gesamten Qualifikationszeitraum hinweg und bezogen auf die Erfordernisse der angestrebten kompetenten Berufsausübung, zu betrachten. Daraus leiten sich auch die inhaltlichen Anforderungen an die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Ausbildung im Studium ab: Sie muss für die nachfolgenden Bildungsphasen nicht nur anschlussfähig sein, sondern auch auf den Kompetenzerwerb in diesen Phasen einschlägig vorbereiten (Ebd. Hervorhebung BD). Antworten auf die Frage, ob und wie die neuen Formen der Kooperation den Professionalisierungsprozess einschlägig fördern, sind zukünftiger Forschung vorbehalten. <?page no="47"?> Bildung, Erziehung, Vermittlung 47 4 - Forschung zur Professionalisierung im Rahmen der universitären Fremdsprachenlehrerbildung Worin liegt die Spezifik des Professionsbezugs, durch dessen wissenschaftliche Gestaltung die universitäre Fremdsprachenlehrerbildung die Vorbereitung auf die zweite und dritte Phase des Professionalisierungsprozesses verbessern kann? Im Zuge der Ausweitung von Praxisphasen im Studium und vor dem Hintergrund des vielfach problematisierten Praxishungers der Studierenden (Diehr erscheint, Sommer erscheint) muss die Qualität des Erfahrungslernens sichergestellt werden. So warnen Weyland und Wittmann (2017: 24) zu Recht vor einer deprofessionalisierenden Wirkung einer hohen Unterrichtsverpflichtung im Praxissemester. Es geht nicht darum, dass Studierende möglichst viele Unterrichtsstunden durchführen, sondern dass sie sorgfältig vorbereitete und begleitete Stunden unter Nutzung wissenschaftlichen Wissens reflektieren und auf diese Weise exemplarisches Wissen und transferfähige Kompetenz für ihre zukünftige Berufstätigkeit aufbauen. Deshalb stimme ich Legutke und Scharts Position zu, dass „der dialogischen Befassung mit antizipiertem Unterricht […] eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung von Professionskompetenz“ zukommt (2016, 36, Hervorhebung BD). Seels Schlussfolgerung aus ihrer Sichtung empirischer Studien zur Planungskompetenz lautet, „dass Nachdenken über Ziele der stärkste Indikator für Professionalisierung zu sein scheint“ (Seel 2011, 39). Damit rückt sie, ohne es explizit zu formulieren, die Bedeutung der Fachlichkeit und der Inhalte in den Mittelpunkt des Professionalisierungsprozesses. Für die Englischdidaktik macht Kolb deutlich, dass Unterrichtsplanung ein dringendes Desiderat der wissenschaftlichen Lehrerbildung ist. Sie hält es für wichtig, „dass sich die Englischdidaktik verstärkt mit Unterrichtsplanung auseinandersetzt, die mehr umfasst als das Erstellen von Spaltenplänen, wie sie in der zweiten Phase der Lehrerbildung gefordert werden“ (Kolb 2016, 191). Auch Knorr hebt hervor, „dass Studierende insgesamt stärker für Prozesse des Planens und des Planen-Lernens sensibilisiert werden sollten“ (Knorr 2016, 191), nachdem ihre Studie gezeigt hatte, dass Studierende sich mit der Vorbereitung einzelner Aktivitäten beschäftigen, aber viel weniger mit Unterrichtsinhalten und kaum mit Unterrichtszielen (vgl. 178f.). Aufgrund der Bedeutung von antizipiertem Unterricht, seiner theoriegeleiteten Vorbereitung und Reflexion legt das Wuppertaler QLB Projekt PETE (Peer Teaching und Peer Coaching in Sprachlehr- und -lernprojekten) seinen Schwerpunkt auf die Planung von Englischunterricht. Es greift Knorrs Befund auf, „dass eine ausführlichere Analyse des Unterrichtsgegenstands der Unterrichtsvorbereitung zuträglich gewesen wäre“ (Knorr 2016, 179). Englischstudierende im Projekt PETE aktivieren und vertiefen daher in einem sprachwissenschaftlich und einem literaturwissenschaftlich ausgerichteten Tutorium ihr Fachwissen und bereiten es in Anbindung an eine fachdidaktische Lehr- <?page no="48"?> Bärbel -Diehr 48 veranstaltung für einen Lehrversuch auf. Das Vorhaben beruht auf den Prinzipien des Reciprocal Teaching (auch ‘Lernen durch Lehren’), das laut Hatties Metaanalyse (2009, 203f.) hohe Effektstärken für Lernergebnisse aufweist. Unterstützt durch zwei Tutorinnen (Peer Coaches) planen die Studierenden eine Unterrichtsstunde, die sie als Peer Teachers mit gleichaltrigen Teilnehmern der Englischkurse des Sprachlehrinstituts durchführen. Anschließend reflektieren und evaluieren die Peer Teachers die gehaltene Stunde auf der Grundlage ihrer fachwissenschaftlich und fachdidaktisch fundierten Planung. Zu Beginn des Projekts wurde offenkundig, dass es im Sinne einer professionellen Nachbereitung der Lehrversuche an erprobten Formaten zur individualdiagnostischen Rückmeldung mangelt. In der wissenschaftlichen Begleitung wird daher ein Schwerpunkt auf die Entwicklung eines Instruments zur individuellen Rückmeldung an die beteiligten Peer Teachers gelegt, das den Namen PRO PLAN (Professionelle Planungskompetenz) Englisch (Diehr et al. 2017, Diehr erscheint) trägt. Es erfüllt insofern eine Doppelfunktion, als es die Planungsgespräche vor der Lehrprobe systematisch unterstützt und nach der Lehrprobe dieselben Kriterien für das Beratungs- und Feedbackgespräch nutzt. Perspektivisch soll dieses Instrument auch für die Rückmeldung im Praxissemester erprobt werden. Für die theoretische Fundierung der in PRO PLAN Englisch zugrunde gelegten Kompetenzen wurden folgende Dokumente herangezogen: • - die Beispielstandards für Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht (KMK 2004), • - das fachspezifische Kompetenzprofil für neue Fremdsprachen (KMK 2017), • - die fremdsprachendidaktischen Spezifika von Erfahrungswissen (Appel 2000), • - die Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden (Legutke/ Schart 2016). Da die KMK Standards (2017) trotz ihrer Ausrichtung auf Fremdsprachen vergleichsweise allgemein gehalten sind und „über keine Dimensionalität in Hinblick auf Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen“ verfügen, wie Gerlach und Steininger (2016, 186) zu Recht anmerken, besteht eine vorrangige Aufgabe derzeit in der Erstellung der zentralen Dimensionen. Unter Rückgriff auf Appels Studie (2000, 282-287) sowie Legutke und Scharts Orientierungsrahmen (2016, 18) wird die Kompetenz für die Planung von Englischunterricht mithilfe von fünf Dimensionen modelliert (siehe Abb. 1), die als spezifisch für das Lehren einer Fremdsprache angesehen werden: Sprachlernprozesse, Kommunikationsanlässe, metasprachliche Bewusstheit, literaturbezogene und kulturbezogene Lernprozesse. <?page no="49"?> Bildung, Erziehung, Vermittlung 49 Abb. 1 Dimensionen der Planungskompetenz für den Englischunterricht in PRO PLAN Englisch (nach Diehr, erscheint) Es handelt sich bei PRO PLAN Englisch um work in progress, d.h. um ein Instrument, das weiterer Validierung und Erprobung bedarf. Dieser Vorbehalt trifft sowohl auf die fünf Dimensionen (s.o.) als auch auf die Komponenten (siehe Abb. 1) zu, mit deren Hilfe jede Dimension inhaltlich differenziert und konkretisiert wird. Die Dimension ‘Sprachlernprozesse’ - um eine Dimension beispielhaft im Detail darzulegen - umfasst derzeit die folgenden Komponenten: • - Einbezug von curricularen Vorgaben (Kernlehrpläne) und Sprachniveaus (GeR), • - Beschreibung des angestrebten Sprachzuwachses mithilfe von Fachtermini, • - theoriebasierte Analyse potenzieller Lernschwierigkeiten und Herausforderungen, • - sprachorientierte Planung der Lern- und Übungsprozesse, • - Berücksichtigung der eigenen Sprachkompetenz. Zur Abbildung eines kumulativen Professionalisierungsprozesses wird in PRO PLAN Englisch der Vorschlag der KMK Arbeitsgruppe zu einer Skalierung aufgegriffen (vgl. KMK 2004, 22, 25f.): Jede der Einzelkomponenten <?page no="50"?> Bärbel -Diehr 50 wird mithilfe von vier komplexer werdenden Niveaustufen konkretisiert, die den langfristig avisierten Professionalisierungsprozess abbilden. Anhang 1 gibt exemplarisch einen Einblick in die Ausgestaltung der Dimension ‘Planung von Sprachlernprozessen im Englischunterricht’. Auch hier ist es wichtig, auf den vorläufigen Charakter des Instruments hinzuweisen. Derzeit wird PRO PLAN Englisch ohne die Niveaustufenbeschreibungen in den Rückmeldegesprächen im Projekt PETE erprobt. Ziel der Begleitforschung ist es herauszufinden, ob die vollständige Version von PRO PLAN Englisch reflexionsförderlich sein kann oder das Risiko der Überforderung durch die komplexe Typologie birgt. Gegenwärtig wird das vollständige Instrument (5 Dimensionen mit jeweils 5 bis 6 Komponenten in 4 abgestuften Niveaukonkretisierungen) als Heuristik für die Forschung eingesetzt, während das offenere Instrument ohne die Niveaukonkretisierungen für individualdiagnostische Rückmeldegespräche genutzt wird. Es ist zukünftiger Forschung vorbehalten zu ergründen, welches Abschlussprofil den Übergang in die zweite Phase der Lehramtsausbildung (Vorbereitungsdienst) markieren könnte. Literatur Appel, Joachim (2000): Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. München: Langenscheidt Longman. Blömeke, Sigrid (2011): „Teacher Education and Development Study. Learning to Teach (TEDS LT) - Erfassung von Lehrerkompetenzen in gering strukturierten Domänen“. In: Blömeke et al. (Hrsg.), 7-24. Blömeke, Sigrid (2013): „Einleitung. Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf“. In: Blömeke et al. (Hrsg.), 7-24. Blömeke, Sigrid/ König, Johannes (2011): „Profile im Professionswissen zur Unterrichtsplanung bei Sekundarstufenlehrkräften“. In: Zierer, Klaus (Hrsg.): Jahrbuch für Allgemeine Didaktik 2011. Thementeil: Entwicklung und Weiterentwicklung allgemeindidaktischer Modelle der Unterrichtsplanung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 11-30. 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Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 17-29. <?page no="53"?> Bildung, Erziehung, Vermittlung 53 Anhang <?page no="54"?> Deutsch als Fremd--‐ und Zweitsprache als Vorreiter und Nachzügler einer Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften - zu Unterschieden und gemeinsamen Herausforderungen Hermann Funk Das Thema der Professionalität und des Selbstverständnisses der Lehrkräfte weist, wie alle Themen der Frühjahrskonferenz, einen hohen Grad an gemeinsamen Problemstellungen und Konzepten der Fremdsprachendidaktiken auf. Angesichts der internationalen Forschungslage kann es hier nicht anders sein. Um die aktuelle Professionalisierungsdebatte zu verorten, beginne ich allerdings ausnahmsweise mit fünf Beobachtungen, zu den Unterschieden zwischen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und den anderen Fremdsprachenphilologien. 1. Das akademische Fach Anglistik würde auch dann noch existieren, wenn es die Ausbildung von Lehrkräften einstellen würde, das akademische Fach „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ würde seine Existenzberechtigung verlieren. Harald Weinrich hat es auf der Jahrestagung des FaDaF 1977 mit einer oft wiederholten Metapher zu Recht als ein Kind der Praxis bezeichnet (Weinrich 1978). 2. Während wir in der universitären DaF-/ DaZ-Ausbildung einen steigenden Grad an Professionalisierung der Studierenden erwarten und umsetzen, imitieren freiwillige Sprachhelfer/ innen in der Flüchtlingsarbeit (zur Terminologie siehe Krumm 2016) oft Unterricht und schreiben theoriefreie Lehrwerke (http: / / www.deutschkurs-asylbewerber.de). 3. Während DaF-DaZ Spezialistinnen in den deutschen Schulen händeringend gesucht werden, verwehrt man BA- und MA-Absolventinnen des Faches seit langen Jahren den Eintritt in schulische Karrieren, dem gesamten Fach weitgehend den Schulfach-Status und bietet Lehrkräften Lehraufträge und Zeitarbeitsverträge auf Schuljahresbasis an. 4. Die an vielen - nicht allen - universitären DaF-Standorten stattfindende Professionalisierung in der Ausbildung von Lehrkräften geht einher mit einer De-Professionalisierung des Arbeitsfeldes DaF und DaZ: Firmen und Sprachinstitute im In- und Ausland stellen Sprachlehrkräfte ein, deren Hauptqualifikation die des native speaker ist, Praktikanten erledigen unbezahlt den gleichen Job von Lehrkräften. <?page no="55"?> Deutsch -als -Fremd--‐ -und Zweitsprache -als -Vorreiter und Nachzügler 55 5. In ihren ungesicherten Arbeitsverhältnissen, Kurz-Ausbildungen und in der sozialen, sprachlichen und kulturellen Diversität der Lerngruppen sind DaF-Lehrkräfte seit langem die Avantgarde der Globalisierung. Gesellschaftliche und sozialpolitische Entwicklungen sind für sie früher spürbar als für andere Fremdsprachenlehrkräfte. Die Empfehlungen der HRK zu den Anforderungsprofilen der „Internationalisierung und Interkulturalität in der Lehrerbildung“ von 2013 lesen sich wie eine Beschreibung der Praxis der DaF-DaZ-Lehrkräfte: Das Anforderungsprofil für Lehrerinnen und Lehrer zeichnet sich […] durch die Fähigkeit aus, mit heterogenen und durch kulturelle Vielfalt geprägten Lerngruppen pädagogisch erfolgreich umzugehen. [...] Ihrer Rolle als Multiplikatoren können Lehrer und Lehrerinnen nur gerecht werden, wenn sie selbst die hierfür unabdingbaren persönlichen interkulturellen Erfahrungen gemacht haben (HRK 2013, 6). 1 - Autobiographisches und Historisches Hans-Eberhard Piepho, der wie kein anderer das berufliche Selbstverständnis einer kommunikativen, handlungsorientierten Prinzipien verpflichteten Fremdsprachenlehrkraft geprägt hat (Piepho 1974), merkte Ende der 90er Jahre oft resignierend an, es sei ein Fehler gewesen, die Ausbildung von Lehrkräften den Universitäten zu überlassen. Jüngeren Fachkolleginnen und -kollegen mag dieser Satz heute völlig unverständlich erscheinen. Er verweist jedoch nicht nur auf einen Zeitpunkt, an dem die Vernachlässigung einer professionellen Ausbildung von Sprachlehrkräften durch die Universitäten einen traurigen Tiefpunkt erreicht hatte, er erinnert darüber hinaus an die frühen 70er Jahre mit der Integration der Pädagogischen Institute und vieler Fachhochschulen in die neuen Universitäten und Gesamthochschulen, in denen damit zum ersten Mal eine Ausbildung von Lehrkräften auf wissenschaftlicher Grundlage die bisherige, vor allem deren erfahrungs- und praxisbasierte Ausbildung ablöste. Verbunden war damit auch der Transfer von praxisorientiertem und praxiserfahrenem Personal jener Institutionen in die Universitäten. Hans-Eberhard Piepho, Gerhard Neuner und viele andere vor allem aus den pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs, Niedersachsens und Hessens stehen für die wissenschaftliche Grundlegung der Englischdidaktik ebenso wie für die Entwicklung einer Didaktik des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache. Die Verschränkung zwischen Lehrerfortbildung und universitärer Ausbildung nahm hier ihren Ausgang. Das Bundesland Hessen mit seinen in den 70er Jahren viel diskutierten Rahmenrichtlinien und das Hessische Institut für Lehrerfortbildung mit dem sprechenden Akronym HILF und seinem engagierten Sprachabteilungsleiter Christoph Edelhoff spielte dabei eine tragende Rolle in der Verbindung zwischen Theo- <?page no="56"?> Hermann -Funk 56 rie-Entwicklung, Praxis und Lehrwerkentwicklung (Bundesarbeitsgemeinschaft 1978). Hinzu kam in diesem Bundesland eine moderne wissenschaftlich fundierte Curriculum-Entwicklung in interdisziplinärer Kooperation mit der Pädagogik und deren Entwicklung offener Curricula (Garlichs/ Heipcke/ Messner 1976). Mit der Entscheidung für den Lehrerberuf war für mich persönlich seinerzeit von Anfang an klar, dass eine an beruflichen Kompetenzen orientierte Ausbildung nicht an einer klassischen Universität wie Marburg zu erreichen war, in der am Anfang das Fachstudium zu absolvieren war und im Anschluss daran die Berufsausbildung stand, sondern an der benachbarten Gesamthochschule Kassel, in deren Curriculum nicht nur die Fachdidaktik in die Curricula der Fächer Englisch und Französisch integriert war, sondern auch mit einem sog. „Kernstudium“ als gleichgewichtigem Fach mit 30% Studienanteil in dem Pädagogik, Psychologie und Gesellschaftswissenschaften ein interdisziplinäres ebenso theoretisch fundiertes wie lehrpraxisbezogenes Lehramtsstudium von Anfang an möglich war. Im Kern stehen sich diese beiden Optionen des sukzessiven und integrierten Kompetenzerwerbs wie damals in Marburg und Kassel bis heute in vielfachen Variationen gegenüber. Im Weltmaßstab, und der ist für das internationale Berufsfeld der DaF- Lehrkräfte anzulegen, dominiert auch heute das traditionelle Modell der Trennung der Entwicklung von fachlichem Wissen und pädagogischer Kompetenzen. Die aktuellen Bemühungen des DAAD, internationalen Universitäten Module einer berufsorientierten Ausbildung von Lehrkräften im Blended- Learning-Format zur Verfügung zu stellen (www.daad.de/ dhoch3), ist ein Beleg für Versäumnisse und fehlende Weiterentwicklung auslandsgermanistischer Studiengänge in Bezug auf die Ausbildung von Lehrkräften. So gilt auch 2018, dass Unterricht in den Fächern Deutsch als Fremd- und Zweitsprache überwiegend von Personen erteilt wird, die in ihrer Ausbildung keinerlei didaktische und methodischen Kenntnisse erworben haben. 2 - Zur 1. Leitfrage - der Frage nach dem professionellen Selbstverständnis der DaF--‐DaZ--‐Lehrkräfte Wenn man die in der Leitfrage angesprochene Spezifik im Selbstverständnis der DaF-/ DaZ-Lehrkräfte in einem Satz auf den Punkt bringt, dann lautete dieser Satz: Sie sollten ein besonderes Selbstbewusstsein als Absolventinnen und Absolventen eines per se erstens interdisziplinären, zweitens internationalen und drittens praxisorientierten Faches entwickeln und damit jener oft beobachtbaren Arroganz traditionsreicher universitärer Fächer gegenüber neueren Fächern und sog. Bindestrich-Wissenschaften begegnen, deren Bemühen um diese drei Attribute ggf. erst in den Anfängen steckt. Das Universitätsfach Deutsch als Fremdsprache, das Ende der 70er Jahre in Westdeutschland entstand, hat anders als alle anderen Fremdsprachenphi- <?page no="57"?> Deutsch -als -Fremd--‐ -und Zweitsprache -als -Vorreiter und Nachzügler 57 lologien ein besonders enges Verhältnis zur Praxis. Seinerzeit kamen nach dem Anwerbestopp die Familien der damals so genannten „Gastarbeiter“ in großer Zahl nach und stellten die Schulen der Republik vor eine neue und letztlich unbewältigte Aufgabe: die Integration einer großen Zahl von Kindern und Jugendlichen in das Bildungssystem mit wenig Unterstützung der Bildungspolitik. Die ersten Fachwissenschaftler, die sich der Aufgabe widmeten, waren Sozialwissenschaftler, Pädagogen und viele anglistische Fremdsprachendidaktiker wie Hans-Jürgen Krumm, Hans-Eberhard Piepho und Gerd Neuner. Sie kamen aus der Praxis der Lehrerbildung, z.T. auch aus den Goethe-Instituten, wo man über Praxiserfahrungen im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache verfügte, wie Heinz Wilms (später DaF-Professur in Oldenburg) oder Lutz Götze (später DaF-Professor in Bochum und Saarbrücken), die hier stellvertretend genannt sein sollen. Aus den Anfangsjahren haben wir die Erfahrung mitgenommen, dass das Fach, dort wo es Praxisprobleme lösen will, interdisziplinär denken und handeln muss und dass eine Einzelwissenschaft stets zu kurz greift, wenn sie die Deutungshoheit über das Fach reklamiert. Das andauernde produktive Spannungsverhältnis des Faches DaF/ DaZ zur Germanistik macht die Problematik bis heute deutlich. Eine ganze Reihe der Nachfolger jener ersten Generation von DaF-Didaktikern als erste Inhaber von DaF-Professuren wurden von germanistischen Linguisten abgelöst, von Berufungskommissionen, in denen Linguisten den Ton angaben, ausgewählt. Das gilt beispielsweise für Saarbrücken und Kassel ebenso wie für Nürnberg, Potsdam und München. Für die erforderliche Interdisziplinarität des Faches war dies zumeist ein Rückschritt. Andere Nachfolger widmeten sich qua Denomination und getrieben von einer dynamischen Drittmittelentwicklung der letzten Jahre der Spezialisierung im DaZ-Bereich, wo erneut riesige Herausforderungen auf das Fach zukamen und der Nachholbedarf nach all den verpatzten Gelegenheiten der ersten 30 Jahre der Migrationsgeschichte enorm war und ist. Lässt man all die Ansätze der Forschung und der Fachliteratur jener Jahre aus Landau, Oldenburg, Bochum, Bremen und Essen - um nur die wichtigsten der Zentren der DaZ-Spracherwerbsforschung der 80 Jahre zu nennen - Revue passieren, bekommt man den Eindruck, dass eine Reihe von Konzepten, die damals mit wenig Unterstützung aber viel Engagement und Praxisbindung entwickelt wurden, durchaus tragfähig waren und von der aktuellen sozialwissenschaftlich und/ oder linguistisch geprägten Forschung, die nicht immer die konkrete Verbesserung des Unterrichts im Blick hat, nicht mehr wahrgenommen wird. <?page no="58"?> Hermann -Funk 58 3 - Zur 2. Leitfrage - der Frage nach dem Zusammenhang zwischen fachlicher und fachdidaktischer Kompetenz - der Sonderweg von DaF/ DaZ Wie keine andere Fremdsprachenphilologie neben Englisch profitierte das Fach DaF/ DaZ Ende der 70er Jahre von der damals gerade erst gut 15 Jahre alten wissenschaftlichen Erforschung des Erwerbs fremder Sprachen. Wesentliche fachdidaktische Impulse jener Jahre wie der Übergang von einer audiolingual-behavioristisch bestimmten Fremdsprachendidaktik zum Konzept der kommunikativen Kompetenz waren bestimmt von der linguistischen Pragmatik in Verbindung mit einer sich als pädagogisch-emanzipatorisch verstehenden Fremdsprachendidaktik. Für die Curricula der DaF-/ DaZ-Ausbildung hatte diese Genese zur Folge, dass an jenen Standorten, an denen das Fach curricular entwickelt und nicht nur als zeitgeistiger Appendix, als Modul, Zusatzseminar oder „Zertifikat“ in pädagogischen oder germanistischen Instituten verstanden wurde, die Integration von fachlichem und fachdidaktischem Lernen von Anfang an curricular verankert war, ganz im Sinne jener frühen integrativen Ausbildungsmodelle der 70er Jahre. Während das Fach in seiner Konstitution und seinen universitären Unterrichtsinhalten also von der Entwicklung der frühen Englischdidaktik der 60er und 70er Jahre profitierte, wurden durch diese Integration vor allem an jenen Standorten wie Kassel, Bielefeld und später Leipzig, wo es auch heute durch ein differenziertes Angebot von BA- und MA-Studiengängen (Kassel ohne BA) vertreten ist, Konzepte entwickelt, die in der Englischdidaktik (und den Englischlehrwerken) erst später aufgegriffen wurden. Dazu drei Beispiele. Die Notwendigkeit der Integration von „authentischen“ Texten in den Sprachunterricht von Anfang an und die Entwicklung von Lehrerkompetenzen im Umgang mit diesen Texten entstand aus der Notwendigkeit, Migranten in Schule und Erwachsenenbildung auf den Umgang mit diesen Texten im Alltag unmittelbar vorzubereiten. Die Tatsache, dass ein DaF-/ DaZ-Unterricht von mehrsprachigen Gruppen mit unterschiedlich geprägten kulturellen Hintergründen bestimmt wurde, hat schon in den DaF/ DaZ-Didaktik der 80er Jahre zur Entwicklung des Begriffs und der Konzepte der interkulturellen Didaktik geführt (Gerighausen/ Seel 1986; Furch 2003) und zu Lehrwerken wie „Sichtwechsel“, in denen solche Konzepte umgesetzt wurden- mehr als 10 Jahre bevor dies in den landesweit am meisten verwendeten Englischlehrwerken wie Englisch G (Cornelsen) geschah. Gleiches gilt für den Begriff der Lernerautonomie, für metakognitiv-lernstrategische Unterrichtsinhalte und konstruktivistischinspirierte offene Unterrichtsanlagen. Wie konnte es also dazu kommen, dass heute allerorts Defizite beklagt werden und der Fachverband Deutsch als Fremdsprache ein mahnendes Grundlagenpapier zu den Standards einer universitären Lehrerbildung verabschieden muss, obwohl in den letzten drei Jahren in Deutschland ca. 15 neue <?page no="59"?> Deutsch -als -Fremd--‐ -und Zweitsprache -als -Vorreiter und Nachzügler 59 DaZ-Professuren eingerichtet wurden - als Reaktion auf eine staatlicherseits lange ignorierte Bedarfslage und neue migrationspolitische Entwicklungen seit dem Jahre 2015? Das Diskussionspapier des Beirats des Fachverbands Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Januar 2018, unveröffentlicht) fasst die Situation der Professionalisierung von DaF-Daz-Lehrkräften anschaulich zusammen. DaF/ DaZ-Studiengänge (BA/ MA) können nur in wenigen Einzelfällen als Äquivalent zur zweiphasigen Lehrerausbildung in einem Schulfach angesehen werden. So sind etwa Didaktik-Anteile zuweilen gering oder nicht obligatorisch; dasselbe gilt für Unterrichtspraktika. […] Gleichzeitig gefährdet die Vielzahl der hochschulischen und nicht-hochschulischen, notwendigerweise schmalspurigen DaF/ DaZ-Zertifikate, die als Unterrichtsqualifikation in Schule und Erwachsenenbildung anerkannt werden (vgl. Jung/ Middeke/ Panferov 2017), den Status von DaF/ DaZ als vollwertigem Studienfach. [...] Daraus ergibt sich Notwendigkeit, dass das Hochschulfach DaF/ DaZ .. a) - .. ein studiengangübergreifendes und hochwertiges Profil „DaF/ DaZ- Lehrkraft“ mit notwendigen Inhalten und Credits, und eventuellen Schwerpunkten wie „Erwachsenenbildung“, „Schule“ oder „DaF (Ausland)“ definiert, .. b) - .. eine Art zweite Phase der DaF/ DaZ-Lehrkraftausbildung mit Unterrichtspraxis und Lehrprobe implementiert, .. c) - .. eine Art Clearingstelle zur Anerkennung der verschiedenen Abschlüsse, Credits, Praxiserfahrungen im Sinne von a) bzw. b) einrichtet .. (vgl. Jung/ Middeke/ Panferov 2017). Die Integration fachdidaktischer Perspektiven an den wichtigsten universitären Fachstandorten in die fachliche Grundlagen-Vermittlung hat die Einrichtung fachdidaktischer Professuren weitgehend als obsolet erscheinen lassen - aus meiner Sicht ein fachpolitischer Fehler. Derzeit gibt es nur drei DaF/ DaZ- Professuren mit explizit fremd- und zweitsprachendidaktischer Denomination: in Leipzig, Wien und Jena. Die Kehrseite der unbestreitbaren Stärke, der Integration einer fachdidaktischen Perspektive ins Fachstudium von Anfang an war damit der weitgehende Verzicht auf fremdsprachendidaktische Spezialisierungen und Anbindung an die Entwicklungen in der Lehrerbildung in den letzten 15 Jahren - mit erheblichen Folgen für das professionelle Selbstverständnis der DaF/ DaZ-Lehrkräfte, die sich im Vergleich mit den muttersprachlichen Deutsch-Lehrkräften zu Recht als schlechter ausgebildet und vorbereitet empfinden. Dabei schneiden die genannten großen Standorte des Faches mit 500 - 1000 DaF/ DaZ-Studierenden noch vergleichsweise gut ab. Problematischer sind jene Standorte, die wie im FaDaF-Papier angedeutet, fremdsprachendidaktische Module lediglich als Optionen anbieten und Prak- <?page no="60"?> Hermann -Funk 60 tika auf freiwilliger Basis, wobei die Frage der Betreuung und der Dokumentation von Praktika und Lernerfahrungen anders als im schulischen Bereich kaum geregelt ist. In den Auswahlkommissionen des DAAD für eine Lehrtätigkeit im Ausland wird immer wieder deutlich, dass ausgebildete Englischlehrkräfte dort, wo es um Fragen des Unterrichts geht, besser aufgestellt sind, als jene Bewerber/ innen, die DaF in „Schmalspur“-Ergänzungs- oder Zertifikatsstudiengängen oder Zusatzmodulen studiert haben. So lange der Bildungsmarkt diese offenkundige Intransparenz nicht sanktioniert und die staatlichen Schulverwaltungen das Angebot an ausgebildeten DaF/ DaZ- Fachkräften ignorieren, kann von einem mit den Schulfach-Absolventen vergleichbaren professionellen Selbstbewusstsein bei DaF/ DaZlern nicht die Rede sein. Es entbehrte auch einer belastbaren Grundlage. In dem Papier wird die Schwäche eines Faches allzu offenbar, das nicht ministerieller Reglementierung und der Standardsetzung von Staatsprüfungen und KMK-Vorgaben unterworfen ist - ausgenommen beim Drittfach DaF-/ DaZ, das bisher aber bundesweit erst im Aufbau ist (in Thüringen seit 2015). Lediglich in Bayern kann das Fach „DiDaz“ (Didaktik Deutsch als Zweitsprache) parallel zum Lehramtsstudium in 50 ECTS Punkten studiert werden. Für das professionelle Selbstverständnis der DaF-Lehrkräfte und für die Curriculumentwicklung ist eine Bindung an die Standards der Lehrerbildung die wichtigste Zukunftsoption, die allerdings ohne die überfällig schulische Karriere-Option ohne Perspektive bliebe. Die fehlende Verbindung von Erfahrungswissen und wissenschaftlicher Theoriebildung, von praxisorientierter Forschung und wissenschaftlich fundierter Praxis von DaF/ DaZ, die oft fehlende Schulerfahrung von Nachwuchsforscherinnen und -forschern besonders im DaZ-Bereich entzieht auch Ansätzen der Aktionsforschung die Grundlage. Zur Problematik der mangelnden Wertschätzung von didaktischmethodischer DaF-DaZ-Kompetenz gehört auch ihre mangelnde Präsenz in den wichtigsten Wachstumsregionen der letzten Jahre des Faches Deutsch als Fremdsprache in der Welt. Dazu zwei Beispiele: Beispiel 1: Die europäischen Nachbarländer Zwar kann man nicht von einer einheitlichen Tendenz sprechen, mehrheitlich verzeichnet das Fach Deutsch als Fremdsprache bei gleichbleibendem oder inzwischen - nach Rückgängen wie in Frankreich - stabilem Bedarf an Deutschkenntnissen einen Abbau von Ausbildungskompetenzen und -studiengängen. Trotz lokal sogar steigender Nachfrage nach Deutschkenntnissen sinkt die Nachfrage nach germanistischen Abschlüssen an vielen traditionsreichen Standorten von Straßburg bis Lissabon, von den Niederlanden bis Bulgarien. In Bezug auf die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften in Europa liest sich der „European Profiling Grid“ (EQUALS 2011) mit <?page no="61"?> Deutsch -als -Fremd--‐ -und Zweitsprache -als -Vorreiter und Nachzügler 61 seinem Stufenmodell wie ein ausführlicher Wunschzettel, weit entfernt von einer realistischen Perspektive. Beispiel 2: Brasilien Paul Voerkel (2017) zeigt, dass auch in einem Land mit mehr als 10 gut ausgebauten germanistischen Studienstandorten und gestiegenen Lernerzahlen zwar die weitaus überwiegende Zahl der Absolventinnen und Absolventen anschließend als Sprachlehrkräfte tätig ist, ausweislich einer breit angelegten Curriculum-Analyse, an allen Standorten systematische Didaktik-Methodik- Angebote aber ebenso fehlen, wie ein systematisches landesweit verfügbares Weiterbildungsangebot. 4 - Zur 3. Leitfrage - zwei Beispiele fehlender professioneller Kompetenzen: Erwachsenenbildung und mediendidaktische Kompetenz als Forschungs--‐ und Entwicklungsfelder Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge, die besonders im Jahre 2015 eingereist sind, im Jugendlichen- und Erwachsenenalter Deutsch lernen, fällt auf, wie wenige Forscherinnen und Forscher sich den Fragen des Spracherwerbs im Erwachsenenalter und berufssprachlicher Kompetenzentwicklung widmen. Die erwähnten ca. 15 neuen DaZ-Professuren haben ausnahmslos ihren Schwerpunkt im Bereich der schulischen Spracharbeit. Wie vielfältig aber die außerschulischen Herausforderungen sind, belegt die Liste der professionellen Kompetenzanforderungen an Sprachtrainerinnen und -trainer, die die ERFA-Wirtschaft-Sprache vorgelegt hat. Die ERFA, ein Zusammenschluss der Sprachenverantwortlichen in deutschen Unternehmen, zu denen u.a. immerhin Lufthansa Flight Training, VW, Ford, Audi, Deutsche Bahn, Telekom, BASF, Bayer und Merck gehören, benennt als wünschenswerte Einstellungskriterien für Sprachtrainingspersonal beispielsweise: • - kennt die sprachwissenschaftlichen Grundlagen des berufsbezogenen Fremdsprachentrainings […] • - kann zwischen allgemeinen, berufs-und fachsprachlichen Konzepten unterscheiden • - kann die unterschiedlichen Anforderungen für Gruppen und Einzeltraining benennen [...] • - kennt die Bedeutung der interkulturellen Kommunikation für das firmeninterne Sprachentraining • - kann aus Stellenbeschreibungen/ Tätigkeitsprofilen grundsätzliche kommunikative Anforderungsprofile auf der Grundlage des CEF ermitteln • - kann Bedarfsanalysen und mündliche Interviews CEFbasiert durchführen und die Ergebnisse als Basis für die Kursplanung nutzen <?page no="62"?> Hermann -Funk 62 • - kann die Kursziele/ Lernziele auf der Basis von Anforderungsprofilen, Sprachstandsfeststellungen und Bedarfsanalysen definieren • - kann selbst erstellte Konzepte für entsprechenden CEF Level und damit verbundenen Deskriptoren umsetzen und die Ergebnisse evaluieren [...] • - ist fähig, zielgruppenorientiert zu planen (Bedarfsanalyse bis Evaluation) [...] • - kann digitale Medien in Sprachlernumgebungen integrieren • - kennt synchrone Technologien (z. B. TelefonTraining, Chatrooms, virtuelle Klassenzimmer) und kann sie anwenden und einsetzen • - kennt asynchrone Technologien (z. B. EMails, Learning und Content Management Plattformen, Blogs, Podcast) und kann sie anwenden und einsetzen • - ist vertraut mit den BlendedLearningKonzepten der jeweiligen Erfa-Firma [...] • - kennt Inhalt und Funktion seiner Rolle als ETutor und kann sie geeignet einsetzen (ERFA-Qualitätskriterien 2015). Die umfangreichen Kompetenzanforderungen zum Medienbereich verweisen auf ein weiteres Feld, auf dem erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht: den Umgang mit digitalen Medien. Insbesondere zwei Entwicklungsfelder spiegeln sich derzeit nur ansatzweise in den Kompetenzprofilen universitärer Curricula der Lehrerbildung: 5. - Die Tatsache, dass mit einer wachsenden Vielzahl von Sprachlern- Apps ein Geschäftsbereich mit Millionenumsatz entstanden ist mit dem Versprechen, das Erlernen eine Fremdsprache zu ermöglichen bzw. optimal zu unterstützen. Lernpsychologische und spracherwerbstheoretische Grundlagen reduzieren sich dabei meistens auf substanzloses Werbegeklingel. Eine (noch unveröffentlichte) erste Übersichts- Studie der ALM („Arbeitsstelle für Lehrwerkforschung und Materialentwicklung“) in Jena deutet darauf hin, dass in der Regel schlichte, reproduktive Lernabläufe vorwiegend im Bereich des zweisprachigen Wortschatzerwerbs bedient werden. Dass öffentliche Fördergelder in Millionenhöhe, etwa der Arbeitsagentur, für die Entwicklung von Online-Programmen bis zum B2 Niveau zur Verfügung stehen, ohne dass in didaktisch-methodische Konzeptentwicklung, die Ausbildung von Online-Autorinnen und Autoren und die Kontrolle von Lernergebnissen investiert wird, verweist auf Forschungsbedarf in einem sich verändernden Berufsfeld. 6. - Aktuelle Entwicklungen in den Verlagen deuten darauf hin, dass in wenigen Jahren das Lernmedienangebot nicht mehr zusätzlich zum Lehrwerk zur Verfügung stehen wird, sondern das Lehrwerk zum optionalen Zusatzangebot umfassender digitaler Lernmanagement- Systeme, die dann an seiner Stelle unterrichtliche Abläufe ebenso <?page no="63"?> Deutsch -als -Fremd--‐ -und Zweitsprache -als -Vorreiter und Nachzügler 63 strukturieren wie durch ihre Vorgaben (rate & route) individuelle Lernprozesse. Diese Entwicklung wird begleitet durch die anstehende Verbesserung der digitalen Infrastruktur von Schulen, die die Grundlagen der beschriebenen digital gestützten Lehr-Lernszenarien entscheidend verbessern werden. Es ist für mich nicht erkennbar, in welcher Weise derzeit in den Ausbildungsgängen Lehrkräfte auf diese grundsätzlich neuen Anforderungen professionellen Handelns vorbereitet werden. Allein diese beiden Entwicklungen verweisen auf einen umfassenden Wandel des Professionsverständnisses und geben der altbekannten, theoretisch und praktisch gut begründeten Forderung, Lehrkräfte zu Beratern und Lernbegleitern auszubilden - „from a sage on a stage to a guide on the side“ (Morrison 2014) - eine neue Aktualität. Das Modell der Felder professioneller Kompetenzen von Schart und Legutke (2016, 18) für den Beruf der Sprachlehrkraft wird im Folgenden um die Dimension der Kompetenzebenen als Querkategorie im Sinne einer Planungsmatrix erweitert. Die Matrix bietet sich damit als Beschreibungsmodelle von Kompetenzebenen und Kompetenzfeldern beruflichen Handeln in allen Berufen an. Kompetenz felder Kompetenzebenen Berufliche Sachkompetenz Interkulturelle Kompetenz Fremdsprachenkompetenz Haltungen/ Einstellungen zu beruflicher Qualifikation / Weiterbildung Einstellung zu anderen Kulturen Einstellung zu Mehrsprachigkeit und eigener Sprachkompetenz Deklarativreferentielles Wissen Sach- und Fachwissen aus Studium und Erfahrungswissen Kenntnisse anderer Kulturen, interkultureller Prozesse und Modelle Fremdsprachenkenntnisse: Sprachliches Referenzwissen Fertigkeiten / Methodenkompetenz classroom & media management Kompetentes Handeln in interkulturellen settings Fremdsprachkompetentes Handeln in beruflichen Kontexten Tab. 1: Felder und Ebenen professioneller Kompetenzen <?page no="64"?> Hermann -Funk 64 Die Erweiterung der drei Kompetenzfelder um die Dimension der drei Kompetenzebenen, des savoir, savoir faire und savoir être ermöglicht eine feiner granulierte Beschreibung beruflicher Kompetenzen nicht nur von Lehrkräften. Gleichzeitig verweist die Matrix auf zahlreiche mögliche Einflussfaktoren auf berufliches Handeln und mögliche Korrelationen. Sie enthält damit auch Vorlagen für weiterführende Forschungsfragen und -impulse zu den Kompetenzen von Lehrkräften und ihrer Entwicklung. Literatur - Bundesarbeitsgemeinschaft Englisch an Gesamtschulen (Hrsg.) (1978): Kommunikativer Englischunterricht. Prinzipien und Übungstypologie. München: Langenscheidt-Longman. ERFA-Qualitätskriterien (2015): Referenzrahmen für Trainerinnen und Trainer. erfa-wirtschaft-sprache.de/ admidio/ adm_program/ modules/ downloads/ get_ file.php? file_id=27 (20/ 05/ 2018). EQUALS (ed.) (2011): European Profiling Grid. https: / / www.eaquals.org/ wpcontent/ uploads/ The_EPG_-_PDF_publication_final.pdf (24/ 04/ 2018). Furch, Elisabeth (Hrsg.) (2003): C.A.N.E. Cultural Awareness in Europe. Auseinandersetzung mit kultureller Diversität in Europa. A Reflection of Cultural Diversity in Europe. Wien: Lernen mit Pfiff. Gerighausen, Josef/ Seel, Peter (Hrsg.) (1986): Methodentransfer oder angepasste Unterrichtsformen? Dokumentation eines Werkstattgesprächs des Goethe- Instituts München vom 24.-26. Oktober 1985. München: Goethe-Institut. Garlichs, Ariane/ Heipcke, Klaus/ Messner, Rudolf (1976): Didaktik offener Curricula: 8 Vorträge vor Lehrern. Beltz: Weinheim/ Basel. HRK (2013): Empfehlung der 14. Mitgliederversammlung der HRK am 14. Mai 2013 in Nürnberg. Empfehlungen zur Lehrerbildung. https: / / www.hrk.de/ uploads/ tx_szconvention/ Empfehlung_zur_Lehrerbildung_14052013_01.pdf (24/ 04/ 2018). Jung, Matthias/ Middeke, Annegrete/ Panfero, Julia (2017): Quantitative Studie zur Ausbildung von DaF/ DaZ-Lehrkräften an deutschen Hochschulen (WiSe 2014- 15 bis WiSe 2016-17). http: / / www.fadaf.de/ de/ aktuelles/ quantitative_studie _zur_ausbildung_von_lehrkr_ften_daf-daz_an_deutschen_hochschulen_ fadaf_2017_.pdf (24/ 04/ 2018). 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Weinrich, Harald (1978): „‘Deutsch als Fremdsprache’ - Konturen eines neuen Faches (Vortrag, gehalten auf der Jahrestagung Deutsch als Fremdsprache in Bonn 1977)“. In: Henrici, Gerd/ Koreik, Uwe (Hrsg.) (1994): Deutsch als Fremdsprache. Wo warst Du, wo bist Du, wohin gehst Du? Zwei Jahrzehnte der Debatte über die Konstituierung des Fachs Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. <?page no="66"?> Didaktische Selbständigkeit als Ziel der fremdsprachlichen Lehrer/ innenbildung Wolfgang Hallet 1 - Beobachtungen im Feld Im gesamten Feld der Fremdsprachendidaktik - im schulischen Alltag, in der Lehrerbildung, aber auch in der wissenschaftlichen Didaktik - gibt es eine starke Tendenz, das gesamte didaktische Denken und Handeln an die Bildungsstandards und die bildungspolitisch verordneten Curricula (Bildungspläne, Kerncurricula, Rahmenlehrpläne usw., je nach Bundesland) für die Fremdsprachen zu koppeln. Diese hypothetische Annahme beruht auf eher persönlichen Beobachtungen der folgenden Art: • - In sehr vielen fremdsprachendidaktischen Abhandlungen - Seminararbeiten, wissenschaftliche Hausarbeiten, aber auch Dissertationen, Zeitschriften- und Buchbeiträgen - werden die Bildungsstandards als Referenz- und Begründungstext herangezogen, und zwar in der Regel affirmativ. Die Bildungsstandards oder Kerncurricula der Länder werden dabei kaum einer kritischen Lektüre unterzogen; oft gibt es keine eigenständigen didaktischen Begründungen, die jenseits der Bildungsstandards angesiedelt wären. • - Die in den Curricula dominierenden Paradigmen werden so gut wie nicht hinterfragt; sie werden als Kategorien des eigenen Denkens und Forschens übernommen und in Anschlag gebracht, gelten als ‚gesetzt‘. Beispiele dafür sind ‚Hörverstehen‘, ‚Hör-/ Sehverstehen‘, ‚Interkulturelle (Kommunikative) Kompetenz‘, ‚Medienkompetenz‘ und viele mehr. Manche dieser Paradigmen sind regelrecht naturalisiert; deren Infragestellung kommt oft nicht in den Sinn, alternative Kategorien oder Konzepte werden nicht erwogen. Selbst wenn solche ‚gesetzten‘ Konzepte aus ggf. guten Gründen zur Anwendung kommen, müssten sie zumindest kritisch diskutiert, Alternativen müssten geprüft und im Sinne eines reflexiven Vorgehens gegeneinander abgewogen werden. In der wissenschaftlichen Didaktik hat die Proliferation hergebrachter Konzepte und Theorien zur Folge, dass substanzielle Innovation ausbleiben muss. Beispiele dafür sind Konzepte von Interkulturalität oder der Begriff der Medienkompetenz, die mittlerweile seit mehr als 30 Jahren kursieren und unter anderen historischen Umständen (z.B. als Medien noch ‚neu‘ in der Schule waren) entwickelt wurden, als sie sich für 2020 beschreiben lassen. <?page no="67"?> Didaktische -Selbständigkeit -als -Ziel -der fremdsprachlichen -Lehrer/ innenbildung 67 • - In der schulischen didaktischen Praxis ist eines der häufigsten Argumente gegen didaktisch innovative, öffnende oder alternative Ansätze nicht nur, dass Curricula inhaltlich vorschreiben, was man im Unterricht zu tun habe, sondern auch das pragmatische Argument, dass die Curricula (auch die schulinternen), die Standard-Tests und die Vorbereitung darauf leider keine Zeit für nicht-curricular verordnete eigene Vorhaben ließen oder dass ein Thema oder eine bestimmte Arbeitsweise leider nicht vorgesehen seien. Daran kann man den großen Zeit- und Handlungsdruck ablesen, den die Curricula auf die Lehrer/ innen ausüben. Schlimmer noch: Dieses Argument verrät, dass die Lehrer/ innen für sich selbst einen Verlust der didaktischen Hoheit über das Was und das Wie ihres Unterrichts wahrnehmen. Daher darf nicht unterschlagen werden, dass es viele Lehrer/ innen gibt, die aktiv gegen diese Einengung anarbeiten und sich die Freiheit nehmen, im Unterricht das zu tun, was sie für ihre Schüler/ innen als gut, wichtig und richtig empfinden. • - Die Übermacht der Curricula wird nicht nur ergänzt und verstärkt, sondern letztlich unterrichtswirksam dadurch, dass für alle Lehrwerke die Umsetzung der curricularen Vorgaben die oberste Maxime ist; das ist völlig plausibel, denn Lehrwerke müssen ministeriell genehmigt und verkauft werden. Daher weisen alle Lehrwerke auch auf der Textoberfläche aus, welche curricularen Anforderungen erlernt und trainiert werden sollen. Die größtmögliche Kompatibilität mit den jeweiligen Ländercurricula ist das Ziel. Eine der unausweichlichen Folgen einer solchen curricularen Didaktik ist, dass die Lernendenorientierung als didaktische Leitlinie der Unterrichtsplanung und des Unterrichts ins Hintertreffen gerät. Das ist nicht verwunderlich: Wenn curriculare Verordnungen den Lehrer/ innen keine Entscheidungs- und Planungsspielräume lassen, können die Lernenden als Akteure mit ihren eigenen Erfahrungen, Interessen und Wünschen kaum ins Spiel kommen. Wenn also das didaktische Denken und Handeln der Lehrer/ innen den Curricula unterworfen wird und das curriculare das didaktische Denken ersetzt, dann lautet die Kernfrage: Wie können Lehrer/ innen die didaktische Selbständigkeit und damit die Hoheit über die von ihnen zu verantwortenden Lernprozesse behalten oder gewinnen? Und vor allem: Wie kann die wissenschaftliche Didaktik sie in der universitären und nachuniversitären Lehrer/ innenbildung darauf vorbereiten und sie dabei unterstützen? Dass diese Frage überhaupt gestellt werden muss, ist von besonderer Tragik, und zwar deshalb, weil das Paradigma der Outcome- und Kompetenzorientierung in seinem Ursprung darauf zielte, den Akteuren im Bildungsgang - den Lernenden wie den Lehrenden - größtmögliche Freiheiten einzuräumen bei der Entscheidung über die Wege, die zu den definierten Kompetenzzielen gefunden und genommen werden. Es sollte, so die Vorgabe, didaktische Entscheidungsfreiheit herrschen, und zwar eine größere, als es die zuvor gängi- <?page no="68"?> Wolfgang Hallet 68 gen Input-orientierten Lehrpläne jemals erlaubten. Daraus ist nichts geworden. 2 - - Die konzeptuelle Dimension der Curriculum--‐Gläubigkeit am Beispiel des skills--‐Paradigmas Die Überdeterminierung des Unterrichtshandelns in Curricula und Lehrwerken hat aber auch eine andere, nämlich theoretisch-konzeptuelle Seite. Denn Rahmenpläne und Curricula geben auch das didaktisch-konzeptuelle Spektrum vor, innerhalb dessen sich der Unterricht, die Kompetenzziele und die Prüfungsleistungen bewegen. Da die meisten der in den Curricula adressierten Konzepte einen paradigmatischen Status haben, geben sie auch die didaktischen Optionen und vor allem den Horizont des didaktischen Denkens vor, innerhalb dessen sich die Unterrichtenden bewegen. Neu-Konzeptualisierungen und Innovationen werden auf diese Weise in bedenklichem Maße verstellt und eingeschränkt; das curriculare Korsett verhindert die Entfaltung eigenständiger didaktischer Ansätze und Experimente. Am Beispiel der Curriculum-Kategorie der skills soll kurz gezeigt werden, wie solche Konzepte und Paradigmen, die die Bildungsstandards und Ländercurricula dominieren, auch das Lehrer/ innenhandeln und -denken bestimmen. An zahlreichen weiteren Kategorien wie z.B. dem sog. ‚Text- und Medien‘-Konzept oder dem Begriff der Interkulturalität ließe sich diese Einsicht verallgemeinern. Das vom Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR) (Europarat 2001) promotete skills-Konzept wird auch nach zwanzig Jahren unhinterfragt proliferiert. Zunächst ist bemerkenswert, dass die deutschen Bildungsstandards zwar das enge skills-Paradigma aus dem GeR übernommen haben, nicht aber das komplexe Paradigma der Interaktion, das der Situationalität, Zweckorientierung und Ganzheitlichkeit aller Kommunikation Rechnung tragen soll und das daher hervorragend an didaktische Ansätze wie ‚Handlungsorientierung‘ und situated practice anschließbar ist. Auch das GeR-Kapitel zur Interaktion (GeR 2001, 78ff.) ist mit Deskriptoren und Niveaus versehen; offenbar taugen diese aufgrund ihrer Komplexität jedoch nicht fürs standardisierte Testen, eher schon für aufwändige assessment centres, wie sie im Berufsleben praktiziert werden. Hinter den didaktischen Setzungen der nationalen Bildungsstandards scheint also deren direkte Kopplung an den Zweck der nationalen Testung durch, die sich, wie man am weltweiten Siegeszug GeR-basierter Sprachtests sieht, mit dem skills-Konzept (vielleicht nur scheinbar) realisieren lässt. <?page no="69"?