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Sprachenübergreifendes Lernen

Lebensweltliche und schulische Mehrsprachigkeit

1214
2020
978-3-8233-9247-7
978-3-8233-8247-8
Gunter Narr Verlag 
Steffi Morkötter
Katja Schmidt
Anna Schröder-Sura

Die Förderung der mehrsprachigen Kompetenz durch sprachenübergreifenden Unterricht wird in Bildungsstandards und Rahmenplänen in Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern gefordert. Sie betrifft prinzipiell die Gesamtheit der Lernenden in ihrer Diversität. Aktuell mangelt es allerdings an ausreichenden Konkretisierungen und methodischen Vorschlägen. Im vorliegenden Band werden verschiedene Facetten sprachenübergreifenden Lernens beleuchtet, die im Kontext von Unterricht, Lehrmaterialentwicklung, Lehreraus- und -fortbildung sowie Forschung angesiedelt sind.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Steffi Morkötter / Katja Schmidt / Anna Schröder-Sura (Hrsg.) Sprachenübergreifendes Lernen Lebensweltliche und schulische Mehrsprachigkeit <?page no="1"?> Sprachenübergreifendes Lernen <?page no="2"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura (Hrsg.) Sprachenübergreifendes Lernen Lebensweltliche und schulische Mehrsprachigkeit <?page no="4"?> © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8247-8 (Print) ISBN 978-3-8233-9247-7 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0271-1 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 7 17 35 67 97 119 151 Inhalt Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt in der Primarstufe Christian Helmchen Das KOINOS-Projekt. Zum praktischen Umgang mit sprachlicher und kultureller Diversität an Grundschulen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze in der Sekundarstufe Tanja Prokopowicz „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ . . . . Ursula Behr Anregungen für die Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen im Russischunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrsprachigkeitsdidaktik in der LehrerInnenbildung Sílvia Melo-Pfeifer „Plurale Ansätze werden mich in der zukünftigen Unterrichtsvorbereitung beeinflussen.“ - Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Spanischlehrkräfte in Bezug auf plurale Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger Sensibilisierung für Mehrsprachigkeit in einem sprachenübergreifenden Ausbildungsmodell: Empirische Einblicke in subjektive Theorien von Studierenden des ‚Innsbrucker Modells der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) Benjamin Fliri Mehrsprachigkeitsdidaktische Aspekte in der Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrpersonen - ein evidenzbasierter Beitrag zur Professionalisierung in der PädagogInnenbildung Neu in Österreich . . . . . . <?page no="6"?> 179 209 257 277 Konzeptionelle Überlegungen zu mehrsprachigkeitsförderndem Lernen Birgit Kordt Zur Eignung des EuroComGerm-Konzepts für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christiane Neveling Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten: It’s getting logical . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michel Candelier Überlegungen zur Erweiterung des Referenzrahmens für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die AutorInnen und Herausgeberinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 1 Vgl. dazu u. a. auch Coste, Moore & Zarate (1997/ 2009) Vorwort Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura Der Begriff „sprachenübergreifendes Lernen“ verweist auf die Förderung von mehrsprachiger und plurikultureller Kompetenz als einer komplexen Kompe‐ tenz anstelle eines additiven Nebeneinanders einzelzielsprachlicher Kompe‐ tenzen, wie es bereits im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (Europarat, 2001, S. 17) vor nahezu zwei Jahrzehnten dargestellt wurde 1 . Diese mehrspra‐ chige und plurikulturelle Kompetenz wurde im Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) (Candelier et al., 2012) modelliert und in ihre Bestandteile Wissen, Einstellungen und Haltungen sowie Fertigkeiten zerlegt. Zuletzt wurde der Begriff im Begleitband zum Gemeinsamen europäi‐ schen Referenzrahmen (Europarat, 2020) ebenfalls in Form von Deskriptoren fortgeführt und die mehrsprachigkeitsdidaktische Orientierung wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Wenn man Lernende als plurilinguale und plurikulturelle Wesen sieht, muss man ihnen nötigenfalls auch den Einsatz all ihrer sprachli‐ chen Ressourcen gestatten und sie dazu ermutigen, sowohl Ähnlichkeiten und Gesetzmäßigkeiten als auch Unterschiede zwischen Sprachen und Kulturen zu entdecken“ (Europarat, 2020, S. 34). Mit dieser Beschreibung werden aktuelle bildungspolitische Anforderungen treffend zusammengefasst. Sprachenübergreifendes Lernen schließt sprachenverbindendes und spra‐ chenvernetzendes Lernen mit ein (vgl. Hallet, 2015; Meißner, 2005), Begriffe, die die zwischensprachlichen und kulturellen Bezüge in den Vordergrund stellen. Die Vorstellung von einer mehrsprachigen und plurikulturellen Kompetenz und die Berücksichtigung der Gesamtheit sprachlicher Ressourcen der Ler‐ nenden verweisen auf die Notwendigkeit, neben Schulsprache(n), sowohl Herkunftssprachen der Lernenden („lebensweltliche Mehrsprachigkeit“) als auch Fremdsprachen („schulische Mehrsprachigkeit“) in Sprachlernprozesse einzubeziehen. <?page no="8"?> 2 Aufgrund seiner curricularen Verankerung und der damit einhergehenden Bekanntheit bedarf es an dieser Stelle keiner gesonderten Erläuterung. Methodisch schlägt der REPA zu diesem Zweck vier so genannte „Plurale Ansätze“ zur Förderung herkunftsbedingter und schulischer Mehrsprachigkeit vor (vgl. z. B. Melo-Pfeifer & Reimann, 2018): die Interkomprehensionsdidaktik, Interkulturelles Lernen, die integrative bzw. integrierte Sprachendidaktik und den Ansatz Eveil aux langues / awakening to languages. Allgemein gefasst handelt es sich um „Lehr- und Lernverfahren […], die zugleich mehrere Sprachen bzw. sprachliche Varietäten und Kulturen einbeziehen“ (Candelier et al., 2012). Sie widmen sich verschiedenen Schwerpunktsetzungen herkunfts‐ bedingter und schulischer Mehrsprachigkeit und Plurikulturalität sowie der Entwicklung (meta)sprachlicher, inter- und transkultureller und strategischer Kompetenzen. Der Eveil aux langues-Ansatz wird eher dem frühbeginnenden (Fremd-)Sprachenunterricht zugeordnet und kann prinzipiell alle Sprachen und sprachlichen Varietäten und die Förderung eines sensiblen und respektvollen Umgangs mit sprachlicher und kultureller Vielfalt einbeziehen (Candelier, 2003; Mertens, 2018). Im Rahmen der integrierten Sprachendidaktik hingegen werden Verbindungen zwischen einer begrenzten Anzahl von Sprachen hergestellt mit dem Ziel, Kompetenzen in allen unterrichteten Sprachen bzw. die Entwicklung von Teilkompetenzen in bestimmten Sprachen zu fördern (Neuner, 2005; Wo‐ kusch, 2005). Die Interkomprehensionsdidaktik zielt entweder auf die parallele Auseinandersetzung mit zwei oder mehreren Sprachen einer Sprachenfamilie (germanische, romanische, slawische Sprachen usw.), wobei systematisch die Ähnlichkeiten für den Aufbau vor allem rezeptiver Kompetenzen genutzt werden, oder auf das Lernen einer Zielsprache unter starkem Rückgriff auf erst-, zweit- oder fremdsprachliches Wissen in einer oder mehreren anderen (nah)verwandten Sprache(n). Interkomprehension kann zum einen als eine Kommunikationsform und zum anderen als ein Verfahren zur Förderung des Sprachen- und Sprachenlernwachstums betrachtet werden (vgl. auch Doyé, 2010; Meißner, 2007). Das interkulturelle Lernen ist ein pluraler Ansatz für sich, ist aber auch in allen anderen Ansätzen enthalten 2 . Die Erforschung und Förderung von lebensweltlicher und schulischer Mehr‐ sprachigkeit bringen seit Jahrzehnten bedeutende Entwicklungen hervor. Für romanische Sprachen hat die Interkomprehensionsdidaktik im deutschspra‐ chigen Raum u. a. in schulischen Kontexten beispielsweise vielversprechende Ergebnisse geliefert (z. B. Bär, 2009; Mordellet-Roggenbuck, 2011). Darüber hinaus liegen mittlerweile Vorschläge für und Erfahrungen mit einer Vernet‐ zung der zumeist ersten Fremdsprache Englisch mit romanischen Sprachen (vgl. 8 Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura <?page no="9"?> z. B. Leitzke-Ungerer et al., 2012) sowie mit Russisch und vorhandenen nicht-sla‐ wischen Sprachkenntnissen (Mehlhorn, 2014) vor. Eine Ausweitung sprachen‐ übergreifender Projekte und Untersuchungen, auch für ‚kleinere‘ Sprachen wie beispielsweise Schwedisch (vgl. z. B. Kordt, 2015), ist im Sinne einer Mehr‐ sprachigkeitsförderung wünschenswert und entspricht einer internationalen Vergleichsstudie zufolge ebenfalls SchülerInnenwünschen (vgl. Schröder-Sura et al., 2009, S. 10). Auch im Bereich der fokussierten Kompetenzen ist in der Mehrsprachigkeitsdidaktik eine Erweiterung erkennbar, in diesem Fall insbe‐ sondere auf die produktive Ebene. Beispiele sind unter anderem mehrsprachige Kommunikation (z. B. in Foren und Chats: Prokopowicz, 2017) und Sprachmitt‐ lung, die sich zum Teil mit einer Annäherung lebensweltlicher und schulischer Mehrsprachigkeit verknüpfen lassen (vgl. hierzu für Sprachmittlung zwischen Türkisch und Spanisch z. B. Reimann & Siems, 2015; Fernández Ammann et al., 2015). Im Bereich lebensweltlicher Mehrsprachigkeit lassen sich insbesondere Untersuchungen und Maßnahmen ansiedeln, die dem Ansatz des Eveil aux langues bzw. awakening to languages folgen: Discovering at school the diversity of languages and cultures, listening to dozens of languages, including some of the languages spoken by classmates, marvelling at the way those languages are written, comparing them and understanding how they work, taking an interest in those who speak them … (Candelier et al., 2004, S. 209; unsere Hervorhebungen) Auch hier existieren darüber hinaus Projekte, die das Erstellen eigener Produk‐ tionen durch SchülerInnen in einer internationalen und -kulturellen Perspektive in den Blick nehmen, wie beispielsweise das KOINOS-Projekt (siehe unten). Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind in ihrer thematischen Ausrichtung bewusst weit gestreut, um einen Einblick in die Vielfalt der Ansätze und Entwicklungen, die in der Mehrsprachigkeitsdidaktik mittlerweile entstanden sind, zu ermöglichen. Sie reichen von Modellen und Forschungsergebnissen im Bereich der LehrerInnenausbildung (Barbara Hinger, Eva Maria Hirzinger-Un‐ terrainer & Katrin Schmiderer, Benjamin Fliri, Sílvia Melo-Pfeifer) und Projekten in verschiedenen schulischen Kontexten (Grundschule, Sekundarbereich) bis hin zu Überlegungen zu sprachenübergreifendem Lernen und zum sprachsen‐ siblen Fachunterricht (Michel Candelier) sowie zu sprachenübergreifenden Übungs- und Aufgabenformaten (Christiane Neveling). Auch unterschiedliche Zielsprachen und Sprachfamilien sind vertreten wie Russisch (Ursula Behr) sowie germanische (Birgit Kordt) und romanische Sprachen (Christian Helm‐ chen, Sílvia Melo-Pfeifer, Tanja Prokopowicz). 9 Vorwort <?page no="10"?> Gerade weil die einzelnen Beiträge in ihren Ausrichtungen sehr unterschied‐ lich sind, ist das Ziel einer solchen Bündelung verschiedener pluraler Ansätze und Zielsprachen in einem Band, einen Austausch und eine Kooperation von Didaktiken (Deutsch-, Englisch-, Französisch-, Russisch-, Spanischdidaktik, Sachfachdidaktiken …) auf Schul- und Universitätsebene in den Bereichen Forschung, Unterricht, Lehrmaterialentwicklung und LehrerInnenaus- und -fortbildung anzuregen, um einer „Zersplitterung der mehrsprachigkeitsdidak‐ tischen Bemühungen“ (Candelier, 2018, S. 342) entgegenzuwirken. Zu den einzelnen Beiträgen: Im Rahmen von Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt in der Primarstufe stellt Christian Helmchen das so genannte KOINOS-Projekt vor, das in Kooperation zwischen Universitäten und Schulen in Deutschland, Portugal und Spanien entstanden ist. Es wurden Konzepte zur Förderung von interkulturellen Kompetenzen und Multiliteralität von SchülerInnen entwickelt. Das Projekt lädt zur aktiven Teilhabe vieler sozialer AkteurInnen ein. Für die Sekundarstufe wirft Tanja Prokopowicz die Frage auf: „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ Der Beitrag widmet sich einer Unterrichtsreihe aus dem Französischunterricht, die auf eine Förde‐ rung von individueller Mehrsprachigkeit und Sprachlernkompetenz abzielt. Ursula Behr geht mit Bezugnahme auf Russischunterricht in der Jahrgangs‐ stufe 8 auf das vergleichsweise weniger bearbeitete Thema der Leistungsein‐ schätzung beim sprachenübergreifenden Lernen ein und gibt Anregungen für die Konstruktion und Bewertung von Aufgaben, die sprachenübergreifende Kompetenzen erfordern. Die Ausführungen werden ergänzt um Informationen über die Erprobung, die Einschätzung der Anforderungen in den Aufgaben durch die Russischlernenden und die Beurteilung der Praktikabilität des Bewer‐ tungsansatzes durch die Russischlehrkräfte. Der thematische Teil zu Mehrsprachigkeitsdidaktik in der LehrerInnenbil‐ dung beginnt mit einem Beitrag von Sílvia Melo-Pfeifer, die eine explorative Studie an der Universität Hamburg präsentiert. Es wird den Forschungsfragen nachgegangen, inwiefern die strukturierte Integration von pluralen Ansätzen im Rahmen von Erstausbildungsprogrammen den Abbau einer monolingualen Denkweise von künftigen FremdsprachenlehrerInnen unterstützt, wie diese die unterschiedlichen pluralen Ansätze und deren pädagogische und didaktischen Vorteile betrachten und welche Irritationen und Dilemmas plurale Ansätze am Anfang des Professionalisierungsprozesses auslösen. Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer und Barbara Hinger geben em‐ pirische Einblicke in subjektive Sichtweisen von Studierenden des so genannten 10 Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura <?page no="11"?> ‚Innsbrucker Modells der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) zu mehrsprachigkeits- und teambezogenen Aspekten zu Beginn ihrer fremdsprachendidaktischen Aus‐ bildung. Ebenfalls im österreichischen Kontext angesiedelt ist der Beitrag von Benjamin Fliri, der der Frage nachgeht, wie die Wirksamkeit und die Bedeutung der Mehrsprachigkeitsdidaktik aus studentischer Perspektive in der Initialausbil‐ dung wahrgenommen werden und welche Rückschlüsse sich hieraus für eine mehrsprachigkeitsorientierte LehrerInnenausbildung ziehen lassen. Der Band schließt mit drei Beiträgen zu konzeptionellen Überlegungen zu mehrsprachigkeitsförderndem Lernen. Birgit Kordt widmet sich in ihrem Beitrag der Frage der Eignung des EuroComGerm-Konzepts für das sprachen‐ übergreifende Lernen in der Schule. Die Besonderheiten dieses Konzepts werden anhand dreier Metaphern dargelegt. Anschließend werden anhand verschie‐ dener Beispiele Überlegungen zur Konzeption EuroComGerm-basierter Sprach‐ lernangebote in der Schule angestellt. Christiane Neveling arbeitet heraus, nach welchen Kriterien Aktivitäten zum sprachenübergreifenden Lernen ana‐ lysiert bzw. konzipiert werden können, damit sie den Desiderata der mehrspra‐ chigkeitsdidaktischen Forschung im Rahmen der Unterrichtsprinzipien des neo-kommunikativen Ansatzes entsprechen. Für eine Systematisierung werden vier Leitlinien genutzt: kognitive Prozesse bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten, Ziele der Übungen und Aufgaben, Gütekriterien bzw. Konstrukti‐ onsprinzipien von Übungen und Aufgaben sowie methodische Formate. Über‐ legungen zur Erweiterung des Referenzrahmens für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts stellt Michel Candelier an. Die dargelegten Überlegungen verstehen sich sowohl als Vorarbeit für eine solche Ergänzung des REPA als auch als Hinweise auf den Nutzen von pluralen Ansätzen in diesem Bereich. 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Vers un Cadre Européen Commun de référence pour l’enseignement et apprentissage des langues vivantes : études préparatoires. Version révisée et enrichie d’un avant-propos et d’une bibliographie complémentaire. Strasbourg: Conseil de l’Europe. Doyé, Peter (2010). Interkomprehensives Lernen als Weg zur Selbstständigkeit. In Peter Doyé & Franz-Joseph Meißner (Hrsg.). Lernerautonomie durch Interkomprehen‐ sion/ Promoting Learner Autonomy Through Intercomprehension/ L’autonomisation de l’apprenant par l’intercompréhension (S. 128-145). Tübingen: Narr. Europarat (Hrsg.) (2001). Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt. Europarat (Hrsg.) (2020). Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Klett. Fernández Ammann, Eva Maria; Kropp, Amina & Müller-Lancé, Johannes (2015). Her‐ kunftsbedingte Mehrsprachigkeit im Unterricht der romanischen Sprachen. Berlin: Frank & Timme. Hallet, Wolfgang (2015). Mehrsprachiges Lernen im Fremdsprachenunterricht: Ebenen und Arten des sprachenvernetzenden Lernens. In Sabine Hoffmann & Antje Stork (Hrsg.). Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik. Festschrift für Frank G. Königs zum 60. Geburtstag (S. 33-44). Tübingen: Narr. Kordt, Birgit (2015). Die Affordanzwahrnehmung von SchülerInnen bei der schulischen Umsetzung des EuroComGerm-Konzepts - Einblicke in eine explorativ-interpretative Studie. In Elisabeth Allgäuer-Hackl; Kristin Brogan; Ute Henning; Britta Hufeisen & Joachim Schlabach (Hrsg.). MehrSprachen? - PlurCur! Berichte aus Forschung und Praxis zu Gesamtsprachencurricula (S. 85-106). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. 12 Steffi Morkötter, Katja Schmidt & Anna Schröder-Sura <?page no="13"?> Leitzke-Ungerer, Eva; Blell, Gabriele & Vences, Ursula (Hrsg.) (2012). English-Español: Vernetzung im kompetenzorientierten Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem-Verlag. Mehlhorn, Grit (2014). Interkomprehension im schulischen Russischunterricht? Ein Experiment mit sächsischen Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 8. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 19/ 1, 148-168. Meißner, Franz-Joseph (2005). Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited: über Interkompre‐ hensionsunterricht zum Gesamtsprachencurriculum. Fremdsprachen Lehren und Lernen 34, 125-145. Meißner, Franz-Joseph (2007). Grundlagen der Mehrsprachigkeitsdidaktik. In Erika Werlen & Ralf Weskamp (Hrsg.). Kommunikative Kompetenz und Mehrsprachig‐ keit. Diskussionsgrundlagen und unterrichtspraktische Aspekte (S. 81-101). Baltmanns‐ weiler: Schneider-Verlag Hohengehren. Mertens, Jürgen (2018). Begegnung mit Sprachen / Eveil aux langues. In Sílvia Melo- Pfeifer & Daniel Reimann (Hrsg.). Plurale Ansätze im Fremdsprachenunterricht in Deutschland. State of the Art, Implementierung des REPA und Perspektiven (S. 139-186). Tübingen: Narr. Mordellet-Roggenbuck, Isabelle (2011). Herausforderung Mehrsprachigkeit. Interkompre‐ hension und Lesekompetenz in den zwei romanischen Sprachen Französisch und Spa‐ nisch. Landau: VEP. Neuner, Gerhard (2005). Mehrsprachigkeitskonzept und Tertiärsprachendidaktik. In Britta Hufeisen & Gerhard Neuner (Hrsg.). Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiärspra‐ chenlernen - Deutsch nach Englisch (S. 13-34). Straßburg: Europarat. Prokopowicz, Tanja (2017). Mehrsprachige kommunikative Kompetenz durch Interkom‐ prehension. Eine explorative Fallstudie zu romanischer Mehrsprachigkeit aus der Sicht deutschsprachiger Studierender. Tübingen: Narr. Reimann, Daniel & Siems, Maren (2015). Herkunftssprachen im Spanischunterricht. Sprachmittlung Spanisch - Türkisch - Deutsch. Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch 51/ 15, 33-43. Schröder-Sura, Anna; Meißner, Franz-Joseph & Morkötter, Steffi (2009). Fünft- und Neuntklässler zum Französischunterricht in einer quantitativen Studie. französisch heute, 40/ 1, 8-15. Wokusch, Susanne (2005). Didactique intégrée : vers une définition. Babylonia 4/ 2005 Vers une didactique intégrée: concept et pratiques, 14-16. 13 Vorwort <?page no="15"?> Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt in der Primarstufe <?page no="17"?> Das KOINOS-Projekt. Zum praktischen Umgang mit sprachlicher und kultureller Diversität an Grundschulen in Europa Christian Helmchen Abstract Das Leben, Lernen und Arbeiten in einer sprachlich und kulturell vielfältigen Umgebung ist bereits jetzt Realität für eine Vielzahl von Menschen. Auch in Zukunft werden die Fähigkeiten, mit sprachlicher und kultureller Diversität umzugehen und Nutzen aus ihr zu ziehen, von stetig wachsender Bedeutung sein. Aus diesem Grund muss die Förderung multiliteraler Kompetenzen von SchülerInnen bereits in der Primarschulbildung ihren Platz finden. Das KOINOS-Projekt, das in Kooperation zwischen Universitäten und Schulen in Deutschland, Portugal und Spanien entstanden ist, hat didaktische Konzepte zur Förderung von Multiliteralität und interkulturellen Kompetenzen von SchülerInnen entwickelt, stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung und lädt zur aktiven Partizipation vieler sozialer AkteurInnen ein. In diesem Beitrag werden das Projekt sowie daraus hervorgegangene Materialien und deren praktische Umsetzungen exemplarisch vorgestellt. 1. Einleitung Sprache kommt in der post-industriellen Wissensgesellschaft (vgl. bspw. Bell, 1976) ein herausragender Stellenwert zu. Sie ist der Schlüssel zum Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen. Der Grad ihrer Beherrschung entscheidet in bedeutendem Maße über den Bildungserfolg eines Individuums und mithin über dessen ökonomisches Potential und sozialen Status. Sie befähigt in Schule, Ausbildung und Arbeitspraxis zum Zugang, zur Verarbeitung, zur Nutzung und Weitergabe komplexer Informationen; der angemessene Umgang mit ihren ver‐ schiedenen Registern erlaubt situationsgerechtes Handeln in unterschiedlichen sozialen Kontexten. <?page no="18"?> Die Bedeutung, die der Grad der Sprachbeherrschung für den Kompetenzer‐ werb in allen Schulfächern hat, zeigt sich in den Ergebnissen der PISA-Studien sehr deutlich. In ihrer Analyse konstatiert Gogolin, „dass das Verfügen über ‚Sprache‘ eine notwendige Grundlage dafür ist, Kompetenz in der Sache zu erlangen“ und dass „den sprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler […] eine überaus bedeutende, die Schule insgesamt durchdringende und Fä‐ chergrenzen kreuzende Rolle“ (Gogolin, 2006, S. 37) zukommt. Dies zeige sich schon allein daran, dass für den Begriff der Grundbildung, der in der deutschen Fassung der PISA-Tests verwandt wurde, im Englischen die Bezeichnungen Mathematical bzw. Scientific Literacy gewählt wurden. Es könne deshalb kaum verwundern, so Gogolin, dass sich geringe Lesekompetenzen negativ auf die Leistungsfähigkeit in anderen Wissensdomänen auswirken (vgl. ebd.). Gogolin bezieht sich hier auf (Lese-)Kompetenzen in der deutschen Sprache. Im Hinblick auf eine in hohem Maße globalisierte Welt, deren Verflechtungen stetig weitreichender und zugleich enger werden, in der der Umgang mit sprachlicher Vielfalt zum alltäglichen Normalfall geworden ist, muss diese Ana‐ lyse erweitert werden. Schon heute ist eine monolinguale Literalität in vielen Bereichen des Lebens nicht mehr ausreichend. Kompetenzen in verschiedenen Sprachen erleichtern unter Umständen nicht nur das Verständnis einer schlecht übersetzten Bedienungsanleitung für ein Elektrogerät oder eines Tutorials auf einer Website. Sie sind häufig notwendig für den Zugang zu Wissen aus anderen Sprachregionen, beispielsweise in der schulischen und universitären Ausbildung, bei der Verwendung von Informationstechnologie, bei der Arbeit im Ausland oder in einem Hotel, im Umgang mit ArbeitskollegInnen oder Mit‐ bürgerInnen mit einem anderen sprachlichen Hintergrund. Zudem beschränkt sich Literalität heute nicht mehr auf die Rezeption mündlicher oder schriftlicher Texte. Die Formen der Informationsverbreitung haben sich gewandelt und sind vielfältiger geworden, ein Umstand, der zugleich wachsende Kompetenzen und Flexibilität von RezipientInnen und Handelnden fordert; eine Entwicklung, die sich zweifelsohne fortsetzen und Menschen vor immer neue Herausforderungen stellen wird. Klar ist, multilinguale und multimodale Literalität sind schon jetzt für viele keine Option mehr, sie sind Notwendigkeit und es ist Bildungsauftrag der Schule, SchülerInnen auf die vor ihnen liegenden Herausforderungen in diesem Bereich vorzubereiten. Tatsächlich ist eine Vielzahl der SchülerInnen bereits von zuhause aus mehr‐ sprachig; z. B. hatten in Hamburg im Schuljahr 2018 / 2019 ca. 50 % der Schü‐ lerInnen einen Migrationshintergrund (vgl. Schuljahresstatistik, 2018), bundes‐ weit sind es ca. 33 % (vgl. Statistisches Bundesamt, 2018). Diese SchülerInnen sind in der Regel mehrsprachig und verfügen so bereits über ein erhebliches 18 Christian Helmchen <?page no="19"?> 1 KOINOS wurde unter der Projektnummer 2015-1ES01-KA203-016127 vom Erasmus+Programm gefördert und durch das Institut Municipal d’Educació de Barce‐ lona unter der Führung von Marleny Colmenares koordiniert. Vier Universitäten waren an der Entwicklung der Materialen, Aufgaben und didaktischen Grundlagen beteiligt: Universidade de Aveiro (Portugal), Universität Hamburg (Deutschland), Universitat de Barcelona (Spanien) und Universitat Autònoma de Barcelona (Spanien). sprachliches und kulturelles Kapital. Trotz der im wissenschaftlichen Diskurs seit langer Zeit geforderten Berücksichtigung und Förderung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen bei SchülerInnen mit Migrationshintergrund zeigt sich in der Praxis nach wie vor eine weitgehende Ignoranz, teilweise sogar eine negative bzw. defizitorientierte Sichtweise in Bezug auf herkunftsbedingte Mehrsprachigkeit (vgl. bspw. Hu, 2003; Roche, 2013). Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass LehrerInnen häufig nicht wissen, wie die im Klassenzimmer vorhandenen (Herkunfts-)Sprachen sinnstiftend in den Unterricht einbezogen werden können (vgl. Heyer & Schädlich, 2014). Es überrascht deshalb nicht, dass die das ERASMUS+ Projekt KOINOS - Europäisches Portfolio plurilingualer literaler Praxis begleitende Forschung zeigt, dass viele der am Projekt teilneh‐ menden lebensweltlich mehrsprachigen SchülerInnen bislang keinen Raum für ihre Herkunftssprachen in der Schule sehen und in sprachlicher Hinsicht eine klare Trennung zwischen intra- und extraschulischer Umgebung vornehmen. So beschreiben die SchülerInnen zwar, wie sie Deutsch bzw. institutionell erworbene Sprachen in der Schule nutzen, der Gebrauch der Herkunftssprachen bleibt jedoch dem häuslichen Umfeld oder Besuchen im Herkunftsland vorbe‐ halten. Diese von den SchülerInnen wahrgenommene Trennung zwischen den sprachlichen Repertoires (sozial / lokal bzw. Familie, Freunde, Schule) zeigt sich in einer klaren visuellen Unterteilung ihrer sprachlichen Umgebungen. So schaffen die Kinder in den visuellen Narrativen durch von ihnen gezeichnete Linien voneinander getrennte Räume, denen jeweils deutlich nur eine Sprache zugeordnet wird. Überlappungen, zur Abbildung mehrsprachiger Räume, zeigen sich hingegen nicht (vgl. Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018, S. 10f., Abb. 1). Das KOINOS-Projekt, 1 das zwischen 2015 und 2017 entwickelt und durch‐ geführt wurde, leistet einen Beitrag zum praktischen Einbezug von Mehr‐ sprachigkeit und kultureller Vielfalt in den Schulalltag. Mit dem Wunsch, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander zu leisten, wurde der Name KOINOS gewählt, der übersetzt „im Dienst der Gemeinschaft“ bedeutet. Das Projekt entstand als Kooperation zwischen Grundschulen und Universitäten in Deutschland (Hamburg), Portugal (Aveiro) und Spanien (Barcelona) und hat sich unter anderem die Förderung mehrsprachiger, multimodaler Literalität unter allen SchülerInnen zur Aufgabe gemacht. Die im Rahmen des Projektes von 19 Das KOINOS-Projekt <?page no="20"?> WissenschaftlerInnen und LehrerInnen gemeinsam entwickelten, erprobten und überarbeiteten Materialen sowie alle Ergebnisse des Projekts, Dokumenta‐ tionen, Erfahrungsberichte und Unterrichtsvorschläge können unter www.plu rilingual.eu in verschiedenen Sprachen eingesehen werden. Dieser Artikel soll einen Einblick in das KOINOS-Projekt gewähren und anhand eines Beispiels die Förderung von Multiliteralität unter Einbezug der sprachlichen und kulturellen Diversität der Schülerschaft im Projekt exem‐ plarisch veranschaulichen. Zu diesem Zweck wird zunächst der Begriff der Literalität um die Multiliteralität definitorisch erweitert. Nach einer kurzen Beschreibung des Projekts folgt die Vorstellung der lokalen und digitalen ‚Fliegenden Teppiche‘, einem im KOINOS-Projekt entstandenen und erprobten Instrument zur Förderung von Multiliteralität, bevor über Potenziale und Per‐ spektiven, aber auch über Grenzen und Herausforderungen gesprochen wird. Abbildung 1: Visual Narratives von zwei SchülerInnen, entstanden im KOINOS-Projekt 2. Von der Literalität zur Multiliteralität und deren Bedeutung für den Unterricht Wie bereits in der Einleitung angedeutet, ist ein Wandel des Literalitätsbegriffs zu konstatieren (vgl. auch Chik, 2014). Diese Entwicklung und ihr immer noch mangelnder Widerhall in der schulischen Praxis war Motivation für die Entstehung von KOINOS. Während beispielsweise Cuq (2003) Literalität als die Lese- und Schreibkompetenzen von Individuen in einer bestimmten Sprachgemeinschaft definiert, präsentieren Kalantzis und Cope (2008) eine erheblich offenere Begriffsdeutung und bezeichnen Literalität als die Fähigkeit, sich mit einem unbekannten Text auseinanderzusetzen, nach Hinweisen auf dessen Bedeutung zu suchen, ohne ein Gefühl der Distanz oder Exklusion 20 Christian Helmchen <?page no="21"?> zu empfinden. Literalität bedeute ferner, die Funktionsweise eines Textes zu verstehen sowie dessen Kontext und Zweck zu erfassen. Schließlich sei es die Fähigkeit, in unbekannten Kontexten aktiv kommunizieren zu können und aus Erfolgen und Fehlern in der Kommunikation zu lernen. Was hier bereits in der höheren Abstraktheit anklingt, wird schließlich durch den Terminus Multiliteralität begrifflich und konzeptuell an die Realität lokaler und globaler Entwicklungen hin zu vielfältigen und dynamischen Sprachmilieus mit einer großen Fülle medialer Darbringungsformen in allen Bereichen des Lebens - beruflich, sozial und privat - angepasst (vgl. Cope & Kalantzis, 2009; Kalantzis & Cope, 2008; Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018 für eine Zusammenfassung). Diese Entwicklung darf allerdings nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs definitorische Berücksichtigung erfahren, sie muss in der schulischen Ausbil‐ dung von Menschen auch ihren praktischen Niederschlag finden. In einer solchen Multiliteralitätspädagogik wird Wissen nicht länger als transferier- und reproduzierbares Produkt, sondern als Prozess sozialer Ko-Konstruktion wahrgenommen (vgl. Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018). Sie unterliegt zudem der Annahme, dass sich Literalität nicht ausschließlich im Rahmen schulischer Ak‐ tivitäten und einem Bildungsplan folgend entwickelt, sondern in gleichem Maße von sozialen und kulturellen Faktoren beeinflusst wird (vgl. Chik, 2014). Zudem setzt sie „eine gewisse Relativierung von ‚Sprache‘ und geschriebenem Text als Informationselement und zu vermittelndes Objekt“ (Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018, S. 3) voraus, um dem hybriden und transsemiotischen Charakter kommu‐ nikativer Prozesse sowie der kollektiven Konstruktion von Sinn Rechnung zu tragen. Multiliteralitätspädagogische Konzeptionen, wie sie beispielsweise in den Pluralen Ansätzen zu Sprachen und Kulturen (Candelier et al., 2012; vgl. auch Melo-Pfeifer & Reimann, 2018), dem Translanguaging (Nutzung semioti‐ scher Repertoires, García & Wei, 2014) oder der Visual Literacy (das visuelle Element in Texten, Chik, 2014) zu finden sind, unterstützen LehrerInnen dabei, SchülerInnen auf die Herausforderungen einer Welt mit hohen Anforderungen an Literalität vorzubereiten. Sie erlauben es zugleich, alle im Klassenzimmer vorhandenen sprachlichen und kulturellen Ressourcen produktiv zu nutzen und eine größere Anzahl von Lernenden in den Lernprozess einzubeziehen sowie ihnen Anerkennung und Wertschätzung zu vermitteln. Der Einbezug sprachlicher und kultureller Vielfalt muss sich allerdings durch das gesamte Curriculum fortschreiben und darf nicht auf einzelne, sprachliche Fächer - wie es bisher zumeist aufgrund von scheinbar besonderer Eignung der Fall ist - limitiert bleiben. Die Vermittlung von Anerkennung und Wert‐ schätzung ist für SchülerInnen und deren Eltern nur dann wirklich glaubhaft und kann nur dann nachhaltig positive Wirkung entfalten - und zwar sowohl 21 Das KOINOS-Projekt <?page no="22"?> I II III auf schulischer als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene -, wenn sie nicht zum gelegentlichen Anstrich des Unterrichts mit vermeintlicher kultureller Exotik verkommt oder, wie Melo-Pfeifer und Helmchen bemerken, auf „das typische ‚Wie sagt man das in deiner Sprache‘? “ (2018, S. 4) reduziert bleibt. Ziel muss es deshalb sein, Multiliteralität systematisch und interdisziplinär in den Schulcurricula zu verankern und im Unterricht zu fördern. 3. Das KOINOS-Projekt Der Fokus von KOINOS liegt auf der Förderung und Ausbildung von Literalität unter der Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Klas‐ senzimmer und darüber hinaus. Neben mehrsprachigen Kompetenzen steht so die Stärkung des Bewusstseins für sprachliche und kulturelle Vielfalt in der unmittelbaren schulischen Umgebung der LehrerInnen und SchülerInnen sowie auf europäischer Ebene im Zentrum des Projekts (vgl. auch Helmchen & Melo-Pfeifer, 2018; Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018). Auf diese Weise tritt KOINOS unter dem Leitbild von Lehren und Lernen als sozialem Prozess für gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Ziel ist es zudem nicht ausschließlich, Materialien und Unterrichtsvorschläge für Lehrende zu entwickeln, die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen sich zudem in der universitären Ausbildung von LehrerInnen widerspiegeln, um den immer noch weitreichend vorherrschenden „monolingualen Habitus“ (Gogolin, 1994) des Schulsystems aufzubrechen. Es muss auch Aufgabe der Universitäten sein, zukünftigen LehrerInnen das Bewusstsein und das Rüstzeug für den Umgang mit einer mehrsprachigen und kulturell vielfältigen Schülerschaft mit auf den Weg zu geben. Das Projekt, für das gezielt Schulen mit einer sprachlich und kulturell vielfältigen Schülerschaft ausgesucht wurden, gliedert sich in die vier folgenden Bereiche: Bewusstmachung. SchülerInnen und LehrerInnen befassen sich mit der ei‐ genen und der sie umgebenden Mehrsprachigkeit bzw. kulturellen Vielfalt; Multimodalität. Materialen und Aufgaben in verschiedenen Formaten bereiten SchülerInnen auf die Anforderungen der Informationsgesellschaft vor; Einbindung der Eltern. Die teilnehmenden Schulen binden Eltern aktiv in den Unterricht und den Schulalltag ein, um das Zusammengehörigkeits‐ gefühl zu fördern sowie die Nachhaltigkeit der Projektmaßnahmen zu gewährleisten; 22 Christian Helmchen <?page no="23"?> IV Internationale Kooperation. Ziel des Projektes war es nicht nur, Schüle‐ rInnen für sprachliche und kulturelle Vielfalt in ihrem Klassenzimmer bzw. ihrer Schule zu sensibilisieren, sondern ein Bewusstsein für dieses Thema mit europäischer Dimension zu schaffen. 4. (E-)fliegende Teppiche. Ein praktischer Ansatz zur Förderung von Multiliteracy Beispielhaft für das KOINOS-Projekt und seinen Anspruch, Multiliteralität zu fördern sowie der sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Klassenzimmer und darüber hinaus Anerkennung und Wertschätzung entgegenzubringen, sind die ‚Fliegenden Teppiche‘. Es existieren zwei Formen dieser ‚Fliegenden Teppiche‘, die gemeinsam von den SchülerInnen erstellt werden: eine lokale, physische Form und eine länderübergreifende, digitale Form. Sie bilden die Basis von KOINOS und dienen der Sammlung und Rezeption von Dokumenten, die die sprachliche und kulturelle Vielfalt der SchülerInnen repräsentieren und für alle erfahrbar machen. KOINOS legt dabei keine bestimmten Themen fest. Die In‐ halte der ‚Fliegenden Teppiche‘ können von den Schulen und Lehrkräften unter Berücksichtigung des Curriculums oder anderer Besonderheiten, Bedürfnisse und Anforderungen ausgewählt werden. Gemäß der für das KOINOS-Projekt grundlegenden Auffassung vom Lernen (und Lesen) als interaktionistischen und soziokulturellen Prozess (vgl. bspw. Cassany, 2009; Cummins, 1996; Zavala, 2008), in dem Wissen gemeinsam, mehrsprachig und interkulturell konstruiert wird, ermöglichen, fördern und fordern die ‚Fliegenden Teppiche‘ den Austausch zwischen den LeserInnen und machen sie zugleich zu AutorInnen eines gemeinschaftlich entstehenden Projekts. Auf diese Weise unterstützen sie die Arbeit der Lehrkräfte bei der Entwicklung und Förderung von Lesegewohnheiten, fördern das Interesse an der Verwendung von Materialien in verschiedenen Formaten, animieren zu gemeinsamen Lernprozessen, regen Verbindungen zwischen der inner- und der außerschulischen Welt an, stärken das soziale Miteinander und ermuntern - nicht nur die SchülerInnen - zu Offenheit für kulturelle und sprachliche Vielfalt (vgl. Vallejo Rubinstein & Noguerol Rodrigo, 2018). Beim lokalen ‚Fliegenden Teppich‘ handelt sich um einen Koffer, der mit verschiedenen Materialien gefüllt ist und eine detaillierte Anleitung für die Durchführung der damit verbundenen Aktivitäten enthält. Darüber hinaus befindet sich im Koffer ein Notizbuch, in dem die Familien Dinge festhalten können, die sie mit den anderen teilen möchten. Zusätzlich zu den Materia‐ lien, die von den Lehrkräften bereitgestellt werden, werden SchülerInnen und 23 Das KOINOS-Projekt <?page no="24"?> deren Eltern eingeladen, Beiträge in verschiedener Form (digital, audio, analog etc.) aus ihren Herkunftskulturen und -sprachen einzubringen; dies können zum Beispiel Bücher, Comics, Ton- und Videoaufnahmen, Links zu Websites, Zeichnungen, Fotos oder Gegenstände sein, sowohl in der Landessprache als auch in einer Herkunftssprache. Nach einem Workshop (Leitfaden s. Anhang), in dem über die Nutzung aufgeklärt wird, wandert der ‚Fliegende Teppich‘ von Kind zu Kind. Familien werden gebeten, sich einen ruhigen Moment zu nehmen, das Material zu lesen und sich darüber auszutauschen. Darüber hinaus werden die Familien gebeten aufzuschreiben, was während der Lektüre vor sich gegangen ist, welche Gedanken sie sich zu den Materialien gemacht haben und was ihnen am besten gefallen hat. Vorbereitete Fragen und Kommentare helfen den Kindern dabei, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Durch das gemeinsame Rezipieren der gesammelten Materialien können SchülerInnen in Begleitung ihrer Eltern Erfahrungen mit Multiliteralität (multimodal, mehr‐ sprachig, interkulturell) machen und sich der sprachlichen und kulturellen Lebenswirklichkeiten ihres Umfelds bewusst werden. Durch die Einbindung der Eltern in den Entstehungs- und Verwendungsprozess der Materialien wird zudem eine Verbindung zwischen Schule und Elternhaus geschaffen, die den von KOINOS explizit gewünschten Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander leistet. Die ‚E-fliegenden Teppiche‘ (vgl. exemplarisch Abbildung 2 & 3, http: / / pluri lingual.eu/ de/ e-portfolio/ fliegende-teppiche) dienen dem Austausch zwischen Schulen der verschiedenen Partnerländer. Auch hier soll die Förderung von Multiliteralität und der Kontakt mit sprachlicher und kultureller Vielfalt im Fokus stehen. Durch die Kommunikation und Kollaboration über Grenzen hinweg entsteht hier die Notwendigkeit für LehrerInnen und SchülerInnen, sich mit digitalen Medien auseinanderzusetzen und diese zu verwenden sowie Stra‐ tegien zu entwickeln, sprachliche Barrieren zu überwinden. Das KOINOS-Portal dient dabei neben klassischen Emails als Plattform für die Kommunikation zwischen Lehrenden zur Planung, Durchführung und Reflexion der gemeinsam entwickelten Unterrichtsprojekte sowie zum Austausch für die SchülerInnen. Für diese ‚E-fliegenden Teppiche‘ können SchülerInnen beispielsweise Audio- und Videoaufnahmen oder Zeichnungen (visuelle Narrative, vgl. Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018) herstellen, in denen die SchülerInnen sich und ihre Sprachen vorstellen, ihren AustauschpartnerInnen Lektürevorschläge unterbreiten, ihnen Tonaufnahmen ihrer Lieblingslieder bzw. Links dazu schicken oder die Durch‐ führung bestimmter Aktivitäten empfehlen. 24 Christian Helmchen <?page no="25"?> Abbildung 2: ‚E-fliegender Teppich‘ der Rudolf-Roß-Grundschule (Hamburg) Durch den Austausch über diese Aktivitäten, Rückfragen und Bemerkungen entfaltet KOINOS sein interaktionales Potential. Eine solche Aktivität ist bei‐ spielsweise das Projekt ‚Alba‘, in dem ein Mädchen aus dem Jahr 3025 die SchülerInnen per Videobotschaft bittet, die Sprache zu retten, die in der Zukunft nur sehr reichen Menschen vorbehalten ist. Sie fordert die SchülerInnen deshalb auf, ihre Lieblingsworte zu sammeln, die um ein bestimmtes Thema kreisen, in diesem Fall das Thema ‚Mut‘. Im Anschluss wird das Ergebnis mit den SchülerInnen der anderen Schulen geteilt. Die Form der Präsentation wird den TeilnehmerInnen überlassen. In einem anderen Projekt, El còmic arreu del món (Das Comic rund um die Welt), erstellen SchülerInnen der verschiedenen teilnehmenden Schulen gemeinsam ein Comic in verschiedenen Sprachen. Beide Unterrichtsprojekte fördern die rezeptive und produktive Auseinandersetzung mit der bzw. den eigenen Sprache(n) und bieten zugleich die Erfahrung, dies auch mit unbekannten Sprachen zu tun. So wird die Neugier auf und das Bewusstsein für sprachliche (Bedeutungs-)Vielfalt angeregt und die Motivation für den Erwerb fremder Sprachen gesteigert. 25 Das KOINOS-Projekt <?page no="26"?> Abbildung 3: ‚E-fliegender Teppich‘ der Grundschule Baró de Viver (Barcelona) Gemäß der Zielsetzungen von KOINOS erfüllen diese Projekte die von Kalantzis und Cope (2008; sowie Cope & Kalantzis, 2009) definierten Anforderungen an eine zeitgemäße Form der (Multi-)Literalität und unterstützen SchülerInnen dabei, Kompetenzen zu entwickeln, die sie dazu befähigen, sich in vielfältigen und dynamischen sprachlichen Milieus mit unbekanntem Text auseinanderzusetzen, nach Hinweisen auf Bedeutung zu suchen, ohne dabei ein Gefühl der Distanz oder Exklusion zu empfinden. In einer weiteren Aktivität stellten SchülerInnen Weihnachtspostkarten für die SchülerInnen einer portugiesischen Partnerschule her und drehten einen Videoclip über das Making-of, den sie den anderen online zur Verfügung stellten. Die affektive Komponente, die dem Austausch 26 Christian Helmchen <?page no="27"?> persönlicher Nachrichten unter den SchülerInnen innewohnt, dient dabei einem der primären Projektziele, der Stärkung sozialer Kohäsion, in diesem Fall über die Grenzen der unmittelbaren Umgebung der SchülerInnen hinaus. Von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Durchführung der Projekte ist die Integration der von den Partnerklassen erstellten Materialen in den Unterricht. Dabei werden keine Sprachkenntnisse der LehrerInnen vorausgesetzt; sie sollen sich gemeinsam mit ihren SchülerInnen auf eine sprachliche und interkulturelle, kooperative Entdeckungsreise begeben. Zur Unterstützung der am Projekt beteiligten LehrerInnen finden sich auf dem KOINOS-Portal Hilfsmittel wie ein Aktivitätenraster, in dem Ziele, Themen, Materialien und Organisation gemeinsam festgelegt und festgehalten werden können. 5. Zusammenfassung und Fazit Literalität ist der Schlüssel zur Teilhabe an der Mediengesellschaft. Sie ist die Voraussetzung für autonomes und lebenslanges Lernen und befähigt Indi‐ viduen somit, sich stetig weiterzuentwickeln. Literalität beschränkt sich im 21. Jahrhundert aber nicht mehr auf die Rezeption mündlicher oder schriftlicher monolingualer Texte. Der kompetente Umgang mit einer großen Diversität medialer Darreichungsformen in verschiedenen Sprachen ist bereits jetzt von immenser Wichtigkeit für das Lehren und Lernen und wird mit voranschrei‐ tender Globalisierung und technologischem Fortschritt weiter an Bedeutung gewinnen. Die frühe Förderung von Multiliteralität muss deshalb Kernanliegen einer modernen Pädagogik sein. Wenngleich die Förderung von Literalität Hauptaufgabe der Schule ist, kann die Ausbildung von Lesekompetenz nicht allein darauf beschränkt bleiben (vgl. Ehmig & Reuter, 2011). Für eine wahrhaft wirksame Förderung müssen alle am Bildungsprozess von Menschen beteiligten sozialen AkteurInnen einbezogen werden. Dazu gehören neben professionellen Institutionen wie beispielsweise Bibliotheken und Jugendzentren auch die Familien - als der Ort, an dem die Lesesozialisation ihren Anfang nimmt. Hertel, Jude & Naumann (2010, S. 272) konstatieren dazu: Neben der Bereitstellung von Ressourcen und der aktiven Gestaltung der Lernumge‐ bungen im Elternhaus sind auch die Einstellungen und Überzeugungen der Eltern zum Lesen sowie ihre eigene Lesepraxis wichtige Faktoren der Lesesozialisation. Das Verhalten der Eltern wirkt sich nicht nur im Sinne einer Vorbildfunktion aus, vielmehr ist auch davon auszugehen, dass sich deren Einstellung zum Lesen wiederum auf die vorhandenen Ressourcen und die Leseförderung auswirken. 27 Das KOINOS-Projekt <?page no="28"?> KOINOS bezieht die verschiedenen AkteurInnen ein, um eine nachhaltige Förde‐ rung von Literalität zu ermöglichen. Zugleich erkennt KOINOS die kulturelle und sprachliche Diversität aller SchülerInnen an und nimmt sie explizit in den Lehr- und Lernprozess auf. Damit trägt das Projekt dazu bei, einen Grund‐ stein für Multiliteralität zu legen. Zweifelsohne ist die Voraussetzung einer nachhaltigen Entwicklung die fortwährende Förderung dieser Kompetenzen. Das KOINOS-Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Grundschulen; Melo-Pfeifer und Helmchen (2019) geben allerdings bereits einen Ausblick auf eine mögliche Fortführung der in den Grundschulen begonnenen Arbeit in der Sekundarstufe, in der eine dialogische Auseinandersetzung mit der eigenen Mehrsprachigkeit und der Mehrsprachigkeit der Anderen aufgegriffen wird, um Mehrsprachigkeit insgesamt zu würdigen und wertzuschätzen. Dabei wäre die Beibehaltung der dem Projekt zugrundliegenden didaktischen Prinzipien denkbar. In fortgeschrittenen Altersgruppen mit bereits weiter ausgebildeten technischen Fähigkeiten könnten SchülerInnen der Sekundarstufen I und II beispielsweise „[…] ‚multilingual di‐ gital narratives‘ erstellen und die Erzählung mit vielgestaltigen ästhetischen Elementen verknüpfen (z. B. Filmsequenzen)“ (ebd., 6). Darüber hinaus wäre es denkbar, die Kommunikation und Kollaboration zwischen den SchülerInnen der verschiedenen Länder zu synchronisieren, um eine simultane und interaktive Ko-konstruktion von Wissen zu ermöglichen. Dies würde auch den multilin‐ gualen Charakter des Projekts weiter dynamisieren. Die SchülerInnen hätten reale Sprechanlässe und Motivation, in verschiedenen Sprachen zu interagieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Ein höheres Maß an für den Fremd‐ sprachenunterricht immer wieder geforderter Authentizität bzw. authentischer Sprachverwendung ist anders kaum zu erreichen. Bislang wurden relativ einfache digitale Kommunikationswege verwandt (E-Mail, KOINOS-Plattform), da vor allem der Inhalt im Vordergrund stand. Viele Digital Natives wären allerdings zur Nutzung (teils deutlich) komplexerer Anwendungsprogramme fähig, die es in ein Folgeprojekt einzubinden gälte. Schließlich ist es Ziel des Projekts, Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien zu erweitern. Auf einer transdisziplinären Ebene der Kollaboration könnte der Blick auf einen Gegenstand aus der Perspektive verschiedener Sprachen und vor verschie‐ denen kulturellen Hintergründen die Ambiguitätstoleranz der SchülerInnen fördern und sie zu multiperspektivischem Denken anregen, ähnlich wie dies im bilingualen Unterricht geschieht. Zu bedenken wäre hierbei allerdings, dass SchülerInnen auf die Kommunikation mit SchülerInnen anderer Länder vorbereitet werden müssten. Insbesondere eine simultane Kommunikation würde eine bereits gut ausgebildete interkulturelle Sensibilität (savoir être / savoir comprendre, vgl. Byram, 1997) erforderlich machen, um Offenheit der 28 Christian Helmchen <?page no="29"?> SchülerInnen gegenüber anderen Perspektiven sowie die Relativierung eigener Standpunkte zu gewährleisten und so Missverständnissen etc. vorzubeugen und eine einvernehmliche Kollaboration zu ermöglichen. Dieser Aspekt wurde im KOINOS-Projekt bislang nicht berücksichtigt. Im Fokus stand zunächst vor allem der Kontakt mit sprachlicher und kultureller Vielfalt; eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema des Umgangs mit kultureller Fremdheit wäre eine wünschenswerte Erweiterung. Bibliographie Bell, Daniel (1976). The coming of the post-industrial society. The Educational Forum, 40(4), 574-579. Behörde für Schule und Berufsbildung (2018). Schuljahresstatistik. www.hamburg.de/ bs b/ schulstatistik-schulen-schuelerzahlen/ (04.06.2019). 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Im Beitrag wird eine Unterrichtsreihe aus dem Französischunterricht vorgestellt, die sowohl der Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit als auch der Sprachlernkom‐ petenz der SchülerInnen dient. 1. Ausgangslage Das Desiderat zur Förderung individueller Mehrsprachigkeit findet sich nicht nur im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR, Euro‐ parat, 2001), sondern auch in Referenzdokumenten jüngeren Datums, wie den bundesweit geltenden Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für die allgemeine Hochschulreife (KMK, 2012) oder den für den hessischen Schulkontext maßgeblichen Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe (HKM, 2016) wieder. Allerdings ist zu beobachten, dass die Unter‐ richtswirklichkeit den curricularen Vorgaben zu integrativem Sprachenlernen nur ansatzweise gerecht wird. Der Fremdsprachenunterricht ist in aller Regel eher einzelsprachlich ausgerichtet und Fremdsprachenlehrkräfte sehen sich in erster Linie als VertreterInnen ihres Sprachfaches. Sie spielen jedoch bei der Nutzung des mehrsprachigen Potentials und der Förderung der individuellen <?page no="36"?> 1 Es handelt sich um die Examensreihe im Rahmen des pädagogischen Vorbereitungs‐ dienstes, die 2015 an einem hessischen Gymnasium durchgeführt wurde. Mehrsprachigkeit ihrer SchülerInnen eine zentrale Rolle, insbesondere wenn es darum geht, sprachenübergreifendes Lernen zu initiieren. Der vorliegende Artikel beruht auf einer Unterrichtsreihe 1 im Französisch‐ unterricht, die sowohl die individuelle Mehrsprachigkeit als auch die Sprach‐ lernkompetenz der SchülerInnen fördern sollte. Die Reihe „Pourquoi apprendre le français − est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ zielte darauf ab, Bezüge zu vorgelernten Sprachen systematisch im Unterricht aufzugreifen und auch Vorverweise auf potentiell nachzulernende Sprachen zu integrieren (vgl. HKM, 2016, S. 10). Auf diese Weise wurde die Forderung nach integrativem Sprachen‐ lernen in der unterrichtlichen Praxis umgesetzt (vgl. Nieweler, 2017, S. 50). Darüber hinaus wurden den SchülerInnen Möglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernen eröffnet, um ihre Sprachlernkompetenz auszubauen. Der Artikel gibt einen Einblick in die Konzeption und Durchführung der Unterrichtsreihe. Folgende Fragestellungen stehen dabei im Zentrum: 1. Wie kann die Förderung individueller Mehrsprachigkeit im Rahmen eines kommunikativen und schü‐ lerorientierten Französischunterrichts umgesetzt werden? 2. Wie kann neben der individuellen Mehrsprachigkeit gleichzeitig die Förderung von Sprachlern‐ kompetenz erfolgen? 2. Theoretische Verortung Im Folgenden werden die sprachen- und bildungspolitischen Grundlagen skizziert, vor deren Hintergrund sich das Lehr- und Lernziel ‚individuelle Mehrsprachigkeit‘ etabliert hat. Daran anknüpfend werden Möglichkeiten zur Förderung sprachen‐ übergreifenden Lernens in der unterrichtlichen Praxis aufgezeigt. Kapitel 2.3 hebt auf Sprachlernkompetenz ab, die neben der Mobilisierung des mehrsprachigen Repertoires auch die Fähigkeit zum reflexiven Sprachenlernen umfasst. 2.1 Bildungsziel individuelle Mehrsprachigkeit Das Bildungsziel Mehrsprachigkeit folgt dem bereits 1995 formulierten Wunsch der Europäischen Union, die Mehrsprachigkeit ihrer BürgerInnen zu fördern: „Jeder sollte 3 Gemeinschaftssprachen beherrschen“ (Europäische Kommission, 1995, S. 62). Entsprechend macht sich der GeR für das übergeordnete Lehr-/ Lernziel „mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz“ stark (Europarat 2001, S. 163). Doch was genau ist unter individueller Mehrsprachigkeit bzw. mehr‐ sprachiger Kompetenz zu verstehen? Mehrsprachigkeit bedeutet nicht, mehrere 36 Tanja Prokopowicz <?page no="37"?> 2 Individelle Mehrsprachigkeit ist von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit abzugrenzen, die die Koexistenz mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft bezeichnet. Sprachen gleichermaßen beherrschen zu können, denn „als mehrsprachig darf schon der bezeichnet werden, der auf der Basis der Kenntnis seiner Mutter‐ sprache eingeschränkte Kenntnisse in wenigstens zwei weiteren Sprachen […] hat“ (Bertrand & Christ, 1990, S. 208). Diese sog. individuelle Mehrsprachigkeit 2 ist daher nicht als zufälliges, summarisches Produkt aller erlernten Fremdspra‐ chen, sondern als ein sprachenvernetzender Lernprozess zu verstehen, der damit pädagogisch planbar ist. Individuelle Mehrsprachigkeit ist darüber hinaus die materielle Grundlage für mehrsprachige Kompetenz. Das Verständnis von mehrsprachiger Kompetenz, das dem GeR zugrunde liegt, geht auf Coste, Moore & Zarate (1997, S. 12) zurück: « On désignera par compétence plurilingue […] la compétence à communiquer langagièrement […] possédée par un acteur qui maîtrise, à des degrés divers, plusieurs langues, […] tout en étant à même de gérer l’ensemble de ce capital langagier et culturel ». Die Formulierung « à des degrés divers » verweist auf unterschiedlich ausgebildete Kompetenzbereiche in mehreren Sprachen. Bei mehrsprachiger Kompetenz handelt es sich also um ein integratives Konstrukt, das die Verschränkung einzelner Kompetenzen und Kompetenzbereiche betont: « [I]l n’y a pas là [sic] superposition ou juxtaposition de compétences toujours distinctes, mais bien l‘existence d’une compétence plurielle, complexe, voire composite et hétérogène » (ebd; vgl. auch Europarat, 2001, S. 163). Dies bedeutet eine Abkehr von additiven Auffassungen hin zu einem integrativen Verständnis vom Sprachenlernen und Kompetenz. Beacco beschreibt dies so: « Le cœur de l’éducation plurilingue et interculturelle réside dans les transversalités à établir » (2010, S. 9). Die zu etablierenden Verbindungen beziehen sich auf alle den Lernenden zur Verfügung stehenden Sprachen und kulturellen Erfahrungen, welche „gemeinsam eine kommunikative Kompetenz [bilden], in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren“ (Europarat 2001, S. 17). Sämtliche Sprach(lern)erfahrungen bilden daher ein mehrsprachiges Repertoire (ebd.): [D]ie Spracherfahrung eines Menschen [erweitert sich] in seinen kulturellen Kon‐ texten […], von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker (die er entweder in der Schule oder auf der Universität lernt oder durch direkte Erfahrung erwirbt). Auf Grundlage des GeR wurden 2004 die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Hauptschul- und den mittleren Bildungsabschluss formuliert (KMK, 2004). Neben dem Erwerb interkultureller 37 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="38"?> 3 So wies beispielsweise Herbert Christ bereits 2003 darauf hin, dass, „sobald es um die Beschreibung von sprachlichen Kompetenzen geht, von Mehrsprachigkeit nicht mehr die Rede ist, sondern in den KANN-Beschreibungen - in ganz traditioneller Weise - Können in den sogenannten Zielsprachen beschrieben wird“ (Christ, 2003, S. 65; Hervorhebungen im Original). Kompetenz als oberstem Lernziel (ebd., S. 6) soll der Unterricht in der ersten Fremdsprache die Grundlage für die Bewältigung mehrsprachiger Situationen schaffen, indem am Ende der Sekundarstufe I „die kommunikativen, interkul‐ turellen und methodischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler für ihr Handeln in mehrsprachigen Situationen […] verlässlich ausgebildet worden sind“ (ebd.). In den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Eng‐ lisch/ Französisch) für die allgemeine Hochschulreife (KMK, 2012) wird neben der Förderung individueller Mehrsprachigkeit auch das ‚Lernen des Lernens‘ als bedeutsam hervorgehoben: „Dem schulischen Fremdsprachenunterricht kommt eine besondere Bedeutung für die Entwicklung von Mehrsprachigkeit und im Hinblick auf lebensbegleitendes Sprachenlernen zu“ (KMK, 2012, S. 9, vgl. auch HKM, 2016, S. 10). Die Bildungsstandards von 2004 und 2012 heben also im Einklang mit dem GeR sowohl auf die Förderung von individueller Mehrsprachigkeit als auch von Sprachlernkompetenz ab. 2.2 Förderung individueller Mehrsprachigkeit durch Interkomprehension Grundsätzlich muss man allerdings feststellen, dass im GeR kaum Konkretes zur Entwicklung von Mehrsprachigkeit gesagt wird. Die Kompetenzbeschrei‐ bungen beziehen sich nur auf eine Zielsprache, sodass der GeR keine methodi‐ schen Hilfen bietet, um Synergien zwischen den Sprachen herzustellen 3 . Als Ergänzung zum GeR versteht sich der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (Candelier et al., 2012), der Deskriptoren für mehr‐ sprachige Kompetenz beinhaltet. Zentral sind die Kompetenz, sprachlich und kulturell im Kontext von Alterität zu kommunizieren, und die Kompetenz zum Aufbau und zur Ausweitung eines mehrsprachigen und interkulturellen Repertoires. Um diese Kompetenzen zu fördern, bieten sich mehrsprachig‐ keitsdidaktisch-basierte Lehr-/ Lernverfahren, wie z. B. Interkomprehension an. Bei Interkomprehension handelt es sich um „das Verstehen einer fremden Sprache, ohne diese zuvor formal erlernt zu haben“ (Meißner, 2004, S. 97). Dabei wird das Ziel verfolgt, das „synergetische Potential“ zu nutzen, das zwischen Sprachen und Kulturen liegt (vgl. Meißner, 2002, S. 27). Konkret geschieht dies durch Erkennen sog. Transferauslöser, also z.B. Lexemen, die Lernende in der unbekannten Zielsprache dank ihrer Vorkenntnisse in der Ausgangssprache oder Brückensprache verstehen. So ermöglicht beispielsweise 38 Tanja Prokopowicz <?page no="39"?> 4 Die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe basieren auf den Bildungsstandards von 2012 (HKM, 2016) und werden daher hier nicht eigens aufgeführt. 5 Das erhöhte Niveau beschreibt die Standards 2 und 4 in einer differenzierteren Variante, ohne jedoch inhaltlich vom grundlegenden Niveau abzuweichen. das Französische als Brückensprache „das schnellere Erlernen anderer moderner romanischer Sprachen, des Lateinischen und sogar des Englischen“ (HKM, 2011, S. 13). Die motivationalen Auswirkungen des interkomprehensiven Ansatzes sind erheblich (vgl. z. B. Bär, 2010). Die zu erschließende Zielsprache wird in weiten Teilen als verstehbar erlebt, sodass die Selbstwirksamkeit der Lernenden gestärkt wird. Zugleich führt der Rückgriff auf Vorwissen zu einer Aufwertung der Brückensprache (vgl. Meißner, 2008a, S. 85), die nun als Schlüssel zum Verstehen anderer Sprachen begriffen wird. Außerdem können dem Sprachen‐ lernen weniger zuträgliche lernerseitige Vorstellungen revidiert werden (vgl. Meißner, 2010, S. 136). Denn interkomprehensiv-basierte Lernverfahren lassen Einsichten in Sprachlernprozesse zu, da SchülerInnen „eine hohe Sensibilität für die eigenen Lernwege entwickeln“ (Meißner, 2008b, S. 41). Dies erklärt die Nähe zu Konzepten wie dem der Sprachlernkompetenz, die im folgenden Kapitel umrissen wird. 2.3 Sprachlernkompetenz Aus fremdsprachendidaktischer Perspektive gilt das lebenslange Lernen als eines der übergeordneten Lernziele: “Language teaching should above all seek to make learners autonomous, i.e. teach them to learn languages by themselves by developing a reflective approach to how they learn“ (Beacco, 2007, S. 67). Lernende sollen kommunikative Erfahrungen auch außerhalb des schulischen Fremdsprachenunterrichts zum Sprachenlernen nutzen können. Grundvoraus‐ setzung hierfür ist eine reflexive Haltung gegenüber dem Sprachenlernen, die darauf abzielt, Sprachlernprozesse bewusst zu gestalten und eigenständig zu initiieren, was unter dem Begriff der Sprachlernkompetenz (SLK) gefasst werden kann. Die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache weisen SLK als eigenen Kompetenzbereich aus (vgl. KMK, 2012, S. 11) 4 . SLK umfasst die Fähigkeit und Bereitschaft der Lernenden, das eigene Sprachenlernen zu analysieren, um daraus Erkenntnisse für die Planung und Durchführung wei‐ terer Sprachlernprozesse zu ziehen, „wobei die Schüler auf ihr mehrsprachiges Wissen und auf individuelle Sprachlernerfahrungen zurückgreifen“ (ebd., S. 25). Es wird unterschieden zwischen dem grundlegenden und dem erhöhten Niveau 5 (ebd., S. 25f.). Das grundlegende Niveau beinhaltet die Fähigkeit 39 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="40"?> 6 Die sogenannte „innere Mehrsprachigkeit“ meint unterschiedliche Varietäten innerhalb einer Sprache (vgl. Wandruszka 1979 und Candelier im vorliegenden Band). • den Sprachlernprozess zu reflektieren und zu optimieren (S 1), • die eigenen rezeptiven und produktiven Kompetenzen zu prüfen und z. B. durch geeignete Strategien zu erweitern (S 2), • eine Selbsteinschätzung der sprachlichen Kompetenzen vorzunehmen und diese als Grundlage für die Planung weiterer Lernprozesse zu nutzen (S 3), • Begegnungen mit / in der Fremdsprache für das Sprachenlernen nutzbar machen zu können (im Gespräch mit Angehörigen der Zielsprache, durch TV, Internet, …) (S 4), • durch Erproben sprachlicher Mittel die eigene Kompetenz zu festigen und dafür auch auf Kompetenzen zurückzugreifen, die in anderen Sprachen erworben wurden (S 5). Anhand der Standards für SLK wird ersichtlich, dass deren Verständnis „auf einer Lernkonzeption beruht, die Fremdsprachenlernen als einen aktiven und reflexiven Konstruktionsprozess des lernenden Subjekts modelliert“ (Martinez & Meißner, 2017, S. 225). Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lernersprache findet sich bspw. in Standard 5 wieder, der die Erprobung sprachlicher Mittel mit dem Ziel der Festigung und unter Fruchtbarmachung von Vorwissen beschreibt. So kann die Aktivierung des mehrsprachigen Vorwissens zur Be‐ deutungserschließung bei der Rezeption zielsprachlicher Texte hilfreich sein, was allerdings impliziert, dass dies als Strategie wahrgenommen und bewusst eingesetzt wird (vgl. ebd., S. 228). SLK ist also maßgeblich an der Förderung individueller Mehrsprachigkeit beteiligt und beinhaltet neben deklarativem und prozeduralem Wissen auch eine persönlichkeitsbezogene Komponente, wie Martinez & Meißner (2017, S. 221) festhalten: SLK bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Fremdsprachen zu lernen. Dies im‐ pliziert, den eigenen Fremdsprachenlernprozess (selbst) steuern und kontrollieren zu können. SLK umfasst neben der Entfaltung entsprechender (Lern-)Strategien Einsichten in attitudinale sowie motivationale Faktoren. SLK ist entscheidend nicht nur für die Ausbildung der individuellen Mehrsprachigkeit, sondern auch des lebens‐ langen Lernens und der Pflege von Fremdsprachenkenntnissen. In diesem Kapitel wurde die sog. individuelle Mehrsprachigkeit als Grundlage der mehrsprachigen Kompetenz herausgestellt, deren Ausbildung bereits mit dem Erwerb der Mutterbzw. Erstsprache beginnt 6 . Mit Blick auf die Lerngruppe lässt sich festhalten, dass die SchülerInnen über ein mehrsprachiges, individuell 40 Tanja Prokopowicz <?page no="41"?> 7 Dies ergibt sich u. a. aus unterschiedlich ausgeprägten Kompetenzbereichen in den er‐ lernten Fremdsprachen, der Sprachenfolge beim Erlernen (schulischer) Fremdsprachen oder dem Vorliegen von migrationsbedingter Mehrsprachigkeit. unterschiedlich ausgeprägtes Repertoire verfügen (vgl. Kap. 4.1). 7 Insofern ist der Frage nachzugehen ob es den SchülerInnen gelingt, aus ihrer individuellen Mehrsprachigkeit eine Kompetenz zu machen, um z.B. bisher unbekannte Spra‐ chen zu erschließen (vgl. Forschungsfrage 1). Darüber hinaus wurde dargelegt, dass mehrsprachige Kompetenz auch die Fähigkeit der Lernenden umfasst, diese eigenständig zu erweitern. Diese Kompetenz zur Mobilisierung entspre‐ chender Ressourcen steht in enger Verbindung zu SLK, sodass sich die Frage ergibt, inwieweit es den SchülerInnen gelingt, eine reflexive Haltung zu ihrem Sprachlernprozess einzunehmen und wie dies im Rahmen der Unterrichtsreihe systematisch gefördert werden kann (vgl. Forschungsfrage 2). 3. Untersuchungskontext und Gütekriterien 3.1 Lerngruppe und Forschungsfragen Beim Forschungskontext handelte es sich um den Französischunterricht der E-Phase (Einführungsphase der dreijährigen Oberstufe), in dem die Unterrichts‐ reihe durchgeführt wurde. Die qualitative Studie fokussiert einen Teilbereich, nämlich die Förderung von individueller Mehrsprachigkeit und SLK. Sie zielt daher nicht auf verallgemeinerbare Ergebnisse ab. Vielmehr soll durch eine mehrmethodische Herangehensweise (siehe Abbildung 1) ein vertiefter Einblick in die mehrsprachige Kompetenz der SchülerInnen ermöglicht und ermittelt werden, inwieweit diese eine reflexive Haltung zu ihrem Sprachlernprozess einnehmen (können). Für den umrissenen Teilbereich werfen die Ergebnisse Fragen für die Weiterarbeit und pädagogische Praxis auf (vgl. Kap. 5). Als Gütekriterien qualitativer Forschung kommen in dieser Studie insbeson‐ dere empirische Verankerung (z. B. durch den Rückgriff auf Daten wie Schü‐ lerInnenprodukte oder Lernprotokolle) sowie reflektierte Subjektivität zum Tragen (vgl. Steinke, 2000, S. 319f.). Die sog. reflektierte Subjektivität impliziert einen selbstreflexiven Umgang bei der Durchführung und Dokumentation der Unterrichtsreihe. Selbstreflexion verstehe ich als innere Haltung, die ich als wesentlich sowohl für den Forschungsprozess als auch meine unterricht‐ liche Tätigkeit auffasse. Selbstreflexion ist ebenfalls eines der wesentlichen Grundsätze von Aktionsforschung, die nach Altrichter & Posch (2018, S. 13-18) folgende Merkmale umfasst: 41 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="42"?> 1. Forschung der Betroffenen 2. Fragestellung aus der Praxis 3. In-Beziehung-Setzung von Aktion und Reflexion 4. Längerfristige Forschung und Entwicklungszyklen 5. Konfrontation unterschiedlicher Perspektiven 6. Einbettung der individuellen Forschung in eine professionelle Gemein‐ schaft 7. Vereinbarung ethischer Regeln für die Zusammenarbeit 8. Veröffentlichung von Praktikerwissen 9. Wertaspekte pädagogischer Tätigkeit 10. Erkenntnis (als Ergebnis von Reflexion) und Entwicklung (als Ergebnis von Aktion) als Ziele von Aktionsforschung Die mehrmethodische Vorgehensweise eröffnet die Möglichkeit zur Triangu‐ lation. Es werden verschiedene Arten von Triangulation unterschieden wie Daten-, Investigator-, Theorien- und Methoden-Triangulation (Denzin, 1989, S. 237f.; vgl. auch Aguado & Riemer, 2001, S. 247). Sie dient v. a. der Erkenntniser‐ weiterung, indem versucht wird, durch Kombination verschiedener Datensätze und Methoden die Grenzen einzelner Erhebungsverfahren auszugleichen, um so zu einem umfassenden Verständnis des Untersuchungsgegenstandes zu ge‐ langen. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass es bei qualitativer Forschung nicht darum geht, eine objektive Wahrheit anzustreben. In der vorliegenden Un‐ tersuchung wurde eine Datentriangulation angewandt (vgl. Flick, 2000, S. 310f.). Hierbei werden Daten aus mehreren Quellen, deren Erhebung zu verschiedenen Zeitpunkten bzw. bei verschiedenen Personen erfolgte, aufeinander bezogen. So wird der Gegenstandsbereich möglichst facettenreich erfasst, um die for‐ schungsleitenden Fragen (vgl. Kap. 1) beantworten zu können. Das folgende Kapitel gibt einen Einblick in die unterschiedlichen Erhebungsverfahren. 3.2 Datenerhebung: Instrumente und Auswertungsmethode Es liegen insgesamt vier Datensätze vor. Der Fragebogen zur Selbsteinschätzung (Datensatz I) wurde zu Beginn der Unterrichtsreihe erhoben, während die Lernprotokolle von den SchülerInnen lernprozessbegleitend ausgefüllt wurden (Datensatz II). Der Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung wurde nach Durchführung der Unterrichtsreihe eingesetzt (Datensatz III). Darüber hinaus liegen SchülerInnenprodukte vor, die während der Unterrichtsreihe entstanden sind (Datensatz IV). Die Datensätze weisen eine unterschiedliche Wertigkeit auf, die sich u.a. daraus ergibt, dass nur der Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung anonym 42 Tanja Prokopowicz <?page no="43"?