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Interkulturelle Kommunikation an deutschen Hochschulen am Beispiel von Sprechstundengesprächen

Ein diskursanalytisch fundiertes Angebot zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit internationaler Studierender

0429
2019
978-3-8233-9290-3
978-3-8233-8290-4
Gunter Narr Verlag 
Roshanak Saberi

Universitäre Sprechstundengespräche mit ihren vielfältigen institutionellen und kulturellen Prägungen und Normen stellen häufig eine Herausforderung sowohl für Lehrende als auch für internationale Studierende dar. Der Band stellt neben einer Analyse authentischer Sprechstundengespräche ein innovatives Online-Angebot vor. Das Förderangebot bietet Studierenden Unterstützung in Form von Formulierungshilfen, Hinweise auf sprachliche und kulturelle Normen sowie didaktisch aufbereitete Videos. Die Nutzerzahl - Mitte 2018 bereits über eine Million - belegt ein hohes und kontinuierlich steigendes Interesse.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Roshanak Saberi Interkulturelle Kommunikation an deutschen Hochschulen am Beispiel von Sprechstundengesprächen Ein diskursanalytisch fundiertes Angebot zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit internationaler Studierender <?page no="1"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="2"?> Roshanak Saberi Interkulturelle Kommunikation an deutschen Hochschulen am Beispiel von Sprechstundengesprächen Ein diskursanalytisch fundiertes Angebot zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit internationaler Studierender GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="3"?> © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8290-4 (Print) ISBN 978-3-8233-9290-3 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0148-6 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="4"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Zugrunde liegender Kommunikationsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2 Axiome der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.3.1 Strukturebenen kommunikativer Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.3.1.1 Die Außenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.3.1.2 Die Zwischenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.3.1.3 Die Binnenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.3.2 Gattungsspezifische Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.4 Institutionelle Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.4.1 Zugrunde liegender Institutionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.4.2 Allgemeine Merkmale von Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1.4.3 Charakteristika der institutionellen Kommunikation . . . . . . . . 46 1.4.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.5 Interkulturelle Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.5.1 Zugrunde liegender Kulturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.5.2 Kulturdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.5.2.1 Kulturdimensionen nach Edward und Mildred Hall (1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.5.2.2 Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (2011) . . . . . . 55 1.5.2.3 Kritik am Konzept der Kulturdimensionen . . . . . . . . . . . 57 1.5.3 Kulturstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1.5.3.1 Funktionen von Kulturstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.5.3.2 Die Generierung von Kulturstandards . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.5.3.3 Deutsche Kulturstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1.5.3.4 Kritik am Konzept der Kulturstandards . . . . . . . . . . . . . . 64 1.5.4 Zugrunde liegender „Interkulturalitätsbegriff“ . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.5.4.1 Begriffsbestimmung interkulturelle Kommunikation . . . 71 Inhaltsverzeichnis <?page no="5"?> 6 Inhaltsverzeichnis 1.5.4.2 Kulturunterschiede in der Kommunikation und ihre Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1.5.4.3 Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1.6 Hochschulische Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1.6.1 Forschungsstand zu universitären Sprechstundengesprächen . . . 