> Didaktische -Selbständigkeit -als -Ziel -der fremdsprachlichen -Lehrer/ innenbildung 69 Das skills-Konzept folgt einer kybernetischen Denkweise (kommunikativer Input und Output über Kanäle 1 ) und ist - in einem auf Beschreibung einzelner Sprachphänomene zielenden Ursprungskontext nützlich und plausibel - eher heuristischer Natur, denn in der ‚natürlichen‘ Kommunikation sind die verschiedenen skills und erst recht die verschiedenen kommunikativen Richtungen (Sprechen ohne Hören? ) und sensorischen ‚Kanäle‘ (sprachliche Kommunikation ohne visuelles Sensorium? ) nicht voneinander geschieden. Das Konzept der sprachlichen skills verschließt sich auch wegen dieses heuristischen Charakters der Öffnung; Öffnungsversuche resultieren in schwer nachvollziehbaren terminologischen und konzeptuellen Hilfs- Konstrukten wie ‚Hör-/ Sehtexte‘ oder ‚Hör-/ Sehverstehen‘. In ihrer Verwendung haben diese Begriffe sich außerhalb der Curricula nirgendwo durchgesetzt. Das ‚reine‘ Hören und das ‚reine‘ Sprechen stellen Abstraktionen dar, die uns daran hindern, im Fremdsprachenunterricht mit den Lernenden die Arten von kommunikativen Äußerungen einzuüben, die im Alltag gang und gäbe und zur Entwicklung der fremdsprachlichen Diskursfähigkeit unverzichtbar sind. Vor allem aber ist es nicht möglich, mit dem skills-Konzept komplexere literacies wie das Filmverstehen und andere multimodale Formen der Kommunikation zu entwickeln. Wenn die Kategorien der Curricula die Formen der übergroßen Zahl aller Kommunikationsakte gar nicht adressieren, warum sind die in den Curricula definierten skills dann nach wie vor die Leitlinie der Curriculum-Basierung des Fremdsprachenlernens und der entsprechenden Tests und Prüfungen? In der Tat: Wenn Lesen völlig selbstgenügsam und selbstreferenziell ist, dann kann man Leseverstehensfähigkeit auch mit multiple choice-Tests ermitteln. In der Lebenswelt ist das Lesen allerdings stets in eine Vielzahl von Diskursen eingebettet. Wer einen gelesenen Text nicht inhaltlich an diese anschließen und ihn nicht diskursiv weiterverarbeiten kann, hat einen Text - fiction wie non-fiction - nicht wirklich verstanden: „The meaning of a text does not come into being until it is actively employed in a context of use. This process of activation of a text by relating it to a context of use is what we call discourse“ (Verdonk 2002, 18). Die Naturalisierung des skills-Konzept in der Fremdsprachendidaktik kann nicht damit begründet werden, dass es keine Alternativen gibt. Denn die multimodale Diskurstheorie und die Social Semiotics beschäftigen sich (seit nunmehr mehr als 20 Jahren) mit dem Zusammenspiel des wortsprachlichen mit anderen Zeichensystemen. Sie haben diskursanalytisch-empirisch untersucht, welche Symbolsysteme auf welche Weise Eingang in einen kommuni- 1 Erkennbar z.B. an Formulierungen im GeR (Europarat 2001, 77) wie: „Bei der audiovisuellen Rezeption empfangen Sprachverwendende gleichzeitig einen auditiven und einen visuellen Input.“ <?page no="70"?> Wolfgang Hallet 70 kativen Akt finden und in welcher Weise die Wortsprache daran beteiligt ist (Kress/ van Leeuwen 2001; Hallet 2008 u.a.). Die Multiliteracies-Didaktik (die keine Fremdsprachendidaktik ist) hat vor mehr als zwanzig Jahren (1996) mit dem literacies-Konzept (vgl. Hallet 2013) einen Vorschlag unterbreitet, in dem die fortdauernde Wortlastigkeit der schulischen Bildung und wortsprachlich verfasster skills-Konzepte kritisiert und transzendiert wird: [L]iteracy pedagogy now must account for the burgeoning variety of text forms associated with information and multimedia technologies. This includes understanding and competent control of representational forms that are becoming increasingly significant in the overall communication environment, such as visual images and their relationship to the written word (The New London Group 2000, 9). Mark Warschauer (1999) und Shetzer/ Warschauer (2000) haben sich gleichzeitig explizit mit dem Ungenügen des skills-Konzept auseinandergesetzt und mit Blick auf die Digitalisierung und die Hypertextualisierung der Kommunikation vorgeschlagen, ‚Lesen‘ und ‚Schreiben‘ durch research und construction zu ersetzen. Auch der Genre-Ansatz stellt eine sehr wirksame, bildungstheoretisch begründete und fremdsprachendidaktisch sowie unterrichtspraktisch entwickelte Alternative dar. Sie definiert das, was im skills-Konzept an sprachlichem Können und Wissen erscheint, von deren Funktionalität in einer gelingenden (sprachlich-monomodalen, multimodalen oder digitalen) ‚Äußerung‘ her und trägt in ihrem theoretischen Ansatz der Kontextualität und Situationalität aller Kommunikation Rechnung, indem sie die sprachlich-diskursiven Strukturen der menschlichen Interaktion in den Mittelpunkt stellt: Soziale Zwecke und Formen der Interaktion determinieren die generische Form einer Äußerung; die generische Form gibt ihrerseits der sozialen Interaktion Form und Struktur. Man erkennt den didaktischen Vorteil: Indem generische Formen von Äußerungen erlernt werden, wird eine interaktional eingebettete, situationsadäquate Diskursfähigkeit entwickelt (zu allem Hallet 2016a), Diskurs- und Interaktionsfähigkeit werden integriert erlernt. Warum sind einfache Einsichten wie diese nicht die Grundlage der Curriculum-Konstruktion in den Fremdsprachen? Jedenfalls lässt sich resümieren, dass die Naturalisierung des skills-Konzepts nicht damit begründet werden kann, dass keine Alternativen vorliegen. Was hat das alles mit der didaktischen Selbständigkeit von Lehrer/ innen zu tun? Diese Frage führt zu Abschnitt drei, denn es ist von überragender Bedeutung in der Lehrerbildung, dass Lehrer/ innen in die Lage versetzt werden, wie im oben dargelegten Fall der skills die theoretischen und konzeptuell-paradigmatischen Grundlagen ihres didaktischen Tuns zu erkennen, zu reflektieren, zu kritisieren und Alternativen dafür zu kennen, um auf diese Weise didaktisch selbstbestimmt denken und handeln zu können. Alternati- <?page no="71"?> Didaktische -Selbständigkeit -als -Ziel -der fremdsprachlichen -Lehrer/ innenbildung 71 ven machen die Konstruktivität und Gemachtheit didaktischer Kategorien und Rahmenvorgaben erst erkennbar und nehmen ihnen den Schein der Unverrückbarkeit. Ohne diese Erkenntnis und ohne die eigene Fähigkeit zum konzeptuellen Denken ist die didaktische Hoheit der Unterrichtenden über das Tun und Geschehen im Unterricht und im Lernprozess nicht denkbar. Es ist die Aufgabe der Fremdsprachendidaktik und der Lehrer/ innenbildung, dieses Bewusstsein von der Konstruktivität, der Historizität und der politischen Gesetztheit der konzeptuellen Grundlagen der Curricula zu vermitteln. 3 - - Didaktische Selbständigkeit Mit dem Begriff der didaktischen Selbständigkeit sind Vorstellungen von Unabhängigkeit und, bis zu einem gewissen Grad, auch von Autonomie verbunden. Es spielt aber auch eine Vorstellung von Macht hinein, in diesem Fall durchaus auch in einem politischen Sinn. Denn die Frage ist, ob das, was im Klassenzimmer passiert, direkt oder indirekt durch eine ganze Kaskade von politischen und administrativen Rahmenvorgaben (Curricula auf mehreren Ebenen, Durchführungsvorschriften, Prüfungsordnungen usw.) durchreguliert sein darf oder soll oder ob es noch so etwas wie didaktische Freiheit gibt. Eine solche Freiheit des Lehrens und Unterrichtens hat aus heutiger Sicht (und mit Blick auf das Thema dieser Frühjahrskonferenz) durchaus eine emanzipatorische Dimension: Auch Lehrer/ innen müssen in ihrem professionellen Feld dazu fähig sein, „in der selbständigen Teilhabe an Politik, Gesellschaft und Kultur und in der Gestaltung der eigenen Lebenswelt diesem Anspruch gemäss zu leben und als mündige Bürger selbstbestimmt zu handeln“ (Klieme et al. 2003, 63). Mit diesem Zitat wird bewusst die Fähigkeit und die Pflicht der Lehrer/ innen adressiert, aktiv an bildungspolitischen Diskursen und Entwicklungen teilzuhaben, Positionen zu entwickeln und sich einzumischen. Diese Fähigkeit ist jedoch daran gebunden, dass die Lehrer/ innen über ein eigenes Konzept- und Theorierepertoire verfügen, das es zu aktivieren und weiterzuentwickeln gilt und das es ermöglicht, die didaktische Hoheit über die Inhalte und Verfahren im Lernprozess und im Unterricht zu erhalten oder zurückzugewinnen. Aus dieser Überlegung erklärt sich, warum es notwendig ist, dass alle Lehrer/ innen in der Lage sind, Fragen wie die oben am skills-Konzept veranschaulichten zu stellen, damit sie sich zu etablierten, aber auch zu neuen oder vermeintlich neuen Paradigmen und Kategorien begründet positionieren können. Ein solches kritisches Konzept- und Theoriewissen und -können ist die Voraussetzung für selbständige und begründete Entscheidungen im didaktischen Raum und im professionellen Feld, wie sie z.B. bei der Erstellung von Schulcurricula erforderlich sind (vgl. Widdowson 2012). Falls solche Überlegungen gegenwärtig als gewagt oder illusorisch erscheinen, muss man darauf hinweisen, dass es nicht wenige Lehrer/ innen gibt, die <?page no="72"?> Wolfgang Hallet 72 entgegen der etablierten Lehrwerk-Kultur und der Curriculum-Orientierung regelmäßig, manchmal auch durchgehend mit einem Aufgabenansatz arbeiten und große Routine darin entwickelt haben, auf diesem Weg auch die sprachlich-kommunikativen skills ihrer Schüler/ innen zu entwickeln, aber eben nur ‚unter anderem‘. Damit die didaktische Kompetenz der Lehrer/ innen auch im Sinne ihrer didaktischen Hoheit wirksam wird und bleibt, braucht es noch eine Menge Faktoren und Fähigkeiten, die kurz angesprochen werden sollen, weil sie m.E. in der Lehrerbildung an der Universität und in den Studienseminaren entwickelt werden müssen. Didaktische Kritik--‐ und Theoriefähigkeit Darunter soll die Fähigkeit verstanden werden, • - Curricula, Lehrwerke und andere Vorgaben als Instrumente des Lernens zu betrachten, nicht als Ziele und • - das Lernen und die Bildung (Partizipationsfähigkeit und Selbstbestimmung) der Lernenden als Ausgangs- und Zielpunkt zu betrachten (Primat der Bildung), also ‘Lernendenorientierung’ ernst zu nehmen, um aus diesem Blickwinkel kritisch auf alle Vorgaben zu schauen; • - sich ein Theorie- und Konzeptwissen anzueignen, das zur systematischen Reflexion und Konzipierung des Unterrichts und der Lernprozesse dient; • - Curricula, Lehrwerke und alle Rahmenvorgaben im Licht des eigenen Konzeptwissens kritisch zu lesen und kritisch damit umzugehen, statt sie lediglich auszuführen; • - im Diskurs mit Kolleg/ innen und Expert/ innen Fragen der Weiterentwicklung und der Zukunftsfähigkeit ihres Unterrichts und ihrer didaktischen Ansätze zu bearbeiten; • - ihr Lehrer/ innen- und Unterrichtshandeln auf ständige theorie- und forschungsbasierte Weiterentwicklung auszurichten. Das wissenschaftliche Lehramtsstudium darf deshalb nicht ein Curriculum- Training sein, sondern muss eine Anleitung zum selbständigen didaktischen und methodischen Denken durch eine entsprechende Ausstattung mit Theorie- und Konzeptwissen sein. Es gibt keine theorielose Praxis: All pedagogic practice presupposes theory of one kind or another. Whatever activity English language teachers introduce into their classrooms is based on ideas and assumptions, established by custom, received wisdom, taken on trust, dogma disguised as common sense, so their theoretical nature may not be at all apparent. Language teaching practice then is bound to be informed by theory of one kind or another, and in this respect it can be understood as a kind of implied linguistics (Widdowson 2012, 3f.). <?page no="73"?> Didaktische -Selbständigkeit -als -Ziel -der fremdsprachlichen -Lehrer/ innenbildung 73 Didaktische Planungshoheit Lehrer/ innen müssen auf ihrer didaktischen Planungshoheit bestehen, indem sie • - in ihrer lernendenorientierten Primärplanung, durchaus auch kooperativ mit Kolleg/ innen, die Bildungs- und Kompetenzziele ihres Unterrichts definieren sowie zusammen mit ihren Lernenden die Lernwege entwickeln und erproben; • - erst in einer Sekundärplanung Passstellen in den Curricula identifizieren, die sich mit ihrem Unterrichtsvorhaben verbinden lassen; • - in der Prozessplanung beides integrieren. Implizites Kompetenzlernen und integriertes Sprachlernen Diesen beiden Lernarten kommt gegenüber kleinteiligen Curriculum- Vorgaben eine besondere Bedeutung zu, denn sie ermöglichen es, lebensweltliche fremdsprachliche Interaktion und Situationsbewältigung zu erlernen, komplexe Vorhaben und tasks zum Kern der Unterrichtsarbeit zu machen und gleichzeitig (neben anderem) das von den Curricula geforderte skills- Lernen zu befördern. Die Lehrer/ innen müssen erkennen und planen können, • - auf welche Weise in komplexen Herangehensweisen (tasks, Projekte, komplexe Aufgaben) das Erlernen von Teilkompetenzen impliziert ist; • - wie in komplexen und heterogenen Lernkonstellationen Angebote an die bei jedem Einzelnen vorhandenen Erfahrungen, Kenntnisse, (auch außerschulisch erworbenen) sprachlichen Fähigkeiten, Interessen, Vorlieben etc. gemacht werden können, um diese systematisch weiterzuentwickeln; • - wie auf Seiten der Lernenden eigenständiges Sprachlernen mit language support, language loops und der Entwicklung von Sprachbewusstheit systematisch gefördert werden kann. Man kann auch sagen: Der Fremdsprachenunterricht muss als Schaffung von Sprachlerngelegenheiten verstanden werden, in denen die Vorgaben der Lehrpläne und Curricula natürlicherweise ihren Platz haben. Mit Blick auf seine eigenen Lehrplanvorschläge mahnte unter diesem Stichwort der ‚Lerngelegenheiten‘ Johann-Friedrich Herbart, einer der Gründerväter der Pädagogik, schon im 19. Jahrhundert die Hoheit der Lehrenden über die Gestaltung der Lernprozesse und die Lernendenorientierung an (‚die Bedürfnisse des Zöglings‘) 2 : 2 Diesen Hinweis und die Quelle verdanke ich einem freundlichen Hinweis Herman Funks während der Frühjahrskonferenz (Rechtschreibung gemäß zitierter Ausgabe). <?page no="74"?> Wolfgang Hallet 74 Der erste Blick giebt zu erkennen, daß die vorstehenden Tabellen kein Lehrplan sein sollen, da in denselben so vieles vorkommt, was gar keine feste Stundenfolge gestattet, sondern vielmehr auf Gelegenheiten rechnet, wo es irgend einem Unterricht beigemischt werden könne. Der Lehrplan ist die Veranstaltung dieser Gelegenheiten. Nicht eher kann er entworfen werden, als bis der Erzieher den hier bezeichneten Gedankenkreis reichlich erwogen, sein gesamtes Wissen in denselben eingeführt, und nun noch die Bedürfnisse des Zöglings hinreichend erforscht hat (Herbart 1806, 82). Didaktisches Forschen Zur Erhaltung und Entwicklung der didaktischen Selbständigkeit gehört auch die Entwicklung einer Haltung, die offen ist für die Forschungen und innovativen Ansätze der Fremdsprachendidaktik. Zur Forschungsorientierung gehören • - die Orientierung des eigenen Unterrichts an fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Weiterentwicklungen; • - die kategorien- und konzeptgeleitete Erforschung und theoriebasierte Reflexion des eigenen Unterrichts im Sinne von reflected practice und action research; • - die Weiterentwicklung des auf die Lebenswelt der Lernenden und des auf die fremdsprachigen Kulturen bezogenen kulturellen Wissens durch eigene ethnographische Forschung (Hallet 2016b); • - eigenes didaktisches Forschen, das nicht nur die permanente Erneuerung des eigenen Wissens und des Kenntnisstandes befördert, sondern die Lehrer/ innen in die Lage versetzt, selbst innovative Ansätze für den Fremdsprachenunterricht zu entwickeln; • - die Offenheit für die Kooperation mit und die partizipative Teilhabe an empirischer und qualitativer Unterrichtsforschung durch wissenschaftliche Forscher/ innen. Didaktische Kreativität Die Neugier auf neue Entwicklungen und eine Forschungshaltung dem Unterricht und der Schulpädagogik gegenüber sind die Voraussetzung dafür, dass Lehrer/ innen den Mut haben, ihren Unterricht und vielleicht den ihres Faches kreativ weiterzuentwickeln. Zu dieser didaktischen Kreativität gehören • - die Lust, Neues zu erfinden und zu entwickeln; • - mit neuen Inhalten, Lernwegen und Methoden zu experimentieren; • - die Bereitschaft, auch Ungewohntes, nie Dagewesenes zu tun; • - die Offenheit dafür und Freude daran, die Kreativität, Erfindungsgabe und den Ideenreichtum der jungen Menschen zu aktivieren, zur Gel- <?page no="75"?> Didaktische -Selbständigkeit -als -Ziel -der fremdsprachlichen -Lehrer/ innenbildung 75 tung bringen und produktiv für das Lernen und die Gestaltung anregender Lernumgebungen zu nutzen. Die Lehrerbildung muss diese Aufforderung zu Kreativität und Experimentierfreude von Beginn an bei den zukünftigen Lehrer/ innen anlegen und fördern statt einer Haltung der Curriculum-Affirmation und -erfüllung. 4 - - Curricula und didaktische Freiheit Nichts vom zuvor Gesagten spricht gegen Curricula, im Gegenteil. Sie sind ein wichtiges Instrument der institutionalisierten Bildung, der aufbauenden Strukturierung von Lern- und Bildungsprozessen und der konsensuellen Vereinbarung von Bildungs-, Könnens- und Wissenszielen zwischen den Bundesländern, zwischen den Bildungsverwaltungen und den Schulen sowie in Fachschaften und zwischen den Lehrer/ innen einer Schule. Aber sie dürfen das Unterrichtshandeln und das didaktische Denken nicht vollständig determinieren und überlagern. Vielmehr müssen sie als Rahmenvorgaben konzipiert sein, die allen Beteiligten zwar eine konkrete Vorstellung von den Zielvorgaben vermitteln, ihnen die Wege dorthin aber nicht auf der Mikroebene (Niveau X am Ende der Jahrgangsstufe Y in der Schulart Z) vorschreiben. Sie müssen didaktische Handlungsspielräume eröffnen, statt diese zu verstellen. Ein solcher sense of pedagogical freedom ist dringend nötig. Nach allem, was man wissen kann, wäre eine solche Freiheitserfahrung sehr förderlich für die Zufriedenheit im und die Freude am Lehrer/ innenberuf und - vor allem - für den Enthusiasmus der Lernenden für das Fremdsprachenlernen. Literatur Europarat. Rat für kulturelle Zusammenarbeit (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Übersetzt von Jürgen Quetz. Berlin et al.: Langenscheidt. Hallet, Wolfgang (2008): „Visual Culture, Multimodal Discourse und Tasks. Die bildkulturelle Dimension des Fremdsprachenlernens“. In: Müller-Hartmann, Andreas/ Schocker-von Ditfurth, Marita (Hrsg.): Aufgabenorientiertes Lernen und Lehren mit Medien: Ansätze, Erfahrungen, Perspektiven in der Fremdsprachendidaktik. Frankfurt/ Main: Lang, 167-183. Hallet, Wolfgang (2013): „Fremdsprachliche literacies“. In: Hallet, Wolfgang/ Königs, Frank G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. 2. Aufl. Seelze: Klett Kallmeyer, 66-70. Hallet, Wolfgang (2016a): Genres im fremdsprachlichen und bilingualen Unterricht. Formen und Muster der sprachlichen Interaktion. Seelze: Klett Kallmeyer. Hallet, Wolfgang (2016b): „Lernerorientierung als ethnographisches Forschen. Am Beispiel von surveillance“. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 50/ 143, 42-47. <?page no="76"?> Wolfgang Hallet 76 Herbart, Johann Friedrich (1876) [1806]: Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet. Pädagogische Schriften Bd. 1. Hrsg. v. Karl Richter. Allgemeine Pädagogik und Umriß pädagogischer Vorlesungen. Leipzig: Verlag von Siegismund & Volkening. Hüttner, Julia/ Mehlmauer-Larcher, Barbara/ Reichl, Susanne/ Schiftner, Barbara (Hrsg.) (2012): Theory and Practice in EFL Teacher Education. Bristol et al.: Multilingual Matters. Klieme, Eckhard/ Avenarius, Hermann/ Blum, Werner/ Döbrich, Peter/ Gruber, Hans/ Prenzel, Manfred/ Reiss, Kristina/ Riquarts, Kurt/ Rost, Jürgen/ Tenorth, Heinz-Elmar/ Vollmer, Helmut J. (Hrsg.) (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: eine Expertise. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Kress, Gunther/ van Leeuwen, Theo (2001): Multimodal Discourse. The modes and media of contemporary communication. London: Arnold. Shetzer, Heidi/ Warschauer, Mark (2000): „An electronic literacy approach to network-based language teaching“. In: Warschauer, Mark (Hrsg.): Networkbased Language Teaching: Concepts and Practice. Cambridge: Cambridge University Press, 171-185. Verdonk, Peter (2002): Stylistics. Oxford: Oxford University Press. Warschauer, Mark (1999): Electronic Literacies. Language, Culture, and Power in Online Education. Mahwah, NJ & London: Routledge. Widdowson, Henry G. (2012): „Closing the Gap, Changing the Subject“. In: Hüttner et al. (Hrsg.), 3-15. The New London Group (2000): „A Pedagogy of Multiliteracies Designing Social Futures“. In: Cope, Bill/ Kalantzis, Mary (Hrsg.): Multiliteracies. Literacy Learning and the Design of Social Futures. London/ New York: Routledge, 9- 37. <?page no="77"?> Sprachenlehrende - lebenslang Lernende Friederike Klippel 1 - Professionalität und Rollenverständnis Das Thema der diesjährigen Frühjahrskonferenz kreist um Begriffe, die ursprünglich aus der Soziologie stammen und deren Aktualität und Relevanz für die Gruppe der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer diskutiert werden muss, wobei sich diese Frage für fest angestellte oder verbeamtete Fremdsprachenlehrkräfte im staatlichen deutschen Bildungssystem, die gesetzlich vorgeschriebene und klar definierte Ausbildungsgänge durchlaufen haben, anders stellt als für Sprachlehrer_innen an privaten Sprachschulen und anderen Bildungseinrichtungen bei uns oder weltweit. Im Folgenden beschränke ich mich daher auf die Fremdsprachenlehrenden an staatlichen Schulen in Deutschland. In der Erziehungswissenschaft wird seit einigen Jahrzehnten darüber debattiert, ob der Lehrerberuf den Professionen zuzurechnen ist, oder ob es sich eher um eine semiprofessionelle Tätigkeit handelt (siehe etwa Terhart 2011). Herzog (2012) konstatiert, dass ‚Profession‘ und ‚Professionalität‘ sich in der jüngeren Vergangenheit von soziologischen zu psychologischen Begriffen gewandelt haben, da die Entwicklung hin zu vermehrter Standardisierung und Überprüfung im Bildungswesen die für die Professionen eigentlich charakteristische Autonomie abbaut. Die Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer wird kaum noch als gesellschaftliches, sondern fast nur noch als biografisches Problem gesehen. Analog wird der Kompetenzbegriff nicht mehr im rechtlichen Sinn als das, was einer Lehrperson von Amtes wegen zusteht, verstanden, sondern ebenfalls als etwas Psychologisches gedeutet, nämlich als Fähigkeit, den Lehrerberuf kompetent auszuüben. ‚Professionelle Kompetenz‘ und ‚professionelle Entwicklung‘ definieren eine Professionalisierung, die an Standards festgemacht wird, die nicht den Lehrerberuf, sondern die Lehrperson charakterisieren (Herzog 2012, 116f.). Terhart (2011) sieht gegenwärtig drei sich teils überlappende, teils ergänzende und teils widersprechende Ansätze in der Bestimmung von Lehrerprofessionalität: 1. - Strukturtheoretischer Ansatz: Hierbei liegt die „Professionalität in der Fähigkeit, die vielfachen Spannungen und genannten Antinomien [des Berufsfeldes Schule, FK] sachgerecht handhaben zu können. <?page no="78"?> Friederike Klippel 78 Kompetenter, reflektierender Umgang mit unabstellbarer, aber gleichwohl täglich zu bewältigender und faktisch auch irgendwie bewältigter Unsicherheit und Undeterminiertheit werden im strukturtheoretischen Ansatz zum Kernstück pädagogischer Professionalität.“ (Terhart 2011, 206). 2. - Kompetenztheoretischer Ansatz: Hier dienen als Richtschnur empirisch gewonnene Wissensbereiche und Kompetenzdimensionen, die als bedeutsam für die Bewältigung der Aufgaben von Lehrern angesehen werden. „Professionell ist ein Lehrer dann, wenn er in den verschiedenen Anforderungsbereichen (Unterrichten und Erziehen, Diagnostizieren, Beurteilen und Beraten, individuelle Weiterbildung und kollegiale Schulentwicklung; Selbststeuerungsfähigkeit im Umgang mit beruflichen Belastungen etc.) über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt, die anhand der Bezeichnung ‚professionelle Handlungskompetenzen‘ zusammengefasst werden“ (Terhart 2011, 207). Auch die Wirksamkeit der Lehrperson im Hinblick auf die Lernergebnisse der Schüler_innen spielt in diesem Ansatz eine Rolle. Grundsätzlich gelten Kompetenzen als erlernbar. 3. - Berufsbiographischer Ansatz: Hier wird Professionalität als „berufsbiographisches Entwicklungsproblem“ (Terhart 2011, 208) gesehen. Dieser Ansatz ist stärker auf das Individuum bezogen, indem berufliche Erfahrungen, die Bewältigung von Belastungs- oder Problemsituationen, die Verknüpfungen privater und beruflicher Erfahrungsräume und die Dynamik der kontinuierlichen Entwicklung und Kompetenzerweiterung eine Rolle spielen. Sowohl im kompetenztheoretischen wie auch im berufsbiographischen Ansatz spielt der Erwerb von Expertenwissen und einer darauf basierenden Handlungsfähigkeit eine Rolle. Es stellt sich allerdings die Frage, wer darüber entscheidet, welches Wissen, welche Einstellungen und welche Handlungskompetenzen als ‚professionell‘ gelten sollten. In den klassischen Professionen waren dies oft die Berufsverbände selbst, die Kriterien für die Aufnahme in die ‚Profession‘ definiert haben. Im Falle der Lehrerschaft im staatlich finanzierten und regulierten Schulwesen sieht das anders aus, was nicht zuletzt auch mit dem Rollenverständnis der Betroffenen zu tun hat. Das Rollenverständnis von Sprachlehrkräften hat mehrere Dimensionen und ist in jedem Fall durch große individuelle Unterschiede gekennzeichnet. So kann es sich zum ersten auf die gesellschaftliche Stellung und die den Lehrkräften von der Gesellschaft übertragenen Aufgaben beziehen. Sieht sich eine einzelne Lehrerin also als Unterrichtsbeamtin, die die im Lehrplan ihrer Schulform und ihres Bundeslandes aufgeschriebenen Lehrziele und -inhalte möglichst effizient in Unterricht umsetzt? Sieht sie sich als Opfer bildungspo- <?page no="79"?> Sprachenlehrende -- -lebenslang Lernende 79 litischer Reformen, auf deren praktische Folgen sie keinerlei Einfluss zu haben glaubt? Oder versteht sie sich als Teil eines gesellschaftlich und kulturell wichtigen Berufsstandes? Auch im Unterricht sehen Lehrkräfte ihre Rollen sehr divers: Sieht man sich als Vollstrecker oder kreativer Nutzer des Lehrbuchs? Gewichtet man instruktive oder stützende, leistungsfeststellende oder erziehende Aufgaben stärker? Sieht man seine Rolle eher als Sprachlehrer/ in, als Vermittler/ in zwischen Kulturen, als Pädagoge/ in oder als Motivator/ in zur Auseinandersetzung mit (vermeintlicher) Fremdheit? Angesichts der Vielzahl von Rollen und Funktionen, die Lehrkräfte generell im Unterricht übernehmen, erscheint es schwierig, hierzu allgemeingültige Aussagen zu machen. In den Bildungswissenschaften geht man in der Regel davon aus, dass der Aspekt der Fachlichkeit für alle Schulfächer ähnlich, wenn nicht sogar gleich ist. Fach ist gleich Fach. Man sollte jedoch bedenken, dass Unterricht in Sprachen andere und weitergehende Voraussetzungen auf Lehrerseite verlangt als bloßes Sachwissen und fachdidaktisches Wissen und Fremdsprachenunterricht daher andere Elemente in den Unterricht einbauen muss als Sachfächer wie Biologie oder Geschichte. Fremdsprachenunterricht bezieht sich als Schulfach nicht allein auf eine wissenschaftliche Disziplin ‚Fremdsprache‘; vielmehr bilden Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften zusammen mit Geschichte, Geographie und Wirtschaft einerseits und den Bildungswissenschaften andererseits ein Disziplinengeflecht, auf dessen Basis angehende Fremdsprachenlehrkräfte auf die Tätigkeit im Klassenzimmer vorbereitet werden. Donald Freeman spricht daher von English Language Teaching als einer hybriden Disziplin (Freeman 2016, 56f.). Fremdsprachenlehrer_innen benötigen darüber hinaus mehr als Fachwissen für ihren Unterricht, weil sie die zu unterrichtende Sprache kompetent beherrschen müssen (oder sollten). Sich linguistisch und pragmatisch sicher in einer anderen Sprache zu bewegen und diese gemäß den didaktischen Erfordernissen zu gebrauchen und zu modifizieren, ist eine Fähigkeit, die Wirkungen auf die Lehreridentität hat. Wir wissen aus eigener Beobachtung und aus zahlreichen Forschungsarbeiten (z.B. Appel 2000), wie stark die Sprachkompetenz mit Gefühlen von Identität verknüpft ist und wie sehr die Identifizierung mit der anderen Sprache etwa Berufs- und Studienwahlentscheidungen beeinflusst (Özkul 2011) oder die Berufszufriedenheit bestimmt. Es ist nicht nur die Tatsache, dass Unterrichtsstoff und Unterrichtsmedium im Sprachunterricht zusammenfallen, die den Sprachunterricht von anderen Fächern unterscheidet, sondern auch der Gebrauch der Sprache als Kommunikationsmittel. Zwar gibt es über weite Strecken des Unterrichts den didaktischen Unterrichtsdiskurs, der vom IRF-Schema geprägt ist, doch ist dieser gerade im kommunikativen Fremdsprachenunterricht oft genug durch Situationen durchsetzt, in denen die Lehrperson oder andere Lernende als echte Gesprächspartner in der Fremdsprache fungieren. Auch dies kann zu <?page no="80"?> Friederike Klippel 80 einem anderen Rollenverständnis führen, wenngleich vermutlich nicht alle Lehrer_innen small talk oder Nebenunterhaltungen als notwendigen Teil ihres Sprachenunterrichts sehen. Dennoch enthält der Fremdsprachenunterricht heutiger Prägung viel mehr didaktisch berechtigte Gelegenheiten zur Ausweitung des Unterrichtsgesprächs in Alltagskommunikation und Sachgebiete jenseits von Sprache und Zielkultur. 2 - Fachkompetenz Die zentrale Frage lautet: Who is a good language teacher? Antworten auf diese Frage gibt es viele, je nachdem, wen man fragt. Kultusminister erwarten von guten Fremdsprachenlehrkräften, dass sie alle Schüler_innen zu den bestmöglichen Lernergebnissen führen, damit diese in Vergleichsstudien gut abschneiden; Eltern erwarten neben guten Ergebnissen heute vor allem eine individuelle Förderung und wenig Hausaufgaben; Schüler_innen wollen einen interessanten Unterricht, in dem sie fair behandelt werden und auch etwas lernen; Fremdsprachendidaktiker_innen erwarten einen Unterricht, der auf dem neuesten Erkenntnisstand der Forschung beruht und diesen lerneffektiv gestaltet. Was als "gut" angesehen wird, hängt notgedrungen immer auch damit zusammen, wer aus welchem Interesse heraus Qualität definiert. Sprachen werden in unserem Schulwesen auf allen Stufen und in allen Schularten gelehrt. Die Kontexte für Sprachunterricht sind höchst unterschiedlich, wenn man nur an eine inklusive Grundschule, eine Berufsschule und die Oberstufe eines Gymnasiums denkt. Es gibt ländliche Schulen und Schulen in städtischen Problemvierteln. In jedem Kontext muss sich die Lehrkraft, die Sprachunterricht erteilt, an die Gegebenheiten anpassen, Lernziele, Inhalte, Methoden und Materialien adäquat auswählen, Schüler_innen individuell ansprechen. Das Konstrukt ‚Fachkompetenz‘ kann demnach kaum in einem solchen Konkretheitsgrad beschrieben werden, dass man daraus präzise inhaltliche Richtlinien für die Ausbildung aller Sprachlehrer_innen für alle Kontexte ableiten könnte. Ganz banal gesagt: Jede Lehrkraft muss genug wissen und können, um die jeweilige Unterrichtssituation bestmöglich zu bewältigen. Dabei reicht es allerdings nicht, nur soviel zu wissen und zu können, wie es der Lehrplan für die jeweilige Klassenstufe und Schulform vorsieht, denn fachliche und methodisch-didaktische Sicherheit im Unterrichten entsteht nur auf einer breiteren Wissensbasis. Diese wiederum spiegelt auch die individuellen Interessen und Schwerpunkte wider, aus denen sich im Unterricht motivationales Kapital gewinnen lässt. Insofern erscheinen mir die Standards der KMK, die Überlegungen der Verbände (Positionspapier des Deutschen Anglistenverbandes und der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien 2009) oder auch andere Standards aus dem internationalen Kontext, etwa der ACTFL (ACTFL 2015), oder das European Profile for Language Teacher Edu- <?page no="81"?> Sprachenlehrende -- -lebenslang Lernende 81 cation (Kelly/ Grenfell 2004) als individuell auszubauende Grundlage geeignet, solange in der Ausbildung Zeit, Gelegenheit und vor allem Anreiz für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer besteht, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Bereiche individuell zu vertiefen. Gerade weil ein Sprachenfach einen gewissen Einfluss auf die Identität der angehenden Lehrkraft hat, muss im Ausbau von Fachkompetenz mehr individueller Spielraum bestehen als bei Mathematiklehrkräften, deren Kompetenz bislang wohl am intensivsten untersucht wurde. Dieser Spielraum darf sich meiner Meinung nach jedoch nicht so auswirken, dass Fachwissen (content knowledge) und fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) gegeneinander ausgespielt werden. Eine solide Basis in beiden Feldern ist unabdingbar ebenso wie eine gute Kompetenz in der Fremdsprache. Fachkompetenz besteht aus Wissen, Können und Einstellungen. Wer eine Sprache unterrichten möchte, muss in unserem Bildungssystem traditionellerweise einiges über Struktur und Gebrauch der Sprache, deren kulturellen Hintergrund und politisch-historischen Kontext wissen. Anders als für Englischlehrer_innen weltweit, bei denen allein die Tatsache, dass sie Englisch als Muttersprache sprechen, oftmals für die Anstellung als Lehrkraft ausreicht, erfordert die Gymnasiallehrerausbildung in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert ein wissenschaftliches, philologisches Studium. Seit mehr als 150 Jahren gehören auch unterrichtsbezogene Inhalte (heute: Fachdidaktik) zur Ausbildung. Noch wichtiger als die Überlegung, ob man sich in der Englischlehrerausbildung mit dem Roman des 18. oder 19. Jahrhunderts intensiver beschäftigen oder die unterschiedlichen linguistischen Strömungen des 20. Jahrhunderts einordnen können sollte, erscheint mir der Gedanke, dass Lehrer-Werden vor allem die individuelle Lernbereitschaft und das Interesse an unterrichtsbezogenen und fachlichen Gegenständen wecken muss. Dazu benötigen Lehrkräfte einen Überblick über das jeweilige Teilfach und genügend Angebote in Aus- und Weiterbildung, um einzelne Aspekte zu vertiefen. Lehrer-Sein heißt ständig dazuzulernen, fachlich wie didaktisch-methodisch, sprachlich wie im Hinblick auf kulturelle Entwicklungen in den Zielländern. Nur wer sich für sein Sprachenfach wirklich interessiert, wird bereit sein, im Studium erworbenes Wissen später zu aktualisieren und auszubauen, häufiger in die Zielländer zu reisen und die eigene Unterrichtstätigkeit immer wieder kritisch zu hinterfragen, um sie neuen Entwicklungen, Kontexten und Anforderungen anzupassen. Daher halte ich es für unabdingbar, der Entwicklung einer positiven Einstellung zum Fach und zum Beruf bei den Lehramtsstudierenden und den Lehrkräften im aktiven Dienst mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Nur wer sich als stetig Lernender begreift und seine Neugier auf sprachliche, kulturelle und fachbezogene Veränderungen erhält, kann auch Erfahrungen produktiv verarbeiten und dadurch seine Kompetenz erweitern. Gerade diejenigen Lehrkräfte, die sich aus eigenem Antrieb auch weiterhin mit sprachli- <?page no="82"?> Friederike Klippel 82 chen oder kulturellen Entwicklungen befassen und Kontakte in die Zielländer pflegen, wirken aufgrund ihrer individuellen Lernbereitschaft für ihre Schüler_innen oft nachhaltig motivierend für das Fach. Sprachlehrkräfte mit Fachkompetenz sind Experten ihres Fachs. Expertentum ist sowohl ein Zustand als auch ein Prozess (so auch Tsui 2005). Experten unter den Lehrkräften sind einerseits in der Lage, ein breites Spektrum an Unterrichtssituationen mühelos zu bewältigen; sie verfügen über ein breites methodisches Repertoire, das sie spontan zielgerecht einsetzen können; sie arbeiten äußerst effizient und effektiv und besitzen „professional vision“ (Goodwin 1994), d.h. die Fähigkeit, Unterrichtssituationen auf der Basis von Wissen und Erfahrung sehr schnell einschätzen zu können. So weit die knappe Charakterisierung des Zustands von Expertise. Andererseits sind Experten bereit, hart zu arbeiten und ihre eigenen Handlungen immer wieder kritisch zu reflektieren, um sich weiter zu entwickeln und ihr Expertenwissen zu erhalten. Nicht jeder Lehrer mit langer Unterrichtspraxis ist automatisch ein Experte; nicht jede Lehrerin kann eine Expertin werden. Wie in allen Berufen wird es auch im Lehrerberuf vermutlich nur einen gewissen Anteil an herausragenden Vertreter_innen geben können. Eine ganze Reihe von Fragen erscheint mir im Zusammenhang mit Fachkompetenz als noch ungeklärt, was bereits auf die beiden folgenden Abschnitte verweist: • - Welche institutionellen Wege führen zu Fachkompetenz? Benötigt man ein grundständiges Lehramtsstudium im jungen Erwachsenenalter, oder können auch Seiteneinsteiger und Autodidakten zum Fremdsprachenunterrichts-Experten werden? • - Spielen Struktur und Curriculum der Ausbildung eine zentrale Rolle oder sind es andere Faktoren? Diese Frage hat sich mir angesichts der Modularisierung und zunehmenden Einzelprüfungen oft gestellt. • - Inwieweit hängt der Erwerb von Fachkompetenz mit einzelnen Persönlichkeitsfaktoren zusammen, und welche Persönlichkeitsfaktoren sind eventuell ausschlaggebend? • - Es ist des Weiteren zu erwarten, dass Kontextfaktoren die Berufsbiographie und somit die Fachkompetenz nachhaltig beeinflussen. In welchem Umfang geschieht das? Unterrichten ist zudem eine soziale Tätigkeit, so dass zu erwarten ist, dass auch Lehrkräfte durch soziale Erfahrungen geprägt werden. Lehrkräfte erinnern sich nicht nur an ihre Sternstunden oder Unterrichtsdesaster, sie haben auch lebenslange Erinnerungen an ihren eigenen guten und schlechten Lehrer_innen und Ausbilder_innen und können sich wegen oder trotz dieser - bewusst oder unbewusst - in eine bestimmte Richtung entwickeln. <?page no="83"?> Sprachenlehrende -- -lebenslang Lernende 83 3 - Aus--‐ und Weiterbildung Nach mehr als vier Jahrzehnten Tätigkeit in der Englischlehrerausbildung und -fortbildung sollte ich eigentlich in der Lage sein, die Frage nach einem Beitrag der universitären Lehrerbildung zur Entwicklung von Fachkompetenz und Professionalität knapp und präzise zu beantworten. Unzählige unterschiedliche Einzelfälle, eine Vielzahl von Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Ausbildungssystemen und die Kenntnis der Geschichte der Lehrerbildung lassen mich eher sagen: it depends. Die Hauptelemente der Ausbildung sind seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, wenn sie auch nur zögerlich implementiert wurden. Schon 1848 schrieben die Gymnasiallehrer Ludwig Herrig und Heinrich Viehoff in der von beiden neu gegründeten neuphilologischen Zeitschrift Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen: Dreierlei ist es nun aber, was man bei der Staatsbehörde beanspruchen muß: einmal, dass den künftigen Lehrern der neueren Sprachen und Literaturen auf den Universitäten die Möglichkeit geboten werde, eine gründliche philologische Kenntnis dieser Sprachen und Literaturen zu gewinnen; dass sie ferner dort nicht blos [sic] Gelegenheit und Anleitung finden, jene Sprachen schriftlich und mündlich zu üben, sondern auch in der schulmäßigen Behandlung dieses ganzen Unterrichtszweiges unterwiesen werden; endlich aber, dass man die tüchtigeren unter den Studiosen [sic] der neueren Sprachen durch eine Gewährung von besonderen Reisestipendien kräftig unterstützen möge. (Herrig/ Viehoff 1848, 229). Zwar ist aus den Reisestipendien von Staats wegen bis heute nichts geworden, doch verknüpft das Lehramtsstudium in einem Sprachenfach weiterhin Literatur-/ Kulturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Fachdidaktik und Sprachpraxis. Man kann also wohl davon ausgehen, dass sich diese Studienelemente - zumindest in unserem Bildungssystem - bewährt haben. Allerdings hat sich die Gewichtung der Elemente im Verlauf der Ausdifferenzierung des Ausbildungswesens gewandelt. Während für Gymnasiallehrkräfte eine gute philologische Ausbildung weiterhin unabdingbar ist, benötigen zukünftige Haupt- oder Grundschullehrkräfte anscheinend weitaus weniger Wissen aus Linguistik und Literaturwissenschaft. Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, so werden die fachwissenschaftlichen Inhalte des Lehramtsstudiums auch heute noch durch die Strukturen der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen bestimmt und (noch) nicht aus Sicht der Erfordernisse der Schulpraxis gedacht. Man könnte dies als ein Indiz dafür ansehen, dass Professionalität vor allem mit strenger Fachlichkeit verbunden wird. Wenn zur Professionalität Wissen, Können und Einstellungen gehören, so trägt die universitäre Ausbildung vor allem zum Erwerb von Wissen in den Fachwissenschaften und der Fachdidaktik bei. Angesichts der heute meist viel stärker inhaltlich festgeschriebenen Lehrinhalte in Lehramtsmodulen wäre es <?page no="84"?> Friederike Klippel 84 interessant zu untersuchen, ob de facto ein gewisser Konsens hinsichtlich der lehramtsrelevanten Themen in Pflichtveranstaltungen aus Fachdidaktik, Linguistik und Literatur-/ Kulturwissenschaft besteht. Ein Vergleich der Pflichtmodule im Hinblick auf deren Platzierung, Umfang und Inhalte an den deutschen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen wäre sicherlich äußerst aufschlussreich und könnte als Basis für konzeptuelle und strategische Überlegungen dienen. In Folge des Bologna-Prozesses haben sich die Bedingungen insofern gewandelt, als nun jede Universität und Hochschule eigene strukturelle und inhaltliche Veränderungen in den Studiengängen vorgenommen hat, so dass man nicht einmal mehr von einer bundesland-spezifischen Einheitlichkeit der fachbezogenen Lehramtsausbildung ausgehen kann. Auch dürfte es durchaus Unterschiede darin geben, welche standortbedingten Kriterien (fachliche Ausfächerung und Dominanz, Einbindung in Fakultäten oder Fachbereiche, Steuerungskompetenzen der Lehrerbildungszentren etc.) die strukturelle und inhaltliche Ausformung der Lehramtsstudiengänge jeweils bestimmen. Im Sinne einer empirischen Auswertung des Status quo sehe ich eine breite Bestandsaufnahme als wünschenswert an, ehe auf der Basis punktueller Erhebungen weitreichende Folgerungen gezogen und Forderungen erhoben werden. Die Könnenskomponente der Professionalität bedarf längerer Entwicklungszeiträume, denn eine gewisse Sicherheit im Unterrichten stellt sich erst dann ein, wenn man sich ein Methodenspektrum theoretisch und praktisch erarbeitet und Routinen entwickelt hat. Hier können Praktika während des Studiums - so ausgedehnt sie auch sein mögen - nur erste Einblicke in die Komplexität des Unterrichtsgeschehens und die später eventuell anzutreffenden schulischen Arbeitskontexte vermitteln; daher ist es für Berufsanfänger wichtig, nach Studienabschluss und insbesondere auch nach dem Zweiten Staatsexamen Möglichkeiten der nicht-wertenden Supervision zu erhalten, um eigene Reflexionsprozesse anzuregen und die praktischen Kompetenzen bewusst zu erweitern. Zum Unterrichten gehören auch Fähigkeiten im Diagnostizieren individueller Schülervoraussetzungen und Leistungsspektren sowie im Entwickeln individuell zugeschnittener Stützverfahren und differenzierender Lernangebote. Solche Fähigkeiten lassen sich nicht allein theoretisch erlernen, sondern bedürfen der ausgedehnten, (selbst-)kritisch reflektierten Praxis und einer bewussten Ausprägung. Gerade Berufsanfänger benötigen dabei die Unterstützung durch erfahrene Kolleg_innen, um weitere Verfahren kennenzulernen, das eigene Urteil zu schärfen und Sicherheit zu gewinnen. Veränderungen im Schulalltag, sei es die Einführung neuer (digitaler) Hilfsmittel oder die Veränderung des Stundentableaus, erfordern darüber hinaus ständige Anpassung und Erweiterung der eignen Kompetenzen. Über die Einstellungen der angehenden Lehrkräfte zu Fach und Beruf wird an Universitäten und auch an den Lehrerfortbildungseinrichtungen sicher am wenigsten nachgedacht; dabei liegt hierin eine bedeutsame Wei- <?page no="85"?> Sprachenlehrende -- -lebenslang Lernende 85 chenstellung zu jahrzehntelanger Berufszufriedenheit. Es ist nicht einfach, den gesunden Mittelweg zwischen fachlicher und pädagogischer Aufopferung mit dem Risiko des Burnout und der geschäftsmäßigen Abhaltung von Unterricht nach bewährtem Muster mit der Verlagerung des individuellen Interesses auf außerschulische Hobbies zu finden. Angehende Lehrkräfte benötigen hierzu kollegiales Feedback und im Idealfall auch inspirierende Vorbilder. Solche Vorbilder, die fachliche Kompetenzen mit professioneller Einstellung und menschlicher Überzeugungskraft verbinden, sollte es an Schulen und Universitäten geben. Denn der Unterricht, auch der universitäre, ist eine soziale Lernsituation, in der die Beteiligten auch emotional reagieren. Lehrende wirken nicht nur aufgrund ihrer fachlichen und hochschuldidaktischen Qualifikationen, sondern auch durch ihre Persönlichkeit. Zwar sind die sozialen Bande an der Universität weniger eng als im schulischen Klassenzimmer, doch könnte man auch diese Lernsituationen nutzen, um Einsichten in Lehren und Lernen zu gewinnen. Die Idee, bestimmte Unterrichtsverfahren, Haltungen und Werte, die man in der Schule für wichtig hält, auch in den universitären Studiengängen angehender Lehrkräfte zu berücksichtigen, ist keineswegs neu. Schon 1988 plädierte Woodward (1988) für „loop-input“, d.h. erfahrungsbasiertes Lernen von bestimmten Verfahren in der Ausbildung. 4 - Forschung Ich möchte nur zwei Bereiche nennen, in denen erheblicher Forschungsbedarf besteht, obwohl wir auch über das Kerngeschäft der Lehrerbildung längst noch nicht alles wissen: a) Kompetenzen und Professionalität der Ausbilder und b) Unterstützung der Berufsanfänger. a) - Schon vor vielen Jahren hatte Wolfgang Butzkamm (1987) angemahnt, dass auch die Ausbilder der sog. Zweiten Phase einer Ausbildung bedürfen und man erforschen solle, über welches Qualifikationsprofil sie verfügen müssen. Ich würde diese Forderung gern auf alle ausdehnen, die in den Disziplinen der Bildungswissenschaften und der Fachdidaktiken in der universitären Lehrerbildung tätig sind. Auch Lehrerinnen und Lehrer, die Praktika betreuen, müssen in einigen Bundesländern keinerlei Voraussetzungen erfüllen. Welches Verständnis von Fachkompetenz und Professionalität haben wir in Bezug auf die, die ausbilden? Was die Fachdidaktiken betrifft, so sehen einige Bundesländer das zweite Staatsexamen und/ oder eine kurze Tätigkeit in der Schule als Berufungsvoraussetzung für Professuren vor, andere jedoch nicht. Reichen solche Vorschriften, um die Qualität der Lehrerbildung zu gewährleisten? <?page no="86"?> Friederike Klippel 86 b) - Bei der Betreuung der Studie von Manuela Wipperfürth zu Lehrernetzwerken (Wipperfürth 2015), an denen Noviz_innen und erfahrende Englischlehrkräfte beteiligt waren, ist mir bewusst geworden, wie sehr wir Berufsanfänger im Lehrberuf allein lassen. Die ständige Beaufsichtigung und Bewertung der Referendarzeit ist für sie vorbei, und plötzlich gibt es gar kein Feedback mehr, auch keines aus dem Kreis der Referendarskolleg_innen. Es besteht auch keine Verpflichtung mehr, sich fachlich und fachdidaktisch auf dem Laufenden zu halten. Wie leicht ist es dann, in unhinterfragte Routinen zu verfallen, sich völlig zu verausgaben oder hilflos verschiedene Verfahren auszuprobieren. Bestimmte Grundmuster des Lehrerverhaltens können sich in dieser Phase verfestigen. Daher sollte die Fremdsprachendidaktik die Bedürfnisse dieser Gruppe erforschen, um Strukturen zu entwickeln, wie der Berufseinstieg so gestaltet werden kann, dass er tatsächlich professionalisiert. Literatur ACTFL/ CAEP Program Standards for the Preparation of Foreign Language Teachers. abrufbar unter: https: / / www.actfl.org/ sites/ default/ files/ CAEP/ ACTFLCAEPStandards2013_v 2015.pdf (21/ 01/ 2018). Appel, Joachim (2000): Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. München: Langenscheidt-Longman. Butzkamm, Wolfgang (1987): „Wie bekommen wir bessere Lehrer? Ergänzungsstudien für Fachleiter und Ausbildungslehrer“. In: Neusprachliche Mitteilungen 40/ 1, 6-9. Deutscher Anglistenverband; Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien (2009): Positionspapier: Inhaltliche Anforderungen für Fachwissenschaft und Fachdidaktik in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Studienfach Englisch. http: / / www.anglistenverband.de/ wp-content/ uploads/ LA- Englisch_Positionspapier.pdf (21/ 01/ 2018). Freeman, Donald (2016): Educating Second Language Teachers. Oxford: Oxford University Press. Goodwin, Charles (1994): “Professional vision“. In: American Anthropologist 96/ 3, 606-633. Herrig, Ludwig; Viehoff, Heinrich (1848): „Wünsche für das Studium der neueren Sprachen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 3, 225-234. Herzog, Walter (2012): „Droht dem Lehrerberuf die Deprofessionalisierung? “ In: Beiträge zur Lehrerbildung 30/ 1, 114-122. Kelly, Michael/ Grenfell, Michael (2004): European Profile for Language Teacher Education. A Frame of Reference. Southampton: University of Southampton. http: / / www.lang.soton.ac.uk/ profile/ report/ MainReport.pdf (21/ 01/ 2018). Özkul, Senem (2011): Berufsziel Englischlehrer/ in. München: Langenscheidt. <?page no="87"?