Leopardis Bilder
Immagini e immaginazione oder: Reflexionen von Bild und Bildlichkeit
1028
2019
978-3-8233-9256-9
978-3-8233-8256-0
Gunter Narr Verlag
Barbara Kuhn
Michael Schwarze
Leopardis Werk setzt sich in vielen Facetten und in einer oft tastend-aphoristischen Denk- und Schreibweise mit Fragen von Bildlichkeit und Imagination auseinander. Dabei entsteht eine Gedankenmatrix, die der vorliegende Band über drei Zugänge entfaltet: Er geht Leopardis Ansätzen nach, die Phänomene Bild und Imagination in Canti, Operette morali und Zibaldone zu erfassen, untersucht Bildlichkeit und Visualität in einzelnen Texten Leopardis und beleuchtet den bis in die Gegenwart lebendigen Dialog mit Leopardischer Bildlichkeit in der Literatur vor allem des 20. Jahrhunderts.
<?page no="1"?> Leopardis Bilder <?page no="2"?> Periodikum der deutschen Leopardi-Gesellschaft 27/ 28 <?page no="3"?> Barbara Kuhn / Michael Schwarze (Hrsg.) Leopardis Bilder Immagini e immaginazione oder: Reflexionen von Bild und Bildlichkeit <?page no="4"?> Umschlagabbildung: Erde und Mond, aufgenommen von der Raumsonde Galileo Bildquelle: www.nasa.gov/ multimedia/ imagegallery/ image_feature_601.html Bildrechte: NASA Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung des Exzellenzclusters 16 «Kulturelle Grundlagen von Integration», Universität Konstanz. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 1436-2260 ISBN 978-3-8233-8256-0 (Print) ISBN 978-3-8233-9256-9 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0188-2 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 5 Inhalt Barbara Kuhn und Michael Schwarze Von Erde, Mond und anderen Bildern. Einleitende Überlegungen zur Frage von Bild, Bildlichkeit und Einbildungskraft im Werk Giacomo Leopardis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Silvia Contarini L’infinito e la poetica dell’immaginazione dopo Burke . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Milan Herold Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder (Frammento XXXIX: Spento il diurno raggio in occidente ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Giulia Agostini Der unendliche Mangel an Bildern. Negativität bei Leopardi . . . . . . . . . . . . 65 Sebastian Neumeister Leopardi in Kalifornien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Marc Föcking Friedhofsdichtung. Leopardis Totenbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Georges Güntert Poetiken der Grabesdichtung. Foscolo, Leopardi, Montale . . . . . . . . . . . . . 125 Paul Strohmaier Schwellenbilder. Leopardis Spuren im Werk Montales . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Emanuele La Rosa Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi. Un rapporto infinito . . . . . . . . 171 Eva-Tabea Meineke «La ragione naufraga nel piacere crescente». Leopardis «vaga immaginazione» in der italienischen Avantgarde und dem Surrealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 <?page no="6"?> 6 Inhalt Marco Menicacci Morale cibernetica. L’immagine della macchina da Leopardi a Primo Levi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Laura Aresi ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar›. Riflessioni tra canti solitari e prati infiniti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 <?page no="7"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 7 Von Erde, Mond und anderen Bildern Einleitende Überlegungen zur Frage von Bild, Bildlichkeit und Einbildungskraft im Werk Giacomo Leopardis Barbara Kuhn und Michael Schwarze Über lange Jahre hinweg hat sich Leopardi in seinem Zibaldone bekanntlich mit vielerlei Aspekten der Metapher einerseits, mit dem Wirken und der Bedeutung der Imagination andererseits befaßt. Beide Fragenkomplexe gemeinsam entwerfen in jener teils aphoristischen, teils tentativ-repetitiven Denk- und Schreibweise, wie sie dem Zibaldone di pensieri zu eigen ist, wohl keine Theorie - die theoria , die ‹göttliche Schau› in Form eines abschließbaren und letztlich ein für allemal abgeschlossenen Traktats wird weder erstrebt noch erreicht -, aber doch eine ausgesprochen komplexe, weil desto beweglichere Gedankenmatrix, an die sich viele frühere und spätere Überlegungen zur Bildlichkeit literarischer und anderer Texte anschließen lassen. So berühren sich Leopardis Formulierungen zur «metafora ardita» und «parola pellegrina» in vielen Punkten und, gemessen an der traditionellen Rubrizierung des Autors als ‹Romantiker› oder als zwischen Klassik und Romantik stehender Dichter, in oft überraschender Weise mit jenen, die Emanuele Tesauro im Cannocchiale aristotelico anstellt. Die Nähe zum Barock jedoch scheint sowohl der romantischen als auch der anti-romantischen, klassizistischen Tendenz eines Werks zu widersprechen, das in den ersten Jahrzehnten des 19.-Jahrhunderts zwar weitgehend im abgeschiedenen Recanati, aber in überaus lebhafter Auseinandersetzung sowohl mit zeitgenössischen Entwicklungen als auch mit der Antike entsteht. Desto mehr stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, welche Verbindungslinien sich ziehen lassen von der «metafora ardita e pellegrina» des 17.-Jahrhunderts zur kühnen Metapher und zur «parola pellegrina» des 19.-Jahrhunderts. Mit anderen Worten, es stellt sich die Frage, ob, ausgehend von der Bildlichkeit des Leopardischen Werks wie auch ausgehend von Leopardis Reflexionen über Bildlichkeit und Imagination in Briefen, im Zibaldone und in vielen weiteren Schriften andere Bezüge als bislang vermutet sichtbar werden, Bezüge <?page no="8"?> 8 Barbara Kuhn und Michael Schwarze möglicherweise, die zugleich Canti, Operette morali und die übrigen Werke des Dichters aus Recanati in einem neuen Licht erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Fragestellung, die Leopardis Denken und Schreiben in den Kontext der Debatten um die im Laufe der Jahrhunderte bald positiv, bald negativ konnotierte Einbildungskraft oder immaginazione einbindet - beide tragen das Bild, die immagine , im Namen -, gilt es demnach, einen neuen Blick auf die Bildlichkeit der Texte Leopardis zu richten. Denn wenngleich - nicht zuletzt aufgrund der angesprochenen Reflexionen im Zibaldone - immer wieder die Frage nach der Metapher im Werk Leopardis gestellt wurde, werfen seine oft vielstimmigen Texte doch im Zusammenhang mit Bild und Bildlichkeit weiterreichende Fragen auf, die an einzelne Texte wie auch an ein größeres Textkorpus, aber ebenso etwa an Leopardis Übersetzungen aus dem Griechischen gestellt werden können. Beispielsweise bleibt - um an die zu Beginn evozierte Traditionslinie anzuknüpfen - genauer, als bislang geschehen, zu analysieren, in welchem Verhältnis ein Gedicht wie Sopra il ritratto di una bella donna zu anderen Porträtgedichten etwa des Barock steht, welche Wirkung das evozierte bildliche Kunstwerk im sprachlichen ausübt und, umgekehrt, wie das sprachliche nicht nur das bildliche konstituiert, sondern zugleich die Reflexion über Bild, Bildnis und Bildnisgedichte befördert. 1 Generell standen Visualisierungsstrategien und -effekte bisher kaum je im Zentrum der Forschung zu Leopardis Werk und Wirkung, obwohl keineswegs nur die ‹Epitaphien› (oder Epitaph-Fiktionen) derlei Fragen aufwerfen. Diese Linie läßt sich nicht nur im Rückblick, sondern auch in umgekehrter zeitlicher Richtung weiterverfolgen. Denkt man allein an die Vielzahl von ‹Grabgedichten› im weiteren Sinne - von den tombeau -Gedichten Baudelaires und Mallarmés beispielsweise bis zum Tombeau de Giacomo Leopardi von Yves Bonnefoy -, wird rasch deutlich, daß die Frage nach «Leopardis Bildern», nach immagini e immaginazione bei Leopardi sich nahezu zwangsläufig auch auf die Rezeption der Bilder Leopardis in seither entstandenen Sprachkunstwerken richten muß. Denn insbesondere über die sprachlich konstituierte Bildlichkeit und, allgemeiner, über die Visualität entstehen Dialoge zwischen Texten, die auf einen ersten Blick weit voneinander entfernt zu sein scheinen. Geradezu paradigmatisch für einen dichten intertextuellen Dialog dieser Art mag etwa die nur mittels des Rekurses auf Bilder sagbare Vorstellung des Unendlichen und die des «naufragar […] dolce» sein, die nicht nur im Blick auf 1 Cf. zu dieser in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Facetten erforschten Frage für die Zeit vor Leopardi u. a. Roland Galle: «Supplementäre Liebe. Zur Funktion des Porträts in Mathilde - La Princesse de Clèves - La Nouvelle Héloïse », in: Kirsten Dickhaut (Hg.): Liebessemantik. Frühneuzeitliche Repräsentationen von Liebe in Italien und Frankreich . Wiesbaden: Harrassowitz 2014 (Culturae, 5), 635-692. <?page no="9"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 9 Leopardis Werk mit diesem Unendlichen untrennbar verknüpft ist. 2 So ist allein Leopardis berühmtestes Gedicht, das im Jahr 2019 seinen 200.-Geburtstag feiert, bis in die Gegenwart stets erneuerter Anlaß für Übertragungen und Nachdichtungen, die außer vom eindringlichen Klang, von der Sprachmusik des Textes - auch - von seiner eindrücklichen Bildlichkeit ihren Ausgang nehmen, wie beispielsweise die vierzehn in der Zeitschrift Zwischen den Zeilen versammelten ‹Neufassungen› des Infinito aus der Feder zahlreicher deutschsprachiger Dichter zeigen. 3 Die Spuren des Gedichts finden sich zudem in einer Fülle weiterer Werke von Autorinnen und Autoren insbesondere der italienischsprachigen Literatur, wie etwa in Calvinos Lezioni americane . 4 Doch auch über diese spezifische, in L’Infinito inszenierte Version der ‹unendlichen Fahrt› (Manfred Frank) und des Schiffbruchs, auch über dieses berühmteste Gedicht hinaus, das - etwa in Tiziano Scarpas Stück L’infinito - im 21. Jahrhundert buchstäblich den Weg auf die Theaterbühne gefunden hat, lassen sich Reflexe und Reflexionen Leopardischer Bildlichkeit in zahlreichen Texten vom 19. bis zum 21. Jahrhundert aufspüren: Erinnert sei nur an die diversen Leopardi-Zitate in Romanen Antonio Tabucchis oder an den Dialog zwischen Leopardis Werk und der Lyrik eines Giuseppe Ungaretti oder eines Eugenio Montale. Paradebeispiel für diesen intensiven Dialog, in dem «Leopardis Bilder» ebenso wie seine umfassende Reflexion über Bildlichkeit und Einbildungskraft mit jenen früherer und späterer Jahrhunderte stehen, kann - neben dem weiten Feld der Gräberdichtung hier und dem Monument des Infinito dort - einmal mehr der Mond sein, ist er doch so vielfach und vielgestaltig in Leopardis Werk vertreten, daß man versucht sein könnte, dieses Werk - das Umschlagbild des vorliegenden Bandes deutet es an - insgesamt als einen ‹Dialog zwischen Erde und Mond› zu lesen, einen Dialog zwischen dem ‹Physischen› und dem ‹Metaphysischen›, wie ein weiterer Text der Operette morali nahelegt. Gerade das in Leopardis Dichtung nahezu omnipräsente, das scheinbar altbewährte und vermeintlich so vertraute Bild des Mondes hat etwa für das im Canto notturno sprechende lyrische Ich seine gleichsam romantische Selbstverständ- 2 Cf. Manfred Frank: Die unendliche Fahrt. Zur Pathogenese der Moderne . 3. überarb. und erw. Aufl. Paderborn: Schöningh 2016. 3 Cf. «Giacomo Leopardi: Unendlichkeiten», in: Zwischen den Zeilen 23 (2004), 83-99. Mit Leopardis offensichtlich ‹unendlichem› Gedicht konfrontierten sich hier - teilweise sogar mit zwei Versionen - die Autoren Alfred Andersch, Wolf Biermann, Hans Magnus Enzensberger, Durs Grünbein, Norbert Konrad Kaser, Thomas Kling, Christoph Meckel, Oskar Pastior, Peter Rosei, Raoul Schrott, Peter Waterhouse und Felix Philipp Ingold (erstmals waren die Texte im «1996-2000 entstandenen, von Adrian La Salvia herausgegebenen Mappenwerk ‹Iconografia Leopardiana›» ( ibidem , 84) abgedruckt worden). 4 Cf. Italo Calvino: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millenio . Milano: Garzanti 1988, 62sq. <?page no="10"?> 10 Barbara Kuhn und Michael Schwarze lichkeit verloren: «Che fai tu, luna, in ciel? dimmi, che fai, | Silenziosa luna? » (v.-1sq.). 5 Aus diesem Grund wird die allzu schweigsam gewordene «luna» zu einer Art «pensiero dominante» 6 nicht nur des hier von ihm beherrschten lyrischen Ich, sondern des Leopardischen Werks insgesamt. Tatsächlich wurde die so fraglich und damit, wie neben dem Gedicht diverse weitere Texte Leopardis zeigen, frag-würdig gewordene «luna», die nicht nur den umherirrenden Hirten anschweigt, sondern sich auch der naiven Anmutungen der unverbesserlichen und schwatzhaften Erde erwehren muß, 7 vor wenigen Jahren sogar als ‹Meta-Metapher› des Leopardischen Werks bezeichnet, bündeln sich doch im Bild des Mondes zentrale Aspekte des Gesamtwerks: Nel panorama poetico leopardiano, la luna gode di un particolare statuto metaforico: metaforizza l’immagine poetica in quanto tale, che è come dire che metaforizza la metafora stessa o, meglio, il potenziale metaforico insito in ogni immagine lirica. Essa è metafora del percorso poetico dell’io, riunendo in sé l’essere passato e l’essere presente [… e] traduce metaforicamente la parabola di morte che investe l’opera leopardiana […]. 8 Wenn dem aber so sein sollte, wenn mithin die Autorin hier den so konkret vom «pastore errante» in seinem Canto notturno angerufenen Mond als Metapher apostrophieren kann, dann stellt sich komplementär die Frage, was denn eine Metapher für Leopardi oder im Werk Leopardis ist. Denn vor ebenfalls nicht allzu langer Zeit, im Jahr 2005, erschien ein Aufsatz mit dem provokativen Titel «Leopardi non è un poeta metaforico», dem unmittelbar die Worte folgen: «Questa è la tesi da dimostrare», um etwa zehn Seiten weiter wenig überraschend zum «come volevasi dimostrare» zu gelangen. 9 Wie diese in mathematischen Beweisen üblichen Formeln andeuten, bedient sich Pier Vincenzo Mengaldo für seine Beweisführung eines rechnerischen Verfahrens: Er zählt in den Canti durch, wo er wieviele und welche Metaphern findet, und räumt zwar durchaus Unterschiede in den einzelnen Schaffensphasen ein, kommt aber dennoch zu folgender «conclusione asso- 5 Giacomo Leopardi: Poesie e prose . Vol.- I. Poesie . A cura di Mario Andrea Rigoni con un saggio di Cesare Galimberti. Milano: Mondadori 3 1990. Der Canto notturno di un pastore errante nell’Asia findet sich auf den Seiten 84-88. Nach dieser Ausgabe wird im folgenden zitiert. 6 Das gleichnamige Gedicht steht in der genannten Ausgabe der Poesie auf den Seiten 93- 97. 7 Cf. den «Dialogo della Terra e della Luna» aus den Operette morali , in: Giacomo Leopardi: Poesie e prose . Vol.-II. Prose . A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1988, 46-52. Wiederum wird nach dieser Ausgabe auch in der Folge zitiert. 8 Antonella del Gatto: «Meta-Metafore: la Luna», in: ead.: Quel punto acerbo. Temporalità e conoscenza metaforica in Leopardi . Firenze: Olschki 2012, 71-88, hier 71. 9 Pier Vincenzo Mengaldo: «Leopardi non è un poeta metaforico», in: Strumenti critici 20.1 (2005), 1-25. Die Zitate finden sich auf den Seiten 1 und 11. <?page no="11"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 11 luta: Leopardi nell’assieme non è affatto un poeta metaforico», 10 eine These, die er zudem durch den Vergleich mit «campioni dell’internazionale romantica» wie Shelley und Hugo, aber auch Puškin und Heine ebenso wie Foscolo und Manzoni zu erhärten sucht. 11 Selbst die sich auf einen ersten Blick anbietende Lösung einer Orientierung Leopardis statt an der Romantik am Settecento und insbesondere an den «due maggiori poeti del secolo, Metastasio e Parini», 12 läuft insofern ins Leere, als Mengaldo hier erneut eine Fülle von Metaphern ausmacht und folglich einmal mehr eher einen Gegenpol denn ein Modell für Leopardis Dichten findet. Trotz der Polarität der Positionen läßt sich zwischen den beiden Thesen insofern eine Brücke schlagen, als auch Mengaldo konzediert: «la poesia difficilmente può vivere senza immagini», so daß er sich fragen muß, «se qualcosa in Leopardi supplisca a questa scarsa metaforicità esplicita». Vor allem anderen macht er ein solches Supplement in der spezifischen Adjektivbildung und -verwendung in Leopardis «stile così modernamente conciso» aus: Durch sie werde zum einen, etwa in der «virtude | Rugginosa» oder der «ferrata Necessità», das Abstrakte mit dem Konkreten aufs Engste verknüpft, zum anderen zumindest ein Bild suggeriert, beispielsweise in den «giovani prati», den «taciturne piante», der «Vergine» und «Intatta luna» und vielen Beispielen mehr 13 . Zwischen Bildlichkeit statt Metaphorizität hier und Meta-Metaphorizität dort, zwischen der These, «Leopardi non è un poeta metaforico», auf der einen Seite und der entgegengesetzten These von der «predilezione leopardiana per la metafora» 14 auf der anderen soll an dieser Stelle nicht entschieden werden, zumal die vorrangige Frage hier nicht die nach einer Definition der Metapher ist. Im Sinne der zwischen den genannten Polen geschlagenen Brücke steht vielmehr die umfassendere Frage nach Bild, Bildlichkeit und Einbildungskraft im Vordergrund, die zweifelsohne zu jenen Fragen zählt, über die nicht in der Form eines Pro und Contra thesenförmig entschieden werden kann: Dies zeigt sowohl der Blick auf Leopardis unerschöpfliches Werk als auch, exemplarisch für die subtil ausdifferenzierte Leopardi-Forschung, ein Blick allein auf die im vorliegenden Band versammelten Beiträge. 15 Zwischen oder neben den beiden 10 Ibid., 11. 11 Cf. ibid., 11-16. 12 Ibid., 16. 13 Ibid., 19sq. 14 Marco Manotta: «Similitudini proprie e raccorciate: annotazioni sul paradigma comparativo leopardiano», in: La metafora da Leopardi ai contemporanei . A cura di Antonella del Gatto. Studi Medievali e Moderni XX.1 (2016), 9-22, hier 18. 15 Cf. in diesem Sinn einer Offenheit auch die beiden Aufsätze im genannten Band über die Metafora da Leopardi ai contemporanei : «Declinazioni metaforiche (e non) della nautica in Leopardi» von Laura Melosi (149-154) und «Metafore sondate alla lettera. Qualche considerazione sulle Operette morali » von Floriana Di Ruzza (155-163). <?page no="12"?> 12 Barbara Kuhn und Michael Schwarze konträren Positionen gilt es statt dessen, jene vielgestaltige und umfangreiche Reflexion Leopardis über diesen Fragenkomplex zu berücksichtigen, wie sie sich vor allem im Zibaldone , aber auch in anderen Schriften wie Annotazioni , Prefazioni und Dedicatorie zu den Canti findet: nicht nur und nicht einmal in erster Linie, weil manche der (metaphorischen oder nicht-metaphorischen) ‹Bilder› der Canti hier eine Art Vorform oder auch eine Fortsetzung finden, sondern vor allem, weil diese Überlegungen zur Bildlichkeit so grundsätzlicher Natur sind, daß sie für das Denken und Schreiben Leopardis ebenso relevant erscheinen wie generell für die genannten Fragen in Literatur, Philosophie und darüber hinaus. Als Indiz, wenn nicht für die Zeitlosigkeit, so doch zumindest für die Überzeitlichkeit der Fragestellung und dafür, daß Leopardis Texte und Reflexionen hierzu sich nicht in die abgedichtete Schublade einer Epoche stecken lassen, gleich ob sie nun mit Klassik, Romantik oder anderem beschriftet ist, mag nicht zuletzt die Tatsache gelten, daß, auch wenn etwa Mengaldo Leopardi eher im Settecento als in einer «foresta barocca» oder einem «soggettivismo romantico» verortet, Leopardis Überlegungen zur Metapher sich, wie bereits angedeutet, ausgerechnet mit denen jenes Autors verbinden, der als der wichtigste Theoretiker eines solchen barocken Metaphernwalds gelten kann, mit Tesauro und dessen Cannocchiale aristotelico . Zwar erwähnt Leopardi ihn im Zibaldone nicht, ebensowenig wie Marino und die marinisti , 16 und es geht wiederum keineswegs darum, Leopardi als ‹postbarock› oder Tesauro als ‹protoromantisch» zu ettikettieren, selbst wenn manche von Tesauros Formulierungen, wie Snyder schreibt, auf einen ersten Blick so wirken mögen 17 und umgekehrt manche Wendungen Leopardis wie ein Echo des Cannocchiale klingen. Frappierend scheint dennoch, daß ungeachtet der historischen Distanz nicht nur beide Autoren gegen die noia anschreiben 18 und beider Metaphern piacere bereiten sollen, sondern beide zudem als Mittel der Wahl, um die noia zu ver- 16 Cf. Michele Cataudella: «Seicento e secentisti nello Zibaldone », in: Leopardi e la letteratura italiana dal Duecento al Seicento . Atti del IV Convegno internazionale di studi leopardiani (Recanati, 13-16 settembre 1976). Firenze: Olschki 1978, 479-490, hier 487. In die Crestomazia italiana hingegen nahm Leopardi durchaus auch Gedichte Marinos und weiterer secentisti auf; cf. Giacomo Leopardi: Crestomazia italiana. La Poesia . Introduzione e note di Giuseppe Savoca. Torino: Einaudi 1968, 115-198. 17 «Nemmeno una frase apparentemente protoromantica come ‹la Imagination feconda genera l’Arte› […] significa quel che sembra.» Jon R. Snyder: L’estetica del barocco . Bologna: Il Mulino 2005, 132. 18 Auch hier ist festzuhalten, daß die Leopardische noia eine andere, anders motiviert ist als jene, die im Cannocchiale immer wieder apostrophiert wird, eine noia , die dem Baudelaireschen spleen und ennui näher steht als bloßer Langeweile, oder, um im 17. Jahrhundert zu bleiben, die - freilich unter Verzicht auf die christlich-transzendentale Dimension - eher an Pascal gemahnt als an ein von Metaphern entfaltetes ‹Wundertheater›, wie es sich beispielsweise in Marinos Lyrik auftut. <?page no="13"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 13 treiben und piacere hervorzurufen, ähnliches propagieren: So schätzt auch Leopardi an den «sensi metaforici», die den Leser zwingen, während der Lektüre dem schon Gelesenen immer wieder eine andere Richtung, einen anderen Sinn zu geben - «un senso bene spesso diverso da quello che avevi creduto» -, insbesondere «l’inaspettato». Mit anderen Worten, das Überraschende, das Unerwartete, 19 kurz, das berühmte «pien teatro di meraviglie» 20 , von dem Tesauro schreibt, findet durchaus seine Entsprechung im Zibaldone . Dies erläutert die Fortsetzung der Passage über die «sensi metaforici»: «Tutte cose, che oltre il piacere della sorpresa, dilettano perchè lo stesso trovar sempre cose inaspettate tien l’animo in continuo esercizio ed attività; e di più lo pasce colla novità, colla materiale e parziale maraviglia derivante da questa o quella parola, frase, ardire ec.» ( Zib. 2239). 21 Das Staunen und die Überraschung, der Eindruck des Wunderbaren also werden im Cannocchiale wie im Zibaldone als Beleg für die gelungene, die kühne Metapher erachtet, so wie auch beide Autoren das immer wieder thematisierte pellegrino als Ideal oder geradezu als identisch mit dem Poetischen schlechthin sehen. Das pellegrino , das etwa in einer Metapher wahrnehmbar wird, erzeugt die Eleganz der Sprache, insofern es sich vom alltäglichen Sprachgebrauch möglichst weit entfernt (cf. Zib. 2502sq.), schreibt Leopardi, es diene dazu, die Sprache und den Stil zu ‹poetisieren› ( Zib. 2518). Entsprechend ist die Metapher, wie bei Tesauro nachzulesen, unter allen Figuren «la più Pellegrina », sie ist «il più ingegnoso & acuto : il più pellegrino & mirabile : il più giouiale e gioueuole : il più facondo & fecondo parto dell’humano intelletto». 22 Was aber, über «sorpresa» und «meraviglia», über «inaspettato und «pellegrino» hinaus in der Zusammenschau dieser beiden ‹Metapherntheorien› vor allem anderen frappiert, ist die Zeitlichkeit, die beide Male mit der Metapher verbunden wird. Bezogen auf die Zeit sind es insbesondere drei Charakteristika, die die Wirkung der Tesauroschen Metapher bedingen, 23 und alle drei finden sich nicht nur verstreut an vielen Stellen im Zibaldone , sondern zudem 19 Cf. Emanuele Tesauro: Il Cannocchiale aristotelico . Faksimile-Neudruck der Ausgabe Turin 1670. Hg. u. eingel. von August Buck. Bad Homburg v.d.H. / Berlin / Zürich: Gehlen 1968, 294. 20 Tesauro: Il Cannocchiale aristotelico , 267. 21 Der Zibaldone wird zitiert nach der Ausgabe: Giacomo Leopardi: Zibaldone . Edizione commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. T.-1-3. Milano: Mondadori 3 2003. Die nach der Sigle Zib. jeweils angegebenen Seitenzahlen sind wie üblich die des Leopardischen Manuskripts. 22 Tesauro: Il Cannocchiale aristotelico , 266. 23 Cf. Barbara Kuhn: «Bild-Effekte. Metapher und Zeit in barocker Ästhetik», in: Natascha Adamowsky [et al.] (Hg.): Archäologie der Spezialeffekte . München: Fink 2017 (Poetik und Ästhetik des Staunens, 4), 161-184. <?page no="14"?> 14 Barbara Kuhn und Michael Schwarze konzentriert in einer berühmten Passage vom Juni 1822, in der Leopardi ganz ähnlich wie knapp 200 Jahre zuvor Tesauro den Grund für das Vergnügen an der Metapher in der Gleichzeitigkeit des Heterogenen, der Schnelligkeit der aufeinanderfolgenden Eindrücke und der Neuheit des evozierten Bildes ausmacht (cf. Zib. 2468-2470). So heißt es hier etwa, die Metapher sei so «piacevole perchè rappresenta più idee in un tempo stesso» ( Zib. 2468); es sei «la moltiplicità simultanea delle idee, nel che consiste il piacere» ( Zib. 2470), und diese Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Vorstellungen komme nur in den «metafore nuove» ( Zib. 2469) zum Tragen, nicht in den längst gängig gewordenen, deren bildlicher Charakter kaum mehr wahrgenommen werde: Nur hier sei der Geist des Lesers zu jener über das gewöhnliche Maß hinausgehenden «azione ed energia» gezwungen, «per trovare e vedere in un tratto la relazione il legame l’affinità la corrispondenza d’esse idee, e per correr velocemente e come in un punto solo dall’una all’altra; in che consiste il piacere della loro moltiplicità» ( Zib. 2470). Wie bei Tesauro die bessere Metapher jene ist, die etwas «con attiuità & energía» 24 ausdrückt, wird auch bei Leopardi der Leser durch das Poetische eines Stils, der die Seele in größter Geschwindigkeit von einem Bild, einem Gedanken, einer Vorstellung oder einem Ding zu einem anderen fliegen läßt, «in una energica azione» versetzt und von der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der evozierten Dinge geradezu überwältigt, «sopraffatto» (cf. Zib. 2049sq.). In ihrer gemeinsamen Begeisterung für die Metapher - hier, wie wiederum oben angedeutet, verstanden im weiten Sinne von Bildlichkeit - entdecken demnach beide Autoren in dieser Figur, die ihnen quasi zum pars pro toto des Poetischen überhaupt avanciert, den Grund für ein piacere seitens der Leserinnen und Leser. Die oft verblüffende Nähe, die Ähnlichkeit der Argumentation und der favorisierten Verfahren jedoch soll nicht zu einer ahistorischen Ineinssetzung des Ungleichzeitigen verleiten, im Gegenteil: Gerade die Verbindung von Metapher, piacere und Zeit bietet über die überraschenden Gemeinsamkeiten hinaus zugleich Ansatzpunkte, um gerade die Differenz zwischen Seicento und Ottocento, zwischen Cannocchiale und Zibaldone und zwischen Tesauros und Leopardis Denken auszuloten und damit beider Gedankengebäude genauer zu fassen. So verweist Leopardi kaum zufällig an eben jener Stelle, an der er von der Überwältigung durch «moltiplicità e […] differenza delle cose» spricht, auf «la mia teoria del piacere» - und damit auf Fragestellungen, die in Tesauros Traktat so 24 Tesauro: Il Cannocchiale aristotelico , 287. <?page no="15"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 15 nicht zu finden sind und die den Zibaldone von jener ‹Maschine zur Erzeugung ästhetischer Lust› 25 dann doch essentiell unterscheiden. Gerade die berühmte, von ihm selbst so bezeichnete teoria del piacere (z. B. Zib. 172), die Überzeugung, daß das Glück oder die Lust nie in der Gegenwart zu finden ist, weil diese stets von der Sorge um das Ende dieses Glücks geprägt ist, sondern nur in der Vergangenheit, als erinnertes Glück, oder in der Zukunft, als erhofftes, verbindet ihrerseits piacere und Zeit und deutet, insofern piacere und felicità als «tutt’uno» gesehen werden, auf eine andere Dimension als die ästhetische Theorie. Nicht zuletzt an Formulierungen wie dieser über die «teoria del piacere» wird immer wieder die überkommene Pessimismusthese 26 festgemacht, zumal Leopardi in diesem Kontext das Streben nach Lust oder Glück verknüpft mit dem «sentimento della nullità di tutte le cose» ( Zib. 165). Doch ist dies eher ein Ausgangsdenn ein Zielpunkt der teoria del piacere , wie eben die Passage zeigt, in der diese teoria mit dem piacere an den Bildern der Dichtung verknüpft wird. Der Verweis erweitert nicht nur die ‹Metapherntheorie› Leopardis um eine entscheidende Dimension; er signalisiert umgekehrt zugleich, daß die These vom «non darsi piacere se non futuro o passato» ( Zib. 3525) eben nicht das darin gern gehörte und allzuoft wiederholte Klagelied - den legendären pessimismo individuale, storico, cosmico ec.ec.ec. - darstellt. Wenn vom piacere an der Metapher bruchlos auf die teoria del piacere verwiesen wird, so doch wohl weit eher, weil letztere eher denn ein Klagelied geradezu einen Lobpreis auf die Imagination darstellt: Das Glück, das der Seele nicht genommen werden kann, ist eben das imaginierte, das Glück besteht im Vor-Augen-Stellen des Abwesenden - so wie in der operetta Tasso von seinem «Genio familiare» belehrt wird oder, allgemeiner, so wie es die Bilder vermögen, jene immagini , sagt der kluge Hausgeist, die der dürren Wirklichkeit doch allemal vorzuziehen sind. 27 Wie diese Macht der Bilder agieren kann, führt - wiederum paradigmatisch - ein Gedicht aus den Canti vor, das auf den ersten Blick weniger um Bilder als um das rastlose Denken zu kreisen scheint: das Gedicht Il pensiero dominante . Bis kurz vor Schluß, bis Vers-129, apostrophiert das lange Gedicht selbst mit seinen 25 «Das Cannocchiale aristotelico ist eine Maschine, ästhetische Lust zu erzeugen.» Gerhart Schröder: Logos und List. Zur Entwicklung der Ästhetik in der frühen Neuzeit . Königstein/ Ts.: Athenäum 1985, 149. 26 Der Diskussion vor allem dieser so oft wiederholten These und ihrer Implikationen widmet sich der Leopardi-Tag 2019, der unter dem Titel Lebenskunst nach Leopardi. Anti-pessimistische Strategien im Werk Giacomo Leopardis vom 18.-20.-Juli 2019 an der Universität Bonn stattfindet, wo die Deutsche Leopardi-Gesellschaft 30-Jahre zuvor gegründet wurde. Die Akten auch dieser Tagung werden in der Reihe Ginestra im Narr-Verlag Tübingen publiziert. 27 Der «Dialogo di Torquato Tasso e del suo Genio familiare» aus den Operette morali findet sich in Leopardi: Prose, 68-75. <?page no="16"?> 16 Barbara Kuhn und Michael Schwarze insgesamt 147-Versen ununterbrochen jenen «pensiero dominante», den schon sein Titel nennt, so daß das Gedicht ob seiner schieren Länge und seines ständigen Umkreisens, das eben dieses Beherrscht-Sein durch den übermächtigen Gedanken bei der Lektüre sinnlich mitempfinden läßt, nahezu magische Qualitäten annimmt: Es wird fast selbst zu einer Art Zauberspruch, zu jenem «stupendo incanto» (v.-102), den auch das Ich des Gedichts erlebt, wie schon die Aneinanderreihung der Apostrophen im ersten Versabschnitt und die durch Enjambement und Anapher akzentuierten rhetorischen Fragen zu Beginn des zweiten andeuten: Dolcissimo, possente Dominator di mia profonda mente; Terribile, ma caro Dono del ciel; consorte Ai lùgubri miei giorni, Pensier che innanzi a me sì spesso torni. Di tua natura arcana Chi non favella? Il suo poter fra noi Chi non sentì? […] (vv.-1-9) In immer neuen Variationen und in vielen Versen wird die Macht des «Dolcissimo, possente | Dominator» besungen, bis schließlich der Gegenstand dieses Gedankens benannt wird: «colei, | Della qual teco ragionando io vivo» (v.-126sq.) und, wiederum durch die Anapher und durch eine Paronomasie unterstrichen, das Vergnügen sich gleichsam zum Delirium steigert: […] Quanto più torno A riveder colei; Della qual teco ragionando io vivo, Cresce quel gran diletto Cresce quel gran delirio, ond’io respiro. (vv.-125-129) Und konsequent lautet der nächste Vers: «Angelica beltade! » (v.-130), denn als sei die Prophezeiung des «Genio familiare» Wirklichkeit geworden, verharrt das Ich ab hier in diesem glücklichen Delirium, ist ihm die ‹engelsgleiche Schönheit› erschienen und wird in dem 18- Verse währenden Hymnus nur noch sie besungen, die «sovrana imago» (v.-140), die in jedem seiner Träume präsent ist, bis das Gedicht mit wieder zwei durch die Anapher parallelisierten rhetorischen Fragen endet: Che chiedo io mai, che spero Altro che gli occhi tuoi veder più vago? Altro più dolce aver che il tuo pensiero? (vv.-145-147) <?page no="17"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 17 Weniger an die «donna amata» wendet sich, wie Sanguineti in seinem Kommentar zu dem Gedicht schreibt, 28 das Ich von Vers-130 bis zum Ende des Gedichts, als vielmehr an das aus dem carmen selbst entstehende Bild der geliebten Frau, wie neben der mehrfach evozierten «imago», den «sogni» und der «angelica sembianza» nicht zuletzt der Schlußvers suggeriert, der wieder mit dem «pensiero», dem Gedanken an die Frau, endet und damit einmal mehr das Zyklische, das Kreisen der Gedanken vorführt. Indem der canto den «pensiero dominante» so lange beschwört, bis dank seiner Magie dem Ich und seinem Leser die immagine wirklicher als jede Wirklichkeit vor Augen steht, bejubelt er einmal mehr die Macht der immaginazione . In seinem geradezu bildhaft kreisenden Denken verbildlicht das Gedicht jene Einbildungskraft, die ihrerseits das Bild der engelsgleichen Schönheit vor Augen stellt, so daß der Pensiero dominante nicht nur eines von ‹Leopardis Bildern› herbeizaubert, sondern mit seinen vielfältigen Reflexen selbst zu jenen «Reflexionen von Bild und Bildlichkeit» zählen kann, denen - in freilich grundlegend anderer Weise - auch die unterschiedlichen Beiträge des vorliegenden Bandes auf vielerlei Pfaden nachspüren und nachsinnen. Dabei gehen sie den drei auf den vorausgehenden Seiten angeschnittenen Fragenkomplexen mit je eigenen Akzentuierungen nach, um auf diese Weise den Facettenreichtum des großen Themas «Leopardis Bilder» auseinanderzufalten. So vertiefen insbesondere die für den ganzen Band grundlegenden Beiträge von Silvia Contarini, Milan Herold und Giulia Agostini von je unterschiedlicher Warte aus die vielschichtige Reflexion von immagine und immaginazione in Leopardis Schriften. Die Arbeiten von Sebastian Neumeister, Marc Föcking und Georges Güntert untersuchen jeweils spezifische Aspekte von Bildlichkeit und Visualität in Leopardis Werk, während die Frage nach dem Dialog mit und Weiterwirken von Leopardis Bildern in der Literatur des 19.-21.-Jahrhunderts von Paul Strohmaier, Emanuele La Rosa, Eva-Tabea Meineke, Marco Menicacci und Laura Aresi an so unterschiedliche Texte wie jene des Futurismus und Surrealismus, die Gedichte Montales sowie die Erzählungen Primo Levis und Italo Calvinos gestellt werden. Herausgeberin und Herausgeber danken allen Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sehr dafür, daß sie im Anschluß an die fruchtbaren Diskussionen beim Leopardi-Tag an der Universität Konstanz, der am 22.-24.-Juni 2017 gemeinsam von der dortigen romanistischen Literaturwissenschaft und der Deutschen Leopardi-Gesell- 28 «[D]i qui, sino alla fine della poesia, Leopardi si rivolge alla donna amata», in: Giacomo Leopardi: Canti . Presentazione di Giovanni Getto. Commento di Edoardo Sanguineti. Milano: Mursia 6 1996, 160. Cf. demgegenüber den Kommentar Bandinis in: Giacomo Leopardi: Canti . Introduzione, note e commenti di Fernando Bandini. Milano: Garzanti 12 1993, 236, der ebenfalls auf die Nähe zum Dialogo di Torquato Tasso e del suo Genio familiare hinweist. <?page no="18"?> 18 Barbara Kuhn und Michael Schwarze schaft veranstaltet wurde, ihre Vorträge zu den hier versammmelten Aufsätzen ausgearbeitet haben. Nur dank der so konzentrierten Arbeit aller Mitwirkenden konnte ein kohärenter Band verwirklicht werden, der sowohl zielgerichtet den drei Leitfragen zu Leopardis Bildern folgt als auch in den ebenso unvermeidlichen wie intendierten Überschneidungen und Berührungspunkten an vielen Stellen deutlich macht, wie eng miteinander verflochten die einzelnen Aspekte und Denkpfade sind. Ein großer Dank gilt ferner dem Exzellenzcluster «Kulturelle Grundlagen von Integration» der Universität Konstanz, der bereits die Tagung sehr großzügig finanziell unterstützte und nun dankenswerterweise auch die Druckkosten des Bandes übernimmt. Zudem war für die Realisierung des Bandes die sachkundige Redaktionsarbeit von Veronica Francesca Haas unverzichtbar: Ihr sei ebenso herzlich gedankt wie Pia Leister und Katharina List, die bei der Organisation der Tagung stets unterstützend zur Seite standen, und selbstverständlich Kathrin Heyng, die den Band und die neue Reihe seitens des Narr-Verlags sorgfältig betreut und beider Zustandekommen wesentlich mit ermöglicht hat. Eichstätt und Konstanz, im Juni 2019 Barbara Kuhn und Michael Schwarze Literaturverzeichnis Calvino, Italo: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millenio . Milano: Garzanti 1988. Leopardi, Giacomo: Canti . Introduzione, note e commenti di Fernando Bandini. Milano: Garzanti 12 1993. -: Canti . Presentazione di Giovanni Getto. Commento di Edoardo Sanguineti. Milano: Mursia 6 1996. -: Crestomazia italiana. La Poesia . Introduzione e note di Giuseppe Savoca. Torino: Einaudi 1968, 115-198. -: Poesie e prose . Vol.-I. Poesie . A cura di Mario Andrea Rigoni con un saggio di Cesare Galimberti. Milano: Mondadori 3 1990. -: Poesie e prose . Vol.-II. Prose . A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1988. -: «Unendlichkeiten», in: Zwischen den Zeilen. Eine Zeitschrift für Gedichte und ihre Poetik 23 (2004), 83-99. -: Zibaldone . Edizione commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. T.-1-3. Milano: Mondadori 3 2003. Tesauro, Emanuele: Il Cannocchiale aristotelico . Faksimile-Neudruck der Ausgabe Turin 1670. Hg. u. eingel. von August Buck. Bad Homburg v.d.H. / Berlin / Zürich: Gehlen 1968. <?page no="19"?> Von Erde, Mond und anderen Bildern 19 Cataudella, Michele: «Seicento e secentisti nello Zibaldone », in: Leopardi e la letteratura italiana dal Duecento al Seicento . Atti del IV Convegno internazionale di studi leopardiani (Recanati, 13-16 settembre 1976). Firenze: Olschki 1978, 479-490. Del Gatto, Antonella: «Meta-Metafore: la Luna», in: ead.: Quel punto acerbo. Temporalità e conoscenza metaforica in Leopardi . Firenze: Olschki 2012, 71-88. Di Ruzza, Floriana: «Metafore sondate alla lettera. Qualche considerazione sulle Operette morali », in: La metafora da Leopardi ai contemporanei . A cura di Antonella del Gatto. Studi Medievali e Moderni XX.1 (2016), 155-163. Frank, Manfred: Die unendliche Fahrt. Zur Pathogenese der Moderne . 3. überarb. und erw. Aufl. Paderborn: Schöningh 2016. Galle, Roland: «Supplementäre Liebe. Zur Funktion des Porträts in Mathilde - La Princesse de Clèves - La Nouvelle Héloïse », in: Kirsten Dickhaut (Hg.): Liebessemantik. Frühneuzeitliche Repräsentationen von Liebe in Italien und Frankreich . Wiesbaden: Harrassowitz 2014 (Culturae, 5), 635-692. Kuhn, Barbara: «Bild-Effekte. Metapher und Zeit in barocker Ästhetik», in: Natascha Adamowsky [et al.] (Hg.): Archäologie der Spezialeffekte . München: Fink 2017 (Poetik und Ästhetik des Staunens, 4), 161-184. La Salvia, Adrian (Hg.): Iconografia Leopardiana. L’infinito - Das Unendliche . Erlangen: keepsake 2000. Manotta, Marco: «Similitudini proprie e raccorciate: annotazioni sul paradigma comparativo leopardiano», in: La metafora da Leopardi ai contemporanei . A cura di Antonella del Gatto. Studi Medievali e Moderni XX.1 (2016), 9-22. Melosi, Laura: «Declinazioni metaforiche (e non) della nautica in Leopardi», in: La metafora da Leopardi ai contemporanei . A cura di Antonella del Gatto. Studi Medievali e Moderni XX.1 (2016), 149-154. Mengaldo, Pier Vincenzo: «Leopardi non è un poeta metaforico», in: Strumenti critici 20.1 (2005), 1-25. Schröder, Gerhart: Logos und List. Zur Entwicklung der Ästhetik in der frühen Neuzeit . Königstein/ Ts.: Athenäum 1985. Snyder, Jon R.: L’estetica del barocco . Bologna: Il Mulino 2005. <?page no="21"?> L’infinito 21 L’infinito e la poetica dell’immaginazione dopo Burke Silvia Contarini È possibile tentare una genealogia de L’infinito sullo sfondo delle teorie dell’immaginazione nel cosiddetto Tournant des Lumières , ossia quando le concezioni della fantasia di derivazione cartesiana e lockiana hanno oramai lasciato il posto a un’estetica e a una poetica dell’immagine di matrice antropologica? La questione non è di poco conto, se è vero che ancora di recente, dopo la significativa stagione di studi che fa capo a Jean Erhard, Robert Mauzi, Roland Mortier, Jean Deprun, Jean Starobinski e Michel Delon (per citare solo i nomi più noti), si è sentito il bisogno di tornare a interrogarsi sul rapporto fra l’immaginario letterario del primo Ottocento e la tradizione medica e filosofica del vitalismo ma l’esplorazione di tutte le filiere di indagine sembra lungi dall’essere completa. 1 Muovendo da un punto di partenza provvisorio, si può tuttavia concordare sul fatto che se nel corso del Settecento l’affermazione crescente del vitalismo non riesce a incrinare l’orizzonte meccanicistico dei Lumi - l’esempio emblematico sono i Pleasures of Imagination di Addison -, viceversa all’inizio del nuovo secolo il dibattito filosofico sull’immaginazione, la memoria e il sogno, avviato da Cabanis, Destutt De Tracy e Bonstetten, giunge ad attribuire uno statuto autonomo a facoltà che non vengono più intese come un’eco più o meno precisa delle sensazioni, ma come il prodotto creativo di un dinamismo interno indipendente, espressione di una sensibilità soggettiva in grado di istituire nuove relazioni fra l’io e il mondo. 2 Bisogna subito chiarire che non si tratta tanto, nel caso di Leopardi, di verificare improbabili rapporti di filiazione fra il poeta de L’infinito e il pensiero degli Idéologues (che lascia invece probabilmente tracce significative, ancora suscet- 1 Mi riferisco qui in particolare al volume collettaneo Le moment idéologique. Littérature et sciences de l’homme . Dirigé par Yves Citton et Lise Dumasy. Lyon: ENS Éditions 2013. 2 Dominique Kunz Westerhoff: «L’imagination repensée par les Idéologues ou l’homme-machine entre Lumières et Romantisme» in: Citton- / Dumasy (sous la dir. de): Le moment idéologique , 75-110. <?page no="22"?> 22 Silvia Contarini tibili di approfondimenti, nell’itinerario psicologico del romanzo manzoniano, avviato quasi negli stessi anni degli Idilli ), quanto di interrogarsi sull’esistenza di una poetica autonoma dell’immaginazione in questa fase del pensiero critico leopardiano, già debitore della «contextation vitaliste» 3 di Helvétius e di Rousseau. E di verificare, in seconda battuta, se e in che misura tale poetica possa essere messa in rapporto con l’estetica di Burke, che uno studioso del sublime come Lyotard ha definito proprio in termini di «réalisme vitaliste» 4 . Non c’è dubbio che sia le riflessioni dello Zibaldone , che gli esperimenti lirici del periodo documentino in parallelo la ricerca di una diversa espressività nella forma insieme antica e nuova dell’idillio, la quale si può leggere anche come il tentativo da parte della letteratura di cogliere il dinamismo del vivente, la sua parvenza effimera, attraverso una modalità che fa appello non solo al presente confuso della sensazione, ma al suo recupero memoriale nella scrittura. Torneremo più avanti su questo punto decisivo, per ora importa soprattutto ribadire la frequenza con cui, negli anni che ci interessano, le pagine dello Zibaldone ritornano sul problema dell’immaginazione, in rapporto al ruolo determinante della poesia nell’epoca della modernità e della ragione sterile. Il dialogo a distanza che Leopardi intrattiene con uno degli interlocutori più raffinati dell’avverso schieramento romantico, Ludovico Di Breme, si interroga più volte sulle idee di patetico e di sentimentale nei termini derivati dal vitalismo («quello che i francesi chiamano sensibilité e noi potremmo chiamare sensitività», Zib. - 15 5 ), ovvero, come ha insegnato Jean Starobinski, di azione e reazione. 6 Constatando l’allontanamento degli scrittori moderni dalla « nuda natura», ovvero da «quei semplici, innocenti oggetti, che per loro propria forza inconsapevoli» agiscono sull’animo umano producendone effetti sublimi («quell’albero, quell’uccello, quel canto, quell’edifizio, quella selva, quel monte», Zib. -15), alla quale hanno sostituito un’analisi minuziosa dell’interiorità che spegne ogni slancio poetico, Leopardi così commenta: non si avvedono che appunto questo grand’ideale dei tempi nostri, questo conoscere così intimamente il cuor nostro, questo analizzarne, prevederne, distinguerne ad uno ad uno tutti i più minuti affetti, quest’arte insomma psicologica, distrugge l’illusione 3 Kunz Westerhoff: «L’imagination repensée par les Idéologues ou l’homme-machine entre Lumières et Romantisme», 79. Cf. al riguardo Roselyne Rey: Naissance et développement du vitalisme en France de la deuxième moitié du XVIII e siècle à la fin du Premier Empire . Oxford: Voltaire Foundation 2000. 4 Jean-François Lyotard: Leçons sur l’analytique du sublime . Paris: Éditions Galilée 1991. 5 Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri . Edizione critica e annotata a cura di Giuseppe Pacella. Milano: Garzanti 1991. Da qui sono tratte tutte le citazioni che seguono; i numeri delle pagine sono quelli del manoscritto di Leopardi. 6 Jean Starobinski: Action et réaction. Vie et aventure d’un couple . Paris: Gallimard 1999. <?page no="23"?> L’infinito 23 senza cui non ci sarà poesia in sempiterno, distrugge la grandezza d’animo e delle azioni. ( Zib. -16sq.) Dal punto di vista di Leopardi, l’«eccitamento del patetico» nel quale consiste «la somma arte del poeta» non può derivare né dall’osservazione minuta della realtà né dalla pratica artificiale dell’ analyse interiore, praticata da «tutti quanti i romantici e i Chateaubriandisti», bensì, al contrario, dalla restituzione autonoma, attraverso le operazioni di una scrittura sublime, di quell’epifania sentimentale presa in considerazione anche dal Breme nel testo dello «Spettatore» da cui muove l’appunto dello Zibaldone : «la campana del luogo natio», «la vista d’una campagna», o «d’una torre diroccata» ( Zib. -15). Allo scandaglio dell’anima, che produce gli eccessi artificiosi di Byron (autore, come osserva Leopardi in un altro luogo del suo giornale critico, di una poesia «caldissima» ma viziata da un eccessivo intellettualismo che la trasforma in «un trattato oscurissimo di psicologia» ( Zib. -204), Leopardi oppone insomma la «profondità» indistinta e potente del sentimento, suscitato nei «cuori sensitivi» per mezzo «dell’impressione che fa sui sensi qualche cosa della natura» ( Zib. -15). Non so fino a che punto l’argomentazione filosofica dello Zibaldone , che a ben vedere si serve della grammatica medica del vitalismo, possa essere messa in rapporto, dal punto di vista stilistico, con il rifiuto della figuralità metaforica cara ai Romantici di cui ha parlato Mengaldo per l’esperimento poetico dei Canti ; 7 certo è che qualche pagina dopo, ritornando sull’argomento, Leopardi aggiunge una postilla significativa al discorso, sempre in direzione di un effetto sublime per così dire naturale, che non può più essere, per definizione, quello degli antichi: Spesso ho notato negli scritti de’ moderni psicologi che in molti effetti e fenomeni del cuore ec. umano, nell’analizzarli che fanno e mostrarne le cagioni, si fermano molto più presto del fine a cui potrebbero arrivare, assegnandone certe ragioni particolari solamente, e questo perché vogliono farli parere maravigliosi, come il Saint-Pierre negli studi della natura lo Chateaubriand ec. E non vanno alla prima o quasi prima cagione che troverebbero semplice e in piena corrispondenza col resto del sistema di nostra natura. ( Zib. -53) A questo stadio della riflessione leopardiana, l’immaginazione è ancora «il primo fonte della felicità umana» ( Zib. -168). Sebbene indebolita rispetto all’afflato potente degli antichi e dei fanciulli, che conservano vichianamente la spontaneità delle origini, essa è in grado di manifestarsi nel lievito di una poesia che recupera il rapporto immediato benché transitorio con la natura, in modi 7 Pier Vincenzo Mengaldo: «Leopardi non è un poeta metaforico», in: id.: Sonavan le quiete stanze. Sullo stile dei «Canti» di Leopardi . Bologna: Il Mulino 2006, 115-146. <?page no="24"?> 24 Silvia Contarini forse più vicini alla descrizione rousseauiana del sentiment de l’existence 8 che ai piaceri dell’immaginazione di tradizione inglese. Del resto già Beccaria aveva mostrato a metà degli anni Sessanta come la formula vulgata di Addison potesse agevolmente convertirsi nell’operazione intensa della rêverie disincantata, sulla scorta dell’articolo Délicieux dell’ Encyclopédie a firma di Diderot. Così I Piaceri dell’immaginazione , pubblicati nel 1765 nel foglio VII de Il Caffè , avevano delineato la figura epicurea del «beato contemplativo», lontano dagli artifici rituali del mondo e dal tumulto degli affetti. Gli uomini corrono ansanti, si urtano, si sterminano tra di loro per rubbarsi scambievolmente i pochi fisici piaceri sparsi qua e là nel deserto dell’umana vita, ma i piaceri d’immaginazione si acquistano senza pericolo […]. Volgi gli occhi agli innumerabili ed immensi globi gettati dal Grand’Essere nell’immensità dello spazio, a quei torrenti di luce, a quello spirito di vita che circola nell’universo, e trovandoti or colosso, or atomo, ti riderai egualmente di chi sopra tutto e di chi nulla s’aprezza. Lascia gli uomini combattere, sperare e morire; […] riposa mollemente in quella illuminata indifferenza delle umane cose, che non ti tolga il piacere vivissimo di essere giusto e benefico, ma ti risparmia gl’inutili affanni e le tormentose vicende di bene e di male che sbalzano continuamente gli uomini inaveduti, cioè la maggior parte. 9 Ascoltiamo allora, per antitesi, la riflessione di Leopardi datata 23 agosto 1821, dove risuona una consapevolezza storica e temporale del tutto diversa, che già prelude alla metafora notissima del mondo come «jardin des souffrances»: Ma la natura, e le cose inanimate sono sempre le stesse. Non parlano all’uomo come prima; la scienza e l’esperienza coprono la loro voce: ma pur nella solitudine, in mezzo alle delizie della campagna, l’uomo stanco del mondo, dopo un certo tempo, può tornare in relazione con loro benché assai meno stretta e costante e sicura […]. Ecco un certo risorgimento dell’immaginazione, che nasce dal dimenticare che l’uomo fa le piccolezze della natura, conosciute da lui colla scienza; laddove le piccolezze e le malvagità degli uomini, cioè de’ suoi simili, non è quasi possibile che le dimentichi. Egli stesso assai mutato da quel di prima, e conosciuto da lui assai più intimamente di prima, egli stesso da cui non si può allontanare né separare, servirebbe a richiamargli l’idea della miseria, della vanità, della tristizia umana. ( Zib. -1550sq.) 8 Sul sentiment de l’existence si vedano principalmente Marcel Raymond: La Quête de soi et la rêverie . Paris: Corti 1962; Roland Mortier: «À propos du sentiment de l’existence chez Diderot et Rousseau. Notes sur un article de l’Encyclopédie», in: Diderot Studies VI (1964), 181-197; e Jacky Pigeaud: «Je pense d’où je sens», in: Epoché 2 (1991), 61-70. 9 Cesare Beccaria: «I piaceri dell’immaginazione», in: Il Caffè 1764-1766 . A cura di Gianni Francioni e Sergio Romagnoli. Vol. II. Torino: Bollati Boringhieri 1993, 479-480, su cui si veda Silvia Contarini: «La dialettica fra ‹repos› e ‹mouvement› nell’Illuminismo milanese», in: Robert Fajen-/ Andreas Gelz (a cura di): Ocio y Ociosidad en el siglo XVIII. Ozio e oziosità nel Settecento italiano e spagnolo . Frankfurt a. M.: Klostermann 2017, 49-64. <?page no="25"?> L’infinito 25 Dentro questa tonalità esistenziale, che ha preso le distanze anche storicamente dall’ottimismo dei Lumi, la considerazione dei rapporti fra il particolare e il generale, il determinato e l’indeterminato, dà origine nello Zibaldone a tutta una serie di osservazioni che introducono già la sintassi de L’infinito , tanto che questi appunti sparsi si presentano a tutti gli effetti come un autocommento al testo poetico, fino al pensiero riassuntivo del principio di agosto del ’21, che tuttavia non sembra tanto una conclusione del discorso, quanto un suo continuo rilancio entro la tematica più vasta del sublime, ripresa e approfondita nelle pagine che seguono in termini su cui dovremo tornare, per le analogie profonde con le estetiche psicofisiologiche del Tournant des Lumières , in primo luogo l’ Enquiry in to the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful di Burke: Circa le sensazioni che piacciono pel solo indefinito puoi vedere il mio idillio sull’ infinito , e richiamar l’idea di una campagna arditamente declive in guisa che la vista in certa lontananza non arrivi alla valle; e quella di un filare d’alberi, la cui fine si perda di vista, o per la lunghezza del filare, o perch’esso pure sia posto in declivio ec. ec. Una fabbrica o una torre ec. Veduta in modo che ella paia innalzarsi sola sopra l’orizzonte, e questo non si veda, produce un contrasto efficacissimo e sublimissimo tra il finito e l’indefinito […]. ( Zib. -1430sq.) In queste rapide annotazioni, l’epifania della natura, frutto delle operazioni dell’immaginazione e della memoria («gran parte delle immagini e delle sensazioni indefinite che noi proviamo pure dopo la fanciullezza e nel resto della vita, non sono altro che una rimembranza della fanciullezza, si riferiscono a lei, dipendono e derivano da lei, sono come un influsso e una conseguenza di lei», Zib. -515) muove dall’idea di una privazione rispetto alla realtà dei sensi e in particolare della vista («il non veder tutto, e il poter perciò spaziare coll’immaginazione», Zib. -1745): Alle volte l’anima desidererà ed effettivamente desidera una veduta ristretta e confinata in certi modi, come nelle situazioni romantiche. La cagione è la stessa, cioè il desiderio dell’infinito, perchè allora in luogo della vista, lavora l’immaginazione e il fantastico sottentra al reale. L’anima s’immagina quello che non vede, che quell’albero, quella siepe, quella torre gli nasconde, e va errando in uno spazio immaginario, e si figura cose che non potrebbe se la sua vista si estendesse da per tutto, perchè il reale escluderebbe l’immaginario. Quindi il piacere ch’io provava sempre da fanciullo, e anche ora nel vedere il cielo ec. Attraverso una finestra, una porta, una casa passatoia, come la chiamano. Al contrario la vastità e la molteplicità delle sensazioni diletta moltissimo l’anima. Ne deducono ch’ella è nata per il grande ec. Non è questa la ragione. Ma proviene da ciò, che la molteplicità delle sensazioni, confonde l’anima, gl’impedisce di vedere i confini di ciascheduna, toglie l’esaurimento subitaneo del piacere, la fa errare d’un piacere in un altro senza poterne approfondare nessuno, e quindi si rassomiglia in certo modo a un piacere infinito. ( Zib. -171sq.) <?page no="26"?> 26 Silvia Contarini Gilberto Lonardi ha colto in tale manifestarsi della poesia «per lampi o per barlumi e frammenti» 10 , più volte oggetto dell’attenzione di Leopardi, un riflesso della poetica longiniana del sublime. Tuttavia si potrebbe osservare, da un altro punto di vista, che l’idea di una immaginazione dominante, frutto di associazioni rapsodiche, interiori e soggettive, appartiene di diritto anche alla tradizione più vitale del sensismo tardosettecentesco. In Rousseau, per esempio, le dinamiche interne della «rêverie solitaire», che prende forma grazie all’«asile caché» dell’Île de Saint-Pierre, raccontano l’immersione in una realtà interiore, in uno stato di effimera quanto perfetta plenitudine, estranea all’attività razionale della mente («sans prendre la peine de penser» 11 ). Ciò che importa qui rilevare è che, come avverrà ne L’infinito , ma diversamente da quanto accade ne I piaceri de l’immaginazione di Beccaria, che pure presentano evidenti somiglianze con il passo di Rousseau per quanto riguarda la celebrazione di un «sentiment précieux de contentement et de paix» 12 , il momento del godimento sensoriale non esclude ma contempla quello successivo di una meditazione sulla temporalità che procede per via analogica. Il «flux et reflux des eaux» che immerge l’animo «dans une rêverie délicieuse» richiama il moto perenne dell’esistenza, soggetta alle leggi incessanti della materia. Un'impressione che si amplia fino a lambire la sfera psicologica: Tout est un flux et reflux continuel sur la terre. Rien n’y garde une forme constante et arrêtée, et nos affections qui s’attachent aux choses extérieures passent et changent nécessairement comme elles. Toujours en avant ou en arrière de nous, elles rappellent le passé qui n’est plus ou préviennent l’avenir qui souvent ne doit pas être […] et comment peut-on appeler bonheur un état fugitif qui nous laisse encore le cœur inquiet et vide, qui nous fait regretter quelque chose avant, ou désirer encore quelque chose après? 13 Il paragone con la meditazione di Rousseau serve a mettere in evidenza come la cornice filosofico-sensistica de L’infinito sia ancora per larga parte quella di matrice lockiana che permea la Cinquième promenade , nell’assunzione pervasiva della dinamica di repos e mouvement propria di ogni forza vitale. In Rousseau, 10 Gilberto Lonardi: L’oro di Omero. L’«Iliade», Saffo, antichissimi di Leopardi . Venezia: Marsilio 2005, 51. Nello stesso volume si veda anche il saggio «Leopardi, Saffo, il sublime» (57-92). 11 Jean-Jacques Rousseau: Les Rêveries du promeneur solitaire . Introduction de Jean Grenier. Paris: Gallimard 1972, 99. La presenza di Rousseau nella stratigrafia de L’infinito è stata rilevata anche da Fernando Bandini, il quale ha rinviato opportunamente a un passo incluso nell’antologia di Noël e Delaplace. Cf. Giacomo Leopardi: Canti . A cura di Franco Gavazzeni. Milano: Rizzoli 1998, 273. 12 Rousseau: Les Rêveries du promeneur solitaire , 99. 13 Ibid., 101. <?page no="27"?> L’infinito 27 come poi in Leopardi, l’attività dell’immaginazione rappresenta una sorta di forza intermedia fra la stasi del movimento, che prefigura la morte, e l’eccesso delle passioni, su cui si infrange la rêverie : Sans mouvement la vie n’est que léthargie. Si le mouvement est inégal ou trop fort, il réveille; en nous rappelant aux objets environnants, il détruit le charme de la rêverie et nous arrache d’au dedans de nous pour nous remettre à l’instant sous le joug de la fortune et des hommes et nous rendre au sentiment de nos malheurs. Un silence absolu porte à la tristesse. Il offre une image de mort. Alors le secours d’une imagination riante est nécessaire et se présente assez naturellement à ceux que le ciel en a gratifié. Le mouvement qui ne vient pas du dehors se fait alors au dedans de nous. 14 Nella costellazione dei testi settecenteschi dedicati al meccanismo sensibile della rêverie che opera per sottrazione o cancellazione della realtà esteriore si può ricordare forse a questo punto un altro precedente degno di figurare nella genealogia de L’infinito , anche in considerazione della sua natura intrinseca, legata alla ripresa della tematica gessneriana dell’idillio che interesserà poi, da un altro punto di vista, lo stesso Leopardi. 15 Mi riferisco alle Lettere campestri di Aurelio De’ Giorgi Bertola, contemporanee alle Nuove poesie campestri e marittime presenti nella biblioteca leopardiana 16 e grosso modo alla stesura delle Rêveries rousseauiane, che senz’altro contribuiscono a definire la natura tutta interiore dei piaceri dell’immaginazione nel Tournant des Lumières italiano. Nella lettera fittizia datata 23 settembre 1779, per esempio, Bertola offre la sua personale rivisitazione dei pleasures of imagination , risultato di un uso particolare dei due sensi primari, l’udito e la vista, che cooperano alla costruzione di una realtà alternativa a quella della «chiusa campagna» da cui muove la contemplazione: Seduto su questa pietra ho ancora de’ piaceri d’immaginazione novi in una chiusa campagna. Se freme gagliardamente il mare che bagna la costiera d’Amalfi, qui se ne sente lo strepito: pensando che se mi piacesse di far il cammino della montagna, che pure fan molti, singolarmente in cerca di erbe utili e rare, o a cacciagione (e dell’une e dell’altra la montagna è ricchissima) avrei d’improvviso l’aspetto del mare, e un altro tutto peregrino orizzonte, così pensando, io m’inebbrio di un piacer vivissimo , e lascio il freno alla mia fantasia; e di mezzo a’ boschetti di cedri, ond’è lieta la costa, parmi guardar la tempesta. 17 14 Ibid., 103. 15 Sulla questione dell’idillio in Leopardi, fra temi e modelli, cf. Luigi Blasucci: La svolta dell’idillio. E altre pagine leopardiane . Bologna: Il Mulino 2017. 16 Cf. il Catalogo della Biblioteca Leopardi in Recanati (1847-1899) . Nuova edizione a cura di Andrea Campana, prefazione di Emilio Pasquini. Firenze: Olschki 2011, 71. 17 Aurelio De’ Giorgi Bertola: «Lettere campestri», in: id.: Operette in verso e in prosa . Vol.-II. Bassano: Giuseppe Remondini 1785, 140. Corsivo mio. <?page no="28"?> 28 Silvia Contarini Quasi due anni dopo, nella lettera datata 20 febbraio 1781, troviamo un altro passo significativo, nel quale l’occhio, che questa volta si apre all’orizzonte «senza alcun ostacolo», introduce la figura dell’antitesi. Riletto insieme al precedente, il brano sembra quasi una sorta di anticipazione in prosa de L’infinito leopardiano: gli elementi ci sono tutti, manca solamente un respiro poetico più ampio, in grado di animare la forma ‹sentimentale› dell’idillio attraverso soluzioni retoriche e linguistiche sconosciute al Bertola, per il quale il contrasto fra il «gaio» e l’«orrido» non esce dalle sfumature del pittoresco: L’occhio misura di là la vicina altezza del Vesuvio, indi va tutto senza alcun ostacolo signoreggiando e Napoli e i colli e i monti, e il mare e le isole. Il tratto di verdura che dal poggetto frapponesi al mare, rende il color di questo anche più risentito; e il contrasto di un luogo gradatamente si vago e ridente coll’orrido della valle sottoposta è vivissimo. [… T]alvolta ancora il mover del vento piegando il fogliame ne va tratto tratto ampliando il quadro; e talvolta osa pure interromperlo piacevolmente. 18 Rispetto agli esempi fin qui ricordati, che pure testimoniano a modo loro la progressiva autonomia dell’immaginazione rispetto alla realtà esterna, grazie a una sorta di analisi della dinamica interna della sensibilità, è evidente come L’infinito muova proprio dal momento iniziale della privazione, che diviene anzi la condizione stessa della poesia. E nell’ambito frastagliato retorico delle estetiche tardosettecentesche, dove l’allusività e la reticenza vengono intese sempre più come necessarie allo sviluppo dell’immaginazione, 19 l’idea di privazione non può non richiamare alla mente del lettore la prospettiva rivoluzionaria di Burke, ovvero un’idea psicofisiologica del sublime, alternativa alla tradizione classicistica divulgata da Boileau che nel corso del Settecento non cessa di esercitare la sua influenza, talora anche attraverso l’unione con le categorie di Addison. Per quanto riguarda in particolare l’Italia, il riferimento a Burke diviene poi quasi d’obbligo dopo la data canonica del 1804, quando le due traduzioni dell’ Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful , apparse rispettivamente a Milano e a Macerata, impongono all’attenzione dei contemporanei su un testo che fino a quel momento aveva conosciuto una diffusione assai più limitata e meno riconoscibile, per lo più attraverso la mediazione francese. 20 Non è dunque 18 Bertola: «Lettere campestri», 158sq. 19 Al riguardo mi limito a rimandare allo studio oramai classico di Jean Starobinski: L’invention de la liberté. Les emblèmes de la raison . Genève: Skira 1964. 20 Cf. Silvia Contarini: «Intorno a Burke, tracce della ricezione dell’ Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful nel Tournant des Lumières»: in: Gabriele Bucchi-/ Carlo Enrico Roggia (a cura di): La critica letteraria nell’Italia del Settecento . Ravenna: Longo 2017, 147-158. Ead.: «La dialettica fra ‹repos› e ‹mouvement› nell'Illuminismo milanese», in: Fajen-/ Gelz: Ocio y Ociosidad , 49-64. <?page no="29"?> L’infinito 29 un caso se Giorgio Panizza, tornando sulla filigrana tematica de L’infinito , ha richiamato l’attenzione su di un passo della recensione al trattato di Ignazio Martignoni sopra il Bello e il Sublime (uno dei primi a confrontarsi in maniera diretta con l’ Enquiry ), pubblicata negli «Annali di scienze e lettere» nel 1810, dove l’autore, Pietro Borsieri, aveva commentato in piena sintonia con Martignoni: Non è perciò da negarsi al ricordato Burke che tutte le privazioni generali siano grandi: il silenzio, il vuoto, la solitudine, le tenebre, le idee di morte e di annientamento. Siffatte privazioni generali invadono l’anima di un solenne terrore, e col richiamarci dagli oggetti esterni ne dispongono a concepire i più sublimi pensieri ed affetti. 21 Prima di tornare con maggiore attenzione sulle conseguenze, nell’impianto teorico dello Zibaldone e di riflesso nel tessuto della lirica leopardiana, non solo del libro di Martignoni, ma di una possibile lettura di prima mano di Burke da parte di Leopardi, vale però la pena di ricordare che sull’idea di privazione si era soffermato a lungo, da una prospettiva retorica e stilistica, anche colui che è forse uno dei primi attenti lettori dell’ Enquiry in Italia, vale a dire il Beccaria delle Ricerche intorno alla natura dello stile 22 . Rilevando l’influenza profonda delle idee che non vengono espresse ma «semplicemente suggerite o destate nell’animo di chi legge o di chi ascolta» 23 , Beccaria si era appellato, sulla scorta di Burke, ai principî stessi del vitalismo: «è legge della nostra sensibilità che tutt’altra forza abbiano le idee espresse e le tacciute» 24 . Probabilmente sulla scorta dell’ Enquiry , da cui mutuava il concetto cardine di privazione ( privation nella traduzione francese che restituisce letteralmente l’originale privation ) Beccaria giungeva così a teorizzare l’energia invisibile di uno stile allusivo che opera per sottrazione, attraverso la catena delle idee accessorie , le quali destano a loro volta sempre nuove associazioni attraverso il movimento interiore, soggettivo e potenzialmente infinito dell’immaginazione, sotto l’effetto del sublime e delle passioni 21 Pietro Borsieri: «Recensione a Del Bello e del Sublime Libri due di Ignazio Martignoni Professore Emerito di diritto, del Collegio Elettorale dei Dotti (Milano, dalla Tipografia Mussi, 1810)», in: Annali di scienze e lettere III (1810), 356 (cit. in: Leopardi: Canti , 273sq.). Sull’importanza della recensione di Borsieri è tornato Raffaele Gaetano: Giacomo Leopardi e il sublime. Archeologia e percorsi di una idea storica . Rubbettino: Soveria Mannelli 2002, 225, che nel suo libro affronta la questione della presenza di Burke in Leopardi da un punto di vista filosofico. Per la ripresa soprattutto tematica delle categorie dell’ Enquiry si veda anche lo studio pionieristico di Nicholas Perella: Night and the Sublime in Giacomo Leopardi . Berkeley: University of California Press 1971. 22 Cf. Contarini: «Intorno a Burke […]», 147-158; ead.: «La dialettica fra ‹repos› et ‹mouvement› […]», 49-64. 23 Cesare Beccaria: Ricerche intorno alla natura dello stile , in: id.: Scritti filosofici e letterari . A cura di Gianmarco Gaspari. Milano: Mediobanca 1984 (Edizione Nazionale delle Opere di Cesare Beccaria, vol. II), 94. 24 Ibid. <?page no="30"?> 30 Silvia Contarini da lui risvegliate. Da questo punto di vista, la conclusione delle Ricerche intorno alla natura dello stile si può intendere come una sorta di riscrittura delle pagine più note di Burke per ricavarne i lineamenti di una poetica moderna, in parte riconoscibile anche nella stratigrafia de L’infinito leopardiano: Quanto più grandi e più forti saranno le idee accessorie espresse, tanto più numerose possono essere le idee tacciute, ma necessariamente destate da quelle, perchè l’efficacia delle prime tende e rinforza l’attenzione, che con più rapidi voli slanciasi ad abbracciare le idee non espresse senza pregiudicare l’interesse del tutto, e perchè espressioni più grandi e più forti fermano l’immaginazione di chi legge od ascolta […]. Chi ben considera, e ritorna sull’esperienza dell’animo suo, potrà facilmente scorgere che, sempre che un grande ed interessante oggetto fermi il pensiero e percuota l’immaginazione; questa, dopo considerato quell’oggetto, nell’atto che si riscuote e si risveglia dell’intensione nella quale trovavasi, per così dire, attuata e raccolta, non si abbandona subito all’ordinaria impressione delle cose che le stanno d’attorno, ma sebbene destasi in lei una moltitudine d’idee tutte relative non solo a quella straordinaria impressione che l’ha percossa, ma ancora alle passioni dalle quali è dominata. 25 Che la riflessione di Beccaria fosse destinata a lasciare un segno, lo conferma del resto lo Zibaldone , dove Leopardi mostra di aver compreso l’importanza di un libro difficile e spesso frainteso dai contemporanei come le Ricerche intorno alla natura dello stile . All’interno di una serie di pensieri dedicati alla lingua e allo stile, troviamo un appunto rivelatore sulle risorse dell’analogia per mezzo delle idee accessorie: «Le parole, osserva il Beccaria (tratt. dello stile) non presentano la sola idea dell’oggetto significato, ma quando più quando meno immagini accessorie» ( Zib .- 109sq.). Qualche pagina prima, quasi sul modello esemplificativo del libro di Beccaria, affiora un’altra citazione complementare, che porta questa volta sul valore della reticenza. Leopardi trascrive il passo di un romanzo che per tanti versi rientra anch’esso nell’orbita del sublime moderno, tra Piranesi e Burke, ossia Le notti romane di Alessandro Verri: si tratta del brano «dove la Vestale dice che diede disperatamente del capo in una parete, e giacque» ( Zib .