> erhoben wurde. Den SchülerInnen war bekannt, dass der Fragebogen zur Selbst‐ einschätzung sowie die Lernprotokolle von mir gelesen würden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Antworten gemäß der ‚sozialen Erwünscht‐ heit‘ gegeben wurden. Durch die Tatsache, dass die Datensätze teilweise nicht-anonymisiert erhoben wurden, können jedoch zusätzliche SchülerInnen‐ produkte herangezogen werden, um so die Datentriangulation zu erweitern. Die Auswertung der Fragebögen zur Selbsteinschätzung und zur Unterrichtswahr‐ nehmung erfolgte zahlenmäßig. Bei den Lernprotokollen hingegen erschien es wichtig, die Fallebene, also den Lernenden zu fokussieren, um begründete Rückschlüsse auf die Forschungsfragen zu erzielen. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Datenerhebungsinstrumente sowie den Erhebungszeitpunkt: Datenerhebungsinstrument Anzahl Erhebungszeit‐ punkt Datensatz I Fragebogen zur Selbsteinschätzung 16 Schüler- Innen vor Beginn der Unterrichtsreihe Datensatz II Lernprotokolle 64 (4 x 16 SchülerInnen) während der Unterrichtsreihe Datensatz III Fragebogen zur Unterrichts‐ wahrnehmung 16 Schüler- Innen nach Beendi‐ gung der Unter‐ richtsreihe Datensatz IV SchülerInnenprodukte 16 Schüler- Innen während der Unterrichtsreihe Abbildung 1: Übersicht über die Datensätze 3.2.1 Fragebogen zur Selbsteinschätzung - Lernen vorbereiten und anbahnen Der Selbsteinschätzungsbogen (vgl. Anhang) erfüllte mehrere Funktionen: Zum einen diente er im Rahmen der Unterrichtsreihe als Diagnose- und Förderinstrument (vgl. Kraus, 2009, S. 14), indem er schülerseitige Haltungen und Einstellungen zu Mehrsprachigkeit ermittelte (Fragen 5-9). Zum anderen wurde schülerseits eine Selbsteinschätzung in Bezug auf SLK vorgenommen (can do-Beschreibungen 1-4). Bei der Konzeption des Fragebogens orientierte ich mich an Tassinari (2008), die einen Selbsteinschätzungsbogen zu autonomem Lernen vorgelegt hat. Die Bereiche 1-3 sind diesem Fragebogen entnommen. Diese Fragen sind innerhalb der Bereiche savoir, savoir-faire und savoir-être verortbar, aus denen sich SLK zusammensetzt (vgl. Kap. 2.2). Zudem erschien es wichtig, auch Kompetenzbereiche zu Mehrsprachigkeit zu integrieren. Hierbei 43 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="44"?> 8 z. B. J’étais assez motivé(e) par le sujet d’aujourd’hui / C’était intéressant de … / Je me suis rendu(e) compte que …/ J’ai des problèmes avec … / J’aimerais bien savoir … 9 Es gibt vier Ankreuzmöglichkeiten: ++ stimmt genau; + stimmt; - stimmt eher nicht; -stimmt überhaupt nicht. orientierte ich mich am Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (Candelier et al., 2012), der Deskriptoren zum Aufbau mehrsprachiger Kompetenz beinhaltet (vgl. Kap. 2.1). Die Auswertung des Fragebogens findet sich in der Lerngruppenanalyse wieder (vgl. Kap. 4.1). 3.2.2 Lernprotokolle - Lernprozesse sichtbar machen Das Lernprotokoll diente in erster Linie dazu, schülerseitige Einblicke in individuelle Fremdsprachenlernprozesse zu gewinnen. Die Auswertung des Selbsteinschätzungsbogens (vgl. Kap. 3.2.1) in Bezug auf Erfahrungen mit dem reflexiven Lernen machte deutlich, dass hier Förderungsbedarf bestand: Keine(r) der insgesamt 16 SchülerInnen hatte bisher mit einem Lernprotokoll gearbeitet. Es erschien daher wichtig, den SchülerInnen konkrete Richtlinien an die Hand zu geben und eine strukturierte Variante anzubieten, bei der folgende Kategorien zu bearbeiten waren: sujet / tâches et activités / difficulté de la tâche / mes stratégies / mon plan de travail individuel. Ich überließ es den SchülerInnen, das Lernprotokoll auf Deutsch oder Französisch auszufüllen. Hierfür stellte ich Redemittel zur Verfügung. 8 Bei der Auswertung des Selbsteinschätzungsbogens wurde z. B. deutlich, dass einige SchülerInnen Emotionen beim Fremdsprachen‐ lernen als vergleichsweise wenig wichtig erachteten (vgl. Kap. 4.1), sodass auch diese Bereiche in Form der Kategorien interêt pour le sujet / motivation / mes réactions integriert wurden. Auf die Auswertung der Lernprotokolle komme ich in Kapitel 4 und 5 zu sprechen. 3.2.3 Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung - Lernen bilanzieren und reflektieren Der Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung wurde innerhalb der Schule nach Abschluss von Unterrichtsreihen eingesetzt, um schülerseitiges Feedback einzu‐ holen. Er bestand aus einem geschlossenen Teil zum Ankreuzen 9 sowie einem offenen Teil. Die SchülerInnen kannten die Arbeit mit dem Fragebogen sowohl aus anderen Fächern als auch aus dem Französischunterricht. Die Erhebung erfolgte wie erwähnt anonym. Die Auswertung wird in Kapitel 5 diskutiert. Bei den dargelegten verschiedenen Datenerhebungsinstrumenten flossen insbesondere die Ergebnisse des Selbsteinschätzungsbogens, der vor Beginn der Unterrichtsreihe ausgegeben wurde, in die Konzeption der Unterrichtsreihe ein. 44 Tanja Prokopowicz <?page no="45"?> 10 Selbstverständlich sind die Namen der SchülerInnen pseudonymisiert. 4. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsreihe Ziel der Unterrichtsreihe war es, die SchülerInnen für die mehrsprachige Wirklichkeit zu sensibilisieren und eine Handlungsfähigkeit für mehrsprachige Kommunikationssituationen zu entwickeln (vgl. Nieweler, 2001, S. 6). Die Ler‐ nenden sollten dabei auf ihre Fremdsprachenkenntnisse zurückgreifen, „um Sprachgrenzen zu überwinden“ (HKM, 2011, S. 11-12). Grundlage dafür war die individuelle Mehrsprachigkeit der SchülerInnen (vgl. Europarat, 2001, S. 17, HKM, 2011, S. 11-12), deren Erweiterung angestrebt wurde. Dafür ist die SLK essentiell, die die Lernenden bspw. dazu befähigt, ihr sprachliches Vorwissen zu aktivieren. Dieser Rückgriff auf Vorgelerntes sollte im Rahmen der Unterrichts‐ reihe systematisch gefördert werden, sodass der Aufbau und die Ausweitung eines mehrsprachigen Repertoires (Candelier et al., 2012) angestrebt wurden. Folgende Kompetenzbereiche standen dabei im Zentrum: • savoir qu’il existe entre les langues […] des ressemblances et des diffé‐ rences ; (K 6) • savoir observer / analyser des structures syntaxiques et/ ou morphologi‐ ques ; (S 1.4) • être sensible à la fois aux différences et aux similitudes entre des langues différentes ; (A 2.4) • curiosité envers la découverte du fonctionnement des langues; accepta‐ tion positive de la diversité linguistique (A 3.2) Das folgende Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die Lerngruppe. Dieser basiert auf Unterrichtsbeobachtungen sowie dem Fragebogen zur Selbstein‐ schätzung (vgl. Kap. 3.1.1). 4.1 Zur Lerngruppe: Analyse der pädagogischen Situation Die Lerngruppe umfasste 16 SchülerInnen und setzte sich aus sechs Jungen und zehn Mädchen zusammen 10 . Anhand des Deskriptors „Ich kann mich für mein Lernen motivieren“ aus dem Selbsteinschätzungsbogen zeigte sich, dass ein Großteil der SchülerInnen sich nach eigenen Angaben ihrer Motivation für das Fremdsprachenlernen bewusst war (s. Abb. 2, Item 1). Defizite bestanden hingegen bei der Selbstmotivation (Item 2), bei der immerhin sieben von insgesamt 16 SchülerInnen angaben, dies gern erlernen zu wollen. Auffällig sind die Antworten zu den Items 4 und 5, bei denen gut ein Drittel der SchülerInnen 45 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="46"?> 11 Djawed gibt an, Arabisch lernen zu wollen, weil es sich um die Muttersprache seines Vaters handelt. Omran möchte Japanisch lernen, weil es einen schönen Klang hat. Antonia gibt an, Latein wegen des angestrebten Medizinstudiums lernen zu wollen, während Emilia sich für Griechisch interessiert, da ihre Familie die Sommerurlaube in Griechenland verbringt und sie gern mehr mit den Menschen dort kommunizieren möchte. Die übrigen SchülerInnen machen hier keine Nennungen, Laura gibt z. B. an, dass sie „eigentlich keine weitere Sprache“ lernen möchte. Die Frage, Wenn es eine Sprache gäbe, die alle Menschen lernen sollten - welche wäre das Deiner Meinung nach? Warum? beantworten fast alle SchülerInnen mit Englisch (bis auf Jannik, der angibt, alle Menschen sollten Deutsch lernen, weil es sich um seine Muttersprache handelt). Der meistgenannte Grund ist, dass es sich bei Englisch um eine leicht zu lernende Sprache handele, gefolgt von dem Argument, dass Englisch eine Weltsprache ist, die von vielen Menschen gesprochen wird. Zwei SchülerInnen finden darüber hinaus, dass Englisch schön klingt. 1. 2. 3. 4. 5. festhielt, dass Gefühle und Emotionen aus ihrer Sicht nicht wichtig für ihr Fremdsprachlernen seien: das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich Ich bin mir meiner Motivation bewusst bzw. ich kann darüber nachdenken. 13 3 0 Ich kann mich selber neu motivieren, wenn ich merke, dass meine Motivation nachlässt. 8 7 1 Ich bin mir meiner Gefühle und Emotionen beim Lernen bewusst bzw. ich kann darüber nachdenken. 10 0 6 Ich kann erkennen, dass bestimmte Gefühle und Emotionen mich bei der Arbeit ermuntern oder unterstützen (z. B. Erfolgserlebnis). 6 5 5 Ich kann erkennen, ob mich bestimmte Gefühle und Emotionen daran hindern, eine Aufgabe zu lösen 11 3 2 Abbildung 2: Auswertung des Selbsteinschätzungsbogens; Deskriptor „Ich kann mich für mein Lernen motivieren“ Die Auswertung des Fragebogens bezüglich der Frage Welche Sprache möchtest Du gern noch lernen? Warum? zeigte darüber hinaus, dass die SchülerInnen grundsätzlich am Erlernen weiterer Fremdsprachen interessiert waren. 11 Drei 46 Tanja Prokopowicz <?page no="47"?> 12 Die mittlere Spalte ergibt sich dadurch, dass die SchülerInnen Kreuze zwischen den Kategorien machten. 1. 2. 3. der SchülerInnen interessieren sich insbesondere für Sprachen aus der romani‐ schen Sprachfamilie: Marina möchte Italienisch lernen, weil ihr Großvater aus Italien stammt. Nicole möchte Spanisch erlernen - Gründe hierfür nennt sie nicht - obwohl sie angibt, dass ihr das Fremdsprachenlernen nicht gerade leicht‐ falle. Michael möchte Portugiesisch erlernen, da sein Onkel in Brasilien lebt, den er schon besucht hat. Die Bandbreite der genannten Sprachen (s. Fußnote 11, S. 46) spricht grundsätzlich für ein Interesse am Fremdsprachenlernen auch über den schulischen Fremdsprachenunterricht hinaus, was die Wichtigkeit von SLK unterstreicht. Zwei Schüler wachsen zweisprachig auf. Djawed mit Französisch und Deutsch und Omran mit Deutsch und Berbisch. Auf die Frage Welche Sprachen hast Du ab wann gelernt? zeigt sich, dass sämtliche SchülerInnen Englisch bereits in der Grundschule gelernt haben. Petra lernt zudem seit drei Jahren Spanisch, Laura hat ebenfalls Kenntnisse in Spanisch durch ein Jahr Spanisch‐ unterricht, hat diesen aber mittlerweile aufgegeben. Die SchülerInnen sind also mehrsprachig. Die Frage, die sich hier anschließt ist, ob die SchülerInnen ihre individuelle Mehrsprachigkeit fruchtbar machen können, wenn sie beispiels‐ weise unbekannte Texte auf der Basis ihrer Vorkenntnisse erschließen. In Bezug auf den Deskriptor „Ich kann mein Lernen selbständig gestalten“ aus dem Selbsteinschätzungsbogen ergab sich folgendes Bild: das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich Ich kann allein arbeiten (z. B. eine vorge‐ gebene Aufgabe allein durchführen). 16 Ich kann von mir aus mit einzelnen Lernak‐ tivitäten beginnen und auch durch schwie‐ rige Phasen aufrechterhalten. 5 11 Ich kann einzelne Aspekte der Fremdsprache analysieren und sie mit meiner Mutter‐ sprache oder mit anderen mir bekannten Fremdsprachen vergleichen. 4 4 12 6 2 47 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="48"?> 4. 5. 6. Ich suche nach Wörtern in meiner Mutter‐ sprache, die neuen Vokabeln in Französisch ähnlich sind. 6 1 4 5 Ich suche nach Wörtern in mir bekannten Fremdsprachen, die neu gelernten Wör‐ tern im Französischen ähnlich sind. 9 2 3 2 Ich versuche, die Bedeutung einer neuen Vokabel zu erraten. 8 2 2 4 Abbildung 3: Auswertung des Selbsteinschätzungsbogens; Deskriptor „Ich kann mein Lernen selbständig gestalten“ Die Auswertung zeigt, dass alle SchülerInnen nach eigener Einschätzung allein arbeiten können (Item 1). Bei der Initiierung von Lernaktivitäten und deren Aufrechterhaltung (Item 2), besteht hingegen noch Förderungsbedarf. Weiterhin zeigt sich, dass immerhin acht von 16 SchülerInnen nach eigenen Angaben die Strategie des intelligent guessing anwenden (Item 6). Bei der Analyse von fremd‐ sprachlichen Strukturen und deren Vergleich mit der Mutter- oder vorgelernten Sprachen hingegen besteht noch Förderungsbedarf (Item 3). Interessant ist, dass fünf SchülerInnen es als nicht wichtig erachten, Wörter in der Muttersprache zu suchen, die neuen Vokabeln im Französischen ähnlich sind. Dies spricht dafür, dass hier ein Förderungsbedarf in Bezug auf die Bewusstheit besteht, auch interlinguale Ähnlichkeiten zwischen Französisch und Deutsch fruchtbar zu machen. 4.2 Zur Konzeption und zur Durchführung der Unterrichtsreihe Die Unterrichtsreihe orientierte sich inhaltlich an der Leitfrage „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “. Die Zukunftsbe‐ deutung des Themas ergab sich aus dem lebensweltlichen Bezug, d. h. dem Erwachsenwerden in einer globalisierten Welt, in der Fremdsprachenkenntnisse u.a. mit Blick auf das zukünftige Berufsleben sowie Mobilitätserfahrungen unabdingbar sind. Kommunikativer Kompetenzschwerpunkt war die Förderung von Sprachmittlungssowie Sprechkompetenzen. Als Materialien kamen neben einer Sprachmittlungssaufgabe u. a. mehrsprachige Lieder des französischen Sängers Manu Chao sowie Auszüge aus dem Film L’auberge espagnole zum Einsatz, die als Redeanlässe dienten. Als differenzierende Maßnahme war eine Stationenarbeit zu romanischer Interkomprehension vorgesehen, bei der die 48 Tanja Prokopowicz <?page no="49"?> 13 Der 2002 entstandene Film handelt von den Erfahrungen des jungen Franzosen Xavier, der mit dem Erasmus-Programm für ein Jahr nach Barcelona geht, um dort zu studieren. Dort lebt er in einer Wohngemeinschaft, die sich aus jungen Europäern unterschiedlicher Herkunft zusammensetzt. Der Film greift neben der kulturellen auch die sprachliche Vielfalt Europas auf, denn Xavier ist mit zahlreichen mehrsprachigen Kommunikationssituationen konfrontiert. 14 Bei der Konzeption des Unterrichtsvorhabens orientierte ich mich für die Erstellung des Arbeitsblattes am dossier pédagogique zum Film (Gericke, 2002) sowie an Hütten & Spaeth-Goeß (2005). SchülerInnen auf Grundlage von Französisch eine bisher ungelernte romani‐ sche Sprache nach Wahl (Spanisch oder Italienisch) selbständig erschlossen und diesen Prozess reflektierten. Den Abschluss der Unterrichtsreihe bildete die Durchführung einer fishbowl-Diskussion, bei der die SchülerInnen in der Fremdsprache die Leitfrage der Unterrichtsreihe diskutierten und dabei auf die Erfahrungen zurückgriffen, die sie im Rahmen der Reihe gemacht hatten. Im Folgenden werden zwei Stunden aus der Reihe herausgegriffen und deren Durchführung skizziert. Dabei werde ich auch Rückgriff auf ausgewählte SchülerInnenprodukte nehmen. 4.2.1 L’auberge espagnole In dieser Stunde stand die Arbeit mit Filmauszügen aus l’auberge espagnole  13 von Cédric Klapisch im Mittelpunkt 14 . Das Filmmaterial passte nicht nur inhaltlich in die Unterrichtsreihe, sondern eignete sich auch aufgrund von interlingualen Vergleichsmöglichkeiten zur Förderung von Mehrsprachigkeit. Es wurden folgende Lernziele angestrebt: 1. Die SchülerInnen können die mehrsprachigen Kommunikationssituationen inhaltlich nachvollziehen (Hör‐ sehverstehen). 2. Die SchülerInnen können Wörter in einer unbekannten Sprache heraushören. 3. Die SchülerInnen können die phonetisch-graphema‐ tischen Beziehungen zwischen den ihnen zur Verfügung stehenden Sprachen vergleichen (SLK). Um eine Hörseherwartung aufzubauen, die das inhaltliche Verstehen der Sequenzen im Sinne eines scaffolding unterstützen sollte, erfolgte zunächst die Beschreibung des Filmplakats durch die SchülerInnen. Im Anschluss daran zeigte ich zweimal einen ersten Filmauszug von ca. 2 Minuten. Diese Szene ist in der Originalfassung nicht übersetzt, d. h. sie findet auf Spanisch bzw. Katalanisch statt. Die Filmsequenz spielt an der Universität, die Erasmus-Stu‐ dierenden haben Mühe, dem auf Katalanisch referierenden Professor zu folgen. Um zunächst das Globalverstehen zu sichern, beantworten die SchülerInnen die Fragen Où se passe la scène ? und Qui sont les protagonistes ? . Danach schloss sich eine Phase des Detailverstehens an, bei der die SchülerInnen die Fragen 49 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="50"?> 15 Die SchülerInnenprodukte sowie Auszüge aus Lernprotokollen werden unter Beibehal‐ tung eventueller Fehler abgedruckt. Bei den unterstrichenen Partien handelt es sich um vorgegebene Kategorien des Lernprotokolls. Que font les protagonistes ? und Quel est le problème ? beantworteten. Die Siche‐ rungsphase erfolgte im Plenum. Anhand der hohen SchülerInnnenbeteiligung und der Antworten wurde deutlich, dass das Lernziel 1 in vollem Umfang erreicht werden konnte. Daraufhin wurde eine zweite Filmsequenz gezeigt, in der Erasmus-Studierende das Für und Wider der Mehrsprachigkeit in Europa auf Spanisch diskutieren. Der Arbeitsauftrag lautete: Quels mots comprenez-vous ? Notez-les. Der Filmauszug wurde zweimal gezeigt, um den SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, Lücken aus dem ersten Durchgang zu schließen. Die Sicherung erfolgte im Plenum, ich hielt die Wörter an der Tafel fest. In der sich anschließenden Erarbeitung sollten die SchülerInnen diese Wörter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Sprachen in Form von Wortserien vergleichen und dabei ihre Reflexionen festhalten. Um das Erreichen der Lernziele 2 und 3 deutlich zu machen, beziehe ich mich im Folgenden auf ausgewählte Produkte von zwei Schülerinnen (Marina, Steffi) und einem Schüler ( Jannik), die mit Auszügen aus den Lernprotokollen trianguliert werden. 15 Jannik hält folgendes in seinem Lernprotokoll fest: „Ce que j’ai appris de nouveau : Spanische Endungen -dad, o und -a häufig (1). Mes stratégies: Erst alle spanischen Wörter eintragen, dann übersetzen was ich kann und anschließend Wörterbuch (2). Mes réactions: Interessant, wie sich die Sprachen ähneln und unterscheiden (3).“ Es zeigt sich, dass es Jannik gelingt, Lexeme zu segmentieren und entsprechende Endungen im Spanischen zu identifizieren (1). In seinem Schülerprodukt finden sich zahlreiche Wortserien, u. a. identidad (span.), identité (frz.), identity (engl.), Identität (dt.), dazu notiert er „Spanisch -dad, frz. té, Englisch -ty, Deutsch: -tät“. Allerdings lässt er bei seinen Vergleichen den Artikel außer Acht, der bei sämtlichen Lexemen weiblich ist, was zu einer zusätzlichen Bewusstmachung geführt hätte. Bei der Wortserie combinar (span.), combiner (frz.), to combine (engl.), kombinieren (dt.) zeigt sich, dass er das bildungssprachliche Wort ‚kombinieren‘ mobilisiert und nicht etwa das alltagssprachliche Wort ‚zusammensetzen‘. Hier hätten sich weitere intralinguale Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf das Deutsche anschließen können, indem der Frage nachgegangen wird, wieso mehrere Wörter mit derselben Bedeutung existieren. Grundsätzlich weist vieles darauf hin, dass er bei der Aufgabe planvoll vorgeht, da er sie in einzelne Schritte unterteilt und externe Ressourcen hinzuzieht (2). Schließlich lässt sich ein gewisses Interesse an interlingualen Vergleichen ablesen (3). 50 Tanja Prokopowicz <?page no="51"?> Bei Marina ist auffällig, dass sie ihre Italienischkenntnisse in ihr Schülerpro‐ dukt integriert. Ihre Wortserien umfassen insgesamt fünf Sprachen, außerdem fügt sie die Artikel der Substantive hinzu: un momento (span.), un moment (frz.), a moment (engl.), ein Moment (dt.), uno momento (ital.). Dazu notiert sie: „Man kann sehen, ob es ein Nomen, ein Adjektiv oder Verb ist. Man kann erkennen, ob es männlich oder weiblich ist, z. B. durch o am Ende eines Wortes (m.) oder a (f).“ Marina analysiert die Lexeme und segmentiert deren Endungen, was sie zu deren Geschlecht führt. Im Lernprotokoll hält sie fest: „Intérêt pour le sujet : Ich finde es sehr interessant, mehr über andere Sprachen zu erfahren (1). Motivation: Mehr über andere Sprachen erfahren und mit ihnen klarkommen (2). Ce que j’ai appris de nouveau : mehrere Wörter (3)“. Grundsätzlich zeigt Marina eine Offenheit und Neugier gegenüber unbekannten, bisher ungelernten Sprachen (1). Außerdem spricht vieles dafür, dass sie am Erlernen weiterer Sprachen interessiert ist (2). Bei der globalen Aussage, „mehrere Wörter“ gelernt zu haben, hätte sie allerdings genauer sein können. Dies zeigt, dass ihre SLK noch zu fördern ist, was sich mit Befunden aus ihrem Schülerprodukt deckt. Zu dem spanischen Syntagma „una única identidad“ notiert sie „una = Artikel“, única = Nomen“. Sie achtet dabei nicht auf den Kotext und die weitere Wortfolge, sondern nimmt die erstbeste Entsprechung, sodass sie übersieht, dass es sich bei única um ein vorangestelltes Adjektiv handelt. Hieran wird deutlich, dass Hypothesen der SchülerInnen bspw. mit einem Wörterbuch oder im Unterrichtsgespräch zu verifizieren sind. Steffi verfasst ihr Lernprotokoll auf Französisch und in einem Fließtext: J’aimais faire cet exercice parce que j’ai aperçu que c’étaient les mêmes mots en français, anglais ou d’autres langues (1). La seule petite difficulté était l’orthographe avec les accents ou des terminaisons (2). Ma motivation était que si je peux transposer des mots, je peux comprendre des mots d’autres langues aussi (3). Ma stratégie était de trouver des règles, par exemple en espagnol j’ai trouvé que les terminaisons pour des mots masculins sont ‘o’, pour des mots féminins ‘a’ (4). Es zeigt sich, dass Steffi nach eigener Einschätzung nicht nur eine mehrspra‐ chige Sensibilisierung erfahren hat, sondern auch Freude an der Auseinan‐ dersetzung mit mehreren Sprachen hatte (1). Darüber hinaus gelingt es ihr, Schwierigkeiten zu identifizieren (2), was für ihre SLK spricht. Außerdem erwähnt sie ihre Motivation, die sich daraus ergibt, dass sich Wörter übertragen lassen und für das Verstehen bisher ungelernter Sprachen fruchtbar gemacht werden können (3). Auch sie verfügt über eine Analysekompetenz, die sich darin zeigt, dass sie Wörter segmentieren kann und anhand der Endungen auf deren Geschlecht schließen kann, wozu sie eine Regel formuliert (4). Interessant 51 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="52"?> 16 Ich entschied mich an dieser Stelle u. a. aufgrund der Materialfülle dazu, die Refle‐ xionsfragen direkt in das zu bearbeitende Material zu integrieren anstatt mit dem Lernprotokoll zu arbeiten. an Steffis SchülerInnenprodukt ist, dass auch sie das spanische Syntagma una única identidad in der Wortserie wie folgt weiterführt: „une unité, one unity, eine Einheit“. Offenbar führt das Erkennen des Morphems unidazu, dass Steffi Wörter abruft, die mit diesem Morphem beginnen. Dabei übersieht sie die Regelmäßigkeit in Bezug auf die Endung -ité / -ity / -tät, denn unterhalb dieser Wortserie notiert sie „identidad / identité / identity / Identität“. Daraus wird ersichtlich, dass die SchülerInnen die morphologische Ebene weniger berück‐ sichtigen. Für die unterrichtliche Praxis bedeutet dies, dass hier weitergehende Übungen anknüpfen müssten. 4.2.2 Découvrons l’espagnol - découvrons l‘italien Im Zentrum dieser Stunde stand eine Stationenarbeit zu Spanisch bzw. Ita‐ lienisch. Offene Lernarrangements in Form von Stationenarbeiten sind im besonderen Maße dazu geeignet, SLK anzubahnen. Der Kompetenzschwerpunkt innerhalb der Unterrichtsstunde lag im Bereich der SLK und der Lesekompetenz. Folgende Lernziele wurden angestrebt: 1. Die SchülerInnen können Textaus‐ züge in einer bisher ungelernten Sprache auf der Basis ihres Vorwissens er‐ schließen und verstehen. 2. Die SchülerInnen können unbekannte Lexeme durch Ableitung aus bekanntem Vokabular bzw. vorgelernten Sprachen sinngemäß verstehen bzw. erschließen (funktional-kommunikative Kompetenz Lesen). 3. Die SchülerInnen können ihren Sprachlernprozess reflektieren, d. h. planen, überwachen und geeignete Strategien zur Aufgabenbewältigung anwenden (SLK). Bei der Auswahl des Materials orientierte ich mich an den sprachenüber‐ greifend ausgerichteten Lehrwerken Descubramos el español (Holzinger et al., 2012) bzw. Scopriamo l‘italiano (Rückl et al., 2012), die insbesondere Französisch als vorgelernte Fremdsprache systematisch aufgreifen. Ich habe Aufgabenstel‐ lungen und -formate übernommen, teilweise ergänzt und um Reflexionsfragen zur Vorgehensweise erweitert. Aus Platzgründen beschränke ich mich im Folgenden auf die Darstellung der Stationenarbeit zu Spanisch. Das Unterrichtsmaterial wurde mit Blick auf die Lernziele der Stunde teil‐ weise modifiziert und um Reflexionsfragen ergänzt (s. u.), mit deren Hilfe die SchülerInnen Einblicke in ihren Lernprozess gewinnen sollten 16 . Die erste Station parlons du sport ! erfüllte mehrere Funktionen: Zunächst diente sie als Einstieg, bei dem sprachliches Vorwissen zum Thema Sport aktiviert werden sollte (Est-ce que tu fais du sport ? Lequel ? / Qu’est-ce que tu penses du foot ? 52 Tanja Prokopowicz <?page no="53"?> Est-ce que tu as une équipe de foot favorite ? Laquelle ? …). Bei den spanischen Texten handelte es sich um nicht-authentische Textauszüge mit einem mittleren Anspruchsniveau (Holzinger et al., 2012: 125ff.). Die relativ kurzen Textauszüge weisen zahlreiche Internationalismen (z. B. Bildbeschreibungen Station 2: parte superior / inferior, banda diagonal, usw.) bzw. fachsprachliche Elemente auf, die interlingual erschließbar sind (z. B. el punto de penalti). In Station 2 Les équipes de foot espagnoles les plus connues sollten spanische Beschreibungen von Vereinswappen den entsprechenden Bildern zugeordnet werden (vgl. Holzinger et al., 2012, S. 126). Hieran schlossen sich Reflexionen zur Vorgehensweise an. Ziel dieser Aufgabe war, die SchülerInnen für verschie‐ dene Strategien der Bedeutungsbzw. Worterschließung zu sensibilisieren und auch eine Aufgabenbewusstheit (Martinez, Wäckerle, Tesch, 2017, S. 300f.) anzubahnen. In den SchülerInnenprodukten zeigt sich, dass die SchülerInnen bei der Bearbeitung dieser Aufgabe planvoll und strategiegeleitet vorgehen. Jannik notiert z. B. „Ich habe mich zuerst auf bekannte Wörter wie balón oder diagonal konzentriert und die mit den Bildern verglichen. Dann habe ich die Gegenstände in den Bildern in den Texten gesucht.“ Er verknüpft also top-down und bottom-up Strategien für die Bedeutungserschließung des spanischen Textes. Mithilfe der Bilder gelingt es ihm schließlich, unbekannte Lexeme in den Texten zu verstehen (z. B. barras). Nicole hält auf die Frage Quels mots est-ce que tu as pu deviner à l’aide du français ? Folgendes fest: los colores - les couleurs, un puente - un pont, el centro - le centre, las estrellas - les étoiles, la imagen - l’image, verde - vert, predominante - predominant (engl.), corona - Krone (dt.). Es zeigt sich, dass sie ihr gesamtes mehrsprachiges Repertoire zur Bedeutungserschließung mobilisiert, da sie neben Französisch auch Englisch und ihre Muttersprache Deutsch für die Vergleiche heranzieht. Interessant ist, dass die Aufgabenstellung keine Gegen‐ überstellung der Sprachen verlangte. Nicole notiert dennoch die französischen, englischen und deutschen Entsprechungen der spanischen Wörter. Es spricht vieles dafür, dass sie den Vergleich der bewussten Gegenüberstellung als eine Strategie wahrnimmt und entsprechend anwendet. Station 3 Est-ce que tu es un expert de foot ? enthält eine interlinguale Wortschatzübung, mit der das Wortfeld Fußball erarbeitet wurde. Dabei sollten vorgegebene französische Wörter den spanischen Entsprechungen zugeordnet werden. Anschließend sollten die SchülerInnen auch die deutsche Übersetzung notieren, um so einen dreisprachigen Vergleich spanisch/ französisch/ deutsch zu initiieren. Die Übung wurde von einer Reflexionsaufgabe flankiert. Djawed notiert hierzu: „Die Sprachen haben Artikel. Spanische Nomen fangen auch klein an“. Dies mag auf den ersten Blick keine überraschende Einsicht sein, allerdings muss berücksichtigt werden, dass es Sprachen gibt, die ohne Artikel 53 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="54"?> auskommen (z. B. Russisch) oder aber den bestimmten Artikel an das Nomen hängen (z. B. Rumänisch). Auch die Tatsache, dass er die Kleinschreibung von Substantiven im Spanischen wahrnimmt, ist erwähnenswert. Seine Einsichten haben also durchaus einen sprachbewusstheitsfördernden Charakter. Michaels Beobachtungen zu der durchgeführten Aufgabe sind im Vergleich dazu eher globaler Natur: „Die Wörter ähneln sich und es ist möglich, dadurch fast jedes Wort abzuleiten“. Michael hätte hier noch herausarbeiten können, worin genau die Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen, um so eine spra‐ chenübergreifende Sensibilisierung anzubahnen. Steffi hingegen beobachtet Folgendes: „Manche Wörter sind bei Spanisch und Französisch fast gleich, z. B. el balón (span.) - le ballon (frz.), andere lassen sich besser mit Englisch vergleichen, z. B. área de penalti (span.) - penalty area (engl.).“ Beim Vergleich der fremdsprachlichen Strukturen gelingt es Steffi, ihr mehrsprachiges Repertoire zu mobilisieren und für die Analyse fruchtbar zu machen. Bei Station 4 Real Madrid contre Barça - c’est un classique ! ging es schließlich darum, einen Text in Form einer Sportberichterstattung lesend zu verstehen und im Anschluss daran multiple-choice Fragen zu beantworten, um das Text‐ verständnis zu sichern. Die SchülerInnen konnten hier auf das in Station 3 erarbeitete Vokabular zum Wortfeld Fußball zurückgreifen, sodass eine gewisse Progression gegeben war. Bei der Analyse der SchülerInnenprodukte zeigte sich, dass diese Aufgabe von allen SchülerInnen nahezu ohne Schwierigkeiten bearbeitet werden konnte. In Bezug auf die Lernziele lässt sich festhalten, dass die Lernenden die Textauszüge in einer bisher ungelernten Sprache erschließen und unbekannte Lexeme durch Ableitung sinngemäß verstehen konnten. Die Auszüge zeigen, dass die SchülerInnen eine breite Palette an Strategien anwenden. In Bezug auf die Reflexion des Sprachlernprozesses ist allerdings zu sagen, dass es einigen SchülerInnen nicht gelingt, tiefergehende Einsichten in ihren Lernprozess zu verbalisieren. Teilweise bleiben die formulierten Beobachtungen auf einem sehr allgemeinen Niveau. Grundsätzlich schienen die SchülerInnen durchaus moti‐ viert für das Stundenthema, wie sich an den folgenden SchülerInnenäußerungen zeigt: Kathrin ist bspw. überrascht, dass sie Italienisch lesend verstehen kann: „Ich hätte nicht geglaubt, dass man so viel versteht von dem italienischen Text“ und auch Steffi erwähnt den Faktor Motivation: „Also ich fand’s auch gut, weil man dann auch wirklich motiviert war, wenn man was verstanden hat“. Allerdings spricht sie auch Schwierigkeiten an, die sie bei der Übertragung hatte: „Als man übersetzen musste, […] also, man wusste was das heißt, aber dann das im Kopf dann wieder umzudenken ins Französische, das war schwierig“. 54 Tanja Prokopowicz <?page no="55"?> 1. 2. Hier zeigt sich, dass das Oszillieren zwischen mehreren Sprachen mitunter als Herausforderung empfunden wird. Neben diesen eher positiven Stimmen sollen im Sinne der Offenheit aber auch Kritikpunkte der SchülerInnen dargestellt werden. Petra äußert sich bspw. wie folgt: „Generell ist es gut zu wissen, wie viel man von anderen Sprachen versteht, aber so für Französisch, also um die Französische Sprache zu lernen, bringt mir das ja gar nichts“. Auch Jennifer äußert sich ähnlich: „Also ich fand das mal ganz interessant so, […] aber ich bräuchte das jetzt nicht jede Stunde“. Die SchülerInnen sprechen hier ein Dilemma des sprachenübergreifenden Un‐ terrichtens an, der in einen Einzelsprachenunterricht eingebettet ist. Es besteht darin, die sprachliche Arbeit nicht zu vernachlässigen. Grundsätzlich deuten die SchülerInnenäußerungen aber auch darauf hin, dass Sprachen in Fächern gedacht werden und die Vernetzung von vor- und potentiell nachzulernenden Sprachen aus Schülersicht eine untergeordnete Rolle spielt. Offenbar werden aber auch die retroaktiven Festigungseffekte nicht wahrgenommen, die sich auf die Brückensprachen Französisch (und Englisch) ergeben können. Djawed äußert sich ähnlich kritisch, allerdings stellt er die Vorteile des reflexiven Lernens heraus: „Also zum Französischunterricht selbst hat das ja direkt nichts beigetragen, aber es war trotzdem wahrscheinlich ziemlich nützlich, für später, für andere Sprachen. Einfach zu erkennen, zumindest bei den europäischen Sprachen, dass sich die stark ähneln, dass man vergleicht“. 5. Evaluation der Unterrichtsreihe In Kapitel 5 werden zunächst die herausgearbeiteten Befunde mit Blick auf die in Kapitel 1 aufgeworfenen forschungsleitenden Fragen diskutiert. Daran schließt eine Reflexion des Vorgehens, auf deren Grundlage Implikationen für die pädagogische Praxis generiert werden. 5.1 Diskussion der Befunde Die Auswertung des Fragebogens zur Unterrichtswahrnehmung nach Durch‐ führung der Unterrichtseinheit ergibt folgendes Bild: + + + - - - Die Arbeit an den Themen fand ich interessant. 5 9 2 0 Die Bedeutung der Unterrichtsinhalte für meinen weiteren Lernweg ist mir klar. 7 6 3 0 55 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="56"?> 3. 4. Die inhaltlichen Anforderungen haben mich weiter‐ gebracht. 4 7 4 0 Ich hatte die Möglichkeit eigenverantwortlich zu lernen. 10 6 0 0 Abbildung 4: Auswertung des Fragebogens zur Unterrichtswahrnehmung Ein Großteil der SchülerInnen empfand die Arbeit am Thema „Pourquoi ap‐ prendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ interessant bzw. sehr interessant (Item 1), was sich mit schriftlichen SchülerInnenäußerungen aus dem offenen Teil (das fand ich gut) deckt: „Arbeit mit Spanisch und Italienisch war cool. Ähnlichkeit der Sprachen wurde mir bewusst“. Auch scheint den SchülerInnen nach eigener Aussage die Bedeutung der Unterrichtsinhalte für den weiteren Lernweg deutlich geworden zu sein (Item 2). Die inhaltliche Ausrichtung und thematische Einbindung der Unterrichtseinheit hingegen empfanden immerhin ein Viertel der SchülerInnen als nicht lernförderlich (Item 3), während alle SchülerInnen die Möglichkeit zum selbstgesteuerten Lernen innerhalb der Unterrichtsreihe wahrnahmen (Item 4). Hierzu eine SchülerIn‐ nenäußerung aus dem Fragebogen: „Ich fand es gut, dass Sie uns vor Augen geführt haben, warum wir lernen.“ Die Lernausgangslage zeigt, dass die SchülerInnen keine Erfahrungen mit dem reflexiven Lernen hatten. Durch das Lernprotokoll sollten die Schüler- Innen für die Reflexion ihres Sprachlernprozesses sensibilisiert werden. Die Auszüge aus den Lernprotokollen legen allerdings nahe, dass die SchülerInnen teilweise Schwierigkeiten damit hatten, solche Einsichten herzustellen bzw. diese zu verbalisieren. Nach Sichtung der ersten Lernprotokolle wurde z. B. deutlich, dass es nur wenigen SchülerInnen gelang, Einblicke in ihren Fremd‐ sprachenlernprozess zu gewinnen und diese festzuhalten. Dies mag einerseits der Tatsache geschuldet sein, dass die meisten SchülerInnen ihr Lernproto‐ koll erfreulicherweise auf Französisch ausfüllten, sodass hier sicherlich auch Formulierungsschwierigkeiten bestanden. Andererseits wiesen aber selbst die auf Deutsch verfassten Lernprotokolle kaum tiefergehende Einsichten auf, sodass sich dieser Befund nicht allein mit Ausdrucksschwierigkeiten in der Fremdsprache erklären lässt. Der Standard 1 zu SLK „Die SchülerInnen können den Sprachlernprozess reflektieren und optimieren“ trifft also nur auf Teile der Lerngruppe zu. Dies spricht dafür, dass das Reflektieren geübt werden muss, denn das Sichtbarmachen von Lernen funktioniert nur, wenn entsprechende Einsichten verbalisiert werden können. So war in einigen Fällen zu beobachten, 56 Tanja Prokopowicz <?page no="57"?> dass die SchülerInnen zwar Strategien anwandten und ihnen diese auch bewusst waren, weil sie sie mir gegenüber benennen konnten. Allerdings schien es aus ihrer Sicht nicht wichtig, diese im Lernprotokoll festzuhalten. Offenbar kam es den SchülerInnen teilweise seltsam vor, über ihr Sprachenlernen nachzudenken. Diese Befunde sprechen dafür, dass es den SchülerInnen nur eingeschränkt gelingt, ihr Fremdsprachenlernen als einen aktiven Konstruktionsprozess zu konzeptualisieren. Mitunter wurde auch der Einsatz des Lernprotokolls als wenig gewinnbringend erachtet: „Das journal de bord finde ich überflüssig, da ich auch ohne es aufzuschreiben über mein Lernen nachdenken kann“. Durch sprachenübergreifende Methoden wie Interkomprehension sollten die SchülerInnen ferner dafür sensibilisiert werden, sprachvergleichende Stra‐ tegien anzuwenden und deren Anwendung zu überwachen, um ihre SLK zu erweitern und auszubauen. Daneben war auch eine Sensibilisierung in Bezug auf affektive Strategien intendiert, z.B. wenn es darum geht, die Motivation aufrechtzuerhalten oder - in Abhängigkeit zur Aufgabe - nicht immer alles verstehen zu müssen. Die SchülerInnenprodukte zeigen, dass ein Großteil der SchülerInnen eine breite Palette an Strategien anwendet (u.a. interlinguale Sprachvergleiche, Kombination von top-down und bottom-up Prozessen, Ana‐ lyse fremdsprachiger Strukturen durch Segmentieren, Hinzuziehung externer Ressourcen in Form von Wörterbüchern, intelligent guessing, Formulierung von Hypothesen in Form von Regeln). Die SchülerInnen sind also größtenteils in der Lage, ihre „eigenen rezeptiven und produktiven Kompetenzen […] durch geeignete Strategien zu erweitern“ (Standard 2). Weiterhin zeigen die Auszüge aus den SchülerInnenprodukten, dass es den SchülerInnen gelingt, „auch auf Kompetenzen zurückzugreifen, die in anderen Sprachen erworben wurden“ (Standard 5). Allen SchülerInnen gelingt es, ihr mehrsprachiges Repertoire zu mobilisieren und ihr Vorwissen z. B. für die Bedeutungserschließung eines unbekannten Textes fruchtbar zu machen. Insgesamt zeigt sich anhand der Befunde, dass die Förderung von SLK durch den Einsatz eines Lernprotokolls und mehrsprachige Aufgabenformate wie z. B. Interkomprehensionsaufgaben gefördert werden kann (Forschungsfrage 2: Wie kann neben der individuellen Mehrsprachigkeit die Förderung von SLK erfolgen? ). Was die Forschungsfrage 1 (Wie kann die Förderung individueller Mehr‐ sprachigkeit im Rahmen eines kommunikativen und schülerorientierten Fran‐ zösischunterrichts umgesetzt werden? ) betrifft, ist festzustellen, dass die Unterrichtsreihe dazu geeignet war, die Kompetenz zur Ausweitung eines mehrsprachigen Repertoires zu fördern. Die SchülerInnenprodukte belegen, dass es den Lernenden - wenn auch in unterschiedlichem Maße - gelang, Ressourcen wie „wissen, dass zwischen Sprachen Gemeinsamkeiten und Unter‐ 57 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="58"?> schiede bestehen“ (K 6); syntaktische oder morphologische Strukturen erkennen und analysieren können (S 1.4)“ (Candelier et al., 2012) zu mobilisieren. Daneben deuten die Befunde darauf hin, dass auch die affektiv-attitudinale Dimension durch sprachenübergreifendes Lernen angesprochen werden konnte. Die Schü‐ lerInnenprodukte verweisen darauf, dass die Lernenden die Ressource être sensible à la fois aux différences et aux similitudes entre des langues différentes mobilisieren konnten, wenngleich hier teilweise noch Förderungsbedarf be‐ steht, worin genau die Unterschiede und Ähnlichkeiten bestehen. Schließlich zeigt sich, dass bei einem Großteil der SchülerInnen eine curiosité envers la découverte du fonctionnement des langues; acceptation positive de la diversité linguistique nachgewiesen werden konnte. Allerdings ist auch hier einschrän‐ kend festzustellen, dass dies nicht für die gesamte Lerngruppe gilt. Obwohl die SchülerInnen im Selbsteinschätzungsbogen angeben, dass sie durchaus am Erlernen weiterer Fremdsprachen interessiert sind, scheinen Fremdsprachen für einen Teil der SchülerInnen keine große Relevanz zu haben. Thomas‘ Aussage ist insofern programmatisch „Ich kann schon kein Französisch, wieso soll ich dann Spanisch lernen? “. Demgegenüber stehen SchülerInnen wie Petra und Marina, deren Begeisterung für die Auseinandersetzung mit bisher unbekannten Fremdsprachen im Rahmen der Unterrichtsreihe deutlich zutage trat. 5.2 Reflexion des Vorgehens Ich möchte in diesem Kapitel nun auf grundsätzliche Beobachtungen zur Unter‐ richtsreihe eingehen. Zunächst ist zu sagen, dass sprachenübergreifende Lehr-/ Lernverfahren mit erhöhten Anforderungen an die Lehrkraft einhergehen. Ich bin zwar eine Fremdsprachenlehrerin und verfüge über gute Kenntnisse in Spanisch und auch über grundlegende Kenntnisse in Italienisch - allerdings bin ich eben keine Spanischbzw. Italienischlehrerin. So macht Nieweler (2001, S. 5) darauf aufmerksam, dass sprachenübergreifendes Lehren und Lernen mit einer veränderten Lehrrolle einhergeht: „Er (der Lehrer) muss auch einen über‐ zogenen Anspruch auf sprachliche Korrektheit im Sinne eines möglichst hohen Grades an Perfektion aufgeben, denn dieser steht dem Erwerb einer Sprachen‐ vielfalt entgegen“. Daran schließt sich die Frage nach den Lehrkompetenzen an (vgl. auch ebd., S. 7), denn Fremdsprachenlehrkräfte werden bisher nicht flä‐ chendeckend für den Mehrsprachenunterricht ausgebildet. Eine gewisse Exper‐ tise in Sachen mehrsprachigkeitsdidaktisch-orientierter Fremdsprachenunter‐ richt ist allerdings unabdingbar für dessen Gelingen, denn LehrerInnen greifen im Unterricht stark auf ihr eigenes mehrsprachiges Repertoire zurück (vgl. auch Prokopowicz, 2017, S. 350 f.) Grundsätzlich sprechen diese Erfahrungen dafür, 58 Tanja Prokopowicz <?page no="59"?> 17 Zu Team-Teaching und Team-Learning in der LehrerInnenausbildung s. auch Fliri et al. im vorliegenden Band. sprachenübergreifenden Unterricht z. B. im Rahmen eines Team-Teaching 17 durchzuführen, bei dem zwei Fremdsprachenlehrkräfte als Experte/ tin für ihr Sprachfach stehen (vgl. Prokopowicz, 2017, S. 355). Ferner konnte ich die Beobachtung machen - und die Befunde aus den Lernprotokollen und SchülerInnenprodukten stützen dies - dass sprachenüber‐ greifendes Lernen vor allem solche LernerInnen anspricht, die ohnehin Spra‐ chen vergleichen und in der Lage sind, ihren Sprachlernprozess zu reflektieren bzw. zu verbalisieren. Bei ihnen erfolgt der Rückgriff auf Vorwissen mehr oder weniger automatisiert, ihre Brückensprache scheint stärker präsent zu sein als bei denjenigen LernerInnen, die eine Vorentlastung bzw. Formen von scaffolding und zusätzliche Übungen benötigen. Aus diesen grundsätzlichen Reflexionsansätzen sowie den herausgearbei‐ teten Gründen für das Gelingen bzw. Nichtgelingen im Rahmen der darge‐ stellten Unterrichtsstunden lassen sich folgende Konsequenzen für die pädago‐ gische Praxis ableiten: Erstens sollten Phasen des reflexiven Lernens als Teil des Fremdsprachenunterrichts etabliert werden. Es hat sich gezeigt, dass das Lern‐ protokoll Schwierigkeiten deutlich macht und zeigt, wo die SchülerInnen stehen und wo Förderbedarf besteht. Es sollte daher als fortwährendes Diagnose- und Förderinstrument eingesetzt werden, um mit den SchülerInnen in einen Dialog über Gelerntes bzw. nicht Gelerntes zu treten. Um die SchülerInnen zu tiefergehenden Reflexionen anzuleiten, wäre die Methode des Lauten Den‐ kens vorstellbar, bei der die Lernenden bei der Lösung einer Aufgabe ihre Gedanken zur Vorgehensweise verbalisieren und aufnehmen. Die Überlegungen der SchülerInnen über ihre Herangehensweise können eine Grundlage sein, um angewandte Strategien ins Bewusstsein zu heben. Zweitens wurde deutlich, dass der Einsatz von audiovisuellen Medien in Form von Filmauszügen, Liedern und Bildern in Form von Filmplakaten die SchülerInnen motiviert und das Redebedürfnis erhöht. Daneben hat sich gezeigt, dass (unbekannte) Sprachen auch z. B. als Hörverstehensaufgaben wie auch Sprachmittlung gewinnbrin‐ gend in den Mehrsprachenunterricht integriert werden können. Drittens sind mehrsprachige Vergleiche in Form von Wortserien stärker für die sprachliche Arbeit im Französischen zu nutzen, um Vernetzungen innerhalb der Zielsprache und zwischen Sprachen zu ermöglichen. Die Auszüge aus den SchülerInnen‐ produkten und Lernprotokollen legen zwar nahe, dass die SchülerInnen für den zwischensprachlichen Vergleich sensibilisiert werden konnten. Um diese Vergleiche aber auch für Französisch nutzbar zu machen, sind Wortserien 59 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="60"?> unabdingbar. So wäre es wünschenswert, dass das Erkennen des spanischen Wortes barras einen Vergleich zu Französisch barre nach sich zieht, der zugleich die Frage aufwirft, inwiefern dies mit deutschen Wort Barren zusammenhängt. Denn beim sprachenübergreifenden Lernen geht es nicht nur um eine zwischen‐ sprachliche Sensibilisierung, sondern auch um die Fragen „Woher kommen die Wörter? Wohin gehen sie? Und warum tun sie dies? “ (Nieweler, 2001, S. 10). 6. Fazit und Ausblick Der vorliegende Artikel untersuchte die Umsetzung von Mehrsprachenunter‐ richt mit dem Schwerpunkt auf Interkomprehension in der unterrichtlichen Praxis, die in den Französischunterricht eingebettet war. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die SchülerInnen das Lernangebot zum selbstgesteu‐ erten, sprachenübergreifenden Lernen annahmen, wenngleich sie sich mit unterschiedlicher Begeisterung darauf einließen. Die SchülerInnen waren in der Lage, auch ohne vorherige Vorentlastung ihr mehrsprachiges Reper‐ toire zu mobilisieren, um bisher ungelernte Sprachen zu erschließen. Sie konnten also ihre individuelle Mehrsprachigkeit fruchtbar machen und auch ansatzweise ausbauen. Weitere Sprachen in den Einzelzielsprachenunterricht zu integrieren scheint aus SchülerInnensicht jedoch eine Besonderheit zu sein. Dies spricht dafür, dass eine stärkere Verzahnung von Sprachen und Sprachlernerfahrungen weiterhin ein Desiderat bleibt. Denn Mehrsprachen‐ unterricht ermöglicht Einsichten in Sprachlernprozesse, die für die Ausbil‐ dung von Sprachlernkompetenz förderlich sind, was die Auszüge aus den Lernprotokollen und den SchülerInnenprodukten belegen. Die Relevanz des sprachenübergreifenden Lernens ergibt sich allerdings nicht nur vor dem Hin‐ tergrund des Lernziels ‚lebenslanges Lernen‘. Daneben kann die Öffnung des Fremdsprachenunterrichts auch dazu beitragen, den einzelzielsprachlichen Horizont um eine mehrkulturelle Perspektive zu erweitern. Auf dieser Basis lassen sich interkulturelle Kompetenzen aufbauen, die über einen Vergleich zwischen Ausgangs- und Zielkulturen hinausgehen. 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Zur Selbsteinschätzung zu Strategien und Lernkompetenzen. Französisch heute 3, 249-266. Wandruszka, Mario (1979). Die Mehrsprachigkeit des Menschen. München: R. Piper & Co. Verlag. 63 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="64"?> Anhang 5.1 Fragebogen zur Selbsteinschätzung Liebe Schülerinnen und Schüler der E-Phase, der vorliegende Fragebogen soll Euch dabei helfen, über das Fremdsprachen‐ lernen nachzudenken. So könnt Ihr herausfinden, wie Ihr am besten lernt. Bitte nehmt Euch Zeit zum Beantworten und lest die Fragen aufmerksam durch. Kreuzt im ersten Teil des Fragebogens (Nummern 1-4) bitte das entsprechende Feld an. Daneben gibt es einen offenen Teil (Nummern 5-9), bei dem ich Euch bitten möchte, die Fragen schriftlich zu beantworten. Vielen Dank für Eure Mitarbeit! PS: Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten! 1. Ich kann mich für mein Lernen motivieren. das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich Ich bin mir meiner Motivation bewusst bzw. ich kann darüber nachdenken. Ich kann mich für mein Lernen motivieren, z. B. indem ich mich für meine Lernerfolge belohne. Ich kann mich selber neu motivieren, wenn ich merke, dass meine Motivation nachlässt. Ich bin mir meiner Gefühle und Emotionen beim Lernen bewusst bzw. ich kann darüber nachdenken. Ich kann erkennen, dass bestimmte Gefühle und Emotionen mich bei der Arbeit ermuntern oder unterstützen (z. B. Erfolgserlebnis). Ich kann erkennen, ob mich bestimmte Gefühle und Emotionen daran hindern, eine Aufgabe zu lösen (z. B. Langeweile, Angst vor dem Sprechen) 2. Ich kenne unterschiedliche Methoden und Strategien zum Sprachenlernen, z. B. … das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich … Grammatikübungen bearbeiten … in der Fremdsprache sprechen … in der Fremdsprache lesen … aus der Fremdsprache übersetzen 64 Tanja Prokopowicz <?page no="65"?> … etwas in der Fremdsprache zusammenfassen … beim Lesen oder Hören Notizen machen … Fragen stellen, um Erklärungen zu bekommen … Sätze und Strukturen analysieren, um Gram‐ matikregeln abzuleiten 3. Ich kann meine Stärken und Schwächen als Lerner erkennen bzw. darüber nachdenken. das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich Ich kann meinen eigenen Lernstil erkennen (z. B. ob ich eher visuell oder auditiv lerne, perfektionistisch oder risikofreudig bin) bzw. darüber nachdenken. Ich kann meine eigenen Lernstrategien erkennen (z. B. ich kann Wörter assoziieren, ich kann Texte global verstehen) bzw. darüber nachdenken. Ich kann meinen Fortschritt beim Lernen be‐ werten. Ich achte auf meine Fehler im Französischen und lerne aus ihnen. Ich versuche herauszufinden, wie ich ein besserer Fremdsprachenlerner werden kann. 4. Ich kann mein Lernen selbständig gestalten. das kann ich das möchte ich lernen nicht wichtig für mich Ich kann allein arbeiten (z. B. eine vorgegebene Aufgabe allein durchführen). Ich kann von mir aus mit einzelnen Lernaktivi‐ täten beginnen. Ich kann von mir aus mit einzelnen Lernaktivitäten beginnen und auch durch schwierige Phasen aufrechterhalten (z. B. wenn es weniger Spaß macht oder wenn es schwieriger ist, als ich dachte). Ich kann Strukturen und Muster in der Fremd‐ sprache analysieren und daraus Schlüsse über die Struktur oder den Gebrauch der Sprache ziehen (z. B. beobachten, wie die Pluralformen gebildet werden oder wie die Zeiten der Vergan‐ genheit verwendet werden). 65 „Pourquoi apprendre le français - est-ce que l’anglais ne suffit pas ? “ <?page no="66"?> Ich kann einzelne Aspekte der Fremdsprache ana‐ lysieren und sie mit meiner Muttersprache oder mit anderen mir bekannten Fremdspra‐ chen vergleichen (z. B. Grammatikstrukturen, Wortschatz, Satzbau). Ich suche nach Wörtern in meiner Mutter‐ sprache, die neuen Vokabeln in Französisch ähnlich sind. Ich suche nach Wörtern in mir bekannten Fremdsprachen, die neu gelernten Wörtern im Französischen ähnlich sind. Ich versuche, die Bedeutung einer neuen Vokabel zu erraten. Ich nehme das englische Wort, wenn mir im Französischen Wörter fehlen. 5. Welche Sprache(n) sprichst Du zu Hause? 6. Welche Sprachen hast Du ab wann gelernt? 7. Welche Sprache möchtest Du gern noch lernen? Warum? 8. Wenn es eine Sprache gäbe, die alle Menschen lernen sollten - welche wäre das Deiner Meinung nach? Warum? 9. Hast du schon einmal mit einem Lernprotokoll gearbeitet? Wenn ja, in welchem Fach? 66 Tanja Prokopowicz <?page no="67"?> Anregungen für die Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen im Russischunterricht Ursula Behr Abstract Die Kultusministerkonferenz verlangt die Förderung mehrsprachiger Kom‐ petenz, fordert in den Nationalen Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003), SchülerInnen auf ein Handeln in mehrsprachigen Situationen vorzubereiten, und führt mit den Standards für die Allgemeine Hochschulreife (2012) Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz als ver‐ bindliche Kompetenzbereiche ein. Damit werden bildungspolitische Impulse für veränderte Lernziele gegeben: die Öffnung des schulischen Einzelspra‐ chenunterrichts für mehrsprachigkeitsrelevante Zugänge und die Ergänzung einzelsprachlicher Unterrichtsroutinen durch sprachenübergreifende Lehr- und Lernansätze. Letztere müssen von SchülerInnen in konkreten Aufgaben erlebbar werden - im Lern- und auch im Leistungsraum. Der Beitrag gibt für den Russischunterricht der Klassenstufe 8 Anregungen für die Konstruktion und Bewertung von Aufgaben, die sprachenübergrei‐ fende Kompetenzen erfordern. Die Ausführungen werden ergänzt um Infor‐ mationen über die Erprobung, die Einschätzung der Anforderungen in den Aufgaben durch die RussischlernerInnen und die Beurteilung der Praktika‐ bilität des Bewertungsansatzes durch die Russischlehrkräfte. 1. Einführung Die Kultusministerkonferenz verlangt die Förderung mehrsprachiger Kompe‐ tenz, fordert in den Nationalen Bildungsstandards für den Mittleren Schulab‐ schluss (2003), SchülerInnen auf ein Handeln in mehrsprachigen Situationen vorzubereiten, und führt mit den Standards für die Allgemeine Hochschulreife (2012) Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz als verbindliche Kompe‐ <?page no="68"?> tenzbereiche ein. Damit werden bildungspolitische Impulse für Veränderungen des schulischen Fremdsprachenunterrichts gegeben: die Öffnung für mehrspra‐ chigkeitsrelevante Zugänge und die Ergänzung einzelsprachlicher Unterrichts‐ routinen durch sprachenübergreifende Lehr- und Lernansätze. In den Thüringer Lehrplänen (www.schulportal-thueringen.de/ web/ guest/ lehrplaene/ gymnasium) werden für alle Fächer des sprachlichen Aufgaben‐ feldes, d. h. Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Spanisch sowie Latein und Griechisch, sprachenübergreifende Kompetenzen als gemein‐ same Zielsetzung jeglichen Sprachunterrichts ausgewiesen. Dabei erfolgt die Darstellung sprachenübergreifender Kompetenzen in allen Sprachen als inte‐ grativer Bestandteil des Einzelfachlehrplans. Mit der Einführung eines eigen‐ ständigen Lernbereichs Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren haben sprachenübergreifendes Lernen und die Entwicklung von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz einen Verbindlichkeitsgrad in allen Sprachfächern der Klassenstufen 5 bis 12 erfahren. Die Zuordnung von sprachenübergreifenden Zielen zu bestimmten Klassenstufen und die damit verbundene Progression der Kompetenzentwicklung erfolgt durch: • die Verwendung unterschiedlicher Operatoren, • einen unterschiedlichen Grad an erwarteter Selbstständigkeit, • die Bindung an die jeweiligen niveauspezifischen sprachlichen Mittel sowie Rezeptions- und Produktionsstrategien, • die Ausweisung unterschiedlicher Gegenstände für den Sprachenbzw. Kulturvergleich. Als verbindlicher Lernbereich ist die Entwicklung sprachenübergreifender Kompetenzen in Thüringen leistungsrelevant. In diesem Kontext ist folglich die Frage nach geeigneten Aufgaben zur Leistungsüberprüfung und nach Kri‐ terien der Leistungseinschätzung bedeutsam. Dies wird im Folgenden für den Russischunterricht in der Sekundarstufe I exemplifiziert. 2. Eine Leistungsüberprüfung zum sprachenübergreifenden Lernen im Russischunterricht der Klassenstufe 8 (A2) Für die Beantwortung der o. g. Fragen gilt es, eine Form der Leistungsüberprü‐ fung zu konstruieren, die • die spezifischen Zielperspektiven sprachenübergreifender Kompetenz‐ entwicklung abbildet, • für die SchülerInnen ansprechende und gleichermaßen fordernde, aber lösbare Aufgabenformate vorsieht, 68 Ursula Behr <?page no="69"?> • nachvollziehbare und praktikable Einschätzungskriterien anwendet, die auch eine Benotung ermöglichen, • im für schriftliche Leistungsnachweise üblichen Zeitrahmen zu absol‐ vieren ist. Die Umsetzung dieses grundsätzlichen Anspruchs wird in den folgenden Ausführungen für eine Klassenarbeit in der Klassenstufe 8 (Niveaustufe A2) präzisiert und verbunden mit der Darstellung von Erprobungsergebnissen. 2.1 Ziele der Leistungsüberprüfung Mit der Leistungsüberprüfung soll in Form einer schriftlichen Klassenarbeit ermittelt werden, • welche Strategien sprachenübergreifenden Lernens SchülerInnen der Klassenstufe 8 (Niveaustufe A2) anwenden und • inwieweit sie Russisch als Brückensprache für das Erschließen anderer slawischer Sprachen nutzen. Die entwickelten Testaufgaben bilden wesentliche Zielperspektiven des Thü‐ ringer Russischlehrplans (2011) im Lernbereich Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren für Russisch als zweite Fremdsprache am Gym‐ nasium ab. Die Auswahl des Sprachmaterials und der situativen Kontexte orien‐ tiert sich an den Lehrplananforderungen für die Niveaustufe A2. Zudem sind die Aufgaben so konzipiert, dass sie im Rahmen einer regulären Unterrichtsstunde absolviert werden können, d. h. den allgemeinen Zeitrahmen für schriftliche Klassenarbeiten nicht überschreiten. Im Rahmen der Erprobung der Testaufgaben wurden zusätzlich Einschät‐ zungsbögen eingesetzt, um Aussagen von ProbandInnen und Lehrkräften zum Schwierigkeitsgrad bzw. zur Eignung der Testaufgaben sowie zur Reflexion über das Vorgehen beim Erschließen unbekannter Sprachen einzuholen. 2.2 Erprobungskontext Die Erprobung erfolgte in jeweils einer achten Klasse an zwei Thüringer Gymna‐ sien (Ostthüringen und Nordthüringen). Hinweise zur Testdurchführung sowie die Aufgabenblätter wurden den beiden Lehrkräften vorab zugesendet und mit Schülernummern versehen. Eine namentliche Zuweisung erfolgte durch die jeweilige Lehrkraft. Diese erstellte für die Testleiterin eine Übersicht, die für jede Schülernummer Angaben enthält zum Geschlecht, zum Leistungsfeld („leistungsstark“, „Mittelfeld“, „leistungsschwach“) sowie zur Russischnote. Die Zuweisung in die drei Leistungsfelder durch die Lehrkraft generiert sich aus den Ergebnissen und vorhergehenden Erfahrungen im Lern- und Leistungsraum 69 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="70"?> 1 Ich danke Frau Dr. Heike Wapenhans (HU Berlin) für die konstruktiven Anmerkungen zur Aufgabenkonstruktion. und ist zweifellos subjektiv. Für die Testdurchführung und -auswertung wurde diese Form der Leistungszuschreibung als Vergleichsgröße beibehalten. Die Namen der ProbandInnen waren der Testleiterin nicht bekannt. Die Klassenarbeit wurde im regulären Russischunterricht geschrieben und der Test‐ termin von der jeweiligen Lehrkraft festgelegt. Eine gezielte Vorbereitung auf die konkreten Testaufgaben durch die Lehrkraft oder detaillierte Informationen an die ProbandInnen waren ausgeschlossen. Schulleitung und Eltern hatten im Vorfeld der Testdurchführung und -aus‐ wertung zugestimmt. 2.2.1 Zusammensetzung der Stichproben Gymnasium O (Ostthüringen) Anzahl: 21 ProbandInnen (alle mit Deutsch als Muttersprache/ L1 und Rus‐ sisch als 2. Fremdsprache) Geschlecht: 7 weiblich (w.), 14 männlich (m.) Leistungsfeld: 4 leistungsstark (2 w., 2 m.); 5 Mittelfeld (3 w., 2 m.); 12 leistungsschwach (2 w.,10 m.) Gymnasium N (Nordthüringen) Anzahl: 20 ProbandInnen (1 Schülerin mit Albanisch als Herkunftssprache, seit 2 Jahren in Deutschland; für alle anderen SchülerInnen ist Deutsch die Muttersprache/ L1; alle ProbandInnen lernen Russisch als 2. Fremdsprache) Geschlecht: 12 weiblich (w.), 8 männlich (m.) Leistungsfeld: 5 leistungsstark (3 w., 2 m.); 9 Mittelfeld (7 w., 2 m.); 6 leistungsschwach (2 w., 4 m.) 2.3 Struktur, Anforderungen und Bewertungsansatz Die Konzeption 1 der Klassenarbeit orientiert sich an den von Behr (2014, S. 236ff.) beschriebenen Anforderungen an die Konstruktion von Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen und berücksichtigt v. a. nachfolgende Aspekte: 70 Ursula Behr <?page no="71"?> 2 In den Aufgabenblättern für die SchülerInnen wird die in Leistungsüberprüfungen der Klassenstufe 8 übliche Begrifflichkeit „Punkt“ (P.) verwendet. • gleichzeitige Ausrichtung der Schülertätigkeiten auf das Russische und mindestens eine weitere Sprache, • Einbezug von Deutsch und der ersten Fremdsprache Englisch, • Bereitstellung einer hinreichenden Vergleichsbasis für das Russische zu anderen Sprachen, • Schaffung von Anknüpfungspunkten für die Wahrnehmung von Gemein‐ samem, Ähnlichem und Unterschiedlichem, • Anregung von induktiv-vergleichenden Schülertätigkeiten und konzen‐ trierter Arbeitsweise, • Absicherung von Variabilität der ausgelösten Lerntätigkeiten durch ver‐ schiedenartige Inhalte und Aufgabenformate, • Berücksichtigung von kommunikativer Relevanz und Gegenwartsorien‐ tiertheit, • Anregung der Reflexion und Dokumentation von Lernprozessen und Lernergebnissen. Die benannten Anforderungen werden in spezifischer Weise umgesetzt, indem der Aspekt der Leistungsüberprüfung in den Fokus rückt und Aspekte der Gestaltung von Klassenarbeiten (vgl. z. B. Thaler, 2008) beachtet werden. Es werden eine innere Progression (vom Bekannten zum Unbekannten sowie vom Einzelwort zur kommunikativen Anwendung) berücksichtigt und für die Testaufgaben unterschiedliche Formate genutzt, z. B. Zuordnung, Bildunterstüt‐ zung, Rätsel, Dialog. Für Russisch als Brückensprache kommen Polnisch, Tsche‐ chisch und Bulgarisch zur Anwendung. Die unterschiedlichen Aufgabenformate ermöglichen die Anwendung verschiedener Erschließungstechniken. Für sämtliche Teilaufgaben sind zwei Einschätzungskriterien vorgesehen: Korrektheit und Vollständigkeit. Diese können einerseits unkompliziert und für SchülerInnen oder Außenstehende nachvollziehbar angewendet werden. Sie ermöglichen andererseits die Zuordnung von Bewertungseinheiten (BE), 2 die wiederum die Ableitung von Leistungsbereichen, z. B. gemäß Notenskala, zulassen. Im Fall der hier vorgestellten Klassenarbeit, die für die SchülerInnen Testcharakter hat, d. h. nicht von der Lehrkraft für das Bedingungsgefüge der eigenen Klasse entwickelt wurde, musste die Notenskala den in der Erprobung ermittelten Schwierigkeitsgrad berücksichtigen. Sie folgt somit der Wahrneh‐ mung sämtlicher ProbandInnen und der zwei Lehrkräfte, die die Klassenarbeit mehrheitlich als „mittelschwer“ einschätzen. Der Bewertungsansatz greift dies auf und geht von folgender BE-Verteilung aus: 71 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="72"?> Note BE-Zahl 1 (sehr gut) 42-39 2 (gut) 38-34 3 (befriedigend) 33-28 4 (ausreichend) 27-21 5 (mangelhaft) 20-13 6 (ungenügend) 12-0 Abbildung 1: Bewertungsmaßstab Im Folgenden werden die einzelnen Aufgaben für die Klassenstufe 8 mit ihrem Anforderungsprofil beschrieben und Hinweise zur BE-Vergabe gegeben. Die Aufgabenblätter befinden sich im Anhang. Aufgabe 1: Es handelt sich um eine einfache Zuordnung in bekannten thematischen Kon‐ texten: Sport und soziale Netzwerke bzw. Multimedia. Das russische Vokabular gehört jedoch nicht zur obligatorischen Lernlexik. Der Rückgriff auf vergleich‐ bare Begriffe im Deutschen oder Englischen ist hier eine hilfreiche Erschlie‐ ßungsstrategie. Das laute Lesen kann den Erschließungsprozess unterstützen und helfen, Parallelen zu deutschen oder englischen Lexemen zu erkennen. Das Formulieren eines geeigneten Oberbegriffs erfordert ein entsprechendes Abstraktionsvermögen. Für jede richtige Zuordnung und jeden passenden Oberbegriff sind 0,5 BE vorgesehen. Aufgabe 2: Die Aufgabe ist materialgestützt und beruht auf authentischen Fotos. Über den Sprachenvergleich zum Deutschen und das unterstützende laute Lesen können die gesuchten Begriffe (Sushi, Solarium, Piercing) erschlossen werden. In Teilaufgabe b) stellen die bildlichen Impulse zweifellos eine zusätzliche Hilfe dar. Die Lernenden sollten über die Art der Darstellung (zwei Schreiblinien) erkennen, dass zwei Begriffe zu finden sind. Für jedes richtige Lösungswort wird 1 BE vergeben. Aufgabe 3: Die Aufgabe 3 ist ebenfalls materialgestützt, sie zeigt den Ausschnitt aus einer authentischen Speisekarte. Beide Teilaufgaben setzen detailliertes Lesen voraus, 72 Ursula Behr <?page no="73"?> 3 Die Aufgabe wurde mit freundlicher Genehmigung aus den Aufgaben der sächsischen Slawiniade übernommen und geringfügig verändert. Teilaufgabe b) zusätzlich selektives Lesen. Auch hier kann der Erschließungs‐ prozess durch den Vergleich zum Deutschen und unterstützt durch lautes Lesen zum Erfolg führen. Der Abstraktionsprozess zum Finden eines geeigneten Oberbegriffs (Pizza) ist zusätzlich gebunden an die russische Schreibweise, eines den SchülerInnen aus dem regulären Unterricht bekannten Lexems. Für den richtigen Oberbegriff und dessen korrekte russische Schreibweise sowie für jedes der zu findenden Gerichte ist jeweils 1 BE vorgesehen. Aufgabe 4: Diese Aufgabe überprüft, inwiefern die ProbandInnen die russische Sprache, d. h. das aus dem Russischunterricht bekannte Vokabular, für das Erschließen an‐ derer slawischer Sprachen nutzen. Die Aufgabe gibt den thematischen Kontext Verkehrsmittel vor und verweist zusätzlich auf die zu erschließenden Sprachen. Auch hier können über das laute Lesen und das Nutzen von Klangbild und Schriftbild Ähnlichkeiten zum adäquaten russischen Vokabular oder auch zum Deutschen gefunden werden. Dies ist eher leicht bei tramwaj (Straßenbahn) und metro (Metro, U-Bahn) besonders anspruchsvoll bei pociąg (russ. поезд / Zug). Für vier der zu erschließenden Wörter ist jeweils 1 BE vorgesehen, für pociąg 2 BE. Aufgabe 5: 3 Die Teilaufgabe a) verbindet den Sprachenvergleich mit spielerischen Ele‐ menten. Das russischsprachige Vokabular ist den SchülerInnen bekannt. Erneut ist es das Suchen nach Ähnlichkeiten im Schrift- und Klangbild von russischen und tschechischen Lexemen, das als Erschließungstechnik zum Erfolg führt. Das Kreuzworträtsel bietet durch die Vorgabe von Kästchen eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit. Teilaufgabe b) erfordert den Transfer vom tschechischen trolejbus (Trolleybus, O-Bus, Oberleitungsbus) zum russischen троллейбус. Für jedes richtig eingesetzte Wort und für die richtige russische Schreibweise wird je 1 BE vergeben. Aufgabe 6: Die Aufgabe ist materialgestützt. Sie zeigt authentische Ausschnitte der Web‐ seite eines bulgarischen Reisebüros. Die zu erschließende Sprache wird in der Instruktion benannt. In Teilaufgabe a) ist das Weltwissen zum Thema Jahreswechsel die primäre Erschließungsquelle. Diese kann über den Sprachen‐ vergleich: Нова Година (bulgarisch) - Новый год (russisch) eine Bestätigung erhalten. Teilaufgabe b) erfordert detailliertes Lesen, für das in erster Linie die 73 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="74"?> russische Sprache die Kontrastfolie bildet. Ggf. kann auch über die Ähnlichkeit zum Deutschen (Transport, Exkursion) der Erschließungsprozess erfolgen. Für beide Teilaufgaben sind 2 BE vorgesehen. Aufgabe 7: Die Aufgabe 7 (a-c) ist sehr anspruchsvoll, da das Gespräch auf Polnisch in der Touristeninformation ohne jegliche visuelle Hilfen angeboten wird. Die Beantwortung der Fragen ist möglich mittels Weltwissen, z. B. Erkennen der Stadt Krakau, Begrüßungsfloskeln im Polnischen, durch das Erkennen von internationalem Wortschatz, z. B. Centrum Informacji, sowie von Ähnlichkeiten mit der deutschen, z. B. plan, bzw. der russischen Sprache, z. B. jest, wezmę plan, i jeszcze. Auch situations- und weltwissengestütztes Erraten kann hier angewendet werden, z. B. für das Erschließen von informator. In Teilaufgabe c) sollte die SchülerInnen über die Art der Darstellung (zwei Schreiblinien) erkennen, dass zwei Begriffe zu finden sind. Für die Teilaufgabe a) ist es erforderlich, die Überschrift des Dialogs für die situative Zuordnung zu nutzen und damit eine allgemeine Lesestrategie anzuwenden. Die Punkteverteilung sieht für a) 1 BE, für b) 2 BE (Stadtplan von Krakau) und für c) 3 BE (Stadtplan und ein Informationsmaterial für Touristen über Krakau) vor. 2.4 Erprobungsergebnisse 2.4.1 Gymnasium O Die Mehrzahl der ProbandInnen und deren Lehrkraft schätzten acht der ins‐ gesamt 13 Testaufgaben als „leicht“ und vier als „schwierig, aber machbar“ ein. Einzig die Einschätzung der Aufgabe 4 weicht zwischen ProbandInnen und Lehrkraft ab. Für die Mehrheit der SchülerInnen ist diese Aufgabe „sehr schwierig“, die Lehrkraft ordnet diese dagegen der Kategorie „schwierig, aber machbar“ zu. Ein zusätzliches Indiz dafür, dass die ProbandInnen die Klassen‐ arbeit als insgesamt „mittelschwer“ einschätzen, ist zweifellos die benötigte Lösungszeit von nur 30 Minuten. Die Lehrkraft hält die Anzahl der Testaufgaben - ggf. angesichts des Lösungstempos der Klasse - für zu gering. Die Aufgaben als solche schätzt sie jedoch als sehr geeignet zur Überprüfung sprachenüber‐ greifender Kompetenzen, v. a. in Bezug auf Russisch als Brückensprache, ein. Die o. g. Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Aufgaben durch Proban‐ dInnen und Lehrkraft lässt ein hohes Leistungsniveau erwarten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Keine/ r der ProbandInnen erreicht die volle Punktzahl (42 P.). Die Bestleistung liegt bei 35 Punkten (w., leistungsstark). Ein weiterer Proband (m., leistungsstark) erreicht 33,5 P. (halbe Punkte wurden der besseren Note 74 Ursula Behr <?page no="75"?