> Sprachenlehrende -- -lebenslang Lernende 87 Terhart, Ewald (2011): „Lehrerberuf und Professionalität. Gewandeltes Begriffsverständnis neue Herausforderungen“. In: Helsper, Werner/ Tippelt, Rudolf (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. (Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft; 57). Weinheim u.a.: Beltz, 202-224. Tsui, Amy B. M. (2005): „Expertise in Teaching: Perspectives and Issues“. In: Johnson, Keith (Hrsg.): Expertise in Second Language Learning and Teaching. Houndsmills: Palgrave Macmillan, 167-189. Wipperfürth, Manuela (2015): Professional vision in Lehrernetzwerken. Münster: Waxmann. Woodward, Tessa (1988): „Loop-Input: A New Strategy for Trainers“. In: System 16, 23-28. <?page no="88"?> Ganzheitliche Englischlehrerbildung: -Englischunterrichtliche Lehrwerke als vernachlässigte Bildungsinstrumente Jürgen Kurtz „[W]e are still not preparing our teacher learners adequately about how to deal with the realities of teaching in real classrooms“ (Farrell 2015: 2). Einleitung und Problemaufriss Die Lehrerbildung 1 in Deutschland leidet, und zwar einerseits unter denjenigen, die sich nicht sonderlich für sie interessieren, obwohl sie (fachbzw. bezugswissenschaftlich) für sie zuständig und in Teilen auch von ihr abhängig sind, andererseits unter jenen, die sich - aus welchen Gründen auch immer (bildungspolitisch, marktwirtschaftlich, u.a.m.) - berufen fühlen, sie wieder und wieder zu reformieren. Die Englischlehrerbildung stellt keine Ausnahme dar. Sie krankt bis heute an der institutionellen, organisatorischen, personellen und inhaltlichen Fragmentierung, der mangelnden interdisziplinären Kohäsion sowie auch der unzulänglichen Koordination von Wissenschafts-, Berufsfeld- und Subjektbezug. Die Zielperspektive der Englischlehrerbildung ist nach wie vor unklar. Um was soll es eigentlich gehen? Um Professionalisierung, um Ausbildung oder um Bildung? Ich denke, dies sei hier vorweggenommen, es muss um alles zusammen gehen, und zwar im interdisziplinären, Institutionen übergreifenden Verbund. 2 Englischlehrerbildung bedeutet ganz allgemein, angehende Lehrer zu befähigen, sich selbst zu bilden, und zwar möglichst ganzheitlich, umfassend und nachhaltig. Englischlehrerbildung in diesem humanistisch-kritischreflexiv-emanzipatorischen Sinne zielt auf menschliche (noch nicht unbedingt berufliche) Identitätsfindung und eigenaktive Persönlichkeitsentwicklung im kategorialen Sinne (vgl. Klafki 1975, 44-45), letztendlich auf Selbst- 1 Aus Gründen der Lesefreundlichkeit verzichte ich hier auf die Nennung der weiblichen und männlichen Formen. 2 Dass es hierzu entsprechender finanz- und bildungspolitischer Weichenstellungen bedarf, die geeignet sind, die Fachdidaktiken als ‚kleine‘ wissenschaftliche Disziplinen an den Universitäten und Hochschulen vor dem Wettbewerb mit den ‚großen‘ fachwissenschaftlichen Disziplinen zu schützen, deren Möglichkeiten zur Drittmitteleinwerbung sich erheblich besser darstellen, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Vollmundige Sonntagsbekenntnisse zur Lehrerbildung in Deutschland reichen nicht aus. <?page no="89"?> Ganzheitliche Englischlehrerbildung 89 verwirklichung in sozialer Verantwortung. Eine so verstandene Englischlehrerbildung darf nicht mit Englischlehrerausbildung verwechselt oder gar mit ihr gleichgesetzt werden. Bildung ist nicht Ausbildung oder ein Teil davon, sondern das die Ausbildung tragende Fundament (für eine umfassende Gegenüberstellung von Bildung und Ausbildung, vgl. Lederer 2014). In meiner Gießener Einführungsvorlesung Introduction to Teaching English as a Foreign Language begrüße ich unsere Studierenden dementsprechend, in enger Anlehnung an Andrew Abbotts Aims of Education Address (2002), die er anlässlich der Eröffnung des damaligen akademischen Jahres an der University of Chicago hielt, mit den folgenden Worten (und hoffe damit wenigstens ansatzweise durchzudringen; meine darauffolgenden Lehrveranstaltungen versuche ich entsprechend zu gestalten): Many people believe that education is about mastering certain competences, contents and skills. However, this is only partially true. Education is not something that you have. It is something that you are. It is a stance of mind, a way of life. You can go through here and do nothing; or you can go through here like a tourist, attending our lectures or seminars. You can also go through here mechanically, stuffing yourself with books and articles till you are gorged with them. But education won’t come to you this way. On the other hand, you can seek education by trying to reflect upon and truly understand what we are trying to give you. This will not be easy, because we can’t give you education. If - and only if - you seek it, education will find you (Abbott 2002). In Abgrenzung zu - aber auch in Überschneidung mit - Englischlehrerbildung, verweist Englischlehrerausbildung auf eine zweckfunktionale Spezialbildung. Ausbildung bedeutet, angehende Lehrer zu befähigen, in Schule und Unterricht (hier insbesondere in Bezug auf den Englischunterricht) spezifische, sich jedoch fortlaufend wandelnde, und von daher immer nur begrenzt vorhersehbare Herausforderungen und Aufgaben zu bewältigen, damit verbundene Probleme zu lösen und darauf bezogene berufliche Leistungen zu erbringen. Hier steht der Verwertbarkeitsaspekt von Bildung eindeutig im Vordergrund, als partikularisierte, heute vorrangig kompetenzorientierte Berufsbzw. Beschäftigungsbefähigung. Englischlehrerausbildung als Berufsbzw. Beschäftigungsbefähigung ist letztendlich nicht mehr und nicht weniger als eine Personalentwicklung für Schule und Unterricht, und von daher nicht mit ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung im Sinne eines humanistischen Bildungsverständnisses gleichzusetzen. Begriffe wie ‚Profession‘, ‚Professionalität‘, ‚Professionswissen‘ oder ‚Professionalisierung‘ können nach Terhart (2011, 212) nun wiederum „alles und nichts bedeuten.“ Sie lassen sich ganz unterschiedlich fassen, zum Beispiel kompetenztheoretisch, strukturtheoretisch und/ oder berufsbiographisch (vgl. ebda.). Professionsbegriffe und darauf aufbauende Theorieansätze werden dann problematisch, wenn sie auf Fragen der kompetenzorientierten, in verschulten Modulen organisierten Beschäftigungsbefähigung und Personalent- <?page no="90"?> Jürgen -Kurtz 90 wicklung reduziert werden (Professionalisierung als ‚kundenorientierte‘ Dienstleistung). Die aktuelle bildungspolitische Diskussion um die Reform der Lehrerbildung will natürlich nicht dem Verdacht der kompetenzorientierten ‚Zurichtung‘ im Sinne einer schmalspurigen, infolge der Modularisierung zugleich hoch fragmentierten Spezialausbildung in Richtung bestimmter, zeitgeschichtlich-normativer Erwartungshorizonte anheimfallen. Daher werden möglichst viele Facetten von Lehrerkompetenz in den Blick genommen, zur Modellierung von Lehrerprofessionalität herangezogen und in sog. Standards für die Lehrerbildung (vgl. KMK 2004; 2017) gebündelt. Lehrerbildung lässt sich jedoch nicht als Summe aller erdenklichen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen begreifen. Lehrerbildung verweist vielmehr auf eine hoch komplexe Gestalt mit eigener, ‚kompetenztranszendierender‘ Qualität. Es ist diese, niemals in (noch so ausgeklügelten) Kompetenzrastern einzufangende, individuelle Qualität der Lehrperson, die für die Qualität des Lernens im Englischunterricht letztlich von zentraler Bedeutung ist. Dies wird in Haacks (2018) Studie zur Bedeutung von Selbstkompetenz und Identität für den Prozess der Englischlehrerwerdung besonders deutlich, auch wenn in dieser Untersuchung das klassische humanistische Bildungsverständnis, das Selbstkompetenz und Identitätsfindung längst schon beinhaltet (vgl. hierzu in allen Details Lederer 2014), nicht aufgenommen, reflektiert und fruchtbar gemacht wird. Bildung verweist (wie gesagt) auf eigenaktive Selbstformungsprozesse: man bildet sich, und zwar lebenslang; ein prinzipiell nicht abschließbarer Prozess. Professionalität, Ausbildung und in Standards überführte Kompetenzorientierung „als Grundlage für eine systematische Überprüfung der Zielerreichung“ (KMK 2004, 1) implizieren dagegen ein hohes Maß an überprüfbarer und zertifizierbarer Abschließbarkeit. Dies läuft dem Kerngedanken einer prinzipiell niemals abschließbaren, lebenslangen Lehrerbildung und den sich fortwährend verändernden Herausforderungen der Alltagspraxis des Englischunterrichts entgegen. Diese schwierige, bislang weitgehend ungelöste Problematik haben Legutke/ Schart (2016) in einer von ihnen unlängst herausgegebenen Sammelpublikation verdichtet, die den treffenden Titel „Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung“ trägt. Die Herausgeber und die Beiträger zu diesem Band verwenden Begriffe wie Lehrerbildung, Lehrerausbildung, Professionalität, Professionswissen oder Professionalisierung in Bezug auf das Lehren fremder Sprachen zwar in keiner erkennbaren Abgrenzung und Systematik, jedoch gelingt es ihnen auf diesem Wege zumindest, eine unangebrachte Verengung der Diskussion in Richtung Lehrerprofessionalisierung und Lehrerausbildung zum Zwecke der überprüfbzw. messbaren Qualitätssicherung von Fremdsprachenunterricht (vgl. KMK 2004, 1) zu vermeiden. <?page no="91"?> Ganzheitliche Englischlehrerbildung 91 Ich kann Begriffe der Lehrerprofessionalität oder der Lehrerprofessionalisierung letztendlich nur dann akzeptieren, wenn sie die inhärente Widersprüchlichkeit von Englischlehrerbildung (holistisch, bedeutungsorientiert, unabschließbar) und Englischlehrerausbildung (atomistisch, zweckorientiert, abschließbar, überprüfbar) aufzulösen versuchen und sich nicht einseitig auf ein instrumentell-kompetenzorientiert-modularisiertes Verständnis reduzieren. Legutke/ Schart (2016, 18) kommen einem derartigen, transinstrumentell-ganzheitlich-integrativen Verständnis von ‚professioneller Kompetenz‘ recht nahe, wie die folgende Grafik verdeutlicht: Abb 1. Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrern (Legutke/ Schart 2016, 18) 1 - - Englischlehrerbildung unter Einbeziehung englischunterrichtlicher Lehrwerke In den meisten Ländern dieser Welt verwenden Englischlehrer kommerziell motivierte, unter den Prämissen der Marktbeherrschung und der Gewinnmaximierung produzierte globale oder regionale Englischlehrwerke (vgl. hierzu Gray 2013), um Lehr-/ Lernprozesse zu planen, zu realisieren und zu reflektieren (schätzungsweise bis zu 80-90% der Lehrenden, belastbare transnationale Statistiken liegen bislang jedoch noch nicht vor). Dabei werden Englischlehrwerke für die Gestaltung von bis zu 80-90% der zur Verfügung stehenden 18 Michael K. Legutke/ Michael Schart den Professionalisierungsprozess von Lehrpersonen und ihre Bedeutung für das Unterrichtsgeschehen gewonnen wurden (Richards 2010 ; Singh/ Richards 2006 ) halten wir jedoch eine andere Darstellungsform für angemessener. Wir gehen von vier, eng mit einander verflochtenen Dimensionen professioneller Kompetenz aus, für deren Entwicklung in der Ausbildung die jeweiligen lokalen Kontexte und institutionellen Bedingungen von zentraler Bedeutung sind. In den folgenden Abschnitten möchten wir die einzelnen Dimensionen näher charakterisieren und sie in einen Zusammenhang mit den Beiträgen dieses Bandes stellen. Abbildung 1 Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden 2.3 Sprache, Literatur und Kultur Die Studienverlaufspläne für die Lehrämter der fremdsprachlichen Fächer der einzelnen Bundesländer zeigen in Übereinstimmung, dass der fachlichen Dimension im Professionswissen, dem Fachwissen, nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die Ausbildung der Lehrkompetenzen zugemessen wird; der fachwissenschaftliche Anteil (mit seinen Subdimensionen Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft) macht gegenüber der Fachdidaktik (ohne die schulpraktischen Studien) zwischen 40 % für den Primarbereich und 60 bis 70 % für den Gymnasialbereich aus. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Studienanteile wird zum einen durch die langen Fachtraditionen bestimmt, die zentrale fach- <?page no="92"?> Jürgen -Kurtz 92 Unterrichtszeit genutzt. In Anbetracht der nationalen und internationalen Lehrwerkforschung kann zumindest davon ausgegangen werden, dass Englischlehrwerke eine herausragende Stellung im Unterrichtsgeschehen einnehmen, in Deutschland vor allem im Englischunterricht der Sekundarstufe I (vgl. Tomlinson 2 2013; Kurtz 2010; 2011; McGrath 2013; Harwood 2014; Richards 2015; Thaler 2016). Die weithin vorzufindende Dominanz der Lehrwerke spiegelt sich in der aktuellen Diskussion um Lehrerbildung, Ausbildung, Profession und Professionalisierung allerdings nicht wider. Ich stimme Legutke/ Schart (2016) zu, dass sich die Fremdsprachenlehrerbildung unbedingt mit Fragen des erlebten, des dokumentierten, des beobachteten und praktizierten sowie des antizipierten Unterrichts in zunehmend diverser Lernortdimensionierung befassen muss, aber es ist nicht hinreichend, eine wie auch immer konzipierte Lehrerbildung ohne nennenswerten Bezug auf das Lehrwerk als unterrichtliches Leitmedium hin modellieren zu wollen. Es bedarf vielmehr der Berücksichtigung einer weiteren, als zentral anzusehenden Perspektive, die auf die Dimension des lehrwerkgestützten, ‚präfabrizierten‘ Englischunterrichts mithilfe vorrangig kommerziell motivierter (gedruckter und/ oder elektronischer) Medien und Materialien gerichtet ist. Aktuelle englischdidaktische Professionalisierungsdiskurse befassen sich in der Regel eher nicht, oder nur am Rande, mit Lehrwerken und ihrer Verwendung im Englischunterricht. Im Vordergrund der Diskussion steht vielfach der in der Alltagspraxis des Englischunterrichts der Sekundarstufe I eher unterrepräsentierte, lehrwerkungebundene Englischunterricht mit filmischen, literarischen oder elektronischen Medien und Materialien bzw. die komplexe, vergleichsweise zeitaufwändige Inszenierung und Organisation des Englischlernens im Rahmen aufgabeninduzierter, projektorientierter, und/ oder dramapädagogischer Settings. Geht dies alles womöglich an der gesuchten Praxisnähe der heutigen Lehrerausbildung vorbei? Offenbar ist hiermit die Hoffnung verbunden, die weithin lehrwerkdominierte Alltagspraxis des Englischunterrichts aufbrechen zu können, aber bislang gibt es noch keine hinreichenden empirischen Belege dafür, dass dies nachhaltig gelingen kann. Ich wage hier die These, dass sich die universitäre Englischlehrerausbildung, die sich seit Jahren durchaus darum bemüht, wissenschaftlich fundierten und reflektierten Berufsfeldbezug und Praxisnähe herzustellen, nicht hinreichend praxisbezogen gestalten lässt, wenn sie das vorrangig vom Lehrwerk ausgehende Lehren und Lernen im Englischunterricht mit all seinen Vorzügen und Nachteilen (vgl. hierzu Thaler 2014; 2016) unterberücksichtigt lässt. Radical change im Sinne einer völligen Abkehr vom lehrwerkgestützten Englischunterricht (beispielsweise im Sinne von Meddings/ Thornbury 2009) kann unter Einbeziehung von Forschungserkenntnissen zu handlungsregulierenden Lehrerkognitionen und individuellen Lehrerhaltungen (vgl. hierzu Benitt 2015) keine Zielperspektive einer wissenschaftlich fundierten, subjekt- <?page no="93"?> Ganzheitliche Englischlehrerbildung 93 orientierten und praxisnahen Englischlehrerbildung sein. Gradual change herbeizuführen, erscheint eine aussichtsreichere Perspektivierung von Englischlehrerbildung zu sein, vor allem, wenn man an das komplexe, längst noch nicht optimale Zusammenwirken der universitären und post-universitären Lehrerbildungsphasen denkt. Das Englischehrwerk muss von daher deutlich mehr Beachtung finden, auch wenn es - dies legt die jüngere Lehrwerkforschung nahe - in seiner gleichermaßen rückwärts wie vorwärts gerichteten Konzeption als agent of change nicht besonders geeignet ist. Als agent of change kann nur eine umfassend gebildete bzw. sich fortlaufend weiterbildende Lehrperson infrage kommen (zu den Möglichkeiten und Grenzen von change in der unterrichtlichen Alltagspraxis vgl. Farrell 2015). 2 - - Englischunterrichtliche Lehrwerke als -Lehrerbildungsmedien - An der Art und Weise der Lehrwerkrezeption und -verwendung und den zugrundeliegenden Haltungen und Einstellungen der Lehrenden lässt sich Lehrerbildung im eingangs skizzierten humanistisch-kritisch-reflexivemanzipatorischen Sinne durchaus erkennen und festmachen. Dies deutet sich in einer Reihe von jüngeren, theoretisch und/ oder qualitativ-empirisch angelegten wissenschaftlichen Studien und Diskursen sowie unterrichtspraktischen Empfehlungen an (vgl. Beispiel McGrath 2013; Garton/ Graves 2014; Marcos Miguel 2015; Richards 2015; Thaler 2016; Koenig 2013; 2017). Der folgende, als vorläufig und unvollständig zu betrachtende Versuch einer Konkretisierung der diversen Bildungsaufgaben, die sich aus der Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk und seiner Verwendung im Englischunterricht ergeben, ist nicht als ein summatives, abprüfbares Kompetenzraster zu verstehen, sondern vielmehr als ein Katalog eng miteinander verwobener und aufeinander bezogener, eigenaktiv-reflexiv-emanzipatorisch anzugehender individueller Herausforderungen. Ganzheitlich gebildete und sich fortlaufend im Verbund von Theorie und Praxis eigenaktiv-selbstreflexiv weiterbildende Englischlehrer erfahren, erleben und erkennen, dass heutige Englischlehrwerke • - als Konvergenzpunkte der vielschichtigen Diskussionen, die um sie in verschiedenen Zusammenhängen geführt wurden und werden, zu begreifen sind (d.h. als Schnitt- und Brennpunkte aller Bedingungen, die schulischen Englischunterricht konstituieren; vgl. Wolff 2009), • - sich zwar als Ausdruck einer bestimmten historischen Epoche betrachten lassen, dass dies jedoch nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass sie vielfach auf einem (nicht zuletzt auch) kommerziell motivierten Mix von älteren und neueren, traditionellen und aktuellen Vorstellungen, Überzeugungen und Erkenntnissen zum Lehren und Lernen der englischen Sprache (und Kultur im Plural) basieren, <?page no="94"?> Jürgen -Kurtz 94 • - letztlich als zeitlich versetzte ‚Materialisierungen‘ gesellschafts-, bildungs- und sprachenpolitischer, pädagogischer, psychologischer, fachdidaktischer, fachwissenschaftlicher, medientechnologischer, medienpädagogischer, wirtschaftlicher u.a.m. Überlegungen und Entwicklungen, Erfahrungen und Erkenntnisse, Prinzipien, Positionen und Intentionen, Theorien und Modelle, Werte und Normen, Ansprüche und Forderungen zu betrachten sind, die sich ständig im Fluss befinden und der fortlaufenden Reflexion bedürfen, • - vorrangig der Unterstützung und Förderung fremdsprachlicher Lehr-/ Lernprozesse dienlich sein sollen, dass ihnen jenseits dieser instrumentellen Kernfunktion aber noch weitere Funktionen (z.B. normativ-regulative, motivationale, kommerzielle) zukommen, • - in der Regel hoch komplexe, gedruckte und digitale Mehrkomponentensysteme sind, die Informationen in multimodaler Form enthalten, wobei allerdings das Lehrbuch (bzw. das Schülerbuch) als Schriftmedium nach wie vor im Mittelpunkt des schulischen Lehrens und Lernens der englischen Sprache steht (vgl. Kurtz 2011; 2014; Nieweler 2017). Derart gebildete und sich selbstständig fortlaufend weiterbildende Lehrer verstehen, dass • - es zur optimalen Verwendung englischunterrichtlicher Lehrwerke einer kritisch-reflexiv-emanzipatorischen Distanzierung bedarf, die nur aufgebaut werden kann, wenn umfassende (auch fachbzw. bezugswissenschaftliche) Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf alle sprachlichen und interkulturellen Dimensionen des Englischlehrens und lernens verfügbar sind bzw. für die unterrichtliche Nutzung des jeweils vorhandenen Englischlehrwerks aktualisiert werden können, • - sie in der 1. und 2. Phase der Englischlehrerbildung dahingehend nur exemplarisch vorbereitet werden können, und dass es in der 3. Phase (i.e. die Anfangsjahre im Lehrerberuf) und darüber hinaus nicht zu unterschätzender Bemühungen und persönlicher Anstrengungen (im Sinne von Fort- und Weiterbildung) bedarf, um Englischlehrwerke unter den jeweils vorzufindenden kontextuellen Bedingungen optimal nutzen zu können, • - Englischlehrwerke als komplexe didaktisch-methodische Assistenzsysteme für das Lehren und Lernen der englischen Sprache zu begreifen sind (vgl. hierzu weiterführend Kurtz 2014), nicht etwa als heimlicher Lehrplan, den es im Sinne einer ‚Erfüllung‘ kompetenz- und testorientierter Lernpensen vollständig abzuarbeiten gilt. Entsprechend gebildete Lehrer können • - Englischlehrwerke (als mediale Mehrkomponentensysteme) selektiv verwenden und ggf. adaptieren, um möglichst passgenaue, lehrwerkgebundene Lernumgebungen zu kreieren, <?page no="95"?> Ganzheitliche Englischlehrerbildung 95 • - lehrwerkgebundene und lehrwerkungebundene Unterrichtssequenzen entwickeln bzw. miteinander verknüpfen, um den Gesamtlehrgang sprachlich, inhaltlich, interkulturell ausgewogen und ggf. auch mehrsprachig zu gestalten, • - die in Kurtz (vgl. 2010, 159-161) im einigen Details dargelegten acht Fragenkomplexe zum ‚aufgeklärten‘ Umgang mit den Englischlehrwerk kontextualisieren, um konkrete didaktisch-methodische Herausforderungen zu bewältigen, • - letztendlich die Möglichkeiten und Grenzen des verwendeten Englischlehrwerks in Bezug auf sämtliche Lernbereiche des Englischunterrichts einschätzen und ggf. unterrichtliche Alternativen entwickeln. Schlussbemerkung In der tiefgreifenden Auseinandersetzung mit Englischlehrwerken kulminiert der Anspruch an eine kritisch-reflexiv-emanzipatorische Lehrperson, die sich im stressigen Berufsalltag eben nicht damit zufriedengibt, Englischlehrwerke (wie vorgefunden) im Unterricht abzuarbeiten. Eine ganzheitliche Englischlehrerbildung muss sich dieser Herausforderung von Anfang an (d.h. bereits in der 1. Phase) stellen, auch wenn die Zahl der universitären Lehrveranstaltungen, die derzeit für die englischdidaktischen und unterrichtspraktischen Studien zur Verfügung stehen, längst nicht hinreichend ist. Die englischdidaktische Lehrerbildungsforschung hat in den vergangenen zwanzig Jahren einige vielversprechende hochschuldidaktische Ansätze und Konzepte entwickelt und qualitativ-empirisch geprüft (beispielsweise forschendes Lernen, partizipative Aktionsforschung, Praxiserkundungsprojekte, blended learning, u.a.m.; vgl. hierzu weiterführend Legutke/ Schart 2016), die auch für die Englischlehrerbildung mittels englischunterrichtlicher Lehrwerke infrage kommen können. Mit der bevorstehenden, flächendeckenden Einbeziehung eines Praxissemesters in die erste Phase der Englischlehrerbildung wird sich die Frage der sinnvollen Nutzung von Lehrwerken wohl noch dringlicher stellen. Literatur Abbott, Andrew (2002): Aims of Education Address (September 26, 2002). University of Chicago. http: / / aims.uchicago.edu/ node/ 79 (29/ 03/ 2018). Benitt, Nora (2015): Becoming a (Better) Language Teacher. Classroom Action Research and Teacher Learning. Tübingen: Narr. Farrell, Thomas S.C. (Hrsg.) 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Eine Mehrzahl der Arbeitspapiere der letztgenannten drei Frühjahrskonferenzen begründet mit politisch-gesellschaftlichen Veränderungen und Umwälzungen die Forderung, die Disziplin möge die Lehrperspektive und insbesondere Stärken und Schwächen der Lehrerbildung ins Zentrum der Debatte rücken. Ohne Frage wird der Lehrperson explizit wie implizit eine Schlüsselrolle für die Erziehung zukünftiger Generationen und damit für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben zugewiesen. Lehrpersonen sind in vielfacher Weise wirkmächtig. Gleichzeitig wird der Fremdsprachendidaktik von einer Reihe Beitragender vorgehalten, sie habe die Lehrperspektive viel zu lange ignoriert. Bereits in der 6. FJK (1986) hatte Herbert Christ wie folgt angemerkt: „Wenn schon die Lehrperspektive in den vergangenen Jahrzehnten wenig beachtet wurde, dann ist im Rahmen dieser Lehrperspektive der Fremdsprachenlehrer als solcher in besonderer Weise am Rande des Interesses geblieben“ (Christ 1986, 50). Diese Bemerkung trifft cum grano salis auf die genannten drei weiteren Konferenzen zu, die fachpolitische und curriculare Fragen erörtern, Modelle vorstellen und differenzierte Ansätze zu einer Stärken-Schwächen-Analyse der deutschen Lehrerbildung liefern. Die Lehrperson selbst wird in den Arbeitspapieren, wenn überhaupt, nur indirekt angesprochen. Es scheint so, als gäbe es einen Konsens der Teilnehmenden zu dem, was eine Lehrperson, die Fremdsprachen unterrichtet, auszeichnet. Die erste Leitfrage ist folglich dazu angetan, diese Annahme kritisch zu prüfen. Mein Beitrag geht von den Überlegungen Earl Stevicks aus, die er in seinem Werk Teaching Languages: A Way and Ways (1980) entfaltete. Stevick wendet sich zunächst im ersten Kapitel der Frage zu, weshalb die Lernenden zu Recht im Zentrum des Fremdsprachenunterrichts stehen, letzterer dementsprechend als lernerorientiert zu konzipieren sei. Im zweiten Kapitel One View of Teaching präsentiert er dann fünf Funktionen, von denen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Lernenden erwarten können, dass sie von der Lehrkraft aus einer zentralen Position im Bildungsgeschehen wahrgenommen werden: „[…] that we as teachers stand steadfast at the cen- <?page no="99"?> Die Bedeutung -des -Lehrens -beim Lernen -von -Fremdsprachen 99 ter of language education“ (Stevick 1980, 80). Er stellt damit dem Prinzip der Lernerorientierung eine begründete Zentralität der Lehrkraft an die Seite, die sich aus folgenden Funktionen herleitet: Mit cognitive function (1) bezeichnet er den offensichtlichen Grund, warum Lernende die Lehrenden brauchen, warum sie deren Nähe suchen oder suchen müssen, denn letztere besitzen das, was die Lernenden (noch) nicht besitzen, nämlich Wissen über Sprachen, Kulturen. „ […] we have what caused them to come - or to be sent - to the course in the first place“ (ebd., 16). Ebenso offensichtlich wie die erste ist die management function (2), die sich aus der Verantwortung herleitet, eine sichere und produktive Lernumgebung für die Lernenden zu garantieren („[a] stable arena for meaningful action“ (ebd. ,22)). Die dritte Funktion wird durch die höchst konkrete Aufgabe (3) bestimmt, die Lerngegenstände an die jeweiligen Lerngruppen und Lernkontexte anzupassen, Schwierigkeiten zu entflechten, Abfolgen von Lernschritten zu planen sowie im Hinblick auf kurzwie langfristige Ziele Entscheidungen zu fällen und für diese Verantwortung zu übernehmen. Dass die Lehrperson im Klassenzimmer mit großer Macht ausgestattet ist, leitet sich nicht zuletzt aus dem gesellschaftlichen Auftrag her, Lernerleistungen zu benennen und zu bewerten, woraus sich für Stevick die Funktion ergibt, die er als personal or interpersonal (4) bezeichnet. Aufgrund dieser gesellschaftlich begründeten Zentralität bestimmt die Lehrkraft als Person entscheidend die interpersonale Atmosphäre des Klassenzimmers, die Lernkultur, einen Aspekt, den Stevick in der fünften Funktion konkretisiert. Diese paraphrasiert er mit Bezug auf zwei Begriffe, nämlich die Begeisterung für die Aufgabe und der Überzeugung ihres Wertes (5): […] the teacher may radiate enthusiasm [H i. O.] for the task at hand, and conviction of its value. […] I am talking here not so much about what the teacher says explicitly as about what the student infers from her/ his manner. This is more subtle than the other four ways in which the teacher is “central” to the course, yet it is perhaps the most indispensable of the five. (Stevick 1980, 17) Mit Blick auf die Schlüsselbegriffe Steuerung/ Kontrolle (control) und Initiative (initiative) erläutert Stevick dann, dass Lernerorientierung und die Zentralität der Lehrkraft keinen Gegensatz bilden, sondern sich in der Dynamik des Klassenzimmers notwendigerweise ergänzen. In exercising “control”, then, the teacher is giving some kind of order, or structure, to the learning space of the student. In encouraging him to take “initiative”, she is allowing him to work, and to grow, within that space. (Stevick 1980, 20) Um diese Aussage zu konkretisieren, formuliert Stevick sieben, in sich anspruchsvolle Wege und Möglichkeiten für das Fremdsprachenlehren, die sich <?page no="100"?> Michael K. -Legutke 100 aus der Zentralität der Lehrkraft ergeben. Er umreißt damit das Tätigkeitsfeld der Lehrperson und benennt Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche die gegenwärtige Diskussion um professionelle (Teil)Kompetenzen bereichern können. Aus diesem Grund sollen die sieben Wege und Möglichkeiten im Folgenden kurz skizziert werden. Stevick nennt zunächst die Fähigkeit der Lehrkraft, die Lernvoraussetzungen der Lernenden, alles das, was sie mitbringen, zu verstehen, ihre Haltungen zu dekodieren und ihre Sprachentwicklung im sozio- und psychodynamischen Kontext der Gruppe(n) zu fördern. Es geht darum, die Lerngruppen lesen zu können. Dazu bedarf es Konzepte (some general framework), die es gestatten, Beobachtetes oder Gelesenes einzuordnen und Lernwege zu entwerfen sowie Hilfen anzubieten. Die Fähigkeit, in Lernmaterialien, Unterrichtsentwürfen und bei der Wahl konkreter Aktivitäten die Spielräume aufzuspüren, die es den Lernenden ermöglichen, selbst Initiativen zu ergreifen und eigene (Lern)Wege zu erproben, bestimmt den zweiten Weg. Die Spielräume beziehen sich sowohl auf Phasen des Übens als auch auf Phasen des kommunikativen Sprachgebrauchs. Das Aufspüren und Gestalten solcher Spielräume im Hier-und-Jetzt des Klassenzimmers als gemeinsame Aufgabe der Lerngruppe wäre der dritte Weg, auf dem die Lernenden die Möglichkeit erhalten, im Kontakt mit der fremden Sprache und Kultur, im Dialog mit der Lehrkraft und den Mitlernenden als sie selbst zu Wort zu kommen. Damit wächst die Chance, dass sich eine produktive und dynamische Lerngemeinschaft konstituiert, die den Lernenden einerseits die nötige Sicherheit bietet, mit den Verunsicherungen des Sprachenlernens umzugehen und zugleich ihre Experimentierfreude stärkt. „The things we do in class, and the things we talk about, begin to draw their reality more widely and more deeply from the here and now“ (Stevick 1980, 26). Eine so verstandene dynamische Lerngemeinschaft verschafft dem Einzelnen in der Gruppe die notwendige Sicherheit, die Stevick so fasst: „[…] if I am a student, my place within the corner of my universe that is the classroom becomes more secure“ (ebd., 27). Die vierte Möglichkeit fokussiert die Fähigkeit der Lehrperson, die Fremdsprache selbstbewusst, glaubwürdig und damit authentisch im Unterricht zu verkörpern. Ganz im Jargon der Zeit spricht Stevick von „good vibes“, die die Lehrkraft als Person ausstrahlt und die damit die Lerngruppe entscheidend prägt (vgl. auch Appel 2016): They take the form of facial expressions, body postures, tones of voice, and inferences which the student may draw for himself from what the teacher says and how she says it. These messages are all the more credible, and therefore more effectice, because the student does not perceive them as being consciously directed at him by the teacher. (Stevick 1980, 27) <?page no="101"?> Die Bedeutung -des -Lehrens -beim Lernen -von -Fremdsprachen 101 Der fünfte Weg, den die Lehrkraft beschreiten kann, wird von ihrer Fähigkeit bestimmt, unterschiedliche, dem jeweiligen Unterrichtsgeschehen angemessene Rollen zu übernehmen und glaubwürdig zu vertreten. Stevick benutzt den Begriff der Maske und deutet damit auf den inszenatorischen Charakter von Unterricht, seine Theatralik hin: (Teachers can) leave - or appear to leave the Teacher role from time to time, and act the part of an ordinary person. […] Their non-verbal behavior is the same that they might use at home, in the living room, talking with guests: animated, engaged, apparently interested in the other speaker(s) and in what is being said. When wearing the Ordinary Person mask, the teacher appears (H. i. O) to be speaking quite spontaneously, at normal conversational speed, and saying whatever comes into her mind. In fact, of course, she is filtering what she says through her awareness of what the students are likely to understand. (Stevick 1980, 28) Diese Art von authentischem Maskenwechsel im Hier-und-Jetzt bildet für Stevick die der Künstlichkeit des Klassenzimmers angemessene Brücke zur Welt draußen und hat das Potenzial den Lernenden im Klassenzimmer selbst die aufregende Erfahrung zu ermöglichen, in der Welt draußen zu bestehen (ebd., 26). Der sechste Weg führt über die Förderung einer produktiven Selbstwahrnehmung der Lernenden, die sich dann entfalten kann, wenn die kritische Distanz zum momentan Erreichten das weitere Handeln in der Sprache, das Performative, nicht blockiert, sondern vielmehr beflügelt: „[…] the student’s Conscious, Critical Self should have learnt to help, and not to hinder, his Performing Self“ (Stevick 1980, 29). Die Herstellung einer produktiven Balance wird nach Stevick u.a. von der Art und Weise abhängen, wie die Lehrkraft die Interaktionen im Klassenzimmer führt und insbesondere Bewertungen und Korrekturen inszeniert, wie konsequent und zugleich entspannt, wie fordernd und fördernd sie ihre Zentralität lebt. Siebtens schließlich nennt Stevick die Fähigkeit der Lehrkraft, den Kurs, die Themen, die gewählten Materialien, Aufgaben und Übungen, aber auch das eigene Lehrverhalten in der Gruppe zur Disposition zu stellen. Das sollte in regelmäßigen Abständen und klar markierten Unterrichtsphasen, z.B. in „teacher-student conferences“ geschehen, in denen nicht nur die Lernenden zu Wort kommen, sondern Lehrhandlungen erklärt und begründet werden. Indem die Lehrkraft ihr Lehren für die Lernenden transparent macht und deren Rückmeldungen aufnimmt, überprüft sie die Wirkungen ihrer Zentralität. Zugleich öffnet sie den Raum für Initiativen der Lernenden, die dadurch die Möglichkeit erhalten für die Gestaltung des Lernraums („worlds of meaningful action“) (Mit)Verantwortung zu übernehmen. Um die Zentralität der Lehrkraft in einem konsequent lernerorientierten Klassenzimmer, dessen Dynamik aus dem subtilen Wechselspiel von Steue- <?page no="102"?> Michael K. -Legutke 102 rung/ Kontrolle und Initiative resultiert, zu verdeutlichen, erzählt Stevick abschließend die Geschichte eines Kindes, dem erlaubt wurde, unter den höchst aufmerksamen Augen des Kapitäns eine Auto- und Personenfähre durch einen Teil der Juan de Fuca Strait (zwischen Victoria, BC und Seattle, WA) zu steuern. Wegen der vielen Inseln und Untiefen handelt es sich um eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, die das Kind konzentriert und erfolgreich meistert. Mit den fünf Funktionen und sieben „Wegen“ oder Art und Weisen skizziert Stevick das Tätigkeitsfeld von Lehrenden und markiert damit grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erworben und ausgebildet werden müssen. Die folgenden Abschnitte greifen deshalb im Anschluss an Stevicks A Way and Ways einige Aspekte der Lehrerbildung auf. 2 - Lehren lernen: die Bedeutung Universität Die auf den Kontext Schule bezogene Lehrerbildung in Deutschland unterscheidet sich deutlich von den Konzepten anderer Länder. In ihrer dreiphasigen Struktur und in der Kombination von zwei oder mehr Fächern ist sie im internationalen Vergleich höchst anspruchsvoll. Das betrifft besonders die universitäre Phase der Ausbildung sowie die Phase des Referendariats. Stärken und Schwächen der universitären Phase wurden in den Papieren der 23. FJK differenziert erörtert. 1 Zu den Stärken gehört ohne Frage, dass Kompetenzentwicklung auf Master-Niveau mit einem breit angelegten Zwei-Fächer- Studium erfolgt, mit der für viele internationale Kontexte unbekannten Integration der Fachdidaktik als eigenständige Fachdisziplin, mit der Einbeziehung der Bildungswissenschaften und der Integration betreuter Praxisphasen. An der Universität werden die Weichen für späteres Lernen gestellt, erfolgen erste Kontakte mit der Unterrichtspraxis, können Rollenerwartungen geprüft und die Begeisterung für das Fach entwickelt werden, auf die Stevick verweist. Dass Lehren lernen zunächst im Kontext der Wissenschaften erfolgt, ist dabei von entscheidender Bedeutung und muss gegen jeden Versuch, Bildung durch Training zu ersetzen und Ausbildungsinhalte ausschließlich an sogenannten Anforderungen konkreter Praxis auszurichten, verteidigt werden. Andererseits müssen sich alle an der Lehrerbildung beteiligten Fächer sehr wohl die Frage gefallen lassen, wie die von ihnen vertretenen Inhalte und Arbeitsweisen zur Lehrerbildung beitragen und mit den Tätigkeiten und Anforderungen des Berufsfelds korrespondieren, wie sie jeweils die Weichen für weiteres Lernen stellen. Die Antworten werden notwendigerweise je nach Nähe oder Ferne zum Handlungsfeld sehr unterschiedlich ausfallen. Die Fächer müssen ferner klären, ob und inwieweit sie im Zusammenspiel mitei- 1 Als Beispiel diene die Überblickstabelle von Klippel (2003, 116-117) und die Zusammenfassung von Caspari (2003). <?page no="103"?> Die Bedeutung -des -Lehrens -beim Lernen -von -Fremdsprachen 103 nander der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte dienen können. Es ist zu hoffen, dass zumindest einige der Projekte der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ Antworten liefern und damit deutlich machen, was die Universität leisten muss und kann und was in andere Phasen der Lehrerbildung, z. B. in das Referendariat, gehört. 2 Das Verhältnis von wissenschaftlichem Fach und dem Tätigkeitsfeld der Lehrenden soll an zwei Beispielen kurz verdeutlicht werden: Trotz der Nähe der Fachdidaktik zum komplexen Handlungsfeld Unterricht wäre ihre Aufgabe als wissenschaftliches Fach falsch verstanden, würde man von ihr erwarten, dass sie zukünftige Lehrkräfte auf alle möglichen Szenarien und Konstellationen der Praxis vorbereiten könne. Wohl aber kann sie ganz im Sinne Stevicks Konzepte vermitteln und Erfahrungen anleiten, die dabei helfen Lerngruppen „lesen“ zu lernen, ihre Dynamik wahrzunehmen, didaktische Handlungen zu erkennen und zu begründen. Sie kann bei den Studierenden eine forschende Haltung zum Unterricht fördern, die in angeleiteten Praxisphasen erprobt und differenziert wird. Sie kann Haltungen verdeutlichen. Es geht darum, Unterricht (Lehren und Lernen in spezifischen Kontexten) zu verstehen und erklären zu lernen - erste Praxisversuche eingeschlossen. Eine systematische Praxisausbildung ist nicht Aufgabe der Universität. Ebenso wäre es eine falsch verstandene und verengte Vorstellung von Praxisbezug, würde man von der Kultur- und Literaturwissenschaft verlangen, die Auswahl von Inhalten und Texten nur an den Anforderungen des Berufsfelds Schule zu orientieren. Sicher können Analyse und Interpretation von Jugendromanen Gegenstand literaturwissenschaftlicher Lehrveranstaltungen und deshalb für zukünftige Fremdsprachenlehrkräfte besonders relevant sein. Der Beitrag für die Qualifizierung zukünftiger Lehrkräfte besteht jedoch ganz im Sinne von Stevicks cognitive function darin, sowohl ein breites Wissen über komplexe kulturelle Zusammenhänge und ihre mediale Repräsentation zu vermitteln, als auch Methoden ihrer Analyse im Diskurs mit den Studierenden zu praktizieren. Wer - ausgestattet mit Erklärungswissen zu kulturellen Zusammenhängen - gelernt hat, durch die Partizipation in solchen Diskursen an der Universität im Umgang mit vielfältigen Texten Perspektivenvielfalt zu erkunden und eigene Positionen reflektiert zu formulieren, bringt Voraussetzungen mit, für den Klassenzimmerdiskurs angemessene Inhalte und Texte auszuwählen und kulturelles Lernen anzuleiten. Aus der Tatsache, dass sich alle an der wissenschaftlichen Lehrerbildung beteiligten Fächer zunehmend spezialisiert und differenziert haben, ergibt sich zwingend die Verpflichtung, dass sie ihren speziellen Beitrag zu Förderung von Lehrkompetenz und damit zum Berufsbezug reflektieren und trans- 2 Besonders verweisen möchte ich auf die Ergebnisse des Wuppertaler Symposiums „Kohärenz und Korrespondenz in der Englischlehrerbildung“ Diehr (erscheint) <?page no="104"?> Michael K. -Legutke 104 parent machen sowie ein begründetes Angebot von Überblicks- und Vertiefungswissen liefern, das die Grundlage für weiteres Lernen schafft. Eine solche (notwendige) Klärung kann nur im interdisziplinären Diskurs erfolgen, der in vielen Papieren beschworen, bisher aber nur selten in die Tat umgesetzt wird. 3 - Dialogisches Lernen und professionelle Unterrichtswahrnehmung Die von Stevick apostrophierte Zentralität der Lehrkraft in einem lernerorientierten Fremdsprachenunterricht zeigt sich u.a. in der Gestaltung und Sicherung von Spielräumen, deren Produktivkraft wesentlich vom Zusammenspiel didaktischer, pädagogischer und personaler Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lehrkraft bestimmt wird. Solch integrierte Fähigkeiten werden in einem kumulativen Lernprozess über Jahre ausgebildet. Der Weg führt neben der Aneignung von Grundlagen- und Vertiefungswissen über erste angeleitete Lehrerfahrungen, über Erfahrungen als Noviz*innen bis hin zur Festigung von Routinen auf der Basis breiten Erfahrungswissens. Die universitäre Ausbildung kann dann ihrer Aufgabe gerecht werden, eine Wissens- und Erfahrungsbasis für solch kumulatives Lernen integrierter Fähigkeiten zu schaffen, wenn sie sich, wie Legutke und Schart (2016) im Anschluss an Freeman und Johnson (1998) argumentieren, um die Gestaltung von Lehr- und Lernmodi bemüht, die von vier Maximen bestimmt sind: (1) Die Lehrenden als Personen werden in den Blick genommen. (2) Die Prozessqualität von Unterricht und seine kontextbedingten Ausprägungen werden fokussiert. (3) Modelllernen und experimentelles Lernen werden ermöglicht. (4) Forschendes Lernen wird unterstützt und gefördert. Bei der Realisierung solcher Lehr- und Lernmodi wird es vor allem darauf ankommen, Fremdsprachenunterricht in seinen konkreten Erscheinungsformen zu erkunden und diskursiv, in Bezug auf Theorien und Konzepte zu erörtern. Berücksichtigt werden sollte der durch die schulische Sozialisation der Studierenden erlebte Unterricht, wie er sich in subjektiven Theorien niederschlägt. Großes Potenzial für das Lehren Lernen kommt ferner dem durch audio-visuelle Medien verfügbaren dokumentierten Unterricht zu. Seine systematische Intergration in die universitäre Lehre kann einen differenzierten Zugang zu den von Stevick charakterisierten Lehrfunktionen ermöglichen und damit eine professionelle Unterrichtswahrnhmung der Studierenden fördern. Der in Praxisphasen beobachtete und selbstgehaltene Unterricht erlaubt den Aufbau einer forschenden Haltung und legt das Fundament reflektierten Erfahrungslernens, wenn er entsprechend diskursiv-dialogisch bearbeitet wird. Auch antizipierter Unterricht, wie er oft in Form von Skizzen oder Modellen etwa in literaturdidaktischen oder landeskundlichen Seminaren in Erscheinung tritt, ist ein lohnender Gegenstand dialogischer Arbeit. Schließlich ist der Unterricht an der Hochschule mit seinen unterschiedlichen Forma- <?page no="105"?> Die Bedeutung -des -Lehrens -beim Lernen -von -Fremdsprachen 105 ten zu nennen, deren (Modell)Funktion für die Entwicklung von Lehrkompetenz bis heute kaum erörtert wurde. Die Konkretisierung, curriculare wie interdisziplinäre Vernetzung und kritische Überprüfung solcher auf Dialog angelegter Lehr- und Lernmodi an der Hochschule sind meines Erachtens Zukunftsaufgaben unserer Disziplin, die sofort in Angriff genommen werden könnten. Dabei sollten sowohl Forschungsergebnisse zur professionellen Unterrichtswahrnehmung (Gießler 2016) Beachtung finden wie bisher vorgelegte Praxisberichte zu Szenarien dialogischen und forschenden Lernens in der ersten Phase der Lehrerbildung (Legutke 2016). 4 - Forschendes Lehren und Lernen - ein Forschungsprojekt Blickt man auf die theoretische und empirische fremdsprachendidaktische Lehrerbildungsforschung zurück (Legutke/ Schart 2016b), so fällt auf, dass diese bis vor wenigen Jahren vor allem durch Qualifikationsarbeiten einzelner Forscher*innen vertreten wurde. Erst in jüngster Zeit nehmen sich Forschergruppen des komplexen Gegenstands mit interdisziplinären Zugängen und komplexen Designs an. Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ wird der Forschung in größeren Verbünden hoffentlich zusätzlich Schubkraft verleihen. Ob sie wirklich zu belastbaren Ergebnissen führt, bleibt abzuwarten. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Erträge einzelner Projekte und den Beitrag, den die Fremdsprachendidaktik leisten kann. In den Debatten um das Qualifizierungsprofil für Fremdsprachenlehrende wird seit Jahren das Prinzip des forschenden Lernens/ Studierens und Lehrens als Grundlage für eine gelingende Lehrerbildung erörtert (Schocker-v. Ditfurth 2001). Auch außerhalb der Fremdsprachendidaktik, nämlich in Teilen der Bildungswissenschaften oder in der literatur- und kulturwissenschaftlichen Hochschuldidaktik wird mit Nachdruck für eine konsequente Orientierung an dem Prinzip plädiert, um damit Voraussetzungen für exzellente Lehre zu schaffen (Hallet 2013; Nünning 2013). Hier scheint sich ein fach- und institutionenübergreifender Konsens abzuzeichnen, wie das Wuppertaler Symposium eindrücklich bestätigte (Diehr, Frisch, Legutke 2018 erscheint). Es wäre zu wünschen, dass dieser Konsens als Produktivkraft für ein Bemühen innerhalb und zwischen den Disziplinen wirken könnte, Lehr- und Lernformen an der Hochschule zu konkretisieren, die forschendes Studieren befördern und genauer bestimmen, was forschendes Lehren in den sehr unterschiedlichen Lernarrangements an der Hochschule und für die unterschiedlichen Fachdisziplinen bedeutet (Legutke 2016). Ein inner- und interdisziplinärer Dialog über Grenzen und Möglichkeiten forschenden Lehrens und Lernens, zusammen mit einer ersten Dokumentation von Lehrpraxis könnte den Ausgangspunkt für ein größeres theoretisch-konzeptuelles wie empirisches, die Fachgrenzen überschreitendes Forschungsprojekt liefern. <?page no="106"?> Michael K. -Legutke 106 Literatur - Appel, Joachim (2016): „Fremdsprachen lehren: Interaktion, Wissen, Denkstil“. In: Klippel (Hrsg.), 21-38. Bausch, Karl-Richard/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003): Fremdsprachenlehrerausbildung. 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Ditfurth, Marita (2001): Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung. Grudlagen, Erfahrungen, Perspektiven. Tübingen: Narr. Stevick, Earl (1980): Teaching Languages. A Way and Ways. Boston, MA: Heinle & Heinle. <?page no="108"?