-82), e l’autore dello Zibaldone , quasi sperimentando su se stesso l’effetto potente di quel vuoto grammaticale che agisce profondamente sull’immaginazione in termini fisiologici, chiosa: la soppressione del verbo intermedio tra il battere il capo e il giacere, che è il cadere, produce un effetto sensibilissimo, facendo sentire al lettore tutta la violenza e come la scossa di quella caduta , per la mancanza di quel verbo, che par ti manchi sotto ai piedi, e che tu cada di piombo dalla prima idea nella seconda che non può esser collegata col- 25 Ibid., 99. <?page no="31"?> L’infinito 31 la prima se non per quella di mezzo che ti manca. E queste sono le vere arti di dar virtù ed efficacia allo stile, e di far quasi provare quello che tu racconti. ( Zib .-82, corsivo mio) L’insistenza sull’effetto sensibile del sublime effetto di una mancanza ci riconduce dunque all’origine di questa fitta costellazione intertestuale, vale a dire al trattato di Burke, che come suggerisce il catalogo della biblioteca di Recanati Leopardi poteva aver conosciuto di prima mano, ovvero non solo attraverso la pur possibile mediazione della cultura italiana e francese, grazie alla traduzione di Carlo Ercolani pubblicata a Macerata nel 1804 dalla stamperia di Bartolomeo Capitani. Prima di quella data, che vede anche l’uscita in parallelo, a Milano, di una traduzione anonima dell’ Enquiry dovuta al conte veronese Gian Giuseppe Marogna, sodale di Leopoldo Cicognara, 26 per individuare la prima citazione esplicita (cursoria) dell’opera di Burke in ambito italiano si deve risalire alla Dissertazione intorno al sublime di Girolamo Prandi (1793), anche se richiami impliciti di qualche rilievo affiorano nel Discorso sull’indole del piacere e del dolore di Pietro Verri (ben noto a Leopardi che lo utilizza nel Dialogo di Cristoforo Colombo e di Pietro Gutierrez) , e più decisamente nelle già ricordate Riflessioni intorno alla natura dello stile di Beccaria, per tacere della probabile influenza del trattato di Burke, forse attraverso Helvétius, sull’immaginario tragico alfieriano. 27 All’inizio dell’Ottocento, viceversa, l’oramai ampia ricezione dell’ Enquiry , con cui si misurerà anche la critica romantica attraverso i Saggi sul Bello di Ermes Visconti (la cui prima versione inedita risulta contemporanea a L’infinito ), è comprovata anche dalla nuova edizione francese del 1803 presente nella biblioteca di Alessandro Manzoni, che reca postille autografe dello scrittore, 28 a segno di una lettura che nel suo caso avviene ancora attraverso il filtro d’oltralpe, sulla quale potranno ritornare con qualche utilità i commenti ai Promessi sposi . 29 26 Per un primo confronto sulle due traduzioni italiane del 1804 cf. Daniele Niedda: «The Reception of Burke’s Aesthetic Ideas in Italy. Translation as Threshold of Interpretations», in: Martin Fitzpatrick-/ Peter Jones (eds): The Reception of Edmund Burke in Europe . London [et al]: Bloomsbury Academic 2017, 253-263. 27 Su questo punto cf. Contarini: «Intorno a Burke» . Ma l’influenza di Burke nel Tournant des Lumières italiano era stata già ipotizzata da Ezio Raimondi: Le pietre del sogno. Il moderno dopo il sublime . Bologna: Il Mulino 1985 e da Guido Morpurgo Tagliabue: Il gusto nell’estetica del Settecento . Palermo: Aesthetica 2002. Riguardo ad Alfieri, tra i contributi più recenti si veda il saggio di Sabrina Ferri: «Vittorio Alfieri’s Natural Sublime: The Physiology of Poetic Inspiration», in: European Romantic Review 23 (2012), 555-574. 28 Edmund Burke: Recherche philosophique sur l’Origine de nos idées sur le Sublime et le Beau . Traduit de l’Anglais sur la Septième Edition avec un précis de la vie de l’Auteur par E. Lagentie de Lavaïsse. Paris: chez Pichon et Depierreux de l’Imprimerie de Jusseraud 1803. 29 Mi riferisco in particolare al capitolo della fuga notturna di Renzo verso l’Adda ( I Promessi sposi , XVII) dove l'eco di Burke è particolarmente presente. <?page no="32"?> 32 Silvia Contarini Per provare a definire meglio la presenza di Burke in Leopardi bisogna dunque ripartire dal testo più vicino, vale a dire dalla traduzione dell’Ercolani, quest’ultimo autore anche autore di una versione delle Lectures on Rhetoric and Belles Lettres di Blair rimasta inedita perché completata a poca distanza dalla fortunatissima traduzione del Soave uscita nel 1803 e più volte ristampata. Rispetto alla versione di Burke messa a punto dal Marogna, il lavoro traduttorio dell’Ercolani appare piuttosto preciso e tutt’altro che superficiale, grazie soprattutto alle competenze linguistiche dell’autore, interprete fedele e acuto dell’originale. 30 La prima osservazione interessante, dalla nostra prospettiva, si trova proprio nelle pagine iniziali e riguarda la ridefinizione del concetto di gusto. Svincolato sia dalle posizioni normative del classicismo che dal relativismo illuministico, il Gusto viene subito messo in relazione con l’effetto del sublime, in termini non molto diversi da quelli che abbiamo visto nel brano dello Zibaldone dove Leopardi dialogava con Di Breme. Per Burke, infatti, il gusto non è altro che «quella facoltà, o quelle facoltà dell’anima» per le quali «sono tocche e commosse dall’opere dell’immaginazione o delle belle arti» 31 , e qualche pagina dopo troviamo un corollario sul rapporto fra l’immaginazione e la sensibilità che potrebbe figurare a buon diritto nello Zibaldone fra commenti d’autore a L’infinito : «l’immaginazione è la provincia più estesa del piacere e del dolore, siccome essa è la regione de’ nostri timori e delle nostre speranze, e di tutte le nostre passioni» 32 . Di là da questa generale tonalità di fondo, immediatamente riconoscibile, sono molti i riscontri fra la versione italiana dell’ Enquiry e le pagine dello Zibaldone su cui si potrebbe discutere, a cominciare dalle «idee dell’eternità e dell’infinito», secondo Burke «le più commoventi idee che noi abbiamo» 33 , dall'insistenza sull’indeterminato proprio della poesia, risultato di «grandi e confuse immagini», che induce il richiamo inevitabile - sopratutto per un lettore del Settecento abituato a confrontarsi con Shakespeare e con Milton, esempi per eccellenza di un sublime letterario anticlassicistico-- del primo canto del Paradise Lost : Qui si vede una pittura nobilissima; e in che consiste questa poetica pittura? Nell’immagini d’una torre, di un arcangelo, del sole nascente in mezzo alla nebbia, in un’eclisse, nella rovina de’ monarchi, e nelle rivoluzioni de’ regni. L’animo è trasportato fuori di se da una folla di grandi e confuse immagini, che lo sorprendono appunto perché sono affollate e confuse. Poiché separatele, e perderete molto della grandezza; 30 Cf. Niedda: The Reception of Burke’s Aesthetic Ideas in Italy . 31 Edmund Burke: Ricerca filosofica sull’origine delle nostre idee del Sublime e del Bello, con un discorso preliminare intorno al Gusto. Tradotta dall’inglese da Carlo Ercolani canonico della Cattedrale di Macerata. Macerata: presso Bartolomeo Capitani 1804, 9. 32 Burke: Ricerca filosofica sull’origine delle nostre idee del Sublime e del Bello , 15. 33 Ibid., 70. <?page no="33"?> L’infinito 33 riunitele, e perderete la chiarezza. Le immagini risvegliate dalla poesia sono sempre di questo genere oscuro […] difficilmente alcuna cosa può far colpo sul nostro spirito con la sua grandezza, se non si approssima in qualche modo all’infinito. 34 Un altro luogo degno di essere preso in considerazione per i suoi sviluppi in un’ottica leopardiana è poi quello sopra le cosiddette Privazioni che aveva già attratto l’interesse di Beccaria, di Martignoni e di Borsieri, 35 e che prevedibilmente lascia più di un segno negli appunti sparsi del 1821, insieme alla riflessione complementare sul potere dei suoni. 36 Nel capitolo XIX del libro, intitolato al Repentino , Burke si sofferma a lungo sulle risonanze interiori di ciò che definisce «un subitaneo principio, o un’improvvisa cessazione di suono», come «i rintocchi di una gran campana, quando il silenzio della notte impedisce l’attenzione dall’esser troppo dissipata» 37 . All’esempio, di per sé abbastanza significativo per la sua immediata traducibilità poetica, sembra di poter collegare un commento dello Zibaldone in data 16 ottobre 1821, dove Leopardi si sofferma sugli effetti dello «stormire del vento» quando «freme confusamente in una foresta, o tra i vari oggetti di una campagna», o quando «è udito da lungi», e dunque «non si vede l’oggetto che lo produce, giacché il tuono e il vento non si vedono» ( Zib. -1929). Rispetto a quella che a prima vista si presenta come una sostanziale adesione, se non proprio come una rilettura critica dell’estetica di Burke nello Zibaldone , anche in vista di un suo riuso in poesia, l’aspetto più controverso rimane tuttavia quello che riguarda il giudizio di Leopardi sulla definizione di sublime divulgata dall’ Enquiry , ovvero il rapporto con la sfera psicologica del terrore, nella quale è implicita una totale soggezione, o annientamento delle facoltà dell’anima. Ricordo qui brevemente i due passi maggiormente commentati dai censori sette-ottocenteschi di Burke: Qualunque cosa è atta in un certo modo ad esercitare idee di dolore e di pericolo, vale a dire ciò che è in qualche modo terribile, e riguarda oggetti terribili, o opera in maniera analoga al terrore, è la sorgente del Sublime ; cioè è atta a produrre la più grande commozione, perchè sono persuaso che le idee del dolore siano più potenti di quelle che vengono dalla parte del piacere. 38 La passione cagionata dal grande e dal sublime della natura , quando queste cagioni operano più potentemente, è lo stupore; che è quello stato dell’anima, in cui tutti i 34 Ibid., 71-72. Cf. in parallelo Zib. 1744-1754, 1826-1833, 1926-1932. 35 Ibid., 83: «Tutte le generali privazioni sono grandi, perchè sono tutte terribili; il voto, l’oscurità, la solitudine, ed il silenzio». 36 Cf. su questo punto Margaret Brose: «Leopardi and the Power of Sound», in: California Italian Studies 4.1 (2013), 1-35. 37 Burke: Ricerca filosofica sull’origine delle nostre idee del Sublime e del Bello , 100. 38 Ibid., 41. <?page no="34"?> 34 Silvia Contarini suoi movimenti sono sospesi, con qualche grado di orrore. In questo caso lo spirito è sì pienamente occupato del suo oggetto che non può ammetterne verun altro, né per conseguenza ragionare sopra quell’oggetto che tutto l’impiega. Quindi nasce il gran potere del sublime, che lungi dall’esser prodotto dai nostri raziocinj, gli anticipa, e ci trasporta con forza invincibile. 39 Si tratta, come è noto, di affermazioni spesso contestate fin dal primo apparire dell’ Enquiry e lungo tutto il Tournant des Lumières , per ragioni che riguardano in primo luogo l'orizzonte fisiologico dell’estetica di Burke: 40 dopo il Kant della Kritik der Urteilskraft , anche in Italia teorici e critici meno noti e tuttavia influenti del primo Ottocento, come il Visconti dei Saggi sul Bello 41 , rifiutano le premesse materialistiche implicite nell’idea di delight , sulla scorta delle proposte meno radicali di Blair. Lo stesso Martignoni, su cui è giunto il momento di soffermarsi, non fa eccezione, e nella parte del suo trattato dedicato al Sublime annota al riguardo: Non saprei tuttavia circonscrivere con Burke al solo terrore gli effetti di questo eccelso sentimento, comeché non di rado esso entri nelle impressioni, che di lui vengono risvegliate. Al che per avventura egli si indusse per avere osservato, che anche la meraviglia serba un cotal carattere grave ed austero, e con un non so qual turbamento ricerca l’anima nell’atto di sollevarla sopra se stessa, e ne abbia quindi per analogia confusi gli effetti con quelli del terrore. 42 Significativamente, Martignoni si preoccupa di distinguere fra l’impressione del sublime, esercitata sui sensi, e la sua rielaborazione artistica attraverso l’immaginazione creativa, che opera attraverso il sentimento della meraviglia, la cui azione ha (cartesianamente) l’effetto di «elevar l’anima e di rinvigorirla contro l’impression del terrore» 43 . Il risultato è una sorta di rivisitazione moderna del topos lucreziano del Suave mari magnum , ovvero del sublime come prodotto di una distanza. L’esempio chiarificatore è quello pittorico di Vernet, già oggetto dell’attenzione profonda di un altro esegeta acuto di Burke, ma assai più attrezzato, il Diderot dei Salons . Contrapponendo il terrore reale dei marinai preda 39 Ibid., 64. 40 Cf. per una sintesi Aris Sarafianos: «Edmund Burke’s Physiological Aesthetics in Medico-Philosophical Circles and Art Criticism 1757-1824», in: Fitzpatrick- / Jones (eds): The Reception of Edmund Burke , 207-227. 41 L’ Enquiry è oggetto di una minuziosa trattazione da parte del Visconti, che sulla scorta di Hugh Blair sostanzialmente rifiuta l’idea che il sublime consista in una «modificazione del terrore». Cf. Ermes Visconti: Saggi sul Bello, sulla poesia e sullo stile . A cura di Anco Marzio Mutterle. Roma-/ Bari: Laterza 1979 (versione inedita 1819-1822, 106). 42 Ignazio Martignoni: Del Bello e del Sublime libri due . Milano: Tipografia Mussi 1810, 86. 43 Ibid., 87. <?page no="35"?> L’infinito 35 della burrasca al sublime convertito in arte del pittore di marine, Martignoni osserva, in maniera quasi perentoria: Una burrasca, la qual non è, che un oggetto di spavento e di orrore pe’ naviganti, che agghiacciano all’aspetto dell’imminente loro naufragio, era un sublime spettacolo per Vernetto, che il terrore non ne apprendeva, o il pericolo, ma l’imponenza soltanto ne scorgeva, o la maestà di così eccelsa scena. 44 Viceversa, in un altro luogo del testo, e precisamente nel passo sulle Privazioni che era piaciuto al Borsieri, Martignoni sembra per un attimo contemplare una forma di immaginazione senza limiti, frutto dell’esperienza radicale del sublime inteso come «solenne e sacro terrore»: Convengo perciò volentieri col ricordato Burke nel ritenere che tutte le privazioni generali sieno grandi, come lo sono infatti il silenzio, il vuoto, la solitudine, le tenebre, ed anche più le idee di morte e di annientamento, siccome quelle, dalle quali l’anima rifugge sbigottita. E a dir vero cotali idee invadono gli animi di un solenne e sacro terrore, il qual tanto più diviene energico, quanto che da nessun limite è frenato l’entusiasmo della commossa fantasia, e lo spirito ripiegato in se stesso tutta dispiega la sua forza creatrice. 45 Se dunque perfino la sintesi conciliante proposta dal Martignoni nel suo trattato, vera e propria summa dell’estetica settecentesca nella quale Burke occupa una posizione significativa ma non assoluta, finisce quasi per confermare suo malgrado l’influenza delle posizioni più radicali dell’ Enquiry attraverso l’ossimoro dello «spirito ripiegato in se stesso» che «tutta dispiega la sua forza creatrice», tanto più viene da chiedersi quale sia al riguardo la posizione di Leopardi. In altre parole, il verso finale de L’infinito («E il naufragar m’è dolce in questo mare») si deve intendere come una traduzione poetica del delight nel senso psicofisiologico di Burke, o invece si può pensare che proprio la memoria, evocata fin dall’inizio attraverso la forte cesura del primo verso («Sempre caro mi fu quest’ermo colle») sia funzionale a introdurre nel testo una dimensione temporale successiva, nella quale l’attività libera dell’immaginazione ritorna sulle idee di morte limitando alla finzione della scrittura quello che Giuseppe Sertoli, attribuendo al sublime di Burke una moderna sfumatura freudiana, ha definito il brivido dell’annientamento 46 ? Un appunto senza data dello Zibaldone , nel quale Leopardi commenta un brano della Corinne di Mme De Staël relativo alla 44 Ibid., sq. 45 Martignoni: Del Bello e del Sublime , 89-90. 46 Cf. Giuseppe Sertoli: «Introduzione», in: Edmund Burke: Inchiesta sul Bello e il Sublime . A cura di Giuseppe Sertoli e Goffredo Miglietta. Palermo: Aesthetica 3 1991, 9-42. <?page no="36"?> 36 Silvia Contarini mancata visita dei due protagonisti alle catacombe romane, sembra autorizzare questa seconda interpretazione: L’ame est si mal à l’aise dans ce lieu (dice la Staël delle catacombe, liv. 5 ch. 2 de la Corinne), qu’il n’en peut résulter aucun bien pour elle. L’homme est une partie de la création, il faut qu’il trouve son harmonie morale dans l’ensemble de l’univers, dans l’ordre habituel de la destinée; et de certaines exceptions violentes et rédoutables peuvent étonner de la pensée, mais effraient tellement l’imagination, que la disposition habituelle de l’ame ne saurait y gagner. Queste parole sono una solenniss. condanna degli orrori e dell’eccesso terribile tanto caro ai romantici, dal quale l’immaginazione e il sentimento in vece d’essere scosso è oppresso e schiacciato, e non trova altro partito a prendere che la fuga, cioè chiuder gli occhi della fantasia e schivar quell’immagine che tu gli presenti. ( Zib. -73sq.) Alcune pagine dopo, nel pensiero datato 4 marzo 1821, Leopardi aggiunge una lunga chiosa sull’«eccesso di sensazione» che assume quasi il valore emblematico di una risposta implicita al sistema estetico dell’ Enquiry , fondato come si è visto su di una sorta di rovesciamento dei principî del vitalismo: L’eccesso delle sensazioni o la soprabbondanza loro, si converte in insensibilità. Ella produce l’indolenza e l’inazione, anzi l’abito ancora dell’inattività negl’individui e ne’ popoli […]. Il poeta al colmo dell’entusiasmo della passione ec. non è poeta, cioè non è in grado di poetare. All’aspetto dell’infinito, mentre le idee segli affollano al pensiero, egli non è capace di distinguere, di scegliere, di afferrarne veruna; in somma non è capace di nulla, né di cavare nessun frutto dalle sue sensazioni: dico nessun frutto o di considerazione e di massima, ovvero di uso e di scrittura; di teoria né di pratica. L’infinito si può esprimere solo quando non si sente: bensì dopo sentito. […] Il sommo dolore non si sente, cioè finattanto ch’egli è sommo; ma la sua proprietà è di render l’uomo attonito, confondergli, sommergergli, oscurargli l’animo in guisa, ch’egli non conosce se stesso, né la passione che prova, né l’oggetto di essa; rimane immobile, e senza azione esteriore, né si può dire interiore. E perciò i sommi dolori non si sentono nei primi momenti, né tutti interi, ma nel successo dello spazio e de’ momenti […]. Anzi non solo il sommo dolore, ma ogni somma passione, ed anche ogni sensazione, ancorché non somma, tuttavia tanto straordinaria, e, per qualunque verso, grande, che l’animo nostro non sia capace di contenerla tutta intera simultaneamente. ( Zib. -714-716) A naturale complemento di queste riflessioni, che implicano quasi sempre delle conseguenze sul piano poetico, si può infine citare, tratto sempre dallo Zibaldone , una sorta di avantesto in prosa de L’infinito e de La sera del dì di festa (due idilli legati da una rivisitazione personalissima del topos dell’ ubi sunt in chiave autobiografica) il quale documenta per così dire una prima fase della scrittura, rispetto al tempo dell’esperienza e alla sua rielaborazione poetica: <?page no="37"?> L’infinito 37 Dolor mio nel sentire a tarda notte al giorno di qualche festa il canto notturno de’ villani passeggeri. Infinità del passato che mi veniva in mente, ripensando ai Romani così caduti dopo tanto romore e ai tanti avvenimenti ora passati io paragonava dolorosamente con quella profonda quiete e silenzio della notte, a farmi avvedere del quale giovava il risalto di quella voce o canto villanesco. ( Zib. -50sq.) Mentre nello Zibaldone si percepisce ancora l’effetto pervasivo del sentimento doloroso, nel testo lirico di arrivo - L’infinito -- l’attenzione si concentra tutta sull’attività dell’immaginazione che rielabora il dettaglio quotidiano, come mostra la trasformazione del «canto notturno» «de’ villani passeggeri» nel rumore indistinto della stagione «presente e viva», evocata per contrasto attraverso il paragone con il silenzio dell’eternità («le morte stagioni») interrotto dal rumore improvviso del vento tra le piante. Ma se tutto questo è vero, allora proprio l’autonomia creativa del momento poetico successivo all’esperienza dominante della passione, che Leopardi rivendica più volte nel suo giornale letterario, induce a credere che riguardo all’ Enquiry Leopardi potesse implicitamente condividere, anche senza conoscerla, l’opinione di Ermes Visconti, quando nei Saggi sul Bello afferma recisamente, con un giudizio che assomiglia a un elogio funebre, che la dottrina di Burke aveva segnato un’epoca, «come la segnano per l’ordinario tutti i sistemi inventati dai grandi valentuomini, all’ingegno de’ quali è dato di compensare con molti dettagli pregevoli l’erroneità dell’insieme» 47 . Di là da ogni confronto con le teorie estetiche del Tournant des Lumières , L’infinito possiede senza dubbio una coerenza testuale in sé conclusa, che le riflessioni dello Zibaldone contribuiscono a illuminare dall’interno. Tuttavia dopo quanto si è detto non sembra inutile riaprire quella sintesi della cultura estetica del Tournant des Lumières che è il trattato di Martignoni, e precisamente la sezione dedicata al Sublime artificiale , ovvero al sublime in poesia, che come provano anche i commenti dello Zibaldone alle Riflessioni intorno alla natura dello stile di Beccaria è il vero oggetto della riflessione leopardiana. Dopo aver affermato, in maniera piuttosto tradizionale, che un oggetto di per sé non sublime «può elevarvisi, qualora a renderlo illustre, e ad ingrandirlo pongansi in uso vocaboli splendidi, gravi ed armoniosi», Martignoni cerca va di chiarire le caratteristiche di un sublime di «composizione» che potremmo definire retorico, nel senso ancora di Beccaria, perchè opera secondo un processo analogico non razionale: A ben comprendere […] come si generi una tal sorta di Sublime detto artificiale, giova il riflettere, che alle volte un oggetto per se non sublime può divenirlo col mezzo dell’ associazione : conciosiaché per di lei effetto gli obbietti in guisa si agglomerino, che quasi un solo se ne formi. Lo splendore infatti d’un oggetto sublime su quello, che gli 47 Visconti: Saggi sul Bello , 110. <?page no="38"?> 38 Silvia Contarini è associato, riverbera, e di sua luce lo irradia. Divien perciò sublime un obbietto, che in noi l’idea risveglj di un altro, il qual lo è realmente. 48 A ben guardare il passo lascia intravedere un’idea di comparazione non riconducibile alle operazioni razionali della mente descritte da Condillac, spesso richiamate nei commenti a L’infinito in maniera forse un po’ troppo meccanica rispetto a quelle che sono le indicazioni stesse dello Zibaldone . Se infatti si può dire in linea di massima che comparare sia un «verbo tecnico della filosofia sensistica» 49 , bisognerebbe poi aggiungere, sulla scorta di Leopardi stesso, che lo scopo dichiarato della poesia non è il démêler , ovvero il seperare dei diversi momenti della percezione per giungere a un’idea chiara e distinta dell’insieme, quanto piuttosto l’unire di ciò che è distante attraverso il ricorso all’analogia. E da questo punto di vista, quale che sia il peso da attribuire a Martignoni nella preistoria de L’infinito , non si può negare che l’associazione del sublime descritta nelle sue pagine, fondata sulle risorse evocative dell’immaginazione, si presta a illuminare non solo quello che avviene nel sistema poetico dell’idillio, ma anche, più in generale, i modi nei quali poteva essere declinato il rapporto fra la realtà finita del quotidiano e le risorse potenzialmente infinite della natura, al fine di sottrarre la poesia al giogo di quel realismo «triviale» che secondo Leopardi costituiva il limite stesso della visione romantica della letteratura. Bibliografia Beccaria, Cesare: «I piaceri dell’immaginazione», in: Il Caffè 1764-1766 . A cura di Gianni Francioni e Sergio Romagnoli. Vol. II. Torino: Bollati Boringhieri 1993, 479sq. -: Ricerche intorno alla natura dello stile , in: id.: Scritti filosofici e letterari . A cura di Gianmarco Gaspari. 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Paris: chez Pichon et Depierreux de l’Imprimerie de Jusseraud 1803. 48 Martignoni: Del Bello e del Sublime , 124sq. 49 Così Franco Gavazzeni nel suo commento a Leopardi: Canti , 271. <?page no="39"?> L’infinito 39 -: Inchiesta sul bello e il sublime . A cura di Giuseppe Sertoli e Goffredo Miglietta. Palermo: Aesthetica 3 1991. De’ Giorgi Bertola, Aurelio: «Lettere campestri», in: id.: Operette in verso e in prosa . Vol.-II. Bassano: Giuseppe Remondini 1785, 140. Leopardi, Giacomo: Canti . A cura di Franco Gavazzeni. Milano: Rizzoli 1998. -: Zibaldone di pensieri . Edizione critica e annotata a cura di Giuseppe Pacella. Milano: Garzanti 1991. Martignoni, Ignazio: Del Bello e del Sublime libri due . Milano: Tipografia Mussi 1810. Rousseau, Jean-Jacques: Les Rêveries du promeneur solitaire . Introduction de Jean Grenier. Paris: Gallimard 1972. Visconti, Ermes: Saggi sul Bello, sulla poesia e sullo stile . A cura di Anco Marzio Mutterle. 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Der letzte frammento steht im Kontext einer Poetik des Erhabenen und ist eine retrospektive Vorwegnahme der Bildlogik der berühmten canti , die, wie etwa das vielbesprochene La sera del dì di festa , eine Entsubstantialisierung der Bilder inszenieren. 2 Der hier verwendete Begriff von funktionaler Bildlichkeit lässt sich anhand von einschlägigen poetologischen Überlegungen im Zibaldone erläutern, und Spento il diurno raggio in occidente veranschaulicht weitreichende Aspekte der Bildlichkeit in Leopardis Dichtung. Die Frage nach Leopardis Bildern wird hermeneutisch 3 beantwortet mit der Frage, wie Leopardi seine Bildlogik lyrisch umsetzt. Auch wissenschaftliche Spra- 1 Darunter werden Reflexionsfiguren bzw. reflexive Figurationen verstanden, die poetisch semantische Vagheit bearbeiten. Diese Unbestimmtheit entsteht aus reflexiven Resten oder aus impliziten Strukturen, die nicht vollständig explizit gemacht werden (können), da der lyrische Selbstauslegungsversuch im Gedicht selbst besteht-(cf. grundlegend Auerbach 1938, neuerdings Torra-Mattenklott 2013, Müller-Tamm 2014, Zorn 2016,-485-487). 2 Cf. Bohrer 2003. 3 Leopardis Poetik von immagini lässt sich parallel zu Marquards Hermeneutik-Essay so formulieren: Die bildlogische Frage nach den Bildern ist die Frage nach der Frage, auf die die Bildlogik die Antwort ist. («[D]ie hermeneutische Frage nach der Hermeneutik ist die Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist .»-[Marquard 2000, 119]). <?page no="42"?> 42 Milan Herold che bedient sich zwar der Metaphern und der Bilder. Leopardis Unterscheidung 4 von parole und termini zieht aber eine relative Grenze zwischen poetischen und unpoetischen Begriffen bzw. zwischen lyrischer und nicht-lyrischer Begriffsverwendung. Leopardi kann durchaus als Modell 5 einer anspruchsvollen Poetik des ästhetischen Grundbegriffs der Vagheit in der Epoche der Romantik gelten, was aber umso mehr eine genaue Textanalyse erfordert. In Leopardis Poetik spielen Bilder bzw. immagini wörtlich und poetologisch bereits auf der Makroebene eine Rolle, indem sowohl der Zibaldone 6 als auch die Canti 7 eine starke (Rück-)-Verweisstruktur aufweisen. Seien es Bilder des Anfangs, des Endes oder der Liebe, immer stehen Bilder im Rahmen einer Grundlogik. Diese trifft auf Leopardis weitläufig besprochenes Gedicht L’infinito ebenso zu wie auf die lyrische Aufarbeitung des Sich-Verliebens, etwa Il primo amore oder Alla sua donna . 8 In diesem Zeitraum entsteht auch das etwas ‹versteckte› Fragment Spento il diurno raggio in occidente , das Ergebnis einer zweifachen Überarbeitung ist. Zunächst stellt das Fragment eine Variante von Leopardis erstem Gedicht Appressamento della morte von 1816 dar, dann eine Umarbeitung der ersten 82-Verse, um die Zeit von Teresa Fattorinis Tod, der dann in A Silvia ‹verarbeitet› wird, wobei Leopardi im frammento vor allem die erste Person Singular und das lyrische Ich durch eine junge Frau austauscht. 9 Das autobiographisch 4 Cf. etwa resümierend: «[L]a metafora raddoppia o moltiplica l’idea rappresentata dal vocabolo. […E]lla è così piacevole perchè rappresenta più idee in un tempo stesso (al contrario dei termini).»- (1955, Zib. - 2468). Im Folgenden werden Leopardis Schriften in dieser Form in Kurzform zitiert, die erste Angabe bezeichnet die Seitenangabe in der Gesamtausgabe Leopardi 2010. Darauf folgen eventuell Seitenangaben des Zibaldone in der Originalpaginierung bzw. Versangaben des zitierten Gedichts. Die Abkürzung «M.H.» bedeutet Kursivierung durch Verfasser . 5 Cf.-Bodei-2010,-324-328 («Die Romantik und das ‹Modell Leopardi›»). 6 Leopardis Form des philosophischen Zettelkastens basiert einerseits auf einer rhizomischen Verweisstruktur, die ständig mit Vor- und Rückbezügen arbeitet, und wird andererseits versuchsweise in den indici und in den Pensieri gebündelt (cf. dazu Cacciapuoti 2010). 7 Die Gedichtsammlung ist geprägt von einem Gegensatz in der Form, zwischen Kanzonen und Idyllen, dem eine inhaltliche Verweisstruktur entspricht. Das Sprechen in antiken Masken in den Kanzonen verspricht die Möglichkeit einer substantiellen Einheit und wird in den Idyllen abgelöst durch ein lyrisches Ich, das sich aufspaltet (cf. dazu Bigongiari 1976 und Colaiacomo 1995, 389sq.). Auch in den Operette morali sind Bilder der Vergangenheit eingebunden in Gedankengänge, die auf unverfügbare Ursprünglichkeit verweisen-- wie in der Storia del genere umano -- oder im Zeichen des Untergangs stehen, wie etwa im Dialogo di un Folletto e di uno Gnomo . 8 Cf. Herold 2015a. 9 Bereits die Elegia II hat ein ähnliches setting , wird im vorherigen frammento XXXVIII als Vorlage verwendet und wie folgt angekündigt: «Elegia di un innamorato in mezzo a una tempesta che si getta in mezzo ai venti e prende piacere dei pericoli che gli crea il temporale ed egli stesso errando per burroni ec. E infine rimettendosi la calma e spun- <?page no="43"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 43 auslegbare (lyrische) Ich wird getilgt und ersetzt durch eine junge «donna» 10 (20). Das frammento wird 1835 in der Starita -Ausgabe in die Canti aufgenommen. 11 In der Zwischenzeit entwickelt Leopardi eine wirkliche Technik bzw. Kunst der Verschiebung, die auch mikrotextuell-- wie in L’infinito -(1819)-- und in Zeitbildern-- wie in La sera del dì di festa -(1820)-- gestaltet wird. 12 Im Gegensatz zum Appressamento , das erst 1880 Zanino Volta publiziert, wird so gut wie jeder Vers überarbeitet; so etwa bereits der erste: Da Giordani, dem Leopardi das Langgedicht geschickt hat, die Alliteration «la lampa»- - als Verweis auf Tageslicht- - beanstandet, 13 «Era morta la lampa in Occidente»- (291, v.- 1), ändert sich der Lichtverschluss zu «Spento il diurno raggio», wobei der Verweis auf «occidente» bestehen bleibt-(v.-1). Die Aufnahme dieses recht unreifen Jugendgedichts ist aufschlussreich im Vergleich zu Leopardis bekannteren Gedichten. Die auf die ‹offiziellen› canti folgenden Fragmente Odi Melisso (1819), das zu Il sogno bzw. Lo spavento notturno umgearbeitet wird, Io qui vagando al limitare intorno (1817), das auf der Elegia II basiert, und Spento il diurno raggio in occidente (1816) sind ein Spiegel zu den canti . Die Fragmente der Canti sind als gleichberechtigte Antwort konzipiert, als ein «‹rovescio› della poesia» 14 , was sich auch darin zeigt, dass die Fragmente zeitlich absteigend entstanden sind. Der letzte frammento beruht auf dem ältesten Ausgangstext von 1816. Durch die Abwesenheit eines lyrischen Ichs nimmt das letzte frammento nochmals eine Sonderrolle ein. 15 Leopardi entwickelt eine Bildlogik, die im Zibaldone verstreut vorliegt und deren transzendentale Struktur meist unbeachtet bleibt. Diese prägt sich in den Canti aus, und der 39. canto bzw. das letzte Fragment zeigt strukturell deren Genealogie auf. Bilder zu erinnern, wie La sera del dì di festa paradigmatisch tando il sole e tornando gli uccelli al canto (dove si potrebbono porre quelle terzine ch’io ho segnate ne’ pensieri) si lagna che tutto si riposa e calma fuorché il suo cuore. Anche si potranno intorno al serenarsi del cielo usare le immagini del Canto secondo e quarto della mia Cantica [= Appressamento della morte , M.H.].»-(454sq., Argomenti di elegie , -IV ). 10 Leopardi 2010,-213-(v.-10). Im Folgenden beziehen sich in Klammern gesetzte Zahlen auf dieses 39.-Gedicht und letzte Fragment der Canti -(ibid.,-212-214). 11 Dort zuerst als 37. Gedicht, in der Ausgabe von 1845, die Antonio Ranieri besorgt, als 39.-Gedicht. 12 Diese Verschiebetechnik wendet Leopardi exemplarisch in L’infinito an, wenn ein questo ‹hier und jetzt› zu einem vagen quello wird (cf.-dazu ausführlich Tarani-2011), in La sera del dì di festa ist es die letztlich endlose Verschiebung auf vorherige und analoge Kindheitserinnerungen. 13 Cf. zu dieser und zu weiteren lyrischen ‹Verbesserungen› Ungaretti 2000a/ b. 14 Italia 2016,-223. 15 Die vorherigen Gedichte beginnen je mit einem expliziten Io lirico : «Quando fanciullo io venni» (XXXVI), «Odi, Melisso: io vo’ contarti un sogno» (XXXVII), «Io qui vagando al limitare intorno» (XXXVIII). <?page no="44"?> 44 Milan Herold veranschaulicht, inszeniert eine transzendentale Erinnerung und ist Teil einer Bildlogik, in der ein lyrisches Ich erinnert, wie ein früheres Ich eine frühere Erinnerung erinnert. Die Denkfigur der Erinnerung eröffnet das Unendliche-- in der Form des Fernen, Letzten und Vagen--, das Ziel von Leopardis Dichtung ist. Ein bedeutender Teil der Canti folgt dieser Struktur der Erinnerung und generiert so Denkbilder, die für das Unendliche bzw. für poetische Vagheit einstehen. Diese Bilder sind letztlich immer negative und scheiternde. Die Bildlichkeit der Erinnerung läuft leer, da ihr ein letztes Bild fehlt. Das greift auf die gesamte Erfahrung aus: Sie ist nicht bildgesättigt. Lyrische Bilder bestehen hier in der Suche nach letzten Bildern, die aber prinzipiell unverfügbar sind. Hierauf bauen Erinnerungsgedichte wie Le Ricordanze oder A Silvia auf-(Abschnitt-1 Bilder erinnern ). Leopardi entwickelt auch weniger komplexe Bilder, die allerdings durch lyrische Kürze und Prägnanz bestechen. Sie weisen eine logisch frühere und recht stabile Struktur auf, die Leopardi im Zibaldone als doppia vista- (cf.-2382, Zib. -4418) beschreibt und die paradigmatisch L’infinito ausprägt. Solche Dichtungs-Bilder lassen sich als eine triadische Struktur analysieren, die noch nicht die offene Funktion ad infinitum der dezidierten Zeit-Bilder aufweist. Das Dichter-Ich spaltet sich gleichsam auf und fingiert sich als empirisches Subjekt, das eine ‹transzendente› Variante seiner selbst denkt-(Abschnitt-2 Bilder fingieren ). Spento il diurno raggio in occidente entspricht noch nicht vollständig der Bildlogik späterer Gedichte. Da es sich um eine Überarbeitung der cantica handelt, des dantesken Langgedichts Appressamento della morte , wird das Defizitäre qua Fragmentierung inszeniert. Auch die Anordnung der Frammenti spiegelt diese Struktur: Der Gedichtband der Canti besteht aus canti und frammenti , und die Frammenti rahmen nicht nur die Canti , sondern setzen sie ins Bild als Lyrik, die erst nach der so genannten mutazione totale in me im Jahre 1819 möglich ist-(cf. 1517, Zib. -143sq.), wie etwa im ersten Fragment Odi, Melisso (Abschnitt-3 Bilder beobachten ). 16 16 Der bildtheoretische Gedankengang lässt sich folgendermaßen schematisieren: I. Bilder erinnern ( La sera del dì di festa, Le Ricordanze ): Ich 3 -~-(Ich 2 -~-Ich 1 ) Erläuterung: ~ = Erinnern / Ich 3 = Dichter-Ich / Ich 2, 1 = je früheres Ich II. Bilder fingieren ( L’infinito ): Ich 3 -~-(Ich 1 -~-Ich 2 ) Erläuterung: ~ = Fingieren / Ich 3 = Dichter-Ich / Ich 1 = ‹empirisches› Ich / Ich 2 = ‹transzendentes› Ich III. Bilder beobachten ( Frammento XXXIX ): [Ich] ~ (Du 1 [~] Du 2 ) Erläuterung: [~] = [implizites] Beobachten / [Ich] = implizites Dichter-Ich / Du 1 = donna / Du 2 = tempesta Auf der Makroebene entspricht die Anordnung der Canti der Relation des Bilder erinnernden lyrischen Ichs: <?page no="45"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 45 1 Bilder erinnern-- transzendentale Erinnerung Leopardi denkt und dichtet Bilder immer funktional bzw. in Relation zu anderen Bildern. Funktionalität ist der Gegenbegriff zu Substantialität. Insofern Leopardi Bilder funktional und nicht substantial verwendet, gibt es keinen (romantischen) Wesenskern (der Dichtung), sondern (nur) eine Verwendungsweise vom Wort ‹Bilder›. Dadurch verlieren die Bilder ihre Abbildfunktion. Allgemeiner ergibt sich so eine Definition von Kunstwerken, von der gilt, dass «der Ordnungszusammenhang des Werkes-[…] allererst die Bedeutung seiner einzelnen Momente [stiftet].» 17 Dieser «Konvenienzbegriff» 18 entgeht klassizistischen Restriktionen und ersetzt den Schönheitsbegriff durch den der Stimmigkeit. 19 Leopardi konzipiert eine bildtheoretische Variante dieser reflexiven Struktur. 20 Etwas ist schön, d. h. zusammenpassend, wenn eine lyrische Aussage auf ein vergangenes Bild der Einheit verweist. Leopardis Dichtung tarnt also ein (romantisches) Transzendenzstreben als eine (moderne und in sich gewendete) Sprachwerdung; mit L’infinito formuliert: Das Unendliche zu sagen, erfüllt sich nicht nur in einem Scheitern, sondern auch in einem prinzipiell nicht-gegenwärtigen Sprechen. Im Zibaldone versteht Leopardi Erinnerungen als Bilder und diese als Nukleus seiner Dichtung. Innerhalb der weit verstreuten und jenseits einer in sich konzisen Argumentation gibt der Zibaldone Auskunft über Leopardis Bildlogik, die man argumentativ in drei Schritten rekonstruieren kann: (i)-Leopardi konzipiert eine poetologische Erinnerung, die funktional und konstruiert ist. Wegen ihrer paradoxen Zeitlichkeit steht am «Anfang der Temporalität […] die transzendentale Erinnerung», damit die «Erinnerung an etwas, das es nie gab.» 21 Der Augenblick, in dem man sich an ‹etwas› erinnert, verweist auf eine vergangene Fülle und dichte Erfahrung. (ii)-Leopardi formuliert aber einen Einspruch gegen die Vorstellung, dass das Erinnerte auf Vergangenes und Wirkliches Bezug nehme. Canti 2 ~ (canti 1 ~ frammenti) Erläuterung: ~ = Beobachten, Fingieren, Erinnern / Ich 3 = Dichter-Ich / Ich 2 = Io moderno / Ich 1 = Io antico. 17 Kreis 2008, 302. Ausgehend von Ernst Cassirers 1910 publizierter Studie Substanzbegriff und Funktionsbegriff entwickelt Heinrich Rombach diese kantische Tradition zu einer Strukturontologie (1971), die Guido Kreis mit der frühromantischen Ästhetik Friedrich Schlegels für moderne Kunstwerke aktualisiert. 18 Ibid., 301. 19 In dieser modernen Nachfolgefigur des Schönen wird der Code «schön / häßlich» durch «stimmig / nicht stimmig» ersetzt (Luhmann 1995, 190sqq., 310sqq.). 20 Ralf Simon bestimmt diese Reflexivität von Bild und Sprache ebenfalls funktional: «Die poetische Funktion zeigt ihre eigene Diskursgrammatik, sie stellt das Organ ihrer Funktionen ikonisch dar , sie exponiert sie» (Simon 2009, 244). 21 Götze 2001, 167; cf. zum Begriff der transzendentalen Erinnerung Herold 2017, 167sq. (Kap.- Denken als « échappées de vue ins Unendliche» ). <?page no="46"?> 46 Milan Herold Der Akt des Erinnerns ruft das vermeintlich Erinnerte nicht nur hervor, sondern produziert es vielmehr. Sich zu erinnern ist ein Schöpfungsakt und damit poietisch. Die Erinnerung bzw. die Retention ist nach Leopardi das primäre Medium jeder Erfahrung und verweist auf die Kindheit, genauer auf Bilder des Kindes: Così che la sensazione presente non deriva immediatamente dalle cose, non è un’immagine degli oggetti, ma della immagine fanciullesca; una ricordanza, una ripetizione […] della immagine antica.-(1587, Zib. -515) Die gegenwärtige Erfahrung wird also durch die Erinnerung vermittelt und die Erinnerung nimmt nicht auf Dinge Bezug, sondern auf Bilder aus der Kindheit. Aber auch diese Bilder wiederholen nur- - und hier klingt es zunächst stark platonisch-- die ursprüngliche «immagine antica». Damit hat auch jede gegenwärtige Erfahrung keinen unmittelbaren Bezug auf die Wirklichkeit. Erfahrung ist also keine substanzielle Beziehung zwischen Ich und Welt, sondern eine funktionale Relation, die nur im Kontext von Bildern und durch sie besteht. Das Gleiche gilt auch für Leopardis poetisches Material, das sich durch eine vage, unbestimmte, und damit schöne, Bildlichkeit auszeichnet: [Le] immagini e sensazioni indefinite […] non sono altro che una rimembranza della fanciullezza […].-(1598, Zib. -515) (iii)- Die Struktur der Erinnerung geht allerdings ins Unendliche und nimmt letztlich auf nichts Bezug. Zwei kaum besprochene Überlegungen im Zibaldone führen zu diesem Schluss: Der bambino , der noch kein fanciullo ist, besitzt kaum Bewusstsein, insbesondere keine facultas memorandi , nur eine ursprünglichere facultas imaginandi 22 : «Il bambino che non può aver contratto abitudine, non ha memoria […; ] manca formalmente della facoltà della memoria»- (1745, Zib. - 1255). Daraus folgt allerdings: «nessuno si ricorda delle cose dell’infanzia»- (ibid., M.H.). Jede gegenwärtige Erfahrung bezieht sich auf die Erinnerung, und deren Bilder verweisen immer nur auf Bilder, nicht aber auf die Sache selbst; oder, mit Kant gesprochen, auf das Ding an sich (selbst betrachtet) . Damit kommt der «sensazione presente» ihre Abbildfunktion «della immagine fanciullesca» abhanden. Leopardi dekonstruiert somit den Mythos der Kindheit, den er maßgeblich in der italienischen Literatur verankert hat. Dieser Gedankengang erklärt zugleich auf theoretische Weise, dass (fast) alle 22 Die begriffliche Unterscheidung dieser beiden facultates hier nach Christian Wolffs Psychologia empirica von 1732 ( Psychologia empirica methodo scientifica pertractata, qua ea, quae de anima humana indubia experientiae fide constant, continentur et ad solidam universae philosophiae practicae et theologiae naturalis tractationem via sternitur , § 273); cf. dazu Petrus 1997, 164sq. <?page no="47"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 47 Canti -- eine Ausnahme bildet die Palinodia al Marchese Gino Capponi 23 -- Erinnerungsgedichte sind. 24 Eine paradigmatische Umsetzung der transzendentalen Erinnerung leistet La sera del dì di festa . Die Erinnerung verweist hier auf eine letztlich endlose Kette von Bildern. Es werden Zeitbilder entworfen, die mit der modernen Flüchtigkeit der Zeichen umgehen. Diese liest Leopardi etwa am ephemeren Leben der Bücher ab, spricht sie allerdings mit Pindar 25 auch dem Menschen zu, der nur Traum von einem Schatten sei. La sorte dei libri oggi, è come quella degl’insetti chiamati efimeri (éphémères) […].-(2340, Zib. -4270) La vie, disoit Pindare, n’est que le rêve d’une ombre […]; image sublime, et qui d’un seul trait peint tout le néant de l’homme.-(1988, Zib. -2672) La vita umana […] non essendo cosa di più sostanza che un sogno di un’ombra.-(507, Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi ) Diesem «image sublime» entspricht ein Primat der illusioni gegenüber dem, was man «realtà» nennt. In La sera del dì di festa gibt es gleich fünf Monologpartner, die verschiedene Bildebenen darstellen, auf denen der moderne Erfahrungsverlust besonderer Augenblicke gestaltet wird. 26 Die ontologische Fundierung der Bilder nimmt ab. Der Eindruck von objektiver Fülle-- der Mond-(vv.-1-4)-- wird jäh durch die Erinnerung an die unerfüllbare persönliche Hoffnung-- die Dame-(vv.-4-24)-- unterbrochen. Diesem Bild der Trauer widerspricht die Freude der dritten Figur des Anderen, des Handwerkers-(vv.-24-33). Er verstärkt aber zu- 23 Die Palinodia , das 32. und zweitlängste Gedicht der Canti , dieses «Jahrhundert-Gedicht», das sich «zum Begriff des ‹Zeitalters›» ausweitet (Schulz-Buschhaus 1998, 33), widerspricht damit der zwar versteckten und wenig beachteten, aber paradigmatischen poetologischen Aussage in einem späten Zibaldone -Eintrag von 1828 «La rimembranza è essenziale e principale nel sentimento poetico, non per altro, se non perchè il presente, qual ch’egli sia, non può esser poetico» (2384, Zib. -4426; cf. dazu Herold 2015a und 2017,-349-353). 24 Cf. «Jede gegenwärtige Erfahrung weist eine mise en abyme -Struktur auf, die unterbindet, eine Grenze zwischen ‹eigentlicher› Erfahrung und Erinnerung zu ziehen. Die (potenziell unendliche) Verdopplung dieses Bildersturms destabilisiert den Kern der Erfahrung und der möglichen Weltpassungserfahrung des Subjekts. Korrespondenz im Schönen bzw. in ‹immagini e sensazioni indefinite› wird durch Fragmentierung ersetzt. Diesen Fragmentierungsprozess lyrisch darzustellen, ist Leopardis Aufgabe als Dichter» (Herold 2017,-292sq.). 25 Cf. aus Pindars 8.- Pythischer Ode : «ἐπάμεροι· τί δέ τις; τί δ’ οὔ τις; σκιᾶς ὄναρ- / ἄνθρωπος.»-(v.-95sq.; ‹Eintagsfliegen. Was ist jemand? Was ist niemand? Der Mensch ist der Traum eines Schattens›). 26 Cf.-Leopardi 2010, 122sq.: «la luna »-(3) / «O donna mia»-(4) / «il solitario canto-/ dell’ artigian »-(25sq.) / «que’ popoli antichi »-(34) «il grande impero-/ di quella Roma »-(35sq.)-/ «Nella mia prima età […] io doloroso »- (40, 42; Kursivierung M.H.). Cf. ausführlich zur Bildlogik in La sera del dì di festa Herold 2017, 331-348. <?page no="48"?> 48 Milan Herold gleich die Trauer, da sie mit einem weiteren Bild des Anderen-- die Antike bzw. Rom-(vv.-33-37)-- assoziiert wird, die unendlich weit entfernt ist. Damit schließt sich einerseits der Kreis, denn für Leopardi sind Natur und Antike Beinahe-Synonyme. Andererseits ist der Kreis damit aufgebrochen, da der poetisch-logische Primat jeweils auf dem zweiten Bild liegt: Erst die Erinnerung an die Dame lässt den Mond so hell erscheinen. Die Mondlandschaft, mit der La sera del dì di festa anhebt, evoziert ein Versprechen reinster Gegenwart. Der Einschub der Größe der Antike ist ein erster Abschluss. Das déjà-écouté -Erlebnis des Gesangs des Handwerkers offenbart sich als Bild unvordenklicher Wiederholung: mi si stringe il core ~ già similmente mi stringeva il core.-(123, v.-28, 46) Der Mythos des Ursprungs wird dekonstruiert und das Ende des Gedichts-(v.-46) ist kein wirkliches Ende. Denn der Augenblick, in dem sich das Herz zusammenzog, verweist auf einen anderen Gesang bzw. canto -(v.-28), den dieser wiederholt. Diese transitive Funktion von Erinnerungsbildern sinnentleert die Gegenwart. Die ironische Brechung besteht am Ende gerade im erinnerten Bild, da die ästhetische Idee des Festtags und die nachhallende Erwartung einer Erfahrung des Heiligen «non sono altro che una rimembranza della fanciullezza»- (v.s., Zib. - 515). Die Verdopplung steigert die zeitliche Extension und die gefühlte Intensität des Ausgeschlossenseins. Das profanierte Fest wird zum Bild einer transzendentalen Erinnerung. Der jetzige Gesang entspricht dem erinnerten nur «similmente». Der erinnerte Gesang wird nicht nur im damaligen Jetzt gehört, sondern prinzipiell immer wieder, wie das Imperfekt «s’udi[v]a» anzeigt. Er ist zugleich vager, da er räumlich unbestimmt ist. Die nicht-identische Erfahrung des Verlusts anlässlich eines vergleichbaren damaligen Gesangs mündet in eine abschließende Unbestimmtheit. Eine vergleichbare Bildlogik transzendentaler Erinnerung prägen Le Ricordanze aus. 27 Mit der ambivalenten Distanz des Silvia -Bildes aus dem gleichnamigen, vorherigen canto beginnt und endet das Gedicht-- Vaghe stelle dell’Orsa, io non credea tornare ancor per uso a contemplarvi […] e delle gioie mie vidi la fine.-(155, vv.-1-6) […] Nerina-(158sq., v.-136, 157, 160, 168) -, zunächst in der ersten Strophe als stellarer Mythos mit einem abstrakten Ende-(«vidi la fine»), den die siebte Strophe in einem persönlichen Mythos aufnimmt als Ende von «Nerina» 28 , deren wiederholte Nennung um die Präsenz 27 Cf. ausführlich zur Bildlogik in Le Ricordanze Herold 2017, 321-330. 28 Der Bezug zwischen Silvia und Nerina lässt sich intertextuell über Tassos Aminta herleiten. <?page no="49"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 49 des Bildes ringt. Diese Entsprechung der rahmenden Strophen findet sich auch in der paradoxen Spiegelung der weiteren Strophen. Die leidvolle, schlechte Vergangenheit in der zweiten Strophe steht der «maraviglia! » der Jugend, die aufblitzt- («a somigliar d’un lampo»), der vorletzten Strophe gegenüber- (158, v.- 126, 131). Die inneren Strophen geben gleichsam den Ermöglichungsgrund an: Die dritte Strophe wird eröffnet mit einem Wind, der Erinnerungen auslöst-- wie in L’infinito -- Viene il vento recando il suon dell’ora-(156, v.-50) […] un’immagin dentro non torni, e un dolce rimembrar non sorga. […] ma con dolor sottentra il pensier del presente […] […], e il dire: io fui.-(156, vv.-56-60) -, aber noch steigt kein Erinnerungsbild auf. Das Bewusstwerden der Gegenwart, der «pensier del presente», stellt sich als Epiphanie des Ohrs dar. Es scheint der Wind zu sein, der sich einschleicht- («sottentra») und die augenblickliche Gewissheit ausspricht. Das «il dire: io fui» führt eine Distanz in den Diskurs ein, den die letzte Strophe als mythische Vorzeitigkeit inszeniert. Diese Elemente kommen in der letzten Strophe zusammen im Wunder einer plötzlichen Erscheinung, eines Bildes, das aufsteigt. Das horizontale «sottentra» wird ersetzt durch das vertikale «sorga», das die zeitliche Flüchtigkeit arretiert. Nerinas Transformation in ein Erinnerungsbild wird eingeführt als ein ausbleibendes Hörereignis-- O Nerina! e di te forse non odo questi luoghi parlar? -[…]-(158, v.-136sq.; M.H.) Più non ti vede […] (158, v.-140; M.H.) -, dann ausgeführt als Todesbild einer Erinnerung. Die zweite Nennung «Ahi Nerina! » ist bereits eine Klage. Diese wird sprachlich eingeleitet durch die auffallenden Wiederholungen-- neben «passasti» vor allem «splendea». Diese unterstreichen den Versuch, durch die Sprache Nerinas Bild in der Gegenwart zu halten. Dieser Versuch wird in den letzten drei Nennungen-- «dico: o Nerina», «dico: Nerina mia», «dico: Nerina»-(159, v.-160, 164, 168)-- noch deutlicher markiert als eine Variation des «il dire: io fui.». Sprachliche Präsenz wird als eine psychische angesprochen - «in cor mio»- (156, v.- 36), «infra me stesso»- (159, v.-159)--, als ein bewegungsloses Bild-- «non movi», «non torna»-(159, v.-161, 164sq.)-- und deutlich als Sprechakt markiert im dreifachen «dico». Im Rhythmus von jeweils vier Versen verliert die Sprachmagie langsam, schrittweise ihre Kraft: <?page no="50"?> 50 Milan Herold […] Ahi tu passasti, eterno sospiro mio: passasti: e fia compagna d’ogni mio vago immaginar, di tutti i miei teneri sensi, i tristi e cari moti del cor, la rimembranza acerba.-(159, vv.-169-173) Im «e fia compagna» ist Nerina wieder nur die Erinnerung an Silvia bzw. an A Silvia- («cara compagna»-[153, v.-54]). Herzwerk, das die Zeit anhalten konnte, wird in Bewegung gesetzt, und die letzten beiden Worte benennen, was die letzte Strophe und das Gedicht im Ganzen sind: eine negative Epiphanie und ein ‹il dire: ella fu› zugleich. Dieser Sprechakt ist ein auf doppelte Weise an die Vergangenheit gebundener Bildakt bzw. das Gedicht im Ganzen entwickelt eine Bildlichkeit, ein «vago immaginar», dessen lyrische Lebendigkeit und Präsenz sich aus Bildern des Todes und der Erinnerung speisen. 2 Bilder fingieren-- doppia vista Verwandt mit der Struktur der Erinnerung ist Leopardis Poetik der doppia vista . 29 In einem berühmten Zibaldone -Eintrag wird diese zusammengefasst. All’uomo sensibile e immaginoso […] il mondo e gli oggetti sono in certo modo doppi. Egli vedrà cogli occhi una torre, una campagna; udrà cogli orecchi un suono d’una campana; e nel tempo stesso coll’immaginazione vedrà un’altra torre, un’altra campagna, udrà un altro suono.-(2382, Zib. -4418) Andere, nicht wirklichkeitsgesättigte Bilder zu entwerfen, ist also die auszeichnende Fähigkeit der Einbildungskraft. L’infinito , der erste piccolo idillio , verkörpert das entscheidende Jahr 1819 und die inszenierte mutazione totale in me , in der sich der weltgeschichtliche Verlust der Antike im Subjekt ausprägt als Verlust seines früheren Ichs. Dieser Ichverdopplung entspricht eine Weltbzw. Bildverdopplung gemäß der doppia vista . Diese wird ausgelöst durch die Schließung des Horizonts, durch die Hecke auf dem topischen Feldherrenhügel-(vv.-1-3). Die Einbildungskraft soll Dinge konzipieren bzw. Bilder von Dingen, «che non sono»: Veniamo alla inclinazione dell’uomo all’infinito. Indipendentemente dal desiderio del piacere, esiste nell’uomo una facoltà immaginativa, la quale può concepire le cose che non sono, e in un modo in cui le cose reali non sono. […] Il piacere infinito che non si può trovare nella realtà, si trova così nella immaginazione […].-(1524, Zib. -167) 29 Cf. ausführlich zur Bildlogik der doppia vista Herold 2017,-205-208, 391sq., 402-404 und zu L’infinito ibid., 235-254. <?page no="51"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 51 Im Akt des «io […] mi fingo»- (121, v.- 7) werden Bilder des Unendlichen gedacht, um- - gemäß der teoria del piacere - - eine wirkliche Lust zu erreichen, die die Begierde befriedigt. Doch dieses Ideal wird nicht realisiert. Das wird im Bild der ausbleibenden unio mystica ausgedrückt, denn das Herz erschrickt nur fast -(v.-7sq.). Die beiden Pole eines empirischen und eines nach Transzendenz strebenden Ichs werden abschließend in einem Bild für die Dichtung , im lustvollen Schiffbruch, reflektiert. Das Dichter-Ich fingiert ein empirisches Ich, das sich Unsichtbares, Zahl- und Endloses, Transzendentes denkt und darin scheitert , Unendlichkeit zu erreichen. Dieses negative Dichtungsbild ist mit der Poetik der transzendentalen Erinnerung strukturell verwandt. Das Scheitern als adäquate Darstellungsform des Unendlichen stellt sich als dialektische Reflexivität dar. 3 Bilder beobachten - fragmentarische Einbildungskraft Spento il diurno raggio in occidente ist das letzte der drei Fragmente und zeitlich das erste, insofern es auf Appressamento della morte basiert, das insgesamt 878- Verse umfasst, eingeteilt in fünf canti in terzine incatenate , also in dem Metrum, das die Divina Commedia verwendet. Dante stellt eine wichtige Quelle für Leopardis Konzeption einer erhabenen Sprache dar, die sich vor allem durch eine latinisierende, altertümliche Wortwahl auszeichnet. 30 Leopardi nennt sie ein ardire bzw. ein ardito -- in Übersetzung des lateinischen Adjektivs audax -- als eine kühne Sprachverwendung. Ein Beispiel unter vielen für Leopardis erhabene Sprache, die er mit Schönheit gleichsetzt und ausgehend von Horaz mit «stili energici e rapidi»-(1886, Zib. -2049) und mit einer «costruzione-[…], irragionevole»-(1494, Zib. -61). Darunter versteht er «[m]etafore coraggiose, epiteti singolari e presi da lungi, inversioni» (1886, Zib. - 2051), wie z. B. «la taciturna via»-(v.-19), da das Adjektiv normalerweise Personen zugesprochen wird, 31 oder «E il duro vento col petto rompea»-(v.-58), da es sich hier-- wie er ebenfalls zu Horaz ausführt- - um «un’idea chiara, ma espressa vagamente» handle, denn «chi chiama duro il vento perché difficilmente si rompe la sua piena quando se gli va incontro»-(1494, Zib. -61). Die ‹rapidità dello stile›, die Calvino in seinen Lezioni americane hervorhebt, 32 bewirke sprachliche Vagheit und erwecke se- 30 Cf. « fea , fera , fean , augel e via discorrendo, che forse ai tempi del Leopardi incominciavano appena a disturbare un orecchio e al nostro suonano solo umoristicamente» (Ungaretti 2000a,-941). 31 Cf. «Persino il taciturna che viene qui a qualificare la via, che è così modo ardito, ‹pellegrino›, poiché di solito s’applica alle persone e non alle cose, rimane inerte»-(Ungaretti 2000a, 935). 32 Cf. das Kapitel Rapidità in Calvino 1994. <?page no="52"?> 52 Milan Herold mantische Unendlichkeit. Leopardis erhabenen Bildern entspricht die Idee einer erhabenen Sprache. 33 Das Gedicht lässt sich grob in drei Abschnitte einteilen: Die ersten 18-Verse sprechen das Thema an: Es handelt sich um ein romantisches Stelldichein. Die nächsten 47-Verse, Verse-19-66, beschreiben die erhabene Entwicklung des Gewitters. Die letzten 10-Verse, Verse-67-76, stellen einen Orpheus-Eurydike-Augenblick der Versteinerung dar. Diese erste Dichtung, die nicht mehr zu den Jugendgedichten zählt, wird überarbeitet und fragmentiert, denn Spento il diurno raggio in occidente stellt die verkürzte Fassung des ersten von fünf Gesängen von 1816 dar. Leopardis frammento erfüllt damit Friedrich Schlegels frühromantische Definition moderner Kunstwerke: Viele Werke der Alten sind Fragmente geworden. Viele Werke der Neuern sind es gleich bei der Entstehung […]. 34 Wir haben es hier aus zwei Gründen mit einer fragmentierten Einbildungskraft zu tun: Einerseits ersetzt Leopardi im Fragment das lyrische Dichter-Ich, das seinen stile roco 35 verhandelt, durch eine «donna», ein lyrisches Sie bzw. Du-- «ella», «colei»-(v.-4, 30)--, das auffallend passiv bleibt. Andererseits wird dieses lyrische Ich nicht benannt, kommentiert nur einmal explizit das Geschehen und ist ansonsten abwesend: Sola tenea la taciturna via la donna, e il vento che gli odori spande, molle passar sul volto si sentia. Se lieta fosse, è van che tu dimande: piacer prendea di quella vista, e il bene che il cor le prometteva era più grande. Come fuggiste, o belle ore serene! 33 Neben mehreren Einträgen im Zibaldone geht Leopardi dieser erhabenen Sprache bereits 1816 nach, also im Entstehungsjahr des Appressamento , in Della fama di Orazio presso gli antichi . Leopardi nimmt hier mehrfach Bestimmungen von Pseudo-Longinus auf, etwa diejenige, Hyperbata- («τὰ ὑπερβατὰ») verkörperten irrationale Übertreibungen- («παρεμβαλόντες ἀλόγως»- [Longinus 1995, 238 (§- 21sq.)]). Cf. ausführlich zum ardire bei Leopardi in Auseinandersetzung mit Horaz und Pseudo-Longinus und mit der zeitgenössischen Ossian -Mode, vermittelt über Melchiorre Cesarottis Übersetzung, Gaetano 2002, 261-283. 34 Schlegel 1967, 169 ( Athenäum -Fragment-24). 35 Das Fragment bricht vor dieser dantesken Epiphanie im Appressamento ab: «un lume scese e femmisi presente.- | Splendeva in quella tenebria selvaggia- | sì chiaro che vincea vampa di foco,-| qual fornace di notte in muta piaggia,-| e splendendo cresceva a poco a poco; -| e ’n mezzo vi pareva uman sembiante-| vago sì ch’a ’l ritrar mio stile è roco »-(292, vv.-87-93; Kursivierung M.H.). <?page no="53"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 53 Dilettevol quaggiù null’altro dura, nè si ferma giammai, se non la spene.-(vv.-19-27) 36 Die abwesende Innerlichkeit der «donna» entspricht dem impliziten Status eines lyrischen Ichs, das Leopardis spätere Dichtung ansonsten prägt. Dieser mimetische Unterschied inszeniert damit gleichsam, mit einem Ausdruck aus den ersten 100- Seiten des Zibaldone , die gegen Di Breme und die Romantik gerichtet sind, «[l]a natura, purissima, tal qual’è, tal quale la vedevano gli antichi»- (1471, Zib. - 15). Die donna verkörpert sinnbildlich das Antike und Unbewusste, wodurch für uns ein Bild der ‹nackten Natur› entsteht 37 , und nur für das implizite lyrische Ich bzw. für den Leser besteht ein lustvoller ‹Schiffbruch mit Zuschauer›. 38 Wir haben es also mit einer Vorstufe späterer Dichtung zu tun, indem auch das überarbeitete frammento nicht die Reflexivität nachfolgender Gedichte erreicht. Intratextuell ist der Mangel an ausgearbeiteten Poetologemen offensichtlich, die für Leopardi typisch sind: Der Mond, «la rugiadosa luna»-(v.-18)-- das Adjektiv ist von Vergil entlehnt--, wird als poetisches Bild nicht entwickelt, aber man liest seine poetische Abwesenheit vor dem Hintergrund etwa von Alla Luna oder La sera del dì di festa . 39 Ebenso erinnert etwa «cantando al vento»-(v.-10) an den theophanen Wind in L’infinito . Ex negativo wird aber reflektiert und bestimmt, worin das Defizitäre liegt. 40 Die Anordnung von Spento il diurno raggio in occidente als letztes der frammenti geht mit diesem Umstand um und komplementiert die Struktur der Beobachtung damit so, dass sie sich der Bildlogik der Erinnerung annähert- (cf.- Abschnitt- 1). Damit wird fraglich, ob die Frammenti lediglich «un’appendice ai Canti » sind, die besser mit La ginestra abschlössen. 41 36 Später versucht A se stesso , auch noch die Hoffnung, «la spene», abzuschaffen: «[…] Ben sento,-| in noi di cari inganni,-| non che la speme, il desiderio è spento.»-(179, vv.-3-5). 37 Cf. «E non si avvedono i romantici, che se questi sentimenti son prodotti dalla nuda natura, per destarli bisogna imitare la nuda natura, e quei semplici e innocenti oggetti, che per loro propria forza, inconsapevoli producono nel nostro animo quegli effetti-[…]»-(1471, Zib. - 16, erste Kursivierung M.H.; cf. zu dieser Stelle Camerino 1987, 341). Ein Aspekt dieser Kritik besteht darin «che non bastano ‹semplicità e naturalezza› per bene imitare, ma ad esse bisogna aggiungere quel quid in più che per Leopardi e Longino è fornito dal sublime»-(Gaetano 2002, 280). 38 In Anlehnung an Hans Blumenbergs Geistesgeschichte des erhabenen Zuschauers in Schiffbruch mit Zuschauer -(1979). 39 Cf. Ungaretti 2000a, 933sq. 40 Ungaretti benennt diesen Umstand folgendermaßen: «[I]l Leopardi in possesso della sua arte, sarà quella di portare le cose a definirsi da sé-[…].» Diesen Unterschied zum frammento macht Ungaretti auch am Bild des Gewitters fest, das er mit der Jugenddichtung vor den Canti gleichsetzt: «[I]l Leopardi quando sarà già un grande poeta, non descriverà più le tempeste, parlerà della quiete dopo la tempesta» (Ungaretti 2000a, 936). 41 Dotti 1999, 147. <?page no="54"?> 54 Milan Herold Das Gedicht konzentriert sich auf zwei Elemente: (i)- Die Verse- 1-27 stellen eine idyllische Nacht dar und beobachten eine anonyme «donna»- (v.- 20), die zu einer «amorosa meta»-(v.-4) bzw. einem «dilettoso loco»-(v.-39) geht. Nach einem romantischen Sonnenuntergang wird zunächst das setting dargestellt. «Spento il diurno raggio in occidente»-(v.-1) leitet eine Lichtverschließung bzw. eine Augenverdunklung ein. In späteren Gedichten wird die Blick- und Weltverdunklung meist weniger ausführlich geschildert, so heißt es etwa in Il tramonto della luna lakonisch «e si scolora il mondo»-(198, v.-12). Mit anderen Gedichten teilt das frammento ein nicht-idyllisches Sprechen bzw. ein Jenseits der Idylle. 42 Das Mädchen ist nur gerichtet auf das liebliche Ziel, und das beobachtete Gewitter beginnt jenseits dieses locus amoenus : «là del dilettoso loco»-(v.-39). Eine Stille-- «queto», «queta»-(v.-2)--, erinnert an den Beginn von La sera del dì di festa 43 . Das Ziel des Rendez-vous 44 -- «volta all’amorosa meta»-(v.-4)-- scheint eine dantische Lebensentscheidung 45 einzuführen, aber nicht in einem Wald, sondern in einer Heidelandschaft: «ad una landa»-(v.-5). Diese Öffnung steht damit intertextuell bereits in einer Schließung des Horizonts 46 , die sich verspätet einstellt im «bosco»- (v.- 38). Ein implizites 47 lyrisches Ich beobachtet ein lyrisches Du, die donna , und das Gewitter. (ii)-Die Verse-28-76 stellen das Sich-Entfalten des 42 Wobei im Vergleich zum Appressamento zu beachten ist, dass nicht nur die beiden Kürzungen (vv.-19sq. und 52-54), sondern auch die Änderungen in den Versen 13-21 idyllisches Material reduzieren (cf. Danzi 2008, 109). 43 Cf.-«Dolce e chiara è la notte e senza vento,-| e queta sovra i tetti e in mezzo agli orti-|-posa la luna, e di lontan rivela-| serena ogni montagna. […]»-(122, vv.-1-4). 44 Im Kontext des vorherigen frammento , das ebenfalls von einer donna und einem Gewitter bestimmt wird, ist es naheliegend, von einem bevorstehenden Rendez-vous auszugehen. So spricht Danzi von einem «convegno amoroso»-(Danzi 2008, hier-103). Das lässt sich weiter plausibilisieren durch den Intratext Saggio sopra gli errori degli antichi -- «L’agricoltore primitivo fuggendo per una vasta campagna, […] vede di lontano nella foresta una quercia tocca dal fulmine» (915; Capo decimoterzo: Del tuono )--, der Spento il diurno raggio in occidente mit dem vorherigen Io qui vagando al limitare intorno und der ersten Liebe zu Geltrude (Cassi Lazari) verbindet (cf. Danzi 2008, 107, Herold 2015a/ b). Gegenüber Spento il diurno raggio in occidente hat das Bild des Sturms in Io qui vagando nicht die Funktion, die donna an ihrem Platz bzw. an ihrer «amorosa meta»- (v.- 4) zu halten. Danzi geht so weit, in den Fragmenten XXXVIII und XXXIX ein Diptychon zu sehen: «dittico, in cui il primo testo è invocazione della tempesta perché trattenga la donna-[…], il secondo descrizione della tempesta che la sorprende e travolge»-(Danzi 2008,-108). 45 Gemeint sind die berühmten Eingangsverse der Divina Commedia : « Nel mezzo del cammin di nostra vita-| mi ritrovai per una selva oscura ,-| ché la diritta via era smarrita»-(Dante 2014, 31 [I, i, vv.-1-3]). 46 Cf. Koschorkes Exkurs zu Baudelaires Le coucher du soleil romantique im gleichnamigen Kapitel Die Schließung des Horizonts (Koschorke 1990, 241-252). 47 Man kann hier mit Peter Hühn auch von einem negativen Subjekt sprechen bzw. von «the textual subject [which] functions less as a positive norm […] than negatively»- (Hühn 2004, 147). <?page no="55"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 55 Gewitters dar, das den tragischen Tod der donna herbeiführt. In Vers-34 findet sich die bemerkenswerte Formulierung: «Spiegarsi ella il vedea per ogni canto». Das «Spiegarsi» nimmt die barocke, leibnizsche Metapher der Falte 48 bzw. des Sich-Entfaltens auf, «per ogni canto», also an jedem Ort oder in jedem Gedicht, nimmt die Ambivalenz von Raum und Dichtung auf, mit der bereits das vorherige 38.- frammento schließt: S’apre il ciel, cade il soffio, in ogni canto posan l’erbe e le frondi, e m’abbarbaglia le luci il crudo Sol pregne di pianto.-(212, vv.-13-15) Io qui vagando al limitare intorno endet im Zeichen einer entpoetisierten Gegenwart des lyrischen Sprechens, in der es «schlecht um transzendente Bezüge» 49 steht, in einem abschließenden Augenblick, wo Himmelöffnung und Licht nicht Epiphanie, sondern überall und je ein Ende der Inspiration verheißen. 50 Die Inspirationslosigkeit findet sich ebenfalls im 39.-Fragment als Motiv: Proleptisch ist von Beginn an klar, dass die Natur nicht (zu uns) sprechen wird, denn pars pro toto für die Landschaft-- als Bild für den Versuch zu dichten-- nimmt der frühe Vers «I ramuscelli ivan cantando al vento»-(v.-10; -M.H.) die späteren Verse vorweg «Veniva il poco lume ognor più fioco; -| E intanto al bosco si destava il vento»-(v.-37sq.). Versteht man Vers-34 als eine emblematische und metapoetische mise- en-abyme , ergibt sich eine Logik, die sich überall, in jedem Winkel, auch in jedem der canti , entfaltet. Der letzte gedankliche Abschnitt der Versteinerung-(vv.-67-76) beginnt mit einem «lampo»-(v.-67) und schließt damit einen Bogen zurück zur Vorlage, die mit «Era morta la lampa»- (291, v.- 1) beginnt, wobei das Thema des appressamento , des Herannahens, nicht nur in der Anzahl auf 76-Verse reduziert wird, sondern auch-- wörtlich-- kondensiert wird auf ein «all’appressar del nembo»-(v.-48); kein Herannahen des Todes, sondern des Gewitters. Damit sind eine erste Verbildlichung und Bildlichkeit des Langgedichts hintergangen. Diese Änderung hat Folgen fürs Ganze und für die Bedeutung des Endes des Gedichts: Beide Teile haben jeweils eine Art Epitaph. In den Versen- 22-27 bricht das ansonsten implizite und abwesende lyrische Ich aus seiner Beobachterrolle aus 48 Cf. Deleuze 1988. 49 Herold 2015b, 158. 50 Die Blendung («m’abbarbaglia») bzw. die Klarheit des poetischen Bilds leuchtet das Vorgehen dermaßen aus, dass sich (scheinbar) nichts Poetisches, Vages ereignet. Spento il diurno raggio in occidente nimmt mehrfach diese «dermaßen-dass»-Funktion auf und erweckt so sprachlich den Eindruck von Bewegung und eines bedrohlichen dynamisch-erhabenen Gewitters; etwa: «più gagliardo-[…]-| tal che»-(v.-40sq.), «tanto,-| che» (v.-32sq.), «sì, che»-(v.-44), «Sì che»-(v.-57). <?page no="56"?> 56 Milan Herold und verbindet die beiden Teile mit einer philosophischen Perspektive. Die letzten vier Verse verändern nochmals den Satzrhythmus innerhalb des adversativen «Ma» (v.-70) und führen eine fatale quiete dopo la tempesta ein. E si rivolse indietro. E in quel momento si spense il lampo, e tornò buio l’etra, ed acchetossi il tuono, e stette il vento. Taceva il tutto; ed ella era di pietra.-(vv.-73-76) Wind und Sturm sind ein rekurrentes Denkbild in Leopardis Dichtung. Es lässt sich zwischen einem harmonisch-theophanen und einem bedrohlich-katastrophalen Windbzw. Sturm-Bild unterscheiden. Das frammento fällt insofern aus dieser Dichotomie heraus, als der Übergang von einem sanften, idyllischen Hauch zum stürmischen Wind sich vollzieht. 51 Das frammento wird zusammengehalten von einem eingeklammerten lyrischen Ich, das Flauberts Erzähler-Ideal zu erfüllen scheint; «[d’être] comme Dieu dans l’univers, présent partout et visible nulle part» 52 . In dem angesprochenen Einschub zwischen Idylle und Sturm-(vv.-22-27) findet sich eine in Leopardis Lyrik einmalige Leseransprache «Se lieta fosse, è van che tu dimande»- (v.- 22, M.H.), die man auch als einen versteckten Ausruf der donna verstehen kann, als eine unmarkierte psychologische Interpretation oder Projektion-- analog zum style indirect libre -- des lyrischen Ichs, der ihr auch ein naives Glücksversprechen des Herzens unterstellt-(v.-23sq.) und die Flüchtigkeit der Eindrücke zur Existenzmetapher philosophisch radikalisiert-(vv.-25-27). Die ersten Verse, die dann den Sturm einleiten, nehmen eine gegenüber dem Appressamento entscheidende doppelte semantische Verschiebung vor, die mit der zuvor zitierten Verschiebung in La sera del dì di festa in den Versen-28 und-46 vergleichbar ist. e la dolcezza in cor farsi paura-(292, v.-33, M.H.)-~ e il piacere in colei farsi paura.-(v.-30, M.H.) 51 Cf. «Il Frammento XXXIX ci offre dunque due diversi stadi dell’immagine: il passaggio dall’uno all’altro costituisce anzi il tema stesso del componimento. Nelle occorenze successive dei Canti , l’immagine sarà offerta di volta in volta in una delle due versioni: quella ‹lene› (col vento che ‹stormisce› o ‹mormora› o ‹sussura›) e quella ‹tempestosa› (col vento che ‹muggisce› o ‹fischia› ecc.)»