> zugeordnet). Damit liegen insgesamt nur zwei ProbandInnen im Punktebereich 38-34, was bei einer „mittelschweren“ Klassenarbeit dem Notenbereich „gut“ entsprechen würde. Mit neun ProbandInnen aller Leistungsfelder ist der Noten‐ bereich „befriedigend“ (33-28 P.) dominierend. Die schwächste Leistung liegt bei 13,5 P. (1w. und 1 m., leistungsschwach). Insgesamt sieben ProbandInnen (3 Mittelfeld, 4 leistungsschwach) erreichen nur eine Punktezahl im Spektrum der Note „ausreichend“ (27-21 P.) und drei Pro‐ bandInnen (1w., 2 m., leistungsschwach) liegen im Notenbereich „mangelhaft“ (20-13 P.). Punktzahl Note Anzahl der ProbandInnen Geschlecht, Leistungsfeld 42-39 sehr gut 0 38-34 (35 = höchste P.) gut 2 1w.,1m. leistungsstark (w., leistungsstark) 33-28 befriedigend 9 1w., 1 m. leistungsstark 1w., 1 m. Mittelfeld 1w., 4 m. leistungsschwach 27-21 ausreichend 7 2 w., 1 m. Mittelfeld, 4 m. leistungsschwach 20-13 (13,5 = geringste P.) mangelhaft 3 1w., 2 m. leistungsschwach (1w., 1 m. leistungsschwach) 12-0 ungenügend 0 Abbildung 2: Punkteverteilung Gymnasium O Interessant ist die Beobachtung, dass die von der Lehrkraft vorgenommene Leistungszuschreibung in zehn Fällen nicht den in der Klassenarbeit erreichten Leistungen entspricht. So erreichen fünf (4 m., 1w.) ProbandInnen, die von der Lehrkraft als leistungsschwach eingeordnet wurden, Punkte im Bereich der Note „befriedigend“ (33-28 P.), zwei als leistungsstark eingeschätzte Proban‐ dInnen (1w., 1 m.) kommen nur in den Notenbereich „befriedigend“ (33-28 P.) und drei vermeintlich Leistungsstarke (2w., 1 m.) erreichen nur Punkte im Notenbereich „ausreichend“ (27-21 P.). Ein homogenes Leistungsbild auf mehrheitlich hohem Niveau, d. h. erfolg‐ reiche Lösung, zeigen die Aufgaben 2a, 5a sowie 6a und 6b. Diese Aufgaben wurden von den ProbandInnen mehrheitlich als leicht eingeschätzt. Dennoch gibt es auch hier Leistungsreserven. So haben nur vier ProbandInnen (2 leis‐ 75 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="76"?> tungsstark, 2 leistungsschwach) in Teilaufgabe 2b die Werbung für Piercing erkannt. In Teilaufgabe 3a waren drei ProbandInnen (leistungsschwach und Mittelfeld) nicht in der Lage, den passenden Oberbegriff Pizza zu finden und fünf Proban‐ dInnen (4 m. leistungsschwach und 1w. Mittelfeld) konnten in 3b nicht oder nicht vollständig die gesuchten Gerichte erschließen. In Teilaufgabe 5b ist erstaunlich, dass acht ProbandInnen aller Leistungs‐ gruppen den korrekt ermittelten tschechischen Begriff trolejbus nicht mit russ. троллейбус (aus dem Unterricht bekannt) in Verbindung bringen, sondern falsch übersetzen als автобус ((Auto)Bus). Möglicherweise hat das Entdecken des gemeinsamen Morphems -bus/ -бус den Erschließungsprozess bei diesen ProbandInnen sofort abgeschlossen und auf das für die Lernenden zweifellos schneller zu antizipierende Lexem автобус geführt, ohne das mentale Lexikon nach weiteren Wörtern mit ähnlichen Merkmalen zu durchsuchen. Auch ein möglicher Vergleich zur deutschen Form Trolleybus oder zur englischen Ent‐ sprechung trolleybus hat offensichtlich nicht stattgefunden. Die Aufgaben 1, 4 und 7a-c zeigen die größten Leistungsunterschiede, wobei die Aufgaben 4 und 7a-c insgesamt die größten Probleme bereiteten und das Leistungsniveau schwach ausgeprägt ist. Diese Aufgaben werden im Folgenden etwas näher beleuchtet. Aufgabe 1: Unerwartet für die Testleiterin sind die Einschätzung der Aufgabe als „sehr schwierig“ bzw. „schwierig, aber machbar“ sowie die insgesamt schwache Lösungsquote. Die volle Punktzahl wird nicht erreicht. Je ein Schüler „leistungs‐ stark“ und „leistungsschwach“ erzielen als bestes Ergebnis 7,5 Punkte, d. h. lösen die Aufgabe nahezu fehlerfrei. Insgesamt aber gelingt die Erschließung der gebräuchlichen Begriffe aus dem Bereich der Sportarten, wie Marathon, Triathlon, Jogging etc. und der sozialen Netzwerke, wie Blog, Website, User etc. mit Hilfe entsprechender Parallelen zum Deutschen und Englischen nur eingeschränkt (die Schreibweise wurde nicht abgefragt, es ging nur um die Zuordnung per Ziffer). 14 ProbandInnen aller Leistungsfelder finden zudem keinen oder nur einen adäquaten Oberbegriff. Dies betrifft v. a. die Lexeme mit Bezug zu Internet, Facebook etc. Aufgabe 4: Die korrekte Lösungsquote ist außerordentlich gering. Die beste Leistung liegt bei vier von sechs Punkten und wird von einem leistungsschwachen Schüler er‐ zielt. Drei ProbandInnen (1w., 1 m. Mittelfeld, 1w. leistungsschwach) erschließen keinen der polnischen Begriffe und sieben (jeweils alle Leistungsgruppen) 76 Ursula Behr <?page no="77"?> finden für nur einen Begriff (mehrheitlich taksówka) die deutsche Bezeichnung. Taxi wird von 13 ProbandInnen erkannt, gefolgt von U-Bahn (zehn Nennungen). Die Entsprechung für samolot - Flugzeug (russ. cамолёт) erkennt keine/ r der ProbandInnen. Bemerkenswert ist das Ergebnis für den zweifellos schwierigsten Begriff pociąg (russ. поезд / Zug), den drei ProbandInnen (1w. Mittelfeld, 2 m. leistungsschwach) entschlüsseln können, aber an tramwaj und metro scheitern. In der Reflexion geben ProbandInnen für die Aufgabe 4 an, andere Sprachen (insgesamt 26 Nennungen), v. a. das Russische (neun Nennungen), unterstützt durch lautes Lesen (sechs Nennungen), angewendet zu haben. Dies ist ange‐ sichts der Lösungsergebnisse jedoch vermutlich nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Erkennen von Gemeinsamkeiten erfolgt. Das Beispiel eines Probanden ist hier symptomatisch: Der Schüler (leis‐ tungsschwach) erschließt metro richtig, gibt deutsch „U-Bahn“ an und notiert diese Bezeichnung gleichermaßen bei tramwaj. Die nachfolgend aufgeführten falschen Lösungen lassen vermuten, dass viele SchülerInnen offensichtlich raten: Vorgabe Polnisch oder Tschechisch „Schülerlösungen“ Deutsch taksówka (poln.) Auto samolot (poln.) Auto, Bus Motorroller, Taxi, Zug, Samowar (Ausblendung des Kontextes Verkehrsmittel und vermutlich falsche Ableitung von russ. cамовaр) pociąg (poln.) Auto, Bus, Post (Ausblendung des Kontextes Verkehrsmittel und ver‐ mutlich falsche Ableitung von russ. почта) tramwaj (tschech.) Bahn, Bus, Fahrrad, U-Bahn, Zug metro (tschech.) Ampel, Metropole, Straßenbahn, Zug Aufgabe 7: ProbandInnen und Lehrkraft schätzen diese Aufgabe mehrheitlich als „schwierig, aber machbar“ ein. Alle ProbandInnen bemühen sich um eine Lösung, jedoch wird die volle Punktzahl (6 P.) nicht erreicht. Drei ProbandInnen (1w. leistungsschwach, 1w., 1 m. leistungsstark) erreichen fünf Punkte - der fehlende Punkt liegt bei allen in der Teilaufgabe 7c. Elf von 21 ProbandInnen (1w. leistungsstark, 2w., 1 m. Mittelfeld, 8 leistungsschwach, davon 1w.) erreichen weniger als 50 % an richtigen Lösungen. Die ProbandInnen verweisen in der Reflexion zwar auf Erschließungstechniken, wie das laute Lesen, den Spra‐ 77 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="78"?> chenvergleich mit anderen Sprachen und internationalem Wortschatz sowie das Nutzen von Wissen aus anderen Fächern - vermutlich fehlten analog zu Aufgabe 4 aber auch hier die erforderliche Aufmerksamkeit und Konzentration, zeitliches Durchhaltevermögen und das Überprüfen der Sinnhaftigkeit der eigenen Antworten. Diese Einschätzung basiert auf folgenden Beobachtungen: Teilaufgabe a): Hier haben v. a. leistungsschwache ProbandInnen Probleme zu erschließen, dass der Dialog in einer Touristeninformation geführt wird. Die Überschrift enthält hierfür erschließbare Anhaltspunkte, d. h. internationalen Wortschatz in Centrum Informacji Turystycznej. Dies wird offensichtlich nicht wahrgenommen oder die Überschrift nicht beachtet. Teilaufgabe b): Das Lexem plan wird mehrheitlich erschlossen, aber nur von sechs ProbandInnen (davon drei leistungsschwach) als Stadtplan von Krakau/ Kraków erkannt. Drei ProbandInnen (1 m. Mittelfeld, 2 m. leistungsschwach) übernehmen dabei den Genitiv aus dem Dialog und geben als Lösung „Plan für/ von Krakowa“ an, zwei ProbandInnen (1 m. leistungsstark, 1w. leistungs‐ schwach) kennen entweder die polnische Bezeichnung oder schließen - in Ana‐ logie zum Russischen - auf den Nominativ Краков (poln. Kraków). Ein Schüler (leistungsstark) verwendet die deutsche Bezeichnung Krakau. Mehrheitlich scheint diese polnische Stadt jedoch nicht zum Weltwissen der SchülerInnen zu gehören oder aus dem Geographieunterricht bekannt zu sein. Die Erschließung von plan führt nicht zwangsläufig zur Assoziation Stadtplan, wie die nachfolgenden Antworten von Probanden (1 m. Mittelfeld, 4 m. leis‐ tungsschwach) auf die Frage „Wonach erkundigt sich A? “ zeigen: „Plan für einen Zug“; „Busplan“; „Plan für U-Bahn“; „Urlaub“; „Stundenplan“. Teilaufgabe c): Hier liegen v. a. Probleme beim Erschließen von informator turystyczny Krakowa. Nur zwei ProbandInnen (1w. Mittelfeld, 1 m. leistungs‐ schwach) geben eine vollständige korrekte Lösung mit den Bestandteilen „Informationen / (Informations-)Material für Touristen / Reiseführer von / über Krakau“. Die nachfolgend aufgeführten falschen Ableitungen zeigen, dass die in der Reflexion benannte Strategie der Sinnüberprüfung von ProbandInnen eher nicht angewendet wurde: • Übernahme von informator als Lösung • „Informationen für den Plan“ • „eine Weste“ (offensichtlich falscher Vergleich von poln. wezmę (ich nehme) zu dt. Weste. Der Vergleich zu russ. возьму (ich nehme) wäre hier hilfreicher gewesen). 78 Ursula Behr <?page no="79"?> 2.4.2 Gymnasium N Die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Testaufgaben durch Proban‐ dInnen und Lehrkraft entspricht im Wesentlichen der des Gymnasiums O, d. h. es dominiert die Kategorie „leicht“ für acht Testaufgaben, gefolgt von „schwierig, aber machbar“ für fünf Aufgaben. Auch hier weicht für die Aufgabe 4 in identischer Form die Einschätzung zwischen ProbandInnen und Lehrkraft ab. Eine weitere Diskrepanz gibt es hinsichtlich der empfundenen Schwierigkeit für die Teilaufgabe 5b, die SchülerInnen als „schwierig, aber machbar“ und die Lehrkraft als „leicht“ einschätzen. Die Klassenarbeit wird also auch am Gymnasium N als insgesamt „mittelschwer“ empfunden. Im Unterschied zum Gymnasium O fällt die benötigte Lösungszeit mit fast 40 Minuten höher aus. Die Lehrkraft schätzt die Anzahl der Testaufgaben als angemessen und die Aufgabenformate als sehr geeignet zur Überprüfung sprachenübergreifender Kompetenzen, v. a. in Bezug auf Russisch als Brückensprache, ein. Auch im Gymnasium N wird die Höchstpunktzahl (42 P.) nicht erreicht. Die Bestleistung liegt hier bei 36 Punkten (1w. leistungsstark, 1w. leistungsschwach) im Notenbereich „gut“. Die Ergebnisse sind insgesamt besser als im Gymnasium O. Acht ProbandInnen aller Leistungsfelder erreichen den Notenbereich „gut“ und neun ProbandInnen (alle Leistungsfelder) liegen im Punktebereich der Note „befriedigend“. Die schwächste Leistung liegt bei 23 P. (w. leistungsschwach) - zum Vergleich: Gymnasium O: 13,5 P. Rangierten dort zehn ProbandInnen in den Notenbereichen „ausreichend“ und „mangelhaft“, sind es am Gymnasium N nur drei Probandinnen mit der Note „ausreichend“ (2w. Mittelfeld, 1w. leistungsschwach), niemand mit „mangelhaft“. Punktzahl Note Anzahl der Proband- Innenen Geschlecht, Leistungsfeld 42-39 sehr gut 0 38-34 (36 = höchste P.) gut 8 2 w., 1 m. leistungsstark 2 w., 1 m. Mittelfeld 1w. 1 m. leistungsschwach (1w. leistungsstark und 1w. leis‐ tungsschwach) 33-28 befriedigend 9 1 w., 1 m. leistungsstark 3 w. (einschl. Schülerin mit Al‐ banisch als Herkunftssprache), 1 m. Mittelfeld 3 m. leistungsschwach 79 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="80"?> 27-21 (23 = geringste P.) ausreichend 3 2 w. Mittelfeld, 1w. leistungs‐ schwach (1 w. leistungsschwach) 20-13 mangelhaft 0 12-0 ungenügend 0 Abbildung 3: Punkteverteilung Gymnasium N Auch im Gymnasium N ist festzustellen, dass die von der Lehrkraft vorgenom‐ mene Leistungszuschreibung (hier) in zwölf Fällen nicht den in der Klassenar‐ beit erreichten Leistungen entspricht. So erreichen fünf ProbandInnen (1 w., 4 m.), die von der Lehrkraft als leistungsschwach eingeordnet wurden, Punkte in Notenbereichen „gut“ bzw. „befriedigend“. Zwei als leistungsstark eingeschätzte ProbandInnen (1w., 1 m.) kommen nur in den Notenbereich „befriedigend“ und zwei vermeintliche „Mittelfeld-Schülerinnen“ erreichen nur Punkte im Notenbereich „ausreichend“. Ein homogenes Leistungsbild auf mehrheitlich hohem Niveau, d. h. erfolg‐ reiche Lösung, zeigen - analog zum Gymnasium O - die Aufgaben 2a, 3b, 5a sowie 6a und 6b. Diese Aufgaben wurden von den ProbandInnen mehrheit‐ lich als leicht eingeschätzt. Die Leistungsreserven in den Aufgaben 2 und 3 entsprechen denen des Gymnasiums O, z. T. mit anderer Ausprägung. So können elf von 20 ProbandInnen aller Leistungsfelder (Gymnasium O: 15 von 21) die Teilaufgabe 2b nicht vollständig lösen, d. h. erkennen die Werbung für Piercing nicht. In Teilaufgabe 3a sind sechs ProbandInnen aller Leistungsfelder (Gymnasium O: drei) nicht in der Lage, den passenden Oberbegriff Pizza zu finden und schlagen z. B. vor: „италены“ (w. leistungsstark), „итальенский“ (m. leistungsstark), „ресторане“ (m. leistungsschwach). Diese ProbandInnen haben offensichtlich die Instruktion nicht aufmerksam gelesen, in der nach einem Oberbegriff für die angebotenen Gerichte gefragt wird und nicht nach einer Lokalität. Auch hier gibt es in Teilaufgabe 5b das Phänomen, dass drei ProbandInnen (2w. Mittelfeld, 1 m. leistungsschwach) - im Gymnasium O waren es acht - den korrekt ermittelten tschechischen Begriff trolejbus nicht mit russ. троллейбус (aus dem Unterricht bekannt) in Verbindung bringen, sondern falsch als автобус übersetzen. Analog zum Gymnasium O sind in den Aufgaben 1, 4 und 7a-c die größten Leistungsunterschiede zu verzeichnen. Wobei die Aufgaben 4 und 7a-c insge‐ samt den SchülerInnen die größten Probleme bereiteten und das Ergebnis schwach - jedoch besser als im Gymnasium O - ausfällt. 80 Ursula Behr <?page no="81"?> Aufgabe 1: Für die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe dominiert die Kategorie „schwierig, aber machbar“ (zehn ProbandInnen und Lehrkraft). Je fünf ProbandInnen halten die Aufgabe für „schwierig“ bzw. „leicht“. Die volle Punktzahl wird von einem „leistungsschwachen“ Schüler erreicht, der die Aufgabe als „leicht“ einschätzt. Fünf ProbandInnen aller Leistungsfelder erzielen 7,5 Punkte, d. h. lösen die Aufgabe nahezu fehlerfrei, darunter auch die Schülerin mit Albanisch als Herkunftssprache (7,5 Punkte war im Gymnasium O die Best‐ leistung von zwei Schülern). Es fällt auch hier auf, dass die in der Reflexion zur Aufgabe 1 benannten Erschließungsstrategien, wie lautes Lesen und Vergleich zu Deutsch, Englisch oder internationalem Wortschatz und die Nutzung von Weltwissen, offensichtlich nicht konsequent angewendet worden sind. Es gibt keinen Begriff, der gleichermaßen von allen ProbandInnen erschlossen und richtig zugeordnet werden konnte. Das Finden von adäquaten Oberbegriffen bereitete sieben ProbandInnen aller Leistungsfelder Probleme (Gymnasium O: 14). Auch hier betrifft dies v. a. die Lexeme mit Bezug zu Internet, Facebook etc. Aufgabe 4: Die Leistungen sind insgesamt besser als im Gymnasium O, jedoch auch hier in Gänze nicht überzeugend. So bleiben 14 ProbandInnen aller Leistungsfelder unter einer korrekten Lösungsquote von 50 %. Zwei Schüler (leistungsstark und leistungsschwach) erzielen die volle Punkt‐ zahl (6 P.), gefolgt von einer leistungsstarken Schülerin mit fünf Punkten. Die höchste Lösungsquote verzeichnen die Begriffe taksówka und metro (jeweils elf Nennungen). Es folgt tramwaj mit sieben Nennungen. Im Gegensatz zum Gymnasium O erkennen immerhin drei Probanden (leistungsstark, Mittel‐ feld und leistungsschwach) samolot. Der Mittelfeld-Schüler gibt in der Reflexion an, in Aufgabe 4 nach ähnlichen Wörtern im Russischen gesucht zu haben (hier: cамолёт), die beiden anderen Schüler machen zur Vorgehensweise in Aufgabe 4 keine Angaben. Der schwierigste Begriff pociąg (russ. поезд / Zug), wird - wie im Gymnasium O - von drei ProbandInnen (1w., 1 m. leistungsstark, 1 m. leistungsschwach) entschlüsselt. Hier verweist die leistungsstarke Schülerin im Reflexionsbogen auf den in Aufgabe 4 praktizierten Sprachenvergleich zum Russischen, was hier zum Erfolg geführt hat. Sie erreicht fünf Punkte - samolot kann sie jedoch nicht erschließen. Auch im Gymnasium N nennen mehrere ProbandInnen in der Reflexion über die Vorgehensweise in Aufgabe 4 den vermeintlich praktizierten Vergleich mit anderen Sprachen, v. a. mit dem Russischen, und das laute Lesen. Dies 81 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="82"?> ist angesichts der Lösungsergebnisse vermutlich mehrheitlich nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Erkennen von Ge‐ meinsamkeiten erfolgt. Ebenso scheint das Überprüfen von Lösungen auf deren Sinnhaftigkeit eine noch nicht bei allen SchülerInnen fest verankerte Strategie zu sein. Das zeigt folgendes Beispiel: Eine Schülerin (Mittelfeld) erschließt metro richtig, gibt deutsch „Metro/ U-Bahn“ an und notiert bei tramwaj „U-Bahn oder S-Bahn“. Die nachfolgend aufgeführten falschen Lösungen lassen vermuten, dass viele SchülerInnen offensichtlich willkürlich, d. h. nicht merkmalgestützt, raten oder wahllos zuordnen. Ein Vergleich mit der „Rateliste“ des Gymnasiums O zeigt Parallelen und interessante Ergänzungen. Vorgabe Polnisch oder Tschechisch „Schülerlösungen“ Deutsch taksówka (poln.) Zug samolot (poln.) Bus, Sammelbus, S-Bahn, Straßenbahn, Zug pociąg (poln.) Auto, Bus, Fahrrad, Kutsche, Post (Ausblendung des Kontextes Verkehrsmittel und ver‐ mutlich falsche Ableitung von russ. почта) tramwaj (tschech.) Bus, Fahrrad, kleiner Reisebus, S-Bahn, U-Bahn, Zug metro (tschech.) Straßenbahn Aufgabe 7: ProbandInnen und Lehrkraft schätzen die Aufgabe 7 mehrheitlich als „schwierig, aber machbar“ ein. Die volle Punktzahl (6 P.) wird von einer Schülerin des Mittelfeldes erreicht, gefolgt von 5,5 P. (1w. leistungsschwach) sowie 5 P. (1w. leistungsstark, 1w. leistungsschwach, 1 m. Mittelfeld). Neun von 21 ProbandInnen (1w., 1 m. leistungsstark, 4w. Mittelfeld - darunter die Schülerin mit Albanisch als Herkunftssprache - 3 m. leistungsschwach) erreichen weniger als 50 % an richtigen Lösungen. Die ProbandInnen ver‐ weisen in der Reflexion der Aufgabe 7 auf den Sprachenvergleich, v. a. mit der russischen Sprache, einschließlich des Vergleichs grammatischer Kategorien - vermutlich fehlten analog zu Aufgabe 4 aber auch hier die erforderliche Aufmerksamkeit und Konzentration, zeitliches Durchhaltevermögen und das Überprüfen der Sinnhaftigkeit der eigenen Antworten. Diese Einschätzung basiert auf folgenden Beobachtungen: Teilaufgabe a): Es wiederholt sich der Befund aus dem Gymnasium O. Sechs ProbandInnen (3w. Mittelfeld, 3 m. leistungsschwach) sind nicht in der Lage zu 82 Ursula Behr <?page no="83"?> erschließen, dass der Dialog in einer Touristeninformation geführt wird. Die in der Überschrift enthaltenen Anhaltspunkte Centrum Informacji Turystycznej werden nicht erkannt und auf die Frage: „In welcher Situation spielt der Dialog? “ merkwürdige Antworten gegeben, z. B. „in einem Gespräch“ (1w. Mittelfeld); „ein Treffen“ (1w., Mittelfeld); „Kraków“ (1 m. leistungsschwach); „Alltag“ (1 m. leistungsschwach). Teilaufgabe b): Das Lexem plan wird mehrheitlich erschlossen, aber nur von neun ProbandInnen aus allen Leistungsfeldern als Stadtplan von Krakau/ Kraków erkannt. Dabei übernehmen fünf ProbandInnen den Genitiv aus dem Dialog und geben als Lösung „Plan für/ von Krakowa“ an, drei ProbandInnen (1w. leistungsstark, 1w., 1 m. Mittelfeld) kennen entweder die polnische Bezeich‐ nung oder schließen - in Analogie zum Russischen - auf den Nominativ Краков (poln. Kraków). Zwei Schülerinnen (leistungsstark und leistungsschwach) ver‐ wenden die deutsche Bezeichnung Krakau. Es wiederholt sich der Befund aus dem Gymnasium O, dass diese polnische Stadt mehrheitlich nicht zum Weltwissen der SchülerInnen gehört und offensichtlich nicht aus dem Geogra‐ phieunterricht bekannt ist. Die Erschließung von plan führt auch hier nicht zwangsläufig zur Assoziation Stadtplan, wie die nachfolgenden Antworten von vier ProbandInnen (3w. Mittelfeld, 1 m. leistungsstark) auf die Frage „Wonach erkundigt sich A? “ zeigen: • „Fahrplan“ • „ob sie nach Krakau fahren“ • „ob Krakowa einen Plan hat“ • „wie er seinen Urlaub planen soll“ Teilaufgabe c): Hier liegen - analog zum Gymnasium O - v. a. Probleme beim Erschließen von informator turystyczny Krakowa. Nur drei Probandinnen (1w. Mittelfeld, 2w. leistungsschwach) geben eine vollständige, korrekte Lösung mit den Bestandteilen „Informationen / (Informations-)Material für Touristen / Reiseführer von / über Krakau“. Die nachfolgend aufgeführten falschen Ablei‐ tungen zeigen, dass die in der Reflexion benannte Strategie der Sinnüberprüfung von ProbandInnen eher nicht angewendet wurde: • Übernahme von informator als Lösung • Neubildungen wie „Touristeninformator“, „Informateur für Touristen“. 2.4.3 Anwendung sprachenübergreifender Erschließungstechniken und -strategien Bestandteil der Aufgabenblätter für die SchülerInnen war ein Reflexionsbogen (vgl. Anhang, Aufgabe 8.2) über die in den Testaufgaben angewendeten Erschlie‐ 83 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="84"?> ßungstechniken und -strategien. Bis auf einen Schüler des Gymnasiums N haben alle ProbandInnen Rückmeldungen gegeben. Hierbei haben die einzelnen ProbandInnen des Gymnasiums O in der Regel Bezug auf mehrere Aufgaben genommen, während die ProbandInnen des Gymnasiums N stärker der Instruk‐ tion gefolgt sind und „mindestens eine der Aufgaben 1-4 und eine der Aufgaben 5-6“ betrachtet haben. Es handelt sich hier um eine gelenkte Form der Selbsteinschätzung mit folgenden Auswahloptionen: • das laute Lesen unbekannter Wörter, • der Sprachenvergleich/ das Suchen nach Ähnlichkeiten im Wortschatz mit der deutschen, der englischen und der russischen Sprache bzw. mit Internationalismen, • die Analyse grammatischer Besonderheiten (Wortart- oder Satzgliedbe‐ stimmung), • die Plausibilitätsprüfung des Erschließungsergebnisses, • die Nutzung von visuellen Impulsen, • die Anwendung von Weltwissen oder von Wissen aus anderen Unter‐ richtsfächern. Insgesamt kann festgestellt werden, dass alle im Reflexionsbogen aufgeführten Erschließungstechniken und -strategien mit Nennungen versehen wurden, jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit. Besonders relevant war für die Pro‐ bandInnen der Wortschatzvergleich zu 1. Deutsch, 2. Russisch, 3. Englisch, 4. Internationalismen. Als bedeutsam werden die Plausibilitätsprüfung, das laute Lesen, die Nutzung visueller Impulse sowie der Rückgriff auf fächerübergreifendes bzw. Weltwissen eingeschätzt. Die Analyse grammatischer Besonderheiten wird von deutlich weniger Pro‐ bandInnen angeführt. Hierbei fällt auf, dass im Gymnasium O insgesamt neun ProbandInnen aller Leistungsfelder, davon sechs leistungsschwache angeben, die Wortart- und Satzgliedbestimmung als Erschließungstechnik angewendet zu haben. Im Gymnasium N wird dagegen nur die Satzgliedbestimmung von drei leistungsstarken und vier ProbandInnen des Mittelfeldes angeführt. Inwieweit die benannten Techniken und Strategien tatsächlich beim Lösen der Aufgaben bewusst angewendet worden sind, bleibt offen. Die vorange‐ gangene Analyse hat bereits diesbezügliche Relativierungen angezeigt. Auch die konkreten Nennungen im Einschätzungsbogen deuten darauf hin, dass die angekreuzte Erschließungstechnik nicht in jedem Fall auf Stimmigkeit mit der Aufgabe geprüft wurde. Diese Beobachtung bezieht sich v. a. auf das 84 Ursula Behr <?page no="85"?> vermeintliche Nutzen von visuellen Impulsen in den Aufgaben 1, 4 und 7, die keine Bilder, Fotos, Illustrationen enthalten, und betrifft sieben (von insgesamt 41) ProbandInnen: Gymnasium O: 1w. leistungsstark; 1w. Mittelfeld; 2 m., 1w. leistungsschwach / Gymnasium N: 1 m. leistungsstark; 1w. Mittelfeld (Albanisch als Muttersprache). Für diese SchülerInnen war diese Erschließungstechnik offensichtlich so wichtig, dass sie eine ungeprüfte Zuordnung vorgenommen haben. Insgesamt deuten die über den Bogen ermittelten Ergebnisse auf eine grundsätzliche Vertrautheit der ProbandInnen mit Erschließungstechniken und -strategien im Unterricht hin. Das Auswahlangebot hat die ProbandInnen auf wesentliche Vorgehensweisen jedoch gezielt gelenkt. Für den Lernraum wäre es nun wichtig, • die Reflexion auf Ergebnisse, die eigene Vorgehensweise und Probleme sprachenübergreifender Lernprozesse zur Routine werden zu lassen, • SchülerInnen anzuregen, immer mit konkretem Aufgabenbezug ange‐ wendete Erschließungstechniken und -strategien zu beschreiben und zu dokumentieren, • Lernende auch zur freien Selbsteinschätzung zu befähigen (vgl. hierzu z. B. Behr, Schwärsky & Wilke, 2013). 3. Fazit Die Erprobungsergebnisse belegen, dass • sprachenübergreifende Kompetenzen sehr wohl den Gegenstand von Leistungsüberprüfungen bilden können, • grundsätzliche Konstruktionsprinzipien für Aufgaben zum sprachen‐ übergreifenden Lernen im Lernraum auch im Leistungsraum gelten, • eine Leistungsbewertung mit Hilfe von Einschätzungskriterien möglich ist, die auch in anderen Kontexten eingesetzt werden, • die hier vorgestellte Klassenarbeit - als Instrument der Ist-Stand-Ermittlung und Bewertung von Stra‐ tegien sprachenübergreifenden Lernens im Russischunterricht ge‐ eignet ist, - SchülerInnen aller Leistungsfelder inhaltlich anspricht und ange‐ messen fordert, - auch als Diagnoseinstrument genutzt werden kann. 85 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="86"?> Reserven sprachenübergreifender Kompetenzentwicklung und damit verbun‐ dener weiterer Übungsbedarf besteht in den beiden Erprobungsklassen v. a. bezogen auf: • die Stärkung der selektiven Aufmerksamkeit und der bewussten Wahr‐ nehmung sprachlicher und / oder kultureller Phänomene, • die bewusste und aufmerksame Anwendung von Erschließungstechniken und -strategien, • die Plausibilitätsprüfung von Erschließungsergebnissen, • die Förderung des Abstraktionsvermögens. Die Erprobungsergebnisse zeigen zudem, dass eine Leistungszuschreibung, die sich aus den unterrichtlichen Erfahrungen und Leistungserhebungen in anderen unterrichtlichen Kontexten generiert, nicht zwingend für Leistungen mit sprachenübergreifendem Schwerpunkt zutrifft. Literatur Behr, Ursula (2014). Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht. In: Anka Bergman (Hrsg.) Fachdidaktik Russisch (S. 228-240). Tübingen: Narr. Behr, Ursula, Schwärsky, Kerstin & Wilke, Angelika (2013). Lehrplanbegleitende Mate‐ rialien für den Russischunterricht als zweite Fremdsprache in den Klassenstufen 9/ 10. Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren. Veröffentlicht unter: www.schulportal-thueringen.de/ media/ detail? tspi=2293 (letzter Zugriff: 04.03.2019) [KMK] Kultusministerkonferenz (2003). Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. Ver‐ öffentlicht unter: www.kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2003/ 2003_12_04-BS-erste-Fremdsprache.pdf (letzter Zugriff: 06.03. 2019) [KMK] Kultusministerkonferenz (2012). Bildungsstandards für die fortgeführte Fremd‐ sprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife. Köln: Carl Link. Thaler, Engelbert (2008). Klassenarbeiten - eine Prozessperspektive. PRAXIS Fremdspra‐ chenunterricht, 6, 6-10. Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hrsg., 2011). Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife. Russisch. Veröffentlicht unter: www.schul portal-thueringen.de/ media/ detail? tspi=1397 (letzter Zugriff: 06.03.2019) 86 Ursula Behr <?page no="87"?> 4 Aus platztechnischen Gründen wurden hier Schriftart und -größe und die Anordnung von Bildern verändert. Die Aufgabenblätter für die ProbandInnen waren erstellt in Arial 14. Jede Aufgabe befand sich auf einem eigenen Blatt mit ausreichend Platz für handschriftliche Ergänzungen. Anhang Aufgabenblätter A2 4 Bitte löse alle Aufgaben 1 bis 8. A2 - 2018 - Die maximal zu erreichenden Punkte (P) sind für jede Aufgabe angegeben. Aufgabe 1 Lies die folgenden Wörter und ordne sie einer der zwei Spalten zu. In einer Spalte sollen die Wörter stehen, die zueinander passen. Notiere hierfür die Ziffer, die hinter dem Wort steht. Finde für jede Spalte einen passenden Oberbegriff. Schreibe diesen in deut‐ scher Sprache in die erste Zeile der jeweiligen Spalte. __/ 8 P Oberbegriff: Oberbegriff: 87 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="88"?> a) Aufgabe 2 Schau die Fotos an und beantworte die Fragen auf Deutsch. __/ 3 P Fotos: privat, U. Behr a) Was kann man hier kaufen? b) Wofür wird hier geworben? Aufgabe 3 __/ 4 P Lies den Ausschnitt aus einer Speisekarte. Finde einen Oberbegriff für die angebotenen Gerichte. Schreibe diesen auf Russisch auf. 88 Ursula Behr <?page no="89"?> b) Ausschnitt Speisekarte (neu erstellt - unterschiedliche Schriftgröße) Variante 1 - Маргарита классическая томатная пицца - Кон Фунги пицца с грибами - Кватро Формаджи пицца четыре сыра (Моцарелла, Дорблю, Чеддер и Пармезан) - Фрутти ди Маре пицца с морепродуктами (кальмары, мидии, тигровые креветки) - Капричоза пицца с ветчиной, грибами, оливками и маслинами - Карбонара пицца с копченой грудинкой, яйцом и сыром Пармезан - Пепперони пицца с пепперони и болгарским перцем - Дьябло пицца с пепперони и перцем халапеньо - 4 сезона пицца с болгарским перцем, цукини, баклажанами и шампиньонами Oberbegriff: Finde zwei Gerichte für jemanden, der gern Parmesan isst. Kreuze die Gerichte an. Aufgabe 4 Lies die polnischen und tschechischen Begriffe für Verkehrsmittel und ergänze die deutsche Bezeichnung. __/ 6 P Polnisch oder Tschechisch Deutsch taksówka (poln.) samolot (poln.) pociąg (poln.) tramwaj (tschech.) metro (tschech.) 89 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="90"?> a) b) Aufgabe 5 __/ 11 P Suche aus den folgenden tschechischen Wörtern diejenigen heraus, die den zehn russischen Wörtern entsprechen, und trage sie ins Kreuzworträtsel ein: zima, ulice, okno, strom, tramvaj, nebe, ruka, nos, léto, dům, večer, den, les, most, metro 1. мост 1 2. вечер 2 3. окно 3 4. лес 4 5. день 5 6. трамвай 6 7. лето 7 8. небо 8 9. улица 9 10. нос 10 Die Buchstaben in den grauen Feldern ergeben - von oben nach unten gelesen - ein tschechisches Wort, das du sicher sofort ins Russische übersetzen kannst: Aufgabe 6 Lies einen Auszug aus der Webseite eines bulgarischen Reisebüros und beant‐ worte die Fragen auf Deutsch. __/ 4 P 90 Ursula Behr <?page no="91"?> Quelle: www.dinita-tours.com/ (30.11.2018) a) b) a) b) Für welchen Anlass wird hier geworben? Originalausschnitt aus Internet 2018 Quelle: https: / / www.dinita-tours.com/ (30.11.2018) Quelle: https: / / www.dinita-tours.com/ (30.11.2018) Welche der zwei Telefonnummern müsste man anrufen, um nähere In‐ formationen zu dem Angebot zu erhalten? Unterstreiche die passende Telefonnummer. Aufgabe 7 __/ 6 P Lies den Dialog in polnischer Sprache und beantworte die Fragen a) - c). W Centrum Informacji Turystycznej A: Dzień dobry! B: Dzień dobry! A: Czy jest plan Krakowa? B: Jest, proszę. A: Wezmę plan miasta i jeszcze informator turystyczny Krakowa. B: Tak, proszę. In welcher Situation spielt der Dialog? Wonach erkundigt sich A? 91 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="92"?> c) Was nimmt A mit? und Aufgabe 8 8.1 Schätze bitte den Schwierigkeitsgrad jeder Aufgabe ein.   Kreuze an. Aufgabe Die Aufgabe war sehr schwierig schwierig, aber machbar leicht 1    2a    2b    3a    3b    4    5a    5b    6a    6b    7a    7b    7c    8.2 Erkläre nun, wie Du vorgegangen bist, um die Aufgaben zu lösen. Nimm die Einschätzung für mindestens 2 Aufgaben vor. Wähle dabei mindestens eine der Aufgaben 1-4 und eine der Aufgaben 5-7 aus. 92 Ursula Behr <?page no="93"?> Kreuze an, was für Dich in der jeweiligen Aufgabe zutrifft. Es sind Mehrfach‐ nennungen möglich. Einschätzung Aufgaben 1 2 3 4 5 6 7 Ich habe die unbekannten Wörter laut gelesen. Ich habe bei den unbekannten Wörtern überlegt, ob ich ein ähnliches Wort im Deutschen kenne. ob ich ein ähnliches Wort im Englischen kenne. ob ich ein ähnliches Wort im Russischen kenne. ob das ein Wort aus dem internationalen Wortschatz ist, das es auch im Deutschen gibt. ob das Wort ein Verb, ein Substantiv, ein Adjektiv usw. ist. ob das Wort das Subjekt, das Prädikat oder ein Objekt ist. Wenn ich die Bedeutung eines unbe‐ kannten Wortes herausgefunden habe, überlege ich, ob diese auch stimmt und Sinn ergibt. Ich nutze auch Bilder/ Fotos oder Illustra‐ tionen im Text, um den Inhalt zu ver‐ stehen. Ich nutze mein Wissen, z. B. aus anderen Fächern. 93 Leistungseinschätzung beim sprachenübergreifenden Lernen <?page no="95"?> Mehrsprachigkeitsdidaktik in der LehrerInnenbildung <?page no="97"?> „Plurale Ansätze werden mich in der zukünftigen Unterrichtsvorbereitung beeinflussen.“ - Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Spanischlehrkräfte in Bezug auf plurale Ansätze Sílvia Melo-Pfeifer Abstract Dieser Beitrag widmet sich dem Einfluss eines Master-Semesterseminars auf die Einstellungen künftiger SpanischlehrerInnen zu Pluralen Ansätzen (PA) und auf ihre Bereitschaft, diese in den Fremdsprachenunterricht zu integrieren. Im Einklang mit früheren Studien (Araújo e Sá & Melo-Pfeifer, 2015; Melo-Pfeifer, 2018; Vetter, 2013) wird folgenden Forschungsfragen nachgegangen: Inwiefern dient die strukturierte Integration von PA im Rahmen von Erstausbildungsprogrammen dem Abbau einer monolingualen Denkweise von künftigen FremdsprachenlehrerInnen? Wie betrachten künf‐ tige LehrerInnen die unterschiedlichen PA und ihre pädagogischen und didaktischen Vorteile? Welche Irritationen und Dilemmas lösen PA am Anfang des Professionalisierungsprozesses aus? Im diesen Zusammenhang wurde eine explorative Studie mittels Fragebogen in drei Wintersemestern (2014/ 2015, 2015/ 2016 und 2016/ 2017) an der Uni‐ versität Hamburg durchgeführt. Mit Hilfe der Fragebogenantworten und zusätzlicher individueller Reflexionen im Rahmen von Hausarbeiten werden die Entwicklung der Einstellungen von LehrerInnen zu PA und deren Beitrag zur eigenen Professionalisierung sowie zur Entwicklung der Mehrsprachig‐ keitsdidaktik aufgezeigt. 1. Einleitung In der ersten Phase der LehrerInnenausbildung bringen zukünftige Fremdspra‐ chenlehrerInnen bestimmte „Beliefs, Assumptions and Knowledge“ (Woods, 1996; auch Borg, 2003, Pajares, 1992 und Cambra Giné, 2003) gegenüber dem <?page no="98"?> Fremdsprachenlernen- und lehren mit, die sich aufgrund ihrer Erfahrungen als Lernende herausgebildet haben (Borg, 2003; Helsper, 2018; Purkarthofer, 2013; Stenberg et al., 2014). Solche Erfahrungen tragen dazu bei, subjektive Theorien zu entwickeln, die einen Rahmen bzw. einen Vorstellungshorizont für berufsbezogenes Handeln und professionelles Denken schaffen. Sie haben u. a. mit dem Fach, mit Merkmalen einer guten Unterrichtsstunde und mit passenden Lehrmethoden zu tun und entstehen durch die beruflichen und sprachlichen Biographien der Studierenden. Gleichzeitig beeinflussen diese subjektiven Theorien das Handeln der zukünftigen Lehrkräfte in ihrem Fremd‐ sprachenunterricht (FSU). Im Rahmen dieses Beitrags werden Berufsbezogene Überzeugungen (BÜ) als übergreifende Bezeichnung für „eine Bewertungskomponente beinhaltende Vorstellungen über das Wesen und die Natur von Lehr-Lernprozessen, Lern‐ inhalten, die Identität und Rolle von Lernenden und Lehrenden (sich selbst) sowie den institutionellen und gesellschaftlichen Kontext von Bildung und Erziehung“ (Reusser & Pauli, 2014, S. 642) verstanden. Dabei ist anzumerken, dass BÜ eine hohe Resistenz gegenüber Veränderungen aufweisen (Helsper, 2018, S. 132). Eine tief verankerte BÜ gegenüber dem FSU ist, dass der Unterricht ausschließlich in der Fremdsprache gehalten werden sollte, um den nötigen Input in der Zielsprache zu gewährleisten und authentische kommunikative Situationen in der Fremdsprache zu schaffen. Dieser hochgesteckte Anspruch muss in zweierlei Hinsicht relativiert werden: i) der Input muss verständlich sein, um verarbeitet werden zu können, was die Verwendung anderer Sprachen begünstigen kann und ii) authentische kommunikative Situationen kommen auch im mehrsprachigen Modus vor; schließlich treffen nicht unbedingt nur MuttersprachlerInnen aufeinander. Eine andere BÜ lautet, dass der Rückgriff auf die Muttersprache immer dann sinnvoll ist, wenn dies zur zügigen Erklärung von Grammatikregeln beiträgt. Hierbei werden häufig zwei Punkte außer Acht gelassen: i) die sprachlich heterogene Schülerschaft und das breite Spektrum an Muttersprachen, die im Unterricht vertreten sein können; ii) der Stellenwert des Sprachvergleichs, der über den Fokus von Grammatikregeln hinausgehen kann, um das Sprachenlernen und die Sprachenbewusstheit nachhaltig zu fördern (Vollmer, 2017). Der Widerspruch zwischen Sprachenpolitiken, die eine additive schulische Mehrsprachigkeit fördern, und der Anerkennung einer holistischen Sprach‐ kompetenz, die durch Wissen und Fähigkeiten in unterschiedlichen Sprachen aufgebaut wird, stellt angehende FremdsprachenlehrerInnen vor ein Dilemma, das durch den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen weiter akzentuiert wird: Sollen sie monolingualen Strömungen folgen und die Schüle‐ 98 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="99"?> 1 https: / / carap.ecml.at/ Accueil/ tabid/ 3577/ language/ de-DE/ Default.aspx. rInnen in jeder Sprache einzeln unterstützen oder mehrsprachige Repertoires im FSU entwickeln? Wie Delivry-Plard (2015) schlussfolgert, befindet sich das Fremdsprachenlehren heutzutage „entre paradigmes monolingue et plurilingue“ (auch Candelier, Daryai-Hansen et al. 2012). Um diesem Dilemma entgegenzu‐ wirken, stellt der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) vier plurale Ansätze (PA) vor, mit deren Hilfe die vorhandenen Sprach‐ repertoires erkannt und gewinnbringend in den Lernprozess der neuen Sprache integriert werden können (Candelier et al., 2012): Sprachensensibilisierung, integrative didaktische Ansätze, Interkomprehension zwischen verwandten Sprachen und interkulturelle Ansätze. PA, die einzelzielsprachlichen Ansätzen gegenüberstehen, sind Lehr- und Lernverfahren, die zugleich mehrere Sprachen oder Kulturen einbeziehen bzw. die verschiedene sprachliche und kulturelle Varianten in Lernaufgaben berücksichtigen (Candelier et al., 2012; dazu auch Melo-Pfeifer & Reimann, 2018). Kurz zusammengefasst, bezieht „Éveil aux Langues“ bzw. Sprachensensibilisierung „sowohl die Schulsprachen als auch an‐ dere Sprachen ein, darunter vor allem die Umgebungssprachen und Herkunfts‐ sprachen der Schüler sowie regionale Varietäten“ (Candelier et al., 2012, S. 6 1 der deutschen Fassung). Die integrierte Fremdsprachendidaktik zielt darauf ab, „den Sprachenlernern das Herstellen von Vernetzungen zwischen den erlernten Sprachen zu erleichtern“ (ebd., 5). Interkomprehension zielt auf „den parallelen Erwerb mehrerer romanischer Sprachen ein und derselben Sprachenfamilie“ durch die systematische Erforschung der Ähnlichkeiten und Unterschiede innerhalb derselben Sprachenfamilie ab (ebd., 6). Interkulturelle Ansätze weisen eine große Heterogenität auf, sind aber in der Fremdsprachendidaktik eher tiefer verankert (z. B. Landeskunde, Vergleich von kulturellen Phänomenen, Perspektiven wechseln und übernehmen usw.). Der REPA „beschreibt den Aufbau der für das Fremdsprachenlernen re‐ levanten Kompetenzen in den Bereichen des interkulturellen Lernens, der Mehrsprachigkeit, der Sprachbewusstheit sowie der Sprachlernkompetenz“ (Schröder, Tesch et al., 2017, S. 20). Wenngleich die Ziele und Prinzipien dieser PA relativ schnell von angehenden LehrerInnen akzeptiert werden, bleibt die unterrichtliche Umsetzung (Aufgabenformate, Gestaltung von Interaktionsmo‐ menten etc.) als Geißel des vorgenannten Dilemmas und der monolingualen Einstellungen bestehen. Die hier vorgestellte Studie untersucht die langfristigen Auswirkungen einer Seminarintervention auf die Einstellungen künftiger SpanischlehrerInnen hinsichtlich des Nutzens von Pluralen Ansätzen (PA) und auf ihre Bereitschaft, 99 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="100"?> diese in den FSU zu integrieren. Im Einklang mit früheren Studien (Araújo e Sá & Melo-Pfeifer, 2015; Melo-Pfeifer, 2018; Vetter, 2013) wird folgenden Forschungsfragen nachgegangen: Inwiefern dient die strukturierte Integration von PA im Rahmen von Erstaus‐ bildungsprogrammen dem Abbau monolingualer Denkweisen von künftigen FremdsprachenlehrerInnen? Wie beurteilen künftige FremdsprachenlehrerInnen die unterschiedlichen PA und ihre pädagogischen und didaktischen Vorteile [und Nachteile]? Welche Irritationen und Dilemmas lösen PA am Anfang des Professionalisie‐ rungsprozesses aus? In diesem Zusammenhang wurde eine explorative Studie anhand von Frage‐ bögen in drei Wintersemestern (2014/ 2015, 2015/ 2016 und 2016/ 2017) an der Universität Hamburg durchgeführt. Anhand der Fragebogenantworten sowie zusätzlicher individueller Reflexionen im Rahmen von Hausarbeiten werden im Folgenden die Entwicklung der Einstellungen künftiger Fremdsprachenleh‐ rerInnen zu PA und deren Beitrag zur eigenen Professionalisierung sowie zur Entwicklung der Mehrsprachigkeitsdidaktik aufgezeigt. 2. Plurale Ansätze und die Entstehung einer spezifischen Antinomie für FremdsprachenlehrerInnen: Mehrsprachiges oder einsprachiges Handeln? Wie bereits erwähnt, werden angehende FremdsprachenlehrerInnen vor das Dilemma gestellt, ob sie in Zukunft ihren FSU monolingual oder mehrsprachig gestalten sollen. So wird in der „Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Stärkung der Fremdsprachenkompetenz” klar für einen mehrsprachigen Modus plädiert: „Um sie [Mehrsprachigkeit] im Prozess des lebenslangen Lernens zu entwickeln, müssen erstsprachige Kompetenzen in den Fremdsprachenerwerb integriert und Synergien genutzt werden“ (2011, S. 2). Auch in Hamburg wurde dieses Plädoyer wahrgenommen: Im Englischunterricht der Grundschule wird an die vorhandene Mehrsprachigkeit in der jeweiligen Lerngruppe angeknüpft. Es gilt sowohl die Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Muttersprache als Deutsch zu fördern als auch die mit deutscher Muttersprache an andere Sprachen und Kulturen heranzuführen. (…) Alle Sprachen werden als gleichwertig erfahren und die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer positiven Haltung verstärkt, Sprachen verstehen und selbst sprechen zu wollen. (Bildungsplan Hamburg, Englisch, Grundschule, 2015, S. 13) 100 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="101"?> Für das Fremdsprachenlernen an Gymnasien (Sek I) hingegen, werden zwei Prinzipien dargestellt, die diese Selbstverständlichkeit der Nutzung der mehr‐ sprachigen Ressourcen in Frage stellen: Prinzip der Ein‐ sprachigkeit „Die Zielsprache ist Unterrichts- und Arbeitssprache. Der Einsatz des Deutschen ist selten erforderlich und erfolgt nur in wenigen deutlich markierten Phasen (z. B. bei der Vermittlung landeskund‐ licher Informationen, der Einführung der Schrift im Russischen oder der Reflexion über Sprache). Wechseln die Schülerinnen und Schüler innerhalb ihrer Äußerungen von der Zielsprache ins Deut‐ sche, um Ausdrucksdefizite zu überbrücken, so ist dies in den ersten Lernjahren als ein natürliches Phänomen des Fremdsprachener‐ werbs zu sehen. Zweisprachige Äußerungen werden daher in dieser Phase des Spracherwerbs toleriert und von der Lehrkraft in die Zielsprache übertragen.“ Mehrsprachig‐ keit „Im Unterricht der zweiten und dritten Fremdsprache im Gymna‐ sium wird an die eventuell vorhandene Mehrsprachigkeit in der jeweiligen Lerngruppe angeknüpft. Der Fremdsprachenunterricht nutzt die sprachliche Vielfalt der Lerngruppe, indem mehrsprachige Begegnungserlebnisse geschaffen werden.“ Tabelle 1: Einsprachige und mehrsprachige Prinzipien (Bildungsplan Hamburg für neuere Fremdsprachen, 2011, S. 14) Die erste zitierte Passage zeigt, dass Deutsch (hier anstelle von Muttersprache verwendet) lediglich in potentiell problematischen Momenten toleriert wird, wodurch sich potentiell vorhandene monolinguale Einstellungen weiter ver‐ festigen könnten. Zudem zeigt sich in dem Zitat m. E. Folgendes: i) Es wird eine progressive Monolingualisierung der Sprachproduktion angestrebt und ii) die Nutzung des Deutschen unterliegt einer defizitorientierten Betrachtung und wird nicht als förderlich angesehen. Mehrsprachigkeit wird demnach lediglich als Ressource für die Überwindung von Problemen auf dem Weg zu der Zielsprache (als „strategy of remediation“) und nicht als anzustrebende Kompetenz per se betrachtet. Die Ausführungen zur Mehrsprachigkeit - welche spezifisch für die zweiten und dritten Fremdsprachen vorgesehen sind -, sind andererseits wenig detail‐ liert und folgen einer humanistischen Zielsetzung („Begegnungserlebnisse“), ohne spezifische Momente oder Inhalte des FSU zu erwähnen. Dabei bleibt unklar, warum die sprachlichen Ressourcen nicht auch für das Erlernen der ersten Fremdsprache erforderlich sind. Die Tendenz, mehrsprachige Kompetenzen als Ressourcen für die Monolin‐ gualisierung des FSU zu instrumentalisieren, finden wir expliziter im Bildungs‐ plan Hamburg für neuere Fremdsprachen (Sek I): 101 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="102"?> Trotz dieser metasprachlichen Arbeit stehen die zu erwerbenden sprachlichen Mittel und die Entwicklung funktionaler kommunikativer Kompetenzen sowie deren hand‐ lungsorientierte Anwendung im Rahmen der Themenkreise und Inhalte im Vorder‐ grund. (2011, S. 14) Im Jahr 2015 wurde in der Anlage zum Rahmenplan Neuere Fremdsprachen (Hamburg) Sprachbewusstheit als „Sensibilität für und Nachdenken über Sprache und sprachlich vermittelte Kommunikation“ (S. 3) definiert und als Zielsetzung für den FSU formuliert, wobei die Entwicklung von sprachlichen Kompetenzen in der Zielsprache (neben interkulturellem Lernen und Persön‐ lichkeitsbildung) im Fokus steht: Sie ermöglicht Schülerinnen und Schülern, über Sprache und ihre Rolle in der Welt zu reflektieren, z. B. im Kontext kultureller und politischer Einflüsse. (…) Diese Einsicht in Struktur und Gebrauch der Zielsprache hilft den Schülern, zwischenmenschliche Kommunikation sensibel und sicher zu gestalten. Damit leistet die Entwicklung von Sprachbewusstheit einen wichtigen Beitrag zum Aufbau fremdsprachiger Kompetenz und über diese hinaus zum interkulturellen Lernen sowie zur Persönlichkeitsbildung.“ (Bildungsplan, gymnasiale Oberstufe, 2015, S. 3) So gesehen, könnte dieses Dilemma als Antinomie (bzw. als „widersprüch‐ liche Einheit“ nach Oevermann, 1996 zitiert im Helsper, 2014) im künftigen beruflichen Handeln betrachtet werden, da es „grundlegende Spannungen“ verursacht, die krisenhafte Momente in der Ausbildung auslösen und zu transformatorischen Reflexionen und Prozessen führen können (Helsper, 2016; Koller, 2012). Die Ambivalenzen im Umgang mit Mehrsprachigkeit - und mit PA als spezifische Herangehensweise - können zu einem Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtungen bei LehrerInnen führen (Helsper, 2016, S. 51), was wiederum Unsicherheiten in der Selbstbewertung der eigenen Professionalität oder Verzweiflung im Laufe des Professionalisierungsprozesses als Fremdspra‐ chenlehrerIn auslösen kann (dazu auch Huxel, 2018; Rosemann & Bonnet, 2018): „Bin ich immer noch LehrerIn von Sprache X, wenn ich andere Sprachen im FSU erlaube/ fördere? “, „Wie werde ich im Kollegium wahrgenommen, wenn ich neben MEINER Fremdsprache, die Sprachen von anderen KollegInnen mit einbeziehe? “ oder „Wie kann ich Mehrsprachigkeit und Prinzipien der Einsprachigkeit verknüpfen bzw. ist eine Reflexion über meine Sprache nur im monolingualen Modus erlaubt? “. Weil der FSU dadurch gekennzeichnet ist, dass die Fremdsprache gleichzeitig als Thema, Mittel und Ziel des Unterrichts fungiert und dass sie gesprochen wird, um gelehrt und gelernt zu werden (in einer konstanten Pendelbewegung zwischen Kommunikation und Lernen), müssen sich Lehrende entscheiden, welchen Modus sie adoptieren, denn, wie 102 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="103"?> 2 In Anlehnung an Luhmann (1996, S. 26, zitiert von Helpser, 2016, S. 53), der die „Paradoxie der Ungleichheit des Gleichen“ erwähnt. Oder, wie von Helsper suggeriert, es sei notwendig die standardisierte Gleichbehandlung durch eine differenzierende Ungleichbehandlung zu ersetzen (2018, S. 131). i. ii. von Helsper geäußert, können Lehrende in dieser komplexen kommunikativen Situation „nicht Nicht-Handeln“ (2016, S. 54). Zusammenfassend wird im Rahmen dieser Reflexion nahegelegt, neben Helspers pädagogischen Antinomien (spannungsvolle Paradoxien wie Nähe / Distanz oder Autonomie / Heteronomie), eine weitere spezifische Antinomie für das LehrerInnenhandeln im Bereich des Fremdsprachenlehrens anzuerkennen: die Antinomie Einsprachigkeit / Mehrsprachigkeit. Diese vorgeschlagene neue Antinomie steht dabei mit den Antinomien Nähe/ Distanz und Autonomie/ He‐ teronomie in Beziehung: durch mehrsprachige Handlungen vollziehen Lehrende eine Annäherung an ihre sprachlich heterogene Schülerschaft und dekonstruieren die „Gleichheit des Ungleichen“, 2 wobei durch monolinguale Handlungen (in der Fremdsprache) eine gleichberechtigte Praxis entstehen kann, in der die Distanzen zwischen Sprache und SchülerInnen und zwischen LehrerInnen und SchülerInnen gleich aussehen; durch gesteuerte Sprachvergleichsübungen, die mehrsprachige Repertoires berücksichtigen, wird mittels der Entwicklung von Fremdsprachenlern‐ kompetenzen Autonomie gefördert; da LehrerInnen üblicherweise für solche Übungen nur die von ihnen bekannten Sprachen benutzen, handelt es sich dabei um eine „kontrollförmige Autonomie“ (Helsper, 2015, S. 230). In diesem Beitrag soll der Versuch unternommen werden, herauszufinden, wie Einstellungen von angehenden SpanischlehrerInnen zu PA einen Beitrag zur Entstehung oder Beherrschung der Antinomie Einsprachigkeit / Mehrsprachig‐ keit leisten können. 3. Empirische Studie: Kontext und Methodologie Die explorative empirische Studie, in deren Rahmen die Fragebögen entwickelt und gesammelt wurden, fand, wie erwähnt, in drei Wintersemestern (2014/ 2015, 2015/ 2016 und 2016/ 2017) an der Universität Hamburg statt. Teilnehmende sind 47 angehende SpanischlehrerInnen des Masterstudiengangs, die am Modul „Weiterführung in die Fachdidaktik“ (mit 3 SWS) teilgenommen haben, das von der Autorin dieses Beitrags durchgeführt wurde. 103 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="104"?> Wie in anderen Studien bereits beschrieben (Araújo e Sá & Melo-Pfeifer, 2015; Melo-Pfeifer, 2018), wurde am Ende des Semesters, nach 13 Sitzungen zu PA, von den Teilnehmenden ein Fragebogen mit den folgenden Zielsetzungen beantwortet: i) Überprüfung der Einstellungen gegenüber und des Wissens über PA, und ii) Sichtbarmachung des Einflusses des Semesters auf die „prospektiven” Handlungen im FSU. Folgende Fragen wurden gestellt: • Frage 1: Was ist ein Pluraler Ansatz? • Frage 2: Welchen Pluralen Ansatz… - magst Du am liebsten? Warum? - findest Du am wertvollsten im FSU? Warum? - kann man am einfachsten in den FSU integrieren? Warum? • Frage 3: Das Beste an den Pluralen Ansätzen ist…. • Frage 4: Das Schlimmste an den Pluralen Ansätzen ist… • Frage 5: Gib deine Meinung an (Tabelle 1) + + + ± - - - Plurale Ansätze zu Sprachen & Kulturen (S & K) sind innovative Methoden im FSU. Plurale Ansätze zu S & K sind motivie‐ rende Methoden im FSU. Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb einfacher. Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb schneller. Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb lustiger. Plurale Ansätze zu S & K brechen curri‐ culare Routinen (z. B. Beziehung Mutter‐ sprache-Fremdsprache). Plurale Ansätze zu S & K stellen die Kom‐ petenz des Lehrers in Frage. Plurale Ansätze zu S & K reduzieren die Nutzung der Zielsprache im Unterricht. Ich würde in der Zukunft Plurale Ansätze im FSU benutzen. Tabelle 1: Tabelle zur Bewertung von PA 104 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="105"?> Um die Antworten auf die Fragen 2.1, 2.2 und 2.3 inhaltlich zu analysieren, wurden die bereits von Araújo e Sá & Melo-Pfeifer (2015) ausgearbeiteten Kategorien wiederverwendet (Tabelle 2). Kategorien Definition Ankerbeispiele Bildungsvor‐ teile Argumente über humanistische und demokratische Bildungswege, staats‐ bürgerliche Erziehung und über Be‐ reitschaft zur sprachlichen und kultu‐ rellen Vielfalt. „Weil es zur Völkerverstän‐ digung und zwar im Sinne von verständnisvoller Ver‐ ständigung in unserer glo‐ balen Welt äußerst wichtig ist“ (zum interkulturellen Lernen). Soziale und af‐ fektive Vorteile Argumente über die Entwicklung von positiven Einstellungen/ Haltungen gegenüber Fremdsprachenlehren und -lernen und über Schülermotivation. „Schüler werden dadurch motiviert, dass sie eigentlich mehr wissen, als ihnen be‐ wusst ist“ (zu Interkompre‐ hension). Pädagogische und organisa‐ torische Vor‐ teile Argumente über den schuli‐ schen Kontext, die schulische Kultur und die schulische Arbeits‐ kultur (LehrerInnen-Kooperation, Curriculum-Management und Ver‐ fügbarkeit von Lernmethoden und di‐ daktischen Materialien). „Da man sich fast nur auf Sa‐ chen bezieht, die bereits ein Teil des Curriculums sind“ (zur integrativen Sprachen‐ didaktik). Erwerbsvor‐ teile Argumente über die kognitive Öko‐ nomie und Wirksamkeit im Fremd‐ sprachenerwerb, die Vereinfachungs‐ rolle des Vorwissenstransfers und die Entwicklung von Lernstrategien. „Weil dieser konkret auf schon Gelerntes zurück‐ greift und somit das laut Lehrplan bereits gelehrte Wissen nutzbar macht“ (zur integrativen Sprachdi‐ daktik). Tabelle 2: Analytische Kategorien (Araújo e Sá & Melo-Pfeifer, 2015; Melo-Pfeifer, 2018) In diesem Beitrag wird ausschließlich eine quantitative Auswertung der an‐ onymen Antworten der Teilnehmenden im Laufe der drei Semester vorge‐ nommen. Eine qualitative Analyse der Aussagen erfolgte bereits in Araújo e Sá & Melo-Pfeifer (2015) und Melo-Pfeifer (2018). Für die Analyse der Aussagen zu Vor- und Nachteilen der PA (Fragen 3 und 4) wurden durch Auswahl und Paraphrasierung der Antworten zwei Kategorien erstellt: strukturelle Gegeben‐ heiten und Lernerfolg (Tabelle 3). 105 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="106"?> Kategorien Definition Ankerbeispiele strukturelle Gegebenheiten Argumente über die Integrierbarkeit von PA im schulischen Kontext „Es kann auf nicht-Akzep‐ tanz bei Kollegen, SuS stoßen…“; Lernerfolg Argumente über den Beitrag von PA zur SchülerInnenleistung im FSU „Dass sie die Fremdspra‐ chenkenntnisse durch Ver‐ knüpfungen fördern und da‐ durch besser festigen“. Tabelle 3: Vor- und Nachteile der PA Abschließend wurden für die Analyse der Ergebnisse zu Frage 5 die Positio‐ nierungen der Teilnehmenden auf der vorgegebenen Skala gesammelt und bewertet, um Tendenzen bzgl. des künftigen vorgesehenen Unterrichtshandelns zu identifizieren. 4. Präsentation der Ergebnisse 4.1 Bewertung von PA anhand des Fragebogens Tabelle 4 zeigt, dass interkulturelles Lernen, gefolgt von Interkomprehension, sehr beliebte PA zu sein scheinen. 2014/ 2015 2015/ 2016 2016/ 2017 Interkulturelles Lernen 13 6 6 25 Interkomprehension 4 8 3 15 Sprachensensibilisierung 4 4 0 8 Integrative Sprachendidaktik 3 0 2 5 Ohne Antwort 1 0 1 2 Tabelle 4: Welche PA magst Du am liebsten? Um diese Präferenz zu erklären, greifen die Studierenden auf Argumente zurück, die Bildungsvorteile in den Vordergrund stellen. Es ist anzumerken, dass diese Tendenz nicht immer zu finden ist: Im WiSe 2015/ 2016 wurde Interkomprehen‐ sion am häufigsten als beliebtester PA genannt. Tabelle 5 zeigt, dass denselben PA - interkulturellem Lernen und Interkom‐ prehension - zudem eine hohe Bedeutung beigemessen wird. 106 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="107"?> 2014/ 2015 2015/ 2016 2016/ 2017 Interkulturelles lernen 11 10 6 27 Interkomprehension 7 4 3 14 Integrative Sprachendidaktik 7 2 2 11 Sprachensensibilisierung 0 2 0 2 Ohne Antwort 0 2 2 4 Tabelle 5: Welche PA findest Du am wertvollsten im FSU? Diese Ergebnisse zeigen, dass parallel zum interkulturellen Lernen und zur Interkomprehension auch die integrative Sprachendidaktik als wichtig emp‐ funden wird, wobei sich die Argumente unterscheiden. In Bezug auf interkul‐ turelles Lernen nennen die Teilnehmenden weiterhin die Bildungsvorteile; im Fall der Interkomprehension und der integrativen Sprachendidaktik hingegen wird den Erwerbsvorteilen eine wichtige Rolle zugeschrieben. Auch im Bereich der Integrierbarkeit und Verwendung im Unterricht wird interkulturelles Lernen am häufigsten genannt (vgl. Tabelle 6). 2014/ 2015 2015/ 2016 2016/ 2017 Interkulturelles lernen 11 11 4 26 Interkomprehension 6 1 2 9 Integrative Sprachendidaktik 6 0 2 8 Sprachensensibilisierung 0 5 2 7 Ohne Antwort 2 2 4 8 Tabelle 6: Welche PA kann man am einfachsten in den FSU integrieren? In diesem Fall wurden die pädagogischen und organisatorischen Vorteile hoch geschätzt. Argumente wie die klare Verankerung von interkultureller Kompe‐ tenz im Bildungsplan, die Tradition im FSU und die zahlreichen Materialien wurden häufig genannt. Dabei ist Folgendes zu beachten: Wenngleich inter‐ kulturelles Lernen „seit ungefähr der Mitte der 1990er Jahre in Deutschland als zentrales Lernziel des Fremdsprachenunterrichts“ zu finden ist (Caspari & Burwitz-Melzer, 2017, S. 36), bleibt seine Komplexität für den FSU schwer modellierbar, so dass weiterhin „eine deutliche Diskrepanz zwischen dem relativ 107 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="108"?> 3 Bzw. einen monolingualen Habitus (vgl. Gogolin, 2008). 4 Auf der Grundlage einer Lehrwerkanalyse ziehen Schröder-Sura, Candelier et al. (2019) und Schröder-Sura & Melo-Pfeifer (2017) den Schluss, dass PA noch kaum in Lehrwerke für Fremdsprachen und für DaZ in Deutschland integriert wurden. hohen Stellenwert interkultureller Kompetenz als einem von vier Zielbereichen des Unterrichts und seinem quasi nicht vorhanden Stellenwert in den für das Abitur zu erbringenden Leistungen zu konstatieren [ist]“ (ebd., 37-38). Es ist wichtig anzumerken, dass sich die künftigen LehrerInnen in einem Spannungsfeld befinden zwischen dem, was als wertvoll empfunden wird, und dem, was im schulischen Kontext machbar scheint - oder anders formuliert - zwischen Erwerbsvorteilen und strukturellen Gegebenheiten. Zweitens sei darauf hingewiesen, dass dieses Spannungsfeld auch mit der Antinomie mehr‐ sprachiger / einsprachiger Modus zusammenhängen kann: Interkulturelles Lernen (insbesondere, wenn es auf Kultur- und Landeskunde reduziert wird) schließt monolinguales Denken 3 nicht aus und zwingt den/ die Fremdsprachen‐ lehrerIn nicht zwangsläufig dazu, andere sprachliche Ressourcen als die der Zielsprache zu berücksichtigen. Diese Tendenzen werden durch die Analyse der Antworten zu den Fragen 3 und 4 bestätigt: Als positiven Aspekt der PA sehen die angehenden LehrerInnen die positiven Auswirkungen auf die Schülerschaft und die Gesellschaft; als Hindernis sehen sie die strukturellen Konstellationen, in denen durch eine vorgegebene (normative) Ordnung Handlungsweisen aufgedrängt und repro‐ duziert werden (in der Schule, im Kollegium, im Bildungsplan). Im Folgenden werden die von den Teilnehmenden wahrgenommenen Vorteile von PA zitiert: • „Dass sie für die Existenz von Fremdsprachen sensibilisieren und auf eine gute Art motivieren können, neue Sprachen zu lernen, wenn Gemein‐ samkeiten + Zusammenhänge entdeckt werden“; • „Gut durchzuführen“; • „Dass sie sich nicht nur auf reines Wissen fokussieren, sondern auf das lernende Individuum eingehen“; • „Dass sie die Möglichkeit bieten, über den Tellerrand hinaus zu blicken, was für eine globale, tolerante Gesellschaft ein Kernmerkmal ist“; • „Dass sie die Fremdsprachenkenntnisse durch Verknüpfungen fördern und dadurch besser festigen“. Die wahrgenommenen positiven Auswirkungen auf die Schülerschaft stehen im deutlichen Kontrast zu den Vorstellungen über die zu erwartenden Rahmen‐ bedingungen: schwere Integrierbarkeit in schon zu volle Lehrpläne, hoher Ar‐ beitsaufwand aufgrund fehlender Unterrichtsmaterialien, 4 schwere Messbarkeit 108 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="109"?> 5 Helsper definiert den Lehrerhabitus als „Ausdruck der Orientierungen, der fachlichen und pädagogischen Praxen der jeweiligen Lehrertätigkeit, wie sie über berufsbiogra‐ phische Phasen im Kontext konkreter Schulkultur entfaltet werden“ (2018, S. 123). von sprachübergreifenden Kompetenzen und mangelnde Akzeptanz seitens der KollegInnen. • „Es könnte zu einer Überforderung der SuS führen, wenn die Themenge‐ biete nicht ausreichend eingegrenzt werden“; • „Dass sie bisher wenig in den Lehrwerken berücksichtigt sind“; • „Schwer zu bewerten”; • „Es kann besonders zu Beginn ein erhöhter Arbeitsaufwand entstehen“; • „Es kann auf nicht-Akzeptanz bei Kollegen, SuS stoßen…“; • „Eventuell der Zeitmangel im Unterricht? Oder dass sie noch nicht fest etabliert sind“ und erst „richtig eingeführt“ / „ausprobiert werden müssen“; • „Dass es eine zeitaufwändige Methode ist, und der Lehrplan ein anderes Tempo vorgibt“. Es ist zu beobachten, dass monolinguale Denkweisen im FSU bzw. in der Schule nicht direkt für die Schwierigkeiten in der Umsetzung von PA verantwortlich gemacht werden. Die Aussagen der ProbandInnen weisen vielmehr darauf hin, dass eine zu stark ausgeprägte Leistungsorientierung sowie eine eher starre Arbeitskultur als Hindernis für den Einsatz von PA gesehen werden. Genauer betrachtet bedeutet dies, dass sich die künftigen LehrerInnen in einem Span‐ nungsfeld zwischen der Anerkennung von potenziellen positiven Lerneffekten auf der einen Seite und den projizierten Handlungsschwierigkeiten auf der anderen Seite bewegen, was wiederum für eine Bestätigung der Antinomie Einsprachigkeit / Mehrsprachigkeit in der Lehrerhandlung sprechen könnte. Wie von Rosemann & Bonnet zusammengefasst, finden sich angehende Fremd‐ sprachenlehrerInnen während ihrer Ausbildung in einem „Spannungsverhältnis zwischen Normen und dem jeweiligen Lehrerhabitus“ 5 (2018; auch Bonnet & Hericks, 2014), nämlich wenn „konträre schulische und universitäre Normen […] aufeinanderprallen“ (Rosemann & Bonnet, 2018, S. 135). In Frage 5 mussten sich die Lernenden zu 9 Aussagen positionieren, von „trifft völlig zu“ (++) bis „trifft überhaupt nicht zu“ (--). Tabelle 7 zeigt überwiegend po‐ sitive Einstellungen zu PA, vor allem im Bereich Motivationspotential. Andere positive Vorstellungen sind in den Bereichen Innovation, Brechung von curri‐ cularen Routinen und Lustigkeit von Spracherwerb zu beobachten (z. B. „Plurale Ansätze zu S & K machen den FS-Erwerb lustiger“). Auch positiv bewertet (aber nicht ++) sind die Aussagen zu den kognitiven Erwerbsvorteilen (einfacher 109 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="110"?> und schneller Fremdsprachenerwerb). Die Aussagen, die den monolingualen Habitus im FSU thematisieren, riefen gemischtere Reaktionen hervor: Manche der künftigen LehrerInnen haben Angst, ihre Expertenrolle abzugeben oder zu teilen; andere sehen durch die PA die Nutzung der Zielsprache im Unterricht in Gefahr. Beide Argumente haben in der monolingualen Fremdsprachendidaktik eine lange Tradition. + + + ± - - - Plurale Ansätze zu Sprachen & Kulturen (S & K) sind innovative Methoden im FSU. 24 22 1 Plurale Ansätze zu S & K sind motivie‐ rende Methoden im FSU. 30 10 6 Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb einfacher. 14 25 7 Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb schneller. 6 26 13 2 Plurale Ansätze zu S & K machen FS- Erwerb lustiger. 20 16 9 3 Plurale Ansätze zu S & K brechen curri‐ culare Routinen (z. B. Beziehung Mutter‐ sprache-Fremdsprache). 19 13 11 5 Plurale Ansätze zu S & K stellen die Kom‐ petenz des Lehrers in Frage. 5 8 18 17 Plurale Ansätze zu S & K reduzieren die Nutzung der Zielsprache im Unterricht. 2 9 9 16 10 Ich würde in der Zukunft Plurale Ansätze im FSU benutzen. 22 21 3 Tabelle 7: Zusammenfassende Tabelle zur Bewertung von PA 4.2 Bewertung von PA in den Hausarbeiten Die diesem Teil zugrundeliegenden Hausarbeiten wurden einige Monate nach dem Seminar im WiSe 2017 abgegeben. Trotz der Tatsache, dass diese Texte bewertet wurden, äußerten sich die Lernenden kritisch gegenüber den PA und reflektierten den im Seminar simulierten Unterricht. Eine künftige Lehrerin beschreibt mit Elan, wie ihr Unterricht von den Kommilitonen mit Migrations‐ geschichte erlebt wurde: 110 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="111"?> „Eine „Schülerin“ hatte russische Wurzeln und konnte mit Stolz den russischen Titel von Rotkäppchen laut vorlesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Schüler durch das Einbeziehen ihrer jeweiligen Muttersprache eine Wertschätzung in ihrer Sprache und Kultur erleben. (…) Für mich war es wichtig zu erfahren, ob die Unterrichtseinheit als sinnvoll und Unterrichtstauglich angesehen wird. Durch dieses insgesamt positive Feedback würde ich nach einigen Verbesserungen eine ähnliche Stunde wie diese im Unterricht durchführen. (…) Im Schulalltag wird es nicht immer leicht sein, die verschiedenen mehrsprachigkeitsorientierten Ansätze getrennt voneinander im Unterricht zu integrieren.“ (ST). Die leidenschaftlichen, positiven Erfahrungen bei der Planung und Durchfüh‐ rung einer Stunde mit den PA im Seminar sorgen für eine sehr positive Bewertung der Integration von Mehrsprachigkeit. Trotzdem betrachtet die Studierende die Integrierbarkeit von PA im künftigen Schulalltag als potentiell problematisch, was für tief verankerte Repräsentationen in Bezug auf den Schulalltag und die starren Handlungsfelder spricht. Eine andere Studierende merkt an, dass sich durch PA die Erwartungshaltung im FSU ändert und grundlegend realistischer wird. Zudem sind Vorkenntnisse in allen Sprachen (und nicht nur innerhalb derselben Sprachfamilie) zu berücksich‐ tigen, und zwar infolge der individuellen Natur des mehrsprachigen Repertoires: „Da es außerdem eine Sprache ist, die die „SchülerInnen“ nicht lernen und auch nicht perfekt beherrschen müssen, ebenso wenig wie die mögliche Lehrkraft, scheint die Hürde sich zu beteiligen und mögliche Ängste kleiner geworden zu sein. Aus den Fragebögen ging auch hervor, dass dieses Aufgabenformat helfen könnte, um vom Perfektionismus im Klassenzimmer abzukommen. (…) Des Weiteren wurden mehrere Sprachen als Brückensprache genannt. Es scheinen mehrere Sprachen als Transferbasis genutzt worden zu sein“ (MH) Eine andere Teilnehmerin bemerkt, dass der Einsatz von PA unerlässlich ist, da sich die sozialen Rahmenbedingungen geändert haben. So würden PA auch eine soziale Funktion erfüllen: „Grundsätzlich habe ich erkannt, dass die Themen aus dem Seminar bezüglich der PA allein schwierig in der Schule umzusetzen sind. (…) Wir haben schlussendlich keine Wahl, die Klassen die wir unterrichten werden immer heterogener, immer gemischter, immer bunter. Viele Nationalitäten, viele Sprachen, viele versteckte Talente. Doch sollten wir aufhören, dies als Problematik zu sehen, sondern gerade im FSU diese Tatsache nutzen. Die PA sind hier ganz klar eine Hilfestellung, um genau dies zu erreichen, Synergien nutzen und die SuS Ängste nehmen“ (KP) 111 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="112"?> Allerdings sollten diese positiven Bemerkungen und der potentielle Einfluss auf die LehrerInnenhandlungen nicht pauschalisiert werden. Trotz Aussagen wie „Plurale Ansätze werden mich in der zukünftigen Unterrichtsvorbereitung beeinflussen“ (AT), ist zu hinterfragen, ob das Seminar einen nachhaltigen Effekt auf die künftigen FremdsprachenlehrerInnen ausgeübt hat. Die folgende Aussage aus einer Hausarbeit, die das Ethos im Seminar zusammenfasst, veran‐ schaulicht die Dilemmas der Gruppe: „So wurde an dieser Stelle auf die begrenzten Ressourcen Bezug genommen, wie der knappen Zeit für die Vorbereitung von Unterrichtsmaterialien und der zeitauf‐ wendigen Organisation von Fachkonferenzen und Koordinationszeiten zwischen Kollegen und Kolleginnen. Weiterhin wurde in den Arbeitsgruppen auf die fehlenden Unterrichtsmaterialien und Lehrbücher hingewiesen. Andere kritische Stimmen im Seminar beklagten die fehlende Kompetenz der LehrerInnen. Sie wiesen darauf hin, dass ein Sprachenlehrer in nur einer Sprache ausgebildet sei und er nicht mehrere Sprachen beherrsche“. (A-KM) 5. Erkenntnisse und Diskussion Als „Lehr- und Lernverfahren, die zugleich mehrere Sprachen bzw. sprachliche Varietäten und Kulturen und einen übergreifenden Kompetenzbegriff einbe‐ ziehen“ (Candelier et al., 2012) bieten PA die Möglichkeit einer expliziten Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit und stehen dem tief verankerten monolingualen Habitus im FSU gegenüber, ohne jedoch die Zielsprache zu vernachlässigen. Durch die Linse der vorgeschlagenen Antinomie Einsprachig‐ keit / Mehrsprachigkeit im Rahmen des Lehrerhandelns wurde prognostiziert, dass die Integration der PA in die erste Phase der LehrerInnenausbildung das Potenzial haben könnte, mehrsprachige Traditionen und Erlebnisse zusammen explizit zu reflektieren, wobei Dilemmas und Unsicherheiten entstehen und aufgearbeitet werden könnten. Zur Forschungsfrage 1, „Inwiefern dient die strukturierte Integration von PA im Rahmen von Erstausbildungsprogrammen dem Abbau der monolingualen Denkweise von künftigen FremdsprachenlehrerInnen? “, ist es plausibel zu be‐ haupten, dass durch den Kontakt mit sprachübergreifenden didaktischen Theo‐ rien und didaktisierten Materialien sowie die Didaktisierung authentischer Ma‐ terialien ein stärkeres Bewusstsein für den Kontext (z. B. Mehrsprachigkeit), die Lernsituation, die Lehrstrategien und die kontextuellen Rahmenbedingungen geschaffen und ausbaut wird (auch Vlad, 2014). Weiterhin ist anzumerken, dass die ProbandInnen noch vor ihrem Berufseintritt der Meinung sind, dass ihre Autonomie und Willensfreiheit im Bereich Mehrsprachigkeitsdidaktik 112 Sílvia Melo-Pfeifer <?page no="113"?