> Lernkompetenz als Grundlage von Professionalität: Plädoyer für ein lebenslanges Lernen Hélène Martinez 1 - Herausforderung Lernerorientierung: Rollen, Rollenanforde--‐ rungen und Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften Der Paradigmenwechsel von der Lehrerzur Lernerorientierung hatte zur Folge, dass die Lehrperson in den letzten drei Jahrzehnten kaum im Mittelpunkt der Forschung stand (vgl. Königs 2014; 2016; Schart 2014; Legutke/ Schart 2016a). In der Praxis führte dies allerdings nicht dazu, dass die Lehrperson und ihre Rolle im institutionellen Lehr- und Lernprozess obsolet wurden. So wird in der einschlägigen Fachliteratur bereits in den 80er Jahren argumentiert, dass die Rollenzuschreibungen und Aufgaben der Lehrkraft im Zuge der Lernerorientierung - und dem anspruchsvollen Ziel der Lernerautonomie - diversifizierter, differenzierter und komplexer geworden sind: (...) contrairement à l’appréhension que soulève très souvent le concept d’autonomie de l’apprentissage, l’enseignant verra son rôle diversifié plutôt que réduit, renforcé plutôt qu’allégé (non en termes d’autorité, mais en termes de compétence) (…). L’enseignant traditionnel, dont on pouvait penser qu’il était ‚remplaçable’ (cf. les machines à enseigner), laissera la place à un enseignant dont le rôle dans le processus du développement de l’apprenant sera irremplaçable (Holec 1980, 25f.). Wie Königs (2016, 68ff.) zu Recht herausstreicht, gehen Entwicklungen in der Fremdsprachenlehrforschung (Lernerautonomie, Mehrsprachigkeit etc.) mit Veränderungen in der Lehre und mit neuen Herausforderungen und Aufgaben für die Lehrperson einher. „Diese muss nämlich aushalten, dass sie möglicherweise die ‚Deutungshoheit‘ über den Lerngegenstand hat, nicht aber über den Lernprozess“ (ebd., 70). Wenn auch die Notwendigkeit unbestreitbar ist, den Lehrer im Hinblick auf Lernerorientierung bzw. Lernerautonomie auszubilden, so sind allerdings diese als neu bezeichneten Kompetenzen bis heute unzureichend definiert. Einen Versuch, die Kompetenzen des autonomiefördernden Lehrers sowie den Handlungsspielraum des Lehrers bei der Förderung der Lernerautonomie zu beschreiben, hat Crabbe (1999) unternommen. Crabbes Erarbeitung der Lehrerkompetenzen basiert auf der Wechselbeziehung der drei folgenden Perspektiven und auf der Interdependenz und Aushandlung (negotiation) zwischen Lehrer und Lerner (vgl. ebd., 253f.): <?page no="109"?> Lernkompetenz als -Grundlage -von -Professionalität 109 a) - die Perspektive des Lerners mit besonderem Blick auf die internen Einflussfaktoren und Kompetenzen, die im Rahmen eines autonomiefördernden Fremdsprachenunterrichts zu erwerben sind (acquisition factor in which learners can develop self-management); b) - die Perspektive des Lehrers mit Schwerpunkt auf den Verfahren und Prozessen, die er initiieren sollte, um den Lernenden das Erreichen der erwähnten Kompetenzen zu ermöglichen (examples of process standards for teachers to reach); c) - die Perspektive des Lehrers im Hinblick auf die Kompetenzen, über die er selbst verfügen sollte (associated teacher knowledge or skill). Die Rolle der Lehrkraft (examples of process standards for teachers to reach) ist es, dem Lernenden Gelegenheiten zu bieten, über seine individuellen Variablen (Motivation, Einstellungen, etc.), über Lernziele und Lernstrategien zu reflektieren, die Zielsprache in authentischen Situationen anzuwenden sowie Sprach- und Sprachlernbewusstheit zu entwickeln ( à acquisition factor in which learners can develop self-management). Eine Konkretisierung der Lehrerkompetenzen, Perspektive c) (associated teacher knowledge and skills), ergibt sich aus den Perspektiven a) und b). Daraus lassen sich eine Reihe deklarativer Wissensinhalte und prozeduraler Fähigkeiten (Wissen über Überzeugungen bzw. beliefs, über Motivation, Lern- und Kommunikationsstrategien usw.) ableiten, welche die von dem Lernenden zu erwerbenden Kompetenzen widerspiegeln. Eine solche Kompetenzbeschreibung ist nicht erschöpfend und die Inhalte sind im Hinblick auf institutionelle Lehr- und Lernsituationen in zukünftigen empirischen Untersuchungen zu präzisieren. Dennoch werden damit Perspektiven zur Definition der Lehrerrolle eröffnet. Versucht man diese Überlegungen zu verallgemeinern, kann geschlussfolgert werden, dass der Fremdbzw. der Französisch- und Spanischunterricht von den Lernenden aus zu denken ist und die Aufgaben der Lehrkräfte ausgehend von Lernern, Lernerfaktoren und den fremdsprachlichen Lernprozessen zu definieren sind (vgl. auch Königs 2016; Schocker 2016). Die Rolle der Lehrperson entspricht grosso modo der Rolle eines Lernbegleiters und Lernhelfers („ideal helper“), dessen Aufgaben darin bestehen, (fremdsprachliche) Lernanlässe (innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers) bereitzustellen, fremdkulturelle und fremdsprachliche Lernprozesse anzuregen und zu unterstützen, wobei unterrichtliche Lerngelegenheiten als das Ergebnis sozialer Ko- Konstruktion zu sehen sind, an denen Schüler wie Lehrkräfte beteiligt sind. 1 1 Die Rollen der Lehrkraft lassen sich selbstverständlich nicht auf eine einzige einschränken. Aufgrund der vielfältigen, teilweise auch disparaten und widersprüchlichen (Rollen-)Anforderungen und Aufgaben, denen Lehrkräfte in der Regelschule gerecht werden müssen, bevorzugen Perkhofer-Czaper/ Potzmann (2016, 31) den Begriff der Rollensektoren. Zum Rollenspektrum von Lehrerinnen und Lehrern s. ebenfalls Perkhofer-Czaper/ Potzmann (2016, 89). <?page no="110"?> Hélène Martinez 110 Weiterhin wurde und wird zunehmend anerkannt, dass die Aufgaben eines „enseignant de type nouveau“ (Holec 1980) eine professionelle Kompetenz bzw. eine Professionalität erfordern. „Professionalität wird in einem weiten Sinne verstanden als die für eine erfolgreiche Ausübung des Lehrberufs notwendigen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Überzeugungen usw.“ (Roters/ Trautmann 2014, 51). In Anlehnung an diese weite Definition verstehe ich Professionalität als die Fähigkeit, adäquate Ressourcen zu mobilisieren, um eine Lehraufgabe angemessen lösen zu können (vgl. Martinez 2015). Dieses Verständnis greift auf die Modellierung von Kompetenz des französischen Arbeitspsychologen Le Boterf (2009; 2014) zurück. Nach ihm ist Kompetenz weit mehr als lediglich die Summe von Wissen und Fertigkeiten, die sich irgendwann und irgendwo abrufen lassen. Als kompetent gilt eine Person, wenn es ihr gelingt, die für eine Problemlösung jeweils notwendigen Ressourcen (Wissen, Einstellungen, Fertigkeiten) zu identifizieren, zu mobilisieren und miteinander zu kombinieren (Le Boterf 2009; 2014). Kompetenz ist demnach „la faculté de mobiliser des savoirs, savoir-faire et savoir-être dans une situation professionnelle donnée“ (Saunier 1997 zitiert nach Leupold 2000, 180), ein „savoir-mobiliser“ (Le Boterf 2009) bzw. eine Mobilisierungsfähigkeit. Das Konzept von ‚Ressourcen‘ liegt im Kern des Konzepts von Kompetenz. Ressourcen bestehen dabei nicht nur aus deklarativen Wissensbeständen, sondern sind prozeduraler und personenbezogener Art. Darüber hinaus impliziert der Begriff „faculté (de mobiliser...)“, dass die Person über savoir-apprendre verfügt, was eine handlungsleitende und zielführende Identifizierung, Bündelung und Mobilisierung der zur Lösung einer Aufgabe notwendigen Ressourcen ermöglicht. Damit wird eine Dimension von Kompetenz herausgestrichen, die einer kompetenten Handlung zugrunde liegt und für deren Entfaltung wesentlich ist. Dieses savoir-apprendre bzw. diese Lernkompetenz ermöglicht, dass Lehrende über das eigene Handeln reflektieren und es entsprechend regulieren (können), sich also ihrer Ressourcen bewusst sind, ggf. sie transferieren oder nach weiteren suchen und sie je nach Anforderung aktivieren (vgl. Martinez 2013; 2015). Zurzeit lässt sich in der fremdsprachendidaktischen Professionsforschung verstärkt eine Tendenz erkennen, das Konstrukt professionellen Wissens von Lehrkräften näher zu konzeptualisieren und zu erfassen (Hoinkes/ Weigand 2016; Kirchhoff 2017; Roters et al. 2013). Nicht ausreichend berücksichtigt erscheint mir allerdings der Bereich des savoir-apprendre, welcher als transversale - selbstregulierende - Komponente zu verstehen ist und für die Anpassung an die sich verändernden Bedingungen und die Entwicklung der eigenen professionellen Kompetenz im Sinne lebenslangen Lernens unabdingbar ist (vgl. auch Leupold 2000). <?page no="111"?> Lernkompetenz als -Grundlage -von -Professionalität 111 2 - Lehrerprofessionalität und Fachkompetenz oder die Frage nach der berufsspezifischen fremdsprachlichen Kompetenz Fachkompetenz ist eine der zentralen Komponenten der Lehrerprofessionalität (vgl. auch u.a. Baumert/ Kunter 2006). Folgt man der Modellierung von Kompetenz als Mobilisierungskompetenz, so wird Fachkompetenz - als Ressource - aktiviert, um adäquat in einer bestimmten Situation handeln zu können. Wie bedeutsam Fachwissen für das Handeln von Fremdsprachenlehrkräften ist, haben zuletzt Legutke/ Schart (2016b) überzeugend dargestellt. Mit Blick auf Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer umfasst Fachkompetenz einerseits das Fachwissen bezogen auf das Fach Französisch bzw. Spanisch, andererseits die jeweilige fremdsprachliche Kompetenz. Auf diese Kompetenz, ihre mögliche Beschreibung bzw. Konzeptualisierung und Förderung konzentriere ich mich im Folgenden, da dieser Aspekt im aktuellen Diskurs der Professionsforschung bisher wenig berücksichtigt wurde. Fremdsprachenunterricht unterscheidet sich vom Unterrichten anderer Fächer dadurch, dass die Fremdsprache zugleich Ziel und Weg ist. Dies erfordert eine hohe fremdsprachliche Kompetenz bzw. eine hohe Flexibilität in der Zielsprache sowie die Fähigkeit der (angehenden) Lehrkräfte, diese fremdsprachliche Kompetenz stets weiter zu entwickeln. Professionalität impliziert in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, die eigenen Sprachkenntnisse und Fertigkeiten im Hinblick auf die unterrichtliche Praxis zu reflektieren, die Belange der unterrichtlichen Praxis zu identifizieren und die eigene sprachlich-kommunikative Kompetenz situativ zu adaptieren bzw. weiterzuentwickeln. 2 In den Lehramtsstudiengängen werden leider meistens die sprachpraktischen Lehrveranstaltungen ohne Rückkoppelung an die Berufspraxis konzipiert. Damit besteht die Gefahr, dass die Passung zwischen Ausbildung und späteren Praxisanforderungen nicht ausreichend berücksichtigt wird und dass nicht die sprachlichen Kompetenzen vermittelt bzw. geprüft werden, die für das Unterrichten tatsächlich erforderlich sind. An dieses Desiderat knüpft das Schweizer Projekt „berufsspezifische Sprachkompetenzprofile für Lehrpersonen für Fremdsprachen“ an der PH St. Gallen an (vgl. Egli Cuenat et al. 2010, 45). Es vereinigt die Förderung sprachlichen und fachdidaktischen Wissens und listet ausgehend von unterrichtlichen Arbeits- und Handlungsfeldern eine Reihe von berufsspezifischen sprachlich-kommunikativen und sprachdidaktischen bzw. pädagogischen Kompetenzzielen. Die Beschreibung berufsspezifischer Sprachkompetenzen ist in fünf beruflich relevanten Handlungsfeldern strukturiert: 1. Unterricht vorbereiten, 2. Unterricht durchführen, 3. Beurteilen, Rückmeldungen geben und beraten, 4. Außenkontakte gestalten, 2 Diese Kompetenz ist für die Lehre im Rahmen fachfremden (Fremdsprachen-) Unterrichts unerlässlich. <?page no="112"?> Hélène Martinez 112 5. Lernen und sich weiterbilden. Die Grundstruktur der Profile ist unterteilt in „kommunikative Fertigkeiten“ (als Kann-Beschreibungen formuliert) und „Aufgabenbereiche“, die eine (Fremdsprachen-)Lehrkraft für die Ausübung ihres Berufs benötigt. 3 Diese Kompetenzprofile sind für die Schweiz - für die Fächer Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch - konzipiert, aber international anschlussfähig und könnten für die Erarbeitung von Curricula für die fremdsprachliche Ausbildung angehender Lehrkräfte an deutschen Universitäten dienen und möglicherweise als Basis für die Überprüfung und Zertifizierung berufsspezifischer Sprachkompetenzen. Am Institut für Romanistik der JLU Gießen werden in diesem Sinne zurzeit lehramtsbezogene UniCert-Angebote formuliert. In dieser Logik und in Anlehnung an die fremdsprachendidaktischen Studien zum professionellen Wissen (Hoinkes/ Weigand 2016; Kirchhoff 2017) ist m.E. Fachwissen nicht mit „reine[m] Universitätswissen, das vom Curriculum der Schule losgelöst ist, [gleichzusetzen, sondern es entspricht] eine[m] „tiefere[n] Verständnis der Fachinhalte des Curriculums der Sekundarstufe [I und II]“ (Kirchhoff 2017, 122). Diese Ausführungen legen den Schluss nahe, dass die fachspezifischen KMK-Standards für die Lehrerbildung 4 zu kurz greifen. Die Standards für die Sprachpraxis weisen eine ‚reduzierte‘ Sprachkompetenzbeschreibung aus, die die zukünftige berufliche Situation angehender Lehrkräfte nicht berücksichtigt. Weder die Fähigkeit, die eigene Kompetenz weiterzuentwickeln im Sinne von savoir-apprendre noch eine engere Verflechtung zwischen Sprachpraxis und Fremdsprachendidaktik sind angedacht (siehe die berufsspezifischen Sprachkompetenzprofile). Die Standards für die Fremdsprachendidaktik sind auch auf reines Wissen eingeschränkt und berücksichtigen nicht Fertigkeiten und Einstellungen, geschweige denn savoir-apprendre (siehe oben). Wie fremdsprachendidaktische Kompetenzstandards aussehen könnten, hat Wipperfürth (2009) am Beispiel der Lehrersprache, der Mehrsprachigkeit und der interkulturellen Kompetenz überzeugend ausgeführt (vgl. auch Martinez 2015). Das Fachwissen bezogen auf Linguistik und Literatur ist reines universitäres Wissen und wird nicht in Bezug auf die Belange der unterrichtlichen Praxis konzeptualisiert. Kompetenzen werden als die Summe von Teilkompetenzen bzw. Wissen betrachtet, was einer Operationalisierung im Wege steht. Es fehlt ein übergreifendes Bildungskonzept, das konsequent von institutio- 3 https: / / www.phsg.ch/ forschung/ projekte/ berufsspezifische-sprachkompetenzpro file-fuer-lehrpersonen-fuer-fremdsprachen (10/ 04/ 2018). 4 Vgl. Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 12.10.2017). [https: / / www.kmk.org/ fileadmin/ Dateien / veroeffentlichungen_beschluesse/ 2008/ 2008_10_16-Fachprofile-Lehrerbildung. pdf] (10/ 04/ 2018). <?page no="113"?> Lernkompetenz als -Grundlage -von -Professionalität 113 nellen Lehr- und Lernprozessen ausgeht (vgl. Legutke/ Schart 2016b und meine Ausführungen in Kapitel 1). Zusammenfassend ist leider festzustellen, dass es sich bei diesen Anforderungen überwiegend um deklarative Wissensbestände, d.h. um vertieftes Sprach- und Fachwissen handelt, das schwer in unterrichtliches Handeln zu überführen sein dürfte. 3 - Aufgabe der universitären Aus--‐, Fort--‐ und Weiterbildung bei der Entwicklung von Lehrerprofessionalität oder die Frage nach Lernarrangements Der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung kommt die Aufgabe zu, die professionelle Handlungskompetenz von (angehenden) Lehrpersonen auf- und auszubauen, wobei die erste Phase der Ausbildung Grundlagencharakter für weitere Phasen haben sollte. Folgt man der These, wonach Kompetenzen nicht gelehrt werden können, so obliegt es Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung, Lernarrangements zu kreieren, innerhalb derer die Ressourcen und Kompetenzen erworben werden können. In der ersten Ausbildungsphase sind vereinzelt Szenarien für forschendes Lehren und Lernen entwickelt worden (vgl. Legutke 2016). An anderer Stelle (Martinez 2015) habe ich mich explizit für opportunity-to-learn-Standards und für ein reflexiv metakognitives Lernertraining für angehende Lehrer ausgesprochen, dessen Ziel es ist, die Verantwortung für die professionelle (Weiter-)Entwicklung zu übernehmen. Lehr- und Lerngelegenheiten werden benötigt, die den Prinzipien der Lernerautonomisierung (Jiménez Raya et al. 2007, 58) und des experiential learning (Kolb 1984) folgen sowie auf die Entwicklung der Reflexivität und der Metakognition von angehenden Lehrern abzielen. Dementsprechend sind Lerngelegenheiten zu entwickeln, in denen die Felder der Fremdsprachendidaktik sowohl theoretisch durchdrungen als auch handelnd erfahrbar gemacht und jeweils kritisch reflektiert werden (vgl. Königs 2008, 13) und dies aus der Perspektive des Fremdsprachenlerners, des Fremdsprachenlehrers und des Fremdsprachenlehr- und -lernforschers. Lerngelegenheit 1: Fokus Lernen - Grundlage für reflektiertes Sprachenlernen Lehramtsstudierende romanischer Sprachen sind noch Fremdsprachenlernende - wenn auch fortgeschrittene. Als Lerner sollten sie im Rahmen von Veranstaltungen angeregt werden, nicht nur über fremde Zweitsprachenerwerbsprozesse nachzudenken, sondern auch ihre eigenen Fremdsprachenerwerbsprozesse, ihre eigenen Lernervariablen sowie eigene subjektive Lerntheorien auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse bewusst nachzuvollziehen und zu reflektieren. <?page no="114"?> Hélène Martinez 114 Lerngelegenheit 2: Fokus Lehren - Grundlage für kritisches und theoriegeleitetes Handeln Im Rahmen von schulpraktischen Studien und fachdidaktischen Seminaren sollten Studierende als angehende Lehrer mit Hilfe von Unterrichtsvideos, Microteaching und Besprechung von Unterrichtsstunden angeregt werden, über ihre Lehrvorstellungen nachzudenken, Unterricht zu beobachten und kritisch zu analysieren, aber auch zu planen, durchzuführen und zu evaluieren. Sie sollten angeleitet werden, sich ihrer eigenen Lehrerrolle und ihres beruflichen Selbstverständnisses bewusst zu werden (Redeanteil, Schüler- Lehrerbeziehung, Fehlerkorrektur, Gender awareness etc.) und dies kritisch zu reflektieren. Darüber hinaus sollten sie Gelegenheit erhalten, Projekte/ selbst erstellte Aufgaben im schulischen Kontext zu erproben, sie mit Schülern und Lehrkräften zu diskutieren und zu evaluieren sowie begrenzte Aktionsforschungsprojekte zu planen, zu analysieren und zu reflektieren. Lerngelegenheit 3: Fokus Forschen - Grundlage für eine forschende Haltung Lehramtsstudierende sollten die Rolle von Forschern übernehmen und forschungsbezogene Projekte planen, durchführen und evaluieren. In der Auseinandersetzung mit einem konkreten Projekt - wie zum Beispiel der Entwicklung, Durchführung und Auswertung einer Fragebogenstudie zu Einstellungen von Schülern bezüglich „Mehrsprachigkeit“, „Übungen und Aufgaben“ oder „digitale Medien“ - sollten sie lernen, Fragen an die Praxis zu stellen, Antworten/ Lösungsstrategien zu suchen, die Relevanz theoretischer Erkenntnis für die Praxis zu reflektieren und eine forschende und reflexive Haltung zu entwickeln. Denkbar wären ebenso inhaltsbasierte und fächerübergreifende Seminare, in denen ein Gegenstand (Roman graphique, literatura juvenil, Grammatik etc.) aus der Perspektive der Sprachpraxis, der Literatur bzw. der Linguistik und nicht zuletzt der Fachdidaktik theoretisch und empirisch beleuchtet wird. Folgende didaktische Prinzipien sollten in den Lernarrangements berücksichtigt werden: Lernerorientierung, Handlungsorientierung, Prozessorientierung, Interaktion, Kooperation und Reflexion. Die Erfahrung mit solchen wissenschaftlich-erfahrungsbasierten Lernarrangements zeigt, dass die Studierenden einen eigenständigen, selbstbestimmten Bezug zum Gegenstand der jeweiligen Seminare und somit zu ihrer eigenen Ausbildung entwickeln (können). Entscheidend ist dabei, dass die Studierenden zu „acteurs de leur professionnalisation“ (vgl. Le Boterf 2016) werden, d.h. dass sie die Verantwortung bzw. die Kontrolle für ihre eigene Ausbildung übernehmen, indem sie sich aktiv in den Lehr- und Lernprozess einbringen, aus den empirisch <?page no="115"?> Lernkompetenz als -Grundlage -von -Professionalität 115 basierten Erfahrungen lernen, eigene Lernstände und Fortschritte evaluieren etc. Auch sollten die sprachpraktischen Veranstaltungen nach aktuellen Prinzipien guten Fremdsprachenunterrichts geplant werden. Es sollte keine Kluft (mehr) zwischen den Diskursen in den fachdidaktischen Seminaren und der Realität der sprachpraktischen Veranstaltungen bestehen. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass in Zeiten der Kompetenzorientierung immer noch z. B. die Grammatik und eine grammatische Progression im Mittelpunkt sprachpraktischer Veranstaltungen stehen. Dies wirft allerdings die Frage auf nach der (didaktischen) Ausbildung oder zumindest Vorbereitung von sogenannten Lektoren bzw. Lehrkräften für besondere Aufgaben. Diese Überlegungen greifen auf anerkannte Prinzipien der Professionsforschung zurück (u.a. Abendroth-Timmer 2016; Klippel 2016; Legutke/ Schart 2016a; Schädlich 2015) und sind daher nicht neu. Dennoch scheinen derartige Lernarrangements auf vereinzelte Projekte und das Engagement einzelner Personen beschränkt zu sein. Impliziert ist damit in der Regel ein größerer logistischer Aufwand und die Forderung nach struktureller Transformation und nicht zuletzt ein anders geartetes Verständnis von Lehrerbildung, das von der jeweiligen Universität mitgetragen werden müsste. 4 - Forschungsbedarf der Fremdsprachenforschung Die Auseinandersetzung mit der Thematik hat deutlich gemacht, dass wir weniger ein Erkenntnisdefizit als vielmehr ein Umsetzungsdefizit haben (vgl. auch die Behandlung dieses Themas durch die Frühjahrkonferenz in den letzten Jahrzehnten; Bausch et al. 1997; Bausch et al. 2003). Das Ideal des reflective practitioner und die damit einhergehende Lernerautonomisierung (Jiménez Raya et al. 2017) ist weitgehend anerkannt. Wie kommt es aber, dass Studierende erst im Referendariat merken, dass ihre Sprachkenntnisse für die erfolgreiche Ausübung ihrer Lehrtätigkeit nicht ausreichend sind? Wir haben (relativ) klare Vorstellungen über die Funktionen (guter) Übungen und Aufgaben (vgl. Burwitz-Melzer et al. 2016). Wie kommt es aber, dass eine große Zahl von Französischlernern in der Praxis Übungen oft langweilig finden (Meißner et al. 2008)? Mittlerweile sind zum Beispiel im Rahmen eines ECML-Projekts 5 über 30 Portfolien für die Lehrerbildung rezensiert worden. Was wissen wir aber über den Umgang damit und ihre Wirkung auf die jeweiligen Lehrkräfte? 5 - Siehe: https: / / www.ecml.at/ ECML-Programme/ Programme2016-2019/ Towardsa CommonEuropeanFrameworkofReferenceforLanguageTeachers/ tabid/ 1850/ Default .aspx (10/ 04/ 2018). <?page no="116"?> Hélène Martinez 116 In Anlehnung an Königs (2016) stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit der Wandel in der Fremdsprachenforschung (Stichwort: Lernerorientierung) zu tatsächlichen Änderungen der Lehrerrolle in der fremdsprachlichen Praxis geführt hat. Denkbar wären qualitative Studien, die sowohl die Lehrerals auch die Lernerperspektive einschließen und die subjektiven Perspektiven der einzelnen Aktanten mit ethnographischen Studien ergänzen. In den letzten Jahren entstanden verstärkt qualitative sowie quantitative Arbeiten zur Professionsforschung, die es weiterzuentwickeln gilt. Die Überprüfung des Fach- und fachdidaktischen Wissens angehender Lehrer ist ein entscheidender Schritt in Richtung Professionalisierung. Allerdings müsste empirisch sichergestellt werden, dass dem abgefragten Wissen ein Bildungskonzept zugrundliegt, das im Fach konsensfähig ist. Das Streben nach Standardisierung in der Lehrerbildung kann zu einer gewissen Qualitätssicherung beitragen - die Standards müssten allerdings ebenso empirisch erarbeitet und überprüft werden. Es wäre ebenso interessant herauszufinden, welchen Stellenwert Lehrkräfte ihren Fremdsprachenkenntnissen und deren Weiterentwicklung beimessen, wie sie diese definieren, ob und wie Lehrkräfte ihre fremdsprachlichen (und didaktischen) Kenntnisse weiterentwickeln, welche Bedürfnisse entstehen etc. In diesem Zusammenhang wäre es auch sinnvoll zu erforschen, ob und wie die oben angesprochenen berufsbezogenen Sprachkompetenzprofile eine sinnvolle Hilfe aus der Sicht der angehenden Lehrkräfte sein könnten und ob die von dem Schweizer Team erarbeiteten Szenarien zur Förderung dieser Standards in der Lage wären, zur (Teil-)Professionalisierung deutscher Studierender beizutragen. Ganz wichtig scheint für mich auch die Frage der Ausbildung der muttersprachlichen Dozenten, die die sprachpraktische Ausbildung an den Universitäten übernehmen. Als Regelfall bilden sie Lehrer in einem Fach bzw. in einer Sprache aus, ohne selbst das Fach oder die Sprache studiert zu haben und noch gravierender ohne je eine fachdidaktische Ausbildung genossen zu haben. In Einklang mit den Erläuterungen im 2. Kapitel sind darüber hinaus Forschungen notwendig, die untersuchen, wie Wissen in unterrichtliches Handeln überführt wird. Die oben genannten Lernarrangements müssen auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit hin überprüft werden. Sind Lehrkräfte, die eine ‚alternative‘ Ausbildung durchlaufen haben, eher in der Lage, ihren eigenen Unterricht zu erforschen und sich den situativen Gegebenheiten anzupassen? Fördern diese Lernarrangements das savoir-apprendre, das Lehrkräfte lebenslang begleiten sollte? Die Anzahl offener Fragen ist grenzenlos. Zurzeit entsteht allerdings noch eine Art Paradoxon. Einerseits wird verstärkt über eine Optimierung der Professionsforschung nachgedacht. Andererseits werden vermehrt sogenann- <?page no="117"?> Lernkompetenz als -Grundlage -von -Professionalität 117 te Quereinsteiger mit Expressausbildung in den Schuldienst eingestellt - auch etwas, was den Fokus empirischer Forschung verdienen würde. Literatur Abendroth-Timmer, Dagmar (2016): „‚Dass jedoch Emotionen einen immensen Einfluss auf einen Lernerfolg haben können, war mir nicht bewusst‘. Berufsbezogene Reflexionsprozesse in der universitären Lehrerbildung“. In: Legutke/ Schart (Hrsg.), 99-126. Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2006): „Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften“. In: Erziehungswissenschaft 9/ 4, 469-520. Bausch, Karl-Richard/ Christ, Herbert/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (1997): Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung als Ausbildungs- und Forschungsdisziplinen. Tübingen: Narr. Bausch, Karl-Richard/ Königs, Frank G./ Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003): Fremdsprachenlehrerausbildung. Konzepte, Modelle, Perspektiven. Tübingen: Narr. 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Lehramtsanwärter/ innen der slawischen Schulfremdsprachen haben im Vergleich zu Studierenden anderer Lehramtsfächer überdurchschnittlich häufig einen Migrationshintergrund, d.h., sie wurden entweder selbst nicht in Deutschland geboren oder sie haben mindestens ein Elternteil, das ursprünglich nicht aus Deutschland stammt. Der Anteil von Lehramtsstudierenden mit Zuwanderungsgeschichte an den slawistischen Instituten in Deutschland hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und beträgt bis zu 100%. Diese angehenden Lehrkräfte werden voraussichtlich sehr heterogene Lerngruppen unterrichten - sei es im Herkunftssprachenunterricht (HSU) oder im Fremdsprachenunterricht (FSU) mit einem hohen Anteil slawischer Herkunftssprecher/ innen. Der folgende Beitrag ist in erster Linie den Spezifika und Ausbildungsbedürfnissen dieser Zielgruppe gewidmet. 1 - Professionalität und Anforderungen an die Lehrkräfte Eine besondere Spezifik des Unterrichts slawischer Schulfremdsprachen ergibt sich aus der Anwesenheit von Herkunftssprechern, die über Vorkenntnisse in der Zielsprache verfügen und gemeinsam mit SuS in einer Klasse lernen, für die Russisch, Polnisch oder Tschechisch eine Fremdsprache darstellt. Das Unterrichten solcher heterogener Lerngruppen stellt die Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen - sowohl in fachlicher als auch didaktischer Hinsicht. Das bringt eine Gleichzeitigkeit der Rollen (u.a. Steuerungsinstanz des Unterrichtsgeschehens, Lernberaterin, Diagnostiker) mit sich, aber auch die Bereitschaft zur Übernahme weiterer Aufgaben wie Elternarbeit. In Deutschland werden an 22 universitären Standorten künftige Russischlehrende ausgebildet (an drei davon auch Lehrkräfte für Polnisch und an zwei für Tschechisch). Entsprechende Lehrstühle gibt es jedoch nur drei: eine Juniorprofessur für Russischdidaktik an der Ruhr-Universität Bochum (befristet bis 2021), eine Professur für Russischdidaktik an der Humboldt-Universität <?page no="121"?> Zur Professionalität -angehender -Lehrkräfte -mit Migrationsgeschichte 121 zu Berlin und eine Professur für Didaktik der slawischen Sprachen an der Universität Leipzig. An den anderen Standorten sind es Mitarbeiterinnen (meist mit einer halben befristeten Stelle) oder wechselnde Lehrbeauftragte, die die Ausbildung in der Fachdidaktik übernehmen. Die Standorte legen die Ausstattung für die Lehrerausbildung selbst fest; diesbezüglich sind wir von verbindlichen Standards weit entfernt. 1 Diese Rahmenbedingungen sollten bei der Diskussion um Professionalität im Blick behalten werden. Kommunikativer Fremdsprachenunterricht erfordert viel Flexibilität und Spontaneität von der Lehrperson. Diese steht ständig unter einem „hohen Entscheidungsdruck“ (Legutke/ Schart 2016: 25), da sie bei einer Schüleräußerung gleichzeitig auf den Inhalt sowie auf die sprachliche (u.a. pragmatische, lexikalische, phonetische) Angemessenheit des Gesagten achten und anschließend sowohl eine passende Rückmeldung geben als auch kooperativ auf die Äußerung reagieren sollte. Beim Feedback muss in Sekundenschnelle entschieden werden, welche Sprachabweichung einer Korrektur bedarf, wie die Rückmeldung auf die Motivation der Lernenden wirken könnte, ob und wann Korrektur und in welcher Form Feedback stattfinden soll. Für solche komplexen Anforderungen wird kommunikatives, psychologisches, pädagogisches sowie fachdidaktisches Wissen und Können benötigt. Bei Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht soll das Vorwissen von Herkunftssprechern wertgeschätzt werden, ohne den Fremdsprachenlernenden das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Anstrengungen nicht honoriert werden. Befinden sich mehrere flüssig kommunizierende Herkunftssprecher/ innen in der Klasse, reagieren Fremdsprachenlernende häufig mit Sprechhemmungen und/ oder fühlen sich im gemeinsamen Unterricht mit den sog. „Muttersprachlern“ von vornherein benachteiligt. Im Umgang mit den Herkunftssprechern ist es wiederum wichtig, trotz oft hervorragender Aussprache und guter mündlicher Kompetenzen der Lernenden deren Motivation am Weiterlernen der Sprache, insbesondere im Bereich der Schriftsprache und Bildungssprache, aufrechtzuerhalten - ein Balanceakt, bedeutet das doch, dass die Schülergruppen an unterschiedlichen Kompetenzen und Lernzielen arbeiten sollen. Im Unterricht mit Herkunftssprechern ist ein Fokus auf Registerkompetenzen erforderlich, da diese oft lediglich Formen der gesprochenen Umgangssprache, Slang oder Varietäten des Russischen/ Polnischen in Deutschland beherrschen, die sich zum Teil erheblich von der russischen/ polnischen schriftlichen Standardsprache, aber auch der gesprochenen Bildungssprache unterscheiden. Die hierfür erforderliche Fachkompetenz müssen sich angehende Lehrkräfte, die aus sprachlernbiographischen Gründen selbst Unsi- 1 Da es keine Lehrerausbildung speziell für den HSU dieser Sprachen gibt, müsste sie in die bereits vorhandene Fremdsprachenlehrerausbildung für Polnisch und Russisch - als zahlenmäßig große Herkunftssprachen - integriert werden. <?page no="122"?> Grit Mehlhorn 122 cherheiten in diesen Bereichen aufweisen, im Laufe der Ausbildung gezielt aneignen, worauf Lehramtsstudierende in den universitären Veranstaltungen der Sprachpraxis und Sprachwissenschaft besser als bisher vorbereitet werden sollten (vgl. dazu auch das Positionspapier zur Professionalisierung der Sprachenausbildung an Hochschulen, AKS 2017). Lehrkräfte müssen das Vorwissen ihrer SuS einschätzen, lernanregende Situationen für alle Beteiligten schaffen, sich bei kooperativen Lernformen mit ihrem Expertenwissen zurücknehmen können, aber auch Scaffolding-Strategien beherrschen, Strukturierungshilfen bereitstellen sowie in der Sicherungsphase von Differenzierungsmaßnahmen die Ergebnisse verschiedener Schülergruppen geschickt wieder zusammenführen und moderieren. All das kann ihnen nur gelingen, wenn sie sicher in der Zielsprache, im Deutschen und in dem zu erarbeitenden Stoff sind, so dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die Beobachtung einzelner SuS und das Unterrichtsgeschehen richten können. 2 - Kompetenzen von Lehrenden für slawische Schulfremdsprachen In der Debatte um die verstärkte Rekrutierung von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften mit Migrationshintergrund - den „Hoffnungsträgern der interkulturellen Öffnung von Schule“ (Karakaşoğlu 2011) - wird häufig angeführt, dass diese eine „größere Sensibilität“ und „einen besseren Blick für die verborgenen Ressourcen von Schüler(innen) mit Migrationshintergrund“ haben (BdI/ BAMF 2010, 106f., vgl. auch Hachfeld 2012). Überträgt man diese bildungspolitische Behauptung von der „größeren Sensibilität“ und dem „besseren Blick“ auf die professionellen Lehrkompetenzen, lässt sich vermuten, dass Lehrende mit Migrationshintergrund über günstigere motivationale Orientierungen, Werte und Überzeugungen in Bezug auf das Unterrichten von SuS mit Migrationshintergrund verfügen. Georgi et al. (2011) zufolge darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass interkulturelle Kompetenz angeboren ist. Hachfeld et al. (2012) zeigen, dass es nicht der Migrationshintergrund an sich ist, der zu höheren Selbstwirksamkeitserwartungen führt, sondern vielmehr multikulturelle Überzeugungen. Diese sind durchaus lern- und vermittelbar. Dazu gehört jedoch auch eine kritische Reflexion der Einstellungen zu kultureller Heterogenität und der eigenen Überzeugungen, wie Lernen in sprachlich und kulturell heterogenen Lerngruppen gestaltet werden soll. Solche Reflexionsprozesse müssen bereits in der Lehrerausbildung angestoßen werden (vgl. Hachfeld 2012, 60). Lehramtsanwärter/ innen, die erst im Erwachsenenalter nach Deutschland immigriert sind und dann das Potenzial ihrer muttersprachlichen Russisch- oder Polnischkenntnisse gezielt für ein Lehramtsstudium nutzen, gehen oft von der Annahme aus, dass ein solches Studium zum Großteil aus Sprachpraxis in der Zielsprache besteht und versuchen sich möglichst viele Module aufgrund ihrer muttersprachlichen Kompetenzen anrechnen zu lassen. Oft <?page no="123"?> Zur Professionalität -angehender -Lehrkräfte -mit Migrationsgeschichte 123 werden bestimmte Studieninhalte unterschätzt und die Relevanz des noch zu erwerbenden Fachwissens, v.a. auch im linguistischen Bereich, erst relativ spät in der Ausbildung - nach den Schulpraktika oder auch erst im Referendariat - erkannt; zu diesem Ergebnis kommt Kurz (2015) in ihrer Interviewstudie zu subjektiven Sichtweisen von (angehenden) Russischlehrenden mit russischsprachiger Zuwanderungsgeschichte mit dem Titel „Muttersprachler ist kein Beruf“. Die befragten (angehenden) Lehrkräfte mit russischsprachigem Hintergrund stellten fest, dass ihnen Kompetenzen fehlen, um Lernenden grammatische Sachverhalte und Aussprachebesonderheiten des Russischen zu erklären. Lehrkräfte sind die zentralen Akteure bei der Gestaltung von Unterricht. Die KMK-Standards zur Lehrerbildung (2017) bilden die notwendigen fachspezifischen Fachkompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften überblicksartig und sprachenübergreifend ab. 2 Im Hinblick auf konkrete Sprachen und die Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen ließen sich die hier genannten Studieninhalte noch weiter spezifizieren. So sollte sich die Zielgruppe angehender Lehrender slawischer Schulfremdsprachen im Bereich der Sprachwissenschaft z.B. auch mit den für sie relevanten Varietäten von Herkunftssprechern (sog. „Auslandsrussisch“, „Migrantenpolnisch“) auseinandersetzen, mündliche und schriftliche Lernertexte unter Zuhilfenahme adäquater Terminologie und Nachschlagewerke analysieren lernen, um Interferenzen aus dem Deutschen als solche erkennen zu können, ihre Diagnosekompetenzen zu schulen und sich neben den „Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs bei Beeinträchtigung in der Sprachentwicklung“ (KMK 2017, 45) auch mit den Erwerbsbedingungen von Herkunftssprechern unter den Bedingungen begrenzten Inputs vertraut machen. Lehrende, die in ihrem Unterricht gewinnbringend Sprachvergleiche einsetzen möchten, müssen selbst vernetzt und mehrsprachig denken, Parallelen zum Deutschen und bereits gelernten Sprachen der SuS herstellen können. Um die Herkunftssprachen von SuS in den Fremdsprachenunterricht einzubeziehen, benötigen Lehrkräfte strukturelles Wissen über Sprachen. Neben diesem Fachwissen sollten Lehrende über Neugier, Lernbereitschaft und ein generelles Interesse an Sprachen und Kulturen verfügen. Die KMK-Standards „Neue Fremdsprachen“ (KMK 2017) stellen eine wichtige Referenz dar, beziehen sich allerdings nur auf die reguläre Fremdsprachenlehrerausbildung in der ersten Phase an den Hochschulen und gelten nicht gleichermaßen für Herkunftssprachenlehrende. So kann in mehreren 2 Die KMK-Standards „Neue Fremdsprachen“ implizieren den Standardfall, dass Fremdsprachenlehrkräfte deutsche Muttersprachler/ innen sind und im deutschen Schulwesen sozialisiert wurden. Die Beherrschung des Deutschen auf sehr hohem Niveau und die Vertrautheit mit hier üblichen Lerntraditionen wird automatisch vorausgesetzt; thematisiert werden daher nur mit der Zielsprache und -kultur verbundene Kompetenzen. <?page no="124"?> Grit Mehlhorn 124 Bundesländern jede erwachsene Person als Lehrkraft im HSU eingesetzt werden, die Muttersprachler/ in der Zielsprache ist und im Herkunftsland irgendein Lehramtsstudium (z.B. im Fach Sport oder Mathematik) absolviert hat. Deutschkenntnisse sowie fachliches und didaktisches Wissen über die zu vermittelnde Sprache im Sinne der KMK-Standards werden bei der Rekrutierung der Herkunftssprachenlehrkräfte selten überprüft. Damit hat der HSU mit einem Qualitätsproblem zu kämpfen, das - auch durch die prekären Rahmenbedingungen - zusätzlich zum geringen Prestige dieser Unterrichtsform im Vergleich zu obligatorischem Unterricht der Schulfremdsprachen beiträgt (vgl. Mehlhorn 2017). 3 - Entwicklung von Professionalität in der Lehrerausbildung Knappik und Dirim (2012) empfehlen, bei (angehenden) Lehrenden mit Zuwanderungsgeschichte zwischen Ressourcen und Qualifikationen zu unterscheiden: Der eigene Migrationshintergrund und die eigene Mehrsprachigkeit können wertvolle Ressourcen für die Entwicklung der pädagogischen Professionalität darstellen. „Damit aus diesen Ressourcen Qualifikationen werden, bedarf es verschiedener linguistischer und migrationspädagogischer Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote“ (ebd., 93). In der ersten Phase der fachdidaktischen Lehrerausbildung sollte eine Sensibilisierung für die speziellen Bedürfnisse von SuS in heterogenen Lerngruppen erfolgen, aber auch eine Bewusstmachung der eigenen Stärken und des konkreten Lernbedarfs angehender Lehrkräfte mit Migrationshintergrund - und zwar so früh wie möglich, damit die Lernchancen im Studium auch als solche erkannt und wahrgenommen werden können (vgl. Kurz 2015). So stellt die Thematisierung der Sprachlernbiographien der Studierenden in den Didaktikveranstaltungen - als Einstieg in die angeleitete Arbeit mit dem Lehramtsportfolio - eine erste Reflexionsmöglichkeit dar. Des Weiteren sollten die Schulpraktika in heterogenen Lerngruppen gezielt als Lernanlass genutzt werden. Differenzierung könnte hier als obligatorisches Kriterium in den verschiedenen Praktikumsphasen eingeführt werden, einer der Beobachtungsschwerpunkte bei Hospitationen sein, wobei verschiedene Differenzierungsszenarien auch in Vorbereitung auf die ersten eigenen Unterrichtsversuche der Studierenden besprochen und tatsächlich ergriffene Maßnahmen der Binnendifferenzierung ausführlich reflektiert werden sollten. 3 Während der schulpraktischen Übungen machen die Studierenden schnell die Erfahrung, dass auch mit den besten Differenzierungszielen unbeabsichtigte Wirkungen erreicht werden können und dass Differen- 3 Diese Forderung ist nur mit entsprechend geschulten und motivierten Lehrkräften umsetzbar. In der Praxis ist die Intensität und Qualität der Betreuung der Schulpraktika jedoch sehr unterschiedlich. <?page no="125"?> Zur Professionalität -angehender -Lehrkräfte -mit Migrationsgeschichte 125 zierung v.a. dann erfolgreich ist, wenn ihr eine möglichst konkrete Diagnose der Lernvoraussetzungen und -kompetenzen der SuS vorausgegangen ist. Dafür wäre es hilfreich, wenn die ersten Praxisphasen möglichst früh im Lehramtsstudium absolviert werden und mit obligatorischen Reflexionen verbunden werden, zu denen von den betreuenden Fachdidaktikerinnen auch konstruktives Feedback erfolgt. Subjektive Sichtweisen, Einstellungen und Überzeugungen zum Fremdsprachenlernen und -lehren sind bekanntermaßen handlungsleitend für die Unterrichtstätigkeit von Lehrkräften (vgl. u.v.a. Caspari 2003; Korthagen 2011; Ryan 2013). Das Kennen solcher subjektiven Überzeugungen und das Wissen darüber, wie sie funktionieren, scheint mir wichtig für die Lehrerausbildung und Voraussetzung dafür zu sein, den Studierenden bestehende Alltagstheorien bewusst zu machen, eine Selbstreflexion ihres Sprachenlernens und -unterrichtens anzuregen sowie Wege zu besprechen, mit denen (angehende) Lehrkräfte ihren eigenen Spracherwerb und ihren Unterricht effektiver gestalten können. Lehramtsstudierende, die die Zielsprache ungesteuert erworben haben, verfügen zum Teil über andere subjektive Überzeugungen als diejenigen, die sie als Fremdsprache gelernt haben. Während sich letztere bspw. noch gut an ihre eigenen Schwierigkeiten beim Hörverstehen in der Fremdsprache erinnern können, gehen erstere oft davon aus, SuS würden durch den muttersprachigen Input der Lehrkraft automatisch gute Hörkompetenzen ausbilden, sodass dafür keine „zusätzlichen“ Übungen notwendig seien („Sie brauchen keine CD, sie haben ja mich“). Meines Erachtens sollten Didaktikveranstaltungen im Lehramtsstudium gezielt für eine Auseinandersetzung mit solchen Überzeugungen genutzt werden. Durch die fehlende Nachfrage nach Russisch als Fremdsprachenfach in den Jahren nach der Wende fehlt im Russischunterricht an den Schulen der neuen Bundesländer, die mehr als 70% der Russisch als Fremdsprache lernenden SuS auf sich vereinen, eine ganze Lehrergeneration. Erst in den letzten Jahren wurden wieder mehr Lehramtsabsolventen mit Russisch in den Vorbereitungsdienst aufgenommen und an Schulen eingestellt. In der zweiten Phase der Russischlehrerausbildung treffen dabei nicht selten zwei sehr unterschiedliche Lehrergenerationen aufeinander, die sich in der Form ihrer Ausbildung, in ihren Sprachlernbiographien und subjektiven Theorien deutlich voneinander unterscheiden. Von ihren unterschiedlichen Stärken können idealerweise beide Seiten profitieren, was jedoch von allen Beteiligten Offenheit und Lernbereitschaft voraussetzt. Für bereits seit vielen Jahren praktizierende Russischlehrende haben SuS mit sprachlichen Vorkenntnissen in ihrer bereits länger zurückliegenden Ausbildung kaum eine Rolle gespielt; dennoch sind sie nun mit sehr heterogenen Lerngruppen im FSU konfrontiert. Hier gilt es, in Lehrerfortbildungen <?page no="126"?> Grit Mehlhorn 126 neben Differenzierungsszenarien auch bisherige Tabus wie das der differenzierten Leistungsbewertung anzugehen. Über Herkunftssprachenlehrkräfte ist bisher nur sehr wenig bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass sie sich durch die Sozialisation in einer anderen Lerntradition in ihren Überzeugungen von „gutem“ Unterricht stark von in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften unterscheiden. Erste Untersuchungen zu herkunftssprachlichem Russischunterricht wie die von Kreß (2014) weisen darauf hin, dass die hier zelebrierte Unterrichtskommunikation (z.B. Wissensabfrage, Auswendiglernen, Reproduktion) offensichtlich den selbst erlebten Bildungserfahrungen der Lehrkräfte entspricht und einen starken Kontrast zu Interaktionen im kommunikativen FSU an deutschen Schulen darstellt. Um den HSU stärker in den Fokus der Bildungsforschung zu rücken und Forschung zu initiieren, durch die die Herausforderungen und Potenziale möglichst datengestützt thematisiert werden können, wurde auf Initiative der Koordinierungsstelle „Mehrsprachigkeit und sprachliche Bildung“ des BMBF am 4. November 2017 in Essen ein Netzwerk „Herkunftssprachlicher Unterricht“ aus Forscherinnen, HSU-Lehrkräften sowie Experten der Bildungsadministrationen gegründet, das einen Austausch von Wissenschaft und Unterrichtspraxis vorantreiben soll. Aufgrund der Einzigartigkeit, Instabilität und Unvorhersehbarkeit von Unterrichtsrealität ist eine Professionalität notwendig, die nur durch kontinuierliche und aufmerksame Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Handlungskompetenz im Sinne des lebenslangen Lernens erworben werden kann (vgl. Aguado 2015, 301f.). Künftige Lehrpersonen sollten erkennen, dass ihr Wissen immer nur vorläufig ist und während der Ausbildung dazu gebracht werden, ihr Vorwissen und ihre subjektiven Theorien über das Lernen und Lehren von Fremdsprachen kritisch zu reflektieren (ebd., 301). Eine forschende Haltung kann z.B. durch Microteaching erreicht werden, wenn Lehramtsstudierende in Kleingruppen Unterrichtssequenzen vorbereiten, durchführen, aufnehmen und anschließend gemeinsam analysieren und kritisch besprechen (ebd., 303). Beim Forschen für die Unterrichtspraxis können angehende Lehrkräfte Vorgehensweisen und Prinzipien wie genaues Beobachten, Explorieren, Diagnostizieren, Umgang mit kritischen Situationen u.v.m. kennenlernen, die ihnen später bei der Berufsausübung von Nutzen sein werden (ebd.). Aktionsforschung, die von praktizierenden oder auch angehenden Lehrenden - „reflektierenden Praktikern“ (Schön 1983) - durchgeführt wird, stellt einen geeigneten Ansatz zur Verbindung von Lehren, Forschen und Lernen dar, weist eine unmittelbare Praxisrelevanz auf (vgl. Altrichter / Posch 2007) und dient zudem der Bildung professioneller communities of practice (vgl. Wenger 1998). <?page no="127"?> Zur Professionalität -angehender -Lehrkräfte -mit Migrationsgeschichte 127 Für Lehrende, die ihren eigenen Unterricht untersuchen, stellt die gewachsene Aufmerksamkeit für das soziale Umfeld des Lehrens und Lernens einen bedeutsamen Impuls dar. Sie werden dadurch in ihrem Bemühen bestärkt, die konkreten Faktoren in ihrem Arbeitsfeld und deren Zusammenwirken im Blick zu behalten und sich nicht vorschnell auf allgemeine Erklärungen, Theorien oder abstrakte Modelle zu verlassen. Darüber hinaus fällt es ihnen auch leichter, ihre Forschungsergebnisse nicht als wissenschaftlich minderwertig anzusehen, nur weil sie einem relativ beschränkten Kontext erwachsen (Schart/ Schocker 2013, 47). Aktionsforschungsprojekte haben in der Regel ein konkretes Entwicklungsinteresse, wobei die von den Lehrpersonen wahrgenommene Diskrepanz zwischen dem, was im Unterricht passieren sollte und dem, was aus Sicht der Akteure tatsächlich passiert, den Ausgangspunkt darstellt. Aber auch die Notwendigkeit der Implementierung curricularer Vorgaben, z.B. der kürzlich in Sachsen erschienenen Rahmenlehrpläne für den herkunftssprachlichen Unterricht (SMK 2015), kann Aktionsforschung auf den Plan rufen. 