-(Blasucci 2003, 34). Frühere Dichtungen sind etwa Übersetzungen aus dem ersten Buch der Aeneis ( La Tempesta della flotta Trojana ), Il Diluvio universale , das an Anakreon angelehnte La Tempesta von 1809. Cf. zur Funktion der Hoffnung Danzi 2008,- 104 in einem Vergleich der Verse 22-27 im frammento und der Verse-49-52 in La Tempesta . Eine parallele Verschiebung der Hoffnung prägt sich im Übergang vom Appressamento zum Fragment aus. 52 Flaubert 1980, 204 (Brief an Louise Colet vom 9.-Dezember 1852). <?page no="57"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 57 Nicht mehr «la dolcezza», sondern «il piacere» wird zur Angst. Mit dieser Änderung wird die Kürzung des ersten Gesangs verständlich, denn «dolcezza» verweist im Appressamento noch auf die Traumvision, die auf Vers-82 und auf die Versteinerung folgt-(292, v.-95). 53 Lust und Unlust wechseln einander ab, ihre Heiterkeit-- «lieta»-(v.-22) über den ersten Ausblick-- «vista» (v.-23), den die einleitenden Verse-1-18 darstellen, wechselt sich synästhetisch ab mit einem Primat des Hörens- - etwa «udir», «suon»-(v.-47sq.), «tuon»-(v.-53, 61), «suon»-(v.-66)--, der den Wechsel von Steigen und Fallen-- «sorgea», «salir»-(v.-32, 35) des Gewitters gleichsam spiegelt, ohne aber eine typische doppia vista , die auf das Unsichtbare sinnlich ausgreift, erreichen zu können, so dass das Gedicht mit einer negativen «vista»- (v.- 70) endet. Die Natur determiniert 54 gleichsam den psychischen Übergang «in colei»- (v.- 30) von diletto - (v.- 26) und «piacere» zur «paura»- (v.- 30). Der Spiegelcharakter findet sich auch auf der lexikalischen Ebene, insbesondere durch die auffallenden Wiederholungen- - etwa: «luna»- (v.- 18, 33), «bosco»- (v.- 38sq.), «piacer(e)»-(v.-23, 30), «momento»-(v.-40, 73), «lampo», «lampi»-(v.-50, 67, 74), «pioggia»- (v.- 47, 63)- -, die im Dienste zweier Funktionen stehen: Einerseits wird additive Totalität bzw. mathematische Erhabenheit dargestellt, was durch die fünffache Verwendung von «ogn(i)»-(v.-7, 34, 40, 42, 64) unterstrichen wird. Andererseits wird der prozessuale Charakter betont und verkettet, der früh mit «e tutte ad una ad una»-(v.-14) angesprochen wird. Das Schritt-Verlangsamen und Herz-Schwinden-- «fermò l’andare», «il cor venne meno»-(v.-72)-- nimmt den Tod vorweg, erinnert im Zurückdrehen-(v.-73) und in den Folgen an Orpheus und Eurydike. An einen Intertext 55 erinnert Leopardi im Zibaldone : Quell’usignuolo di cui dice Virgilio nell’episodio d’Orfeo, che accovacciato su d’un ramo, va piangendo tutta notte i suoi figli rapiti, e colla miserabile sua canzone , esprime un dolor profondo, continuo, ed acerbissimo-[…].-(2552, Zib. -281; -M.H.) 56 53 Auch die Ersetzung von «la gran faccia del ciel»- (292, v.- 32) durch «la sembianza del ciel»- (v.- 29) ist technischer im Ausdruck, und die Einfügung des Blickwerts- (cf. v.- 23) führt eine Dopplung mit dem späteren «vista» (v.- 70) lexikalisch ein, ohne wie in später geschriebenen Gedichten eine doppia vista semantisch auszuprägen. Diese klassisch-elegische Verdopplung findet sich auch als mise en abyme («al bosco […] al bosco»-[v.-38sq.]). Auf ähnliche Weise wird die physischere Beschreibung «e ’ntanto tra le frasche crescea ’vento-| e sbatteva le piante del bel loco»-[v.-41sq.]) durch die die abstraktere Formulierung «dilettoso loco»-(v.-40) ersetzt; cf.-Danzi 2008, 110. 54 Cf. Camerino 1987, 340. 55 Cf. allgemein zu Leopardis antiken Intertexten im Kontext dieses Fragments Camerino 1987. 56 Cf. Herold 2017, 595-597; cf. Vergils Georgica 4.504-516. <?page no="58"?> 58 Milan Herold Ein poetologischer Unterschied in diesem «lamento»- (v.- 12), den die Natur- - und nicht ein lyrisches Ich oder Du-- singt, liegt darin, dass im frammento nicht der Gesang bzw. die canzone «miserabile» ist, sondern die donna selbst- («la misera»-[v.-52]). Das Leid als Bildspender der Dichtung ist noch nicht in eine explizit reflektierte Struktur eingebettet. Leopardis Bildlogik ist hier noch substantiell, noch nicht funktionell. Das Bild des Gewitters ist Wirklichkeit, noch nicht als Bild wirklichkeitsbildend. Dem entspricht, dass Spento il diurno raggio in occidente zeitlich das erste und in der Anordnung das letzte Gedicht ist, das die teoria del piacere thematisiert: Nella carriera poetica il mio spirito ha percorso lo stesso stadio che lo spirito umano in generale.-[…] La mutazione totale in me, e il passaggio dallo stato antico al moderno, seguì si può dire dentro un anno, cioè nel 1819.-[…]. Allora l’immaginazione in me fu sommamente infiacchita-[…].-(1517, Zib. -143sq.) Diese «mutazione totale in me» wird retrospektiv 1820 als «passaggio dallo stato antico al moderno» inszeniert 57 und zugleich zurückgebunden an jene fragmentarische Einbildungskraft, die aus dem Appressamento ein Fragment macht: E s’io mi metteva a far versi, le immagini mi venivano a sommo stento , anzi la fantasia era quasi disseccata (anche astraendo dalla poesia, cioè nella contemplazione delle belle scene naturali ec. come ora ch’io ci resto duro come una pietra ); bensì quei versi traboccavano di sentimento […]. Così si può ben dire che in rigor di termini, poeti non erano se non gli antichi, e non sono ora se non i fanciulli o giovanetti, e i moderni che hanno questo nome, non sono altro che filosofi.-(1517, Zib. -143sq.; M.H.) Wenn Naturszenen den modernen, philosophischen Dichter versteinern, lässt sich analog der Appressamento mit dem Io antico und der Frammento mit dem Io moderno gleichsetzen. Die Fragmentierung der ‹antiken› Einbildungskraft findet nicht nur durch Kürzung der Vorlage statt, sondern auch strukturell, indem eine donna die Rolle des Io antico einnimmt. Erst ihr Tod legitimiert sie als abschließendes Bild der teoria del piacere . Denn die Begierde nach Bildern des Unendlichen ist koextensionsal mit der Dauer der Existenz: Questo desiderio e questa tendenza non ha limiti, perch’è ingenita o congenita coll’esistenza, e perciò non può aver fine in questo o quel piacere che non può essere infinito, ma solamente termina colla vita . 58 57 Cf. Herold 2017, 202-205 zum fragmentarischen Verhältnis von Ich und Welt, das diese negative Epiphanie inszeniert. 58 Das Zitat lautet im Kontext vollständig: «Il sentimento della nullità di tutte le cose, la insufficienza di tutti i piaceri a riempierci l'animo, e la tendenza nostra verso un infinito che non comprendiamo, forse proviene da una cagione semplicissima, e più materiale che spirituale. L’anima umana (e così tutti gli esseri viventi) desidera sempre essenzial- <?page no="59"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 59 Das entspricht strukturell der transzendentalen Erinnerung, die entreferentialisierte Bilder als uneigentlichen Ursprung hat. Innerhalb der Sammlung der Canti ist der Appressamento unverfügbar und entspricht damit der nicht erinnerbaren immagine fanciullesca (cf.-Abschnitt-1), die nur fingiert werden kann. Dieses io mi fingo (cf.-Abschnitt-2) erfüllt sich auf implizite Weise dennoch auch hier, indem der Kommentar-Einschub der Verse-22-27 die angelegte Beobachtungsperspektive bricht. Zugleich kommt der Beobachtung so eine doppelte Funktion zu, die die Makrostruktur spiegelt. Die donna steht für das Andere seiner selbst, da sie selbst nicht als Beobachtende ins lyrische Bild gerät. Zugleich ist sie als Nicht-Beobachtende paradoxerweise modern. 59 Denn sie ermöglicht erst die Beobachtung aus der Perspektive eines Quasi- Io-antico , das die erhabene Natur als solche, d. h. natürlich 60 , wahrnimmt. Das moderne Ich kann das Gewitter nicht im antiken Modus wahrnehmen, aber die Fiktion eines ungebrochenen antiken Ichs ermöglicht die Illusion oder Vision einer solchen Naturerfahrung. Das ist mit einer doppelten Fragmentierung erkauft. Deshalb gilt für Leopardis Bildlichkeit: Bilder sind nicht Abbilder von etwas, sondern fragmentierte Bilder, die den Verlust der Abbildfunktion selbstreflexiv in ihre Bildlogik aufnehmen. Das Fragment führt in den Versen 23, 24 und 30 lexikalisch die teoria del piacere ein, um so semantisch durch die Fragmentierung anzuzeigen, dass eine Bildlogik beobachtet wird, die sich dadurch auszeichnet, latent und retrospektiv zu sein. Diese Bezugsferne geht innerhalb von Leopardis Poetik einher mit einer Vagheit lyrischer Bilder, die vornehmlich auditiv evoziert werden. Entsprechend stellt der die Sinne überfordernde Lärm des Gewitters nicht mehr ein Sprachproblem dar, sondern ein Jenseits der Einbildungskraft: e ’l rombar che la lingua dir non osa.-(292, v.-72) ~ e il suon che immaginar l’alma non osa-(v.-66) mente, e mira unicamente, benchè sotto mille aspetti, al piacere, ossia alla felicità, che considerandola bene, è tutt’uno col piacere. Questo desiderio e questa tendenza non ha limiti, perch’è ingenita o congenita coll’esistenza, e perciò non può aver fine in questo o quel piacere che non può essere infinito, ma solamente termina colla vita .»-(1523, Zib. -165; Kursivierung M.H.). 59 Diese Entsubjektivierung, in der das lyrische Ich «mira ad una realtà fuori di sé»-(Danzi 2008, 106), stellt sich in den ‹eigentlichen› canti (chronologisch betrachtet) paradigmatisch im Ultimo canto di Saffo dar, die als letzte canzone im mythischen Gewand bereits die Poetik der idilli lyrisch und sprachlich vorwegnimmt. Der idyllische Ton unterläuft hier die in der Sekundärliteratur tradierte Unterscheidung zwischen einem pessimismo storico und einem pessimismo cosmico -(cf.-Herold 2017, 268sq.). 60 Im Sinne von Schillers gnomischer Bestimmung in Über naive und sentimentalische Dichtung , dass das Natürliche ein Gefühl ist, «welches wir für die Alten haben. Sie empfanden natürlich; wir empfinden das Natürliche»-(Schiller 2002, 27). <?page no="60"?> 60 Milan Herold Das Erhabene übersteigt nun die Sprache, da diese droht, unpoetisch zu werden, in dem Sinne, dass «parole» nicht mehr zur lyrischen Darstellung ausreichen. 61 Der klassische Topos des Bildverbots im Erhabenen, das Kant eine «negative Darstellung» 62 nennt, lässt sich auch eine negative Bildlichkeit nennen. Wenn die Seele bzw. «l’alma» nicht mehr poetische Bilder entwerfen kann-- gleichsam kein ardire wagt-(«non osa»)--, bricht die Sprache-(«la lingua dir») ab. Damit ist der Tod der donna auch ein Bild für das Scheitern der Sprache. Dieses Scheitern ist vorweggenommen im negativen Umschlag von piacere in paura -(v.-30), in dieser «negative[n] Lust» 63 , die wiederkehrt im Scheitern der Einbildungskraft-(cf. v.-66). Dieser «Bildverlust» ist ein «Weltverlust», insofern die Sprache nicht mehr welthaltig ist, da ihr Anschauung und Konstellationen abhandenkommen. 64 Das Sich-Ängstigen-- «paura» (v.-30), «spavento»-(v.-42, 71)-- des Herzens-- «cor»- (v.- 24, 72), «alma»- (v.- 66)- - tritt ein, anders als in L’infinito : «ove per poco- | il cor non si spaura»- (121, v.- 7sq.). Entsprechend bedeckt am Ende der Entwicklung des Gewitters und des Gedichts die donna die Augen und wird-- im etymologischen Sinne 65 -- mystisch: Ella dal lampo affaticati e lassi Coprendo gli occhi, e stretti i panni al seno, Gia pur tra il nembo accelerando i passi.-(vv.-67-69) 61 Cf.- etwa im Zibaldone zur Unterscheidung von parole und termini : «la filosofia e l’uso della pura ragione che si può paragonare ai termini e alla costruzione regolare, abbia istecchito e isterilito questa povera vita, e come tutto il bello di questo mondo consista nella immaginazione che si può paragonare alle parole e alla costruzione libera varia ardita e figurata»- (1509, Zib. - 111). Den poetischen Wert des ‹ardire› erläutert Leopardi zwei Jahre später, 1822, als Schönheits- und Vagheitswert der Sprache: «Una lingua non è bella se non è ardita, e in ultima analisi troverete che in fatto di lingue, bellezza è lo stesso che ardire .-[…] Ricchezza di frasi e di modi non si dà se non in una lingua ardita, perchè, di forme esatte e matematiche, tutte le lingue ne sono o ne possono essere egualmente ricche nè più nè meno-[…]. Quindi se lingua bella è lingua ardita e libera , ella è parimente lingua non esatta, e non obbligata alle regole dialettiche delle frasi, delle forme, e generalmente del discorso.-[…] Non v’è lingua bella che non sia lingua poetica-[…]. Or lingua poetica, è lingua non matematica-[…].»-(1946, Zib. -2415-2418). 62 Kant 1968, 201 (B-124). 63 Ibid., 165 (B-76). Die Beobachtungsstruktur und Bildlogik lassen sich vergleichen mit dem Umschlag im erhabenen Gefühl, wie ihn Kant analysiert als denjenigen Augenblick, in dem die comprehensio aesthetica zur comprehensio sublimis wird (cf. Herold 2017,-88-93). 64 Cf. «Der Verlust der Bilder ist der schmerzlichste der Verluste. […] Es bedeutet den Weltverlust. Es bedeutet: es gibt keine Anschauung mehr.-[…] Es bedeutet: Es gibt keine Konstellationen mehr»-(Handke 2003, 746). 65 Cf. zum Fast-Augenschließen und zur Quasi-Mystik in L’infinito Herold-2013. <?page no="61"?> Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder 61 Dieser Blickverschluss- - faustisch gesagt: diese Weltverdunklung 66 - - bedeutet ihren Tod; auch, da sie zu keiner doppia vista fähig ist. Die Entwicklung kulminiert in einem Augenblick- - «momento»- (v.- 40, 73)- - und einem «lampo»-(v.-67, 74), der eine negative Epiphanie darstellt. Diese Bewegung, die mit einer Versteinerung abbricht, fragmentiert die Einbildungskraft des Io antico 67 : «[E]d ella era di pietra»- (v.- 76) führt eine Dauer 68 des Bildes ein und beendet das Gewitterbild. Die zwei paradigmatischen Formen der Schock-Abwehr, die reflexive Distanz-- wie in L’infinito --, die ein Sich-Ängstigen verhindert, und die Selbstbeobachtung-- wie in La sera del dì di festa- - sind im frammento nur angelegt. Der reflexive und funktionale Umgang mit Bildern ist noch defizitär. Deshalb könnte man das letzte eigenständige Gedicht der Canti verstehen als ein Appressamento della poesia . In einem späten Zibaldone -Eintrag von 1828 formuliert Leopardi thesenartig eine poetologische Überlegung, die mit der Mimesis an einer «nuda natura»-(1471, Zib. -16) im Widerspruch zu stehen scheint: Il poeta non imita la natura: ben è vero che la natura parla dentro di lui e per la sua bocca. […] Così il poeta non è imitatore se non di se stesso .-(2371, Zib. -4372sq.; M.H.) 69 Spento il diurno raggio in occidente imitiert durch die Projektion auf die donna , die ohne Innerlichkeit ausgestattet ist, die Natur im Entfalten bzw. im «Spiegarsi»-(v.-34). Das dominante Gewitter-Bild widerspricht scheinbar dem Zitat (« non imita la natura»). Indem die donna einsteht für das Io antico , ist aber das implizite lyrische Ich doch ein « imitatore […] di se stesso ». Dem negativ-dialektischen Bild der Lust, die zur Angst wird, entspricht das negative Bild der Versteinerung. Der Tod der donna als Phantom des eigenen Io antico wird damit medusaartig ins Bild gesetzt und erfährt zugleich eine dichterische Wiedergeburt. Vom Ende her gelesen bedeutet der erste Vers so gleichsam: Ex oriente lux! 66 Cf. Helmut Schneiders Aufsatz zur «fortschreitende[n] Verdunklung der Szene» in Goethes Faust- (Schneider 2001, hier 103). 67 Wenn man der These zustimmt, «che i comportamenti della natura sono come delle leggi per il sentimento individuale»-(Camerino 1987, 339), dann bedeutet der Wegfall der von der Natur ausgelösten Epiphanie-- «un lume scese e femmisi presente», «vi pareva uman sembiante»- (292, v. 87, 92)- - ebenfalls eine Fragmentierung der dichterischen Einbildungskraft. 68 Ungaretti schreibt, die Versteinerung führe zu einer Traumlogik «senza causa e fatali»- (Ungaretti 2000a, 942). Cf. «La soluzione è una semplice soluzione. […] Gli [a Leopardi] basta di troncare il discorso a pietra, perché immediatamente le due parti trovino un’unità nel loro contrasto di tempo, e una durata in un’atmosfera di sogno. […] Quando spezza il frammento al punto di-/ ed ella era di pietra- / l’innocenza è raggiunto, l’innocenza del sogno» (ibid., 942, 944). 69 Cf. zum Kontext Bruni 2009. <?page no="62"?> 62 Milan Herold Literaturverzeichnis Dante, Alighieri: Divina Commedia. Inferno - Purgatorio - Paradiso . Hg. v. Giovanni Fallani / Silvio Zennaro / Italo Borzi. Rom: Newton Compton 2014 ( 1 1993). Flaubert, Gustave: Correspondance ( Juillet 1851-1858). Hg. von Jean Bruneau. Bd. 2. Paris: Gallimard 1980 (Bibliothèque de la Pléiade, 284). Handke, Peter: Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos . Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003. Kant, Immanuel: «Kritik der Urteilskraft», in: id.: Werkausgabe in zwölf Bänden . Hg. v. Wilhelm Weischedel. Bd. 10. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1968. Leopardi, Giacomo: Tutte le poesie, tutte le prose e lo Zibaldone . Hg. v. Lucio Felici, Emanuele Trevi. Rom: Newton Compton. 2010. Longinus: «On the Sublime» [Περì Ὕψους]. Übers. v. W.H. Fyfe, korr. V. 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In seiner Doppelgestalt ist dieses dichterische Denken auf der Suche nach seinem eigenen «einheitlichen» oder einen Bild, das es aber immer nur im jeweils anderen - mal in der poesia , mal in der filosofia - hervorzubringen vermag, in dem es sich augenblicklich wiedererkennt. Auf diese Weise offenbart sich dieses dichterische Denken als ein geteiltes oder ‹zerrissenes› Bild und wird so zu einer Art Nicht-Bild oder vielmehr Unbild . In diesem Zusammenhang erscheint auch das «kleine Bild» des frühen idillio (das zugleich die neue namenlose «Form» des Leopardischen Dichtens bedeu- 1 Cf. die Eintragung in Leopardis Zibaldone . Hg. von Rolando Damiani. 3 vol. Mailand: Mondadori 1997 (I Meridiani), Manuskriptseite 1383. Wir zitieren den Zibaldone im Folgenden nach dieser Ausgabe unter Angabe der Manuskriptseite mit der Abkürzung Zib. direkt im Text. <?page no="66"?> 66 Giulia Agostini tet), ja das «Bild» von «L’infinito» als ein Nicht-Bild (bzw. Unbild ); denn obgleich sich das lyrische Ich an einem erhabenen Aussichtspunkt befindet, sieht es nichts außer einem Hindernis, einem jener «infiniti ostacoli reali, e non solamente immaginari» ( Zib . 40), wie es sich gerade dem suchenden Verlangen nach der neuen namenlosen Dichtung in den Weg stellt, und auf das sich der sich nun nach Innen oder auf ein Außen wendende ‹Blick› richtet. 2 Durchaus in Entsprechung zu dem «seiner selbst beraubten Ich» - «me di me privo» 3 - erweisen sich auch andere ‹Bilder› Leopardis eigentlich als von Klang erfüllte Bilder ohne Bilder, als Nicht-Bilder , denen das stets flüchtige Aufscheinen eines nicht Gesehenen , nicht Gewussten , noch die Vorstellungskraft Übersteigenden zu eigen ist, wie es eine Reihe weiblicher ‹Grabgedichte› - allesamt funerei canti gemäß der Wendung von Le ricordanze 4 - Leopardis zeigt: So mündet etwa die vom Klang von Silvias «perpetuo canto» 5 getragene Evokation der Vergangenheit in die von ihr selbst ‹nie gesehene› Mädchenblüte («E non vedevi / il fior degli anni tuoi», v. 42sq.); und die bisweilen aufblitzende «superba vision» 6 der einst als «amorosa idea» (v. 39) und «eccelsa imago» (v. 48) angebeteten, nun für das lyrische Ich «toten» (v. 70) Aspasia zeugt vom ‹Geheimnis eines unbekannten Paradieses› («alto mistero d’ignorati Elisi», v. 36), ja vom Geheimnis des Nichtwissens selbst, das die visuelle Imagination übersteigt. Denn, wenn dieses Nichtwissen dem Denken auch gleich einem ‹göttlichen Strahl› («Raggio divino», v.-33) erscheint, zeigt es sich doch vornehmlich in klanglicher Gestalt. Und wo in Aspasia die Analogie zwischen der Wirkung irdischer (weiblicher) Schönheit und der Musik offen zu Tage tritt, wird sie in Sopra il ritratto di una bella donna implizit angenommen, mehr noch: Hier gehen die Vorstellungen des einst «quasi angelico aspetto» 7 , des sich verflüchtigenden «ammirabil concetto» (v. 38) in die Metapher des Meeres ein, die in ihrer rhythmischen Hintergründigkeit schon L’infinito auszeichnet und die das Unendliche in gleicher Weise wie das Nichts in sich birgt und damit Leopardis Bild ohne Bild der Dichtung selbst 2 Cf. zu diesem «regard se concentrant sur l’obstacle même qui devient objet de contemplation, et qui creuse l’espace infini à l’intérieur du sujet, dans l’esprit, ou plus exactement dans ce que Leopardi appelle il pensiero » Andrea Del Lungo: La fenêtre. Sémiologie et histoire de la représentation littéraire . Paris: Seuil 2014, 108-117, hier 108. 3 «Aspasia», v. 96, in: Giacomo Leopardi: Poesie e Prose . Vol. I. Poesie . Hg. von Mario Andrea Rigoni. Mailand: Mondadori 1987 (I Meridiani), 105. Wir zitieren diese Ausgabe im Folgenden mit der Abkürzung PP-I. 4 «[F]unereo canto» wird in Le ricordanze , v. 118, PP I, 82 das «Frammento XXXIX»: Spento il diurno raggio in occidente oder Appressamento della morte , gemäß dem Titel der von Leopardi selbst nie veröffentlichten cantica giovanile genannt. 5 A Silvia , v. 9, PP I, 77. 6 Aspasia , v. 8, PP I, 103. 7 Sopra il ritratto di una bella donna , v. 35, PP I, 112. <?page no="67"?> Der unendliche Mangel an Bildern 67 geradezu vor-stellt : ihr Unbild , wie es sich auch bei Ungaretti, prägnant in seinem an Leopardi erinnernden ‹kleinen Gesang ohne Worte›, wiederfinden wird: «Già va rilucendo-| Mosso, quel mare,-| Aperto per chi sogna…». 8 Diesem «unendlichen Mangel an Bildern» gilt es im Folgenden nachzugehen. Zunächst richten wir unsere Aufmerksamkeit auf Überlegungen Leopardis zur Imagination, zum Unendlichen und zum nulla , die er in seinem Zibaldone notiert und in denen er den ( grundlos gründenden ) Grund der Bilder selbst zu ergründen sucht. Dabei wird es auch um die Frage nach der Entdeckung und Erkenntnis der rapporti gehen, jener Beziehungen, die gleicherweise das Anliegen der Philosophie und der Dichtung sind. Anschließend werden wir uns den verschiedenen Erscheinungsweisen von Leopardis Bildern ohne Bilder der Dichtung, jenen Nicht-Bildern oder Unbildern zuwenden, die das Spiel zwischen dem Sein und dem Nichts, der Notwendigkeit und der Kontingenz, dem Innen und dem Außen, der Vergangenheit und der Gegenwart, der Endlichkeit und der Unendlichkeit eröffnen, immer aufs Neue vor Augen führen, und sich dabei selbst als Figurationen des inexistenten und unendlichen Grundes, als reine Hintergründigkeit manifestieren. I Nicht nur zwischen infinito und immaginazione 9 besteht für Leopardi ein unlösliches Band, sondern auch zwischen poesia und filosofia : Beide bringen ein endloses Streben nach dem Unendlichen zum Ausdruck (cf. Zib .-4126). Und wie der Dichter zeichnet sich auch der «vero e perfetto filosofo» durch seine Vorstellungskraft aus: «Chi non ha o non ha mai avuto immaginazione […], non sarà mai se non un filosofo dimezzato» ( Zib .-1833sq., sowie Zib .-1650). Aus dem Bündnis von Philosophie und Dichtung geht die Vorstellung perfekten Dichtens als einer somma filosofia hervor ( Zib . 1383). In diesem Zusammenhang ist Leopardis früher Entwurf einer nuova poesia senza nome von zentraler Bedeutung: «bisogna rompere violare disprezzare lasciare da parte intieramente i costumi e le abitudini e le nozioni di generi ec. ricevute da tutti » ( Zib .-39). Es handelt sich also um den Versuch einer totalen Erneuerung der Dichtung, die mit allen Gewohnheiten bricht. 10 8 Giuseppe Ungaretti: «Cantetto senza parole», vv. 10-12, Il Taccuino del Vecchio , in: Vita d’un uomo. Tutte le poesie . Hg. von Carlo Ossola. Mailand: Mondadori 2009 (I Meridiani), 322. 9 Cf. Zib .-4177sq. Im Folgenden (Abschnitt I und II) komme ich auf Fragen zurück, denen ich bereits an anderer Stelle nachgegangen bin: «Genealogie des Unendlichen - Leopardis Ergründung einer poesia senza nome », in: GRM 67 (2017), 377-394. 10 Dieses dichterische Projekt ist zweifellos im Zusammenhang seiner kurz darauf beschriebenen Erfahrung des nulla - «tutto è nulla, solido nulla» ( Zib .-85, sowie bereits Zib .-72) - zu sehen, und damit auch im Zusammenhang seiner «Kehre» zum Philosophen - der <?page no="68"?> 68 Giulia Agostini Das Besondere an einer solchen nuova poesia senza nome besteht darin, dass sie sich gegen die Benennung durch ‹falsche Namen› («nomi falsi») sperrt und sich jeder näheren Bestimmung entzieht. Denn das Namenlose gibt es nicht, ja es muss erst noch hervorgebracht werden (cf. Zib . 39sq.). Dies stellt jedoch eine nahezu unmögliche Aufgabe dar - fällt man doch aller Anstrengung zum Trotz immer wieder in all die überbrachten Formen und Bilder («in quelle forme […], in quelle immagini, in quei generi ec. ec.», Zib . 40) zurück, ja bleibt doch immer ein Rest des Vorigen, der sich nicht auflösen lässt, wie Leopardi am Bild des immer den gleichen Lauf nehmenden Bächleins zeigt: «come un riozzolo d’acqua che corra per un luogo dov’è passata altra acqua, avete bel distornarlo, sempre tenderà e ricadrà nella strada ch’è restata bagnata dall’acqua precedente» ( Zib .-40). Dieser «riozzolo» der namenlosen Dichtung hat keinen ‹Ur-Sprung›; er ist kontingent und (im Wortsinne) grundlos, ja er bezeugt die Erfahrung des nulla : «il principio delle cose, e di Dio stesso, è il nulla.» 11 Und so ist die poesia senza nome auch auf der Suche nach ihrem eigenen Grund, dem ‹Ursprung›, der sie erst hervorzubringen vermöchte. Beharrlich wiederholt Leopardi: «Niente preesiste alle cose. Nè forme, o idee, nè necessità nè ragione di essere, e di essere così o così ec. ec. Tutto è posteriore all’ esistenza » ( Zib .-1616, Leopardis Hervorhebungen). Was versteht Leopardi unter dem nulla , dem niente , die nicht existieren und dennoch sind? Wir haben es offenkundig mit einem fundamentalen Paradoxon zu tun, das sich in der Gestalt absoluter Grundlosigkeit manifestiert: «Niente preesiste alle cose». Dabei handelt es sich nicht um einen Nicht-Grund, sondern vielmehr um einen Ungrund ; dieser Ungrund des nulla fungiert als inexistenter Hintergrund der Dichtung und bringt diese erst hervor. Denn als einzig wahre infinità existiert das nulla tatsächlich nicht, 12 nulla und infinito sind letztlich ein und dasselbe: l’infinito cioè una cosa senza limiti, non può esistere […]. Pare che solamente quello che non esiste , […], il niente, possa essere senza limiti , e che l’infinito venga in sostanza a esser lo stesso che il nulla . 13 «mutazione totale in me» ( Zib .- 143sq.), wie er rückblickend schreibt - und seinen verzweifelten Fluchtgedanken, ja dem gescheiterten Versuch vom August 1819, der Enge Recanatis zu entkommen. 11 Zib .-1341, sowie Zib .-1462-1464. und Zib .-1712-1714. - immer auch in ablehnender Auseinandersetzung und Widerlegung der platonischen Ideenlehre. 12 Zib .-4174: «[l’]infinità vera, per dir così, del non esistente, del nulla». 13 Zib .- 4177sq., Hervorhebungen von G.A. Dort heißt es zunächst: «Niente infatti nella natura annunzia l’infinito, l’esistenza di alcuna cosa infinita. L’infinito è un parto della nostra immaginazione , della nostra piccolezza ad un tempo e della nostra superbia. […] [L]’infinito è un’idea, un sogno, non una realtà: almeno niuna prova abbiamo noi dell’esistenza di esso, neppur per analogia, e possiam dire di essere a un’infinita distanza <?page no="69"?> Der unendliche Mangel an Bildern 69 Bekanntlich handelt es sich beim infinito um eine bloße «illusione ottica» ( Zib .-4292): Das Unendliche existiert nicht, es entzieht sich von der Endlichkeit her jeder Vorstellung ( Zib .-3500, sowie Zib .-4142) und verschwimmt deshalb auch mit dem namenlosen Unbestimmten, dem indefinito und vago ( Zib .-472sq.). Das Unendliche im Sinne Leopardis versetzt das in seiner Begrenztheit und Grundlosigkeit nach dem infinito strebende Subjekt in einen «imaginären Raum» 14 , der sich in die Hypostase eines Außen wendet: «Bisogna insomma porsi al di fuori dell’ordine esistente e di tutti gli ordini possibili […]» ( Zib .-1614). Und in seiner Inexistenz lässt sich das nulla als ein unendlicher Raum «verorten» («il nulla è necessariamente luogo», Zib .-4233), den man nur als einen absoluten begreifen kann, als einen Ort nicht der Negation, sondern der Negativität : «[una] proprietà negativa, giacchè anche l’esser di luogo è negativo puramente e non altro.» 15 Das nulla als unendlicher Ort geht jeder Form von Existenz voraus - nur so kann er überhaupt ein unendlicher sein ( Zib .-4233). Dieser luogo-nulla ist also der grundlose Grund , der Ungrund selbst, aus dem das dichterische Denken hervorgeht. 16 Vor diesem Hintergrund stellt sich erneut die Frage nach dem Band zwischen Philosophie und Dichtung: Was bewirkt das doppelte Sehen und Hören des mit Vorstellungskraft begabten Unendlichkeitsbegierigen? Wie begreift Leopardi diese Koinzidenz von Wahrnehmung und Vorstellung, die Vervielfachung des Einfachen und die Öffnung auf das Andere (cf.- Zib .-4418)? Von entscheidender Bedeutung sind hier die «ingeniösen» Prädikate, die dem «wahren Dichter» zugeschrieben werden. Denn dieser vermag es, noch zwischen den scheinbar entlegensten Dingen (etwa mittels der Metapher in ihrer ‹simultanen Vervieldalla cognizione e dalla dimostrazione di tale esistenza: si potrebbe anche disputare non poco se l’infinito sia possibile […], e se questa idea, figlia della nostra immaginazione , non sia contradditoria in se stessa». 14 Zib .- 171. Die skizzierte Szenerie erinnert an die von L’infinito : «L’anima s’immagina quello che non vede, che quell’albero, quella siepe, quella torre gli nasconde». 15 Zib .- 4233. Dort heißt es: «Il nulla non impedisce che una cosa che è, sia, stia, dimori. Dove nulla è, quivi niuno impedimento è che una cosa non vi stia o non vi venga. Però il nulla è necessariamente luogo . È dunque una proprietà del nulla l’esser luogo; proprietà negativa, giacchè anche l’esser di luogo [kursiv im Original] è negativo puramente e non altro. Sicchè, come il tempo è un modo o un lato del considerar la esistenza delle cose, così lo spazio non è altro che un modo, un lato, del considerar che noi facciamo il nulla. Dove è nulla quivi è spazio, e il nulla senza spazio non si può dare . Per tanto è manifesto che eziandio fuori degli ultissimi confini dell’universo esistente, v’è spazio, poichè nulla v’è» (Hervorhebungen von G.A.). Cf. zur Negativität auch Giorgio Agamben: Il linguaggio e la morte. Un seminario sul luogo della negatività . Turin: Einaudi 2 2008, bes. seine Leopardi- Lektüre 93-102. 16 Cf. zum ‹Néant› Leopardis als einem «néant originaire», das selbst als «coessentiel à l’Être» zu verstehen ist, Riccardo Pineri: Leopardi et le retrait de la voix . Paris: Vrin 1994, 83. Zur Unterscheidung zwischen Leopardis Negativität und dem modernen Denken der Negation cf. Zib .-2713-2715, eine Passage, auf die auch Pineri hinweist. <?page no="70"?> 70 Giulia Agostini fachung› der Ideen, Zib .-2468-2470) ungeahnte Beziehungen zu entdecken und erfahrbar zu machen ( Zib .-1650). Genau darin besteht das Band zwischen dem Dichter und dem Philosophen : «Or questo è tutto il filosofo: facoltà di scoprire e conoscere i rapporti, di legare insieme i particolari, e di generalizzare.» 17 Im Gegensatz zum bloßen Philosophen ( filosofo dimezzato ) in seiner Kurzsichtigkeit (ist er doch «di corta vista, di colpo d’occhio assai debole», Zib .-1833) verfügt der Dichter-Philosoph als ein die Grenzen der Philosophie im Wortsinne übersteigender ultrafilosofo ( Zib .- 115, weiterhin Zib . 305) über eine «forza di colpo d’occhio», 18 die ihn über sich selbst hinauswachsen lässt («sollevandovi sopra di se», Zib .- 1854). Auf diese Weise hat der Dichter-Philosoph Einblick in die verborgenen und labyrinthischen rapporti , die die «parte principale della filosofia» ( Zib .-1854) ausmachen: «situato su di un eminenza, scorge d’un occhiata tutto il laberinto, e la verità che sebben fuggente non se gli può nascondere.» ( Zib .- 1855). Diese herausragende Situation entspricht der des idillio L’infinito und dem «ermo colle» seines ersten Verses. 19 Darüber hinaus wirkt im Innern dieses höchst philosophischen Gedichts in gleicher Weise das Tun des Dichters und des Philosophen. II Das ‹kleine Bild› von L’infinito zeigt sich als ein Nicht-Bild , das bekanntlich nichts außer einem Hindernis vor Augen führt: Die ‹Hecke› (v. 2) verstellt den Blick auf den ‹letzten Horizont› (zumindest zum ‹größten Teil›, v. 3) und wirkt gewissermaßen als ‹Grenze der Grenze› ( Horizont stammt von gr. horizein ‹begrenzen›). Doch gerade indem die privilegierte Situation «su di un eminenza» ( Zib .- 1855) den Blick auf diesen ‹letzten Horizont› verstellt, gibt sie (gemäß dem dichterischen doppelten Sehvermögen ) den ‹Blick› auf das inexistente Außen der Dichtung frei, das die Imagination erst in Gang setzt; sogleich öffnet sich 17 Zib .- 1650. Cf. Emanuela Cervato: «Giacomo Leopardi: poeta dimezzato? », in: Sebastian Neumeister / Raffaele Sirri (Hg.): Leopardi. Poeta e pensatore-/ Dichter und Denker . Neapel 1997, 195-211. 18 Zib .-1854. Cf. zu Leopardis Macht des colpo d’occhio und dem doppelten Sehvermögen des Dichter-Philosophen (vor dem Hintergrund von Wordsworths spots of time , Joyce’s epiphanies , Pascals esprit de finesse und Vicos ingenium ) Nicholas Rennie: Speculating on the Moment. The Poetics of Time and Recurrence in Goethe, Leopardi, and Nietzsche . Göttingen: Wallstein 2005, 222-255, bes. 225-228. Cf. ferner Saul Kripkes - in ihren Folgerungen Leopardi nahe - Analyse der Analogie von Fiktion und Wahrnehmung , sowie seine ontologische Bestimmung von Literatur: Reference and Existence. The John Locke Lectures . Oxford: Oxford University Press 2013, bes. die vierte Vorlesung vom 20. November 1973, 79-101. 19 L’infinito , v. 1, PP I, 49. <?page no="71"?> Der unendliche Mangel an Bildern 71 ein «spazio immaginario» ( Zib .- 171) - «[…] nel pensier mi fingo» (v. 7) -, ja das neue, andere Reich der Fiktion selbst (gemäß dem Verständnis des Logikers Saul Kripke). 20 Und von dort aus gelingt es nun dem ultrafilosofo als sommo filosofo -- «solo è utile la sommità della filosofia, perchè ci libera e disinganna dalla filosofia» ( Zib . 305) - die verborgenen rapporti und damit auch die Wahrheit zu erkennen: «scorge d’un occhiata tutto il laberinto, e la verità che sebben fuggente non se gli può nascondere» ( Zib .-1855). Welche ist die Erkenntnis von L’infinito ? Und was hat sie mit seiner Form , ja mit seinem Bild zu tun? Die Metapher des Meeres, das (vorerst) letzte Wort des Gedichts - fließt doch die gegenwärtige dolcezza des Schlussverses in die anfängliche, dem lyrischen Ich teure Gewohnheit zurück, ja führt die dichterische Schifffahrt des idillio «nel cuore dello Stesso» 21 -, beantwortet unsere Fragen. Wie eine jede Metapher verborgene Beziehungen zum Ausdruck bringt, macht die Metapher des Meeres die ‹rhythmisch› fließende Bewegung zwischen Vorder- und Hintergrund, zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit sichtbar. 22 Dieser Rhythmus , den die Meeres-Metapher bereits vorzugeben scheint, weist seinerseits auf die Form des idillio . Denn eidos und rhuthmos sind zunächst synonym: So wie idillio ‹kleine Form› bedeutet, ist auch mit Rhythmus anfänglich nichts anderes als ‹Form› gemeint. 23 Rhythmus bezeichnet zunächst nicht die gleichmäßige Kadenz etwa der Wogen des Meeres oder die von einem Metrum oder einem ‹Gesetz der Zahl› regierte Bewegung. 24 Es handelt sich hier vielmehr um das Prozessuale , die Bewegung im Vollzug . 25 Leopardis Verwendung der Meeresmetapher erscheint in der gesteigerten Potenz einer fundamentalen Metapher, die an vertrauten kosmischen und physiologischen Phänomenen (wie dem Wellengang des Meeres oder dem Herzschlag) so etwas wie Rhythmus als einen «konstanten Hintergrund» erfahren lässt, auf dem sich eine intelligible Stimme erst abzuheben vermag. Questo mare 20 Cf. Kripke: Reference and Existence , 98-101. 21 Agamben: Il linguaggio e la morte , 101.- 22 Diese ist die unendliche Bewegung zwischen den kontingenten, endlichen «Diesen», die zueinander in Beziehung gesetzt werden - etwa «questa siepe» (v. 2) und die «Spazi di là da quella» (v. 5), «quello-| Infinito silenzio» (v. 9sq.) und «questa voce» (v. 10), sowie die imaginierten «interminati-| Spazi di là da quella» (v. 4sq.) und das doppelte questo der Schlussverse: «Così tra questa- | Immensità s’annega il pensier mio: - | E il naufragar m’è dolce in questo mare» (vv. 13-15) -, ja die Bewegung zwischen all den sich augenblicklich wandelnden, einander unendlich spiegelnden questi , die das idillio «rhythmisch» ins Werk setzt. 23 Cf. Émile Benveniste: «La notion de rythme dans son expression linguistique», in: Problèmes de linguistique générale . Vol. I. Paris: Gallimard 1966, 327-335. 24 Ibid., 334sq. Auch Leopardi weiß um diese Bedeutung, unterscheidet er doch selbst zwischen ritmo und metro . Cf.- Zib .-4322. 25 Ibid., 332sq. <?page no="72"?> 72 Giulia Agostini - das die ganze Bewegung des idillio in sich fassende Meer, das nicht existiert und als Metapher doch ist , fungiert so als der Hintergrund der Dichtung, der sie erst hervorbringt und als ein solches generatives Moment stets begleitet . Die Meeresmetapher ist sicherlich ein traditioneller motivischer «Rest» der dichterischen Schifffahrt; doch weist dieser hier auf einen unauflöslichen Rest, der die Dichtung in ihrer Vielfalt nicht nur in Bewegung setzt, sondern sie auch am Leben hält. Genau dies bewirkt nämlich der marine (wieder mit einem «E» einsetzende 26 ) Schlussvers, der als ein das ganze Gedicht tragender ‹Rest› erscheint. Er ‹sprengt› so die ‹geschlossene› Form des Sonetts und ist Zeichen des infinito , des Ungrunds (nach Schelling, der bisher stillschweigend vorausgesetzt wurde 27 ) der Dichtung und gerade nicht ihres Abgrunds , wie der überwundene Anflug pascalscher Angst 28 («ove per poco il cor non si spaura», v. 7sq.) noch vermuten ließ. Das lyrische Ich macht an dieser Stelle keine Erfahrung des Negativen , sondern vielmehr die einer Negativität , ja die in letzter Instanz als 26 Zu Leopardis nachdrücklichem Gebrauch des «e» in L’infinito (der ein Grundzug seiner Dichtung überhaupt ist) cf. Pietro Citati: Leopardi . Mailand: Mondadori 7 2015, S. 178. 27 Cf. Friedrich Wilhelm Josef Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände [1809]. Hg. von Thomas Buchheim. Hamburg: Meiner 1997, 78: «[W]ie können wir es anders nennen als den Urgrund oder vielmehr Ungrund ? Da es vor allen Gegensätzen vorhergeht, so können diese in ihm nicht unterscheidbar, noch auf irgendeine Weise vorhanden sein. Es kann daher nicht als die Identität; es kann nur als die absolute Indifferenz beider bezeichnet werden. […] Die Indifferenz ist nicht ein Produkt der Gegensätze, noch sind sie implicite in ihr enthalten, sondern sie ist ein eignes von allem Gegensatz geschiedenes Wesen, an dem alle Gegensätze sich brechen, das nichts anderes ist als eben das Nichtsein derselben, und das darum auch kein Prädikat hat als eben das der Prädikatlosigkeit, ohne dass es deswegen ein Nichts oder ein Unding wäre.» Wenn wir - mit Blick auf die Metapher des Ungrunds und auch den an den Rest gebundenen Gedanken der Unvollständigkeit (cf. Freiheitsschrift , 32) - auf Schelling zurückgreifen, geht es nicht um eine tatsächliche Berührung zwischen Leopardi und Schelling, sondern vielmehr um anonyme Korrespondenzen; angesichts der gedanklichen Nähe zwischen den beiden Autoren bedienen wir uns der schellingschen Sprache, die wie die Dichtung Leopardis das Unendliche zu ergründen sucht. Gleichwohl ist es denkbar, dass Leopardi durch Schopenhauer, Schellings Zeitgenossen und Gegner, von seiner Philosophie Kenntnis hatte. Cf. Margherita Heyer-Caput: «Leopardi tra Schopenhauer e Nietzsche», in: Italian Culture 9 (1991), 197-212, sowie Heinz Gerd Ingenkamp: «Leopardi und Schopenhauer über die Musik», in: Hans Ludwig Scheel / Manfred Lentzen (Hg.): Giacomo Leopardi. Rezeption - Interpretation - Perspektiven . Tübingen: Stauffenburg 1992, 109-124. Cf. ferner Schopenhauer liest Schelling. Arthur Schopenhauers handschriftlich kommentiertes Handexemplar von F. W. J. Schelling: «Philosophische Untersuchung über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände». Hg. von Lore Hühn-/ Sebastian Schwenzfeuer. Stuttgart: Frommann-Holzboog 2019 (in Vorbereitung). 28 «Le silence éternel de ces espaces infinis m’effraie.» Pascal: Pensées , Fr. 187, in: id.: Œuvres complètes . Vol. II. Hg. von Michel Le Guern. Paris: Gallimard 2000 (Bibliothèque de la Pléiade, 462), 615. <?page no="73"?> Der unendliche Mangel an Bildern 73 die Erfahrung der Freiheit 29 (in wissender ‹Komplizenschaft› mit derselben 30 ) bezeichnet werden kann. Diese besteht gerade darin, dass wir niemals ‹ganze›, sondern immer nur ‹zerrissene› Bilder des Unendlichen erhaschen können. Doch in einem solchen ‹zerrissenen› Bild - einem Nicht-Bild , genauer noch Unbild - offenbart sich auch Leopardis dichterisches Denken. III Gleichwohl sind nicht alle Bilder ohne Bilder, nicht alle Nicht-Bilder Leopardis auch Bilder des Unendlichen. Leopardi scheint vielmehr auch das mögliche Misslingen seiner eigenen Suche nach diesem Bild des Unendlichen zu inszenieren, wie gerade die Grabgedichte zeigen. Denn im Hinblick auf die Gestaltung des Bildes des Unendlichen scheitert für Leopardi ein jeder funereo canto mit Notwendigkeit. Dies zeigt sich etwa im den desengaño 31 betonenden Grabgedicht Sopra il ritratto di una bella donna 32 , in dem die Vorstellungen des einst «quasi angelico aspetto» (v. 35), des sich verflüchtigenden «ammirabil concetto» (v. 38) 33 in die (ein Bild des Unendlichen zunächst verheißende) Metapher des Meeres eingehen. Von der «einstigen Schönheit» (v. 7), die das ritratto des Titels ‹simulakrisch› (v. 6) zeigt, bleiben mit einem Mal nur «polve e scheletro» (v. 2), «fango ed ossa» (v. 17sq.). Dieser jähe und unwiderrufliche Wandel wird daraufhin durch eine analoge Erfahrung der Kontingenz veranschaulicht, wobei das durch einen immer möglichen «discorde accento» (v. 47) bedrohte metaphorische ‹köstliche Meer› der Musik (vv. 42-46) die Stelle des allzu fragilen «ammirabil concetto» (v. 38) der lebendigen Schönheit einnimmt. Entschei- 29 Cf. nochmals Agamben: Il linguaggio e la morte , 101sq. Cf. ferner Martin Heidegger: Vom Wesen des Grundes [1949], Frankfurt a.M.: Klostermann 8 1995, bes. 53sq.: « Die Freiheit ist der Grund des Grundes. » Denn der «Grund hat sein Un-wesen, weil er der endlichen Freiheit entspringt» (53). Und so ist das «Unwesen des Grundes» auch eigentlich der Ungrund , der «nie beseitigt» wird (54), ja der stets im Hintergrund ist. Cf. weiterhin zum nulla bei Leopardi und zu Schellings und Heideggers Frage nach dem Grund , der «Grundfrage» der Metaphysik, die mit dem Sein sogleich das Nichts aufruft (« Warum überhaupt etwas und nicht nichts? ») Sergio Givone: Storia del nulla [1995]. Bari: Laterza 4 2011, 135- 154, sowie 187-206. 30 Denn «qualcosa può essere solo se l’essere è complice del nulla e di conseguenza l’esistente infinito, l’esistente tratto fuori dall’oceano del possibile e diventato reale, sta nel segno della libertà, essendo liberamente venuto all’essere.» Givone: Storia del nulla , 194. 31 Cf. zu Leopardis privativer (und nicht primär negativer) Erfahrung des desengaño Luigi Blasucci: «Sopra il ritratto di una bella donna», in: id.: I titoli dei «Canti» e altri studi leopardiani . Venezia: Marsilio 2011, 126-145, hier 144sq. 32 Sopra il ritratto di una bella donna , PP I, 111sq. 33 Cf. zum dort verwendeten Verb «si dilegua», das in den späteren Canti Leopardis mit Bezug auf die Endlichkeit, besonders von «bellezza, giovinezza, illusioni», vielfach wiederkehrt Blasucci: «Sopra il ritratto di una bella donna», 142sq. <?page no="74"?> 74 Giulia Agostini dend ist hier jedoch, dass das Meer als Bild des Unendlichen abrupt und unwiderruflich ins Nichts umzuschlagen droht und seine (in L’infinito gegebene) Un-Bedingtheit verliert: «ma se un discorde accento-| fere l’orecchio, in nulla-| torna quel paradiso in un momento» (vv. 47-49). Diesem im Wortsinne ‹kritischen› Moment begegnen wir auch im funereo canto des «Frammento XXXIX», Spento il diurno raggio in occidente 34 . Wenn auch virtuos vorbereitet durch das allmählich aufziehende Unwetter (das im frühen Titel «Appressamento della morte» anklingt), vollzieht sich der Moment des blitzartigen Umschlags vom Leben zum Tod (Finsternis, vollkommene Lautlosigkeit und Stillstand) innerhalb nur einer Terzine: «E in quel momento- | si spense il lampo, e tornò buio l’etra,- | ed acchettossi il tuono, e stette il vento» (vv. 73-75); und die Lakonik des Schlussverses - «Taceva il tutto; ed ella era di pietra.» (v. 76) - besiegelt die Unwiderruflichkeit des Geschehens, das das Gedicht selbst zu ‹Stein› erstarren lässt. Entscheidend ist nun, dass dieser «momento» gerade das in steter unentschiedener Bewegung begriffene ‹Kippmoment›, das rhythmische Wechselspiel zwischen Vorder- und Hintergrund, das Weder-Noch des Bildes des Unendlichen tilgt. Somit wird aber die Lücke zwischen den beiden Polen ausgeblendet, die sich im Unendlichen gerade nicht vollständig schließen lässt . Dies gibt auch Kant im Zusammenhang seiner Urteilslehre zu verstehen, wie seine Unterscheidung zwischen dem verneinenden und dem unendlichen Urteil in seiner ersten Kritik, der Kritik der reinen Vernunft zeigt: Kant zufolge lässt sich ein bejahendes Urteil wie etwa «Die Seele ist sterblich» auf zweifache Weise negieren. 35 Die erste Form der Negation entspricht ganz dem verneinenden Urteil, indem lediglich das Prädikat des Subjekts verneint wird: «Die Seele ist nicht sterblich»; wohingegen die zweite Negation das bejahende Urteil folgendermaßen umformt: «Die Seele ist unsterblich». Es handelt sich bei der zweiten Negation um ein unendliches Urteil, das sich sozusagen als eine neue, so Kant selbst, «unendliche Sphäre alles Möglichen» 36 manifestiert, die eine Negativität bildet, ohne jedoch eine Negation zu sein. 37 Eben eine solche unendliche Sphäre alles Möglichen , die jede 34 « Spento il diurno raggio… », PP I, 139-141. 35 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft . Hg. von Heiner Klemme. Hamburg: Meiner 1998, B97, A72, 149sq. 36 Kant: Kritik der reinen Vernunft , B97, A72, 150. 37 Diese Sphäre befindet sich gerade zwischen dem Phänomenon und dem Noumenon , der Sinnen- und der Verstandeswelt (Kant: Kritik der reinen Vernunft , B294, 295, A236, 336sq.), die Fichte als «Beziehungs- und Unterscheidungsgrund» bezeichnet ( Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre . Hg. von Wilhelm G. Jacobs. Hamburg: Meiner 2017, § 3, 25-43) und die Schelling in seiner Auseinandersetzung mit dem Identitätsurteil wiederum als eine Art «unbekanntes X» oder «Band» beschreibt, das sich durch eine Selbstverdopplung ( reduplicatio ) zur Existenz bringt: «Wir würden allgemein sagen: das Band im Urteil sei nie ein bloßer Teil von ihm, wenn auch, wie ange- <?page no="75"?> Der unendliche Mangel an Bildern 75 Differenz zugleich übersteigt und als generatives Moment stets begleitet, entwirft Leopardi nicht nur in der Metapher des Meeres, wie sie das Wechselspiel zwischen Vorder- und Hintergrund von L’infinito auszeichnet; nicht nur diese Metapher, die (als eine solche ständige, fließende Bewegung) das Unendliche in gleicher Weise wie das Nichts in sich birgt, stellt also Leopardis Bild ohne Bild der Dichtung als ihr Unbild vor . Leopardi lässt noch ein anderes Bild des Unendlichen vor unseren Augen entstehen, das wieder den grundlos gründenden Grund, den Hintergrund des Bildes in den Vordergrund rückt und diesen somit selbst zum Bild erhebt. Betrachten wir in diesem Zusammenhang das Unbild jenes nicht zuletzt an eine andere Geliebte (Nerina) erinnernden, neuerlich (wie bereits L’infinito ) in höchstem Maße philosophischen Gedichts - Le ricordanze 38 - -, in dem ( anders als in den Grabgedichten einschließlich der Kanzone A Silvia , jenen funerei canti , von denen sich das erinnernde Ich in Le ricordanze gerade distanziert) das Spiel zwischen dem Sein und dem Nichts, der Notwendigkeit und der Kontingenz, dem Innen und dem Außen, der Vergangenheit und der Gegenwart, der Endlichkeit und der Unendlichkeit am Werk ist, ja zum Gestaltungsprinzip selbst wird. Gewiss bezeugen wir auch hier denselben Moment des blitzartigen Umschlags in seiner Unwiderruflichkeit - wieder ist die Rede vom «dileguare» wie zuvor im Ritratto : «Fugaci giorni! a somigliar d’un lampo / son dileguati» (v. 131sq.); und wieder ‹verlöscht› (v. 135) mit einem Mal das Licht der Jugend wie schon das des Tages im frühen Fragment Spento il diurno raggio . Indem sie jedoch Gegenwart und Vergangenheit zueinander in Beziehung setzen, suchen bereits die ricordanze selbst, Dauer zu erzeugen, diesen Moment zu übersteigen (ohne dabei die diesem eigene Endlichkeit und Kontingenz zu leugnen). Und so wirken in den ricordanze nicht nur die gegenwärtig gesehenen Bilder und die Erinnerung an die Fülle der einstigen Bilder, auf die die jetzigen (privativ) bezogen sind - «Qui non è cosa-| ch’io vegga o senta, onde un’immagin dentro-| non torni, e un dolce rimembrar non sorga.» (vv. 55-57) -, sondern auch die noch auf die Zukunft bezogene Imagination . Die ricordanze zeichnen sich also nommen wird, der vorzügliche, sondern sein ganzes Wesen, und das Urteil sei eigentlich nur das entfaltete Band selber; der wahre Sinn eines jeden Urteils, z. B. des einfachsten, A ist B, sei eigentlich der: das, was A ist, ist das, was auch B ist, wobei sich zeigt, wie das Band sowohl dem Subjekt als dem Prädikate zu Grunde liegt. Es ist hier keine einfache Einheit, sondern eine mit sich verdoppelte oder eine Identität der Identität. In dem Satz, A ist B, ist enthalten, erstens der Satz A ist X (jenes nicht immer genannte dasselbe, von dem Subjekt und Prädikat beide Prädikate sind); zweitens der Satz, X ist B; und erst dadurch, dass diese beiden wieder verbunden werden, also durch Reduplikation des Bandes entsteht der Satz, A ist B» (F.W.J. Schelling: Die Weltalter . Hg. von Manfred Schröter. München: Biederstein und Leibniz 1946, 28 [Druck I]). 38 «Le ricordanze», PP I, 79-83. <?page no="76"?> 76 Giulia Agostini ebenfalls durch das dem Dichter-Philosophen gemäße doppelte Sehen aus. Und noch die Imagination, das immaginar selbst ist im Werk der ricordanze verdoppelt: dem «caro immaginar mio primo» (v. 89), das die Erfahrung des frühen idillio L’infinito evozierenden Bilder der ersten Strophe bündelt, korrespondiert nämlich (immer im Zeichen der Privation) «ogni mio vago immaginar» der auf die Verschränkung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezogenen Schlussverse: «e fia compagna- | d’ogni mio vago immaginar, di tutti- | i miei teneri sensi, i tristi e cari-| moti del cor, la rimembranza acerba» (vv. 170-173). Dabei wiederholt und variiert nicht nur die finale partikulare «rimembranza» den offenen pluralischen Titel; zudem bindet auch das «vago immaginar» den Schlusssatz an die Apostrophe des ersten Verses zurück - «Vaghe stelle dell’Orsa» -, womit das Gedicht, das ebenso wie L’infinito im Zeichen ‹teurer Gewohnheit› steht - «io non credea- | tornare ancor per uso a contemplarvi» (v. 1sq.), «quel caro immaginar mio» (v. 89) - aufs Neue beginnen kann. (Und das das ganze Gedicht im Hintergrund begleitende ‹Siebengestirn› des ersten Verses weist auch auf die Hintergründigkeit des siebenstrophigen Gedichts als ‹Siebengestirn› selbst.) Eindringlich zeigt sich nun dieses auf das Unendliche gerichtete Werk der ricordanze in der Wiederholung und Variation eines Bildes, von dem das doppelte Sehen , die Imagination ihren Ausgang nimmt: das des Fensters . Denn so wie das lyrische Ich seine einstige Gewohnheit unerwartet wiederaufnimmt, vom Fenster aus und im Angesicht der Sterne das Unendliche zu ‹ergründen› («ragionar [im Wortsinne] con voi dalle finestre», vv. 1-4, hier v. 4), öffnen sich auch die heutigen Fenster gleichsam auf die Fenster von einst. Zugleich öffnen sie sich aber auch auf das immer gleiche Außen des Sternenhimmels im Hintergrund , das sogleich wieder die Imagination («Quante immagini un tempo […]- | creommi nel pensier l’aspetto vostro», v. 7sq.) als das Vermögen, die gegebenen Verhältnisse zu übersteigen, in Gang setzt, wie es in der Evokation der Erfahrung von L’infinito und im «varcare […]- | fingendo» (vv. 22-24) zum Ausdruck kommt. Eben diese Verdoppelung (des Vergangenen und Gegenwärtigen) und die neuerliche, ja künftige Öffnung auf die Imagination - «ogni mio vago immaginar», v. 171 - zeigt sich nun im Bild eines anderen Fensters, das in der siebten und letzten, dem Verlust Nerinas geltenden Strophe hinzu kommt und wieder die Sterne aufscheinen lässt: «Più non ti [Nerina] vede-| questa Terra natal: quella finestra,-| ond’eri usata favellarmi, ed onde-| mesto riluce delle stelle il raggio,-| è deserta» (vv. 140-144). Doch nicht nur die Blickrichtung (das lyrische Ich blickt auf das Fenster Nerinas) ist hier eine andere; auch Vorder- und Hintergrund haben sich gleichsam verkehrt: Das ‹verlassene›, ‹leere Fenster› spiegelt die Sterne, die in ihrer Hintergründigkeit ein jedes immaginar stets begleiteten, und rückt sie augenblicklich in den Vordergrund des Bildes. <?page no="77"?> Der unendliche Mangel an Bildern 77 Genau dies führen auch die Photographien von Mario Giacomellis kongenialer Leopardi-Serie A Silvia vor Augen: 39 Die sechzehn Schwarz-Weiß-Photographien, die selbst keine Titel tragen, transponieren Motive der Dichtung Leopardis im Zeichen der Endlichkeit: melancholische Bilder eines Mädchengesichts (N° 3-5), Schnappschüsse des ausgelassenen Spiels einer Gruppe Jugendlicher im Freien (N° 6sq.), bewegt-verschwimmende Bilder von fliegenden Vögeln, auch vor dem Hintergrund aufsprühender Meeresgischt, 40 das ebenso lebendige Bild von den Strand überspülenden Wellen des Meeres, an dem gerade ein einsamer Spaziergänger entlanggeht (N° 8-11); es finden sich aber auch starre Bilder des Verfalls: mit Reif überzogenes totes Laub, schemenhaft-schwarze Figuren, die sich isoliert vor grell-weißem Grund abheben, das von Dornen überwucherte Tor eines Friedhofs (N° 12, 15sq.). Durch die im Innern verborgene Serie von Fensterbildern inszeniert Giacomellis photographische Serie A Silvia darüber hinaus aber auch den unendlichen Mangel an Bildern, ja sie gestaltet auch das bildlose Bild , das Unbild des Nichts und des Unendlichen . Denn wie Leopardi variiert Giacomelli den Blick aus dem Fenster : Dem Blick vom Fenster des Dichters in Recanati auf das verlassene Dorf (N° 2) antwortet der Blick auf eine Fassade mit schwarzen, ja blinden, von Schnee hell umrahmten Fenstern, die den Betrachter sogartig in ihre Leere ziehen (cf. Fig. 1); doch auf dieses Bild folgt sogleich ein umgekehrtes, photographisch gesprochen ein Negativ : der Blick auf das einzelne, verlassene, doch inmitten seiner nun dunklen Umgebung hell aufblitzende Fenster, das hier als Spiegel der Sterne im Hintergrund fungiert und sie augenblicklich in den Vordergrund des Bildes rückt (cf. Fig. 2). 39 Giacomellis grandiose Photographien der Serie A Silvia , die 1964-1977 in Senigallia und Recanati entstanden, finden sich in: Alistair Crawford: Mario Giacomelli . Paris: Phaidon 2002, 106-117. 40 Cf. zu diesem ‹Lob des Wassers› und dem des ‹Vogelflugs›, das Leopardi mit Paul Valéry teilt und das in letzter Instanz ein poetologisch bedeutsames ‹Lob der Bewegung› (wie der ‹Geschwindigkeit›) ist: Zib . 2041sq. und Zib . 1999, ferner zur «rapidità» Italo Calvino: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millennio [1985], in: Saggi. 1945-1985 . Vol. I. Hg. von Mario Barenghi. Mailand 4 2007, 627-753, hier 656-676, sowie nochmals meinen Aufsatz «Genealogie des Unendlichen - Leopardis Ergründung einer poesia senza nome », 391sq. <?page no="78"?> 78 Giulia Agostini Fig. 1: Mario Giacomelli, A Silvia, N° 13. Fig. 2: Mario Giacomelli, A Silvia, N° 14. Und wie bei Leopardi stehen all diese Fensterbilder (wie die ganze Serie) von Anbeginn im Zeichen der ‹Wüste› des allerersten Bildes (cf. Fig. 3). <?page no="79"?> Der unendliche Mangel an Bildern 79 Fig. 3: Mario Giacomelli, A Silvia, N° 1. Denn die beständige ‹Begleiterin› jeder künftigen Imagination, der Hintergrund , auf dem künftige Bilder erscheinen mögen, ist die finestra deserta in Le ricordanze , das ‹verlassene›, ‹leere Fenster›, ja die Leere selbst, die weder das vertraute ‹Gesicht› noch seine ‹Geschichten› zeigt - «eri usata favellarmi» (v. 141) -, doch jede neue Erscheinung, jede neue ‹Fabel› ‹begleiten wird›: «e fia compagna-| d’ogni mio vago immaginar […] la rimembranza acerba» (vv. 170-173). (Wie die anfänglichen «finestre» und die «ricordanze» des Titels miteinander korrespondieren, sind auch die finestra deserta Nerinas und die finale «rimembranza acerba» aufeinander bezogen.) So gibt Leopardi das ‹ leere Fenster›, die ‹Leere› im Bewusstsein der Kontingenz und Endlichkeit in der Tat als eine unendliche Sphäre alles Möglichen zu verstehen, die eine Negativität bildet, ohne jedoch eine Negation zu sein (und interessanterweise nennt Schopenhauer das unendliche Urteil Kants ablehnend «ein blindes Fenster» 41 ). Durch die Imagination vermag sich dieses Unbild des ‹leeren Fensters› potentiell auf eine unendliche Serie von Bildern (d. h. durch ‹Wiederholung und Differenz› im Sinne Gilles Deleuzes) zu öffnen. 42 Auf diesem grundlosen Grund ( Ungrund ) mag also neuerlich etwas, was 41 Cf. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung . I. Hg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986 (Sämtliche Werke, I), 614 («Anhang zur Kritik der kantischen Philosophie»). 42 Cf. zur «mise en série», der seriellen Form als «essentiellement multisérielle», sowie der wesentlichen Rolle der Differenz (gegenüber der Ähnlichkeit ) für die Serialität etwa Gilles Deleuze: Logique du sens . Paris: Minuit 1969, 50-53; cf. weiterhin Deleuze: Différence et Répétition . Paris: P.U.F. 1969. <?page no="80"?> 80 Giulia Agostini auch immer es sei, erscheinen: vielleicht ein vom Duft von ‹Blumen› begleitetes Bild (wie das einst «per deserti campi» 43 nur vom subtilen «profumo di fiorita piaggia» (v. 11) begleitete ‹innere› Bild Aspasias, v. 8), mehr noch eine ‹Blume› wie die «odorata ginestra» 44 , jener «fiore del deserto» (gemäß dem Titel des letzten Gedichts La ginestra o il fiore del deserto ) selbst. Denn die finestra deserta in Le ricordanze , die ja ihre ‹Blume› verloren hat («piansi […] il fiore-| […] che sí per tempo-| cadeva», vv. 111-113) weist (auch klanglich) auf das «deserto», die unendliche ‹Wüste›, die gewissermaßen als Gegenpart einer jeden endlichen «fiorita piaggia» (v. 166sq.) fungiert, wie sie noch in Le ricordanze vorgestellt, ja gesehen wird. Eben diese Intuition des Ungrunds der Dichtung hat Ungaretti mit Blick auf den Moment vollkommener Dunkelheit und Leere der ersten Strophe von Leopardis spätem Gedicht Il tramonto della luna 45 beschrieben: C’è un ora nel Tramonto della luna […] nella quale non c’è più nessuna luce, non c’è più la luce del sole che non è ancora giunta né preannunciata, non c’è più la luce della luna che è tramontata, e anche le stelle per una condizione di quell’ora non si vedono più. È un mondo completamente oscuro, vuoto. È un momento di silenzio […], della fine reale di tutto, è il nulla, e non è se non il momento in cui paiono scomparsi giorno e notte, e non è che un semplice momento di interruzione e di attesa. Assoluta notte e assoluto giorno […] non saranno che illusioni ottiche? E ciò che si scopre per via di luce del giorno o per via di luce notturna non sarà sempre che illusione ottica? Come sentire la realtà, non quella effimera: quella che va oltre la conoscenza mutevole della materia e gli effetti di luce? Nei suoi confini temporali e spaziali di essere terreno finito, come l’uomo, servendosi delle immagini proposte da tali confini, potrà avere in un barlume sentimento e idea dell’eterno? 46 Denn wo könnte das ‹Gesicht› (die Idee im Wortsinne) des Unendlichen aufscheinen, ja wann könnte sich ein ‹Gefühl› unbedingter , absoluter Wirklichkeit (wieder ein fundamentales Paradoxon) einstellen, wenn nicht angesichts dieses sogleich wieder verlöschenden bildlosen Bilds des Nichts , der Wüste - «e si scolora il mondo; -| spariscon l’ombre» 47 -, wenn nicht angesichts jenes Unbilds 43 Aspasia , v. 4, PP I, 103. Cf. ferner die daran anknüpfenden Schlussverse, die die Leere selbst potenzieren, indem sie (analog zum Gefühlsmangel) noch die Sterne tilgen, vv. 106-112, 106. 44 La ginestra , v. 6, PP I, 124. 45 Cf. Il tramonto della luna , vv. 1-19, bes. vv. 9-15, PP I, 121: «giunta al confin del cielo- | […]-| nell’infinito seno-| scende la luna; e si scolora il mondo; -| spariscon l’ombre, ed una-| oscurità la valle e il monte imbruna; -| orba la notte resta». 46 Giuseppe Ungaretti: «Note a La Terra Promessa », in: id.: Vita d’un uomo. Tutte le poesie , 782. 47 Il tramonto della luna , v. 11sq., PP I, 121. <?page no="81"?> Der unendliche Mangel an Bildern 81 in seiner entgrenzenden Hintergründigkeit , das wie ‹zerrissen› ist zwischen dem Verschwinden und der Erwartung neuerlicher (auch trügerischer) Erscheinungen? 48 Wie später bei Samuel Beckett - und insbesondere seinen den «Bildursprung» erkundenden späten Fernsehspielen (Deleuze spricht in diesem Zusammenhang von « faire une image» 49 ), die ihn als einen großen ‹Erben› Leopardis zeigen 50 - ist diese metaphorische ‹Wüste› in ihrer doppelten Valenz und ihrer hintergründigen Gegenstandslosigkeit zu begreifen: Sie ist nicht nur ein Bild des Abgrunds, der verzweifelten Erfahrung des Nichts , sondern stellt gerade als reine ‹Leere› in gleicher Weise auch den grundlos gründenden Grund als eine unendliche Dimension der Potentialität , der immer möglichen Erfahrung reicher Fülle dar, die ich hier mit Wolfram Hogrebe eine «Hintergrundfigur» nennen möchte: Eine 48 Cf. Il tramonto della luna , vv. 2-6: «sovra campagne inargentate ed acque,-| là ’ve zefiro aleggia,- | e mille vaghi aspetti- | e ingannevoli obbietti- | fingon l’ombre lontane». An dieser Stelle sei auf Eugenio Montales Forse un mattino andando aus den Ossi di seppia (in: id.: Tutte le poesie . Hg. von Giorgio Zampa. Mailand: Mondadori 1984 (I Meridiani), 42) verwiesen: Dieser osso schildert im Modus eines unbestimmt-futurischen Vielleicht eine ähnliche, ebenso radikale Erfahrung des Nichts als einer hintergründigen Leere und Projektionsfläche : «Forse un mattino andando in un aria di vetro,- | arida, rivolgendomi, vedrò compirsi il miracolo: -| il nulla alle mie spalle, il vuoto dietro-| di me […].-|| Poi, come s’uno schermo, s’accamperanno di gitto-| alberi case colli […]» (vv. 1-6); diese Erkenntnis wird ihrerseits von der Wiederherstellung gewohnter Täuschung abgelöst: «per l’inganno consueto» (v. 6), das ‹ geheime› Wissen des lyrischen Ich um dieses Nichtwissen des Unendlichen , des Nichts bleibt: «[…] ed io me n’andrò zitto- | […], col mio segreto.» Cf. ferner Calvinos großartige Lektüre: «Eugenio Montale, Forse un mattino andando » ( Narratori, poeti, saggisti. Contemporanei italiani , in: id.: Saggi. 1945-1985 . Vol. I, 1179-1189. 49 Cf. Gilles Deleuze: «L’épuisé», in: Samuel Beckett: Quad et autres pièces pour la television . Paris: Minuit 1992, 57-106, 71. 50 Cf. hier (neben Ghost Trio, Quad und Nacht und Träume ) besonders …but the clouds - / …que nuages , in dem die Erfahrung des Nichts , des grundlosen Grundes dieser ‹Wüste› auch als eine Erfahrung der Fülle zu verstehen gegeben wird: Das verheerende Nichts zeigt sich als eine ‹Fundgrube›, eine ‹Goldader› - «nothing, that mine», «rien, ce filon» -, d. h. eine reiche Quelle befreiender Unbestimmtheit, ein Raum reiner Potentialität . Cf. Samuel Beckett, « …but the clouds », in: The Complete Dramatic Works . London: Faber and Faber 1990, 421sq., sowie zur französischen Übersetzung Edith Fourniers: Samuel Beckett: Quad et autres pièces pour la télévision , 47. Cf. auch Becketts späten Prosatext Mal vu mal dit . Paris: Minuit 1981. Beckett hatte bereits seinen frühen Proust-Essay von 1931 unter das Motto von Leopardis Halbvers aus «A se stesso» gestellt: «E fango è il mondo» ( Proust , traduit de l’anglais et présenté par Edith Fournier. Paris: Minuit 1990, [7]). Cf. zu «Wüste und Paradies» als «visuellen Strategien der Moderne von Kasimir Malewitsch bis Joseph Beuys und Imi Knoebel» Wolfram Hogrebe: Beuysianismus. Expressive Strukturen der Moderne . München: Fink 2011, 63-101. Cf. ferner meine Überlegungen: «Projecting Spaces of Thought. The Geometrical Figure in the Works of Samuel Beckett and Julio Cortázar», in: Falk Bornmüller- / Johannes Franzen- / Mathis Lessau (Hg.): Literature as Thought Experiment . München: Fink 2019, 139-154. <?page no="82"?> 82 Giulia Agostini «simultane Hintergrundfigur, die nie erscheint», ja die nicht einmal existiert, aber jede Erscheinung begleitet und «alles [was auch immer es sei] aus sich zu entlassen eine virtuelle Macht hat». 51 Auch dieses hintergründige Nicht-Bild , ja Unbild des ‹leeren›, ‹verlassenen Fensters› und noch das der ‹Leere› und der ‹Wüste› selbst, die in ihrer Hintergründigkeit selbst zur Figur erhoben wird, fungiert für Leopardi - wie schon das des Meeres, das sich (gemäß Celans Übertragung der Verse Ungarettis) «auftut dem, der da träumt…» 52 und das wie das leere Fenster zum ‹Spiegel› der Sterne wird 53 - als ein Bild des Unendlichen , ein Bild des Nichts . Dabei ist es bedeutsam und keineswegs beliebig (obgleich zufällig 54 ), dass diese ‹Wüste› der ‹Ort› der ihrerseits hintergründigen ‹Wüstenblume› ist, die sich schließlich allein durch ihre lentezza («E tu, lenta ginestra» - wie die abermals siebte und letzte Strophe einsetzt, v. 297) und das in dieser ihrer ‹Biegsamkeit›, ihrer ‹beständigen, geschmeidigen Beweglichkeit› selbst gründende Weder-Noch 55 auszeichnet, das schließlich in die unauflösliche Unbestimmtheit eines più und eines meno mündet: «più saggia, […]-| meno inferma» (v. 314sq.). Denn es ist dieser Überschuss, der immer auch ein Mangel sein kann, dieser Rest (selbst «padre del nulla», Zib . 714) einer jeden Wüstenblume der Dichtung , der das einzig ‹wahre› Unendliche zu generieren vermag. 56 Literaturverzeichnis Beckett, Samuel: The Complete Dramatic Works . London: Faber and Faber 1990. -: Mal vu mal dit . Paris: Minuit 1981. -: Proust . Traduit de l’anglais et présenté par Edith Fournier. 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Le ricordanze , v. 142sq., PP I, 83 und La ginestra , vv. 163-165, PP I, 128. 54 «[S]ul deserto, dove-| e la sede e i natali-| non per voler ma per fortuna avesti», La ginestra , vv. 311-313, PP I, 128. 55 «[N]on renitente», «non piegato […] indarno-| codardamente supplicando», «non eretto-| con forsennato orgoglio inver le stelle», La ginestra , v. 305, 307sq., 309sq., PP I, 132. 56 Cf. Zib .-4177sq. <?page no="83"?> Der unendliche Mangel an Bildern 83 Fichte, Johann Gottlieb: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre . Hg. v. Wilhelm G. Jacobs. Hamburg: Meiner 2017. Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft . Hg. v. Heiner Klemme. Hamburg: Meiner 1998. Heidegger, Martin: Vom Wesen des Grundes [1949]. Frankfurt a.M.: Klostermann 8 1995. Leopardi, Giacomo: Poesie e Prose . Vol. I. Poesie . Hg. v. Mario Andrea Rigoni. Mailand: Mondadori 1987 (I Meridiani). -: Zibaldone . Hg. v. Rolando Damiani. 3 vol. Mailand: Mondadori 1997 (I Meridiani). Montale, Eugenio: Tutte le poesie . Hg. v. 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Friedrich Hölderlin, Der Archipelagus I. Leopardi war natürlich nie in Kalifornien. 2 Kalifornien war zu seinen Lebzeiten noch eine mexikanische Provinz, in der fast ausschließlich Indianer unter zunächst mexikanischer und ab 1840 amerikanischer Herrschaft lebten. Die Zahl der Neusiedler aus dem Osten und aus Europa überstieg noch im Todesjahr Leopardis nicht die Zahl von 5000. Es gab zwar schon seit dem 16. Jahrhundert Berichte spanischer und englischer Seefahrer, die das Land von der Küste aus entdeckten, und seit dem 17. Jahrhundert historische und geographische Darstellungen, die Leopardi in der väterlichen Bibliothek von Recanati konsultieren konnte. Auch im Grand Dictionaire historique von Louis Moréri, das bekanntlich den wichtigsten Vertreter der französischen Frühaufklärung, Pierre Bayle, dazu veranlasste, seinerseits ein Dictionnaire historique et critique zu verfassen, findet sich z. B. in der Auflage von 1718 ein Artikel «Californie» mit nützlichen 1 Eine erste, stark von dem vorliegenden Text abweichende italienische Fassung ist in der Zeitschrift Babel. Littératures plurielles der Université de Toulouse erschienen (32 [2015]): Histoire culturelle des points cardinaux . Hg. von Stephanie Wodianka- / Sebastian Neumeister. Dort finden sich auch zahlreiche weitere Literaturhinweise. 2 Cf. María de las Nieves Muñiz Muñiz: «Le quiete e vaste californie selve (sullo spazio immaginario in Leopardi)», in: Rassegna della letteratura italiana 97 (1993), 81-95. <?page no="86"?> 86 Sebastian Neumeister Informationen über die Region und ihre Bewohner. 3 Amerika, wenn auch nicht Kalifornien, sondern vor allem Südamerika, spielt deshalb durchaus eine Rolle im Denken und Wissen Leopardis und ist in seinem Gedankenbuch, dem Zibaldone , zahlreich vertreten. Spontan ist man geneigt, zuerst an den bekannten Dialog von Kolumbus mit seinem Reisegefährten Pietro Gutierrez aus den Operette morali zu denken. Barbara Kuhn hat diesem Dialog, sozusagen den Gedanken eines Nichtreisenden über das Reisen, eine intensive und erhellende Analyse gewidmet. 4 Das Reisen ist, so Cristoforo Colombo, vor allem eine Zeitreise: Nicht das Ziel zählt, sondern die Reise selbst, an die man sich als eine Zeit erinnern wird, in der man der noia , dem Überdruss am normalen Leben enthoben war. Die Gefahren und die Leiden der Reise bewirken, dass man sich, am Ziel einer Seefahrt angelangt, wenigstens für einige Tage freut, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben: Chi pose mai nel numero dei beni umani l’avere un poco di terra che ti sostenga? Niuno, eccetto i navigatori,e massimamente noi, che per la molta incertezza del successo di questo viaggio, non abbiamo maggior desiderio che della vista di un cantuccio di terra […], e presa terra, solamente a pensare di ritrovarci in sullo stabile, e di poter andare qua e là camminando a nostro talento, ci parrà per più giorni essere beati. 