> im Kontext einer zu starren Handlungspraxis in der Schule eingeschränkt werden. Dies bedeutet, dass die „institutionalisierten Verhaltenserwartungen, mit denen die Akteure sich konfrontiert sehen“ (Rosemann & Bonnet, 2018, S. 139) von Studierenden anerkannt werden, wobei sie das Spanungsfeld zwi‐ schen Universitätsdiskurs und dem, was in der Struktur-Institution Schule von ihnen verlangt wird, identifizieren bzw. die potentiellen Diskrepanzen zwischen zwei Diskursen, zwei Kulturen und zwei Normen erkennen. Ähnlich sieht es auch Huxel: „eigentlich wird Mehrsprachigkeit als Ressource betrachtet und die Lehrkräfte würden sie auch einbeziehen - wenn dem nicht fundamentale Regularitäten im Feld Schule entgegenstünden“ (2018, S. 112). In Bezug auf Forschungsfrage 2, „Wie betrachten künftige LehrerInnen die unterschiedlichen PA und ihre pädagogischen und didaktischen Vorteile [und Nachteile]? “ ist festzuhalten, dass PA von Studierenden positiv eingeschätzte pädagogische Herangehensweisen darstellen. Dabei wird das Argument der Bildungsvorteile am häufigsten benutzt, um - vor dem Hintergrund des inter‐ kulturellen Lernens - persönliche Präferenzen zu begründen. Pädagogische und organisatorische Vorteile werden am meisten genannt, um die Bereitschaft zu begründen, die PA im FSU zu integrieren (in Bezug auf die pragmatische Anwendbarkeit aus der Lehrerperspektive). Das Argument der Erwerbsvorteile wird benutzt, um den Wert verschiedener PA im FSU zu belegen (im Hinblick auf Ökonomie und Effizienz des Lernprozesses). Soziale und affektive Vorteile für den FSU scheinen hingegen nicht als bedeutsam eingeschätzt zu werden (vgl. auch Melo-Pfeifer, 2018). Nachteile, die strukturelle und organisatorische Probleme erkennen und reflektieren, werden parallel dazu genannt. Zur Beantwortung der Forschungsfrage 3, „Welche Krisen lösen PA am Anfang des Professionalisierungsprozesses aus? “, ist grundsätzlich festzuhalten, dass „die Lehrerbildung bezüglich der impliziten, früh erworbenen Überzeu‐ gungen nur wenig transformatorisches Potenzial entfaltet“ (Helsper, 2018, S. 132). Nichtsdestotrotz ist anzumerken, dass die Auseinandersetzung mit PA das biographische Erlebnis des FS-Lernens aufgreift und damit die Refle‐ xion über Alternativen zu monolingualen Normen im FSU begünstigt. Dabei kann man davon ausgehen, dass der Kontakt mit PA eine außergewöhnliche Möglichkeit der Professionalisierung bietet, da angehende Lehrpersonen an‐ geregt werden, beobachtete und erlebte monolinguale Routinen des FSU zu überdenken, zu hinterfragen und so ihr künftiges Handeln als mehrsprachiges Handeln zu konzipieren. Das Seminar bietet dementsprechend die Möglichkeit, die schulischen normativen und monolingualen Normen zu hinterfragen und zu relativieren, um sie durch „kreative Subversion“ (Rosemann & Bonnet, 2018, S. 148) transformieren zu können. Im besten Fall lässt sich anhand der Integra‐ 113 Plurale Ansätze. Unsicherheiten und Dilemmas künftiger Lehrkräfte <?page no="114"?> tion von PA in die erste Phase der LehrerInnenausbildung untersuchen, welche prospektiven Handlungsprobleme sich die Lehrpersonen in mehrsprachigen Kontexten vorstellen, wie sie sie wahrnehmen und annehmen und wie sie planen, mit ihnen umzugehen. Diese Studie kommt zu den gleichen Schlussfolgerungen wie die Zusam‐ menfassung von Huxel zu den Überzeugungen von Lehrkräften gegenüber Mehrsprachigkeit: Studien zu Überzeugungen von Lehrkräften zu Mehrsprachigkeit zeigen, dass Lehr‐ kräfte […] Mehrsprachigkeit grundsätzlich zwar durchaus für eine Ressource und für wertvoll halten, dass sie einem konstruktiven Einbezug in ihren Unterricht jedoch eher skeptisch gegenüberstehen und sich nicht genügend qualifiziert und professionalisiert fühlen (2018, S. 110). Angelehnt an Helspers Theorie des Lehrerhabitus (2018), ist es plausibel zu behaupten, dass sich die künftigen SpanischlehrerInnen zwischen der Re‐ produktion und der Veränderung des monolingualen Habitus im FSU hin- und hergerissen fühlen. Für die Professionalisierung von Lehrpersonen sind diese durch die Konfrontation mit PA produzierten krisenhaften Momente bedeutsam: Sie bieten das Potential, Routinen des Lehrhandelns zu reflektieren und zu durchbrechen, und die Entstehung von Neuem sowie von neuen päd‐ agogisch-didaktischen Wünschen zu fördern. Wichtig wäre, als Weiterentwicklung der hier präsentierten explorativen Studie die Nachhaltigkeit der Antinomie des mehrsprachigen und einsprachigen Handelns zu prüfen, um die „Antinomien in Aktion“ zu rekonstruieren. Dafür wäre es sinnvoll, Interviews mit TeilnehmerInnen zu führen, die sich in der zweiten Phase der LehrerInnenausbildung oder bereits im Schuldienst befinden. Bibliographie Araújo e Sá, Maria Helena & Melo-Pfeifer, Sílvia (2015). Représentations de futurs professeurs de Langues Romanes par rapport aux approches plurielles. In Maria Mantesanz del Barrio (Hrsg.) La enseñanza de la intercomprensión a distancia (S. 77-97). Madrid: Universidad Complutense de Madrid. 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Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger Abstract Subjektive Theorien von Lehrpersonen haben in den letzten Jahren sowohl im Kontext der bildungswissenschaftlichen als auch der fremdsprachendi‐ daktischen Forschung zentrale Bedeutung gewonnen. Dennoch liegen nach wie vor nur wenige Studien zur Untersuchung spezifischer Sichtweisen von LehramtskandidatInnen auf mehrsprachigkeits- und teambezogene Aspekte vor. Im Beitrag soll ein Überblick über den Stand der Forschung gegeben und anhand einer Fragebogenuntersuchung erforscht werden, mit welchem Wissen und welchen subjektiven Sichtweisen angehende Fremdsprachen‐ lehrkräfte ihre fremdsprachendidaktische Ausbildung am sprachenübergreif‐ enden Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik beginnen. 1. Einleitung Im Beitrag soll theoretisch und empirisch der Frage nachgegangen werden, über welches Wissen und welche subjektiven Sichtweisen zu mehrsprachigkeits- und teambezogenen Aspekten LehramtskandidatInnen zu Beginn ihrer fremdspra‐ chendidaktischen Ausbildung verfügen. Dafür wird zunächst ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu subjektiven Sichtweisen von Mehrsprachigkeit und Team-Teaching respek‐ tive Team-Learning bei angehenden Fremdsprachenlehrpersonen gegeben und das sprachenübergreifende ‚Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) vorgestellt. IMoF bildet zukünftige Fremdsprachenlehrpersonen für <?page no="120"?> 1 Längerfristig soll im Zuge der Professionalisierung in der Initialausbildung bei den AbsolventInnen neben dem Erreichen eines Bewusstseins für Mehrsprachigkeit auch eine mehrsprachigkeitsdidaktische Kompetenz herausgebildet werden. Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch aus und verfolgt konzeptuell, inhaltlich und organisatorisch u. a. Ziele der Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik. In forschungsbasierten umbrella courses werden Theorien und Prinzipien des Lehrens, Lernens und Bewertens, die dem Unterricht aller Fremdsprachen zu Grunde liegen, im Team-Teaching Verfahren vermittelt und in sprachspezifi‐ schen Begleitlehrveranstaltungen und Seminaren sowie einem einsemestrigen Fachpraktikum vertieft. Der Beitrag präsentiert in weiterer Folge Ergebnisse einer Pilotstudie, die anhand einer Online-Befragung mittels Fragebogen subjektive Theorien von Studierenden des IMoF hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Team-Teaching sowie Team-Learning und deren Entwicklung während der fremdsprachendi‐ daktischen Ausbildung im Rahmen des Lehramtsstudiums erhebt. Ziel ist es, festzustellen, ob der sprachenübergreifende und teamorientierte Ansatz des Ausbildungsmodells in unterschiedlichen Phasen der Ausbildung (während der Initialausbildung im Diplombzw. aktuell im Bachelor- und Masterstudium sowie im Unterrichtspraktikum, dem österreichischen Pendant zum Referenda‐ riat, und der im Rahmen der LehrerInnenbildung NEU zu implementierenden Induktionsphase) ein Bewusstsein für mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze 1 sowie Team-Learning und Team-Teaching initiieren kann. 2. Subjektive Sichtweisen von Fremdsprachenlehrpersonen auf Mehrsprachigkeit und Team-Teaching respektive Team-Learning 2.1 Definitorische Überlegungen Seit den 1990er Jahren gewinnt die Erforschung der lange Zeit kaum beachteten Innensicht von Lehrpersonen auf unterschiedliche Aspekte des fremdsprachli‐ chen Lernens und Lehrens zunehmend an Bedeutung (Caspari, 2014, S. 21). Damit einhergehend entstanden unterschiedliche, mehr oder weniger umfas‐ sende Begrifflichkeiten, die u. a. in den Oberbegriffen teacher cognition und subjektive Theorien subsumiert und oft, wie auch im vorliegenden Beitrag, synonym verwendet werden. So umfasst teacher cognition in der Definition von Borg (2003, S. 82 zitiert in Borg 2015, S. 47) „beliefs, knowledge, theories, attitudes, images, assumptions, metaphors, conceptions, perspectives” über das Lehren und Lernen, die Lehrenden und Lernenden, den Lerngegenstand, den Lehrplan, die Materialien und Unterrichtsaktivitäten sowie das eigene 120 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="121"?> 2 Weitere Ausführungen zu subjektiven Theorien finden sich u. a. in Hirzinger-Unterra‐ iner (2013). Selbst. Für eine allgemeine Definition scheint wesentlich, dass dieses komplexe, dynamische System das Denken, Handeln und die subjektive Wahrnehmung von Lehrpersonen lenkt (vgl. Borg, 2001, S. 186). So wirken die genannten Er‐ wartungshaltungen und Thesen bei der Analyse von Sachverhalten, Situationen und Personen und werden daher auch oft als verallgemeinernde Konstrukte definiert, die Entscheidungen im unterrichtlichen Handeln in Form von Strate‐ gien erleichtern (vgl. Hammer et al., 2016, S. 150). Mit subjektiven Theorien sind nach Groeben et al. (1988, S. 21) (implizite) Reflexionen über Menschen und / oder Gegenstände gemeint, die analog zu wissenschaftlichen Theorien auch Erklärungen und Prognosen für Verhalten geben wollen. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Theorien weisen subjektive Theorien jedoch Widersprüche auf, werden kaum hinterfragt und häufiger bestätigt als falsifiziert (vgl. Kallenbach, 1996, S. 34-35; Grotjahn, 2005, S. 42). 2 Sie können in unterschiedlichem Ausmaß von (berufs-)biographischen Faktoren wie der Aus- und Weiterbildung sowie beruflichen Erfahrungen beeinflusst werden und sind vor allem in der Anfangsphase der LehrerInnenausbildung von Lernerfahrungen aus dem eigenen Bildungsweg geprägt (vgl. Borg, 2003, S. 82, zitiert in Borg, 2015, S. 47; Caspari, 2016, S. 308). Borg (ebd.) streicht zudem die kontextuellen Rahmenbedingungen heraus, die die Unterrichtspraxis stark beeinflussen und oft zu Inkongruenzen zwischen LehrerInnenkognitionen und unterrichtlichem Handeln führen. In den zahlreichen Definitionsversuchen lässt sich überdies eine Kontroverse über die Abgrenzung von subjektiven Theorien zu Wissen feststellen. Pajares (1992, S. 313) fasst zusammen, dass diese in den meisten Fällen anhand der Objektivität vs. Subjektivität der Konzepte vorgenommen wird, so auch in der vorliegenden Studie (s. Abschnitt 3.2): „Belief is based on evaluation and judgment; knowledge is based on objective fact”. Pajares (1992) und andere (vgl. u. a. Meijer, Verloop et al. 2001) merken allerdings auch an, dass Wissen und Überzeugungen untrennbar miteinander verbunden sind. Während das Zusammenwirken von Wissen und Überzeugungen in der Fachliteratur in den letzten Jahren umfassend thematisiert wurde, gibt es kaum Studien, die das Verhältnis zwischen LehrerInnenkognitionen und Lernergebnissen bei Schüler- Innen untersuchen (vgl. Borg, 2015, S. 29). Die hier vorgestellte Studie soll in einer Erweiterung dieses Desiderat aufgreifen. 121 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="122"?> 3 Bereits der Titel des hier zitierten Aufsatzes veranschaulicht die studentische Motiva‐ tion in den Worten der angehenden Französischlehrpersonen: „… weil ich dieses Land und die Sprache dermaßen liebe“ (Vetter 2008). 2.2 Forschungserkenntnisse zu mehrsprachigkeitsbezogenen subjektiven Theorien von FremdsprachenlehrerInnen Wenngleich subjektive Sichtweisen von Lehrpersonen in den letzten Jahren sowohl im Kontext der LehrerInnen(-ausbildungs-)forschung als auch in der fremdsprachendidaktischen Forschung zentrale Bedeutung erlangt haben (vgl. Crandall & Christison, 2016, S. 5; Legutke & Schart, 2016, S. 11), liegen nach wie vor nur wenige empirische Studien vor, die sich der Erforschung spezifischer Haltungen und Überzeugungen von (angehenden) Fremdsprachenlehrkräften zu Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik widmen (für einen Über‐ blick siehe Peter & Unterthiner, 2017, S. 160-161). In der Folge sollen ausge‐ wählte Studien knapp umrissen werden. Vetter (2008) erforscht mögliche Motive für die Studien- und Berufswahl von angehenden Französischlehrpersonen in Österreich und stellt als deren Hauptbeweggrund positive Haltungen gegenüber der französischen Sprache fest. 3 Dementsprechend geben die Befragten an, sich mehr als Französischlehr‐ personen denn als (Fremd-)Sprachenlehrpersonen im allgemeineren Sinn zu sehen. Ungeachtet dessen zeigen sich aber zwei Drittel der 397 befragten Lehr‐ personen aufgeschlossen gegenüber mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen. In einer transnationalen Untersuchung von 176 Lehrpersonen der Sekundar‐ stufe in Großbritannien, Italien und Österreich macht De Angelis (2011) eine hohe Anzahl an Lehrkräften aus, die Zwei- und Mehrsprachigkeit zwar als wertvolle Ressource anerkennen, diese aber nicht direkt mit den Erwerbs- und -lernprozessen in einer weiteren Sprache der SchülerInnen assoziieren. Die Studie von Heyder & Schädlich (2014) in Deutschland bestätigt, dass die 297 befragten Fremdsprachenlehrpersonen überwiegend positiv gegenüber sprachenübergreifenden Reflexionen und kontrastiven Herangehensweisen eingestellt sind, die AutorInnen weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass diese im unterrichtlichen Handeln laut Selbsteinschätzungen der ProbandInnen meist nur spontan zum Einsatz kommen und nicht systematisch bei der Konzeption und Planung des Unterrichts mitgedacht werden. Sprachvergleiche finden zudem nur zwischen der Ziel- und der Schulsprache (im vorliegenden Fall Deutsch) statt, Fremdsprachen und die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der SchülerInnen werden nur selten herangezogen (vgl. ebd., S. 194). Haukås (2016) analysiert im Rahmen einer qualitativen Studie auf Basis von Fokusgruppendiskussionen subjektive Theorien von zwölf norwegi‐ 122 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="123"?> 4 Ausgehend von Gogolins (2008) Kritik am „monolingualen Habitus der multilingualen Schule” wird im vorliegenden Beitrag der Begriff ‚multilingualer Habitus‘ als ange‐ strebtes Ziel verwendet. schen Sprachlehrpersonen zum Tertiärsprachenerwerb und -unterricht. Diese schätzen Mehrsprachigkeit als wertvolle Ressource und sprachenübergreifende Kooperation als hilfreiche Möglichkeit ein, sprachliche Phänomene in der Tertiärsprache mit jenen in bereits erworbenen Fremdsprachen zu verknüpfen, richten ihr tatsächliches unterrichtliches Handeln jedoch nicht auf die Erarbei‐ tung von entsprechenden Strategien aus und vermissen ferner Kooperationen im LehrerInnenkollegium, um mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze in ihrem Unterricht voranzutreiben. Laut den hier dargestellten Studien sowie weiteren Untersuchungen mit Lehramtsstudierenden anderer, nicht sprachlicher Unterrichtsfächer (vgl. u. a. Acquah et al., 2016; Hammer et al., 2016) scheinen (angehende) Lehrpersonen durchweg positive mehrsprachigkeitsbezogene Haltungen und Einstellungen einzunehmen. Ihren eigenen Angaben zufolge bedürfen sie aber einer spezifi‐ scheren Ausbildung, wie u. a. auch von De Angelis (2011, S. 229) und García (2015, S. 15) gefordert, um mehrsprachige Bildung voranzutreiben und durch ihre unterrichtlichen Entscheidungen Verantwortung für die Entwicklung eines multilingualen Habitus 4 im schulischen Kontext zu übernehmen. 2.3 Forschungsergebnisse zu Team-Teaching und Team-Learning im universitären Kontext Ähnlich wie für Studien zu mehrsprachigkeitsbezogenen subjektiven Theorien besteht auch für die Erforschung der Überzeugungen zu Team-Teaching respek‐ tive Team-Learning bei LehramtskandidatInnen ein Forschungsdesiderat. Der Großteil der bislang vorliegenden Studien konzentriert sich auf Lehrpersonen, die bereits im Dienst stehen, beziehungsweise auf Studierende im Allgemeinen ohne Lehramtsbezug. Dies betonen auch Bui et al. (2015, S. 30), indem sie meinen: There are two outstanding observations in the literature that are of particular relevance to this study. On the one hand, while most scholarly attention has focused on the study of team learning in business sectors, more work is needed in the public sector, particularly in higher education. Während also für den Kontext der LehrerInnenausbildung nur wenige Studien vorliegen, wird für den wirtschaftlichen Sektor eine fundierte Forschungslage vorgefunden: So zeigt beispielsweise Betta (2016, S. 70-73) in ihrer empirischen Studie mit Studierenden (N=149) im wirtschaftlichen Bereich, dass ‚Team-based 123 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="124"?> 5 Team-based Learning wird in der Fachliteratur als „active-learning instructional strategy that was designed to promote individual and group accountability, collaborative learning, and acquisition of higher-order cognitive skills through application exercises” definiert (Michaelsen, 2008, zitiert in Lein et al., 2017, S. 1). Learning‘ 5 zu einer höheren Anerkennung von Teamarbeit und Kooperation im Team führt. Analog zum Kurs „Einführung in die Didaktik des Fremdspra‐ chenunterrichts“ arbeiten die Studierenden im Rahmen der in Bettas Studie berücksichtigten Lehrveranstaltungen in interdisziplinären Gruppen über einen Zeitraum von einem Semester. In der abschließenden schriftlichen Befragung geben jeweils 88% der Studierenden an, sich durch Team-based Learning über unterschiedliche Anschauungen und Fähigkeiten auszutauschen; 86% sind der Meinung, dass die Teamarbeit zur erfolgreichen Bewältigung der gestellten Aufgabe beigetragen hat. Ferner führen 74% der Studierenden an, durch das Team-based Learning eine konstruktive Feedbackkultur im Umgang mit den Teammitgliedern erworben zu haben. Bresman & Zellmer-Bruhn (2013) untersuchen Team-Learning im Zusammen‐ hang mit der Gruppenorganisation und stellen fest, dass sowohl Teamstrukturen als auch organisatorische Strukturen positive Auswirkungen auf Team-Learning haben: Ein hohes Maß an Teamstruktur fördert Team-Learning, zu viel organi‐ satorische Struktur verhindert dies hingegen. So beeinflusst eine vorhandene Teamstruktur Team-Learning positiv, indem etwa die jeweiligen Aufgaben der Teammitglieder geklärt sind und diese dadurch Sicherheit für den eigenen Teamstatus und damit der eigenen Rolle und Aufgabe im Team erfahren (ebd., S. 1136). Vasan et al. (2009) untersuchen Studierende im Medizinstudium und ziehen für ihre universitäre Anatomie-Lehrveranstaltung Team-based Learning heran. Sie erheben dabei die studentische Wahrnehmung von Team-based Learning und Teamarbeit und stellen bei den befragten Studierenden (N=317) prinzipiell eine positive Einstellung gegenüber Team-based Learning fest, die bei den leistungsstarken Studierenden jedoch höher ausgeprägt ist als bei den leistungs‐ schwachen (ebd., S. 153). Der von Vasan et al. (2009) konzipierte Fragebogen stößt weithin auf An‐ erkennung, um die studentische Wahrnehmung von Team-based Learning zu eruieren. Lein et al. (2017) können in ihrer Replikationsstudie mit Physiothe‐ rapie-Studierenden (N=115) die von Vasan et al. (2009) erstellte Skala über die studentische Wahrnehmung von Team-based Learning validieren und die beiden Faktoren, Wahrnehmung von Team-based Learning sowie jene von Teamarbeit, bestätigen (Lein et al., 2017, S. 4). 124 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="125"?> Spezifische Studien im Bereich der LehrerInnenausbildung wären insofern erforderlich als der Bildungskontext, so etwa Vangrieken et al. (2016), als beson‐ ders herausfordernd gilt, wenn es um die Kooperation von Lehrpersonen geht, da die bisherige Schulkultur überwiegend auf die individuelle Arbeitshaltung von PädagogInnen ausgerichtet war. Gleichzeitig wird Team-Teaching immer häufiger als ein möglicher Ansatz herangezogen, um effektives Lehren und Lernen in zunehmend heterogenen Klassen und inklusiven Lernsettings mit ihren besonderen Anforderungen zu ermöglichen. In diesem Kontext erforscht Austin (2001) die Überzeugungen von 139 Lehrkräften und kann in semistruk‐ turierten Interviews zeigen, dass das gemeinsame Unterrichten im Team aus der Sicht der Lehrpersonen nicht nur Vorteile für die SchülerInnen durch eine verbesserte Betreuungsquote hat, sondern dass sich darüber hinaus auch die Lehrkräfte selbst durch den Austausch mit einer anderen Lehrperson in ihrem professionellen Handeln weiterentwickeln können. Auf Basis der Ergebnisse seiner Studie postuliert Austin eine Anpassung der Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen an die Anforderungen des Team-Teachings in inklusiven Settings. Perry & Stewart (2005) kommen in ihrer Studie mit 14 Lehrpersonen im Hochschulkontext zur Wirksamkeit von Teamarbeit für die eigene LehrerInnen‐ professionalität zu ähnlichen Ergebnissen wie Austin (2001). Von den befragten PädagogInnen wird besonders auf die positiven Auswirkungen gelingender Teamarbeit auf die persönliche Entwicklung als Lehrperson hingewiesen. Sie sehen erfolgreiches Team-Teaching insbesondere als Aufgabe eines reflexiven Prozesses, der durch die gemeinsame Arbeit nachhaltig verändert wird. Die StudienteilnehmerInnen verweisen aber auch auf problematische Team-Kon‐ stellationen als mögliche Herausforderungen. Vangrieken et al. (2016) sehen den in den Studien beschriebenen Effekt des Voneinander-Lernens in der Teamarbeit als Grundvoraussetzung für effizientes Team-Teaching. In ihren Ausführungen greifen sie auf das Team Learning Beliefs and Behaviours-Modell (TLBB) von Van den Bossche et al. (2006) zurück, das durch eine Studie mit 99 Studierenden-Teams belegt, dass das Zusammenwirken in einem Team nicht ohne entsprechende Vorbereitung funktioniert. Hinsichtlich der LehrerInnenbildung kann daraus abgeleitet werden, dass das später in schu‐ lischen Kontexten umzusetzende Team-Teaching durch entsprechende Prozesse des Team-Learnings sowie der Bewusstmachung von Teamarbeit während der Initialausbildung vorbereitet und, auch in der beruflichen Praxis, begleitet werden sollte (ebd., S. 514-515). Diese Prozesse werden, wie in 2.4 noch genauer erläutert, in den Prinzipien von IMoF aufgegriffen. Differenziert werden können dabei nach Perry & Stuart (2005) unterschiedliche Grade von Kooperation im Team-Teaching, die nach Hirzinger-Unterrainer (2014) auch auf Team-Learning umgelegt werden 125 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="126"?> 6 Nach dem Inkrafttreten des Studienplans im Jahre 2001 konnten im Wintersemester 2002 / 2003 die ersten Lehrveranstaltungen entsprechend des Modells angeboten werden (vgl. Hinger, 2007, S. 245-246.; Hinger, 2009, S. 498; Hinger et al., 2005, S. 1; Hinger et al., 2020, S. 277). können. Angelehnt an Sandholtz’ (2000) Ausführungen schlagen Perry & Stuart (2005, S. 564) ein Kontinuum vor, an dessen einem Ende eine hohe Kooperation in Planung, Durchführung und Evaluation festzumachen ist, während am anderen Ende Teile des Unterrichts, etwa die Planung, gemeinsam, andere Bereiche aber individuell durchgeführt werden. 2.4 Team-Teaching und Team-Learning in der sprachenübergreifenden Ausbildung zukünftiger Fremdsprachen-Lehrpersonen Das ‚Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) kommt den eben dargestellten Desideraten (s. Kapitel 2.2 und 2.3) bereits seit seinem Entstehen im Rahmen der Reorganisation der damaligen Studienpläne im Jahr 2000 6 nach und hat sich als sprachenübergreifendes Ausbildungsmodell für Lehramtsstudierende, zunächst im Curriculum des Diplomstudiums Lehramt und seit dem Studienjahr 2015 / 2016 im Bachelorstudium Sekundarstufe (Allgemeinbil‐ dung) für die Unterrichtsfächer Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch, konzeptionell, inhaltlich und organisatorisch u. a. dem Prinzip der Mehrsprachigkeit verschrieben (Hinger, 2009; 2015; 2016; Hirzinger-Unterra‐ iner 2013). So treten zukünftige Fremdsprachenlehrpersonen aller Fremdspra‐ chenfächer bereits im dritten Semester ihres Lehramtsstudiums respektive im ersten Modul ihrer fremdsprachendidaktischen Ausbildung miteinander in Kontakt und werden durch den Besuch des sprachenübergreifenden sowie im Team-Teaching abgehaltenen umbrella courses „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts” für einen multilingualen Habitus sensibilisiert. Die sprachenübergreifende Kleingruppenarbeit als Teil der Leistungsüberprü‐ fung stellt dabei eine besondere Möglichkeit dar, die Kooperation zwischen angehenden Fremdsprachenlehrpersonen unterschiedlicher Sprachenfächer zu intensivieren. In den genannten dreiköpfigen Arbeitsgruppen beschäftigen sich die Studierenden mit einer sprachenübergreifenden Problemstellung, die von Lehrwerksanalysen bis zu Projektentwürfen reichen kann. Beispielsweise befassen sich die Studierenden im Rahmen von Literaturrecherchen mit dem Prinzip der Aufgabenorientierung, analysieren dieses in einem Lehrwerk ihrer Wahl und vergleichen in ihrer sprachenübergreifenden Kleingruppe die Ergeb‐ nisse, um so allgemeingültige Rückschlüsse für den Fremdsprachenunterricht zu ziehen. Parallel dazu ergänzen die Studierenden in sprachspezifischen Be‐ gleitworkshops ihre in den übergreifenden Lehrveranstaltungen erworbenen 126 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="127"?> Kompetenzen mit Beispielwissen. Dieses Prinzip wird ebenfalls im abschlie‐ ßenden Pflichtmodul 3 „Evaluation von fremdsprachlichen Kompetenzen“ angewendet, das sich wie das einführende Pflichtmodul 1 „Grundlagen der Fremdsprachendidaktik” aus einer sprachenübergreifenden Einführung in das Testen und Bewerten und einem sprachspezifischen Bewertungspraktikum zusammensetzt. In (Pro-)Seminaren (Pflichtmodul 2) vertiefen die Studierenden unterschied‐ liche Kompetenzbereiche, beispielsweise diversitätssensibler Fremdsprachen‐ unterricht, Aufgaben- und Projektorientierung, emotionale und affektive Fak‐ toren oder Media Literacy im Fremdsprachenunterricht. In Pflichtmodul 4 werden die Studierenden in einem einsemestrigen Fachpraktikum fachdidak‐ tisch begleitet. Neben dem zentralen, sprachenübergreifenden Aspekt geht aus der bisherigen Darstellung des Modells auch die Bedeutung des kooperativen Lehrens und Lernens, ein weiterer Grundsatz des IMoF, hervor (vgl. Hirzinger-Unterrainer, 2014). Das in 2.3 erwähnte Kontinuum, auf dem der Grad der Kooperation des Team-Teachings abgebildet wird, lässt sich an den einzelnen Lehrveranstaltungen und stellvertretend dafür am Pflichtmodul 1 erkennen, das aus der Lehrveran‐ staltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts” und einem parallel dazu stattfindenden sprachspezifischen Workshop besteht. Erstere besitzt laut Perry & Stewart (2005) einen hohen Kooperationsgrad, da sie im Team geplant wird, die Leistungsanforderungen und Bewertungsskalen gemeinsam erstellt und gewisse Prüfungsanteile gemeinsam korrigiert und bewertet werden. Teilweise wird auch im Team unterrichtet. Am anderen Ende des Kontinuums stehen sprachspezifische Begleitkurse, die zwar gemeinsam geplant, alle anderen relevanten Arbeitsschritte jedoch individuell durchgeführt werden (vgl. Hinger, 2007; Hirzinger-Unterrainer, 2014; Unterrainer & Hinger, 2010). IMoF vermittelt zukünftigen Lehrpersonen durch die Etablierung des Team-Teachings und Team-Learnings essentielle Erfahrungsmöglichkeiten einer fächerbeziehungsweise sprachenübergreifenden Kooperation und ermöglicht so ein Lernen am Modell. Hirzinger-Unterrainer (2014) schließt aus den Ergeb‐ nissen ihrer Praxisstudie zu diesem Prinzip, dass es nicht ausreicht, Team-Tea‐ ching vorzuleben, um Prozesse des Team-Learnings zu initiieren. Vielmehr benötigt es ein explizites Erläutern der grundlegenden Gedanken des koope‐ rierenden Arbeitsformats, um den Studierenden auch einen entsprechenden Lernprozess zu ermöglichen. Für die Weiterentwicklung der Lehre wurde aus diesem Forschungsergebnis die Konsequenz gezogen, im Rahmen der Ausbil‐ dung, konkret der „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts”, vermehrt auf die Prinzipien von IMoF hinzuweisen, um das studentische 127 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="128"?> 7 Der tatsächliche Einfluss von LehrerInnenausbildungsprogrammen auf Wissen, Ein‐ stellungen und Handlungsroutinen von Lehrpersonen wurde in den letzten 15 Jahren vielfach diskutiert und stellt nach wie vor ein wesentliches Anliegen der Bildungsfor‐ schung dar. Abhängig von der Intensität und Dauer der untersuchten Ausbildungs‐ programme und der unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen kamen die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen, liefern aber mehrheitlich Belege, dass sich mehr oder weniger große Veränderungen von Kognitionen sowie Handlungspraktiken während oder infolge von LehrerInnenausbildungsprogrammen zeigen können (vgl. Borg, 2015, S. 72). Bewusstsein verstärkt auf das erlebte Team-Teaching und -Learning sowie den sprachenübergreifenden Ansatz zu lenken. 3. Forschungsdesign: Forschungsfragen und Forschungsmethodik Die vorliegende Pilotstudie setzt sich zum Ziel, subjektive Theorien hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Team-Teaching respektive Team-Learning sowie deren Entwicklung während der fremdsprachendidaktischen Ausbildung im Rahmen des Lehramtsstudiums zu elizitieren und zu analysieren. Der Fokus liegt auf der Erfassung und Beschreibung der mehrsprachigkeits- und teambezogenen Kognitionen zu Beginn der fremdsprachendidaktischen Ausbildung (laut Cur‐ riculum des Bachelorstudiums Lehramt Sekundarstufe (Allgemeinbildung) im 3. Semester). In einer darauf aufbauenden umfassenderen Studie sollen Entwick‐ lungen sowie mögliche Veränderungen während und durch die Ausbildung 7 in den Blick genommen werden. 3.1. Forschungsfragen Das Forschungsinteresse der Pilotstudie konzentriert sich auf folgende Frage‐ stellungen: F1: Über welches Wissen zu Mehrsprachigkeit verfügen Studierende der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts” zu Beginn ihrer Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik? F2: Welche subjektiven Theorien zu Mehrsprachigkeit und Team-Teaching bzw. Team-Learning bringen Studierende der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts” in das Ausbildungsprogramm mit? 3.2. Forschungsmethodik: Theoretische Begründung der Online-Befragung Beim eingesetzten Fragebogen handelt es sich um ein Selbsteinschätzungsin‐ strument, das aus insgesamt 60 Items besteht, die von den ProbandInnen auf einer Rating-Skala von 1 („stimme überhaupt nicht zu“) bis 4 („stimme voll und 128 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="129"?> 8 https: / / carap.ecml.at/ Accueil/ tabid/ 3577/ language/ de-DE/ Default.aspx. 9 Eine ausführlichere Darstellung des dem Fragebogen zugrunde liegenden Verständ‐ nisses eines Kompetenzmodells für Mehrsprachigkeit bei angehenden Fremdsprachen‐ lehrpersonen findet sich in Hirzinger-Unterrainer, Schmiderer et al. (i.V.). 10 Zusätzlich liefert das European profile for language teacher education (EPLTE, Kelly et al., 2004; Kelly & Grenfell, 2004, S. 17) relevante Anhaltspunkte in den nachfolgenden Sektionen: „5. Experience of an intercultural and multicultural environment“, „13. Close links between trainees who are being educated to teach different languages” und “36. Training in the diversity of languages and culture”. Ergänzungen finden sich zudem in The Eaquals Framework for Language Teacher Training & Development (Eaquals, 2016). ganz zu“) zu bewerten sind. 42 Items beziehen sich auf den Bereich der Mehr‐ sprachigkeit, 11 davon auf mehrsprachigkeitsbezogenes Wissen, 31 auf Über‐ zeugungen. Erstere Aussagen können damit einer Überprüfung von Wissen hin‐ sichtlich Mehrsprachigkeit in Lehr- und Lernprozessen zugeschrieben werden, während es sich bei letzteren um Selbsteinschätzungen handelt. Weitere 18 Items beziehen sich auf die Untersuchung der subjektiven Theorien zu den Konstrukten Team-Teaching und Team-Learning; die Angaben zur Person bilden den Abschluss des Fragebogens. Im Folgenden sollen die für die vorliegende Fragebogenerhebung grund‐ legenden Dimensionen zur Erfassung der subjektiven Theorien angehender Fremdsprachenlehrpersonen theoretisch fundiert und das Konstrukt damit dar‐ gelegt werden. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Studierenden die drei Dimensionen Wissen, Einstellungen sowie Handlungskompetenzen erwerben (müssen), um in ihrem zukünftigen Fremdsprachenunterricht mehrsprachig‐ keitssensibel vorgehen zu können; im Referenzrahmen für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RePA 8 ) werden hierfür deklaratives Wissen (savoir, knowledge), persönlichkeitsbezogene Kompetenzen (savoir-être, attitudes) sowie Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir-faire, skills) genannt. 9 Für die Wissensdimension (Item 1-11) wurden die in der aktuellen Forschung relevanten Konzepte einschließlich der im RePA im Bereich A.5 „Sprachliche Vielfalt, Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit“ sowie A.7 „Sprache und Spracher‐ werb/ Sprachenlernen“ (ebd., 50) genannten Deskriptoren, die v. a. im Pflichtmodul 1 mit den Studierenden diskutiert werden, herangezogen. Auch die neue Sektion zu „plurilingual und pluricultural competence“ der erweiterten Version des Ge‐ meinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Council of Europe, 2018, S. 143-144) wurde hinzugezogen. 10 Den Ausgangspunkt für das Konstrukt bildet der in der wissenschaftlichen Diskussion stattgefundene Paradigmenwechsel von Mehrsprachigkeit als ‚Sonderfall‘ zu Mehrsprachigkeit als Norm (vgl. u. a. Item 3; u. a. Busch, 2017, S. 82; Edmondson & House, 2011; Herdina & Jessner 2002). Mehrsprachigkeit wird als dynamisches Konzept gefasst, das u. a. gemäß dem 129 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="130"?> 11 Nach der Primarstufe wird im österreichischen Schulsystem in der Sekundarstufe I zwischen Unterstufe der AHS (Allgemeinbildende höhere Schule) und (Neue) Mittelschule (NMS), vormals Hauptschule, unterschieden. In der Sekundarstufe II stehen den Schü‐ lerInnen die AHS-Oberstufe, Berufsbildende mittlere und höhere Schulen sowie die Polytechnische Schule zur Wahl. 12 Möglichkeiten dazu bieten mehrsprachigkeitsberücksichtigende Verfahren wie Interkom‐ prehension (Meißner u. a., 2005; Bär, 2009; Meißner & Morkötter, 2009; Schöpp, Mössner & Hinger, 2012), die EuroCom-Projekte (s. Kordt im vorliegenden Band) sowie verschiedene Materialien (u. a. Behr 2005, 2006; Schader, 2012; KIESEL [ÖSZ 2012]; MARILLE [EFSZ 2011]), Lehrwerke, die die sprachlichen Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen (wie etwa die Lehrwerksreihe Französisch/ Italienisch/ Spanisch interlingual [Holzinger et al., 2012; Rückl et al., 2012; 2013]). Darüber hinaus ermöglichen auch das Europäische Sprachenportfolio (ÖSZ 2012), Sprachbiographien und das Sprachenporträt (Krumm & Jenkins, 2001), die lebensweltliche und fremdsprachliche Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern zu erfassen und in den Unterricht einzubeziehen. Dynamic Model of Multilingualism (Herdina & Jessner, ebd.) auch Sprachverlust (language attrition) und Spracherhalt (language maintenance) umfasst und Sprach‐ verwendung als ebenso notwendigen Faktor sieht (ebd.) wie Motivation und Selbstwahrnehmung sowie emotionale Faktoren (s. u. a. Busch, ebd., 66-67). Ähnliche Aspekte werden etwa auch im Faktorenmodell von Hufeisen (2000) genannt, wonach, vereinfacht ausgedrückt, Fremdsprachenlernerfahrungen und -strategien das Lernen bzw. den Erwerb (ab) einer L3 beschleunigen (Item 8). Im modifizierten Faktorenmodell 2.0 führt Hufeisen (2010), u. a. auch als Reaktion auf Kritik an der ursprünglichen Version, neurophysiologische, lernerexterne, emotionale, kognitive, fremdsprachenspezifische und linguistische Faktoren an. Der von Hufeisen (ebd.) beschriebene Tertiärspracheneffekt hat seit 2004 explizit Einzug in den österreichischen AHS-Lehrplan 11 für Lebende Fremdsprachen (Ober‐ stufe, d. h. Sekundarstufe II) gefunden (s. BMBWF, 2016, S. 30). Ferner wird dem reflektierenden Sprachenvergleich auch im Lehrplan für NMS und AHS-Unterstufe für Lebende Fremdsprachen (Sekundarstufe I) ein großes Augenmerk geschenkt, mit dem Ziel „einer positiven Einstellung zu individueller Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt“ (BMBWF, 2006, S. 3). In anderen Worten ausgedrückt, mehrspra‐ chige Schülerinnen und Schüler mit anderen Erst- und Zweitsprachen als Deutsch werden „als wertvolle Ressource“ (BMBWF, 2016, S. 7) gesehen und es obliegt den Lehrpersonen, die Schülerinnen und Schüler in der Nutzung ihrer sprachlichen Ressourcen zu fördern 12 (vgl. ebd., Item 9-11). Für den Bereich subjektive Theorien zu Mehrsprachigkeit (Item 12-42) wurden Einstellungen zu Mehrsprachigkeit (z. B. Item 19 „Zweisprachig auf‐ wachsende Kinder beherrschen keine der beiden Sprachen richtig.“) bzw. 130 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="131"?> 13 Bloomfield (1933, S. 56, zit. in Ruiz de Zarobe & Ruiz de Zarobe 2015, S. 394): „native-like control of two or more languages“. 14 Die Abweichung zur Gesamtstichprobe von 30 ProbandInnen ergibt sich durch fehlende Werte. teilweise auch überholtes Wissen (wie Bloomfields 13 Definition von Zweispra‐ chigkeit, Item 20 „Zweisprachig ist man nur, wenn man beide Sprachen auf muttersprachlichem Niveau beherrscht.“) den Studierenden zur Einschätzung entlang der bereits erwähnten Rating-Skala vorgelegt. Des Weiteren wurden auch hier die relevanten Teile des RePA (2009, S. 66-80) sowie die oben ange‐ führte Fachliteratur herangezogen. Die Items für den Bereich Team-Teaching sowie Team-Learning (Item 43-60) nehmen Anleihen am von Hirzinger-Unterrainer (2014) konzipierten Frage‐ bogen, der wiederum auf der Basis von Barkley, Cross & Howell Major (2005), Groneberg (2006), Perry & Stewart (2005) sowie Sandholtz (2000) erstellt und mit Lein et al. (2017) ergänzt wurde. 4. Ergebnisse 4.1. Die Stichprobe Die Stichprobe der Pilotstudie setzt sich aus Studierenden der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“ des Sommersemes‐ ters 2018 zusammen. Der Fragebogen wurde zu Semesterbeginn, nach der ersten einführenden Lehrveranstaltungseinheit mithilfe des Online-Tools SoSci Survey (https: / / www.soscisurvey.de/ ) administriert und von 30 der insgesamt 46 TeilnehmerInnen ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 65,2% entspricht. 80% der ProbandInnen besuchten die Lehrveranstaltung zum ersten Mal, für die restlichen 20% handelte es sich um den zweiten Lehrveranstaltungsbesuch. Für die allgemeine Beschreibung der Stichprobe werden die Antworten aller ProbandInnen herangezogen, für die Auswertung der subjektiven Theorien der Studierenden müssen jene TeilnehmerInnen, die die Lehrveranstaltung zum zweiten Mal besuchen und bereits Input zu mehrsprachigkeitssensiblem Unterricht erhalten haben, ausgeschlossen werden. In der Folge werden die demographischen Angaben der ProbandInnen dargestellt. Die Gesamtstichprobe besteht aus 20 (66,7%) weiblichen und 9 (30%) 14 männ‐ lichen Studierenden. Die Studierenden absolvierten die Reifeprüfung überwie‐ gend an Allgemeinbildenden höheren Schulen (Gymnasien, 60%). Weit weniger Studierende erwarben die Hochschulreife in Berufsbildenden höheren Schulen (30%) oder über die Berufsreifeprüfung (3,3%). Demgegenüber besuchten 46,7% 131 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="132"?> 15 Damit reiht sich dieses Semester in den in einer anderen Befragung festgestellten Trend ein. So ging aus Hinger & Schmiderer (2018, S. 297) zum mehrsprachigen Hintergrund der Studierenden in der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“ hervor, dass durchschnittlich 19,5% (Standardabw. 6,80) der Studierenden mit mehr als einer L1 aufgewachsen sind. Der maximale Anteil mehrsprachig aufgewachsener Studierender im Zeitraum Wintersemester 2014/ 15 bis Sommersemester 2017 belief sich auf 27,5% für das Sommersemester 2017, der minimale Anteil mit 10,9% für das Wintersemester 2014/ 15. Mit Ausnahme des Wintersemesters 2016/ 17 zeigt sich hier also ein Anstieg. 16 Ein/ e Studierende/ r machte keine weiteren Angaben. die Sekundarstufe I in der Hauptrespektive Neuen Mittelschule, 30% in der AHS Unterstufe, 16,7% geben einen anderen Schultyp an. Im folgenden Punkt wird der individuelle (mehr-)sprachliche Hintergrund der Studierenden dargestellt, der im Rahmen einer mehrsprachigkeitsorien‐ tierten Ausbildung von besonderer Relevanz scheint und auch bei der Auswer‐ tung der mehrsprachigkeitsbezogenen Einstellungen der Studierenden noch einmal aufgegriffen wird. Der Großteil der ProbandInnen (23, 76,7%) gibt an, monolingual aufgewachsen zu sein (mit einer Ausnahme [Italienisch] mit Deutsch als L1); 6 Studierende (20%) 15 führen an, zweibzw. mehrsprachig auf‐ gewachsen zu sein. In jeweils einem Fall handelt es sich bei den Erstsprachen um Deutsch-Englisch, Deutsch-Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Deutsch-Italienisch, Deutsch-Türkisch und Slowakisch-Tschechisch. 16 Neben ihrer/ n Erstsprache(n) geben die ProbandInnen laut Selbsteinschätzung in acht Fällen an, Deutsch zu beherrschen, in 17 Englisch, 12 Italienisch, sieben Latein, sechs Französisch, zwei Spanisch sowie einmal Japanisch und einmal Koreanisch. In Hinblick auf die von den ProbandInnen im Rahmen des Lehramtsstudiums studierten Sprachen fällt der deutliche Überhang an Englisch-Studierenden (56,7%) auf. Die zweitstärkste Sprache stellt im untersuchten Semester Italie‐ nisch mit 26,7% der Studierenden dar, gefolgt von Französisch (16,7%) und Spanisch (10%). Das Fehlen von Studierenden des Russischen als Unterrichtsfach erklärt sich durch den aktuellen Studienplan, der einen Besuch der Lehrver‐ anstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“ für Russisch-Studierende nur in Wintersemestern vorsieht. Die überwiegende Mehrheit (90%) der Studierenden hat die studierten Sprachen, je nach Sprache über unterschiedliche Zeiträume, bereits in der schulischen Ausbildung erlernt. 23,3% haben zudem einen mindestens dreimonatigen Auslandsaufenthalt im Zielland der studierten Sprache absolviert. Nur zwei der 30 ProbandInnen haben ihre Erstsprache (Italienisch) als Studienfach gewählt. 132 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="133"?> In der Folge soll dargestellt werden, inwieweit die erhobenen, bereits zu Beginn der Ausbildung vorhandenen Überzeugungen mit den durch das Ausbildungspro‐ gramm intendierten und in Abschnitt 2.4 dargestellten übereinstimmen. 4.2. Deskriptivstatistische Ergebnisse der Fragebogenerhebung Wie oben ausgeführt, schätzten die Studierenden 60 geschlossene Items auf einer Rating-Skala ein. Für die deskriptivstatistische Auswertung wurde die ursprünglich vierteilige Skala auf eine zweiteilige bzw. nominale (Zustimmung vs. keine Zustimmung) reduziert, um die Daten übersichtlicher darstellen zu können. In der Folge sollen die Einschätzungen der Studierenden nach Berei‐ chen dargestellt werden. Zunächst werden Ergebnisse des Bereichs „Wissen über Mehrsprachigkeit“ und anschließend jene zu „Einstellungen zu Mehrspra‐ chigkeit“ präsentiert, abschließend folgen jene aus den Bereichen zu Team-Tea‐ ching und Team-Learning (siehe Konstrukt des Fragebogens in Abschnitt 3.2). Um die innere Konsistenz des Fragebogens festzustellen, wurde Cronbachs Alpha für den gesamten Fragebogen sowie die einzelnen Bereiche berechnet. Mit einem Wert von Cronbachs Alpha = .994 für insgesamt 60 Items und .938 für den Bereich Wissen über Mehrsprachigkeit, .99 für Einstellungen zu Mehr‐ sprachigkeit sowie .989 für Einstellungen zu Team-Teaching und Team-Learning kann von einer hohen Reliabilität des Fragebogens ausgegangen werden. Wie aus Tab. 1 hervorgeht, erkennen die befragten Studierenden größten‐ teils eine plurilinguale und plurikulturelle Gesellschaft an. So stimmen 73,9% der ProbandInnen der Aussage zu, dass „unsere Gesellschaft sprachlich und kulturell vielfältig ist“ (Item 1); für fast ebenso viele Studierende (82,6%) trifft dies auch auf ihre zukünftigen SchülerInnen zu (Item 2). Davon weicht nur die Zustimmungsrate zur Aussage „Mehrsprachigkeit ist weltweit betrachtet die Norm“ (Item 3) ab, der lediglich 52,2% zustimmen. Nahezu alle Studierenden (95,6%) gehen davon aus, dass unterschiedliche Sprachen sich im Individuum gegenseitig beeinflussen (Item 4) und nicht etwa isoliert voneinander im Gehirn gespeichert sind (82,6%, Item 5). Circa drei Viertel stimmen Vorteilen einer zweisprachigen Erziehung zu (Item 6, 7). Ein höherer Anteil (82,6%) bejaht die Aussage, dass „SchülerInnen eine weitere Fremdsprache leichter lernen, wenn sie bereits eine Fremdsprache (z. B. Englisch) gelernt haben“ (Item 8). Hinsichtlich der Prozesse beim Erwerb einer respektive mehrerer Erstund/ oder Fremdsprachen scheinen die ProbandInnen demnach von einem dynamischen, mentalen System auszugehen sowie von Vorteilen der Mehrsprachigkeit sowohl für bilingual aufwachsende Kinder als auch für den schulischen (Tertiär-)Sprachenunterricht. Weniger deutlich sprechen sich die Studierenden für eine Berücksichtigung unterschiedlicher Erst- 133 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="134"?> und Fremdsprachen ihrer zukünftigen SchülerInnen im Fremdsprachenun‐ terricht aus, denn etwas mehr als die Hälfte der Befragten (56,6% und 52,2%) verneint die folgenden Aussagen: „Ob die Fremdsprachenlehrperson die Mehrsprachigkeit ihrer SchülerInnen berücksichtigt, ist ihre individuelle Entscheidung.“ (Item 9) und „Jede Fremdsprachenlehrperson soll ausschließ‐ lich die ‚eigene‘ Fremdsprache (z. B. Englisch ausschließlich auf Englisch, Französisch nur auf Französisch, …) unterrichten.“ (Item 10). Nur knapp 50% der befragten Studierenden sehen im Lehrplan die rechtliche Grundlage für die Berücksichtigung mehrsprachigkeitsdidaktischer Aspekte (Item 11). Wissen über Mehrsprachigkeit ich stimme zu ich stimme nicht zu (1) Unsere Gesellschaft ist sprachlich und kulturell viel‐ fältig. 73,9% 26,1% (2) Meine zukünftigen SchülerInnen sind sprachlich und kulturell vielfältig. 82,6% 1 fehlende Angabe 13% (3) Mehrsprachigkeit ist weltweit betrachtet die Norm. 52,2% 1 fehlende Angabe 43,4% (4) Die Erwerbsvorgänge unterschiedlicher Sprachen be‐ einflussen sich gegenseitig. 95,6% 1 fehlende Angabe (5) Sprachen sind isoliert voneinander in unserem Gehirn abgespeichert. 13% 1 fehlende Angabe 82,6% (6) Zweisprachig aufwachsende Kinder bilden effizientere Sprachmechanismen aus als einsprachig aufwachsende Kinder. 73,9% 26,1% (7) Zweisprachig aufwachsende Kinder haben Vorteile bei Aufgaben, die eine sprachliche Analyse erfordern. 78,3% 21,7% (8) SchülerInnen lernen eine weitere Fremdsprache leichter, wenn sie bereits eine Fremdsprache (z. B. Eng‐ lisch) gelernt haben. 82,6% 17,3% (9) Ob die Fremdsprachenlehrperson die Mehrsprachigkeit ihrer SchülerInnen berücksichtigt, ist ihre individuelle Entscheidung. 43,5% 56,6% 134 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="135"?> (10) Jede Fremdsprachenlehrperson soll ausschließlich die ‚eigene‘ Fremdsprache (z. B. Englisch ausschließlich auf Englisch, Französisch nur auf Französisch, …) unter‐ richten. 47,8% 52,2% (11) Der österreichische AHS/ NMS-Lehrplan bietet die rechtliche Grundlage, mehrsprachigkeitsdidaktische Aspekte im Fremdsprachenunterricht zu berücksich‐ tigen. 47,8% 3 fehlende Angaben 39,2% Tabelle 1: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Wissen über Mehrsprachigkeit” (N=30) Im Bereich der Einstellungen zu Mehrsprachigkeit wird ersichtlich, dass sich die überwiegende Mehrheit der Befragten selbst als mehrsprachig empfindet (82,6%, Item 12) und an unterschiedlichen mehrsprachigkeitsbezogenen - so‐ wohl forschungstheoretischen als auch praktischen Aspekten - interessiert ist (siehe Tab. 2, Item 14-17). Hinsichtlich der Ausbildung im Bereich der Fremd‐ sprachendidaktik stimmen 82,6% der Aussage zu, dass diese den sprachlichen Hintergrund der angehenden Lehrpersonen berücksichtigen (Item 21) sowie Umsetzungsmöglichkeiten (23) und konkrete Anwendungsmöglichkeiten (Item 24) von Mehrsprachigkeit in der Schule vermitteln soll (95,7%) sowie Simula‐ tionen (Item 25) eine gute Vorbereitung dafür darstellen können. Der Wunsch nach der Vermittlung von Forschung zu Mehrsprachigkeit fällt demgegenüber mit 69,6% ab (Item 22). Einstellungen zu Mehrsprachigkeit: (Eigene) Mehr‐ sprachigkeit und fremdsprachendidaktische Ausbil‐ dung ich stimme zu ich stimme nicht zu (12) Ich empfinde mich als mehrsprachig. 82,6% 17,3% (13) Ich möchte noch mindestens eine weitere Sprache lernen. 82,6% 17,3% (14) Ich bin an Forschung zu Mehrsprachigkeit interessiert. 78,2% 1 fehlende Angabe 17,4% (15) Ich bin an Umsetzungsmöglichkeiten von Mehrspra‐ chigkeit im Fremdsprachenunterricht interessiert. 86,9% 13% (16) Ich bin daran interessiert, wie andere Sprachen funk‐ tionieren. 95,6% 4,3% (17) Ich möchte Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Sprachen verstehen. 100% 135 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="136"?> (18) Alle Sprachen sollen den gleichen Stellenwert in un‐ serer Gesellschaft haben. 78,3% 1 fehlende Angabe 17,4% (19) Zweisprachig aufwachsende Kinder beherrschen keine der beiden Sprachen richtig. 8,6% 91,3% (20) Zweisprachig ist man nur, wenn man beide Sprachen auf muttersprachlichem Niveau beherrscht. 34,8% 65,2% (21) Die Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik soll den sprachlichen Hintergrund zukünftiger Fremdsprachen‐ lehrpersonen berücksichtigen. 82,6% 1 fehlende Angabe 13% (22) Die Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik soll For‐ schung zu Mehrsprachigkeit vermitteln. 69,6% 30,4% (23) Die Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik soll Um‐ setzungsmöglichkeiten von Mehrsprachigkeit in der Schule vermitteln. 95,7% 4,3% (24) Konkrete Anwendungsbeispiele sind die beste Vor‐ bereitung auf einen Mehrsprachigkeit berücksichti‐ genden Fremdsprachenunterricht. 95,7% 4,3% (25) Simulationen (micro teaching) sind die beste Vorberei‐ tung auf einen Mehrsprachigkeit berücksichtigenden Fremdsprachenunterricht. 86,9% 13% Tabelle 2: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Einstellungen zu Mehrsprachigkeit und der fremdsprachendidaktischen Ausbildung” (N=30) Zu dem Fremdsprachenunterricht, den sie selbst später durchzuführen haben, befragt (siehe Tab. 3), drücken die Studierenden zwar ihre Zustimmung aus, im Rahmen ihres Fachpraktikums die Mehrsprachigkeit ihrer SchülerInnen berücksichtigen zu wollen (91,3%, Item 26) und den Austausch mit SchülerInnen anderer Erstsprachen als Bereicherung für den Fremdsprachenunterricht zu sehen (86,9%, Item 32); sie gehen gleichzeitig aber zu 78,3% auch davon aus, dass ihre zukünftigen SchülerInnen überwiegend über Deutsch als Erstsprache verfügen werden (Item 28). Alle Erstsprachen der SchülerInnen in den Fremd‐ sprachenunterricht einzubeziehen wird von 56,5% der Studierenden bejaht (Item 27) und 47,8% möchten in Zukunft gerne in einer Klasse mit SchülerInnen verschiedener Erstsprachen unterrichten (Item 29). Was die Mehrsprachigkeit der Lehrperson und ihr Sprachbewusstsein als Gelingensbedingung für einen mehrsprachigkeitssensiblen Fremdsprachenunterricht betrifft, so sind 91,3% der Auffassung, dass eigene Erfahrungen mit dem Lernen von zumindest einer weiteren Fremdsprache notwendig sind, um eine Fremdsprache zu unterrichten 136 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="137"?> (Item 37). 73,9% drücken ihre Zustimmung aus, dass mehrsprachige Lehrper‐ sonen ein größeres Sprachbewusstsein als einsprachige haben und ein höheres Sprachbewusstsein wiederum mit einem besseren Fremdsprachenunterricht korreliert (86,9%, Item 34-36). Aus den Angaben zu „Die Fremdsprachenlehrper‐ sonen meiner Schulzeit haben Bezüge zu anderen Fremdsprachen hergestellt“ (Item 39) lässt sich demgegenüber schließen, dass über zwei Drittel der befragten Studierenden im Laufe ihrer eigenen Schullaufbahn keine Erfahrungen mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen gemacht haben. Einstellungen zu Mehrsprachigkeit: Fremdsprachen‐ unterricht ich stimme zu ich stimme nicht zu (26) Ich möchte im Rahmen meines Fachpraktikums die Mehrsprachigkeit meiner SchülerInnen berücksich‐ tigen. 91,3% 8,7% (27) Lehrpersonen sollen alle Erstsprachen der Schüler- Innen in den Fremdsprachenunterricht einbeziehen. 56,5% 43,5% (28) Ich gehe davon aus, dass meine zukünftigen Schüler- Innen überwiegend Deutsch als Erstsprache haben. 78,3% 21,7% (29) Ich möchte gerne in einer Klasse mit SchülerInnen verschiedener Erstsprachen unterrichten. 47,8% 2 fehlende Angaben 43,5% (30) SchülerInnen haben einen beruflichen Vorteil, wenn sie mehrere Sprachen beherrschen. 100% (31) Andere Erstsprachen als Deutsch müssen im Fremd‐ sprachenunterricht nicht berücksichtigt werden. 4,3% 95,6% (32) Der Austausch mit SchülerInnen anderer Erstsprachen ist eine Bereicherung für meinen zukünftigen Fremd‐ sprachenunterricht. 86,9% 13% (33) Nur mehrsprachige Lehrpersonen können als Modell für einen Mehrsprachigkeit berücksichtigenden Unter‐ richt dienen. 47,8% 52,1% (34) Mehrsprachige Lehrpersonen haben ein größeres Sprachbewusstsein als einsprachige. 73,9% 26% (35) Lehrpersonen, die drei oder mehr Sprachen sprechen, verfügen über ein größeres Sprachbewusstsein als Lehrpersonen, die zwei Sprachen sprechen. 34,8% 65,2% (36) Ein höheres Sprachbewusstsein von Lehrpersonen führt zu besserem Fremdsprachenunterricht. 86,9% 13% 137 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="138"?> (37) Eigene Erfahrungen mit dem Lernen von zumindest einer weiteren Fremdsprache sind notwendig, um eine Fremdsprache zu unterrichten. 91,3% 8,7% (38) Eigene Erfahrungen mit dem Lernen von zumindest einer weiteren Fremdsprache sind notwendig, um als Lehrperson mehrsprachigkeitssensibel zu unterrichten. 87% 13% (39) Die Fremdsprachenlehrpersonen meiner Schulzeit haben Bezüge zu anderen Fremdsprachen hergestellt. 34,7% 65,2% Tabelle 3: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Einstellungen zu Mehrsprachigkeit im (zukünftigen) Fremdsprachenunterricht” (N=30) Die Frage zur Einschätzung der eigenen Planungs- und Durchführungskompe‐ tenz zeigt, dass sich 60,8% respektive 73,9% der Studierenden aktuell nicht dazu in der Lage fühlen, einen die Mehrsprachigkeit berücksichtigenden Fremdspra‐ chenunterricht zu planen und durchzuführen (Item 40-41), was angesichts der Ausbildungsphase, in der sich die befragten Studierenden befinden, jedoch nicht überrascht. Die Frage nach der Notwendigkeit von Kooperationen zwischen Fremd‐ sprachenlehrpersonen zeigt mit 95,6% eine hohe Zustimmung. Die Bejahung (ebenfalls 95,6%) des Items „Ich kann mir vorstellen, als Lehrperson mit anderen Sprachen-KollegInnen zu kooperieren (gemeinsame Stunden, Projekte …)“ (Item 42) bestätigt die Offenheit der Befragten für sprachübergreifendes Arbeiten. In der Folge sollen weitere Ergebnisse zu Einstellungen gegenüber kooperativen Ansätzen im Lehren und Lernen zusammengefasst werden. Einstellungen zu Mehrsprachigkeit: Selbsteinschät‐ zung und Bereitschaft zur Kooperation ich stimme zu ich stimme nicht zu (40) Ich fühle mich in der Lage, einen Mehrsprachigkeit be‐ rücksichtigenden Fremdsprachenunterricht zu planen. 39,1% 60,8% (41) Ich fühle mich in der Lage, einen Mehrsprachigkeit berücksichtigenden Fremdsprachenunterricht durchzu‐ führen. 26% 73,9% (42) Fremdsprachenlehrpersonen einer Schule sollen koope‐ rieren (z. B. sprachenübergreifendes Projekt). 95,6% 4,3% Tabelle 4: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Einschät‐ zung der eigenen Kompetenz und Bereitschaft zu sprachenübergreifender Kooperation” (N=30) 138 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="139"?> Während mehr als zwei Drittel der befragten Studierenden in der eigenen Schullaufbahn nicht mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen konfrontiert wurden, sind noch weniger Studierende mit kooperativen Ansätzen vertraut (siehe Tab. 5): So gibt kein/ e ProbandIn an, bislang an der Schule oder Universität Team-Teaching erlebt zu haben (Item 43, 44). 87% können sich jedoch vorstellen, ihren späteren Unterricht im Team-Teaching durchzuführen (Item 45) und 95,6% sind bereit, mit KollegInnen anderer Sprachenfächer zu kooperieren, etwa auf Projektebene (Item 46). Generell sehen 82,6% Teamarbeit für zukünftige Fremdsprachenlehrpersonen als erforderlich an (Item 47). Auf ihr eigenes Lernen im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen bezogen sehen 69,9% der ProbandInnen im Team-Teaching, einem Grundprinzip der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“, einen Faktor zur Steigerung ihres Lernerfolgs (Item 48). Einstellungen zu Team-Teaching ich stimme zu ich stimme nicht zu (43) Ich habe Team-Teaching bereits in der Schule erlebt. 100% (44) Ich habe Team-Teaching bereits vor IMoF an der Uni‐ versität erlebt. 100% (45) Ich kann mir vorstellen, Team-Teaching in meinem späteren Unterricht durchzuführen. 87% 13% (46) Ich kann mir vorstellen, als Lehrperson mit anderen Sprachen-KollegInnen zu kooperieren (gemeinsame Stunden, Projekte, …). 95,6% 4,3% (47) Als zukünftige Fremdsprachenlehrperson ist Teamar‐ beit erforderlich. 82,6% 17,4% (48) Team-Teaching in der universitären Lehre steigert meinen Lernerfolg. 69,6% 30,4% Tabelle 5: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Einstellungen zu Team-Teaching” (N=30) Im letzten inhaltlichen Teil des Fragebogens werden Einstellungen der Studie‐ renden zum Team-Learning, einschließlich ihrer bisherigen Erfahrungen damit, fokussiert (siehe Tab. 6). 73,9% der ProbandInnen geben zwar an, bereits eine wissenschaftliche, schriftliche Arbeit an der Universität verfasst zu haben (Item 49), nur 43,4% bestätigen aber, dabei schon einmal im Team gearbeitet zu haben (Item 50). 73,9% geben an, gerne in Gruppen zu arbeiten (Item 52), 139 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="140"?> gleichzeitig stimmt aber auch mehr als die Hälfte (60,8%) der Aussage zu, am besten allein zu arbeiten (Item 51). Ebenso viele verneinen, besser durch einen Vortrag seitens der LV-Leitung als durch Gruppenarbeit zu arbeiten (Item 53), woraus sich schließen lässt, dass die befragten ProbandInnen Gruppenarbeit als Sozialform in einer Lehrveranstaltung größtenteils positiv gegenüberstehen. Für 69,5% stellt Gruppenarbeit im Allgemeinen eine Form der Arbeitsteilung dar (Item 56), die sprachenübergreifende Ausrichtung der Gruppenarbeit im Rahmen der Einführungs-Lehrveranstaltung ermöglicht für 95,6% zudem das Knüpfen von Kontakten mit KollegInnen anderer Fremdsprachen (Item 57). Für 78,2% macht diese Kooperation in sprachenübergreifenden Gruppen darüber hinaus Sinn (Item 58). In Hinblick auf die konkrete Aufgabenstellung der Gruppenarbeit (siehe Abschnitt 2.4) schätzen alle Studierenden die Erklärungen der Arbeitsaufgaben in der ersten Lehrveranstaltungs-Einheit als hilfreich ein (Item 59) und über 80% der Studierenden geben an, dass ihnen klar ist, welche Erwartungen und Anforderungen an die Arbeit der Kleingruppe gestellt werden (Item 60). Einstellungen zu Team-Learning ich stimme zu ich stimme nicht zu (49) Ich habe bereits eine wissenschaftliche, schriftliche Arbeit an der Universität alleine verfasst. 73,9% 26% (50) Ich habe bereits eine wissenschaftliche, schriftliche Arbeit an der Universität im Team verfasst. 43,4% 56,5% (51) Ich arbeite am besten alleine. 60,8% 39,1% (52) Ich arbeite gerne in Gruppen. 73,9% 1 fehlende Angabe 21,7% (53) Ich lerne besser durch einen Vortrag seitens der LV-Lei‐ tung als durch Gruppenarbeit. 39,1% 60,8% (54) Die Fähigkeit mit Mitstudierenden zusammenzuar‐ beiten ist notwendig, um im Studium erfolgreich zu sein. 87% 13% (55) Gruppenarbeit ist eine effektive Vorgangsweise, um ein Lehrwerk zu analysieren. 78,3% 21,7% (56) Gruppenarbeit bedeutet Arbeitsteilung. 69,5% 30,4% (57) Die sprachenübergreifende Gruppenarbeit ermöglicht mir das Knüpfen von Kontakten mit zukünftigen Kol‐ legInnen anderer Fremdsprachen. 95,6% 4,3% 140 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="141"?> (58) Es macht Sinn, in einer sprachenübergreifenden Gruppe zu arbeiten. 78,2% 21,7% (59) Die Erklärung der Arbeitsaufgaben in der ersten LV-Einheit ist hilfreich. 100% (60) Mir ist klar, was in der Arbeitsaufgabe in Kleingruppen erwartet wird. 82,6% 17,4% Tabelle 6: Deskriptivstatistische Auswertung des Fragebogens im Bereich „Einstellungen zu Team-Learning” (N=30) 4.3. Deskriptivstatistische Ergebnisse zu Team-Teaching und Team-Learning im Longitudinalvergleich Um die Aussagekraft der hier vorgelegten Ergebnisse einordnen zu können, wird nachfolgend ein Vergleich zwischen den hier präsentierten Daten und einer bereits durchgeführten Studie zu Team-Teaching und Team-Learning (siehe Hirzinger-Unterrainer, 2014) umgesetzt. Studierende der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“, und damit dieselbe Stichprobe aus einem vorangegangenen Semester, genauer aus dem Winterse‐ mester 2011, wurden zweimal in Form einer Paper-Pencil-Befragung (Beginn und Ende des Semesters) sowie einmal online (nach der Lehrveranstaltung) befragt. Um die Daten der beiden Erhebungen zu vergleichen, werden nur die Daten der Befragung, die ebenfalls am Beginn des genannten Semesters durchgeführt wurde, mit jenen der aktuellen Pilotstudie in Beziehung gesetzt. Hirzinger-Unterrainer (2014, S. 159-160) resümiert, dass 15,2% der Studierenden (N=79) als SchülerInnen schulisches Team-Teaching erlebt und 43,2% Team-Tea‐ ching bereits vor IMoF an der Universität erfahren haben. Im Gegensatz dazu geben die Studierenden der vorliegenden Pilotstudie an, weder an der Schule noch an der Universität Erfahrungen mit Team-Teaching gesammelt zu haben. Eine annähernd gleiche Zustimmung erfährt hingegen das Item „Ich kann mir vorstellen, Team-Teaching in meinem späteren Unterricht durchzuführen“: 84% (Hirzinger-Unterrainer, 2014) vs. 87% in der aktuellen Pilotstudie. Ebenfalls vergleichbar sind die Ergebnisse, dass viele Studierende sich vorstellen können, mit zukünftigen KollegInnen anderer Fremdsprachenfächer zu kooperieren, wenngleich auch hier aktuell eine geringfügig höhere Zustimmung vorliegt: 91,2% vs. 95,6%. Abschließend sei erwähnt, dass sich der Lernerfolg durch Team-Teaching für die Studierenden der vorliegenden Pilotstudie stärker steigert (69,6%) als für jene der vorangegangenen Studie (59,7%). 141 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="142"?> Im Hinblick auf Team-Learning lässt sich beim Vergleich feststellen, dass annähernd gleich viele Studierende eine wissenschaftliche Arbeit während des Studiums im Team verfasst haben: 41,6% (Hirzinger-Unterrainer, 2014) vs. 43,4% (aktuelle Pilotstudie), woraus unter angemessener Vorsicht geschlossen werden kann, dass Einzelarbeiten an der Universität weiterhin überwiegen. Die Präferenz für Gruppenarbeit hingegen verzeichnet eine Steigerung, denn die Studierenden der aktuellen Pilotstudie geben zu 73,9% an, gerne in Gruppen arbeiten, jene der vorangegangenen Studie zu 65,4%. Waren bei Hirzinger-Un‐ terrainer (2014) noch 73,7% der Meinung, dass Gruppenarbeit mit Arbeitsteilung gleichzusetzen sei, sind es nun 69,5%. Die Relevanz einer sprachenübergreif‐ enden Gruppenarbeit erkennen 85,5% bei Hirzinger-Unterrainer (2014) sowie 78,2% in der aktuellen Pilotstudie. Der größte Unterschied zwischen den beiden Studien findet sich in der Klarheit der Erklärung der Arbeitsaufgabe: Für ca. die Hälfte der Studierenden waren die Erläuterungen dazu in der ersten Lehrver‐ anstaltungseinheit hilfreich (Hirzinger-Unterrainer, 2014), während dies aktuell für 100%, und damit für alle Studierenden, der Fall ist. Summa summarum kann daraus mit gebotener Vorsicht geschlossen werden, dass die Arbeitsaufgabe nun ausführlicher erklärt sowie die Verbindung zwischen Team-Teaching und Team-Learning deutlicher bewusst gemacht wird. 5. Diskussion und Konklusion Abschließend sollen die eingangs gestellten Forschungsfragen aufgegriffen und beantwortet werden. Auf die Frage, über welches Wissen Studierende der Lehrveranstaltung „Einführung in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts“ hinsichtlich Mehrsprachigkeit und mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen am Beginn ihrer fremdsprachendidaktischen Ausbildung verfügen, kann geant‐ wortet werden, dass die Studierenden größtenteils von einer plurilingualen und plurikulturellen Gesellschaft ausgehen und Mehrsprachigkeit im Allge‐ meinen als für den Spracherwerb und das Sprachenlernen förderliches und be‐ reicherndes Phänomen einschätzen. Weniger deutlich äußern sich Studierende zur Berücksichtigung (lebensweltlicher) Mehrsprachigkeit in ihrem künftigen Fremdsprachenunterricht. Zudem kennt nur etwa die Hälfte die rechtliche Grundlage im österreichischen AHS-Lehrplan für Fremdsprachen, der mehr‐ sprachigkeitsdidaktische Ansätze explizit einfordert. Hinsichtlich der subjektiven Theorien zu Mehrsprachigkeit, die Studierende in die Lehrveranstaltung mitbringen, kann geschlossen werden, dass sich − wenig überraschend, stehen die Studierenden doch erst am Beginn ihrer Lehramtsausbildung − der Großteil der Befragten aktuell nicht in der Lage 142 Benjamin Fliri, Eva M. Hirzinger-Unterrainer, Katrin Schmiderer, Barbara Hinger <?page no="143"?> 17 An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass Unterluggauer (2019) in ihrer Dissertation die subjektiven Theorien zu mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen im Unterricht von acht Fremdsprachenlehrpersonen mittels qualitativer, mündlicher Befragungen elizitiert hat. sieht, mehrsprachigkeitssensiblen Fremdsprachenunterricht zu planen und durchzuführen. Mehrsprachigkeit in unterschiedlichen Facetten stößt allerdings auf großes Interesse in der Ausbildung, wobei das Interesse an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten (86,9%) im schulischen Fremdsprachenunterricht das Interesse an Forschung zu Mehrsprachigkeit (78,2%) übersteigt. Zudem lässt sich aus den erhobenen Daten eine hohe Bereitschaft zu sprachenübergreifender Kooperation mit KollegInnen anderer Fremdsprachenfächer sowie zu Team-Tea‐ ching im eigenen Fremdsprachenunterricht ableiten. Einschränkend muss angeführt werden, dass Ergebnisse aus Fragebogener‐ hebungen auf keine direkten Evidenzen zu Handlungsweisen von (angehenden) Lehrpersonen verweisen können, sondern lediglich beschreiben, was diese vor‐ geben (in ihrem zukünftigen Handeln als Fremdsprachenlehrpersonen) zu tun (vgl. Borg, 2015, S. 216). Um vor allem auch die Veränderungen von subjektiven Theorien über unterschiedliche Ausbildungsphasen hinweg besser verstehen zu können, wäre es daher notwendig, die Fragebogenerhebung beispielsweise um Unterrichtsbeobachtungen von Studierenden in den Fachpraktika zu ergänzen sowie die Stichprobe um Lehrpersonen am Beginn ihrer Lehrtätigkeit (‚Novi‐ zInnen‘) und nach ausreichender Erfahrung (‚ExpertInnen‘) zu erweitern. Ferner sind qualitative, mündliche Befragungen 17 und/ oder Laut-Denk-Protokolle der angesprochenen Personengruppen unabdingbar, um tiefere Einblicke in die Ein‐ stellungen von (angehenden) Lehrpersonen zu erhalten. Inwieweit subjektive Theorien zu Mehrsprachigkeit und Team-Teaching respektive Team-Learning dann in Handlungen überführt werden, gilt es in weiteren Forschungsprojekten zu untersuchen, die auch Unterrichtsbeobachtungen von länger im Beruf ste‐ henden Fremdsprachenlehrpersonen umfassen müssten. Für die vorliegenden Studienergebnisse ist zudem einschränkend anzuführen, dass Forschungsergeb‐ nisse im Kontext von Ausbildungsprogrammen, in denen Studierende bewertet werden und die ForscherInnen gleichzeitig die Ausbildenden sind, der sozialen Erwünschtheit bei der Beantwortung der jeweiligen Fragen unterworfen sein können. Die hier beschriebene Erhebung versteht sich als Pilotstudie für ein umfas‐ senderes Forschungsprojekt, in dem Änderungen studentischer Einstellungen zu Mehrsprachigkeit sowie Team-Teaching respektive Team-Learning vor und nach dem Besuch des sprachenübergreifenden Ausbildungsmodells erhoben werden sollen. Aus den daraus gewonnenen evidenzbasierten Daten sollen u. a. 143 Subjektive Theorien von Studierenden im Ausbildungsmodell IMoF <?page no="144"?