91 1.6.2 Universitäre Sprechstundengespräche als kommunikative Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1.6.2.1 Die Außenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1.6.2.2 Die Zwischenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1.6.2.3 Die Binnenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1.7 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2 Forschungsdesign und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.1 Methodische Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.2 Grundlegende Überlegungen zur Analyse gesprochener Sprache . . . 108 2.3 Funktional-pragmatische Diskursanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.4.1 Analyseschritte nach Thije (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.4.2 Beschreibung der einzelnen methodischen Schritte . . . . . . . . . 116 2.4.2.1 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.4.2.2 Datensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.4.2.3 Zusammenfassung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2.4.2.4 Suche nach Auffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.4.2.5 Selektion zu untersuchender Materialausschnitte . . . . 121 2.4.2.6 Transkription der zu untersuchenden Ausschnitte . . . 123 2.4.2.7 Transkriptanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3 Online -Förderangebot UniComm- Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.1 Zielsetzung, Aufbau und Entwicklungsphasen von UniComm -Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm -Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.2.1 Erste Entwicklungsphase (September 2008 - Juni 2009) . . . . . 172 3.2.1.1 Sammlung von Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.2.1.2 Strukturierung der Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.2.2 Erste Erprobung (Sommersemester 2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.2.2.1 Die kulturelle Bedingtheit sprachlicher Äußerungen . . 180 3.2.2.2 Problematik der Darstellung von Formulierungen . . . 181 3.2.2.3 Problematik der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.2.3 Zweite Entwicklungsphase ( Juni 2009 - März 2010) . . . . . . . . 183 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis 7 3.2.3.1 Situative Einbettung der Formulierungen . . . . . . . . . . . 183 3.2.3.2 Kulturstandards als Bausteine im kulturspezifischen Orientierungssystem an deutschen Hochschulen . . . . . 186 3.2.4 Zweite Erprobung (Wintersemester 2009/ 2010) . . . . . . . . . . . . . 187 3.2.5 Dritte Entwicklungsphase (März 2010 - Februar 2011) . . . . . 193 3.2.5.1 Organisatorischer Rahmen und technische Umsetzung von Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.2.6 Dritte Erprobung (Wintersemester 2010/ 2011) . . . . . . . . . . . . . . 196 3.2.7 Vierte Entwicklungsphase (Februar 2011 - Juni 2012) . . . . . . . 197 3.2.8 Vierte Erprobung (Wintersemester 2011/ 2012) . . . . . . . . . . . . . . 199 3.3 Inhaltlicher und technischer Aufbau von UniComm -Deutsch . . . . . 200 3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4.1 Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 <?page no="8"?> Vorwort 9 Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Kassel als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie angenommen. Diese Dissertation hätte in dieser Form ohne die Mitwirkung mancher Menschen nicht realisiert werden können. Für die vielfältig erfahrene Unterstützung möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen. In erster Linie danke ich Frau Prof. Dr. Karin Aguado für die wertvolle Betreuung meiner Arbeit, für die inhaltliche und formale Unterstützung und den gleichzeitig gewährten Freiraum bei der Durchführung des Projekts sowie ihren immer motivierenden herzlichen Zuspruch. Frau Prof. Dr. Annelie Knapp danke ich dafür, dass sie das spannende Projekt ,Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium‘ (MuMis) ins Leben gerufen hat, in dessen Rahmen diese Arbeit entstanden ist. Ebenso danke ich ihr für die Übernahme des Zweitgutachtens. Ein besonderes Wort des Dankes möchte ich Herrn Michael Koenig aussprechen für seine zahlreichen konstruktiven Anregungen. Seine Gesprächsbereitschaft, seine freundliche, aufmunternde und zugleich kritisch fordernde Art haben die Erstellung meiner Arbeit ausgesprochen positiv begleitet und befördert. Für die finanzielle Unterstützung zur Drucklegung dieses Buches bedanke ich mich sehr bei der Barbara und Alfred Röver-Stiftung. Dank auch an alle meine Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen und Freunde, die für mich mit Rat und Tat präsent waren. Besonders Frau Sanaz Sharghi- Libeck und Frau Jun.