4 - Forschungsperspektiven Während bisherige Arbeiten zu subjektiven Theorien von Lehrenden v.a. darauf ausgerichtet waren, diese zu ermitteln und nachzuvollziehen, wie Studierende zu ihrer Berufsentscheidung gekommen sind (vgl. Königs 2016, 63), sehe ich aktuell v.a. ein Erkenntnisinteresse darin, wie Einstellungen und subjektive Sichtweisen verändert werden können. In Bezug auf den herkunftssprachlichen Unterricht, für den in der Regel Muttersprachler/ innen der Zielsprache eingesetzt werden, wäre zudem interessant zu untersuchen, wie die durch die Lern- und Lehrtraditionen stark beeinflusste Art der Wissensvermittlung der HSU-Lehrkräfte ein Stück weit aufgebrochen und für weitere Methoden geöffnet werden kann. Vordringlichen Forschungsbedarf sehe ich in unterrichtspraktischen Interventionen, z.B. konkreten Differenzierungsmaßnahmen zwischen Herkunftssprechern und Fremdsprachenlernenden im Unterricht der slawischen Schulfremdsprachen, sowie der Entwicklung und Erprobung von Materialien und Unterrichtsszenarien für den Einsatz im herkunfts- und zieldifferenten Fremdsprachenunterricht. Aus dem Erkenntnisinteresse, wie für Lernende und Lehrende das sprachliche Potenzial von Herkunftssprachen expliziter zugänglich gemacht werden kann, um den institutionellen Erwerb und das Lehren der Herkunfts- und Fremdsprachen aktiv zu unterstützen, ergeben sich für mich die folgenden Forschungsfragen: <?page no="128"?> Grit Mehlhorn 128 1. - Inwieweit ist Fremdsprachenlehrenden das sprachliche Vorwissen von Herkunftssprechern bewusst und kann von diesen adäquat diagnostiziert werden? 2. - Welche Lernszenarien sind geeignet, um den individuellen Erhalt und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen im HSU zu fördern? 3. - Welche Differenzierungsmaßnahmen erweisen sich als praktikabel, um Lernende mit und ohne sprachliche Vorkenntnisse im FSU entsprechend zu fördern? 4. - Wie sollten Übungssequenzen und Aufgaben für SuS mit sprachlichen Vorkenntnissen gestaltet sein? 5. - Wie kann Registerkompetenz ausgebildet und Bildungssprache im schulischen Fremdsprachenunterricht gefördert werden? 6. - Welche bewusstmachenden Verfahren erleichtern Herkunftssprechern das Reflektieren über ihre bisher v.a. ungesteuert erworbene Sprache? Inwieweit trägt eine höhere Bewusstheit sprachlicher Strukturen und zwischensprachlicher Parallelen zu einer Verbesserung der (herkunfts-)sprachlichen Kompetenzen bei? Diese Fragen können zum Teil durch Interviews (Forschungsfrage 1), v.a. jedoch durch gemeinsame Forschung von Lehrkräften in einem Aktions- Reflexions-Kreislauf untersucht werden. 4 Schließlich bleibt als Forschungsfeld noch die Professionalisierung von Hochschullehrern und Dozenten für sprachliche Vielfalt sowie deren Evaluation. Denn auch die Qualifizierer müssen für ihre Aufgabe hinreichend qualifiziert sein (Michalak 2012, 202). Professionalisierung ist ein nie abgeschlossener Prozess. Daraus ergibt sich meines Erachtens die Pflicht für alle Akteure der Lehrerausbildung, sich selbst kontinuierlich fortzubilden. Literatur Aguado, Karin (2015): „Forschendes Lernen und Lehren als Strategien zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern“. 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Münster: Waxmann. <?page no="131"?> Zur Rolle und Professionalität von DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen Claudia Riemer 1 - Ausgangslage: das vielfältige Berufsfeld DaF/ DaZ in der Welt der Vermittlung der L2 Deutsch Die Leitfragen der Frühjahrskonferenz 2018 möchte ich zum Anlass nehmen, über Herausforderungen für die Erforschung der Rolle und Professionalität der Lehrkraft und über Herausforderungen für die Weiterentwicklung der DaF-/ DaZ-Lehrer*innenbildung außerhalb und innerhalb deutschsprachiger Länder nachzudenken. Für DaF/ DaZ gilt - so meine Überzeugung, die ich mit Blick auf die Einheit des Fachs gegen Strömungen, DaZ abzukoppeln, verteidige (vgl. Riemer 2018 erscheint) - der Grundsatz, sich dabei nicht nur auf staatliche Schulsysteme, sondern immer auch auf ein höchst komplexes und vielfältiges schulisches und außerschulisches Feld zu beziehen: den Bereich des außerschulischen Sprachenlernens an (privaten) Sprachenschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die universitäre Germanistik- und DaF/ DaZ-Aus-, -Fort- und -Weiterbildung, die universitäre Sprachenausbildung z.B. an Sprachenzentren - sowie mit besonderem Blick auf DaZ auch auf den Bereich der elementaren und schulischen Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch Spezialist*innen bzw. weitergebildete Fachlehrer*innen im (weitgehend noch nicht in der Praxis angekommenen) sprachsensiblen Fachunterricht. Allein die Breite des sehr schablonenhaft und unvollständig skizzierten Felds verdeutlicht, dass sich ein Fach wie DaF/ DaZ nicht allein oder vorrangig auf länderspezifische oder gar deutschlandspezifische Regelungen (etwa die fachspezifischen KMK- Standards zur Lehrer*innenbildung oder länderspezifische Lehrerausbildungsgesetze) beziehen kann, sondern die Tendenzen und Besonderheiten des weltweiten Deutschlernens im Blick behalten muss. Deutsch als Fremd- und Zweitsprache durchläuft in den Regionen der Welt zur gleichen Zeit sehr spezifische, aber auch z.T. erstaunlich vergleichbare Entwicklungen. In einigen Ländern (wie z.B. China) konnte man in den letzten Jahren einen fulminanten Ausbau der Hochschulgermanistik und der Deutschlernangebote an den Hochschulen beobachten. In anderen Ländern ist der Trend des Deutschlernens insbesondere an den Schulen rückläufig, was dann auch Auswirkungen auf die Hochschulgermanistik hat, z.B. in Form rückläufiger Studierenden- und Absolvent*innenzahlen. Und dem folgt dann oft auch mittelfristig eine Reduktion der Ausstattung der germanistischen <?page no="132"?> Claudia Riemer 132 Hochschulfächer. Oft entsteht gleichwohl - oder sogar als Konsequenz des sinkenden Deutschlernangebots an den Schulen - eine steigende Nachfrage nach außerschulischen Deutschlernangeboten in der Erwachsenenbildung und an den Hochschulen. Und in vielen Ländern fehlen spürbar professionelle Deutschlehrer*innen und entsprechende akademische Ausbildungsgänge, so dass die Fort- und Weiterbildung von zunehmender Bedeutung ist. Welche Professionalisierungsgrade hieraus resultieren, ist eine weitgehend ungeklärte (Forschungs-)Frage. Ein Blick auf die nackten Zahlen: Grob zusammengefasst auf der Basis der Daten des Netzwerks Deutsch aus dem Jahr 2015, die 15,4 Mio. Deutschlerner*innen weltweit zählten, scheint das Interesse am Lernen der deutschen Sprache auf einem insgesamt stabilen, ja sogar leicht steigenden Niveau zu sein. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass im Erhebungsjahr 2000 weltweit noch über 20 Mio. Deutschlerner*innen gezählt werden konnten und im Jahr 2010 - auch als ein Effekt sinkender Geburtenraten - nur noch 14 Mio. Im Vergleich zur Zahl von 2010 ist in ca. 60 % der erhobenen Länder die Zahl der Deutschlernenden bis 2015 gestiegen, wobei m.E. stets hervorzuheben ist, dass davon 9,4 Mio. in Europa Deutsch lernen und dass weltweit 87 % der Deutschlernenden Schüler*innen sind. Dieser beeindruckend hohe Anteil allein ist ein deutlicher Hinweis auf die Abhängigkeit des weltweiten Deutschlernens von der Stellung der deutschen Sprache in den nationalen Bildungssystemen und ihrem Status als Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlfach an staatlichen Schulen und insbesondere Sekundarschulen. Nicht im Erhebungsfokus des Netzwerks Deutsch liegen die Lernenden, die die deutsche Sprache in deutschsprachigen Ländern lernen, sei es im Rahmen mehr oder weniger geordneter institutioneller Lernangebote für den anfänglichen DaZ-Erwerb, sei es im Rahmen der Verbesserung der Sprachkompetenz im Elementarbereich, an Schulen, Hochschulen oder in der Erwachsenenbildung. Im Einwanderungsland Deutschland hat inzwischen jeder Fünfte Migrationshintergrund; bei den unter Zehnjährigen ist es jeder Dritte - ein nicht genau zu bemessender Anteil hat einen Bedarf nach Sprachförderung in der Zweitsprache Deutsch. Allein der Blick auf solche Zahlen und Entwicklungen, aus dem sich ein allgemeiner Bedarf an professionellem Sprachunterricht zumindest generell ableiten lässt, gibt Anlass zu zweifeln, ob man im diesem heterogenen DaF-/ DaZ-Berufsfeld zu allgemeinen Aussagen zum (gewünschten) Rollenverständnis und zur Professionalität von Deutschlehrer*innen kommen kann. 2 - Allgemeine Professionserwartung (nicht nur an DaF--‐/ DaZ--‐) L2--‐Lehrer*innen Bevor ich den Versuch wage, die Rolle und die Professionalität von Deutschlehrer*innen sowie Forschungsentwicklungen und Forschungsdesiderate in <?page no="133"?> Zur Rolle -und Professionalität -von -DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen 133 diesem heterogenen Feld an exemplarischen Beispielen differenzierter zu betrachten, möchte ich mein Verständnis hinsichtlich des allgemeinen Kompetenzkerns einer „guten Lehrer*in“ verdeutlichen: Nach diesem Verständnis begleiten Sprach(en)lehrer*innen die Lern- und Entwicklungsprozesse der Lerner*innen als reflective practitioners (gemäßigt konstruktivistisches Grundverständnis) in einem durch je spezifische sprachen- und bildungspolitische Rahmenbedingungen sowie von Rollen- und Professionserwartungen geprägtem Umfeld - idealerweise in einer durch gemeinsames Rollenverständnis und durch Austausch-, Kooperations- und Entwicklungsbestreben geprägten community of practice. Nach diesem Verständnis benötigen Sprach(en)lehrer*innen für eine professionelle Berufsausübung sowohl pädagogische wie fachspezifische (darunter sprachenspezifische) und fachdidaktische Kompetenzen, die ich im Folgenden kurz umreiße. Ein (nicht ausschließlich) für DaF/ DaZ grundlegendes Kompetenzmodell sollte danach Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Überzeugungen und Haltungen berücksichtigen wie 1. - die ausgeprägte Bereitschaft und (in der Ausbildung entwickelte) Fähigkeit zur Reflexion hinsichtlich Rolle, Wissen, Erfahrungen, Erwartungen, Beobachtungen sowie Engagement, Kooperation im Professionsfeld und unterrichtlichem Handeln, was auch Einsicht in die Grenzen der lehrseitigen Wirksamkeit und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln einschließt; 2. - einen im Vergleich zu den Lernenden (idealerweise erheblichen) Kompetenzvorsprung sowie Sprach(en)bewusstheit in der vermittelten L2 (L2 verstanden als linguistische wie kulturelle Entität) inkl. sprachstrukturellen und kulturellen Wissens. Hinzu tritt die Bereitschaft, die eigene L2-Kompetenz zu erhalten und weiterzuentwickeln, auch in Hinsicht auf unterschiedliche Kommunikationsformen, Register und Fach-/ Berufssprachen; 3. - Wissen hinsichtlich des L2-Aneignungsprozesses (mit all seinen natürlichen und allgemeinen Phänomenen, z.B. Lernersprache, kulturelle Stereotypen und Deutungsmuster); 4. - Diagnosekompetenz in Bezug auf die Lernvoraussetzungen, Motive/ Motivation, Einstellungen, Haltungen, kulturellen Prägungen, Erwartungen der individuellen Lerner*innen bzw. der Lerngruppe (inkl. Gruppendynamik, soziokulturelle Gruppenfaktoren); 5. - sprachlernprozessbegleitende Diagnosekompetenz inkl. Sprachstandserhebung und -analyse im Sinne pädagogischer Diagnostik; 6. - didaktisch-methodisches Prozesswissen und Erfahrung in der Vermittlung der Lerngegenstände und Ausgestaltung der Lernumgebung einschließlich Unterrichtsplanung, Materialeinsatz, Arbeitsformen, Unterrichtsinteraktion, Aufgabenformate unter systematischem Einbezug von Lernendenfeedback und Förderung der Lernerautonomie; <?page no="134"?> Claudia Riemer 134 7. - Kompetenz in der Gestaltung der eigenen Lehrersprache und Kommunikationsweise (L2-Professionssprache) als sprachliches Vorbild und Ausdruck glaubhafter Realisierung von Sprache in der Unterrichtsinteraktion; 8. - Sprachlernberatungskompetenz (inkl. Vermittlung von Lern- und Kommunikationsstrategien); 9. - Kompetenz im Bereich Prüfen und Bewerten inkl. Entwicklung und Anpassung geeigneter Testformate; 10. - Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien (nicht nur) beim Lernen und Lehren der L2 inkl. Gestaltung von Blended-Learning- Formaten; 11. - interkulturelle Kompetenz, was u.a. mehrsprachigkeitsfreundliche und inklusionssensible Überzeugungen einschließt; 12. - reflektiert-positive Haltungen und Überzeugungen gegenüber dem Lehrberuf, der eigenen Lehrer*innenrolle und ihrer Wirkmächtigkeit für die Lebensperspektiven der Lerner*innen sowie gegenüber der Heterogenität und Diversität der Lerngruppe (u.a. Mehrsprachigkeit); 13. - zusammenfassend die aus den vorgenannten Kompetenzen sich entwickelnde Glaubwürdigkeit, Verbindlichkeit und ressourcenorientierte sowie wertschätzende Zugewandtheit der Lehrperson zur Lernendengruppe, zu ihren Lernprozessen und zu der zu vermittelnden L2 inkl. ihrer Anwendungsmöglichkeiten sowie die inhärente Bereitschaft und Fähigkeit, die eigene Rolle und Professionalität berufsbegleitend lebenslang zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Kern zusammengefasst bedeutet dies, dass Lehrer*innen in ihrem Berufsalltag befähigt sind, ihre Rolle(n) professionell einzunehmen und auf ihr Wissen sowie ihre reflektierten Erfahrungen zurückzugreifen, wenn es gilt, auf der Mikroebene des Zweit- und Fremdsprachenunterrichts Entscheidungen zu treffen und (potenzielle) Lernprozesse zu erkennen und zu fördern oder im Berufsalltag Spielräume für Kooperation und Innovation zu erkennen und zu nutzen (vgl. auch Legutke/ Schart 2016a sowie Legutke in diesem Band). Die vorgestellte Auflistung - und sie könnte sicherlich ergänzt, stärker gewichtet und weiter ausdifferenziert werden - ist nicht als bloße Addition zu verstehen. Ihr unterliegt die Auffassung, dass die Kompetenzbereiche zusammenspielen, sich also auch gegenseitig bedingen. Sie unterstreicht, welche Erwartungen heutzutage hinsichtlich einer komplexen Multikompetenz an die Person (und Persönlichkeit) der L2-Lehrer*in gestellt werden und welche Kompetenzziele die akademische L2-Lehrer*innenbildung zu bedienen hat, auch mit dem Ziel, (zukünftige) Fremd- und Zweitsprachenlehrer*innen fit zu machen für einen Beruf, dem gesellschaftlich und politisch viel Verantwortung zugewiesen wird. ‚Fit sein‘ beinhaltet in diesem Zusammenhang, Habitualisierungstendenzen und starre Rollenbilder abzuwehren, die einer sich <?page no="135"?> Zur Rolle -und Professionalität -von -DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen 135 stetig wandelnden Gesellschaft nicht gerecht werden. Eine solch umfangreiche Kompetenzentwicklung ist im Studium anzubahnen bzw. in ihren Grundlagen zu entwickeln. Professionalität ist dabei stets auch als Haltung konzeptualisiert, die Lehrkompetenz berufsbegleitend weiterzuentwickeln. Das in den Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken vielfach beschworene Leitbild vom „forschenden Lernen“ ist nicht allein auf die erste Ausbildungsphase zu beziehen, sondern als grundsätzliche Haltung einer professionellen Lehrkraft aufzufassen. 3 - Rolle und Professionalität von DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen: exemplarische Beispiele Die oben aufgeführten Kompetenzfacetten sind mit Blick auf DaF/ DaZ weiter zu schärfen, je nach dem Feld, in dem (zukünftige) Deutschlehrer*innen ihren Beruf ausüben (werden). Ein grundsätzliches Zielproblem für grundständige DaF/ DaZ-Studiengänge insbesondere in den deutschsprachigen Ländern liegt darin begründet, dass gar nicht genau vorauszusehen ist, in welchem spezifischen Berufsfeld ihre Absolvent*innen später landen werden, woraus eine Verpflichtung hervorgeht, die Breite des Berufsfelds im Blick zu behalten. Und hierbei darf nicht verschwiegen werden, dass kleinere universitäre Fächer wie DaF/ DaZ regelmäßig an ihre personellen und strukturellen Grenzen stoßen. Die Kleinheit des Fachs betrifft genauso - wenngleich mit anderer Brisanz - die internationale Germanistik und die universitäre Ausbildung der DaF-Lehrer*innen: In der Regel handelt es sich bei den germanistischen Instituten bzw. Deutsch-Abteilungen an den Hochschulen der Welt um kleine Einrichtungen, an denen die Existenz von Professuren und daran gekoppelten Forschungsgruppen, die sich der (nicht nur fremdsprachendidaktischen) Lehrer*innenausbildung verpflichtet fühlen, beileibe keine Selbstverständlichkeit ist; in manchen Ländern bestehen erhebliche Engpässe. Hier liefern insbesondere die Träger der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (DAAD, Goethe-Institute) in Zusammenarbeit mit universitären DaF- Instituten wichtige Beiträge bei der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften für den DaF-Unterricht (s. DAAD-Lektorenprogramm, die Fort- und Weiterbildungsreihe Deutsch Lehren Lernen/ DLL des Goethe-Instituts, das DAAD- Förderprogramm Dhoch3/ Studienmodule 1 ). 1 Dhoch3 ist ein gerade in Entwicklung befindliches Förderprogramm, mit dem der DAAD gemeinsam mit universitären DaF-Abteilungen ein Angebot zur Unterstützung der akademischen Ausbildung künftiger Deutschlehrender an Schulen und Hochschulen weltweit entwickelt. Die Module sind jeweils einer spezifischen Thematik gewidmet und werden interessierten Partnerhochschulen auf einer Online-Plattform kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Zentrales Anliegen ist es, damit ein Zusatzangebot zu schaffen, das sich optimal in bestehende Strukturen <?page no="136"?> Claudia Riemer 136 Im Folgenden werde ich mich mit drei DaF-/ DaZ-Berufsfeldern und ihnen inhärenten Rollen- und Professionalitätserwartungen exemplarisch befassen und dabei - auch mit Blick auf die Lehrer*innenbildung - bestehende Forschungsdesiderate aufzeigen. 3.1 - Beispiel 1: Lehrer*innen für das Schulfach -Deutsch außerhalb deutschsprachiger Länder: der Vergleichsfall für die deutsche Fremdsprachendidaktik? Aus meinen Ausgangsbeschreibungen geht hervor, dass in internationaler Perspektive die meisten DaF-Lehrer*innen in öffentlichen Schulen in nicht deutschsprachigen Ländern arbeiten. Bei ihrer Berufsausübung stehen sie im Kern vergleichbaren Herausforderungen gegenüber wie etwa Französisch-, Spanisch- oder Englischlehrer*innen an deutschen Schulen - unter je länderspezifischen bildungspolitischen Rahmungen, Bildungsplänen und teils eng gesetzten Curricula und Lernzielen. Das Schulfach Deutsch und damit auch seine Lehrenden stehen allerdings fast immer unter Begründungsdruck, sei es hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Relevanz oder fehlender außerschulischer Anwendungsmöglichkeiten, sei es aufgrund seines Image als „schwer“ und wegen seiner Konkurrenz mit vermeintlich einfacheren Fächern (die nicht unbedingt Fremdsprachenfächer sein müssen). Aus unterschiedlichen Studien ist bekannt, dass Einstellungen zur L2 und zum L2-Lernen insbesondere für die Sprachenwahl und anfängliche Motivation von DaF-Lernenden relevant sind (vgl. exemplarisch Riemer 2016). Wir wissen allerdings wenig darüber, wie Deutschlehrer*innen ihre auch sprachenpolitisch interpretierbare Rolle wahrnehmen, z.B. ob und wie sie sinnstiftende Momente des Deutschlernens im Unterricht systematisch inszenieren. Es wäre lohnend, den Einstellungen der Lehrenden zur L2 Deutsch und ihrer Motivation, gerade diese Sprache zu unterrichten, in der Forschung nachzugehen und zu untersuchen, ob bzw. wie sie diesem Image der L2 Deutsch im Unterricht entgegenwirken. Weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht z.B. hinsichtlich der Frage, warum der schulische DaF-Unterricht (nach wie vor) nur wenig an der Tatsache anknüpft, dass Deutsch weltweit in den allermeisten Fällen als weitere Fremdsprache gelernt wird, also zeitlich vorher oder parallel schulischer Unterricht in anderen Fremdsprachen erfolgt. Die vorhandene Mehrsprachigkeit der Lernenden wird selten berücksichtigt bzw. wertgeschätzt. Lehrende wissen in der Regel nicht, wie sie vorhandenes Sprachwissen (sieht und Studiengänge integrieren lässt und zugleich Impulse für die Entwicklung neuer Studienangebote geben kann; vgl. https: / / www.daad.de/ der-daad/ unsereaufgaben/ deutsche-sprache/ foerderprogramme/ de/ 54105-das-projekt-dhoch-dafstudienmodule/ (20/ 2/ 2018). <?page no="137"?> Zur Rolle -und Professionalität -von -DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen 137 man von gelegentlichen sprachlichen Analogien ab) produktiv berücksichtigen können. Mit großen Herausforderungen sind besonders DaF-Lehrer*innen in Schwellen- und Entwicklungsländern konfrontiert, die selten im Kern der Fachdiskussion stehen (vgl. aber Padrós 2017 zur Großgruppendidaktik). Kulturelle, sozio- und bildungspolitische sowie organisatorische Rahmungen und damit einhergehende Professions- und Rollenverständnisse sind oft ganz anders gewichtet oder weichen erheblich von dem ab, was ich oben als Kompetenzmodell umrissen habe. Es existieren aber auch sehr ambitionierte Ansätze, die solche Modelle um gesamtgesellschaftliche Zielsetzungen ergänzen, die z.B. den möglichen Beitrag des Deutschunterrichts zur Weiterentwicklung und Demokratisierung einer Gesellschaft hervorheben (vgl. Ngatcha 2002 am Beispiel Kamerun) - bedeutet dies alles zusammengenommen aus Lehrendenperspektive eine Überbürdung der Lehrendenrolle oder die notwendige Akzeptanz einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe? Und nicht nur in solchen Ländern droht vieles, was auf dem Papier steht, bloße Theorie und Zielvorstellung zu bleiben - die alltägliche Praxis des schulischen DaF-Unterrichts erscheint der deutschen DaFler*in, gemessen an „westlichen“ Kompetenzidealen, mitunter „fremd“, erlebt sie bei Schulbesuchen autoritäre Rollenvorstellungen und strikt frontales Unterrichtshandeln, das sich z.B. in rigidem Umgang mit Fehlern, die Lerner*innen entwürdigenden oder sogar körperlich züchtigenden Strafen und allgemeiner Demotivation spiegelt. Dass die Integration von stärker lernprozessbzw. lernerorientierten Prinzipien mit dem Ziel der Verbesserung der Lernleistungen dann mit Rollenvorstellungen der Lehrer*innen in Konflikte gerät sowie an Grenzen ihrer Bereitschaft stößt, ihre Rolle zu reflektieren und weiterzuentwickeln, ist ein Ergebnis einer gerade entstehenden Forschungsarbeit, die im Rahmen eines mit Aktionsforschung kombinierten Fortbildungsansatzes durchgeführt wurde (Toumi in Vorbereitung). Gerade solche Forschungsarbeiten, die die Quellen, die Wirkmächtigkeit und die Dynamik von Rollenvorstellungen in den Blick nehmen, sind ein dringliches Desiderat, besonders für die Weiterentwicklung und Wirksamkeit regional angepasster Fortbildungsangebote. 3.2 - Beispiel 2: Ein blinder Fleck (nicht nur) in der deutschen Fremdsprachenforschung: die Rolle und Ausbildung der universitären Fremdsprachenlektor*innen Mit Blick auf die oben erwähnte Kernkompetenz der Beherrschung der L2 in ihrer sprachlichen und kulturellen Beschaffenheit erstaunt, dass eben die Personen, die in der universitären Fremdsprachenlehrer*innenausbildung die L2 (weiter-)vermitteln, selten von der Fremdsprachenforschung in den Blick genommen werden. Mit dem Verschwinden der Sprachlehrforschung als <?page no="138"?> Claudia Riemer 138 akademischer Disziplin ist in Deutschland eine Leerstelle entstanden, sowohl in der Lehre wie in der Forschung. Allein die Tatsache, dass viele (zukünftige) Fremdsprachenlehrer*innen aus der selbst erlebten (auch universitären) Sprachvermittlungspraxis Rollenmodelle sowie Prozesswissen und -erfahrungen (wenngleich aus der Lernendenperspektive heraus) generieren, sollte hinreichend Grund sein, diesem Feld mehr Aufmerksamkeit zu schenken und hohe Qualitätsansprüche zu erheben und umzusetzen (vgl. auch das Positionspapier des AKS 2017 2 , das die Professionalisierung der universitären Sprachausbildung und eine entsprechende akademische Ausbildung des Sprachlehrpersonals fordert). Mag dies für die Englischlehrer*innenausbildung ein kleineres Feld sein (aber kein unproblematisches, denn auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass Anglistikstudierende immer den Sprachanforderungen, insbesondere in der Studieneingangsphase, gewachsen sind), so stellt die Weiterentwicklung der Sprachkompetenz insbesondere für andere fremdsprachliche akademische Fächer ein notwendiges Ziel dar. Betrachtet man die weltweite Situation des DaF-Lernens, so ist dieses Feld von zunehmender Bedeutung, denn in vielen Ländern der Welt gibt es kein umfangreiches oder gar kein Angebot schulischen Deutschunterrichts, der Germanistik-/ Lehramtsstudierende zum Studieneintritt mit ausreichender Sprachkompetenz versieht. Der universitäre Fremdsprachenunterricht legt dadurch frühe (auch problematische) Vorbilder, das Fachstudium setzt in DaF oft zeitlich erst viel später ein. Die Ausbildung zur und das Berufsfeld der DaF-Lektor*in, die zukünftigen DaF-Lehrer*innen die sprachlichen Grundlagen vermittelt - auf mögliche Synergieeffekte sprachlichen, fachlichen und fachdidaktischen Lernens möchte ich an dieser Stelle nur allgemein verweisen - sind ein Bereich, der viel mehr konzeptionelle und Forschungsaufmerksamkeit verdient. Dies trifft sicherlich noch stärker auf ein universitäres DaF-Berufsfeld zu, das viel mit der weltweit beobachtbaren Tendenz zu tun hat, dass Deutsch an den Hochschulen verstärkt nicht im Rahmen germanistischer Studiengänge, sondern im Rahmen ganz anderer (nichtphilologischer) Studiengänge gelernt wird: Dort (und übrigens ganz besonders in transnationalen Studiengängen und den großen transnationalen Universitätsneugründungen wie der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul oder der German Jordanian University in Amman) besteht ein sehr großer Bedarf an DaF-Lehrkräften, die professionell die deutsche Fachsprache in unterschiedlichen Wissenschaften vermitteln können. Vor welchen auch fachlichen Herausforderungen dabei Fachfremdsprachenlehrer*innen stehen und wie wenig sie darauf in ihrer 2 Vgl. http: / / www.aks-sprachen.de/ wp-content/ uploads/ 2018/ 01/ Positionspapierdes-AKS-Professionalisierung-23.11.2017.pdf (20/ 2/ 2018). <?page no="139"?> Zur Rolle -und Professionalität -von -DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen 139 Ausbildung in der Regel vorbereitet werden, ist Gegenstand einer jüngst abgeschlossenen Forschungsarbeit (Zalipyatskikh 2017). 3.3 - Beispiel 3: DaZ--‐Lehrer*innen in der deutschen Migrationsgesellschaft: Professionalität light? Im Bereich DaZ sind in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen worden, dem wachsenden Bedarf an Lehrkräften zur zweitsprachlichen Förderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund und Fluchtbiographien durch die Entwicklung neuer Aus- und Weiterbildungsformate sowie Weiterentwicklung von Studienangeboten zu entsprechen. Das Berufsfeld DaZ unterliegt unterschiedlichen und gleichzeitigen Professionalisierungswie De- oder sogar Anti-Professionalisierungstendenzen. Zum einen kann sich jede*r, die es möchte, DaZ-Lehrkraft nennen, die Berufsbezeichnung ist nicht an einen einschlägigen Studienabschluss gebunden. Dass häufig vom Bedarf an „qualifizierten“ und nicht „professionellen“ Lehrkräften gesprochen wird, ist bezeichnend. Ehrenamt, semiprofessionelle und professionelle Berufsausübung liegen oft sehr nah beieinander; insbesondere in der Erwachsenenbildung sind prekäre Arbeitsverhältnisse trotz vehementer Proteste noch nicht überwunden. Hier ist ein fachspezifischer Studienabschluss in DaF/ DaZ - insbesondere in Zeiten großer Nachfrage nach Personal - kein hartes Zugangskriterium (mehr), um z.B. in Integrationskursen unterrichten zu dürfen (das können auch andere Nachweise richten; vgl. die seit Herbst 2015 gültigen, damals als kurzfristige Übergangslösung verkündeten geänderten Zulassungskriterien des BAMF sowie die erstaunliche Liste der anerkannten Zertifikate 3 ). Ein einheitliches und hinsichtlich nachgewiesener Kernkompetenzen anspruchsvolles Professionalitätsverständnis scheint nicht auf. Den Lehrkräften wird eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, die der „Integration“, zugewiesen, ohne ausreichende strukturell-finanzielle Rahmenbedingungen zu gewährleisten - auch in diesem Berufsfeld muss von einer Überbürdung gesprochen werden. Das Engagement des Fachs DaF/ DaZ im Bereich der Weiterbildung von fachfremden Personen für den Einsatz in der DaZ-Sprachförderung ist daher m.E. zu hinterfragen und mindestens in mittelfristiger Perspektive zurückzufahren, auch um Anti- Professionalisierungs- und nach wie vor bestehenden Prekarisierungstendenzen des DaZ-Lehrpersonals deutlich entgegenzutreten. Ein wenig anders, aber nicht grundlegend besser sieht es im Bereich der Schulen der Primar- und Sekundarstufe aus. Trotz steigender Anerkennung 3 Vgl. http: / / www.bamf.de/ DE/ Infothek/ Lehrkraefte/ Zulassung/ zulassung.html (20/ 2/ 2018). <?page no="140"?> Claudia Riemer 140 der Tatsache, dass an den durch migrationsgesellschaftliche Entwicklungen geprägten öffentlichen Schulen arbeitende Lehrer*innen grundlegende DaZ- Kompetenzen für den sog. sprachsensiblen Fachunterricht benötigen, findet man dazu erst unzureichende Ansätze in der Lehrer*innenausbildung (z.B. in Form sehr kleiner DaZ-Module; vgl. für eine recht aktuelle Übersicht Baumann 2017), deren kurz- und langfristige Professionalisierungseffekte mit Sicherheit weit überschätzt werden - sie harren noch der Erforschung (vgl. aber die für eine Wirkungsforschung notwendige Entwicklung des theoretisch modellierten und empirisch überprüfbaren Kompetenzmodells DaZ- Kom; s. Ohm 2018 im Druck). Auch von anderen, z.B. stark praxisorientierten DaZ-Studienelementen, sollten keine Wunder erwartet werden. Zwischenergebnisse des im Rahmen des Bielefelder Projekts „BiProfessional“ 4 durchgeführten Forschungsprojekts „BiProDaZ_FörBi“ (Riemer/ Lütje- Klose/ Wahbe; Laufzeit 2016-2019) deuten darauf hin, dass Lehramtsstudierende in einem außerschulischen Praktikumsformat (berufsfeldbezogene Praxisstudie im Bachelorstudium, die im Rahmen des universitären Förderunterrichts für Schüler*innen mit Migrationshintergrund absolviert wird) insbesondere Unterstützung bei der Entwicklung von Reflexionskompetenz benötigen, um ihre sprachdiagnostische und sprachförderdidaktische Kompetenz voranzubringen. Zur Beobachtung der Kompetenzentwicklung der Studierenden setzt die Studie quantitative (Teile des oben erwähnten DaZ- Kom-Tests) und qualitative Verfahren in longitudinaler Perspektive ein. Letztere sehen u.a. die Aufnahme von Reflexionsgesprächen der Studierenden nach ihren Förderunterrichtsversuchen vor sowie diagnostische Elemente mittels Einsatz von Videovignetten aus dem Förderunterricht, die auf Erkennen und Beurteilen sprachsensibler Unterrichtshandlungen zielen (vgl. Wahbe in Vorbereitung). Aus bisherigen Einsichten aus Forschungsprojekten und aus vielen Praxisprojekten ergibt sich, dass es eine wichtige Entwicklungsaufgabe ist, die DaZ-Kompetenzentwicklung von (zukünftigen) Lehrer*innen durchgängig in den unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung zu verankern und gut untereinander und mit den bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studienmodulen zu verknüpfen (vgl. auch Settinieri in diesem Band). Ausblick In der deutschen (vgl. exemplarisch die Beiträge in Königs 2014) wie internationalen Fremdsprachenforschung (vgl. exemplarisch die Beiträge in Mercer/ Kostoulas 2018) ist erkannt worden, dass die Lehrendenperspektive nach 4 Das Projekt „BiProfessional“ der Universität Bielefeld wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 01JA1608). <?page no="141"?> Zur Rolle -und Professionalität -von -DaF--‐/ DaZ--‐Lehrer*innen 141 Jahrzehnten der Fokussierung der Lernendenperspektive wieder stärker als Untersuchungsgegenstand aufzugreifen ist. In den letzten Jahren, geprägt auch durch die kritische Rezeption der Hattie-Studie, wurde diese Perspektivenverschiebung noch sichtbarer (vgl. exemplarisch die Beiträge in Klippel 2016 und Legutke/ Schart 2016b). Diese Entwicklung ist angesichts der skizzierten Diskussionen rund um die Rolle und Professionalität von L2- Lehrer*innen überfällig. Das Grundverständnis von Fremdsprachenlehre als eines lernprozess- und damit immer auch lernendenorientierten Handelns sollte dabei unberührt bleiben (vgl. Riemer 2015). Die zukünftige L2- Lehrer*innenforschung kann dabei auf vorhandene Forschungsarbeiten (ich erinnere exemplarisch an Caspari 1997) und auf das ausdifferenzierte forschungsmethodische Repertoire der empirischen Fremdsprachenforschung zurückgreifen. Literatur Baumann, Barbara (2017): „Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerbildung - ein deutschlandweiter Überblick“. In: Becker-Mrotzek, Michael/ Rosenberg, Peter/ Schroeder, Christoph/ Witte, Annika (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerbildung. Münster: Waxmann, 9-26. Caspari, Daniela (1997): „Untersuchungen zum beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrern/ -innen“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 8, 94-100. Klippel, Friederike (Hrsg.) (2016): Teaching Languages - Sprachen lehren. Münster, New York: Waxmann. Königs, Frank G. (Koord.) (2014): Themenschwerpunkt „Der Fremdsprachenlehrer im Fokus“. Fremdsprachen Lehren und Lernen 43/ 1. Legutke, Michael K. (in diesem Band): „Die Bedeutung des Lehrens beim Lernen von Fremdsprachen“, 98-107. Legutke, Michael K./ Schart, Michael (2016a): „Fremdsprachliche Leherbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven“. In: Legutke/ Schart (Hrsg.), 9-46. Legutke, Michael K./ Schart, Michael (Hrsg.) (2016b): Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Tübingen: Narr. Mercer, Sarah/ Kostoulas, Achilleas (Hrsg.) (2018): Language Teacher Psychology. Bristol: Multilingual Matters. Ngatcha, Alexis (2002): Der Deutschunterricht in Kamerun als Erbe des Kolonialismus und seine Funktion in der postkolonialen Ära. Frankfurt a.M. u.a.: Lang. Ohm, Udo (2018 im Druck): „Das DaZKom-Modell von DaZ-Kompetenz bei angehenden Lehrkräften“. In: Ehmke, Timo/ Koch-Priewe, Barbara/ Köker, Anne/ Ohm, Udo (Hrsg.): Professionelle Kompetenzen angehender Lehrkräfte im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Münster: Waxmann. Padrós, Alicia (Koord.) (2017): Themenheft „Großgruppendidaktik“. Fremdsprache Deutsch 56. Riemer, Claudia (2015): „Da war doch mal was - Lernerorientierung! Wissen wir bereits genug über die Lernenden und Lehrenden? “ In: Hoffmann, Sabi- <?page no="142"?> Claudia Riemer 142 ne/ Stork, Antje (Hrsg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik. Tübingen: Narr, 169-178. Riemer, Claudia (2016): „L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache. Länderspezifische und länderübergreifende Einsichten“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/ 2, 30-45. Riemer, Claudia (2018 erscheint): „Entwicklungslinien des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache - wo stehen wir heute und wo woll(t)en wir hin? “ In: Studer, Thomas/ Thonhauser, Ingo/ Peyer, Elisabeth (Hrsg.): Tagungsakten IDT 2017. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Settinieri, Julia (in diesem Band): Wie wird jeder Unterricht zu Sprachunterricht? Zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Bereich der sprachlichen Bildung, 186-196. Toumi, Bertrand (in Vorbereitung): Didaktisierung mündlich realisierten Schülerfeedbacks im fremdsprachlichen Deutschunterricht: Zur Entwicklung der Rollenvorstellungen kamerunischer Deutschlehrkräfte und Deutschlerner. Dissertation im Fach DaF/ DaZ an der Universität Bielefeld. Wahbe, Nadia (in Vorbereitung): Sprachsensibler Fachunterricht und reflektierte Praxiserfahrung: Zum Erwerb sprachsensibler Kompetenzen für die Förderung der deutschen Bildungssprache im sprachsensiblen Fachunterricht der Sekundarstufe. Dissertation im Fach DaF/ DaZ an der Universität Bielefeld. Zalipyatskikh, Natalya (2017): Didaktik der technischen Fachkommunikation: Methodologien, Konzepte, Evaluationen. Berlin: Frank & Timme. <?page no="143"?> Die Professionalität der Fremdsprachenlehrperson aus der Innensicht: Wissen, Erfahrungen und beliefs Henning Rossa 1 - Eine Annäherung an das Konstrukt „Professionalität“ im Kontext des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen „Wir sind Amateure, aber im guten Sinne; wir kultivieren die Punkte der Wissenschaft, zu denen uns unser Instinkt leitet.“ Dieses Zitat wird Léon Foucault zugeschrieben, dem 1851 der Nachweis der Erdrotation gelang, als Autodidakt, ohne Physikstudium (vgl. Grotelüschen 2018). Foucaults reflexiver Blick auf das eigene amateurhafte Handeln in einem akademischen Kontext verweist auf ein Verständnis von Wissenschaft als Praxis des Erkenntnisgewinns, die durch eher unbewusste Kognitionen beeinflusst wird. Mein Verständnis des Konstrukts „Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen“ bezieht sich auf zwei analoge Beobachtungen. Erstens interessiere ich mich in meiner Rolle als Lehrerbildner und Fremdsprachenforscher vornehmlich für den Prozess der ‚Professionalisierung‘, in dem angehende Englischlehrinnen und Englischlehrer ihre individuellen berufsbezogenen Ressourcen (Wissensbestände, Kompetenzen, Strategien, Einstellungen, Motivationen) im Lichte ihrer Erfahrungen ‚kultivieren‘, d.h. anpassen und weiterentwickeln. Professionalisierungsprozesse zu verstehen ist von besonderer Bedeutung für meine Arbeit, da ich möglichst wirksame Beiträge zur Aus-, Fort- und Weiterbildung, zur Begutachtung und Leistungsmessung sowie zur Beratung und Begleitung der (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer leisten will. Zweitens erleben Lehrpersonen im Rahmen ihrer Professionalisierung typischerweise eine ganze Reihe von Situationen, in denen sie erkennen, dass eher unbewusste Intuitionen das eigene Handeln leiten und nicht etwa das explizit verfügbare Wissen über fachdidaktisch relevante Prinzipien der Unterrichtsgestaltung: „Der Englischlehrer weiß um den Abstand seiner Arbeit von dem erstrebten Ziel. Viele Einzelfragen tauchen auf, auf die er keine Antwort findet“ (Heuer 1968, 10). Aus dieser berufsbiographischen Perspektive ist Professionalität nicht als ein abgeschlossenes, standardisiertes System zu begreifen, sondern vielmehr als veränderliches, kontinuierliches Entwicklungsproblem (vgl. Hericks 2006; Terhart 2011, 208), das auch die Auseinandersetzung mit subjektiven Einstel- <?page no="144"?> Henning Rossa 144 lungen, Motivationen und Überzeugungen (beliefs) einschließt. Diese konzeptuelle Erweiterung des Begriffs berücksichtigt auch eher implizit vorhandene Vorstellungen der Lehrpersonen darüber, wie Fremdsprachenunterricht funktioniert, was relevante Fachinhalte sind usw. Beliefs wird aufgrund ihrer affektiven und „selbst-normativen“ (Oser/ Blömeke 2012, 416) Komponenten besondere Relevanz für die Steuerung und Bewertung des eigenen professionellen Handelns zugeschrieben (vgl. Kagan 1992). Ich halte diese introspektive Annäherung an das Konstrukt ‚Professionalität‘ für eine wichtige Erweiterung der grundlegenden, im wesentlichen kompetenztheoretisch fundierten und im erweiterten Prozess-Produkt-Ansatz der Unterrichtsforschung operationalisierten Idee, dass professionelle Handlungskompetenzen für den Lehrerberuf spezifiziert werden können, dass sie potentiell erlernbar sind bzw. entwickelt werden können und dass sie professionelles Handeln im beruflichen Umfeld ermöglichen. Professionelles Handeln der Lehrpersonen beeinflusst die Qualität der Lernprozesse und -ergebnisse der Schülerinnen und Schüler positiv (vgl. Baumert/ Kunter 2006; Pauli/ Reusser 2009, 682) und ist somit von Bedeutung für das System Schule. Professionelles Handeln ist aber auch von Bedeutung für die subjektiven Perspektiven der Lehrpersonen, die sich in ihrem Beruf als kompetent und selbstwirksam erleben wollen. Eine um diese Perspektive erweiterte theoretische Modellierung von Professionalität muss daher auch die Frage beachten, inwiefern Lehrende in ihrem professionellen Handeln und vermittelt durch die Interaktion mit den Lernenden einen Rückkopplungseffekt auf ihre professionelle Entwicklung erfahren (vgl. Bonnet/ Hericks 2009). Eine pragmatische Definition von Professionalität berücksichtigt also die Zusammenhänge zwischen professionellem Handeln, der Qualität der Lernprozesse und der Rückkopplung der Praxiserfahrungen auf die Professionalität. Daraus lässt sich die Forderung ableiten, bei der Gestaltung von Lernangeboten in der Lehramtsausbildung und bei der Erforschung der Lehrerprofessionalität den Blick auf die Prozesse der Kompetenzentwicklung zu richten. In diesen Prozessen wird die Ausprägung der professionellen Handlungskompetenz angesichts sich stetig verändernder beruflicher Anforderungen aktualisiert: [S]chwierige, komplexe, riskante Aufgaben und Probleme können nur auf der Basis einer in anspruchsvoller Ausbildung und sorgfältiger beruflichen Sozialisation erworbenen Wissensgrundlage sowie entsprechender Haltungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bewältigt werden. Man ist umso professioneller, je kompetenter man diese beruflichen Aufgaben erfüllt. Da diese sich immer schneller wandeln, ist die Bereitschaft zur Weiterentwicklung seiner Kompetenzen ein entscheidendes Kriterium für dieses Verständnis von Professionalität (Terhart 2011, 215). <?page no="145"?> Die Professionalität -der -Fremdsprachenlehrperson -aus -der Innensicht 145 2 - Der fachdidaktische Kern der Professionalität von Englisch--‐ lehrerinnen und Englischlehrern Aus einer fremdsprachendidaktischen Perspektive stellt sich die Frage nach den spezifischen Anforderungen, die für das Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen wesentlich sind. Diese Frage berührt den zentralen Gegenstand der Fremdsprachendidaktik, und es verwundert daher nicht, dass die bislang vorliegenden Antworten uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich sind. Ich möchte in diesem Beitrag versuchen, ausgewählte Anforderungsbereiche des Englischunterrichts an deutschen Schulen zu skizzieren, zu denen sich Lehrerinnen und Lehrer positionieren müssen. Ich tue dies mit Blick auf meine eigene berufliche Sozialisation, verweise dabei auf ausgewählte theoretische und empirisch fundierte Arbeiten aus der Englischdidaktik sowie auf fremd- und zweitsprachendidaktisch orientierte Forschung zur Lehrerbildung. Dieser eklektische Ansatz ist einerseits der Zurückhaltung der Fremdsprachenforschung in Bezug auf die Frage des ‚guten Unterrichts‘ (vgl. Rossa 2017) und andererseits der Dysbalance fremdsprachendidaktisch relevanter Erkenntnisse zu den Perspektiven der Lernenden bzw. der Lehrenden geschuldet, die aus der verstärkten Lernerorientierung der Fachdiskurse seit den 1960er Jahren erwachsen ist (vgl. Königs 2016). Ich beziehe mich also auf „das Bild eines angehenden Lehrenden“ (ibid., 62), das ich eher indirekt aus Erkenntnissen zum fremdsprachlichen Lernen ableite und mit stärker subjektiven und episodischen Beobachtungen ergänze. In der post-method era kann der fachdidaktische Kern des Englischunterrichts schlechterdings nicht mehr darin bestehen, eine an normativen Prinzipien orientierte Abfolge methodischer Schritte lege artis umzusetzen. Stattdessen ist nach Freeman (2016, 138-139) zu empfehlen, dass Fremdsprachenlehrpersonen in die Lage versetzt werden, die Wirksamkeit des eigenen Handelns im Unterricht einzuschätzen, „[f]ocusing on how teachers could know that their teaching had worked, that the choices they made accomplished their intentions, and more crucially what these choices accomplished for student learning“. Empirische Befunde zur Wirksamkeit fremdsprachlicher Vermittlungsprozesse eignen sich angesichts der Komplexität der interagierenden Faktoren und der Vielfalt der Lehr-Lern-Kontexte nur bedingt für eine Spezifikation der genuinen Bedingungen und Anforderungen eines bestimmten Feldes (z.B. Englischunterricht in der Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland). Aus den Metaanalysen der Zweitsprachenerwerbsforschung lässt sich analog zu den allgemeindidaktischen Befunden zum signifikanten Einfluss des Lehrerhandelns auf die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler (vgl. Hattie 2009) aber durchaus die These ableiten, dass die konkrete Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts die mehr oder weniger effektive Nutzung der Lernangebote durch die Lernenden grundsätzlich bedingt (vgl. <?page no="146"?> Henning Rossa 146 Dixon et al. 2012; Li 2012; Spada/ Tomita 2010). Die Autorinnen und Autoren dokumentieren beispielsweise eine höhere Wirksamkeit für einen expliziten form-focus gegenüber eher impliziten Lernangeboten zur Entwicklung der zielsprachlichen Grammatik. Ähnliche Effekte werden für stärker auf Wiederholung und Elaboration ausgerichtete Techniken sowohl in der Wortschatzarbeit, als auch in Studien zum task-based language teaching berichtet (Eckerth/ Tavakoli 2012; Hawkes 2012). Diese isolierten Facetten der Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts weisen implizit auf den Kernauftrag hin, der mit dem Fremdsprachenunterricht verbunden ist: die Aneignung der Fremdsprache in der kommunikativen Auseinandersetzung mit bedeutsamen Inhalten zu ermöglichen. Die Bemühungen um eine literarisch-ästhetische und transkulturelle Bildung, um autonomes Lernen und metakognitive Zugänge zum Fremdsprachenlernen legen ebenfalls nahe, dass die genuinen Bedingungen des Englischunterrichts eine fachdidaktisch informierte Gestaltung verlangen, die offener und insbesondere langfristiger angelegt werden muss, als dies möglicherweise in anderen Fächern denkbar ist. Die komplexe Aufgabe, eine Fremdsprache zu entdecken und zu entfalten, steht im Widerspruch zu der Annahme, man könne diesen Unterrichtsgegenstand ‚durchnehmen‘ und in Situationen der Leistungsmessung ‚abfragen‘. Zu dieser Erwartungshaltung („Herr Rossa, die Parallelklasse ist schon bei Unit 5! “) musste ich mich in der Schule wiederholt positionieren und nahm wahr, dass sie sich nicht gut mit meinen eigenen Überzeugungen zum schulischen Fremdsprachenerwerb vereinbaren lässt. Die zweite Erkenntnis aus meiner eigenen Berufseinstiegsphase besteht darin, dass die generelle Empfehlung, die Lehrperson möge sich angesichts einer konstruktivistischen Konzeption unterrichtlicher Lernprozesse „ein Stück weit aus der unmittelbaren Steuerung des Unterrichtsgeschehens zurück[…]ziehen“ (Königs 2016, 68), für den Englischunterricht relativiert werden muss. Dies gilt zumindest in Bezug auf die Anforderungen, in zunehmend heterogenen Lerngruppen, unter Berücksichtigung vielfältiger Lernvoraussetzungen und -schwierigkeiten ein möglichst individuelles, formatives Feedback anzubieten und bedeutsame Inhalte verständlich, anregend und differenziert aufzubereiten: Die Lehrperson bleibt für die Schülerinnen und Schüler der hör- und sichtbare, personale Bezug zur Fremdsprache. Ein weitgehender Rückzug in die Rolle des Lernbegleiters und -moderators muss zumindest so flexibel gestaltet werden, dass ein Wechsel zu Unterrichtsphasen gelingen kann, die von einem stärker steuernden und Sprachmaterial darbietenden Lehrerhandeln geprägt sind. <?page no="147"?