5 Nicht das ersehnte Ziel an sich ist also schön, sondern der Kontrast zu den Gefahren, die man erlebt hat, ganz so wie im Gedicht La quiete dopo la tempesta nach dem Gewittersturm die Freude am Leben wiederkehrt: 6 Passata è la tempesta: […] 3 Louis Moréri: Le grand Dictionaire historique ou le Mélange curieux de l’histoire sacrée et profane . Bd. II. Paris: Jean-Baptiste Coignard 1718, 28. 4 Barbara Kuhn: «‹trovar nuovo mondo, o affogare› ( Zibaldone 4479): Reise-Bilder aus dem Universum Leopardis», in: Sabine Doering / Sebastian Neumeister (Hg.): Hölderlin und Leopardi . Tübingen: Isele 2011, 143-171. Cf. auch Titus Heydenreich: «‹Leopardi non avrebbe scoperto l’America›. Wagemut und Resignation im Dialogo di Cristoforo Colombo e di Pietro Gutierrez », in: Ginestra 16 (2006), 17-25. 5 Giacomo Leopardi: Operette morali . A cura di Cesare Galimberti. Napoli: Guida 4 1990, 365. 6 Giacomo Leopardi: Poesie e prose . Vol. I. Poesie . A cura di Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 1988. Nach dieser Ausgabe wird im Folgenden zitiert. Zur Interpretation von La quiete dopo la tempesta cf. Luigi Blasucci («I tre momenti della ‹Quiete›», in: id.: I tempi dei Canti. Nuovi studi leopardiani . Torino: Einaudi 1996, 123-140) und Sebastian Neumeister («La quiete dopo la tempesta», in: Armando Maglione [Hg.]: Lectura leopardiana. I quarantuno «Canti» e «I nuovi credenti». Venezia: Marsilio 2003, 451-463). <?page no="87"?> Leopardi in Kalifornien 87 Si rallegra ogni core. Sì dolce, sì gradita Quand’è, com’or, la vita? (vv.-1, 25-27) Leopardis Bilanz der Ruhe nach dem Sturm ist allerdings, wie er der «natura cortese» vorwirft, keineswegs das reine ungetrübte Glück: […] O natura cortese, Son questi i doni tuoi, Questi i diletti sono Che tu porgi ai mortali. Uscir di pena È diletto fra noi. Pene tu spargi a larga mano; il duolo Spontaneo sorge. E di piacer, quel tanto Che per mostro e miracolo talvolta Nasce d’affanno, è gran guadagno. […] (vv. 42-50) Schlimmer noch, dieses kurzfristige Glück trägt die Signatur des Todes: […] Umana Prole cara agli eterni! assai felice Se respirar ti lice D’alcun dolor: beata Se te d’ogni dolor morte risana. (vv.-50-54) Der Zustand der beatitudine verliert bei näherem Zusehen seinen Glanz und erweist sich als flüchtig: «ci parrà per più giorni essere beati» heißt es im Dialogo di Cristoforo Colombo e di Pietro Gutierrez, für einige Tage! Nicht das dem Menschengeschlecht manchmal wie durch ein Wunder gewährte diletto - Leopardi nennt es im Gedicht «mostro e miracolo» - ist von Dauer, sondern allein der Tod: […] beata Se te d’ogni dolor morte risana. [v.-53sq.] Die Freude, die Seefahrer und sogar Selbstmordkandidaten aus der Grenzerfahrung des drohenden Todes gewinnen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede Evasion eine Illusion ist und unausweichlich in die Erkenntnis der existenziellen Begrenztheit der conditio humana mündet. Was Leopardi hier als Zeiterfahrung, als Lebenszeiterfahrung zur Sprache bringt, gilt ebenso auch für die Raumerfahrung. Schon der junge Leopardi stellt 1820 in der Kanzone Ad Angelo Mai den beiden großen Dichtern des Leidens, Dante und Petrarca, mit einem scheinbar triumphalen «Ma» Kolumbus entgegen, der <?page no="88"?> 88 Sebastian Neumeister wie der Ulisse im 26. Gesang des Inferno die Säulen des Herkules passierte. Denn Leopardis Ulisse Kolumbus scheiterte nicht, sondern erreicht wirklich sein Ziel: Ma tua vita era allor con gli astri e il mare, Ligure ardita prole, Quand’oltre alle colonne, ed oltre ai liti Cui strider l’onde all’attuffar del sole Parve udir su la sera, agl’infiniti Flutti commesso, ritrovasti il raggio Del Sol caduto, e il giorno Che nasce allor ch’ai nostri è giunto al fondo; E rotto di natura ogni contrasto, Ignota immensa terra al tuo viaggio Fu gloria, e del ritorno Ai rischi. […] (vv. 76-87) Doch der Lohn des kühnen Unternehmens ist trügerisch, wieder eingeleitet durch ein diesmal ernüchterndes «ma»: […] Ahi ahi, ma conosciuto il mondo Non cresce, anzi si scema, e assai più vasto L’etra sonante e l’alma terra e il mare Al fanciullin, che non al saggio, appare. (vv.-87-90) Die Frage, wie die Neue Welt aussehen könnte, die Cristoforo Colombo und sein Reisegefährte in Leopardis Dialog vor ihrer Ankunft in Amerika erörtern, ist nicht mehr attraktiv, sie kann in einer durch die Entdeckungsfahrten zusammengeschrumpften Welt nur noch von unerfahrenen Jugendlichen gestellt werden. Es gilt Abschied zu nehmen nicht nur von den Errori popolari degli antichi , den phantastischen Wesen, die der siebzehnjährige Leopardi entdeckt hat 7 , sondern vom immaginare , von den exotischen Träumen einer illusionären Phantasie überhaupt: Ecco svaniro a un punto E figurato è il mondo in breve carta, Ecco tutto è simile, e discoprendo Solo il nulla s’accresce. A noi ti vieta Il vero appena è giunto, O caro immaginar, da te s’apparta Nostra mente in eterno; allo stupendo Poter tuo primo ne sottraggon gli anni; E il conforto perì de’ nostri affanni. (vv.-97-105) 7 Giacomo Leopardi: Poesie e prose. Vol. II. Prose. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1988, 830-853 (Kap. XV u. XVI). <?page no="89"?> Leopardi in Kalifornien 89 II. Wie aber sieht Amerika, dessen Kolonisierung noch 1790, im Jahr der ersten amerikanischen Volkszählung, praktisch nur bis zum Ohio-Fluss reicht, in Wirklichkeit aus, und insbesondere Kalifornien, das zu Lebzeiten Leopardis noch fast unerreichbar im Westen des Kontinents auf exakte Beschreibungen wartete? 8 Es gab sie, wie gesagt, durchaus, und Leopardi dürfte einige davon gekannt haben. Die ethnologischen und historischen Details dieser noch spanisch-mexikanisch geprägten Berichte wirkten jedoch wenig inspirierend, ganz im Sinne von Leopardis Theorie, dass die Welt durch ihre Entdeckung enger wird und verarmt. Berichte, die der Phantasie einen größeren Raum boten, offene Räume statt Eingrenzung, gab es schon, wenn auch wenige. Die wohl erste ausführliche Erwähnung Kaliforniens in der abendländischen Literatur findet sich in einem spanischen Ritterroman vom Ende des 15. Jahrhunderts, Las sergas del muy esforzado caballero Esplandian von Garci Rodríguez de Montalvo. Held dieses Ritterromans ist Esplandian, der Sohn des berühmten Amadís de Gaula, dessen Abenteuer u. a. Don Quijote, dem Ritter von der traurigen Gestalt, den Geist verwirrt haben. Im sechsten Kapitel des ersten Teils des Romans von Cervantes endet deshalb zwar nicht der Vater, wohl aber der Sohn im Feuer einer Bücherverbrennung. In diesem Esplandian , dem Fortsetzungsroman zum Amadís de Gaula , tritt Kalifornien 1510 zum ersten Mal in einem längeren literarischen Text aus dem Dunkel der eurozentrischen Weltsicht hervor. Garci Rodríguez de Montalvo situiert Kalifornien als eine Insel in der Nähe des irdischen Paradieses, ‹rechts von Indien›, was der Region zu Recht einen Eintrag in einem Lexikon der Phantominseln gesichert hat 9 : Sabed que á la diestra mano de las Indias hubo una isla, llamada California, muy llegada á la parte del Paraíso Terrenal, la cual fué poblada de mujeres negras, sin que algun varon entre ellas hubiese, que casi como las amazonas era su estilo de vivir. 10 Der katalanische Mediävist Martín de Riquer hat dargestellt, wie der Name California , der hier auftaucht, aus dem altfranzösischen Califerne entstanden sein könnte, das schon vor 1100 im altfranzösischen Rolandslied vorkommt. 11 8 Cf. zum Themenkomplex Amerika bei Leopardi ausführlich Marco Balzano: I confini del sole. Leopardi e il Nuovo Mondo . Venezia: Marsilio 2008, hier bes. Kap. 5 («I Californiani») 9 Cf. Dirk Liesemer: Lexikon der Phantominseln . Hamburg: Mareverlag 2016. 10 Garcí Rodríguez de Montalvo: Las Sergas del muy esforzado caballero Esplandian, hijo del excelente rey Amadís de Gaula , in: Libros de caballerías . Hg. von Pascual de Gayangos. Madrid: Rivadeneyra 1874 (BAE, Bd. 40), 403-561, hier 539 (cap. CLVI). 11 Martín de Riquer: «California», in: Adolfo Sotelo Vázquez- / Marta Cristina Carbonell (Hg.): Homenaje al profesor Antonio Vilanova . Bd. I. Barcelona: Univ. de Barcelona 1989, 581-599. <?page no="90"?> 90 Sebastian Neumeister California hat seither über mehrere Zwischenstufen die Phantasie der Europäer bewegt, so sehr, dass die ersten von ihnen, die seit 1533 das reale Kalifornien betraten, dies mit Erwartungen taten, die sie direkt oder indirekt aus den chansons de geste des Mittelalters bezogen. Sie glaubten wohl nicht mehr, dass sich California irgendwo auf einer Insel in der Nähe des irdischen Paradieses befand, doch sie erwarteten immer noch einen Amazonenstaat, der bei Garci Rodríguez de Montalvo unter einer Königin Calafia, vom modernen Feminismus noch unentdeckt, den Namen Femenía oder Feminia trägt. Leopardi wird diesen Ritterroman nicht gekannt haben, weder Esplandian noch Amadis de Gaula tauchen in seinen Schriften auf. Und doch ähnelt das, was er selbst über die Bewohner Kaliforniens zu seiner Zeit zu wissen glaubt, in einigen Zügen durchaus der phantastischen Welt des spanischen Ritterromans. In den Skizzen zum Lobgesang auf die Patriarchen des Alten Testaments , dem Inno ai patriarchi o de’ principii del genere umano von 1822, kommen zwar keine Amazonen vor, dafür aber neben der Bibel Elemente des Mythos vom goldenen Zeitalter - Leopardi nennt dafür im Entwurf der Kanzone ebenfalls literarische Quellen, nämlich die Klassiker der Gattung, Vergils vierte Ekloge, Sannazaros Arcadia , Tassos Aminta und Guarinis Pastor fido . Und er betont ausdrücklich, dass es einst ein goldenes Zeitalter gegeben habe: Fu certo fu, e non è sogno, né favola, né invenzione di poeti, né menzogna di storie o di tradizioni, un’età d’oro pel genere umano. Corse agli uomini un aureo secolo, come aurea corre e correrà sempre l’età di tutti gli altri viventi, e di tutto il resto della natura. 12 Und dann wagt er den imaginären Sprung in eine paradiesische Gegenwart: Tale anche oggidì nelle Californie selve, e nelle rupi, e fra’ torrenti ec. vive una gente ignara del nome di civiltà, e restia (come osservano i viaggiatori) sopra qualunque altra a quella misera corruzione che noi chiamiamo coltura. Gente felice a cui le radici e l’erbe e gli animali raggiunti nel corso, e domi non da altro che dal proprio braccio, son cibo, e l’acqua de’ torrenti bevanda, e tetto gli alberi e le spelonche contro le piogge e gli uragani e le tempeste. Dall’alto delle loro montagne contemplano liberamente senza né desiderii né timori la volta e l’ampiezza de’ cieli, e l’aperta campagna non ingombra di città né di torri ec. Odono senza impedimento il vasto suono de’ fiumi, e l’eco delle valli, e il canto degli uccelli, liberi e scarichi e padroni della terra e dell’aria al par di loro. I loro corpi sono robustissimi. Ignarono i morbi, funesta dote della civiltà. Veggono la morte (o piuttosto le morti), ma non la preveggono. La tempesta li turba per un momento: la fuggono negli antri: la calma che ritorna, li racconsola e rallegra. La gioventù è robusta e lieta; la vecchiezza riposata e non dolorosa. L’occhio loro è 12 Leopardi: Poesie , 678. <?page no="91"?> Leopardi in Kalifornien 91 allegro e vivace (lo notano espressamente i viaggiatori): non alberga fra loro né tristezza né noia. L’uniformità della vita loro non gli attedia: tante risorse ha la natura in se stessa, s’ella fosse ubbidita e seguita. 13 Leopardis Beschreibung der Einwohner Kaliforniens entspricht, sieht man von der körperlichen Gesundheit der Kalifornier ab, nicht unbedingt dem, was der mexikanische Jesuitenmissionar Francisco Javier Clavijero in seiner Historia de la Antigua o Baja California , die Leopardi in der italienischen Übersetzung von 1789 vorlag 14 , aus eigener Anschauung mitteilt. Insbesondere der Blick von den Bergen in die Weiten der Ebene und die schwärmerische Naturbeschreibung verraten vielmehr den romantisch bewegten Rousseau-Leser Leopardi, vergleichbar Chateaubriand, wenn dieser in Atala (1801) vom Ufer des Mississippi aus die westlichen Savannen Nordamerikas mit ihren Büffelherden beschreibt: Sur le bord occidental, des savanes se déroulent à perte de vue; leurs flots de verdure, en s’éloignant, semblent monter dans l’azur du ciel où ils s’évanouissent. On voit dans ces prairies sans bornes errer à l’aventure des troupeaux de trois ou quatre mille buffles sauvages. 15 Auch die Eingeborenen Leopardis haben nichts mit den kriegerischen Amazonen von Rodrìguez de Montalvo («de valientes cuerpos e esforzados y ardientes corazones y de grandes fuerzas») gemein 16 , sondern erinnern ebenfalls an Rousseau. Oder an die Nachrichten von der Amerikanischen Halbinsel Californien eines deutschsprachigen Jesuiten, gedruckt 1773, die Leopardi schon aus sprachlichen Gründen nicht kennen konnte: Und dennoch sind diese Armseligen gesund; sie werden alt und stark, so daß es ein Wunder ist, wenn einer unter ihnen, und dieses gar spät, grau wird. Sie sind allezeit wohlgemutet; ein ewiges Lachen und Scherzen regiert unter ihnen; sie sind wohlgestalt, flink und gelenkig; sie können mit den zwei vordern Zehen Steine und andere Dinge vom Boden aufheben, gehen bis ins höchste Alter kerzengerade; ihre Kinder stehen und gehen, ehe sie ein Jahr alt sind. Des Schwätzens müde, legen sie sich nieder und schlafen, bis sie der Hunger oder die Lust zum Essen aufweckt; sobald sie erwacht sind, geht das Lachen, Schwätzen und Scherzen wiederum an; sie setzen es fort auf ihren Wegen, bis endlich der abgelebte Kalifornier seinen Tod mit gleichgültiger Ruhe erwartet. 13 Leopardi: Poesie , 678sq. 14 Cf. Balzano : I confini del Sole , 83sq. 15 François-René Chateaubriand: Atala [«Prologue»], in: id.: Œuvres romanesques et voyages . Bd. I. Hg. von Maurice Regard. Paris: Gallimard 1969 (Bibliothèque de la Pléiade, 209), 34. 16 Man ist versucht, hier an Wonder Woman (2017) von Patty Jenkins zu denken, den filmischen Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte, die William Moulton Marston 1941 mit einem Comic um die kriegerische Diana auslöste. <?page no="92"?> 92 Sebastian Neumeister Diese Passage verdient nicht nur wegen der Gemeinsamkeiten mit dem Phantasiegemälde Leopardis Beachtung, sondern auch weil kein Geringerer als Johann Gottfried Herder sie in seine einflussreichen, zwischen 1784 und 1791 veröffentlichten Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit aufgenommen hat, im Kapitel «Das eine Menschengeschlecht hat sich allenthalben auf der Erde klimatisieret». 17 In beiden Fällen, bei Leopardi wie bei Herder, handelt es sich nicht primär um eine Zivilisationskritik im Stile Rousseaus, der dafür in seinem Discours sur les sciences et les arts die Argumente geliefert hat, sondern um die Beschwörung eines harmonischen, über alle Unterschiede hinweg möglichen Naturzustandes der Menschheit, «eine Sehnsucht», wie Immanuel Kant 1786 in einer Besprechung von Herders opus magnum formuliert, «die die Robinsone und die Reisen nach den Südseeinseln so reizend macht, überhaupt aber den Überdruß beweiset, den der denkende Mensch im zivilisierten Leben fühlt.» 18 Dennoch, «die leere Sehnsucht», von der Kant an derselben Stelle spricht, das leere Schattenbild des von Dichtern so gepriesenen goldenen Zeitalters: wo eine Entledigung von dem eingebildeten Bedürfnisse, das uns die Üppigkeit aufladet, sein soll, eine Genügsamkeit mit dem bloßen Bedarf der Natur, eine durchgängige Gleichheit der Menschen, ein immerwährender Friede unter ihnen, mit einem Worte der reine Genuß eines sorgenfreien, in Faulheit verträumten oder mit kindischem Spiel vertändeltem Lebens, ist für Leopardi nicht leer. Er weiß selbstverständlich, dass die Bilder eines Goldenen Zeitalters in der Literatur seit Vergil - die idyllische Natur, die Milch und Honig spendenden Quellen, der Wolf und das Schaf im selben Stall - nicht einer vergangenen Realität entsprechen. Doch im Inno ai patriarchi o de’ principii del genere umano hält er an der einstigen Existenz eines Goldenen Zeitalters fest: Fu certo, fu […] amica un tempo Al sangue nostro e dilettosa e cara Questa misera piaggia, ed aurea corse Nostra caduca età. (vv.-87-93) Mehr noch: Er wagt den Sprung in eine imaginäre Gegenwart: 17 Johann Jakob Baergert: Nachrichten von der Amerikanischen Halbinsel Californien . Mannheim 1773, zitiert von Johann Gottfried Herder in seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit , Kap. VII, 2 (Neudruck der historisch-kritischen Suphan-Ausgabe, leicht modernisiert; Darmstadt: Melzer 1966, 180-184, hier 181). 18 «Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte», in: Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Schriften zur Ästhetik und Naturphilosophie . Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 2009, 359-376, 375. <?page no="93"?> Leopardi in Kalifornien 93 Tal fra le vaste californie selve Nasce beata prole, a cui non sugge Pallida cura il petto, a cui le membra Fera tabe non doma; e vitto il bosco, Nidi l’intima rupe, onde ministra L’irrigua valle, inopinato il giorno Dell’atra morte incombe. (vv.-104-110) Dass dies kein «leeres Schattenbild» von Dichtern ist, sondern eine allerdings vom Untergang bedrohte Realität, zeigen die unmittelbar folgenden Verse, die den Inno ai patriarchi beschließen. Hier nämlich verurteilt Leopardi wie eine Generation vor ihm schon Herder in seinen Ideen und in seinen Briefen zur Beförderung der Humanität (1793-97) scharf die europäischen Eindringlinge, die diesem irdischen Paradies den Ruin bringen: […] Oh contra il nostro Scellerato ardimento inermi regni Della saggia natura! I lidi e gli antri E le quiete selve apre l’invitto Nostro furor; le violate genti Al peregrino affanno, agl’ignorati Desiri educa; e la fugace, ignuda Felicità per l’imo sole incalza. (vv.-110-117) Die Tatsache, dass es gerade diese Verse sind, mit denen Leopardi die Hymne auf die Väter des Alten Testaments beschließt, die mit der Genesis begann, verleiht seiner Anklage besonderes Gewicht. Wie sehr sich Leopardi über die nicht aufzuhaltende zerstörerische Gewalt der europäischen Zivilisation empört, zeigt seine Sammlung von alternativen Epitheta für «l’invitto nostro furor» am Rande des Manuskripts: «il cieco, diro, l’ingordo, indegno, immite, acerbo, il superbo, scelerato, l’errante, stolto, l’infesto, l’infausto, l’infando, il nefando, l’immite, immane [furor]». 19 Und im Entwurf des Inno ai patriarchi fragt er: Perché abbiamo perduta per nostra colpa la felicità destinata a noi né più né meno dalla natura, saremo noi così barbari che la vorremo torre anche a quelli che la conservano, e farli partecipi delle nostre conosciute e troppo sperimentate miserie? 20 19 Giacomo Leopardi: Canti . Hg. von Francesco Moroncini. Bologna: Cappelli 1927 (Reprint 1978), 328. 20 Leopardi: Poesie , 679. Eine Generation später wird ein anderer Dichter, der 1819 geborene Walt Whitman, Verfasser der Leaves of grass (1855), die Mächte, die die «sunny and ample lands» Kaliforniens bedrohen, in seinem Song of the redwood tree wesentlich nüchterner und in der Tendenz letztlich positiv benennen: <?page no="94"?> 94 Sebastian Neumeister III. Europäische Zivilisation gegen amerikanisches Idealbild, das scheint überzeugend und geeignet, die durchgehend positive, ja enthusiastische Zeichnung Kaliforniens vom Inno ai patriarchi bis zum letzten Eintrag im Zibaldone zu erklären. Leopardi nutzt den Mangel an Informationen über Kalifornien, die ihm zur Verfügung standen, als Chance für ein umso schöneres Sittengemälde. So wenigstens urteilt Marco Balzano: Sembra paradossale, ma Leopardi, oltre alle poche ma sostanziali convergenze che offre la descrizione di Clavijero, avrà certamente sfruttato questa mancanza di informazioni e di dati certi. L’ignoto è del resto base necessaria per immaginare la felicità, specie per chi si forma una visione del piacere come la sua, tanto positiva quanto più capace di escludere il vero. Dove la storia crea un vuoto, la fantasia del poeta, più che l’acribia e lo sprito analitico, plasma il suo paradigma felice, allegro, vivo. Il probabile uso di questo testo nella delineazione dei Californiani rispecchia la modalità di alterazione che Leopardi compie su eventuali letture sull’argomento: differenza notevole, perché mai nulla di simile accade con gli altri testi sull’America. 21 Man könnte also, das macht den Fall für die Geschichte der literarischen Romantik interessant, Leopardis Realitätsverweigerung nicht als Instrumentalisierung des kalifornischen Arkadien für eine wohlfeile Zivilisationskritik verstehen, sondern als eine Chance für die poetische Phantasie. «Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie» - mit diesem Satz beginnt bekanntlich das berühmte 116. Athenäums-Fragment von Friedrich Schlegel. Und im Fragment 249 heißt es: «Der dichtende Philosoph, der philosophierende Dichter ist ein Prophet. Das didaktische Gedicht sollte prophetisch sein, und hat auch Anlage, es zu werden.» 22 Antonio Prete, der auf den Spuren Friedrich Schlegels und Mar- Lands bathed in sweeter, rarer, healthier air, valleys and mountain cliffs, The fields of Nature long prepared and fallow, the silent, cyclic chemistry, The slow and steady ages plodding, the unoccupied surface ripening, the rich ores forming beneath; At last the New arriving, assuming, taking possession, A swarming and busy race settling and organizing everywhere, Ships coming in from the whole round world, and going out to the whole world, To India and China and Australia and the thousand island paradises of the Pacific, Populous cities, the latest inventions, the steamers on the rivers, the railroads, with many a thrifty farm, with machinery, And wool and wheat and the grape, and diggings of yellow gold. 21 Balzano: I confini del sole , 88. 22 Friedrich Schlegel: «Fragmente», in: id.: Charakteristiken und Kritiken . Bd. I. 1796-1807 . Hg. von Hans Eichner. München-/ Paderborn-/ Wien: Schöningh-/ Thomas 1967, 182 und <?page no="95"?> Leopardi in Kalifornien 95 tin Heideggers der Einheit von dichtendem Philosoph und philosophierendem Dichter, von pensiero poetante und poesia pensante nachgeht und ihr ein ganzes Kapitel seines Leopardi-Buches widmet, weist darauf hin, dass Leopardi schon bei dem griechischen Philosophen Theophrast Argumente dafür gefunden hat, den Kampf der Illusion gegen die Vernunft gerade im Jahrhundert der Aufklärung nicht von vornherein für verloren zu geben: È forse possibile conservare la distanza tra natura e ragione, tra passione e rigore, tra poesia e analisi, tra immaginazione e teoria? Il cammino dello Zibaldone , il cammino di Leopardi, è il tentativo di un abbattimento ostinato e quotidiano di questa distanza. […] Il sapere, per esperienza, della infelicità non fa disseccare il desiderio della felicità. L’approdo nichilista della filosofia non distrugge la passione per la vita, anzi da essa prende l’avvio, su di essa radica la conoscenza. 23 Antonio Prete führt dafür einen frühen Eintrag von 1820 im Zibaldone an, in dem Leopardi Theophrast zum Geistesverwandten Rousseaus und der Romantik macht, der schwärmerischen Amerikabilder Chateaubriands, den er kannte, ebenso wie der spekulativen Aphorismen eines Friedrich Schlegel oder Novalis, die er nicht kannte: Teofrasto conoscendo le illusioni, non però le fuggiva o le proscriveva come i nostri pazzi filosofi, ma le cercava e le amava, anzi si faceva biasimare dagli altri antichi filosofi, appunto perchè onorava le illusioni molto più di loro. […] Così se vede che appunto chi conosce e sente più profondamente e dolorosamente la vanità delle illusioni, le onora e desidera e predica più di tutti gli altri, come Rousseau, la Staël ec. ( Zib . 317sq.) 24 Leopardi zeigt sich im übrigen schon in den frühesten Einträgen des Zibaldone als ein engagierter und provokanter Parteigänger der Illusion: Pare un assurdo, e pure è esattamente vero che tutto il reale essendo un nulla, non v’è altro di reale nè altro di sostanza al mondo che le illusioni. ( Zib . 99) Und zwanzig Monate später schließt Leopardi mit messerscharfer Logik: Le illusioni non possono esser condannate, spregiate, perseguitate se non dagl’illusi, e da coloro che credono che questo mondo sia o possa essere veramente qualcosa, e qualcosa di bello. Illusione capitalissima: e quindi il mezzo filosofo combatte le illusioni perchè appunto è illuso, il vero filosofo le ama e predica, perchè non è illuso: e 207. 23 Antonio Prete: Il pensiero poetante. Saggi su Leopardi . Edizione ampliata. Milano: Feltrinelli 2006, 101. 24 Leopardis Zibaldone wird im Folgenden mit Angabe der handschriftlichen Zählung des Dichters nach der Ausgabe von Giuseppe Pacella zitiert ( Zibaldone di pensieri . Edizione critica e annotata a cura di Giuseppe Pacella. 3 vol. Milano: Garzanti 1991). <?page no="96"?> 96 Sebastian Neumeister il combattere le illusioni in genere è il più certo segno d’imperfettissimo e insufficientissimo sapere, e di notabile illusione. ( Zib . 1715) Doch wir wollen uns hier nicht in philosophische Erörterungen verlieren und auch nicht eine Lektüre der Storia del genere umano beginnen, in der Leopardi bekanntlich den Gegensatz von belebenden Illusionen und lähmender Wahrheit narrativ ausbuchstabiert. Wichtiger erscheint es im vorliegenden Zusammenhang, das Verhältnis der Imagination zu den Illusionen zu betrachten. Leopardi argumentiert nicht utopisch, sondern anthropologisch, wenn er die Illusionen lobt, weil sie den Menschen glücklich machen: Considerando la tendenza innata dell’uomo al piacere, è naturale che la facoltà immaginativa faccia una delle sue principali occupazioni della immaginazione del piacere. […] Il piacere infinito che non si può trovare nella realtà, si trova così nella immaginazione, dalla quale derivano la speranza, le illusioni ec. ( Zib . 167) Was sind das für Illusionen, die mit der immaginazione , der Einbildungskraft gebildet werden? Ganz am Ende des Zibaldone , in einem der letzten Einträge von Mai 1829, erinnert sich Leopardi an den Anfang eines Rousseau-Zitats, das sein Bruder Carlo in einem Brief aus ihrer beider römischen Zeit, also 1822, verwendet hatte und das Giacomo offenbar spät noch der Aufnahme in sein Gedankenbuch für wert hielt: Le pays des chimères est en ce monde le seul digne d’être habité, et tel est le néant des choses humaines, que hors l’être existant par lui-même, il n’y a rien de beau que ce qui n’est pas. ( Zib . 4500) 25 Das Kalifornien Leopardis ist ein solches «pays des chimères», es ist ein Ort für Projektionen oder, um einen aktuellen Begriff zu verfremden, Kalifornien ist präfaktisch. Schon im Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica hält Leopardi 1819 ein flammendes Plädoyer für die Phantasie, gegen die Vernunft, die Wissenschaft, den Intellekt, gegen die Wahrheit. Er erweist sich damit als Romantiker pur, nicht als ein Kind der Aufklärung, auch wenn er selbst meint, seine Polemik gegen Ludovico di Breme sei antiromantisch. Kalifornien ist in allen Facetten der Schilderung Leopardis das Vehikel einer Vernunftkritik, nicht ein realer Ort. Man könnte hier auch an die Fragmentensammlung Glauben und Liebe von Novalis denken, die den Untertitel «Der König und die Königin» 25 Zur Präsenz Rousseaus im Denken Leopardis cf. Susanne Koopmann: Studien zur verborgenen Präsenz Rousseaus im Werk Leopardis . Tübingen: Stauffenburg 1998 (it. Cosenza 2003) und den auch bibliographisch sehr hilfreichen Beitrag von María de las Nieves Muñiz Muñiz in dem von Fabiana Cacciapuoti herausgegebenen Ausstellungskatalog Giacomo dei Libri. La Biblioteca Leopardi come spazio delle idee . Milano: Electa 2012, 127-149. <?page no="97"?> Leopardi in Kalifornien 97 trägt. Denn was auf den ersten historischen Blick wie ein Appell an das gerade inthronisierte preußische Königspaar, Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, aussieht, ist in Wahrheit ebenfalls eine poetische Imagination. «Wer hier mit seinen historischen Erfahrungen angezogen kömmt», warnt Novalis im 15. Fragment von Glauben und Liebe , «weiß gar nicht, wovon ich rede, und auf welchem Standpunct ich rede; dem rede ich arabisch». 26 Und in seinen Materialien zur Enzyklopädistik findet sich ein Fragment, in dem Novalis wie Friedrich Schlegel im 116. Athenäumsfragment die Grenzen dessen, was Leopardi als ein Arkadien in Amerika imaginiert, noch progressiv, ja chiliastisch überschreitet: Der ganze Staat läuft auf Repraesentation hinaus. Die ganze Repraesentation beruht auf einem gegenwärtig Machen des nicht Gegenwärtigen […] - (Wunderkraft der Fiction ). Mein Glauben und Liebe beruht auf repraesentative[m] Glauben. So die Annahme --der ewige Frieden ist schon da - Gott ist unter uns - hier ist Amerika oder nirgends - das goldne Zeitalter ist hier […]. 27 IV. Leopardi ist nicht Novalis, er schlägt als ausgewiesener Kenner der klassischen Literatur mit weitaus größerer Bodenhaftung den Bogen zurück zur Antike. Was er am 21. Mai 1823 in sein Gedankenbuch einträgt, kann dafür allerdings durchaus als eine radikale Kritik an der Aufklärung verstanden werden, bei aller Anerkennung des wissenschaftlichen Fortschritts: I filosofi antichi seguivano la speculazione, l’immaginazione e il raziocinio. I moderni l’osservazione e l’esperienza. (E questa è la gran diversità fra la filosofia antica e la moderna). Ora quanto più osservano tanto più errori scuoprono negli uomini, più o meno antichi, più o meno universali, propri del popolo, de’ filosofi, o di ambedue. Così lo spirito umano fa progressi: e tutte le scoperte fondate sulla nuda osservazione delle cose, non fanno quasi altro che convincerci de’ nostri errori, e delle false opinioni da noi prese e formate e create col nostro proprio raziocinio o naturale o coltivato e (come si dice) istruito. ( Zib . 2711sq.) Antike Spekulation, Imagination und Vernunft stehen hier gegen Beobachtung und Erfahrung in der Moderne. Der unbezweifelbare Fortschritt des menschlichen Geistes verdankt sich ganz im Sinne Karl Poppers der Fehlersuche und der «nuda osservazione». Doch das Fazit dieser Entwicklung ist negativ: «Più oltre di questo non si va.» Die Schlussfolgerung ist, wie gesagt, radikal: 26 Novalis (Friedrich von Hardenberg): «Glauben und Liebe», in: id.: Schriften . Hg. von Richard Samuel. Bd. II. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965, 485-498. 27 Novalis: Schriften , 421. <?page no="98"?> 98 Sebastian Neumeister Dunque se l’uomo non avesse errato, sarebbe già sapientissimo, e giunto a quella meta cui la filosofia moderna cammina con tanto sudore e difficoltà. Ma chi non ragiona, non erra. Dunque chi non ragiona, o per dirlo alla francese, non pensa, è sapientissimo. Dunque sapientissimi furono gli uomini prima della nascita della sapienza, e del raziocinio sulle cose: e sapientissimo è il fanciullo e il selvaggio della California, che non conosce il pensare. (Zib. 2712) Leopardi hat dabei wohl einen Satz Rousseaus im Sinn, der in dessen Discours sur l’origine et les fondaments de l’inégalité parmi les hommes steht: «L’homme qui médite est un animal dépravé». Leopardi kennt diesen Satz aus der italienischen Übersetzung des Traktats von 1797 und zitiert ihn (ungenau) vor 1820 und dann noch einmal 1823 in seinem Zibaldone ( Zib . 56 und 3935). Erstaunlich ist jedoch hier vor allem der unvermittelt auftauchende Eingeborene Kaliforniens, der Überlegung nicht kennt, «che non conosce il pensare », weise wie das Kind. Wenn Kalifornien für Leopardi mehr sein soll als ein Relikt des goldenen Zeitalters, wenn es so etwas wie eine rückwärtsgewandte Utopie sein sollte, würde das nichts anderes heißen, als dass wir wieder zu Kinder werden müssen, um glücklich zu werden - wer möchte das nicht, wenn er Kinder beim Spielen sieht! Leopardis Blick auf die Kinder hat eine ästhetische Seite, aber auch eine philosophische. Zahllos sind die Betrachtungen Leopardis an Kindern und über Kinder, deren Verhalten ihn an den verlorenen, durch die Zivilisation korrumpierten Naturzustand erinnert. Ein zentrales Element dieses Naturzustandes ist ein ästhetisches, die grazia , die Anmut der Kinder und der Wilden vor jeder Reflexion. Leopardi registriert dies in der Gesellschaft an vier Personen, zwei davon quasi noch im Naturzustand und zwei andere am Übergang zum Erwachsensein: Non è mai sgraziato un fanciullino che si vergogna, parlando arrossisce, e non sa stare nè operare nè discorrere in presenza altrui. Bensì un giovane poco pratico del buon tratto, e desideroso di esserlo, o di comparirlo. Non è mai sgraziata una pastorella che non sa levar gli occhi, trovandosi fra persone nuove, nè ha la maniera di contenersi, di portarsi ec. Bensì una donna, egualmente o anche meno timida, e più istruita, ma che volendo figurare, o essere come le altre in una conversazione, non sappia esserlo o non abbia ancora imparato. ( Zib . 1329sq.) Es leuchtet unmittelbar ein, was aus diesem Entwicklungsstadium folgt: Così lo sgraziato non deriva mai dalla natura (anzi le dette qualità naturali, sono graziose sempre ec. ec.), ma bensì frequentemente dall’arte, e questa non è mai fonte di grazia nè di convenienza, se non quando ha ricondotto l’uomo alla natura, o all’imitazione di essa, cioè alla disinvoltura, all’inaffettato, alla naturalezza ec. ( Zib . 1330) <?page no="99"?> Leopardi in Kalifornien 99 Diese Rückkehr zur Natürlichkeit (man könnte auch an Castigliones sprezzatura denken) ist jedoch alles andere als leicht, ja meist misslingt sie. Auch hier bietet die deutsche Literatur der Romantik ein eindrucksvolles und exakt passendes Beispiel, ein Jahrzehnt, bevor Leopardi seine Überlegungen anstellt: Es ist Heinrich von Kleists Parabel Über das Marionettentheater (1810). 28 Bei Kleist stehen einander nicht ein Kind und eine Hirtin auf der Seite der Natur und zwei Erwachsene in statu nascendi auf der Seite der Zivilisation gegenüber, sondern ein Fechter und ein Bär sowie, noch extremer, ein junger Mann sich selbst. Der Bär lässt sich durch die Aktionen des Fechters, wie dieser berichtet, in keiner Weise aus der Ruhe bringen: Nicht bloß, daß der Bär, wie der erste Fechter der Welt, alle meine Stöße parierte. Auf Finten (was ihm kein Fechter der Welt nachmacht) ging er gar nicht einmal ein: Aug in Auge, als ob er meine Seele darin lesen könnte, stand er, die Tatze schlagfertig erhoben, und wenn meine Stöße nicht ernsthaft gemeint waren, so rührte er sich nicht. Der Bär ist noch ganz Natur, ohne jede Affektation und deshalb in seinen Reaktionen ganz bei sich selbst, ganz sicher. Auch von dem jungen Mann im zweiten Beispiel heißt es, dass über dessen Bildung damals eine wunderbare Anmut verbreitet war. Er mochte ohngefähr in seinem sechszehnten Jahre stehn, und nur ganz von ferne ließen sich, von der Gunst der Frauen herbeigerufen, die ersten Spuren von Eitelkeit erblicken. Der junge Mann befindet sich also genau an der Schwelle von der Kindheit zum Erwachsenen, von der auch Leopardi spricht. Der Erzähler berichtet nun von einem Vorfall bei einem gemeinsamen Bad: Es traf sich [so der Erzähler], daß wir grade kurz zuvor in Paris - Kleist erinnert sich hier an seinen eigenen Parisaufenthalt 1801 - den Jüngling gesehen hatten, der sich einen Splitter aus dem Fuße zieht; der Abguß der Statue ist bekannt und befindet sich in den meisten deutschen Sammlungen. Ein Blick, den er in dem Augenblick, da er den Fuß auf den Schemel setzte, um ihn abzutrocknen, in einen großen Spiegel warf, erinnerte ihn daran; er lächelte und sagte mir, welch eine Entdeckung er gemacht habe. Der Blick in den Spiegel, der Moment des Sich-seiner-selbst-Bewusstwerdens ist es nun aber, der, wie der Erzähler feststellen muss, der Szene ihre Unschuld nimmt: 28 In: Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe . Bd. 2. München: Hanser 1965, 338- 346. Nach dieser Ausgabe wird im Folgenden zitiert. <?page no="100"?> 100 Sebastian Neumeister In der Tat hatte ich, in eben diesem Augenblick, dieselbe [Entdeckung] gemacht; doch sei es, um die Sicherheit der Grazie, die ihm beiwohnte zu prüfen, sei es, um seiner Eitelkeit ein wenig heilsam zu begegnen: ich lachte und erwiderte - er sähe wohl Geister! Der Erzähler testet also aus, ob der Jüngling die auch von Leopardi gezogene Grenze zwischen einem kindlichen Naturzustand und erwachsener Bewusstwerdung, zwischen «den Bildern unbegriffener Wahrheit», wie Friedrich Schlegel einmal die zwischen Poesie und Philosophie oszillierende Sprache von Novalis charakterisiert ( Ideen 156) 29 , und Selbstreflexion schon überschritten hat. Der Versuch, die unwillkürlich eingenommene Haltung zu wiederholen, misslingt dem Jüngling in der Tat: Er errötete, und hob den Fuß zum zweitenmal, um es mir zu zeigen; doch der Versuch, wie sich leicht hätte voraussehen lassen, mißglückte. Er hob verwirrt den Fuß zum dritten und vierten, er hob ihn wohl noch zehnmal: umsonst! er war außerstand, dieselbe Bewegung wieder hervorzubringen - was sag ich? die Bewegungen, die er machte, hatten ein so komisches Element, daß ich Mühe hatte, das Gelächter zurückzuhalten. Von diesem Tage, gleichsam von diesem Augenblick an, ging eine unbegreifliche Veränderung mit dem jungen Menschen vor. Er fing an, tagelang vor dem Spiegel zu stehen, und immer ein Reiz nach dem anderen verließ ihn. Eine unsichtbare und unbegreifliche Gewalt schien sich, wie ein eisernes Netz, um das freie Spiel seiner Gebärden zu legen, und als ein Jahr verflossen war, war keine Spur mehr von der Lieblichkeit in ihm zu entdecken, die die Augen der Menschen sonst, die ihn umringten, ergötzt hatte. Die Episode führt in aller Deutlichkeit vor, so der Erzähler, «welche Unordnung, in der natürlichen Grazie des Menschen, das Bewußtsein anrichtet.» Der junge Mann hatte «durch eine bloße Bemerkung […] seine Unschuld verloren, und das Paradies derselben, trotz aller ersinnlichen Bemühungen, nachher niemals wieder gefunden.» Oder, so Kleist am Ende seiner Parabel im Umkehrschluss: «Wir sehen, daß in dem Maße, als, in der organischen Welt, die Reflexion dunkler und schwächer wird, die Grazie darin strahlender und herrschender hervortritt.» Das hat nun nichts mehr zu tun mit einer gesellschaftskritischen Utopie, das ist romantische Ästhetik. Mehr noch: Was Kleist hier am Beispiel des Bären und des Jünglings vorführt, ist nichts anderes als die aus naturgegebener Weisheit geborene grazia , die Leopardi am Kind beobachtet und - «Wunderkraft der Fiction » im Dienste seiner imaginativen Anthropologie - an den Eingeborenen Kaliforniens: sapientissimo è il fanciullo e il selvaggio della California, che non conosce il pensare. 29 Schlegel: Charakteristiken , 272. <?page no="101"?> Leopardi in Kalifornien 101 Literaturverzeichnis Baergert, Johann Jakob: Nachrichten von der Amerikanischen Halbinsel Californien . Mannheim 1773, zitiert in: Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit , Kap. VII, 2. Darmstadt: Melzer 1966 (Neudruck der historisch-kritischen Suphan-Ausgabe, leicht modernisiert). Chateaubriand, François-René: Œuvres romanesques et voyages . Bd. I. Hg. von Maurice Regard. Paris: Gallimard 1969 (Bibliothèque de la Pléiade, 209). Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. 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Und vor allem, dass keine der zehn Canzonen von Liebe handeln werde: «Dieci Canzoni né pur una amorosa». 1 Was er nicht sagt: Alle handeln auf die eine oder andere Weise vom Tod, und das wird sich in den verschiedenen Ausgaben der Canti 1831, 1835 und der posthumen von 1845 nicht ändern: Der «pensiero dominante» der Canti ist der Tod, Ausnahmen sind hier allein die ausgemachten Idyllen von Il primo amore bis Alla Luna , die Leopardi in den Canti 1831 zwischen dem Ultimo Canto di Saffo und Il Sogno eingefügt hat. Bis auf diese Mini-Serie durchzieht alle anderen Stücke die Semantik des Sterbens, der Toten, der Gräber. Indiz dafür ist die konstante Lexik des Todes, und beschränkt man sich hier auf die aus dem Stamm «mor» hervorgehenden Formen wie «morte», «mortale» oder die Verbformen von «morir», dann zählt man bereits in den beiden ersten Stücken All’Italia und Sopra il monumento di Dante je sieben, und auch die letzten Stücke ( Palinodia al marchese Gino Capponi , Il tramonto della luna , La ginestra ) halten dieses Lexem-Niveau, das nur von Consalvo mit 14 übertroffen wird. Mindestens einmal aber taucht «morte» oder «mortale» in allen Stücken auf. Ein Grund für diese konstante Lexem-Präsenz ist Leopardis Vorliebe für die Benennung der Menschen mit «mortali» und ihrer Tätigkeiten, Gedanken, Sorgen als «mortale»: Von A un vincitore nel pallone bis zu La ginestra erstreckt sich diese Metonymie - oft weiter adjektivisch qualifiziert als «ciechi mortali» 1 Giacomo Leopardi: Canzoni. A cura di Marco Santagata. Milano: Mondadori 1998, 9. <?page no="104"?> 104 Marc Föcking ( Inno ai patriarchi , v. 48sq. 2 ), als «egro mortal» ( Il sogno , v. 31) oder als «misero mortal» ( La vita solitaria , v. 52). So scheint Leopardi die Canti mit einer antikisierenden Schicht zu überziehen und auf das Oppositionspaar von Sterblich/ Unsterblich zurückzuführen, mit dem etwa Homer die unterschiedlichen Seinsbereiche von sterblichen Menschen und unsterblichen Göttern fasst, wenn er beispielsweise in Odyssee I, 66, über Odysseus sagt: Sterblichen ist er an Verstand voraus, und er brachte vor allen Opfer den Göttern dar, die den weiten Himmel bewohnen. 3 «I mortali» ist in diesem Sinne die antikisch konnotierte Standardmetonymie im italienischen Neoklassizismus, etwa wenn Vincenzo Monti in seiner Ilias -Übersetzung von «mortali turbe» (XX, v. 50) 4 spricht oder Ugo Foscolo in A Vincenzo Monti (1805) Monti bittet: Se, fra’ pochi mortali a cui negli anni Che mi fuggìr fui caro, alcun ti chiede Novella d’Ugo; perché indegno fora All’amor nostro il non saperne, o Monti - Rispondi […] 5 Aber im Unterschied zur Antike wie zum die Antike adaptierenden Neoklassizismus funktioniert das Binom Sterblich/ Unsterblich bei Leopardi nicht mehr, weil sich schon in den ersten Stücken der Canti der metaphysische Pol des Göttlichen verabschiedet hat, der Mensch mit seinem Tod allein ist und jede Hoffnung auf ein den leiblichen Tod transzendierendes Jenseits, sei es antik-pagan, sei es christlich, dem denkenden Menschen abhandengekommen ist. Damit werden die «mortali» aus einer rein rhetorisch-neoklassizistischen Metonymie zu einer existentiellen Diagnose auswegsloser Sterblichkeit: Sie werden zu «schiavi di morte» ( Bruto minore , v. 33) und das Leben zur «guerra mortale» (v.-38) oder zum «stato mortal» ( Le ricordanze , v. 86). Der Tod gehört für Leopardi - mit einer transitorischen Ausnahme in Consalvo , Il pensiero dominante und Amore e morte - zum Gepäck, das die «matrigna natura» jedem Menschen vermacht und sich als Abstieg vom «morbo» über die «vecchiezza» zur «ombra della gelida morte» ( Ultimo canto di Saffo , v. 67) gestaltet: Die Natur zerstört vom Moment der Geburt an das, was sie geschaffen hat, wie Leopardi in der 2 Alle Seitenangaben zu Leopardis Canti im Fließtext beziehen sich auf die Quellenangabe: Giacomo Leopardi: Canti . A cura di Fernando Bandini. Milano: Garzanti 6 1984. 3 Homer: Odyssee . Übersetzt von Roland Hampe. Stuttgart: Reclam 1979, 5. 4 Vincenzo Monti: L’Iliade d’Omero . Introduzione e note di Roberto D’Alfonso. Torino: UTET 1921, 190. 5 Ugo Foscolo: Poesie . A cura di Guido Bezzola. Milano: Rizzoli 1980, 336. <?page no="105"?> Friedhofsdichtung 105 Palinodia al marchese Gino Capponi gegen jede Zukunftshoffnung des jungen 19. Jahrhunderts schreibt: […] indi una forza ostil, distruggitrice, e dentro il fere e di fuor da ogni lato, assidua, intenta dal dì che nasce; e l’affatica e stanca, essa indefatigata; insin ch’ei giace alfin dall’empia madre oppresso e spento. (vv. 176-181) Aber auch wenn die Canti am Zerstören der Illusionen angesichts eines zeitlosen Gesetzes menschlicher Sterblichkeit ohne metaphysische Kompensation arbeiten, weiß doch Leopardi, dass sowohl dieser Akt der Desillusionierung als auch die Reflexionen über den Tod ein Merkmal der Moderne sind. Denn nicht der Tod ist das Unglück, sondern die Furcht vor dem Danach, wie Leopardi am 21.10.1820 im Zibaldone schreibt. Der Tod wäre leicht zu ertragen, wenn die «idea della morte non fosse accompagnata dai timori del futuro, e da cento altre cose estranee». 6 Eben diese Absenz der Angst schreibt Leopardi den Antichi ebenso wie den Naturvölkern zu, für die «la vita umana non fu mai più felice che quando fu stimato poter esser bella e dolce anche la morte». 7 Eine Idee, die sich unmittelbar im Inno ai patriarchi von 1822 wiederfindet: Hier ist die Menschheit trotz harter Daseinssorgen «di suo fato ignara» (v. 97), und auch an der «beata prole […] fra le californie selve» «non sugge pallida cura» (v. 105sq.) des eigenen Todes. 8 ‹Modern› sind Leopardis Reflexionen, weil sie einerseits im Sinne romantischer longue durée -Entwürfe einer postantiken, christlichen Makroepoche wie etwa in Hugos Préface de Cromwell die negative Besetzung des Todes an die christliche Angst vor dem ‹danach›, dem ‹futuro›, dem Jenseits binden. Sie sind es aber auch, weil sie sich ganz ähnlich in Hegels posthum 1835 erschienenen Ästhetik-Vorlesungen finden. Im Kapitel Die näheren Momente des Inhalts und der Form des Romantischen handelt auch Hegel von den Differenzen zwischen christlicher (d. h. romantischer) und antiker Auffassung des Todes: Im Christentum gilt das Natürliche des Leibes als das bestenfalls Transitorische, im schlechten Fall 6 Giacomo Leopardi: Zibaldone . A cura di Lucio Felici [et al.]. Roma: Newton & Compton 1997, 100 ( Zib. 292, 21. Oktober 1820). 7 Ibid., 599 ( Zib. 3029, 25. Juli 1823). 8 Zum Rousseauistischen Kontext dieses Canto siehe Marc Föcking: «Jean-Giacomo liest die Genesis. Leopardis Bibelinterpretation im ‹Inno ai patriarchi›», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Leopardi in seiner Zeit / Leopardi nel suo tempo . Akten des 2. internationalen Kongresses der Deutschen Leopardi-Gesellschaft. Tübingen: Stauffenburg 1995, 147- 175, zu Leopardis Kalifornien-Bild den Beitrag von Sebastian Neumeister in diesem Band. <?page no="106"?> 106 Marc Föcking als das «Negative, Üble, Böse», und «erst durch Überwindung dieser Nichtigkeit [geht der Mensch] in das Reich der Wahrheit und der Befriedigung» 9 ein: Dadurch ist die geistige Versöhnung nur als eine Tätigkeit, Bewegung des Geistes zu fassen und darzustellen, als ein Prozess, in dessen Verlauf ein Ringen und Kampf entsteht und der Schmerz, und der Tod, das Wehegefühl der Nichtigkeit, die Qual des Geistes und der Leiblichkeit als wesentliches Moment hervortritt. 10 Ohne Festlegung auf die christliche «Aufgabe, sich zu Gott zu erheben, das Endliche von sich loszulösen [… und] den unendlichen Schmerz der Aufopferung der eigensten Subjektivität, Leiden und Tod» 11 , muss sich die Darstellung des Todes in der klassischen Kunst der Antike für Hegel radikal anders gestalten: Weder das Natürliche als solches noch die Unmittelbarkeit des Geistes in seiner Einheit mit der Leiblichkeit galt ihnen [den Griechen] als etwas an sich Negatives, und der Tod war ihnen deshalb nur ein abstraktes Vorübergehen ohne Schrecken und Furchtbarkeit, ein Aufhören ohne weitere unermeßliche Folgen für das hinsterbende Individuum. […] Die griechische Individualität […] schreibt sich, als geistige Subjektivität betrachtet, diesen Wert [der christlichen Aufopferung irdischer Subjektivität] nicht zu und darf sich deshalb den Tod mit heiteren Bildern umgeben. 12 Der bei Hegel mit dem christlichen Tod verbundene doppelte Schmerz - der Aufspaltung von Leib und Geist und der Angst vor der «ewigen Verdammnis» 13 - hat sich im materialistischen Denken Leopardis als Phantomschmerz postchristlicher Todesangst erhalten, denn das Abstreifen der metaphysischen ‹illusioni› stellt die Haltung des Menschen der Gegenwart nicht auf den angstfreien Zustand der ‹antichi› zurück, sondern erhält die Angst, verweigert aber jeden metaphysischen Trost. Hier liegt die Quelle für den intellektuellen Heroismus, den der späte Leopardi angesichts des Todes entwickelt. Verstärkt wird die moderne Trost-Losigkeit durch die sich im philosophischen wie wissenschaftlichen Diskurs des frühen 19. Jahrhunderts verbreitende Erkenntnis, dass der Mensch eine ephemere Spezies wie andere auch - etwa die Ameise in La ginestra - ist, nur eine kurze Zeitspanne in der geologischen Tiefe der Erdentwicklung einnimmt und nach dem Beispiel anderer Arten und im Licht geologischer wie historischer Katastrophen auch wieder verschwinden wird. Wie aktuell dieser Pessimusmus im zweiten Jahrhundertdrittel des 9 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik . Hg. von Friedrich Bassenge. Bd. I. Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag 1984, 503. 10 Ibid. 11 Ibid. 12 Ibid., 503sq. 13 Ibid. <?page no="107"?> Friedhofsdichtung 107 19.-Jahrhunderts auch in der Literatur ist, zeigen zwei Beispiele: 1837 - im Todesjahr Leopardis - schrieb der 19-jährige Karl Marx im Gedicht Menschenleben : Tod ist das Leben Ein ewiger Tod; Menschenbestreben Beherrscht die Noth; Und er verhallet In Nichts hinein; Und es verschallet Sein Thun und Glühn […] Gierig Bestreben Und elendes Ziel Das ist sein Leben Der Lüfte Spiel […]. 14 Und, sehr nah verwandt mit Leopardis «matrigna natura», wenn auch mit deutlicherem Blick auf die Geologie, Alfred Tennyson in In memoriam (1850): From scraped cliff and quarried stone She cries, a thousand types are gone: I care for nothing, all shall go. […] O life as futile, them, as frail! O for thy voice to soothe and blesse! What hope of answer, or redress? Behind the veil, behind the veil. 15 Hegel, Marx, Tennyson - Leopardis Reflexionen zur Haltung angesichts des Todes tragen alle Insignien der Moderne des frühen 19. Jahrhunderts. Aber nicht nur Haltung zum und Reflexion über den Tod haben einen Zeitindex, der Tod und das Sterben selbst tragen ihn ebenfalls in sich. So bemerkt Leopardi im Zibaldone vom 16.7.1821: 14 Karl Marx: Aus einem Notizbuch von Sophie Marx (1837), in: Internationale Marx-Engels- Stiftung (Hg.): Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Karl Marx: Werke. Artikel, Entwürfe, literarische Versuche bis März 1843 . Bd. I. Berlin: De Gruyter 1975, 759. 15 Alfred Lord Tennyson: The Poetical Works of Alfred, Lord Tennyson . London: Ward, Lock & Co. 1912, 216. Zur Zerstörung der «pathetic fallacy» durch Wissenschaft im 19. Jahrhundert siehe Marc Föcking: Pathologia Litteralis. Erzählte Wissenschaft und wissenschaftliches Erzählen im französischen 19. Jahrhundert . Tübingen: Narr 2002, 212-218. <?page no="108"?> 108 Marc Föcking Ho detto altrove che nell’antico sistema delle nazioni la vitalità era molto maggiore e la mortalità minore che nel moderno. […] Le storie provano che fra la più lunga vita degli antichi e la più la lunga de’ moderni […] non v’è divario, o poco; e smentiscono in questo i sogni di alcuni. Ed è ben simile al vero che la natura abbia stabilito appresso a poco i confini possibili della vita umana, oltre a’ quali non si possa per nessuna cagione passare. ( Zib. 1931) Die in der Palinodia al marchese Gino Capponi ausgebreiteten hygienischen, medizinischen, technologischen Hoffnungen der «nonadecima età» (v. 187), «miserie estreme-| dello stato mortal; vecchiezza e morte» (v. 182 sq.) heilen zu können, scheitern also nicht nur an der von Leopardi als ‹natürlich› gesetzten biologisch maximalen Lebensdauer, sondern an der mangelnden Vitalität der Gegenwart, die die der Antike unterschreitet: Denn bei den «antichi» «le morti naturali immature erano più rare, o meno immature, le malattie erano meno numerose, sì nel loro genere, come individualmente; meno violente». Gründe für diese «somma della vita maggiore nel tempo antico» ( Zib. 1332, 16.7.1821), nennt Leopardi im Inno ai Patriarchi , wo er das Thema der größeren körperlichen Gesundheit bei den Indianern Nordamerikas thematisiert und hier vor allem auf die geringeren Reize natürlichen Lebens in Wald und Höhle und die Stressfreiheit der fehlenden Angst vor dem Tod abhebt. Die Formulierung «a cui non sugge-| pallida cura il petto» (v. 105sq.) klingt fast so, als wollte Leopardi auf die chlorotische Blutarmut einer vampirhaft (oder durch Blutegel) ausgesaugten Moderne abheben. Dieses Denken des Organismus als geschlossenen Kreislaufs einer gegebenen Menge an Vitalität ist verankert im Vitalismus der französischen klinischen Anatomie eines Xavier Bichat, dessen «définition de la vie» lautet: «La vie est l’ensemble des fonctions qui resistent à la mort.» 16 Schwindet der Widerstand der Körperfunktionen - etwa durch Stress, durch mangelnde Regeneration, fehlenden Schlaf, durch Sinnesüberreizung durch Zivilisationsfaktoren wie Gaslicht, Lärm, verfeinerte Speisen etc., schwindet die Vitalität. Dieses Weniger-Werden von vitaler Energie, dieses Auslaufen und Schwinden als den Indigenen Amerikas fremdes Zivilisationsübel schlägt sich auch in der Formulierung «a cui le membra- | fera tabe non doma» ( Inno ai patriarchi , v. 106sq.) nieder, denn «tabes» bedeutet im Lateinischen nicht nur «das allmähliche Ver- 16 Xavier Bichat: Recherches Physiologiques sur la vie et la mort (1800) . Présentation et notes par André Pichois. Paris: Classiques Garnier 1994, 57. Siehe dazu immer noch Michel Foucault: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks . Frankfurt a.M.: Fischer 1991, 162-205. Zur Rolle des Bichat’schen vitalistisch-physiologischen Denkens für die Literatur des frühen 19. Jahrhunderts siehe Föcking: Pathologia Litteralis , 94-111. <?page no="109"?> Friedhofsdichtung 109 gehen einer Sache durch Schmelzen, Fäulnis, Krankheit» 17 , sondern auch im präzisen pathologischen Sinn die «Auszehrung», die «Schwindsucht» (Cicero, Livius), und auch diese wurde um 1830 nicht als Viruskrankheit, sondern als Zivilisationskrankheit der Verzehrung von Körperenergie begriffen. In Honoré de Balzacs La Peau de Chagrin ist das Schrumpfen der Wunderhaut gekoppelt an den Energiehaushalt des Protagonisten Raphaël 18 - 1830, sechs Jahre nach der Veröffentlichung der Canzoni und ein Jahr vor der der Canti . Vor diesem Hintergrund ist der «mito della fanciulla morta precocemente», den Leopardi in Il sogno , in A Silvia , in Le ricordanze oder Sopra un bassorilievo und Sopra il ritratto ausschreibt, mehr als ein Topos neoklassizistischer Grabes-Ikonographie 19 und auch etwas anderes als seine romantische Fortschreibung à la Edgar Allen Poe («The death of a beautiful woman is, unquestionably, the most poetical topic in the world») 20 , er hat für Leopardi moderne-diagnostische Funktion: Wenn, wie es in Il sogno heißt «sconsolata arriva-| la morte ai giovanetti» (v. 31sq.), dann ist das vor dem Hintergrund von Leopardis Überlegungen des Zibaldone 1821 und ihrer Gründung im zeitgenössischen medizinischen Diskurs ein Beleg für die geringere Vitalität der «nonadecima età». Und die jugendlichen Toten Silvia, Nerina, die namenlose Geliebte in Il sogno , die jungen Frauen in Sopra un bassorilievo antico sepolcrale und in Sopra il ritratto di una bella donna sind es auch. 2 Wie Leopardi den Tod gebildet - Die Canti als Friedhof Die Modernität der Todes-Reflexion wie des Moderne-induzierten Sterbens in den Canti schließt jeden antikisierend-neoklassizistischen Diskurs und jede antike Todes-Bildlichkeit aus, wie Leopardi ja insgesamt Position bezieht gegen «quella letteratura e quella lingua che usano i nostri pedanti affettando e simulando di essere antichi italiani, e dissimulando al possibile di essere italiani moderni» und die ignorierten, dass die «italiani moderni» durchaus «qualche idea» hätten, die die «italiani antichi» nicht gehabt hätten ( Zib. 3465, 19.9.1823). Leopardis Grabdichtung und seine Totenbilder können also nicht die sein, mit denen «die Alten den Tod gebildet» und die Gotthold Ephraim Lessing 17 Karl Ernst Georges: Kleines Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch . Leipzig: Hahn’sche Verlagsbuchhandlung 5 1885, 2487. 18 Cf. Föcking: Pathologia Litteralis , 111-123. 19 Dazu cf. Francesca Fedi: Mausolei di sabbia. Sulla cultura figurativa di Leopardi . Lucca: Pacini Fazzi 1997, 95. 20 Edgar Allan Poe: «The Philosophy of Composition», in: id.: The Complete Works . Hg. von James Albert Harrison. Bd. 14. Essays and Miscellanies. New York: Sproul 1902, 193-208, hier 201. <?page no="110"?> 110 Marc Föcking in seinem Artikel von 1769 ausführlich und im Kontrast zur christlichen Todesbildlichkeit beschrieben hat: Als «Zwillingsbruder des Schlafes» 21 wird der Tod allegorisiert etwa als «geflügelter Genius, welcher in der einen Hand einen Aschekrug hält, […] und mit einem traurigen Blick seitwärts auf einen Schmetterling herab[blickt]» 22 oder als «geflügelter Jüngling, der […] mit seiner Rechten und dem Haupt auf einer umgekehrten Fackel ruhet» 23 und mit «übereinandergeschlagenen Füßen […] [als] Zeichen der Ruhe» 24 steht. Der Tod habe in der Antike «nichts Schreckliches; und insofern Sterben nichts als ein Schritt zum Totsein ist, kann auch das Sterben nichts Schreckliches haben». 25 Dagegen bilden «wir Neuern den Tod als ein Skelett», «unter einem Bilde, […] bei welchem einem jeden unvermeidlich alle eklen Begriffe von Moder und Verwesung einschießen». Also «unter dem Bild des häßlichen Gerippes». 26 Lessing nimmt hier Hegels Idee der schmerzhaften Disruption durch den Tod, der christlichen Hervorkehrung körperlichen Verfalls und Negativierung materieller Leiblichkeit vorweg. Leopardi weiß, dass Kunst und Literatur der «antichi italiani» - der Römer-- Vergangenheit sind, und er lehnt folglich den «eccessivo […] abuso intollerabile della mitologia che fanno e fecero i pittori e scultori ec. Christiani, non d’Italia solo, ma d’ogni nazione» ab ( Zib. 3466, 19.9.1823), auch in der Literatur und auch in Bezug auf die antiken Bilder und Todes-Allegorien. Das lässt sich am sukzessiven Abbau antikisierender Antonomasien in den Canti ablesen: Nur in den frühen Canzoni der Jahre 1818 bis 1822 - also von All’Italia bis Inno ai patriarchi - tauchen Bezeichnungen der antiken Unterwelt-Geographie wie «Tartaro» ( All’Italia , v. 97; Bruto minore , v. 47), «Erebo» ( Nelle nozze della sorella Paolina , v. 84sq.; Inno ai patriarchi , v. 21) oder «Averno» ( Bruto minore , v. 13) auf, danach nicht mehr. Wie ja auch mythologische Figuren - bis auf den nur einmal über die Antonomasie «figli di Prometeo» in Bruto minore (v. 72) genannten Prometheus - konstant abwesend sind und nur im kurzen Intermezzo von Amore e morte eine antikisch wirkende, aber privatmythologische Allegorie der «Bellissima fanciulla» (v.-10) als Figuration eines positiv gedachten Todes auftaucht. 27 21 Gotthold Ephraim Lessing: «Wie die Alten den Tod gebildet», in: id.: Lessings Werke . Hg. von Kurt Wölfel. Bd. II. Frankfurt a.M.: Insel 1967, 172-223, hier 176. 22 Ibid., 196. 23 Ibid., 178. 24 Ibid., 185. 25 Ibid., 208. 26 Ibid., 205, 211. 27 Cf. den Kommentar von Bandini in Leopardi: Canti , 239, und Lucio Felici: «Percepire senza conoscere: ‹Amor e Psiche› e la sapienza delle favole antiche», in: Die ästhetische <?page no="111"?> Friedhofsdichtung 111 Da Leopardi aus der Inaktualität antiker Mythologie und antiker Bildlichkeit des Todes aber nicht die Konsequenz der «Romantici» zieht, die die im Sinne Hegels «romantische», christliche Todesauffassung mit ‹neuen›, also vor allem aus dem romanischen Mittelalter adaptierten Dichtungsformen kombinieren, geht er einen dritten Weg, den ‹Tod zu bilden›. Ich möchte diesen Weg abschließend anhand der drei ‹Epitaphien› der Canti erläutern. Das sind A se stesso (1835), Sopra un bassorilievo antico sepolcrale (1831) und Sopra il ritratto di una bella donna scolpita nel monumento sepolcrale della medesima (1831), die Leopardi zu einem (nur durch Aspasia getrennten) Tryptichon Nr. XXVIII bis XXXI am Ende der Canti der Ausgabe von 1835 zusammengestellt hat. Für diesen dritten Weg weder antiker noch christlich-romantischer Todesdarstellung eignet sich das Epitaphicum besonders, weil es als Grabinschrift in Vers oder Prosa wie auch als vom Begräbnisort unabhängiges - komisches wie ernstes-- Totengedicht zwar eine bis in die griechische und römische Antike 28 zurückreichende Textgattung ist, die aber auch im Mittelalter und Früher Neuzeit und besonders im 17. Jahrhundert gepflegt wurde und so weder ‹alt› noch ‹neu›, sondern eine von konkreten Metren oder formalen Vorgaben unabhängige, transhistorische, thematisch fixierte Form in gebundener Sprache ist. In Italien um 1820 erlebte sie ein gewisses Revival in der Volkssprache, das sich zwar von neulateinischen neoklassizistischen Grabepigrammen absetzte, ohne sich aber von den generischen, seit dem Hellenismus fortgeschriebenen Modi des Grabepigramms zu distanzieren. Leopardis Briefpartner und Förderer Pietro Giordani spielte für diese ‹neue›, weder antiquarisch-klassizistische noch christlich-romantische Toten-Epigraphik eine besondere Rolle. 29 Wahrnehmung der Welt: Giacomo Leopardi. Giacomo Leopardi e la percezione estetica del mondo. Hg. von Sebastian Neumeister. Berlin [et al.]: Lang 2009, 23-32, hier 23sq. 28 Cf. zur lateinischen Grabepigrammatik Reinhart Herzog (Hg.): Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr. München: Beck 1989 (Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, 5- / Handbuch der Altertumswissenschaft, 8.5), § 543: «Epigraphische Poesie». Zum historischen Überblick cf. Elfriede Hagenbichler: «Epitaph», in: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik . Bd. 2. Bie-Eul . Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1994, 1306-1312. 29 Pietro Giordani war hier treibende Kraft, cf. Pietro Giordani: «Delle sculture ne’ sepolcri: Discorso dell’Accademia di Belle Arti in Bologna 1813», in: id.: Scritti editi e postumi . A cura di A. Gussalli. Bd. II. Milano: Boroni & Scotti 1856, 292-302; und id.: Iscrizioni . Parma: Stamperia F. Carmignani 1834, zuvor schon Francesco Orioli mit seinem Vorwort «Discorso sulla epigrafia italiana» zur Anthologie Iscrizioni di autori diversi con un discorso sulla epigrafia italiana . Bologna: Sassi 1826, 1-47. Siehe zu diesem Revival Armando Petrucci: Writing the dead. Death and Writing Strategies in the Western Tradition . Stanford: Stanford University Press 1998, 110-112. <?page no="112"?> 112 Marc Föcking Diese konnte zurückgreifen auf die bereits im Hellenismus als Äquivalent zum Grabstein mit Inschrift profilierten Epigramme, wobei die Substitution Stein gegen Text bei gleichzeitiger Funktionsähnlichkeit in den Texten oft thematisiert wird: In den das komplette Buch VII der Anthologia Graeca ausmachenden Grabepigrammen gibt es solche, in denen der Grabstein in Ethopoie den Leser, aber auch einen imaginierten Vorübergehenden, anspricht und auf die ‹unter ihm› begrabene Person aufmerksam macht: Unter mir schlummert die Frau aus dem salzflutumschäumten Korinthos, die den peirenischen Quell weit noch an Glanz übertraf 30 -, aber auch solche, in denen das lyrische Ich auf einen Grabstein trifft, seine Inschrift liest und mitleidig mit den Toten spricht: Auf dem Weg nach Ephyra erblickte ich seitwärts ein Grabmal, […] Tränen vergoß ich für sie und sagte: «Glück dir […].» 31 Vermittelt über Servius’ Kommentar zu Vergils Eklogen (v. 15) aber kennen auch die hochmittelalterliche Lyrik-Theorie und -Praxis das «epicedium» auf unbestattete und das «epithaficum, id est carmen supra mortuum» auf bestattete Tote 32 und Renaissance und Barock das Grabgedicht als Texttyp ernster wie paradoxaler Enkomiastik in der neulateinischen 33 wie volkssprachlichen Dichtung, etwa auf das Grab Petrarcas in der cinquecentesken Mode der «tombaide» 34 , oder in den italienischen Grabgedichten der Renaissance - etwa Michelangelos Grabepigramme auf Francesco Bracci 35 - oder französischen Epitaphe -Gedichten (etwa Jean-Antoine de Baïfs Epitaphe: Ici gît d’un enfant la dépouille 30 Dietrich Ebener (Hg.): Die griechische Anthologie in drei Bänden . Bd. II. Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag 1981, 62 (Antiptaros von Sidon). 31 Ibid., 63 (Agathios Scholastikos). 32 So nach der Gattungstypologie von Johannes de Garlandia, cf. Paul Klopsch: «Die mittellateinische Lyrik», in: Heinz Bergner [et al.] (Hg . ): Lyrik des Mittelalters. Probleme und Interpretationen . Bd. I. Stuttgart: Reclam 1983, 30-32, hier 31. Zum mittellateinischen Epitaphicum cf. Carmen Russo Mailler: Il senso medievale della morte nei carmi epitaffici dell’Italia meridionale fra VI e XI secolo . Napoli: D’Agostino 1981. 33 Cf. etwa die Epitaphien Pietro Bembos auf Freunde, Familienmitglieder und den eigenen Hund, Pietro Bembo: Lyric Poetry / Etna . Ed. and translated by Mary P. Chatfield. Cambridge, Mass. / London: Harvard UP 2005, 90-94, 96-103. 34 Cf. Florindo V. Cerreta: «La Tombaide. Alcune Rime Inedite su un Pellegrinaggio Petrarchesco ad Arquà», in: Italica. Journal of the American Association of Teachers of Italian 35 (1958), 162-166; Johnny L. Bertolio: «Love and graves between Arquà and Avignon: a further contribution to the ‹Tombaide› (1540) launched by Alessandro Piccolomini», in: Renaissance Studies 31 (2017), 723-734. 35 Cf. Michelangelo Buonarroti: Rime . A cura di Giovanni Testori ed Ettore Barelli. Milano: Rizzoli 3 1987, 241-261. <?page no="113"?> Friedhofsdichtung 113 mortelle ) und Tombeaux-Sammlungen. 36 Im 17. Jahrhundert explodiert die Epitaphicum-Dichtung geradezu, wie sich an den mehrere Bücher der Lira von 1614 umfassenden ‹Rime lugubre› bzw. ‹Lagrime› Giambattista Marinos ablesen lässt. Der offensichtliche Grund für diese barocke Konjunktur ist die Mode der Vanitas mundi -Dichtung (und -Kunst), die uns noch beschäftigen wird. 37 Mit Leopardi ist die Epitaphium-Dichtung im italienischen 19. Jahrhundert angekommen, aber eben nicht in ihrer neoklassizistischen, stark an Antike-Imitatio orientierten Epigramm-Form, wie sie entsprechende Standard-Poetiken wie G.B. Spotornos Trattato dell’Arte Epigrafica per interpretare ed imitare le antiche iscrizioni (Savona 1813) oder Gianfranco Mesdeus Arte poetica italiana […] Dialoghi familiari (Parma 1803) ausformulieren. Den hier vorgegebenen epigrammatischen «epitaffio» als «iscrizione in versi (giacchè si può fare anche in prosa) da farsi sopra la sepoltura d’un defunto» mit «brevità», «chiarezza» und «qualche pensiero ingegnioso» 38 setzt Leopardi seine spezifische Alternative nicht-neoklassizistischer, ‹neuer›, aber gleichwohl nicht romantischer Grabdichtung entgegen. A se stesso scheint sich auf den ersten Blick einer anderen Tradition zu verdanken, der der selbstreflexiven Lebensbilanz wie in Marc Aurels Ad se ipsum oder Petrarcas Epistola Metrica Ad se ipsum (I, 14). Sie wird von Leopardi aber 36 Jean-Antoine de Baïf, in: Anthologie poétique du XVI e siècle. Choix, introduction et notes par M. Allem. Bd. II. Paris: Garnier-Flammarion, 1962, 134. Cf. Amaury Fleges: «‹Je ravie le mort›. Tombeaux littéraires en France à la Renaissance», in: La Licorne 29 (1994), 71- 142; id.: Les Tombeaux littéraires en France à la Renaissance, 1500-1589 , thèse de doctorat, Université de Tours, 2000. 37 Zur italienischen Vanitas-Dichtung, besonders zum Vanitas-Sonett cf. Marc Föcking: «‹Vanitas› im italienischen Sonett von Petrarca bis zum Barock», in: Sara Springfeld / Norbert Greiner / Silke Leopold (Hg.): Das Sonett und die Musik. Poetiken, Konjunkturen, Transformationen, Reflexionen . Heidelberg: Winter 2016, 99-124. Zur Grabdichtung des 18.-Jahrhunderts cf. Paul Van Tieghem : La poésie de la nuit et des tombeaux en Europe au XVIII e siècle [Paris 1922]. Genève: Slatkine Reprints 1970. Zur italienischen ‹poesia sepolcrale› cf. Lucrezio T. Riccis La poesia sepolcrale in Italia . Napoli: Petrella 1927; Raffaella Bertazzoli: Pensieri sull’ignoto. Poesia sepolcrale e simbologia funebre tra Sette e Ottocento . Verona: Fiorini 2002. 38 G.B. Spotorno: Trattato dell’Arte Epigrafica per interpretare ed imitare le antiche iscrizioni . Savona: Stamperia Zerbini 1813; Gianfranco Mesdeu: Arte poetica italiana di facile intelligenza. Dialoghi familiari . Parma: Stamperia Nazionale 1803, 195. Ein Panorama zu italienischen Grabinschriften des 19. Jahrhunderts liefert Gian Marco Vidor: «Satisfying the mind and inflaming the heart: emotions and funerary epigraphy in nineteenth-century Italy», in: Mortality. Promoting the interdisciplinary study of death and dying 19 (2014), 342-360 (www.tandfonline.com/ doi/ full/ 10.1080/ 13576275.2014.921667? scroll=to p&needAccess=true, 27.7.2018). Als Überblick cf. Karl S. Gutke: Sprechende Steine. Eine Kulturgeschichte der Grabschrift . Göttingen: Wallstein 2006, und die Anthologie Der besungene Tod. Feierliche Grabinschriften, Nekrologe und Mementos in der Weltliteratur . Hg. von Roger Shatulin. Zürich: Manesse 2006. <?page no="114"?> 114 Marc Föcking durch den ersten Vers «Or poserai per sempre» sogleich dem «Requiescat in pace» angeglichen, das als R. I. P. ja traditionell auf Grabsteinen prangt. Leo Spitzer hat bereits 1963 angemerkt, A se stesso sei ein «epitaffio sul sepolcro vivo che il poeta sente di essere diventato» 39 , was sich mit dem Eintrag im Zibaldone vom 3.11.1825 deckt: «Io sono, si perdoni la metafora, un sepolcro ambulante, che porto dentro di me un uomo morto, un cuore già sensibilissimo che più non sente» ( Zib. 4149). Das literarische Auto-Epitaphium 40 ist ebenso wie die besondere Metapher des «sepolcro ambulante» durch und durch barock, sie findet sich etwa in einem anonymen Sonett aus Giovanni Battista Piazzas Canzonette , Secondo libro, Venedig 1623, dessen zweites Quartett lautet: L’oggi fa esequie al ieri, d’esser parmi De le mie polve un cimiterio errante E mentre movo al caminar le piante Sud’a portar della mia tomba i marmi. 