-Prof. Dr. Christine Czinglar sowie Herrn Ali Parhizkar gebührt mein voller und besonders herauszustellender Dank. Ganz herzlich danken möchte ich auch meinem Mann Pejman Behin und unserer Tochter Rosha Behin für ihre Geduld und ihr Verständnis in der langen Zeit der Anfertigung dieser Doktorarbeit. Zu guter Letzt ein Dank an meine lieben Eltern, Hormoz und Moloud Saberi, denen ich diese Arbeit von Herzen widmen möchte. Vorwort <?page no="10"?> Einleitung 11 Einleitung Der Bericht „Bildung in Deutschland 1 “, welcher eine umfassende Darstellung der Lage des deutschen Bildungswesens liefert, widmete sich 2016 erneut dem Thema „Bildung und Migration“. Nach diesem Bericht sind die Hochschulen der am stärksten internationalisierte Bereich des deutschen Bildungssystems. Die „Internationalisierung der Hochschule“, als ein übergreifendes, ganzheitliches Konzept verstanden, welches die Forschung ebenso wie das Studium und die Lehre einbezieht, stellt ein zentrales Ziel der Hochschulentwicklung in Deutschland dar. 2 Moosmüller (2013: 81) kritisiert hierbei, dass sich die Debatte um die ‚Internationalisierung der Hochschulen‘ vorwiegend um wissenschafts- und bildungspolitische Themen dreht. So stehen vor allem Fragen der Attraktivität bestimmter Universitäten für internationale Spitzenwissenschaftler/ innen und Studierende, der Mobilität von Studierenden und Wissenschaftler/ innen, des internationalen Rankings, internationaler Kooperationsprojekte etc. im Vordergrund. Demgegenüber finden etwa Fragen nach kulturellen Anpassungsleistungen, die die internationalen Studierenden und Forschenden an deutschen Hochschulen erbringen müssen, sowie die mit der Internationalisierung einhergehenden interkulturellen Herausforderungen weniger Beachtung (vgl. ebd.). Auf die besondere Situation internationaler Studierender wird an deutschen Hochschulen allgemein zu wenig Rücksicht genommen (vgl. ebd.: 84). Obwohl sie häufig nicht über die entsprechende Sprachkompetenz verfügen, müssen sie im Studienalltag dieselben Studienleistungen erbringen und dieselben hochschulspezifischen kommunikativen Situationen bewältigen wie ihre muttersprachlichen Kommiliton/ innen. Darüber hinaus sind sie zunächst meist noch nicht mit den Besonderheiten deutscher akademischer Kultur vertraut. Dieser Sachverhalt wird noch dadurch verschärft, dass die Studierenden infolge geringerer zeitlicher Flexibilität und eines höheren Erfolgsdrucks z. B. in den modularisierten Studiengängen immer weniger Zeit haben, sich die notwendigen kommunikativen Kompetenzen anzueignen. In der Folge verstoßen sie nicht 1 Der Bericht "Bildung in Deutschland 2016" wurde am 16.06.2016 von der Kultusministerkonferenz (KMK) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) vorgestellt. Der Bericht kann unter www.bildungsbericht.de/ de/ bildungsberichteseit-2006/ bildungsbericht-2016/ pdf-bildungsbericht-2016/ bildungsbericht-2016 abgerufen werden. 2 vgl. www.bildungsbericht.de/ de Einleitung <?page no="11"?> 12 Einleitung selten gegen herrschende Kommunikationsnormen oder der Kommunikationsfluss wird aufgrund kultureller Unterschiede belastet (vgl. Aguado 2002b: 53). Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Herausforderungen, die sich in der mündlichen Hochschulkommunikation, speziell den universitären Sprechstunden, für die internationalen Studierenden ergeben. Nach Aguado (ebd.) führt das Fehlen entsprechender sprachlicher Ausdrucksmittel allgemein zu Schwierigkeiten und Verhaltensweisen wie beispielsweise dem sozialen Rückzug oder der bewussten Reduzierung der eigenen Bedürfnisse, um dem eigenen sprachlichen Repertoire gerecht zu werden. Im Kontext der vorliegenden Studie führt der von Aguado (ebd.) beschriebene ‚Rückzug‘ dazu, dass universitäre Sprechstunden von internationalen Studierenden soweit wie möglich vermieden werden (vgl. hierzu auch Meer 2003: 2; Schumann 2008: 43). Schumann (ebd.) beschreibt diese Situation wie folgt: […] der Gang in die Sprechstunde [wird] nur angetreten, wenn es unbedingt erforderlich ist zur Absprache von Hausarbeits- oder Prüfungsthemen, was vor allem an dem Bewusstsein unzureichender deutscher Sprachkompetenzen und der Angst, nicht alles zu verstehen und ständig nachfragen zu müssen, zu liegen scheint. In den vergangenen Jahren sind verschiedene Forschungsprojekte wie beispielsweise das Projekt ‚Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium‘ 3 ins Leben gerufen worden, die auf die Unterstützung internationaler Studierender bei der Bewältigung kommunikativer Aufgaben abzielen. Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen dieses Projektes und hat zum Zweck, internationale Studierende bei der Bewältigung kommunikativer Anforderungen an deutschen Hochschulen gezielt zu fördern. Im Mittelpunkt steht dabei das kommunikative Handeln zwischen Lehrenden und Studierenden im Rahmen von Sprechstundengesprächen. Dieses Vorhaben erfordert einen interdisziplinären Ansatz, da Forschungsergebnisse kommunikations- und kulturwissenschaftlicher Bereiche für den praktischen Einsatz in einem institutionellen Anwendungsfeld, dem universitären Sprechstundengespräch, nutzbar gemacht werden sollen. Dies erfordert allerdings den Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und umsetzungsorientierten sowie praktischen Erfordernissen. Das erste Kapitel befasst sich mit den theoretischen Grundlagen und der Bestimmung und Klärung zentraler Begriffe der vorliegenden Arbeit. Zunächst geht es um die Definition des verwendeten Kommunikationsbegriffs (Abschnitt 1.1). Anschließend werden die Grundregeln (pragmatische Axiome) der menschlichen Kommunikation nach Watzlawick et al. (1993) dargestellt (Abschnitt 1.2). Für eine differenzierte Betrachtung von Kommunikation wird das Kon- 3 www.mumis-projekt.de <?page no="12"?> Einleitung 13 zept der kommunikativen Gattung herangezogen (Abschnitt 1.3). Auf diesem Verständnis von Kommunikation aufbauend werden die zentralen Themenbereiche der vorliegenden Arbeit - institutionelle Kommunikation, interkulturelle Kommunikation und hochschulische Kommunikation - ausgeführt. Abschnitt 1.4 beschäftigt sich mit den Grundlagen der institutionellen Kommunikation. Nach einer Bestimmung des zugrunde liegenden Institutionsbegriffs werden in einem nächsten Schritt die allgemeinen Merkmale von Institutionen und die Besonderheiten institutioneller Kommunikation dargestellt. Abschnitt 1.5 hat die interkulturelle Kommunikation und ihre begrifflichen Grundlagen zum Gegenstand. Dabei wird auf Konzepte wie „Kulturdimensionen“ (Hall und Hall 1987; Hofstede 2011) und „Kulturstandards“ (Thomas 2003) eingegangen, die versuchen, kulturelle Unterschiede zu kategorisieren und somit eine Handlungsorientierung für die Interaktanten in interkulturellen Kommunikationssituationen anzubieten. Außerdem setzt sich dieser Abschnitt mit der Intention und Problematik von Kulturdimensionen und Kulturstandards auseinander. Abschnitt 1.6 befasst sich mit der hochschulischen Kommunikation im Allgemeinen, geht dann auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit - universitäre Sprechstundengespräche - ein und bestimmt sie näher vor der Folie des Konzepts der kommunikativen Gattung. Den zweiten Teil der Arbeit nimmt die empirische Untersuchung ein. Hier werden zunächst die grundlegenden Überlegungen zur Analyse interkultureller Kommunikation dargestellt (Abschnitt 2.1 und 2.2). Daran anschließend wird die „Funktional-pragmatische Diskursanalyse“ als Methode erläutert (Abschnitt 2.3). Zur Erleichterung der Nachvollziehbarkeit dieser komplexen Analysemethode werden zunächst deren einzelne Schritte zusammenfassend beschrieben (Abschnitt 2.4). Die allgemeine Erläuterung der Methode führt in den praktischen Teil dieser Arbeit ein (Abschnitt 2.4.2). Es folgt die Beschreibung der Analysedurchführung. Die praktische Herangehensweise wird an der Analyse konkretisiert und strukturiert dargestellt. Es wird ausführlich gezeigt, welcher theoretische Rahmen der anschließenden Analyse und den daraus resultierenden Ergebnissen zugrunde gelegt wird. Die Ergebnisse werden anhand von Transkriptauszügen als exemplarische Belege präsentiert. Aufbauend auf den theoretischen Ausführungen und den Ergebnissen der Diskursanalyse wurde das Förderkonzept UniComm -Deutsch entwickelt, zu welchem im dritten Kapitel die konkrete Zielsetzung sowie die inhaltliche und formale Gestaltung des Online -Angebots ausgeführt wird (Abschnitt 3.1). Das übergeordnete Ziel besteht darin, mithilfe geeigneter kultureller Hinweise und relevantem Hintergrundwissen sowie einem Angebot an typischen Formulierungshilfen das Auftreten kulturbedingter Missverständnisse bzw. Kommunikationsprobleme möglichst zu vermindern. Der vorliegenden Arbeit liegt <?page no="13"?