> Die Professionalität -der -Fremdsprachenlehrperson -aus -der Innensicht 147 3 - Fachkompetenz für den Englischunterricht Angesichts der im vorangegangenen Kapitel skizzierten Aspekte entsteht das Bild einer fachkompetenten Englischlehrperson, die erstens aus einer Vielfalt methodischer Optionen wählen kann und zweitens in der Lage ist, den Lernenden mit dem Wissen über ihre individuellen Voraussetzungen und Lernschwierigkeiten einen lebendigen und bedeutsamen Zugang zur Fremdsprache zu bieten. Eine kompetente Englischlehrerin kann drittens die Wirksamkeit des eigenen unterrichtlichen Handelns mit Blick auf die Unterstützung der individuellen Lernprozesse prüfen und anpassen. Den Hintergrund dieser fachdidaktisch spezifizierten Kompetenz bildet die interkulturelle kommunikative Kompetenz der Lehrperson und das Fachwissen, das in Linguistik, angewandter Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaften vermittelt wird. Diese professionellen Ressourcen erlauben den zuvor genannten ‚lebendigen Zugang‘ zur Fremdsprache als Mittel zur Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit, interkulturellen Aushandlungsprozessen und kulturellen Identifikationsmöglichkeiten. Das von der Kultusministerkonferenz vorgegebene ‚Fachprofil‘ für ein Lehramtsstudium in den modernen Fremdsprachen bildet diese drei Kernpunkte meines Verständnisses von Fachkompetenz nur teilweise ab. Einerseits finden sich Kompetenzdeskriptoren und inhaltliche Vorgaben, die sehr grob und umfassend formuliert sind: [Angehende Lehrpersonen] „kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen“ (KMK 2017, 44). Andererseits ist offenkundig, dass die Studierenden auf die Inklusion vorbereitet werden sollen. Insofern wird die zuvor skizzierte Anforderung Lernangebote und korrigierendes Feedback zu individualisieren und Lernschwierigkeiten im Blick zu haben aufgegriffen. An anderer Stelle überrascht der Grad der Konkretisierung der angestrebten Handlungskompetenz, wenn angehende Lehrpersonen etwa „auf der Grundlage ihrer fachbezogenen Expertise hinsichtlich der Planung und Gestaltung eines inklusiven Unterrichts mit sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam entsprechende Lernangebote entwickeln“ sollen (ibid.). Diese Fähigkeit in fremdsprachendidaktischen Modulen der universitären Lehramtsausbildung anzubahnen und zu trainieren, halte ich für ein ambitioniertes Vorhaben, zumal die Beschreibung nahelegt, dass die Studierenden im Rahmen des Kompetenzaufbaus gemeinsam mit Studierenden anderer Fachrichtungen Unterrichtsvorhaben entwickeln. Insgesamt thematisieren die Vorgaben den schulischen Fremdsprachenerwerb und die Dimensionen Literatur, Kultur, Medien nur schlagwortartig. Es stellt sich grundsätzlich die Frage, auf welchem Abstraktionsniveau inhaltliche Standards für die universitäre Phase der Lehrerbildung wirken und Orientierung für die Gestaltung von Studiengängen bieten können. <?page no="148"?> Henning Rossa 148 4 - Professionalisierung von Fremd--‐/ Zweitsprachenlehrpersonen: der Beitrag der universitären Lehramtsausbildung Aus meiner Sicht kann die universitäre Lehramtsausbildung einen Beitrag dazu leisten, dass angehende Fremdsprachenlehrpersonen mit einem robusten und zugleich flexiblen Selbstkonzept den Übergang zur zweiten Phase der Lehramtsausbildung bewältigen können. Dies ist aus zwei Gründen dringend notwendig: Den Ergebnissen der Forschung zum Lehrerberuf ist zu entnehmen, dass sehr viele Lehrer einer Veränderung der eigenen unterrichtspraktischen Routinen tendenziell eher abwehrend gegenüberstehen (vgl. Terhart 2011, 211), während Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst unter einem hohen Druck stehen, ihr professionelles Handeln den mehr oder weniger expliziten, tradierten Standards anzupassen (vgl. Košinár 2014). Beide Haltungen gilt es im Sinne einer Weiterentwicklung sowohl des Unterrichts, als auch der Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen aufzulösen. Hilfreich für die frühe Entwicklung von Professionalität im Lehramtsstudium sind vermutlich Lerngelegenheiten, in denen die Studierenden in einem geschützten Raum Unterrichtsvorhaben eigenständig planen und fachdidaktisch analysieren und sich in der Lehrerrolle erleben können. Dies ist zum Beispiel im Rahmen des Lehr-Lern-Labor Konzepts möglich, in dem Studierende Lernumgebungen und Unterrichtsmaterialien vorbereiten und mit Schülergruppen am außerschulischen Lernort Universität ausprobieren und auswerten können. 5 - - Perspektiven und Desiderate für die Fremdsprachenforschung In der Fremdsprachenforschung existiert aus meiner Sicht ein offenkundiges Desiderat im Bereich der fachdidaktischen Spezifikation von Unterrichtsmerkmalen, die anschlussfähig an Kategorien der empirischen Unterrichtsforschung sind (vgl. Klieme/ Rakoczy 2008, 235). Dabei geht es einerseits um die Frage, inwiefern sich das Konstrukt ‚Unterrichtsqualität‘ aus fremdsprachendidaktischer Perspektive modellieren und empirisch erfassen lässt. Was bedeutet das Merkmal „kognitive Aktivierung“ (siehe Abbildung 1), das im mathematikdidaktischen Kontext prädiktive Validität für die Wirksamkeit des Unterrichts besitzt, im Fremdsprachenunterricht? Welche unterrichtlichen Angebote können als unterstützend und förderlich für den Fremdsprachenerwerb beschrieben werden? <?page no="149"?> Die Professionalität -der -Fremdsprachenlehrperson -aus -der Innensicht 149 Abb. 1: Grunddimensionen der Unterrichtsqualität und deren vermutliche Wirkung aus Klieme/ Rakoczy (2008, 228) Die Arbeitsergebnisse fachdidaktisch spezifizierter Unterrichtsforschung könnten in der Lehrerbildung als Ausgangspunkt für die Bewusstmachung und kritische Reflexion von potentiell handlungsleitenden Kognitionen, Einstellungen und beliefs zum Lehren und Lernen im Fremdsprachenunterricht genutzt werden, die Studierende und angehende Lehrpersonen im Verlaufe ihrer professionellen Entwicklung bereits konstruiert und gefestigt haben (vgl. Borg 2003, 82). Auf diese Weise kann ein Beitrag zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen geleistet werden, der die Kongruenz zwischen beliefs, fachspezifischen professionellen Selbstkonzepten und unterrichtspraktischen Kompetenzen und Handlungsalternativen stärkt. Literatur Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2006): „Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften“. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9/ 4, 469-520. Bonnet, Andreas/ Hericks, Uwe (2009): „Neue Tipps für guten Unterricht“. In: Pädagogik 61/ 11: 8-11. Borg, Simon (2003): „Teacher cognition in language teaching: A review of research on what language teachers think, know, believe, and do“. In: Language Teaching Research 36/ 2, 81-109. Dixon, L. Quentin/ Zhao, Jing/ Shin, Jee-Young/ Wu, Shuang/ Su, Jung- Hsuan/ Burgess-Brigham, Renata/ Gezer, Melike Unal/ Snow, Catherine (2012): <?page no="150"?> Henning Rossa 150 „What We Know About Second Language Acquisition: A Synthesis From Four Perspectives“. In: Review of Educational Research 82/ 1, 5-60. Eckerth, Johannes/ Tavakoli, Parveneh (2012): „The effects of word exposure frequency and elaboration of word processing on incidental L2 vocabulary acquisition through reading“. In: Language Teaching Research 16/ 2, 227-252. Freeman, Donald (2016): Educating Second Language Teachers. Oxford: Oxford University Press. Grotelüschen, Frank (2018): Vor 150 Jahren gestorben - Der französische Physiker Léon Foucault. http: / / www.deutschlandfunk.de/ vor-150-jahrengestorben-der-franzoesische-physikerleon.871.de.html? dram: article_id=410484 (10/ 04/ 2018). Hattie, John (2009): Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London: Routledge. Hawkes, Martin L. (2012): “Using task repetition to direct learner attention and focus on form“. In: ELT Journal 66/ 3, 327-336. Hericks, Uwe (2006): Professionalisierung als Entwicklungsaufgabe: Rekonstruktionen zur Berufseingangsphase von Lehrerinnen und Lehrern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Heuer, Helmut (1968): Die Englischstunde: Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsforschung. Henn Verlag: Wuppertal. Kagan, Dona M. (1992): „Implications of research on teacher belief“. In: Educational Psychologist 27, 65-90. Klieme, Eckhard/ Rakoczy, Katrin (2008): „Empirische Unterrichtsforschung und Fachdidaktik. Outcome-orientierte Messung und Prozessqualität des Unterrichts“. In: Zeitschrift für Pädagogik 54/ 2, 222-237. (KMK 2017) = Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2017): Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i.d.F. vom 12.10.2017). Berlin: Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Königs, Frank G. (2016): „Der Fremdsprachenlehrer: Das unbekannte Wesen? - Was wir trotz Lernerorientierung über Fremdsprachenlehrkräfte wissen könnten (und vielleicht auch wissen sollten)“. In: Klippel, Friederike (Hrsg.): Teaching Languages - Sprachen lehren. Münster: Waxmann, 59-73. Košinár, Julia (2014): Professionalisierung in der Lehrerausbildung. Anforderungsbearbeitung und Kompetenzentwicklung im Referendariat. Opladen: Barbara Budrich. Li, Shaofeng. (2010): „The Effectiveness of Corrective Feedback in SLA: A Meta- Analysis“. In: Language Learning 60/ 2, 309-336. Oser, Fritz/ Blömeke, Sigrid (2012): „Überzeugungen von Lehrpersonen. Einführung in den Thementeil“. In: Zeitschrift für Pädagogik 58/ 4, 415-421. Pauli, Christine/ Reusser, Kurt (2009): „Zum Einfluss von Professionalität auf die Qualität von Lehr-Lern-Prozessen“. In: Zlatkin-Troitschanskaia, Olga/ Beck, Klaus/ Sembill, Detlef/ Nickolaus, Reinhold/ Mulder, Regina (Hrsg.): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel: Beltz, 679-689. <?page no="151"?> Die Professionalität -der -Fremdsprachenlehrperson -aus -der Innensicht 151 Rossa, Henning (2017): „Lost in Translation. Überlegungen zum Wirksamkeitsdefizit der Bildungsstandards als bildungspolitische Steuerungsinstrumente für die Unterrichtsentwicklung im Fach Englisch“. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 46/ 1, 100-114. Spada, Nina/ Tomita, Yasuyo (2010): „Interactions Between Type of Instruction and Type of Language Feature: A Meta-Analysis“. In: Language Learning 60/ 2, 263-308. Terhart, Ewald (2011): „Lehrerberuf und Professionalität: Gewandeltes Begriffsverständnis - neue Herausforderungen“. Zeitschrift für Pädagogik 57. Beiheft, 202-224. <?page no="152"?> Rolle und Professionalität der Fremdsprachenlehrpersonen Jutta Rymarczyk Als ich vor rund 25 Jahren begann an einem Düsseldorfer Gymnasium zu arbeiten, hing im Lehrerzimmer ein aus einer Zeitschrift gerissener Cartoon, der einen Lehrer zeigte: Im einarmigen Handstand auf einem Skateboard fahrend jonglierte dieser Mensch mit der freien Hand mindestens fünf diverse Gegenstände wie Schwamm, Kreide, Füllfederhalter etc., balancierte ferner auf einem in die Luft gestreckten Fuß seine Bücher, Atlanten und Videokassetten, während an dem anderen abgespreizten Unterschenkel von den Schülern eingesammelte Gegenstände wie Fletschen, Zorro-Masken u.v.m. hingen (ich improvisiere hier etwas…). Was ich nicht improvisiere, sind das Clownshütchen und der breite Clownsmund, der selbst mit Trillerpfeife zwischen den Lippen noch ein breites Grinsen ins Gesicht der Lehr„kraft“ zauberte. 1 - Die Rolle und spezifischen Aufgaben von Fremd--‐ und Zweitsprachenlehrkräften sowie die Spezifik der damit verbundenen Professionalität Im Vergleich des von mir immer noch als realistisch empfundenen Cartoons mit den diversen Lehrerrollen, wie wir sie z.B. bei Harmer (2001; 2012) oder Hedge (2000) finden, fällt auf, dass die Rollen in der einschlägigen Literatur fein säuberlich voneinander getrennt sukzessive aufgelistet sind. Unterstützt wird der Eindruck der Sukzessivität durch Harmers Feststellung, dass Lehrerrollen im Klassenzimmer „may change from one activity to another, or from one stage of an activity to another” (2001, 57). Um den mannigfaltigen Anforderungen an die Lehrperson vor, im und nach dem Unterricht gerecht werden zu können, bedarf es m.E. aber immer des Zusammenspiels mehrerer Rollen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Interessant ist in Harmers Publikationen jedoch der Vergleich der aufgelisteten Lehrerrollen in den Ausgaben von 2001 und 2012. Wurden 2001 noch die folgenden neun Rollen angeführt, nämlich Controller, Assessor, Corrector, Organizer, Prompter, Resource, Participant, Tutor und Observer (2001, 57-62), so sind es 2012 Controller, Organisor, Prompter, Resource, Participant, Tutor, Performer, Language model und Provider of comprehensible input (2012, 108- 118). Die Hinzunahme der drei letztgenannten, sprachbezogenen Rollen Performer, Language model und Provider of comprehensible input ist nachvollziehbar und sicherlich begrüßenswert, der Wegfall von Assessor, Corrector <?page no="153"?> Rolle -und Professionalität -der -Fremdsprachenlehrpersonen 153 und Observer jedoch aus meiner Sicht sehr bedenklich, da sich nur diese Rollen mit Assessment und Korrektur befassten (Harmer 2001, 57-62): Assessor Provides students with feedback regarding their performance and grades them in distinct ways. Corrector Offers students correction of their linguistic errors while assessing their language learning competence. Observer Observes students’ performance to offer them individual/ group feedback. Auch bei Karavas-Dukas (1995, in Hedge, 2000, 28-29), die eine Gruppe erfahrener Lehrkräfte verschiedener Nationalitäten zu Lehrerrollen befragt hat, fällt die Kategorie der Bewerter/ Korrigierer und Rückmeldung Gebender nicht sonderlich stark ins Gewicht. Lediglich 10,7 % der Befragten erwähnten die Rolle „Evaluator“. Sprachstandsdiagnosen stehen jedoch immer an, und wenn wir unsere Bemühungen um Inklusion, wie sie spätestens seit 2009 durch die Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung sowie durch die Flüchtlingswellen nach Europa bestehen sollten, verantwortungsvoll angehen wollen, so ist eine diagnostische Perspektive generell dringend geboten. Schließlich versteht sich der weitere Begriff der Inklusion als ein Prozess „of addressing and responding to the diversity of needs of all learners through increasing participation in learning, cultures and communities, and reducing exclusion within and from education […]“ (UNESCO 2005, 13; Kursivsetzung J.R.). Lehrpersonen müssen in die Lage versetzt werden, diese „needs“ erkennen und entsprechend handeln zu können, was voraussetzt, dass die Aufgaben des Einschätzens der Leistungen, des Bewertens sowie des Rückmeldens weiterhin als zentral verstanden werden. In dieser Hinsicht scheinen aber disparate Ansichten zu bestehen. So heißt es in dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 5.10.2000 zu „Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern heute - Fachleute für das Lernen“ (KMK et al. 2000) unter Punkt V. zwar Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungsaufgabe im Unterricht und bei der Vergabe von Berechtigungen für Ausbildungs- und Berufswege kompetent, gerecht und verantwortungsbewusst aus. Dafür sind hohe pädagogischpsychologische und diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften erforderlich sowie die motivierende Kommunikation untereinander und die hilfreiche Beratung der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern (KMK et al. 2000, 3), jedoch lässt sich diese Betonung diagnostischer Kompetenzen in all den Publikationen nicht wiederfinden, die ein stärker symmetrisch angelegtes Verhältnis zwischen Lehrer- und Schülerschaft verfolgen. Für diese Gruppe von Publikationen sei exemplarisch auf Tabak und Baumgartner (2004) verwie- <?page no="154"?> Jutta -Rymarczyk 154 sen, die in ihrem Aufsatz „The Teacher as Partner: Exploring Participant Structures, Symmetry, and Identity Work in Scaffolding“ schreiben: Thus, we propose that the teacher as partner serve as a generative metaphor for inquiry teaching in responding to current calls to consider identity formation as well as subject-matter learning in formal schooling (Tabak/ Baumgartner, 1). Die Akzeptanz dieses Vorschlags führt die Lehrperson in ein Rollendilemma, denn diese klar symmetrische Perspektive ist nicht mit der asymmetrischen zu vereinen, die eingenommen werden muss, wenn es um Diagnose und Bewertung geht. Dieses Rollendilemma ist nur durch eine hohe Flexibilität zu lösen, mit der die Lehrperson situationsbezogen den an sie gestellten Anforderungen begegnen muss. In der Definition der dem Begriff der Professionalität zugrundeliegenden Kompetenzen schließe ich mich folglich Blömeke, Gustafsson und Shavelson an (2013), die die Definition von Koeppen, Hartig, Klieme und Leutner „Competencies are conceptualized as complex ability constructs that are context-specific, […] and closely related to real life“ (2008, 61) umformulierten in folgende, flexiblere Variante: „[…] the latent cognitive and affective-motivational underpinning of domain-specific performance in varying situations“ (Blömeke et al. 2013, 3). Zu untersuchen sind demnach die Kompetenzen, die für ein bestimmtes Rollen“bündel“ benötigt werden, das abhängig von den anliegenden Aufgaben von der Lehrperson einzunehmen ist. 2 - Zum Zusammenhang von Professionalität und der als -Grundlage guten Unterrichts verstandenen Fachkompetenz von Fremd--‐ / Zweitsprachenlehrerinnen und --‐lehrern Bei der Untersuchung der Kompetenzen, die eine Lehrperson aufweisen muss, um einem bestimmten Rollenbündel in einem bestimmten Kontext gerecht werden zu können, sei mit Sadler (2013, in Blömeke et al. 2013) zunächst ein weiterer Vorbehalt angeführt, der den Gesamtgegenstand noch einmal komplexer erscheinen lässt, nämlich die Frage nach dem Zusammenspiel der Einzelbestanteile bzw. Teilkompetenzen des Konstrukts: Is it possible to decompose competence exhaustively […]? The decomposition reduces complexity and aids understanding - but is it the same then? […] the question arises as to whether and how persons who possess all of the resources belonging to a competence construct are able to integrate them, such that the underlying competence emerges in performance (Sadler 2013, in Blömeke et al. 2013, 6). Vor dem Hintergrund dieses Vorbehalts erscheint der Umstand, dass in Deutschland laut der letzten BIG-Studie von 2016 der Anteil der vollausgebildeten Lehrkräfte für das Fach Englisch auf der Primarstufe unter den für diese <?page no="155"?> Rolle -und Professionalität -der -Fremdsprachenlehrpersonen 155 Studie Befragten bei unter 50 % lag (Börner et al. 2016, 18), als nicht tragbar. Es mangelt der Gruppe fachfremd unterrichtender Lehrkräfte nämlich demnach vermutlich nicht nur an der fremdsprachlichen Kompetenz, die für gleich drei der von Harmer (2001, 57-62) genannten Rollen zuständig ist (Performer, Language model und Provider of comprehensible input), sowie an allen weiteren fachlichen Kompetenzen, die sich aus den drei Bereichen des Fachwissens (sprachwissenschaftliches, literatur- und kulturwissenschaftliches Wissen) sowie dem fremdsprachendidaktischen Wissen ableiten lassen (vgl. Roters 2017 für eine vollständige und detaillierte Auflistung), sondern mit Sadler (2013) auch an deren Zusammenspiel. Um die Komplexität des Gegenstands genauer aufzeigen zu können, möchte ich mich im Folgenden lediglich auf die diagnostischen Aufgaben von Fremdsprachenlehrkräften beziehen, da diese - wie oben dargelegt - derzeit einerseits aus dem Blick fallen, andererseits jedoch häufig als zentrale Aufgaben bezeichnet werden (Leuders/ Dörfler/ Leuders/ Philipp 2018). Der Zusammenhang mit diagnostischer Kompetenz wird dabei wie folgt definiert: Diagnostic activities comprise the gathering and interpretation of information on the learning conditions, the learning process or the learning outcome, either by formal testing, by observation, by evaluating students’ writings or by conducting interviews with students. The goal of diagnostic activities is to gain valid knowledge about individual students or the whole class in order to plan further individual support or whole class teaching, to inform students and parents or to decide on resources. The teachers’ knowledge, skills, motivations and beliefs relevant to these diagnostic activities can be summarized as diagnostic competences […]. (ebd., 3) Der Fokus soll in meinen weiteren Ausführungen ferner auf Grundschullehrkräfte beschränkt werden, da der Beginn des Fremdsprachenunterrichts derzeit durch äußerst fragwürdige bildungspolitische Entscheidungen 1 entweder wie in Baden-Württemberg bereits von Klasse 1 auf Klasse 3 zurückverlegt wurde oder diese Rückverlegung diskutiert wird wie beispielsweise in Nord- 1 Die offizielle Benachrichtigung durch Ministerin Eisenmann an die betroffenen Schulen vom 14.12.2017 zur „Verschiebung des Fremdsprachenbeginns von Klasse 1 auf Klasse 3 und Bereitstellung zusätzlicher Förderstunden“ rechtfertigt die Kürzung des Fremdsprachenunterrichts im ersten Satz mit der Feststellung: „mehrere empirisch angelegte wissenschaftliche Forschungsarbeiten, zuletzt auch der IQB-Ländervergleich, haben gezeigt, dass hinsichtlich der Wirksamkeit des Fremdsprachenunterrichts in den Grundschulen Nachsteuerungsbedarf besteht“. Dass diese Entscheidung jeglicher fundierten Grundlage entbehrt, zeigt sich an dem Verweis auf die IQB-Studie. Weder der letzte IQB-Ländervergleich aus dem Jahr 2012 (https: / / www.iqb.hu-berlin.de/ bt/ lv2012) noch der letzte IQB- Bildungstrend von 2016 bezog sich auf Fremdsprachenunterricht in der Grundschule (https: / / www.iqb.hu-berlin.de/ bt/ BT2016). <?page no="156"?> Jutta -Rymarczyk 156 rhein-Westfalen 2 . In diesem Kontext soll der diagnostischen Kompetenz zur Unterstützung des frühen, simultanen Schriftspracherwerbs (Deutsch + 1. Fremdsprache) besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden, da die Behandlung der Schriftsprache eng mit der Frage des Beginns des Fremdsprachenunterrichts auf der Primarstufe verknüpft ist. Die Relevanz dieser spezifischen diagnostischen Kompetenz kann im Kontext des frühen, simultanen Schriftspracherwerbs nicht hoch genug eingeschätzt werden, da eventuelle Schwächen in der Aneignung der Lese- und Schreibfertigkeit bei den Kindern möglichst früh erkannt werden sollten, damit die schriftlichen Fertigkeiten als solide Basis für die Entwicklung weiterer kognitiver Fertigkeiten dienen können. Aufgrund des Umstandes, dass die Kinder in ihren fremdsprachlichen Spontanschreibungen in der Regel auf die Schulsprache zurückgreifen, in der sie am intensivsten alphabetisiert werden, erlauben ihre Schreibversuche in der Fremdsprache in deutschsprachigen Grundschulen nicht nur Einblicke in ihren Fortschritt z.B. im Englischen, sondern auch in das orthographische Regelwissen im Deutschen (Noack/ Weth 2012, 15f.). Abb. 1: Frei geschriebener Text einer Drittklässlerin mit Interferenzfehlern als häufigster Fehlerkategorie Des Weiteren legen die ersten tentativen Schreibweisen der Kinder auch den Grad ihrer phonemischen Bewusstheit dar, denn sie streben danach, die Laute zu verschriftlichen, die sie hören können (Rymarczyk 2016a, 55). Interferenzfehler werden hier daher als positiv gewertet; anders als willkürliche Fehler zeigen sie eher auf, was ein Lerner bereits erreicht hat (achievement perspecti- 2 Die Anhörung von Sachverständigen vor dem nordrheinwestfälischen Landtag bzw. dem Ausschuss für Schule und Bildung fand auf Antrag der Fraktion der AfD unter dem Titel "Englischunterricht in der Primarstufe abschaffen - Deutsch und Mathematik dafür stärken! " am 21.02.2018 statt (https: / / www.landtag.nrw.de/ portal/ WWW/ GB_I/ I.1/ Ausschuesse/ A15_- _Ausschuss_fuer_Schule_und_Bildung/ Verteiler_-_21.02.2018.pdf.) <?page no="157"?> Rolle -und Professionalität -der -Fremdsprachenlehrpersonen 157 ve) als was ihm noch in seinem Wissen fehlt (deficit perspective). Da der Schriftspracherwerb der Kinder durch die vergleichsweise transparenten und regelmäßigen Graphem-Phonem-Beziehungen des Deutschen dominiert wird, sind die ersten Verschriftlichungen im Englischen (oder auch Französischen) mit seiner opaken und unregelmäßigen Orthographie in der Regel durchsetzt von Interferenzen (vgl. Abb. 1). Um den Leistungsstand eines Kindes im Schriftspracherwerbsprozess richtig einschätzen zu können, muss die Lehrperson folglich Interferenzen von willkürlich entstandenen Fehlern unterscheiden können. An das deutsche Phonem-Graphem-Verhältnis angelehnte Schreibweisen wie <ei> für I / a ɪ / und <kneif> für knife / na ɪ f/ genauso zu bewerten wie das willkürlich falsch geschriebene <langsh> für lunch / l ʌ n(t) ʃ / (vgl. Lernertext in Abb. 1), hieße, das Regelwissen zur deutschen Orthographie sowie die phonemische Bewusstheit des Kindes zu ignorieren. Bei einem Text wie dem in Abb. 1 entstünde ein völlig falscher Eindruck des durchaus fortgeschrittenen Leistungsstandes im Umgang mit Schrift insgesamt, da die Mehrzahl seiner Fehler auf Interferenzen beruht (hier 10 von insg. 27 Fehlern). Im Umkehrschluss hieße es auch, dass eine hohe Zahl willkürlich falsch geschriebener Wörter nicht unbedingt ein Alarmzeichen für die Lehrkraft wäre und sie dem u.U. lese-/ rechtschreibschwachen Kind nicht die gebotene Aufmerksamkeit zukommen ließe. Tatsächlich haben alle Primarstufenlehrkräfte, die an einer Exploration zu ihrem Korrekturverhalten bzw. ihrer diagnostischen Kompetenz bei der Einschätzung erster Schreibversuche teilgenommen haben 3 , die Verfasserin des Textes in Abb. 1 gelobt, wobei aber nur Bezug auf die richtig geschriebenen Wörter genommen worden zu sein scheint (Rymarczyk/ Romeik in Vorbereitung). Weder die Interferenzen, noch die auch im Text enthaltenen, von einem noch höheren Entwicklungsstand zeugenden Übergeneralisierungen wurden positiv gewürdigt. Es gab häufig Positivkorrekturen der meisten Fehler (d.h. die richtige Schreibweise eines Wortes wurde hinzugefügt), jedoch fast keine Kategorisierung der Fehler. Eine Bewertung wie die folgende hat daher lediglich eine relationale Funktion, aber keine kognitive: „Du hast schon einen großen Wortschatz in Englisch und kannst Dich gut ausdrücken! Super! “ Ein Beispiel der insg. sechs Kommentare (55 %), die erwähnen, dass eine phonographische Strategie beim Schreiben im Englischen nicht möglich ist (ebd.), ist im Gegensatz dazu zwar entschieden differenzierter, aber durch das Fehlen einer Korrektur des Schülertextes auch nur bedingt hilfreich für die Schülerin: 3 (N = 14, Rücklauf = 11). Die Exploration zu der Forschungsfrage „In welchem Umfang beeinflussen fachliches Wissen und fachdidaktisches Wissen sowie weitere individuelle Faktoren (spezifische Berufsausbildung und -erfahrung, wahrgenommene Analysekomplexität, affektiv basierte Einstellungen) die Güte diagnostischer Urteile über Rechtschreibefähigkeiten im Englischen? )“ sah neben dem Ausfüllen eines Fragebogens die Bitte um Korrektur der Rechtschreibung des Textes in Abb. 1 und eine Bewertung bzw. fiktive Rückmeldung an das Kind vor. <?page no="158"?> Jutta -Rymarczyk 158 Du kannst schon viele englische Wörter und Sätze schreiben. Du hast dir gemerkt, dass die meisten Wörter im Englischen klein geschrieben werden. Viele englische Wörter hast du richtig geschrieben. Bei manchen hast du so geschrieben, wie man die Wörter spricht. [Hier würde ich einige Beispiele machen (Ju → You, Inglish → English…) und erklären, dass das im Englischen auch nicht ganz einfach ist. Insgesamt würde ich der Schülerin eine positive Rückmeldung geben.] An dieser Rückmeldung ist positiv zu vermerken, dass ihre Funktion deutlich über die relationale hinausgeht. Auch wenn die kognitive Funktion eingeschränkt ist durch das Fehlen einer durchgängigen Fehlerdifferenzierung, so ist doch die integrative Funktion zu verzeichnen, die verstanden wird als der Gebrauch verschiedener Informationen in diagnostischen Folgerungen (Epstein & Hundert 2002), womit in diesem Fall Bezug genommen wird auf das Wissen über deutsche und englische Orthographie und orthographische Interferenzen. Damit wird zumindest zu einem gewissen Grad dem Anspruch Sadlers (2013, in Blömeke et al. 2013) nachgekommen, der die Relevanz des Zusammenspiels verschiedener Kompetenzen betont (vgl. oben). Abb. 2: Kompetenz als Kontinuum modelliert (Blömeke et al. 2013: 7) Das Modell von Blömeke et al. (2013, 7) (vgl. Abb. 2), die diagnostische Kompetenz als Kontinuum verstehen, zeigt deutlich, wie sich die Kompetenz der Verfasserin des zweiten Kommentars zusammensetzt: Zunächst erscheint im Rahmen der Disposition der Lehrkraft neben affektiv-motivationalen Faktoren ihr o.g. Fachwissen zur Orthographie ausschlaggebend. Es erlaubt ihr im nächsten Bereich, dem der situationsspezifischen Fertigkeiten, das Einhalten erster Regeln (Kleinschreibung im Englischen) ebenso zu bemerken wie die im Englischen nur sehr bedingt zum Erfolg führende phonographische Strategie. Im letzten Bereich des Kontinuums diagnostischer Kompetenz, dem der Performanz, ermöglichen es der Lehrerin ihr Fachwissen und ihr Abb.$2: $Kompetenz$als$Kontinuum$modelliert$(Blömeke$et$al.$2013: $7)$ <?page no="159"?> Rolle -und Professionalität -der -Fremdsprachenlehrpersonen 159 fachdidaktisches Wissen sowie ihre Fertigkeiten, die Schülerleistung in der oben dargestellten Art und Weise zu kommentieren. Die Professionalität der Lehrperson ist somit zu einem hohen Grad abhängig vom ihrem Fachwissen. 3 - Zur universitären Aus--‐, Fort--‐ und Weiterbildung bei der Entwicklung von Professionalität der Fremd--‐ / Zweitsprachenlehrpersonen Studien wie beispielsweise die TEDS-LT Studie zeigen, dass die Entwicklung von Professionalität ein dynamischer Prozess ist (Blömeke 2013) und dass das fachdidaktische Wissen dabei sehr eng verknüpft ist mit dem fremdsprachlichen Wissen. Die Verbindung von fachdidaktischem und fremdsprachlichem Wissen wird auch an anderer Stelle betont: The teacher engages her students, and the students engage one another, with the content of the lesson through language. Thus the teacher’s PCK on which that engagement is based, or perhaps which that engagement expresses in practice, is a highly linguistic undertaking (Freeman 2002, 6). Wenn man nun mit dem Forscherteam der EKOL-Studie (Effektive Kompetenzdiagnose in der Lehrerbildung), das die Professionalisierungsprozesse angehender Lehrkräfte verschiedener Fachrichtungen untersucht hat, annimmt, dass beim Aufbau professioneller Kompetenzen die drei Faktoren individuelle Eingangsvoraussetzungen, Lerngelegenheiten an der Hochschule und praktische Erfahrung sich wechselseitig beeinflussen (Rutsch et al. 2018), so wird deutlich, dass die fremdsprachliche Kompetenz als individuelle Eingangsvoraussetzung in dem Modell von Blömecke et al. (2013) (vgl. Abb. 2) neben Wissen und Affekt/ Motivation dem Bereich der Disposition zugerechnet werden muss. Die fremdsprachliche Kompetenz tritt neben die kognitiven und affektiven Teilkompetenzen und nimmt so einen wesentlichen Part in dem Professionswissen der Lehrkräfte ein, das sich in Anlehnung an Shulman (1986; 1987) dann in folgende Teilbereiche differenzieren lässt: fremdsprachliches Wissen und Können, Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und Können sowie pädagogisches Wissen und Können. Greifen wir nun zurück auf die fachfremd unterrichtenden Fremdsprachenlehrkräfte in deutschen Grundschulen, so wird man ihnen größtenteils folgendes Profil zuordnen können: <?page no="160"?> Jutta -Rymarczyk 160 - - kein professionell ausgebildetes fremdsprachliches Wissen, - - ein nicht professionsbezogen 4 , sondern andersartig ausgebildetes fremdsprachliches Können - - kein Fachwissen in den verschiedenen Bereichen (Linguistik, Literatur und Kultur) - - kein fachdidaktisches Wissen und Können - - professionell ausgebildetes pädagogisches Wissen und Können. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit das vorhandene allgemeinpädagogische Wissen und Können sowie Affekt/ Motivation als weitere Teilbereiche der Disposition als Ausgangspunkt für das Kompetenzkontinuum (vgl. Blömeke et al. 2013) ausreichen, wenn sämtliches Fachwissen und -können sowie fremdsprachliches Wissen fehlen und fremdsprachliches Können nur bedingt, definitiv aber nicht professionsbezogen ausgebildet eingebracht werden kann. Die Ergebnisse der o.g. Exploration lassen daran zweifeln, dass selbst bei starker Ausprägung der affektiven Teilkompetenzen die Defizite kompensiert werden können, denn mit Koeppen et al. (2008) sowie (Blömeke et al. 2013, 7) ist nicht von einem additiven, sondern von einem multiplikativen Charakter der Kompetenzdimensionen auszugehen. Angesichts der konstatierten dynamischen Natur bzw. Entwicklungsfähigkeit von Professionalität sind folglich universitäre Fort- und Weiterbildung das Gebot der Stunde bei der Entwicklung der Professionalität von Fremdsprachenlehrpersonen auf der Primarstufe. Es soll aber auch betont werden, dass es sehr wünschenswert wäre, wenn die Schulministerien für die Fremdsprachen universitär ausgebildete Grundschullehrpersonen einstellten statt fachfremd unterrichten zu lassen, um anschließend die Qualität des frühen Fremdsprachenunterrichts zu monieren. 4 - Zum vordringlichen Forschungsbedarf der Fremdsprachendidaktik bezüglich der Professionalität von Lehrpersonen Wie bereits oben dargestellt sehe ich den dringendsten fremdsprachendidaktischen Forschungsbedarf in den Bereichen, in denen Lehrkräfte fachfremd unterrichten und damit auf der Primarstufe. Es gilt, die Lehrkompetenz der betroffenen Personen als multidimensionales Konstrukt kritisch zu beleuchten bzw. sie mit der grundständig ausgebildeter Lehrkräfte zu vergleichen, um Ministerien nicht weiter die Plattform zu bieten, die Qualität des Fremdspra- 4 Professionsbezogen ausgebildetes fremdsprachliches Können wird hier verstanden als z.B. die Beherrschung dem Sprachstand der Lernenden angemessener Sprache sowie die Fähigkeit zur Paraphrase, zur syntagmatischen Erweiterung kurzer Lerneräußerungen etc., kurz, zum Gebrauch der phatischen Funktion in der Fremdsprache für lernförderliches Diskursverhalten. <?page no="161"?> Rolle -und Professionalität -der -Fremdsprachenlehrpersonen 161 chenunterrichts in der Grundschule per se zu diskreditieren, und um Grundschülern einen möglichst guten Fremdsprachenunterricht zukommen zu lassen. Besondere Aufmerksamkeit sollte auf der diagnostischen Kompetenz im Bereich des Schriftspracherwerbs liegen, zumal der Benotung schriftlicher Fertigkeiten hohe Relevanz beigemessen wird: In einer Umfrage unter für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule ausgewiesenen Experten zu dessen Status quo und seiner gewünschten Weiterentwicklung haben 79% (n = 38) angegeben, dass die schriftlichen Fertigkeiten zum Ende der Klasse 3 (oder früher) in die Beurteilung der Kinder einfließen sollten (Hempel/ Kötter/ Rymarczyk 2017). Mit dem Fokus auf der diagnostischen Kompetenz ist eine zumindest partielle Rückkehr zu asymmetrischen Lehrerrollen unumgänglich. In einem erweiterten Kontext wäre hier zu untersuchen, ob das Lehren selbst in den letzten Jahren nicht zu stark zugunsten des Blicks auf das Lernen vernachlässigt wurde. Ergebnisse wie die der TIMMS Studie (Third International Mathematics and Science Study), die keine entscheidenden Unterschiede in der kognitiven Aktivierung der Lernenden zwischen lehrergeleitetem und explorativ-entdeckendem Unterricht ergaben, deuten darauf hin (Kunter/ Trautwein 2013, 64ff.). Erste in diese Richtung weisende Publikationen wurden in der Fremdsprachendidaktik bereits veröffentlicht (Klippel 2016; Königs 2014; Rymarczyk 2016b). Literatur Blömeke, Sigrid (2013): „Einleitung: Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf“. In: Blömeke, Sigrid/ Bremerich-Vos, Albert/ Kaiser,Gabriele/ Haudeck, Günter, H./ Keßler, Jörg-U./ Schwippert, Knut (Hrsg.): Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf. Weitere Ergebnisse zur Deutsch-, Englisch- und Mathematiklehrerausbildung aus TEDS-LT. Münster/ New York: Waxmann, 7-24. Blömeke, Sigrid/ Gustafsson, Jan-Eric/ Shavelson, Richard J. (2013): „Beyond Dichotomies. Competence Viewed as a Continuum“. 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Der Beitrag akzentuiert mit den Schwerpunkten der Gegenstände (welches Wissen brauchen Fremdsprachenlehrkräfte? ), der Prozesse (wie lassen sich Professionalisierungsprozesse gestalten und erforschen? ) und der Personen (welche Akteure in welcher Rolle und mit welchen Kompetenzen sind an Professionalisierungsprozessen beteiligt? ) die in meinen Augen zentralen Faktoren von Professionalität. 2 - Ansätze für einen Professionalitätsbegriff fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung (Leitfrage 1) Ein Verständnis von Professionalität, das auch fachliche und fachdidaktische Elemente umfasst, kann weder ausschließlich in einer Auflistung deklarativer Wissensbereiche (Listenmodelle, Lektürekanones) bestehen, noch in einer Formulierung testorientierter Standards, noch in der Rekonstruktion komplexer Einzelfälle. Positiv formuliert beinhaltet fachdidaktische Professionalität in meinem Verständnis die deklarative Verfügbarkeit von Wissen und die Fähigkeit, dieses Wissen für Handlungssituationen angemessen - das heißt so, dass sprachlich-kulturelle Lernprozesse angestoßen und begleitet werden - zu transformieren. Diese Fähigkeit ist eng an reflexive Kompetenzen gekoppelt (vgl. Abendroth-Timmer 2011; Schädlich 2016). Reflexivität ist ein zentrales Element für das hier vorgeschlagene Verständnis von Professionalität, weil Unterrichtssituationen in ihrer Komplexität nicht vorhersehbar oder standardisierbar sind, sodass angemessenes Lehrerhandeln nicht „vorweg trainierbar“ ist, sondern allenfalls „ex-post verstehbar“ gemacht werden kann (vgl. Neuweg 2011). Ein dritter Punkt, der wiederum reflexive Prozesse als solche problematisiert, ist die Annahme, dass Lehrerhandeln einerseits aus bewussten, intentionalen Entscheidungen resultiert, die durch Reflexion steu- <?page no="165"?> Gegenstände, -Prozesse und Personen -fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung 165 er- und veränderbar sind, dass jedoch andererseits auch implizite Wissensanteile handlungsleitend sind, die den Handelnden selbst reflexiv aber gerade nicht zugänglich sind (vgl. Neuweg 1999). Mit diesen Grundannahmen lehnt sich mein Professionsverständnis an strukturtheoretische Grundüberzeugungen an (vgl. Radtke 2004). Baumert/ Kunter (2006) haben diesen Ansatz als Opposition zu kompetenztheoretischen Professionsverständnissen dargestellt, während Terhart (2011) im Gegensatz dazu auch Überschneidungen und die Komplementarität der Paradigmen betont: So teilen beispielsweise Strukturtheorie und Kompetenzforschung die Annahme, dass Unterricht eine komplexe, unsichere und nicht standardisierbare Situation darstellt, in welcher der „Zusammenhang zwischen dem Unterrichten eines Lehrers und dem Lernen seiner Schüler [ ... ] grundsätzlich kontingent [ ist ] “ (Terhart 2011, 208). Während sich strukturtheoretisch ausgerichtete Forschung eher dafür interessiert, Komplexität beschreibbar und ihre Elemente typisierbar zu machen (z.B. in der Erarbeitung von handlungsrahmenden Antinomien; vgl. Helsper 1996), fokussieren kompetenzorientierte Ansätze darauf, im Rahmen grundsätzlich angenommener Komplexität diejenigen Anteile zu modellieren, die doch standardisierbar erscheinen (vgl. z.B. Modelle wie COACTIV; Baumert/ Kunter 2011) und Lehrerhandeln im Hinblick auf diese Standards zu optimieren. In Anlehnung an die Betonung der Überschneidungen zwischen Strukturtheorie und Kompetenzparadigma bei Terhart (2011) erscheint mir ein Professionsverständnis plausibel, das einerseits den Versuch beinhaltet, fremdsprachendidaktische Lehr-/ Lernprozesse zu optimieren und auf der normativen Ebene Modelle zu entwickeln, die dazu beitragen können. Auf der anderen Seite müssen Faktoren Teil des Professionsverständnisses bleiben, die entweder schwer modellierbar sind oder auf strukturelle Probleme verweisen, die mit den Modellen nicht kompatibel sind oder aber im Handeln von Lehrkräften widersprüchliche Perspektivierungen erkennen lassen. 3 - Gegenstände und Prozesse fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung (Leitfrage 2) - Fremdsprachendidaktische Lehrerforschung geht nicht allein in übergeordneten bildungswissenschaftlichen Paradigmen (vgl. Terhart 2011) auf; sie charakterisiert sich durch fachspezifische inhaltliche Fragestellungen und forschungsmethodische Entwicklungslinien, die sich zum Teil parallel, zum Teil aber auch divergierend zum allgemein pädagogischen Diskurs entwickelt haben (vgl. Abendroth-Timmer 2017). Die Spezifik fremdsprachendidaktischen Lehrerhandelns ist nicht zuletzt deshalb schwer zu definieren, weil der Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts - im Vergleich zu manchen anderen fachdidaktischen Modellierungen - kaum konsensuell beschreibbar ist. Aus der Perspektive der Fremdsprachenphilologien stellt sich das „Sprachen- <?page no="166"?> Birgit -Schädlich 166 lernen“ anders dar als aus der Perspektive der Erwerbforschung oder der angewandten Linguistik. Blömeke et al. (2011) qualifizieren den Sprachenbereich als „gering strukturierte Domäne“ und Grossman/ Shulman (1994, 3) verweisen auf die „Diffuse Nature of English as a Subject Area“, deren Elemente situativ und diskursiv immer wieder neu ausgehandelt werden. Vor diesem Hintergrund tritt auch die Bedeutung derjenigen Personen hervor, die Lehrerbildung gestalten: Akteure der Lehrerbildung sind keine „neutralen Vermittler“, die Kompetenzmodelle und Standards in Ausbildungsformate „verwandeln“ würden, sondern sie handeln auch immer aus ihrer (forschungs-)biographischen Perspektivität heraus. In ihren Entscheidungen für bestimmte Themen, Fragestellungen, hochschuldidaktische Formate und Forschungsmethoden konstituieren sie „die“ Fachdidaktik für ihren Bereich situativ und eklektizistisch; dabei akzentuieren und vertiefen sie einzelne Bereiche und marginalisieren andere zwangsläufig. Es gibt eine Reihe unterschiedlich fokussierter Modellierungsversuche spezifischer Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften, von denen ich exemplarisch drei Ansätze vorstellen möchte: Erstens haben der Europarat und das Europäische Fremdsprachenzentrum Graz (ECML) Rahmentexte und Instrumente hervorgebracht, welche die Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften als Realisierung der sprachenpolitischen Ziele (Orientierung an Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität, Lebenslanges Lernen) und didaktischen Grundüberzeugungen zu sprachlich-kulturellen Lehr-/ Lernprozessen (handlungs- und aufgabenorientierte Didaktik, Modellierung, Skalierung und Überprüfbarkeit sprachlicher Fertigkeiten) begreifen. Als Beispiele können hier das European Profile for Language Teacher Education. A Frame of Reference. (Kelly/ Grenfell 2004) und das EPO- SA (Newby et al. 2007) als selbstdiagnostisches Instrument für die Ausbildung von Sprachlehrkräften genannt werden. Zweitens hat auf nationaler Ebene die Kultusministerkonferenz Standards für die Lehrerbildung sowie deren Spezifizierung für fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen herausgegeben (Sekretariat 2008). Hier werden sowohl Wissensbereiche als auch Handlungskompetenzen synthetisiert, wobei erstere als Listenmodelle (Sekretariat 2008, 45f.) zu Studieninhalten vorliegen, letztere ansatzweise auch Handlungskompetenzen wie „Reflexivität“, einen „Habitus des forschenden Lernens“ oder „Fähigkeiten zur Didaktisierung“ (Sekretariat 2008, 44) aufführen. Drittens gibt es Versuche, bestehende Kompetenzmodelle (meist COA- TIV; vgl. Baumert/ Kunter 2011) hinsichtlich fachspezifischen Professionswissens auszudifferenzieren. Am umfassendsten für die Fremdsprachendidaktik sind in diesem Kontext die Arbeiten der Projekte TEDS-LT (Blömeke et al. 2011) und FALKO-E (Kirchhoff 2016). Hier werden im Gegensatz zu den inhaltsbezogenen Listenmodellen Kompetenzen wie „Wissen um Schüler- <?page no="167"?> Gegenstände, -Prozesse und Personen -fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung 167 kognitionen“, „Wissen um schülergerechtes Erklären und Darstellen“ oder das „Wissen um Lehr-/ Lernpotenzial von Aufgaben und Texten“ akzentuiert. Obgleich alle genannten Ansätze in ihren Modellierungen fremdsprachendidaktischer Kompetenzen entscheidende für den aktuellen Fremdsprachenunterricht relevante Inhalte und Kompetenzen abdecken, ergeben sich vor allem im Hinblick auf die Organisation und Erforschung der Lehrerbildung Probleme: Erstens gehen Listenmodelle (vor allem der KMK-Standards) kaum über eine bisweilen willkürlich und unverbunden erscheinende Reihung von Schwerpunktthemen hinaus. Zweitens entwerfen sie zwar eine thematische Maximalrahmung und vor allem quantitativ anspruchsvolle Kompetenzziele; angesichts der Struktur der universitären Lehrerbildung stellt sich jedoch die Frage, wann, in welcher Intensität und mit welchem Kompetenznachweis all diese Elemente Berücksichtigung in den (knappen) Lehrveranstaltungen der universitären Phase finden können. Drittens sind die Institutionen, in denen Lehrerbildung stattfindet, fachkulturell eher nicht „im Sinne der Lehrerbildung“ gewachsen. Diese findet vielmehr innerhalb fremdsprachenphilologischer Seminare statt, deren vorrangiges Interesse Forschung und Lehre für den romanistischen, anglistischen oder slawistischen fachwissenschaftlichen Nachwuchs ist. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass Listenmodelle häufig willkürlich wirken: Sie orientieren sich nicht prioritär an den Praxisbedarfen des Fremdsprachenunterrichts und diesen Themen affinen wissenschaftlichen Schwerpunkten, sondern an den (allerdings ebenfalls kaum kanonisierten) Fachlogiken von Linguistik und Literaturwissenschaft. Gerade die KMK-Standards offenbaren hier eine wenig überzeugende Ebenenvermischung zwischen normativen Anforderungen einerseits und deskriptivem Abbild typischer bestehender Ausbildungsstrukturen andrerseits. So wird zum Beispiel im „Kompetenzprofil“ ein „Habitus des forschenden Lernens“ gefordert, (empirische) Fremdsprachenforschung spielt jedoch in der Themenliste der Fachdidaktik außer im Bereich der Diagnostik keine Rolle. Fachdidaktik wird als ein Feld der Anwendung modelliert, dies zeigen dominante Formulierungen wie „Anforderungen an bilinguales Lernen und Lehren“ oder „Theorie und Methodik des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts“ (Sekretariat 2008, 44; Hervorhebung BS). Als normativer Fluchtpunkt stark repräsentiert sind Forderungen wie die „Berücksichtigung migrationsbedingter Mehrsprachigkeit“, „Inklusion“ oder die „Kooperation mit sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften“ (vgl. Sekretariat 2008, 44), obwohl hier bislang kaum fachbezogene Forschungsarbeiten oder Praxiskonzepte vorliegen. <?page no="168"?> Birgit -Schädlich 168 4 - Prozesse und Personen fremdsprachendidktischer Lehrerforschung (Leitfrage 3) Die KMK-Standards suggerieren, dass durch das bloße „Nebeneinander“ verschiedener Ausbildungsinhalte die Entwicklung von Kompetenzen bei den Studierenden gefördert wird. Wie problematisch es ist, die Integration der zweifellos relevanten aber doch häufig isolierten Ausbildungselemente allein den Studierenden zu überlassen, beschreibt Roters (2012, 273) mit dem Begriff der „Diskrepanzerfahrung“. Das oben entworfene Professionsverständnis setzt mit dem Kernelement von fachbezogener Reflexivität an dieser Stelle an: Vor allem in praxisbezogenen Formaten wie schulpraktischen Studien, Praxissemestern oder Lehrforschungsprojekten ist häufig das Ziel, die Komplexität von Unterrichtserfahrung mit den Wissensbeständen relevanter Bezugstheorien beschreibbar zu machen und das spontane Handeln in der Situation durch Reflexion ex post neu zu rahmen. Dass die in letzter Zeit politisch stark geförderten und quantitativ ausgeweiteten Praxisphasen der universitären Phase nicht per se professionalisierend wirken, haben Arbeiten der empirischen Bildungsforschung (z.B. Hascher 2012) und Gutachtertexte (z.B. Weyland 2012) deutlich gemacht. Wenn Praxiserfahrungen nicht durch reflexiv-distanzierende Formate begleitet werden, drohen sie, unhinterfragte - gegebenenfalls nicht lernförderliche - habits und beliefs zu perpetuieren (vgl. Hascher 2012, 122), also geradezu kontraproduktiv zu wirken. Hier sind die Personen der universitären Lehrerbildung vor allem mit der Antinomie konfrontiert, Studierenden einerseits „Einübung in die Praxis“ zu ermöglichen, andererseits mit der Akzentuierung des Forschungsanspruchs auf eine reflexive Distanzierung von der Praxis zu drängen. Dabei bewegen sich Lehrende und Studierende in einem permanenten Vermittlungsprozess von Normativität (Wie soll ich in Praxissituationen handeln? Was „fordern“ Rahmentexte und Curricula? ) und Deskriptivität (Was ist im Unterricht realiter beobachtbar? Welchen Regeln folgen unterrichtliche Interaktionen? Welches Verständnis vom Fremdsprachenlernen unterliegt ihnen? ). Die Differenz zwischen wissenschaftlichem Erklärungswissen und praktischem Handlungswissen erläutert Radtke (2004, 120) im Rückgriff auf zwei inkompatible Konstruktionen von Wirklichkeit: entweder zielt die Konstruktion auf eine phänomenologisch ausgerichtete Beschreibung der Wirklichkeit („was ist? “) ab, oder aber auf die handelnde Bewältigung einer Situation (”was soll sein? “). Lehrerbildende Seminare an der Universität müssen sich hier entweder für eine klare Ausrichtung entscheiden oder aber den Umgang mit der Antinomie selbst offensiv problematisieren. <?page no="169"?