41 Das in der Geschwindigkeit seines Vergehens kaum vom Tod unterscheidbare Leben, 42 der Körper als irrender eigener Friedhof, als eigener Grabstein - das sind hier argut formulierte Vanitas-Metaphern, die in Leopardis A se stesso als «Amaro e noia-| la vita, altro mai nulla; e fango è ’l mondo» (v. 9sq.) wieder auftauchen und eben der post-antiken Hässlichkeit von Welt und Körper Profil verleihen, von denen Lessing und Hegel gesprochen haben. Der wörtliche Vanitas-Bezug des Gedicht-Endes «e l’infinita vanità del tutto» (v. 16) auf das «Vanitas vanitatum et omnia vanitas» des alt-testamentarischen Buchs Ecclesiastes (1,2) scheint diese neo-barocke 43 Idee der Eitelkeit zu unterstreichen. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Leopardis 39 Leo Spitzer: «‹L’Aspasia› del Leopardi», in: Cultura Neolatina 13 (1963), 113-145, hier 114. 40 Cf. etwa das bekannte Auto-Epitaphium Paul Flemings: «Des seligen Herrn D. Paul Flemingi Grabschrift / So er jhm selbst drey Tage vor seinem Tod gemachet. In Hamburg den 20. Tag des Mertzen 1640», in: Walter Killy (Hg.): Epochen der deutschen Lyrik. 1600-1700 . München: dtv 2 1976, 111sq. 41 Zu diesem Text cf. Föcking: Vanitas , 99-124. 42 Zur Plötzlichkeit und Zeitverknappung als typisch barocke Vanitas-Elemente siehe Claudia Benthien: «‹Vanitas mundi›. Der barocke Vergänglichkeits-Topos in bildender Kunst, zeitbasierten Medien und Literatur der Gegenwart», in: Nordverbund Germanistik (Hg.): Frühe Neuzeit - Späte Neuzeit. Phänomene der Wiederkehr in Literaturen und Künsten ab 1970 . Bern [et al.]: Lang 2011, 87-109, hier 90sq. 43 Die Frage ‹neo-barocker› Elemente in Leopardis Dichtung drängt sich insbesondere in seinen Grabdichtungen auf, was sich durchaus in Analogie zu Canovas Rückbezügen auf die Formensprache barocker Grabmonumente bringen lässt, cf. Gianni C. Scolla: Antonio Canova. Plastiken von Liebe und Tod . Herrsching: Pawlak 1989, 11sq. Beide geben diesen barocken Elementen aber ganz neue - und jeweils unterschiedliche - Wendungen. <?page no="115"?> Friedhofsdichtung 115 Himmel ist leer, die Eitelkeit des Irdischen verweist auf keine Sinnfülle, keine Erlösung durch das Himmlische: Der christliche Chiasmus «das Leben ist der Tod / Der Tod ist das Leben» hat sich bei Leopardi auf die erste, verzweifelte Hälfte reduziert. Präsentiert sich A se stesso als neobarocker Auto-Epitaph, evoziert Nr. XXX mit dem ausladenden Titel Sopra un bassorilievo antico sepolcrale, dove una giovane morta è rappresentata in atto di partire, accomiatandosi dai suoi direkt ein Grabmonument mit figuraler Darstellung einer jungen Toten und ihrer Familie. (Neo-)klassizistisch scheint dieses Gedicht nicht nur durch das «antico» des Titels, sondern durch das Relief, das mit großer Wahrscheinlichkeit Leopardi bei der Abfassung vor Augen gestanden haben dürfte: Leopardi hatte während seines Aufenthaltes in Rom im Herbst 1831 im Salon Carlotta Lenzonis die seinerzeit berühmte Statue der Psyche des Canova- und Thorwaldsen-Schülers Pietro Tenerani gesehen und auf Empfehlung Lenzonis im Oktober 1831 dessen Atelier an der Piazza Barberini besucht. Dazu schrieb er am 29.10.1831 an Carlotta Lenzoni: Ho veduto il bravo ed amabile Tenerani, col quale si è parlato di Lei molto […]. Non so se Ella conosca un’altra Psiche ch’egli sta lavorando, come anche un bassorilievo per la sepoltura di una giovane, pieno di dolore e di costanza sublime. 44 Bei diesem Bas-Relief handelt es sich sehr wahrscheinlich um das Grabrelief für Clelia Severini, das der Vater der mit 19 Jahren Verstorbenen, der Anwalt Giuseppe Severini, 1822 in Auftrag gegeben hatte (Abb.- 1). Obwohl 1825 fertiggestellt, konnte es Leopardi 1831 noch immer in Teneranis Atelier besichtigen, weil auch der Auftraggeber selbst gestorben war. Erst im Jahre 1927 fand das Relief im Atrium der Kirche San Lorenzo in Lucina seinen endgültigen Platz. 44 Giacomo Leopardi: Tutte le poesie e tutte le prose . A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton & Compton 1997, 1405. Tenerani war vor allem wegen seiner ersten Psyche-Büste zur römischen Berühmtheit geworden, Pietro Giordani hat ihr 1826 einen umfangreichen Brief gewidmet - «La prima Psyche di Pietro Tenerani», in: id.: Scritti editi ed postumi . A cura di A. Gussalli. Bd. IV. Milano: Boroni & Scotti 1857,183-200, in dem auch auf «bassirilievi, statue, monumenti sepolcrali» (198) angespielt wird. <?page no="116"?> 116 Marc Föcking Abb. 1: Teneranis Grabrelief auf Clelia Severini in San Lorenzo in Lucina, Rom Es handelt sich also nicht um ein ‹antikes› Grabrelief, sondern eines «all’antico», typisch für die neoklassizistische Bildhauerschule Canovas und Thorwaldsens und ihres Schülers Tenerani. Da es völlig auf mythologische wie allegorische Elemente (geflügelte Genien, umgekehrte Fackeln etc.) verzichtet, dürfte es durch den verspielt an der mittleren Figur hochspringenden Hund sowie die fast genreartig anmutende, gemessen-gefasste Abschiedsszene der in antike Gewänder gekleideten Figuren und der Betonung ihrer Trauer dem Modell Antonio Canovas entsprechen, dessen Grabmonumente «uns weniger das Emblem des Todes [zeigen], als vielmehr eine Darstellung des Sterbevorgangs selbst: ein fließender Akt, bei dem das Wesen sich auf einer unsichtbaren Welle forttragen lässt.» 45 Diese Abwesenheit jeglicher antiker Todessymbolik trifft sich mit Pietro Giordanis Forderung nach Ausschluss von «allegorie, che sono quasi sempre enigmi» und der gemessenen Weckung von «qualche buona affezione» 46 durch die Darstellung der Trauernden selbst. Und ebenso dürfte Teneranis Grabrelief Leopardis Abneigung gegen mythologische Ausstattung und Sujets in zeitgenössischer Bildhauerei wie auch seiner Ablehnung pseudo-antiker Literatur in der Gegenwart entgegengekommen sein. 45 Jean Starobinski: 1789. Die Embleme der Vernunft . Paderborn: Schöningh 1981, 124. Zu Canovas Grabskulpturen cf. Scolla: Antonio Canova, 11-14. 46 Giordani: «Delle sculture ne' sepolcri», in: Scritti editi ed inediti , Bd.II, 293. <?page no="117"?> Friedhofsdichtung 117 Denn was die Antikennähe angeht, orientiert sich Tenerani - ebenso wie Canova oder Thorvaldsen - in der Formensprache zwar an klassischen römischen Arbeiten. Antikisierend sind die Typen der Gewänder, teilweise die Frisuren und einzelne Haltungsdetails. Im Hintergrund stehen Stilformen, die sich an denen des späten 5. oder 4. Jahrhunderts v. Chr. ausrichten, aber in römischer Brechung. Solche römisch-klassizistischen Formen waren vor allem in der julisch-claudischen Zeit von Augustus bis Claudius und unter Trajan und Hadrian en vogue . Dazu gehören die klar vom Hintergrund abgesetzten Konturen, die langen schönlinigen Gewandfalten, die klassische Ebenmäßigkeit von Gesichtern und Körpern, die Ansicht im Profil oder von vorne, die die Figuren leicht unterscheidbar macht. 47 Doch eine Nachahmung griechischer oder römischer Grabreliefs hatte Tenerani nicht im Sinn. Sein Relief orientiert sich vielmehr stark am Formenkanon und den Figurenmustern, die Thorvaldsen erfunden hat: Die Geste der links sitzenden Frau mit dem Himmelfahrtsblick, den langen offenen Haaren und den bittend verschränkten Händen erinnert deutlich an die explizit christlich-religiösen Werke von Thorvaldsen. Dennoch lässt das Relief jede religiöse Festlegung ebenso in der Schwebe wie die Eindeutigkeit der Szene überhaupt: Denn auf den ersten Blick stellt Teneranis Relief den Abschied einer jungen, durchaus nicht gebrechlichen Frau dar und ist damit erheblich unbestimmter als die Grabreliefs mit Abschied auf dem Totenbett wie in anderen neoklassizistischen Grabreliefs etwa Thorwaldsens. «Antico» ist das Relief für Leopardi nicht im Sinne einer Altersangabe, sondern dem der ästhetisch-sensuellen Kategorie, die in Leopardis Verwendung von «antico» eingegangen ist: «Le parole lontano , antico e simili sono poeticissime e piacevoli, perchè destano idee vaste, e indefinite, e non determinabili e confuse» ( Zib. 1789, 25.9.1821). Genau dieses «indefinit[o]», „non determinabil[e]“ dürfte Leopardi in Teneranis Relief gesehen haben. Und wenn sein Text auch trotz des Titels keine Ekphrasis des «bassorilievo» und dessen Kenntnis auch keine Voraussetzung für das Textverständnis ist, betreibt Leopardi in seinem Text doch eine Art Medienwechsel von Elementen der Grabplastik: Er formuliert ganz im Sinne der Tenerani’schen Unbestimmtheit der dargestellten Situation den Gedichteingang als Reihe von Fragen nach dem unbestimmten Status dieses Abschiedes: 48 47 Für diese Einschätzung und Einordnung des Grabreliefs Teneranis danke ich Frau PD Dr. Agnes Schwarzmaier, Kustodin der Berliner Antikensammlung. Zu Tenerani und seinem Œuvre cf. Stefano Grandesso: Pietro Tenerani (1789-1869). Cinisello Balsamo: Silvana Editoriale 2003. 48 Diese analogen Stategien des ‹indeterminato› in Teneranis Basrelief und Leopardis Gedicht sprechen durchaus für die Berechtigung, hier eine konkrete Kunstwerk-Text-Re- <?page no="118"?> 118 Marc Föcking Dove vai? chi ti chiama lunge dai cari tuoi, bellissima donzella? Sola, peregrinando, il patrio tetto sì per tempo abbandoni? a queste soglie tornerai tu? farai tu lieti un giorno questi ch’oggi ti son piangendo intorno? ( Sopra un bassorolievo , vv. 1-7) Fragen, auf die der Betrachter zunächst keine Antwort findet - «mal s’indovina» (v. 13). Aber sofern der Leser in diesen Fragen an die «bellissima donzella» nicht schon Leopardis eigene Kombination von Tod und schöner, junger Frau zu einem die Canti durchziehenden Motiv erkannt und er sich an die den Grabepigrammen etwa der Anthologia Graeca eigene Apostrophen und Frageketten eines lyrischen Ich an die oder den Toten unter dem Grabstein erinnert, 49 erfährt er zu Beginn der dritten Strophe die tödliche Natur dieses Abschiedes: «Morte ti chiama» (v. 18). Da in der Starita-Ausgabe von 1835 50 die offene Fragekette der Verse 1-15 auf S. 139 platziert ist, die Auflösung in Vers 18 aber auf der darauffolgenden S. 140, bedarf es des Umblätterns, was den Effekt der Desillusionierung mit einer körperlichen Bewegung des Lesers verknüpft. Und der Tod der jungen Frau kommt ebenso schnell, wie es die Handlung des Umblätterns ist - semantisch wie syntaktisch: «al cominciar del giorno-| l’ultimo istante» (v. 18sq.) - ‹Der Beginn des Tages-| der letzte Moment›. Die Antithese von Beginn/ Leben und Ende/ Tod schiebt Leopardi durch die Ellipse des Verbs («è», «significa» etc.) aufs äußerste zusammen und lässt sie wieder - wenn auch in verkleinertem Maßstab des Enjambements - auf Ende und Anfang zweier Verseinheiten fallen. Unübersehbar ist hier wieder die neobarocke Vanitas-Semantik, denn hinter dem blitzartigen Vergehen des Lebens von der Geburt bis zum Grab scheinen verblüffend ähnliche Formulierungen wie die in Marinos Eröffnungs-Sonett der «Morali» mit dem Titel Tratta delle miserie humane auf: lation anzusetzen, die auch Fedi: Mausolei di sabbia , 104-117, gegen die Kritiker dieser These (Fubini, Carsaniga) anführt. 49 Etwa im Dialoggedicht des Leonidas von Tarent: «‹Wer bist du, wer dein Vater, Frau unter der parischen Säule? ›| - ‹Prexo, Kallíteles.›-- ‹Land? › - ‹Samos.› - ‹Wer trug dich zu Grab? ›», Die griechische Anthologie . Bd. II, 47. Oder in Apostrophen wie der im Epigramm eines unbekannten Dichters, der anlasstypisch die Konstatierung von Jugend und plötzlichem Tod kombiniert: «Eben gereift erst warst du zum lieblichen Wirken der Kypros,-| da, Patrophila, erlosch plötzlich dein reizvoller Blick», ibid., 63. 50 Giacomo Leopardi: Canti . Edizione corretta accresciuta, e sola approvata dall’autore. Napoli: Starita 1835, 139sq. <?page no="119"?> Friedhofsdichtung 119 Apre l’huom infelice allhor, che nasce In questa vita di miseria piena Pria ch’al sol, gli occhi al pianto. […] Ratto così, che sospirando io dico, Da la cuna, à la tomba è un breve passo. 51 Die folgenden Reflexionen über die Grausamkeit der gleichgültigen Natur, die nur schafft, um zu töten (v. 47), und die umso härter zuschlägt, je mehr sich die Jugend der Illusion der eigenen Hoffnungen hingibt (v. 33), variieren Leopardis Philosophie des Unglücks, die nach dem Intermezzo von Consalvo und Amore e morte umso heftiger zurückkehrt und jedem Trostgedanken neoklassizistischer Grabkunst widerspricht. 52 Am Ende nimmt das Gedicht aber einen Gedanken auf, der zum Grabrelief Teneranis zurückführt: Der Gestorbene, den der Tod als «grazia» vom Leben erlöst, ist weniger zu bedauern als der Zurückbleibende, «che la morte-| sente de’ cari suoi» (v. 80sq.), «che soppravviva amando-| al mortale il mortal» (v. 106sq.). 53 Dieses Leid der Überlebenden spiegelt sich unmittelbar in der Geschichte des Reliefs, das vom trauernden Vater als Zeugnis für seine Liebe zur Tochter («amando») in Auftrag gegeben, aber wegen dessen eigenem Tod immer noch in der Werkstatt Teneranis von Leopardi zu besichtigen war. Auch der dritte Text der «sepolcrali» - Sopra il ritratto di una bella donna scolpito nel monumento sepolcrale della medesima - vereint neobarocke, wiewohl ent- 51 Giambattista Marino: La Lira . Parte prima. Venedig: Nicolò Pezzana 1675, 170. Marinos Dichtung findet zwar in den Diskussionen des Zibaldone keine Erwähnung - was angesichts der dem barocken Konzeptismus wenig zuneigenden Poetik Leopardis kein Wunder ist -, dennoch hat Leopardi Marinos Werk und das anderer Barockautoren (Bracciolini, Soldani, Testi) gut gekannt, was seine Auswahl in der Crestomazia italiana beweist. Die Abteilung des «Secolo Decimosettimo» eröffnet Leopardi mit Chiabrera, dann folgen ausführliche Auszüge aus Marinos Adone und ein einschlägiges Vanitas-Gedicht von Fulvio Testi: Caducità dell’uomo e delle opere umane , cf. Giacomo Leopardi: Crestomazia italiana cioè scelta di luoghi insigni […] . Bd. II. Napoli: Stamperia del Vaglio 1866, Crestomazia poetica , 64sq. In die Abteilung «Secolo decimosesto» hat Leopardi eine Reihe von Vanitas-Sonetten aufgenommen, wie Vittoria Colonnas mit dem Titel XXI. Velocità del tempo, caducità umana versehenen Text Quando miro la terra ornata e bella , Celio Magnos «Me stesso io piango, e de la propria morte» ( LIX. Pensiero di morte ) oder Di Costanzos «De l’età tua spuntava in età tenera» ( Per la morte del figlio in età tenera ). 52 Zu diesem Aspekt siehe Fedi: Mausolei di sabbia , 184-191. 53 Luigi Blasucci scheint mir in seiner Interpretation von Sopra un bassorilievo antico allerdings diese «effetti laceranti sull’animo dei superstiti» zuungunsten der neo-barocken Vanitas-Elemente zu reduzieren, cf. Luigi Blasucci: «Sopra il ritratto di una bella donna», in: id . : I titoli dei ‹Canti› ed altri studi leopardiani . Napoli: Morano 1989, 129-153, hier 136sq. <?page no="120"?> 120 Marc Föcking christlichte Elemente mit vagen, aber nicht neoklassizistischen Antikebezügen: Der Titelverweis auf das «ritratto» eines Grabdenkmals lässt einen ähnlichen Kunstwerkbezug vermuten wie in Sopra un bassorilievo . Tatsächlich hat Antonio Giuliano 1966 wie schon für Sopra un bassorilievo ein Vorbild aus der Werkstatt Teneranis vermutet, nämlich Skizzen und Entwurf des Grabmonuments für Margherita Canton, über das der Biograph Teneranis, Oreste Raggi, 1880 schrieb: Sopra del bassorilievo corre un fastigio che si compone di un vaghissimo ornato greco, donde sporge una mezza figura di grandezza un po’ maggiore del vero, ed è ritratto della defunta che, incrociate le braccia, si preme al seno un libro da lei scritto Irene, poiché era donna di molte lettere. 54 Aber während Sopra un bassorilievo wenigstens einige ekphrastische Anhaltspunkte für die Relation zu Teneranis Relief bietet, fallen diese im Ritratto weitgehend aus und müssen uns nicht weiter beschäftigen. Wichtiger ist für den Text etwas anderes: einerseits die schon in den spätantiken Epithaph-Epigrammen gepflegte Doppelung von sichtbarem Grabstein und der unter ihm begrabenen Frau, so etwa im schon zitierten Epigramm von Antipatros von Sidon: Unter mir schlummert die Frau aus dem salzflutumschäumten Korinthos, die den peirenischen Quell weit noch an Glanz übertraf […]. Heute noch tränken liebliche Myrrhen ihre Gebeine und ihr glänzendes Haar atmet bezaubernden Duft. 55 Während die Schönheit der Toten hier überhaupt nicht gelitten hat - was Lessings wie Hegels Einschätzung antiker, prächristlicher Einstellung zum Tod entspricht - , breitet Leopardi die wiederum (neo-)barocke Antithese von einstiger Schönheit und Verfall im Tod («polve e scheletro sei […,] ossa e […] fango», v. 2) aus, wobei bereits das steinerne «ritratto» an seiner Aufgabe, die Erinnerung an die «beltà» zu bewahren, scheitert: «invano,-| muto, mirando dell’etadi il volo» (v. 3sq.). Denn schon der blason-artige Katalog der (vergangenen) Schönheit von «sguardo», «labbro», «collo», «mano», «seno», dessen Erinnerung das Portrait zu bewahren sucht, ist von Misstönen durchzogen: Der «dolce sguardo» ist «immoto» (v. 8), die «amorosa mano» ist «gelida». In die Qualität des starren, kalten Steins hat Leopardi die Eigenschaften der lebenden schönen Frau eingearbeitet und ist dabei ganz wie Giambattista Marino vorgegangen, der im Sonett auf das Grab Della sua donna der Lira von 1614 geschrieben hat: 54 Oreste Raggi: Della vita e delle opere dei Pietro Tenerani . Firenze 1880, 170, zitiert nach Antonio Giuliano: «Giacomo Leopardi, Carlotta Lenzoni, Pietro Tenerani», in: Paragone. Arte 17.193 (1966), 87-94, hier 92. 55 Die griechische Anthologie. Bd. II, 62. <?page no="121"?> Friedhofsdichtung 121 Spietato marmo, hor’hai dal cor di lei Forse tu qualità preso, e natura Che duro tanto, e inessorabil sei? 56 Und alles das ist jetzt, unter dem Stein des Grabes, «ossa e fango» (v. 2), chiastisch verstärkt in v. 17sq., «fango-| ed ossa», und - am Ende des Textes - «polve ed ombra» (v. 52). Das sind nicht nur die genetisch christlichen Elemente der Todes-Bildlichkeit, von denen Lessing im Gegensatz zu denen der «Alten» gehandelt hat, es sind auch die der christlichen Vanitas-Dichtung von Petrarca, RVF Nr. 294 - «siam noi polvere et ombra» - bis Marino («poca polve, e frale-| scorgo parte di me»). 57 Der Schluss aber, den Leopardi aus der Vanitas-Bildlichkeit seiner Epitaphien zieht, ist alles andere als barock: Denn das Denken ist, obwohl es von dieser zerbrechlichen, materiellen und daher nicht von göttlichem Atem beseelten Erde, von «polve, fango», ausgeht, dennoch «alto», also zum trotzigen Überwinden spiritualisierender «illusioni», zum Aushalten des Nichts und zum Dichten der Canti fähig. Literaturverzeichnis Anthologie poétique du XVI e siècle . Choix, introduction et notes par M. Allem. Paris: Garnier-Flammarion 1962. Bembo, Pietro: Lyric Poetry / Etna . Ed. and translated by Mary P. Chatfield. Cambridge, Mass.-/ London: Harvard UP 2005. 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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Pietro Teneranis Grabrelief auf Clelia Severini in der Kirche San Lorenzo in Lucina, Rom (Copyright Guido Caltabiano, Rom). <?page no="125"?> Poetiken der Grabesdichtung 125 Poetiken der Grabesdichtung Foscolo, Leopardi, Montale Georges Güntert 1 Liebe, Tod und Grabeskult «Due cose belle ha il mondo: -| amore e morte». 1 Dieser lapidare Satz aus Leopardis Consalvo - Guido Gozzano hat ihn als den schönsten Vers der italienischen Dichtung bezeichnet 2 - besticht durch zwei Aussagen: die positive Charakterisierung des Todes und das anscheinend friedliche Nebeneinander von Liebe und Tod. In Amore e Morte geht Leopardi noch einen Schritt weiter, indem er das komplementäre Wirken dieser beiden Mächte zum Wohl der Menschheit beschreibt. «Nasce dall’uno il bene,-| nasce il piacer maggiore-| che per lo mar dell’essere si trova; - | l’altra ogni gran dolore,- | ogni gran male annulla». 3 Die literarische Tradition kennt den Tod zunächst als Gegenspieler Amors. Dennoch erfinden schon die Dichter der Antike Mythen, in denen auf eine verborgene Affinität von Eros und Thanatos hingewiesen wird. Man denke an die Tragödie von Pyramus und Thisbe, in der Ovid mit dem Motiv des am Grabe wachsenden, vom Blut des Geliebten getränkten Maulbeerbaums ( morus ) einerseits eine Metamorphose vom Weiß jener Früchte zum tiefsten Purpur oder Schwarz beschreibt, andererseits über die Lautbrücke morus die klangliche Ähnlichkeit von Amor und Mors suggeriert. Im lateinischen Humanismus der Renaissance häufen sich die Versuche, Liebe und Tod einander anzunähern. So findet sich bei Jean Lemaire de Belges, der vermutlich auf ein Sonett von Serafino Dall’Aquila 1 Giacomo Leopardi: «Consalvo», in: id.: Canti . A cura di Niccolò Gallo e Cesare Garboli. Torino: Einaudi 1962, 139, v. 99sq. 2 Zit. bei Pier Vincenzo Mengaldo: Antologia leopardiana. La poesia , «Amore e morte». Roma: Carocci 3 2016, 163. Gozzano reproduziert den Vers Leopardis bald teilweise, bald ganz in «Il responso» ( La via del rifugio ), v. 67, «In casa del sopravvissuto» ( I colloqui , III), vv. 13-18, und in «Ketty», v. 35. Cf. Guido Gozzano: Poesie . Introduzione e commento di Edoardo Sanguineti. Torino: Einaudi 1973. 3 Leopardi: «Amore e morte», in: id.: Canti , 219, vv. 5-9. <?page no="126"?> 126 Georges Güntert zurückgreifen konnte, die Erzählung von Cupidus und Atropos, die sich über die Emblemata-Sammlungen rasch verbreitet. 4 Schon die frühesten Ausgaben des Alciato kennen die Geschichte von Cupidus und dem Gevatter Tod, die gemeinsam durchs Land ziehen und nachts versehentlich ihre Pfeile vertauschen, was den Tod junger Menschen und das späte Liebesglück der Alten zur Folge hat. 5 Als ungleiches Paar von Bogenschützen erscheinen die beiden auch im Petrarkismus, etwa bei Panfilo Sasso, der eines seiner Sonette so beginnen lässt: «La morte è fatta sposa dell’Amore-| e vanno armati ad ogni impresa insieme». 6 Leopardi vertritt als erster die These der Verschwisterung von Eros und Thanatos: « Fratelli , a un tempo stesso, Amore e Morte-| ingenerò la sorte». 7 Der Tod wird bei ihm zur «bellissima fanciulla», zur Persephone-Kore-Figur, in deren Gesellschaft sich der «fanciullo Amor» gern aufhalte. 8 Denn Liebe mache mutig, edelherzig, weise und nehme selbst jungen Menschen die Angst vor dem Sterben. Wer unter Liebesqualen leide, kenne die Todessehnsucht, sehe er doch bei drohendem Liebesverlust im Tod das geringere Übel. Leopardis Argumentation trifft sich hier mit jener Stendhals, der in De l’Amour schreibt: «Le véritable amour rend la pensée de la mort fréquente, aisée, sans terreurs, un simple objet de comparaison, le prix qu’on donnerait pour bien des choses». 9 4 Jean Lemaire de Belges: Contes de Cupido et d’Atropos . Zit. bei Carlo Dionisotti: «Amore e Morte», in: Italia medioevale e umanistica I (1958), 419-426, hier 419. 5 Näheres zu den frühen Augsburger und Lyoner Ausgaben des Alciato in: Arthur Henkel-/ Albrecht Schöne (Hg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts . Stuttgart: Metzler 1967, «De morte et amore», 1581. In der Frankfurter Ausgabe von Jeremias Helg (Hg.): Liber Emblematum D. Andreae Alciati nunc denuo collatis exemplaribus . Frankfurt a.M.: Georg Raben 1567, findet sich neben dem lateinischen Original auch eine deutsche Übersetzung: Nr. 194, Von dem Tod und der Lieb . 6 Carlo Dionisotti: «Amore e Morte», 423, erinnert in diesem Zusammenhang auch an ein Epigramm von Tebaldeo: De amore et morte . Aus dem Ms. Vat. Lat. 3352. Hervorhebungen in Zitaten hier und im Folgenden vom Verfasser. 7 Leopardi: «Amore e Morte», in: id.: Canti , 219, v. 1sq. Francesca Fedi führt die Idee der Verschwisterung von Tod und Liebe auf Leopardis Lektüre des Abrégé de l’origine de tous les cultes von Charles Dupuis (1794) zurück, ein Werk, das vom dualistischen Prinzip in den verschiedenen Religionen ausgeht und auch im Zibaldone 4126 erwähnt wird. Aber auch Volney in seinem Werk Les Ruines (Paris 1822) kennt das dualistische Prinzip der schaffenden und der zerstörendem Natur. Cf. Francesca Fedi: Mausolei di sabbia. Sulla cultura figurativa di Leopardi . Lucca: Pacini Fazzi 1997, 251-259. 8 Zum Motiv der Ähnlichkeit dieser «fanciulla» mit Kerénys Persephone-Kore-Figur cf. Angiola Ferraris: L’ultimo Leopardi. Pensiero e poetica 1830-33 . Torino: Einaudi 1987, 55. 9 Stendhal: De l’Amour [«Fragments divers», XLVI], in: id.: Oeuvres complètes . Nouvelle éd. de Victor Del Litto et Ernest Abravanel. 50 vol. Genève: Cercle du Bibliophile 1967-74, IV, 156. Es ist anzunehmen, dass Leopardi De l’Amour (1822) zumindest auszugsweise gelesen hat, denn er lernte Stendhal 1827 in der Bibliothek Vieusseux kennen und begegnete ihm 1832 noch einmal. <?page no="127"?> Poetiken der Grabesdichtung 127 Liebe und Tod sind Grunderfahrungen des menschlichen Daseins, und kaum eine Epoche der europäischen Literatur hat es unterlassen, diese beiden Thematiken miteinander zu verbinden. Daraus zu folgern, Liebe und Tod seien zu allen Zeiten in gleicher Weise verstanden worden, wäre indessen ein Irrtum. Gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Faktoren haben unsere Auffassung von der Liebe und den ihr entsprechenden Verhaltensnormen verändert. Stichwörter wie Dolce stil novo , Pastourelle, Petrarkismus, Petrarkismus aus weiblicher Sicht zeigen, mit welch verschiedenen Liebeskonzeptionen sich der Literaturhistoriker befassen muss. Folgt man den Ausführungen Stendhals, ist nicht nur die zeitliche, sondern auch die räumliche Differenzierung von Belang, da die Völker Europas unterschiedliche Vorstellungen von der Liebe haben. Halten wir uns jedoch auch in diesem Punkt an Leopardi, der seinerseits von einem Wandel der erotischen Kultur ausgeht, sich an der zunehmend sentimentalen Färbung des Liebesempfindens stößt und die zu seiner Zeit übliche Einstellung gegenüber der körperlichen Liebe als ungesunde Erscheinung des incivilimento ablehnt. 10 Wo immer er auf dieses Phänomen Bezug nimmt, meint er seine eigene Epoche, die Romantik, in der nach seinem Erachten die ‹Vergeistigung der Gefühle› zu seltsamen Auswüchsen geführt habe. Auch im Umgang der Gesellschaft mit dem Tod hat sich im Laufe der Jahrhunderte einiges verändert, wie bei Philippe Ariès nachzulesen wäre. 11 So erweist sich die Sorge um die Vergänglichkeit alles Irdischen je nach Epoche als ein unterschiedlich gewichtetes Anliegen. Im ausgehenden Mittelalter, das den Totentanz erfand, scheint der Gedanke an das Vergehen menschlicher Größe allgegenwärtig zu sein. Die Dichter der diesseitsorientierten Renaissance scheint er weniger zu beunruhigen als jene des Barockzeitalters, bei denen Schönheit und Verfall nicht mehr zu trennen sind. Góngoras Sonett «Am Grab der Herzogin von Lerma», deren Gemahl hoch zu Ross von Rubens verewigt wurde, beginnt mit einer Reihe schockierender Kontraste: «¡Ayer deidad humana, hoy poca tierra; - | aras ayer, hoy túmulo, oh mortales! - | Plumas, aunque de águilas reales,-| plumas son; quien lo ignora, mucho yerra». 12 Quevedo überbietet diese Bilder noch, wenn er in seinem Sonett «Fue sueño ayer, mañana será tierra» vom menschlichen Körper behauptet, dadurch dass er atme, esse, Energie ver- 10 Im Zibaldone 3911sq. findet sich zu diesem Thema folgender Eintrag: «Questa eccessiva moderna spiritualizzazione dell’amore, la quale con proprio vocabolo chiamiamo amore sentimentale, risponde alla suprema spiritualizzazione delle cose umane, che in questi ultimi tempi ebbe e ha luogo». Cf. Giacomo Leopardi: Tutte le opere . A cura di Walter Binni. 2 vol. Firenze: Sansoni 1969, II, 992. 11 Philippe Ariès: Geschichte des Todes . Übers. von H. H. Henschen und U. Pfau. München: dtv 13 2015. 12 Luis de Góngora: Sonetos completos . Ed. de Biruté Ciplijauskaité. Madrid: Castalia 1969, 200. <?page no="128"?> 128 Georges Güntert brauche, schaufle er schon sein eigenes Grab. 13 Schädel, Sanduhr oder verwelkende Blumen werden zu Mahnbildern des Vergänglichkeitskults, der mit dem Verblassen der Jenseitserwartung immer beängstigendere Formen annimmt. Angst und Entsetzen weckt etwa die Kirchhof-Szene im fünften Akt des Hamlet : Während die Totengräber die Bestattung Ofelias mit gesellschaftskritischen und philosophischen Kommentaren begleiten, äußert Hamlet angesichts der überall herumliegenden Totenschädel ernüchternde Gedanken über die Nichtigkeit menschlicher Existenz - eine Einsicht, die durch keine Hoffnung auf Erlösung kompensiert wird. Auch die Bedeutung des Grabes hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Im Mittelalter wurden die Toten oft innerhalb des Kirchenraums ad sanctos , wie Philippe Ariès dies nennt, d. h. in unmittelbarer Nähe der Heiligen und ihrer Reliquien, bestattet. Das ändert sich in der frühen Neuzeit, teils infolge der Reformation, als Katholiken und Protestanten ihre eigenen Friedhöfe anlegen, teils aufgrund eines Gesinnungswandels zugunsten einer geistigeren Frömmigkeit. 14 Gedichte über kollektive Gräberanlagen sind vor dem Jahr 1700 selten. Immerhin erwähnt Jean Rousset in seinen Betrachtungen über die paysages funèbres einige Beispiele, die vor 1650 entstanden sind, darunter das Sonett À des cimetières von Tristan L’Hermite. 15 In dieselbe Reihe gehört Andreas Gryphius’ Sonett Einsamkeit , das den Anblick einer von Melancholie überschatteten Landschaft, «auf welche[r] Eulen nur und stille Vögel nisten», mit dem Vanitas-Motiv verbindet. 16 Doch erst das 18. Jahrhundert gilt in den Augen der Kulturhistoriker als Zeitalter der Friedhöfe, in dem nun immer häufiger auch von staatlicher Seite Vorschriften über den Zustand der Gräberanlagen erlassen werden. Die in England entstandene Friedhofdichtung darf als typische Erscheinung dieser Epoche gelten. In seiner 1751 verfassten Elegy Written in a Country Churchyard stellt Thomas Gray demokratische Gedanken über Alltag und Tod der einfachen Leute an, wobei ihn diese Ehrung der Namenlosen zu schroffer Ablehnung allen irdischen Reichtums und Pomps verleitet. 17 Zur Friedhofdichtung des 18. Jahrhunderts gehört eine besondere Form 13 Francisco de Quevedo: Obra poética , 2 vol. Ed. de José Manuel Blecua. Madrid: Castalia 2 1999, I, 150. 14 Philippe Ariès: Die Geschichte des Todes , 43-58 und 407-411. 15 Jean Rousset: La littérature de l’âge baroque en France. Circé et le paon . Paris: Corti 1954, 106-110, hier 109. 16 Andreas Gryphius: «Einsamkeit», in: Volker Meid (Hg.): Gedichte des Barock . Stuttgart: Reclam 1980, 129. 17 Poems by Mr. Gray . A new edition. London: J. Dodsley 1768. Zit. nach: Thomas Gray- / William Collins: Poetical Works . Ed. by Roger Lonsdale. Oxford: Oxford Press 1977, 33-39. Für die ital. Übersetzung von Melchiorre Cesarotti cf. Poesia italiana del Settecento . Ed. di Giovanna Gronda. Milano: Garzanti 1978, 166-172. <?page no="129"?> Poetiken der Grabesdichtung 129 der Empfindsamkeit, die in melancholischen Abendstimmungen mit Glockenschlag aus einsamen, efeuumrankten Türmen und im Mondlicht klagenden Eulen ihr bevorzugtes Szenarium hat. Oft eignet diesen Night Thoughts etwas Geheimnisumwittertes oder Makabres, was zweifellos zu ihrer Popularität beigetragen hat. In Italien macht Cesarotti nach 1760 sowohl Grays Elegy als auch die Gesänge Ossians in poetisch ansprechender Form bekannt, und andere Literaten übersetzen Parnells A Night-Piece on Death oder Youngs Night Thoughts ; alles Dichtungen, die auch dem jungen Foscolo imponierten, zitiert er doch in seiner Jugendlyrik den Namen Youngs gleich zweimal: «Trista è così de’ morti la campagna-| Allor che Young fra l’ombre de la notte- | Sul fato di Narcisa egro si lagna» ( In morte di Amaritte ), und ähnlich in Le ricordanze : «Era l’istante che su squallide urne-| scapigliata la misera Eloisa-| invocava le afflitte ombre notturne; -| e sul libro del duolo u’ stava incisa-| ETERNITADE E MORTE, a lamentarsi-| veniasi Young sul corpo di Narcisa». 18 Auch ist daran zu erinnern, dass Foscolos autobiographischer Roman Ultime lettere di Jacopo Ortis (1802) mit einem Epigraph aus Grays Elegy in der lateinischen Übertragung von Paolo Costa beginnt: Naturae clamat ab ipso vox tumulo. Im Original: Ev’n from the tomb the voice of Nature cries. 19 2.1 Foscolo: Das Grab als Ort der affektiven Kommunikation und als Dichtungsmetapher Die meisten italienischen Literaten, die kurz vor dem Jahr 1800 schrieben, so Alfieri, Pindemonte oder Monti, haben Motive aus der englischen Friedhofdichtung übernommen. Doch bei keinem anderen Dichter dieser Zeit erhält das Grab eine derart zentrale Bedeutung wie bei Ugo Foscolo. Dies ist für einen Autor, der seinen Tod im Exil und sein «unbeweintes Begräbnis» voraussah, erstaunlich. Betrachtet man diese Thematik in seinem Werk genauer, so erkennt man, dass zu Foscolos Grabesszenen immer auch die Figur der trauernden Mutter, seltener die der trauernden Geliebten, gehört. Der Tod erscheint als Heimkehr in den Mutterschoß, als Versöhnung der ruhelosen Existenz mit dem Sein, und es sind die Trauernden, die dem Grab als Ort des Gedenkens einen Sinn verleihen. In Foscolos Familiengeschichte ist der Tod insofern schon früh eine schmerzliche Realität, als der zukünftige Dichter im Alter von zehn Jahren 18 Cf. insbesondere «In morte di Amaritte» und «Le ricordanze» in: Ugo Foscolo: Opere . A cura di Mario Puppo. Milano: Mursia 5 1971, 72 und 80. 19 Ugo Foscolo: Ultime lettere di Jacopo Ortis . Introduzione e note di Guido Bezzola. Milano: BUR 5 1983, 45. Das lateinische Epigraph wird im Brief vom 25. Mai 1798 so übersetzt: «Geme la Natura perfin nella tomba», in: Foscolo: Ultime lettere , 110. <?page no="130"?> 130 Georges Güntert seinen Vater verliert und seine beiden Brüder - Giovanni noch zu seinen Lebzeiten, der jüngste viel später - Selbstmord begehen. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, auch mit dem eigenen Tod, erfolgt in einer Zeit des geistigen Umbruchs, der einen tiefgreifenden Wertewandel zur Folge hat. In seiner Grabeslyrik - man denke nur an Dei sepolcri (1807) - wird Foscolo versuchen, Werte zu stiften, indem er die noch weitgehend von christlich-religiösen Vorstellungen geprägte Mentalität seiner Landsleute durch die Vorgabe neuer ethischer und ästhetischer Ideale in andere Bahnen lenkt. Denn in den Sepolcri werden Notwendigkeit und Sinn des Grabes, besonders von Persönlichkeiten, die sich um das Vaterland verdient gemacht haben, dem materialistischen Zeitgeist zum Trotz ausdrücklich bejaht. Die Grabesthematik wird in den verschiedenen Schaffensphasen des Dichters unterschiedlich behandelt. In seinen frühesten Versen stellt sich Ugo vor, als verschmähter Liebhaber werde er seinem Leben vielleicht bald ein Ende setzen, um wenigstens am Grab als Opfer eines unseligen Schicksals beweint zu werden: «Funerei fiori e nenie- | dell’infelice madre- | me seguiran già cenere- | fra sorde pietre ed adre» ( A Saffo ). 20 Auch in den Ultime lettere di Jacopo Ortis finden sich ähnliche Aussagen des Romanhelden und zukünftigen Selbstmörders: «Eppur mi conforto nella speranza di essere compianto […]; ma la mia sepoltura sarà bagnata dalle lagrime di quella fanciulla celeste». 21 Wenig später überkommt Jacopo eine Vision, in der er sein eigenes Grab zu erblicken glaubt: M’affaccio al balcone ora che la immensa luce del Sole si va spegnendo, e le tenebre rapiscono all’universo que’ raggi languidi che balenano su l’orizzonte; e nella opacità del mondo malinconico e taciturno contemplo la immagine della Distruzione divoratrice di tutte le cose. Poi giro gli occhi sulle macchie de’ pini piantati dal padre mio su quel colle presso la porta della parrocchia, e travedo biancheggiare fra le frondi agitate da’ venti la pietra della mia fossa. E mi par di vederti [gemeint ist Lorenzo, der Empfänger des Briefes] venir con mia madre, a benedire, o perdonar non foss’altro alle ceneri dell’infelice figliuolo. 22 In all diesen Aussagen ist der junge Foscolo bereit, auf sein Leben, nicht aber auf sein Grab zu verzichten. Später, als ihn der Gedanke an ein Leben im Exil nicht mehr loslässt und er in der Dichtung das einzige ihm noch offenstehende Refugium erkannt hat, erscheint ihm seine illacrimata sepoltura als eine Art Sühneopfer, das er als Dichter auf sich zu nehmen bereit ist. Im 1802 entstandenen Sonett A Zacinto , in dem er nicht nur seinen mythischen Geburtsort, die 20 Foscolo: Opere , 12. 21 Foscolo: Ultime lettere , 109. 22 Ibid., 110. <?page no="131"?> Poetiken der Grabesdichtung 131 Insel Zakynthos, sondern auch sein ganzes tragisches Dichterschicksal besingt, kommt diese Wechselbeziehung zwischen dem fehlenden Grab und einer der Poesie geweihten Existenz erstmals deutlich zum Ausdruck, denn Foscolo ahnt, dass er sein Leben in der Ferne und in Einsamkeit beenden wird. Das Sonett endet so: «Tu non altro che il canto avrai del figlio,-| o materna mia terra; a noi prescrisse- | il fato illacrimata sepoltura ». 23 Eine Vertiefung der Grabespoetik bietet das in den Ausgaben der Sonetti unmittelbar folgende Gedicht In morte del fratello Giovanni , auf das ich näher eingehen möchte. Zum besseren Verständnis meiner Interpretation erachte ich ein Minimum an historischen Kenntnissen als unerlässlich. Dazu dies: Im April 1797 verlässt der noch nicht zwanzigjährige Foscolo seine Vaterstadt. Wie Jacopo Ortis erlebt er den Untergang der Republik Venedig als persönliche Katastrophe. Anders als Ortis jedoch lässt er sich vom napoleonischen Traum begeistern, wird Offizier, kämpft als Patriot auf Seiten der Franzosen, lebt und liebt intensiv in Mailand, Florenz und in der Normandie, wo ihm eine in Frankreich internierte Engländerin eine Tochter schenkt. Seine Begeisterung für Napoleon schwindet indessen bald, was ihn veranlasst, sich vermehrt seinen akademischen Studien zu widmen. Es folgt eine äußerst produktive Schaffensphase als Dozent in Pavia und als Dichter zunächst wieder in Mailand, dann in Florenz, wo er am ersten Gesang von Le Grazie arbeitet. Nach der Besetzung des Lombardo-Veneto durch die Österreicher flieht Foscolo in die Schweiz. Seine letzten Lebensjahre verbringt er in England, wo er als Publizist tätig ist, aber über seine Verhältnisse lebt, allmählich vereinsamt und 1827 in bitterer Armut stirbt. Seine sterblichen Reste, erst auf dem Friedhof von Chiswick begraben, werden 1871 nach Italien überführt und im Pantheon von Santa Croce feierlich beigesetzt. Anlass des Sonetts In morte del fratello Giovanni ist der Tod seines um drei Jahre jüngeren Bruders Gian Dionigi, der als angehender Offizier der Artillerie offenbar Spielschulden machte und sich im Dezember 1801 das Leben nahm. Die genauen Umstände, die zu dieser Tat führten, werden im Gedicht nicht erwähnt. Foscolo schreibt es aus der Ferne, da ihm die Rückkehr nach Venedig verwehrt ist. Die eigentliche Hauptperson des Gedichts jedoch ist die trauernde Mutter, die in ihren Gedanken am Grab mit dem verstorbenen Sohn über den noch lebenden spricht. Sie wird im Text zweimal erwähnt: Im zweiten Quartett erscheint sie als alternde Frau, «suo dí tardo traendo», die in ihrer Meditation Leben und Tod verbindet (« parla di me col tuo cenere muto»); am Ende des zweiten Terzetts wird sie zum überzeitlichen Symbol der trauernden Mutter, die den ganzen Lebenszyklus des Menschen, Geburt und Tod, in sich schließt. 23 Foscolo: Opere , 116. <?page no="132"?> 132 Georges Güntert Ich lese das Sonett in seiner definitiven Fassung von 1816, in der Foscolo die Interpunktion insofern verändert, als er das zweite Quartett nicht mehr mit einem Punkt, sondern mit einem Komma enden lässt und so über zwei Strophen hinweg ein syntaktisches Kontinuum erzeugt, wie es ihm in A Zacinto für den ganzen Textbereich gelungen war. 24 Die erste und die letzte Strophe hingegen bilden je einen Satz, doch prägt die Technik des Enjambements auch diese Teile: Un dì, s’io non andrò sempre fuggendo di gente in gente, mi vedrai seduto su la tua pietra, o fratel mio, gemendo il fior de’ tuoi gentili anni caduto. La madre or sol, suo dì tardi traendo, parla di me col tuo cenere muto, ma io deluse a voi le palme tendo; E se da lunge i miei tetti saluto, sento gli avversi Numi, e le secrete cure che al viver tuo furon tempesta, e prego anch’io nel tuo porto quïete. Questo di tanta speme oggi mi resta! Straniere genti, almen l’ossa rendete allora al petto della madre mesta. 25 Kehren wir zurück zum Bild der alternden Mutter am Grab. Dadurch dass die Mutter in ihren Gedanken und Worten Leben und Tod verbindet, wird sie zu einer Art ‹sprechendem Grab›. Zudem tut sie das, was das Gedicht auch tut: Ihr affektiv geprägtes Sprechen konfiguriert den poetischen Diskurs. Vom siebten Vers an wird diese Funktion vom lyrischen Ich übernommen, das mitten aus der Unruhe des Lebens heraus - mitfühlend, imaginierend und bittend (« prego anch’io nel tuo porto quïete») - die Grabesruhe seines Bruders sucht. Auch Foscolos lyrisches Ich verbindet also den Gedanken an sein unruhiges Leben mit der Vorstellung von zeitloser Ruhe. Er tut dies aber nicht am Grab, sondern als sprechendes Ich im poetischen Diskurs, im Gedicht. Besondere Beachtung verdient sein Wunsch nach einer Rückkehr post mortem in den Mutterschoß. Die ihren Dichtersohn beweinende Mutter gehört indes in eine unbestimmbare Zukunft (historisch gesprochen wird Diamantina Spatis zehn Jahre vor Ugo ster- 24 Durch die enge Verbindung der Strophen II und III werden die trauernde Mutter am Grab und der abwesende Dichter im gleichen Segment erwähnt, was für die Interpretation des Gedichts von nicht geringer Bewandtnis ist. 25 Foscolo: Opere , 38sq. <?page no="133"?> Poetiken der Grabesdichtung 133 ben! ), sie ist folglich Projektion und Symbol zugleich, und als solches erhält sie eine überzeitliche Geltung: Leben und Tod sind hier aufgehoben in einem Bild der Totalität, das den ganzen Lebenszyklus, Anfang und Ende, umfasst. Wollte man auch dieses Schlussbild metapoetisch deuten, so käme als Entsprechung nur der ganze, aus der Bewegung wieder zur Ruhe zurückfindende Diskurs in Betracht, wobei man in den «straniere genti» allenfalls eine Figur des Lesers sehen könnte. Im Sonett In morte del fratello Giovanni wird das ‹sprechende Grab› zur Textmetapher, und der poetische Diskurs selbst schreibt sich in die zyklische Dimension von Permanenz und Wandel ein, denn beide, Grab und Gedicht, sind Orte der Begegnung von Existenz und Sein. 2.2 Dei Sepolcri: Vom zivilisatorischen Wert der Gräber und der Dichtung Die Analogie von Grab und Dichtung ist ein Leitgedanke auch der Sepolcri , zu denen ich mich hier nur kurz äußern will. Anlass zu diesem 1806 entstandenen lyrisch-philosophischen Gesang - die Italiener sprechen von einem carme - war das napoleonische Edikt von Saint-Cloud, das nun auch die italienischen Behörden verpflichtete, die Friedhöfe an gesundheitlich geeigneten Orten außerhalb der Stadtmauern in gleichmachender, anonymisierter Form anzulegen. Angesichts der ständigen Zerstörung allen Lebens durch die Natur sah der aufgeklärte Zeitgeist im Grabeskult kaum mehr einen Sinn. Doch es regte sich Widerstand: Nicht nur Traditionalisten wie der im Text erwähnte Ippolito Pindemonte missbilligten das Edikt, auch Foscolo protestierte, wenn auch aus anderen Gründen. Hier eine Zusammenfassung seiner Gedankengänge, wie sie sich in Dei sepolcri präsentieren: Nachdem sich das lyrische Ich von den anfangs sich aufdrängenden materialistischen Überlegungen losgerissen hat, plädiert es mutig für das Beibehalten des persönlichen Grabes und verteidigt so die Illusion, der gemäß die Toten in der Erinnerung der Angehörigen eine Zeitlang weiterleben. Dies gelte erst recht, wenn sich der Verstorbene um das Gemeinwohl verdient gemacht habe, denn dem Grabeskult komme eine eminent zivilisatorische Bedeutung zu. Dem unverzeihlichen Verhalten der Mailänder, die ihren Dichter Parini im Gemeinschaftsgrab verscharrt haben («A lui non ombre pose-| tra le sue mura la città, lasciva-| d’evirati cantori allettatrice,-| non pietra, non parola»), wird das edle Bemühen der Stadt Florenz gegenübergestellt, die den herausragenden Persönlichkeiten des Vaterlandes, Machiavelli, Michelangelo und Galilei, in Santa Croce ein Pantheon geschaffen hat. 26 Alfieri, 26 Foscolo: «Dei Sepolcri. A Ippolito Pindemonte», vv. 71-75, in: id.: Opere , 131sq. <?page no="134"?> 134 Georges Güntert der nun selber dort ruhe, habe oft meditierend vor diesen Marmorgräbern gestanden. Auch Foscolo folgt seiner dichterischen Eingebung («me ad evocar gli eroi chiamin le Muse»), wenn er im letzten Teil des Gesangs die das Risorgimento begründenden Gräber von Santa Croce mit dem Grabeskult der Antike und seine eigene Poetik mit jener Homers in Verbindung bringt. Im alten Troja seien das Grab Elektras und das des Stadtgründers Ilo als Heiligtümer verehrt worden, bis dann eines Tages, als nach dem Untergang der Stadt nur noch diese Gräber zu sehen waren, ein blinder Dichter die ehrwürdigen Räume betreten habe und, durch sie inspiriert, die Heldentaten der Trojaner besungen und ihnen Unsterblichkeit verliehen habe. 3.1 Leopardi und die «Sepolcrali»: Sopra il ritratto di una bella donna Als «Sepolcrali» bezeichnet man zwei vermutlich erst in Neapel entstandene Kanzonen, Sopra un bassorilievo antico sepolcrale und Sopra il ritratto di una bella donna , die erstmals 1835 in der Starita-Ausgabe der Canti erschienen sind. 27 Beide Gedichte dokumentieren Leopardis Spätstil, der sich durch einen hohen Reflexionsgrad und durch das Fehlen des uneingeschränkt lyrischen Stils auszeichnet. Wo es - wie in Aspasia - scheint, als könne sich das Text-Ich mit den schönen Erscheinungen noch einmal identifizieren und dabei Glück empfinden, handelt es sich um bloße Täuschung, die sich als solche zu erkennen gibt. Aus dem Gesagten ergibt sich ein erster Unterschied zu Foscolo, bei dem die Grabeslyrik schon in der Jugenddichtung vorkommt. Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass Foscolo stets vom persönlichen Grab spricht, weil sein Anliegen das Weiterleben des Toten im Gedächtnis der Angehörigen oder der Gemeinschaft betrifft. Leopardis «Sepolcrali» hingegen sprechen schon im Titel von « una giovane morta […]» und vom «ritratto di una bella donna scolpito nel monumento sepolcrale della medesima», d. h. von unbekannten Toten, denn ihm geht es in diesen Betrachtungen um das Problem des Todes an sich und um die philosophischen Hintergründe dieses unabwendbaren Ereignisses. Ob die Entstehung der «Sepolcrali» tatsächlich, wie die Forschung heute mehrheitlich annimmt, mit dem Besuch Leopardis im römischen Atelier des Bildhauers Pietro Tenerani, einem Schüler von Thorvaldsen, zusammenhängt - Leopardi konnte dort im Oktober 1831 ein unvollendetes Basrelief mit der sich verabschiedenden jungen Frau und den Entwurf zu einer weiblichen Grabbüste 27 Einzelne Forscher, so Anna Vergelli ( Genesi e linguaggio delle Sepolcrali leopardiane . Roma: Bulzoni 1977), vermuten ein früheres Entstehungsdatum, doch wird ihr von kompetenter Seite (F. Fortini, V. Mengaldo und N. Bellucci) widersprochen. <?page no="135"?> Poetiken der Grabesdichtung 135 bewundern -, scheint mir von sekundärer Bedeutung zu sein. 28 Leopardis Beschreibung bleibt erstens zu generell, um eine referentielle Lektüre unumgänglich zu machen, und zweitens entspricht sie den auf Clelia Severinis Grabmal dargestellten Figuren nicht ganz. Zudem ist Leopardis Sprachkunst im Gegensatz zu jener Foscolos, der sein letztes großes Werk dem Bildhauer Canova widmet, nicht neoklassizistisch, und die von ihm beschriebenen Grabskulpturen werden nicht zu Simulakren seiner eigenen Dichtung. Foscolo hingegen versteht sein Dichten als eine dem Formen und Gestalten des Bildhauers analoge Tätigkeit, wenn er in Le Grazie , zu Canova gewandt, sagt «anch’io-| pingo e spiro a’ fantasmi anima eterna» und wenn er gleichzeitig daran erinnert, dass Apollo mit seiner Lyra die bildenden Künstler Phidias und Apelles inspiriert habe. Beginnen wir mit einem Kommentar zur Kanzone Sopra il ritratto di una bella donna scolpito nel monumento sepolcrale della medesima , die 56 in vier Strophen gegliederte Verse umfasst, wobei sich die Strophenlänge zum Ende hin auffallend verringert (19+19+11+7 Verse). Im gedrängten Finale kulminiert der im Gedicht zentrale Gedanke von der Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur in zwei spiegelsymmetrischen Fragen, die ohne Antwort bleiben: 50 Natura umana, or come, se frale in tutto e vile, se polve ed ombra sei, tant’alto senti? Se in parte anco gentile, come i più degni tuoi moti e pensieri 55 son cosí di leggeri da sí basse cagioni e desti e spenti? 29 Das Fehlen einer Antwort ist bezeichnend: Dem Dichter geht es nicht um das Verfechten einer These, sondern um ein quälendes Fragen hinsichtlich der Rätselhaftigkeit der menschlichen Natur, die in Schönheit erblüht, Großes erah- 28 Auf den Besuch Leopardis und Antonio Ranieris beim römischen Bildhauer Tenerani hat als erster Antonio Giuliano hingewiesen: «Giacomo Leopardi, Carlotta Lenzoni, Pietro Tenerani», in: Paragone. Arte 17.193 (1966), 87-94. Unter den neueren Studien zu dieser Frage verdient die Arbeit von Francesca Fedi: Mausolei di sabbia. Sulla cultura figurativa di Leopardi , besondere Beachtung. In diesem Werk ist der Gipsabguss des Grabmals für Clelia Severini, das Leopardi inspiriert haben soll, abgebildet (106). Doch die dargestellten Figuren, darunter ein Hund, entsprechen jenen der ersten «Sepolcrale» nicht. Leopardi verzichtet auf eine Beschreibung des Grabmals: Er spricht beispielsweise nie von der Disposition der Figuren und behauptet außerdem, ein «antikes Basrelief» vor sich zu haben. Fedi formuliert mit der nötigen Vorsicht, wenn sie schreibt: «È molto probabile che all’origine di questa come di altre invenzioni leopardiane ci sia un sovrapporsi di stimoli, il riaffiorare di immagini sepolte nella memoria, rielaborate sulla base di una nuova esperienza visuale o della volontà di dare consistenza plastica a un’idea» (101). 29 Leopardi: Canti , 251. <?page no="136"?> 136 Georges Güntert nen lässt und dennoch in kurzer Zeit zu Staub zerfällt. Beim Gedanken an die Vergänglichkeit stellt sich die Frage, was denn Leopardis «Sepolcrali» von der barocken Vanitas-Dichtung unterscheide. 30 Im Barock geht es um die Erkenntnis der Naturgesetze, deren Wirken für den Menschen grausam sein mag, aber einer inneren Logik nicht entbehrt; bei Leopardi wird die Ordnung der Dinge selbst hinterfragt, und sie erweist sich als unergründlich, vielleicht sogar als sinnlos. Lesen wir nun die erste Teilsequenz, Strophe I, und dazu gleich noch die folgenden vier Verse, in denen vom « mistero dell’esser nostro » die Rede ist. Nach der Interpretation dieser Anfangssequenz werde ich auch zur Struktur der zweiten Teilsequenz (Strophen II und III) einige Angaben machen: Tal fosti: or qui sotterra polve e scheletro sei. Su l’ossa e il fango immobilmente collocato invano, muto, mirando dell’etadi il volto, 5 sta, di memoria solo e di dolor custode, il simulacro della scorsa beltà. Quel dolce sguardo, che tremar fe’, se, come or sembra, immoto in altrui s’affisò; quel labbro, ond’alto 10 par, come d’urna piena, traboccare il piacer; quel collo, cinto già di desio; quell’amorosa mano, che spesso, ove fu porta, sentí gelida far la man che strinse; 15 e il seno, onde la gente visibilmente di pallor si tinse, furo alcun tempo: or fango ed ossa sei: la vista vituperosa e trista un sasso asconde. 20 Così riduce il fato qual sembianza fra noi parve più viva immagine del ciel. Misterio eterno dell’esser nostro. 31 30 In Leopardis Crestomazia Italiana fehlt es nicht an Beispielen zur Vanitas- und zur Todesthematik, cf. insbesondere die Dichtungen von Fulvio Testi oder Alfonso Varano: Giacomo Leopardi: Crestomazia italiana. La poesia . Torino: Einaudi 1968, 160sq. und 243-254. Zu diesen Beispielen äußert sich auch Novella Bellucci: Il «gener frale». Saggi leopardiani . Venezia: Marsilio 2010, «Sopra il ritratto di una bella donna», 161-187. 31 Leopardi: «Sopra il ritratto di una bella donna», vv. 1-23, in: Canti , 249sq. <?page no="137"?> Poetiken der Grabesdichtung 137 Die Eröffnungsstrophe hat evozierenden Charakter. Die auf dem Grabmal dargestellte Figur ruft dem sprechenden Ich die Schönheit der Verstorbenen in Erinnerung («quel dolce sguardo», «quel labbro», «quel collo», «quell’amorosa mano»). Dieses Evozieren erfolgt aber ausnahmslos in der disjunktiven Zeit des Perfekts, des passato remoto , was Distanz schafft und keine Identifikation mit dem Erinnerungsbild zulässt. Das Bewusstsein des Irreparablen wird - anders als in den ersten Strophen von A Silvia - nicht verdrängt, im Gegenteil: Das gleich zu Beginn erscheinende Bild der Verwesung bleibt im Blickfeld des Betrachters. Die erste Strophe kreist stets um denselben Punkt, ohne an der anfänglich gemachten Schreckensvorstellung etwas ändern zu können. Anfang und Ende bilden einen Chiasmus: hier der zu Staub werdende Körper, «ossa e fango», über dem das Grabmal errichtet wurde, dort dasselbe elende Häufchen von «fango e ossa», das der Stein verdeckt. 32 In der ersten Teilsequenz lassen sich Analogien zwischen der inhaltlichen und der metrisch-syntaktischen Sprachebene erkennen, bei denen es jeweils um den Gegensatz von Flüchtigkeit und Dauer geht (inhaltlich gesehen ist damit die Erfahrung von Zeit gemeint, im syntaktischen Bereich manifestiert sich der Vergleich von Lang und Kurz aber räumlich, als Dehnung und Raffung). Bei der Beschreibung des Grabmals und der einstigen Schönheit verlängern sich die Syntagmen und häufen sich die Elfsilber; dazwischen drängen sich aber die Siebensilber mit ihren schroffen Bemerkungen über die Endlichkeit des Lebens (« Tal fosti : or qui sotterra» oder «furo alcun tempo : or fango- | ed ossa sei […]»). Auch der Rhythmus ist kurzatmig, zergliedert, größeren Schwingungen abgeneigt. 33 Dies verhindert ein emotionales Mitgehen und lässt im Bewusstsein des Lesers keine Euphorie aufkommen. Längere Wörter (wie «immobilmente collocato invano», vom Grab gesagt) sind die Ausnahme; es überwiegt die Tendenz zur brevitas , was sich in den zahlreichen Monosillabi und Apokopen zeigt. Das Grabmal ist lediglich Ausgangspunkt der Meditation: Es fungiert nicht als Figur des dichterischen Diskurses. Diese Funktion wird vielmehr von den unversöhnlichen Gegensätzen übernommen, die sowohl semantischer als auch syntaktischer Natur sind: Bald zeigt sich dies im Kontrast von Schönheit und Verfall, Erhabenheit und Nichtigkeit, bald wieder in den Antithesen der Satzkonstruktion (etwa im Gegensatz von «oggi» versus «diman», auf dem nahezu die ganze zweite Strophe aufgebaut ist). 32 Die Kritik hat mehrmals auf diesen Chiasmus hingewiesen, so zuletzt Franco Fortini: «Sopra il ritratto di una bella donna», in: id.: Nuovi saggi italiani . Milano: Garzanti 1987, 56-85, hier 68. Man beachte ferner den Kommentar von Vincenzo Mengaldo zu «Sopra il ritratto di un bella donna», in: id.: Antologia leopardiana , 179-186. 33 Angiola Ferraris spricht von einem «ritmo franto, ricco di movimenti e di pause inattese, che spezzano il fluire cantabile del verso», cf. ead.: L’ultimo Leopardi , 86. <?page no="138"?> 138 Georges Güntert Von der einstigen Schönheit der Verstorbenen ist nur anfangs die Rede. In Strophe 2 fallen zwar wiederum die Begriffe «beltà» und «splendor», aber es geht hier nicht mehr um die weibliche Schönheit allein, sondern vielmehr um die Begeisterung, die Schönheit durch ihr himmlisches Leuchten in uns entzündet, so dass wir geneigt sind, ihr eine übernatürliche Herkunft zuzuschreiben: « Oggi d’eccelsi, immensi-| pensieri e sensi inenarrabil fonte-| beltà grandeggia, e pare,-| quale splendor vibrato-| da natura immortal su queste arene,-| di sovrumani fati,-| di fortunati regni e d’aurei mondi-| segno e sicura spene-| dare al mortale stato: -| diman […]» (vv. 23-32). Das sind Anspielungen auf religiöse oder andere optimistische Vorstellungen, die jedoch gleich wieder negiert werden. Von der zweiten Strophe an erscheinen die Gegensätze nicht mehr auf der horizontalen, sondern auf der vertikalen Achse: Ausdrücke des Sublimen wie «eccelso», «sovrumano», «immagine del ciel» kontrastieren mit solchen des Niederen oder Nichtigen: «su queste arene», «sozzo a vedere», «abbietto», «nulla». Die Wirkung des Schönen zeigt sich nicht zuletzt in den vom Menschen geschaffenen Kunstwerken, sei es in antiken oder der Antike nachempfundenen Statuen, sei es in musikalischen Kompositionen. Das Assoziieren von Schönheit, Harmonie und Musik ist denn auch das Thema der dritten Strophe. Die Musik, so heißt es, wecke jene «desiderii infiniti e visioni altere», die der empfindsame Zuhörer als Sehnsucht nach Unendlichkeit erfahre. Wenn Leopardi solche musikalischen Erfahrungen mit dem weiten Meer vergleicht, nimmt er eine zentrale Metapher aus Baudelaires Gedicht La musique vorweg, das mit den Worten beginnt: «La musique souvent me prend comme une mer! ». Anders als Baudelaire jedoch, der sich in La musique ganz der Poesie des Meeres verschreibt, bleibt Leopardi beim Begriff des Schönen, das sich im musikalischen Kunstwerk als Harmonie, «dotto concento», äußere, wobei aber schon ein einziger Misston genüge, um den Eindruck des Vollkommenen zu zerstören. Die Definition der Schönheit als vollkommene Harmonie erinnert ihrerseits an Winckelmann, dessen italienische Schriften Leopardi gekannt hat (die 1767 in Rom edierten Monumenti antichi inediti waren 1821 in neuer Ausgabe erschienen), und von Winckelmann stammt der Satz: «Der erste Anblick schöner Statuen ist bei dem, welcher Empfindung hat, wie die erste Aussicht auf das offene Meer, worin sich unser Blick verlieret». 34 Im Finale überwiegen wiederum die vertikalen Gegensätze, die an dieser Stelle an Pascals Begriffspaar von der Grandeur und Misère der Menschen erinnern: «[…] or come, se sei frale in tutto e vile […], tant’alto senti»? und «come i più 34 Johann Joachim Winckelmann: Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe . Hg. von Walther Rehm. Berlin: De Gruyter 1968, 308. Der hier erwähnte Satz stammt aus der Geschichte der Kunst des Althertums und wird bei Rehm in den Anmerkungen zitiert. <?page no="139"?> Poetiken der Grabesdichtung 139 degni tuoi moti e pensieri son […] da sí basse cagioni e desti e spenti? », wobei wie bei Pascal diesen Raumbezeichnungen eine starke ethische Komponente eignet. 35 In struktureller Hinsicht bildet dieser aus zwei Fragen bestehende Schluss die Makrosequenz B, die sich sowohl von A1 (dem Evozieren der weiblichen Schönheit am Grabmal) als auch von A2 (den immer abstrakter werdenden Beispielen von Erhabenheit und Nichtigkeit) abhebt und die dem Gedicht zugrundeliegende Reflexion auf den Punkt bringt. 3.2 Eine Poetik des Mitleids: Sopra un bassorilievo antico sepolcrale Werfen wir nun einen Blick auch auf die andere, in der Ausgabe der Canti unmittelbar vorangehende «Sepolcrale» : Sopra un bassorilievo antico sepolcrale, dove una giovane morta è rappresentata in atto di partire, accomiatandosi dai suoi . Diese Kanzone mit dem auffallend langen Titel umfasst 109 in sieben Strophen gegliederte Verse, die sich auf zwei thematisch unterschiedliche Sequenzen verteilen. In den ersten vier Strophen folgt man zunächst der Grabbildbetrachtung und anschließend der damit verbundenen Meditation über das menschliche Leben, das dem Unglück geweiht sei, und über den Tod, besonders über den Tod junger Menschen. Von der fünften Strophe an, mit der die zweite Sequenz beginnt, richtet das Text-Ich seine quälenden Fragen an die Natur, die den Tod junger Menschen zulässt und den Schmerz der Hinterbliebenen ignoriert, und diese Ich-Du-Beziehung hält sich bis zur letzten Frage. Eine Antwort bleibt diesmal nicht aus: Die Natur habe andere Sorgen, als sich um das Leiden der Menschen zu kümmern; sie stehe diesem gleichgültig gegenüber. Ist das nun die ganze Botschaft dieser Kanzone? Schreibt Leopardi zum Schluss Gedichte über philosophische Erkenntnisse, zu denen er sich schon früher in ähnlicher Form geäußert hat? Stehen wir vor einer Art Dichtung, die nur der Bestätigung von bereits erworbenen Gewissheiten dient? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Das eingangs betrachtete Bildnis stellt eine junge Frau dar, die sich von ihren Angehörigen verabschiedet und sich allein auf den Weg macht. Wohin? Das lyrische Ich erkundigt sich nach dem Ziel der Reise, wobei ihm der ernste Gesichtsausdruck und die beherrschte Haltung der Weggehenden auffallen. Als 35 Blaise Pascal: Pensées . Paris: Garnier 1961. «Car enfin, qu’est-ce que l’homme dans la nature? Un néant à l’égard de l’infini, un tout à l’égard du néant, un milieu entre rien et tout», so liest man in den Pensées (88), wobei Pascal der menschlichen Nichtigkeit anders als Leopardi nicht bloß die ebenfalls vergängliche Schönheit, sondern auch die Geistigkeit des Menschen entgegenhalten kann: «En un mot, l’homme connaît qu’il est misérable: il est donc misérable, puisqu’il l’est; mais il est bien grand, puis qu’il le connaît» (174). <?page no="140"?> 140 Georges Güntert Leser fragt man sich, warum Leopardis Text-Ich zunächst diese naive Betrachter-Haltung einnimmt und einmal sogar von der möglichen Rückkehr der jungen Frau spricht, als hätte man nicht längst verstanden, was dieser Abschied bedeutet. Das etwas langatmige Sich-Herantasten kennzeichnet indes den Aufbau des ganzen Diskurses, in dem der fragende Betrachter erst allmählich zum Wissenden wird. Ein Beispiel: Was in Strophe IV noch zaghaft als Vermutung vorgebracht wird («Mai non veder la luce-| era, credo , il miglior»), klingt in der letzten Strophe bestimmter: «[…] Che se nel vero,-| com’io per fermo estimo ,-| il vivere è sventura,-| grazia il morir […]» 36 . Es fragt sich nur, ob uns diese rationalen Gewissheiten zum Endergebnis der Aussage führen und ob die Gleichung ‹se il vivere è sventura, il morire è ventura› aufgeht. Vermutlich eben nicht. 37 Die Anfangssequenz ist als Präfiguration zu lesen, zumal das beschriebene Basrelief wichtige inhaltliche Aspekte des Gedichts vorwegnimmt: die Trennung, das Fragen nach dem Befinden der Fortgehenden und nach jenem der Zurückbleibenden. In der ersten Strophe richtet das Ich, wie gesagt, aus der Perspektive des Unwissenden vier Fragen an die Weggehende, die es wenig später selber beantwortet: « Morte ti chiama […]. Al nido onde ti parti,- | non tornerai . L’aspetto-| de’ tuoi dolci parenti-| lasci per sempre . Il loco-| a cui movi, è sotterra » (vv. 18-23). Ungelöst bleibt vorderhand die Frage, ob der Tod selbst als Glück oder als Unglück zu bezeichnen sei (« Forse beata sei; ma pur chi mira,-| seco pensando, al tuo destin, sospira», v. 25sq.). Aus intellektueller Sicht wird man den Tod in vielen Fällen als Erlösung bezeichnen können; handelt es sich aber wie hier um den Tod eines Menschen, der das Leben noch vor sich hatte, und bedenkt man das Leid der Angehörigen, erscheint alles viel komplexer. Genau dies ist die Meinung des sprechenden Ichs am Schluss der ersten Hauptsequenz, deren zentrales Anliegen der Tod junger Menschen ist: «[questo] dileguarsi così quasi non sorta » , dieses Sichauflösen kurz nach dem Erscheinen am Lebenshorizont, «questo se all’intelletto -| appar felice , invade-| d’alta pietade ai più costanti il petto» (vv. 38-43). Was dem Intellekt als glückliche Fügung erscheine, erfülle auch die stärksten Gemüter unter den Zurückbleibenden mit Wehmut und Erbarmen. Dem Tod aus der Sicht der Alleingelassenen gilt in der zweiten Hauptsequenz ein zutiefst bewegender Moment dieser «Sepolcrale». Gerade weil die Natur in Indifferenz verharrt, weil die Götter schweigen, wendet sich das Text-Ich ver- 36 Leopardi: «Sopra un bassorilievo antico sepolcrale», vv. 81-84, in: id.: Canti , 241-245, hier 244. 37 Gedanken zur Unstimmigkeit in dieser Kanzone finden sich bei María de las Nieves Muñiz Muñiz-: «Giacomo Leopardi: La logica della prima ‹Sepolcrale›», in: Lettere Italiane XLIV.3 (1992), 440-450. Die Autorin spricht von der radikalen Unversöhnlichkeit der «menschlichen Logik» mit der Naturordnung. <?page no="141"?> Poetiken der Grabesdichtung 141 mehrt dem Schmerz der Zurückbleibenden zu, für die es Mitleid fordert. Gegen Ende der Kanzone zeigt sich, wohin Leopardis Aussage in dieser «Sepolcrale» tendiert: zu einer ‹Poetik des Mitfühlens›. Hauptanliegen dieser Kanzone ist nicht so sehr die Bestätigung der Teilnahmslosigkeit seitens der Natur als vielmehr die Schilderung der Todeserfahrung aus der Sicht jener, die ihre Liebsten verlieren und allein zurückbleiben. Nicht nur der Tod junger Menschen kommt einem Skandal gleich, auch das Leiden der Zurückgelassenen ist empörend. Der Wunsch der Menschen nach einem Sinn der Schöpfung wird nicht erhört und schon gar nicht von der Natur, die ‹Leben schafft, um es zu zerstören› (v. 47). Leopardi vertieft hier seine Meditation über den Tod und geht über seine früheren, allzu intellektualistischen Thesen hinaus. Lesen wir zum Schluss die letzte Strophe, in der Leopardi bewegende, ja aufwühlende Worte zu diesem Thema findet, wodurch seine Dichtung einmal mehr betroffen macht und, obschon sie sich hier als Anklage präsentiert, sowohl in ästhetischer als auch in ethischer Hinsicht überzeugt: 75 Già se sventura è questo morir che tu destini a tutti noi che senza colpa, ignari, né volontari al vivere abbandoni, certo ha chi more invidiabil sorte 80 a colui che la morte sente de’ cari suoi. Che se nel vero, com’io per fermo estimo, il vivere è sventura, grazia il morir, chi però mai potrebbe, 85 quel che pur si dovrebbe, desiar de’ suoi cari il giorno estremo, per dover egli scemo rimaner di se stesso, veder d’in su la soglia levar via 90 la diletta persona con chi passato avrà molt’anni insieme, e dire a quella addio senz’altra speme di riscontrarla ancora per la mondana via; 95 poi solitario abbandonato in terra, guardando attorno, all’ore ai lochi usati rimemorar la scorsa compagnia? Come, ahi come, o natura, il cor ti soffre di strappar dalle braccia 100 all’amico l’amico, al fratello il fratello, <?page no="142"?> 142 Georges Güntert la prole al genitore, all’amante l’amore: e l’uno estinto, l’altro in vita serbar? Come potesti 105 far necessario in noi tanto dolor, che sopravviva amando al mortale il mortal? Ma da natura altro negli atti suoi che nostro male o nostro ben si cura. 38 4 Eugenio Montale im Dialog mit den Grabespoetiken des 18.-und 19. Jahrhunderts Die vier unter dem Namen Sarcofaghi vereinten Texte sind 1923, zwei Jahre vor dem Erscheinen von Montales erstem Lyrikband Ossi di seppia, entstanden. Sie gehören somit in jene frühe Phase, die Gianfranco Contini als die ‹negative und destruktive› Schaffensperiode des Dichters bezeichnet hat. 39 Continis Definition bedarf einer Präzisierung. In den frühen Zwanzigerjahren überwiegt im Werk Montales tatsächlich eine ablehnende Haltung gegenüber der ihm als allzu determiniert erscheinenden Wirklichkeit, die sich als Hauptursache seines mal di vivere erweist. Das existenzielle Unbehagen äußert sich in Form einer negativen Poetik, die in ihrer bekanntesten Formulierung so lautet: «Non domandarci la formula che mondi possa aprirti,-| sì qualche storta sillaba e secca come un ramo.-| Codesto solo oggi possiamo dirti,-| ciò che non siamo, ciò che non vogliamo». 40 Daneben gibt es aber schon immer die Erwartungshaltung des Dichters, der auf eine Befreiung aus dem Kerker der Determination hofft und den Leser auffordert, «die lose Masche im Netz, das uns einengt», zu suchen. Die Ossi di seppia bewegen sich folglich von Anfang an im Spannungsfeld zwischen einer abweisenden Wirklichkeit, die in Landschaftsbildern von spröder Sachlichkeit beschrieben wird (Mauern, Geröllhalden, trockene Flussbetten, verdorrte Zweige), und dem Wunsch nach Auflösung der starren Formen, nach Offenheit und Licht, was auch dem lyrischen Canto Auftrieb gäbe. Im Gedicht Portami il girasole beschreibt Montale diese Verwandlung so: «Tendono alla chiarità le cose oscure,-| si esauriscono i corpi in un fluire-| di tinte: queste in musiche. Svanire-| è dunque la ventura delle venture». 41 38 Leopardi: «Sopra un bassorilievo antico sepolcrale», vv. 75-109, in: id.: Canti , 244sq. 39 Gianfranco Contini: «Montale e La Bufera », in: id.: Altri esercizi (1942-1971) . Torino: Einaudi 1972, 145-157, hier 146. 40 Eugenio Montale: Ossi di seppia . A cura di Pietro Cataldi e di Floriana d’Amely. Milano: Mondadori 2003, 59. 41 Montale: «Portami il girasole», vv. 5-9, in: id.: Ossi di seppia , 73. <?page no="143"?> Poetiken der Grabesdichtung 143 Das existenzielle Unbehagen des Ichs, von dem wir sprachen, zeigt sich auch in den Sarcofaghi , besonders im ersten der vier Texte: Dove se ne vanno le ricciute donzelle. Die Aussage dieses Gedichts beruht auf dem Vergleich zwischen der prekären Daseinsform des Betrachters und jener des dargestellten Geschehens, das in zeitloser Stille verharrt. Auf dem Basrelief erkennt man einige Amphoren tragende Mädchen in antikisierender Kleidung, die in einer sonnenbeschienenen Landschaft einherschreiten. Ihr stummes Erscheinen verweist auf jene Art Ewigkeit, wie sie die Kunst gewährt. Bekanntlich waren sowohl die Sarcofaghi als auch eine erste Serie der Ossi di seppia ursprünglich dem mit Montale befreundeten Bildhauer Francesco Messina gewidmet, der es verstand, in seinen Werken neoklassizistische und modernistische Stilelemente kunstvoll zu verbinden. 42 Hier der erste Text, in dem Montale Ähnliches versucht: Dove se ne vanno le ricciute donzelle che recano le colme anfore su le spalle ed hanno il fermo passo sì leggero; e in fondo uno sbocco di valle invano attende le belle cui adombra una pergola di vigna e grappoli ne pendono oscillando. Il sole che va in alto, le intraviste pendici non han tinte: nel blando minuto la natura fulminata atteggia le felici sue creature, madre non matrigna, in levità di forme. Mondo che dorme o mondo che si gloria d’immutata esistenza, chi può dire? , uomo che passi, e tu dagli il meglio ramicello del tuo orto. Poi segui: in questa valle non è vicenda di buio e di luce. Lungi di qui la tua via ti conduce, 42 Eugenio Montale: Lettere e poesie a Bianca e Francesco Messina . A cura di Laura Barile. Milano: Scheiwiller 1995. Der Briefwechsel des Dichters mit dem Bildhauer dokumentiert die Entstehung der Ossi di seppia ; cf. insbesondere Montales Brief an diesen vom 27. September 1924, in dem der Dichter darauf hinweist, dass das letzte der vier Gedichte als Bindeglied zwischen den ‹etwas objektiv beschreibenden› Sarcofaghi und seinem übrigen Schaffen betrachtet werden könne (cf. Eugenio Montale: L’Opera in versi . Ed. critica a cura di Rosanna Bettarini e Gianfranco Contini. Torino: Einaudi 1980, 868). Zur Bedeutung neoklassizistischer Motive im Werk Montales und insbesondere in den Sarcofaghi cf. Ettore Bonora: La poesia di Montale. «Ossi di seppia» . Padova: Liviana 2004, 45-63. <?page no="144"?