> Schlussfolgerungen gezogen werden, inwieweit eine sprachenübergreifende Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik Änderungen studentischer Überzeu‐ gungen v. a. zu Mehrsprachigkeit initiieren kann. Abschließend wird darauf verwiesen, dass die vorliegende Studie erste wesentliche Schritte unternimmt, um den im Beitrag angeführten Forschungs‐ desideraten zu begegnen, indem sie zum einen subjektive Theorien von an‐ gehenden Fremdsprachenlehrkräften zu Mehrsprachigkeit und Mehrsprachig‐ keitsdidaktik sowie zum anderen zu Team-Teaching respektive Team-Learning erhebt. Auch wenn sich Vergleiche mit der ProbandInnengruppe von Fliri (Beitrag in diesem Band, Seite 151) aufdrängen, werden diese in der vorliegenden Studie nicht umgesetzt. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang u. a. die Frage nach Unterschieden hinsichtlich der Einstellungen zu Mehrsprachigkeit und mehrsprachigkeitssensiblem Fremdsprachenunterricht von zukünftigen Fremdsprachenlehrpersonen, die eine Fremdsprache studieren, mit jenen, die zwei Fremdsprachen studieren. Darüber hinaus wäre gerade auch auf der Basis des Lernens am Modell anzudenken, Erfahrungen von Studierenden zu mehr‐ sprachigkeitsdidaktischen Ansätzen in ihrer universitären Sprachausbildung zu erheben und in Lernzielbeschreibungen von Sprachbeherrschungskursen universitärer Curricula zu analysieren (vgl. etwa Hinger, 2019). Im Idealfall ließe sich daraus auf ein Gesamtsprachenkonzept von Universitäten schließen, das mehrsprachigkeitsdidaktische Forderungen aus dem schulischen Fremd‐ sprachenunterricht aufgreift und für angehende Fremdsprachenlehrpersonen − auch − in ihrer universitären Sprachausbildung erfahrbar macht. Bibliographie Acquah, Emmanuel O.; Commins, Nancy L. & Niemi, Tuija (2016). Preparing Teachers for Linguistic and Cultural Diversity: Experiences of Finnish Teacher Trainees. Die Deutsche Schule, Beiheft, 13, 111-129. Austin, Vance L. (2001). Teacher's Beliefs About Co-Teaching. Remedial and Special Education, 22(4), 245-255. Bär, Marcus (2009). 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Dafür wurden sowohl qualitative als auch quantitative Daten in Form von schriftlichen Reflexionen sowie Fragebögen von Studierenden erhoben, die an einer eigens für die Studie gestalteten Lehrveranstaltung teilnahmen. Zudem geht der auf ausgewählten Ergebnissen basierende Beitrag der Frage nach, wie die Wirksamkeit und die Bedeutung der Mehr‐ sprachigkeitsdidaktik aus studentischer Perspektive in der Initialausbildung wahrgenommen werden. Abschließend gibt der Artikel Rückschlüsse auf eine mehrsprachigkeitsorientierte LehrerInnenausbildung - ein Desiderat, das aktuell stetig mehr an Bedeutung im Bildungsdiskurs gewinnt. 1. Einleitendes Dieser Beitrag versucht, die in der Forschung monierte Divergenz zwischen der sprachlich heterogenen Realität an österreichischen Schulen (vgl. Bundes‐ ministerium für Bildung [BMB], 2017) und der Professionalisierung zukünf‐ tiger Fremdsprachenlehrpersonen in der Initialausbildung darzustellen, die sich grosso modo immer noch am Bild des „monolingualen Habitus“ (Gogolin, <?page no="152"?> 1 Es liegen bislang keine aktuelleren Zahlen von Seiten des Ministeriums vor. Die Statistik Austria (2018) veröffentlicht in ihrem Jahrbuch zwar neue Zahlen zum Faktor Migration und Bildung, gibt jedoch nur den Anteil der SchülerInnen mit einer anderen Staatsangehörigkeit an, was nicht automatisch Auskunft über andere Erstsprachen gibt. 2 Neue Mittelschulen sind neben Gymnasien (Allgemeinbildende höhere Schulen) die Schultypen der Sekundarstufe I und im deutschen Schulsystem damit Haupt- oder Realschulen gleichzusetzen. 1994) orientiert und damit kaum auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der SchülerInnen samt ihrer Chancen und Herausforderungen eingeht. Sprach‐ liche Ressourcen von Kindern und Jugendlichen werden insbesondere dann genutzt und gefördert, wenn diese auch differenziert wahr- und angenommen werden. Deshalb versucht das in dem Beitrag vorgestellte Forschungsprojekt, der Frage nachzugehen, inwiefern sich durch die Neustrukturierung der Lehr‐ amtsausbildung in Österreich, die in Kapitel 2 genauer erläutert wird, die Thematisierung der Förderung mehrsprachiger SchülerInnen verändert hat und wie dies aus studentischer Perspektive wahrgenommen wird. Es wird durch den Ansatz des im vorliegenden Artikel präsentierten Projekts gezeigt, wie die Arbeit mit und an sprachlicher Heterogenität als wichtiges Desiderat in der Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrpersonen verankert werden kann, um den Herausforderungen eines modernen und mehrsprachigkeitsorientierten Fremdsprachenunterrichts zu entsprechen. 2. Mehrsprachige Schulrealität versus monolingual ausgerichtete LehrerInnenausbildung Statistiken des zuständigen Bundesministeriums belegen, dass die Anzahl der SchülerInnen, die mit einer anderen Erstsprache als Deutsch aufwachsen, in Österreich stetig im Ansteigen ist. Abhängig von Schulstandort und -typ betrug der Anteil österreichweit an allen Schulen im Schuljahr 2015/ 16 1 durchschnitt‐ lich 23,8%, wobei dieser an Neuen Mittelschulen 2 mit knapp 30% und in Wien mit durchschnittlich 50% an allen Schulen am höchsten ist (vgl. Bundesministerium für Bildung, 2017, S. 23f.). Der sprachlichen Pluralität der Gesellschaft stehen ein an der Bildungssprache Deutsch orientiertes Schulsystem und eine dem‐ entsprechend ausgerichtete Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen gegenüber. Letztere wird sowohl in Forschung als auch Lehre von „der Betrachtung der Mo‐ nolingualität als dem individuellen Normalfall“ (Gogolin, 2015, S. 299f.) geleitet. Insbesondere migrationsbedingte Mehrsprachigkeit wird im gesellschaftlichen und schulischen Diskurs dadurch ausgeklammert - ein Prozess, der auch im 152 Benjamin Fliri <?page no="153"?> 3 An österreichischen Schulen werden neben Englisch hauptsächlich Italienisch, Fran‐ zösisch, Russisch und Spanisch als lebende Fremdsprachen unterrichtet (vgl. de Cillia, 2008). Zuge der neuen Lehramtsausbildung in Österreich wenig Veränderung erfahren hat. Das Aussparen sprachlicher Heterogenität fußt unter anderem auf einer Disproportionalität der Berücksichtigung schulischer und lebensweltlicher Mehrsprachigkeit im Schulkontext. Unter letzterer versteht Gogolin (1988) das sprachliche Repertoire des alltäglichen Lebens der SchülerInnen, wobei Hu (2004, S. 67) dieses besonders in Verbindung mit „Immigrantensprachen, Nachbarsprachen, plurikulturellen und plurilingualen Lebenspraxen“ setzt. Damit stehen diese Sprachen häufig im Gegensatz zu den Fremdsprachen, die Teil des schulischen Fächerkanons 3 sind, in den nur selten typische Migrati‐ onssprachen miteinbezogen werden. Teilweise sind die Grenzen zwischen den beiden genannten Formen aber fließend oder besser nicht genau feststellbar, wie auch Volgger (2013) in ihren Ausführungen präzisiert, da Herkunftsspra‐ chen immer häufiger auch institutionell verankert werden. Sie weist des Wei‐ teren darauf hin, dass es empirisch belegbar sei, dass sich die lebensweltliche Mehrsprachigkeit nachhaltig auf die schulische und vice versa auswirke (vgl. ebd., S. 78 f.). Deshalb plädiert de Cillia (2013) für einen integrativen Ansatz des Sprachenlernens, bei dem die lebensweltliche Mehrsprachigkeit zusätzlich zu den im Schulkanon angebotenen Fremdsprachen und der Bildungssprache Deutsch, die neben Erstsprache auch Zweitsprache sein kann, berücksichtigt wird. Dieser Ansatz könnte dazu führen, dass gesellschaftlich vorhandene Wertzuschreibungen ausgeglichen werden, wenn Sprachen auf schulischer Ebene auch gleichwertig begegnet wird und diese als jeweilig essentiell für den individuellen und mehrsprachigen Spracherwerb anerkannt werden (vgl. ebd., S. 13). Eine adäquate Umsetzung von de Cillias Vorschlag, bei dem alle Sprachen der SchülerInnen im Schulunterricht herangezogen und strukturiert für das (Fremd-)Sprachenlernen genutzt werden, ist gerade deshalb nicht unkompliziert, weil viele sprachliche Ressourcen im Schulalltag und damit auf institutioneller oder offizieller Ebene nicht offensichtlich werden. Die lebens‐ weltliche Mehrsprachigkeit wird häufig auf den privaten Lebensbereich der SchülerInnen reduziert oder eine Herkunftssprache kann aus verschiedensten Motiven geleitet auch verschwiegen werden (vgl. Brizić, 2007; Brizić & Lo Hufnagl, 2016). Brizić & Lo Hufnagl (2016, S. 25) weisen am Beispiel des Kurdi‐ schen darauf hin, dass es für viele dieser Sprachen zwar herkunftssprachlichen 153 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="154"?> 4 Der herkunftssprachliche Unterricht wird in Österreich unter dem Namen „Mutter‐ sprachlicher Unterricht“ als Fördermaßnahme angeboten, um SchülerInnen mit einer anderen Herkunftssprache als Deutsch den Ausbau der Kenntnisse und Kompetenzen in der jeweiligen Erstsprache (hier als Muttersprache bezeichnet) zu ermöglichen (vgl. Krumm, 2014). Unterricht 4 als Angebot an den Schulen gebe, abhängig von Nachfrage und Ressourcen aber viele Sprachen nicht auf offizieller Ebene berücksichtigt werden können. Die Herkunftssprache wird dadurch auf die private Sphäre li‐ mitiert, im Schulkontext durch das fehlende Thematisieren im Regelunterricht verschwiegen und aufgrund dessen wiederum für die SchülerInnen selbst zu einer unsichtbaren Ressource. Abhängig ist die Handhabung besonders vom internationalen Prestige einer Sprache (vgl. Wojnesitz, 2011, S. 39). Deshalb ist es für bereits aktive sowie zukünftige Lehrpersonen wichtig, diese (teil‐ weise) nicht sichtbaren sprachlichen Ressourcen angemessen wahrnehmen zu können, um diese in einem weiteren Schritt auch für die SchülerInnen positiv zu konnotieren. Eine Sensibilisierung muss basierend auf den genannten empirischen Befunden von Brizić (2007) oder Brizić & Lo Hufnagl (2016) auch schon während der Initialausbildung erfolgen, um die Professionalisie‐ rung gezielt lenken zu können - ein Desiderat, das für die Überarbeitung der Lehramtscurricula und der damit verbundenen Neustrukturierung des Studiums durchaus als zielführend betrachtet werden kann. Im Folgenden soll kurz ein Überblick über die Neuerungen der Ausbildungssituation zukünftiger Lehrpersonen in Österreich gegeben werden. Die im Gegensatz zur Ausbildung in Deutschland deutlich später umge‐ setzte Neustrukturierung der Lehramtsausbildung als Reaktion auf den Bo‐ logna-Prozess (PädagogInnenbildung Neu) wurde in Österreich erstmals im Studienjahr 2015/ 16 implementiert. Seitdem werden alle Lehrpersonen für die Sekundarstufe in einem achtsemestrigen Bachelor- und einem viersemestrigen Master-Studiengang in Hochschulverbünden ausgebildet. Bis dahin erfolgte die Ausbildung binär an Pädagogischen Hochschulen und an Universitäten - abhängig vom jeweiligen Schultyp, für den die Studierenden ausgebildet wurden - und unterschied sich sowohl in ihrer Dauer als auch der Ausgestaltung der Curricula. Neben der Kooperation der erwähnten Institutionen hat sich durch die Entwicklung neuer Studienpläne in insgesamt vier Verbünden, sprich geographischen Gruppierungen verschiedener Bildungsinstitutionen, auch die professionsorientierte Ausrichtung der Ausbildung verändert; eine Erhöhung des Anteils der bildungswissenschaftlichen Grundlagen und der Fachdidaktik an der Gesamtsumme der Lehrveranstaltungen erfolgte (vgl. Boeckmann, 2017; Hinger, 2014). 154 Benjamin Fliri <?page no="155"?> 5 Die dem Beitrag zugrunde liegende Studie wurde an der Universität Innsbruck durchgeführt, die gemeinsam mit vier Partnerinstitutionen den Verbund West bildet. Eine im Zuge dieses Projekts durchgeführte Analyse des Curriculums im Verbund West 5 (2017) hinsichtlich der Themen Mehrsprachigkeit und Migration zeigt, dass für alle Lehramtsstudierenden eine fakultative Lehrver‐ anstaltung im Bereich des schulpädagogischen Ausbildungsanteils angeboten wird, die sich mit dem genannten Themengebiet beschäftigt. Lediglich Studie‐ rende des Lehramts Deutsch müssen ein obligatorisches Modul in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) belegen, das aus einer Vorlesung und einer parallel dazu angelegten Übung zur Methodik und Didaktik des DaZ-Unterrichts besteht. Für Studierende einer lebenden Fremdsprache als Unterrichtsfach - also Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch oder Spanisch - ist das Stichwort „Mehrsprachigkeit“ respektive „Mehrsprachigkeitsdidaktik“ im Curriculum zu finden, wobei nur im Fach Englisch bei einem Proseminar zum Erwerb des Englischen ein mehrsprachiger Kontext explizit auch im Titel der Lehr‐ veranstaltung genannt wird (vgl. Universität Innsbruck, 2017, S. 98). In den anderen Lehrveranstaltungsbeschreibungen werden die Themengebiete zwar nur genannt, sie können aber je nach Schwerpunktsetzung der Lehrverans‐ taltungsleiterInnen auch tatsächlich als zentrale Themen behandelt werden. Dabei beschränkt sich die Perspektive hauptsächlich auf die schulische Mehr‐ sprachigkeit. Diese Erkenntnis deckt sich mit anderen Analysen vorheriger Curricula, wie etwa jener von Dannerer et al. (2013) oder Boeckmann (2008), die die Randstellung der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit und der Anteile an Deutsch als Zweitsprache thematisierenden Lehrveranstaltungen in der Initialausbildung unterstreichen. Es zeigt sich damit, dass der Großteil der Studierenden den ersten Professionalisierungsprozess abschließt, ohne sich in adäquater Form mit den genannten Themenbereichen zu beschäftigen oder Kompetenzen in diesen zu erlangen. Dies betrifft insbesondere auch zukünf‐ tige Lehrpersonen, die kein Sprachfach unterrichten, für die die sprachliche Bildung abseits der monolingualen Norm aber ebenso von zentraler Bedeu‐ tung ist. Die sprachliche Entwicklung von SchülerInnen sei laut Gombos (2015, S. 14 f.) dabei eben nicht nur zentrale Aufgabe der Sprachenfächer, sondern müsse in allen Unterrichtsfächern thematisiert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings eine entsprechende Vorbereitung aller Lehrpersonen auf diese Aufgabe. Diese benötigen dafür „spezifisches theoretisches und praktisches Wissen“ (Michalak, 2012, S. 198), um den Herausforderungen sprachlich und kulturell heterogener Kontexte begegnen zu können. 155 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="156"?> Ein Umdenken hinsichtlich der Thematisierung der lebensweltlichen Mehr‐ sprachigkeit ist insbesondere deshalb notwendig, da sich durch die Profes‐ sionalisierung in der Initialausbildung auch die spätere Berufsüberzeugung manifestiert. Nach Meißner (2008, S. 144) bilde sich ein monolinguales Leh‐ rerInnenselbstbild heraus, wenn die sprachliche Diversität während der Aus‐ bildung nicht als Normalfall angesehen werde. Durch ein direktes Entgegen‐ wirken und das Thematisieren von mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen könne der monolinguale Habitus überwunden werden. Dieser Gedanke liegt auch dem ‚Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) zugrunde, das mit einem sprachenübergreifenden Konzept versucht, den monierten einsprachigen Fokus zu überwinden und das postulierte Ziel der Mehrspra‐ chigkeit zumindest hinsichtlich der schulischen (Fremd-)Sprachen umsetzt (vgl. Hinger, 2009, S. 502f.). Weiterführend bleibt zu eruieren, wie in allen Bereichen der Lehramtsausbildung, also dem Fach, seiner Fachdidaktik und den bildungswissenschaftlichen Grundlagen gemeinsam auf die mehrspra‐ chige Schulrealität reagiert werden kann. Im fachdidaktischen Diskurs zeigt sich durch verschiedene Bestrebungen und Projekte, dass der Ansatz, die Mehrsprachigkeit der SchülerInnen und die zunehmende Diversifizierung als Ressource zu sehen, aus wissenschaftlicher Perspektive vorgegeben wird. 3. Mehrsprachigkeitsorientierte Ansätze in der FremdsprachenlehrerInnenausbildung Eine Orientierung an lebensweltlich mehrsprachigen SchülerInnen und die damit verbundenen Rückschlüsse auf das weitere (Fremd-)Sprachenlernen sind ausschlaggebend für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik. Dementsprechend sehen Meißner & Reinfried (1998) das Vorwissen, das Lernende aus dem sprachlichen Kontext der Migrationsgesellschaft mitbringen, als essentielle Voraussetzung und Ressource für Fremdsprachenunterricht und seine Didaktik. In diesem Sinne kann es durch die gewinnbringende Verknüpfung lebensweltlicher und schulischer Mehrsprachigkeit auch zu einem positiven Effekt für die Schüler- Innen kommen. Empirisch belegt werden diese grundlegenden Prinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik durch verschiedene sprachwissenschaftliche Studien und Modelle, wie etwa das Dynamic Model of Multilingualism von Herdina & Jessner (2002) respektive das Tertiärsprachenmodell von Hufeisen & Neuner (2000). Letzteres ist als Tertiärspracheneffekt auch im österreichischen Lehrplan für lebende Fremdsprachen gesetzlich verpflichtend verankert und weist damit offiziell auf die wichtige Rolle der Mehrsprachigkeit der Schüle‐ rInnen als Faktor des Fremdsprachenlernens hin, ohne dass eine Umsetzung 156 Benjamin Fliri <?page no="157"?> 6 Der Begriff des sprachsensiblen Unterrichts folgt in der vorliegenden Arbeit der Vorstellung, dass das sprachliche Können und die Entwicklung eben dieses von allen Lehrpersonen im Schulkontext als zentrale Aufgabe wahrgenommen werden muss. Deutschlehrkräfte können laut Michalak (2012) dieser Aufgabe nicht allein nach‐ kommen, womit dieses Konzept für die Ausbildung aller zukünftigen Lehrpersonen bedeutsam wird. dieser Erkenntnisse im Unterricht dadurch garantiert werden kann (vgl. Bun‐ desministerium für Unterricht, Kunst und Kultur [BMUKK], 2004). Basierend auf empirischen Studien (vgl. u. a. Hufeisen & Neuner, 2000) kam es in den letzten beiden Jahrzehnten dadurch auch zur Entwicklung verschiedener Curricula beziehungsweise Vorschläge zur Etablierung der Mehrsprachigkeitsdidaktik als zentralem Element des Fremdsprachenunterrichts und dementsprechend der Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen, wie dies unter anderem durch das Gesamtsprachencurriculum von Hufeisen (2008) oder dem Curriculum Mehrsprachigkeit für die PädagogInnenbildung in Österreich von Krumm & Reich (2011) vorgeschlagen wird. Letzteres versteht sich als Instrument zur Wertschätzung sämtlicher sprachlicher Ressourcen von SchülerInnen durch einen entsprechenden Unterrichtsansatz, der mehrsprachige Bildung nicht nur anerkennt, sondern durch adäquates pädagogisches Handeln vertieft. Dadurch werde es auch möglich durch mehrsprachigkeitsdidaktisches Arbeiten eine „Zwei-Klassen-Mehrsprachigkeit“ (Krumm, 2014, S. 33) zu obstruieren und die lebensweltliche Mehrsprachigkeit in ein ressourcenorientiertes Kapital zu transferieren. Im Zentrum dieses Vorhabens steht die Lehrperson, die mit den mehrsprachigen Voraussetzungen der SchülerInnen professionell umgehen kann. Im deutschsprachigen Bereich ist besonders in Deutschland auf die Bedeu‐ tung mehrsprachigkeitsdidaktischer und sprachsensibler 6 Projekte in der Initi‐ alausbildung hingewiesen worden, wie dies unter anderem bei FörMig mit Fokus auf die durchgängige Sprachbildung und die entsprechende Ausbildung des Lehrpersonals (vgl. u. a. Gogolin et al., 2011), ProDaZ und der Thematisierung von DaZ-spezifischen Ausbildungsanteilen für Studierende aller Unterrichts‐ fächer (vgl. Benholz, Frank & Gürsoy, 2015) oder auch dem Schwerpunkt Heterogenität und Mehrsprachigkeit des Projekts MoSAiK (vgl. Universität Koblenz-Landau, 2018) aufgezeigt wird. Grundlegend ist all diesen Ausbildungs‐ initiativen die Erkenntnis, dass die bisherige Initialausbildung zu wenig dafür unternehme, AbsolventInnen auf die Beschaffenheit des mehrsprachigen Klas‐ senzimmers mit einer Vielzahl verschiedener Heterogenitätsfaktoren vorzube‐ reiten. 157 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="158"?> 7 Das Programm „Qualität in multikulturellen Schulen“ (QUIMS) wurde als Begleitung für Schulen mit besonders hoher sprachlicher und kultureller Diversität etabliert, um diesen theoretisch fundierte und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen (vgl. Bildungsdirektion Zürich, 2019). Während im Schweizer Kontext hier unter anderem QUIMS 7 (vgl. Bildungs‐ direktion Zürich, 2019) zu nennen ist, belegt in Österreich das Bundeszentrum für Interkulturalität, Migration und Mehrsprachigkeit (vgl. Bundeszentrum für Interkulturalität, Migration und Mehrsprachigkeit [BIMM], 2018), dass es insbesondere im Bereich der Weiter- und Fortbildung verschiedenste (Hoch‐ schul-)Lehrgänge gibt, die es Lehrpersonen ermöglichen, sich in den Themen‐ gebieten Mehrsprachigkeit, DaZ und (früher) Sprachförderung weiterzubilden. Umfassendere Angebote respektive Projekte, wie sie in Deutschland an den je‐ weiligen Universitäten anzutreffen sind, fehlen in den vier österreichischen Ver‐ bünden in der Initialausbildung noch. Boeckmann (2017) moniert des Weiteren, dass sprachsensible Ansätze in den Curricula für Studierende der Sekundarstufe noch nicht vorhanden seien, in der Ausbildung von Lehrpersonen für die Primarstufe jedoch berücksichtigt würden. Hervorzuheben ist hier der Verbund Mitte, der jeweils ein Themenmodul zum Thema „Sprache im Unterricht“ und ein weiteres zum Thema „Mehrsprachigkeit“ für Lehramtsstudierende anbietet, das in Kombination von theorie- und praxisgeleiteten Lehrveranstaltungen die Bedeutung von Sprache auch im Fachunterricht respektive von Mehrspra‐ chigkeit im Bildungskontext vermitteln will (vgl. Universität Salzburg, 2018). Hier gilt analog zu dem bereits erwähnten Lehrveranstaltungsangebot des Verbunds West wiederum, dass die Vertiefung fakultativ ist und nach Ermessen der Studierenden als Modul gewählt werden kann. Grosso modo zeigt sich dadurch an allen Ausbildungsstätten in Österreich ein ähnliches Bild, das belegt, dass Ausbildungs- und insbesondere Fortbildungsmöglichkeiten hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Diversität geboten werden, diese jedoch nicht obligato‐ risch sind. Die entsprechenden Rahmenbedingungen, die das Bildungssystem für zukünftige PädagogInnen schafft, sind daher standortabhängig und nicht angemessen für eine Ausbildung essenzieller Kompetenzen im Umgang mit der sprachlichen Diversität von SchülerInnen. Ergebnisse der genannten Projekte (vgl. u. a. Gogolin et al., 2011) lassen erkennen, dass der „erfolgreiche Umgang mit Vielfalt seit vielen Jahren als ein wesentliches Kriterium für Unterrichtsqualität und Schulerfolg“ (Scholz, 2010, S. 7) gilt. Zentral ist die Frage nach einer passenden Implementierung genannter Themenschwerpunkte in der Initialausbildung, die nicht auf Projekt‐ ebene verbleiben, sondern auch in den Curricula verankert werden. Caspari (2017, S. 43) versucht, in ihren Ausführungen den Status Quo des „differenz‐ 158 Benjamin Fliri <?page no="159"?> sensiblen Fremdsprachenunterrichts“ zu hinterfragen. Dabei erkennt sie an, dass es nicht nur hinsichtlich der Mehrsprachigkeit und den sprachlich hetero‐ genen Voraussetzungen der SchülerInnen, sondern auch aufgrund grundsätzli‐ cher Fragen der Inklusion von Bedeutung sei, sich in Zusammenarbeit von Bildungswissenschaften, Fächern und Fachdidaktiken auf curricularer Ebene zu überlegen, wie auf die Herausforderungen zu reagieren sei. Durch die interdisziplinäre Forschungskooperation können PädagogInnen auch adäquat vorbereitet werden (vgl. ebd., S. 45ff.). Die oben erläuterten Themenmodule für Lehramtsstudierende des Verbunds Mitte vereinen dieses Desiderat durch den interdisziplinären Ansatz und zeigen damit, dass durch eine entsprechende Kooperation auch in der Ausbildung auf Herausforderungen des Schulalltags reagiert werden kann. Zentral für den Professionalisierungsgedanken ist die Frage, wie zukünf‐ tige Lehrpersonen differenzsensibel unterrichten können. In diesem Sinne sieht Holzbrecher (2017, S. 26) die „reflektierte, professionelle Planung im Horizont der Zielperspektive einer optimalen Lern- und Entwicklungsförderung der SchülerInnen“ als zentrale Komponente, wobei auch eine (fächer- oder sprachübergreifende) Kooperation und eine gesamtheitliche Sichtweise auf das (Sprachen-)Lernen von Bedeutung sind. Grundlegend für dieses reflektierte Wahrnehmen der mehrsprachigen Voraussetzungen der SchülerInnen ist das Sichtbarmachen oft unsichtbarer sprachlicher Ressourcen. Dem zugrunde liegt eine für Mehrsprachigkeit offene Haltung, die sowohl MitschülerInnen, Lehr‐ personen als auch das Schulsystem als Gesamtes betrifft. Eine Schlüsselrolle nehmen besonders PädagogInnen ein, die durch ihre Haltung respektive ihre Einstellungen die Mehrsprachigkeit im Klassenverbund und den damit ver‐ bundenen Diskurs unter allen beteiligten Personen bestimmend beeinflussen können (vgl. Wojnesitz, 2011). Deshalb sind die Reflexion der eigenen Sprach‐ biographie und der Prozess der Bewusstmachung hier ein Entwicklungsschritt in der Professionalisierung. Dies gelingt sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis durch verschiedene Ansätze wie etwa Sprachenporträts (vgl. Krumm & Jenkins, 2001) oder andere Formen sprachbiographischen Arbeitens. Ziel ist das Ermöglichen des mehrsprachigen Erfahrungsaustausches in der Klasse, wodurch die sprachlichen Ressourcen genutzt werden können, ohne eine institutionell verankerte, strikte Trennung von Schul- und Herkunftsspra‐ chen zu prolongieren. Neben der aktiven Wahrnehmung von Mehrsprachig‐ keit ist aber auch die Nutzung und Förderung mehrsprachigkeitsdidaktischer Methoden als ein zentrales Anliegen der Professionalisierung zukünftiger (Fremdsprachen-)Lehrpersonen wichtig. Dabei sind neben der Interkomprehen‐ 159 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="160"?> 8 Die Interkomprehensionsmethode ist eines der bekanntesten Konzepte der Mehrspra‐ chigkeitsdidaktik und basiert auf einer „rezeptiv orientierte[n] mehrsprachige[n] Verstehensstrategie“ (Hallet, 2015, S. 34), durch die ein Text in einer nicht formal erworbenen Sprache erschlossen werden kann. 9 Das Sprachbewusstsein umfasst die individuelle Arbeit an und mit dem eigenen Sprach‐ system, das die Zielsprache und alle weiteren erworbenen und erlernten Sprachen umfasst. Lernende werden dazu angeregt, über den Sprachlernprozess nachzudenken und diesen dadurch explizit werden zu lassen, was positive Auswirkungen auf das Lernen hat (vgl. u. a. Königs, 2015, S. 7). sionsmethode, 8 die durch die Bewusstmachung der sprachlichen Selbstwirk‐ samkeit das Sprachenlernen nachhaltig beeinflussen kann (vgl. Meißner & Morkötter, 2009, S. 54f.), auch Konzepte des Sprachbewusstseins 9 zur Reflexion der eigenen Lernprozesse, die sich nicht nur auf Einzelsprachen, sondern auch sprachenübergreifend anwenden lassen, wichtig (vgl. Allgäuer-Hackl & Jessner, 2013, S. 114). Zudem spielt auch das sprachsensible Verwenden der Unterrichtssprache (Michalak, Lemke, & Goeke, 2015, S. 11) eine bedeutende Rolle, was bedeutet, dass sprachliches und fachliches Lernen verknüpft wird, um SchülerInnen eine möglichst umfassende sprachliche Unterstützung zukommen zu lassen. Daneben stehen insbesondere auch Studienanteile im Bereich Deutsch als Zweitsprache im Vordergrund (vgl. Michalak, 2012), um bei zukünftigen Fremdsprachenlehrpersonen einen ganzheitlichen und sprachenübergreifenden Ansatz zu verankern. 4. Ein design-based research-Projekt zu mehrsprachigkeitsdidaktischen Aspekten in der Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrpersonen Die Überlegungen zu den Anforderungen an die Professionalisierung von Lehrpersonen im sprachlich heterogenen Kontext sind dem Forschungspro‐ jekt, das diesem Beitrag zugrunde liegt, inhärent. Es greift damit die mo‐ nierte Divergenz zwischen mehrsprachiger Schulrealität und der monolingual orientierten Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrpersonen auf. Seit dem Beginn der sprachenübergreifenden Ausbildung durch das ‚Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik‘ (IMoF) wird auf die Vermittlung eines mehrsprachigen und sprachenübergreifenden Selbstkonzepts der zukünftigen Lehrpersonen, das durch die Schwerpunktsetzung des Modells angeregt werden soll, geachtet (vgl. Hinger, 2009, S. 500). Die vorliegende Studie knüpfte damit direkt an diesem Ansatz an, erweiterte den Fokus aber auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der SchülerInnen. Im Erkenntnisinter‐ esse des Projekts stand dadurch die Etablierung einer Lehrveranstaltung, 160 Benjamin Fliri <?page no="161"?> 10 Die Leitfadeninterviews fanden mit ausgewählten ProbandInnen vier Monate nach Ende der Lehrveranstaltung statt. Die dort erhobenen Daten sind aber nicht Gegenstand des vorliegenden Artikels und werden in der Folge auch nicht mehr erwähnt. die mehrsprachigkeitsdidaktische und sprachsensible Ansätze in der Profes‐ sionalisierung bearbeitet und Studierende in der Initialausbildung in einer Kombination aus theoriegeleiteter und praxisorientierter Auseinandersetzung mit den Thematiken konfrontiert. Die für diesen Beitrag zentralen Forschungsinteressen beschäftigen sich mit der Einschätzung und den Einstellungen der Studierenden zu den An‐ forderungen einer differenzsensiblen Lehramtsausbildung im Gesamten und gehen der Frage nach, inwiefern sie mit mehrsprachigkeitsdidaktischen und sprachsensiblen Ansätzen im Zuge ihrer bisherigen Professionalisierung in Kontakt getreten sind. Die Erhebungen dazu erfolgten sowohl zu Beginn als auch am Ende des Semesters, was im Absatz zur Methodologie noch genauer erläutert wird. Folgende zwei Forschungsfragen waren auf Basis der erwähnten Interessen richtungsweisend: 1. Welche Rolle spielen aus Sicht der Studierenden mehrsprachigkeitsdi‐ daktische und sprachsensible Ansätze in der Ausbildung zukünftiger Fremdsprachenlehrpersonen? 2. Wie wird die lebensweltliche Mehrsprachigkeit in der Lehramtsausbil‐ dung aus studentischer Perspektive wahrgenommen? Als Forschungsdesign wurde ein design-based research-Ansatz gewählt, der sich laut Euler & Sloane (2014, S. 7) insbesondere zur „Entwicklung innova‐ tiver Lösungen für praktische Bildungsprobleme“ eignet. Charakteristisch für diesen Ansatz ist ein dynamischer, viergliedriger Prozess, der sich in mehreren Durchläufen wiederholt. In einer ersten Phase wird dabei ein Desiderat aus theoretischer Perspektive beleuchtet, um in einer zweiten Phase durch die Ent‐ wicklung einer Intervention einen möglichen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. In einer dritten Phase wird dieser durchgeführt und empirisch evaluiert, um in einer abschließenden Reflexionsphase die Intervention zu analysieren und zu erneuern. Die Lehrveranstaltung wurde somit samt Datenerhebung je einmal im Sommersemester 2017 und 2018 durchgeführt. Daten wurden in Form eines mixed methodology-Ansatzes (vgl. Kuckartz, 2014) jeweils zu Beginn in der ersten Einheit und am Ende in der letzten Einheit der Lehrveranstaltung in Form von Fragebögen, schriftlichen Reflexionen und leitfadengestützten Interviews 10 erhoben. Für eine reichhaltigere Aussagekraft der Ergebnisse wurden die erho‐ benen Daten trianguliert. Die für diesen Beitrag relevanten Erhebungsmethoden waren der Fragebogen zu Beginn der Lehrveranstaltung, wobei hier nur der 161 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="162"?> 11 Die auf dem Curriculum basierenden Items wurden als Kann-Beschreibungen im Fra‐ gebogen formuliert. Die Zustimmung oder Ablehnung auf der vierteiligen Likert-Skala erfolgte auf Aussagen, die beispielsweise wie folgt formuliert wurden: Ich kann die individuellen Lernvoraussetzungen von SchülerInnen als Ressource wahrnehmen. Diese Kann-Beschreibungen wurden in den Ergebnisdiagrammen verkürzt dargestellt. Teilbereich zur Selbsteinschätzung der bisherigen Lernerfahrungen während des bisherigen Studiums herangezogen wird und die schriftliche Reflexion am Ende der Intervention. Im Zuge der Fragebogenerhebung zu Beginn des Semesters wurden die Lehr‐ amtsstudierenden im Sommersemester 2017 (n=20) und im Sommersemester 2018 (n=10) zu Lernerfahrungen in ihrem bisherigen Studium befragt. Alle TeilnehmerInnen der Lehrveranstaltung konnten als ProbandInnen für die Studie gewonnen werden. Der Großteil der Studierenden, die diesen Kurs aufgrund ihrer Fachwahl belegen mussten, befand sich bei der Teilnahme an der Lehrveranstaltung im vierten Semester des achtsemestrigen Bachelorstudiums und besuchte zu diesem Zeitpunkt Lehrveranstaltungen aus allen drei Teilberei‐ chen des Lehramtstudiums - dem Fachstudium, den bildungswissenschaftlichen Grundlagen und der Fachdidaktik - oder hatte diese bereits besucht. Der Fra‐ gebogen stützt sich insbesondere auf den aktuellen Studienplan der Universität Innsbruck (2017) und die darin enthaltenen Lernziele des Studiums. Die für die erste Forschungsfrage relevanten Items 11 wurden von den Studierenden auf einer vierteiligen Likert-Skala beantwortet, wobei auch die Möglichkeit einer Stimmenthaltung gegeben war. 4.1. Ausgewählte Ergebnisse der Studie Die folgenden Ergebnisse zeigen die zu Beginn des Semesters aktuellen Ein‐ schätzungen der Studierenden zu ihrem bisherigen Lernertrag im Zuge des Lehramtsstudiums. Wie in Abbildung 1 ersichtlich wird, schätzt die Mehrheit (jeweils 80%) der Studierenden die Individualität der Lernvoraussetzungen der SchülerInnen als positiv ein, stimmt der Aussage also eher oder völlig zu. 80% der Studierenden fühlen sich zu ihrem jetzigen Ausbildungsstand fähig, diese individuellen Bedingungen auch entsprechend zu fördern. 162 Benjamin Fliri <?page no="163"?> 45 Abbildung 1: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Voraussetzungen der SchülerInnen" in Prozent (n=30). Eine Divergenz des Antwortverhaltens zeigt sich bei der Frage nach der Arbeit mit der sprachlichen Diversität der SchülerInnen, die als Teil der individuellen Voraussetzungen angesehen und in Abbildung 2 dargestellt wird. Dabei liegt eine teilweise oder völlige Zustimmung der Studierenden (70%) vor, wenn es um die individuelle Mehrsprachigkeit und die Arbeit an und mit dieser im Unterricht geht. Wird die Aufmerksamkeit durch das zweite Item jedoch konkret auf andere Herkunftssprachen als Deutsch geleitet, erachtet genau die Hälfte der Befragten die aktuelle Vorbereitung durch das Studium als eher oder gar nicht ausreichend. Abbildung 2: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Sprachliche Diversität der SchülerInnen" in Prozent (n=30). 0% 20% 43,30% 30% 6,70% 0% 20% 60% 20% 0% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ich stimme nicht zu. Ich stimme eher nicht zu. Ich stimme eher zu. Ich stimme zu. Ich weiß nicht. Voraussetzungen der SchülerInnen Wahrnehmung der individuellen Lernvoraussetzung von SchülerInnen als Ressource Förderung aller SchülerInnen gemäß ihrer persönlichen Fähigkeiten 0% 26,70% 50% 20% 3,30% 10% 40% 26,70% 20% 3,30% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ich stimme nicht zu. Ich stimme eher nicht zu. Ich stimme eher zu. Ich stimme zu. Ich weiß nicht. Sprachliche Diversität der SchülerInnen Arbeit mit der individuellen Mehrsprachigkeit der SchülerInnen Arbeit mit SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch Abbildung 1: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Voraussetzungen der Schüle‐ rInnen" in Prozent (n=30). Eine Divergenz des Antwortverhaltens zeigt sich bei der Frage nach der Arbeit mit der sprachlichen Diversität der SchülerInnen, die als Teil der individuellen Voraussetzungen angesehen und in Abbildung 2 dargestellt wird. Dabei liegt eine teilweise oder völlige Zustimmung der Studierenden (70%) vor, wenn es um die individuelle Mehrsprachigkeit und die Arbeit an und mit dieser im Unterricht geht. Wird die Aufmerksamkeit durch das zweite Item jedoch konkret auf andere Herkunftssprachen als Deutsch geleitet, erachtet genau die Hälfte der Befragten die aktuelle Vorbereitung durch das Studium als eher oder gar nicht ausreichend. 163 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="164"?> 45 die Arbeit an und mit dieser im Unterricht geht. Wird die Aufmerksamkeit durch das zweite Item jedoch konkret auf andere Herkunftssprachen als Deutsch geleitet, erachtet genau die Hälfte der Befragten die aktuelle Vorbereitung durch das Studium als eher oder gar nicht ausreichend. Abbildung 2: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Sprachliche Diversität der SchülerInnen" in Prozent (n=30). 0% 26,70% 50% 20% 3,30% 10% 40% 26,70% 20% 3,30% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ich stimme nicht zu. Ich stimme eher nicht zu. Ich stimme eher zu. Ich stimme zu. Ich weiß nicht. Sprachliche Diversität der SchülerInnen Arbeit mit der individuellen Mehrsprachigkeit der SchülerInnen Arbeit mit SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch Abbildung 2: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Sprachliche Diversität der SchülerInnen" in Prozent (n=30). Auf die Arbeit in heterogenen Klassen fühlt sich wiederum der Großteil der Studierenden vorbereitet. Hinsichtlich beider Items, die Faktoren der Vielfalt im Schulkontext ausdrücken, stimmt mehr als die Hälfte einer bisher adäquaten Vorbereitung teilweise oder völlig zu. Nur ein Drittel der Fremdsprachenstu‐ dierenden sieht sich hinsichtlich der soziokulturellen und religiösen Vielfalt noch am Beginn des Professionalisierungsprozesses. Abbildung 3 zeigt zudem, dass bei einem Sechstel der Studierenden noch kein ausreichendes Konzept der Leistungsdifferenzierung vorhanden ist, das ihnen eine eindeutige Antwort ermöglichen würde. 164 Benjamin Fliri <?page no="165"?> 46 stimmt mehr als die Hälfte einer bisher adäquaten Vorbereitung teilweise oder völlig zu. Nur ein Drittel der Fremdsprachenstudierenden sieht sich hinsichtlich der soziokulturellen und religiösen Vielfalt noch am Beginn des Professionalisierungsprozesses. Abbildung 3 zeigt zudem, dass bei einem Sechstel der Studierenden noch kein ausreichendes Konzept der Leistungsdifferenzierung vorhanden ist, das ihnen eine eindeutige Antwort ermöglichen würde. Abbildung 3: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Arbeit in heterogenen Klassen" in Prozent. Hinsichtlich der deskriptivstatistischen Auswertung der Fragebogendaten zeigt sich ein mannigfaltiges Bild des Professionalisierungsstandes der Studierenden, wobei hinsichtlich des Faktors Mehrsprachigkeit mit einem Fokus auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit eruiert werden konnte, dass es in der Initialausbildung noch Möglichkeiten zur Vertiefung und Kompetenzerweiterung gibt. Die vorliegenden Ergebnisse sollen nun anhand der qualitativen Reflexionsdaten ergänzt werden, um das Ausmaß mehrsprachigkeitsdidaktischer Inhalte im Studium und die Einstellung der Studierenden zu den Anforderungen eines sprachlich diversen Unterrichts besser erkennen zu können. Studierende wurden kurz nach Beendigung der untersuchten Lehrveranstaltung gebeten, eine schriftliche Reflexion zu drei Themenbereichen zu erstellen (n=26). Dabei standen der Anteil mehrsprachiger respektive mehrsprachigkeitsdidaktischer Inhalte im bisherigen Studium, die Rolle eben dieser für die zukünftige Tätigkeit als Lehrperson in einem Diversitätskontext sowie die Einschätzung einer gelungenen diversitätssensiblen Initialausbildung im 3,30% 30% 23,30% 43,30% 0% 0% 20% 46,70% 16,70% 16,70% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ich stimme nicht zu. Ich stimme eher nicht zu. Ich stimme eher zu. Ich stimme zu. Ich weiß nicht. Arbeit in heterogenen Klassen Arbeit in Klassen mit soziokultureller und religiöser Vielfalt Leistungsdifferenzierung in heterogenen Klassen Abbildung 3: Deskriptivstatistische Darstellung der Items zu „Arbeit in heterogenen Klassen" in Prozent (n=30). Hinsichtlich der deskriptivstatistischen Auswertung der Fragebogendaten zeigt sich ein mannigfaltiges Bild des Professionalisierungsstandes der Studierenden, wobei hinsichtlich des Faktors Mehrsprachigkeit mit einem Fokus auf die lebensweltliche Mehrsprachigkeit eruiert werden konnte, dass es in der Initi‐ alausbildung noch Möglichkeiten zur Vertiefung und Kompetenzerweiterung gibt. Die vorliegenden Ergebnisse sollen nun anhand der qualitativen Refle‐ xionsdaten ergänzt werden, um das Ausmaß mehrsprachigkeitsdidaktischer Inhalte im Studium und die Einstellung der Studierenden zu den Anforderungen eines sprachlich diversen Unterrichts besser erkennen zu können. Studierende wurden kurz nach Beendigung der untersuchten Lehrveranstal‐ tung gebeten, eine schriftliche Reflexion zu drei Themenbereichen zu erstellen (n=26). Dabei standen der Anteil mehrsprachiger respektive mehrsprachig‐ keitsdidaktischer Inhalte im bisherigen Studium, die Rolle eben dieser für die zukünftige Tätigkeit als Lehrperson in einem Diversitätskontext sowie die Einschätzung einer gelungenen diversitätssensiblen Initialausbildung im Erkenntnisinteresse. Die qualitativen Daten wurden ebenso wie die bereits erläuterten quantitativen Daten des Fragebogens anonym erhoben und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und der Zuhilfenahme induktiv gewonnener Kategorien analysiert. Mithilfe der Analysesoftware MAXQDA 2018 wurden die paraphrasierten und generalisierten Reflexionen der Studierenden in ihrer re‐ 165 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="166"?> duzierten Form in ein elfteiliges Codesystem samt Sub-Codes gegliedert, wobei im Folgenden besonders auf die Codes „Mehrsprachigkeit und Migration in der bisherigen Ausbildung“, „Erwartungen an Ausbildung“ und „Mehrsprachigkeit in der Schule“ eingegangen werden soll. Hinsichtlich der bisherigen Thematisierung im Studium zeigt sich zwischen den Teilbereichen ein relativ ausgewogenes Bild, wobei die Themen Mehr‐ sprachigkeit und Migration am häufigsten mit dem Bereich der bildungswis‐ senschaftlichen Grundlagen (33 Codings), gefolgt von der Fachdidaktik (22 Codings) und dem Fachstudium (17 Codings) genannt werden. Lediglich zwei der befragten Studierenden (3 Codings) gaben an, sich insbesondere im Eigen‐ studium mit den Themen befasst zu haben, was in Abbildung 4 ersichtlich wird. 47 Erkenntnisinteresse. Die qualitativen Daten wurden ebenso wie die bereits erläuterten quantitativen Daten des Fragebogens anonym erhoben und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und der Zuhilfenahme induktiv gewonnener Kategorien analysiert. Mithilfe der Analysesoftware MAXQDA 2018 wurden die paraphrasierten und generalisierten Reflexionen der Studierenden in ihrer reduzierten Form in ein elfteiliges Codesystem samt Sub-Codes gegliedert, wobei im Folgenden besonders auf die Codes „Mehrsprachigkeit und Migration in der bisherigen Ausbildung“, „Erwartungen an Ausbildung“ und „Mehrsprachigkeit in der Schule“ eingegangen werden soll. Hinsichtlich der bisherigen Thematisierung im Studium zeigt sich zwischen den Teilbereichen ein relativ ausgewogenes Bild, wobei die Themen Mehrsprachigkeit und Migration am häufigsten mit dem Bereich der bildungswissenschaftlichen Grundlagen (33 Codings), gefolgt von der Fachdidaktik (22 Codings) und dem Fachstudium (17 Codings) genannt werden. Lediglich zwei der befragten Studierenden (3 Codings) gaben an, sich insbesondere im Eigenstudium mit den Themen befasst zu haben, was in Abbildung 4 ersichtlich wird. Abbildung 4: Hierarchische Code-Subcode-Darstellung zur Frage nach den bisherigen Inhaltsschwerpunkten des Studiums Anzumerken ist an dieser Stelle, dass eine Nennung allein nicht mit einer tatsächlichen Beschäftigung mit den genannten Themen gleichzusetzen ist, da von den Studierenden häufig eine fehlende Thematisierung genannt wurde. Hinsichtlich der bildungswissenschaftlichen Grundlagen wurde bei den positiven Nennungen besonders auf die Differenzierung und Diversität als Themenbereiche, bei der Fachdidaktik auf die Mehrsprachigkeit als zentrales Konzept sowie beim Fachstudium auf den Themenkomplex der Migration, der aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird, hingewiesen. Deutlich wird, dass eine meist oberflächliche und nur inkohärente Beschäftigung von den Studierenden moniert wird. Die 32 Codings, die keinem Teilbereich, aber dem Studium an sich zuzuordnen sind, lassen zudem erkennen, dass die Initialausbildung in ihrer Gesamtform aus der Sichtweise der Studierenden Abbildung 4: Hierarchische Code-Subcode-Darstellung zur Frage nach den bisherigen Inhaltsschwerpunkten des Studiums Anzumerken ist an dieser Stelle, dass eine Nennung allein nicht mit einer tatsächlichen Beschäftigung mit den genannten Themen gleichzusetzen ist, da von den Studierenden häufig eine fehlende Thematisierung genannt wurde. Hinsichtlich der bildungswissenschaftlichen Grundlagen wurde bei den posi‐ tiven Nennungen besonders auf die Differenzierung und Diversität als The‐ menbereiche, bei der Fachdidaktik auf die Mehrsprachigkeit als zentrales Konzept sowie beim Fachstudium auf den Themenkomplex der Migration, der aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird, hingewiesen. Deutlich wird, dass eine meist oberflächliche und nur inkohärente Beschäftigung von den Studierenden moniert wird. Die 32 Codings, die keinem Teilbereich, aber dem Studium an sich zuzuordnen sind, lassen zudem erkennen, dass die Initi‐ alausbildung in ihrer Gesamtform aus der Sichtweise der Studierenden die Themen anspreche, aber einen rein theoretischen Fokus verfolge, ohne die praktischen Anwendungsbeispiele und Verknüpfungsmöglichkeiten näher zu 166 Benjamin Fliri <?page no="167"?> 12 Das erste Modul in der Fremdsprachendidaktikausbildung besteht aus einer theorieba‐ sierten, sprachenübergreifenden Lehrveranstaltung für alle Fremdsprachenstudierende und einem sprachspezifischen Workshop, in dem die vermittelten Theorien auf die jeweiligen Sprachenfächer übertragen werden (vgl. Universität Innsbruck, 2017, S. 93f.). beleuchten. Positiv hervorgehoben wird die Rolle der Workshops des ersten Fremdsprachendidaktik-Moduls, 12 die per definitionem schon die Anwendung fremdsprachendidaktischer Theorien und Prinzipien mit dem jeweiligen Unter‐ richtsfach als Konzept verfolgen. Die Aussagen der Lehramtsstudierenden zeigen, dass sie sehr konkrete Vorstellungen haben, wenn es um Entwicklungspotentiale des Curriculums hin‐ sichtlich mehrsprachigkeitsdidaktischer und sprachensensibler Ansätze geht. In Abbildung 5 wird ersichtlich, dass es sich hierbei besonders um wahrnehmbare Wünsche nach Lehrveranstaltungen zu den genannten Themen sowie praxis‐ orientierten Umsetzungsmöglichkeiten eben dieser handelt. Dabei reichen die Vorstellungen bei den Lehrveranstaltungen von Wahlfächern, die in dieser Form ohnehin schon im Curriculum verankert sind, bis hin zu Sprachkursen be‐ deutsamer Migrationssprachen Österreichs, wie etwa Türkisch oder Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. Zudem wird der Wunsch nach einer durchgängigen Vermittlung der Inhalte in allen Phasen und allen Teilbereichen des Studiums geäußert. Eine Verknüpfung mit den praktischen Phasen an den Schulen wird von drei Studierenden besonders betont, wobei hier den universitären Lehrver‐ anstaltungen eine theorieverknüpfende und reflexive Rolle zukommen würde. Dies erinnert an das vorgestellte Konzept des Verbunds Mitte (vgl. Universität Salzburg, 2018). 48 die Themen anspreche, aber einen rein theoretischen Fokus verfolge, ohne die praktischen Anwendungsbeispiele und Verknüpfungsmöglichkeiten näher zu beleuchten. Positiv hervorgehoben wird die Rolle der Workshops des ersten Fremdsprachendidaktik-Moduls, 60 die per definitionem schon die Anwendung fremdsprachendidaktischer Theorien und Prinzipien mit dem jeweiligen Unterrichtsfach als Konzept verfolgen. Die Aussagen der Lehramtsstudierenden zeigen, dass sie sehr konkrete Vorstellungen haben, wenn es um Entwicklungspotentiale des Curriculums hinsichtlich mehrsprachigkeitsdidaktischer und sprachensensibler Ansätze geht. In Abbildung 5 wird ersichtlich, dass es sich hierbei besonders um wahrnehmbare Wünsche nach Lehrveranstaltungen zu den genannten Themen sowie praxisorientierten Umsetzungsmöglichkeiten eben dieser handelt. Dabei reichen die Vorstellungen bei den Lehrveranstaltungen von Wahlfächern, die in dieser Form ohnehin schon im Curriculum verankert sind, bis hin zu Sprachkursen bedeutsamer Migrationssprachen Österreichs, wie etwa Türkisch oder Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. Zudem wird der Wunsch nach einer durchgängigen Vermittlung der Inhalte in allen Phasen und allen Teilbereichen des Studiums geäußert. Eine Verknüpfung mit den praktischen Phasen an den Schulen wird von drei Studierenden besonders betont, wobei hier den universitären Lehrveranstaltungen eine theorieverknüpfende und reflexive Rolle zukommen würde. Dies erinnert an das vorgestellte Konzept des Verbunds Mitte (vgl. Universität Salzburg, 2018). Abbildung 5: Hierarchische Code-Subcode-Darstellung zur Frage nach den Erwartungen an eine diversitätssensible Ausbildung 60 Das erste Modul in der Fremdsprachendidaktikausbildung besteht aus einer theoriebasierten, sprachenübergreifenden Lehrveranstaltung für alle Fremdsprachenstudierende und einem sprachspezifischen Workshop, in dem die vermittelten Theorien auf die jeweiligen Sprachenfächer übertragen werden (vgl. Universität Innsbruck, 2017, S. 93f.). Abbildung 5: Hierarchische Code-Subcode-Darstellung zur Frage nach den Erwartungen an eine diversitätssensible Ausbildung 167 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="168"?> Aus der dargestellten Anzahl an Codings (72 zum vorliegenden Code) kann geschlossen werden, dass die Studierenden Verbesserungsvorschläge an ver‐ schiedene Bereiche der Initialausbildung richten und Verknüpfungen zu den bereits bestehenden Ansätzen gefordert werden. Studierende sehen die Mehr‐ sprachigkeit als eines der zentralen Themen der aktuellen Schulentwicklung, eine Studierende sieht die Arbeit an der Diversität der SchülerInnen sogar als Hauptaufgabe des Unterrichtsalltages. Auffällig ist auch der Unterschied zwischen der Perspektive auf die eigene Schulvergangenheit, bei der Mehrspra‐ chigkeit meist negativ konnotiert dargestellt wurde, und den aktuellen Einstel‐ lungen der Studierenden, die Mehrsprachigkeit als Ressource und gewinnbrin‐ gende Voraussetzung für das weitere (Fremd-)Sprachenlernen sehen. Zentrale Erkenntnisse der Forschung lassen sich auch in den Aussagen der Studierenden wiedererkennen, wenn von positiven Auswirkungen auf verschiedene Prozesse des Sprachenlernens oder auch der Anerkennung der mehrsprachigen Realität verwiesen wird. Grundvoraussetzung ist für die Studierenden aber eine adäquate Veranke‐ rung der Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Initialausbildung, die theoriegeleitet und praxisorientiert zeigen soll, wie der Umgang mit sprachlicher Diversität gelingen kann. In dieser Form betrifft das insbesondere Fremdsprachenlehrper‐ sonen, aber, laut Aussagen der Studierenden, auch zukünftige Lehrpersonen anderer Fächer, die im Sinne des sprachensensiblen Ansatzes für die mehrspra‐ chige Schulrealität ausgebildet werden müssen. Die für das Forschungsprojekt etablierte Lehrveranstaltung entspricht diesen Vorstellungen, da hier theoreti‐ sche Ansätze, die bereits aus anderen Modulen des Studiums bekannt sind, zusammengeführt und so praxisrelevant umgesetzt werden können. Durch die beschriebene Verquickung kann die Mehrsprachigkeitsdidaktik auch zum zen‐ tralen Bestandteil des Lehr- und Lernrepertoires der zukünftigen Lehrpersonen werden. Insgesamt 90 Codings verweisen dementsprechend auf die zentrale Rolle der Mehrsprachigkeit in der aktuellen Schulrealität und betonen damit, wie wichtig diese aus Sicht der Studierenden für die Ausbildung ist. 4.2 Diskussion Hinsichtlich der ersten Forschungsfrage lässt sich erkennen, dass verschiedene Themenbereiche der Mehrsprachigkeit(-sdidaktik) in der Initialausbildung the‐ matisiert werden. Die Ergebnisse weisen jedoch auch auf Terharts (2007, S. 51) monierte „Zersplitterung der Ausbildung“ hin, denn in allen drei Teilbereichen des Studiums wird auf das Konstrukt der Mehrsprachigkeit zumindest aus theoretischer Perspektive verwiesen. Eine Verknüpfung dieser theoretischen Ansätze fehlt jedoch und die Ausbildung nimmt in diesem Bereich eine noch 168 Benjamin Fliri <?page no="169"?> nicht ausreichend praxisorientierte Haltung gegenüber der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ein. Damit bleibt auch das in der Forschung häufig geforderte Thematisieren eben dieser im Sinne einer „mehrsprachigen Schulkultur“ (Frank, 2015, S. 30) in der Initialausbildung aus. Auffällig ist auch die durchaus hoch eingeschätzte Kompetenz der Studierenden im Umgang mit der Vielfalt im Klassenzimmer, die sich jedoch bei der qualitativen Analyse in dieser Form nicht zur Gänze bestätigen lässt. Dort verweisen die Aussagen eher auf Lücken und ein fehlendes Konzept der Ausbildung, wenn es um die Themen Mehrsprachigkeit und Migration geht. Studierende wünschen sich demnach eine durchgängige und vertiefende Professionalisierung im Umgang mit der sprachlichen Diver‐ sität der SchülerInnen. Die Antworten der Studierenden bejahen die zweite Forschungsfrage und so wird die Mehrsprachigkeit als zentrales Element des Schulalltags wahrge‐ nommen, wobei besonders durch aktuelle Migrationsbewegungen das Thema deutlich mehr in den Vordergrund und in das Bewusstsein der Studierenden rückt. Die quantitativen Daten zeigen eine gewisse Verunsicherung, wenn es um die Arbeit mit mehrsprachigen SchülerInnen geht, wobei diese aber weniger als Herausforderung (vgl. Krumm, 2014), sondern vielmehr als noch unterschätzte Ressource dargestellt wird. Den Studierenden scheint, so lassen es die qualitativen Reflexionsdaten erkennen, die Bewusstmachung der Mehr‐ sprachigkeit und das Eingehen auf die einzelnen Herkunftssprachen besonders wichtig zu sein, was darauf schließen lässt, dass sich besonders bei in Ausbildung befindlichen Lehrpersonen eine positiv konnotierte Perspektive entwickelt (vgl. Wojnesitz, 2016). Zudem fordern die zukünftigen Lehrpersonen ein vertieftes Lehrveranstaltungsangebot, das sich einerseits mit den verschiedenen, oft nicht sofort ersichtlichen Herkunftssprachen der SchülerInnen und andererseits mit den mehrsprachigkeitsdidaktischen und sprachsensiblen Grundsätzen des Lehrens und Lernens von Sprachen beschäftigt. Dieser Forderung kann nur durch die Kooperation aller am Lehramtsstudium beteiligten Fachbereiche nachgekommen werden, die gemeinsam an einem entsprechenden Konzept arbeiten (vgl. Caspari, 2017). Durch die Einbindung der Erstsprachen ergeben sich aus der Perspektive der Studierenden nicht nur positive Rückwirkungen auf den Lernprozess, sondern auch auf eine adäquate Wahrnehmung der mehrsprachigen Realität, was sich wiederum auf verschiedene andere Faktoren des Lernumfelds positiv auswirkt und grundlegend für das Prinzip der Mehrsprachigkeitsdidaktik spricht (vgl. Pölzlbauer, 2011). Es werden klare Lehrveranstaltungskonzepte gefordert, die es ermöglichen, neben den an Schulen ohnehin etablierten Fremdsprachen auch die lebensweltlichen Sprachen der SchülerInnen so aufzugreifen, dass 169 Mehrsprachigkeitsdidaktische Professionalisierung in der Ausbildung <?page no="170"?> diese wertgeschätzt, genutzt und gefördert werden (vgl. Oomen-Welke & Dirim, 2013). Eine Akzentuierung aus theoretischer und praktischer Perspektive ist neben der Einstellung der Studierenden Grundvoraussetzung für den gewinn‐ bringenden Einsatz der Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die aktuelle Ausbildungs‐ situation scheint die Professionalisierung eines mehrsprachigen Berufsethos in einem gewissen Maß schon zu fördern und bietet damit eine geeignete Basis für curriculare Weiterentwicklungen, die sich an aktuellen Forschungsergebnissen orientieren. 5. Zusammenfassung und Fazit Gegenwärtige Bestrebungen und Diskurse der Forschung hinsichtlich der Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit lassen erkennen, dass es etliche Versuche der Umsetzung in allen Bereichen der LehrerInnenaus- und -fortbildung gibt. Verschiedene Projekte, die auszugsweise im vorliegenden Beitrag ge‐ nannt wurden, versuchen, auf die monierte Divergenz einzugehen. Auch das vorgestellte Forschungsprojekt an der Universität Innsbruck zeigt diese auf und schlägt eine mögliche Etablierung neuer Ausbildungsschwerpunkte hinsichtlich der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit vor. Es zeigt sich, dass das Bewusstsein der Studierenden für die Herausforderungen des sprachlich diversen Klassenzimmers geschärft ist und klare Anforderungen an die Ini‐ tialausbildung gestellt werden. Aufbauend auf diesen und den sich stets verändernden Umständen der Institution Schule kann versucht werden, die Lehramtsausbildung in seiner Komplexität auf die sprachlichen Herausfor‐ derungen zu fokussieren, um so schon in der Initialausbildung zukünftige Lehrpersonen hinsichtlich der sprachlichen Diversität zu professionalisieren. Dies betrifft in einem weiteren Schritt nicht nur zukünftige Fremdsprachen‐ lehrpersonen, sondern im Sinne des sprachsensiblen Ansatzes LehrerInnen aller Unterrichtsfächer. Zudem lassen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, die hier auszugsweise präsentiert wurden, erkennen, dass Mehrsprachigkeit, viel mehr noch als zuvor, in verschiedenen Bereichen des Unterrichts und besonders des Sprachenlernens als hilfreiche Ressource gesehen wird, wenn den Lehrpersonen die entsprechende Professionalisierung zukommt, was als expliziter Auftrag für zukünftige Ausbildungsinitiativen und die Überarbei‐ tung aktueller Curricula mitzudenken ist. 170 Benjamin Fliri <?page no="171"?> Bibliographie Allgäuer-Hackl, Elisabeth & Jessner, Ulrike (2013). Mehrsprachigkeitsunterricht aus mehrsprachiger Sicht. Zur Förderung des metalinguistischen Bewusstseins. In Eva Vetter (Hrsg.) Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen: Vol. 9. Professionalisie‐ rung für sprachliche Vielfalt: Perspektiven für eine neue Lehrerinnenbildung (S. 111-147). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag. Benholz, Claudia; Frank, Magnus & Gürsoy, Erkan (Hrsg., 2015). 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Im zweiten Teil des Beitrags werden anhand verschiedener Beispiele Überlegungen zur Konzeption EuroComGerm-basierter Sprachler‐ nangebote in der Schule angestellt. 1. Einleitung Immer wieder werden von Seiten der Europäischen Union die Mitgliedsstaaten ersucht, „Maßnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit und zur Steigerung der Qualität und Effizienz des Sprachenlernens und des Sprachunterrichts zu ergreifen und zu verbessern“, u. a. durch die Erforschung des „Potenzial[s] innovativer Konzepte für die Entwicklung von Sprachenkompetenz“ (Rat der Europäischen Union, 2014, vgl. auch Europäische Kommission, 2018). Fort‐ schritte in diesem Bereich sind wünschenswert angesichts des Ergebnisses des Eurobarometers zum Thema „Sprachen“ 2012, dass Mehrsprachigkeit für die Mehrheit der BürgerInnen keine Selbstverständlichkeit darstellt (Europäische Kommission, 2012, S. 6); dasselbe gilt für das aktive Fremdsprachenlernen: „Nahezu ein Viertel (23 %) der EU-Bürger hat noch nie eine Sprache gelernt, während knapp über zwei Fünftel (44 %) in letzter Zeit keine Sprache gelernt haben und dies auch nicht beabsichtigen“ (ebd., 8). Der in der Europäischen Union angestrebte Aufbau und Ausbau individueller Mehrsprachigkeit lässt sich nur durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Ansätze zur Vermittlung von Sprachkompetenzen sowie von Sprachlernkom‐ <?page no="180"?> 1 Wenn meine Ausführungen sich auf die Methodik unabhängig von der jeweiligen Sprachfamilie beziehen, werden ich im Folgenden von EuroCom sprechen; geht es um die Anwendung des Konzepts speziell auf die germanischen Sprachen, wird von EuroComGerm die Rede sein. petenz und Sprachenbewusstsein realisieren, von denen ich in diesem Aufsatz einen sehr vielversprechenden vorstellen möchte. 2. Das EuroComGerm-Konzept 2.1 Was ist EuroComGerm? Das EuroCom-Konzept sieht sich dem Ziel der individuellen Mehrsprachigkeit verpflichtet und erkennt dabei an, dass es für die allermeisten Menschen weder möglich noch erforderlich ist, in einer Vielzahl von Sprachen das Niveau von MuttersprachlerInnen anzustreben. Für viele Zwecke ist die Lesekompetenz in einer Fremdsprache völlig ausreichend; diese kann bedarfsgeleitet durch weitere Kompetenzen ergänzt werden. Die EuroCom-Methode strebt Interkomprehension innerhalb von Sprach‐ familien an und wurde für die romanischen Sprachen (EuroComRom), die germanischen Sprachen (EuroComGerm) und die slawischen Sprachen (Euro‐ ComSlav) entwickelt. 1 Ziel ist es, aus einem authentischen fremdsprachigen Text zunächst einmal möglichst viele Elemente als durch sprachliches Vorwissen erschließbar „herauszusieben“, sodass möglichst selten und nur ganz gezielt ein Wörterbuch herangezogen wird (vgl. Klein & Stegmann, 2000). Das Grund‐ lagenwerk für die germanischen Sprachen nennt in seiner zweiten Auflage die folgenden Punkte (sprich: Siebe) für eine erfolgreiche Erschließungsarbeit: Kog‐ naten (Internationalismen und Germanismen), Lautentsprechungen, Graphien und Aussprachen, Wortbildung, Funktionswörter, Morphosyntax und Syntax (Hufeisen & Marx, 2014, S. 11-17). Durch Beispiele aus dem schwedischen Kinderbuch Poliskonstapel Vanilj (Gustafsson & Gustafsson, 2009) lässt sich die Vorgehensweise illustrieren: 1. Kognaten, Internationalismen und Germanismen Schon im Titel befindet sich das internationale Wort „polis“; als Germa‐ nismus lässt sich „ryggen“ als „der Rücken“ erschließen, wobei vermutlich zunächst nicht erkannt wird, dass es sich bei der Endung „-en“ um den bestimmten Artikel im Schwedischen handelt. 180 Birgit Kordt <?page no="181"?> 2. Lautentsprechungen Viele der Wörter gemeinsamen germanischen Ursprungs sind - insbe‐ sondere aufgrund der Zweiten Lautverschiebung - vom Hochdeutschen ausgehend nicht unmittelbar als solche zu erkennen. Sie werden transpa‐ rent, wenn man die typischen Lautverschiebungen berücksichtigt: „vakt“ → „Wacht“ (k → ch) 3. Graphien und Aussprachen Mitunter hilft die Aussprache beim Erkennen von verwandten Wörtern, z.B. „så“ → „so“ 4. Wortbildung Manchmal ist es zielführend, Wörter zu zerlegen, um zu einem befriedi‐ genden Erschließungsergebnis zu kommen, z.B. „trehjuling“ → tre - hjul - ing Über das Zahlwort und das englische Wort „wheel“ - sowie mit Unter‐ stützung der Bebilderung - kann man so zum Wort „Dreirad“ kommen. 5. Funktionswörter Einige besonders wichtige und meistens kurze Wörter kommen so häufig vor und sind für das Textverständnis so zentral, dass sie als eigenes Sieb angeführt werden (Hufeisen & Marx, 2014, S. 14). Sie sind oft nicht gut zu erschließen und können in einer kurzen Liste zusammengefasst werden, z. B. „inte“ („nicht“). 6. Morphosyntax Hier geht es darum, z. B. Pluralmorpheme zu erkennen oder die Tempus‐ bildung zu durchschauen. Im vorliegenden Beispiel kommt zunächst mehrfach das Wort „cykel“ („Fahrrad“) vor; danach steht auf einem Schild, das Fahrräder zum Verkauf anbietet, das Wort „cyklar“. Es lässt sich die Hypothese aufstellen, dass die Endung „-ar“ ein Pluralmorphem im Schwedischen ist. 7. Syntax Die Ähnlichkeit zwischen dem schwedischen und deutschen Satzbau ist oft sehr hilfreich. So kann man z. B. erkennen, dass das Wort „vacker“ im folgenden Satz vermutlich ein Adjektiv ist und deshalb für ein Grund‐ verständnis des Inhalts nicht notwendigerweise übersetzt werden muss: „Vinäger cyklar förbi på en vacker, blå cykel.“ → Vinäger fährt vorbei auf einem ? blauen Fahrrad. Für die germanischen Sprachen wird es auf diese Weise möglich, dass Lernende mit Hilfe des Deutschen und Englischen sehr bald nicht-lehrintentionale nie‐ derländische, dänische, schwedische, norwegische und bei etwas größerem Aufwand auch isländische Texte in ihren Grundzügen verstehen können (Huf‐ 181 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="182"?> 2 Vgl. dazu jedoch Fliri, Fliri et al. und Melo-Pfeifer im vorliegenden Band. eisen & Marx, 2014, S. 8). Selbstverständlich sind das gesamte Weltwissen und insbesondere das Textsortenwissen bei der Erschließung eine große Hilfe. So kommen Oleschko & Olfert (2014, S. 31) zu dem Ergebnis: Sprachvergleichender Unterricht im Allgemeinen bzw. die Beschäftigung mit germa‐ nischer Interkomprehension im Speziellen bietet sich im deutschsprachigen Raum für den Fremdsprachen- oder den Deutschunterricht geradezu an, denn alle Schülerinnen und Schüler sprechen / lernen Deutsch und die meisten beginnen in der Primarstufe mit Anfangsenglischunterricht. Damit kennen sie bereits zwei germanische Sprachen. Diese Basis aus Deutsch- und Englischkenntnissen ermöglicht es, zumindest rezeptive Fertigkeiten in anderen germanischen Sprachen zu erwerben und sprachvergleichend zu arbeiten. 2.2 Mögliche Vorbehalte gegenüber EuroCom in der Schule und die ihnen zugrunde liegenden Fehlschlüsse Vor einem Überblick zu möglichen Umsetzungen des EuroComGerm-Konzepts in der Schule möchte ich auf eine Reihe von Vorbehalten eingehen, die mir in der schulischen Praxis begegnet sind und die sich zum Teil mit den von Klein (2004) und Schöpp (2013) genannten Gründen für Widerstände gegenüber der roma‐ nischen Interkomprehension decken. Klein (2004) nennt die Problematik der Fokussierung auf die Einzelphilologien in der Romanistik unter „Ausblendung der diachronen Komponente“ (S. 17), die „maximalistischen Forderungen“ im Sprachunterricht (ebd.), die Geringschätzung von Teilkompetenzen (ebd., S. 18- 21), Ängste von Lehrkräften vor Überforderung (ebd., S. 21), „das Argument der ‚faux amis‘“ (ebd., S. 22) sowie die Sorge, Mehrsprachigkeit bringe Kompetenz‐ mängel mit sich (ebd., S. 23). Schöpp (2013, S. 168) erwähnt als Gründe für den sehr geringen Anteil interkomprehensiven Lehrens und Lernens im Unterricht nach einer Befragung zukünftiger FremdsprachenlehrerInnen den Zeitdruck im Fremdsprachenunterricht, die mangelnde Vorbereitung der Lehrpersonen auf sprachenübergreifendes Arbeiten während ihrer Ausbildung, 2 die zeitliche Belastung der Lehrenden bei der Vorbereitung und damit verbunden den Mangel an entsprechenden Arbeitsmaterialien. Meiner Erfahrung nach führen auf der Seite der Lernenden und ihrer Eltern vor allem die folgenden fünf Fehlschlüsse zu einer kritischen Haltung gegenüber interkomprehensiven Ansätzen im Allgemeinen und EuroCom im Besonderen als einem auf Mehrsprachigkeit zielenden Ansatz. 182 Birgit Kordt <?page no="183"?> 3 Zur Entstehung solcher Fehlschlüsse vgl. z. B. Fischer (2015). Der metaphorische Fehlschluss Zunächst einmal droht angesichts der Vorstellung vom Gehirn als Gefäß (s. z. B. Aufbewahrungsdosen in Form eines Gehirns) ein metaphorischer Fehlschluss, 3 der etwa die folgende Form haben kann: In einem Gefäß kann man eine begrenzte Anzahl an Dingen aufbewahren. In unserem Gehirn bewahren wir Informationen auf. Die Anzahl der Informationen, die wir in unserem Gehirn aufbewahren können, ist begrenzt. Geht man davon aus, dass unser Gehirn nur über einen sehr begrenzten Speicherplatz verfügt, ist der Gedanke einer Priorisierung von Informationen naheliegend, d. h. der Gedanke, dass nicht zu viel Platz für Sprachen „ver‐ braucht“ werden sollte und vor allem nicht für „unwichtige“ Sprachen. Es wäre hilfreich, wenn an die Stelle der Vorstellung vom Gehirn als einem Gefäß mit begrenztem Fassungsvermögen der Gedanke eines Netzwerks träte, das durch neue Informationen ständig verändert, erweitert und verstärkt werden kann. Der perfektionistische Fehlschluss Ein weiteres Problem ist die Vorstellung, dass das Ziel eines Fremdsprachen‐ erwerbs immer quasi-muttersprachliche Fähigkeiten in allen Kompetenzberei‐ chen sein müssen. Hier handelt es sich um einen klassischen perfektionistischen Fehlschluss, den Moore und Parker in ihrem Buch Critical Thinking (2012, S. 506) als die Vorstellung erklären, dass „a policy or proposal should be rejected simply because it does not accomplish its goal perfectly”. Vivian Cook stellt schon lange das Ideal, quasi-muttersprachliche Kompe‐ tenzen in der Fremdsprache zu erlangen, in Frage, so z. B. mit der pointierten Frage, was die Lernenden eigentlich werden wollen: „imitation native speakers or successful L2 users“ (2013, S. 49). Er selbst beantwortet die Frage so: „The overall goal of language teaching is then to create skillful L2 users with all their extra attributes, not shadows of native speakers“ (ebd., S. 51). Auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001, S. 17) ist kritisch gegenüber einem Sprachunterricht, in dem „der ‘ideale Muttersprach‐ ler’ als höchstes Vorbild betrachtet wird”. 183 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="184"?