> 14 Einleitung dementsprechend ein dezidiert anwendungsorientierter Fokus zugrunde. Die Beschreibung der Entwicklungsphasen von UniComm -Deutsch folgt in Abschnitt 3.2, wobei die einzelnen Arbeitsschritte nachgezeichnet und die Ergebnisse anhand von Screenshots illustriert werden. Das Kapitel endet mit der Erläuterung der inhaltlichen Umsetzung und der technischen Realisierung von UniComm -Deutsch (Abschnitt 3.3). Die Arbeit schließt in Kapitel 4 mit einem Resümee und gibt einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf. <?page no="14"?> Einleitung 15 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Der Kommunikation kommt gerade in der heutigen Zeit, die häufig auch als ‚Kommunikationszeitalter‘ bezeichnet wird, eine erhebliche Bedeutung zu. Kommunikation ist in der menschlichen Gesellschaft allgegenwärtig und verläuft scheinbar selbstverständlich (vgl. Brehm 2014: 238). Für Nothdurft (2007: 24) gehört der Begriff Kommunikation unbedingt zum „Arsenal gesellschaftlicher Leitbegriffe und redet ein gewichtiges Wort mit im Diskurs unserer gesellschaftlichen Selbstverständigung und -vergewisserung.“ Für Watzlawick, Beavin und Jackson (1993: 13) ist Kommunikation […] ganz offensichtlich eine Conditio sine qua non menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Ordnung. Und ebenso offensichtlich ist, daß der Mensch von den ersten Tagen seines Lebens an die Regeln der Kommunikation zu erlernen beginnt, obwohl diese Regeln selbst, dieser Kalkül der menschlichen Kommunikation, ihm kaum jemals bewußt werden. (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1993: 13) 4 Gleichwohl entzieht sich der Vorgang der Kommunikation „[…] der unmittelbaren und empirischen Beschreibung, einmal, weil er sehr komplex ist, zweitens, weil er in sehr verschiedener Ausprägung beobachtet werden kann und drittens, weil wir über Kommunikation lediglich durch Kommunikation etwas sagen können.“ (Eichler 1979: 17) Mit dem Thema Kommunikation beschäftigen sich ganz unterschiedliche Fachrichtungen wie die Philosophie, Anthropologie, Politologie, Soziologie, Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Linguistik, Theologie, Biologie oder die Kommunikationswissenschaft (vgl. ebd.). Da in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Fragestellungen und Erkenntnisziele verfolgt werden, entstehen immer wieder neue Definitionen zum Kommunikationsbegriff. Bereits 1977 hat Merten hierzu 160 Definitionen gesammelt und sie auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht (vgl. Merten 1977: 38 ff.). Der interdisziplinäre, vieldimensionale und komplexe Charakter der menschlichen Kommunikation steht der Forderung nach terminologischer Eindeutigkeit des Begriffs Kommunikation entgegen. 4 Die vorliegende Arbeit folgt grundsätzlich den Regeln der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 sowie deren Überarbeitungen in den Jahren 2004 und 2006. Zitierungen, deren Rechtschreibung und/ oder Zeichensetzung den Regeln dieser Reform nicht folgen, weil ihre Quellen entweder aus Jahren vor 1996 stammen oder in den „Toleranzbereich“ der Reform fallen, werden in der gesamten Arbeit nicht als Fehler gekennzeichnet. <?page no="15"?> 16 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation 1.1 Zugrunde liegender Kommunikationsbegriff Die vorliegende Arbeit lehnt sich an die folgende Definition von Samovar, Porter und Stefani (1998: 24) an: “Communication is a dynamic, systematic process in which meanings are created and reflected in human interaction with symbols.” Für ein besseres Verständnis dieser Definition von Kommunikation heben die Autoren (vgl. ebd.) drei wesentliche Aspekte hervor: Kommunikation ist ein dynamisch verlaufender Prozess Der Begriff Dynamik umfasst hier die vier folgenden Aspekte: ▶ Kommunikation ist dynamisch, weil die dabei gesprochenen Worte und die davon begleiteten Handlungen nicht statisch und isoliert für sich stehen: “A word or action does not stay frozen when we communicate; it is immediately replaced with yet another word or action.” (ebd.) ▶ Kommunikation ist dynamisch, weil ein ausgesprochenes Wort nicht zurückgenommen werden kann, so wie eine begangene Tat nicht ungetan gemacht werden kann (vgl. ebd.). ▶ Kommunikation ist dynamisch, weil alle Elemente einer Kommunikation kontinuierlich miteinander interagieren. Es werden Worte gesagt, Handlungen vollzogen, gleichzeitig