> 144 Georges Güntert non c’è asilo per te, sei troppo morto: seguita il giro delle tue stelle. E dunque addio, infanti ricciutelle, portate le colme anfore su le spalle. 43 Erinnert die eingangs gestellte Frage nach dem Wohin des Weges an Leopardis «Sepolcrale» 44 , so lässt die anschließende Beschreibung des in Stein gehauenen Idylls, in der von ‹heiteren Formen›, aber auch vom ‹Licht ohne Schatten› die Rede ist, keinen Zweifel an ihrer wichtigsten Inspirationsquelle aufkommen: Montale verweist hier auf das idealistische Kunstverständnis von Keats, wie es die Ode on a Grecian Urn verkündet. In der Intervista immaginaria von 1946 berichtet er, er habe schon früh ‹einige Sonette und Oden von Keats gelesen›, und anderswo antwortet er auf die Frage, welche Dichter ihm am Anfang seiner Laufbahn etwas bedeutet hätten, mit «lessi presto poesie di Shelley e Keats». 45 Doch inwieweit folgt Montale seinen Vorgängern? Während Leopardi Grabmäler beschreibt, um über die Vergänglichkeit des Schönen oder über den Tod nachzudenken, bewundert Keats an der Kunst jenes Entrücktsein, das sich der zerstörenden Zeit entzieht. Montale bewundert diese Ästhetik, gewichtet aber anders: Zwar vergleicht auch er die Unbeweglichkeit der Grabskulpturen mit dem flüchtigen Leben, doch der Akzent verschiebt sich bei ihm von der Überlegenheit der Kunst auf die ontologische Krise des Kunstbetrachters, von dem paradoxerweise gesagt wird: «non c’è asilo per te, sei troppo morto ». Die beiden Bereiche erweisen sich als unvereinbar, und gleichzeitig distanziert sich Montales Poetik, die stets das mal di vivere im Auge behält, von jener Keats. Das Gedicht gliedert sich in zwei Sequenzen, in der zuerst vom zeitlosen Raum der Kunst (vv. 1-16), dann von der Zeitlichkeit der menschlichen Existenz (vv. 17-25) gesprochen wird. Auffallend bei der Beschreibung der Grabskulpturen ist der häufige Subjektwechsel: Es ist, als sei hier alles, wandelnde Gestalten und pflanzliches Zierwerk, gleichwertig; auch werfen die vom Licht beschienenen Formen keine Schatten, was auf das Fehlen von Kontrasten hindeutet. Der Gleichklang der Silben (so im Doppelreim «donzelle» - «spalle», «valle» -«belle») unterstreicht diese egalisierende Tendenz, wobei der Chiasmus zusätzlich ein Kreisen im geschlossenen Raum symbolisiert. Auch in der zweiten Sequenz kommt es zu einem Subjektwechsel, doch hier bewegen wir uns in der existenziellen Dimension. Das Subjekt wird nun zusehends persönlicher: Aus 43 Montale: «Dove se ne vanno le ricciute donzelle», vv. 1-25, in: id.: Ossi di seppia , 39sq. 44 Zur Präsenz Leopardis im Werk Montales cf. Gilberto Lonardi: «Lungo l’asse leopardiano», in: id.: Il Vecchio e il Giovane e altri studi su Montale . Bologna: Zanichelli 1980, 73-120, und Romano Luperini: Montale e l’allegoria moderna . Napoli: Liguori 2012, vor allem 63-73. 45 Eugenio Montale: Sulla poesia . Milano: Mondadori 1976, 602, cf. auch 106 und 566. <?page no="145"?> Poetiken der Grabesdichtung 145 dem generellen «uomo che passi», wie der vorübergehende Betrachter zuerst genannt wird, wird schon bald ein den Leser miteinbeziehendes ‹Du›, und im letzten Distichon, wo mit dem Abschiedsgruß der Bezug zum Anfang wieder hergestellt wird («e dunque addio, infanti ricciutelle- | portate le colme anfore su le spalle»), kommt auch das lyrische Ich zu Wort. Dem Wanderer bleibt, ungeachtet seiner Hinfälligkeit, ein Weg («poi segui », «lungi di qui la tua via ti conduce», « seguita il giro delle tue stelle»), während die auf dem Sarkophag endlos Dahinschreitenden niemals zu ihrem Ziel gelangen. Das an sie gerichtete Adieu besiegelt die Trennung zwischen Existenz und Sein und wird zum Bekenntnis der eigenen menschlichen Begrenztheit. Die Struktur der folgenden zwei Gedichte gleicht auf den ersten Blick der des Eröffnungstextes: hier das Basrelief, dort der Vorbeigehende. Allerdings fällt auf, dass das Argument der ontologischen Diskrepanz zwischen Bild und Bildbetrachter nicht weiter verfolgt wird. Die Sujets der zwei neuen Sarkophage betreffen wiederum jene ‹andere› Seinsform, sei es die des Kunstwerks, das sich als solches durch die Verwendung von Ausdrücken wie «fittizia doglia» zu erkennen gibt, sei es die des Todes, der als Schlaf dargestellt wird. 46 In Ora sia il tuo passo più cauto sieht man ein für immer verschlossenes Tempeltor und auf dessen grasbewachsener Schwelle einen Wächterhund liegen, von dem gesagt wird, er werde «sich niemals mehr erheben». Das Bild der nicht zu überschreitenden Schwelle und des verschlossenen Tors vermittelt den Eindruck des Endgültigen, womit zweifellos der Tod gemeint ist. Ob Montale mit der über dem Tempeldach thronenden Wolke auf eine sich verhüllende Gottheit anspielt, lasse ich offen: 46 Falcomer kommentiert die Überlagerung von Kunstwerk und Tod so: «Nuovamente, immobilità della morte e immobilità della struttura si uniscono nella realtà ambigua, liminare, del sonno», in: Ezio Falcomer: «Pellegrino verso ‹dolci esigli›. Analisi dei Sarcofaghi di Montale», in: Otto/ Novecento 17 (1993), 200-213, hier 209. <?page no="146"?> 146 Georges Güntert Ora sia il tuo passo Il fuoco che scoppietta più cauto: a un tiro di sasso nel caminetto verdeggia di qui ti si prepara e un’aria oscura grava una più rara scena. sopra un mondo indeciso. Un vecchio stanco La porta corrosa di un tempietto dorme accanto a un alare è rinchiusa per sempre. il sonno dell’abbandonato. Una grande luce è diffusa In questa luce abissale sull’erbosa soglia. che finge il bronzo, non ti svegliare E qui dove peste umane addormentato! E tu camminante non suoneranno, o fittizia doglia, procedi piano; ma prima vigila steso al suolo un magro cane. un ramo aggiungi alla fiamma Mai più si muoverà del focolare e una pigna in quest’ora che s’indovina afosa. matura alla cesta gettata Sopra il tetto s’affaccia nel canto: ne cadono a terra una nuvola grandiosa. 47 le provvigioni serbate pel viaggio finale. 48 In Il fuoco che scoppietta nimmt Montale auf ein Bronzerelief Bezug. Darauf erkennen wir einen Innenraum, in dem ein Alter neben dem Kaminfeuer ‹den Schlaf des Verlassenen› schläft. Sein regungsloses Verhalten kontrastiert mit dem Funken sprühenden, knisternden Feuer - einem Lebenssymbol, obschon es in der jenseitigen, ‹unentschiedenen› Welt brennt. Anders als der Betrachter hat der Schlafende keinen Zugang zur Feuerstelle. Jenem wird empfohlen, einen ‹Zweig in die [dargestellte] Flamme› und ‹einen reifen Pinienzapfen in den Korb› zu werfen, damit der Verstorbene seine ‹letzte Reise› antreten könne. Wenn es sich aber so verhält, dass nur der im Diesseits Zurückbleibende das Weiterleben des Verstorbenen gewährleisten kann, so muss man annehmen, dass hier, ganz im Sinne Foscolos, das Andenken an die Toten im Bewusstsein der Lebenden gemeint sei. Das vierte und letzte Gedicht unterscheidet sich insofern von den drei vorherigen, als kein einzelner Sarkophag mehr erkennbar ist und der anonyme Betrachter hier durch die Figur eines Handwerkers oder Künstlers, frei nach Carducci «artiere» genannt, ersetzt wird. Auch die literarischen Bezugstexte sind nicht mehr dieselben wie im Eröffnungsgedicht. Neu dazu kommen Thomas Grays Elegy Written in a Country Churchyard in der Übersetzung von Cesarotti, für die Passage, die sich auf die Gräber der wenig bekannten Toten bezieht, dann Foscolos Dei sepolcri , auf die der Latinismus « derelitte lastre» verweist, und schließlich die literarische Tradition Italiens von Carducci bis D’Annunzio, der die Bezeichnung «artiere» entnommen ist; einzig Leopardi, dem Montale hier das Bild der tanzenden Kaninchen oder Hasen verdankt, war schon im ersten 47 Montale: «Ora sia il tuo passo», vv. 1-15, in: id.: Ossi di seppia , 41sq. 48 Montale: «Il fuoco che scoppietta», vv. 1-16, in: id.: Ossi di seppia , 43sq. <?page no="147"?> Poetiken der Grabesdichtung 147 Text der Sarcofaghi präsent. 49 Montales Umgang mit den Quellen ist kreativ genug, um die Originalität der eigenen Aussage zu gewährleisten. So braucht er die seltene Bezeichnung «artiere» nicht, um seine Belesenheit zu demonstrieren, sondern um die semantische Polyvalenz dieses Wortes voll auszuschöpfen. Schon Carducci brauchte es als Attribut des Poeten, und um das Auftreten des Dichters in der Gestalt eines Bildhauers geht es auch in Montales Schlussversen (vv. 15-22). 50 Sein Künstler sucht nach passenden Motiven ( segnali , fregi ) für neue Grabsteine, d. h. für neue Werke. Lesen wir nun noch den vierten Text, den Montale einmal als den ihm am nahestehendsten bezeichnet hat. Tatsächlich gelingt es ihm hier, den objektiv beschreibenden Stil der vorausgehenden Texte hinter sich zu lassen und eine Ausdrucksform zu finden, die den Kern seiner zukünftigen Dichtung trifft: 51 Ma dove cercare la tomba dell’amico fedele e dell’amante; quella del mendicante e del fanciullo; dove trovare un asilo per codesti che accolgono la brace dell’originale fiammata; oh da un segnale di pace lieve come un trastullo l’urna ne sia effigiata! Lascia la taciturna folla di pietra per le derelitte lastre ch’ànno talora inciso il simbolo che più turba poiché il pianto e il riso parimenti ne sgorgano, gemelli. Lo guarda il triste artiere che al lavoro si reca e già gli batte ai polsi una volontà cieca. 49 Leopardi: «La vita solitaria», vv. 70-74, in: id.: Canti , 130. 50 «Il poeta è un grande artiere- | che al mestiere- | fece i muscoli d’acciaio», schreibt Carducci in Congedo . Cf. Giosuè Carducci: Rime Nuove . Interpretazione e commento di Pietro Paolo Trompeo e Giambattista Salinari. Bologna: Zanichelli 1970, 480. E. Falcomer, in «Pellegrino verso ‹dolci esigli›», kommentiert Montales Text wie folgt: «Ma quella dell’artiere, immagine ripresa dal lessico carducciano e dannunziano, può rappresentare anche il poeta stesso, poeta-scultore alla ricerca di un soggetto più fecondo che non il freddo scorrere di immagini cristallizzate […], ma irrimediabilmente estranee nella loro classicità» (211). 51 «Piero Gobetti s’è mezzo impegnato a pubblicare il mio volume: nel quale figurerà, a te dedicata, Sarcofaghi , che si chiude con una visione Vita-Morte che riaccosta i tre bassorilievi precedenti, un po’ oggettivi, al resto delle mie cose». Brief vom 27. September 1924 an Francesco Messina, in: Montale: Lettere e poesie a Bianca e Francesco Messina 1923- 1925 , 182. <?page no="148"?> 148 Georges Güntert Tra quelle cerca un fregio primordiale che sappia pel ricordo che ne avanza trarre l’anima rude per vie di dolci esigli: un nulla, un girasole che si schiude, ed intorno una danza di conigli … 52 Im Brief vom 27. September 1924 an Francesco Messina schreibt Montale, der Zyklus der Sarcofaghi schließe mit einem Blick auf Leben und Tod («si chiude con una visione Vita-Morte»). 53 Genau betrachtet verläuft die Bewegung im umgekehrten Sinn: vom Tod zum Leben, von der Beschreibung des radikal Anderen zu einer sich wieder auf die eigene tägliche Arbeit berufenden Aussage. Der Text beginnt im Sinne Grays und Foscolos als Friedhofsgedicht (vv. 1-14), zumal sich auch hier der Blick auf die Gräber der Namenlosen mit dem Wunsch nach würdevollem Gedenken verbindet; er endet jedoch mit dem Willen zum Aufbruch und zum schöpferischen Gestalten (vv. 15-22). Nicht das christliche Kreuz, das hier auf vielen Grabsteinen eingemeißelt sei («il simbolo che più turba»), vermag die Phantasie des Künstlers anzuregen, sondern einige aus der Erinnerung auftauchende Bilder mit starkem Symbolcharakter. So der ‹Tanz der Kaninchen›, der, ähnlich wie jener von Leopardis Hasen, die im Mondlicht ihre Spuren verwischen und die Geduld ihrer Verfolger auf eine harte Probe stellen, als Ausdruck der Lebenslust gelten darf. 54 Als ebenso lebensbejahend erweist sich das Bild der Sonnenblume, die sich stets dem Licht zuwendet und die im Werk Montales den Clizia-Mythos begründen wird. Beide Bilder erlauben uns, in der Figur des «triste artiere» nicht nur den nach neuen Motiven Ausschau haltenden Bildhauer, sondern, wie gesagt, auch den Dichter zu sehen, dessen Phantasie beim Verlassen des Friedhofs von neuem Schaffensdrang beflügelt wird. Die beiden letzten Verse «un nulla, un girasole che si schiude- | ed intorno una danza di conigli» nehmen die Poetik von Montales zweitem Buch, Le occasioni , teilweise vorweg. Denn durch sein Bekenntnis zu einer dichterischen Eingebung, die der Erinnerung entspringt und lebensnah bleibt, sagt sich Montale sowohl von Keats Ästhetizismus als auch von der Grabespoetik seiner Vorgänger endgültig los. 52 Montale: «Ma dove cercare la tomba», vv. 1-22, in: id.: Ossi di seppia , 45-47. 53 Brief an Francesco Messina vom 27. September 1924, in: Montale: Lettere e poesie a Bianca e Francesco Messina , 182. 54 In La vita solitaria , vv. 81-84, spricht Leopardi von im Mondlicht tanzenden Hasen. Sein Bild stammt aus der Sprache der Mystik, was durch den folgenden Eintrag bestätigt wird: «Kempis. Luna viaggiatrice. Lepri che saltano fuori dei loro covili nelle selve ec. e ballano al lume della luna, onde ingannano il cacciatore co’ loro vestigi, e i cani», in: Leopardi: «Erminia», in: id.: Tutte le opere , I, 333. Cf. auch die Bemerkungen zu Thomas von Kempis in: Leopardi: «Ricordi d’infanzia e d’adolescenza», in: id.: Tutte le opere , I, 360. <?page no="149"?> Poetiken der Grabesdichtung 149 Literaturverzeichnis Carducci, Giosuè: Rime Nuove . Interpretazione e commento di Pietro Paolo Trompeo e Giambattista Salinari. Bologna: Zanichelli 1970. Foscolo, Ugo: Opere . A cura di Mario Puppo. Milano: Mursia 5 1971. -: Ultime lettere di Jacopo Ortis . Introduzione e note di Guido Bezzola. Milano: BUR 1983. Góngora, Luis de: Sonetos completos . Ed. de Biruté Ciplijauskaité. Madrid: Castalia 1969. Gozzano, Guido: Poesie . Introduzione e commento di Edoardo Sanguineti. 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Während Leopardi noch ganz selbstverständlich auf die lange rhetorische Tradition der italienischen Lyrik Bezug nimmt und seine Dichtungen, aber auch seine Prosawerke beinahe durchgehend aus einem Dialog mit den klassischen Autoren der griechisch-römischen Antike hervorgehen, tritt Montale mit einer Formulierung von Christine Ott zunächst als «Dichter der Sprachkritik» 1 in Erscheinung, der insbesondere der Rhetorizität lyrischer Rede grundsätzlich misstraut und in einer emblematisch gewordenen Stelle aus I limoni den inkriminierten «poeti laureati» (v. 1) die Gefolgschaft verweigert. 2 Trotz dieser schon auf den ersten Blick hervortretenden Differenzen sind die Bezüge zwischen Leopardi und Montale der bisherigen Forschung nicht entgangen, doch beschränkt sich diese überwiegend auf den Nachweis einzelner lexematischer Übernahmen und gelegentlicher weltbildlicher Anklänge. 3 Wo bildliche Bezugnahmen thematisch werden, geschieht dies punktuell und ohne konsequente Rückbindung an die jeweils gegebenen poetologischen Kontexte und deren doch gewichtige Unterschiede. Dabei scheint es kein Zufall, dass die Rezeption Leopardis durch Montale gerade im Medium des lyrischen Bildes besondere Produktivität erreicht. Hierzu sei eine kurze Digression gestattet. 1 Cf. Christine Ott: Torso-Göttin Sprache. Eugenio Montales Poetik im Medium seiner Lyrik . Heidelberg: Winter 2003 (Studia Romanica, 115). 2 Eugenio Montale: Ossi di seppia . Hg. v. Pietro Cataldi und Floriana d’Amely. Mailand: Mondadori 2003, 12. Sämtliche Zitate aus den Ossi di seppia erfolgen im Weiteren nach dieser Ausgabe. 3 In diesem Sinne etwa auch die bislang systematischsten Einzelstudien von Claire Huffman: «Eugenio Montale and Giacomo Leopardi», in: Italian Quarterly 28 (1987), 25-33 und Giuseppe Savoca: «Il Leopardi di Montale tra prosa e poesia», in: Revue des études italiennes 44 (1998), 235-249. <?page no="152"?> 152 Paul Strohmaier Die Rede von der Bildlichkeit eines Textes bildet selbst immer schon eine Trope: Ein Effekt, den eine bestimmte Auswahl und Verknüpfung sprachlicher Zeichen auf die Vorstellungskraft eines Rezipienten ausübt, wird rückwirkend als Merkmal des Textes selbst betrachtet. In der rhetorischen Tradition wurde dieses ‹Vermögen› eines Textes, prägnante Bilder hervorzurufen, vorzugsweise unter den Begriff der enargeia und der evidentia verhandelt. 4 Bedeutsam für das Verhältnis der Lyrik Montales zu derjenigen Leopardis ist aber ebendieser, in der Rede von der Bildlichkeit eines Textes meist unterschlagene Prozess der Übersetzung von einem Medium (sprachliche Zeichen) in ein anderes (Vorstellungsbilder). 5 Gerade dieser Hiatus erlaubt es, im Zuge seiner Überbrückung, dass sich ‹bildliche› Konstellationen, die von einem lyrischen Text hervorgerufen werden, bis zu einem gewissen Grad von ihrer sprachlichen Emergenzgrundlage lösen können und so in andere poetologische Kontexte übertragbar werden, die auf sprachlich-stilistischer Ebene zunächst inkompatibel erscheinen mögen. 6 Durch diesen Doppelstatus als Verbindung sprachlicher Zeichen und deren Substitution durch Vorstellungsbilder gewinnt das lyrische Bild an Spielraum und kann auch zwischen zunächst gegensätzlich anmutenden poetologischen Kontexten zirkulieren. Im lyrischen Bild entsteht damit par excellence das, was 4 Zur Diskursgeschichte dieses Vor-Augen-Stellens cf. Rüdiger Campe: «Vor-Augen-Stellen. Über den Rahmen rhetorischer Bildgebung», in: Gerhard Neumann (Hg.): Poststrukturalismus. Herausforderung an die Literaturwissenschaft . Stuttgart- / Weimar: Metzler 1997 (Germanistische Symposien-Berichtsbände, 18), 208-225. 5 Cf. allgemein hierzu auch Kathrin Kohl: Metapher . Stuttgart- / Weimar: Metzler 2007, 11-15. 6 Diese Dimension führt auch die Theoriebildung an ihre Grenzen, die zwar die sprachliche Seite des Textes in Form gesicherter Wortlaute als Fundament nutzen, die Qualität mentaler Bilder jedoch nur in Form sprachlicher Rückübersetzungen thematisieren kann, da diese selbst im «Niemandsland [sic! ] der reinen Subjektivität» ihren Schauplatz haben. Gottfried Willems: Anschaulichkeit. Zu Theorie und Geschichte der Wort-Bild-Beziehungen und des literarischen Darstellungsstils . Tübingen: Niemeyer 1989 (Studien zur deutschen Literatur, 103), 5. Willems Theorie der Anschaulichkeit versteht sich indes als eine Art Fundamentaltheorie des literarischen Modus selbst, weshalb die spezifisch «bildliche» Modalität literarischer Texte als eine ihre Möglichkeiten unter anderen etwas unausgeleuchtet bleibt, weil diese «anschauliche» Qualität immer schon die Abgrenzung des literarischen Textes als eines solchen garantieren soll. Willems belässt es hinsichtlich der oben angesprochenen «Übersetzung» von Worten in Bilder bei recht allgemeinen Erwägungen und spricht «von der inneren Bildlichkeit des literarischen Worts» (55), das er im Rückgriff auf Kants Schema-Begriff aus der Kritik der reinen Vernunft als ein «grundsätzliches Bezogensein auf möglichen Sinnenschein» (65) des Wortes näher bestimmt. Spezifischer zum Phänomen des lyrischen Bildes cf. Ralf Simon: Die Bildlichkeit des lyrischen Textes. Studien zu Hölderlin, Brentano, Eichendorff, Heine, Mörike, George und Rilke . München: Fink 2011, 11-55. <?page no="153"?> Schwellenbilder 153 Jurij Lotman als den «Eindruck geringerer Kodebedingtheit» bezeichnet hat. 7 Gerade für einen so kode-sensitiven und das heißt immer auch sprachskeptischen Lyriker wie Montale gewinnt diese Eigenschaft lyrischer Bilder damit besonderen intertextuellen Reiz. Da die Aufnahme und Anverwandlung leopardischer Bildlichkeit sich am prägnantesten in Montales lyrischem Debüt zeigt, werden sich die folgenden Ausführungen weitgehend auf die Ossi di seppia beschränken. 8 Damit bleibt insbesondere zu fragen, inwiefern die aus Leopardis L’infinito vertraute Grenz- und Schwellenfiguration bei Montale wiederkehrt, ebenso wie die metapoetische Figuration von Dichtung als an den Grenzen des Lebbaren wurzelnde Pflanze, wie sie La ginestra entwickelt. Ferner bleibt zu klären, welche Rolle hierbei Leopardis teoria del piacere zukommt, ebenso wie seiner ästhetisch folgenreichen Reflexion über die Kindheit. Hieraus wiederum soll deutlich werden, weshalb gerade Leopardi Montale solch wichtige Anknüpfungspunkte bereitstellt, die schließlich in der Präzisierung einer Poetik münden, die sich von derjenigen Leopardis deutlich unterscheidet. Montales Dialog mit Leopardi ist damit jedoch nicht an sein Ende gelangt, auch wenn ab Le occasioni andere Dichter, insbesondere Dante, intertextuell in den Vordergrund treten. Mit der Lyrik des späteren, des ‹secondo› Montale beginnt, wie abschließend zu zeigen ist, eine Leopardisierung von Montales Weltsicht, die wiederum Konsequenzen für den Status des lyrischen Bildes hat. Figurationen von Grenzen und Schwellen bilden eines der Leitmotive in den Ossi di seppia , vom Auftaktgedicht «In limine», in dem ein «erto muro» (v. 10) erscheint, über die «gran muraglia» (v. 63) in «Crisalide» bis zu den berühmten Versen aus Meriggiare pallido e assorto : «com’è tutta la vita e il suo travaglio-| in questo seguitare una muraglia- | che ha in cima cocci aguzzi di bottiglia» (vv.- 15-17). Zu dieser Isotopie der Mauer gesellen sich diejenigen der Klippen und des Horizonts, die durchweg eine unüberschreitbare Grenze konturieren, die etwa von Karin Westerwelle in ihrer Interpretation von «Casa sul mare» in Bezug zu der siepe aus Leopardis L’infinito gesetzt worden ist. Doch scheint es zu kurz gegriffen, hierin vor allem eine «Vergegenwärtigung der Endlichkeit des menschlichen Daseins» 9 zu sehen, und auch die Hervorhebung von Montales 7 Jurij M. Lotman: Die Struktur literarischer Texte . Übers. v. Rolf-Dietrich Keil. München: Fink 4 1993, 91. 8 Bereits in einem Text von 1933, der anlässlich der dritten Auflage der Ossi di seppia konzipiert wurde, bemerkt Contini die Präsenz Leopardis in Form gewisser «reminiscenze», die freilich nicht weiter präzisiert werden. Gianfranco Contini: «Introduzione a Ossi di seppia », in: id.: Una lunga fedeltà. Scritti su Eugenio Montale . Turin: Einaudi 1974, 3-16, hier 9. 9 Karin Westerwelle: «Forse solo chi vuole s’infinita. Die Konstruktion der Grenze in der Lyrik Eugenio Montales», in: Joachim Leeker / Elisabeth Leeker (Hg.): Text - Interpreta- <?page no="154"?> 154 Paul Strohmaier «Pessimismus und Negativität» 10 suggeriert eine zu uneingeschränkte Kontinuität zu Leopardi, die sich in einer umfassenderen Betrachtung von Montales Gedichtsammlung weit nuancierter darstellt. Die Isolation einzelner Motive aus den Ossi di seppia und ihre intertextuelle In-Bezug-Setzung muss auch ihre sammlungsinterne Syntagmatik berücksichtigen, zumal gerade das Motiv der Schwelle in den Ossi di seppia eine entscheidende Entwicklung durchläuft, die unter den Vorzeichen von Pessimismus und Negativität allein nicht zu erfassen ist. Diese Evolution der Schwelle in der Lyrik des frühen Montale soll in der Abfolge dreier Gedichte kurz nachgezeichnet werden, in denen sich ein durchgehend mitlaufender Dialog mit Leopardi nachweisen lässt, in dem Aufnahmen und Abgrenzungen einander unentwegt begleiten: Fine dell’infanzia , Arsenio und L’agave sullo scoglio . Bevor wir uns jedoch dem umfangreichen Gedicht Fine dell’infanzia zuwenden, das zuweilen als Beleg für einen vermeintlichen leopardismo Montales gewertet wird, 11 soll kurz die grundlegende poetologische und ästhetische Bedeutung der Kindheit in Leopardis Denken und insbesondere innerhalb seiner teoria del piacere vergegenwärtigt werden. Ein Eintrag im Zibaldone vom 16. Januar 1821 formuliert diese in aller Klarheit: Da fanciulli, se una veduta, una campagna, una pittura, un suono ec. un racconto, una descrizione, una favola, un’immagine poetica, un sogno, ci piace e diletta, quel piacere e quel diletto è sempre vago e indefinito: l’idea che ci si desta è sempre indeterminata e senza limiti: ogni consolazione, ogni piacere, ogni aspettativa, ogni disegno, illusione […] di quell’età tien sempre all’infinito: e ci pasce e ci riempie l’anima indicibilmente, anche mediante i minimi oggetti. Da grandi, o siano piaceri e oggetti maggiori, o quei medesimi che ci allettavano da fanciulli, come una bella prospettiva, campagna, pittura ec. proveremo un piacere, ma non sarà più simile in nessun modo all’infinito, o certo non sarà così intensamente, sensibilmente, durevolmente ed essenzialmente vago e indeterminato. […] Anzi osservate che forse la massima parte delle immagini e sensazioni indefinite che noi proviamo pure dopo la fanciullezza e nel resto della vita, non sono altro che una rimembranza della fanciullezza […]. Così che la sensazione presente non deriva immediatamente dalle cose, non è un’immagine degli oggetti, ma della immagine fanciullesca; una ricordanza, una ripetizione, una ripercussione o riflesso della immagine antica . ( Zib. 514-516) 12 tion - Vergleich. Festschrift für Manfred Lentzen zum 65. Geburtstag . Berlin: Schmidt 2005, 456-474, hier 466. 10 Ibid., 456. 11 Cf. Luigi Blasucci: «Un aspetto del leopardismo montaliano. Lettura di ‹Fine dell’infanzia›», in: id.: Gli oggetti di Montale . Bologna: Il Mulino 2002 (Saggi, 564), 115-131. 12 Giacomo Leopardi: Zibaldone . 3 Bde. Hg. v. Rolando Damiani. Bd. I. Mailand: Mondadori 2 2015 (I Meridiani), 434sq., m.H. <?page no="155"?> Schwellenbilder 155 Die Wahrnehmung des Kindes zeichne sich demnach einerseits durch die besondere Intensität der empfangenen Sinneseindrücke aus, zugleich aber durch jenes Moment des Unbestimmten, Unscharfen, Vagen, in dem sich, der Polysemie des italienischen vago entsprechend, zugleich ein Grundmoment des Schönen zeigt. Alles spätere ästhetische Erleben wird damit gefasst als eine Anamnesis der Kindheit, eine rimembranza kindlichen Erlebens, die gleichwohl die ursprüngliche Erlebnisdichte des Kindes nicht mehr erreichen kann: «non sarà più simile in nessun modo». Wie es der Titel von Fine dell’infanzia bereits andeutet, erfolgt die Vergegenwärtigung der Kindheit und des kindlichen Erlebens unter Berücksichtigung ihrer Brechung durch den Akt der Retrospektion. In den ersten drei Strophen des Gedichts vollzieht sich damit erst graduell die Wiederkehr jener die Kindheit prägenden Landschaft aus den Schichten der Erinnerung. Die vierte Strophe schildert die Berggrate, die jene «conca ospitale» (v. 10) einfassen und begrenzen und die von den Kindern nicht überschritten werden. Erst in der fünften Strophe tritt die spezifische Erlebnisform dieses kindlichen Mikrokosmos hervor: Ma dalle vie del monte si tornava. Riuscivano queste a un’instabile vicenda d’ignoti aspetti ma il ritmo che li governa ci sfuggiva. Ogni attimo bruciava negl’istanti futuri senza tracce. Vivere era ventura troppo nuova ora per ora, e ne batteva il cuore. Norma non v’era, solco fisso, confronto, e sceverare gioia da tristezza. Ma riaddotti dai viottoli alla casa sul mare, al chiuso asilo della nostra stupita fanciullezza, rapido rispondeva a ogni moto dell’anima un consenso esterno, si vestivano di nomi le cose, il nostro mondo aveva un centro. (vv. 51-68) Die von Neugier und reiner Gegenwärtigkeit gezeichnete Weltzukehr des Kindes zeigt deutliche Bezüge zu Leopardis Charakterisierung kindlichen Erlebens. Gleichwohl fällt auf, dass ein Aspekt, der in Leopardis Reflexion der Kindheit im Zibaldone ausgeblendet bleibt, hier explizit wird: die Sprache. Nach Leopardi ist die adäquate Beherrschung der Sprache Privileg der Erwachsenen, während das <?page no="156"?> 156 Paul Strohmaier Kind in der Überfülle seiner Eindrücke und der Lebendigkeit seiner Imagination durchweg Schwierigkeiten habe «nel fare un discorso continuato, un racconto» ( Zib. 500) 13 . Bei Montale hingegen übersetzt sich die Intensität kindlicher Eindrücke gleichsam widerstandslos in Sprache: «rapido rispondeva-| a ogni moto dell’anima un consenso-| esterno, si vestivano di nomi-| le cose […]» (vv. 65-68). Anders als bei Leopardi ist die Kindheit in Fine dell’infanzia damit auch eine ‹Utopie der Sprache› (Barthes), die dem ungenormten, vergleichslosen, noch nicht zu einem «solco fisso» (v. 61) verhärteten Erleben des Kindes als unmittelbares Medium dient. Doch neben dieser unproblematischen Übersetzung von Erleben in Wörter evoziert die Folgestrophe auch ein Verhältnis von Kind und Welt, das sich von jenem der Erwachsenen grundlegend unterscheidet: Eravamo nell’età verginale in cui le nubi non sono cifre o sigle ma le belle sorelle che si guardano viaggiare. D’altra semenza uscita d’altra linfa nutrita che non la nostra, debole, pareva la natura. In lei l’asilo, in lei l’estatico affisare; ella il portento cui non sognava, o a pena, di raggiungere l’anima nostra confusa. Eravamo nell’età illusa. (vv. 69-79) Die Kindheit ereignet sich in einer allgemeinen Zeichenlosigkeit der Natur. Die Erscheinungen sind in ihrer Gegenwärtigkeit unüberschreitbar, stehen nicht für anderes ein und bieten sich allenfalls zu imaginären Besetzungen an wie die unsteten Wolken, in denen sich das Kind in seiner überschießenden Bewegtheit wiederfindet und die es als Schwestern bezeichnet, ohne sie auf einen verborgenen Sinn hin zu befragen. 14 Die umfassendere Bedeutung von Fine dell’infanzia für die Ossi di seppia liegt damit nicht zuletzt darin, dass das Gedicht eine Archäologie jener Grenzziehung vornimmt, in deren Folge die Dinge problematisch werden, ihre Selbstgegebenheit verlieren und sich in die Objekte eines unsteten indagare verwandeln. 15 Die Folgestrophe entwirft nunmehr ebendiesen Umschlagpunkt, von dem an die Figurationen von Schwelle und Grenze zu Grundelementen der lyrischen Rede werden: 13 Ibid., Bd. I, 426. 14 Dieses prähermeneutische Moment scheint mir in diesem Zusammenhang wesentlicher als die Konstatierung eines kindlichen Animismus. 15 So heißt es in I limoni über diese nachkindliche, unruhig forschende conditio : «Lo sguardo fruga d’intorno,-| la mente indaga accorda disunisce» (v. 30sq.). <?page no="157"?> Schwellenbilder 157 Un’alba dové sorgere che un rigo di luce su la soglia forbita ci annunziava come un’acqua; e noi certo corremmo ad aprire la porta stridula sulla ghiaia del giardino. L’inganno ci fu palese. Pesanti nubi sul torbato mare che ci bolliva in faccia, tosto apparvero. Era in aria l’attesa di un procelloso evento. Strania anch’essa la plaga dell’infanzia che esplora un segnato cortile come un mondo! Giungeva anche per noi l’ora che indaga. La fanciullezza era morta in un giro a tondo. (vv. 83-99) Die Überschreitung der «soglia-| forbita» (v. 84sq.) des elterlichen Hauses markiert das Ende der Kindheit, das mit der typisch leopardischen Erfahrung von inganno und disinganno ineinsfällt. Hier markiert sie den Beginn jener Initiation, mit der das Alter des Heranwachsenden einsetzt und mit diesem die hermeneutische Unruhe der «ora che indaga» (v. 98). Aus den Wolken als «belle sorelle» (v. 71) sind bedrohliche, sturmverheißende «[p]esanti nubi» (v. 90) geworden. Diesem Gestaltwandel der Natur korrespondiert in der Folgestrophe die erste Bildwerdung des Horizonts: Volava la bella età come i barchetti sul filo del mare a vele colme. (v. 103sq.) Die Figur des Horizonts, der «filo-| del mare», entgrenzt den beschränkten Raum der Kindheit und führt in den Raum der Erscheinungen eine Dialektik von Gegebenheit und Nichtgegebenheit ein, die zum Antrieb jenes indagare wird als Suche nach einem «quid definitivo» 16 , das die traumatische Implosion des kindlichen Kosmos ausgleichen könnte. So sehr die Inszenierung der Kindheit in Fine dell’infanzia zunächst mit Leopardis Überlegen aus dem Zibaldone zu konvergieren scheint: In der Betonung der Intensität kindlichen Erlebens etwa, aber auch in der Übernahme zentraler Begriffe wie «inganno» (v. 89) und «età illusa» (v. 79), zeichnen sich gerade im jeweils anderen Status der Sprache bereits merkliche Unterschiede ab. Doch auch die ästhetische Dimension kindlichen Erlebens, 16 Eugenio Montale: «Intenzioni (Intervista immaginaria)», in: id.: Il secondo mestiere II: Arte, musica, società . 2 Bde. Hg. v. Giorgio Zampa. Bd. I. Mailand: Mondadori 1996 (I Meridiani), 1480. <?page no="158"?> 158 Paul Strohmaier die für Leopardi zum Gegenstand späterer rimembranza wird, erweist sich als durchaus verschieden. Ist nach Leopardi die Besonderheit der kindlichen Wahrnehmung jene Qualität des «vago e indefinito» ( Zib. 514) 17 , folgt auf das Alter der unbändigen Imagination schließlich «la cognizione del vero cioè dei limiti e definizioni delle cose [che] circoscrive l’immaginaz[ione]» ( Zib. 168) 18 . Leopardis Kindheit ist damit immer schon teleologisch vom Erwachsenenalter her gedacht: Der Unschärfe kindlicher Vorstellungskraft folgt die Präzision des Begriffs und die auf klaren Grenzen und Unterscheidungen aufruhende Kenntnis der Dinge. Wissen bildet die Kompensation des nachkindlichen disinganno , die gleichwohl nicht ohne jenen temporären inganno von Dichtung und Kunst auskommt, der eine intensitär abgeschwächte, lustvolle Regression in die schweifende Unbestimmtheit kindlichen Erlebens erlaubt. Montales Re-Inszenierung kindlicher Weltzuwendung zentriert sich indes um eine andere Unterscheidung als jene von Unschärfe und Umschriebenheit. In Fine dell’infanzia differenziert sich die Wahrnehmung des Kindes vielmehr in Abgrenzung von Begriffen wie «norma» (v. 59), «solco fisso» (v. 60), «confronto» (v. 60), mithin von Begriffen, die sich auf eine habitualisierte Wahrnehmung und eine durch das Mittel des Vergleichs erzielten begrifflichen Abstraktion von je einmaligen Gegebenheiten beziehen. Entgegen diesen Momenten perzeptueller Routine folgt die Wahrnehmung des Kindes ohne abstrahierende Überschreitung «ora per ora» (v. 58) der durchweg empfundenen ‹Neuheit› der Erscheinungen, die sich ihm als Singularitäten darbieten, die gerade nicht unter vorverfügbare Begriffe und Erfahrungsschemata subsumiert werden können. Die lyrische rimembranza kindlicher Wahrnehmung bei Montale fördert damit eine perzeptuelle Einstellung zutage, in der die gewahrte Wirklichkeit sich im Modus präsentischer Besonderheit zeigt: Jeder Moment ist für sich genommen emphatisch ‹neu›. Auch bilden die einzelnen Momente keine zeitlichen Reihen, aus deren Abgleich abstrahierend Begriffe ableitbar wären. Die zentrale Unterscheidung, vor der sich das kindliche Erleben in Fine dell’infanzia konturiert, ist damit jene von Singularität und Wiederholung, die Wahrnehmung und Sprache gleichermaßen umfasst. Das Gedicht endet, wie gezeigt, mit der Einziehung des Horizonts, doch ist dies nicht die einzige Grenze oder Schwelle, die sich von hier ab als prägend für die Ossi di seppia erweist. Vielmehr - und hierin darf man eine originäre 17 Leopardi: Zibaldone . Bd. I, 435. 18 Ibid., 198. Eine besonders ausgeprägte Imagination kann nach Leopardi gar zur Bedrängnis werden, weshalb bereits das Kind bemüht sei, seine Vorstellungskraft ‹methodisch› zu kontrollieren. So schreibt er über «alcuni fanciulli d’immaginaz[ione] destinata a grandi cose»: «La soprabbondanza della immaginazione è quella che tormenta i fanciulli detti qui sopra, e perciò in luogo di cercarla nello straordinario, cercano di spegnerla o addormentarla col metodo. Cosa che accade anche agli uomini» ( Zib. 212, ibid., 236). <?page no="159"?> Schwellenbilder 159 Intervention in dem von Leopardis L’infinito bereitgestellten Bildraum sehen - wird zum Ende des Gedichts im Blick auf das Meer auch jener Küstensaum thematisch, von dem der Blick sich in die Ferne wendet, während zugleich der Weg, der in das Hinterland der Kindheit führt, mit der Durchschreitung der Gartentür ungangbar geworden ist. Rebecca West hat diese in den Ossi di seppia gehäuft auftretende Figuration der Schwelle mit Victor Turners Begriff der Liminalität in Bezug gesetzt. 19 Die liminale Phase charakterisiert nach Turner den rituell gegliederten Übergang zwischen zwei sozial stabilisierten Zuständen (unverheiratet/ verheiratet, lebendig/ tot), insbesondere aber der Initiation von Heranwachsenden in das Erwachsenenalter. Wie Turner ausführt, ist diese Phase, der keine sozial kodierte Position entspricht, geprägt von hoher Ambiguität: The attributes of liminality or of liminal personae («threshold people») are necessarily ambiguous, since this condition and these persons elude or slip through the network of classifications that normally locate states and positions in cultural space. Liminal entities are neither here nor there; they are betwixt and between the positions assigned and arrayed by law, custom, convention, and ceremonial. 20 Diese Phase der Suspension kultureller Bedeutungszuschreibungen wird jedoch nicht weniger bestimmt von einer erhöhten ‹Potentialität›, einer Fülle möglichen Seins, 21 die gerade aus dieser semiotischen Unbestimmtheit resultiert, weshalb nicht zuletzt Propheten und Künstler, d. h. jene, die im Symbolischen einer Kultur immer nur prekär behaust sind, nach Turner als «edgemen» 22 , als Schwellenbewohner verstanden werden können. So einleuchtend der Bezug zwischen Turners Theorie der Liminalität mit Blick auf die typische Schwellenkonfiguration in den Ossi di seppia zunächst erscheinen mag, fehlt es ihrem ethnologischen Universalismus doch noch an historischer Präzision. Seine für Montale spezifische historische Formulierung erfährt dieses Phänomen in der Figur des inetto , dessen moderne Genealogie Edoardo Sanguineti im Rückgriff auf die Romane Italo Svevos und die Dichtung Guido Gozzanos herausgearbeitet hat. 23 Als ‹Untauglicher›, ‹Unfähiger› oder gar ‹Versager› bildet der inetto ein Ausschussphänomen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, in deren Erwerbs- und Konkurrenzdynamiken er nicht sinnvoll integriert werden kann. 19 Cf. Rebecca West: Eugenio Montale. Poet on the Edge . Cambridge (Mass.) / London: Harvard University Press 1981, 29 u. 36. 20 Victor Turner: The Ritual Process. Structure and Anti-Structure . Ithaca: Cornell University Press 1977, 95. 21 Ibid., 127. 22 Ibid., 128. 23 Edoardo Sanguineti: «Montale e la mitologia dell’‹inetto›», in: id.: Il chierico organico. Scritture e intellettuali . Mailand: Feltrinelli 2000 (Campi del sapere, 298), 227-240. <?page no="160"?> 160 Paul Strohmaier Ehe wir uns der Wiederkehr und der möglichen Überschreitung des inetto in den Ossi di seppia zuwenden, bleibt jedoch darauf hinzuweisen, dass sich Elemente von Sanguinetis inetto bereits bei Leopardi nachweisen lassen. Nach Leopardi sind es gerade die Schwächlichen, Zarten, zu einer vita activa Untauglichen, die in besonderem Maße sensibel sind und als solche die typischen Träger von fantasia und immaginazione : «Gli uomini sensibili, di cuore, di fantasia; insomma di animo mobile, suscettibile, e più vivo in una parola che gli altri, sono delicati e deboli di complessione […]. Delicatezza d’organi difficilmente si trova in una complessione non delicata; e viceversa» ( Zib. 3923). 24 Auch wenn gegenüber Sanguinetis soziologisch inspirierter Diskussion des inetto Leopardi hier vorwiegend physiologisch und damit ahistorisch argumentiert, ist auch die Figur des inetto ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts Zielpunkt eben solcher physiologischen Erklärungsversuche von Ärzten und Psychiatern, die sich um die Aufhellung dieses vermeintlichen Typus sozialer Degeneration bemühen. Ihre wohl deutlichste Aufnahme findet die Figur des inetto in dem Gedicht Arsenio , das in seiner wiederkehrenden Schwellensituation eine beinahe nahtlose Fortsetzung von Fine dell’infanzia bildet. Arsenio, der Sprecher des Gedichts, der sich durchweg selbst in der zweiten Person adressiert, befindet sich zu Beginn am Strand eines verschlafenen Badeorts. Die merklich werdende Ermüdung an der Einförmigkeit eines bürgerlichen Alltags, «l’ore-| uguali, strette in trama» (v. 9sq.), wird durch entfernte Kastagnettenklänge in Unruhe versetzt. Zugleich braut sich über dem Meer ein Sturm zusammen, der die drückende Hitze und Trockenheit der Szenerie zu lindern verspricht. Die dräuenden Wolken über dem Horizont knüpfen dabei unverkennbar an jenes bevorstehende «procelloso evento» (v. 94) an, mit dem Fine dell’infanzia schließt: Discendi all’orizzonte che sovrasta una tromba di piombo, alta sui gorghi, più d’essi vagabonda: salso nembo vorticante, soffiato dal ribelle elemento alle nubi; fa che il passo su la ghiaia ti scricchioli e t’inciampi il viluppo dell’alghe: quell’istante è forse, molto atteso, che ti scampi dal finire il tuo viaggio, anello d’una catena, immoto andare, oh troppo noto delirio, Arsenio, d’immobilità… (vv. 13-23) 24 Leopardi: Zibaldone . Bd. II, 2478. <?page no="161"?> Schwellenbilder 161 Der nahe Sturm und die Antizipation eines Blitzes, der die drückende Szenerie durchschneidet, werden zu Hoffnungsträgern einer Regeneration. Auch das einziehende Dunkel konnotiert immer mehr das anfängliche Dunkel der Genesis und damit das Versprechen einer grundlegenden, kosmischen Erneuerung: Discendi in mezzo al buio che precipita e muta il mezzogiorno in una notte di globi accesi, dondolanti a riva, - e fuori, dove un’ombra sola tiene mare e cielo, dai gozzi sparsi palpita l’acetilene - (vv. 34-39) Der Schatten, in dem Meer und Himmel eins werden, bedeutet zugleich die Tilgung jener in Fine dell’infanzia sich ausbildenden Horizontlinie. Die Schlussstrophe dramatisiert die Versuchung des Suizids, doch obwohl sich Arsenio gegen den Gang in die Wellen entscheidet, bleibt die Chance dieses Moments vertan: […] e ancora tutto che ti riprende, strada portico mura specchi ti figge in una sola ghiacciata moltitudine di morti, e se un gesto ti sfiora, una parola ti cade accanto, quello è forse, Arsenio, nell’ora che si scioglie, il cenno d’una vita strozzata per te sorta, e il vento la porta con la cenere degli astri. (vv. 51-59) Der emphatische Moment bleibt für Arsenio als reine Möglichkeit zurück, die hier noch keine Realisierung findet und in einem kraftvollen Schlussbild von einem apokalyptischen Wind zusammen mit der Asche erloschener Sterne fortgeweht wird. Die «cenere degli astri» (v. 59) nimmt zugleich gedichtintern die Metapher der «globi accesi» (v. 36) wieder auf, wobei der Befund deutlich pessimistisch ausfällt, da der imaginierte Weltenbrand keine Veränderung der Wirklichkeit hervorgebracht hat. Das zum Ende von Fine dell’infanzia instituierte Horizontschema des Wirklichen bleibt in Arsenio noch unüberschritten. Die transformierende Wirkung eines ‹Jenseitigen› bleibt aus, ebenso aber die autonomisierende Aufwertung des ‹Diesseitigen›. Arsenio verharrt auf der Schwelle, in einem «space of liminal potentiality» 25 . 25 West: Eugenio Montale , 28. <?page no="162"?> 162 Paul Strohmaier Sowohl Fine dell’infanzia als auch Arsenio sind ohne die Rezeption von Leopardis Kindheitsreflexion im Zibaldone und seine Thematisierung des Horizonts in L’infinito kaum denkbar, wenngleich sich im Einzelnen jeweils klare Unterschiede verzeichnen lassen. Das Gedicht, das innerhalb der Ossi di seppia den Schlusspunkt dieser bildlichen Evolution des Liminalen bildet, wiederum rekurriert unverkennbar auf Leopardis La ginestra o il fiore nel deserto . Die «Odorata ginestra,-| Contenta dei deserti» 26 (v. 6sq.) ist auch das Urbild von L’agave sullo scoglio . 27 Dies umso mehr, als da schon Leopardis Ginster deutlich poetologischen Wert hat, heißt es doch über dessen an den Hängen des Vesuv aufsteigenden Duft: «[…] e quasi-| I danni altrui commiserando, al cielo-| Di dolcissimo odor mandi un profumo,- | Che il deserto consola» (vv. 34-37). 28 Gleichwohl tritt der Ginster nur zu Beginn und Ende des umfangreichen Gedichts in Erscheinung, während die zwischengelagerten Strophen Bezug nehmen auf das Schicksal Pompejis, die Fortschrittshoffnungen des 19. Jahrhunderts ironisieren, die Feindlichkeit der Natur und die kosmische Marginalität des Planeten Erde betonen. Zum Ende wird die bescheidene Pflanze, die im Angesicht ihrer künftigen Vernichtung wurzelt, zum Symbol eines Heroismus der illusionslos ertragenen Indifferenz des Universums und der eigenen Endlichkeit. Angesichts dieser primär rahmenden Funktion des Ginsters in Leopardis Gedicht entfaltet Montales lyrisches Triptychon die Phänomenalität der Pflanze in un- 26 Giacomo Leopardi: Poesie e prose . 2 Bde. Bd. I. Poesie . Hg. v. Mario Andrea Rigoni. Mailand: Mondadori 12 2017 (I Meridiani). 27 Als weiterer, punktueller Bildreflex von Leopardis Ginster wäre auch der «croco-| perduto in mezzo a un polveroso prato» (v. 3sq.) aus Non chiederci la parola zu nennen, der dort jedoch nur ein durch Negation ironisiertes ‹Bild› formuliert. 28 Das Thema der consolazione ist im Zibaldone vielfältig präsent. Einschlägig für die poetologische Relevanz des Trosts ist jedoch ein Eintrag vom 4. Oktober 1820. Über die mögliche Trostwirkung großer Literatur heißt es dort: «Hanno questo di proprio le opere di genio, che quando anche rappresentino al vivo la nullità delle cose, quando anche dimostrino evidentemente e facciano sentire l’inevitabile infelicità della vita, quando anche esprimano le più terribili disperazioni, tuttavia ad un’anima grande che si trovi anche in uno stato di estremo abbattimento, disinganno, nullità, noia e scoraggimento della vita, o nelle più acerbe e mortifere disgrazie […]; servono sempre di consolazione, raccendono l’entusiasmo, e non trattando nè rappresentando altro che la morte, le rendono, almeno momentaneamente, quella vita che aveva perduta.» Dieser Trost erwächst damit paradoxerweise aus der Abwesenheit jeglicher Hoffnung und einer seltsam ‹belebenden› Wirkung der zur Anschauung gelangenden Negativität: «E lo stesso spettacolo della nullità, è una cosa in queste opere, che par che ingrandisca l’anima del lettore, la innalzi, e la soddisfaccia di se stessa e della propria disperazione» (Leopardi: Zibaldone . Bd. 1, 270 sq.: Zib. 259sq.). Die angeführten «opere di genio» entfalten ihre Trostwirkung damit einzig durch eine innere Erhebung, die gerade nicht zu neuen Illusionen und Hoffnungen verführt. Diese letztere Form des Trosts als eines erneuerten inganno , der die tatsächliche Nichtigkeit menschlichen Daseins verhüllt, wird an anderen Stellen erörtert und als unwürdig verworfen. Cf. e.g. ibid., 434 ( Zib. 513sq.) und 1329 ( Zib. 1970). <?page no="163"?> Schwellenbilder 163 gleich größerer Detailfülle. Einige knappe Bemerkungen müssen hier jedoch genügen. 29 Zunächst ist hervorzuheben, dass «L’agave sullo scoglio» aus drei rund zwanzigzeiligen Gedichten besteht, deren jedes die Agave in einem anderen klimatischen Kontext präsentiert, der jeweils durch die Nennung eines charakteristischen Windes angezeigt wird. Schon im ersten Gedicht vollzieht sich die bis zum Ende durchgehaltene Identifikation von Küstenpflanze und lyrischem Ich: «ora son io-| l’agave che s’abbarbica al crepaccio-| dello scoglio» (vv. 15-17). Damit werden die hier noch geschlossenen Knospen der Agave zu Bildträgern einer künftigen lyrischen Fülle. Die poetologische Dimension des Gedichts tritt dabei schon auf makrostruktureller Ebene hervor: Während die ersten beiden Gedichte noch strophisch ungegliedert sind, weist das dritte unvermittelt eine Unterteilung in fünf vierzeilige Strophen mit Kreuzreim auf, in denen die zuvor amorphe Polymetrie zudem in eine sehr viel regelmäßigere Alternanz von zwei kürzeren, mehrheitlich fünfbis achtsilbigen Versen, die je zwei längere, mehrheitlich elfbis fünfzehnsilbige Verse umgreifen, überführt ist. Schon auf formaler Ebene erzählt die Abfolge der Einzelgedichte damit die Emergenz einer lyrischen Form, eine Entwicklung, die auch in den Namen der epigraphisch positionierten Winde angelegt ist: Auf Scirocco und Tramontana folgt der Maestrale . Auch wenn die Etymologie des Mistrals nicht ganz gesichert ist, kommt man nicht umhin, bei seiner italienischen Bezeichnung an das lateinische Adjektiv magistralis zu denken, das intellektuelle Reife und Meisterschaft bezeichnet. Die Blüte der Agave und untrennbar davon die Stabilisierung des lyrischen Ich koinzidieren dabei mit einer Verwandlung der umgebenden Natur, die in ihren einzelnen Momenten eine grundlegende Erneuerung aufweist: O mio tronco che additi, in questa ebrietudine tarda, ogni rinato aspetto coi germogli fioriti sulle tue mani, guarda: sotto l’azzurro fitto del cielo qualche uccello di mare se ne va; né sosta mai: perché tutte le immagini portano scritto: ‹più in là! › (vv. 13-20) Während Leopardis Ginster in stoischem Gleichmut im Angesicht seiner unausbleiblichen Vernichtung verharrt, wendet sich in Montales Gedicht der Blick am Ende der offenen Weite des Meeres zu und verheißt im Bild des ausziehenden Seevogels eine Fülle, die von den «immagini» (v. 19) ausgeht, die mit «più in 29 Für eine umfassendere Interpretation des Mikrozyklus verweise ich auf Verf.: Diesseits der Sprache. Immanenz als Paradigma in der Lyrik der Moderne (Valéry, Montale, Pessoa) . Frankfurt a.M.: Klostermann 2017 (Analecta Romanica, 86), 177-188. <?page no="164"?> 164 Paul Strohmaier là! » (v. 20) einen Aufruf formulieren, der das lateinische plus ultra als Urformel neuzeitlicher Neugierde aufnimmt. Zielt die Konklusio von La ginestra auf das Ertragen auswegloser Negativität, schließt Montales Gedicht mit einem Lob des Offenen, in dem das endgültige Urteil über die Beschaffenheit der Welt aufgeschoben bleibt und einem Pathos der Erkundung Raum gibt. So unleugbar die Bildreminiszenzen aus Leopardis La ginestra in Montales Gedicht sind, deutet sich zum Ende von L’agave sullo scoglio mit der Fokussierung des ins Weite hinausziehenden Seevogels doch subtil eine Überschreitung der von Leopardi bezogenen Konstellation an, die sich schließlich rund zwanzig Jahre später in L’anguilla in aller Deutlichkeit zeigt. Im mäandernden Weg des Aals, der unter steter Bedrohung äußerer Aridität immer neue und unwahrscheinlichere «paradisi di fecondazione» 30 (v. 19) aufspürt, findet die Dichtung des ersten Montale in einem letzten großen Reflex leopardischer Bildlichkeit ein eigenständiges Emblem, in dem einerseits die Aufwertung niederer Wirklichkeit hervortritt und andererseits deren poetologische Unhintergehbarkeit, sind doch die Windungen der anguilla anagrammatisch immer auch jene von la lingua . 31 Nachdem die Bedeutung von Leopardis immagini für Montales Lyrik zumindest in ihren wichtigsten Zieltexten herausgearbeitet wurde, bleibt zu fragen, weshalb gerade Leopardi eine solch katalytische Funktion für den jungen Montale erfüllen konnte. Eine explizite Äußerung Montales hierzu liegt nicht vor, doch darf man vermuten, dass gerade Leopardis teoria del piacere und die Konzeptualisierung von Dichtung als selbstreflexiver inganno , die sie vor soteriologischen Überhöhungen und allgemeiner Bedeutungsüberlastung schützt, für Montales skeptische Haltung gegenüber einer allzu verheißungsvollen Aufwertung der Lyrik, wie sie sich paradigmatisch in Leben und Werk Gabriele D’Annunzios kristallisiert, Identifikationspotentiale bereithielt. 32 Leopardis 30 Eugenio Montale: Tutte le poesie . Hg. v. Giorgio Zampa, Mailand: Mondadori 15 2007 (I Meridiani), 262. 31 Cf. Francesco Zambon: L’iride nel fango. ‹L’anguilla› di Eugenio Montale . Parma: Pratiche 1994 (Lezione di poesia, 6), 116. 32 Das schließt jedoch nicht aus, dass der junge Montale hart mit Leopardi ins Gericht gegangen ist, wie sich aus der signifikanten Umarbeitung eines literarischen Essays ersehen lässt, der unter dem Titel «Stile e tradizione» erstmals 1925 in der Zeitschrift Il Baretti erschien. Dort äußert er sich über den Dichter von Recanati folgendermaßen: «nel Leopardi stesso dopo i quattro o cinque momenti più alti e più leggiadri, c’è già scadimento e autoretorica». Die 1966 in Auto da fé abgedruckte Fassung urteilt ganz anders: «il Leopardi stesso sarebbe incomprensibile se non conoscessimo le eccezionali componenti umanistiche e illuministiche della sua formazione». Als fest etabliertem Dichter fällt es Montale leichter, Leopardi differenziert, d. h. hier vor allem historisierend zu betrachten, während dessen faktischer Niederschlag in Montales Lyrik ab Le occasioni bereits stark zurückgegangen ist. Montale: Il secondo mestiere II . Bd. 1, 1757sq. <?page no="165"?> Schwellenbilder 165 Vesuv-Topographie und das Mythologem einer feindlichen natura matrigna bilden ferner wichtige Ausgangspunkte für jene Verhandlung der Dichtung im Medium der Landschaft, die zumindest für die Ossi di seppia strukturbildend wirkt. 33 Die scheinbar unmittelbar auf die ligurische Riviera di Levante verweisende Landschaft der Ossi ist in ihrer insistenten Aridität und lebensfeindlichen Hitze damit immer auch eine an Leopardi geschulte Gegenlandschaft zu jenen hypertrophen, antikisierenden Landschaftspanoramen, die insbesondere D’Annunzios Alcyone entfaltet. Auch in der Anatomie seiner Landschaftsbilder artikuliert Montale damit seine grundlegenden Vorbehalte gegen jene für D’Annunzios panismo noch tragende «oratorische Sprachgewissheit». 34 Die Aufnahme leopardischer Bilder und Begrifflichkeiten führt jedoch weder ideologisch noch poetologisch zu einer Konvergenz zwischen den Dichtern aus Genua und Recanati. Vielmehr bleibt gerade die Beantwortung der letzten Fragen über die grundsätzliche Beschaffenheit der Welt, die in Leopardis philosophischem Pessimismus letztlich immer schon beantwortet ist, für Montale in der Schwebe und ermöglicht damit jene für die Ossi di seppia charakteristische Oszillation zwischen nulla und miracolo , aufgrund derer der endgültige Status lyrischer Rede unentschieden bleibt. 35 Wie eingangs angedeutet verflüchtigen sich nach den Ossi di seppia die Einflüsse von Leopardis Bildern in Montales Lyrik, doch zeichnet sich, wie besonders Romano Luperini betont hat, 36 im Alterswerk des secondo Montale, das 1971 mit Satura einsetzt, eine nicht mehr bildliche, aber philosophisch-ideologische 33 Joachim Schulze hat gleichfalls Leopardi als Inspiration von Montales Landschaften namhaft gemacht, allerdings in Bezug auf Leopardis La vita solitaria , das nur sehr allgemeine Ähnlichkeiten mit den typischen Redesituationen des lyrischen Ich in den Ossi di seppia aufweist, während er zugleich die Bedeutung der tre corone moderne (Carducci, Pascoli, D’Annunzio) für Montales Konstitution lyrischer Landschaften vollständig übergeht. Cf. id.: Montales Anfänge. Imitatio, Meditation der Landschaft und Wandlung der Wirklichkeit in «Ossi di seppia» . Heidelberg: Winter 1983 (Reihe Siegen, 35), 54-57. 34 Marc Föcking: «Reden, Schweigen, Schreiben. Sprachvertrauen und Sprachkritik in der italienischen Lyrik des frühen 20. Jahrhunderts (D’Annunzio, Gozzano, Marinetti)», in: Manfred Lentzen (Hg.): Aspekte der italienischen Lyrik des 20. Jahrhunderts. Bilder, Formen, Sprache . Rheinfelden-/ Berlin: Schäuble 1996, 5-22, hier 5. 35 Es ist klar, dass aus leopardischer Sicht die Erwartung eines miracolo , das den Determinismus der materiellen Welt durchbricht und das in den Ossi di seppia nahezu durchgehend als erwartetes, erhofftes, d. h. immer als erst noch einzutretendes Ereignis thematisiert wird, nichts anderes sein kann als einer jener vielgestaltigen inganni , die aus der Hoffnung resultieren, die faktische infelicità des Lebens durch eine künftige felicità zu überwinden, die sich freilich nie einstellt. 36 Cf. Romano Luperini: «Il Leopardi di Montale», in: id.: Il dialogo e il conflitto. Per un’ermeneutica materialistica . Roma / Bari: Laterza 1999, 125-135. <?page no="166"?> 166 Paul Strohmaier Annäherung an Leopardis pessimismo cosmico ab. 37 Besonders deutlich zeigt sich diese im Gedicht L’opinione aus dem Quaderno di quattro anni (1977): La vita non ha molto da fare con l’uomo e tanto meno con le idee. E che avrebbe da fare poi la vita? Questo non è insegnato dalle mirabili sorti di cui si ciarla. (vv. 7-11) Die nur mehr aus ironischer Distanz kommentierten «mirabili-/ sorti» nehmen dabei hörbaren Bezug auf «le magnifiche sorti e progressive» (v. 51) in «La ginestra», die schon bei Leopardi ironisch gebraucht werden, soll doch gerade das untergegangene Pompeji als ihr Merkzeichen dienen. Zugleich fällt auf, dass Montale damit nicht mehr Bezug auf den eigentlich ‹bildlichen› Teil von Leopardis Gedicht nimmt, sondern die stärker diskursiven, argumentierenden Passagen favorisiert. Hierin spiegelt sich ein genereller Zug seiner späten Lyrik, die in weiten Teilen auch eine umfassende Palinodie der Lyrik des primo Montale vollzieht, in besonders finsterer Weise etwa in dem Gedicht In negativo : Non c’è stato nulla, assolutamente nulla dietro di noi, e nulla abbiamo disperatamente amato più di quel nulla. (vv. 9-11) Die in den Ossi di seppia noch vitale Spannung zwischen nulla und miracolo ist hier zugunsten des nulla abgeebbt. Diesem in kosmischem Ausmaß konzipierten Nichts kann die Lyrik des späten Montale jedoch nicht mehr die Prägnanz eigener Bilder entgegensetzen, die etwa in L’agave sullo scoglio oder L’anguilla die Beharrungskraft der lyrischen Rede im Ungewissen sicherten. Der Ursprung dieses auch poetologisch ausstrahlenden Pessimismus findet seine wohl präziseste Formulierung in dem Gedicht L’hapax : È scomparso l’hapax l’unico esemplare di qualcosa che si suppone esistesse al mondo. Si evita di parlarne, qualcuno minimizza 37 Cf. auch die Anthropozentrismuskritik in Nel disumano («[…] Si continua-| a pensare con teste umane quando si entra-| nel disumano.» vv. 17-19) und in Big Bang e altro (Eugenio Montale: Quaderno di quattro anni . Hg. v. Alberto Bertoni und Guido Mattia Gallerani. Mailand: Mondadori 2015). Nach dieser Ausgabe auch die übrigen Zitate. Gegenüber dem Ereignischarakter des Big Bang favorisiert Montale in einem Interview anlässlich seines Literaturnobelpreises gar eine kosmologische Alternative: eine Theorie der Stagnation, nach der das Universum nicht Resultat einer materiellen Expansion sei, sondern seit jeher in seinem heutigen Zustand existiert habe. Cf. Kommentar zu Big Bang e altro , ibid., 72. <?page no="167"?> Schwellenbilder 167 l’evento, l’inevento. Altri sono aux abois ma la costernazione è prevalente. Fosse stato un uccello, un cane o almeno un uomo allo stato selvatico. Ma si sa solo che non c’è più e non può rifarsi. (vv. 1-9) 38 Die Wirklichkeit des zweiten Montale ist nicht mehr jene phänomenologisch-verheißungsvolle des ersten, sondern bietet sich in ihrer Serialität, ihrer Reproduzierbarkeit, ihrer Kommodifizierung und in ihrer Dauerkommentierung durch Medien und flottierende Diskurse dar. Das hapax legomenon , d. h. jenes singuläre Wort, das nur einmal bezeugt ist und dessen Verschwinden hier konstatiert wird, bezeichnet damit die Unerreichbarkeit jener Singularität, die für den frühen Montale noch als regulative Vermutung existierte und sich in lyrischen Bildern von hoher Prägnanz verdichten konnte. Montales postmoderne Reaktivierung Leopardis zieht damit einen Schlussstrich unter dessen Rezeption im Medium lyrischer Bilder und verlagert sich ganz auf die konzeptuelle Seite von Leopardis Werk. 39 Die späte Konvergenz mit dem kosmischen Pessimismus des Dichters von Recanati entbehrt in Montales Fall jedoch der Kompensation eines sekundären inganno , eines temporären Als-ob, die jener der Dichtung noch vorbehielt, während andererseits die Formeln der Negativität, die Montales Spätwerk durchziehen, zuweilen wie vereinfachte Zitate erscheinen, denen selbst etwas Serielles eignet. Literaturverzeichnis Leopardi, Giacomo: Poesie e prose . 2 Bde. Bd. I: Poesie . Hg. v. Mario Andrea Rigoni. Mailand: Mondadori 12 2017 (I Meridiani). -: Zibaldone . 3 Bde. Hg. v. Rolando Damiani. Mailand: Mondadori 2 2015 (I Meridiani). Montale, Eugenio: Il secondo mestiere II: Arte, musica, società . 2 Bde. Hg. v. Giorgio Zampa. Mailand: Mondadori 1996 (I Meridiani). -: Ossi di seppia . Hg. v. Pietro Cataldi / Floriana d’Amely. Mailand: Mondadori 2003. 38 Montale: Tutte le poesie , 872. 39 Auf einen weiteren Aspekt der Leopardi-Bezüge in Montales Spätwerk hat Giuseppe Savoca hingewiesen. Während die Dichtung des ‹zweiten› Montale vielfach eine Palinodie des ‹ersten› formuliert, wird auch Leopardi von dieser ironisierenden Makrobewegung erfasst. Neben den weltbildlichen Konvergenzen finden sich damit auch immer wieder depotenzierende Leopardi-Referenzen, schließlich figuriert dieser stets auch als Exponent einer ‹erhabenen› Dichtungskonzeption, die der späte Montale für obsolet oder doch unwiederholbar hält. So wird etwa die «foglia d’alloro» (v. 13) aus Leopardis Imitazione als Dichtungsreferenz im Quaderno di quattro anni wieder aufgenommen, wenn es dort heißt: «[…] l’ultima foglia dell’alloro-| era polverosa-| e non servì nemmeno per la casseruola-| dell’arrosto» (vv. 4-7) ( Proteggetemi …). Cf. Savoca, «Il Leopardi di Montale», 246sq. <?page no="168"?> 168 Paul Strohmaier -: Quaderno di quattro anni . Hg. v. Alberto Bertoni / Guido Mattia Gallerani. Mailand: Mondadori 2015. -: Tutte le poesie . Hg. v. Giorgio Zampa. Mailand: Mondadori 15 2007 (I Meridiani). Blasucci, Luigi: «Un aspetto del leopardismo montaliano. Lettura di ‹Fine dell’infanzia›», in: id.: Gli oggetti di Montale . Bologna: Il Mulino 2002 (Saggi, 564), 115-131. Campe, Rüdiger: «Vor-Augen-Stellen. Über den Rahmen rhetorischer Bildgebung», in: Gerhard Neumann (Hg.): Poststrukturalismus. Herausforderung an die Literaturwissenschaft . Stuttgart-/ Weimar: Metzler 1997 (Germanistische Symposien-Berichtsbände, 18), 208-225. Contini, Gianfranco: «Introduzione a Ossi di seppia », in: id.: Una lunga fedeltà. Scritti su Eugenio Montale . Turin: Einaudi 1974, 3-16. Föcking, Marc: «Reden, Schweigen, Schreiben. Sprachvertrauen und Sprachkritik in der italienischen Lyrik des frühen 20. 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Parma: Pratiche 1994 (Lezione di poesia, 6). <?page no="171"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 171 Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi Un rapporto infinito Emanuele La Rosa Che Giacomo Leopardi abbia rappresentato uno dei punti fermi della lirica italiana (tra l’altro) della prima metà del Novecento è cosa nota: basti pensare alla grande attenzione critica dedicatagli da uno dei protagonisti di quella stagione, Giuseppe Ungaretti. 1 Più sorprendenti sono invece i legami (strettissimi, per quanto non ancora sufficientemente indagati) con l’avanguardia futurista, tanto più se si pensa a quest’ultima esclusivamente nella sua funzione di barriera erta contro il passatismo . 2 1. Filippo Tommaso Marinetti non ha del resto mai nascosto la propria predilezione per Leopardi, 3 tanto da eleggerlo negli anni della tarda maturità a precursore di certo tipo di poesia futurista. Luoghi testuali leopardiani si riscontrano nella sua opera già in alcune prove antecedenti la fondazione del Futurismo. È questo il caso di una lirica dedicata a Victor Hugo, che l’allora francofono Marinetti apre con una sincera dichiarazione d’amore nei confronti del poeta di Recanati: 1 Per cui cf., a titolo esemplificativo, almeno la critica storica: Felice Signoretti: Tempo e male: Ungaretti su Leopardi . Urbino: Argalia 1977; Giuseppe Ungaretti: Lezioni su Giacomo Leopardi . A cura di Mario Diacono e Paola Montefoschi. Roma: Presidenza del Consiglio dei Ministri 1989; Beatrice Stasi: «Ungaretti critico di Leopardi», in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Classe di Lettere e Filosofia 20.2-3 (1990), 647-674. 2 Cf. Filippo Tommaso Marinetti [et al.]: Contro Venezia passatista . 27 aprile 1910, volantino lanciato sulla città l’8 luglio dello stesso anno; id.: «Contro la Spagna passatista» [pubblicato originariamente in spagnolo come «Proclama futurista á los españoles»], in: Prometeo 3.20 (giugno 1910), 517-531 (il manifesto viene spesso ancora erroneamente indicato come comparso nel 1911); Filippo Tommaso Marinetti: «Contro Roma passatista», in: L’Italia futurista 2.13 (13 maggio 1917), 1. «L’Italia, più di qualunque altro paese, aveva un bisogno urgente di Futurismo, poiché moriva di passatismo» (Filippo Tommaso Marinetti: «Lettera aperta al futurista Mac Delmarle», in: Lacerba 1.16 (15 agosto 1913), 174). 3 Francesco Cangiullo lo ricorda, ad esempio, quale declamatore di A Silvia nella sua storia del Futurismo: Le serate futuriste. Romanzo storico vissuto [1930]. Milano: Ceschina 2 1961, 173. <?page no="172"?> 172 Emanuele La Rosa J’aime Leopardi, poète ivre d’azur, Qui sut guider aux abreuvoirs de l’infini Le troupeau las de mes désirs à l’aventure. J’aime à suivre, en rêvant, le doux pâtre d’Asie, Soit qu’il jette à l’Aurore éperdument son cri, Soit qu’il parle tout bas au sommet des collines A la Lune, bergère aux yeux bleus, qui conduit Les astres, comme des brebis adamantines! 4 […] A risaltare qui è un certo ‹assorbimento› semantico di luoghi leopardiani che da un lato serve a suggerire un possibile mini-canone privato ( L’infinito , Canto notturno di un pastore errante dell’Asia , Alla luna ) e, dall’altro, raccogliendosi nell’isotopia dell’ infinito , fa emergere i temi di contatto tra le due personalità di poeta: la predilezione per gli ampi spazi aperti, il desiderio di avventura e di indagine dell’inesplorato, la conquista dei cieli. Leopardi e la Luna, in un parallelo mistico-bucolico rafforzato dal richiamo dei colori pastello «azur» e «bleu», svolgono una funzione di guida: come la poesia di Leopardi conduce alla soddisfazione dei desideri di avventura (simboleggiati da un gregge di pecore), così la Luna determina il moto delle stelle (anch’esse trasfigurate in ovini). Entrambe le figure possono pertanto essere intese come ‹fari› o linee direttrici dell’opera del giovane poeta nato ad Alessandria d’Egitto. 5 L’ infinito ritorna del resto diverse volte - in qualità di topos , spesso messo in evidenza attraverso il ricorso al maiuscolo - su Poesia , la prima (eclettica) rivista diretta da Marinetti. Ciò è riscontrabile peraltro non solo in testi marinettiani, 4 Filippo Tommaso Marinetti: «À Victor Hugo», in: Poésie 2.8-9 (luglio-agosto 1906), 145, ripresentato per la prima volta dopo la pubblicazione in: F.T. Marinetti futurista. Inediti, pagine disperse, documenti e antologia critica . A cura di «ES». Napoli: Guida 1977, 23. Il testo, che però sembra di datazione incerta, potrebbe anche essere retrodatato al 1902 (cf. Antonino Russo: «Tre ricerche sul futurismo», in: Bérénice 2.5 (luglio 1994), 244-263, qui 244). 5 Il terzo manifesto futurista lanciato da Marinetti reca il titolo Tuons le clair de Lune! (in: Poesia 5.7-8-9. (agosto-settembre-ottobre 1909), 1-9), poi in italiano come Uccidiamo il chiaro di luna . Milano: Edizioni futuriste di Poesia 1911. Nonostante ciò non solo l’esordio poetico di Marinetti è all’insegna della luna («L’Echanson», in: Anthologie. Revue de France et d’Italie 2.6 (20 marzo 1898), 103), ma essa è un luogo ricorrente sia nella produzione in lingua francese (come si può evincere da un veloce spoglio di Poesia ), sia in quella in lingua italiana. Sull’evoluzione ‹lunare› della poesia marinettiana cf. Matilde Dillon Wanke: «Note sul linguaggio di F.T. Marinetti», in: F.T. Marinetti futurista , 291-306, part. 298-299 e Vincenzo Pernice: «Uccidiamo il chiaro di luna? Il tema selenico in Filippo Tommaso Marinetti», in: Rivista di studi italiani 33.1 (giugno 2015), 402-419. <?page no="173"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 173 come nella traduzione italiana (ad opera di Decio Cinti) de Le roi Bombance (nella quale compaiono tematiche simili al testo precedente), 6 E l’affamata anima tua, correndo innanzi all’instancabile tuo corpo, di landa in landa, sulla curva terra, non avrà più la brama, né la furia di mordere nel turbinante e roseo cuore dell’Infinito! 7 ma anche in prove di altri autori come, ad esempio, nel protofuturista Federico de Maria («io son fatto-| di cellule d’Infinito! ») 8 e in Paolo Buzzi («Io mi sento infinito»). 9 Divenuto quindi Accademico d’Italia, Marinetti partecipa nel 1937 alle celebrazioni per il centenario della morte di Leopardi con un intervento intitolato Leopardi maestro d’ottimismo (più sotto come α ), 10 nel quale ciò che fino a quel momento era rimasto sedimentato nei versi viene riportato in superficie. Il testo, da inserire in quello che è un vero e proprio filone di riletture futuriste di autori della letteratura italiana e mondiale, 11 è da riconnettere ad un altro pure 6 Filippo Tommaso Marinetti: Le roi Bombance. Tragédie satirique en 4 actes en prose . Paris: Société du Mercure de France 1905; versione italiana: Milano: Treves 1910. 7 Id.: «Da ‹Re Baldoria›. La canzone di Alkamah», in: Poesia 3.8 (giugno 1907), 22. 8 Federico De Maria: «Il Poema delle Vittorie», in: Poesia 3.12 (ottobre 1907), 25-28, 26. 9 Paolo Buzzi: «Le bocche dei Poeti», in: Poesia n.s. 1.3 (maggio 1920), 25. 10 Stesura della relazione intitolata Splendore della poesia italiana , di cui si dà notizia in diversi giornali: «Marinetti a Recanati commemora Leopardi», in: Corriere di Napoli , 15 settembre 1937, 3; «Centenario leopardiano. Marinetti parla del poeta a Recanati», in: Il Resto del Carlino , stessa data; «Marinetti commemora Leopardi», in: Il nuovo giornale , stessa data; «Marinetti commemora Leopardi a Recanati», in: Gazzetta dell’Emilia , stessa data; «Marinetti celebra il centenario di Leopardi», in: Il Mattino , 16 settembre 1937, 4; «Marinetti parla a Recanati sulla poesia italiana», in: Il Messaggero , stessa data. «F.T. Marinetti, sempre vivace, cordiale e dinamico[,] Marinetti, snello ed estatico, alle 18,30 saliva al tavolo dorato nel salone municipale a parlare su ‹Splendori della poesia italiana›. […] Marinetti futurista in Recanati celebrante il Poeta, durante un’ora e più ha trascinato il suo uditorio con una luminosa sintesi di poesia e con una delle più belle rievocazioni leopardiane» (Enrico Franchi: «Omaggio di scrittori italiani a Leopardi», in: L’azione fascista , 20 settembre 1937). Filippo Tommaso Marinetti: «Leopardi maestro d’ottimismo», in: Leopardi. Il centenario della morte . Recanati: 1938, 241-244, comparso però già in: A.L.A. 7.153 (21 ottobre 1937), 1-2; Corriere di Napoli , stessa data, 3; Cronaca prealpina , 22 ottobre 1937 e come «Un’altra idea-bomba di S.E. Marinetti: Leopardi ottimista», in: Somalia fascista , 30 novembre 1937, 3; ora in: F.T. Marinetti futurista , 61-63. 