> Der „Zurück-auf-Los“-Fehlschluss Weit verbreitet ist die wenig motivierende Vorstellung, dass man beim Erwerb jeder weiteren Sprache wieder ganz von vorne anfängt, eine Annahme, die sich im Sprachunterricht oft genug zu bestätigen scheint. Hier liegt offenbar folgender Fehlschluss vor: Wenn ich mich mit etwas noch nicht beschäftigt habe, bin ich ein/ e NullanfängerIn. Ich habe mich noch nicht mit Sprache X beschäftigt. Also bin ich in Sprache X ein/ e NullanfängerIn. Dieses Denkmuster findet sich nicht ausschließlich auf Seiten der Lernenden. So kritisiert Roche (2013, S. 2) die traditionelle Mehrsprachigkeitsforschung und Sprachdidaktik „mit ihren linearen Konzepten vom Sprachenerwerb (Erst‐ sprache, Zweitsprache, sukzessiver Spracherwerb und andere) und ihren am‐ nesischen Konzepten von Sprachunterricht (jede neue Fremdsprache beginnt bei den gleichen infantilistischen Strukturen, als hätten die Lerner keinerlei Welt- und Sprachwissen)“. Stattdessen gilt es zu berücksichtigen, dass der Sprachlernprozess beim Erlernen einer zweiten oder weiteren Fremdsprache sich deutlich vom Sprachlernprozess beim Erwerb der ersten Fremdsprache un‐ terscheidet (Hufeisen & Jessner, 2009, S. 111). Diesem Anspruch wird EuroCom mit seinem systematischen Rückgriff auf die bereits vorhandene Sprach- und Sprachlernkompetenz der Lernenden gerecht. Der „Englisch-genügt“-Fehlschluss Ein weiterer Fehlschluss sieht wie folgt aus: In der internationalen Kommunikation spielt Englisch eine größere Rolle als irgend‐ eine andere Sprache. Ich lerne Englisch. Ich brauche die anderen Sprachen nicht. Die VertreterInnen dieser Position müssen sich allerdings die Nachfrage gefallen lassen, ob ihre Ansprüche an die Interaktion mit Menschen anderer Sprachen und Kulturen nicht extrem niedrig angesetzt sind. Der Zertifikatsfehlschluss Der Wunsch nach möglichst offiziell anerkannter Nützlichkeit von Sprachkom‐ petenzen führt zu dem folgenden Fehlschluss: Zertifikate sind nützlich. Für Kompetenz X gibt es kein Zertifikat. 184 Birgit Kordt <?page no="185"?> 4 Vgl. aber den Beitrag von Behr im vorliegenden Band. Kompetenz X ist nicht nützlich. Plurilinguale Handlungskompetenz lässt sich schlecht standardisieren und abprüfen 4 . Dies kann dazu führen, dass Angebote zum Aufbau und Ausbau von Mehrsprachigkeit, an deren Ende kein - möglichst international anerkanntes - Zertifikat steht, kaum Chancen in der Bildungslandschaft haben. Krumm (2015, S. 39) sieht außerdem die Gefahr, dass die Bedeutung der Inhalte gegenüber Zertifikaten und Niveaustufen zurücktritt: „Es zählt nur, was messbar ist und (einfach) gemessen werden kann“. SchülerInnen sollten die Möglichkeit bekommen, durch ein während der gesamten Schulzeit und darüber hinaus geführtes Portfolio der Sprachen die Entwicklung ihres individuellen Sprachenprofils zu dokumentieren. In ein solches Portfolio können z. B. auch exemplarisch nach dem EuroCom-Konzept vorgenommene Erschließungsprozesse Eingang finden. 3. EuroCom - Königsweg zur Mehrsprachigkeit, Adapter oder Sprachen-Parkour? Ich möchte im Folgenden die Stärken des EuroCom-Konzepts anhand dreier Metaphern deutlich machen, aber auch darauf hinweisen, dass manchmal mit dem Ansatz unrealistische Erwartungen verbunden werden. Dabei werde ich im folgenden Abschnitt von EuroCom im Allgemeinen sprechen, da die hier vorgestellten Gedanken nicht nur für EuroComGerm, sondern auch für die anderen Zweige der EuroCom-Familie zutreffen. 3.1 EuroCom als Königsweg zur Mehrsprachigkeit? Im übertragenen Sinne gilt der Königsweg als eine „zu schnellem Erfolg führende Strategie“ bzw. die „beste Methode, um ein Ziel rasch und leicht zu erreichen“ (Königsweg, 2012). Die antiken Königswege im wörtlichen Sinne waren Straßen, die schnelle Kommunikation zwischen weit auseinander liegenden, kulturell oft sehr ver‐ schiedenen Gegenden ermöglichten (Graf, 2012, S. 5968). Sie wurden zum Sinnbild für Effizienz und hatten eine lange Tradition (ebd.). Diese kurze Charakterisierung zeigt Analogien zum EuroCom-Konzept, das versucht, den Lernenden zu ermöglichen, auf effiziente Weise Sprachen zu erlernen und der Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Länder zu dienen und so interkulturelle Kompetenz aufzubauen. So wie die antiken Königswege die Reise in die Ferne ermöglichten, eröffnet das EuroCom-Konzept die Chance, 185 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="186"?> sprachlich neue Horizonte zu entdecken. Die dem EuroCom-Konzept zugrunde liegende Strategie der Interkomprehension ist ferner wie die Königswege - man denke nur an die Kommunikation zwischen Niederdeutschen und Skandina‐ viern zur Zeit der Hanse (Braunmüller, 2004, S. 10) - traditionsreich, auch wenn es sich hierbei nicht um eine systematisch angewandte Methode zum Erwerb weiterer sprachlicher Kompetenzen handelte, sondern um eine spontane Form der Verständigung. Auch ist, so Braunmüller (2004, S. 5), davon auszugehen, „dass wir es während der Hansezeit mit eindeutig nicht standardisierten Kon‐ taktsprachen zu tun haben“. Ist EuroCom nun der Königsweg zur Mehrsprachigkeit im Sinne einer „zu schnellem Erfolg führende[n] Strategie“ (s. o.)? EuroCom führt tatsächlich in kurzer Zeit und mit relativ wenig Aufwand zu beeindruckenden Ergebnissen beim Leseverstehen (Kordt, 2015a, S. 100-101), erfordert aber durchaus auch Übung. Dabei bleiben Frustrationen nicht vollständig aus. Durch eine positive Fehlerkultur lassen sich diese allerdings minimieren. Im Kontext von EuroCom ist das, was Oser und Spychiger (2005, S. 167) als „Fehlerermutigungsdidaktik“ bezeichnen, von besonders großer Bedeutung: Fehler sind in kreativen Pro‐ zessen oft notwendig und wertvoll und führen - allerdings erst bei angemes‐ sener Analyse - „zu einer Wissensstruktur, die auf der metakognitiven Ebene Schutzfunktion erhält“ (ebd., S. 28). Reflexionsphasen, die sich sowohl an gelun‐ gene wie auch an weniger erfolgreiche Erschließungsversuche anschließen, sind von größter Bedeutung, damit durch EuroCom tragfähige Zuwächse sowohl in der Sprachenkompetenz als auch in der Sprachlernkompetenz resultieren. 3.2 EuroCom als Adapter? Ein Adapter ist eine „Vorrichtung, um elektrische Geräte miteinander zu ver‐ binden u[nd] einander anzupassen“ (Wissenschaftlicher Rat der Dudenredak‐ tion, 2000, S. 40). Im übertragenen Sinne stellt EuroCom in vergleichbarer Weise eine Verbindung zwischen bereits vorhandenen sprachlichen Kompetenzen und vermeintlich unzugänglichem sprachlichen Material her. Besonders augenfällig ist diese Adapter-Funktion im Fall der Lautentsprechungen. Darüber hinaus macht die Adapter-Metapher eine weitere Stärke von Eu‐ roCom deutlich. So wie ein Reise-Universaladapter große Flexibilität bei der Kombination eigentlich inkompatibler Steckersysteme ermöglicht, macht Eu‐ roCom sehr unterschiedliches sprachliches (und außersprachliches) Vorwissen für die Entwicklung neuer Kompetenzen in einer Vielzahl von Sprachen an‐ wendbar. Kenntnis vieler Fremdwörter im Deutschen kann bei der Texterschlie‐ ßung beispielsweise ebenso hilfreich sein wie Einsicht in Wortbildungsmuster oder syntaktische Phänomene - ganz zu schweigen von Kompetenzen in 186 Birgit Kordt <?page no="187"?> Sprachen neben dem Deutschen. Die Strategien sind ferner nie nur auf eine Zielsprache anwendbar, sondern auf eine ganze Familie größerer und kleinerer Sprachen und Dialekte. So erlaubt EuroCom eine beträchtliche Individualisie‐ rung der Lernwege. Durch den systematischen Rückgriff auf bereits Bekanntes wird eine steile Progression bei der Aneignung von Kompetenzen in einer weiteren Sprache bzw. in weiteren Sprachen möglich. Im Bereich des Leseverstehens werden sehr schnell große Erfolge erzielt. Dies wirkt sich positiv auf die Motivation der Lernenden aus. EuroCom kann mit seiner zeitökonomischen Nutzung von vorhandenem Wissen für die Eröffnung ganz neuer sprachlicher Horizonte im Sinne der folgenden Beobachtung von Ryan und Deci (2000, S. 70) förderliche Bedingungen für den Aufbau und Ausbau von Mehrsprachigkeit schaffen: Perhaps no single phenomenon reflects the positive potential of human nature as much as intrinsic motivation, the inherent tendency to seek out novelty and challenges, to extend and exercise one’s capacities, to explore, and to learn. […] Yet, despite the fact that humans are liberally endowed with intrinsic motivational tendencies, the evidence is now clear that the maintenance and enhancement of this inherent propensity requires supportive conditions, as it can be fairly readily disrupted by various nonsupportive conditions. 3.3 EuroCom als Sprachen-Parkour? Eine weitere Metapher kann bei der Auseinandersetzung mit den Besonder‐ heiten des EuroCom-Konzepts hilfreich sein. In einem Nachschlagewerk zum Thema „Parkour“ heißt es: Parkour wird als Bewegungsdisziplin oder auch als Bewegungskunst beschrieben, bei welcher der Teilnehmer, Traceur (= der, der eine Linie zieht) genannt, andere Wege einschlägt, als die, die ihm auf architektonische oder kulturelle Art und Weise vorgegeben sind. Der Traceur wählt sich seinen eigenen Weg durch den natürlichen oder urbanen Raum und läuft entlang eines sich selbst vorgegebenen Weges. Dabei überwindet er jegliche Hindernisse, die sich ihm auf diesem selbstge‐ wählten Weg entgegenstellen. Die Hindernisse werden so schnell und so effizient wie möglich überwunden, wobei die Kontrolle der Bewegungsausführungen und der Bewegungsfluss der Bewegungskombinationen im Vordergrund stehen. Parkour wird als Kunst der effizienten Fortbewegung verstanden. (Witfeld, Gerling & Pach, 2010, S. 26; Hervorhebung im Original) So wie die Parkour-Begeisterten ihre Umwelt ohne Hilfsmittel außer dem eigenen Körper für ihren Sport nutzen, nutzt EuroCom unter Anwendung der 187 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="188"?> individuellen Vorkenntnisse die europäische Sprachenvielfalt für den Ausbau von Mehrsprachigkeit und für die systematische Erweiterung von Sprachen- und Sprachlernbewusstheit. Klassischerweise beim Sprachenlernen eingesetzte Hilfsmittel kommen in EuroCom-Projekten gar nicht zum Einsatz oder spielen kaum eine Rolle. Es gibt keine durch ein Lehrbuch gesteuerte lineare Progression und auch das Wörterbuch wird selten verwendet. Jede Umgebung kann das Interesse von Parkour-Begeisterten wecken, und ebenso sollte EuroCom zu Interesse an vielen unterschiedlichen Sprachen führen - auch und gerade in Alltagssituationen. Wenn Parkour die „Kunst der effizienten Fortbewegung“ ist, dann kann man EuroCom als die Kunst der effizienten Sprachaneignung beschreiben. So wie Parkour die körperliche Fitness insgesamt fördert, trägt auch EuroCom zu einer Erweiterung der allgemeinen Sprachenbewusstheit und Sprachlernbewusstheit bei, ganz abgesehen davon, mit welcher Sprachfamilie man sich beschäftigt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Schmidt-Sinns, Scholl und Pach (2014, S. 35) über die „Qualifizierung zur Handlungsfähigkeit“ [Hervorhebung im Original] als Leitidee des Schulsports in vielen Bundeslän‐ dern zu sagen haben: „In diesem ‚pragmatischen‘ Konzept, das die Ausrichtung auf normierte Sportarten aufbricht und sich gegenüber der Lebenswelt öffnet, sollen die Schüler zum selbstbestimmten Sporttreiben qualifiziert werden, sodass sie Bewegung, Spiel und Sport vernünftig und sinnvoll in ihr Leben einbinden können“. Auch dieses Zitat legt den Vergleich mit einem mehr‐ sprachigkeitsorientierten Sprachunterricht nach dem EuroCom-Ansatz nahe: Die Fächergrenzen zwischen den einzelnen Sprachen werden aufgebrochen - ebenso wie idealerweise die Barriere gegenüber Sprachbegegnungen im Alltag; dies soll einer erweiterten sprachlichen Handlungsfähigkeit dienen. In einem weiteren Punkt gibt es eine deutliche Parallele zwischen Parkour und EuroCom. So heißt es in dem bereits zitierten Basisbuch für Schulen und Vereine zur Sportart Parkour, diese sei „als Gruppenaktivität - in gegenseitiger Unterstützung und ohne die Normen der Wettkampforientierung“ für den Breiten- und Schulsport geeignet (ebd.). Auch das Erschließen von Texten nach dem EuroCom-Konzept bietet sich als Partner- oder Gruppenaktivität an, da Kooperation den Fundus vorhandenen Wissens, auf das bei der Erschließung zurückgegriffen werden kann, erheblich vergrößert. Die Notwendigkeit, eigene Erschließungswege offenzulegen und die Zugangsweisen der anderen nachzu‐ vollziehen, kann zu vertiefter Sprachreflexion und Erweiterung des eigenen Repertoires an Erschließungsstrategien führen. Auch fällt die für den Erfolg von EuroCom so zentrale Plausibilitätskontrolle bezüglich der Erschließungsergeb‐ nisse durch die Diskussion mit anderen in der Regel erheblich strenger aus, so‐ 188 Birgit Kordt <?page no="189"?> dass tragfähigere Erschließungsergebnisse entstehen. An dieser Stelle kann die Parkour-Metapher auf einen weiteren Aspekt hinweisen. So wie beim Parkour Verletzungen nicht auszuschließen sind, kann es auch bei EuroCom zu falschen Erschließungen kommen, doch sind durch entsprechende Strategien die Risiken sowohl beim Parkour als auch bei EuroCom reduzierbar. Die Lernenden sollen die Bereitschaft entwickeln, Wagnisse bei der Auseinandersetzung mit zunächst völlig fremd wirkendem sprachlichen Material einzugehen - so wie Parkour unter der „Wagnisperspektive“ (Neumann, 2017) im Sportunterricht interessant ist. Neumann (2017, S. 1) definiert für den Sportunterricht das Wagnis folgen‐ dermaßen: Unter einem Wagnis wird eine unsichere Bewegungssituation verstanden, in der eine Schülerin oder ein Schüler - freiwillig und basierend auf dem eigenen Bewegungskönnen - entscheidet und handelt. Parallel dazu bietet EuroCom den Lernenden sprachliche Situationen, in denen sie je nach eigenen sprachlichen und strategischen Vorerfahrungen im ge‐ schützten Raum bei der Erschließungsarbeit das Betreten neuen sprachlichen Terrains wagen können. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass alle drei genannten Meta‐ phern wichtige Aspekte des EuroCom-Konzepts beleuchten: Das Bild vom Königsweg macht besonders auf die Möglichkeit aufmerksam, in kurzer Zeit einen Zugang zu einer größeren Gruppe von Sprachen zu bekommen und so interkulturelle Kompetenz auszubauen und weist auf die menschliche Neigung, sich in die Ferne zu begeben (im wörtlichen wie im metaphorischen Sinne) hin. Die Vorstellung vom Adapter betont den zeitökonomischen Aspekt des Konzepts; dieser ergibt sich durch den Rückgriff auf bereits vorhandenes Wissen sowie die Individualisierung der Lern‐ wege und bringt ein großes Motivationspotential u. a. durch eine steile Progression mit sich. Der Vergleich mit der Sportart Parkour richtet den Fokus auf die Förderung von Sprachen- und Sprachlernbewusstheit und damit von Lernerautonomie sowie auf die Förderung eines allgemeinen Sprachinteresses; die Bedeutung von Kooperationsfähigkeit sowie von Wagnisbereitschaft wird ebenfalls deutlich. 189 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="190"?> 5 Für eine der wenigen Umsetzungen vgl. den Bericht über eine im fortgeschrittenen Deutschunterricht in Finnland durchgeführte Unterrichtseinheit zur germanischen Interkomprehension in Anlehnung an EuroComGerm in Richter-Vapaatalo (2017). 4. Überlegungen zur Konzeption EuroComGerm-basierter Sprachlernangebote in der Schule Bisher richten sich EuroComGerm-Angebote fast ausschließlich an erwach‐ sene Lernende (Oleschko & Olfert, 2014, S. 34). 5 Selbst im Grundschulalter ist jedoch die Anbahnung interkomprehensiver Verfahren schon möglich und sinnvoll (vgl. Schnuch, 2017a; 2017b) und im Bereich der Sekundarstufen ist das EuroComGerm-Konzept bei entsprechender Anpassung an die Zielgruppe problemlos einzusetzen und eröffnet so den Weg zu einer breit angelegten indi‐ viduellen Mehrsprachigkeit. Mit Deutsch und Englisch stehen den allermeisten SchülerInnen hierzulande zwei äußerst hilfreiche und starke Patensprachen (vgl. Kordt, 2015a) zur Verfügung, um die weiteren germanischen Sprachen zu erschließen. 4.1 Anpassung an die Zielgruppe Die Umsetzung der EuroComGerm-Methode in der Schule wird durch eine didaktische Reduktion und Transformation, d. h. durch die Übertragung der sieben Siebe in eine Detektivausrüstung erleichtert; Fachtermini werden dabei durch Begriffe ersetzt, die den SchülerInnen bekannt sind (vgl. Kordt, 2015b). In Kurzform stellt sich diese Übertragung wie folgt dar: Kognaten (Internationalismen und Germanismen)→ Fingerabdrücke und DNA-Analyse Lautentsprechungen → Computerdatenbank mit Informationen über Banden Graphien und Aussprachen → Abhörmikrofon Wortbildung → Taschenmesser Funktionswörter → Lupe Morphosyntax → Mikroskop Syntax → GPS-Ortung Die hinter den einzelnen Bestandteilen der „Detektivausrüstung“ stehenden Strategien lassen sich mit den SchülerInnen induktiv erarbeiten. Besonders eignen sich dazu niederländische Texte, da sie für deutsche Lernende tendenziell am leichtesten zu erschließen sind. Dies lässt sich anhand eines Textes mit Tipps für angehende Models aus der niederländischen Zeitschrift Hitkrant (14/ 10/ 2010, S. 17) verdeutlichen: 190 Birgit Kordt <?page no="191"?> 1. Heb discipline 2. Kom op tijd 3. Zorg voor een goed humeur 4. Heb geduld 5. Verzorg jezelf van top tot teen 6. Luister naar kritiek 7. Nooit zeuren of commentaar leveren 8. Slaap genoeg 9. Niet roken & drink geen alcohol 10. Wees mobiel en flexibel Die SchülerInnen werden aufgefordert, die Ratschläge ins Deutsche zu über‐ tragen und zu erklären, wodurch ihnen dies möglich ist. Genannt werden dann typischerweise die folgenden Punkte: Ähnlichkeit zum Deutschen bzw. Englischen in der Schreibweise und / oder Aussprache (vgl. Siebe 1, 2 und 3), Ähnlichkeit der niederländischen und deutschen Wortformen (Imperativ, Plural bei „teen“; vgl. Sieb 6), leichtes Erkennen der Wortarten (vgl. Sieb 7), Wissen darüber, was bei Models eher erwünscht oder unerwünscht ist. Bei näherer Betrachtung können zentrale Lautentsprechungen zwischen den anderen ger‐ manischen Sprachen und dem Hochdeutschen erarbeitet werden (p → f, t → Zischlaut, d → t, k → ch). Aus dem Kontext lassen sich sogar viele schwierige Profilwörter den deutschen Entsprechungen zuordnen: von, oder, nicht, für, auf, nie, bis (zu), und. Die auf diese Weise erarbeiteten grundlegenden Strategien werden bei der Erschließung weiterer Texte erweitert und verfeinert. Die Detektivmetaphorik ist dabei auch insofern hilfreich, als die sprachlichen Erschließungen immer auf möglichst vielen Indizien beruhen sollten und der Blick für wesentliche Infor‐ mationen von zentraler Bedeutung ist, d. h. die Lernenden sollten realisieren, dass nicht jeder Textbestandteil Wort für Wort übersetzt werden muss, um zentrale Informationen zu erfassen. EuroComGerm lässt sich in dieser Form an unterschiedlichen Stellen in das Schulleben integrieren, so z. B. bei Verwendung sehr gut zugänglicher Texte in Vertretungsstunden und kleinen Modulen im regulären Sprachunterricht, aber vor allem in Projektwochen und in den in NRW in der Jahrgangsstufe 11 angebotenen Projektkursen. In einem sich über mehrere Tage oder Wochen bzw. Monate erstreckenden EuroComGerm-Kurs sollte eine große Zahl von Texten in unterschiedlicher In‐ tensität bearbeitet werden, um späteren Transfer wahrscheinlicher zu machen. Haskell (2001, S. 26-27) erklärt: 191 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="192"?> The research on teaching for transfer clearly shows that for transfer to occur, the original learning must be repeatedly reinforced with multiple examples or similar concepts in multiple contexts, and I would add, on different levels and orders of magnitude. Teaching that promotes transfer, then, involves returning again and again to an idea or procedure but on different levels and in different contexts, with apparently ‘different’ examples. Die Auseinandersetzung mit einer größeren Zahl von Texten ist auch deshalb wichtig, weil die Lernenden so die Möglichkeit bekommen, anhand ihrer Beobachtungen an dem ihnen vorliegenden Material Hypothesen bezüglich unterschiedlicher grammatischer Strukturen aufzustellen und dann an weiteren Texten zu überprüfen. Bei der Auswahl der Texte sowie der mit ihnen verbundenen Aufgabenstel‐ lungen gilt es eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, bezüglich derer an dieser Stelle nur einige allgemeine Hinweise gegeben werden können, bevor konkrete Beispiele vorgestellt werden. 4.2 Textauswahl EuroComGerm arbeitet mit nicht-lehrintentionalen Texten. Zyzik und Polio (2017, S. 7-8) nennen unterschiedliche Argumente für den Einsatz authentischer Materialien, insbesondere die ihnen zugeschriebene motivierende Wirkung, den Reichtum an sprachlichem Material, das sie bieten, und die Tatsache, dass diese Texte demonstrieren, wie Sprache pragmatisch angemessen verwendet werden kann. Ferner bieten sie sich für eine Textarbeit an, die den Blick sowohl auf die sprachlichen Formen als auch auf den Inhalt richtet. Es ist sinnvoll, von ihrem Charakter her unterschiedliche Texte zu wählen (von spielerisch bis sachlich-informativ), zum einen, um möglichst viele Schüle‐ rInnen bei ihren aktuellen Interessen und Bedürfnissen abzuholen, zum anderen aber auch, um ihnen Ideen zu vermitteln für die zukünftige selbstständige Auseinandersetzung mit fremdsprachigen Texten. Nach Widdowson (1978, S. 80) besitzt ein Text nicht schon aufgrund der Tatsache, dass er nicht für den Sprachunterricht geschrieben bzw. bearbeitet wurde, Authentizität, sondern er muss durch die lernende Person dadurch authentifiziert werden, dass sie ihm mit Interesse gegenübertritt. Der Text wird idealerweise - auch abgesehen von seinem Beitrag zum Spracherwerb - von den Lernenden als bedeutsam erlebt. Es ist selbstverständlich nicht davon auszugehen, dass bei jedem Text alle Lernenden eine solche Authentifizierung vornehmen. Besonders deutlich wird dies, wenn ein Text von einem Teil der Lernenden als lustig authentifiziert wird, von einem anderen Teil der Lerngruppe hingegen als albern erlebt wird. Oft reagieren die Lernenden sehr positiv auf Lieder, die nach anfänglichem 192 Birgit Kordt <?page no="193"?> 6 Je nach Wohngegend bietet sich ein Einstieg über das Plattdeutsche/ Niederdeutsche in die Erschließung germanischer Sprachen an, da manche Kinder zumindest rezeptive Kenntnisse besitzen. Die für die Erschließungsarbeit so zentralen Lautentsprechungen lassen sich beispielsweise sehr gut anhand solcher Texte erarbeiten (s. z. B. das Lied "Gröön, gröön, gröön sind alle miene Kleder" in Beckermann, Coburger, zur Horst, Kropp & Meiertöns, 2013, S. 17). Hören und Lesen mitgesungen werden können. Dabei ist ein niederschwelliger Einstieg mit plattdeutschen Liedern sinnvoll. 6 Eine Herausforderung bei der Materialauswahl besteht darin, einerseits Texte zu finden, die Einblicke in das sprachlich bereiste Land geben, anderer‐ seits aber einer Stereotypisierung nicht Vorschub leisten und keine zu große Herausforderung bei der Erschließung darstellen. Selbstverständlich ist schon aufgrund seiner Schwierigkeit nicht jeder Text für den interkomprehensiven Anfangsunterricht geeignet. Dabei ist zu beachten, dass die Textschwierigkeit im EuroCom-basierten Unterricht nicht mit geläufigen Verfahren (vgl. für eine Darstellung dieser Verfahren z. B. Nübold, 2006) zur Ermittlung von Textschwie‐ rigkeit zu bestimmen ist. Gerade lange und ungewöhnliche Wörter, die in diesen Tests zu einer Einstufung der Textschwierigkeit als hoch führen, sind häufig für die SchülerInnen transparent, da es sich um Internationalismen handelt. Für die Textschwierigkeit entscheidend ist also das Verhältnis von Textelementen, die durch Transfer aus schon bekannten Sprachen erschließbar sind, zu solchen, bei denen dies nicht der Fall ist (Meißner, 2004, S. 59). Selbstverständlich ist die Zahl der durch bisherige Sprachkenntnisse erschließbaren Wörter nicht für alle SchülerInnen gleich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es auch eine große Rolle spielt, wie zentral die jeweiligen Wörter für die Bedeutungserschließung sind. Ein Text mit relativ wenigen transparenten Wörtern an für das Verständnis entscheidenden Stellen kann u. U. besser erschließbar sein als ein Text, der zwar viele leicht erschließbare Elemente enthält, bei dem aber die entscheidenden Wörter nicht erschlossen werden können. Von größter Bedeutung für den Erschließungserfolg ist ferner die Textlänge. Walter (2007, S. 19) weist darauf hin, dass Lernenden, die in ihrer L1 durchaus über Strategien verfügen, um die Struktur eines komplexeren Textes zu erfassen, dieses selbst bei ihrem Sprachstand angepassten Texten in der L2 oft nicht gelingt. Sie vermutet, dass das Problem darauf zurückzuführen ist, dass das Arbeitsgedächtnis mit der Verarbeitung einzelner Sätze so beschäftigt ist, dass keine Ressourcen mehr zur Verfügung stehen, um größere Zusammenhänge zu erarbeiten. Diese Überlegungen machen deutlich, dass zumindest am Anfang der Arbeit nach dem EuroCom-Konzept keine langen Texte ausgewählt werden sollten. Guariento und Morley (2001, S. 348) betonen, dass - vor allem bei An‐ 193 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="194"?> fängerInnen - nicht-lehrintentionale Texte auch demotivierend wirken können, da sie die Lernenden überfordern. Sie weisen ferner darauf hin, dass Texte nicht vereinfacht werden müssen, sondern die Aufgaben so gestaltet werden sollten, dass die Lernenden erfolgreich mit den Texten umgehen können (ebd., 349). 4.3 Aufgabenstellungen Die Aufgaben haben u. a. die Funktion, die Lernenden bei der Texterschließung zu unterstützen und so zumindest partielle Erschließungserfolge für alle Schü‐ lerInnen möglich zu machen. Dies ist aus motivationspsychologischer Sicht von größter Bedeutung, wie Dörnyei (2006, S. 89) betont: „It is a commonplace but very true that ‘Success breeds success’. This suggests that a particularly impor‐ tant motivational strategy is creating multiple opportunities for the students to demonstrate positive features and to excel”. Dies bedeutet nicht, dass die Bearbeitung der Aufgaben für die Lernenden ohne jede Anstrengung möglich sein soll. Gewisse Schwierigkeiten im Erwerbsprozess können eine positive Wirkung auf nachhaltiges Lernen haben. Insofern ist es sinnvoll, Aufgaben unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades zur Verfügung zu stellen. Aufgaben haben ferner die Funktion eines Scheinwerfers, der die Aufmerk‐ samkeit der Lernenden auf besonders Wichtiges richtet; diese Steuerung ist von großer Bedeutung, denn „Aufmerksamkeit ist eine Ressource, die in jedem, auch im ungesteuerten Lernen zur Verfügung steht, und zumindest für adoleszente und erwachsene Lernende sind die Momente der Aufmerksamkeit wesentliche Faktoren des Lernens“ (Portmann-Tselikas, 2003, S. 18). Die Aufgaben sollten so gestaltet sein, dass ein mechanisches Abarbeiten nicht möglich ist: Students will not necessarily learn anything important from merely carrying out the processes of an activity (i.e., spending ‘time on task’). The key to the effectiveness of good activities is their cognitive engagement potential - the degree to which they get students actively thinking about and applying key ideas, preferably with conscious awareness of their learning goals and control of their learning strategies. The most valuable activities are not merely hands-on, but minds-on. (Brophy, 2004, S. 35; Hervorhebung im Original) Die Auswertung der Arbeitsergebnisse in der Gesamtgruppe ist von großer Bedeutung, da diese ermöglicht, dass die Lernenden einander ihre Erschlie‐ ßungswege vorstellen, begründen, auf Nachfragen hin verteidigen oder auch revidieren. Die Moderation einer solchen Auswertung kann auch von einer/ m SchülerIn übernommen werden; dies schließt Impulse der Lehrkraft nicht aus. Besonders wichtig ist die Ermutigung der Lernenden, auf alle ihnen zur Verfü‐ gung stehenden sprachlichen Ressourcen - seien sie systematisch erlernt oder 194 Birgit Kordt <?page no="195"?> im Alltag erworben - zurückzugreifen. Dies führt zum Aufbau mehrsprachiger Kompetenz, die sich - so Ingeborg Christ (2006, S. 266) - entwickelt „durch das ‚Gespräch‘, in das man die Sprachen miteinander beim lernenden Individuum bringt“. Dabei sollte den Lernenden immer wieder deutlich gemacht werden, dass es nicht Unterrichtsziel ist, in jeder Sprache, mit der man sich beschäftigt, in allen Kompetenzbereichen ein hohes Niveau zu erreichen; die Lehrperson sollte auch an sich selbst nicht diesen Anspruch stellen. 4.4 Illustration der Charakteristika des EuroComGerm-Ansatzes anhand von Beispielen aus der unterrichtlichen Arbeit Selbstverständlich spielen bei jedem der bearbeiteten Texte viele der Merkmale des EuroComGerm-Konzepts eine Rolle; dennoch möchte ich verschiedene Charakteristika des Ansatzes am Beispiel unterschiedlicher Texte schwerpunkt‐ mäßig darstellen. Zugang zu einer größeren Gruppe von Sprachen in kurzer Zeit Von den oben genannten fünf germanischen Sprachen ist - vom Deutschen ausgehend - die Erschließung des Isländischen die größte Herausforderung. Doch auch diese kann gemeistert werden, wenn das Aufgabenformat die Ler‐ nenden einerseits entlastet, andererseits aber zu genauer Arbeit am Text zwingt. Die Übersetzung eines isländischen Gedichtes wäre sicherlich ohne langes Üben illusorisch; doch ist es durchaus machbar, den einzelnen Zeilen eines isländischen Gedichtes die entsprechenden Zeilen der deutschen Übersetzung zuzuordnen, auch wenn diese in völlig falscher Reihenfolge vorliegen. Die Website www.lyrikline.org/ de/ startseite/ ist eine sehr hilfreiche Fundgrube geeigneter Gedichte mit Übersetzung. Auch muss sich die interkomprehensive Beschäftigung mit anderen germa‐ nischen Sprachen nicht auf Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch und Isländisch beschränken. Besonders die Beschäftigung mit Afrikaans und Jiddisch (in Umschrift) hat sich als sehr interessant erwiesen. Am Beispiel des Luxemburgischen lässt sich beispielsweise die unscharfe Trennlinie zwischen Sprache und Dialekt thematisieren. Ausbau interkultureller Kompetenz Selbst mit Grundschulkindern ist es schon möglich, interkomprehensiv zu arbeiten, wie das folgende Beispiel illustriert. Das in Schweden so wichtige Mittsommerfest kann im EuroComGerm-Unterricht auf sehr verschiedenen Niveaustufen behandelt werden. Selbst bei sehr jungen SchülerInnen ist es möglich, sich mit dem Thema zu beschäftigen und auf die Verwandtschaft 195 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="196"?> der Sprachen sowie wichtige Strategien bei der Entschlüsselung von Wörtern hinzuweisen. Ein solches Arbeitsblatt lässt sich leicht dadurch erstellen, dass man eine der im Internet zu findenden Malvorlagen zum Thema „Midsommar“ bearbeitet, indem man an verschiedenen Stellen des Bildes Zahlen einfügt, die für bestimmte Farben stehen. Diese Farben werden selbstverständlich in schwedischer Sprache angegeben, etwa so: 1 gul 4 rosa 7 brun 2 grön 5 blå 8 grå 3 röd 6 svart 9 vit An diesen wenigen Wörtern lassen sich als Einstieg in die Erschließung leichter schwedischer Texte die folgenden Beobachtungen machen, zu denen die Lehr‐ kraft bedarfsgeleitet weitere Informationen geben kann: - offensichtliche Verwandtschaft mit deutschen und englischen Wörtern - Nähe zum Plattdeutschen - Wichtigkeit der Berücksichtigung des Konsonantenskeletts - typische Lautentsprechungen - Besonderheiten des schwedischen Alphabets (im Deutschen unbekannter Buchstabe, Reihenfolge der Buchstaben) An die Beschäftigung mit einzelnen Wörtern kann sich die Arbeit mit einzelnen Sätzen anschließen, so z. B. der Vergleich von Sprichwörtern in den verschie‐ denen germanischen (und weiteren, vielleicht von den Lernenden zu Hause gesprochenen) Sprachen (für ein große Anzahl von Beispielen vgl. Paczolay, 2002). Die menschliche Neigung, in die Ferne aufzubrechen In einem etwas längeren EuroComGerm-Kurs sollten die Lernenden die Er‐ kenntnis gewinnen, dass gerade scheinbar schwierige Texte oft gut zu er‐ schließen sind. Wie Reissner (2004, S. 137) betont, sind fachsprachliche Texte oft besonders für das interkomprehensive Lesen geeignet: Die Terminologie etwa in den Naturwissenschaften ist hochgradig international, Lehrbücher, Abhandlungen zu bestimmten Themenbereichen, Forschungsberichte etc. folgen i. d. R. leicht nachvollziehbaren formalen Kriterien. Der neutrale fach‐ sprachliche Stil zeichnet sich u. a. durch kurze Sätze, Parataxen und im Vergleich zur Allgemeinsprache stark eingeschränkten Gebrauch der Tempora aus. Kennzeichnend 196 Birgit Kordt <?page no="197"?> für Fachsprachen ist weiterhin das formale Kriterium der Monosemierung, was die hohe Anzahl von Fachtermini erklärt. Fachsprachliche Texte sind allerdings nicht notwendigerweise solche Texte, die die SchülerInnen von ihrem Inhalt her ansprechen. Hier bietet es sich an, auf Texte zurückzugreifen, die den Interessen vieler Lernender am Reisen und der Erforschung unbekannter Welten entgegenkommen. Der hier vorgestellte Text zur Erkundung des Universums (vgl. Arbeitsblatt 1 im Anhang) stammt aus einem Roman, enthält aber zahlreiche internationale bildungssprachliche Begriffe, die die Erschließung erleichtern, zumal auch die Zahl der durch das Deutsche bzw. Englische transparenten Wörter recht hoch ist. Da der Text die Erforschung des Universums zum Inhalt hat, passt er thematisch gut zu Eu‐ roCom, das zur sprachlichen Exploration ermutigen will. Texte aus dem Bereich Geographie sind ebenfalls oft sehr gut wegen der hohen Dichte internationaler Wörter erschließbar und ermöglichen Einblicke in fremde Länder. Rückgriff auf bereits vorhandenes Wissen Rezepte geben den Lernenden die Möglichkeit, auf bereits vorhandenes Welt‐ wissen zurückzugreifen. Sowohl bezüglich der Zutaten als auch in Bezug auf die Hinweise zur Zubereitung sind klare Erwartungen vorhanden. Außerdem handelt es sich i. d. R. um sehr kurze Texte, die gut zu überschauen sind. Obwohl es nicht sinnvoll ist, auf Dauer die sieben Siebe bzw. die Bestandteile der Detektivausrüstung systematisch - und vielleicht sogar in einer bestimten Reihenfolge - abzuarbeiten, kann man anhand eines Rezepts sehr schön bei‐ spielhaft verdeutlichen, wie sich das bereits vorhandene sprachliche Wissen nutzen lässt. Nimmt man beispielsweise das Rezept für schwedischen Zuckerkuchen unter www.recepten.se/ recept/ sockerkaka.html (14.07.2020) können die Lernenden zunächst aufgrund von Sprachverwandtschaft und Internationalismen eine große Anzahl Wörter erschließen, wobei auch auf das Phänomen der Bedeu‐ tungsverschiebung (z. B. timme / time) hingewiesen werden sollte. Fallen die Verwandtschaften zwischen den Wörtern nicht direkt ins Auge, kann die Nutzung von Lautentsprechungen helfen, die im gewählten Beispiel besonders augenfällig zu illustrieren sind am Wort tid (t→z, (i→ei,) d→t). Bei den Wörtern vatten und vete zeigt sich, dass das Lautbild die Nähe zum Deutschen erheblich deutlicher macht (gleicher Anlaut wie bei ‚Wasser‘ und ‚Weizen‘) als das Schriftbild. Ein zunächst völlig intransparent erscheinendes Wort wie elvisp (Mixer) lässt sich durch Segmentierung ({el} + {visp}) und den Kontext eventuell erschließen, besonders mit Hilfe des Hinweises, dass es sich bei {el} um eine Abkürzung für ein auch im Deutschen bekanntes Wort (Elektrizität) 197 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="198"?> handelt. Ein häufig vokommendes Funktionswort ist das kleine Wort som (hier: Relativpronomen), dessen Bedeutung in den einleitenden Sätzen zum Rezept erschlossen werden könnte. Bei dem unter Rückgriff auf das englische Wort bit in seinem Grundmorphem gut erschließbaren Wort bitar lässt sich das Pluralmorphem {ar} erkennen. Der Satzbau schließlich hilft, z. B. das Wort vanlig als Adjektiv zu identifizieren. Dies kann entweder zu der durchaus sinnvollen Entscheidung führen, es unübersetzt zu lassen, oder auch dabei helfen, die Verbindung zum deutschen Wort ‘gewöhnlich‘ herzustellen; falls dies geschieht, könnte in den folgenden Texten die Hypothese verfolgt werden, dass die deutsche Vorsilbe {ge-} im Schwedischen oft fehlt. Besonders spannend ist es für die Lehrkraft, dass die SchülerInnen häufig durch die ihnen zur Verfügung stehenden Familiensprachen über Vorwissen verfügen, das ihr selbst nicht zur Verfügung steht, und so völlig andere Erschlie‐ ßungswege gehen. Wenn sie diese dann im Plenum darlegen, kommt es oft zu sehr interessanten Sprachbeobachtungen und -vergleichen, die weit über den Rahmen der germanischen Sprachen hinausgehen. Individualisierung der Lernwege Immer wieder zeigt sich bei der Erschließungsarbeit, dass die Lernenden mit Hilfe von sehr unterschiedlichem Vorwissen zu tragfähigen Erschließungser‐ gebnissen kommen. Dies ist typischerweise z. B. bei der Aufgabe der Fall, anhand einer dänischen Kurzbiographie von Niels Bohr einen Kurzvortrag auf Deutsch über den Physiker zu erarbeiten. Die Aufgabenstellung ermöglicht es den Lernenden, eventuell nicht verstandene Informationen nicht in den Vortrag aufzunehmen. Außerdem lässt sie sehr unterschiedliche Erschließungswege und damit Lernwege zu. Manche SchülerInnen wählen bei dieser Aufgabe einen Top-down-Zugang, d. h. aufgrund ihres Weltwissens gelingt ihnen zunächst ein recht schnelles Globalverständnis des Textes, woraufhin sie dann an zentralen Stellen sprachlich detailliert arbeiten können. Andere Lernende wählen den umgekehrten Zugang, indem sie nah am Text arbeiten und dann allmählich zu einem Gesamtbild gelangen, das es ihnen ermöglicht, ihre Erschließungsergeb‐ nisse einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Großes Motivationspotential u. a. durch steile Progression Die Lernenden sind bei der Anwendung der EuroComGerm-Methode immer wieder überrascht, wie schnell sie relativ große Textmengen, die nicht für den Unterricht bearbeitet wurden, so weit verstehen können, dass zentrale Informationen entnommen werden können. Eine motivierende Art, dieses interkomprehensive Scanning zu üben, ist es, den SchülerInnen auf Deutsch 198 Birgit Kordt <?page no="199"?> die Zusammenfassung einer Spielanleitung zu geben, in der aber zentrale Infor‐ mationen fehlen, die der Original-Spielanleitung entnommen werden müssen, so z. B., wer anfangen darf zu würfeln, wer das Spiel gewinnt, was bestimmte Symbole bedeuten etc. Das niederländische Spiel "Shaun het Schaap" (Kosmos, 2000) ist beispiels‐ weise sehr für dieses Aufgabenformat geeignet, da die Regeln nicht zu kom‐ plex sind und auf der Spielanleitung die zugehörigen Materialien abgebildet und genannt sind, was das Verständnis zentraler Wörter (z. B. dobbelsteen, dt. ‘Würfel‘) sichert. Ein weiterer Vorteil ist, dass den SchülerInnen in Aussicht gestellt werden kann, dass sie nach der erfolgreichen Arbeit am Text das Spiel ausprobieren können, da die Spielzeit nicht sehr lang ist. Förderung von Sprachen- und Sprachlernbewusstheit und damit von Lernerautonomie Der intensiven Auseinandersetzung mit einem Text kann die Transformation zentraler Informationen in ein Bild dienen. Hierzu kann den Lernenden bei‐ spielsweise der Text des Anfangs eines Bilderbuches vorgelegt werden mit der Aufforderung, diesen zu illustrieren. Diese Aufgabenstellung wird unterschied‐ lichen Niveaus bei den SchülerInnen gerecht, da eine Illustration selbstverständ‐ lich nicht auf alle Details des Textes eingehen muss. Der Text sollte so gewählt sein, dass alle Lernenden einen Teil der Informationen verstehen können. Dies ist beispielsweise beim Anfang des schwedischen Buches Walt Disney‘s Mary Poppins (1979) der Fall. Der sehr kurze Text hat aber noch weitere Vorteile. So bietet es sich an, den Lernenden die Bedeutung der Plausibilitätskontrolle bei ihren Erschließungen (wieder) vor Augen zu führen. Der lilla hund erscheint auf manchen Illustrationen in Lila, während andere Lernende diese Farbgebung für eher unwahrscheinlich halten und über das englische little zur richtigen Bedeutung gelangen. Außerdem bietet sich die induktive Erarbeitung des enklitischen Artikels im Schwedischen anhand dieses winzigen Textbeispiels an, da zumindest der Satz Solen lyser och himlen är blå von allen SchülerInnen nach Einführung in das EuroComGerm-Konzept und etwas Übung als ‚Die Sonne scheint und der Himmel ist blau‘ zu erschließen ist. Dann ist es nur noch ein kurzer Weg zu erkennen, dass der bestimmte Artikel im Schwedischen an das betreffende Substantiv angehängt wird. Diese Erkenntnis kann bei den im Anschluss zu bearbeitenden Texten zu weiteren Beobachtungen führen (andere Artikel? Pluralform? etc.). Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Lernenden auf die selbstständige Arbeit an sprachlichem Material vorzubereiten. 199 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="200"?> Förderung eines allgemeinen Sprachinteresses Zur Förderung des allgemeinen Sprachinteresses ist es wichtig, den Schüle‐ rInnen an Beispielen deutlich zu machen, dass es ihnen durchaus möglich ist, kurze Texte, die ihnen auf Reisen in Form von Prospekten, Werbeanzeigen etc. begegnen, zumindest teilweise zu entschlüsseln und so spannende sprachliche Beobachtungen zu machen. Ein Beispiel ist der Text „Leas Reise“ (Eilenberg & Krogh-Nielsen, ca. 2010), der aus einer Broschüre stammt, die UrlauberInnen in Dänemark in die Hände fallen könnte; er berichtet von einem Mädchen, dessen Vater die Idee hatte, mit einem nachgebauten Wikingerboot den Atlantik zu überqueren. EuroComGerm soll den Lernenden Mut machen, solche Texte nicht als unverständlich beiseite zu legen, sondern als Quelle für die Erweiterung der eigenen mehrsprachigen Kompetenz zu nutzen. Durch die Arbeit am Text sollen die SchülerInnen ermutigt werden, sich bei solchen Fundstücken die Entschlüsselung zumindest von Teilen des Textes zuzutrauen. Um den SchülerInnen bei der Erschließung eine Hilfestellung zu geben, ist es denkbar, dass ihnen eine fehlerhafte Übersetzung des Textes vorgelegt wird mit der Aufforderung, die Fehler zu finden. Diese Zugangsweise zwingt die Lernenden einerseits zur genauen Auseinandersetzung mit dem Text, vermeidet andererseits aber Frustrationen. Selbstverständlich lässt sich dieses Aufgaben‐ format bei einer Vielzahl von Texten anwenden. Bedeutung von Kooperationsfähigkeit Bei der Arbeit nach dem EuroComGerm-Konzept hat sich Partnerbzw. Grup‐ penarbeit sehr bewährt, da alle Lernenden unterschiedliche sprachliche und außersprachliche Vorerfahrungen mitbringen, die sich ergänzen können und im Gespräch mit anderen sich oft neue Lösungswege auftun bzw. Erschließungs‐ ergebnisse noch einmal kritisch überprüft werden. Selbst wenn man in der Regel die Wahl der Sozialform den SchülerInnen überlässt, kann es sinnvoll sein, zumindest bei einem Text alle Lernenden zur Partnerarbeit in der Form aufzufordern, dass zunächst jeder und jede für sich versucht, einen Text (z. B. Informationen zu einem schwedischen Ferienhäuschen auf www.stugsommar. se) zu erschließen, und dann mit der Partnerin / dem Partner das Arbeitsblatt austauscht mit dem Ziel, dass diese / dieser dann die bisherigen Erschließungs‐ vorschläge kommentiert bzw. ergänzt. Nach dem Zurücktauschen kann dann - sofern die Kommentare sinnvoll erscheinen - die eigene ursprüngliche Erschließung überarbeitet werden. 200 Birgit Kordt <?page no="201"?> Wagnisbereitschaft Haben die Lernenden sich mit Hilfe des EuroComGerm-Konzepts bisher scheinbar unbekannten Sprachen genähert, möchten sich viele auch dem Wagnis stellen, Fähigkeiten in weiteren Kompetenzbereichen aufzubauen. Auch wenn das Eu‐ roComGerm-Konzept zunächst vor allem auf den Aufbau von Lesekompetenz ausgerichtet ist, ist die Entwicklung von Hörverstehen schon insofern immer mitgedacht, als alle gelesenen Texte auch gehört werden sollten. Dies ist u. a. auch deshalb sinnvoll, weil die Aussprache und Prosodie oft wertvolle Hinweise für die Erschließung geben (vgl. z. B. Taguchi, Gorsuch, Lems & Rosszell, 2016, S. 103). Darüber hinaus kann es für die Lernenden motivierend sein, punktuell das Hörverstehen - oder besser noch das Hör- / Sehverstehen - in den Mittelpunkt zu stellen. Letzteres muss keineswegs die Lernenden überfordern, wenn das Ge‐ sehene das Verstehen des Gehörten unterstützt. Die schwedischen Kinderfilme über das kleine Gespenst Laban sind beispielsweise eine motivierende Möglich‐ keit, Hör- / Sehverstehen zu üben. Die Handlung ist für alle SchülerInnen verständlich und elementare Aufgaben zum verwendeten Vokabular sind gut zu lösen (vgl. Arbeitsblatt 2 im Anhang). 5. Fazit Alle drei Metaphern sagen - richtig verstanden - etwas Wichtiges über das EuroComGerm-Konzept aus. Allen gemeinsam ist es, dass sie die Bedeutung von Neugier deutlich machen: Neugier, um sich auf dem Königsweg in fremde Länder aufzumachen, Neugier, um sich mit Hilfe eines Adapters zeitökono‐ misch neues Wissen anzueignen, Neugier, um wie beim Parkour individuelle Nutzungsmöglichkeiten von Elementen der eigenen Lebenswelt zu entdecken. Dies sind gute Voraussetzungen für das, was Jost Reischmann (1995, S. 204) „lebensbreites Lernen“ nennt, d. h. Lernen sowohl innerhalb als auch außerhalb von Bildungsinstitutionen, also die Nutzung von geplanten, aber auch von ungeplanten Lerngelegenheiten im Alltag, ein Vorgehen, das er als „Lernen en passant“ beschreibt: „Lernen en passant kann man nicht bewußt ‚machen‘. Man kann aber bewußtmachen, daß hier eine mächtige Ressource liegt, die bei der lebensbreiten Bildung nicht übersehen werden darf “. EuroCom kann in einem breit gefächerten sprachlichen Bildungsangebot eine wichtige Rolle spielen und für eine große Zahl von Lernenden attraktiv sein. Nach Siebert (2005, S. 91) verfügt das menschliche Nervensystem über drei Detektoren, „einen Wiederkennungsdetektor, einen Neuigkeitsdetektor und einen Relevanzdetektor“. Ein Bildungsangebot sei umso ansprechender, je positiver 201 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="202"?> die Reaktion dieser drei Detektoren sei (ebd., S. 91). In EuroCom-basierten Sprachlernmodulen sollten bei sehr vielen Lernenden alle drei Detektoren reagieren, da der Rückgriff auf schon Bekanntes in der Auseinandersetzung mit dem Neuen für den Ansatz konstitutiv ist und die Aneignung fremdsprachlicher Kompetenzen von den meisten EU-BürgerInnen als „sehr nützlich“ angesehen wird (Europäische Kommission, 2012, S. 8). Bibliographie Beckermann, Birte; Coburger, Elfriede; Zur Horst, Inge; Kropp, Rita & Meiertöns, Elke (2013). Platt Vandaag: Vermaak an Spraak. Dat erste Book: För de Lütten. Oldenburg: Isensee Verlag. Braunmüller, Kurt (2004). Niederdeutsch und Hochdeutsch im Kontakt mit den skandi‐ navischen Sprachen: eine Übersicht. In Horst Haider Munske (Hrsg.) Deutsch im Kontakt mit germanischen Sprachen (S. 1-30). Tübingen: Niemeyer. Brophy, Jere (2004). Motivating students to learn (2. Auflage). New York: Lawrence Erlbaum. Christ, Ingeborg (2006). Lassen Bildungsstandards Raum für Mehrsprachigkeit? 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Das Hubble-Teleskop Vi vet mye mer om universet i dag enn vi gjorde i 1990, og ikke minst på grunn av Hubble-teleskopet. Det har tatt tusenvis av bilder av galakser og stjernetåker mange millioner lysår fra Melkeveien. Det har dessuten tatt noen helt utrolige bilder av universets fortid. Det høres kanskje litt mystisk ut at det går an å ta bilder av universets fortid, men å se ut i universet er det samme som å se tilbake i tiden. Lyset beveger seg nemlig med en hastighet på 300000 kilometer i sekundet, og likevel kan lyset fra fjerne galakser bruke milliarder av år på å nå oss, for universet er vanvittig stort. Aus: Gaarder, Jostein: Appelsinpiken. Oslo, 2009², S. 23. 205 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="206"?> Gerade wissenschaftliche Texte oder solche mit wissenschaftlich geprägtem Vokabular sind oft verhältnismäßig leicht in Fremdsprachen zu lesen, da hier sehr viel internationaler Wortschatz zu finden ist (d. h. häufig Wörter, die aus dem Lateinischen und/ oder Griechischen abgeleitet sind). Die Schreibweise mag zwar manchmal auf den ersten Blick verwirren, aber es wird dir sicher leicht fallen, die norwegischen Entsprechungen zu den folgenden deutschen Wörtern zu finden: mystisch ★ das Teleskop ★ die Sekunde ★ Milliarden ★ Galaxien ★ Kilometer ★ das Universum ★ Millionen ★ Aber auch die Verwandtschaft des Norwegischen mit dem Deutschen (Denke dabei auch an die Lautentsprechungen! ) und Englischen ist hilfreich. Was entspricht den folgenden deutschen Wörtern? Milchstraße ★ Schnelligkeit ★ ferne ★ Bilder ★ dasselbe ★ bewegt ★ wahnsinnig ★ nämlich ★ braucht ★ Vergangenheit ★ auf Grund von ★ Tausende ★ wissen ★ Schreibe jetzt deine Übertragung ins Deutsche über die einzelnen Zeilen des umseitig abgedruckten Textes. Denke daran, dass man nicht jedes Wort übersetzen muss, um den Sinn des Textes grob zu erfassen. 206 Birgit Kordt <?page no="207"?> Lilla Spöket Laban: Världens snällaste spöke Wir werden uns zwei Folgen der beliebten schwedischen Kinderserie Lilla Spöket Laban (© 2008 Filmlance International AB) ansehen. Dabei kannst du einige nützliche Wörter lernen. Kokosbollar Im Film kommen die unten abgedruckten Wörter vor; sie stehen hier mit dem unbestimmten Artikel. Versuche, die Bedeutung der Wörter durch die Nut‐ zung der Detektivausrüstung und/ oder durch den Kontext zu erschließen. Male passende Bilder zu den Wörtern. ett spöke ett slott ett kök ett skafferi ett bord en kokosboll Skuggan Welches der folgenden Tiere wird im Film NICHT erwähnt - und was bedeuten die Tiernamen eigentlich? anka apa varg lejon kanin drake hund elefant 207 Das EuroComGerm-Konzept für das sprachenübergreifende Lernen in der Schule <?page no="209"?> Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten: It’s getting logical Christiane Neveling Abstract In diesem Beitrag wird erörtert, nach welchen Kriterien Aktivitäten zum sprachenübergreifenden Lernen analysiert bzw. konzipiert werden können, damit sie den Desiderata der mehrsprachigkeitsdidaktischen Forschung im Rahmen der Unterrichtsprinzipien des neo-kommunikativen Ansatzes ent‐ sprechen. Die Lernenden sollen im Sprachenvergleichen und Transferieren trainiert werden und funktionale und methodisch vielfältige Übungschancen erhalten. Für eine Systematisierung werden vier Leitlinien genutzt: kognitive Prozesse bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten, Ziele der Übungen und Aufgaben, Gütekriterien bzw. Konstruktionsprinzipien von Übungen und Aufgaben sowie methodische Formate. Anhand des englischen Popklas‐ sikers The Logical Song werden mehrsprachigkeitsdidaktische Übungs- und Aufgabenformen exemplarisch dargestellt. 1. Einleitung „Worüber ich mich im Prinzip wundere, [… ist], dass immer wieder, selbst bei der dritten Fremdsprache […] immer wieder die Strategien kommen, immer wieder neu. Ich meine, das haben wir schon in der ersten und zweiten Fremdsprache und ich bin schon der Meinung, dass wir darauf aufbauen können. […] Aber in manchen Lehrbüchern scheint es mir, als ob das eben rein muss, damit sie die Strategien abgehakt haben.“ (Interview Nr. 8, Zeile155-173) Dies antwortet eine Spanischlehrerin im Interview auf die Frage, wie sie das vorhandene Unterrichtsmaterial zum sprachenübergreifenden Lernen in <?page no="210"?> 1 Die Daten stammen aus der Interview-Studie aus Sachsen von Grit Mehlhorn und der Verfasserin, in der Einstellungen und Praktiken zum sprachenübergreifenden Lernen der 3. Fremdsprache Spanisch untersucht wurden. Zu Zielen, Design usw. vgl. u. a. Neveling (2017). Lehrwerken einschätzt. 1 Sie verdeutlicht am Beispiel der Strategien, dass die ak‐ tuellen (einzelsprachlichen) Lehrwerke bei Weitem nicht genügend aufeinander abgestimmt sind. Die Befragung zeigte ferner, dass sich Lehrkräfte mehr und systematisch aufgebautes Übungsmaterial wünschen, um ihren SchülerInnen zur effektiven Nutzung ihrer Erfahrungen und Kenntnisse aus vor- und parallel gelernten Sprachen verhelfen zu können. Die grundsätzliche Fähigkeit hierzu schrieben die befragten Lehrkräfte allen Lernenden zu, wobei didaktische Lenkung - unterschiedlich intensiv und umfangreich - die Leistungen aller stei‐ gern könne. Obwohl Mehrsprachigkeit bereits im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (Europarat, 2001, S. 14ff) erklärtes Ziel schulischer Bildung war, mangelt es weiterhin an zwischensprachlichen Hilfen. Übungen (exercises, exercices, ejercicios) unterstützen die Speicherung von eingeführten Inhalten und verfolgen das Ziel, diese langfristig in das Gedächt‐ nisnetz einzuflechten. Je nach Komplexitätsgrad des Gelernten einerseits und nach individueller kognitiver Leistungsfähigkeit andererseits müssen die Ler‐ nenden mehr oder weniger viel bzw. lange üben. Laut Klippel (2017, S. 357) ist der didaktische Ort der Übung nach der Einführung sprachlicher Mittel und Fertigkeiten und vor deren Anwendung. Nach erfolgreichem Üben könnten die Lernenden das Gelernte weniger fehlerhaft, schneller und mit geringerem Energieaufwand anwenden. Typisch für Übungen sei das bewusste Ausführen, bei dem die Aufmerksamkeit auf die Arbeitsaufträge und die sprachliche Form gerichtet sei. Während Übungen eher geschlossen und auf den möglichst korrekten Spracherwerb und -gebrauch ausgerichtet sind, zielen im task based learning-Ansatz ‘Aufgaben‘ (tasks, tâches, tareas) primär auf die Mitteilung und damit auf den inhaltlich und pragmatisch korrekten Gebrauch von Sprache ab. Sie sind umfangreicher und komplexer als Übungen, bieten authentizitäts‐ nahe Kommunikationssituationen und offene Lösungswege an und fördern somit auch die Selbstständigkeit, das Mitdenken und Problemlöseverhalten der Lernenden (Caspari, 2006, S. 35; 2009, S. 78). Dank ihrer Sprachbezogenheit können Übungen in Aufgaben integriert sein oder sie vorbereiten. Hier zeigt sich bereits, dass beide Konstrukte definitorisch nicht dichotomisch sind, sondern vielmehr in Form eines Kontinuums fließend ineinander übergehen: Zwischen „Übungen“, die alle genannten Merkmale vollständig vereinen (non-communi‐ cative learning), und „Aufgaben“, die alle genannten Merkmale vollständig vereinen (authentic communication), sieht Littlewood (2004, S. 322) Zwischen‐ 210 Christiane Neveling <?page no="211"?> formen wie pre-communicative language practice, communicative language prac‐ tice und structured communication. Bestenfalls vollzieht sich beim Erfüllen einer task das sprachliche Lernen beiläufig, allerdings wird dies in der Praxis wegen der fehlenden Fokussierung auf die Sprachform nicht zwingend der Fall sein (Caspari, 2006, S. 35) und je nach Individuum und Lernsituation unterschiedlich intensiv ablaufen. Auch mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben bewegen sich auf diesem Kontinuum und können eher form- oder inhaltsorientiert, kürzer oder komplexer, authentizitätsferner oder -näher situiert sein. Spezifische mehrspra‐ chigkeitsdidaktische Übungs-/ Aufgabenformate haben u. a. Behr (2006), Bär (2009), Leitzke-Ungerer (2005; 2008; 2011; 2012), Meißner et al. (2011), Mehlhorn (2015), Morkötter (2016). Reimann/ Siems (2015), Vences (2016), Preker-Franke/ Preker (2011), Dorn et al. (2013), Schöberle (2015) entwickelt, ferner die interlingual angelegten Gesamtlehrgänge in Österreich (Holzinger et al., 2012; Rückl et al., 2012; Rückl et al., 2013) und die lehrwerksverbindenden „Brücken“ in der deutschspra‐ chigen Schweiz (Klee/ Egli Cuenat, 2011; Klee et al., 2013). Behr (2010, S. 108ff), Meißner (2005) und Meißner et al. (2011) führen Kriterien für eine Übungstypologie auf, die in die hier vorgeschlagene Systematisierung einfließen. Einsatzort für mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben ist neben einem explizit als fächerübergreifend oder projektbezogen ausgewie‐ senen Unterricht primär der reguläre Fremdsprachenunterricht: zum einen der Unterricht der ersten Fremdsprache (meist Englisch) unter Nutzung der Kenntnisse der Muttersprache/ n und in prospektiver Funktion als Zuarbeit für die zweiten Fremdsprachen, zum anderen der Unterricht der zweiten Fremd‐ sprachen unter Nutzung der Muttersprache/ n und der ersten Fremdsprache, ferner der Unterricht der dritten und ggf. vierten Fremdsprachen unter Nutzung aller zuvor- und parallel gelernten Sprachen. Schließlich können mehrsprachig‐ keitsdidaktische Übungen und Aufgaben auch im Deutschunterricht eingesetzt werden, und zwar prospektiv für den noch einsetzenden Fremdsprachenunter‐ richt bzw. dauerhaft parallel dazu (vgl. Behr 2010, S. 114). 2. Mehrsprachigkeitsdidaktische Lehr-/ Lernverfahren Mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben haben das Ziel, Fremd‐ sprachenlernprozesse durch Synergien zu effektivieren, indem sie den Begriff des Transfers und das Anknüpfen an Vorkenntnisse ins Zentrum stellen. Die Lernenden sollen „die Beziehungen zwischen Sprachen erkennen, systemati‐ sieren und für ihren eigenen Lernprozess nutzen können“ (Königs, 2015). Der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (fortan: REPA, 211 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="212"?> 2 Der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA/ CARAP) ist am Europäischen Fremdsprachenzentrum des Europarates (EFSZ) in Graz angesiedelt, das u. a. das forschungsbezogene Lernen und Lehren von modernen Sprachen fördert. Vgl. im Detail die Aufgaben und Ziele des EFSZ (www.ecml.at/ Aboutus/ AboutUs-Ove rview/ tabid/ 172/ language/ fr-FR/ Default.aspx) 3 Dazu wird auch das sprachenübergreifende Lernen im Sinne von Behr (2006, 2007) gezählt. 4 Der aus der Anfangszeit des Kommunikativen Ansatzes stammende Begriff der auf‐ geklärten Einsprachigkeit hat mit dem Konzept der „funktionalen Einsprachigkeit“ bereits eine Entwicklung erfahren, sodass möglicherweise der Begriff „funktionale Mehrsprachigkeit“ treffender wäre. Candelier et al., 2012) 2 fasst verschiedene Ansätze zusammen, die sich diesem Ziel verschreiben: die integrative Sprachdidaktik 3 , der éveil aux langues, die Interkomprehension und das Interkulturelle Lernen (Schröder-Sura, 2018, S. 81). Das Faktorenmodell zum multiplen Sprachenlernen (Hufeisen, 2010, S. 204) erklärt die kognitiven, affektiven, volitionalen und konativen Faktoren, die beim mehrsprachigen Lernen vonstattengehen. Das Modell stellt die Vorwissens‐ typen sprachlicher, lernbezogener und erfahrungsbasierter Art in den Mittel‐ punkt: Mit jeder neu gelernten Sprache (L1-Ln) werden Wissenskomponenten sukzessiv auf- und ausgebaut, sodass alle späteren Lernprozesse von vorherigen profitieren. In einer Weiterentwicklung des Modells von Hufeisen integriert Reimann (2015, S. 6f) unter dem Begriff der „aufgeklärten Mehrsprachigkeit“ 4 die Herkunftssprachen mit der Forderung, alle im Klassenraum vertretenen Sprachen einzubinden. Das sprachenübergreifende Lernen nach Behr betont die „Förderung von Sprachlernbewusstheit, [damit…] der Lerner sein verfügbares sprachliches, soziokulturelles und strategisches Wissen in Mutter- und Fremd‐ sprache(n) bewusster wahrnimmt, reflektiert, miteinander verknüpft und für das Verstehen und Sich-Verständigen in der Fremdsprache nutzt“ (2007, S. 3). In dem vorliegenden Beitrag werden die Begriffe ‘mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen‘ und ‘sprachenübergreifende Übungen‘ synonym verwendet. Der REPA enthält hilfreiche Instrumente zur Förderung des sprachen- und kulturübergreifenden Lernens. Herzstück sind seine zahlreichen Deskriptoren, unterteilt in die drei einschlägigen Bereiche, die auf diese Weise zugleich eine mehrsprachige und mehrkulturelle Kompetenz definieren können: das deklara‐ tive Wissen (savoir/ knowledge), das prozedurale Wissen bzw. die Fertigkeiten (savoir faire/ skills) und die Haltungen und Einstellungen zu Sprachen und Kulturen (savoir être/ attitudes) (vgl. Schröder-Sura, 2018, S. 84ff). Der REPA ist zum einen für die Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht sowie für die Curriculumsentwicklung einsetzbar und zum anderen für die Analyse und Konstruktion von Übungen und Aufgaben (Schröder-Sura, 2018, S. 91), 212 Christiane Neveling <?page no="213"?> wovon wir in diesem Zusammenhang profitieren können. Die folgende Syste‐ matisierung von Übungen bzw. Aufgaben wird in folgende Unterpunkte geglie‐ dert: Kognitive Prozesse bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten, Ziele von mehrsprachigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben mit Deskriptoren, Gütekriterien für die Analyse von Übungen und Aufgaben bzw. didaktische Prinzipien für ihre Konstruktion sowie methodische Formate mit Operatoren für mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben. 3. Kognitive Prozesse bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten Sich die lernerinternen, kognitiven Vorgänge zu verdeutlichen, ist Vorausset‐ zung für gelungene Analysen bzw. Konzeptionen von Übungen und Aufgaben. Die drei oben genannten Wissensbereiche sollen im Folgenden kurz vorgestellt und durch Deskriptoren des REPA exemplarisch verdeutlicht werden. Dabei werden die Abkürzungen „K“ für knowledge, „S“ für skills und „A“ für attitudes sowie die Nummerierungen, z. B. „K-5“ oder „A-3.2.1“, aus dem REPA über‐ nommen. Dem Bereich von mehrsprachigkeitsdidaktischen Aktivitäten lassen sich auch Formate des interkulturellen Lernens zuordnen. 3.1 Deklaratives Wissen (savoir/ knowledge/ K) Deklaratives Wissen kann sich auch durch mehrsprachige Aktivitäten erweitern, wenn Lernende durch Transferprozesse eigenständig Wortschatz, Aussprache-, Rechtschreib- und Grammatikphänomene verstehen oder produzieren. Sie können in rezeptiven Kommunikationssituationen aufgrund wahrgenommener ortho‐ grafischer und/ oder phonetischer Ähnlichkeit auf eine semantische Gleichheit schließen bzw. inferieren. So kann z. B. vermutet werden, dass das französische Wort responsable ‘verantwortlich‘ bedeutet, denn in der Brückensprache Englisch bedeutet responsible ‘verantwortlich‘. Ein Beispiel im Bereich Grammatik: In der Zielsprache Spanisch kann die Hypothese aufgestellt werden, dass das Wort fácilmente eine Verbindung aus dem Adjektiv fácil und dem Adverbialsuffix -mente darstellt, weil in der Brückensprache Englisch die Wörter joyfully und happily die Verbindung aus dem Adjektiv joyful bzw. happy und dem Adverbialsuffix -ly darstellen. Beim produktiven Transfer vollziehen Lernende umgekehrt hypothesenbil‐ dende Prozesse auf der Basis von inter- und intralingualen morphologieba‐ sierten Ähnlichkeiten, die so aussehen könnten (etwa in einem Laut-Denk-Pro‐ tokoll): „Ich möchte das Wort ‘unglaublich‘ auf Französisch ausdrücken und es heißt möglicherweise *incrédible oder *incroiable oder incroyable, denn: ‘un‐ 213 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="214"?> glaublich‘ heißt auf Englisch incredible oder unbelievable, die französischen Adjektivendungen lauten fr. -able oder -ible wie in fr. acceptable oder incompré‐ hensible; en. unbelievable kann nach den französischen Rechtschreibregeln kein französisches Wort ergeben: *inbelievable/ -ible oder *inbelivable/ -ible. Bevor jegliches neues, durch Hypothesenbildung generiertes Wissen gespeichert wird, sollten Lernende dessen Normgerechtheit durch Rückfragen oder andere Ver‐ fahren überprüfen, um nichts Falsches abzuspeichern (Hypothesentesten). Im besten Fall dient das Wort nicht nur der punktuellen Verständigung, sondern wird auch langfristig gespeichert. Dergleichen Wissen über Sprache und Kultur kann in Form von Deskriptoren aus dem REPA (Candelier et al., 2012) formuliert werden: z. B. wissen Lernende, dass zwischen Sprachen und sprachlichen Varietäten Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen (K-5), dass es Wortentlehnungen in vielen Sprachen gibt (K-4.2.3), dass ähnliche Lautbilder in verschiedenen Sprachen ganz unterschied‐ liche Schreibweisen haben können (K-6.9.3), dass man das grammatikalische Geschlecht nicht mit dem realen Geschlecht verwechseln darf (K-1.2.3.1) oder dass es verschiedene Phänomene der Kulturenvielfalt gibt (K-12). 3.2 Fertigkeiten (savoir faire/ skills/ S) Teil des prozeduralen Wissens sind die oben beschriebenen Transferprozesse selbst, die im Rahmen der übergeordneten kognitiven Verfahren des Bildens und Testens von Hypothesen (Corder, 1967) eingesetzt werden: Unter Rückgriff auf ihre deklarativen Wissensbestände in der/ den Muttersprache/ n und/ oder einer/ mehreren Brückensprache/ n (vor- oder parallel gelernte Fremdsprache/ n) stellen Lernende bei der Rezeption eines Wortes oder einer Grammatikstruktur eine Hypothese über die Bedeutung und Funktion selbiger auf, oder sie kon‐ struieren das jeweilige Wort oder die jeweilige Struktur selbst. Neben dem Transfer im Rahmen des Bildens und Testens von Hypothesen sind noch weitere Strategien Teil des prozeduralen Wissens und auf den Erwerb einer anderen Fremdsprache übertragbar: Speicher- und Abrufstrategien („Vokabellernstrate‐ gien“), Strategien des Hör- und Leseverstehens, solche des Sprechens oder Schreibens (z. B. das Vorgliedern eines Textes) sowie Strategien zur Mediation (z. B. das Resümieren). Wie die zu Beginn des Beitrags zitierte Lehrerin betont, ist es sinnvoll, Lernstrategien aus dem Englischlernen auf den Erwerb einer nachgelernten Sprache zu übertragen. Die Prozesshaftigkeit des Wissens im Sinne des savoir faire ist an den Operatoren der Deskriptoren im REPA erkennbar: beobachten, erkennen, wahr‐ nehmen, identifizieren, analysieren, vergleichen usw. (Candelier et al., 2010, S. 67ff). Sprachen- und kulturenübergreifende Fertigkeiten zu haben, bedeutet 214 Christiane Neveling <?page no="215"?> also u. a., Sprachen auf der Basis von bekannten Wörtern und Ausdrücken identifizieren zu können (S-2.5.3), Lehnwörter, Internationalismen und Regio‐ nalismen identifizieren bzw. erkennen zu können (S-2.3.1), Laute (in wenig bekannten oder fremden Sprachen) beobachten und/ oder analysieren zu können (S-1.2), syntaktische und/ oder morphologische Strukturen beobachten und/ oder analysieren zu können (S-1.4), kulturelle Phänomene in mehr oder weniger vertrauten Sprachen/ Kulturen identifizieren/ erkennen zu können (S-2) oder Lernstrategien bewusst einsetzen zu können (S-7.7.2). 3.3 Haltungen (savoir être/ attitudes/ A) Spracherwerbsprozesse sind (nicht nur beim sprachenübergreifenden Lernen) stark durch Haltungen und Einstellungen zur Zielsprache, zu Sprachen allge‐ mein und zum Sprachenlernen an sich geprägt. Ob eine Sprache als z. B. schön, prestigereich/ -arm, hart, laut usw. wahrgenommen wird, beeinflusst die Motivation, mit der sie gelernt wird. Zentral ist als Teil der interkulturellen Kompetenz überdies die jeweilige Haltung zu den SprecherInnen im Raum bzw. den Räumen der Zielsprache, d. h. die Fähigkeit zum Verständnis, zur Akzeptanz, bis hin zur Übernahme abweichender kultureller Routinen wie etwa die Begrüßung mit bises im romanischsprachigen Raum. Komplexer und deutlich schwerer erfassbar als die augenfällige Begrüßung sind subtile Phänomene wie Kommunikationsstile (vgl. Hall, 1990), die in der Fremdsprache schwerer erkennbar sind und meist implizit, d. h. unter der Bewusstseins‐ schwelle wirken. Schließlich spielen das Vorbild und die Wertschätzung der Lehrkraft der betreffenden Sprache durch die Lernenden bekanntermaßen eine tragende Rolle. All diese Haltungen sind in gewinnbringender Weise auf den Erwerbsprozess einer anderen Sprache übertragbar, insbesondere, wenn dies bewusst geschieht. Bestimmte Haltungen und Einstellungen zu Sprache und Kultur zu haben, bedeutet u. a., Aufmerksamkeit auf die Vielfalt von Sprachen und Kulturen zu richten, ferner Sensibilität, Neugierde, Interesse für Sprachen und Kulturen zu entwickeln und diese zu respektieren (A-1.6) sowie schließlich einen Perspektivenwechsel vorzunehmen (A-9.12). Die Deskriptoren können bei der Konstruktion von Übungen und Aufgaben und insbesondere bei der Formulierung von konkreten Arbeitsaufträgen hilfreich sein. Nach der Darstellung der kognitiven, affektiven, volitionalen und konativen Prozesse werden im Folgenden die Ziele beschrieben, die einzelne Übungen und Aufgaben verfolgen können. 215 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="216"?> 4. Ziele von mehrsprachigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben mit Deskriptoren Bei der Analyse sowie bei der Erstellung von Übungen und Aufgaben sollte die Frage nach dem jeweiligen Lehr-/ Lernziel leitend sein. Anders als die För‐ derung deklarativen Wissens, die sich gemeinhin in den drei Lernphasen ‘Prä‐ sentieren/ Verstehen, Festigen/ Speichern, Gebrauchen/ Abrufen‘ vollzieht, ist das Voranschreiten des Erwerbs der mehrsprachigen Kompetenz nicht in Stufen abgrenzbar, sodass das Ziel von Übungen und Aufgaben grundsätzlich „Anregungen“ (z. B. zum Transfer) sind, auch wenn die Lernenden bereits mehrsprachigkeitsdidaktisch geübt sind. Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz haben eine doppelte Funktion: Sie sind einerseits ein wichtiges Ziel des Fremdsprachenlernens an sich, anderer‐ seits können sie als Mittel bzw. als Methode eingesetzt werden, um verschiedene Aufgaben im mehrsprachigkeitsdidaktischen Kontext zu erfüllen, z. B. Sprachen zu vergleichen und dadurch Wörter zu erschließen. In diesem Sinne fassen die Bildungsstandards Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz als zwei der fünf Teilkompetenzen der Diskursfähigkeit auf und betonen, dass sie zugleich der Ausbildung der anderen Kompetenzen dienen (KMK, 2012, S. 12f). Auch bestehen Überschneidungen zwischen den Konzepten der Sprachbewusstheit und der metakognitiven Strategien (O’Malley/ Chamot, 1990), denn eines von deren zentralen Merkmalen ist die Bewusstheit über die eigenen Lernprozesse. Schließlich stehen auch die Prozesse des Hypothesenbildens und -testens quer zu den genannten Zielen und tauchen daher mehrfach auf, wie an den Deskriptoren erkennbar ist. 1. Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsamkeiten und Unter‐ schieden in zwei oder mehr Sprachen. Z. B. können Lernende die Bedeu‐ tung einer Äußerung in einer wenig bekannten oder fremden Sprache durch das Identifizieren von Wörtern zumindest teilweise erfassen (S-1.4.3), sie wissen u. a., dass es Wortentlehnungen in vielen Sprachen gibt (z. B. Taxi, Computer, Hotel…, K-4.2.3) oder dass grafische Einheiten voneinander getrennt werden können (S-1.3.1). 2. Anregung zum Transfer von inter- und intralingualem Vorwissen zum Verstehen zielsprachiger Texte (schriftlich) bzw. Äußerungen (mündlich) im Rahmen des Bildens und Testens von Hypothesen. Z. B. können Lernende beim Sprachenvergleich auf sprachliche Ähn‐ lichkeiten, Verwandtschaften, Wortentlehnungen bzw. Universalien zu‐ rückzugreifen, um die Kommunikation zu erleichtern (K-3.4.1), z. B. wissen sie, dass grammatische Kategorien zur Funktionsweise einer 216 Christiane Neveling <?page no="217"?> Sprache (L1 oder Zielsprache) in einer anderen Sprache nicht notwendi‐ gerweise vorzufinden sind (Numerus, Genus, Artikel usw.) (K-6.9.4), sie können sprachliche Phänomene beobachten, analysieren, identifizieren, erkennen und sie miteinander vergleichen (S-2 und S-3), sie können einen interlingualen Transfer von einer bekannten in eine nicht ver‐ traute Sprache durchführen (S-5.3.1), sie können einen intralingualen Transfer durchführen (S-5.4) und durch Wortbildung und Hypothesen zur möglichen Verwandtschaft von Sprachen Gemeinsamkeiten formulieren (S-3.5.1). 3. Anregung zum Transfer von inter- und intralingualem Vorwissen zur Produktion zielsprachiger Texte (schriftlich) bzw. Äußerungen (mündlich), zur Formenbildung bei Annahme von Bedeutungsgleichheit im Rahmen des Bildens und Testens von Hypothesen. Z. B. können Lernende einen interlingualen Transfer von einer bekannten in eine nicht vertraute Sprache durchführen (S-5.3.1), sie können einen Produktions‐ transfer von einer bekannten in eine nicht vertraute Sprache durchführen (S-5.3.3). 4. Anregung zur Nutzung kontextuellen Wissens und Weltwissens in Verstehensprozessen zielsprachiger Texte bzw. Äußerungen in ver‐ schiedenen Sprachen; hilfreich kann dieser Deskriptor sein: Lernende wissen, dass der Kontext (mündlich: die Gesprächssituation mit ihren visuellen Komponenten, schriftlich: der Ko-text, textbegleitende Bilder, Zeichen, Grafiken sowie Überschriften und Absätze als Gliederungsmerk‐ male) und dass das Weltwissen (Erfahrungswissen einer Person) Trans‐ ferhilfen darstellen; sie können diese für ihre rezeptiven Transferprozesse (Inferenz, nach Carton, 1971) nutzen. 5. Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, also Lernende anzuregen, die Sprachform von sprachlichen Phänomenen bewusst wahrzu‐ nehmen und zu reflektieren, zu analysieren und mit anderen Phänomenen in anderen Sprachen zu vergleichen. Dem Konzept der Psychotypologie (Kel‐ lerman, 1983) zufolge ist nicht nur die linguistische Nähe eine entscheidende Voraussetzung für das Auslösen von Transferprozessen, sondern auch die subjektive Einschätzung der Nähe von zwei Sprachen durch die einzelnen Lernenden: Traut er/ sie einem konkreten Sprachenpaar keine oder nur eine geringe Nähe zu, so wird er/ sie vermutlich erst gar keinen Transferversuch unternehmen. Sprachbewusstheit bedeutet z. B. das Wissen, dass Sprachen aus Zeichen bestehen, die ein semiotisches System bilden (K-1.1), dass weltweit viele Sprachen gesprochen werden (K-5.1), Kenntnisse über Spra‐ chenvielfalt, Vielsprachigkeit, Mehrsprachigkeit zu haben (K-5), sprachliche 217 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="218"?> Phänomene beobachten, analysieren, identifizieren und erkennen (S-2) und sie miteinander vergleichen (S-3) zu können. 6. Anregung zum Strategientransfer: Nutzbar gemacht werden die in vor- oder parallel gelernten Sprachen erworbenen Strategien, hierzu gehören im Sinne von O’Malley/ Chamot (1990) die kognitiven, sozial-af‐ fektiven und metakognitiven Strategien: Unter die kognitiven Strategien fallen insbesondere der oben bereits dargestellte Transfer, der aufgrund seiner Frequenz gesondert aufgeführt ist, aber auch Speicherstrategien von Vokabeln oder die Strategien, die den Fertigkeitserwerb stützen wie z. B. alle Lese- und Hörverstehensstrategien. Z. B. können Lernende die eigenen Lesestrategien in der Erstsprache (L1) identifizieren und in der nachgelernten Sprache anwenden (S-5.6). Unter die sozial-affektiven Strategien fallen z. B. das kooperative Lernen, z. B. in Form von Abfragen, Diskutieren usw., sowie selbstmotivierende Strategien wie das Arbeiten mit ansprechendem Arbeitsmaterial, laut Huf‐ eisen (2010, S. 204) ferner der Umgang mit Lern- oder Sprechangst und Toleranz bei Nicht-Verstehen. So können z. B. Lernende ihren Lernprozess mit Hilfe anderer unterstützen und GesprächspartnerInnen um Korrekturen oder Erklärungen bitten (S-7.6.1.2) oder eine positive Einstellung zum Sprachenlernen und zu ihren SprecherInnen entwickeln (A-18.1). Unter die metakognitiven Strategien fallen die Planung, Überwa‐ chung, Steuerung und Bewertung der kognitiven Strategien sowie die ei‐ gene Lernorganisation. Sie kommen damit der Sprachlernbewusstheit (language learning awareness) nahe, d. h. der Fähigkeit, Spracherwerbs‐ prozesse bewusst reflektieren zu können. Übertragbare Vorwissensphä‐ nomene sind laut Hufeisen (2010, S. 204) im Einzelnen die Fähigkeit, den eigenen Lerntyp einzuschätzen, individuelle Fremdsprachenlerner‐ fahrungen sowie die Einstellung(en) zur Zielsprache und zum Sprachen‐ lernen generell. Im Detail können Lernende u. a. über den eigenen Lern‐ prozess nachdenken (S-7.7), die eigenen Bedürfnisse/ Ziele definieren (S-7.7.1), die eigenen Lernprozesse selbstständig organisieren (mit Hilfe von sprachlichen Hilfsmitteln wie zweisprachigen Wörterbüchern, Grammatiken u. a.) (S-7.6.1.1), in neuen Lernsituationen auf ihre Lerner‐ fahrungen zurückgreifen. Sie tun dies, indem sie Lerntransfer durch‐ führen, das eigene sprachliche und kulturelle Vorwissen nutzen (S-7.7.3) und ihre durchgeführten Transferleistungen kontrollieren (S-5.5), ihre eigenen Arbeitstechniken (wie die Organisation von Schritten, Pausen, Zwischenzielen) beobachten und kontrollieren (S-7.7.4), den eigenen 218 Christiane Neveling <?page no="219"?> (ausbleibenden) Lernfortschritt erkennen (S-7.7.4.1) und bestenfalls au‐ tonom lernen (S-7.6). Kommunikationsstrategien stellen den Fortgang der Kommunikation bei sprachlichen Defiziten sicher (vgl. Bialystok, 1990), sie können eben‐ falls aus vor- oder parallel gelernten Sprachen transferiert werden. So können z. B. Lernende auf sprachliche Gemeinsamkeiten, Verwandt‐ schaften, Wortentlehnungen bzw. Universalien zurückgreifen, um die Kommunikation zu erleichtern (K-3.4.1), Missverständnisse zum Aus‐ druck bringen bzw. erklären (S-4.2.2) oder Gesprächspartner bitten, die Sprache zu wechseln und ihre Äußerungen neu zu formulieren und/ oder zu vereinfachen (S-6.2). 7. Anregung zur Sprachmittlung/ Mediation: schriftliche und/ oder mündliche Aktivitäten wie Übersetzungen, Interpretationen oder Pa‐ raphrasierungen liefern Umformulierungen von Quellentexten für Per‐ sonen, die ohne diese keinen Zugang zu den konkreten Informationen hätten, bzw. sie ermöglichen Kommunikation zwischen Personen, die aus den verschiedensten Gründen nicht direkt miteinander interagieren können (Europarat/ Council of Europe, 2020, S. 32). Z. B. kommunizieren Lernende „zwischen den Sprachen“, indem sie die in einer anderen Sprache oder mehreren anderen Sprachen behandelten Informationen in einer Sprache zusammenfassen können, einen Kommentar oder ein Referat in einer Sprache vortragen können (S-6.4). 8. Anregung zum Ausbau der (in Teilen entwickelten) interkulturellen Handlungskompetenz durch Transfer von Teilkompetenzen wie Neu‐ gier und Offenheit, Empathiefähigkeit und Perspektivwechsel (vgl. die Teilkompetenzen des intercultural speaker nach Byram, 1997). Hufeisen erwähnt in ihrem Faktorenmodell die Übertragbarkeit von Welt- und Kul‐ turwissen, Lebenserfahrung generell sowie Einstellung(en) zur Zielspra‐ chenkultur (2010, S. 204). Z. B. wissen Lernende, dass es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen Kultur und anderen Kulturen gibt (K-13.2.1), dass kulturelle Vielfalt nicht im Sinne von Überlegenheit oder Unterlegenheit von Kulturen gedeutet werden darf (K-13). Sie können Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Sprachen und Kulturen beobachten, analysieren, identifizieren (S-3.1.1), anderen bestimmte As‐ pekte der eigenen bzw. einer anderen Sprache und Kultur erklären (S-4), das eigene sprachliche und kulturelle Vorwissen für den Lernprozess nutzen (S-7.3), Bereitschaft, Motivation, Wille und Wunsch zeigen, in Bezug auf sprachliche und kulturelle Vielfalt zu handeln (A-7.8). Und 219 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="220"?> Lernende können ihre Einstellungen und Haltungen hinterfragen und relativieren und sich hiervon ggf. distanzieren (A-9.12). 9. Festigung sprachlicher Phänomene, Sprachbewusstheit und der strategi‐ schen Kompetenzen in der/ den Brückensprache(n): Dies wird entweder ein Sekundärziel sein, das beim Erwerb von nachgelernten Sprache un‐ willkürlich mitwirkt, oder aber es findet in einer gesonderten Lernphase statt, wenn es explizit in vorentlastender Funktion anvisiert wird. Nach der Darstellung der Ziele, die einzelne Übungen und Aufgaben verfolgen können, werden im Folgenden die Gütekriterien zusammengestellt, die bei einer Analyse von mehrsprachigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben angewendet werden können. Zugleich können diese Gütekriterien als Kon‐ struktionsprinzipien gelten, wenn mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen oder Aufgaben erstellt werden sollen. 5. Gütekriterien für die Analyse mehrsprachigkeitsdidaktischer Übungen und Aufgaben bzw. Prinzipien für ihre Konstruktion Im Rahmen des (neo-)kommunikativen Ansatzes haben didaktische Prinzipien die Kategorie der Methoden als primären Entscheidungsschritt für die Gestaltung von Unterricht auf einen untergeordneten Platz verschoben. Bei der Gestaltung von Übungen und Aufgaben zum sprachenübergreifenden Arbeiten richtet sich die Auswahl der Inhalte und Methoden nach dem anvisierten Ziel und nach mehrsprachigkeitsdidaktischen Prinzipien, die im neo-kommunikativen und hand‐ lungsorientierten Ansatz vertreten werden (vgl. Europarat, 2001, Kapitel 2.1). Die Ansätze der Handlungsorientierung (Bach/ Timm, 2013) und der Aufgabenorien‐ tierung (Ellis, 2003) umfassen mehrere untergeordnete Prinzipien, wobei diese auch für Übungen und Aufgaben einzeln gelten können, ohne dass sie den Anspruch auf eine (nahezu) vollständige Umsetzung erfüllen müssten. 1. Das Prinzip der Lernerorientierung bedeutet, dass mit Bezugnahme auf die Interessen von Lernenden (Beachtung der Diversität, der Alters‐ gerechtheit und der Geschlechterbzw. Genderadäquatheit) und auf ihre Vorkenntnisse, d. h. systematischer Einbezug des jeweiligen Weltwissens, Sprach- und Strategienwissens bzw. -könnens des Individuums. In Bezug auf mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben bedeutet dies eine möglichst breite und differenzierte Anregung zur Nutzung von Vorwissen sprachlicher und strategischer Art sowie in Bezug auf die bis dato aufgebaute Sprachbewusstheit. 220 Christiane Neveling <?page no="221"?> 2. Die Anregung zur Sprachbewusstheit bedeutet, die Lernenden zur bewussten Nutzung von Vorwissen anzuregen. Hierzu gehören alle den Lernenden zur Verfügung stehenden Sprachen, d. h. die Brücken‐ sprachen, allen voran Englisch als meistens erstgelernte Fremdsprache mit großer Verarbeitungstiefe, ferner das Deutsche als meistverbreitete Muttersprache mit der tiefsten kognitiven Verankerung sowie die Her‐ kunftssprachen, auch wenn die Lehrkräfte sie selbst nicht beherrschen. Darunter ist ferner die Bewusstmachung des Phänomens der falschen Freunde (false friends, faux amis) zu fassen, die aufgrund ihrer Bedeu‐ tungsnuancen und -unterschiede sowohl in der Rezeption als auch vor allem in der Sprachproduktion Kommunikationsprobleme verursachen können. Aber auch die so genannten ‘guten Freunde‘, nämlich die se‐ mantisch ähnlichen, haben meist orthografische Unterschiede (darunter kleinere wie en./ fr./ sp. simple und dt. simpel oder größere wie en. fana‐ tical, fr. fanatique, sp. fanático/ -a, vgl. Abb. 3) und generell phonetische Unterschiede (vgl. Abb. 2). In diesem Kontext ist es entgegen der noch anhaltenden Vorstellungen von Lehrkräften wichtig, den produktiven Transfer trotz seiner Fehler‐ anfälligkeit explizit anzuregen, weil die Trefferquote der guten Freunde viel höher ist als die der falschen Freunde. Zur Fehlerprophylaxe sollte der Hinweis an die Lernenden dienen, ihre Hypothese(n) über kreativ gebildete Formen besonders zuverlässig zu testen. Zu den frequenten Wörtern jeder Sprache gehört das Wort Beispiel: Im Französischen wird in den Lehrwerken in der Regel darauf hingewiesen, dass fr. exemple von dem Wort en. example orthografisch zu unterscheiden ist. Und schließ‐ lich gehört zur Sprachbewusstheit auch die Kenntnis und Verwendung metalinguistischen Wissens, z. B. in Form grammatikalischer Termini. 3. Das entdeckende Lernen (Ausubel, 1963) wird in Übungsformaten seit langer Zeit insbesondere im Bereich der Grammatikeinführung als induktiver Lernansatz umgesetzt. Zwei wichtige Vorzüge sind die tiefere Verarbeitung als beim deduktiven Verfahren und die Hinführung zum eigenständigen Lernen, da die Beherrschung der Erschließungsstrategien zum autonomen und damit zum lebenslangen Lernen führen kann. Das Inferieren und der Produktionstransfer entsprechen aufgrund ihrer hohen Eigenkodierung hochgradig dem entdeckenden Lernen. 4. Die Prozessorientierung betont zum einen die Erkenntnis, dass Lern‐ prozesse per se Fehler enthalten (vs. „Fehlerorientierung“). Zum anderen betont sie die Rolle von Strategien, die den Wissenserwerb unterstützen, der sich interindividuell unterschiedlich durch Aufbau neuen Wissens 221 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="222"?> auf das bestehende Wissen vollzieht, wobei Wissen auch prozedural sein kann. Damit ist die Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten stark prozessorientiert. Auch die mehrsprachigkeitsdidaktischen Kompe‐ tenzen sind hochgradig individuell und prozesshaft, was die Übungen und Aufgaben berücksichtigen sollten. 5. Die Produktorientierung betont die Vorteile, die aus der Verbindung von sprachlichem Handeln und der Erstellung von Produkten (Poster, Vi‐ deos, Interviews, Fotos, Bilder, Recherchen, Rollenspiele u. a.) entstehen, prototypisch ist hierfür der Projektunterricht. Mehrsprachigkeitsdidakti‐ sche Übungen und Aufgaben sind produktorientiert, wenn z. B. individu‐ elle Grammatiken oder Wörterbücher (s. u.) durch die Lernenden erstellt werden. 6. Um Ganzheitlichkeit in den Inhalten und Aufgabenstellungen zu er‐ zeugen, sollten mehrere Perzeptionskanäle genutzt werden: visuell (die Schrift und der visuelle Kontext), auditiv (Hörtexte und der situative Kontext), nach Möglichkeit auch haptisch, olfaktorisch oder gustatorisch. Auch die weitere Verarbeitung von Informationen bzw. die Wissensbildung kann ganzheitlich sein, nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv-ästhe‐ tisch, körperlich-kinästhetisch und handelnd. Dabei kann der methodische Einbezug von Musik und szenischem Spiel als prototypisch gelten. In mehrsprachigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben kann z. B. das räumliche Nebeneinanderstellen formähnlicher Phänomene in einer Tabelle unterstützen, um interlinguale Unterschiede und Gemeinsamkeiten augenfällig und leichter zugänglich zu machen. Auch eröffnet die Schrift einen zusätzlichen Perzeptionskanal, weswegen Transfer auf der Basis des Leseverstehens und des Schreibens meist zunächst leichter ist als Transfer auf der Basis von Hörverstehen und Sprechen oder der mündli‐ chen Sprachmittlung allein (Behr, 2010, S. 109). In einigen Fällen ist jedoch die Aussprache interlingual ähnlicher als die Orthografie, z. B. bei it. cercare und fr. chercher oder it. chi und fr. qui oder it. che und sp. que. 7. Das Prinzip der Kontextualisierung fordert, dass sprachliche Phäno‐ mene nach ihrer Einführung und ersten isolierten Umwälzung in breitere sprachliche Kontexte eingebettet werden, die in der Regel auch kulturelle Informationen enthalten. Die Lernenden können auf diese Weise den authentischen Gebrauch von Sprache rezipieren und trainieren, was den Wert authentischer Texte (im weiteren Sinne des Begriffs) als Re‐ ferenzquelle für authentischen Spracherwerb verdeutlicht. In mehrspra‐ chigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben sollten Sprachelemente (Wörter und Grammatikphänomene) aus den genannten Gründen kon‐ 222 Christiane Neveling <?page no="223"?> textualisiert werden, nachdem sie oft zuerst isoliert mit Wörtern aus einer oder mehreren anderen Sprachen verglichen werden. 8. Präzision in der Formulierung mündlicher wie schriftlicher Arbeitsauf‐ träge gelingt durch die Nutzung von Operatoren (Behr, 2010, S. 111f). 9. Progression: In einem mehrsprachigkeitsdidaktischen, systematisch an‐ gelegten Lehrgang sollten Übungen und Aufgaben sinnvollerweise in eine Progression gebracht werden. Dies ist indes nicht eindeutig zu bewerkstelligen, weil gerade das sprachenvergleichende Lernen aufgrund seiner Abhängigkeit von dem jeweiligen Vorwissen stark individuell geprägt ist und Lernende zudem mehr oder weniger viel Übungsmaterial und Übungsgänge benötigen. Dennoch können Kriterien helfen, eine konkrete Progression bei der Auswahl von Übungen oder Aufgaben zu erstellen. Die wichtigsten Kriterien scheinen mir die Komplexität der sprachlichen Phänomene, die Komplexität der Übungsformate sowie die Differenzierung zu sein. Die Komplexität der sprachlichen Phänomene kann eine Reihung vom Einfachen zum Schwierigen begründen. Im Bereich der Lexik ist die interlin‐ guale Inferenz eines Kognaten wie en. taxi, fr. taxi, sp. taxi leichter als die eines Kognaten wie en. young, fr. jeune, sp. joven. Im Bereich der Grammatik ist es z. B. leichter, das Transferieren in Übungen zur Verschmelzung von Artikel und Präposition zu verstehen als in Übungen zur Konkordanz der Adjektive. So bieten z. B. Dorn et al. (2013) diese beiden Regeln für das Spanische an und ergänzen mehrere Übungen hierzu: Der männliche Artikel el verschmilzt im Spanischen mit den Präpositionen a und de: a + el → al und de + el wird zu del. Im Französischen verschmelzen à + le zu au und de + le zu du. (2013, S. 7f.) Im Spanischen richten sich - wie im Französischen - die Adjektive in Zahl und Geschlecht nach dem Substantiv, auf das sie sich beziehen. (2013, S. 13) Spanische Nationaladjektive tragen in der Regel ein -a in der weiblichen Form. Ausnahmen sind z. B. die Adjektive árabe, belga und marroquí. Im Französischen endet die weibliche Form auf -e/ -es oder auf -enne/ -ennes. (2013, S. 14) Und die Konkordanz der Adjektive ist wiederum weniger komplex als der Ver‐ gleich zwischen der Bildung und dem Gebrauch des subjuntivo im Spanischen und des subjonctif im Französischen (vgl. Dorn et al., 2013, S. 51-58). Des Weiteren kann die Komplexität von Übungs- und Aufgabenfor‐ maten analysiert werden und zu einer Reihung vom Einfacheren zum Schwie‐ rigeren führen. So ist z. B. ein Sprachenvergleich von fünf Kognaten weniger umfangreich und kompliziert als das Erstellen einer Hypothesengrammatik 223 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="224"?> zu einem umfangreichen Text (zu den Methoden s. Punkt 6). Im Bereich der Lexik ist die interlinguale Inferenz eines Kognaten wie taxi leichter als die kontextbasierte Inferenz eines unbekannten Wortes wie suspenderlo in dem Satz Debido a la gran cantidad de errores que Álvaro había cometido en el examen, el profesor tuvo que suspenderlo. Behr (2010, S. 109) empfiehlt, sprachenübergrei‐ fende Übungen zum Leseverstehen vor solchen zum Hörverstehen anzubieten. Das ist plausibel wegen der bereits erwähnten visuellen Stütze der Schrift und der verständniserleichternden individuellen Planbarkeit des Leseprozesses (Dauer und Wiederholbarkeit von Wörtern bzw. Passagen) im Gegensatz zu der gesprochenen und flüchtigen mündlichen Sprache. Die Berücksichtigung des heterogenen Kenntnisstands von Lerngruppen, der sich bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Übungen und Aufgaben um den Lernstand in der/ den Brückensprache(n) erweitert, erfordert hier eine noch stärkere Differenzierung als in der Progression des regulären einzelsprachli‐ chen Unterrichts. Es ist daher möglichst gut zu eruieren, wie gut der/ die einzelne Schüler/ in mit dem spezifischen sprachlichen Phänomen in der Brückensprache vertraut ist (Behr, 2010, S. 113) und wie umfangreich und tiefgehend eine dem erwünschten Transfer vorangestellte Wiederholung des Phänomens in der Brückensprache sein sollte. Dies ist insbesondere für schwächere Lernende relevant, damit ihr Transferversuch nicht bereits wegen zu geringer Festigung des Phänomens in der Brückensprache misslingt und im ungünstigsten Fall zu Verwirrung, Frustration und Abneigung gegenüber mehrsprachigkeitsdidakti‐ schen Aktivitäten führen kann (vgl. die Ergebnisse der Studie in Neveling, 2017). Bei der Einbindung der genannten Prinzipien sollten die Lernerorientierung, die Präzision, die Prozessorientierung, die Kontextualisierung und die Anre‐ gung zur Sprachbewusstheit als zwingend beachtet werden (obligatorisch), die Produktorientierung, das Entdeckende Lernen, die Ganzheitlichkeit und die Progression als möglichst häufig und stimmig (fakultativ). Nach der Darstellung der Gütekriterien für Analysen von mehrsprachigkeits‐ didaktischen Übungen und Aufgaben bzw. der Prinzipien für die Konstruktion solcher Übungen und Aufgaben erfolgt nun eine Systematisierung von metho‐ dischen Formaten, die auf Übungen und Aufgaben angewendet werden können. 6. Methodische Formate mit Operatoren für mehrsprachigkeitsdidaktische Übungen und Aufgaben Mittlerweile liegen zahlreiche Beispiele für einzelne Übungen oder umfangrei‐ chere Aufgaben vor, die das sprachenübergreifende Lernen fördern sollen. Die Formate zu erfassen und zu systematisieren, dient dazu, die Übungen besser 224 Christiane Neveling <?page no="225"?> systematisch anwenden zu können. Zum Erreichen einer Übersichtlichkeit angesichts der verschiedenen Gütekriterien werden die methodischen Formate nach den Kategorien Sprachbewusstheit, Lexik, Aussprache/ Orthografie, Gram‐ matik, Strategien, (Inter-)Kulturalität gegliedert. Außerdem sind die Beispiele durch Angaben zum Übungsziel und den entsprechenden kognitiven Prozessen wie folgt ergänzt: • Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsamkeiten und Unter‐ schieden in einer/ mehreren anderen Sprache(n) • Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit • Anregung zum Transfer (rezeptiv und/ oder produktiv) auf der Basis von intraund/ oder interlingualem Wissen • Anregung zum rezeptiven Transfer auf der Basis von Kontext- oder Weltwissen • Anregung zum Strategientransfer • Anregung zur Sprachmittlung • Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Hand‐ lungskompetenz • Festigung der Brückensprache(n): sprachliche Mittel und/ oder in ihr/ ihnen erworbenen Kompetenzen und Strategien. Im Folgenden werden Übungsbzw. Aufgabenformate aufgeführt und durch kurze Beispiele mit Arbeitsaufträgen auf Deutsch verdeutlicht, ohne Bezug‐ nahme auf eine konkrete Lernerschaft. Daher müssten die Formulierungen der Arbeitsaufträge im Falle einer unterrichtlichen Nutzung dem Alter, den Erfahrungen usw. der jeweiligen Lerngruppe unter Berücksichtigung der di‐ daktischen Prinzipien angepasst, d. h. ausdifferenziert oder kombiniert und in Kontexte eingebunden werden. Aufgrund der Ausschnitthaftigkeit der Übungen und Aufgaben werden meist Übungen vorgestellt. Die methodischen Formate wiederholen sich teilweise innerhalb der Ab‐ schnitte zu den sprachlichen Mitteln und den Fertigkeiten/ kommunikativen Teilkompetenzen, weil sie in entsprechenden Varianten je nach Zielsetzung ein‐ setzbar sind. Die Beispiele für Übungen und Aufgaben speisen sich mehrheitlich aus der Analyse des Popsongs The Logical Song von Supertramp, der im nächsten Punkt zuerst vorgestellt wird. 225 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="226"?> 15 15 226 Christiane Neveling <?page no="227"?> 5 Die Abbildungen 2 und 3 befinden sich im Anhang. Sie enthalten folgende Inhalte: Tabelle mit Wortserien der 25 Adjektive mit Schwerpunkt Rechtschreibung und Aus‐ sprache (Abb. 2), Tabelle mit Wortserien derselben Adjektive in ihrer Funktion als Kognaten mit französischen und spanischen Entsprechungen (Abb. 3). 6.1 Der Rahmen für die Übungs- und Aufgabenbeispiele: The Logical Song Dieses legendäre, auch außereuropäisch bekannte Stück (Roger Hodgson & Richard Davies, 1979) ist dank seiner eingängigen Melodie und seines origi‐ nellen Textes ein Evergreen der europäischen Musikkultur. Es eignet sich aufgrund des grammatikalisch schlichten und lexikalisch-semantisch zugleich bedeutsamen Liedtextes sowie der zahlreichen Internationalismen für interlin‐ guale Vernetzungen. Hierzu kann auch das Deutsche dank seiner Fremdwörter zahlreiche Transferbasen beitragen (logical - logisch usw., vgl. Abb.3) 5 . Das Lied könnte entweder im Englischunterricht mit Hinweisen auf sprachliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit den romanischen Sprachen erarbeitet werden oder aber im Unterricht der zweiten bzw. dritten Fremdsprache im Rückgriff auf Englisch, nachdem es dort erarbeitet wurde oder - je nach Lernarrangement - auch parallel im fächerübergreifenden bzw. -verbindenden Unterricht. Der Liedinhalt führt die Zuhörenden durch vier Phasen (Strophen 1-3 und der Refrain) der sozialen Entwicklung eines Kindes zum Erwachsenen, in denen sich der Komponist (wie man im Interview mit Roger Hodgson erfährt, s.a. Abb. 1) mit gesellschaftlichen Erwartungen und Reaktionen auseinandersetzt. In Strophe 1 untermalen die fröhliche Stimme und die vier Adjektive young, wonderful, beautiful, magical eine unbeschwerte und glückliche Kindheit in romantischer Erinnerung (birds singing so happily, joyfully, playfully), die rückblickend wie ein Wunder (miracle) anmutet. Unterstrichen durch eine etwas dramatischerer Stimmlage stehen in Strophe 2 acht Adjektive für die Erwartungen, die die etablierte Gesellschaft an die jungen Menschen stellt: Sie sollen sensible, logical, responsible, practical, dependable, clinical und intellectual, aber auch cynical werden. Der Refrain beschreibt in verträumter Stimme mit vier Adjektiven nächtliche Selbstzweifel (When all the world’s asleep, the questions run too deep) und die Eigensicht eines „einfach denkenden“ jungen Mannes (such a simple man), der die Frage nach der eigenen Identität stellt (Please tell me who I am) und sie gleichzeitig als absurd wahrnimmt. In Strophe 3 kennzeichnen ein aufbrausender Ton und sieben Adjektive eine aufbegehrende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Diffamierungen: They‘d be calling you a radical, liberal, fanatical, criminal. Zwei Stilmittel untermalen die Kritik an (unreflektierter) gesellschaftlicher Anpassung: zum einen die ironische 227 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="228"?> Formulierung, sich namentlich „bei Gesellschaftsvertretern anzumelden“, um als respectable, acceptable und presentable zu gelten, zum anderen die metapho‐ rische umgangssprachliche Wendung vegetable, die unkritischen Menschen die Merkmale eines Gemüses zuschreibt: Passivität, Unfähigkeit zur Reflexion und Selbstbestimmtheit. Am Schluss werfen zwei Adjektive einen Blick auf das in den 1970er Jahren einsetzende digitale Zeitalter, das damals womöglich unbelievable erschien. Der Reiz des Liedtextes besteht in der Dominanz der genannten 25 Adjektive, von denen sich 21 reimen, z. B. wonderful, intellectual, clinical, presentable. Zwar weisen sie nicht dasselbe Endmorphem auf und weichen damit orthographisch voneinander ab, sie haben jedoch alle in der Endsilbe einen Schwa-Laut und den Wortakzent auf der drittletzten Silbe. Phonetisch reihen sich ferner die beiden Substantive a miracle und a vegetable in den Reim der Adjektive ein, worüber zum einen eine inhaltliche Nähe hergestellt wird: wonderful - a miracle (Kindheit) und presentable - a vegetable (eingeforderte Anpassung). Zum anderen werden die beiden Substantive durch den Bruch der Hörererwartung hervorgehoben, die hier auf ein weiteres Adjektiv gerichtet ist. Nur vier Adjektive reihen sich nicht in den Reim ein: young (steht für die glückliche Kindheit) und asleep, deep, simple, die für die Selbstfindungsphase stehen. Ein weiteres Spiel mit dem Reim [-ɪli] und [-əli: ] findet sich in den unbetonten beiden letzten Silben der Adverbien (singing) happily, joyfully, playfully und dem Syntagma watching me, ein Zeichen der verspielten Kindheit. (vgl. Abb. 1 und die Langfassung von Abb. 2 zur Aussprache und Rechtschreibung). Interlinguale Vernetzungen sind an vielen Stellen möglich: Vier Adjektive weisen zum Deutschen eine phonetisch-phonologische und orthografische Nähe auf (young, wonderful, asleep, deep), drei Adjektive zum Französischen und Spanischen (responsible, dependable, beautiful) und 17 Adjektive zu allen drei Sprachen (magical, practical, clinical, intellectual, cynical, radical, liberal, fanatical, criminal, logical, digital, sensible, acceptable, respectable, presentable, simple, absurd), darunter drei false friends (dependable, sensible, clinical) (vgl. Abb. 3 zu Wortserien mit Kognaten). Dass schließlich nur das Titeladjektiv logical doppelt vorkommt, spiegelt die Kritik an der genossenen Erziehung wider: die Überbetonung der Vernunft. 6.2 Übungsformate für die Förderung der Sprachbewusstheit Die methodischen Formate wiederholen sich teilweise innerhalb der Abschnitte zu den sprachlichen Mitteln und den Fertigkeiten/ kommunikativen Teilkompe‐ tenzen, weil sie in entsprechenden Varianten je nach Zielsetzung einsetzbar sind. 228 Christiane Neveling <?page no="229"?> 6 Für den konkreten unterrichtlichen Einsatz der Tabellen und Arbeitsaufträge müssten die Abbildungen den jeweiligen Übungs- und Aufgabenzielen entsprechend angepasst werden. Das heißt, die Lehrkraft würde die Tabellen in Abb. 2 und 3 je nach Vorkennt‐ nissen der Lernenden, Ziel der Übung/ Aufgabe usw. bedarfsgerecht ausfüllen. Die Autorin verschickt auf Wunsch die Tabellen als Word-Dokumente per E-Mail. Wortserien/ lexikalische Serien in Tabellen Mögliche Ziele der Aktivität: Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsam‐ keiten und Unterschieden in einer anderen Sprache oder mehreren anderen Sprache(n); Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit Verschiedene Sprachen haben viele Gemeinsamkeiten untereinander, z. B. ist in den Wörtern en. magical, fr. magique und sp. mágico der Wortstamm mit den Buchstaben <magi> gleich, die Endung aber unterschiedlich <cal>, <que>, <co>. Sie sind also in Bezug auf die Rechtschreibung formähnlich, d. h. teilweise formgleich, teilweise (leicht) unterschiedlich. Die Aussprache ist sowohl im Stamm als auch in der Endung nur formähnlich: en. [mædʒi-], fr. [maʒi-], sp. [maxi-] und en. [-kəl], fr. [-k], sp. [-ko]. Wörter, die formähnlich sind und zudem (weitgehend) dieselbe Bedeutung haben, nennt man „gute Freunde“ oder true friends. Leider gibt es aber auch formähnliche Wörter, die uns einen Streich spielen, weil sie in verschiedenen Sprachen verschiedene Bedeutungen haben, z. B. dt. sensibel (‘empfindsam‘) und en. sensible (‘vernünftig‘). Diese Wortpaare werden „falsche Freunde“ oder false friends genannt. Siehe dir die Wörter in Abb. 3 6 an, insbesondere die rechte Spalte, und verschaffe dir einen Überblick über „falsche Freunde“ und “gute Freunde“. Ver‐ gleiche die Anzahl von guten und falschen Freunden und ziehe hieraus Schlüsse auf das zwischensprachliche Potenzial von Sprachen. Siehe dir außerdem die Rechtschreibung des Lautes [i: ] in diesen englischen Wörtern an (vgl. Abb. 1): <trees>, <please>, <me>, <unbelievable>. Höre dazu ggf. die Aussprache in einem elektronischen Wörterbuch. Was fällt dir auf ? Vergleiche nun das Ver‐ hältnis zwischen Aussprache und Schreibung im Spanischen. Was fällt dir auf ? Zuordnen von Wörtern zu Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsam‐ keiten und Unterschieden in einer anderen Sprache oder mehreren anderen Sprache(n); Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit Sieh dir die folgenden Ländernamen an und trage sie in die richtige Spalte ein: China, le Brésil, le Japon, la France, Ireland, India. Vervollständige die Tabelle mit den fehlenden Ländernamen und nutze bei Bedarf zur Kontrolle https: / / franca 229 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="230"?> is.lingolia.com/ de/ wortschatz/ laendernamen und https: / / de.speaklanguages.co m/ englisch/ vokabular/ . Die Spalte Deutsch musst du nur dort ausfüllen, wo es dir hilfreich erscheint. Markiere die Unterschiede in der Rechtschreibung gelb, z. B. fr. l’Autriche und en. Austria. Deutsch Französisch Englisch andere Sprache (wählbar) l‘Italie Italy sp. Italia l'Autriche Austria Australia Great Britain Vereinigte Staaten (von Amerika) Etymologische Analyse/ Recherche Mögliche Ziele der Aktivität: Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsam‐ keiten und Unterschieden in einer anderen Sprache oder mehreren anderen Sprache(n); Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit Sprachen haben sich geschichtlich entwickelt, daher haben formähnliche Wörter in verschiedenen Sprachen manchmal verschiedene Bedeutungen, wie z. B. en. clinical = ‘klinisch‘ und auch ‘nüchtern, sachlich‘ und zwar auch für Eigenschaften von Personen, anders als dt. klinisch. Erkläre den Zusammenhang zwischen den Bedeutungen ‘klinisch‘ und ‘nüchtern‘ und stell eine Vermutung über den Bedeutungswandel an. Suche in Wörterbüchern die Bedeutung(en) von fr. clinique und sp. clínico. 230 Christiane Neveling <?page no="231"?> 7 Dies sind u. a. auf Französisch un paquet de joie, un petit paquet, un rayon de soleil und auf Spanisch un pequeño paquete (de alegría). Semiotische Analysen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen und intra‐ lingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Sprachen sind Systeme aus Zeichen, über die die Sprecher Bedeutung ver‐ mitteln. Diese kann direkt sein (z. B. en. vegetable - ‘Gemüse, verzehrbare Pflanzen‘) oder umgangssprachlich (‘Dahinvegetierender‘, ‘Faulpelz‘) in einem besonderen Kontext. Erkläre auf Deutsch oder Englisch die Bedeutung von They teach me how to be […] a vegetable in The Logical Song. In einem Interview (vgl. Abb. 1) erklärt der Komponist die Entstehung des Liedes und beschreibt sich selbst als Kind rückblickend mit dem Satz I was just a joy bubble. Erklär dieses sprachliche Zeichen bzw. die Metapher. Finde eine oder mehrere passende deutsche Übersetzung(en) und suche in einem (elektronischen) Wörterbuch parallele französische oder spanische Ausdrücke. 7 Übersetze sie wörtlich ins Deutsche und überlege, ob dir eine der Metaphern besonders gut gefällt. Bedeutung erklären mündlich und schriftlich im (Laut-Denk-)Protokoll Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen sowie kon‐ textbasierten Transfer Du hast nun alle dir im Text unbekannten Wörter markiert. Mache dir be‐ wusst, welche Wörter du trotzdem verstehen kannst und warum: aus ähnlichen Wörtern in anderen Sprachen oder dem Englischen selbst, aus der Stellung im Satz, dem Kontext, deinem Allgemeinwissen oder mehreren Komponenten gleichzeitig. Sprich deine Gedanken laut aus und/ oder schreibe sie auf, während du die Bedeutung eines unbekannten Wortes erschließt, z. B. so: „Das englische logical sieht aus wie das deutsche logisch, es heißt bestimmt dasselbe.“ Trage dies in dein so genanntes „Laut-Denk-Protokoll“ ein. Überprüfe stets deine Hypothese und schreibe diese Überlegungen ebenfalls auf, z. B. so: „Richtig, logical bedeutet ‘logisch‘ für Dinge und ‘vernunftsbezogen‘ für Personen“. Du kannst später auch ein Mehrsprachenwörterbuch anlegen. (s. u.) Bedeutung erklären in Partner- oder Gruppenarbeit Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum produktiven inter- und intralingualen Transfer 231 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="232"?> Ihr habt nun jede(r) für sich in Stillarbeit anhand des vorgegebenen Textbei‐ spiels die Bedeutung zahlreicher Wörter aus dem Text erraten. Erklärt Euch nun gegenseitig Eure Hypothesen (oder: Vermutungen) über die Bedeutungen in Partner- oder Gruppenarbeit und diskutiert über wahrscheinlichere Lösungen. Überprüft anhand Eurer (elektronischen) Wörterbücher, ob die Hypothesen richtig waren. Regel erklären mündlich und schriftlich Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum produktiven inter- und intralingualen sowie kontextbasierten Transfer Lies den Text En el polideportivo in Abb. 4 und achte auf das neue Gramma‐ tikphänomen estar + gerundio (están jugando un partido, Zeile 20-21, und qué bien están jugando, Zeile 22). Unterstreiche ein weiteres Beispiel in Zeile 19-20. Vergleiche die Bildung está + gerundio mit dem Englischen, sprich dabei deine Gedanken laut aus und/ oder schreibe sie auf, z.B. so: „Die spanische Verlaufsform mit dem gerundio, z.B. in están jugando, están practicando, wird offenbar wie die englische progressive-Form gebildet: they are playing, they are practicing, also mit einer Form von to be + ing-Form angehängt an den Infinitiv. Also wird das gerundio wohl gebildet durch eine Form von estar und einer „ando-Form“, die an den Infinitiv angehängt Abb. 4: Einführungstext zur Verlaufsform: En el polideportivo (Duncker et al. 2010: 63) Abb. 4: Einführungstext zur Verlaufsform: En el polideportivo (Duncker & Hammer, 2010, S. 63) 232 Christiane Neveling <?page no="233"?> 8 Für diese Übung müsste das zu Abb. 3 gehörige Dokument durch die Lehrkraft bear‐ beitet werden: Ausgefüllt wäre dann nur die Spalte Englisch vollständig und die Spalten Französisch und Spanisch in den Zeilen von en. logical, liberal, presentable. (Vgl. auch Fußnote 6) Unterstreiche ein weiteres Beispiel in Zeile 19-20. Vergleiche die Bildung está + gerundio mit dem Englischen, sprich dabei deine Gedanken laut aus und/ oder schreibe sie auf, z. B. so: „Die spanische Verlaufsform mit dem gerundio, z. B. in están jugando, están practicando, wird offenbar wie die englische progres‐ sive-Form gebildet: they are playing, they are practicing, also mit einer Form von to be + ing-Form angehängt an den Infinitiv. Also wird das gerundio wohl gebildet durch eine Form von estar und einer „ando-Form“, die an den Infinitiv angehängt ist.“ Halte dies in deinem „Laut-Denk-Protokoll“ fest. Überprüfe deine Hypothese und schreibe diese Überlegung ebenfalls auf. Regel erklären in Partner- oder Gruppenarbeit Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven inter- und intralingualen Transfer Ihr habt nun jede(r) für sich in Stillarbeit anhand des vorgegebenen Textbei‐ spiels den Gebrauch der Verlaufsform mit dem gerundio erschlossen. Erklärt Euch nun gegenseitig Eure Hypothesen (oder: Vermutungen) über die Bildungs‐ weise des gerundio und dessen Gebrauch in Partner- oder Gruppenarbeit. Diskutiert über Eure Lösungen und formuliert eine Regel. Überprüft anhand Eurer Grammatik(en), ob die Hypothesen richtig waren. 6.3 Übungsformate für Lexik Wortserien/ lexikalische Serien in Tabellen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven interlingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n)  8 Sieh dir in der Tabelle in Abb. 3 die Adjektive logical, liberal, presentable in allen drei Spalten an. Unterstreiche Stamm und Endung und übersetze alle Adjektive ins Deutsche. Beschreibe Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Wörter in Stamm und Endung. Persönliches Mehrsprachenwörterbuch (Meißner et al., 2011) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven interlingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) 233 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="234"?> 9 Für diese Übung würde die Lehrkraft bis zu 75 Wortkarten auf der Grundlage der englisch-, französisch- und spanischsprachigen Adjektive in Abb. 3 erstellen, die die 25 Adjektive des Logical Song in den drei Sprachen enthalten. Hinzugefügt werden einige freie Kärtchen. Lege dein persönliches Mehrsprachenwörterbuch mit Tabellen an, das du nach und nach füllst, möglichst nach Themen geordnet. In Spalte 1 schreibst du das jeweils neue Wort, in Spalte 2 das Wort in einer anderen Sprache, die du kennst, in Spalte 3 das Wort einer weiteren anderen Sprache, die du kennst oder lernst usw. Danach kommt eine Spalte für Deine Anmerkungen, und in der rechten Spalte sollte das deutsche Wort stehen. Markiere zuerst Auffälligkeiten beim Sprachenvergleich farbig und notiere dann deine persön‐ lichen Erklärungen für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen. Es müssen nicht immer alle Spalten ausgefüllt sein. Notiere als erstes die Adjektive en. clinical, dependable, sensible und ergänze die anderen Spalten für die anderen Sprachen, achte vor allem auf die deutsche Übersetzung. Überprüfe deine Ergebnisse anhand der Abb. 3. Kärtchen sortieren nach Endsilben in verschiedenen Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusst‐ heit, Anregung zum rezeptiven interlingualen Transfer, Festigung der Brücken‐ sprache(n)  9 Siehe dir die Kärtchen mit Adjektiven in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch an und sortiere sie nach den Endungen <-cal, -al, -ble, -le>. Auf die freien Kärtchen kannst du Wörter einer weiteren Sprache schreiben. Kärtchen sortieren nach Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusst‐ heit, Anregung zum rezeptiven interlingualen Transfer, Festigung der Brücken‐ sprache(n) Siehe dir die Kärtchen mit den Adjektiven in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch an und sortiere sie nach den drei Sprachen. Welche Regelmäßigkeiten für die Bildung der Adjektive kannst du in jeder Sprache erkennen? Formuliere die Regeln. Schreibe auf die freien Kärtchen Wörter in einer weiteren Sprache. Zuordnen von Wörtern und Sprachen durch Verbindungslinien Mögliche Ziele der Aktivität: Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsam‐ keiten und Unterschieden in einer/ mehreren anderen Sprache(n), Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit 234 Christiane Neveling <?page no="235"?> fanatique criminel intelectual criminal aceptable presentable digital responsable English español franҫais Denk an die Regeln zur Wortbildung in den einzelnen Sprachen. Unterstreiche die Wörter mit zwei Farben, z. B. blau (Stamm) und Endung (rot) und ordne sie den drei Sprachen mit Linien zu. Beachte, dass es auch Doppel- oder Dreifachverbindungen geben kann. (Hilfe: 1 Dreifachbelegung, 1 Doppelbelegung, 2 Englisch, 2 Französisch, 3 Spanisch) absurd Lückentext mit mehreren Sprachen/ false friends Mögliche Ziele der Aktivitäten: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum produktiven interlingualen und kontextbzw. weltwissensbasierten Transfer Europäische Sprachen haben viele erschließbare Wörter, sog. true friends, seltener falsche Freunde. Mach sie dir bewusst, indem du sie farbig markierst, um nicht in die Falle der Verwechslung zu tappen. In The Logical Song kommen drei falsche Freunde vor: sensible, dependable, clinical. Schau in Abb. 3 oder in einem (elektronischen) Wörterbuch die Bedeutungen nach und füll die Lücken zu dem Thema des Liedes The Logical Song aus: Selon la société, les jeunes sont _______________ (en. sensible), par exemple en allant tôt au lit et en travaillant bien à l’école. Ils doivent être _______________ (en. dependable) et toujours arriver à temps et ne jamais contredire l’opinion de leurs parents. Selon la société, si les garҫons pleurent facilement, ils sont trop sensibles (en. _______________). But the singer thinks that boys can be both _______________ (fr. objectifs) and emotional. Nun sind aber Wortbedeutungen nicht immer eindeutig, sie können komplex und vielschichtig sein. So kann das Adjektiv en. clinical je nach Kontext ein falscher Freund sein, wie du herausgefunden hast, oder aber ein guter Freund (dt. klinisch). Formuliere einen Beispielsatz mit dem „guten Freund“ und einen mit dem „falschen Freund“. Zuordnung Bild-Bild und Bild-Wort/ false friends Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum produktiven interlingualen und kontextbasierten Transfer Sieh dir die Bilder an (ein Klavier, eine Tastatur, ein Eis, ein Glas) und verbinde jeweils zwei Bilder, die zwei falsche Freunde anzeigen. Verbinde die Bilder mit 235 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="236"?> ○ ○ ○ den Wörtern fr. clavier, piano, glace, verre und schreibe die französischen und deutschen Wörter daneben. Einfachauswahl/ false friends Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven interlingualen und kontextbasierten Transfer In dem Lied The Logical Song kommen drei falsche Freunde vor. Schau in Abb. 1. auf den Kontext der Wörter und erschließe die Bedeutung von depen‐ dable. Kreuze die richtige Bedeutung von dependable an (nur eine Bedeutung ist richtig): abhängig zuverlässig depressiv Erläutere deine Vermutung und überprüfe Deine Lösung in einem (elektroni‐ schen) Wörterbuch. Begriffe finden/ Oberbegriffe Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum produktiven inter- und intralingualen Transfer Gib für die drei Unterbegriffe auf Englisch einen Oberbegriff auf Englisch und auf Französisch an: vegetable, flowers, trees: _____________, _____________. Erklärungen/ Beispielsätze geben Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum interlingualen produktiven Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Erläutere die fünf deutschen Begriffe, indem du sie in englischen und/ oder französischen Beispielsätzen anwendest: jung, das Leben, ein Wunder, intellek‐ tuell, verspielt. Thematisches Netz (Neveling, 2007) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum interlingualen produktiven Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Bilde ein Netz um das Wort education in my school (oder: my childhood o. ä.) mit Wörtern zum Thema in allen Sprachen, die du kennst. Verbinde dann die Wörter untereinander überall dort, wo du sinnvolle Querverbindungen siehst. An dieses Teilnetz kannst du später andere Teilnetze ankoppeln und ein Wörternetz bilden. 236 Christiane Neveling <?page no="237"?> Wortfamilie bilden Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum inter- und intralingualen produktiven Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Ergänze zu dem Wort unbelievable die anderen seiner Wortfamilie auf Eng‐ lisch und Deutsch: ‘glaubwürdig, glauben, der …‘. Stelle dann die Wortfamilie von fr. croire / sp. creer in einem Netz zusammen. 6.4 Übungsformate für Aussprache und Orthografie Wortserien/ lexikalische Serien in Tabellen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven interlin‐ gualen Transfer Schau dir die Abb. 2 an. Beschreibe Regelmäßigkeiten für Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Rechtschreibung des Lautes [k] in der Endsilbe von en. logical und clinical. Bilde Wortserien für die Adjektive en. magical, fanatical, cynical, practical. Achte im Spanischen auf den Akzent und im Französischen bei practical auf die Schreibung des Stamms. Überprüfe deine Vermutung und notiere die Bildungsregeln. Trouve l’intrus/ unterschiedliche Betonungen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven interlin‐ gualen Transfer Wörter in anderen Sprachen können ähnlich geschrieben und gesprochen werden, aber eben nicht gleich, z. B. fr. le musée - en. the museum, fr. elle visite la cathédrale - en. she visits the ca_________. Unterstreiche in folgenden Wortpaaren die betonte Silbe und sprich die Wörter dabei laut aus: en. her parents - fr. ses parents en. to my great surprise - fr. à ma grande surprise en. his grandma - fr. sa grand-mère en. our family - fr. notre famille Welches Wortpaar wird auf derselben Silbe betont? Einfachauswahl Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen Transfer, Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit Schau dir die Wortserie von en. magical in Abb. 2 an. Kreuze das korrekte französische Wort für die englischen Adjektive radical, cynical an: 237 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="238"?> ○ ○ ○ ○ ○ ○ Französisch: radical radiqual radique cynical cinique cynique. Überprüfe Deine Lösung anhand eines (elektronischen) Wörterbuchs oder der vorgegebenen Liste. Unterstreiche jeweils Stamm und Endung und formuliere eine Regel: Ein englisches Wort, das auf „-cal“ endet, kann im Französischen auf _____________ oder _____________ enden. Im Stamm können die Buchstaben _____ und _____ zwischen den Sprachen variieren. Persönliches Mehrsprachenwörterbuch (Meißner et al.2011) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen Transfer Nutze dein persönliches Mehrsprachenwörterbuch (s. o. für die genaue Vor‐ gehensweise). Notiere die Adjektive en. fanatical, logical, practical, cynical, magical, fanatical in die linke Spalte und ergänze die anderen Spalten soweit möglich. Markiere Auffälligkeiten farbig wie z. B. die Rechtschreibung von fr. pra_tique oder von en. simple und fr. simple vs. dt. simpel. in den einzelnen Sprachen. Achte im Spanischen auf die Akzente, rufe dir die Akzentregel in Erinnerung und notiere sie, wenn es für dich nötig und hilfreich ist, um später Akzentfehler zu vermeiden. Überprüfe deine Überlegungen in Abb. 3. Lautschriftsalat analysieren und ordnen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen Transfer Du kennst schon die Zeichen der Lautschrift. Auch wenn man sich die Aus‐ sprache von Wörtern leicht im Internet anhören kann, sind die Genauigkeit der Lautschrift und das durch sie ermöglichte Bestimmen des eigenen Lesetempos oft hilfreich. Schau dir die Lautschriftwörter im Wörtersalat an, lies sie laut und achte darauf, dass man der Lautschrift auch die Betonung entnehmen kann. Schreibe die Wörter unter die Lautschrift und ordne sie dann den Sprachen in der Tabelle zu. Finde weitere Adjektive und ergänze, wenn möglich, Wörter in einer weiteren Sprache wie z. B. Türkisch. 238 Christiane Neveling <?page no="239"?> [‘mædʒikəl] [ma‘ʒik] [ɛ̃telɛktɥ‘ɛl] [‘θiniko] [‘klinikəl] [‘sinikəl] [ˈxoβen] [sɑ̃‘siblə] _________ _______ ________ _______ _______ _______ ______ ______ [‘lɔxiko] [rɪ‘spɒnsəbəl] [inti‘lekʧuəl] [kʀiminɛl] [rrespɔnˈsaβle] [‘bjuːtəfəl] [dekoɱfiˈanθa] ______ __________ _________ ________ __________ ________ __________ englische Wörter französische Wörter spanische Wörter andere Sprachen -- Nachsprechen/ Aussprache kontrastiv üben Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum produktiven interlingualen Transfer Schau dir in Abb. 2 die unterschiedliche Aussprache und Betonung (Wort‐ akzent) von den Wörtern an. Sie haben in mehreren Sprachen eine sehr ähnliche Schreibweise, aber eine andere Aussprache, wie in en. [ˈmædʒikəl] und fr. [ma‘ʒik] oder [ˈsensəbəl] vs. [sɑ̃‘siblə]. Rufe in einem elektronischen Wörterbuch die jeweilige Aussprache auf und sprich die Wörter abwechselnd in beiden Sprachen nach. Kontrolliert euch gegenseitig zu zweit. 6.5 Übungsformate für Grammatik Die spanischen Grammatikphänomene, die mit Englisch und Französisch Ge‐ meinsamkeiten aufweisen, sind zahlreich (allein mit dem Französischen gibt es deutlich mehr): Subjektpronomen, Objektpronomen, Personalpronomen nach Präpositionen, Demonstrativbegleiter und -pronomen, Relativpronomen, Inter‐ rogativpronomen und -adverbien, Adverbien (unregelmäßig: bien und mal), adverbiale Ausdrücke und andere Konstruktionen, Adjektiv-Vergleich/ -Steige‐ rung, pretérito perfecto in Bildung und Gebrauch, imperfecto im Gebrauch, Indikativ und subjuntivo in Bedingungsätzen und Konzessivsätzen, Nebensatz‐ verkürzung mit Gerundium, direkte und indirekte Rede (vgl. Dorn et al., 2013). Das Englische bietet also reichhaltige Transferbasen im Wissensbereich von SchülerInnen. Trouve l’intrus/ Morphologie Mögliche Ziele der Aktivität: Sensibilisierung für die Existenz von Gemeinsam‐ keiten und Unterschieden in einer/ mehreren anderen Sprache(n) 239 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="240"?> Sieh dir die folgenden Adjektive im Französischen an, streiche das Adjektiv durch, das nicht dazu gehört, und gib den Grund an: digital,e, responsible, acceptable, libéral,e, criminel,le. Pantomime/ Gerundio Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum produktiven inter- und intralingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Du kennst die Bildung des gerund im Englischen, z. B. The birds are singing, und das spanische gerundio: Los pajaros están _________________. Denke dir Pantomimen für diese Aktivitäten aus: to watch, to wash, to clean, to sleep. Spiele sie deinem Partner/ deiner Partnerin vor, er/ sie soll sie auf Englisch und Spanisch nach dem Muster you‘re watching, estás mirando sprachlich umsetzen. Findet weitere Aktivitäten und tauscht die Rollen. Verbinden von Wörtern in zwei Listen/ Bildung Adverb Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum produktiven inter- und intralingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Du kennst die Bildung und den Gebrauch von Adverbien im Englischen. Finde die Adverbien in The Logical Song und notiere sie: . Schau dir die beiden Listen a) und b) an und verbinde jeweils zwei Wörter grammatikalisch korrekt, z. B. to speak ----cynically. a. happily, criminally, cynical, wonderful, happy, criminal, cynically, wonder‐ fully, b. to act, the young man, the singer, to sing, to speak, the band leader, the main character, to relax. Verbinde nun in derselben Weise die französischen Wörter: a. profond, fanatique, fanatiquement, profondément, …, b. joueur de tennis, la mer, jouer au tennis, regarder dans les yeux. Sätze vollenden in mehreren Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum produktiven interlingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Wähle drei (oder mehr) Adjektive und vollende die vorgegebenen Sätze in mindestens zwei Sprachen, indem du die Adjektive erklärst oder Beispiele für ihren Inhalt gibst, z. B. A person is liberal if s/ he lets friends and other people do 240 Christiane Neveling <?page no="241"?> 10 Le chanteur est critiqué par la société comme étant libéral et cynique. The singer is criticized by society for being liberal and cynical. and feel what they like. A person is __________ if s/ he…. A mon avis, quelqu’un est ______________ s’il/ si elle… Alguien es ____________________si…. Ordnen von Satzteilen aus einem Satzsalat/ Morphosyntax Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Du kennst die Satzbauregeln im Französischen und Englischen sowie die Angleichung der Adjektive im Französischen. Ordne den Satzsalat und bilde korrekte Sätze in beiden Sprachen. Notiere bei Bedarf auch die Regeln für die Angleichung der Adjektive. la société / / comme étant / / libéral / / est critiqué / / par / / le chanteur / / et / / cynique. society / / for being / / liberal / / is criticized / / by / / the singer / / and / / cynical. 10 Hypothesengrammatik (Meißner et al., 2011) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen Transfer, Festigung der Brückensprache(n) Erstelle eine „Hypothesengrammatik“ mit Spalten, die du nach und nach füllst. In Spalte 1 schreibst du die jeweiligen Grammatikphänomene, die du in Texten gefunden hast, in Form von grammatischen Termini wie Verb oder Adjektivvergleich. In Spalte 2 kommen die gefundenen Textpassagen mit dem Phänomen in der Zielsprache und in Spalte 3 deine Vermutungen über Ähn‐ lichkeiten und Unterschiede in den Grammatikregeln in anderen Sprachen (Wortbildung und Syntax). Überprüfe die Regel und notiere Deine Kommentare in Spalte 4. Verfahre so mit dem Phänomen des Adverbs anhand des Beispiels fr. Ils chantent si gaiement. sp. Cantan tan alegremente. Schau dir die Passage They’d be singing so happily, joyfully, playfully aus The Logical Song an und stelle Hypothesen auf. 241 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="242"?> Paralleltexte, Regelformulierung Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zur Entwicklung von Sprachbewusstheit, Anregung zum rezeptiven und produktiven inter- und intralingualen Transfer, Festigung Brückensprache(n) Lies die beiden vorgegebenen Paralleltexte auf Deutsch und Spanisch (Dorn et al., 2013, S. 47) und finde eine Grammatikregel für die Bildung und den Gebrauch des condicional. Die Übersetzung in Paralleltexten ist nicht (immer) wortwörtlich, sondern pragmatisch, d. h. so wie es die Spanier und die Deut‐ schen tatsächlich formulieren würden. Man erkennt dennoch die Zeitform der Verben in beiden Sprachen. Formuliere die Regel und notiere sie in deine Hypothesengrammatik. No deberías hacerle tanto caso. Esucha: Podríamos salir con mis dos vecinos. ¿ Qué te parece? Eso te haría pensar en otra cosa. Du solltest ihn gar nicht beachten. Hör zu: Wir könnten mit meinen beiden Nachbarn ausgehen. Was meinst du? Das würde dich auf andere Gedanken bringen. 6.6 Übungsformate für Strategien zu den rezeptiven und produktiven Fertigkeiten An dieser Stelle können Überschneidungen mit den bereits erläuterten Übungs‐ formaten auftreten, weil die Fertigkeiten wie ein Querschnitt über den sprach‐ lichen Mitteln liegen. Die folgenden Übungen sind fertigkeitsbezogen oder -vorbereitend und haben eher Aufgabenformat. Mehrfachauswahl / Bilder verstehen mit Kontexthilfen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen und kontextbzw. weltwissensbasierten Transfer Schau dir die Schilder in Abb. 5 und 6 an und kreuz die richtigen Aussagen an. Erkläre auf Französisch, wer parken darf. (Mehrere Antworten sind richtig.) 242 Christiane Neveling <?page no="243"?> □ □ □ □ □ □ □ □ 29 Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen und kontextbzw. weltwissensbasierten Transfer Schau dir die Schilder in Abb. 5 und 6 an und kreuz die richtigen Aussagen an. Erkläre auf Französisch, wer parken darf (mehrere Antworten sind richtig). Abb. 5: Wer darf hier parken? □ alle Elektroautos, die ihre Batterie aufladen □ Lieferanten von elektrischen Staubsaugern Abb. 6: Wer darf hier parken? □ Autofahrer, die eine Pause machen □ Autofahrer, die zur Kundschaft gehören Abb. 5: Wer darf hier parken? 29 Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen und kontextbzw. weltwissensbasierten Transfer Schau dir die Schilder in Abb. 5 und 6 an und kreuz die richtigen Aussagen an. Erkläre auf Französisch, wer parken darf (mehrere Antworten sind richtig). Abb. 5: Wer darf hier parken? □ alle Elektroautos, die ihre Batterie aufladen □ Lieferanten von elektrischen Staubsaugern Abb. 6: Wer darf hier parken? □ Autofahrer, die eine Pause machen □ Autofahrer, die zur Kundschaft gehören Abb. 6: Wer darf hier parken? alle Elektroautos, die ihre Batterie aufladen Lieferanten von elektrischen Staub‐ saugern alle Elektroautos ohne Strom Autofahrer, die eine Pause machen Autofahrer, die zur Kundschaft ge‐ hören Autofahrer, die einen Parkplatz reser‐ viert haben Autofahrer, die ein Picknick machen wollen Motorradfahrer, die zur Kundschaft gehören Wo kann das Schild stehen? Überschriften finden/ Globales Textverstehen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Festigung der Brückensprache(n) Höre dir das Lied The Logical Song ein oder zwei Mal an und lies den Liedtext gleichzeitig mit. Finde Überschriften oder kurze zusammenfassende Sätze für die drei Strophen und den Refrain. Du kannst auf Deutsch, Englisch oder auch einer anderen von dir gewählten Sprache schreiben. Textauswahl für ein Lapbook/ Interkomprehensives Lesen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven inter- und intralingualen sowie kontextbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer Ihr plant eine Parisreise, die in Form eines gemeinsam zu erstellenden Lapbooks vorbereitet werden soll, mit dem sich alle SchülerInnen gezielt auf die Reise vorbreiten können. Deine Gruppe stellt Recherchen an und muss Material zum Thema Museen ins Lapbook kleben. Wähle aus den beiden vorgegebenen Reiseführern Texte über das Musée d’Orsay, das Musée 243 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="244"?> 11 https: / / www.youtube.com/ watch? v=OQX8ZhR9WnM, https: / / www.youtube.com/ wat ch? v=zQ1V8fyHtrA Picasso und das Musée des Sciences Naturelles aus, die in Bezug auf den Informationsgehalt, die Länge und das Sprachniveau eurer Klasse für das Lapbook geeignet sind. Erkläre den Gruppenmitgliedern die Gründe deiner Wahl auf Deutsch. Sprachmittlung/ Erklärungsgespräch (schriftlich-mündlich) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen sowie kon‐ textbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprach‐ mittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Hand‐ lungskompetenz Lies die zitierte Passage aus dem Interview mit Roger Hodgson, dem Sänger von Supertramp, in Abb. 1, in der er die Entstehung des Liedes autobiografisch erklärt. Erkläre deinem Partner auf Deutsch oder in einer anderen Sprache den Zusammenhang zwischen seinem Leben und seinem Liedtext. Beachte die Musik und die Bedeutung der Adjektive in den verschiedenen Lebensphasen. Orientiere dich bei Bedarf an Abb. 3. Sprachmittlung/ Erklärungsgespräch (mündlich/ mündlich) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven in‐ terlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Verfolgt zu zweit je einen Videoclip über ein Interview mit Roger Hodgson, dem Sänger von Supertramp, Teil A und Teil B: The Most Amazing Interview with Roger Hodgson  11 . Berichtet euch gegenseitig auf Deutsch über den jeweils anderen Teil: Expertin A erklärt, warum der Sänger die Gruppe verließ und warum er 20 Jahre später ein Comeback startete. Experte B erklärt, welche Bedeutung Musik für ihn hat und wie viele seiner Lieder aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus entstanden sind. Sprachmittlung/ Rollenspiel (mündlich/ mündlich) (zugleich eine Übung zum subjonctif) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven in‐ terlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz 244 Christiane Neveling <?page no="245"?> Plant zu dritt ein Rollenspiel, in dem du dich mit deinen französischen Gasteltern unterhältst. Sie kennen The Logical Song aus ihrer Jugend, haben aber einige Fragen zum Liedtext. Erkläre ihnen, worum es thematisch geht. Notiere dir dazu Hilfestellungen auf Kärtchen, z. B. Le chanteur se souvient que…. Mais quand on l’avait envoyé à un internat… Il ne veut pas que les adultes… Il déteste qu’on lui demande de… Il critique que la société… Il se moque un peu de… Puis il compare les gens … Die Gasteltern fragen, welche Eigenschaften deine Eltern, Lehrer und Freunde von dir erwarten, ob du diese erfüllen willst und wie du mit 30 sein möchtest. Antworte auf Französisch und stelle ebenfalls Fragen, z. B. wie sie früher sein wollten und ob sie so geworden seien. Verwende dafür Adjektive aus dem Lied, aber auch andere. Rollenspiel/ Diskussion z. B. im Fishbowl Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven in‐ terlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Roger Hodgson hat sich in den 1980er Jahren von seiner erfolgreichen Band getrennt, um sich seiner Familie zu widmen: schwer vorzustellen? Sammelt Argumente für und gegen die Entscheidung, einen (erfolgreichen) Beruf aufzu‐ geben und sich der Familie zu widmen. Diskutiert in verschiedenen, vorher festzulegenden Sprachen. Gebt euch Rollen, z. B. ein Vertreter der Kirche, eine Professorin der Universität, ein Manager mit Burnout, usw. Ihr müsst keinen Konsens erzielen und könnt auch polemisieren. Die Schüler und Schülerinnen, die sich um die diskutierende Gruppe herum platziert haben, können verschie‐ dene Rollen einnehmen: durch Einrufe argumentativ helfen oder provozieren, Sprachhilfen geben, die Diskussion arbeitsteilig protokollieren u.a. Fiktive Briefe, Mails, Videodrehs, Blogs/ spielerisches Aneignen einer mehrsprachigen Identität Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven in‐ terlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Roger Hodgson ist weltberühmt und zugleich bescheiden und bodenständig, das zeigen seine Lieder, seine Auftritte und seine Interviews. Wenn dir seine Einstellung zum Leben gefällt, informiere dich genauer dazu und schreib ihm einen Brief oder eine E-Mail mit deiner Wertschätzung und eventuellen Fragen an ihn. Du kannst auch ein Video drehen, in dem du The Logical Song (oder ein 245 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="246"?> 12 www.youtube.com/ watch? time_continue=118&; v=VfQbPv3pZso http: / / languagelearninglog.de/ 2019/ 02/ 28/ was-heisst-mehrsprachige-bildung/ 13 www.youtube.com/ watch? v=J_NGulTmh88 anderes seiner Lieder) szenisch spielst oder - wenn du das kannst - nachsingst. Inspiriere dich dabei an dem spanischsprachigen Videoclip von Constanza Vera-Fluixá, die als Schülerin einen fiktiven Brief an Frida Kahlo schreibt, dazu Stationen aus ihrem Leben nachspielt und dadurch ihre Verehrung zum Ausdruck bringt. 12 Verstehen und Verfassen eines Blog-Eintrags in mehreren Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Der offizielle Videoclip von The Logical Song  13 hat viele Kommentare in mehreren Sprachen provoziert, z. B. The lyrics are still meaningful today. I hope people take time to ponder. Che pezzo! … Un pezzo della mia gioventù… Pasaron muchísimos años, y lo escucho con la misma emoción q ayer… marcó etapas de mi vida… wonderful ! ! ! ! ! ! ! 32 arbeitsteilig protokollieren u.a. Fiktive Briefe, Mails, Videodrehs, Blogs/ spielerisches Aneignen einer mehrsprachigen Identität Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven interlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Roger Hodgson ist weltberühmt und zugleich bescheiden und bodenständig, das zeigen seine Lieder, seine Auftritte und seine Interviews. Wenn dir seine Einstellung zum Leben gefällt, informiere dich genauer dazu und schreib ihm einen Brief oder eine E-Mail mit deiner Wertschätzung und eventuellen Fragen an ihn. Du kannst auch ein Video drehen, in dem du The Logical Song (oder ein anderes seiner Lieder) szenisch spielst oder - wenn du das kannst - nachsingst. Inspiriere dich dabei an dem spanischsprachigen Videoclip von Constanza Vera- Fluixá, die als Schülerin einen fiktiven Brief an Frida Kahlo schreibt, dazu Stationen aus ihrem Leben nachspielt und dadurch ihre Verehrung zum Ausdruck bringt. 77 Verstehen und Verfassen eines Blog-Eintrags in mehreren Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz Der offizielle Videoclip von The Logical Song 78 hat viele Kommentare in mehreren Sprachen provoziert, z.B. The lyrics are still meaningful today. I hope people take time to ponder. Che pezzo! ... Un pezzo della mia gioventù... Pasaron muchísimos años, y lo escucho con la misma emoción q ayer... marcó etapas de mi vida... wonderful ! ! ! ! ! ! ! ������� ����� Were we to have more 'real' artists like this lovely man, well, the world surely would be a better place […] What a guy! What a blessing to the world. Thank you Roger.“ Erschließe dir die Bedeutung von pezzo und la mia gioventù. Denk bei pezzo an ein englisches Wort, das ein Synonym für „Lied“ ist. Überlege bei della mia gioventù, welche Wortart mia und welche la gioventù ist. Wenn du bedenkst, dass der Autor dieses Blog-Eintrags ungefähr 50 Jahre alt ist, fällt es dir leichter, das Wort zu verstehen. Erkläre deine Vermutung. Übersetze den idiomatischen Ausdruck „Were we to have more 'real' artists…“ ins Deutsche. 77 https: / / www.youtube.com/ watch? time_continue=118&v=VfQbPv3pZso http: / / languagelearninglog.de/ 2019/ 02/ 28/ was-heisst-mehrsprachige-bildung/ 78 https: / / www.youtube.com/ watch? v=J_NGulTmh88 Were we to have more 'real' artists like this lovely man, well, the world surely would be a better place […] What a guy! What a blessing to the world. Thank you Roger. Erschließe dir die Bedeutung von pezzo und la mia gioventù. Denk bei pezzo an ein englisches Wort, das ein Synonym für „Lied“ ist. Überlege bei della mia gioventù, welche Wortart mia und welche la gioventù ist. Wenn du bedenkst, dass der Autor dieses Blog-Eintrags ungefähr 50 Jahre alt ist, fällt es dir leichter, das Wort zu verstehen. Erkläre deine Vermutung. Übersetze den idiomatischen Ausdruck „Were we to have more 'real' artists…“ ins Deutsche. Stimmst du diesem Kommentar inhaltlich zu? Erkläre. Gefallen dir die Kommentare in dem Blog? Begründe. Schreibe einen eigenen Kommentar, wähle dafür deine Sprache. Paralleltexte in mehreren Sprachen verfassen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz 246 Christiane Neveling <?page no="247"?