> Gegenstände, -Prozesse und Personen -fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung 169 Beispiel aus einem empirischen Projekt zum Fachpraktikum Französisch 1 An einem thematischen Beispiel - Grammatikarbeit - möchte ich mögliche Verortungen in den Antinomien von Deskriptivität vs. Normativität sowie von Einübung in die Praxis vs. distanzierter Reflexion skizzieren. Studierende reflektieren in Gesprächen zu Praxisphasen das Thema „Grammatik“ massiv. Dabei ist einerseits beobachtbar, dass sie auf einer deklarativen Wissensebene fachdidaktisch normative Forderungen wie die „dienende Funktion der sprachlichen Mittel“ als Zielvorstellung in die Reflexion einbringen. Beschreibungen von beobachtetem oder selbst gestaltetem Unterricht offenbaren jedoch vollkommen andere Repräsentationen: Grammatik und Wortschatz sind in vielen Erzählungen isolierter (und alleiniger) Unterrichtsinhalt; sie werden gerade nicht funktional vor übergeordneten kommunikativen Zielen betrachtet oder kontextualisiert erarbeitet. In Reaktion auf diese beobachteten Fokussierungen werden in den das Praktikum rahmenden Lehrveranstaltungen bewusstmachende oder erweiternde Perspektiven eröffnet; so beispielsweise Ansätze zu Aufgabenorientierung und die Frage nach der Verortung von language focus-Phasen (vgl. Bär 2013), empirische Rekonstruktionen von beliefs zum Grammatiklernen (vgl. Trautmann 2005), empirische Arbeiten zur Wirksamkeit induktiver und deduktiver Grammatikvermittlung (vgl. Gwiasda 2015) sowie grundlegende Tendenzen der Forschung zur „Notwendigkeit“ von Grammatikunterricht (vgl. Raabe 2005) vor dem Hintergrund sprachlicher Erwerbstheorien. Die Auseinandersetzung mit den neuen Perspektiven dient der Distanzierung von der zunächst als selbstverständlich angenommen Rahmung der Reflexion. Das Beispiel macht mehrerlei deutlich: erstens, dass eine Möglichkeit der Auswahl und Schwerpunktsetzung universitärer Lehrerbildungsseminare darin besteht, an die Erfahrungen von Studierenden und hier erkennbare dominante Reflexionsmuster und Repräsentationen fremdsprachendidaktischer Inhalte anzuknüpfen. Zweitens, dass dieser Versuch zwangsläufig von der Subjektivität der Lehrperson geprägt ist: die oben genannten Perspektiven auf das Thema „Grammatik“ und die Textauswahl reagieren nicht nur auf die beliefs der Studierenden; sie offenbaren auch die fachdidaktischen Konstruktionsprozesse der Lehrerbildnerin, die wiederum vom Vermittlungsversuch verschiedener Ebenen der Wissensrepräsentation (Curricula, empirische Forschung, Unterrichtsmaterial) geprägt sind, aber keineswegs alternativlos; 1 Die ausgeführten Perspektiven von Studierenden und hochschuldidaktischen Entscheidungen der Lehrperson sind im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Fachpraktikum Französisch an der Universität Göttingen erarbeitet worden (vgl. Schädlich 2015; 2016) und werden hier um weitere Überlegungen ergänzt, die ihm Rahmen eines Masterseminars zu „Grammatik und Sprachreflexion“ entstanden sind. <?page no="170"?> Birgit -Schädlich 170 ein Französischlehrer, eine Erwerbsforscherin oder ein Autorenteam von Lehrwerken würden das Thema Grammatik sicherlich anders modellieren. 5 - Forschungsdesiderate für Gegenstände, Prozesse und Personen fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung (Leitfrage 4) - Die Überlegungen der vorherigen Abschnitte verweisen auf einen Forschungsbedarf in drei Bereichen: Im Bereich der fachdidaktischen Literatur (1), im Bereich der empirischen Forschung zu Phasen und Formaten der Professionalisierung (2) und drittens im Bereich ebenfalls empirischer Forschung zu Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern (3). (1) Zukünftige Fremdsprachenlehrkräfte setzen sich während ihres Studiums in erster Linie mit Texten aus den Bereichen der Fachdidaktik, der Fremdsprachenforschung sowie der Fach- und Bildungswissenschaften auseinander. Diese Texte bilden die so genannten „theoretischen“ Anteile des Studiums. Wenn die „Theorie-Praxis-Vermittlung“ als eines der Kernziele qualitätvoller Lehrerbildung angesetzt bleibt und der theoretische Diskurs Praxisfragen in für Studierende nicht immer ersichtlicher Perspektivität verhandelt, müssen die Studierenden befähigt werden, diese Perspektivität zu erkennen und für erfahrungsbezogene Reflexionen von Fremdsprachenunterricht konstruktiv fruchtbar zu machen. Der Forschungsbedarf in diesem Bereich besteht in der Hervorbringung von Literatur, die Perspektivierungen sichtbar machen kann und damit Studierenden hilft, ihre Erfahrungen in der Antinomie von Normativität und Deskriptivität zu verorten, also die inkompatiblen Wirklichkeitskonstruktionen (vgl. Radtke 2004) als solche zu erkennen und in ihrem spezifischen Wert anzuerkennen. Ein methodischer Ansatz hierfür wären diskursanalytisch (z.B. Schmenk 2016) bzw. wissenssoziologisch (z.B. Keller 2006) ausgerichtete Arbeiten, die zentrale Aspekte des Fremdsprachenunterrichts - und hier vornehmlich solche, die sich in Praktika regelmäßig als Reflexionsanlässe und -themen herauskristallisieren - so aufarbeiten, dass zukünftige Fremdsprachenlehrkräfte sie in den Perspektiven theoretisch-konzeptioneller, empirischer und unterrichtspraktischer Arbeiten repräsentiert sehen. (2) Die grundsätzliche Infragestellung der „Anwendungslogik“ (vgl. Radtke 2004, 113) führt auch dazu, dass der Fokus von Veranstaltungen aller Phasen der Lehrerbildung nicht ausschließlich auf der instruktionistischen Vermittlung neuer Wissensbestände liegen kann, sondern in ihrer Transformation für Praxissituationen. Dies erfordert längerfristige, iterative Prozesse, die über Reflexion die „Anerkennung der Differenz der unterschiedlichen Wissensbestände“ (Weyland 2012, 57) der an der Lehrerbildung beteiligten Personen fördern. Dies können beispielsweise Aktionsforschungsprojekte (z.B. Bechtel 2015) sein oder die Arbeit in communities of practice, die forschend begleitet werden (z.B. Bloh/ Bloh 2016). <?page no="171"?> Gegenstände, -Prozesse und Personen -fremdsprachendidaktischer Lehrerforschung 171 Während die fremdsprachendidaktische Professionsforschung eine starke Tradition in der Rekonstruktion Subjektiver Theorien und biographischer Ansätze hat, konzentriert sich die empirische Professionsforschung aktuell vornehmlich auf die Modellierung und Überprüfung fremdsprachendidaktischer Wissens- und Kompetenzbereiche. In Anknüpfung an frühere, vornehmlich qualitativ ausgerichtete Arbeiten (z.B. Caspari 2003; Schocker-von Ditfurth 2001) seien hier neue Fokussierungen vorgeschlagen, die direkt in den Situationen, in denen Kompetenzentwicklung (vermutlich) stattfindet, angesiedelt ist. Audiound/ oder Videoaufzeichnungen von Planungssituationen, Unterrichtsbesprechungen sowie Plenumsgesprächen in lehrerbildenden Seminaren stellen aktuell eine notwendige Ergänzung zu bisherigen Ansätzen dar, welche die Perspektive der Akteure auf Lehr-/ Lernsituationen meist expost über Interviews einholen. In-situ-Forschung, die sich für Aushandlungsprozesse interessiert, in denen fachdidaktisches Wissen konstruiert wird, kann dazu beitragen, die Repräsentation relevanten Wissens und seine diskursive Herstellung zugänglich zu machen. Auch typische Narrationen und Bewertungsmuster, die beispielsweise in Planungs- oder Reflexionsprozessen sichtbar werden, können in ihrem Zustandekommen sowie ihrer gegebenenfalls selbsterhaltenden Dynamik verstehbar gemacht werden und Antworten auf die Frage nach der Resistenz subjektiver Theorien hervorbringen. Methodisch können hier Interaktionsanalysen, wissenssoziologische Verfahren oder offen ethnographische Ansätze zum Tragen kommen. (3) Die Notwendigkeit von Forschungsarbeiten, die sich mit denjenigen Personen beschäftigen, die in Universitäten, Studienseminaren und Fortbildungen Lehrerbildung gestalten, ist eng mit der oben thematisierten zwangsläufig eklektizistischen Konstruktion der Gegenstände lehrerbildender Formate verbunden und damit, dass verschiedene Personen auch verschiedene Wissensbereiche und Wirklichkeitskonstruktionen repräsentieren. Welche lerner- und forschungsbiographischen Prägungen charakterisieren Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner? Gibt es wiederkehrende, gemeinsame Muster oder spezifische Kompetenzen? Ähneln sich ihre Rollenverständnisse und wie lassen sich diese beschreiben? Ansätze zur Auseinandersetzung mit diesen Fragen erarbeitet beispielsweise die Arbeitsgruppe Teacher Educators as Professionals, die sich im Rahmen eines Freien Formats auf der DGFF-Tagung 2015 zusammengefunden hat. Mit methodischen Ansätzen autoethnographischer Prägung (autobiographische Essays, reflexive Gruppengespräche) wird ein deskriptiv-heuristisches Modell zu Lehrerbildnerinnen und -bildnern entwickelt, das sich an strukturtheoretischen Arbeiten (z.B. Hericks/ Kunze 2002; Heil/ Faust-Siehl 2000) orientiert. Ergänzend wären hier stärker quantitativ ausgerichtete Arbeiten wünschenswert, die größere Personengruppen der Lehrerbildung in den Blick nehmen. <?page no="172"?> Birgit -Schädlich 172 Literatur - Abendroth‐Timmer, Dagmar (2011): „Reflexive Lehrerbildung: Konzepte und Perspektiven für den Einsatz von Unterrichtssimulation und Videographie in der fremdsprachendidaktischen Ausbildung“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 22/ 1, 3‐41. Abendroth‐Timmer, Dagmar (2017): „Lehrerforschung“. In: Surkamp, Carola (Hrsg.): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Stuttgart: Metzler, 196‐199. Bär, Marcus (2013): „Kompetenzorientierte Lernaufgaben als Mittel zur Umsetzung von Bildungsstandards“. In: Bär, Marcus (Hrsg.): Kompetenz- und Aufgabenorientierung im Spanischunterricht. Beispiele für komplexe Lernaufgaben. Berlin: tranvía, 9-30. Baumert, Jürgen/ Kunter, Mareike (2006): „Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften“. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 4, 469-520. 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Professionalität von Fremd--‐ und Zweitsprachenlehrern Lars Schmelter Ich nähere mich der Professionalität von Fremd- und Zweitsprachenlehrern im Folgenden weitgehend tentativ aus unterschiedlichen Perspektiven. Zunächst befasse ich mich mit den Kern- und den stark kontextabhängigen Nebenaufgaben von Fremd- und Zweitsprachenlehrern. Die aktuell gängigen Theorien zur Professionalität von Lehrern unterscheiden dabei m.E. nur unbefriedigend zwischen Expertentum, Kompetenz und Professionalität. In einem zweiten Schritt versuche ich deshalb Professionalität von Kompetenz abzugrenzen. Ich gehe dabei von einem stark vereinfachenden Begriffsverständnis aus. Im weiteren Verlauf befasse ich mit der Frage, welches Minimum spezifischer Wissens-, Fertigkeits- und Fähigkeitsbestände in den verschiedenen Lehrerbildungsphasen vorhanden sein sollte bzw. wo die Vermittlung dieses Minimum insbesondere im Rahmen der akademisch verantworteten Phase eventuell an strukturellen Hindernissen ins Stolpern gerät. 1 - Professionalität von Fremd--‐und Zweitsprachenlehrern 1 - Kompetenz reflektiert stärken? Die Aufgaben, die Fremd- und Zweitsprachenlehrer zu erfüllen hatten und haben, unterliegen u.a. kulturellen, gesellschaftlichen, politischökonomischen und historischen Rahmungen, die im Zusammenspiel mit den jeweils aktuell vorliegenden kontextuellen Bedingungen (u.a. institutionelle, curriculare, materielle, persönliche Faktoren) die Ziele sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Lehrer - unabhängig von deren persönlichen Handlungspotenzialen - bei der Aufgabenerfüllung mitbestimmen. 2 Dies gilt so- 1 „Verbum hoc si quis tam masculos quam feminas complectitur“ (Corpus Iuris Civilis Dig. L, 16,1; zitiert nach Krüger/ Mommsen 1973). 2 Die Bedeutung der Rahmungen und Bedingungen des Unterrichtens - und damit mittelbar auch des Lernens der Unterrichteten - sollten bei der Einschätzung der erreichten Professionalität/ Kompetenz von Lehrern nicht unberücksichtigt bleiben. Denn diese Kontextfaktoren haben neben den individuellen Lernervoraussetzungen einen wichtigen Einfluss auf die Leistung der Lerner. Bei den von Terhart (2017) rezipierten Studien lassen sich nur zwischen 7% bis 21 % der „Varianz der Leistungszuwächse bei Schülern auf die Varianz der Wirkungsstärke von Lehrern <?page no="176"?> Lars -Schmelter 176 wohl für die Aufgabe, die ich im Folgenden als die Kernaufgabe der Fremd- und Zweitsprachenlehrer beschreiben werde, als auch für das komplexe Geflecht weiterer Aufgaben, die noch stärker zwischen den verschiedenen Kontexten, in denen Fremd- und Zweitsprachen vermittelt werden, variieren können. Die Kernaufgabe der Fremd- und Zweitsprachenlehrer bestand und besteht in den unterschiedlichen Kontexten in der Regel darin, für einzelne Lerner oder Lernergruppen die Auseinandersetzung mit einer Sprache so zu gestalten, dass diese möglichst kontextadäquat und ökonomisch die fremdgesetzten Lehrbzw. die eigenen Lernziele erreichen. Mit dieser Aufgabe hängt zusammen, dass die Lehrer aufgrund curricularer Vorgaben und ggf. konkreter Lernerbedarfe und -bedürfnisse Lehrziele ihres Unterrichts festlegen bzw. vereinbaren. Sie sollen dann den zum Erreichen dieser Ziele adäquaten Lerninput so bereitstellen und aufbereiten, dass er in lernförderlichen Übungen, Aufgaben, Wiederholungen, die auf die Lehrziele hinarbeiten, genutzt werden kann. 3 Um die Lernausgangslagen zu Beginn des Unterrichts und die Entwicklungen der individuellen Kompetenzen für die weitere Gestaltung der Lehr-Lern-Arrangements sowie für Rückmeldungen an die Lerner nutzen zu können, stellt die Diagnostik der individuellen Lernvoraussetzungen, -prozesse und -ergebnisse eine weitere wichtige Teilaufgabe dar. Zwar können Lehrer im Fremd- und Zweitsprachenunterricht bei diesen Aufgaben häufig auf vorhandenes Material (z.B. Lehrwerke, Tests, Materialsammlungen) zurückgreifen. Ihre Aufgabe bleibt es dennoch, die Passung dieser Lehr- Lern-Materialien für die jeweiligen Lerner und Lerngruppen zu prüfen und die Materialien ggf. zu bearbeiten bzw. durch geeignetere zu ersetzen. Die Motivation einzelner Lerner bzw. der Lerngruppe zu befördern und in diesem Zusammenhang wohl auch den Ausgleich der verschieden gelagerten inhaltlichen Interessen und Bedürfnisse an die Gestaltung der Lehr-Lern-Prozesse innerhalb einer Lerngruppe z.B. durch verschiedene Maßnahmen der Differenzierung sicherzustellen, schließen den breiten und komplexen Fächer an Teilaufgaben im Kern des Handlungsfeldes von Fremd- und Zweitsprachenzurückführen“ (Terhart 2017, 230). Daher kann nur davor gewarnt werden, die gemessenen Schülerleistungen als Indikator der Lehrkompetenz, der Unterrichtsqualität und damit der Professionalität der Lehrerpersonen heranzuziehen; wenngleich dies aus unterschiedlichen Perspektiven (Schüler, Eltern, Bildungspolitik und -administration sowie bisweilen auch in der Unterrichts- und Lehrerforschung) durchaus und aus nachvollziehbaren, dennoch irrigen Gründen geschieht. Schließlich sind die Lehrer für die konkrete Gestaltung ihres Unterrichts am sichtbarsten zuständig. 3 In diesem Zusammenhang sind die Lehrer selbst mit ihrem sprachlich-kulturellen Wissen und Können, ihrer Fähigkeit, dieses sprach- und kulturbewusst den jeweiligen Lernern und ihren Lernständen sowie den unterrichtlichen Bedürfnissen anzupassen, wohl die wichtigste Input-Quelle. <?page no="177"?> Kompetenzbildung, berufsbiographische -Aufgabe -oder -strukturelle -Unmöglichkeit? 177 lehrern nicht ab. Deutlich wird aber schon hier, dass Lehrer im Fremd- und Zweitsprachenunterricht immer wieder aufs Neue die Aufgabe haben, flexibel auf die sich im Lehr-Lern-Prozess verändernden Bedingungen und die lernerseitigen Voraussetzungen zu reagieren. Schon die Kernaufgabe von Fremd- und Zweitsprachenlehrern gestaltet sich folglich komplex und verantwortungsreich. Sie ist verbunden mit unvorhersehbaren, zum Teil einmaligen Problemlagen, die häufig spontane und zum Teil eigenständige Entscheidungen, mit mehr oder weniger weitreichenden Konsequenzen für die Betroffenen erfordern. Erkennbar ist auch, dass die erfolgreiche Bearbeitung der Aufgaben umfangreiches Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten bei Lehrern in einer Vielzahl von Bereichen voraussetzt. Neben diese Kernaufgabe können je nach Kontext weitere Aufgaben der Fremd- und Zweitsprachenlehrer hinzukommen. In fast allen Kontexten wird die Diagnostik in der Beurteilung der Lernerleistungen münden, die mit Blick auf die Folgen für die Lerner im Rahmen der institutionellen und ggf. gesetzlichen Vorgaben verantwortungsvoll vorgenommen werden sollte. In den allgemeinbildenden Schulen ergeben sich weitere Aufgaben z.B. aus der Mitwirkung aller Fächer an der Vermittlung fächerübergreifender Kompetenzen und an der Erziehungsaufgabe von Schule. Zudem sind Lehrer in vielen institutionellen Kontexten aufgefordert, auf allen Ebenen an der Schulbzw. Qualitätsentwicklung mitzuwirken. Diese Vielfalt und Komplexität an Aufgaben aufgrund der erworbenen Wissens-, Fertigkeits- und Fähigkeitsbestände adäquat erfüllen zu können, hat den Lehrerberuf in die Nähe von traditionellen Professionen geführt, wenngleich Terhart (2011) darauf verweist, dass der klassische berufssoziologische Professionsbegriff mit Blick auf Lehrer schon immer ein fraglicher war. Heute könne das Konzept „nicht einmal mehr als Attrappe“ überzeugen (Terhart 2011, 215). Terhart verweist daher auf einen pragmatischen Zugriff, der dem ehemals scharf von der Professionalität abgegrenzten Expertenbegriff nahekommt: [S]chwierige, komplexe, riskante Aufgaben und Probleme können nur auf der Basis einer in anspruchsvoller Ausbildung und sorgfältiger berufliche[r] Sozialisation erworbenen Wissensgrundlage sowie entsprechender Haltungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bewältigt werden. Man ist umso professioneller, je kompetenter man diese beruflichen Aufgaben erfüllt (Terhart 2011, 215). Außerdem setze der schnelle Wandel der Aufgaben und Anforderungen für das Fortbestehen der Professionalität „die Bereitschaft zur Weiterentwicklung“ der eigenen Kompetenzen voraus. Dieser pragmatische Zugriff ist weitgehend kompatibel mit den zentralen Aussagen der aktuell die Diskussion bestimmenden kompetenztheoretischen, strukturtheoretischen und berufsbiographischen Ansätze zur Bestimmung von Lehrerprofessionalität, die untereinander viele Überschneidungen aufweisen. Sie alle verweisen mehr oder <?page no="178"?> Lars -Schmelter 178 weniger pointiert auf die Komplexität der Aufgaben, deren u.a. vom Kontext (un-)möglich gemachtes Erfüllen nur auf der Basis von umfangreichen Kompetenzen erfolgen könne. Deren Erwerb wird als nicht abschließbarer dynamischer Prozess verstandenen. Die genannten Ansätze beinhalten daher - so Terhart (2011, 216) - „immer auch normativ geprägte Vorstellungen darüber, was als gelungene, vollständige oder aber als weniger gelungene, weniger entwickelte etc. Professionalität zu betrachten“ sei. Wie Professionalität sich entwickelt bzw. entwickelt werden kann, werde in jedem Ansatz anders gesehen. Hier zeigt sich denn auch ein zentraler Grund für die Schwierigkeit, ein Einvernehmen über die Einstellungsvoraussetzungen und damit die Ausbildungsanforderungen von Fremd- und Zweitsprachenlehrern zu erzielen. Ich komme an dieser Stelle zu meinem zweiten Annäherungsversuch. Um die Kompetenz konzeptuell besser von der Professionalität von Fremd- und Zweitsprachenlehrern differenzieren zu können, greife ich in Anlehnung an Marquard (1981, 24) auf einen älteren und stark vereinfachenden Kompetenzbegriff zurück. Marquard umreißt Kompetenz als einen Dreiklang aus Zuständigkeit 4 , Fähigkeit und Bereitschaft, die sich jeweils in Deckung befinden. Fremd- und Zweitsprachenlehrer sind in diesem Begriffsverständnis für das Lehren von Sprachen zuständig und bereit, die damit verbundenen Aufgaben zu erfüllen. Ihre Bereitschaft müssen, ihre Zuständigkeit können Lehrer zwar für sich deklarieren, die Zuständigkeit wird ihnen aber zumeist von anderer Seite aufgrund ihrer explizit geprüften 5 , durch verwandte Abschlüsse möglichen 6 oder aufgrund anderer Eigenschaften 7 vermuteten Fähigkeit zum Unterrichten von Fremd- und Zweitsprachen zugewiesen. Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft werden wohl nur in Ausnahmesituationen zur vollständigen Deckung gelangen. Wahrscheinlich sind graduelle Näherungen, deren genaue Bestimmung erneut normative Entscheidungen bei der Kriterienfestlegung notwendig macht. Deckungsverluste ergeben sich aber auch z.B. durch Veränderungen. Diese können in neuen Aufgaben erwachsen, für die Lehrer als zuständig erklärt werden (z.B. Inklusion), aber 4 Vgl. hierzu insbesondere die dritte der drei von Castellotti (2002, 11; Kursivierung im Original) herausgearbeiteten Konstanten unterschiedlicher Kompetenzbegriffe: „- le fait que la compétence est inséparable de l’action (on est compétent pour faire quelque chose) ; - le fait que la compétence est un attribut qui ne peut être apprécié que dans une situation donnée ; - le fait qu’il existe une instance, individuelle ou collective, qui soit à même de reconnaître cette compétence.“ 5 Z.B. bei Fremd- und Zweitsprachenlehrern, die entsprechende Studiengänge und ggf. Praxisphasen mit den vorgesehenen Prüfungen abgeschlossen haben. 6 Z.B. bei den Quer- und Seiteneinsteigern; siehe hierzu u.a. Caspari (in diesem Band). 7 Z.B. Muttersprachler mit Hochschulabschluss. <?page no="179"?> Kompetenzbildung, berufsbiographische -Aufgabe -oder -strukturelle -Unmöglichkeit? 179 auch aus curricularen (z.B. Kompetenzorientierung) und technischen Neuerungen (z.B. Digitalisierung). Die Fähigkeit des Lehrers kann dadurch soweit aus der Deckung mit seiner Zuständigkeit und Bereitschaft geraten, dass seine Kompetenz in die Gefahr kommt, in Inkompetenz umzuschlagen. Dies kann im Übrigen auch dann geschehen, wenn die Bereitschaft, die eigene Zuständigkeitszone unbedacht durch zusätzliche selbst festgelegte Aufgaben oder hohe eigene Ansprüche an deren Bearbeitung auszudehnen, die persönlichen Ressourcen (z.B. Zeit, Energie, Wissen, Fertigkeiten) zu sehr strapaziert. Professionalität könnte vor diesem Hintergrund m.E. als eine Art Metakompetenz verstanden werden, also als die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften (vgl. Weinert 2001) einer Person, die für die in die eigene Zuständigkeit fallenden Aufgaben notwendigen Fähigkeiten und Bereitschaften immer wieder mit den Zuständigkeiten in Einklang zu bringen: Professionalität wäre so verstanden eine Inkompetenzkompensationskompetenz 8 , für die der Lehrer sich aufgrund seines professionellen Kompetenzverständnisses selbst zuständig sieht. 2 - Vita brevis, ars -longa - der holprige Weg zu Kompetenz und Professionalität am Beispiel der sprachpraktischen Ausbildung Dieser hier verkürzt und auf Latein wiedergegebene Aphorismus geht auf Hippokrates zurück und bezieht sich auf die Tätigkeit von Ärzten. Er hat in voller Länge aber auch für die Einschätzung der Professionalität von Fremd- und Zweitsprachenlehrern interessante Aspekte, wenn man anstelle von „Arzt“ „Lehrer“ und anstelle von „Kranke“ „Schüler“ liest: Das Leben ist kurz; die Kunst ist lang; der rechte Augenblick geht schnell vorüber; die Erfahrung ist trügerisch, die Entscheidung schwierig. Der Arzt muß nicht nur selbst bereit sein, das Erforderliche zu tun, sondern auch der Kranke, seine Umgebung und die äußeren Umstände müssen dazu beitragen (Hippokrates 1994, 192) (vgl. auch Weinrich 2004, 15-24). Die Menge an Wissens-, Fertigkeits- und Fähigkeitsbeständen, über die Fremdbzw. Zweitsprachenlehrer verfügen können (sollten), ist prinzipiell unabschließbar. Die bloße Erfahrung zunächst als Lernern, später als Lehrer ist trügerisch und bedarf der Reflexion. Ärzte wie Lehrer sind für den Erfolg ihres Tuns auf das Mitwirken ihrer Klienten und günstige Kontextbedingungen angewiesen (vgl. oben Fußnote 2). Der Professionalisierungsbegriff geht in den verschiedenen Definitionen davon aus, dass je umfangreicher Lehrer über spezifisches Wissen und Können verfügen, desto flexibler, adäquater und damit erfolgreicher können sie tendenziell Aufgaben in ihrer Zuständigkeit bearbeiten. Andererseits zwingt 8 Ich entleihe den Begriff bei Marquard (1981) und fülle ihn inhaltlich neu. <?page no="180"?> Lars -Schmelter 180 die notwendigerweise begrenzte Zeit bis zur ersten Kompetenzzuweisung dazu, sich darüber zu verständigen, über welches Wissen, über welche Fertigkeiten und Fähigkeiten Fremd- und Zweitsprachenlehrer in welchem Maße mindestens verfügen müssen, damit sie - wenngleich nicht vollumfänglich, so doch ausreichend - für das Erfüllen ihrer Kern- und Nebenaufgaben sowie für die fortlaufende parallele Kompetenzerweiterung bzw. Professionalisierung als qualifiziert gelten können. Die fachspezifischen Kompetenzprofile für die Lehrerbildung der KMK (KMK 2008; 2017) scheinen demgegenüber eher dazu zu neigen, den „guten Lehrer“ als Projektionsfläche zu nutzen und Leistungsprofile von „titanischer Größe“ (Gruschka 2014, 12f.) zu formulieren, die unter günstigen Umständen - wenn überhaupt - erst nach vielen Jahren der Berufserfahrung und paralleler Weiterbildung vollumfänglich erfüllt werden können. 9 Die KMK-Standards geben m.E. keine Antwort darauf, wie mit dem stetig wachsenden Wissen der an der akademischen Lehrerbildung beteiligten Fächer (u.a. Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaft, Sprachlehrforschung) umgegangen werden kann und sollte (vgl. hierzu u.a. Diehr 2018 im Druck; Königs 2008), sondern sie haben ganz im Gegenteil seit ihrem ersten Erscheinen 2008 vor allem umfangreiche, durch aktuelle bildungspolitische Diskussionen initiierte Ergänzungen erfahren (vgl. KMK 2008; 2017). 10 Wie sehr die Antworten auf die Frage nach dem Minimum an Qualifikation zumeist normativen und interessengeleiteten Gesichtspunkten unterliegen, davon geben die aktuellen Einstellungspraktiken bei Vertretungslehrern und Querbzw. Seiteneinsteigern gerade auch in ihrer Widersprüchlichkeit zum Bestreben, die Qualität der Lehrerbildung durch Förderprogramme des BMBF insgesamt zu verbessern, ein beredtes Zeugnis (vgl. Caspari in diesem Band). Kompetenz ist also in vielerlei Hinsicht standpunkt- und kontextabhängig. Die Standpunktabhängigkeit der Einschätzung von Minimalvoraussetzungen zeigt sich bei Fremd- und Zweisprachenlehrern schon bei ihrer zentralen Befähigungsgrundlage. Ein hohes Maß an Befähigung in der zu vermittelnden Sache 11 gilt gemeinhin als wichtiger Faktor der Lehrerkompetenz. Für die 9 Siehe auch die entsprechenden Beispiele für überfüllte Anforderungskataloge bei Helmke (2014, 100-102) oder Terhart (2009, 71-77). 10 Die KMK bereitet derzeit eine weitere Ergänzung der fachspezifischen Kompetenzprofile vor, bei der die Anforderungen an Lehrer aufgrund der Digitalisierung in allen Lebensbereichen berücksichtigt werden sollen. Auch diese Ergänzung soll nicht zu Streichungen oder Straffungen an anderer Stelle führen. 11 Ich zögere mit Blick auf Fremd- und Zweitsprachenunterricht von Fach, i.S. von Fachwissenschaft oder gar Disziplin zu sprechen. Das schulische Unterrichtsfach „Französisch“ wird anders als z.B. das Fach „Mathematik“ oder „Biologie“ in seinen Grundzügen weniger stark durch eine wissenschaftliche Disziplin konturiert; <?page no="181"?> Kompetenzbildung, berufsbiographische -Aufgabe -oder -strukturelle -Unmöglichkeit? 181 Fremd- und Zweitsprachen wäre dies folglich zu allererst ein umfangreiches Verfügen über die zu vermittelnden Sprachen (inklusive der damit zusammenhängenden kulturell-diskursiven Kompetenzen). Doch kann schon hier darüber diskutiert werden, ob diese Kompetenz mindestens deutlich oberhalb derjenigen der unterrichteten Lerner liegen sollte (vgl. Riemer in diesem Band) oder unabhängig von der angestrebten Kompetenz der Lerner auf dem höchstmöglichen Niveau (z.B. C2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen oder „‘nativnahes’ Sprachkönnen“ (KMK 2017, 44)), über das dann z.B. auch Fremdsprachenlehrer auf der Primarstufe verfügen müssten. Unabhängig vom letztlich festgelegten Niveau und seiner zumindest potenziellen Erreichbarkeit stellt sich zusätzlich die Frage, ob zukünftige Fremd- und Zweitsprachenlehrer dieses Niveau am Ende ihres Studiums bzw. bei ihrer Einstellung als Vertretungslehrer, Anwärter, Quer- oder Seiteneinsteiger tatsächlich erreichen und z.B. im Sinne der KMK (2017, 44) in der Lage sind, „ihre fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenz auf dem erworbenen Niveau zu erhalten und ständig zu aktualisieren“. Drei exemplarisch herangezogene Beobachtungen stellen dies zumindest in Frage: Bürgel u.a. (2010; 2016) weisen in ihren Erhebungen zur Wortschatz- und Hörverstehenskompetenz bei Französischlehrern bedenkenswerte Lücken zwischen Anspruch und Realität nach. Wenn man berücksichtigt, dass zur Feststellung der erreichten Verfügung über die studierte Fremdsprache in den meisten Hochschulen auch weiterhin - so die zweite Beobachtung - nicht auf normierte und vor allem relativ objektive, reliable und valide Test- und Prüfungsverfahren zurückgegriffen wird (vgl. zum Stand vor zehn Jahren Schmelter 2009a), dann erhält man zumindest eine mögliche Erklärung für diesen Befund. Die Studie von Schnell (erscheint), die ich als dritte Beobachtung heranziehe, trägt zur weiteren Beunruhigung bei. Schnell (erscheint) untersucht die Entwicklung der Schreibkompetenz bei Französischstudierenden im Laufe des Bachelor-Studiums. Sie kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass sich die Schreibprodukte trotz der entsprechenden sprachpraktischen Lehrveranstaltungen auf allen betrachteten Ebenen kaum verbessern. Dies kann vermutlich nicht allein den untersuchten Studenten zur Last gelegt werden, sondern es ist davon auszugehen, dass auch die sprachpraktischen Lehrveranstaltungen nicht unbeteiligt an diesem Ergebnis sind. Die zu erwartende Professionalität der Fremdsprachenlehrer an den Hochschulen und die angestrebte Professionalität der Studenten und zukünftigen Lehrer ist hier herausgefordert. 12 Im folgenden Abschnitt gehe ich daher der Frage nach, ob nicht evtl. in die Struktur der Hochschulausbildung Stolpersteine eingebaut sind, die den Restbezüge bleiben allenfalls in den Curricula der Sekundarstufe II (fortgeführte Fremdsprache) erkennbar. 12 Die Initiative des AKS (2017) zur Professionalisierung der Sprachenausbildung an Hochschulen ist daher besonders begrüßenswert. <?page no="182"?> Lars -Schmelter 182 Weg zur Kompetenz und Professionalität von Fremd- und Zweitsprachenlehrern holprig gestalten. 3 - Strukturelle Probleme auf dem Weg zum mündigen und damit professionellen Fremdsprachenlehrer? Forschendes Lernen und die Verknüpfung von universitärer Konzeptbildung und Erprobung des theoriegesteuerten analytischen Blicks auf schulischen Fremdsprachenunterricht z.B. im Rahmen des in NRW eingeführten Praxissemesters sind Teil der Bestrebungen, zukünftige Fremdsprachenlehrer auf eine professionell betriebene Tätigkeit in Schulen vorzubereiten. Die Hochschulen haben damit auf Forderungen nicht nur der Fachdidaktiken reagiert, den Nutzen der universitären Ausbildung für die Professionalität von Lehrpersonen schon im Studium erlebbar zu machen (vgl. Schmelter 2009b). Nicht nur in den Augen der KMK-Standards (siehe oben) ist die Aneignung und das Beibehalten einer hohen Kompetenz in der unterrichteten Fremdsprache ein wichtiges Element der fachspezifischen Professionalität. Es ist also naheliegend, die Studierenden in der Vorbereitungs- und Begleitveranstaltung mit dieser Anforderung zu konfrontieren und sie zugleich entsprechend vorbereitet u.a. mit der Aufgabe in das Praxissemester zu entlassen, sich selbst dabei zu beobachten, wie sie es in den fünf durch Anforderungen der Schule, der Zentren für schulpraktische Lehrerbildung (ZfsL), der Universität ausgefüllten Monaten schaffen, jenseits des beobachteten und in Teilen selbst erteilten Französischunterrichts mit der Sprache und Kultur der Frankophonie zumindest in Teilen in einem Kontakt zu bleiben, bei dem von einem Erhalt der vor dem Praxissemester erworbenen fremdsprachlichen Kompetenzen ausgegangen werden kann. Auch die Befragung von Kollegen in den Schulen, wie es ihnen gelingt, neben den vielfältigen Anforderungen des Schulalltags in der Sprache zu bleiben, den Kontakt zu einem oder gar mehreren frankophonen Ländern nicht zu verlieren, kann hier den Weg zur eigenen Kompetenz und Professionalisierung beitragen. Interessant für die Frage nach eventuellen strukturellen Hürden der Professionalisierung in der Hochschulausbildung ist die Tatsache, dass die Befragung von Kollegen durchaus erfolgt und zu mehr oder weniger hilfreichen Antworten für die Studierenden führt. Die Frage nach der eigenen Französischkompetenz und deren Aufrechterhaltung während des Praxissemesters ist aber in mehreren Durchläufen weitgehend unbeantwortet geblieben. Nur vereinzelt gelingt es den Studenten, die weitere Spracharbeit während des Praxissemesters zu ritualisieren und zu reflektieren. Warum aber gelingt es den Studierenden in der Mehrheit während des Praxissemesters nicht oder nur sehr eingeschränkt, trotz entsprechender Thematisierung, selbsterkannter Schwächen und bereitgestellter Unterstützungsangebote ihre Sprach- und Kulturkompetenz aufrechtzuerhalten bzw. zu aktualisieren? Die damit ver- <?page no="183"?> Kompetenzbildung, berufsbiographische -Aufgabe -oder -strukturelle -Unmöglichkeit? 183 bundene Problematik wird verschärft vor dem Hintergrund anderer Befunde aus mehreren kleineren Studien und Erhebungen zur fremdsprachlichen Kompetenzentwicklung von Französischstudenten, die im Rahmen von studentischen Hausarbeiten und eigenen Untersuchungen (z.B. im Rahmen der Studiengangsevaluation) durchgeführt wurden. Nur ein sehr kleiner Anteil der befragten Studenten betreibt auch außerhalb des Praxissemesters neben den sprachpraktischen Lehrveranstaltungen regelmäßige und systematische Spracharbeit. Tendenziell sinkt über die Jahre hinweg bei allen Befragten der zeitliche Aufwand für die Spracharbeit. Nur ein sehr kleiner Anteil von Studierenden, die dann tendenziell auch zu denjenigen gehören, die die sprachpraktischen Module (und auch insgesamt ihr Studium) mit guten bis sehr guten Leistungen abschließen, betreibt im Sinne von Siepmann (2006) systematische und für das Lehren von Fremdsprachen angemessene Wortschatzarbeit. Auf die Frage nach Gründen für die eher geringen Lernumfänge und die fehlende Systematik geben die befragten Studenten nachvollziehbare Belastungen an, die vom Lernaufwand für sprach- und literaturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen 13 , über das Engagement in der Studierenden-Vertretung, das Arbeiten für den Lebensunterhalt und bis zur Versorgung von pflegebedürftigen Eltern oder eigenen Kindern reichen. Diese Gründe sind zunächst einmal stimmig. Geht man jedoch aus einer verallgemeinerten Perspektive des lernenden Subjekts an die Sache heran 14 , so ergeben sich weitere mögliche Erklärungen und Gründe für das objektiv nicht stimmige Lernverhalten. Denn der Fortfall des Latinums hätte ja zumindest bei einem Teil der Studenten zu mehr Zeit für die Spracharbeit führen können. Diese Gründe aufzudecken und z.B. durch weitere Dokumentenanalysen und Interviews mit den Studierenden und den Lektorinnen der Sprachpraxis auf ihre Stichhaltigkeit hin zu prüfen, könnte dazu beitragen, die Professionalisierung der zukünftigen Fremdsprachenlehrer zumindest in diesem kleinen Ausschnitt ihrer Kompetenz zu verbessern. Eine mögliche Erklärung, auf die ich hier nur exemplarisch eingehen möchte, könnte in der Standardisierung sowie in der Vergabe von Leistungspunkten und damit von quasi verordneten Zeitkontingenten für bestimmte Lerninhalte des Studiums liegen. Sie werden von den lernenden Subjekten, d.h. den Studenten evtl. als von Experten des Lehrens und Lernens an den Hochschulen verbriefte Anforderungen des Lernens wahrgenommen. Zugleich werden die in den sprachpraktischen Lehrveranstaltungen erteilten 13 Bis zum Verzicht auf das Latinum als Zugangsvoraussetzung für den Master of Education wurde auch dieses häufig genannt. 14 Siehe grundlegend Holzkamp (1995). Für die Sprachlehrforschung adaptiert bei Schmelter (2004; 2006). <?page no="184"?> Lars -Schmelter 184 Lern- und Hausaufgaben möglicherweise in diesem Sinne interpretiert. Eine mögliche Wahrnehmung in diesem Sinne könnte so formuliert werden: „Hier bereiten Experten den Weg zu meiner Kompetenz. Ihnen kann ich für mein Lernen vertrauen. Wenn ich den Aufwand betreibe, den mir die Prüfungsordnung vorgibt, und die Lernaufgaben erledige, die man mir auferlegt, dann reicht dies aus, mir die von den Prüfungsordnungen vorgeschriebenen Kompetenzen in der Fremdsprache (Literatur- und Sprachwissenschaft, Fremdsprachendidaktik) anzueignen.“ Führen folglich Versuch der Professionalisierung durch Standardisierung möglicherweise nicht nur auf einen holprigen Weg, sondern in eine Sackgasse, weil der Eindruck entsteht, dass der Weg vorgeben, das Formulieren eigener Zielsetzungen nicht notwendig und folglich ein aufgeklärtes, mündiges Studieren gar nicht notwendig ist? Literatur - AKS = Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (2017): Für eine Professionalisierung der Sprachenausbildung an Hochschulen - Qualifikationsprofil und Entwicklungsperspektiven für Sprachlehrende an Hochschulen. Positionspapier der Ständigen Kommission des AKS e.V. vom 23.11.2017. Hannover (http: / / www.aks-sprachen.de/ wp-content/ uploads/ 2018/ 01/ Positionspapier-des-AKS-Professionalisierung- 23.11.2017.pdf (20/ 2/ 2018). Caspari, Daniela (2018) (in diesem Band): „Zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrpersonen - Überlegungen im Kontext von Quer- und Seiteneinstieg“, 32-43 Castellotti, Véronique (2002): „Introduction: Qui a peur de la notion de compétence ? “. In: Castellotti, Véronique/ Py, Bernard (Hrsg.): La notion de compétence en langue. Lyon: ENS Editions, 9-18. Diehr, Bärbel (2018 im Druck): „Wissenschaftliche Englischlehrerbildung - eine Herausforderung für Fachwissenschaft und Fachdidaktik“. In: Diehr, Bärbel (Hrsg.): Universitäre Englischlehrerbildung. Wege zu mehr Kohärenz und Korrespondenz. Frankfurt a.M.: Lang. Gruschka, Andreas (2014): Lehren. Stuttgart: Kohlhammer Helmke, Andreas (2014): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts (5. Aufl.). Seelze: Kallmeyer/ Klett. Holzkamp, Klaus (1995): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung (Studienausgabe). Frankfurt a.M.: Campus. Hippokrates (1994): Ausgewählte Schriften. Stuttgart: Reclam. KMK = Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2017): Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i.d.F. vom 12.10.2017). Bonn: KMK. <?page no="185"?> Kompetenzbildung, berufsbiographische -Aufgabe -oder -strukturelle -Unmöglichkeit? 185 Königs, Frank G. (2008): „Fremdsprachenlehrerausbildung: Minenfeld oder Artenreichtum? “. In: Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 2/ 1, 9-32. Krüger, Paul/ Mommsen, Theodor (Hrsg.) (1973): Corpus Iuris Civilis. Bd. 1 (Institutiones - Digesta). Berlin: Apud Weidmannos. Marquard, Odo (1981): „Inkompetenzkompensationskompetenz? Über Kompetenz und Inkompetenz der Philosophie“. 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Zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Bereich der sprachlichen Bildung Julia Settinieri 1 - Einleitung Während sich für die schulischen Fremdsprachenphilologien in der Post- PISA-Ära ein beachtlicher Diskurs zu Kompetenzorientierung und Bildungsstandards entwickelt hat, der in nahezu alle Bereiche der Lehrer*innenbildung ausstrahlt, verfügt das Deutsche als Zweitsprache (DaZ) in den meisten Bundesländern über keine Lehramtsoption 1 , weshalb es lediglich querliegend in schulische Rahmenvorgaben einfließt, die in der Folge auch nicht in gleichem Maße auf den Fachdiskurs ausstrahlen. Nichtsdestotrotz sind auch für das Deutsche als Zweit-/ Fremdsprache in den letzten Jahren eine Reihe von Standardisierungsüberlegungen entstanden, die zwar nicht die gleiche Verbindlichkeit wie Bildungsstandards aufweisen, aber dennoch eine Orientierung bieten können. Diese sollen zunächst kurz vorgestellt werden, um im Anschluss daran auf die Rolle der Lehrerausbildung für die Herausbildung einschlägiger Kompetenzen im Bereich der Sprachlichen Bildung einzugehen. Abschließend werden mögliche Forschungslinien skizziert. 2 - Kompetenz--‐Modelle Zunächst geht auch die einschlägige Fachliteratur für das Deutsche als Zweitsprache von Weinerts (2001, 27-28) Definition aus, die Kompetenzen grundlegend als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“, definiert. 1 Ausnahmen bilden bspw. Bayern, das an mehreren Hochschulstandorten „Didaktik des Deutschen als Zweitsprache“ (DiDaZ) als Didaktik- und Erweiterungsfach anbietet, das Drittfach „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ an der Universität Jena, die Erweiterungsprüfung „Deutsch als Fremdsprache“ an der Universität Marburg oder auch das Beifach „Deutsch als Fremdsprache“ an der Universität Greifswald. <?page no="187"?> Wie -wird -jeder -Unterricht zu -Sprachunterricht? 187 Mit Bezug zur Lehrerbildung im Bereich DaZ sind die Kompetenzbereiche im Rahmen ganz unterschiedlicher Fragestellungen ausdifferenziert worden. Im Folgenden soll exemplarisch auf einige davon eingegangen werden, auch wenn diese sicherlich nicht das vollständige Bild abdecken können. Die „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ der KMK (KMK 2017) erwähnen das Deutsche als Zweitsprache oder auch Mehrsprachigkeit lediglich marginal. So werden im Bereich der Fachdidaktik Deutsch „Mehrsprachenorientierter Deutschunterricht, Zweitspracherwerb (insb. Schriftspracherwerb und zunehmend fachbezogenes Sprachhandeln im Unterricht)“ (KMK 2017, 28) thematisiert. In der Grundschulbildung werden „Deutsch als Zweitsprache, Mehrsprachigkeit; Wechselbeziehung von Schriftsprache und Kultur, Merkmale eines achtsamen und sozial sensiblen Sprachgebrauchs“ sowie „Theorien des kindlichen Spracherwerbs; Individuelle Sprachausgangslage und Entwicklungsrisiken; Herkunftssprachen, Erst- und Zweitspracherwerb, Mehrsprachigkeit“ angesprochen (KMK 2017, 65). Außerdem werden der Umgang mit Mehrsprachigkeit (KMK 2017, 10, 27, 28, 44, 45, 46, 65, 66, 71) sowie mit Heterogenität im Allgemeinen (passim, nahezu auf jeder Seite) an mehreren Stellen aufgerufen. Keine Bezüge finden sich hingegen in den nicht-philologischen Fächern, d.h., Aspekte der Durchgängigen Sprachbildung haben offenbar keinen expliziten Eingang in das Papier gefunden. Es erscheint daher erforderlich, nach weiteren fachbezogenen Quellen zu suchen. Einen Meilenstein in der Kompetenzbeschreibung von Lehrer*innen des Deutschen als Zweitsprache stellt in diesem Zusammenhang das Projekt Da- ZKom (Köker u.a. 2015; Gültekin-Karakoç u.a. 2016) dar, das sich zum Ziel gesetzt hat, einerseits ein „Strukturmodell[], das fachunterrichtsrelevante DaZ-Kompetenzen angehender Lehrerinnen und Lehrer definiert“ (Köker u.a. 2015, 190), zu entwickeln, um dann darauf aufbauend ein Testinstrument zu erstellen, das diese Kompetenzen auch messen kann. Mittels Dokumentenananalyse (von 60 Curricula deutscher Universitäten und weiterer Institutionen) und anschließendem Expertenrating (N = 7) wurden am Beispiel des Faches Mathematik die folgenden Kompetenzdimensionen ermittelt (Abb. 1): <?page no="188"?> Julia -Settinieri 188 Dimension Subdimension Facetten Stufe I Stufe II Stufe III DaZ-Kompetenz Fachregister (Fokus auf Sprache) Grammatische Strukturen und Wortschatz Morphologie (Lexikalische) -Semantik Syntax Textlinguistik Semiotische Systeme Darstellungsformen Sprachliche -Bezüge -zwischen Darstellungsformen Mündlichkeit vs. -Schriftlichkeit Mehrsprachigkeit (Fokus auf Lernprozess) Zweitspracherwerb Interlanguage--‐Hypothese Meilensteine -zweitsprachlicher Entwicklung Gesteuerter -vs. -Ungesteuerter Zweitspracherwerb Literacy/ Bildungssprache Migration Sprachliche -Vielfalt in der -Schule Umgang -mit -Heterogenität Didaktik (Fokus auf Lernprozess) Diagnose Mikro--‐Scaffolding Makro--‐Scaffolding Umgang -mit -Fehlern Förderung Mikro--‐Scaffolding Makro--‐Scaffolding Umgang -mit -Fehlern Abb. 1. „Strukturmodell DaZ-Kompetenz“ (Köker u.a. 2015, 197) Die Kompetenzen werden in Anlehnung an Dreyfus/ Dreyfus (1986) wiederum in einer fünfstufigen Ausprägung (novice, advanced beginner, competence, proficiency, expertise) modelliert, wobei der DaZKom-Test, der im Rahmen eines Standard-Setting-Verfahrens normiert wurde (Gültekin- Karakoc u.a. 2016) zunächst nur die ersten drei umfasst. In die Dokumentenanalyse eingegangen ist u.a. auch der Entwurf der Stiftung Mercator eines DaZ-Moduls 2 (Baur u.a. 2009), der wohl einen der ersten Vorschläge einer Standardisierung der Lehrerbildung im Bereich DaZ (zu- 2 In NRW heißt das entsprechende Modul „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ (DSSZ). Bundesländerübergreifend wird im Kontext dieses Beitrags aber zusammenfassend von „DaZ-Modulen“ gesprochen. <?page no="189"?> Wie -wird -jeder -Unterricht zu -Sprachunterricht? 189 mindest für das Bundesland Nordrhein-Westfalen; NRW) darstellt. Das Papier schlägt vor, das DaZ-Modul mit jeweils 6 Leistungspunkten im Bachelor- und weiteren sechs im Masterstudium zu verankern, und umreißt entsprechend insgesamt vier Lehrveranstaltungen („Einführung in das Fach ‚Deutsch als Zweitsprache‘ [DaZ] in allen Fächern“, „Mehrsprachigkeit in der Schule“, „Förderung von sprachlichem und fachlichem Lernen“, „Mehrsprachigkeit im Theorie-Praxis-Bezug“) in Inhalten und von den Studierenden zu erwerbenden Kompetenzen. Ebenfalls im nordrhein-westfälischen Kontext entstanden ist die deutschsprachige Adaptation des European Core Curriculum for Inclusive Academic Language Teaching (EUCIM-TE; Brandenburger u.a. 2011). Ziel des Comenius-Projekts ist es, „ein kompetenzbasiertes, europäisches Kerncurriculum für die Lehreraus- und -fortbildung“ (d.h. für alle drei Phasen der Lehrerbildung, das „für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern ethnischer und sprachlicher Minderheiten qualifiziert“ (Brandenburger u.a. 2011, 7), auszuarbeiten und in den jeweiligen europäischen Ländern anzupassen, denn wie die Autorengruppe (ebd.) festhält: „Derzeit hat keiner der Mitgliedsstaaten ein allgemeines Curriculum für Lehrende, das diese Notwendigkeit berücksichtigt.