11 Si tratta delle «Commemorazioni in avanti», raccolte e analizzate da Matteo D’Ambrosio: Le «Commemorazioni in avanti» di F.T. Marinetti . Napoli: Liguori 1999. In qualità di Accademico d’Italia Marinetti «fu più volte coinvolto in manifestazioni ufficiali, a comin- <?page no="174"?> 174 Emanuele La Rosa comparso nel 1937, Sentimento italiano e cerebralismo francese. Leopardi e Mallarmé (sotto come β ). 12 Al netto di un ‹arcadico› 13 impeto esegetico che vuole un Leopardi felice cantore della Natura, è da rilevare in tali scritti la ricorrenza di almeno due temi: a. Quello di una realtà volgare superata grazie allo slancio poetico, tale da consentire il cambio di segno dal negativo al positivo: «lo spettacolo che la vita offrì […] apparve senza dubbio come una trama incolore monotona gocciolante di noia» ( α ); «Il suo prodigioso istinto poetico gli servì a trasformare la più diseredata realtà in un trampolino per lanciarsi a volo in cielo tracciando una dopo l’altra le audacissime volte dell’infinito sapientemente puntellate così mediante parole consuete disposte però e rizzate ad arte» ( β ). b. Quello della semplicità di stile: «parole [che] da banali si abbelliscono volando nel sole», «parole comuni ma combinate ad arte» ( α ); «verbalizzazione forte semplice disadorna» ( β ). Se nel primo punto si può rintracciare un probabile rimando autobiografico (l’artista- Übermensch che si eleva sull’ordinario con le sole proprie forze) è sviluppando il termine-chiave semplicità che Marinetti postula un Leopardi ‹futurista›. In α esso viene collegato ad originalità 14 e sintesi (quale capacità di conglomerare stati d’animo e percezioni), associazione già avanzata almeno nel manifesto Che cos’è il Futurismo. Nozioni elementari , 15 in cui si proclama che ciare dalle celebrazioni di importanti autori della letteratura nazionale, dalle cui opere si propone di ricavare delle ‹lezioni di futurismo›» (ibid., 38sq.). Le commemorazioni si contraddistinguono per una ricerca «di una qualche prefigurazione degli elementi prescrittivi e discriminanti dell’estetica futurista: l’inscindibile rapporto arte vita [e] il principio della simultaneità e quello della sintesi» (ibid., 41). La lunga lista delle «Commemorazioni» comprende, tra gli altri, interventi su Ariosto, Tasso, Pirandello, D’Annunzio, Dante e Verga. 12 Filippo Tommaso Marinetti: «Sentimento italiano e cerebralismo francese. Leopardi e Mallarmé», in: Gazzetta del Popolo , 7 ottobre 1937, 3. L’articolo è una parziale rielaborazione dell’introduzione alla traduzione italiana di testi di Mallarmé approntata da Marinetti alcuni anni prima (Stéphane Mallarmé: Versi e prose. Prima traduzione italiana di F.T. Marinetti. Milano: Istituto Editoriale Italiano 1916). 13 Cf. Enrico Ghidetti: «Marinetti, la tradizione e due classici», in: F.T. Marinetti futurista , 209-220, qui 220. 14 Per Marinetti il genio è «l’artista che con originalità rompe con la tradizione, qualificandosi pertanto come innovatore» (D’Ambrosio: Le «Commemorazioni in avanti» , 9). 15 Filippo Tommaso Marinetti / Emilio Settimelli / Mario Carli: «Che cos’è il Futurismo. Nozioni elementari», in: Roma futurista 2.7 (16 febbraio 1919), 4. In uno dei suoi collaudi si può inoltre leggere: «Nel magnificare ogni singolo lavoro manifestare le seguenti qualità 1° ottimismo antinostalgico 2° semplicità antiretorica 3° originalità […] 7° sintesi» (Filippo Tommaso Marinetti: «L’aeropoema futurista dell’Umbria», in: Franca Maria Corneli: L’aeropoema futurista dell’Umbria. Parole in libertà applaudite al I Dinamismo di Poesie guerriere . Con un saggio di Marinetti sulla poesia dei tecnicisti. Roma: Edizioni futuriste <?page no="175"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 175 «è futurista nell’arte […] chi pensa e si esprime con originalità, forza, vivacità, entusiasmo, chiarezza, semplicità, agilità e sintesi». La somma dei tre elementi stilistici, cui è da aggiungere lo slancio verso l’ infinito e l’inesplorato che caratterizza le sue produzioni, conduce ad un Leopardi che, lasciati dietro di sé gli impedimenti naturali (evidenze fisiche e ‹simbolica› siepe), può essere rifunzionalizzato da Marinetti non solo come maestro d’ottimismo , 16 ma addirittura come precursore dell’aeropoesia. 17 La sua opera è paragonata infatti ad «un sentiero che uscito dalla forra buia del dolore va deliziandosi di farfalle lungo le acque di un fiume che per il suo estuario beato tocca un paradiso di raggi e aeroplani capriolanti». Gli «aeropoeti futuristi», conclude quindi Marinetti, rifiutando la tesi di un Leopardi pessimista 18 da cui poter trarre solo «lezioni più o meno esplicite di suicidio», colgono dalla sua poesia «non invito funebre ma una gioconda lezione di guida d’aeroplano». Lo «slancio ascensionale» 19 degli aviatori e il raggiungimento di ciò che è oltre diventano perciò le tappe non solo del volo dell’aeropoeta che traduce l’immaginazione in azione, ma anche di quello leopardiano, che pure si era consumato in una sfera puramente contemplativa. La siepe «che da tanta parte-| dell’ultimo orizzonte il guardo esclude» si tramuta in questo senso da limite a trampolino per il proprio superamento, dando vita ad una poesia in cui le parole sono come ‹elettrizzate› ed ‹indorate› «di infinito e di eternità» ( α ). 2. «Cari amici, vi invio questa lirica. Fatene quel che volete; so che siete intelligenti e ve la gusterete»: 20 così scrive Francesco Meriano nel novembre del 1916 a Tristan Tzara, cofondatore insieme a Hugo Ball del Dadaismo. Il testo in questione è Walk , pubblicato un anno dopo sul primo numero della rivista Dada . 21 Meriano, condirettore assieme a Bino Binazzi della rivista bolognese La Brigata , faceva parte di quella cerchia di futuristi che, pur avendo pubblicato presso la di Poesia 1943, 3-7; ora in Filippo Tommaso Marinetti: Collaudi futuristi . A cura di Glauco Viazzi. Napoli: Guida 1977, 263-268, qui 266). 16 Nel manifesto di Marinetti: «Commemorazioni in avanti», in: Futurismo 1.6 (16 ottobre 1932), 1, si legge al punto numero due come gli autori celebrati debbano essere «tonificati da un ottimismo se non giocondo per lo meno sereno». 17 Filippo Tommaso Marinetti: «L’aeropoesia. Manifesto futurista ai poeti e agli aviatori», in: Gazzetta del popolo , 30 ottobre 1931, 3. 18 D’Ambrosio (Marinetti: ‹Commemorazioni in avanti› , 116) riconosce in quella marinettiana una ripresa della lettura avanzata da Flora: «La figura del poeta infelice è una vecchia bugia. […] Chi ha cantato con gioia maggiore di Giacomo Leopardi? Il poeta è felice» (Francesco Flora: Dal Romanticismo al Futurismo . Piacenza: Casa editrice Porta 1921, 17). 19 Marinetti: «L’aeropoesia. Manifesto futurista ai poeti e agli aviatori». 20 Francesco Meriano: «Lettera a Tristan Tzara del 25 novembre 1916», in: De Chirico et l’avant-garde . A cura di Giovanni Lista. Lausanne: L’Âge d’Homme 1983, 89. 21 Francesco Meriano: «Walk», in: Dada 1.1 (luglio 1917), 4-6. <?page no="176"?> 176 Emanuele La Rosa casa editrice ufficiale del Movimento, 22 si discostava dall’ortodossia marinettiana. Walk ne è un buon esempio, in quanto incentrata proprio attorno alla figura di Leopardi e al suo Infinito , ma con un intento diametralmente opposto rispetto a quello di Marinetti. Alla sua breve collaborazione con l’avanguardia d’oltralpe potrebbe pertanto essere connessa un’intenzione polemica, come sembra confermare una lettera inviata al leader futurista 23 immediatamente dopo la pubblicazione di Walk : «Sulla rivista dada che esce a Zurigo ho pubblicato parole in libertà dedicate a te. […] Ma, cosa vuoi, quel che faccio io non conta nulla, nel Movimento: lo so troppo bene». 24 Non solo infatti su Dada non è presente alcuna dedica (e quindi essa non può, alla luce del contenuto del testo, che essere ironica), ma le cosiddette ‹parole in libertà› sembrano in realtà molto meno audaci di quelle apparse in Equatore notturno : Walk tirati in là Leopardi ti puzza il fiato estratto di pomodoro concentrato nel vuoto l’infinito esplode come un razzo di sagra metempsicosi dei fulmini e dei ranocchi colori tramontati iride disincantata sorriso putrefatto aholaholaholahola Cecco Becco muore tutte le sere con goffe convulsioni umoristiche Dada ultima rivista dell’universo contiamoci quanti siamo a voi buonasera Mr. Janco a voi Mr. Tzara uno due quattro dieci cinquanta mille veramente Marinetti parleremo alle stelle dove le corazzate non scoppiano come trottole gigantesche transatlantico aeroceleste 22 Id.: Equatore notturno. Parole in libertà . Milano: Edizioni futuriste di Poesia 1916. 23 Apostrofato qualche anno più tardi come «buon’anima» in: id.: «Dada», in: Il secolo XX 1 (marzo 1921); ora in: id.: Arte e vita. Con tre carteggi di Umberto Saba, Eugenio Montale, Gabriele D’Annunzio . Milano: Scheiwiller 1982, 59-64, qui 59. 24 Id.: «Lettera a F.T. Marinetti del 29 luglio 1917», in: Dalla pagina alla parete. Tipografia futurista e fotomontaggio dada . A cura di Caterina Toschi. Firenze: University press 2017, 197. <?page no="177"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 177 l’infinito è nostro Leopardi tirati in là ti puzzano i piedi Mostrando di avere già intuito la direttrice ideologica del movimento Dada (palesatasi poi in maniera chiara a partire dal terzo numero della rivista), 25 il testo di Meriano si caratterizza per un netta presa di posizione contro il passato, esternata nella sconfessione di Leopardi, a cui viene peraltro estorta l’opera-simbolo L’infinito . Il poeta di Recanati è dipinto nel pieno della putrefazione: da un lato lo stato di decomposizione è calzante immagine per la defunta tradizione lirica, dall’altro è stilema tipico delle produzioni consapevolmente dadaiste, nelle quali l’esibizione del corpo putrefatto è funzionale alla denuncia dello stato dell’arte e della società. 26 Anche nell’allusione a «Cecco Becco», nomignolo spregiativo con cui veniva designato l’imperatore austriaco Francesco Giuseppe, 27 può essere rilevata una volontà di licenziamento del passato. Il riferimento che più sopra si è definito polemico a Marinetti è poi tanto più chiaro in quanto contiene dei rimandi extratestuali a scritti del capo futurista (da individuarsi nelle «corazzate» e nel «transatlantico»). 28 Proprio a lui è quindi indirizzato il messaggio ultimo: solo dopo aver abbandonato ogni forma di passatismo (e quindi anche il tanto amato Leopardi) si potrà davvero riuscire a dialogare con l’infinito, a parlare «alle stelle». 25 La copertina del ‹fatidico› terzo numero di Dada del dicembre 1918 accoglie e dota di nuova significanza l’asserzione cartesiana «Je ne veux même pas savoir s’il y a eu des hommes avant moi». 26 «As Nietzsche established (and as Francesco Meriano reiterated in his poem ‹Walk› […]) the bourgeois stomach stinks, and the Dada artist exposes it as the site of death, decomposition, and pollution, in short, a producer of filth» (Cecilia Novero: Antidiets of the Avant-Garde. From futurist cooking to eat art . Minneapolis / London: University of Minnesota Press 2010, 84). 27 Cf. Manlio Cortellazzo / Paolo Zolli: Dizionario etimologico della lingua italiana . Vol. I. Bologna: Zanichelli 1980, 221. Interessante è notare che l’imperatore morì il 21 novembre 1916 (come menzionato anche nel testo), quattro giorni prima che Meriano inviasse la lirica a Tzara. 28 Cf. ad esempio «corazzate-acciaio-concisione-ordine Bandiera-di-combattimento» («Battaglia Peso + Odore», in: I poeti futuristi . Milano: Edizioni futuriste di Poesia 1912, 29-33, qui 32); «Noi opponiamo […] l’estetica futurista assolutamente conquistata e definitiva delle grandi locomotive, dei tunnels a spirale, delle corazzate» («Nascita di un’estetica futurista», in: Guerra sola igiene del mondo . Milano: Edizioni futuriste di Poesia 1915, 119- 125, qui 120); «Il futurismo si fonda sul completo rinnovamento della sensibilità umana avvenuto per effetto delle grandi scoperte scientifiche […] del telegrafo, del telefono e del grammofono, del treno, della bicicletta, della motocicletta, dell’automobile, del transatlantico, del dirigibile, dell’aeroplano, del cinematografo, del grande quotidiano» («Distruzione della sintassi. Immaginazione senza fili. Parole in libertà» (11 maggio 1913), in: I manifesti del futurismo . Lanciati da F.T. Marinetti [et al.]. Firenze: Lacerba 1914, 133-146, qui 133); «Nuova sensibilità turistica dei transatlantici» (ibid., 135). <?page no="178"?> 178 Emanuele La Rosa Tuttavia sarebbe sbagliato etichettare Meriano come dadaista, pur emergendo chiare posizioni di antagonismo rispetto al Futurismo marinettiano. 29 Non solo infatti la sua esperienza nei ranghi di Dada fu limitata temporalmente, ma anni più tardi egli stesso avrebbe corretto il tiro, pur essendosi in precedenza espresso positivamente, 30 individuando nel Dadaismo un’estremizzazione dei dettami futuristi: mentre Marinetti «col suo futurismo era arrivato soltanto all’abolizione del metro, della grammatica e della sintassi[,] i dadaisti vollero andare più in là». 31 3. Bruno Giordano Sanzin, figura di spicco del gruppo futurista triestino, fu uno dei maggiori esponenti dell’aeropoesia. Convinto sostenitore di Marinetti, 32 ne sposò anche la ‹filosofia› ottimista. 33 Del 1933 è il suo ‹romanzo› più significativo, Infinito. Parabola cosmica , 34 opera che perfino il padre del Futurismo non riuscì ad inquadrare in un genere preciso, 35 pur essendo definibile come una sorta di poema in prosa dai toni filosofeggianti pregno di ascendenze leopardiane 36 e celebrante, appunto, il rampante ottimismo futurista. Infinito , accompagnato da un disegno di copertina di Enrico Prampolini, è, come si evince dal sottotitolo, ‹parabola cosmica› perché descrive, sviluppan- 29 Sebbene egli venga inserito ancora nel 1920 tra i ‹presidenti› del Dadaismo in «Quelques Présidents et Présidentes», in: Dada Bulletin 3.6 (febbraio 1920), 3 e in Katalog Dada Ausstellung - Dada Vorfrühling . Köln, aprile 1920, 3. 30 «Tra il povero vecchio Rolland decorato di premio Nobel e questi artisti spregiudicati, come sono più coraggiosi e simpatici questi anarchici senza patria», segnalazione di un trafiletto uscito per la rivista Humanitas di Bari verso la fine del 1916 e accolto in «Kritiken aus allen Zeitungen der Welt», in: Dada Almanach . A cura di Richard Huelsenbeck. Berlin: Reiss 1920, 41-44, qui 43. 31 Meriano: «Dada», 59. 32 Da lui appellato «grande Maestro» (Bruno G. Sanzin: «Ricordo di Marinetti», in: F.T. Marinetti futurista , 375-380, qui 375). 33 Un romanzo di Sanzin si intitola Ottimismo ad ogni costo (Roma: Unione editoriale d’Italia 1938), titolo proposto proprio da Marinetti «anche perché l’‹ogni costo› ammetteva implicitamente un coefficiente di pessimismo» (Sanzin: «Ricordo di Marinetti», 376). 34 Bruno G. Sanzin: Infinito. Parabola cosmica . Presentazione futurista di F.T. Marinetti. Roma: Edizioni futuriste di Poesia 1933. 35 «Il suo ‹infinito› ultrasorprendente mi appare anche incatalogabile, poiché sconfina da qualsiasi tipo di studio filosofico, romanzo, trattato o saggio psicologico, pur rifiutandosi le grazie e i languori del poema» (Filippo Tommaso Marinetti: «Bruno Sanzin e il suo ‹Infinito›», in: Bruno G. Sanzin: Infinito. Parabola cosmica . Genova: San Marco dei Giustiniani 2006, 9-12, qui 9). Il collaudo di Marinetti (così egli chiamava le proprie introduzioni alle opere di altri futuristi) fu pubblicato anche in: Il piccolo della sera , 20 aprile 1933, 3. 36 Sanzin scrisse, sempre nel 1933, una poesia intitolata Leopardiana (pubblicata in: Bruno G. Sanzin: Accenti e quote . Roma: Edizioni futuriste di Poesia, 1935), ora in: id.: Bruno G. Sanzin aeropoeta futurista triestino. Tutte le poesie dal 1923-1942. Raccolte e ordinate da Paolo Sanzin. A cura di Enrico Mezzetta. Milano: EDUcatt 2009, 64. <?page no="179"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 179 dola con tratti allegorico-geometrici, una cosmogonia squisitamente futurista che, attraverso la nascita di un altro universo , conduce alla comparsa di un uomo nuovo , da incarnarsi nella figura dell’aeropoeta. Il testo, suddiviso in sei sezioni, si apre con una Genesi cosmica in cui vengono fornite le prime indicazioni spazio-temporali 37 in funzione di un tentativo di definizione dell’ infinito , le quali varranno come coordinate per il successivo sviluppo narrativo: Fuga di espressioni energetiche per le vie polidimensionali dell’infinito. […] (Il tempo può circoscrivere soltanto un fatto limitato. Altrimenti è inutile parola che vaga senza appoggio. Il tempo è dunque fattore limitativo in quanto misura. L’infinito è l’immortalità che il tempo non può contenere). 38 Procedendo attraverso la «genesi del determinato», 39 la seconda sezione introduce Il definito , che è prima di tutto Un mondo nuovo. Una sfera immensa relativamente al pigmeo; un elemento trascurabile in confronto all’infinito. 40 Esso è «trascurabile» in quanto irrilevante al confronto dell’infinito, che è propriamente lo spazio-tempo in cui si vanno a definire, in una lotta che rimanda certo a quelle celeberrime dei futuristi, le direttrici ideologiche del «pessimismo e ottimismo. Questo contro quello e viceversa». 41 Ed è infatti proprio all’interno di questo scontro dialettico che, nel successivo Schermaglie e ideologie , compare l’io, l’attore futurista che ha come priorità una ‹virile› autodefinizione che conduce al ribaltamento della formula cartesiana dell’ ergo sum . L’individuo non si 37 «Con lo spazio il tempo innaffia l’infinito di necessità […] vanità e frange volubili di sillogismi probanti» (Marinetti: «Bruno Sanzin e il suo ‹Infinito›», 11). 38 Sanzin: Infinito , 15 e 17. 39 Ibid., 24. 40 Ibid., 29. 41 Ibid., 34. <?page no="180"?> 180 Emanuele La Rosa definisce più in base al cogito , bensì mediante la propria (nietzscheana) volontà (di potenza): 42 Rinvigoriti, forti, straripanti infine in un’esclamazione precoce - io - che ripetuta ad intervalli convoglia sulle strade polidimensionali dell’infinito coraggiose squadriglie di «o», inseguite dai punti-proiettili sparati dagli «i»-cannoni. […] L’antenna ha lanciato il primo segnale della sua esistenza. - Io. Io sono. Io sono perché voglio. 43 In un crescendo superomistico e futurista in cui si scontrano le «antenne positive» (che in coro sostengono i valori dell’«Essere- | volEre- | impOrre») e le «antenne negative» (che rispondono con un ‹molle› «Sooo - gnaaa - reee…- | Gooo - deee - reee…- | Aaaaaah…»), 44 scontro in cui è ben chiaro chi riesca ad avere la meglio, si giunge ad una sorta di Intermezzo lirico (in senso anche musicale), nel quale personaggi non meglio identificabili (e che sembrano preludere a quelli delle Cosmicomiche di Calvino) sono impegnati nel tessere le lodi dell’infinito: Le antenne positive trasmettono: K-407 Credo nell’infinito, poiché in esso si riflette l’insaziabilità dell’aspirazione attiva. M-139 - Amo l’infinito, appunto perché il desiderio non potrà mai essere colmato da possesso alcuno. 45 X-523 - L’infinito è l’atmosfera idealistica del divenire, che a quello ispira la benefica ansiosa tensione ad un crescendo positivo senza soste. 42 «Rimarchevolissimo per la sua audacia è il passaggio in cui il poeta parolibero precipita le angosce e i desideri dell’Io davanti all’impetuoso ignoto» (Marinetti: «Bruno Sanzin e il suo ‹Infinito›», 10). 43 Sanzin: Infinito , 42. 44 Ibid., 47. 45 «Quando giungi a possedere […] trovi un piacere necessariamente circoscritto e senti un vuoto nell’anima, perché quel desiderio che tu avevi effettivamente non resta pago» (Giacomo Leopardi: Pensieri di varia filosofia e bella letteratura . Firenze: Le Monnier 1898, 272). <?page no="181"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 181 R-112 - L’intelligenza è un lembo d’infinito che seduce il determinato, amplificandolo oltre il limite che lo comprende. 46 L’io, che frattanto si è evoluto in pilota d’aereo, si getta nella penultima sezione L’eterno divenire alla conquista dell’infinito cosmico, in un volo verticale che in un progressivo appiattimento geometrico segna la scomparsa del limite, anche temporale, 47 e la fusione totale e definitiva tra corporeo e incorporeo (quota 0 ha come equivalente un cubo, quota 2000 un quadrato, quota 5000 un segmento rettilineo e la quota inesplorata l’infinito). L’ Apoteosi ottimistica con cui si conclude il racconto delle eroiche gesta aviatorie assume infine le forme di un suicidio ritualistico in cui il pilota, quasi antesignano dei kamikaze giapponesi, volutamente si immola assieme al proprio aereo nelle profondità dei cieli, sparpagliando tutt’attorno frammenti che serviranno alla (ri)composizione futurista dell’universo: 48 Le mille schegge proiettate all’ingiro con veemente impulso iniziale hanno preso la strada dell’infinito. È sorta la nuova costellazione che splende di ottimismo sano, rompendo la consegna della tenebre [ sic ] assoluta. Più che una costellazione: il firmamento delle speranze ardite. Lassù, le stelle civettuole strizzano l’occhio ai viandanti della fantasia. 49 Infinito si impone in questo senso come modello di opera futurottimista , facendo propria la lezione marinettiana che vuole il rovesciamento del pessimismo in ottimismo cosmico e riuscendo a dimostrare - così come, secondo Marinetti, già 46 Sanzin: Infinito , 73-74. 47 «La ‹conquista della vetta› ha il significato di marcia ineluttabile per fuggire alla realtà esistenziale e confondersi con l’eterno» (Mario Verdone: «I quaranta anni di un poema cosmico. ‹Infinito› di Bruno G. Sanzin», in: Sanzin: Infinito , 121-126, qui 124). 48 «Noi futuristi», affermano Balla e Depero nel manifesto Ricostruzione futurista dell’universo (11 marzo 1915), «scesi nell’essenza profonda dell’universo», «vogliamo realizzare questa fusione totale per ricostruir[lo] rallegrandolo, cioè ricreandolo integralmente». Per Verdone Infinito è «l’incontro perfetto, fino alla sintesi, tra l’idealismo cosmico di Prampolini […] e quello di Sanzin: entrambi si sono staccati ‹da ogni nostalgia terrestre, raggiungendo universi sconosciuti, in pieno dramma cosmico›» (Verdone: «I quaranta anni di un poema cosmico», 123). 49 Sanzin: Infinito , 119-120. <?page no="182"?> 182 Emanuele La Rosa aveva fatto Leopardi - in che modo «un vuoto esasperato dalla propria vuotezza [possa] provoc[are] la nascita di un pieno»: 50 Bruno Sanzin è uno di quelli che hanno inteso con maggiore ampiezza l’impulso di oltranza del futurismo e che, non limitandosi a farne un gioco verbale di metafora, hanno cercato di trasportare addirittura in una concezione cosmica, in un dramma icariano che abbracci l’universo, la lotta dello spirito umano anelante a lasciarsi addietro tutti i traguardi contro gli spiriti quieti, inerti, fatti epicurei dallo scetticismo e dalla sfiducia (implicitamente pessimista) che nulla di nuovo possa essere vissuto al mondo. Questa proiezione nell’universo, si capisce, è simbolica; rappresenta il bisogno che ha lo spirito di lanciarsi nell’infinito. 51 4. Il dato saliente che emerge dai testi analizzati è, in conclusione, una ‹doppia› rifunzionalizzazione delle figure di Leopardi e de L’infinito . In Meriano, impegnato ad affrancarsi dall’estetica futurista, essi diventano un simbolo , chiaramente decodificabile, per una tradizione putrefatta cui spetta solo la definitiva liquidazione. In Marinetti e in Sanzin essi assurgono invece a topos metonimico , diventando delle figure ricorrenti del discorso che rimandano ( intra ed inter -testualmente) all’ideologia futurista del superamento del limite e della conquista dell’ignoto. 50 Marinetti: «Bruno Sanzin e il suo ‹Infinito›», 11. 51 Silvio Benco: «‹Infinito› di Bruno G. Sanzin», in: Il Piccolo , 21 maggio 1933, 3. <?page no="183"?> Leopardi, Marinetti, Futurismo e futurismi 183 Bibliografia [AA.VV.]: «Kritiken aus allen Zeitungen der Welt», in: Dada Almanach . A cura di Richard Huelsenbeck. Berlin: Erich Reiss 1920, 41-44. Balla, Giacomo / Depero, Fortunato: Ricostruzione futurista dell’universo (11 marzo 1915), 123. Buzzi, Paolo: «Le bocche dei Poeti», in: Poesia n.s. 1.3 (maggio 1920), 25. Cangiullo, Francesco: Le serate futuriste. Romanzo storico vissuto [1930]. Milano: Ceschina 2 1961. De Maria, Federico: «Il Poema delle Vittorie», in: Poesia 3.12 (ottobre 1907), 25-28. Leopardi, Giacomo: Pensieri di varia filosofia e bella letteratura . Firenze: Le Monnier 1898. Mallarmé, Stéphane: Versi e prose. Prima traduzione italiana di F.T. Marinetti. Milano: Istituto Editoriale Italiano 1916. Marinetti, Filippo Tommaso: «À Victor Hugo», in: id.: F.T. Marinetti futurista. Inediti, pagine disperse, documenti e antologia critica . A cura di «ES». 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Mailand: Adelphi 2001, 116. 2 Cf. Eva-Tabea Meineke: Rivieras de l’irréel. Surrealismen in Italien und Frankreich . Würzburg: Königshausen & Neumann 2019; Sebastian Neumeister: «‹Portiques au soleil, statues endormies.› Giorgio de Chirico im Turin und Paris der Moderne», in: Kurt Hahn-/ Matthias Hausmann (Hg.): Visionen des Urbanen. (Anti-)Utopische Stadtentwürfe in der französischen Wort- und Bildkunst . Heidelberg: Winter 2012, 143-161; Giuditta Isotti Rosowsky: «Savinio, Frankreich und der Surrealismus», in: Andrea Grewe unter Mitarb. von Sabine Kleymann (Hg.): Savinio europäisch . Berlin: Erich Schmidt 2005, 69-81; Rossana Jemma: «La réception immédiate du Manifeste de fondation du Futurisme de Marinetti en France», in: Mariella Colin (Hg.): Lettres italiennes en France . 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Insbesondere für die Phase 1819-1821 - 1819 gilt als Leopardis Krisenjahr 4 - wird die «poetica dell’immaginazione» angesetzt, 5 auf die, Georges Güntert zufolge, «mit einem gewissen zeitlichen Abstand», nämlich mit ihrer theoretischen Ausformulierung im Oktober 1820, die «poetica della ricordanza» folge. 6 In enger Verbindung zur «immaginazione» stehen der Rückgriff auf die Antike als primitivem, unbeschwertem und der Ratio fernem Zeitalter - im Gegensatz zur melancholischen, von der «ragione» bestimmten Gegenwart Leopardis - und, parallel dazu, zur Kindheit des Menschen, der «fanciullezza». Der aufgeklärte, vom Verstand («mente») bestimmte Mensch könne das einfache Glück der Ursprünge nur noch in Form von «illusioni» wieder erleben und sich somit seiner eigenen Seele annähern. Wiederholt ist auch von der Bedeutung der Träume («sogni») die Rede, die Leopardi, wie Goethe in seinem Werther , neben Antike und Kindheit als «dritte Quelle» für Glück («diletti») und «romanhafte Ideen» («romanzesche idee») ansieht; 7 sie beeinflussten, als Teil der Natur des Menschen, sein Handeln zumeist stärker als die äußere Wirklichkeit. 8 Diese drei veränderten Bewusstseinszustände - Antike, Kindheit, Träume - sieht Leopardi für die Erfahrung des Außergewöhnlichen und Wunderbaren («stravaganza e maraviglia») verantwortlich; sie bedingten zudem den «ekstatischen» Zustand der «fanciullezza», der den Menschen seiner Endlichkeit enthebe und den «finito» um den «infinito» ergänze. 4 Cf. Winfried Wehle: Leopardis Unendlichkeiten: Zur Pathogenese einer ‹poesia non poesia› («L’Infinito»-/ «A se stesso») . Tübingen: Narr 2000, 12: «Sein Zusammenbruch um 1819 hat also, so sehr er physisch in Erscheinung trat, zuletzt meta-physische Gründe. Die Gefährdung seines Augenlichts erscheint wie eine Allegorie jener Verdunkelung, die damals über seine Vorstellungen kam. Die Ursache war ebenso eindeutig wie unheilbar: er hat vom Baum der Erkenntnis gegessen - und dafür den Preis aller Aufklärung bezahlen müssen». 5 Cf. Georges Güntert: «Leopardi und die Poetik der ricordanza : Entstehung - Anwendungsformen - Aufhebung», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Die ästhetische Wahrnehmung der Welt: Giacomo Leopardi. Giacomo Leopardi e la percezione estetica del mondo . Frankfurt a. M. [et al.]: Lang 2009, 263-282, hier 264-266. 6 Cf. ibid., 266. 7 Cf. Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri . Hg. von Rolando Damiani. Mailand: Mondadori 2003, 92: «Circa le immaginazioni de’ fanciulli comparate alla poesia degli antichi vedi la verissima osservazione di Verter sul fine della lettera 50. Una terza sorgente degli stessi diletti e delle stesse romanzesche idee sono i sogni» ( Zib. 57). Im Folgenden werden jeweils die Manuskriptseiten angegeben. 8 Cf. «E notate in secondo luogo che la natura ha voluto che l’immaginaz. non fosse considerata dall’uomo come tale, cioè non ha voluto che l’uomo la considerasse come facoltà ingannatrice, ma la confondesse colla facoltà conoscitrice, e perciò avesse i sogni dell’immaginaz. p. cose reali e quindi fosse animato dall’immaginario come dal vero (anzi più, perchè l’immaginario ha forze più naturali, e la natura è sempre superiore alla ragione)» ( Zib. 168). <?page no="189"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 189 Ed una scena campestre p.e. dipinta dal poeta antico in pochi tratti, e senza dirò così, il suo orizzonte, destava nella fantasia quel divino ondeggiamento d’idee confuse, e brillanti di un indefinibile romanzesco, e di quella eccessivamente cara e soave stravaganza e maraviglia, che ci solea rendere estatici nella nostra fanciullezza. Dove che i moderni, determinando ogni oggetto, e mostrandone tutti i confini, son privi quasi affatto di questa emozione infinita, e invece non destano se non quella finita e circoscritta, che nasce dalla cognizione dell’oggetto intiero, e non ha nulla di stravagante, ma è propria dell’età matura, che è priva di quegl’inesprimibili diletti della vaga immaginazione provati nella fanciullezza (8 Gen. 1820). 9 Es tauchen bei Leopardi Begrifflichkeiten auf - dies belegt diese Textstelle -, die im Kontext der in Paris ab 1919 und während der 1920er Jahre entstehenden Surrealismusbewegung unter André Breton bedeutende Zentralität erhalten. So fungiert der Horizont bereits bei Leopardi als Markierung einer Grenze, die in der Antike noch nicht vorhanden war und eine dynamisch-imaginative Erweiterung der Welt impliziert, ein Ausloten von «rêve et réalité». Louis Aragon definiert die surréalité in Une vague de rêves als «notion qui fuit comme l’horizon devant le marcheur, car comme l’horizon elle est un rapport entre l’esprit et ce qu’il n’atteindra jamais.» 10 Der Zustand, den Leopardi mit «quel divino ondeggiamento d’idee confuse e brillanti» beschreibt, antizipiert imaginativ die Wellenbewegung des für den Surrealismus so wesentlichen Meeres als Symbol für das Unbewusste. Aragons Manifest des Surrealismus, das 1924 noch vor Bretons offiziellem Manifest entstanden war, trägt dementsprechend den Titel Une vague de rêves . Im Paysan de Paris tut sich die Weite des Meeres in der Enge des Passage de l’Opéra auf in dessen Zwielicht ein besonderes Glänzen, gar eine Phosphoreszenz auftritt: «Cela tenait de la phosphorescence des poissons» 11 ; in den Texten der französischen Surrealisten tauchen immer wieder die Begriffe «briller» bzw. «brillant» auf und implizieren den schillernden, changierenden Charakter der surrealistischen Bilder, 12 deren grundlegende Eigenschaft die Vereinigung von Widersprüchen darstellt. 13 Bei Leopardi deutet die verborgene Lichtmetaphorik in 9 Zib. 100. 10 Louis Aragon: «Une vague de rêves», in: id.: Œuvres poétiques complètes . Vol. I. Paris: Gallimard 2007, 87sq. 11 Louis Aragon: Le Paysan de Paris . Paris: Gallimard 1926, renouvelé en 1953, 30. 12 Cf. Meineke: Rivieras de l’irréel. 13 Barbara Kuhn erkennt im Hinblick auf die Operette Morali , dass dank der Einbildungskraft auch bei Leopardi «die scheinbare Opposition» durch ein «Paradoxon» aufgelöst wird und dadurch aus dem Nichts stets neue Welten entstehen können; «Sinnlichkeit», «Klang» und «Bilder» erheben «Einspruch […] gegen das gewusste ‹nulla›.» Cf. Barbara Kuhn: «‹Ces redoutables Puissances qu’on appelle les Sens et lʼImagination›-- Die Pluralität der Welten im Dialog bei Fontenelle und Leopardi», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Die ästhetische Wahrnehmung der Welt: Giacomo Leopardi , 125-151, hier 147-149. <?page no="190"?> 190 Eva-Tabea Meineke «brillanti» auf die Schwelle von Ratio und durch Einbildungskraft erweiterte Sinnlichkeit hin, als seiner eigenen poetologischen Reaktion auf die Philosophie der Lumières . Auch die «Extravaganz» («stravaganza») deutet auf die Avantgarde voraus, denn, verbunden mit der Provokation, gilt sie als eine wesentliche Eigenschaft des Surrealismus. Eine Figur wie Nadja oder der paysan durchkreuzen die Ansprüche der Bürgerlichkeit auf allen Ebenen. Ebenso zentral für die surrealistische Poetik ist das «Wunder» (cf. «maraviglia», «merveille»), bei Aragon ist im Besonderen vom «merveilleux quotidien» 14 die Rede, das vor dem Hintergrund der Vergänglichkeit und des Ephemeren besonders spürbar wird. Die Ekstase ist darüber hinaus ein der Ratio ferner Bewusstseinszustand, den die Surrealisten, allen voran André Breton mit seiner «beauté convulsive», zumeist mit einer Mixtur aus Erotik und Religiosität bzw. Mystik in Verbindung bringen. Um in diesen Zustand zu gelangen, gilt es, die richtige Perspektive einzunehmen, die die Surrealisten als diejenige des ‹einfachen› Menschen, des paysan , oder des Kindes ausmachen. Die Kindheit (cf. Leopardis «fanciullezza») wird im Gegensatz zum von der Ratio dominierten Erwachsenenalter betrachtet; gemeinsam bilden beide Lebensalter eine image surréaliste im Sinne von «rêve et réalité». Ein bedeutendes Beispiel dafür ist Bretons femme-enfant Nadja. Das Zusammenspiel von Grenzen und deren Überschreitung, Endlichkeit und Unendlichkeit, von dem bei Leopardi die Rede ist («confini», «immaginazione infinita», «finita e circoscritta»), bildet den Kern surrealistischer Ästhetik: «planter une étoile au cœur du fini » 15 heißt es in Bretons Nadja , wobei mit der «étoile» die grenzüberschreitende Idee gemeint ist. Leopardi antizipiert, so meine These, wesentliche Elemente der Avantgarde, die über die Rezeption Filippo Tommaso Marinettis, als dem Wortführer der Futuristen, und der de Chirico-Brüder, insbesondere der Prosa Alberto Savinios, nach Paris gelangen. 16 In Louis Aragons Paysan de Paris (entstanden 1924-25, erstmals vollständig veröffentlicht 1926), der dem Erscheinen von Bretons Nadja um mindestens zwei Jahre voraus geht und als zentrales Werk surrealistischer Prosa gilt, ist dieser von Savinio vermittelte Einfluss Leopardis besonders deutlich erkennbar. Savinio und Aragon sind, letztlich womöglich gerade durch die Rezeption der Ideen Leopardis, viel stärker grenzüberschreitend und pro-europäisch ausgerichtet als der «pape du surréalisme» André Breton. 17 14 Aragon: Paysan de Paris , 16. 15 André Breton: Nadja , in: id.: Œuvres complètes . Vol. I. Paris: Gallimard 1988, 749. 16 Cf. Magdalena Holzhey-/ Gerd Roos: «Giorgio de Chirico und Alberto Savinio - Eine Biografie der Dioskuren», in: Paolo Baldacci-/ Wieland Schmied (Hg.): Die andere Moderne . Ostfildern-/ Berlin: Hatje Cantz 2001, 25-43, hier 29. 17 Cf. Meineke: Rivieras de l’irréel. <?page no="191"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 191 Der «ekstatische» Zustand der Kindheit wurde bereits von Leopardi, ganz im Sinne des sich ein Jahrhundert später entwickelnden Surrealismus, als Möglichkeit angesehen, der durch die Ratio bedingten Enge seiner Zeit eine neue Weite zu verleihen. 18 Mit der häufigen Wiederholung der «vaga immaginazione» oder der «vaghe idee» im Zibaldone deutet Leopardi bereits auf das Unbewusste voraus, das die konkrete Realität um ganz neue, bislang verborgene Komponenten ergänzt. Dieser auf erweiternden Grenzverschiebungen basierende Vorgang erfordert eine Erneuerung der poetischen Formen, die durch ihre fließenden Übergänge als Vorboten der écriture automatique ausgedeutet werden können - dazu bietet das noch zu besprechende Infinito -Gedicht ein treffendes Beispiel. In folgendem Zitat aus dem Zibaldone ist von dem besonderen Genuss die Rede, im Erwachsenenalter die ‹vagen› Bilder der Kindheit, die Chimären aufleben zu lassen: Certe idee, certe immagini di cose supremam. vaghe, fantastiche, chimeriche, impossibili, ci dilettano sommam., o nella poesia o nel nostro proprio immaginare, perchè ci richiamano le rimembranze più remote, quelle della nostra fanciullezza, nella quale siffatte idee ed immagini e credenze ci erano familiari e ordinarie […] (21 Mag.). 19 Der Begriff ‹vago› oder frz. ‹vague› setzt sich mit seinem Bezug auf Bereiche des Verborgenen oder der Verdrängung bezeichnenderweise über Leopardis eigene Zeit hinaus bis in den Surrealismus hinein fort. Die Umschlagabbildung mit dem Mond, der nur halb zu sehen ist und im zitierten Canto notturno mit «ancor sei vaga» 20 beschrieben wird, veranschaulicht das bei Leopardi bereits 18 Peter Brockmeier vergleicht Leopardis «poetologische» Reaktion («retentissements poétologiques») auf die Errungenschaften der Aufklärung - «ragione» und «riflessione» ( Zib . 1163) - mit dem, was Max Weber ein Jahrhundert später, in der Folge des Positivismus, als «Rationalisierung», «Intellektualisierung» und «Entzauberung der Welt» beschreibt. Cf. Peter Brockmeier: «Giacomo Leopardi: critique de la civilisation et autonomie esthétique», in: Jean Bessière-/ Stéphane Michaud (Hg.): La main hâtive des révolutions. Esthétique et désenchantement en Europe de Leopardi à Heiner Müller . Paris: Presses de la Sorbonne Nouvelle 2001, 15-33, hier 30-33. Analog zu den Surrealisten strebt Leopardi in der Folge der Französischen Revolution, deren Reduktion auf die Ratio er ablehnt, nach einer Revolution des Geistes, die Jean Bessière und Stéphane Michaud in der Einleitung ihres Bandes, dessen Ausgangspunkt Leopardi bildet, als «subjective et imaginaire» beschreiben. Cf. Jean Bessière-/ Stéphane Michaud: «Introduction», in: ibid., 7-14, hier 11: «Leopardi est sur ce point l’un des plus radicaux. Au-delà de la Révolution française, qu’il rejette comme toute civilisation au demeurant, l’Italien cherche quelque chose qui est de l’ordre du désir et que seule la poésie serait en mesure d’exprimer dans la mesure où elle a partie liée avec l’enfance et l’imagination». 19 Zib. 4513. 20 Giacomo Leopardi: «Canto notturno di un pastore errante dell’Asia», in: id.: Poesie e prose . Vol. I. Poesie . A cura di Mario Andrea Rigoni. Mailand: Mondadori 2003, 84-88. <?page no="192"?> 192 Eva-Tabea Meineke angedeutete gleichberechtigte Zusammenspiel von Imagination und Wirklichkeit, «rêve et réalité». 21 In Alberto Savinios Tragedia dell’infanzia - 1919, parallel zur Entstehung der écriture automatique verfasst, die Breton und Soupault erstmals in den Champs magnétiques realisierten - finden sich, analog zum eben genannten Leopardi-Zitat aus dem Zibaldone , «reminiscenze vaghe» bereits im ersten Satz wieder, der lautet: È un assieme di nitidi ricordi e di reminiscenze vaghe, che così come gli uni e le altre si sono raccolti nella sede più riposta della mia memoria, compongono una vicenda compiuta in sé ma oscura in talune sue parti. 22 Die Tragedia dell’infanzia rekurriert auf die dunklen Seiten des Lebens, die sich häufig umso eindrucksvoller im Gedächtnis verankern, weil sie die Erfahrung von Grenzen nahelegen. Das rational Fassbare der «nitidi ricordi» wird entsprechend der Ästhetik der image surréaliste um die verdunkelten «reminiscenze vaghe» ergänzt. Bei Aragon dominiert, wie bereits erwähnt, der französische Begriff «vague» sein surrealistisches Manifest Une vague de rêves . «Vague» kommt darin in seiner Doppeldeutigkeit vor - als Welle bzw. Woge und auch als Adjektiv. Im Text heißt es zum Beispiel: «Il régnait une vague opinion sentimentale du surréel au fond de nos propos […].» 23 In André Bretons Nadja wird hingegen die für die surréalité -Erfahrung berühmt-berüchtigte Pariser Place Dauphine auf der Île de la Cité als «un des pires terrains vagues qui soient à Paris» 24 beschrieben. Mit «terrain vague» wird ein feststehender Begriff bedient, der dem Dictionnaire Larousse zufolge die Bedeutung «terrain à proximité d’une agglomération et qui n’est ni cultivé ni construit» 25 trägt, also auf eine Leerstelle hindeutet; diese nutzt der Surrealismus für seine erweiterte Erfahrung der Wirklichkeit. Die beiden wesentlichen Elemente surrealistischer Poetik sind die écriture automatique und die image surréaliste . Die Definitionen dazu liefert Breton in seinem Manifest von 1924; darin beschreibt er die image surréaliste , mit Bezug auf ein Reverdy-Zitat, als « rapprochement de deux réalités plus ou moins éloignées. Plus les rapports des deux réalités rapprochées seront lointains et justes, plus l’image 21 Bei Matthias Claudius in Der Mond ist aufgegangen ist, im Gegensatz zu Leopardi, beim nur halb zu sehenden Mond ein deutlicherer Bezug auf Gott und die Transzendez auszumachen, die unsichtbar und doch gegenwärtig sind. 22 Savinio: Tragedia dell’infanzia , 13. 23 Cf. Aragon: Une vague de rêves , 88. 24 Breton: Nadja , 695. 25 www.larousse.fr/ dictionnaires/ francais/ vague/ 80915 [1.10.2018]. <?page no="193"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 193 sera forte - plus elle aura de puissance émotive et de réalité poétique… ». 26 Ähnliche Formulierungen bezüglich der poetischen Bilder mit ihren originellen ‹Beziehungen› («rapporti» bzw. «relazioni») von disparaten Dingen sind bereits im Zibaldone zu finden, besonders beispielhaft in einem Eintrag vom 7. September 1821: L’animo in entusiasmo, nel caldo della passione qualunque ec. ec. discopre vivissime somiglianze fra le cose. Un vigore anche passeggero del corpo, che influisca sullo spirito, gli fa vedere dei rapporti fra cose disparatissime, trovare dei paragoni, delle similitudini astrusissime e ingegnosissime (o nel serio o nello scherzoso), gli mostra delle relazioni a cui egli non aveva mai pensato, gli dà insomma una facilità mirabile di ravvicinare e rassomigliare gli oggetti delle specie le più distinte, come l’ideale col più puro materiale, d’incorporare vivissimamente il pensiero il più astratto, di ridur tutto ad immagine, e crearne delle più nuove e vive che si possa credere. […] Tutte facoltà del gran poeta, e tutte contenute e derivanti dalla facoltà di scoprire i rapporti delle cose, anche i menomi, e più lontani, anche delle cose che paiono le meno analoghe ec. 27 Vergleichbar dem Surrealismus entsteht hier die Schöpfungskraft aus einem veränderten Seelenzustand, bedingt durch die «passione». Beide, Körper und Geist («corpo e spirito»), sind angesprochen. Die entferntesten («astrusissime») Beziehungen werden nun sichtbar, und die Bilder, die entstehen, sind «delle più nuove e vive che si possa credere». Die Leopardi-Rezeption der Surrealisten scheint im Hinblick auf die auf Analogien basierenden Bilder über den Futurismus zu erfolgen, an den sich die surrealistischen Begrifflichkeiten noch dezidierter anlehnen. Marinetti hebt im Manifesto tecnico della letteratura futurista von 1912, wie Leopardi zuvor, die «immagini nuove» hervor und beschreibt darüber hinaus die Analogie explizit als ‹Liebesbeziehung›, so wie es Breton später sinngemäß in seinem surrealistischen Manifest für die image surréaliste übernimmt, wo die «rapports» eine erotische Komponente erhalten. Marinetti schreibt: L’analogia non è altro che l’amore profondo che collega le cose distanti, apparentemente diverse ed ostili. Solo per mezzo di analogie vastissime uno stile orchestrale, ad un tempo policromo, polifonico, e polimorfo, può abbracciare la vita della materia. Quando nella mia Battaglia di Tripoli , ho paragonato una trincea irta di baionette a un’orchestra, una mitragliatrice ad una donna fatale, ho introdotto intuitivamente una gran parte dell’universo in un breve episodio di battaglia africana. […] La poesia deve essere un seguito ininterrotto di immagini nuove senza di che non è altro che anemia e clorosi. Quanto più le immagini contengono rapporti vasti, tanto più a lungo esse 26 André Breton: Manifeste du surréalisme , in: id.: Œuvres complètes . Vol. I. Paris: Gallimard 1988, 324. 27 Zib. 1651 (7. September 1821). <?page no="194"?> 194 Eva-Tabea Meineke conservano la loro forza di stupefazione [cf. «stupéfiant image» bei Aragon]. Per dare i movimenti successivi d’un oggetto bisogna dare la catena delle analogie che esso evoca, ognuna condensata, raccolta in una parola essenziale. 28 Über Leopardi hinaus gehen die Avantgarden, indem sie die «stravaganza» auf die Spitze treiben. Dies geschieht beispielsweise durch Drogenkonsum und parapsychologische Experimente, die Einbeziehung neuer Bereiche der Wissenschaft, neuer Technologien - man denke an die «immaginazione senza fili»- / «imagination sans fil», die mit Bezug auf die Technik die ‹Schnurlosigkeit›, d.h. die Alogik der Kommunikation, betont - sowie die Fetischisierung von Gegenständen und die Ästhetik der Reklame. Außerdem rückt die Natur, darin über Recanati hinausgehend, vorzugsweise im Kontext der Großstadt - Mailand für den Futurismus, Paris für den Surrealismus - ins Blickfeld und verkörpert in diesem Kontext das Irrationale, Unbewusste, Triebhafte. Die Verbindung, die in der modernen Dichtung von Leopardi bis hinein in die Moderne und den Surrealismus besteht, lässt sich jedoch in der Sekundärliteratur beispielsweise auch in der Argumentation Antonio Pretes ablesen, der über Mallarmés «démon de l’analogie» Leopardi und Valéry miteinander in Beziehung setzt. 29 Der «démon de l’analogie» wird in Bretons Nadja explizit erwähnt, 30 wodurch sich eine Weiterführung der bei Leopardi angelegten Poetik bis in den Surrealismus hinein auch über diesen Weg belegen ließe. 2 Leopardis Infinito (1819) und dessen imaginative Arbeit an den Grenzen Sempre caro mi fu quest’ermo colle, E questa siepe, che da tanta parte Dell’ultimo orizzonte il guardo esclude. Ma sedendo e mirando, interminati Spazi di là da quella, e sovrumani Silenzi, e profondissima quiete Io nel pensier mi fingo; ove per poco Il cor non si spaura. E come il vento Odo stormir tra queste piante, io quello Infinito silenzio a questa voce 28 Filippo Tommaso Marinetti: Manifesto tecnico della letteratura futurista vom 11. Mai 1912, in: id.: Teoria e invenzione futurista. Hg. von Luciano de Maria. Mailand: Mondadori 1968, 40-48, hier 42-43. 29 Cf. Antonio Prete: Il demone dell’analogia: da Leopardi a Valéry. Studi di poetica . Mailand: Feltrinelli 1986. 30 Cf. Breton: Nadja , 714. <?page no="195"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 195 Vo comparando: e mi sovvien l’eterno, E le morte stagioni, e la presente E viva, e il suon di lei. Così tra questa Immensità s’annega il pensier mio: E il naufragar m’è dolce in questo mare. 31 In dem als programmatisch anzusehenden Gedicht L’infinito von 1819 - bezeichnenderweise geht es der Erfindung der écriture automatique durch André Breton und Philippe Soupault um genau 100 Jahre voraus - erweitern sich, in einer Art Tagtraum, Zeit und Raum. Zunächst ist die Enge der äußeren, begrenzten Wirklichkeit Recanatis durch den Hügel und die Hecke gegeben, die den Blick auf den «ultimo orizzonte» verstellen und dem lyrischen Ich seit jeher vertraut und lieb sind. Enge und Weite, Konkretes und Abstraktes verbinden sich im nächsten Schritt zu Bildern, die in der Retrospektive im surrealistischen Sinn ausgedeutet werden können, denn in der Enge tun sich auf einmal «interminati spazi» auf, begleitet von «sovrumani silenzi» und «profondissima quiete». Das Leben und die Spontaneität der Erfahrung stehen im französischen Surrealismus mit Lautstärke im Zusammenhang, während die Kunst und die Form mit der Idee der Stille verknüpft werden und sich visuell, in der image surréaliste , manifestieren. Breton huldigt in Nadja der «Royauté du silence» 32 und bezüglich seines Kusses auf Nadjas Zähne heißt es «la communion se passe en silence». 33 Aus der Stille dringt jedoch, bei Breton und auch bei Leopardi, eine Stimme zum Ich vor, die Stimme seines eigenen Inneren, seines Unbewussten: «io quello- | Infinito silenzio a questa voce- | Vo comparando». Antonio Prete schreibt mit Bezug auf Leopardi von dem paradoxen «colloquio tra il nulla e la parola, tra il silenzio e il fremito del vento, tra l’origine e la morte.» 34 Mit dem «suon» trägt die Stimme im Infinito musikalische Züge; analog scheint in der Kussszene bei Breton Nadja zu singen, es ist von Noten die Rede. 35 Parallel zum Klang und zum durch Hügel und Hecke verstellten Blick entsteht im Infinito eine Reihung von Bildern verschiedener Zeiten, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen wird erfahrbar, Geburt und Sterben fallen in eins: «e mi sovvien l’eterno,-| e le morte stagioni, e la presente-| e viva, e il suon di lei.» Leopardis Infinito endet mit dem berühmten Ertrinken des «pensier mio» (Denkens-/ Gedankens) in der Unendlichkeit und mit dem Schiffbruch: «Cosí tra 31 Leopardi: « L’Infinito» , in: id.: Poesie , 49. 32 Breton: Nadja , 753. 33 Ibid., 703. 34 Prete: Il demone dell’analogia , 159. 35 Cf. Breton: Nadja , 703: «Avec respect je baise ses très jolies dents et elle alors, lentement, gravement, la seconde fois sur quelques notes plus haut que la première: ‹La communion se passe en silence… La communion se passe en silence›». <?page no="196"?> 196 Eva-Tabea Meineke questa-| Immensità s’annega il pensier mio: -| E il naufragar m’è dolce in questo mare.» Auf den Surrealismus deuten hier das Meer als Symbol des Unbewussten und der Leidenschaften, der «passioni» oder «passions», voraus, ebenso wie die Grenze von Leben bzw. Liebe und Tod. Blickt man vom Surrealismus aus auf den Infinito zurück, so kann man, gestützt durch das vorher genannte Zibaldone -Zitat vom «caldo della passione», mit dem «naufragar dolce» durchaus auch den bildlich gefassten Ausbruch der verdrängten Sexualität des lyrischen Ichs vermuten. Die Hingabe an die, auch körperlich bedingte, Ekstase gleicht einer Initiation und wirkt sich besonders produktiv auf das freie Fließen des Ausdrucks im Sinne der écriture automatique aus, ebenso wie auf die weitreichenden bildlichen Assoziationen der Dichtung. Gesellschaftspolitisch äußert sich hier, analog zur surrealistischen Revolte, eine als revolutionär auslegbare Kritik an der vom Kirchenstaat propagierten Moral und der Enge der prä-risorgimentalen politischen Verhältnisse. Die rebellische Auseinandersetzung des jungen Giacomo mit dem Vater im (‹avantgardistischen›) Kampf für die Freiheit steht auch im Zentrum von Martones Film Il giovane favoloso aus dem Jahr 2014; sie soll darin für ein temperamentvolles, positives und der Gesellschaft zugewandtes Bild des Dichters aus Recanati sorgen und ihn dadurch auch für jüngere Generationen interessant machen. 3 Surrealismus und Grenzerfahrung: Alberto Savinio und Louis Aragon Abschließend soll aufgezeigt werden, wie das Zusammenspiel aus dem Infinito , von «silenzio» und «voce», Schöpfung bzw. Geburt, Leben, Liebe und Sterben bei Alberto Savinio und Louis Aragon jeweils in Verbindung mit der Meeresmotivik und dem Schiffbruch zutage treten. Aus Alberto Savinios Tragedia dell’infanzia soll insbesondere das Kapitel Nel fondo del mare fokussiert werden, das den Höhepunkt des Werks bildet. Darin entwickelt sich das Kind durch die Todeserfahrung zum erwachsenen Künstler. Die Initiation betrifft Körper und Geist; sie geht mit beiden, Erotik bzw. Sexualität und Kontemplation bzw. Mystik einher. Der Protagonist wird durch eine ambige Figur, einen Hermaphroditen, auf den Meeresboden entführt. Das Kapitel Nel fondo del mare weist, dem Höhepunkt entsprechend, eine besondere Verdichtung der die Tragedia tragenden images surréalistes und eine fließende écriture (automatique) auf. Die Welt des Meeresgrundes wird als vorgeburtlich definiert, als Rückkehr in den Uterus; durch die Todeserfahrung wird sie komplementär ergänzt. Questo mondo ha preceduto ogni nascita. La silenziosa famiglia delle idee dorme nel fondo del mare: nell’inconoscibile fondo ove si compiono mostruose mescolanze; ove <?page no="197"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 197 collane di globuli salgono e mi sfiorano leggermente, anelanti a quella superficie cui io non mi potrò riaffacciare mai più. 36 Die Stille der Meerestiefe birgt die Ideen («la silenziosa famiglia delle idee»). Durch die gleichzeitige Erfahrung von Geburt und Sterben sowie der Nähe zum Ursprung allen Seins reißen die zeitlichen Grenzen ein. Aus dieser umfassenden Vereinigung entspringen kreative Verkettungen von Bildern. Die das Subjekt einschließende Stille - «[C]hiuso nella sostanza del silenzio come il frutto nella buccia, sento sulla faccia, sulle mani, su tutto il corpo la compattezza del silenzio» 37 - wird, ebenso wie später auch bei Aragon, durch ein monotones Geräusch durchbrochen, das das Subjekt von innen heraus, als eigenste innere Stimme, aus seiner Totenstarre wieder zum Leben erweckt: «un sibilo lungo mi traversa la testa.» 38 Die Bewegungslosigkeit weicht, dieser Stimme folgend, einem Rhythmus, der das Subjekt mit seiner Ratio - analog zu Leopardis «pensier» - ‹Schiffbruch› erleiden lässt: Un sentimento forte domina in me, cui gli altri cedono. Una volontà inattesa, dolcissima e assieme dolorosa. Il suo fondo palpita con euritmia. I miei visceri si movono simultaneamente con i visceri della dea. La ragione naufraga nel piacere crescente. Un ritmo sempre più celere lo governa. Non ho smarrito gli altri sensi né questi si sono oscurati: vedo ma è come non vedessi, tanto la facoltà del vedere mi è divenuta estranea. Misuro la tensione progressiva dei miei nervi. Sento le commessure delle labbra avvicinarsi alle orecchie, aumentare lo stiramento dei muscoli, la pelle tendersi sulle ossa. I denti mi si serrano. Il fuoco mi scende dal cranio ai reni, e ivi si avvolge in un nodo che promette un qualche terribile solvimento. 39 Die Vereinigung mit der Göttin gestaltet sich rhythmisch, als erotisch-mystische Ekstase. Das Adjektiv ‹dolce› tritt auch hier wiederum auf, in der gesteigerten Form «dolcissima». Der Meeresboden wird nun zum Ort, an dem sich der Urgrund des Lebensgefühls manifestiert. Die vorgeburtliche Mutterbindung und die Liebesvereinigung werden ununterscheidbar; im Zentrum steht die Beziehung («rapporto»), die das Subjekt vollkommen einnimmt und es in gesteigerter Form zur Selbstverwirklichung und gleichzeitig der gefürchteten Selbstauflösung treibt. Seine Wahrnehmung ist grundlegend verändert, sein Körper steht unter (elektrisierender) Spannung. Im Gegensatz zu Leopardi ist in den Texten der Surrealisten die Körperlichkeit explizit. Auch in Louis Aragons Une vague de rêves kommt der Untergang des Ichs vor - unter einem Brückenbogen oder einem Schiff? «Arche» und 36 Savinio: Tragedia dell’infanzia , 109. 37 Ibid., 108. 38 Ibid. 39 Ibid., 116sq. <?page no="198"?> 198 Eva-Tabea Meineke «pont» sind jeweils doppeldeutig. Den Zusammenhang bildet auch hier das Liebesgefühl mit drohendem Kontrollverlust, in diesem Fall gegenüber den «grandes femmes douces», die dem Flaneur in der Stadt begegnen. Il m’arrive de perdre soudain tout le fil de ma vie: je me demande, assis dans quelque coin de l’univers, près d’un café fumant et noir, devant des morceaux polis de métal, au milieu des allées et venues de grandes femmes douces, par quel chemin de la folie j’échoue enfin sous cette arche, ce qu’est au vrai ce pont qu’ils ont nommé le ciel. 40 Auch in diesem Textbeispiel verbinden sich Mikro- und Makroebene; in der Enge eines Winkels der Hauptstadt tun sich neue Dimensionen der Wahrnehmung auf, die das Ich bis zum Selbstverlust einbeziehen. Höhe und Tiefe des Erlebens fallen auch bei Aragon in eins. In seinem Paysan de Paris ist der Pariser Passage de l’Opéra in grünes Meereslicht getaucht, und es ereignen sich an diesem Ort diverse den Horizont erweiternde Surrealitätserfahrungen. Die Passagen legen den Kontrast von Enge und Weite nah, werden als «serrures qui ferment mal sur l’infini» 41 beschrieben. So erscheint plötzlich auf surreale Weise «[t]oute la mer dans le passage de l’Opéra». 42 Die Passagen bieten sich als unterseeische Landschaften dar, als «aquariums humains». 43 Auch hier wird die Stille plötzlich durchbrochen: zunächst von einem mechanischen Geräusch, dann durch eine scheinbar singende Sirene, die im Schaufenster des Spazierstockladens auftaucht und eine persönliche Begegnung des paysan im deutsch-französischen Grenzgebiet in Erinnerung ruft. Leben, Liebe und Tod, Rot und Schwarz verbinden sich, wie für den Surrealismus typisch, auch in Aragons Passage de l’Opéra. Es ist an der Wortwahl nachweisbar, dass Aragon sich von Savinios Meereskapitel hat inspirieren lassen. Savinios «vaga fosforescenza» 44 wird bei Aragon zur «phosphorescence des poissons» 45 ; die sanfte Wiegebewegung, die der Wellenbewegung des Wassers entspricht, taucht ebenfalls bei beiden Autoren auf: «serpenti verticali di alghe che dondolano stanchi» ( Tragedia , 107); «Les cannes se balançaient doucement comme des varechs» ( Paysan , 31). Auch das Adjektiv «glauco» fällt in beiden Unterwasserlandschaften ins Auge: «glauco deserto» ( Tragedia , 109); «lueur glauque, en quelque manière abyssale» ( Paysan , 21). Entsprechend der leopardischen Hecke ist sowohl bei Savinio als auch bei Aragon eine Grenze vorhanden, die jeweils die Erweiterung der Wahrnehmung 40 Aragon: Une vague de rêves , 83. 41 Aragon: Le paysan de Paris , 20. 42 Ibid., 31. 43 Ibid., 21. 44 Savinio: Tragedia dell’infanzia , 110. 45 Aragon: Paysan de Paris , 30. <?page no="199"?> «La ragione naufraga nel piacere crescente» 199 impliziert: «l’insormontabile barriera che ci separa» ( Tragedia , 111); «l’apparition se mouvait tout juste derrière la vitre» ( Paysan , 31). Nachweisbar ist auch der Einfluss Leopardis auf Savinios Prosa - dies findet man in der Sekundärliteratur bereits bestätigt. 46 Unter anderem in folgenden Zitaten aus der Tragedia lassen sich Anklänge an den Dichter aus Recanati ausmachen: «Quale il pensier ti finse» (116); «La ragione naufraga nel piacere crescente» (116); «tutto avvolge in una rete di incandescente dolcezza» (117); «Rombava il cielo dell’umana sorte» (115); «In che tua speme indarno si ravviva» (114); «Chiusi gli orizzonti» (112); «Poi, come nascendo a una vita diversa, sentii che lentamente naufragavo» (106); «Le voci di Saltas, di mio padre, della mamma naufragarono in un opaco ronzio» (37). Die Ausführungen haben gezeigt, dass die verdrängte Stimme Leopardis insbesondere mittels der neuen Bildlichkeit, der «vaga immaginazione», wesentlich auf die italienische Avantgarde und, über deren Vermittlung, auch auf den französischen Surrealismus eingewirkt hat. Literaturverzeichnis Aragon, Louis: Le Paysan de Paris . 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( Inferno XIV, 63-66) Tra i numerosi aspetti che legano l’opera e il pensiero di Primo Levi a quelli di Leopardi 1 non è forse inutile soffermarsi su uno dei più estrinseci e tuttavia non meno significativi: la fortuna di pubblico e di critica. Com’è noto, Leopardi fu apprezzato in vita soprattutto come erudito e come filologo 2 : se fosse stato poco più robusto nel corpo e anche solo un minimo corruttibile nell’animo, avrebbe potuto intraprendere una buona carriera come funzionario dello Stato della Chiesa, oppure avrebbe accettato offerte alternative come quella di diventare professore in Germania 3 . 1 Per uno sguardo d’insieme sull’importanza di Leopardi nell’opera leviana si veda Marco Belpoliti: Primo Levi di fronte e di profilo . Milano: Guanda 2015, 327sq.; molto interessanti anche i lavori, su temi specifici, di Anna Baldini: «Disertare la vita. Trattamento di quiescenza di Primo Levi (1966)», in: Moderna XII.2 (2010), 191-200; «Le operette morali di Primo Levi: Trattamento di quiescenza, Verso Occidente e Una stella tranquilla », in: Atti di Incontrotesto. Ciclo di incontri su e con scrittori del Novecento e contemporanei . A cura del Comitato redazionale di Incontrotesto. Pisa: Pacini 2011, 63-69; «L’agave e la ginestra. Appunti leopardiani per uno studio della poesia della natura di Primo Levi», in: Le forme della poesia. VIII Congresso dell’ADI (Siena, 22-25 settembre 2004). Vol. III. A cura di Riccardo Castellana / Anna Baldini. Siena: Università di Siena 2006, 303-309. 2 Per questo - e per quanto segue a proposito della ricezione critica di Leopardi - si vedano almeno Alberto Frattini: Leopardi nella critica dell’Otto e del Novecento . Roma: Studium 1989, 3-11 e l’ottima ricostruzione di Gino Tellini: Leopardi . Roma: Salerno 2001, 318. 3 Al diplomatico e filologo prussiano Christian Bunsen, che gli aveva prospettato la possibilità di ottenere una cattedra universitaria a Berlino o a Bonn, Leopardi rispose: «La idea che Ella mi propone di una cattedra in Berlino o in Bonn, è tale, che io l’assicuro <?page no="202"?> 202 Marco Menicacci Quanto dell’opera leopardiana è poi stabilmente entrato nel canone letterario italiano, invece, ha cominciato a riscuotere un autentico interesse soprattutto dopo la morte dell’autore e, salvo rare eccezioni, questa poco tempestiva fama rimarrà a lungo tributata al poeta lirico, degno erede di Petrarca e gran maestro di immagini e di musica, perfetto come palestra didattica per generazioni di scolari. Per molto tempo, insomma, da Leopardi si è preteso di accettare solo la bellezza e il magistero formale - certo presenti senza risparmio nei suoi versi -, mentre il suo pensiero, scomodo e impietoso, veniva ignorato, edulcorato o dismesso come inevitabile conseguenza di una infelicità esclusivamente privata. C’è voluto il Novecento avanzato, se non estremo, per riscoprire nelle Operette morali , nei Pensieri , nello Zibaldone - che Carducci dava per la prima volta alle stampe sullo scorcio del secolo decimonono - non solo uno dei massimi prosatori italiani, ma un filosofo originale e un inestimabile, profetico interlocutore per la contemporaneità. Si potrebbe cedere alla tentazione di affermare che, per uno di quei paradossi che regolano l’acquisto di fama presso gli umani, Leopardi ha scritto poesie troppo belle per esser preso sul serio come filosofo. Filosofo, beninteso, non come Hegel, bensì alla maniera di Lucrezio o di Montaigne: uno di quegli autori che, riflettendo sulla complessità dell’umano, trasformano il concetto stesso di filosofia, liberandola da ambizioni sistematiche, dalla pretesa di rigorosa scientificità e dal timore della contraddizione. Con gli opportuni distinguo , un paradosso analogo si riscontra anche nella ricezione dell’opera di Primo Levi, che evidentemente ha scritto libri troppo importanti dal punto di vista della testimonianza perché li si sia potuti subito riconoscere anche come capolavori della letteratura italiana del Novecento. Entrambi materialisti ed entrambi instancabili esegeti del male, inoltre, Leopardi e Levi sono legati da un altro aspetto: hanno fatto del dolore un formidabile strumento di conoscenza. Se è vero, come dice Qohelet, che «qui auget scientiam, auget et dolorem», per questi due autori è vero anche che qui auget dolorem, auget et scientiam 4 . che niun’altra mi potrebbe riuscir più grata e lusinghiera. Ma sventuratamente ora la mia povera salute è in uno stato così tristo, che io non ardisco fermare il pensiero in una proposizione che del resto mi sarebbe giocondissima. Crederà Ella che appena io posso sopportare l’inverno in Bologna? […] Or che sarebbe nei climi di Germania? » (Giacomo Leopardi: Lettera a C. Bunsen da Bologna, 1° febbraio 1826; in: Lettere . A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 2006, 614). 4 Faccio miei un pensiero e una formulazione di Remo Bodei. Cf. id.: «La cognizione del dolore - die Erkenntnis des Schmerzes», in: Marco Menicacci (Hg.): Das Tragische: Dichten als Denken. Literarische Modellierungen eines ‹pensiero tragico› . Heidelberg: Winter 2016, 33-38, qui 33. <?page no="203"?> Morale cibernetica 203 Negli ultimi anni la critica ha riscoperto l’importanza della lezione leopardiana nell’opera di Levi: il Recanatese è stato senz’altro modello di Weltanschauung , ma anche di immagini; immagini che diventano elementi del pensiero, ovvero idee nel senso etimologico del termine. E, tra le immagini-idee che collegano i due autori in maniera più diretta e densa di significati, particolare rilevanza assume senz’altro quella della ‹macchina›. In Leopardi l’evocazione della macchina si compie in un orizzonte storico-filosofico che, come ha ricordato Sebastian Neumeister, è quello del dibattito europeo sull’idea di perfettibilità dell’uomo e dunque si ricollega strettamente a questioni di ordine gnoseologico e antropologico 5 . Già nello Zibaldone si discute a più riprese sulla perfettibilità, materiale e spirituale, dell’uomo; ma soprattutto sui risultati concreti che il progresso, inteso come perfezionamento, può avere per l’essere umano: Noi fantastichiamo la perfettibilità dell’uomo, e dopo così immensi (pretesi) avanzamenti del nostro spirito, non siamo più vicini di prima alla nostra supposta perfezione; […]. 6 L’uomo non è perfettibile ma corrottibile. Non è più perfettibile ma più corrottibile degli altri animali. È ridicolo, ma contuttociò è naturale, che la nostra corrottibilità, e degenerabilità, e depravabilità, sia stata presa, e si prenda a tutta bocca da’ più grandi e sottili e perspicaci e avveduti ingegni e filosofi per perfettibilità. 7 E, pochi anni più tardi: Non è dubbio che la civiltà, i progressi dello spirito umano ec. hanno accresciuto mirabilmente e in numero e in grandezza e in estensione le facoltà umane, e generalmente le forze dell’uomo […]. Ma bisogna vedere se queste nuove facoltà, questo accrescimento di forze ec. corrisponde ed era destinato dalla natura sì generale sì della specie umana in particolare, e giova o nuoce alla felicità d’essa specie […] 8 . 5 Sebastian Neumeister: «Perfektibilität bei Leopardi», in: Kunst und Kommunikation. Betrachtungen zum Medium Sprache in der Romania. Festschrift zum 60. Geburtstag von Richard Baum . Hg. von M. Lieber und W. Hirdt. Tübingen: Stauffenburg 1997, 489-497 (it.: «La perfettibilità in Leopardi», in: Leopardi poeta e pensatore / Dichter und Denker . A cura di S. Neumeister und R. Sirri. Napoli: Guida 1997, 105-117). 6 Leopardi: Zibaldone 1909 (13 ottobre 1821); qui e in seguito si cita il testo dello Zibaldone , indicando solo la sigla Zib. , la pagina del manoscritto e l’eventuale datazione autografa, da Giacomo Leopardi: Zibaldone . 3 vol. Ed. commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1997. 7 Zib. 2563sq. (10 luglio 1822). 8 Zib. 3973sq. (dicembre 1823). <?page no="204"?> 204 Marco Menicacci Non è affatto certo, continua Leopardi nella stessa pagina, che il progresso renda l’uomo migliore e più felice, così come non si può dire che un animale addomesticato e ammaestrato per meglio servire l’uomo sia più perfetto o più evoluto di uno selvatico. Secondo Emanuele Severino, che ha posto questi aspetti al centro delle proprie ricerche, Leopardi apre la strada poi percorsa da tutta la filosofia contemporanea, ma vede il futuro essenziale dell’Occidente: l’approssimarsi del paradiso della civiltà della tecnica e l’inevitabilità del suo fallimento. Attraverso il suo pensiero, l’Occidente scorge il senso del proprio movimento storico, e dove esso conduce […]. 9 E dunque Leopardi si profila come «il pensatore che alla fine dell’età della tecnica smaschera il culmine della felicità e vede in esso il culmine dell’angoscia» 10 . Rimane il fatto che durante tutta la sua storia e soprattutto a partire dal primo Ottocento, attraverso tutto il secolo successivo e fino ai giorni nostri, il genere umano ha moltiplicato i propri sforzi per il perfezionamento di se stesso; e il braccio armato, se così si può dire, di questo rapido progresso è l’innovazione scientifico-tecnologica. Sia Leopardi che Levi hanno vissuto - studiandole e criticandole con lucidità - epoche caratterizzate da formidabili accelerazioni ingegneristiche, con conseguente rafforzamento della fiducia nelle capacità umane e nelle ormai famigerate «magnifiche sorti, e progressive» ( La ginestra ). Per fare solo due esempi, non molti anni prima che Leopardi venisse al mondo, James Watt aveva inventato e perfezionato la macchina a vapore, mentre nel 1969 un Primo Levi cinquantenne poté seguire lo sbarco del primo uomo sulla Luna e anzi anticiparlo di alcuni giorni con un articolo pubblicato su «La Stampa» il 13 luglio 1969: «Stiamo dunque per fare un grande passo: se più lungo o no delle nostre gambe, per ora ci sfugge. Sappiamo che cosa stiamo facendo? Da molti segni è lecito dubitarne» 11 . Riflettendo sul movente - antropologico, archetipico - dell’impulso umano ad esplorare e forzare colonne d’Ercole poste sempre più lontano, Levi riconfermava la sua capacità di percepire il risvolto oscuro delle cose, nella vita come nella cultura. Lo faceva, come suo solito, senza cadere in patetici, oscurantistici o moralistici catastrofismi (si pensi a quanto scrive 9 Emanuele Severino: Il nulla e la poesia. Alla fine dell’età della tecnica: Leopardi . Milano: Rizzoli 2010, 5. 10 Ibid. 11 L’articolo Non è più il mondo della fantasia vana uscì su «La Stampa» del 13 luglio 1969 e fu poi ripubblicato in L’altrui mestiere con il titolo La luna e noi (ora in Primo Levi: Opere . A cura di Marco Belpoliti, introduzione di Daniele Del Giudice. 2 vol. Torino: Einaudi 1997, II, 648-650, qui 648). In occasione della precedente missione Apollo 8 (Borman, Lowell e Anders), Levi aveva pubblicato, sempre su «La Stampa» (27 dicembre 1968) l’articolo La luna e l’uomo (ora in Levi: Opere , II, 926-928). <?page no="205"?