> Schreib eine weitere Strophe zu The Logical Song, indem du den Satz But then they send me away to teach me how to be… vervollständigst durch Wörter endend auf <-able>. Inspirier dich dafür in der Datenbank „aberto.de“ mit einer breiten Auswahl an Adjektiven wie adorable, bearable, capable, deniable, approachable, considerable, controllable, exchangeable, loveable, predictable, suitable, singable u. a. Schreibe (eine) weitere Strophe(n) auf Französisch/ Spanisch oder in einer anderen Fremdsprache. Diskussion in zwei Sprachen Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven und produktiven in‐ terlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Strategientransfer, Anregung zur Sprachmittlung, Anregung zum Transfer von Teilkompetenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz “Internat: ja oder nein? Boarding schools: yes or no? ” Roger Hodgson hat als Schüler ein Internat besucht und wurde zum Kritiker der erlebten Internatserziehung. Internate gibt es in allen Ländern, aber sie sind nicht überall gleich verbreitet und gut angesehen. Sammelt in Partner- oder Gruppenarbeit Informationen zu Internaten in England, Frankreich, Deutschland oder anderen Ländern, die ihr kennt und die euch interessieren. Nennt Vor- und Nachteile gegenüber einer Beschulung am Wohnort. Diskutiert in zwei Gruppen in zwei Sprachen. Bildet euch eine Meinung hierzu und achtet auf einen respektvollen Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Traditionen. Bild-Text-Bezug/ Debatte in mehreren Sprachen (vgl. Schöberle, 2015) Mögliche Ziele der Aktivität: Anregung zum rezeptiven interlingualen sowie kontext- und weltwissensbasierten Transfer, Anregung zum Transfer von Teilkom‐ petenzen der Interkulturellen Handlungskompetenz 247 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="248"?> Schau dir das Foto in Abb. 7 an und beschreibe die Menschen und ihr Transparent: Was feiern sie? Wen meinen sie mit „alle“, „toutes et tous“, „tutti“ und „tuts“? Welche Sprachen sind auf dem Transparent zu sehen? Informiert Euch über die gesellschaftlichen Hintergründe dieses kontrovers diskutierten Themas in der Schweiz, in Deutschland und Frankreich. Wann wurde die „Ehe für alle“ in Deutschland und Frankreich erlaubt und wie waren die Gesetze vorher? Wie ist die Lage in der Schweiz? Welche Meinungen treffen in den Gesellschaften aufeinander und wie werden sie begründet? Welche Institutionen spielen bei dem Widerstreit eine Rolle? Plant in der Klasse ein Rollenspiel, das in der Schweiz angesiedelt ist. Es diskutieren Vertreter aus der Deutschschweiz (Ehe für alle), der Suisse romande (Mariage pour tous), dem Tessin (Matrimonio per tutti) und Graubünden mit Rätoromanisch (Lètg per tuts). Jede/ r spricht in ihrer/ seiner Sprache, nur die Graubündner sprechen Französisch, und jede/ r versteht die jeweils anderen. Entscheidet euch für eine Position pro oder contra (es muss nicht die eigene persönliche sein! ) und eine Sprache, bündelt eure Argumente und diskutiert. Die Lehrkraft könnte sich bei der Behandlung des Themas z.B. an den Vorschlägen von Decke- Cornill (2009), Deharde (2009) und Plötner (2016) orientieren. Abb.7: Demonstration der „Operation Libero“ nach dem Entscheid der Rechtskommission des Nationalrats in Bern, 12.5.2017 (https: / / www.operation-libero.ch/ de/ medien/ 2017-05- 12-ehe-fuer-alle-kommissionsmitglieder-nehmen-verantwortung-wahr) Abb. 7: Demonstration der „Operation Libero“ nach dem Entscheid der Rechtskommis‐ sion des Nationalrats in Bern, 12.5.2017 (https: / / www.operation-libero.ch/ de/ medien/ 20 17-05-12-ehe-fuer-alle-kommissionsmitglieder-nehmen-verantwortung-wahr) Schau dir das Foto in Abb. 7 an und beschreibe die Menschen und ihr Transpa‐ rent: Was feiern sie? Wen meinen sie mit „alle“, „toutes et tous“, „tutti“ und „tuts“? Welche Sprachen sind auf dem Transparent zu sehen? Informiert Euch über die gesellschaftlichen Hintergründe dieses kontrovers diskutierten Themas in der Schweiz, in Deutschland und Frankreich. Wann wurde die „Ehe für alle“ in Deutschland und Frankreich erlaubt und wie waren die Gesetze vorher? Wie ist die Lage in der Schweiz? Welche Meinungen treffen in den Gesellschaften aufeinander und wie werden sie begründet? Welche Institutionen spielen bei dem Widerstreit eine Rolle? Plant in der Klasse ein Rollenspiel, das in der Schweiz angesiedelt ist. Es diskutieren Vertreter aus der Deutschschweiz (Ehe für alle), der Suisse romande (Mariage pour tous), dem Tessin (Matrimonio per tutti) und Graubünden mit Rätoromanisch (Lètg per tuts). Jede/ r spricht in ihrer/ seiner Sprache, nur die Graubündner sprechen Französisch, und jede/ r versteht die jeweils anderen. 248 Christiane Neveling <?page no="249"?> Entscheidet euch für eine Position pro oder contra (es muss nicht die eigene persönliche sein! ) und eine Sprache, bündelt eure Argumente und diskutiert. Die Lehrkraft könnte sich bei der Behandlung des Themas z. B. an den Vorschlägen von Decke-Cornill (2009), Deharde (2009) und Plötner (2016) orientieren. 7. Fazit und Ausblick Der Überblick an methodischen Formaten zur systematischen Einordnung von Übungen und Aufgaben kann eine Auswahl dieser für eine Stärkung der mehrspra‐ chigkeitsdidaktischen Schulung von SchülerInnen erleichtern. Es wurde ausge‐ führt, warum Übungen und Aufgaben nicht nur unbedingt präzise zu formulieren sind, sondern auch warum sie stets ziel- und prinzipienorientiert gestaltet werden sollten und wie dies gelingen kann. Durch die Systematisierung wurde die Nutzung von Übungsformaten logischer: It’s getting logical. Als weiteren Schritt benötigen wir für die Lernprozesse eine systematische Umsetzung in Lehrwerken und lehrwerksunabhängigen Materialien. Bibliographie Ausubel, David Paul (1963). Learning theory and classroom practice. Ontario: The Ontario Institute For Studies In Education. Bach, Gerhard & Timm, Johannes (2013). Handlungsorientierung als Ziel und als Methode. In Gerhard Bach & Johannes Timm (Hrsg.). Englischunterricht. 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Hispanorama 151, 88-93. 253 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="254"?> Abb. 2: Arbeitsbogen zur Orthografie und Aussprache der Adjektive (Wortserie) Anhang 254 Christiane Neveling <?page no="255"?> Abb. 3: Arbeitsbogen zu formähnlichen (formkongruenten) und formunähnlichen (divergenten) Kognaten zur Erarbeitung der Rolle von false friends (Wortserie) 255 Überlegungen zur Analyse und Konstruktion von sprachenübergreifenden Aktivitäten <?page no="257"?> 1 Daher werden die pluralen Ansätze und der REPA in diesem Beitrag nicht ausführlich vorgestellt. Vgl. dazu die Webseite des Projekts (http: / / carap.ecml.at/ ) sowie Candelier & Schröder-Sura, 2015; Schröder-Sura, 2018. Überlegungen zur Erweiterung des Referenzrahmens für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts Michel Candelier Abstract Generell kann als Vorteil des Begriffs „plurale Ansätze“ gelten, dass er mit einer verbindenden Perspektive aller Sprachfächer einhergeht, die eine Zusammenarbeit aller SprachdidaktikerInnen zur Entstehung von lernför‐ dernden Synergien erleichtert. In diesem Artikel werden zunächst Gründe für die bislang wenig beachtete Relevanz der pluralen Ansätze für den Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts gezeigt. Es wird dann der Frage nachgegangen, wie sich eine Erweiterung der von den pluralen Ansätzen bereits abgedeckten Bereiche der Sprachendidaktik um den sprachsensiblen Fachunterricht auf den Inhalt des Referenzrahmens für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) auswirken kann. Die dargelegten Überle‐ gungen verstehen sich sowohl als Vorarbeit für eine solche Ergänzung des REPA als auch als Hinweise auf den Nutzen von pluralen Ansätzen in diesem Bereich, der zu Recht als entscheidender Faktor für erfolgreiches Lernen überhaupt angesehen wird. 1. Einleitung Der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA, Candelier et al., 2012) sowie die pluralen Ansätze selbst sind in jüngster Zeit vermehrt Gegenstand von Publikationen in Deutschland (siehe Candelier, 2019; Melo-Pfeifer & Reimann, 2018). 1 <?page no="258"?> 2 Dass „trotz aller wissenschaftlichen Diskurse“ die unterrichtliche Realität „durch einen weitgehend monolingualen Sachfachunterricht in der Zielsprache“ geprägt zu sein scheint, betont Böing für Nordrhein-Westfalen (2018, S. 298). Dies trifft unseres Wissens bislang auch für andere Bundesländer sowie für die Mehrheit der bilingualen Klassen in anderen europäischen Ländern zu. Plurale Ansätze werden von den Autoren des REPA als deckungsgleich mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen betrachtet (Candelier & Castellotti, 2013, S. 184-186; Candelier, 2019, S. 48) und als „Lehr- und Lernverfahren, die zu‐ gleich mehrere Sprachen bzw. sprachliche Varietäten und Kulturen einbeziehen“ (Candelier et al. 2012, S. 6; Schröder-Sura 2018, S. 80), definiert. Als plurale Ansätze wurden um die Jahrhundertwende schon bestehende didaktische Ansätze zusammengeführt, die dieser Definition entsprechen (Éveil aux langues, Integrierte Sprachendidaktik, Interkomprehensionsdidaktik und Interkulturelles Lernen). Eine Definition der vier pluralen Ansätze befindet sich auf der REPA-Webseite (siehe Bibliographie). Von Éveil aux langues, dem in Deutschland am wenigsten verbreiteten Ansatz, wird dann gesprochen, wenn in den Unterricht Lehr- und Lernaktivitäten zu Sprachen einbezogen werden, deren schulisches Erlernen nicht beabsichtigt wird. Darunter befinden sich oft Sprachen bzw. Sprachvarietäten, die Lernende in der Familie benutzen und die im Unterricht sonst nicht berücksichtigt werden. So kann Éveil aux langues auch dazu beitragen, dass plurale Ansätze der Sprach(en)ausbildung helfen, ihren „interkulturellen erzieherischen Verpflichtungen“ (Beacco & Byram et al. 2016, S. 71) gerecht zu werden. Der bilinguale (Sachfach-)Unterricht - sofern er Sprachen nicht wie in seinen ersten Ausführungen voneinander getrennt behandelt, sondern sie in Beziehung setzt - kann entweder als ein pluraler Ansatz an sich betrachtet werden (so Gajo, 2014) oder als eine Variante der integrierten Sprachendidaktik. 2 Letzteres gilt auch für die Sprachmittlung, im Sinne einer Textmediation bzw. einer „Handlung als MittlerIn in informellen Situationen“ („Acting as intermediary in informal situations (with friends and colleagues)“), die mehrere Sprachen einbezieht (Council of Europe, 2018, S. 107- 114; 124). Dass plurale Ansätze als Bestandteil jedes Sprachenlernens angesehen werden sollten, ergibt sich aus der Auffassung der mehrsprachigen und mehrkulturellen Kompetenz, die vom Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) verbreitet wurde. Dort wird diese Kompetenz „nicht als Schichtung oder als ein Nebeneinander von getrennten Kompetenzen verstanden, sondern vielmehr als eine komplexe […] Kompetenz, auf die der Benutzer zurückgreifen kann“ (Europarat, 2001, S. 163). Somit sollte eine Sprache in Verbindung mit der schon bestehenden Kompetenz der Lernenden gelehrt bzw. gelernt werden 258 Michel Candelier <?page no="259"?> (Candelier et al., 2012, S. 9), im Sinne der von der „mehrsprachigen und inter‐ kulturellen Erziehung“ vorgeschlagenen Integration aller Sprachlehrverfahren (Beacco & Byram et al., 2016, S. 16-17). Plurale Ansätze werden auch als ein wirksames Instrument zur Förderung von Sprachlernkompetenz betrachtet (Martinez & Schröder-Sura, 2011). Die transversale Relevanz der pluralen Ansätze innerhalb des Curriculums wird als ein entscheidender Beitrag im Hinblick auf Fragestellungen der sprachlichen Bildung präsentiert (vgl. Candelier, 2019). Dieser Aspekt wird hier im ersten Kapitel kurz aufgegriffen und als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zum sprachsensiblen Fachunterricht genutzt. Dabei wird der folgende Gedankenweg verfolgt: Sprachsensibler Fachunterricht stellt sicherlich die Dimension des Curricu‐ lums dar, für die eine Reflexion über weitere Einsatzmöglichkeiten pluraler Ansätze am notwendigsten erscheint. In diesem Beitrag geht es zunächst darum, die Relevanz pluraler Ansätze für den sprachsensiblen Fachunterricht zu zeigen (Kapitel 3). Anschließend wird der Frage nachgegangen, welche Weiterentwicklungen notwendig sind, um entsprechende Dimensionen der sprachlichen Bildung in den REPA zu integrieren (Kapitel 4). Im fünften Kapitel wird der Companion Volume with new Descriptors (Council of Europe, 2018) unter diesem Gesichtspunkt analysiert. Es wurden mehrmals Vorschläge unterbreitet, die verschiedenen Ansätze als Varianten eines einzigen pluralen Ansatzes aufzufassen (Candelier, 2008; Coste, 2014). Dafür sprechen die vorhandenen Verflechtungen zwischen den einzelnen pluralen Ansätzen, die sich in ihrer konkreten Anwendung zeigen. Inzwischen erfreut sich das Konzept unter der Bezeichnung plurale Ansätze einer immer größeren Bekanntheit, so dass der Übergang zu der Bezeichnung „pluraler Ansatz“ schwierig erscheint, obwohl sie besonders angemessen sein könnte, wenn man eine globale Perspektive wählt, wie es in diesem Beitrag zur grundsätzlichen Bedeutung pluraler Ansätze für einen ganzen Bereich der Sprachbildung der Fall ist. 259 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="260"?> 3 Da dieser Aspekt bereits in anderen deutschsprachigen Publikationen ausführlich behandelt worden ist (Candelier, 2018; Candelier, 2019), wird hier nur an die Hauptzüge der Argumentation erinnert. 4 Zu seiner Geschichte siehe Candelier, 2008. Zum Verhältnis zu den von Hawkins im Rahmen des Language-Awareness-Ansatzes entwickelten Grundgedanken siehe Candelier, 2019, S. 45. 2. Der Begriff „plurale Ansätze“ und der REPA - eine mögliche Antwort auf die Zersplitterung der mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätze Zusammenfassung einer Argumentation 3 Die Zersplitterung bei der Einführung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ver‐ fahren innerhalb der sprachlichen Erziehung in Deutschland wird von vielen AutorInnen bedauert. So Jackisch (2015, S. 3): „die Ansätze zur Anbahnung von Mehrsprachigkeit [stehen] noch eher unverbunden nebeneinander“. Allgemein sind die DidaktikerInnen, die sich für die Mehrsprachigkeitsdidaktik interessiert haben, von den Bedürfnissen und Zielen ihres jeweiligen Sprachfaches ausge‐ gangen, z. B. Deutsch als Zweitbzw. Fremdsprache. Auch wenn das Interesse einer Gruppe von Sprachen galt, wie z. B. bei der Interkomprehension zwischen romanischen Sprachen, blieben Verknüpfungen zu anderen Sprachen häufig unberücksichtigt. Vor allem wurden fremdsprachendidaktische Ansätze und ähnliche Bemühungen im Bereich der Deutschdidaktik voneinander getrennt (Luchtenberg, 2017, S. 153). Das steht einer Kooperation zwischen DidaktikerInnen der verschiedenen (Sprach-)Fächer auf der Ebene der Konzeption von Curricula und Lehrpro‐ grammen sowie auf der Ebene der Unterrichtsplanung und -durchführung im Wege. Für die Verbreitung der Mehrsprachigkeitsdidaktik und ihre Effizienz hat dies erhebliche Folgen. Der Oberbegriff plurale Ansätze wird seit seiner Entstehung 4 mit einer verbindenden Perspektive aller Sprachfächer in Beziehung gesetzt. Die damit einhergehenden Lehr- und Lernverfahren stehen somit nicht „unverbunden nebeneinander“. Der integrative Charakter der pluralen Ansätze findet sich in den Lernzielen wieder, die durch den REPA dargestellt werden. Der REPA bietet eine orga‐ nisierte Gesamtübersicht der Kompetenzen, zusammengesetzt aus Wissensele‐ menten (savoirs), Einstellungen und Haltungen (savoir-être) sowie Fertigkeiten (savoir-faire), die mithilfe pluraler Ansätze für alle sprachlichen Dimensionen des Curriculums anvisiert werden können. So wird nicht nur eine Verteilung 260 Michel Candelier <?page no="261"?> 5 Eine ausführliche Beschreibung des REPA befindet sich in Schröder-Sura, 2018, S. 81-91. (1) (2) (3) der Aufgaben zwischen den Fächern möglich, sondern auch die Möglichkeit von Synergien sichtbar. 5 3. Plurale Ansätze und „sprachsensibler Fachunterricht“ Zur Verdeutlichung der Dimensionen des Curriculums, für die der Einsatz pluraler bzw. mehrsprachiger Ansätze angebracht ist, wurde in Candelier (2018, S. 343-345) ein Modell zur Darstellung der verschiedenen Bereiche des Spra‐ chenlernens vorgeschlagen. Als Grundlage der Ausarbeitung dieses Modells wurden drei Kriterien gewählt: Die / Eine Erstsprache des Lernenden ist eine / ist keine Varietät der unterrichteten Sprache. Die unterrichtete Sprache ist eine / ist keine alltägliche Sprache der sozialen / erzieherischen Interaktion der Umwelt, in der sich der Lernende befindet und in die er sich zu integrieren hat. Die unterrichtete Sprache wird als Fach unterrichtet oder als Vektor eines anderen Faches. Durch die ersten beiden Kriterien lassen sich Bereiche definieren, die mit verstärkter Präzisierung und Explizitheit denen der gängigen Begriffe „Zweit‐ sprache“ bzw. „Fremdsprache“ entsprechen, aber auch eine Kategorie „Mutter‐ sprache“, die beispielsweise in Deutschland sowohl für den herkunftssprachli‐ chen Unterricht an Kinder, die zu Hause eine Herkunftssprache verwenden, als auch für den Deutschunterricht für diejenigen SchülerInnen, die zu Hause Deutsch (bzw. eine Variante davon) sprechen. Wie alle diesbezüglichen globalen Klassifikationsversuche bleibt diese Darstellung eine statische Vereinfachung vielfältiger Möglichkeiten. Sie erlaubt aber einen Gesamtüberblick, dem durch das dritte Kriterium eine weitere Dimension hinzugefügt wird, auf die wir hier den Fokus legen möchten. Für die unterrichtete Sprache als Mittel zum Erlernen eines Sachfaches (als „Vektor“) werden gegenwärtig zwei Bezeichnungen verwendet: einerseits Content and Language Integrated Learning (CLIL) im Bereich des Fremdspra‐ chenunterrichts, und andererseits „sprachsensibler Fachunterricht“. Letzterer betrifft sowohl Lernende mit Deutsch als Zweitsprache als auch Lernende mit Deutsch als Erstsprache (genauer: Lernende, deren Erstsprache eine Varietät der Unterrichtsprache ist). 261 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="262"?> 6 Zitate aus Veröffentlichungen in einer anderen Sprache wurden von dem Autor dieses Beitrags ins Deutsche übersetzt. Die Relevanz der pluralen Ansätze und des REPA wird von Böing (2018) für den CLIL-Bereich am Beispiel des deutsch-französischen bilingualen Geo‐ graphieunterrichts in Deutschland ausführlich dargelegt. Für ihn „stellt der bilinguale Sachfachunterricht (CLIL) in seiner Idealform eines wirklich zwei‐ sprachigen Fachunterrichts […] ein modellhaftes Beispiel der integrierten Di‐ daktik im Sinne der pluralen Ansätze zu Sprachen und Kulturen dar“ (ebd., 297, Hervorhebung im Original). In seinem Artikel zeigt Böing, dass sich der Gewinn, den diese Form von Unterricht aus dem Einsatz des REPA ziehen kann, nicht auf die Entwicklung der zielsprachlichen Kompetenz beschränkt, sondern auf die „Didaktisierung von kulturellem Lernen in den Sachfächern“ erstreckt. Dies betrifft sowohl die konzeptuelle als auch die methodische und die diskursive Dimension des Sachfachlernens. Für jede dieser Dimensionen führt Böing eine Auswahl von REPA-Deskriptoren auf (jeweils aus den Berei‐ chen Wissen, Fertigkeiten sowie Einstellungen und Haltungen) und schlägt eine Reihe von möglichen Arbeitsthemen bzw. -aufgaben für den bilingualen Geographieunterricht in der Sekundarstufe II vor. Laut Leisen (2017, S. 17) pflegt „sprachsensibler Fachunterricht […] einen be‐ wussten Umgang mit der Sprache. Er [der Umgang] versteht diese als Medium, das dazu dient, fachliches Lernen nicht durch (vermeidbare) sprachliche Schwie‐ rigkeiten zu verstellen“. Eben diese sprachlichen Schwierigkeiten, die je nach in der Familie gesprochener Sprache bzw. Sprachvarietät sehr unterschiedlich ausfallen können, können als ein Faktor für den Mangel an Chancengleichheit in der Schule betrachtet werden (Beacco & Fleming et al., 2016, S. 13-20). Dies erklärt, warum das Thema „sprachsensibler Fachunterricht“ in vielen Ländern zu einer aktuellen Frage der linguistischen und erziehungswissenschaftlichen Forschung geworden ist (zur Diskussion der Literatur siehe Gogolin, 2017; Thürmann, Vollmer & Pieper, 2010). Auch im Auftrag des Europarates sind im letzten Jahrzehnt zahlreiche Publikationen zur Sprache im Fachunterricht er‐ schienen, wie aus der Abteilung „Sprache in anderen Fächern“ 6 der „Platform of resources and references for plurilingual and intercultural education“ ersichtlich wird (siehe insbesondere Beacco & Fleming et al., 2016). Umso mehr sollte auch die Frage gestellt werden, ob plurale Ansätze zu einem sprachsensiblen Fachunterricht in der Schulsprache - als Zweitsprache oder als Erstsprache - beitragen können bzw. sollten. In Candelier (2018, S. 346) wird betont, dass die für den sprachsensiblen Fachunterricht zentrale Frage der Aneignung verschiedener Aspekte der Bil‐ 262 Michel Candelier <?page no="263"?> dungssprache „nichts anderes [ist] als der Ausbau einer Facette der individuellen Mehrsprachigkeit - der „inneren Mehrsprachigkeit“, die den Varietäten inner‐ halb einer Sprache entspricht“ (mehr dazu in Gogolin, 2017, S. 6ff; siehe den von ihr dargestellten Begriff der „durchgängigen Sprachbildung“). Der Begriff „in‐ nere Mehrsprachigkeit“ wurde durch Wandruszka eingefürt (siehe dazu die z.T. auf persönlichen Erinnerungen basierenden Ausführungen von Oomen-Welke, 2016, die Wandruszka 1971 kommentiert und mit den Grundsätzen des Language Awareness-Ansatzes verknüpft; siehe auch Wandruszka, 1981). DidaktikerInnen, die sich ausdrücklich auf den Begriff plurale Ansätze berufen, haben sich bis jetzt grundsätzlich mit der Entwicklung der äußeren Mehrsprachigkeit der Lernenden beschäftigt, das heißt mit sprachlichen Erscheinungen, die als „Sprachen“ betrachtet werden. Dass innere und äußere Mehrsprachigkeit auch didaktisch als zwei Seiten der‐ selben menschlichen Fähigkeit anzusehen und zu entwickeln sind, ist schon aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden. Das Handbuch „zu sprachlicher Dimension in allen Fächern“ des Europarates (Beacco & Fleming et al., 2016; Candelier, 2018, S. 346) verweist einerseits darauf, dass „der Kontakt der Ler‐ nenden mit einer Vielzahl von Diskursformen“ - der ja charakteristisch für den sprachsensiblen Fachunterricht ist - „von grundlegender Bedeutung ist für eine mehrsprachige und interkulturelle Bildung“ (ebd., S. 43), und andererseits, dass „mehrsprachige Kompetenzen […] immer mehr als Ressourcen zur Aneignung von Bildungssprache angesehen [werden]“ (ebd., S. 56). Anders gesagt: „mehr‐ sprachige Kompetenzen“ bzw. „die mehrsprachige und interkulturelle Bildung“, die das Hauptziel der pluralen Ansätze darstellen, sind eng mit der Arbeit an einer „Vielzahl von Diskursformen“ und der „Aneignung von Bildungssprache“ als Mittel bzw. Zielsetzung des sprachsensiblen Unterrichts verbunden. Sie beeinflussen sich gegenseitig: Die Beschäftigung mit Diskursformen trägt zum Ausbau der mehrsprachigen Kompetenz bei, und mehrsprachige Kompetenzen sind Ressourcen für die Aneignung der für das fachliche Lernen notwendigen sprachlichen Varietäten. Bereits 2010 wurden in einer Veröffentlichung des Europarats (Beacco et al., 2010) für die konkrete Arbeit im Unterricht im Bereich „der sprachlichen Dimen‐ sionen des Wissensaufbaus in schulischen Curricula“ („Linguistic dimensions of knowledge building in school curricula“) Ziele genannt, deren Ähnlichkeit mit denen der Beschäftigung mit „Sprachen“ auffällt. Es geht darum, „Lernende mit den sprachlichen Formen und Diskurstypen vertraut zu machen, die für die wissenschaftliche Kommunikation erforderlich sind“. Die SchülerInnen sollen „diese Formen und Diskurstypen identifizieren können“, „ihren Wert, sowie die Art, wie sie funktionieren (z. B. auf syntaktischer Ebene) verstehen können“ 263 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="264"?> 7 EUCIM-TE steht für „European Core Curriculum for Mainstreamed Second Language Teacher Education” (siehe www.hf.uni-koeln.de/ data/ eso27/ File/ Material/ 2008_3349_ PR_EUCIM-TE_Public%20Part%281%29.pdf) und „sie sich über reflexive und systematische Aktivitäten aneignen“. Es wird auch explizit erwähnt, dass „sich der Aufbau [solcher Kompetenzen] auf die Methoden des Grammatikunterrichts stützt, wie sie für das Lehren von Sprache als Fach und als Fremdsprache entwickelt worden sind“ (ebd., S. 26; siehe auch Krumm, 2015, S. 66-67). 4. Sprachsensibler Fachunterricht und der REPA Es stellt sich nun die Frage, wie sich eine Erweiterung der von den pluralen Ansätzen abgedeckten Bereiche der Sprachendidaktik um den sprachsensiblen Fachunterricht auf den REPA auswirkt. Da eine umfassende Antwort auf diese Frage einige strukturelle Veränderungen innerhalb bestimmter Bereiche des REPA, die Formulierung neuer Deskriptoren und die Umformulierung einiger bestehender Deskriptoren erfordern würde, können hier nur einige Anhalts‐ punkte und Beispiele gegeben werden, um den Rahmen einer künftigen Arbeit abzustecken. 4.1 Zu den Begriffen Als begriffliche Grundlage wird die für Nordrhein-Westfalen erstellte deutsch‐ sprachige „Adaption des europäischen Kerncurriculums für inklusive Förde‐ rung der Bildungssprache“ („European Core Curriculum for Inclusive Academic Language Teaching“, ECC-IALT) herangezogen. Dieses Kerncurriculum ist das Ergebnis des Comenius-Projekts EUCIM-TE (2010). Alternativ kann „Inclu‐ sive Academic Language Teaching“ (IALT) auch durch „durchgängige Sprach‐ förderung in der Bildungssprache“ wiedergegeben werden (ebd., S. 11; Pöhl‐ mann-Lang, 2015, S. 106). Das IALT-Sprachmodell bedient sich zweier zentraler Konzepte: „Genres“ und „Register“. „Genres“ bezeichnen „spezifische Text- und Diskurstypen“. In der Unterrichtssituation geht es um Genres, „mit denen Lehrkräfte in der Schule agieren und deren Verwendung von Schülern erwartet wird“. „Prototypische Genres“ sind hier „Berichte, Erzählungen, Vorgänge, Reporte, Beschreibungen, Erörterungen und Expositionen“. Diese „nehmen innerhalb von Themenberei‐ chen spezialisiertere Formen an: eine naturwissenschaftliche Erklärung […] unterscheidet sich von einer historischen Erklärung […]“ (EUCIM-TE, 2010, S. 15). 7 264 Michel Candelier <?page no="265"?> 8 Diese Deskriptoren befinden sich auf der REPA Webseite, unter „Deskriptoren“ (https: / / carap.ecml.at/ Descriptorsofresources/ 1/ tabid/ 3593/ language/ de-DE/ Default.aspx). „K“ steht für „Wissen“ („Knowledge“), „A“ für „Einstellungen und Haltungen“ („Attitudes“) und „S“ für „Fertigkeiten“ („Skills“). Sie entsprechen dem vom REPA gewählten Kom‐ petenzmodell, nach dem sie Elemente von Kompetenzen darstellen. Zu diesem Modell, siehe Schröder-Sura, 2018, S. 84-90 sowie die Rubrik „Deskriptoren / Einführung“ der REPA Webseite (http: / / carap.ecml.at/ ). Das Konzept des Registers wird in Anlehnung an Halliday verstanden als „ein ‚spezifisches Set von Bedeutungen‚ das einer bestimmten Funktion von Sprache entspricht, nämlich mit bestimmten Wörtern und Strukturen domänenspezifi‐ sche Bedeutungen zu realisieren‘“ (Halliday, 1978, S. 195; Halliday & Hasan, 1989 - zitiert nach EUCIM-TE, 2010). „Bildungssprache selbst ist somit ein Register, das sich von dem Register der Umgangssprache abgrenzen lässt. Jedes Schulfach verfügt über eigene Register, seine Fachsprache“ (EUCIM-TE, 2010, ebd.; zur Bildungssprache siehe auch Krumm, 2015). 4.2 Überlegungen zu möglichen Änderungen im REPA Bestehende REPA Deskriptoren zur Beschreibung der inneren Mehrsprachigkeit Wie in Candelier (2018, S. 346) dargestellt, verfügt der REPA in seiner aktuellen Fassung bereits über einige wenige Deskriptoren zur Beschreibung der inneren Mehrsprachigkeit, angefangen mit dem für den Bereich grundlegenden Wis‐ sensdeskriptor: 8 „K- 1.5 - Wissen, dass es immer Varietäten innerhalb einer Sprache gibt.“ Einige andere Beispiele: „K 2.1 - Kenntnisse über Sprachvarietäten in synchroner Perspektive haben (z. B. diatopische, soziale, altersbedingte oder berufsbedingte Varietäten, Varietäten für ein bestimmtes Zielpublikum (International English, Foreigner Talk, Motherese usw.)“ „A 2.2.2 - Sensibilität für (lokale, regionale, soziale oder generationsbedingte) Vari‐ anten einer Sprache (eines Dialekts usw.) oder einer Kultur.“ „S 2.7 - Diskurstypen identifizieren können.“ Bestehende REPA Deskriptoren, die sowohl im Hinblick auf äußere und auf innere Mehrsprachigkeit interpretiert werden können Andere Deskriptoren, deren Formulierung breit angelegt ist, können ohne jeg‐ liche Veränderung im Hinblick auf äußere wie auch auf innere Mehrsprachigkeit interpretiert werden. 265 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="266"?> Das gilt unter anderen für einzelne Deskriptoren aus dem Bereich „Wissen“, z.B.: „K 3.3 - Wissen, dass man das eigene kommunikative Repertoire an den sozialen und kulturellen Kontext der Kommunikation anpassen muss.“ Auch gilt es für eine größere Anzahl von Deskriptoren aus dem Bereich „Einstellungen und Haltungen“, wie: „A 1.1.2 - Sprachliche oder kulturelle Phänomene als möglichen Beobachtungs- oder Reflexionsgegenstand betrachten oder verstehen.“ „A 12.2 - Bereitschaft, seine eigenen (z. B. verbalen) Gewohnheiten, Verhaltensweisen, Werte usw. (selbst vorübergehend) abzulegen oder in Frage zu stellen. Bereitschaft andere Verhaltensweisen, Einstellungen oder Werte (selbst vorübergehend und rever‐ sibel) anzunehmen als diejenigen, die bisher für die Bildung der sprachlichen und kulturellen „Identität“ verantwortlich waren.“ Zahlreiche Deskriptoren aus dem Bereich „Fertigkeiten“ können unverändert im Hinblick auf die innere Mehrsprachigkeit verstanden werden, wie z.B.: „S 1.1 - Eine induktive Methode zum Analysieren linguistischer oder kultureller Merkmale beherrschen.“ „S 1.4 - Syntaktische und / oder morphologische Strukturen beobachten oder analy‐ sieren können.“ „S 3.1.2 - Hypothesen zur sprachlichen oder kulturellen Nähe oder Distanz aufstellen können.“ In den drei Listen (Wissen, Einstellungen und Haltungen) befinden sich Deskrip‐ toren, die im Kontext der äußeren und inneren Mehrsprachigkeit verstanden werden können und die Sprachlernkompetenz betreffen: „K 7.3 - Wissen, dass man besser lernen kann, wenn man sprachliche Unterschiede akzeptiert.“ „A 17.4 - Vertrauen in die eigenen Spracherwerbsfähigkeiten oder in die Fähigkeit, seine Sprachkompetenz auszuweiten.“ „S 7.6.1.1 - Sprachliche Hilfsmittel (z. B. zweisprachige Wörterbücher, Grammatiken usw.) einsetzen können.“ 266 Michel Candelier <?page no="267"?> Bestehende REPA Deskriptoren, die sich durch einen einfachen Zusatz so umformulieren lassen, dass sie auch für den Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts gelten Wieder andere Deskriptoren, deren Anwendungsbereich durch den Verweis auf „Sprachen“ als Bezugsgegenstand eingeengt ist, deren Relevanz aber für die Entwicklung der inneren Mehrsprachigkeit auf der Hand liegt, ließen sich ohne weiteres durch einen expliziten Zusatz der Art „und Sprachvarietäten“ so um‐ formulieren, dass sie auch für den Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts gelten könnten. Das betrifft ebenfalls alle drei Kategorien von Ressourcen (Wissen, Einstel‐ lungen und Haltungen, Fertigkeiten) sowie die in diesen Kategorien befindli‐ chen Deskriptoren der Sprachlernkompetenz. Hier einige Beispiele, bei denen der vorgeschlagene Zusatz unterstrichen wird: „K 6.6.2 - Wissen, dass ein Wort in einer Sprache bzw. Sprachvarietät mehreren Wörtern in einer anderen Sprache bzw. Sprachvarietät entsprechen kann.“ „A 2.2.2 - Sensibilität für (lokale, regionale, soziale, institutionelle oder generations‐ bedingte) Varianten einer Sprache (eines Dialekts usw.) oder einer Kultur.“ „S 2.5 - Sprachen bzw. Sprachvarietäten auf der Basis sprachlicher Formen identifi‐ zieren können.“ „K 7.2 - Wissen, dass man sich beim Erlernen von Sprachen bzw. Sprachvarietäten auf (z. B. strukturelle, diskursive oder pragmatische) Ähnlichkeiten zwischen Sprachen bzw. Sprachvarietäten stützen kann.“ „S 7.3.2 - Das deklarative und prozedurale Vorwissen und die Kompetenzen in einer Sprache bzw. einer Sprachvarietät zum Erwerb einer anderen Sprache einsetzen können. An dieser Stelle soll betont werden, dass die unter den Punkten 1 bis 3 oben dargelegten Fälle, sowie die Häufigkeit der Deskriptoren, die ihnen entsprechen, eine konkrete Illustration der engen Beziehung darstellen, die den didaktischen Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts mit anderen Bereichen der Spra‐ chenerziehung im Curriculum verbindet (vgl. Kapitel 3). Die Häufigkeit spricht auch dafür, dass dieser Bereich von dem REPA abgedeckt werden soll. Bestehende REPA Deskriptoren, die für den Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts nicht relevant sind Eine Reihe von Deskriptoren können von vornherein für den Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts als nicht relevant betrachtet werden, weil sie 267 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="268"?> nicht den Herausforderungen entsprechen, denen die Lernenden in diesem Bereich begegnen. Das ist z. B. für folgende Deskriptoren der Fall: „S 1.2.3 - Silben trennen oder segmentieren können.“ „S 3.2.4 - Sprachen beim Hören vergleichen können.“ Einführung neuer Deskriptoren Natürlich bedeutet eine Erweiterung des REPA um den Bereich des sprachsen‐ siblen Fachunterrichts auch die Einführung von neuen Deskriptoren. Die folgenden Anmerkungen stellen lediglich einige partielle und provisori‐ sche Andeutungen auf das zu erreichende Ergebnis dar. Mit einigen seltenen Ausnahmen (wie Punkt S 2.7. auf S. 265, in dem von Diskurstypen die Rede ist) befinden sich die oben angeführten Deskriptoren auf der allgemeinen Ebene der inneren Sprachvarietät, für die die Frage der Sprachvarietäten im schulischen Diskurs ein Einzelfall ist, auch wenn sie für Lehr- und Lernprozesse eine zentrale Bedeutung besitzt. Ziel der neu zu formulierenden Deskriptoren wird es sein, das Wissen, die Einstellungen und Haltungen sowie die Fertigkeiten zu beschreiben, die durch den Rückgriff auf plurale Ansätze zu einer (Weiter-)Entwicklung von Registern und Genres in den verschiedenen Fächern beitragen können. Genauer gesagt, und in Anlehnung an die Deskriptorenkategorien, die für andere Bereiche der sprachlichen Bildung als notwendig erschienen sind, soll es sich etwa um Kenntnisse über das Vorhandensein solcher Register und Genres, über ihre Anwendungsbereiche und lexikalischen / syntaktischen Besonderheiten handeln, um Einstellungen den verschiedenen Registern gegenüber, um die Bereitschaft zum Umgang mit den Registern und zur Befolgung der Normen der verschiedenen Genres sowie um das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Überwindung möglicher Sprachhürden. Hinzu kommen auch Fertigkeiten, die es ermöglichen, Register und Genres auf ihre Eigenschaften hin zu analysieren, zu vergleichen, zu identifizieren und über solche Erscheinungen zu sprechen. Lernende sollen auch Register und Genres situationsangemessen und zielgerecht anwenden und variieren können und einen in einem Register ausgedrückten Inhalt in einem anderen Register wiedergeben können, im Sinne der im Fremdsprachenunter‐ richt praktizierten Sprachmittlung bzw. Mediation. Zur Illustration können folgende Beispiele angeführt werden, die zugleich zeigen, dass der Platz neuer Deskriptoren in manchen Fällen durch die schon existierende Struktur des REPA bestimmt wird. Ein Deskriptor wie „Die Rolle der verschiedenen, in der Schule verwen‐ deten Register kennen“ könnte unter „K 2.5 - Einige besondere Merkmale 268 Michel Candelier <?page no="269"?> 9 Auch die Analyse von existierenden Unterrichtsmaterialien kann zu diesem Zweck nützlich sein. Interessante Beispiele befinden sich auf der Webseite des ECML-Pro‐ jekts „Pluralität im Sachfach für vertieftes Lernen“ (https: / / pluriliteracies.ecml.at/ ). Die Publikation weiterer Materialien ist Teil des noch laufenden ECML-Projekts „Developing language awareness in subject classes“, das sich teilweise mehrsprachig‐ keitsdidaktischen Prinzipien verpflichtet (https: / / languageinsubjects.ecml.at/ ). In dem Vorgängerprojekt „Language skills for successful subject learning - CEFR linked descriptors for mathematics and history/ civics“ sind Deskriptoren enthalten, die keine Beziehung zur Mehrsprachigkeitsdidaktik aufweisen und deshalb zur Herstellung von REPA Deskriptoren keinen Beitrag leisten können (www.ecml.at/ ECML-Programme/ P rogramme2012-2015/ LanguageDescriptors/ tabid/ 1800/ language/ fr-FR/ Default.aspx). der eigenen sprachlichen Situation oder der eigenen sprachlichen Umgebung kennen“ eingesetzt werden, ggf. als Ergänzung zu „K 2.5.2 - Die Rolle der verschiedenen Umgebungssprachen kennen (z. B. die gemeinsame Sprache und die Schulsprache, die Sprache innerhalb der Familie usw.)“. Unter dem folgendermaßen revidierten Deskriptor „K 6.8 - Wissen, dass die Anordnung von Aussagen von Sprache bzw. Sprachvarietät zu Sprache bzw. Sprachvarietät variieren kann“ könnte ein Deskriptor erscheinen wie „Einige syntaktische Merkmale kennen, die verschiedene in der Schule verwendete Genres und Register voneinander unterscheiden“. Als „Unterdeskriptoren“ könnten dann z. B., mit je nach Sprache zum Teil unterschiedlichem Inhalt, einige der in Beacco (2010, S. 19-20) aufgeführten Formen (Konjunktionen, Parataxe…) formuliert werden. Das gilt natürlich auch für Bereiche des REPA, die sich mit der Entwicklung von Lernkompetenzen befassen. Der modifizierte Deskriptor „S 7.3.2 - Das deklarative und prozedurale Vorwissen und die Kompetenzen in einer Sprache bzw. Sprachvarietät zum Erwerb einer anderen Sprache bzw. Sprachvarietät einsetzen können“ könnte durch den Unterdeskriptor „Das Vorwissen und die Kompetenzen in einer Schulfachsprache (z. B. der Sprache der Mathematik) zum Erwerb anderer Schulfachsprachen einsetzen können“ spezifiziert werden. Ein solcher Deskriptor hätte auch den Vorteil, Lehrende verschiedener Fächer auf die Notwendigkeit einer engeren Kooperation auf sprachlichem Niveau aufmerksam zu machen. Hierbei kann dann zwischen fachspezifischer und fach‐ übergreifender Wissenschaftssprache unterschieden werden (fachspezifisch z. B. hypotenuse (engl.) und hypoténuse (franz.) und fachübergreifend z. B. to analize und analyser). Selbstverständlich muss sich eine solche Erweiterung des REPA auf die umfangreiche Literatur zu dem Thema sprachsensibler Fachunterricht stützen sowie auf die Kooperation mit FachspezialistInnen. 9 269 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="270"?> 10 Der in der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik geläufig benutzte Begriff „Sprachmittlung“ deckt nur einen Teil der Mediation ab, wie sie im Companion Volume aufgefasst wird (siehe Council of Europe, 2018, S. 103 u. ff.; North & Piccardo, 2016, insbesondere S. 9-12). Zur besseren Lesbarkeit des Textes wird hier das deutsche Wort „Mediation“ als Äquivalent des englischen „mediation“ verwendet. Zu dem Begriff „mediation / médiation“, siehe auch Coste & Cavalli (2015). 5. Die Frage des sprachsensiblen Fachunterrichts im Companion Volume des GER Der in Ergänzung zum GER erschienene Companion Volume with new despriptors (Council of Europe, 2018, fortan mit „Companion Volume“ referiert) beschreibt unter anderem die mehrsprachigen und interkulturellen Dimensionen der sprachlichen Bildung. Es stellt sich also die Frage, ob dieses Dokument auch die mit dem sprachsensiblen Fachunterricht verknüpften Aspekte der Mehrspra‐ chigkeitsdidaktik aufgreift. Im Companion Volume werden Kompetenzen, die durch plurale Ansätze spezifisch entwickelt werden können, an zwei Stellen behandelt: • zum einen innerhalb von Skalen, die der Sprachmittlung entsprechen und sich im Bereich Mediation („mediation“) befinden (Council of Europe, 2018, S. 103 u. ff.) und • zum anderen in den Skalen der Kategorie Mehrsprachige und mehrkultu‐ relle Kompetenz („Plurilingual and pluricultural competence“: „Building on pluricultural repertoire“, „Plurilingual comprehension“ und „Building on plurilingual repertoire“) (ebd., S. 157 u. ff.; für einen Vergleich zwischen den Deskriptoren dieser Kategorie und den Deskriptoren des REPA, siehe Candelier, 2017). Der Begriff Mediation ist im Companion Volume im Vergleich zum GER (Council of Europe, 2001, Kapitel 4.4.4; North & Piccardo, 2016, S. 5-6) erheblich breiter gefasst und bezieht auch andere Bereiche als den Fremdsprachenunterricht mit ein: 10 “[…] the mediation descriptors have, at least potentially, a broader application, parti‐ cularly in relation to the teaching and learning of languages across the curriculum, including the language of schooling. This is breaking new ground. Unlike with the original CEFR illustrative descriptors, or the other two related descriptor projects (updating the 2001 scales; collating descriptors for young learners) the focus was not on foreign languages.” (North & Piccardo, 2016, S. 46, auch S. 4). 270 Michel Candelier <?page no="271"?> Dies gilt ebenfalls für die Kategorie „Mediating a Text“, in der Deskriptoren angesiedelt sind, die der „Sprachmittlung“ entsprechen. Sie enthalten die For‐ mulierung „Language A and Language B“, wobei betont wird, dass diese folgendermaßen zu interpretieren ist: „[…] Language A and Language B may be two different languages, two varieties of the same language, two registers of the same variety, or any combination of the above. However, they may also be identical: the CEFR is clear that mediation may be in one language.“ (Council of Europe, 2018, S. 107) In einigen Deskriptoren erscheinen Operatoren wie „zusammenfassen“, „er‐ klären“, „paraphrasieren“ (ebd., S. 111-113), die - vorausgesetzt man ersetzt „Sprache A“ und „Sprache B“ durch Varietäten wie „Kommunikative Alltags‐ sprache“ / „Bildungssprache“ oder „Fachsprache“ - für Kompetenzen charakte‐ ristisch sind, die im Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts angestrebt werden. Diese Dimension der sprachlichen Bildung wird im Companion Volume allerdings nicht erwähnt. Allgemein zeigen die Deskriptoren der Kategorie „Mediating a Text“, dass sie, wie auch die anderen Teile des Companion Volume, in der Perspektive des Fremdsprachenunterrichts formuliert worden sind. Davon zeugen konkrete Angaben wie der Hinweis auf die Benutzung eines Wörterbuchs für die nied‐ rigen Stufen der Skalen (vgl. „Can, with the help of a dictionary, render in (Language B) simple phrases written in (Language A), but may not always select the appropriate meaning“, Stufe A1 der Skala „Processing test in writing“, ebd., S. 112). In der Einführung zu den Skalen der Kategorie mehrsprachige und mehrkul‐ turelle Kompetenz („Plurilingual and pluricultural competence“) wird auf die Auffassung der mehrsprachigen Kompetenz im GER (Council of Europe, 2001, Kapitel 1.3) verwiesen, wobei einige Sprachhandlungen aufgezählt werden, die diese Kompetenz ermöglicht. Bemerkenswert ist, dass bei diesen Handlungen nicht nur „Sprachen“ („languages“) ins Spiel kommen, sondern auch Sprach‐ varietäten, wie in „[…] switch from one language (or dialect, or variety) to another“ (Council of Europe, 2018, S. 28). In den Skalen selbst (ebd., S. 159-162) bleibt es aber bei „languages“: Es geht nur noch um äußere Mehrsprachigkeit, die innere Mehrsprachigkeit - und damit jede Beschäftigung mit Fragen des sprachsensiblen Fachunterrichts - wird nicht berücksichtigt. Zusammenfassend scheint auf die Frage, ob die neuen GER-Deskriptoren, die sich mit mehrsprachigen Kompetenzen befassen, sich auf andere sprachlichen Dimensionen des Curriculums als die des Fremdsprachenunterrichts beziehen, folgende Antwort angebracht zu sein: 271 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="272"?> Potentiell (siehe „potentially“, S. 268 oben) - das heißt nach den dargelegten Prinzipien - könnte das der Fall sein für einen Teil solcher Deskriptoren, und zwar für diejenigen, die Kompetenzen der Sprachmittlung bzw. Mediation beschreiben, aber nicht für die anderen. In der Tat bleiben diese Deskriptoren, ob im Bereich der Mediation oder nicht, auf den Fremdsprachenunterricht beschränkt. 6. Zusammenfassung und Perspektive In diesem Beitrag wurden Argumente vorgelegt und Möglichkeiten diskutiert, den Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen als ein Instru‐ ment zur Beschreibung der mehrsprachigen und interkulturellen Kompetenzen um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts zu erweitern. Diese für die Chancengleichheit der SchülerInnen wesentliche Dimension wurde in ihren Grundzügen beschrieben und die Relevanz der pluralen Ansätze für ihre Umsetzung bestätigt. Schließlich wurden mögliche Schritte für die Erweiterung der Deskriptorensätze exemplarisch aufgezeigt. Aktuell scheint es keinen anderen Referenzrahmen zu geben, der diesen Bereich abdeckt. Die Weiterentwicklung der angeführten Vorüberlegungen zur Erweiterung des REPA könnte deshalb einen wünschenswerten Beitrag zur Sichtbarmachung der möglichen Synergien zwischen dem Bereich des sprachsensiblen Fachunterrichts und den anderen Bereichen der sprachlichen Bildung und somit zur Bereicherung der Schulpraxis darstellen. Bibliographie Beacco, Jean-Claude; Coste, Daniel; van de Ven, Piet-Hein & Vollmer, Helmut (2010). Language and school subjects - Linguistic dimensions of knowledge buil‐ ding in school curricula. Strasbourg: Council of Europe. Veröffentlicht unter: htt ps: / / rm.coe.int/ CoERMPublicCommonSearchServices/ DisplayDCTM Content? docu‐ mentId=09000016805a0c1b Beacco, Jean-Claude; Byram, Michael; Cavalli, Marisa; Coste, Daniel; Egli Cuenat, Mirjam; Goullier, Francis & Panthier, Johanna (2016). Guide pour le développement et la mise en œuvre de curriculums pour l’éducation plurilingue et interculturelle. Strasbourg: Counseil de l‘Europe. 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Veröffentlicht unter: https: / / rm.coe.int/ 16805a1caf Wandruszka, Mario (1971). Interlinguistik - Umrisse einer neuen Sprachwissenschaft. München: Piper. Wandruszka, Mario (1981). Die Mehrsprachigkeit des Menschen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Webseiten Platform of resources and references for plurilingual and intercultural education. Stras‐ bourg, Council of Europe. www.coe.int/ en/ web/ platform-plurilingual-intercultural-l anguage-education/ home REPA-Webseite. http: / / carap.ecml.at 275 Erweiterung des REPA um die Dimension des sprachsensiblen Fachunterrichts <?page no="277"?> Die AutorInnen und Herausgeberinnen Behr, Ursula, Dr. Ursula Behr war bis 2018 Fachreferentin für Russisch und Arbeitsbereichslei‐ terin der Lehrplan- und Fachentwicklung am Thüringer Institut für Lehrerfort‐ bildung, Lehrplanentwicklung und Medien in Bad Berka. Sie ist Mitherausge‐ berin und Autorin der Lehrwerkreihe Dialog (Bd. 1-3) für den Russischunterricht (Cornelsen 2008-2010) sowie Mitherausgeberin der Zeitschrift PRAXIS Fremd‐ sprachenunterricht. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Curriculumentwicklung, sprachenübergreifendes Lehren und Lernen sowie Didaktik Russisch als Fremdsprache. Ausgewählte Veröffentlichungen: Behr, Ursula (2007). Sprachenübergreifendes Lernen und Lehren in der Sekundarstufe I. Ergebnisse eines Kooperationsprojektes der drei Phasen der Lehrerbildung. Tübingen: Narr (Reihe: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Behr, Ursula (2010). Zur Typologie von Übungen zum sprachenübergreifenden Lernen in der Sekundarstufe I. In: Peter Doyé & Franz-Joseph Meißner (Hrsg.) Lernerautonomie durch Interkomprehension (S. 107-116). Tübingen: Narr (Reihe: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Behr, Ursula (2014). Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht. In: A. Bergman, (Hrsg.) Fachdidaktik Russisch (S. 228-240). Tübingen: Narr. Behr, Ursula (2015). Sprachmittlung als Lernbereich in den Thüringer Lehrplänen für den Fremdsprachenunterricht. In: Martina Nied Curcio, Peggy Katelhön, Ivana Bašić (Hrsg.) Sprachmittlung - Mediation - Mediazione linguistica. Ein deutsch-italienischer Dialog (S. 41-51). Berlin: Franke & Timme. Behr, Ursula (2015). Sprach(en)bewusstheit und Sprachlernkompetenz. Ihre Bedeutung für das Sprachenlernen. PRAXIS Fremdsprachenunterricht. Basisheft. H. 4/ 2015. 11-13. Oldenbourg: München. Behr, Ursula (2016). Sprachenübergreifende Kompetenzen in den Thüringer Lehrplänen und deren unterrichtliche Umsetzung. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachen‐ unterricht 21: 2, 76-84. Abrufbar unter http: / / tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/ index.p hp/ zif/ . Candelier, Michel, Prof. (em.) Dr. Michel Candelier ist emeritierter Professor an der Universität Le Mans, Frank‐ reich und widmet sich in seiner Forschung vorwiegend der Didaktik der <?page no="278"?> Mehrsprachigkeit und den Bedingungen ihrer Implementierung. Er hat mehrere europäische Projekte koordiniert, darunter das durch die Europäische Kommis‐ sion geförderte Programm Evlang (Éveil aux Langues) sowie das vom Europarat geförderte Projekt CARAP / REPA (Cadre de référence pour les approches pluri‐ elles des langues et des cultures / Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen). Er ist Ehrenpräsident mehrerer Fachverbände, wie der Internatio‐ nalen Gesellschaft für Bildung und sprachliche und kulturelle Vielfalt (EDiLiC) und des internationalen Dachverbands der Fremdsprachenlehrervereinigungen FIPLV. Ausgewählte Veröffentlichungen: Candelier, Michel (2003). Evlang - l’éveil aux langues à l’école primaire - Bilan d’une innovation européenne. Bruxelles: De Boek - Duculot. Candelier, Michel; Camilleri-Grima, Antoinette; Castellotti, Véronique; de Pietro, Jean-François; Lőrincz, Ildikó; Meißner, Franz-Joseph; Schröder-Sura, Anna; Nogu‐ erol, Artur & Molinié, Muriel (2012). Le CARAP - Un Cadre de Référence pour les Approches plurielles des langues et des cultures - Compétences et ressources. Strasbourg: Council of Europe. Veröffentlicht unter: https: / / carap.ecml.at/ Components/ tabid/ 266 8/ language/ fr-FR/ Defau lt.aspx Candelier, Michel (2017). Le CECR, le CARAP et quelques autres - Repères sur la diffusion du message plurilingue. In Jean-Claude Beacco & Christian Tremblay (Hrsg.) Plurilinguisme et éducation, volume 1 (S. 65-79). Paris: L’Observatoire européen du plurilinguisme. Candelier, Michel & Martine Kervran (2018). 1997-2017: Twenty Years of Innovation and Research about Awakening to Languages-Evlang Heritage. In International Journal of Bias Identity and Diversities in Education, 3(1),10-21 Candelier, Michel (2019). Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen: Zur Nützlichkeit eines Begriffs und eines Referenzrahmens für die Sprachendidaktiken in Deutschland. In Charlott Falkenhagen, Hermann Funk, Marcus Reinfried & Laurenz Volkmann (Hrsg.) Sprachenlernen integriert - global, regional, lokal (S. 43-60). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Fliri, Benjamin Benjamin Fliri studierte Deutsch und Englisch auf Lehramt an der Universität Innsbruck und am University College London. Er ist aktuell Dissertant am Institut für Fachdidaktik, Bereich Didaktik der Sprachen, an der Universität Innsbruck, wo er seine Doktorarbeit im Bereich der Mehrsprachigkeitsdidaktik verfasst. In dieser befasst er sich mit der Professionalisierung in der Lehramts‐ ausbildung und leistet dabei einen evidenzbasierten Beitrag zur Erforschung 278 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="279"?> der PädagogInnenbildung Neu in Österreich. Zudem ist Benjamin Fliri seit 2016 Lehrer an unterschiedlichen Sekundarschulen in Innsbruck und Umgebung. Ausgewählte Veröffentlichungen: Fliri, Benjamin (Hrsg., 2018). ÖGSD Tagungsberichte Vol. 4: 10. Nachwuchstagung. Sprachendidaktik: Der wissenschaftliche Nachwuchs im Dialog. (Proceedings of the 10th ÖGSD Young Researchers Conference). 26. Mai 2018, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (52 Seiten). Graz: ÖGSD. Medieneigentümer: Österreichische Gesellschaft für Sprachendidaktik (ÖGSD). Graz. Helmchen, Christian, Dr. Christian Helmchen promovierte im Bereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg und ist derzeit für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Kabul, Afghanistan tätig. Seine For‐ schungsschwerpunkte liegen im Bereich der Fremdsprachendidaktik sowie der pädagogischen Psychologie. Ausgewählte Veröffentlichungen: Helmchen, Christian & Sílvia Melo-Pfeiffer (Hrsg., 2018). Plurilingual literacy practices at school and in teacher education. Berlin: Peter Lang. Helmchen, Christian & Sílvia Melo-Pfeiffer (2018). Professional development of future foreign language teachers during short-term exchanges. On the Horizon, Vol 24, Issue 2. (special issue). Melo-Pfeifer, Sílvia & Helmchen, Christian (2018). Multiliteralität in visuellen Narrativen von mehrsprachigen Kindern im Rahmen des KOINOS Projekts. Leseforum.ch, 2(18). Melo-Pfeifer, Sílvia & Helmchen, Christian (2019). Mehrsprachige und interkulturelle „e-Fliegende Teppiche“. Ein „multiliteracies“-Ansatz für den Fremdsprachenunter‐ richt. Praxis Fremdsprachenunterricht, 1(2019). Hinger, Barbara, Univ.-Prof. Dr. Barbara Hinger ist Universitätsprofessorin für Fremdsprachendidaktik am Institut für Romanistik an der Universität Graz. Sie hat Spanisch und Ge‐ schichte/ Sozialkunde für das Lehramt an der Universität Graz und der Univer‐ sitat Barcelona studiert und an der Universität Innsbruck mit einer Arbeit in Spanischdidaktik promoviert. 2012 erhielt sie die Lehrbefugnis für „Roma‐ nische Sprachwissenschaft und Sprachendidaktik“. Ihre Habilitationsschrift beschäftigte sich mit dem Erwerb, der Vermittlung und der Überprüfung des Spanischen im schulischen Kontext. Ihr aktuelles Forschungsinteresse richtet sich insbesondere auf den morphosyntaktischen Erwerb von Fremdsprachen und das classroom based assessment von Sprachen. 279 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="280"?> Ausgewählte Veröffentlichungen: Hinger, Barbara (2018) Sprachliche Diversität in einem sprachenübergreifenden Ausbil‐ dungsmodell: Ausgewählte Einblicke in das Innsbrucker Modell der Fremdsprachen‐ didaktik (IMoF), in: Monika Dannerer, Peter Mauser (Hrsg.) Formen der Mehrsprachig‐ keit. Sprachen und Varietäten in sekundären und tertiären Bildungskontexten (S. 287- 309). Tübingen: Stauffenburg. In Kooperation mit Katrin Schmiderer. Hinger, Barbara (2019). Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik im Lern- / Lehrkontext Studium und Universität, in: F.-J. Meißner & Ch. Fäcke (Hrsg.) Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik (S. 359-362). Tübingen: Narr Verlag. Hinger, Barbara (2019). Sprachliche und kulturelle Diversität angehender Fremdspra‐ chenlehrkräfte am Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik - Chancen und Herausforderungen, in: Maria Juen, Zekirija Sejdini, Tuna H. Mehmed, Martina Kraml (Hrsg.) Dritte „Tagung der Fachdidaktik“: Religiöse und (sozio)kulturelle Vielfalt in Fachdidaktik und Unterricht (S. 167-184). Innsbruck: innsbruck university press (IUP). Innsbrucker Beiträge zur Fachdidaktik 6. In Kooperation mit Katrin Schmiderer. Hinger, Barbara (2020). A Cross-linguistic and Multilingual Pre-Service Teacher Edu‐ cation Program: Insights from the Innsbruck Model of Foreign Language Teacher Education, in: Peter Mickan, Ilona Wallace (Hrsg.) The Routledge Handbook of Lang‐ uage Curriculum Design (S. 274-288). London, New York, Routledge. In Kooperation mit Eva Maria Hirzinger-Unterrainer und Katrin Schmiderer Hirzinger-Unterrainer, Eva M., assoz. Prof. Dr. Eva M. Hirzinger-Unterrainer ist assoziierte Professorin am Institut für Fach‐ didaktik/ Bereich Didaktik der Sprachen an der Universität Innsbruck. Sie absolvierte das Lehramtsstudium aus Italienisch und Psychologie / Pädagogik / Philosophie und das Diplomstudium der Pädagogik, Studienzweig Medienpäd‐ agogik. Ferner promovierte sie mit einer empirischen Arbeit zu den subjektiven Theorien Studierender über das ‚Innsbrucker Modell der Fremdsprachendi‐ daktik‘ (IMoF). Ihre Habilitationsschrift trägt den Titel „Medienunterstützter Wortschatzerwerb im gesteuerten Kontext. Eine empirische Studie im Italie‐ nischunterricht der Sekundarstufe II“. Ihre Forschungsinteressen liegen im Be‐ reich der (sprachenübergreifenden) Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften, des Einsatzes von digitalen Medien im (schulischen) Sprachenunterricht und des mobilen Lernens sowie des Wortschatzerwerbs. Ausgewählte Veröffentlichungen: Hirzinger-Unterrainer, Eva-Maria (2013). Eine sprachenübergreifende Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik aus studentischer Perspektive. Das „Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik“ (IMoF). Bern et al.: Peter Lang. 280 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="281"?> Hirzinger-Unterrainer, Eva Maria (2014). Bildung von Team-Bewusstsein als Strategie am Beispiel der universitären Ausbildung in der Fremdsprachendidaktik. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 25(2), 143-174. Hirzinger-Unterrainer, Eva Maria (2014). Mobile learning nella classe d’italiano L2. Imparare il lessico con i podcast. Educazione Linguistica.Linguistic Education 3(1), 113-129. Hirzinger-Unterrainer, Eva Maria (2014). Teacher Trainees’ Attitudes to Technology in EFL Pedagogy in Austria. In Marina Dodigovic (Hrsg.). Attitudes to Technology in ESL / EFL Pedagogy (S. 81-98). Dubai: TESOL Arabia Publications. Hirzinger-Unterrainer, Eva Maria (2016). Medienunterstützter Wortschatzerwerb am Beispiel des Italienischen. In Barbara Hinger (Hrsg.) Zweite „Tagung der Fachdidaktik“ 2015. Sprachsensibler Sach-Fach-Unterricht - Sprachen im Sprachunterricht (S. 293-321). Innsbruck: innsbruck university press (IUP). Hirzinger-Unterrainer, Eva M. (2020). A Cross-linguistic and Multilingual Pre-Service Teacher Education Program: Insights from the Innsbruck Model of Foreign Language Teacher Education. In Peter Mickan, Ilona Wallace (Hrsg.) The Routledge Handbook of Language Curriculum Design (S. 274-288). London, New York, Routledge. In Kooperation mit Barbara Hinger und Katrin Schmiderer. Kordt, Birgit, Dr. Birgit Kordt ist Lehrerin für Englisch, Musik und ev. Religion am Zeppelin-Gym‐ nasium Lüdenscheid. Sie promovierte im Bereich Literaturwissenschaften Anglistik. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Mehrsprachigkeitsdidaktik sowie im Bereich des bilingualen Unterrichts (Englisch / Musik). Ihre For‐ schungsschwerpunkte sind die Umsetzung des EuroComGerm-Konzepts in der Schule sowie die Affordanztheorie im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik. Ausgewählte Veröffentlichungen: Kordt, Birgit (2015). Die Affordanzwahrnehmung von SchülerInnen bei der schulischen Umsetzung des EuroComGerm-Konzepts - Einblicke in eine explorativ-interpretative Studie. In Elisabeth Allgäuer-Hackl, Kristin Brogan, Ute Henning, Britta Hufeisen & Joachim Schlabach (Hrsg.) MehrSprachen? - PlurCur! Berichte aus Forschung und Praxis zu Gesamtsprachencurricula (S. 85-106). Hohengehren: Schneider. Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen 11. Kordt, Birgit (2015). Sprachdetektivische Textarbeit. Praxis Fremdsprachenunterricht - Englisch. Heft 4, 4-8. Kordt, Birgit (2018). Affordance theory and multiple language learning and teaching. International Journal of Multilingualism, 15 (2), 135-148. Kordt, Birgit (2018). Herausforderungen und Chancen eines affordanztheoretischen An satzes in der Fremdsprachenforschung mit Beispielen aus einer Studie zur Umsetzung 281 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="282"?> von EuroComGerm in der Schule. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 29 (2), 147- 168. Melo-Pfeifer, Sílvia, Prof. Dr. Sílvia Melo-Pfeifer ist seit 2014 Professorin für Didaktik der romanischen Spra‐ chen (Französisch und Spanisch) an der Universität Hamburg. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium für Französisch und Portugiesisch an der Universität Aveiro, Portugal, wo sie 2006 auch im Bereich Sprachendidaktik promovierte. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Didaktik der Mehrsprachigkeit, Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen, Portugiesisch als Herkunftssprache und FremdsprachenlehrerInnenausbildung. Ausgewählte Veröffentlichungen: Melo-Pfeifer, Sílvia (2015). “An interactional perspective on intercomprehension between Romance Languages: translanguaging in multilingual chatrooms”. Fremdsprachen Lehren und Lernen. Zur Theorie und Praxis des Sprachunterrichts an Hochschulen, 44/ 2 (100-113). Helmchen, Christian & Melo-Pfeifer, Sílvia (Hrsg., 2018). Plurilingual literacy practices at school and in teacher education. Berlin: Peter Lang. Melo-Pfeifer, Sílvia & Reimann, Daniel (2018, Hrsg.). Plurale Ansätze im Fremdsprachen‐ unterricht in Deutschland. State of the art, Implementierung des REPA und Perspektiven. Tübingen: Narr Kalaja, Paula & Melo-Pfeifer, Sílvia (ed.) (2019). Visualising Multilingual Lives More Than Words. Clevedon: Multilingual Matters. Melo-Pfeifer, Sílvia (2020). Intercomprehension in the mainstream language classroom at secondary school level: how online multilingual interaction fosters foreign language learning. In Joana Duarte & Claudine Kirsch (Hrsg.) Multilingual approaches for teaching and learning - From acknowledging to capitalising on multilingualism in European mainstream education (S. 94-113). London: Routledge. Neveling, Christiane, Prof. Dr. Christiane Neveling ist seit 2008 Professorin für Didaktik der romanischen Spra‐ chen an der Universität Leipzig. Nach dem Französisch- und Spanischstudium in Göttingen, Referendariat, Schuldienst und Promotion in Berlin lehrt sie in der Ausbildung der Schulsprachen Französisch, Spanisch und Italienisch. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Vermittlung von Wortschatz und den lexikali‐ schen Strategien, den sie regelmäßig in Fortbildungen in die Praxis transferiert. Ein neueres Forschungsinteresse liegt in der Erforschung von Mehrsprachigkeit, insbesondere von Einstellungen und gängigen Unterrichtspraktiken sowie die Erstellung von Übungen zur Förderung des sprachenübergreifenden Lernens. 282 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="283"?> Kleinere Interessensbereiche liegen in der Übersetzung und Didaktisierung von spanischen Märchen aus der Region Extremadura. Ausgewählte Veröffentlichungen: Neveling, Christiane (2017). „…weil man manche Wörter so ähnlich wie im Englischen oder Russischen schreibt“ - Was LehrerInnen und SchülerInnen über Mehrsprachig‐ keit im Fremdsprachenunterricht denken und wie sie sie umsetzen. In: Maria Hallitzky & Christopher Hempel (Hrsg.) Unterrichten als Gegenstand und Aufgabe in Forschung und Lehrerbildung. Beispiele aus der (fach)didaktischen Forschungspraxis (S. 69-85). Leipziger Universitätsverlag. Neveling, Christiane (2017). „… weil auch der Satzbau ähnlich ist“ - Wie Schüler und Schülerinnen sprachenverbindendes Lernen einschätzen und praktizieren. Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 2, 61-84. Neveling, Christiane (2017). Lehr- und Lernmaterialien zum sprachenverbindenden Lernen. In: Joachim Appel, Stefan Jeuk & Jürgen Mertens (Hrsg.) Sprachenlehren. 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung in Ludwigsburg. 30.September 2015 - 3. Oktober 2015. Kongressband (S. 331-335). Beiträge zur Fremd‐ sprachenforschung Band 14. Neveling, Christiane (2019). Sprachenübergreifende Unterrichtsmaterialien. Anre‐ gungen für eine Kooperation zwischen Lehrkräften verschiedener Sprachen. Praxis Fremdsprachenunterricht 5/ 2019, 5-7. Gemeinsam mit Steffi Morkötter und Anna Schröder-Sura. Neveling, Christiane (2019). Latein - ein Weg zur Mehrsprachigkeit? In: Christiane Fäcke & Franz-Joseph Meißner (Hrsg.) Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitäts‐ didaktik (S. 433-436). Tübingen: Narr. Neveling, Christiane (2019). Spanisch. In: Christiane Fäcke & Franz-Joseph Meißner (Hrsg.) Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik (S. 446-450). Tü‐ bingen: Narr. Prokopowicz, Tanja, Dr. Nach ihrem Lehramtsstudium war Tanja Prokopowicz von 2009-2014 als wis‐ senschaftliche Mitarbeiterin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Arbeitsbe‐ reich Didaktik der romanischen Sprachen und Kulturen, tätig. Als Stipendiatin der Herbert und Ingeborg Christ-Stiftung für das Lehren und Lernen fremder Sprachen wurde sie dort 2015 promoviert. Aktuell ist sie mit den Fächern Eng‐ lisch und Französisch an der Abendschule für Erwachsene in Frankfurt am Main tätig. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Mehrsprachigkeitsdi‐ daktik sowie Fremdsprachenlernen in medial vermittelten Lernarrangements. 283 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="284"?> Ausgewählte Veröffentlichungen: Prokopowicz, Tanja (2017). Mehrsprachige Kompetenz durch Interkomprehension. Eine explorative Fallstudie zu romanischer Mehrsprachigkeit aus der Sicht deutschsprachiger Studierender. Tübingen: Narr. Prokopowicz, Tanja (2019). Interkulturelle Kommunikation in mehrsprachigen Lernar‐ rangements. In: Christiane Fäcke & Franz-Joseph Meißner (Hrsg.) Handbuch Mehr‐ sprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik (S. 433-436). Tübingen: Narr. Schmiderer, Katrin Katrin Schmiderer ist Universitätsassistentin am Institut für Fachdidaktik, Be‐ reich Didaktik der Sprachen, an der Universität Innsbruck. Sie studierte Lehramt für die Unterrichtsfächer Italienisch und Spanisch sowie Translationswissen‐ schaft und promoviert aktuell zum produktiven und rezeptiven Spracherwerb des Italienischen im schulischen Kontext. Im Rahmen ihrer Tätigkeit am Institut für Fachdidaktik beschäftigt sie sich auch mit Mehrsprachigkeit in der Ausbil‐ dung künftiger FremdsprachenlehrerInnen. Zudem ist sie als freiberufliche Sprachentrainerin und Italienisch- und Spanischlehrerin an einem Gymnasium tätig. Ausgewählte Veröffentlichungen: Schmiderer Katrin & Hinger, Barbara (2018). Sprachliche Diversität in einem sprachen‐ übergreifenden Ausbildungsmodell. Ausgewählte Einblicke in das Innsbrucker Modell der Fremdsprachendidaktik (IMoF). In: Monika Dannerer & Peter Mauser (Hrsg.) Formen der Mehrsprachigkeit. Sprachen und Varietäten in sekundären und tertiären Bildungskontexten (S. 287-309). Tübingen: Stauffenburg. Schmiderer, Katrin & Hinger, Barbara (2019). „Sprachliche und kulturelle Diversität angehender Fremdsprachenlehrkräfte am Innsbrucker Modell der Fremdsprachendi‐ daktik - Chancen und Herausforderungen.“ In: Maria Juen, Zekirija Sejdini, Tuna H. Mehmed, Martina Kraml (Hrsg.) Dritte „Tagung der Fachdidaktik“: Religiöse und (sozio)kulturelle Vielfalt in Fachdidaktik und Unterricht (S. 167-184). Innsbruck: inns‐ bruck university press (IUP). Innsbrucker Beiträge zur Fachdidaktik 6. Schmiderer, Katrin; Hirzinger-Unterrainer, Eva & Hinger, Barbara (2020). A cross-lin‐ guistic and multilingual pre-service teacher education program: insights from the Innsbruck Model of Foreign Language Teacher Education (IMoF). In: Peter Mickan & Ilona Wallace (Hrsg.) The Routledge Handbook of Language Curriculum Design (S. 274-288). London-New York, Routledge. 284 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="285"?> Die Herausgeberinnen Morkötter, Steffi, Prof. Dr. Steffi Morkötter studierte die Fächer Englisch, Französisch und Italienisch für das Lehramt an Gymnasien. Seit 2014 ist sie Professorin für Fremdspra‐ chendidaktik an der Universität Rostock. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der Mehrsprachigkeitsdidaktik und -förderung, der (Weiter-)Ent‐ wicklung von Sprachlernkompetenz und des bilingualen Lernens und Lehrens. Schmidt, Katja, Dr. Katja Schmidt studierte die Fächer Englisch und Russisch für das Lehramt an Gymnasien. Seit 2005 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Fachdidaktik am Institut für Anglistik/ Amerikanistik der Universität Rostock. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen des bilingualen Lernens und Lehrens sowie des frühen Zweitspracherwerbs. Schröder-Sura, Anna Anna Schröder-Sura ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ro‐ manistik der Universität Rostock sowie am Institut Fachdidaktik Sprachen der Pädagogischen Hochschule St. Gallen tätig. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der Mehrsprachigkeitsdidaktik, der LehrerInnenkompetenzen sowie der Konstruktion sprachenübergreifender Aufgaben. Sie hat an der Entwicklung des Referenzrahmens für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA) mitgewirkt. 285 Die AutorInnen und Herausgeberinnen <?page no="286"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Die Förderung mehrsprachiger Kompetenz durch sprachenübergreifenden Unterricht wird in Bildungsstandards und Rahmenplänen in Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern gefordert. Sie betri� prinzipiell die Gesamtheit der Lernenden in ihrer Diversität. Aktuell mangelt es allerdings an ausreichenden Konkre�sierungen und methodischen Vorschlägen. Im vorliegenden Band werden verschiedene Face�en sprachenübergreifenden Lernens beleuchtet, die im Kontext von Unterricht, Lehrmaterialentwicklung, LehrerInnenaus- und -fortbildung sowie Forschung angesiedelt sind. ISBN 978-3-8233-8247-8