“ Als grundlegende Kompetenzbereiche werden dabei Fähigkeiten, Wissen/ Kenntnisse sowie Einstellungen ausdifferenziert. Das Curriculum umfasst insgesamt drei Module: „Sprache, (Zweit-) Spracherwerb und Sprachaneignung in Kontexten institutioneller Bildung“, „Didaktik und Methodik des inklusiven bildungssprachlichen Lernens und Lehrens“ und „Bildungssprache und Schulorganisation“ (Brandenburger u.a. 2011, 22-29). Wie jedoch Köker u.a. (2015, 194) zurecht anmerken, „fokussieren [sowohl Baur u.a. 2009 als auch Brandenburger u.a. 2011] eher Ausbildungsinhalte als Kompetenzen von Lehrpersonen, sind heterogen und theoretisch und empirisch nicht abgesichert“. Weiter hat eine Arbeitsgruppe am Österreichischen Sprachen- Kompetenz-Zentrum (ÖSZ) ein „Rahmenmodell Basiswissen Sprachliche Bildung für alle Lehrenden“ erstellt und auch bereits pilotiert (Haller/ Wojnesitz 2014). Das Rahmenmodell, das wie das DaZ-Modul den Erwerb von sechs Leistungspunkten vorsieht, basiert auf dem „Curriculum Mehrsprachigkeit“ (Krumm/ Reich 2011) und setzt sich aus fünf Themenbereichen zusammen, und zwar „Vielfalt der eigenen Sprachlichkeit - Sprachenbiografische Arbeit - Motivation der Studierenden“, „Sprachlernerfahrung - Spracherwerb“, „Sprache(n) - Identität(en) - Kultur(en)“, „Sprachen in der Institution Schule: Diagnose und Förderung“ sowie „Sprachen in der Institution Schule: Rahmenbedingungen“. Darüber hinaus sind für den Schulkontext unterschiedliche Selbsteinschätzungsinstrumente entstanden, die Hinweise auf im Kontext Durchgängiger Sprachbildung relevante Kompetenzen geben (z.B. Schmölzer-Eibinger u.a. 2013, 93-146; Thürmann/ Vollmer 2013, 216-223), auf die hier jedoch aus <?page no="190"?> Julia -Settinieri 190 Platzgründen nicht weiter eingegangen wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine schriftliche Befragung von insgesamt 18 in den Berliner DaZ-Modulen tätigen Dozent*innen zu den Inhalten ihrer Lehrveranstaltungen (Darsow 2017), die zeigt, dass es zwar einen gewissen Konsens über Kernthemen gibt (z.B. hinsichtlich der Behandlung sprachlicher Vielfalt, sprachlicher Register oder auch grammatischer Besonderheiten des Deutschen). Andererseits zeichnete sich in anderen Bereichen (z.B. Diagnostik, Zweitsprachenerwerb) auch Dissens bezüglich ihrer jeweiligen Relevanz ab. Schließlich können auch Konzepte aus dem Bereich Deutsch als Zweit- und Fremdsprache für Erwachsene herangezogen werden, um weitere Anregungen zu gewinnen. Zu nennen wäre hier zum einen die „Konzeption für die Zusatzqualifizierung von Lehrkräften im Bereich Deutsch als Zweitsprache“ (BAMF/ Goethe-Institut 2007), die in zwölf Handlungsfelder unterteilte Anforderungen an DaZ-Lehrkräfte beinhaltet. Für die einzelnen Handlungsfelder werden jeweils zu erwerbende Kompetenzen aus den Bereichen Wissen/ Kenntnisse, Fähigkeiten und Einsichten spezifiziert. Die Handlungsfelder beinhalten bspw. Kategorien wie „VI. Kursteilnehmer testen und einstufen“, aber auch „IX. Teilnehmer über öffentliche Beratungsangebote informieren“ (BAMF/ Goethe-Institut 2007, 12) und sind somit nur eingeschränkt auf den Schulkontext übertragbar. Ähnliches gilt für das „Europäische Profilraster für Sprachlehrende“ (European Profiling Grid, EPG; North/ Mateva/ Rossner 2011) sowie das „Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung“ (European Portfolio for Student Teachers of Languages, EPOSTL; Newby u.a. (Hrsg.) 2007) aus dem Fremdsprachenkontext. Beide beinhalten Can-do-Skalen zur Selbsteinschätzung, das EPG bspw. zu den Bereichen „Qualifikation/ Erfahrung“ („Sprachkenntnisse und Sprachkompetenz“, „Ausbildung/ Qualifikation“, „Bewertetes Unterrichten“, „Unterrichtserfahrung“), „Zentrale Lehrkompetenzen“ („Didaktik/ Methodik“, „Evaluieren“, „Unterrichts- und Kursplanung“, „Steuerung von Interaktion“), „Übergreifende Kompetenzen“ („Interkulturelle Kompetenz“, „Sprachbewusstheit“, „Methodenkompetenz“) sowie „Professionalisierung“ („Berufliche Weiterentwicklung“, „Administration“) und geht somit weit über den eigentlichen Unterrichtskontext hinaus. Angesichts dieser insgesamt recht komplexen Ausgangslage stellt sich die Frage, welche zentralen Kompetenzen, über die Lehrer*innen mit Blick auf das Deutsche mindestens verfügen sollten, sich ableiten lassen. Als hilfreich für die Beantwortung dieser Frage erweisen sich die Publikationen von Jostes/ Darsow (2017) sowie Michalak (2013), die jeweils vergleichende Darstellungen mehrerer einschlägiger Kompetenzmodelle liefern. Jostes/ Darsow (2017) stellen das Berliner Ausbildungskonzept im Vergleich zu den weiter oben bereits genauer vorgestellten DaZKom- und EUCIM-TE-Modellen dar. Darüber hinaus ziehen sie den SprachKoPF-Test vergleichend heran, der die Sprachförderkompetenz pädagogischer Fachkräfte im Elementarbzw. Prim- <?page no="191"?> Wie -wird -jeder -Unterricht zu -Sprachunterricht? 191 arbereich prüft (vgl. zu den Modellannahmen genauer Hopp/ Thoma/ Tracy 2010). Michalak (2013) zieht ergänzend Parallelen zwischen EUCIM-TE, den KMK-Standards für die Bildungswissenschaften (KMK 2004) und zwei Publikationen aus der Pädagogischen Psychologie (Beck u.a. 2008) bzw. der Sprachdidaktik (Ossner 2008). Dabei untergliedert sie die Lehrkompetenz in Sach-, Diagnose-, didaktisch-methodische, Sozial- und Selbstkompetenz (Michalak 2013, 215). Tentativ ließe sich aus der Darstellung wohl ableiten, dass Kompetenzen in den Bereichen Migrationspädagogik, Sprachwissenschaft, Zweitspracherwerb/ Mehrsprachigkeit, Registertheorie, Sprachdiagnostik und -förderung sowie Schulorganisation für die Gestaltung eines sprachsensiblen Unterrichts konsensuell zentral zu sein scheinen. Neben dem Erwerb von Fachwissen und einem starken Praxisbezug, der den Erwerb von Fähigkeiten gewährleistet, spielt auch der Bereich der Reflexion von Einstellungen eine wichtige Rolle. Darüber hinaus sollte (interdisziplinäre) Kooperation sowohl konstituierendes Merkmal als auch Ziel der Ausbildung sein. 3 - Lehrerausbildung Prinzipiell kann die Aneignung der oben skizzierten Kompetenzen in allen drei Phasen der Lehrerbildung erfolgen (vgl. Baumann/ Becker-Mrotzek 2014 sowie Baumann 2017 für einen Überblick auf Basis einer Dokumentenanalyse aus dem Jahr 2013). Faktisch liegt der Schwerpunkt für das Deutsch als Zweitsprache aber - wiederum aufgrund der fehlenden Lehramtsoption - vor allem auf der ersten Phase, zunehmend angesichts der jüngsten Migrationsbewegungen allerdings auch auf der dritten. So hat das Land NRW bspw. ab dem Wintersemester 2016/ 2017 für drei Jahre Gelder bereitgestellt, um an elf lehrerbildenden Universitäten kostenlose Weiterbildungsstudiengänge im Umfang von sechs Leistungspunkten für Lehrer*innen an Schulen bzw. 30 Leistungspunkten für Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung einzurichten (vgl. http: / / www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/ fileadmin/ Redaktion/ PDF / Lehre/ Zweite-Auflage-Flyer-Deutsch_als_Zweitsprache-online.pdf). Die zu erwerbenden Zertifikate greifen den Wunsch vieler Studierender und Lehrer*innen nach einer strategisch verwendbaren Ausweisung ihrer DaZ- Komptenzen auf. Interessant ist, dass es vor der Einführung der BAMA- Studiengänge an deutschen Universitäten zahlreiche DaF-Zertifikate zu erwerben gab, die jedoch stark zurückgegangen sind, und an ihre Stelle grundständige Studiengänge getreten sind. Hier ist nur zu hoffen, dass das Deutsche als Zweitsprache an den Hochschulen eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wird (vgl. auch Funk in diesem Band, der die Einführung eines Lehramtsfaches DaZ als „überfällige […] Karriereoption“ bezeichnet). <?page no="192"?> Julia -Settinieri 192 In Bezug auf das Lehramtsstudium lässt sich jedenfalls festhalten, dass obligatorische Studienelemente zum Deutschen als Zweitsprache häufiger an das Studienfach Deutsch als an andere Fächer gebunden sind und dass insbesondere das Grundschullehramt hier in der Regel Anteile vorschreibt (vgl. die prozentuale Darstellung bei Baumann 2017, 21). In den einzelnen Fachdidaktiken steht eine Konkretisierung von Elementen Durchgängiger Sprachbildung hingegen noch weitestgehend aus. Sprachbildung sollte hier nicht nur eine als eine Heterogenitätsdimension von vielen, sondern so spezifisch wie möglich in den Studienplänen verankert werden. Auch bzgl. der zweiten Phase der Lehrerausbildung sehen Baumann/ Becker-Mrotzek (2014, 45) noch großen Handlungsbedarf. Deutlich wird zusammenfassend, dass das DaZ-Modul, auch wenn das Land NRW mit seiner Einführung zweifelsohne „einen großen Sprung […], dessen Tragweite sich erst in einem Blick zurück und in einem Blick auf die inzwischen eingetretenen Veränderungen erschließt“ (Grießhaber 2017, 89), gemacht hat, in keinster Weise ausreicht, um Studierende auf einen professionellen Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Schule vorzubereiten. So kommen Baumann/ Becker-Mrotzek (2014, 45) in ihrer Expertise zu dem Schluss: Die Dimension von sechs Leistungspunkten für alle Fächer und Lehrämter scheint angemessen, um erste Reflexionsprozesse bei den Studierenden in Gang zu setzen, Wissensgrundlagen zu schaffen und Basiskompetenzen zu vermitteln. Für einzelne Lehrämter mag es sinnvoll sein, weitere obligatorische Studienleistungen einzurichten, beispielsweise für das Grundschullehramt, in dem Grundsteine gelegt werden und die Heterogenität unter allen Schularten am größten ist. Neben einem Pflichtmodul für alle sollte ein breites fakultatives Studienangebot zur Verfügung stehen. Die Studierenden hätten dadurch die Möglichkeit, eine ausgewiesene Profilbildung während der Regelstudienzeit vorzunehmen. Denkbar ist beispielsweise, DaZ als Unterrichtsfach anzubieten oder eine deutlich erkennbare Schwerpunktsetzung im Wahlpflichtbereich (Baumann/ Becker-Mrotzek 2014, 45). Dem kann ich mich nur vollumfänglich anschließen. Aktuell entstehen an den unterschiedlichen Hochschulstandorten tatsächlich zunehmend weitere Qualifikationsangebote im Bereich DaZ. Zu nennen wären hier insbesondere studentische Förderprojekte (teilweise auch als Berufsfeldpraktika anrechenbar), Angebote in den Praxisphasen des Studiums (in NRW sind dies Orientierungspraktikum, Berufsfeldpraktikum und insbesondere das Praxissemester), Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens oder empirischer Forschungsmethoden, Abschlussarbeiten im Bereich DaZ sowie zusätzliche Seminarangebote, insbesondere in Kooperation mit den Fachdidaktiken, die teilweise auch in Form von Zertifizierungen strukturiert werden (vgl. exemplarisch das in vielerlei Hinsicht vorbildlich erscheinende Lehrerbildungskonzept der Universität Duisburg-Essen, z.B. Benholz/ Mavruk 2017; vgl. auch Kassem u.a. 2018 für einen aktuellen Angebotsüberblick der <?page no="193"?> Wie -wird -jeder -Unterricht zu -Sprachunterricht? 193 Universität Paderborn). Besonderes Potenzial scheinen hier die Praxisphasen zu haben, da die Evaluationsstudien zu den DaZ-Modulen stark darauf hinweisen, dass insbesondere der Praxisbezug von den Studierenden sehr geschätzt wird (Döll/ Hägi-Mead/ Settinieri 2017; Paetsch/ Wagner/ Darsow 2017). Gleichzeitig stehen diese Ausbildungsangebote noch zu häufig relativ unverbunden nebeneinander und bauen nicht curricular aufeinander auf. Nach der Durchgängigen Sprachbildung sollte hier unbedingt die Durchgängige Lehrerbildung programmatisch werden. 4 - Forschungsfelder Neben dem Ausbau der Durchgängigen Lehrerbildung im Bereich DaZ sollte Forschung Best-practice-Beispiele des Umgangs mit Mehrsprachigkeit in den Blick nehmen. Was genau zeichnet bspw. eine Schule aus, an der prozentual genauso viele Schüler*innen mit wie ohne Migrationshintergrund ihren Abschluss schaffen? Auch nationale Standards der Lehrerbildung, aber auch der Beschulung neu zugewanderter Schüler*innen könnten ihren Beitrag zur Sicherung der Schulqualität leisten. Bzgl. der Lehrerausbildung könnten interdisziplinäre Kooperationen in den Fokus der Forschung rücken, da gerade die Fachdidaktiken unverzichtbare Partner*innen der universitären DaZ-Qualifizierung darstellen. Auch die Potentiale und Herausforderungen additiver Maßnahmen (wie bspw. des DaZ-Moduls) mit integrativen Herangehensweisen (wie z.B. des Mercator- Projekts „Umbrüche gestalten. Sprachenförderung und -bildung als integrale Bestandteile innovativer Lehrerbildung in Niedersachsen“, vgl. z.B. Goschler/ Montanari 2017, oder des Projekts „DaZ-Modul: Fachsprache und Sprachförderung“ an der Universität Köln, vgl. Gantefort/ Michalak 2017, 66- 69) sollten in diesem Zusammenhang untersucht werden. 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In welchen Bereichen bestehen dringende Forschungsbedarfe? Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach: Im ersten Teil werden die notwendigen Kompetenzbereiche von Fremdsprachenlehrkräften betrachtet, die sich in einem Spannungsfeld von fachlichen und übergreifenden, allgemeinpädagogischen Anforderungen bewegen und im Fremdsprachenunterricht in spezifischer Art und Weise zum Tragen kommen. Grundsätzlich geht der Beitrag von einem dreidimensionalen, kompetenz- und strukturtheoretische sowie berufsbiographische Ansätze vereinenden, Professionalitätsverständnis aus. Neben Kompetenzen im engeren Sinn werden insbesondere Rollenzuschreibungen, Persönlichkeitsaspekte und Erfahrungswissen der Lehrperson betrachtet ebenso wie die institutionellen Rahmenbedingungen des Lehrberufs. Im zweiten Teil werden die spezifischen Beiträge zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften durch universitäre Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote sowie diesbezügliche Forschungsbedarfe in den Blick genommen. Ein phasenübergreifendes, ausbildungs- und berufsbegleitendes ePortfolio wird als wichtiges Professionalisierungsinstrument vorgeschlagen. Anschließend werden mit ‚Internationalisierung‘, ‚Heterogenität‘ und ‚Digitalisierung‘ die drei zentralen zukünftigen Herausforderungen für die Lehrerbildung in allen Phasen erörtert und entsprechende Forschungsbedarfe abgeleitet. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Zusammenschau der Ergebnisse. <?page no="198"?> Britta Viebrock 198 2 - Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften und weitere Professionalisierungsaspekte Zur Beschreibung notwendiger Kompetenzen für Fremdsprachenlehrkräfte schlägt Richards (2012) eine Differenzierung zwischen ‚Kompetenz‘ und ‚Performanz‘ vor, also zwischen der Wissensbasis einer Lehrkraft (im Sinne Shulmans 1987, 5ff.) und ihrer tatsächlichen Handlungen im (Fremdsprachen-)Unterricht und darüber hinaus. Kompetenz beschreibt dabei die individuellen kognitiven, mentalen und emotionalen Dispositionen der Lehrperson einschließlich ihrer Fachkompetenz, ihrer pädagogischen Kompetenz, ihres curricularen Wissens, ihrer erziehungswissenschaftlichen Kompetenz, ihre spezifischen Lernerkenntnisse und dergleichen. Performanz beschreibt die Fähigkeit, individuelles Wissen und spezifische Fertigkeiten in die Tat umzusetzen und kontextbezogen anzuwenden. Performanz ist damit unmittelbar auf die Ausführung des Unterrichtshandelns bezogen. Hinsichtlich der Unterrichtsqualität des Fremdsprachenunterrichts und damit auch der notwendigen Professionalitätsmerkmale von Lehrkräften sind Richards (2012) zufolge zehn Dimensionen zu berücksichtigen: Sprachkompetenz, Fachkompetenz, methodische Kompetenz, fachdidaktische Kompetenz, Kontextwissen, Lernerzentrierung, reflektierte Praxis, Lehrkräfteidentität, Mitgliedschaft in einer community of practice sowie Professionalisierung. Diese überschneiden sich teilweise mit den generellen (nicht fachbezogenen) Beschreibungen Helmkes (2015), nehmen in der Regel aber stärker die Spezifika des fremdsprachlichen Unterrichts in den Blick (vgl. auch Viebrock 2018). Mit seiner Strukturierung folgt Richards (2012) zunächst einem kompetenzorientierten Professionalisierungsansatz. Es zeigt sich allerdings, dass die genannten Dimensionen an berufsbiographische und strukturtheoretische Professionalisierungsansätze anschlussfähig sind. Während niemand anzweifeln würde, dass Fremdsprachenlehrkräfte über eine hohe Sprachkompetenz verfügen müssen, ist diese nicht eindeutig zu bestimmen. Die Zielvorstellung einer native speaker norm wird unter anderem deshalb kritisiert, weil sie ihre Rechtfertigung aus problematischen Konzepten wie otherness und potenzieller Inkompetenz bezieht, die alle nichtmuttersprachlichen Lehrkräfte betrifft (vgl. Ortega 2005, 432). Zudem wäre zu fragen, bis zu welchem Grad sich sprachliche Mängel durch besondere Kompetenzen in anderen Dimensionen professionellen Lehrerhandelns kompensieren lassen. Für die Fremdsprache Englisch kommt hinzu, dass ihre Verwendung als internationale Verkehrssprache, in der Kommunikation zum großen Teil ohne Anwesenheit von native speakers stattfindet, es erschwert zu bestimmen, welche Varietät des Englischen unterrichtet werden sollte. Diese Frage stellt sich in leicht abgewandelter Form aber auch in den anderen Fremdsprachen hinsichtlich bestehender Varietäten. Vor dem Hintergrund der Globalisierung argumentiert Bach (2015, n.p.), dass eine territorial und <?page no="199"?> Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrkräften 199 nationalsprachlich begrenzte Definition von Sprache weder hinreichend noch hilfreich sei. Vielmehr müssten Sprachlehrkräfte sich den destabilisierenden Effekten postnationaler Perspektiven stellen, so dass Richards‘ Kompetenzübersicht um eine Dimension zu sprachenpolitischer Kompetenz und Mehrsprachigkeitssensitivität zu ergänzen wäre. Die zweite Dimension in Richards‘ (2012) Systematik bezieht fachwissenschaftliche Kompetenzen mit ein, wie sie ähnlich in den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2008 i.d.F. von 2017, 44ff.) formuliert und für das Fach Englisch im Positionspapier: Inhaltliche Anforderungen für Fachwissenschaft und Fachdidaktik in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Studienfach Englisch des Deutschen Anglistenverbands sowie der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien (2009) spezifiziert worden sind. Professionsbezogene Wissensbestände umfassen neben disziplinspezifischen und theoretischen Kenntnissen in der Linguistik, den Literaturwissenschaften oder den Cultural Studies insbesondere ‚fachdidaktisches Wissen‘ (cf. Baumert/ Kunter 2006, im Englischen pedagogical content knowledge nach Shulman 1987). Fachdidaktisches Wissen ist das Alleinstellungsmerkmal des Lehrberufs, welches ihn von anderen Professionen unterscheidet. Aufgrund der praktischen Implikationen fachdidaktischen Wissens ordnet Richards (2012) es trotz seiner kognitiven Orientierung und seiner theoretischen Fundierung eher dem Performanzspektrum zu. Es markiert den Übergang zu fachdidaktischen Kompetenzen sowie zu spezifischen Fertigkeiten und methodischen Kompetenzen, welche der Lehrkraft ein mehr oder minder reibungsloses Unterrichtshandeln ermöglichen. Die spezifischen Fertigkeiten sind nicht ausschließlich theoriebasiert, sondern Ausdruck reflektierten Erfahrungswissens. Das Kernstück von Richards’ Dimensionen bilden fachdidaktische Kompetenzen. Hinsichtlich ihrer Wissensbasis sind sie eng verwandt mit Shulmans (1987) pedagogical content knowledge, allerdings fokussieren sie stärker die Entscheidungspraktiken bei unterrichtsbezogenen Tätigkeiten (z.B. Unterrichtsplanung, Materialauswahl, Klassenführung). Gemein ist beiden, dass sie Transformationsprozesse zwischen individuellen Wissensbeständen und tatsächlichen Unterrichtshandlungen in unterschiedlichen Kontexten in den Blick nehmen. Die Dimension ‚Kontextwissen‘ weist große Ähnlichkeiten zu Lave/ Wengers (1991) Theorie des situated learning auf, welche insbesondere die Analyse des sozialen Bedingungsgefüges fokussiert. Neben einem Verständnis für die historisch gewachsenen, aber nicht immer explizit ausgesprochenen Werte, Normen, Regeln, Gepflogenheiten, aber auch Zwänge einer Bildungsinstitution und deren Einflüsse auf das Lehrverhalten im (Fremdsprachen-)Unterricht sollte sich eine Fremdsprachenlehrkraft profunde Kenntnisse bezüglich der individuellen Ausgangslagen der Lerner bzw. der Dynamiken in spezifischen Lerngruppen aneignen. Die spezifische Perspektive der Lerner ist ebenfalls Ausgangspunkt eines lernerzentrierten Ansatzes, der individuelle <?page no="200"?> Britta Viebrock 200 Erfahrungen ernst nimmt und adaptive Lernangebote bereitstellt, welche jeden Lerner gemäß seiner Lernvoraussetzungen fördern. Lernerzentrierung steht in einem engen Zusammenhang mit der Zielsetzung der Lernerautonomie. Die Dimension der reflektierten Praxis geht von einer Wertschätzung des Erfahrungswissens der Lehrkraft aus, welches mit dem Ziel der professionellen Entwicklung systematisch und mit explizitem Theoriebezug reflektiert wird. Die Dimension ist eng mit einer forschungsorientierten Sicht des Lehrberufs verknüpft, wie sie sich beispielsweise in Ansätzen der Aktionsforschung oder des Design-Based Research zeigt, welche ebenfalls eine systematische Reflexion der Unterrichtspraxis unter bestimmten Aspekten aus der Sicht der Lehrkräfte zum Zwecke der Weiterentwicklung professioneller Kompetenzen beinhalten. Eine regelmäßige Reflexion der eigenen Praxis führt zur Herausbildung eines individuellen, differenzierten und relativ stabilen Lehrkonzepts (teaching philosophy). Eine Weiterentwicklung des Konzepts der reflective practitioner, das aufgrund seiner reflexiven Natur auch immer in gewisser Weise rückwärtsgewandt ist, stellt Bachs (2015, n.p.) Modell der Lehrkraft als agent of (global) change dar. Dieses setzt eine reflektierte Praxis voraus, greift aber insbesondere Aspekte der Heterogenität, Hybridisierung und Dynamik von Lernern und Lernkontexten heraus, denen sich nicht mit monolithischen Ansätzen begegnen lässt, sondern die eine besondere Kontextsensitivität und situative Bedeutungsaushandlung verlangen. Eine transformationsorientierte pädagogische Praxis ist ein starker Ausdruck der Vitalität der Profession. Neben den bisher genannten Eigenschaften, Kompetenzdimensionen und praktischen Fertigkeiten gehören zur Professionalität der Lehrperson auch Identitätsaspekte und Überlegungen zur gesellschaftlichen Bedeutung des Fremdsprachenlehrerseins. Aus soziokultureller Perspektive stellt der Prozess der professionellen Identitätsentwicklung ein Kernelement der Lehrerbildung dar. Das Identitätskonzept bezieht sich dabei auf die unterschiedlichen sozialen und kulturellen Rollen (z.B. Erzieher/ in, Sprachlernberater/ in, linguistic role model, Lernbegleiter/ in, Beurteiler/ in), die eine Fremdsprachenlehrkraft bei unterschiedlichen Tätigkeiten und in unterschiedlichen Kontexten einnimmt, sowie deren Dynamik. Es unterliegt dabei diversen Einflussfaktoren. Diese können eher persönlich sein, wie beispielsweise die individuelle Biographie, das Alter, Genderpositionierungen, kulturelle Prägungen, oder eher tätigkeitsbezogenen, wie beispielsweise die unmittelbare Schul- und Unterrichtskultur im eigenen Arbeitskontext (vgl. Richards 2012). Über individuelle Identitätsaspekte hinaus ist die kooperative Dimension nicht zu vernachlässigen: Eine einzelgängerische Sichtweise des Lehrberufs ist nicht nur unzureichend, sondern vor allem einer reflexiven Praxis abträglich, die sich zur Professionalisierung deutlich besser in kooperativen Settings umsetzen lässt (z.B. durch kollegiale Beratung). Die kollektive Dimension lässt sich mit <?page no="201"?> Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrkräften 201 dem Konzept der community of practice (Lave/ Wenger 1991) einholen, die eine Erweiterung von Kollegialität hin zu einer professionsbezogenen, solidarischen Interessens- und Lerngemeinschaft ist, die gemeinsame Ziele verfolgt, Verantwortlichkeiten teilt und lösungsorientiert arbeitet. Communities of practice zeichnen sich durch eine funktionale Rollenverteilung und eine domänenspezifische Sprache aus, die ihrerseits ein Bestandteil der Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften ist: Becoming a language teacher also involves learning to “talk the talk,” that is, acquiring the specialized discourse that we use among ourselves and that helps define the subject matter of our profession. This means becoming familiar with several hundred specialized terms such as learner centeredness, learner autonomy, self-access, alternative assessment, blended learning, task-based instruction, phoneme, and common European Framework that we use on a daily basis in talking about our teaching. Being able to use the appropriate discourse (and, of course, understand what they mean) is one criteria for membership in the language teaching profession. (Richards 2011, 8, Kursivierungen im Original) Die bisher genannten Dimensionen lassen sich im übergeordneten Konzept der Professionalität zusammenführen, welches zunächst eine Sichtweise des Lehrberufs als Profession voraussetzt. Kriterien dafür sind eine wissenschaftsbasierte Berufsausübung, ein gewisser Grad an Autonomie, ein Klientenbezug, eine eigene Fachsprache, ferner eine berufsständische Organisation, eine Berufsethik und kodifizierte Regularien (vgl. Rothland/ Brüggemann 2011, 536f.). Für Professionen gilt zudem, dass individuelle und professionelle Person nicht zu trennen sind. Das berufliche Handeln ist eng mit eigenen Identitätsentwürfen und der eigenen Biographie verknüpft. Diese Perspektive wird besonders in berufsbiographischen Ansätzen der Professionsforschung hervorgehoben (vgl. Herzog 2011), welche die Wechselwirkungen zwischen Professionalisierung und Biographie mithilfe narrativer und longitudinaler Verfahren untersuchen, um so Entwicklungsverläufe von (De-)Professionalisierung sichtbar zu machen. Zugleich treten Professionelle als Repräsentanten ihrer Institution auf und müssen deren Normen und Funktionsweisen vertreten und ggf. in Übereinstimmung mit abweichenden eigenen Orientierungen bringen. Diese Perspektive wird insbesondere in strukturtheoretischen Ansätzen der Professionsforschung hervorgehoben (vgl. Helsper 2011), welche das produktive Handeln im Spannungsfeld der widersprüchlichen (antinomischen) Anforderungen des Lehrberufs als zentrale Professionalitätsdimension mithilfe einzelfallrekonstruktiver Verfahren untersuchen, um so die Strukturen des pädagogischen Handelns und den individuellen Umgang damit hervorzuheben. <?page no="202"?> Britta Viebrock 202 3 - Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften durch Aus--‐, Fort--‐ und Weiterbildung und Forschungsbedarfe Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass Professionalisierungsprozesse von Fremdsprachenlehrkräften sich im Zusammenspiel von Theorie, Erfahrungswissen (inkl. berufsbiographischer und persönlichkeitsbezogener Aspekte sowie institutioneller und struktureller Einflüsse) und deren reflexiver Vermittlung vollziehen. In der konsekutiven Struktur der Lehrerbildung in Deutschland sind den bestehenden drei Phasen häufig getrennte Funktionen zugeschrieben worden: der Universität in erster Linie die Theorievermittlung, dem Referendariat der Erwerb eines umfangreichen Erfahrungswissen und dessen institutionell begleitete Reflexion sowie schwerpunktmäßig die Methodenvermittlung, der Berufspraxis der Erwerb vollumfänglicher Praxiserfahrungen und deren autonome bzw. eigenverantwortliche Verarbeitung. Während die Sinnhaftigkeit einer dreiphasigen Lehrerbildung und die prinzipielle Zuweisung der Verantwortlichkeiten nicht angezweifelt werden, so sind doch Inkonsistenzen und Theorie-Praxis-Brüche zu beklagen. Anstrengungen zur systematischen inhaltlichen und methodischen Vernetzung der unterschiedlichen Phasen der Lehrerbildung sind daher in zahlreichen Projekten der Qualitätsoffensive Lehrerbildung des BMBF unternommen worden, so auch im Projekt LEVEL - Lehrerbildung vernetzt entwickeln an der Goethe- Universität Frankfurt a.M. (https: / / www.uni-frankfurt.de/ 65116024/ level- 2_0). Ziel dieses Vorhabens ist, eine größere Wahrnehmung von Kohärenz zwischen den Ausbildungsphasen herzustellen und damit auch eine größere Zuschreibung von Relevanz aus der Perspektive der einzelnen Lehrkraft zu gewährleisten und Professionalisierungsprozesse im Sinne einer lebenslangen (fachspezifischen) Kompetenzentwicklung zu ermöglichen. Diese geht von einer grundsätzlichen Berufsfähigkeit von Lehrkräften nach dem Vorbereitungsdienst aus, lokalisiert die Entwicklung einer Berufsfertigkeit, verstanden als „vollständige berufliche Kompetenz“, aber erst in der mehrjährigen Berufseinstiegsphase (Schützenmeister 2002, 455). Als zentrales Instrument zur Sichtbarmachung und Reflexion von Professionalisierungsprozessen wird ein phasenübergreifendes Portfolio angesehen (vgl. Koch-Priewe et al. 2013). Ein solches Portfolio wird in digitaler Form auch im Rahmen des LEVEL-Projekts entwickelt, erprobt und evaluiert. Es nimmt zunächst die Entwicklung professioneller Wahrnehmungskompetenzen (vgl. Sherin/ van Es 2002) angehender Fremdsprachenehrkräfte in den Blick und wird auf die Dimension des professionellen Handelns hin ausgebaut. Das digitale Portfolio beinhaltet neben berufsbiographischen Fragen und Deskriptoren zu unterschiedlichen Kompetenzbereichen auch videobasierte Lerneinheiten (mit Unterrichtsmitschnitten und begleitenden Aufgaben), welche die fachspezifischen und übergreifenden, allgemeinpädagogischen Beobachtungsfähigkeiten schulen. Sie schaffen eine sinnvolle <?page no="203"?> Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrkräften 203 Verbindung zwischen den in den Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (KMK 2004 i.d.F. von 2014) benannten theoretischen Ausbildungsabschnitten, in denen Wissen und Kenntnisse im Vordergrund stehen, und den praktischen Ausbildungsabschnitten, in denen Anwendungs- und Vermittlungsperspektiven im Zentrum stehen. Neben dem Wissen/ Kennen auf der einen Seite und dem Anwenden/ Vermitteln auf der anderen wird das Erkennen als vermittelnde Dimension eingefügt. Die (fachspezifische) professionelle Wahrnehmung entwickelt sich dabei insbesondere auf der Basis fundierter konzeptioneller Kenntnisse und einer präzisen Fachsprache zu deren Beschreibung (vgl. Brevik et al. 2014). Lehrkräfte benötigen zum reflektierten Verstehen beobachteter (und selbst durchgeführter) Praxis disziplinspezifisches konzeptuelles Wissen und eine differenzierte Fachsprache. Die Forderung nach verstärkten Praxisbezügen im Studium korrespondiert mit der Forderung nach Freiräumen für praktizierende Lehrkräfte zur theoriebezogenen Reflexion von Praxiserfahrungen während der Berufstätigkeit. Beides ist aus unterschiedlichen Gründen nicht leicht einzulösen: Studierende sind häufig gehalten, stark strukturierten Studienplänen zu folgen, die wenig Freiräume lassen. Theorie- und Praxisphasen sind meist in konsekutiver, selten in integrativer Form geplant. Gerade an Massenuniversitäten mit hohen Studierendenzahlen ist es nahezu unmöglich, Praxisphasen (Hospitationen oder eigene Unterrichtsversuche) im Rahmen regulärer thematischer Seminare einzuplanen. Für praktizierende Lehrkräfte gilt anders herum, dass eine Fort-/ Weiterbildungsbereitschaft nur bei einem Drittel bis hin zu knapp zwei Dritteln von ihnen vorhanden ist (vgl. Bachmaier 2011). Gründe hierfür liegen im Kosten- und Zeitaufwand, in einer thematisch oder regional unausgewogenen Angebotslage und in einem wahrgenommenen Mangel an Praxisbezug. Hinzu kommt die Wahrnehmung von steigenden Belastungen bei zugleich sich verringernden Erholungszeiten. Deshalb ist sowohl die Ausbildung mit einem stärker integrativen Praxisbezug zu konzipieren, als auch eine systematische Fort- und Weiterbildungspraxis zu konzipieren und zu evaluieren und vor allem als selbstverständlicher Aspekt der Profession anzusehen, der mit entsprechenden Ressourcen auszustatten ist. Neben den bisher thematisierten strukturellen und methodischen Fragen der Gestaltung von Bildungsangeboten ergeben sich drei weitere Herausforderungen für die Professionalisierung von Lehrkräften. Diese lassen sich mit den Schlagworten ‚Heterogenität‘, ‚Internationalisierung/ Mobilität‘ sowie ‚Digitalisierung‘ beschreiben: 1. Überlegungen zum Umgang mit der sprachlichen und kulturellen Heterogenität der Lernenden im Fremdsprachenunterricht sind bereits mehrfach thematisiert worden (vgl. Doff 2016; Chilla/ Vogt 2017) und regelmäßig Teil der universitären Bildung zukünftiger Lehrkräfte, sowohl in den sprachlichen als auch in den bildungswissenschaftlichen Fächern. Was den unterrichtlichen Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität betrifft, ist der <?page no="204"?> Britta Viebrock 204 Beforschung der dritten Phase der Lehrerbildung in der Fremdsprachendidaktik bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Wie kann eine mehrsprachigkeitssensitive professionelle Handlungskompetenz praktizierender Fremdsprachenlehrkräfte gefördert werden? Wie können sie Diagnosekompetenzen zur Berücksichtigung der Potenziale und Bedürfnisse mehrsprachiger Lerner entwickeln? Wie können praktizierende Lehrkräfte transkulturelle diagnostische Kompetenz erwerben? Wie können Lehrkräfte ihre professionellen Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen im Hinblick auf kulturelle Vielfalt und insbesondere auf problematisches Lehrerverhalten (ungerechtfertigte Zuschreibungen, Essentialisierungen) (weiter-) entwickeln? Welche Rolle spielen die individuellen Sprach(lern)biografien der Fremdsprachenlehrkräfte und ggf. ihre familiäre Migrationsgeschichte? 2. Angesichts der gegenwärtigen Migrationsbewegungen und zunehmenden globalen Verflechtungen ist darüber hinaus eine multiperspektivische und internationale Betrachtung der Lehrerbildung unabdingbar. Diese berührt Fragen von Internationalisierung und Mobilität von (zukünftigen) Lehrkräften. Eine zunehmende Zahl von Lehrkräften weist eine familiäre Migrationsgeschichte und persönliche Erfahrungen auf. Diese sind stärker für Professionalisierungsprozesse zu nutzen (Stichwort: Mehrsprachigkeit und Transkulturalität). In fremdsprachlichen Unterrichtsfächern ist Mobilität zudem auf den Erwerb ‚alltäglicher‘ sprachlicher und kultureller Kompetenzen zu beziehen, die im Rahmen des Studiums und der Lehrtätigkeit nur unzureichend gefördert werden (können) (vgl. Vold 2017). Für zukünftige Lehrkräfte ist eine so verstandene Internationalisierung zudem ein dringend notwendiger Anlass zu einer Perspektivenerweiterung. Mobilität lässt sich also auch beziehen auf den Erwerb von Kenntnissen anderer Ausbildungssysteme und -bedingungen, auf grundlegende Fremdheitserfahrungen und auf Einsichten in lokale Herausforderungen und flexible, transformatorische pädagogische Praktiken. Diese können für das eigene Handeln in heterogenen Lerngruppen im deutschen Bildungssystem fruchtbar gemacht werden. Folgen der Diversität und Dynamik von Globalisierungsprozessen sind in allen Phasen der Lehrerbildung aufzugreifen und lösungsorientiert zu bearbeiten. 3. Die Frage, wie Lehrkräfte auf gesellschaftliche oder mediale Entwicklungen reagieren können, die erst nach ihrer Ausbildung stattgefunden haben und damit auch nicht Teil dieser sein konnten, liegt dem dritten Themenbereich, Digitalisierung, zugrunde. Angesichts einer dynamischen Sicht des Lehrberufs kann die ‚vollständige berufliche Kompetenz‘ möglicherweise nie oder immer nur eingeschränkt erreicht werden. Zumindest lässt sich im Vorfeld kein definitiver Endpunkt einer beruflichen Kompetenz bestimmen. Insbesondere hinsichtlich technologischer Entwicklungen müssen praktizierende Lehrkräfte die Möglichkeit haben, sich regelmäßig fortzubilden, um einerseits individuelle Erfahrungen zu reflektieren, andererseits um neue Entwicklungen und Technologien kennen zu lernen und zu erproben, deren didaktisches <?page no="205"?> Professionalisierung -von -Fremdsprachenlehrkräften 205 Potenzial für den eigenen fachlichen Kontext zu analysieren und deren Grenzen zu bestimmen. Mit Blick auf die fremdsprachlichen Fächer und ihre kommunikative Ausrichtung eignen sich digitale Technologien nicht nur für die Übung spezifischer skills oder die Recherche von Themen, sondern insbesondere für die Kommunikation mit realen Sprechern. Beiträge von Fremdsprachenlernenden können in real existierende gesellschaftliche Diskurse eingepflegt werden. Sowohl Lerner als auch Lehrkraft müssen sich aber über die unterschiedlichen Modi des Sprachgebrauchs in den sozialen Medien im Vergleich beispielsweise zu traditionellen Formen des Schreibens oder Sprechens bewusst sein. Während technologiebezogenes fachdidaktisches Wissen ein wichtiger Aspekt in jeder Phase der Lehrerbildung sein sollte, lässt sich Digitalisierung nicht nur als professionsrelevante Kompetenzdimension verstehen, sondern auch als Form der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die Aufzeichnung von Vorlesungen beispielsweise und deren dezentrale, den individuellen Zeitplänen und Lernbedürfnissen angepasste Nutzung gehört mittlerweile zum Standardprogramm jeder Universität. Schulbuchverlage bieten für die fremdsprachlichen Fächer regelmäßig Webinare zur Fortbildung an. Lernplattformen ermöglichen die Realisierung von Blended Learning-Konzepten (vgl. Landesstiftung Baden-Württemberg 2008) oder online moderierten Seminaren. Ein Großteil des informellen Lernens findet ohnehin digital statt, beispielsweise mithilfe von Erklärvideos im Internet. Wenngleich Erkenntnisse aus anderen Fächern (vgl. Reinmann et al. 2009, Bachmaier 2011) auf die Wirksamkeit einer Verzahnung mehrerer Lernkontexte im Vergleich zu reinen Präsenzangeboten hinweisen, stellen die Erprobung und Beforschung von Blended Learning-Konzepten in der fremdsprachendidaktischen Lehrerfortbildung ein Desiderat dar. Ein weiteres Ziel des Frankfurter LEVEL- Projekts ist daher, die lokalen Fort- und Weiterbildungsstrukturen in der Fremd- und Zweitsprachendidaktik zu Themen sprachlicher und kultureller Heterogenität unter dem Aspekt der Digitalisierung weiterzuentwickeln und in ihrer Akzeptanz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu evaluieren. Dazu wird ein modularisiertes Fortbildungsangebot mit synchronen und asynchronen Elementen konzipiert, das von Fremdsprachenlehrerkräften bedarfsorientiert und flexibel genutzt werden kann. Als Elemente für das Selbststudium werden Online-Lernmodule (weiter-)entwickelt, welche Lehrkräften die theoriebezogene Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Unterrichtsvideos zu Aspekten sprachlicher und kultureller Heterogenität ermöglichen. Die genannten Forschungsfragen werden um eine zusätzliche Dimension erweitert: Wie nämlich gelingen die notwendigen Professionalisierungsprozesse im Format des überwiegend digitalen Lernens? <?page no="206"?> Britta Viebrock 206 4 - Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass für die Profession der (Fremdsprachen-)Lehrkraft allgemeinpädagogische, fachspezifische und fachübergreifende Kompetenzen bedeutsam sind, die sich nach Richards (2012) in zehn Dimensionen beschreiben lassen und das Spannungsfeld zwischen Wissensbasis (Kompetenz) und Anwendungsbezug (Performanz) umfassen. Professionalisierungsprozesse von (Fremdsprachen-) Lehrkräften verlaufen dabei nicht nur theoriebasiert, sondern sind Ausdruck reflektierten Erfahrungswissens. Angesichts der zunehmenden Komplexität von Lehr-/ Lernsituationen sind eine besondere Kontextsensitivität und die Fähigkeit zur situativ sinnvollen Nutzung von Unterrichtsansätzen und Methoden notwendige Fähigkeiten des professionellen Handelns. Dieses Handeln findet im Bewusstsein der Dynamik des Lehrberufs statt: Professionelle Lehrkräfte sind als agents of change aktiv an der Gestaltung sozialer, gesellschaftlicher und politischer Prozesse beteiligt. Der zweite Teil des Beitrags hat gezeigt, welche Professionalisierungsprozesse schwerpunktmäßig innerhalb der drei Lehrerbildungsphasen (Studium, Referendariat, Berufspraxis) stattfinden und wo Theorie-Praxis-Brüche innerhalb ebendieser Phasen bzw. zwischen ihnen liegen können. Um unter Beibehaltung der grundsätzlich sinnvollen Phasenstruktur eine größere Kohärenz der Lehrerbildung herzustellen, sind im Studium stärkere Praxisbezüge nötig, wie sie beispielsweise durch videobasierte Lernmodule zur Schulung professioneller Wahrnehmungskompetenz hergestellt werden können. Zugleich sind in der Berufspraxis umfangreichere Reflexionsphasen im Rahmen eines systematischen Fort-und Weiterbildungsansatzes nötig, wie sie beispielsweise im Rahmen von online-basierten oder Blended Learning- Formaten zu konzipieren und zu erproben sind. Zur Begleitung der Professionalisierungsprozesse ist ein phasenübergreifendes digitales Portfolio zu nutzen. Zukünftige Forschungsbedarfe ergeben sich einerseits im Hinblick auf neue Aus-, Fort- und Weiterbildungsformate, andererseits im Hinblick auf drei zentrale thematische Herausforderungen: Heterogenität, Internationalisierung/ Mobilität und Digitalisierung als Lernform und -inhalt. 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Dr. Dr. h.c. Friederike Klippel Lehrstuhtl für Didaktik der englischen Sprache und Literatur Department für Anglistik und Amerikanistik Ludwig-Maximilians-Universität Münschen Schellingstr. 3 80799 München Prof. Dr. Jürgen Kurtz Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Anglistik/ Didaktik des Englischen Otto-Behaghel-Straße 10 B 35394 Gießen Prof. Dr. Michaelt Legutke Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Anglistik/ Didaktik des Englischen Otto-Behaghel-Straße 10 B 35394 Gießen Prof. Dr. Hélène Martinez Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Romanistik Karl-Glöckner-Straße 21 G 35394 Gießen Prof. Dr. Grit Mehlhorn Universität Leipzig Institit für Slavistik Beethovenstr. 15 04107 Leipzig <?page no="211"?> Adressen -der -Beiträger -und Herausgeber 211 Prof. Dr. Claudia Riemer Universität Bielefeld Fakultät für Lingustik und Literaturwissenscahft Postfach 10 01 31 33501 Bielefeld Prof. Dr. Henning Rossa Universität Trier Fachbereich II Institut für Anglistik 54286 Trier Prof. Dr. Jutta Rymarczyk Pädagogische Hochschule Heidelberg Institut für Fremdsprachen - Englisch Keplerstr. 87 69120 Heidelberg Prof. Dr. Birgit Schädlich Georg-August-Universität Göttingen Seminar für Romanische Philologie Didaktik der Romanischen Sprachen Humboldtallee 19 37073 Göttingen Prof. Dr. Lars Schmelter Bergische Universität Wuppertal Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften Romanistik Gaußstr. 20 42119 Wuppertal Prof. Dr. Julia Settinieri Universität Paderborn Fakultät für Kulturwissenschaften Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft Deutsch als Zweitsprache / Deutsch als Fremdsprache Warburgerstr. 100 3310 Paderborn <?page no="212"?> Adressen -der -Beiträger -und Herausgeber 212 Prof. Dr. Britta Viebrock Goethe-Universität Frankfurt Fachbereich 10 Insitut für England- und Amerikastudien Norbert-Wollheim-Platz 1 60629 Frankfurt am Main <?page no="213"?> Bisher erschienene Arbeitspapiere der Frühjahrskonferenz K.-R. 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Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 1989. <?page no="214"?> Bisher erschienene -Arbeitspapiere der -Frühjahrskonferenz 214 K.-R. Bausch/ H. Christ/ W. Hüllen/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern: Gegenstand der Forschung. Arbeitspapiere der 10. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Bochum: Brockmeyer 1990. K.-R. Bausch/ H. Christ/ W. Hüllen/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Texte im Fremdsprachenunterricht als Forschungsgegenstand. Arbeitspapiere der 11. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Bochum: Brockmeyer 1991. K.-R. Bausch/ H. Christ/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Fremdsprachenunterricht und Sprachenpolitik als Gegenstand der Forschung. Arbeitspapiere der 12. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Bochum: Brockmeyer 1992. K.-R. Bausch/ H. Christ/ H.-J. 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Arbeitspapiere der 20. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2000. K.-R. Bausch/ H. Christ/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Neue curriculare und unterrichtsmethodische Ansätze und Prinzipien für das Lehren und Lernen fremder Sprachen. Arbeitspapiere der 21. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2002. K.-R. Bausch/ H. Christ/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Arbeitspapiere der 22. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2003. K.-R. Bausch/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Fremdsprachenlehrerausbildung. Konzepte, Modelle, Perspektiven. Arbeitspapiere der 23. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2003. K.-R. Bausch/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Mehrsprachigkeit im Fokus. Arbeitspapiere der 24. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2004. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Arbeitspapiere der 25. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2005. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2006. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Textkompetenzen. Arbeitspapiere der 27. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2007. <?page no="216"?> Bisher erschienene -Arbeitspapiere der -Frühjahrskonferenz 216 K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Fremdsprachenlernen erforschen: sprachspezifisch oder sprachenübergreifend? Arbeitspapiere der 28. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2008. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Fremdsprachenunterricht im Spannungsfeld von Inhaltsorientierung und Kompetenzbestimmung. Arbeitspapiere der 29. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2009. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Fremdsprachen lehren und lernen: Rück- und Ausblick. Arbeitspapiere der 30. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2011. K.-R. Bausch/ E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen: Forschungsethik, Forschungsmethodik und Politik. Arbeitspapiere der 31. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2011. E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ H.-J. Krumm (Hrsg.): Sprachenbewusstheit im Fremdsprachenunterricht. Arbeitspapiere der 32. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2012. E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ C. Riemer (Hrsg.): Identität und Fremdsprachenlernen. Arbeitspapiere der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2013. E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ C. Riemer (Hrsg.): Perspektiven der Mündlichkeit. Arbeitspapiere der 34. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2014. E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ C. Riemer (Hrsg.): Lernen an allen Orten? Die Rolle der Lernorte beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen. Arbeitspapiere der 35. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2015. E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ C. Riemer/ L. Schmelter (Hrsg.): Üben und Übungen beim Fremdsprachenlernen. Arbeitspapiere der 36. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2016. <?page no="217"?> Bisher erschienene -Arbeitspapiere der -Frühjahrskonferenz 217 E. Burwitz-Melzer/ F. G. Königs/ C. Riemer/ L. Schmelter (Hrsg.): Inklusion, Diversität und das Lehren und Lernen fremder Sprachen. Arbeitspapiere der 37. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2017.