> Morale cibernetica 205 dell’amatissimo Rabelais, poeta ridente e gaudente proprio perché sa quanto è sottile, per ogni essere umano, il velo che lo separa dal baratro del dolore), eppure a emergere era un deciso invito al ridimensionamento dell’umano e di ogni deriva antropocentrica. Su quelle pagine di quotidiano la terra ridiventava, con immagine dantesca, l’«aiuola che ci fa tanto feroci» ( Paradiso , XXII, 151) e in cui l’uomo non può certo vantar primazia nei confronti degli altri animali: «la vicinanza del nostro simile scatena anche in noi uomini, come in tutti gli animali, il meccanismo atavico dell’aggressione, della difesa e della fuga» 12 . Ma torniamo a Leopardi: in una delle Operette morali relativamente meno studiate, la Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi (1824) 13 , l’estro satirico si rivolge contro chi nutre sconfinata fiducia nella perfettibilità umana e di conseguenza si attende prodigi da quella che viene enfaticamente definita «età delle macchine» per rispetto al grandissimo numero delle macchine inventate di fresco ed accomodate o che si vanno tutto giorno trovando ed accomodando a tanti e così vari esercizi, che oramai non gli uomini ma le macchine, si può dire, trattano le cose umane e fanno le opere della vita. 14 L’Accademia dei Sillografi, secondo una tradizione didattico-filantropica di matrice illuminista, si propone di giovare al progresso della società indicendo un concorso a premi per l’invenzione di macchinari particolarmente innovativi. Vista l’indubbia utilità dei ritrovati tecnologici e l’inarrestabilità del progresso, infatti, la detta Accademia «confida dovere in successo di tempo gli uffici e gli usi delle macchine venire a comprendere oltre che le cose materiali, anche le spirituali» 15 . Sarà dunque opportuno, per il bene dell’umanità stessa, che l’uomo venga non solo affiancato, ma in molti compiti sostituito da automati assai più efficienti, capaci ed affidabili: disperando la miglior parte dei filosofi di potersi mai curare i difetti del genere umano, i quali, come si crede, sono assai maggiori e in più numero che le virtù; e tenendosi per 12 Levi: Opere , II, 649. 13 Se l’Accademia è ovviamente un’invenzione di Leopardi, l’idea dei Sillografi viene recuperata dalla cultura greca: «Da σίλλος occhio la metafora trasportò il significato a derisione ec. quasi dicesse, come diciamo noi, occhiolino ec. onde σιλλαίνειν sarebbe quasi far l’occhiolino , in senso però di deridere ec. La metafora è naturale, perchè il riso generalmente, ma in ispezieltà la derisione risiede e si esprime cogli occhi principalmente e molte volte con essi unicamente» ( Zib. 4035, 22 febbraio 1824); cf. anche Enrico Mattioda: «La scuola dei Sillografi», in: id.: L’ordine del mondo. Saggio su Primo Levi . Napoli: Liguori 1998, 84-88. 14 Giacomo Leopardi: «Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi», in: id.: Operette morali . A cura di Paolo Ruffilli. Milano: Garzanti 2014, 41-48, qui 43. 15 Leopardi: «Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi», 44. <?page no="206"?> 206 Marco Menicacci certo che sia piuttosto possibile di rifarlo del tutto in una nuova stampa, o di sostituire in suo luogo un altro, che di emendarlo; perciò l’Accademia dei Sillografi reputa essere espedientissimo che gli uomini si rimuovano dai negozi della vita il più che si possa, e che a poco a poco dieno luogo, sottentrando le macchine in loro scambio. 16 Tali macchine serviranno non tanto all’espletazione di lavori materiali, bensì - tramite una evoluzione cibernetica - al raggiungimento di traguardi morali: a loro spetterà insomma dare forma concreta a ciò che la mente umana, secondo la inquietante antropologia leopardiana, può concepire sul piano ideale, ma non è in grado di mettere in pratica. Proprio per questo, l’Accademia dei Sillografi indice un bando per la creazione di tre macchine antropomorfe, che portino nella corrotta compagine umana tre inossidabili modelli di virtù: la prima deve svolgere le funzioni di un amico perfetto, modellato sugli ideali classici 17 ; la seconda sarà «un uomo artificiale a vapore, atto e ordinato a fare opere virtuose e magnanime» 18 ; la terza macchina funzionerà in modo da «fare gli uffici di una donna conforme a quella immaginata» 19 . Se dunque l’uomo è incapace di raggiungere la perfezione spirituale in maniera diretta, la tecnologia gli fornirà senz’altro lo strumento per raggiungerla indirettamente, attraverso delle creazioni meccaniche. Una decina di anni dopo la Proposta di premi , nella Palinodia al Marchese Gino Capponi (1835), la critica all’ottimismo per il progresso tecnologico torna ad avvalersi, come era accaduto anche nel Dialogo di Tristano e di un Amico , di un elaborato procedimento antifrastico: Aureo secolo omai volgono, o Gino, I fusi delle Parche. Ogni giornale, Gener vario di lingue e di colonne, Da tutti i lidi lo promette al mondo Concordemente. Universale amore, Ferrate vie, moltiplici commerci, Vapor, tipi e choléra i più divisi 16 Ibid. 17 «[U]n amico, il quale non biasimi e non motteggi l’amico assente; non lasci di sostenerlo quando l’oda riprendere o porre in giuoco; non anteponga la fama di acuto e di mordace, e l’ottenere il riso degli uomini, al debito dell’amicizia; non divulghi, o per altro effetto o per aver materia da favellare o da ostentarsi, il segreto commessogli; non si prevalga della familiarità e della confidenza dell’amico a soppiantarlo e soprammontarlo più facilmente; non porti invidia ai vantaggi di quello; abbia cura del suo bene e di ovviare o di riparare a’ suoi danni, e sia pronto alle sue domande e a’ suoi bisogni, altrimenti che in parole» (Leopardi: «Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi», 45). 18 Leopardi: «Proposta di premi fatta dall’Accademia dei Sillografi», 46sq. 19 Ibid. <?page no="207"?> Morale cibernetica 207 Popoli e climi stringeranno insieme: Nè maraviglia fia se pino o quercia Suderà latte e mele, o s’anco al suono D’un walser danzerà. Tanto la possa Infin qui de’ lambicchi e delle storte, E le macchine al cielo emulatrici Crebbero, e tanto cresceranno al tempo Che seguirà; poichè di meglio in meglio Senza fin vola e volerà mai sempre Di Sem, di Cam e di Giapeto il seme. (vv. 38-54) 20 Dai laboriosi connubi tra vapor , lambicchi e storte , prendono vita le macchine che si elevano superbamente «al cielo emulatrici» e annunciano l’avvento di un tempo nuovo, un Eden tecnologico in cui l’uomo creatore competerà con Dio. Nel corso della poesia tali pretese subiscono una progressiva Entsakralisierung che si accompagna a una satira gustosa - e perfettamente, dolorosamente attuale - nei confronti di chi crede alla «giornaliera luce-| Delle gazzette» (v.-19sq.). A sua volta, l’attività autocelebrativa del giornalismo entusiasticamente schierato a favore degli ideali progressisti si trova agevolata dalle nuove macchine da stampa vapore, che sfornano «gazzette» «a milioni-| Impresse in un secondo» (vv. 144-152) con una decerebrata, minacciosa rapidità 21 . A più riprese il poeta abbassa la maschera dell’ironia e vibra colpi decisi contro la stolta fiducia nella «età delle macchine»: Valor vero e virtù, modestia e fede E di giustizia amor, sempre in qualunque Pubblico stato, alieni in tutto e lungi Da’ comuni negozi, ovvero in tutto Sfortunati saranno, afflitti e vinti; Perchè diè lor natura, in ogni tempo Starsene in fondo. Ardir protervo e frode, Con mediocrità, regneran sempre, A galleggiar sortiti. Imperio e forze, Quanto più vogli o cumulate o sparse, Abuserà chiunque avralle, e sotto Qualunque nome. Questa legge in pria Scrisser natura e il fato in adamante; E co’ fulmini suoi Volta nè Davy 20 Giacomo Leopardi: «Palinodia al marchese Gino Capponi», in: id.: Canti . Introduzione e commento di Andrea Campana. Roma: Carocci 2014, 441-469. 21 Si tratta della dampfbetriebene Zylinderdruckmaschine che Friedrich Koenig aveva inventato pochi anni prima, nel 1814. <?page no="208"?> 208 Marco Menicacci Lei non cancellerà, non Anglia tutta Con le macchine sue, nè con un Gange Di politici scritti il secol novo. (vv. 69-85) Nel successivo e senz’altro non migliore secolo, Primo Levi si assocerà a questa critica all’ottimismo progressista e sfrutterà le proprie competenze scientifiche per dare una forma più concreta alle immagini di macchine che Leopardi aveva lasciato plasmare alla fantasia dei suoi lettori 22 . Nel 1966 esce presso Einaudi un primo volume di racconti non legati all’esperienza concentrazionaria, in cui Levi raccoglie testi composti almeno a partire dal 1946 e in parte già pubblicati in rivista tra 1960 e 1961 23 . Il titolo recita Storie naturali , ma come autore figura un certo Damiano Malabaila: per un suo scrupolo, la casa editrice aveva suggerito l’impiego di uno pseudonimo, perché si riteneva inopportuno che l’autore di Se questo è un uomo firmasse ciò che a prima vista sembrava un libro di fantascienza, un genere allora ritenuto minore, da edicola. Eppure già la scelta dello pseudonimo non ha niente del divertissement ; o se ne ha qualcosa, di ben cupo divertissement si tratta: Malabaila, infatti, in dialetto piemontese significa cattiva balia . A questo proposito Levi stesso ebbe a precisare: mi pare che da molti dei miei racconti spiri un vago odore di latte girato a male, di nutrimento che non è più tale, insomma di sofisticazione, di contaminazione e di malefizio. Veleno in luogo dell’alimento: e a questo proposito vorrei ricordare che, per tutti noi superstiti, il Lager, nel suo aspetto più offensivo e imprevisto, era apparso proprio questo, un mondo alla rovescia, dove «fair is foul and foul is fair», i professori lavorano di pala, gli assassini sono capisquadra, e nell’ospedale si uccide. 24 La citazione da Macbeth suggerisce la giusta prospettiva da cui guardare a questi racconti, che sono dei veri e propri esperimenti mentali, come quelli di Einstein, ma condotti nell’ambito dell’etica e dell’antropologia. Non sarà dunque un caso se, su quindici testi complessivi, ben cinque 25 ruotano attorno all’invenzione di un macchinario prodigioso e, considerati nel loro 22 Per l’interesse di Primo Levi nei confronti della tecnologia e delle macchine in generale, si veda ad esempio Antonio Castronuovo: «Primo Levi e le macchine celibi», in: Belfagor 59 (2004), 513-528. 23 Belpoliti: Primo Levi di fronte e di profilo , 203-205. 24 Si tratta di una intervista rilasciata da Primo Levi il 12 ottobre 1966 al quotidiano Il Giorno (cf. Levi: Opere , I, 1436). 25 Il Versificatore, L’ordine a buon mercato, Alcune applicazioni del Mimete, La misura di bellezza, Trattamento di quiescenza . Nella successiva raccolta Vizio di forma saranno di nuovo cinque, su venti: Lavoro creativo, Recuenco: la Nutrice, Recuenco: il Rafter, Knall, Psicofante . <?page no="209"?> Morale cibernetica 209 insieme, formano una parabola morale di stampo leopardiano. Le cinque storie non compaiono consecutivamente nel volume, ma sono legate da un filo conduttore: a progettare e realizzare tutte le macchine è la NATCA (trasparente allusione alla NASA), azienda americana specializzata in innovazioni ingegneristiche. Evidentemente l’Inghilterra - l’«Anglia» di cui Leopardi parla nella Palinodia (v. 83) - subisce qui un opportuno aggiornamento e diventa l’America smaltata e rampante degli anni Cinquanta-Sessanta. A presentare le avveniristiche macchine della NATCA è Mister Simpson, solare e astuto piazzista, nonché perfetta incarnazione degli ideali di una società intenta a costruire quella sua greatness che continua ancora oggi a far notizia. Il primo marchingegno a comparire è, come ormai di regola ai nostri giorni, un modello già superato: si chiama Versificatore e compone poesie automaticamente. Certo - si premura di spiegare il signor Simpson - «non è un poeta vero», ma subito, senza battere ciglio, aggiunge che di lì a pochi mesi la NATCA lancerà sul mercato un autentico «poeta meccanico» heavy duty : poliglotta, coltissimo e destinato addirittura a essere inviato sulla Luna con una delle missioni Apollo. Il cliente - altra creatura di fanta-antropologia a sfondo morale - è invece un poeta ‹commerciale›: un libero professionista che si guadagna da vivere scrivendo testi poetici su commissione per eventi come anniversari, commemorazioni, vittorie sportive e così via. Durante le prove a cui viene sottoposto, fra guasti elettrici e sorprendenti risultati - che fra l’altro mostrano il talento di Levi poeta -, il metallico Versificatore sembra evolvere in una progressiva umanizzazione. Con il passare del tempo, s’intende, arriverà a sostituire del tutto il poeta vero e anzi lo relegherà nello spazio della Fiktionalität , trasformandolo in una marionetta inerte ma soddisfatta: alla fine, con un sobrio ma efficacissimo coup de théâtre , il lettore viene a sapere che l’intera storia è stata pensata e scritta proprio dal Versificatore. Al centro di un altro racconto, L’ordine a buon mercato , compare il Mimete , evoluzione estrema della moderna fotocopiatrice. Con buona pace dei principi della termodinamica, questa macchina «crea ordine dal disordine» 26 , cioè duplica qualsiasi oggetto creandolo dal pabulum , una sostanza segreta che contiene alcuni dei principali elementi presenti in natura 27 . Il narratore, che fra l’altro è un chimico, comincia a duplicare oggetti inanimati e si spinge fino a duplicare un uovo, poi un ragno e infine una lucertola, fermandosi a un passo dal confine estremo, senza però nascondere un brivido da apprendista demiurgo: «Il settimo giorno mi riposai» 28 . 26 Levi: Opere , I, 449. 27 «[C]omposti poco stabili del carbonio e degli altri principali elementi vitali» (ibid.). 28 Ibid., 453. <?page no="210"?> 210 Marco Menicacci Intuendo i rischi di aver creato una macchina che può duplicare la vita, la NATCA reagisce emanando una circolare in cui è fatto divieto di duplicare tutto ciò che non è documenti d’ufficio. Ma è troppo tardi. Il seguito della storia si legge nel successivo racconto Alcune applicazioni del Mimete : il narratore si trova chiuso in carcere, evidentemente per aver duplicato oggetti preziosi; la macchina, invece, è finita nelle mani sbagliate, quelle dell’amico Gilberto, «un uomo pericoloso, un piccolo prometeo nocivo […] ingegnoso e irresponsabile, superbo e sciocco»; è «un figlio del nostro secolo […]: anzi, è un simbolo del nostro secolo» 29 . La trasparente allusione citazionale al noto verso della Ginestra vale qui come precisa indicazione di una sanzione morale. Dopo giorni di prove e di modifiche alla macchina, Gilberto arriva a duplicare la moglie: senza intenzioni particolari, ma solo «per vedere che effetto fa» e, magari, per avere una copia di riserva della persona più importante della sua vita 30 . Il racconto sembra terminare in una sorta di lieto fine, ma da parte del narratore continua a farsi sentire una mesta perplessità etica, che poi si espliciterà nell’ultimo racconto della «saga simpsoniana» 31 . Prima di arrivare all’epilogo, però, c’è un’altra storia in cui compare il Calometro , un misuratore di bellezza umana, che però deve essere tarato su un modello scelto dal cliente. Tale modello diventa così l’ideale di bellezza in relazione al quale tutte le altre persone vengono giudicate: l’arbitrarietà di tale procedimento è messa in evidenza dalla moglie del narratore, che nota, allarmata, come in realtà questa macchina sia un «omeometro» 32 , perché non fa che misurare la conformità a un certo modello; chi è diverso è meno bello, strano e, sostanzialmente, di qualità inferiore. La taratura sarà soggetta a scelte personali del proprietario e dunque fatalmente sottomessa alla moda del momento («La bellezza, secondo la nostra filosofia, è relativa a un modello, variabile a piacere, ad arbitrio della moda» 33 ). L’ingenuo scientismo statunitense crede, con questa macchina, di aver quantificato scientificamente la bellezza, mentre in realtà ha solo elevato il gusto personale a legge narcisistica e omologante. Non a caso la NATCA ha in progetto altre macchine simili, che valuteranno gli uomini secondo parametri prefissati e quantitativi e sostituiranno così la scomoda, incommerciabile complessità dei giudizi umani negli esami di ammissione e nei test attitudinali 34 . 29 Ibid., 460. 30 Ibid., 461. 31 Enrico Mattioda: Levi . Roma: Salerno 2011, 82. 32 Levi: Opere , I, 502. 33 Ibid., 500. Non si dimentichi che nelle Operette morali la Moda è sorella - e volenterosa collaboratrice - della Morte. 34 Come ci informa il successivo racconto Trattamento di quiescenza (ibid., 548-567). <?page no="211"?> Morale cibernetica 211 Dopo la menzione di altri macchinari sorprendenti in Pieno impiego , la parabola delle invenzioni della NATCA si avvia a un finale livido e prettamente leopardiano con il racconto Trattamento di quiescenza , in cui il signor Simpson è ormai in pensione e come regalo (interessato) di buonuscita ha ricevuto il Torec, acronimo di TOtal RECorder: si tratta di una macchina, ancora in fase di sperimentazione, che permette di vivere qualsiasi esperienza in maniera perfettamente virtuale. Sui nastri di questo macchinario sono state registrate esperienze autenticamente vissute da varie persone e, tramite la stimolazione neurale, il cliente può sottoporsi a «una esperienza totale»: Lo spettatore rivive integralmente la vicenda che il nastro gli suggerisce, sente di parteciparvi o addirittura di esserne l’attore: questa sensazione non ha nulla in comune con l’allucinazione né col sogno, perché, finché dura il nastro, non è distinguibile dalla realtà. 35 Con un misto di fiducioso ottimismo e mercantile cinismo, la NATCA ha adoperato il suo anziano rappresentante come cavia da laboratorio. Poco a poco, infatti, il signor Simpson sviluppa una dipendenza dal Torec e si trasforma in una larva umana, perde il suo proverbiale entusiasmo e sprofonda nella più leopardiana delle sensazioni, la noia: Il Torec non dà assuefazione, purtroppo: ogni nastro può essere fruito infinite volte, ed ogni volta la memoria genuina si spegne, e si accende la memoria d’accatto che è incisa sul nastro stesso. Perciò Simpson non prova noia durante la fruizione, ma è oppresso da una noia vasta come il mare, pesante come il mondo, quando il nastro finisce: allora, non gli resta che infilarne un altro. 36 Abbrutito, la sua sansonica energia è solo un ricordo. Simpson deriva dal nome ebraico di Sansone (ןוֹשׁ ְ מׁ ִ ש, Šimšon ) a sua volta derivato da shemesh (שמש, sole 37 ), ma il signor Simpson non è più forte come il sole: ormai passa le giornate con il Torec e, per intervalla insaniae , legge e rilegge il Qohelet , che ricorda all’uomo, come direbbe Leopardi, «l’infinita vanità del tutto» ( A se stesso ). In questi racconti la macchina si scontra con l’uomo e vince 38 . Si sottrae al controllo del proprio creatore e lo soggioga, rendendolo un accessorio inutile: un poeta che non crea (Versificatore), un campione duplicabile all’infinito (Mi- 35 Ibid., 551. 36 Ibid., 556. 37 Cf. Cyrus Adler-/ Isodore Singer (Hg.): The Jewish Encyclopedia . 12 vol. Vol. 11. Samson-- Talmid Hakam . New York: KTAV 1964, ad voc .- 38 «[L]a macchina, il grande golem, ha schiacciato l’uomo» (Mattioda: Levi , 86). <?page no="212"?> 212 Marco Menicacci mete), una pedina sprovveduta e potenzialmente nociva (Calometro) o, ancora, un automa demente (Torec). Nettamente antifrastico nelle intenzioni dell’autore, il titolo pliniano e rabelaisiano Storie naturali sembra così acquistare una sua inquietante naturalezza, nel momento in cui i monstra che contiene si dimostrano non semplici creazioni della fantasia, ma «trappole morali» 39 : le macchine, per quanto prodigiose, sono niente più che una efficacissima estensione delle primordiali e indelebili pulsioni umane di cui anche Leopardi parla nella Palinodia . Il mostro, insomma, non è la macchina, è l’uomo. Ancora una volta Primo Levi si conferma non solo testimone, ma sentinella, perché ci indica come superbia, antropocentrismo e prometeismo degenere possano diventare forme di disumanesimo : e proprio Disumanesimo doveva in un primo momento intitolarsi il suo secondo volume di racconti, che a inizio anni Settanta diventerà invece, per i tipi di Einaudi, Vizio di Forma 40 . Proprio come le Operette morali , anche le Storie naturali ci ricordano che l’uomo è una macchina fragile («macchina dilicata» scrive Leopardi 41 ), o meglio un semplice ingranaggio di un congegno più vasto che, senza pietà, lo muove e lo trascende. Più di un secolo dopo, Primo Levi ripete questo messaggio leopardiano e, significativamente, lo fa anche con una poesia: La mosca . La pacatezza del dettato lascia avvertire un impeto a mala pena contenuto e al di là della sobria, timida solennità si percepisce un quid limpido e implacabile. Stilisticamente dimesso e quasi refrattario al canto, il verso coincide quasi sempre con la frase logica e solo alla fine, mentre il messaggio si fa incandescente, prende a muoversi con qualche libertà. Da un dettato che volontariamente sfiora l’impoeticità e, insieme, dall’assenza di speranze nell’ulteriore, scaturisce la forza di questa poesia e anche una sua lineare, pudica grazia: Qui sono sola: questo È un ospedale pulito. 39 La definizione è d’autore: cf. Belpoliti: Primo Levi , 208. 40 Cf. Belpoliti: Primo Levi , 233sqq. 41 Cf. Zib . 2567sq. (18 luglio 1822): «Una macchina dilicata (cioè più diligentemente e perfettamente organizzata) è più facile a guastarsi che una rozza: ma ciò non toglie che la non sia più perfetta di questa, e che andando come deve andare non vada meglio della rozza, supponendole anche tutt’e due in uno stesso genere, come due orologi. Così l’uomo è più dilicato assai di tutti gli altri animali, sì nella costruzione esterna, sì nelle fibre intellettuali. E perciò egli è senza dubbio il più perfetto nella scala degli animali. Ma ciò non prova ch’egli sia più perfettibile; bensì più guastabile, appunto perchè più delicato. E d’altra parte l’esser più facile a guastarsi, non toglie che non sia veramente la più perfetta delle creature terrestri, come ogni cosa lo dimostra». <?page no="213"?> Morale cibernetica 213 Sono io la messaggera. Per me non ci sono porte serrate: Una finestra c’è sempre, Una fessura, i buchi delle chiavi. Cibo ne trovo in abbondanza, Tralasciato dai troppo sazi E da quelli che non mangiano più. Traggo alimento Anche dai farmaci gettati, Poiché a me nulla nuoce, Tutto mi nutre, rafforza e giova; Materie nobili ed ignobili, Sangue, sanie, cascami di cucina: Trasformo tutto in energia di volo Tanto preme il mio ufficio. Io per ultima bacio le labbra Arse dei moribondi e morituri. Sono importante. Il mio sussurro Monotono, noioso ed insensato Ripete l’unico messaggio del mondo A coloro che varcano la soglia. Sono io la padrona qui: La sola libera, sciolta e sana. 42 Nelle Operette morali Tristano confessa al suo amico che «il genere umano, che ha creduto e crederà tante scempiataggini, non crederà mai né di non saper nulla, né di non essere nulla, né di non aver nulla a sperare». Oltre che di questo, però, Levi sembra anche essere convinto di quanto Leopardi aveva scritto a Carlo Pepoli: «conosciuto, ancor che tristo,-| Ha i suoi diletti il vero» (v. 151sq.). Di questo ‹vero› terribile, disumano e insieme paradossalmente consolante ci parlano i versi di La mosca , ma lo fanno per bocca di un insetto che prende la parola in uno scenario in cui - come nel Dialogo di un Folletto e di uno Gnomo - l’uomo manca. Literaturverzeichnis Leopardi, Giacomo: Zibaldone . 3 vol. Ed. commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1997 (I Meridiani). -: Operette morali . A cura di Paolo Ruffilli. Milano: Garzanti 2014. -: Canti . Introduzione e commento di Andrea Campana. Roma: Carocci 2014. -: Lettere . A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 2006 (I Meridiani). 42 La poesia uscì su La Stampa del 28 settembre 1986, poi raccolta in Ad ora incerta e ora in: Levi: Opere , II, 626sq. <?page no="214"?> 214 Marco Menicacci Levi, Primo: Opere . A cura di Marco Belpoliti, introduzione di Daniele Del Giudice. 2-vol. Torino: Einaudi 1997. Adler, Cyrus-/ Singer, Isodore (Hg.): The Jewish Encyclopedia . 12 vol. New York: KTAV 1964. Baldini, Anna: «Disertare la vita. Trattamento di quiescenza di Primo Levi (1966)», in: Moderna XII.2 (2010), 191-200. -: «Le operette morali di Primo Levi: Trattamento di quiescenza, Verso Occidente e Una stella tranquilla », in: Atti di Incontrotesto. Ciclo di incontri su e con scrittori del Novecento e contemporanei . A cura del Comitato redazionale di Incontrotesto. Pisa: Pacini 2011, 63-69. -: «L’agave e la ginestra. Appunti leopardiani per uno studio della poesia della natura di Primo Levi», in: Le forme della poesia. VIII Congresso dell’ADI (Siena, 22-25 settembre 2004). Vol. III. A cura di Riccardo Castellana / Anna Baldini. Siena: Università di Siena 2006, 303-309. Belpoliti, Marco: Primo Levi di fronte e di profilo . Milano: Guanda 2015. Bodei, Remo: «La cognizione del dolore - die Erkenntnis des Schmerzes», in: Marco Menicacci (Hg.): Das Tragische: Dichten als Denken. Literarische Modellierungen eines ‹pensiero tragico› . Heidelberg: Winter 2016, 33-38. Castronuovo, Antonio: «Primo Levi e le macchine celibi», in: Belfagor 59 (2004), 513- 528. Frattini, Alberto: Leopardi nella critica dell’Otto e del Novecento . Roma: Studium 1989 Mattioda, Enrico: Levi . Roma: Salerno 2011. -: «La scuola dei Sillografi», in: L’ordine del mondo. Saggio su Primo Levi . Napoli: Liguori 1998, 84-88. Neumeister, Sebastian: «Perfektibilität bei Leopardi», in: Kunst und Kommunikation. 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Dopo una premessa generale sulla grande importanza teorica rivestita dal poeta recanatese nella definizione dei concetti di «esattezza» e di «infinito/ indeterminatezza» nelle Lezioni americane , si passerà al confronto tra due dei carmi più noti di Leopardi, Il passero solitario e L’infinito , e due capitoletti di Palomar , «Il canto del merlo» e «Il prato infinito». Il ravvicinato riscontro testuale permetterà di individuare nelle meditazioni che Palomar conduce nel suo giardino non già delle vaghe reminiscenze dei due idilli leopardiani, bensì gli ipotesti nascosti su cui si reggono entrambi i capitoletti del romanzo. 1 Premessa Che Giacomo Leopardi fosse uno dei grandi modelli a cui si ispirò Italo Calvino non è una novità. Nelle Lezioni americane , infatti, il poeta viene più volte citato quale esempio dei valori della letteratura che Calvino voleva consegnare al nuovo millennio. In particolare, in «Leggerezza» il poeta viene lodato per essere riuscito a togliere peso alle cose tramite un linguaggio aereo e sottile, cristallizzato in immagini di impalpabile levità, come le frequenti lune che compaiono nei bellissimi notturni recanatesi. 1 In «Rapidità» vengono ricordate le riflessioni sulla concisione dello stile poetico contenute nello Zibaldone , 2 che preparano il terreno ai lunghi estratti dal diario leopardiano riportati in «Esattezza». Qui Leopardi è scelto come esempio di una scrittura capace di unire acutezza e rigore descrittivo a sensazioni vaghe ed indeterminate, dal momento che «il poeta del 1 Italo Calvino: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millennio . Milano: Mondadori 2011, 28. 2 Ibid., 44sq. Poco dopo, le Operette morali sono definite «quel libro senza uguali in altre letterature» (50). <?page no="216"?> 216 Laura Aresi vago può essere solo il poeta della precisione, che sa cogliere la sensazione più sottile con occhio, orecchio, mano pronti e sicuri». 3 Se i rapporti tra Calvino e Leopardi ‹poeta lunare› sono già stati ampiamente indagati 4 - difficile riuscire a contare le lune che compaiono nei testi dell’uno e dell’altro autore - il presente contributo si focalizzerà, invece, proprio su quell’esattezza che fa di Leopardi anche un ‹poeta terrestre›. Dapprima, dunque, verrà fornita una breve presentazione delle qualità della scrittura che Calvino, sulla scorta degli esempi leopardiani, illustra nella terza delle Lezioni americane ; 5 poi si cercherà di individuare il modo in cui l’eredità del poeta, così ben definita nelle sue linee teoriche essenziali, si riflette nell’ultimo romanzo (ossia raccolta di piccoli racconti) di Calvino, Palomar , la cui pubblicazione, non a caso, precede di un paio d’anni la stesura delle Lezioni. 6 Scopo dell’intervento, però, non sarà ritrovare nella prosa dell’autore moderno passaggi testuali che esemplifichino le caratteristiche stilistiche da lui tanto 3 Ibid., 61. 4 Cf. Paolo Rota: «La sfera e la luna. Studio di una figura tra Leopardi, Galileo e Calvino», in: Studi e problemi di critica testuale 51 (1995), 125-158, ora in: id.: Lune leopardiane. Quattro letture testuali . Bologna: ClueB 1997, 39-77; Pietro Greco: L’astro narrante. La Luna nella scienza e nella letteratura italiana . Milano: Springer 2009, 242-285, in particolare 273-275 e 281sq.; Giuseppe Sandrini: - Le avventure della luna. Leopardi, Calvino e il fantastico italiano . Venezia: Marsilio 2014, 43-80. Più in generale, sulla tradizione scientifica nella quale i due autori si inseriscono, cf. Pierpaolo Antonello- / Simon A. Gilson (eds): Science and Literature in Italian Culture. From Dante to Calvino . Oxford: Legenda 2004; Gaspare Polizzi: «La letteratura italiana dinanzi al cosmo. Italo Calvino tra Galileo e Leopardi», in: Lettere italiane 62 (2010), 63-107. 5 Una trattazione molto più estesa - con relativi rimandi bibliografici - è offerta da Franco Gallippi: Calvino: Reader of Leopardi and Galileo . ProQuest Dissertations Publishing 2007. Molto interessante anche la sintesi offerta da Sandrini: Le avventure della luna , 28-41 e Polizzi: «La letteratura italiana», 92sq. 6 Se il debito leopardiano nelle Lezioni e nelle riflessioni saggistiche di Calvino è evidente (cf. Lucio Felici: «Leopardismo di Calvino», in: Resine 84 (2000), 47-53), a proposito di Palomar Calvino scrive ad Antonio Prete: «Sono contento anche dei riferimenti leopardiani perché le Operette morali sono il libro da cui deriva tutto quello che scrivo» (Italo Calvino: Lettere (1940-1985) . Milano: Mondadori 2001, 1512). Il comune denominatore leopardiano che unisce Palomar alle Lezioni americane è stato già finemente rilevato da Alberto Asor Rosa: Stile Calvino. Cinque studi . Torino: Einaudi 2002, 123 («Se si accostano l’uno alle altre Palomar e le Lezioni americane, […] ci troveremo di fronte alle nostre Operette morali del XX secolo: protese a scrutare l’orizzonte, come quelle leopardiane, dalla punta aguzza d’una vetta isolata, e al tempo stesso ancorate solidamente da un’infinità di gioghi e colline ad un retroterra sterminato») e 156, dove Palomar viene definito come un racconto in cui «la trama tradizionale si ritrae» e che «s’avvicina sempre di più al modello essenziale dell’‹operetta morale›». Se lo studioso si sofferma sulle analogie con le Operette , ritengo che «il grumo» di Palomar , ben individuato da Asor Rosa in «un’esperienza diretta, molto ravvicinata, dell’essere, sotto forma di percezione visiva o uditiva o del gusto o dell’olfatto» (156), avvicini Calvino anche al modello dei Canti e, quindi, della poesia. <?page no="217"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 217 ammirate in Leopardi: il mostrare questo non costituirebbe che una conferma di quanto già esplicitamente documentato nelle dichiarazioni di Calvino stesso. Più concretamente, invece, si tenterà di mostrare come due famosi canti leopardiani, Il passero solitario e L’infinito , costituiscano l’ipotesto di due capitoletti di Palomar , «Il fischio del merlo» e «Il prato infinito». Già il titolo rivela un’indubbia analogia tematica, che appare ulteriormente rafforzata se si considera che nell’edizione napoletana del 1835 Leopardi volle premettere agli idilli, e quindi subito prima de L’infinito , proprio Il passero solitario , assente nella prima edizione del 1831 e composto sicuramente dopo L’infinito . 7 Doveva esistere, quindi, un particolare collegamento tra i due carmi, che spinse il poeta a porli l’uno affianco all’altro. Tale unità viene mantenuta dallo stesso Calvino, che pone in un dittico in sequenza i capitoletti dedicati alle osservazioni che il suo personaggio conduce in vacanza, e più precisamente in giardino. Oltre che nel ricorrere delle stesse immagini, l’influenza dell’ipotesto leopardiano verrà ritrovata anche nell’andamento dei pensieri di Palomar. Si evidenzierà, infatti, come il protagonista si cali nella percezione di alcuni oggetti della natura per poi riaffiorarne secondo una successione di momenti di immersione nella realtà e di riflessione critico-razionale sulla stessa: questa alternanza riproduce in modo straordinariamente analogo la struttura dei ‹corrispettivi› modelli leopardiani. La dialettica visualità-/ meditazione, dunque, che è il doppio binario sul quale si muovono i canti di ambientazione recanatese, si rivelerà essere anche il pilastro fondante della prosa dell’ultimo Calvino. 2 Leopardi poeta dell’esattezza Nelle Lezioni americane , difendendo le ragioni di un linguaggio preciso, che sappia definire con rigore immagini e concetti, Calvino spiega i motivi che lo portano a considerare la vaghezza come una vera e propria «peste del linguaggio». 8 Prova così a citare alcuni passi dello Zibaldone , in cui, al contrario - apparentemente - della tesi da lui stesso sostenuta, una delle massime qualità del linguaggio poetico viene riconosciuta nella vaghezza. 9 Ma qui giunge la sorpresa: nell’elencare le situazioni più incerte ed indeterminate, le pagine dello Zibaldone 7 Per la complessa questione della datazione del carme, cf. Francesco De Rosa: «Sulla cronologia e la collocazione del Passero solitario », in: Italianistica. Rivista di letteratura italiana 28 (1999), 23-46. Ripercorre tutta la storia critica a riguardo Sergio Sconocchia: «Per una storia del Passero solitario di Leopardi», in: Carlo Santini-/ Loriano Zurli-/ Luca Cardinali (a cura di): Concentus ex dissonis . Scritti in onore di Aldo Setaioli . Tomo II. Napoli: Edizioni Scientifiche Italiane 2006, 681-719, qui 690-712. Indicazioni bibliografiche anche in Gino Tellini: Leopardi. Roma: Salerno Editrice 2001, 277sq., n. 1. 8 Calvino: Lezioni , 60. 9 Ibid., 61sq. <?page no="218"?> 218 Laura Aresi le descrivono così minuziosamente, con una tale scrupolosa attenzione, che l’elogio del vago si trasforma nell’elogio dell’esattezza. Da questa scoperta Calvino deriva la definizione citata in apertura: Ecco dunque che cosa richiede da noi Leopardi per farci gustare la bellezza dell’indeterminato e del vago! È un’attenzione estremamente precisa e meticolosa che egli esige nella composizione d’ogni immagine, nella definizione minuziosa dei dettagli, nella scelta degli oggetti, dell’illuminazione, dell’atmosfera, per raggiungere la vaghezza desiderata. Dunque Leopardi, che avevo scelto come contradditore ideale della mia apologia dell’esattezza, si rivela un decisivo testimone a favore … Il poeta del vago può essere solo il poeta della precisione, che sa cogliere la sensazione più sottile con occhio, orecchio, mano pronti e sicuri. (63) L’esattezza nasce, quindi, dalla volontà di descrivere con minuzia le situazioni che risultano piacevoli in quanto indeterminate. Ma come mai l’indeterminato crea piacere? Perché dà all’uomo l’illusione di raggiungere la massima aspirazione dell’anima: l’infinito. Illusione, perché l’infinito non è concepibile. Queste sono le basi, dice Calvino, su cui poggia L’infinito leopardiano, risultato dell’incontro/ scontro con l’incommensurabile. 10 Fin qui, l’esattezza in Leopardi, che, riassumendo, può essere considerata come la capacità di cui il linguaggio poetico deve disporre per riprodurre nell’animo umano quelle immagini di vago ed indeterminato che danno l’illusione dell’infinito. Ma Calvino percorre fino in fondo il cammino iniziato dal maestro. Per Leopardi, infatti, l’infinito è una voragine, di fronte alla quale «per poco-| il cor non si spaura», ma che certo tende a una vastità assoluta: banalizzando, cioè, lo si può definire come qualcosa di grande, grandissimo. Per Calvino, invece, la ragione, nel tentativo di comprendere, se non l’infinito, almeno una sua parte, inizia a scomporlo e parcellizzarlo nelle componenti di cui è costituito: l’esattezza, quindi, non mira al vago, come in Leopardi, ma a circoscrivere il vago. Tale tentativo, però, si traduce, ancora una volta, in un’illusione: ci si illude, cioè, che, scomponendo il tutto nelle sue parti, se ne possa trovare la chiave di lettura, ma l’infinito si nasconde ovunque, nell’infinitamente grande come nell’infinitamente piccolo. Il procedimento di scomposizione, infatti, non porta a scoprire entità definibili, numerabili, finite, con le quali l’umano intelletto possa dirsi soddisfatto e porre fine alla propria ricerca: al contrario, è la scomposizione stessa della materia a rivelarsi illimitata e, in ultima istanza, inspiegabile, perché arriva fino alla pulviscolare natura di cui sono fatti gli atomi, infiniti e impalpabili quanto le stelle del firmamento. Quel senso di sbigottimento e mistero che era stato la causa scatenante della ‹fuga iniziale› dall’infinito attende l’uomo al traguardo 10 Ibid., 64sq. <?page no="219"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 219 che egli aveva creduto di raggiungere. L’infinito sta all’inizio e alla fine di un percorso che si rivela di natura circolare: Alle volte cerco di concentrarmi sulla storia che vorrei scrivere e m’accorgo che quello che mi interessa è un’altra cosa, ossia, non una cosa precisa, ma tutto ciò che resta escluso dalla cosa che dovrei scrivere; il rapporto tra quell’argomento determinato e tutte le sue possibili varianti e alternative, tutti gli avvenimenti che il tempo e lo spazio possono contenere. È un’ossessione divorante, distruggitrice, che basta a bloccarmi. Per combatterla, cerco di limitare il campo di quel che devo dire, poi a dividerlo in campi ancora più piccoli, poi a suddividerli ancora, e così via. E allora mi prende un’altra vertigine, quella del dettaglio del dettaglio del dettaglio, vengo risucchiato dall’infinitesimo, dall’infinitamente piccolo, come prima mi disperdevo nell’infinitamente vasto. (69) Non per questo, tuttavia, bisogna smettere di lanciare interrogativi al cosmo e di cercare di capirne il mistero. Al contrario, il rigore dell’intelletto, seppure condannato al fallimento, è l’unico antidoto a quell’infinito ‹negativo› da cui Calvino metteva in guardia all’inizio della sua esposizione, e cioè la sciatta superficialità di chi non coglie l’estrema articolazione delle cose e le riduce ad un magma indifferenziato. Solo dalla percezione della complessità del reale può nascere la poesia, l’unica in grado di avvicinare l’uomo all’infinito stesso, di fargli comprendere intuitivamente quello che alla ragione sfugge. È la poesia, insomma, che può cogliere l’infinito, ma è solo la precisione del linguaggio - e quindi la ricerca filosofica di chi interroga il reale con gli occhi e con la mente - che può condurre alla poesia. Con l’immagine ideale del cristallo, che rappresenta la geometrica perfezione del linguaggio, e della fiamma, che simboleggia la spinta inesauribile e incommensurabile verso l’infinito, la conferenza dedicata all’esattezza trova la sua sintesi perfetta e si avvia alla conclusione. 11 3 Il passero solitario vs. «Il fischio del merlo» 3.1 Il passero solitario D’in su la vetta della torre antica, Passero solitario, alla campagna Cantando vai finché non more il giorno; Ed erra l’armonia per questa valle. Primavera dintorno Brilla nell’aria, e per li campi esulta, Sì ch’a mirarla intenerisce il core. Odi greggi belar, muggire armenti; 11 Ibid., 70-72. <?page no="220"?> 220 Laura Aresi Gli altri augelli contenti, a gara insieme Per lo libero ciel fan mille giri, Pur festeggiando il lor tempo migliore: Tu pensoso in disparte il tutto miri; Non compagni, non voli, Non ti cal d’allegria, schivi gli spassi; Canti, e così trapassi Dell’anno e di tua vita il più bel fiore. Oimè, quanto somiglia Al tuo costume il mio! Sollazzo e riso, Della novella età dolce famiglia, E te german di giovinezza, amore, Sospiro acerbo de’ provetti giorni, Non curo, io non so come; anzi da loro Quasi fuggo lontano; Quasi romito, e strano Al mio loco natio, Passo del viver mio la primavera. Questo giorno ch’omai cede alla sera, Festeggiar si costuma al nostro borgo. Odi per lo sereno un suon di squilla, Odi spesso un tonar di ferree canne, Che rimbomba lontan di villa in villa. Tutta vestita a festa La gioventù del loco Lascia le case, e per le vie si spande; E mira ed è mirata, e in cor s’allegra. Io solitario in questa Rimota parte alla campagna uscendo, Ogni diletto e gioco Indugio in altro tempo: e intanto il guardo Steso nell’aria aprica Mi fere il Sol che tra lontani monti, Dopo il giorno sereno, Cadendo si dilegua, e par che dica Che la beata gioventù vien meno. Tu, solingo augellin, venuto a sera Del viver che daranno a te le stelle, Certo del tuo costume Non ti dorrai; che di natura è frutto Ogni vostra vaghezza. <?page no="221"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 221 A me, se di vecchiezza La detestata soglia Evitar non impetro, Quando muti questi occhi all’altrui core, E lor fia vòto il mondo, e il dì futuro Del dì presente più noioso e tetro, Che parrà di tal voglia? Che di quest’anni miei? che di me stesso? Ahi pentirommi, e spesso, Ma sconsolato, volgerommi indietro. 12 Come è noto, Il passero solitario si articola mediante movimenti simmetrici e alternati. 13 Nella prima strofa, dalla focalizzazione su un singolo, il passero, la prospettiva viene allargata alla natura circostante («erra l’armonia per questa valle», «primavera dintorno», v. 4sq.) e al comportamento degli altri animali («greggi belar», «muggir armenti», «augelli contenti», v. 8sq.); si ritorna, quindi, sul passero («tu pensoso in disparte il tutto miri», v. 12), il cui schivo atteggiamento, nella seconda strofa, è confrontato, per analogia, a quello del poeta («oimè, quanto somiglia / al tuo costume il mio», v. 17sq.). Lo stesso schema, poi, si ripete per l’io che osserva e scrive: ad un’auto-analisi («sollazzo e riso, […] amore […] non curo», «quasi romito, e strano […] passo del viver mio la primavera», vv. 18-26), segue il confronto con l’atteggiamento festoso dei paesani allo scendere della sera («questo giorno ch’omai cede alla sera,-| festeggiar si costuma al nostro borgo», v. 27sq.) e dei giovani di Recanati («tutta vestita a festa-| la gioventù del loco-| lascia le case», vv. 32-34), che serve per rilevare l’anomalia rappresentata dal poeta stesso nel fuggire i piaceri della vita e della giovinezza («io solitario […]-| ogni diletto e gioco-| indugio in altro tempo», vv.-36-39). Se ciò apparentemente sembra confermare un’analogia con il passero - solitario l’uccellino, solitario il poeta, l’aggettivo si ripete per entrambi, rispettivamente ai vv. 2 e 36 -, l’ultima strofa del carme svela l’amara verità: il passero non soffre del suo isolamento, che gli viene dettato dalla natura («tu […]- | certo del tuo costume-| non ti dorrai», vv. 45-48); il giovane, invece, si pentirà amaramente, in futuro, di non aver colto i frutti della stagione più gioiosa della vita («ahi pentirommi, e spesso,-| ma sconsolato, volgerommi indietro», vv. 58sq.). Il confronto tra il passero e l’io del poeta, fin qui parallelo, si chiude nella constatazione di una divergenza che marca l’impossibile dialogo tra l’uomo, che 12 Giacomo Leopardi: «Il passero solitario», in: id.: Canti. Introduzione e commento di M. Fubini. Edizione rifatta con la collaborazione di E. Bigi. Torino: Loescher 1971, 111-113. 13 Per un commento dettagliatissimo della struttura della canzone - tra i tanti che si potrebbero citare - cf. Giovanni Battista Bronzini: «L’ossimoro leopardiano del Passero solitario », in: Lares 62 (1996), 225-269. <?page no="222"?> 222 Laura Aresi s’interroga e soffre invano, e una natura indifferente, regolata meccanicamente dalle sue proprie leggi ed imperscrutabile. L’incomunicabilità pare, dunque, essere il tema fondamentale su cui si regge il carme, un’incomunicabilità che, a sorpresa, emerge solo alla fine dell’idillio. Ed è nel segno di questa frattura, di questa mancata fusione che Leopardi, nell’edizione dei Canti del 1835, vuole preparare il lettore al nirvana de L’infinito . 3.2 «Il fischio del merlo» Nel capitoletto di Palomar intitolato «Il fischio del merlo», il signor Palomar è in giardino, e, «mentre siede su una sdraio e lavora» 14 (dove per lavoro s’intende un’incessante registrazione e meditazione intorno agli eventi minimi che lo circondano) è avvolto dal canto di innumerevoli uccelli, di cui si impegna invano a cercare di distinguere i singoli trilli. La tendenza alla catalogazione sistematica e puntuale dell’esistente è un’abitudine che il protagonista del romanzo aveva acquisito solo con l’avanzare dell’età: Al culto della precisione nomenclatoria e classificatoria, Palomar aveva preferito l’inseguimento continuo d’una precisione insicura nel definire il modulato, il cangiante, il composito: cioè l’indefinibile. Ora egli farebbe la scelta opposta, e seguendo il filo dei pensieri risvegliati dal canto degli uccelli la sua vita gli appare un seguito d’occasioni mancate. (25) Dall’insieme degli animali l’attenzione ritorna ai singoli soggetti, ma non a Palomar, bensì ad una coppia di merli, che giunge a cantare nel suo giardino nel tardo pomeriggio, sul far della sera, e la cui straordinaria somiglianza con gli esseri umani colpisce immediatamente il protagonista: Non tarda a scorgerli: camminano sul prato come se la loro vera vocazione fosse di bipedi terrestri, e si divertissero a stabilire analogie con l’uomo. Il fischio dei merli ha questo di speciale: è identico a un fischio umano, di qualcuno che non sia particolarmente abile a fischiare, ma che si trovi ad avere un buon motivo per fischiare, una volta tanto e per una volta sola, senza intenzione di continuare, e lo faccia con un tono deciso ma modesto e affabile, tale da assicurarsi la benevolenza di chi l’ascolta. (26) Il signor Palomar si impegna nel tentativo di decodificare il significato - se un significato esiste - 15 dei fischi che si lanciano i due coniugi-merli: ma è vera- 14 Italo Calvino: Palomar . Torino: Einaudi 1983, «Palomar in giardino», 24. 15 Sul tipico andamento interrogativo e dilemmatico dei monologhi interiori di Palomar, cf. Francesca Serra: - Calvino e il pulviscolo di Palomar. Firenze: Le Lettere 1996, 128-145 (sul nostro passaggio, 137sq.). <?page no="223"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 223 mente un dialogo? E, se sì, si tratta di domande e risposte o della ripetizione di una stessa informazione? Che valore hanno le pause tra un trillo e l’altro? E se fossero proprio i silenzi i recipienti del messaggio? Ma poi, infine, può anche darsi che i due non si intendano, che lo scambio dei loro fischi sia «un dialogo tra sordi, una conversazione senza capo né coda» (27). Questa incomunicabilità di fondo porta Palomar a confrontare i dialoghi dei merli con quelli degli umani, di cui constata l’analogia sostanziale: anche lui, quando parla con sua moglie, sottintende parecchie informazioni, e così fa lei, con la convinzione che la «perfetta intesa tra i coniugi permetta di capirsi senza star lì a specificare tutto per filo e per segno» (28). Il codice che usa la signora Palomar, però, - ivi compresi i suoi silenzi - è tutto diverso da quello del signor Palomar, e, più che un dialogo, lo scambio d’informazioni tra i due sembra voler marcare una rivalità, una prevaricazione dell’uno sull’altra, che si conclude con l’interruzione della comunicazione. Del resto, se anche un dialogo c’è stato, questo, osserva Palomar all’allontanarsi della moglie, deve essere risultato incomprensibile ai merli stessi: I merli becchettano sul prato e certo considerano i dialoghi dei coniugi Palomar come l’equivalente dei propri fischi. Tanto varrebbe che ci limitassimo a fischiare, egli pensa. Qui s’apre una prospettiva di pensieri molto promettente per il signor Palomar, a cui la discrepanza tra il comportamento umano e il resto dell’universo è sempre stata fonte d’angoscia. Il fischio uguale dell’uomo e del merlo ecco gli appare come un ponte gettato sull’abisso. (29) Il confronto con i merli, condotto fin qui sulla base dell’esistenza di una similarità con gli esseri umani, rivela la sua inconsistenza: se al resto del mondo il ragionare degli uomini - che si esplica soprattutto attraverso il linguaggio - appare incomprensibile, lo status dell’uomo stesso come unico essere pensante dell’universo appare un’assurda ed anomala eccezione. L’uomo, con i suoi interrogativi, rimane isolato, solitario, nell’universo. Così il racconto si conclude con l’irriducibile opposizione tra ciò che Palomar prova a definire come «natura» e «cultura», «silenzio» e «parola» (29). 16 Ancora una volta, però, tali tentativi classificatori cadono nel vuoto, esattamente come i fischi dei merli, che continuano intermittenti ed inspiegabili, forse soltanto indifferenti: 16 Su «Il fischio del merlo» come riflessione sull’impossibilità dell’uomo, animal culturale per eccellenza, di entrare in diretto contatto con la natura si sofferma Michael Schwarze: «Redimensionierung: für eine kulturkritische Lektüre Italo Calvinos», in: Claudia Jünke-/ Rainer Zaiser-/ Paul Geyer (Hg.): Romanische Kulturwissenschaft? Würzburg: Königshausen & Neumann 2004, 299-315, qui 307-310. La riflessione sul linguaggio nel capitoletto è anche al centro della meditazione di Eugenio Bolongaro: «Calvino’s encounter with the animal: anthropomorphism, cognition and ethics in Palomar», in: Quaderni d’italianistica 30 (2009), 105-128, qui 110-112. <?page no="224"?> 224 Laura Aresi Dopo aver ascoltato attentamente il fischio del merlo, egli prova a ripeterlo, più fedelmente che può. Segue un silenzio perplesso, come se il suo messaggio richiedesse un attento esame; poi echeggia un fischio uguale, che il signor Palomar non sa se sia una risposta a lui, o la prova che il suo fischio è talmente diverso che i merli non ne sono affatto turbati e riprendono il dialogo come nulla fosse. Continuano a fischiare e a interrogarsi perplessi, lui e i merli […]. (29) 3.3 Confronto intertestuale Dalla lettura ravvicinata del testo di Leopardi e di quello di Calvino non possono passare inosservate una fitta rete di corrispondenze, che uno schema può aiutare a visualizzare meglio: Il passero solitario «Il fischio del merlo» Soggetto: passero Soggetto: Palomar Descrizione della natura circostante e degli animali Descrizione della natura circostante e degli animali Soggetto: passero Due soggetti: coppia di merli Pausa: somiglianze tra il passero e l’io del poeta Pausa: somiglianze tra il linguaggio dei merli e quello degli uomini Soggetto: io del poeta Due soggetti: coppia di merli e analisi del loro linguaggio Descrizione della società e degli altri uomini / Soggetto: io del poeta Due soggetti: i coniugi Palomar e analisi del loro linguaggio Conclusione: discrepanza tra la condizione del passero e quella dell’io poetico Conclusione: discrepanza tra la condizione dei merli e quella di Palomar In entrambi i casi, la cinepresa della narrazione isola un soggetto umano e un soggetto animale dal resto della comunità e ne confronta i comportamenti, a prima vista analoghi. Ne Il passero solitario , certo, la simmetria dei movimenti dal singolare all’universale e viceversa è più marcata e ripetuta (prima il passero, poi il poeta) rispetto a quanto si constata nel micro-episodio di Palomar , ma l’apparizione di un uccello e il suo canto melodioso sul far della sera avviano in entrambi i casi un serrato ragionamento sulla solitudine dell’uomo e sulla sua incapacità di instaurare un vero dialogo: prima con gli altri uomini, poi con la natura stessa, che era sembrata, all’inizio, l’unica in grado di comprendere lo stato dell’io leopardiano-/ di Palomar. Ma il mondo degli animali, nella sua felice <?page no="225"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 225 inconsapevolezza, non offre appiglio alcuno all’uomo, condannato a ragionare e riflettere da solo. Non mancano, chiaramente, le differenze, la più marcata delle quali, ne «Il fischio del merlo», è la moltiplicazione del singolo nella dualità di una coppia, sia per quanto riguarda il passero/ merlo, 17 che si rapporta con una compagna, sia per quanto riguarda l’io pensante, a cui fa da pendant femminile la signora Palomar. Questo, tuttavia, non fa che rendere più completa ed esatta, per l’appunto, la descrizione della solitudine dell’individuo che era stata avviata da Leopardi: ché questa non si esplica solo nei confronti della natura e della società, ma anche all’interno della più elementare cellula in cui l’uomo cerca un dialogo e un confronto con l’altro, la coppia. Ed infine, si noti come l’esattezza leopardiana, che si declina in immagini di piacevole vaghezza ne Il passero solitario («Primavera dintorno-| brilla nell’aria, e per li campi esulta», v. 5sq.; «Odi per lo sereno un suon di squilla,-| odi spesso un tonar di ferree canne,-| che rimbomba lontan di villa in villa», vv. 29-31), venga rivisitata da Calvino nella quasi maniacale attività classificatoria del suo protagonista, che sfugge al fascino dell’indeterminato, inseguito durante la giovinezza, attraverso una conoscenza minuta di quel vago a cui prima si abbandonava. Il rammarico provato da Palomar per l’atteggiamento tenuto allora («seguendo il filo dei pensieri risvegliati dal canto degli uccelli la sua vita gli appare un seguito d’occasioni mancate», 25) pare riecheggiare l’amarezza dell’io leopardiano nella chiusa de Il passero solitario . Lì, infatti, il poeta si presenta fittiziamente giovane, con un espediente che gli permette di conferire al proprio rimpianto il tono di un presagio. 18 I falsi futuri di v. 58sq., da decodificare in 17 Che Calvino abbia usato la denominazione di «merlo» al posto di quella di «passero» non è del tutto privo di importanza, se si considera che questa è una delle questioni più dibattute dalla critica leopardiana nella definizione precisa della specie ornitologica descritta dal poeta (cf. Hermann H. Wetzel: « Il passero solitario di Leopardi: monticola solitarius, passer Italiae o semplicemente uccello solitario? Sulla referenzialità della poesia», in: Studi italiani 19-20 (2007-2008), 5-18). Si può intendere «solitario», infatti, sia come aggettivo di «passero», e allora l’uccello che Leopardi aveva in mente sarebbe il passer Italiae (per l’appunto, il comune passero), sia come parte integrante del nome del volatile stesso, e allora ci troveremmo di fronte ad un monticola solitarius , un tipo particolare di passero che assomiglia ad un merlo ed era molto diffuso a Recanati (di questa opinione è Sconocchia: «Per una storia», 684). Che qui sia da riconoscere un raffinato gioco intertestuale di Calvino? Usando «merlo», lo scrittore dà prova di aver inteso correttamente la specie dell’uccello leopardiano, ma, contemporaneamente, non svela in modo troppo palese l’ipotesto di riferimento. 18 Su questo aspetto riflette Tellini: Leopardi , 279-281: « Il passero solitario non adotta il rapporto cronologico presente-passato, quale è istituito in A Silvia e Le ricordanze , dove il presente è il tempo disilluso e il passato il tempo illuso: istituisce invece un rapporto cronologico diverso, presente-futuro, sì da rappresentare l’età dell’illusione al presente e l’età della disillusione al futuro» (280). <?page no="226"?> 226 Laura Aresi verità come passati («Ah pentirommi» = «mi sono già pentito», «volgerommi indietro» = «mi sono già voltato indietro») servono a mettere in guardia il lettore, mostrandogli come il componimento che si appresta a leggere subito dopo, ‹autenticamente› giovanile, sia stato solo il frutto di un’illusione. Questo amaro ‹avvertimento d’autore› vena di malinconia L’infinito , che più di tutti gli idilli leopardiani aveva espresso l’abbandono fiducioso del poeta alla vaga bellezza dell’universo e al mistero indecifrabile della vita. Calvino ristabilisce l’ordine cronologico corretto, presentando un maturo ed insoddisfatto Palomar alle prese con un passato di ingenuità e chimere. A differenza di Leopardi, però, l’infinito lo seduce ancora, seppure per le vie razionali con cui cerca di eluderne gli abissi. 4 L’infinito vs «Il prato infinito» 4.1 L’infinito Sempre caro mi fu quest’ermo colle, E questa siepe, che da tanta parte Dell'ultimo orizzonte il guardo esclude. Ma sedendo e mirando, interminati Spazi di là da quella, e sovrumani Silenzi, e profondissima quiete Io nel pensier mi fingo; ove per poco Il cor non si spaura. E come il vento Odo stormir tra queste piante, io quello Infinito silenzio a questa voce Vo comparando: e mi sovvien l’eterno, E le morte stagioni, e la presente E viva, e il suon di lei. Così tra questa Immensità s’annega il pensier mio: E il naufragar m’è dolce in questo mare. 19 È ancora sul binomio vaghezza/ esattezza che si gioca l’ultimo confronto qui proposto, quello tra L’infinito e «Il prato infinito». Anche nel celebre idillio leopardiano numerosi studi 20 hanno messo in evidenza la presenza di due successivi movimenti - marcati in particolar modo dai deittici «questo» e «quello» - attra- 19 Leopardi: «L'infinito», in: id.: Canti , 116sq. 20 Tra questi, cf. Margaret Brose: «Leopardi’s L’infinito and the Language of the Romantic Sublime», in: Poetics Today 1 (1983), 47-71, qui 64; Luigi Blasucci: «Paragrafi sull’ Infinito », in: Leopardi e i segnali dell’infinito . Bologna: Il Mulino 1985, 97-122; Stefano Agosti: «Leopardi e la costruzione dell’infinito», in: id.: Grammatica della poesia . Napoli: Guida 2007, 21-51; Giampiero Marzi: «Leopardi e il segreto dell’ Infinito », in : Quaderni d’italianistica 31 (2010), 113-126, qui 118sq. <?page no="227"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 227 verso i quali l’io del poeta si allontana dall’ hic et nunc della realtà fisica in cui si trova per fare esperienza dell’infinito. Riassumendo schematicamente, dunque, si può dire che, a partire da una situazione iniziale di limite, 21 rappresentata dalla famosa «siepe, che da tante parte-| dell’ultimo orizzonte il guardo esclude» (v.-2sq.), il pensiero del poeta si eleva al di là del limite stesso, avvicinandosi ad un infinito di tipo spaziale («interminati- | spazi di là da quella, e sovrumani- | silenzi, e profondissima quiete», vv. 4-6). Questa esplorazione, però, come già lo stesso Calvino notava nel passo di «Esattezza» sopra commentato, conduce l’intelletto verso zone vietate alla comprensione: è il «ove per poco-| il cor non si spaura» (v. 7sq.) citato prima. Lo stormire del vento ha appena riportato il poeta sulla terra, nel suo giardino, protetto dalla cinta costituita dalla siepe, che già la tentazione dell’infinito si ripete, e questa volta non si tratta più di un infinito spaziale, ma temporale: «e mi sovvien l’eterno,-| e le morte stagioni, e la presente-| e viva, e il suon di lei» (vv. 11-13). Il finale è noto: l’io del poeta non torna più indietro, almeno non nello stretto giro dei versi del componimento, e rimane a naufragare nell’infinito più dolce che mai sia stato descritto («e il naufragar m’è dolce in questo mare», v. 15). 22 4.2 «Il prato infinito» Ne «Il prato infinito», Palomar si trova nel prato che circonda casa sua e che, come tutti i prati inglesi, è un costrutto artificiale, costituito da una superficie limitata, distinta rispetto al caotico che è la vegetazione incolta. 23 Per mantenere un prato inglese, bisogna dedicargli cure particolari, tra cui quella di estirpare le erbacce. Nell’eseguire questo ingrato compito, Palomar s’accorge che, per svolgerlo bene, sarebbe necessaria un’operazione certosina, che arrivi a dividere il prato metro per metro e ad individuare tutti i fili d’erba ‹nemici›, oppure a 21 Su questo paesaggio iniziale come ‹scenetta bucolica› che il pensiero del poeta supera, andando oltre i limiti di un intero genere letterario (l’Arcadia), riflette Dietrich Scholler: «Leopardi und L’infinito », in: Roger Friedlein- / Gerhard Poppenberg- / Annett Volmer (Hg.): Arkadien in den romanischen Literaturen . Zu Ehren von Sebastian Neumeister zum 70. Geburtstag. Heidelberg: Winter 2008, 469-482, qui 472-477. 22 Sulla nota metafora leopardiana del mare = infinito, in cui avviene il dolce naufragio del poeta di petrarchesca reminiscenza, cf. Marzi: «Leopardi e il segreto», 123sq., e Cesare Luporini: «Naufragio senza spettatore ( L’Infinito )», in: id.: Leopardi progressivo. Roma: Editori Riuniti 2006, 137-143, qui 141sq. 23 Cf. Serra: Calvino , 162-170 per un’analisi del capitoletto alla luce della problematicità delle descrizioni nel ‹romanzo›, che si presentano come vera e propria cartina da tornasole dell’ impasse conoscitiva in cui si trova intrappolato il soggetto nei suoi sforzi di avvicinamento analitico alla realtà. Sulla stessa linea le citazioni da «Il prato infinito» anche in Christine Lessle: Weltreflexion und Weltlektüre in Italo Calvinos erzählerischem Spätwerk . Bonn: Romanistischer Verlag 1992, 150-152. <?page no="228"?> 228 Laura Aresi contare il numero di fili d’erba esistenti in un quadrato campione, e calcolare statisticamente il numero di quelli da eliminare. Si tratta, chiaramente, di un’impresa impossibile: Ma contare i fili d’erba è inutile, non s’arriverà mai a saperne il numero. Un prato non ha confini netti […]. Ma pure là dove non c’è che erba, non si sa mai a che punto si può smettere di contare: tra pianticella e pianticella c’è sempre un germoglio di fogliolina […]; un minuto fa si poteva trascurarla ma tra poco dovremo contare anche lei. […] Poi ci sono le frazioni di fili d’erba, troncati a metà, o rasi al suolo, o lacerati lungo le nervature, le foglioline che hanno perso un lobo … I decimali sommati non fanno un numero intero. (32sq.) Ecco la voragine dell’infinito che si apre su Palomar nella sua conta disperata, nel tentativo di porre ordine immaginando che il prato possa essere diviso in insiemi e sottoinsiemi. Salvifico, interviene il vento, che distoglie il protagonista da quel corso pericoloso di pensieri e lo immerge in uno nuovo: Soffia il vento, volano i semi e i pollini, le relazioni tra gli insiemi si sconvolgono… Palomar è già passato a un altro corso di pensieri: è «il prato» ciò che noi vediamo oppure vediamo un’erba più un’erba più un’erba …? Quello che noi diciamo «vedere il prato» è solo un effetto dei nostri sensi approssimativi e grossolani; un insieme esiste solo in quanto formato da elementi distinti. Non è il caso di contarli, il numero non importa; quel che importa è afferrare in un solo colpo d’occhio le singole pianticelle una per una, nelle loro particolarità e differenze. E non soltanto vederle: pensarle. (33) L’osservatore si accorge che osservare non basta, che per cogliere il prato nella sua complessità bisogna riuscire a concepirlo con la mente, in un unico sguardo sinottico, che prescinda dalla limitatezza dei sensi umani. Osservare un prato è come osservare il firmamento, è necessaria la stessa disponibilità mentale all’infinito. Un infinito dalle geometrie incommensurabili, in cui Palomar, alla fine del capitolo, si lascia annegare: Palomar s’è distratto, non strappa più le erbacce, non pensa più al prato: pensa all’universo. Sta provando ad applicare all’universo tutto quello che ha pensato del prato. L’universo come cosmo regolare e ordinato o come proliferazione caotica. L’universo forse finito ma innumerabile, instabile nei suoi confini, che apre entro di sé altri universi. L’universo, insieme di corpi celesti, nebulose, pulviscolo, campi di forze, intersezioni di campi, insiemi di insiemi… (34) <?page no="229"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 229 4.3 Confronto intertestuale Anche in questo caso, il raffronto tra i due testi permette di portare alla luce la sottile trama di relazioni che li lega, 24 e che il seguente schema rappresenta sinteticamente: L’infinito «Il prato infinito» Il limite: la siepe Il limite: il prato inglese Scoperta dell’infinito spaziale oltre il limite Scoperta dell’infinito spaziale dentro il limite ( = microcosmo) Ritorno alla realtà: il vento Ritorno alla realtà: il vento Scoperta dell’infinito temporale oltre il limite Scoperta dell’infinito spaziale (e temporale) oltre il limite ( = macrocosmo) Annegamento nell’infinito Annegamento nell’infinito Sia ne L’infinito che ne «Il prato infinito» un individuo si trova con ‹i piedi ben piantati per terra›, in un ambiente circoscritto e protettivo che rappresenta un limite e insieme un invito alla divagazione. Ma mentre l’io leopardiano fa esperienza dell’infinito andando oltre il limite stesso (la siepe), Palomar scopre l’infinito all’interno del limite stesso, ovvero di quel prato che credeva così definito e controllabile: è la famosa scoperta dell’«infinitamente piccolo», dell’infinito come microcosmo, in cui Calvino si imbatte cercando di dividere l’esistente, che gli sfugge, in porzioni dominabili con la ragione. Nell’uno e nell’altro caso, però, 24 Anche Serra: Calvino , 163sq., n. 24, individua ne «Il prato infinito» alcune reminiscenze letterarie, ma nomina la vigna invasa dalle erbacce di Renzo nei Promessi sposi (cap. XXXIII). Se questo è vero, Calvino avrebbe qui innestato nel suo palinsesto ben due ipotesti: quello di Manzoni, genuinamente narrativo, ma non particolarmente amato, e quello di Leopardi, che, pur appartenente alla tradizione della lirica, scaturiva dalle riflessioni filosofiche e teoriche dello Zibaldone sull’infinito già citate nelle Lezioni . Che Calvino ponesse spesso Manzoni e Leopardi a confronto è provato, ad esempio, da dichiarazioni come la seguente: «Avevamo detto or ora che questo rapporto dell’uomo con la natura e la storia è contraddistinto dal fatto d’essere libero, non ideologico, non come di colui che vede nel mondo un disegno precostituito, trascendente o immanente che sia: insomma dev’essere un rapporto d’interrogazione. Non il cielo di Renzo Tramaglino dunque, ma quello del pastore errante nell’Asia; anche se Leopardi non può essere definito epico, e non ha mai scritto un romanzo» (Italo Calvino: «Natura e storia del romanzo», in: id.: Una pietra sopra . Milano: Mondadori 2016, 24-47, qui 29). Per maggiori informazioni sulle menzioni congiunte di Leopardi e Manzoni nelle riflessioni sul romanzo italiano moderno cf. Lucio Felici: La luna nel cortile. Capitoli leopardiani . Soveria Mannelli: Rubbettino 2006, 185-190, e Polizzi: «La letteratura italiana», 98-100. <?page no="230"?> 230 Laura Aresi la scoperta dell’infinito è pericolosa, conduce il soggetto in regioni inesplorate e inesplorabili: ecco intervenire il vento a riportare gli spericolati ‹viaggiatori› alla realtà. Ma si tratta di una breve pausa, e in ambo i testi una nuova sollecitazione esterna conduce entrambi verso nuove piste dell’infinito: quello dell’eternità temporale per l’io leopardiano, quello di un altro infinito spaziale, questa volta l’«infinitamente vasto», per Palomar, che scopre una puntuale corrispondenza tra macroe microcosmo, entrambi incommensurabili. Nell’indefinito e nel vago piacere dell’immensità si perde l'io leopardiano, e si illude così di aver trovato l’infinito; Palomar, invece, non può che perdersi nella sua, d’illusione, ovvero la meticolosa esattezza che non rinuncia a cercare di classificare l’infinito. 25 È proprio la parola «infinito» a mancare nel testo di Calvino, sostituita da una perifrasi dubbiosa, «forse finito ma innumerabile» (34). Forse vi è una fine, forse vi è un fine, ma scoprirli, dopo tutto, toglierebbe all’uomo quel suo essere uomo, che consiste sempre e comunque nel lanciare domande al cosmo, non trovarne le risposte, e continuare nella ricerca, di generazione in generazione, dal giovane chiuso nel paterno ostello di Recanati al mancato sognatore moderno, il signor Palomar. Literaturverzeichnis Calvino, Italo: Palomar . Torino: Einaudi 1983. -: Lettere (1940-1985) . Milano: Mondadori 2001. -: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millennio . Milano: Mondadori 2011. -: Una pietra sopra . 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Bolongaro, Eugenio: «Calvino’s encounter with the animal: anthropomorphism, cognition and ethics in Palomar», in: Quaderni d'italianistica 30 (2009), 105-128. 25 Sulla classificazione come ultima strada tentata da Calvino in Palomar per realizzare la «mappa del labirinto la più particolareggiata possibile» (Italo Calvino: «La sfida al labirinto», in: id.: Una pietra sopra , 101-119, qui 118) si concentra JoAnn Cannon: «Calvino’s Latest Challenge to the Labyrinth. A Reading of Palomar », in: Italica 62 (1985), 189-200. <?page no="231"?> ‹Herr Leopardi› e ‹Herr Palomar› 231 Bronzini, Giovanni Battista: «L’ossimoro leopardiano del Passero solitario », in: Lares 62 (1996), 225-269. Brose, Margaret: «Leopardi’s L’infinito and the Language of the Romantic Sublime», in: Poetics Today 1 (1983), 47-71. Cannon, JoAnn: «Calvino’s Latest Challenge to the Labyrinth. A Reading of Palomar », in: Italica 62 (1985), 189-200. 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Sconocchia, Sergio: «Per una storia del Passero solitario di Leopardi», in: Santini, Carlo-/ Zurli, Loriano-/ Cardinali, Luca (a cura di): Concentus ex dissonis . Scritti in onore di Aldo Setaioli. Tomo II. Napoli: Edizioni Scientifiche Italiane 2006, 681-719. Serra, Francesca: - Calvino e il pulviscolo di Palomar. Firenze: Le Lettere 1996. Tellini, Gino: Leopardi. Roma: Salerno Editrice 2001. Wetzel, Hermann H.: « Il passero solitario di Leopardi: monticola solitarius, passer Italiae o semplicemente uccello solitario? Sulla referenzialità della poesia», in: Studi italiani 19-20 (2007-2008), 5-18.