wird zugehört und die Reaktion der Gesprächspartner beobachtet (vgl. ebd.). ▶ Kommunikation ist dynamisch, weil der Inhalt einer Interaktion häufig während der Produktion geändert wird. Sätze werden umformuliert, und mitten im Satz werden Themen geändert (vgl. ebd.). Kommunikation ist systematisch Die Idee der Darstellung von Kommunikation als ein System unterstreicht die Tatsache, dass jede Kommunikation immer in einen bestimmten Kontext eingebettet ist und situationsabhängig stattfindet (vgl. ebd.: 25). “Communication does not occur in a vacuum, but rather is part of a larger system.” (ebd.: 24) Zur Kommunikation als Teil eines größeren Systems gehören verschiedene Elemente. Im Folgenden soll auf einige dieser Elemente näher eingegangen werden. ▶ Rahmen und Umgebung der Kommunikation (Setting): Während einer Kommunikation werden Äußerungen bzw. Informationen nicht isoliert gesendet oder empfangen, sondern in bestimmten Rahmen und Kontexten (vgl. Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 25; Broszinsky-Schwabe 2011: 23). Auf diese Konstellation verweist auch Littlejohn (1992: 152): “Communication always occurs in context, and the nature of communication depends in large measure on this context.” Der Kontext einer Kommunikation bestimmt die Wahl der Kleidung, der Themen und Inhalte sowie der Sprach- und Stilmittel. Der Kon- 1.1 Zugrunde liegender Kommunikationsbegriff <?page no="16"?> 1.1 Zugrunde liegender Kommunikationsbegriff 17 text gibt vor, welches kommunikative Verhalten vorgeschrieben, erwünscht oder unzulässig ist. Die Regeln und Normen sind für jeden Kontext, z. B. Klassenzimmer, Verwaltung oder Gerichtssaal, durch die Kultur determiniert und daher relativ (vgl. Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 25). ▶ Ort (Location): Die räumliche Umgebung einer Kommunikation beeinflusst das kommunikative Verhalten. Im Raum wirken soziale Normen infolge derer sich die Interagierenden je nach Ort der Kommunikation, z. B. im Hörsaal, im Büro oder im Restaurant, unterschiedlich verhalten. Es gibt erwünschtes und abweichendes Verhalten, teilweise schriftlich festgehalten (z. B. in einer Haus- oder Parkordnung) und manchmal aus der räumlichen Situation erschließbar (vgl. ebd.). ▶ Anlass der Zusammenkunft (Occasion): Jeder soziale Anlass liefert Vorgaben für eine bestimmte Art von Verhalten. Mit dem sozialen Anlass einer Kommunikation sind Anforderungen verknüpft, die das Verhalten bestimmen. Jede Kultur hat ihre eigenen Regeln für bestimmte soziale Anlässe, z. B. Hochzeitsfeier, Konfirmation oder Trauerfeier (vgl. ebd.). ▶ Zeitlicher Rahmen einer Kommunikation (Time): Die für eine Kommunikation zur Verfügung stehende Zeit und der Zeitrahmen, in welchem sie stattfindet, beeinflussen ihren Verlauf (vgl. ebd.: 25; Broszinsky-Schwabe 2011: 23 f.). So verlangt beispielsweise die zeitliche Begrenztheit in institutionellen Kommunikationen wie einer Arzt-Patienten-Kommunikation oder der universitären Sprechstunde ein besonderes kommunikatives Verhalten und eine bestimmte Art und Weise des Vorbringens des Anliegens (vgl. Abschnitt 1.6.2). ▶ Die Anzahl der beteiligten Personen (Number of People): Die Anzahl der beteiligten Personen beeinflusst den Verlauf, die Dauer sowie die Art und Weise der Kommunikation. Es ist allgemein bekannt, dass Menschen anders reden und sich anders verhalten, wenn sie mit einer Person, in einer kleinen Gruppe oder vor vielen Menschen sprechen sollen (vgl. Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 26; Broszinsky-Schwabe 2011: 24). ▶ Der kulturelle Rahmen (Cultural setting): Der kulturelle Rahmen übt den größten Einfluss auf die Kommunikation aus. Hier sind Regeln, Normen, Werte, Tabus und Traditionen bereits festgelegt, die das erwünschte kommunikative Verhalten determinieren (vgl. ebd.). “The largest system affecting communication is our culture, which is the context within which all our interactions take place.” (Wood/ Fixmer-Oraiz 2015: 31) <?page no="17"?> 18 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Kommunikation erfolgt über Symbole Menschliche Kommunikation ist durch die Verwendung von Symbolen gekennzeichnet (vgl. Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 26). Ein Symbol ist dabei ein Zeichen - sei es ein Ton, eine Bewegung, eine Markierung auf einem Stück Papier, ein Gemälde, eine Statue oder die Blindenschrift - das auf etwas anderes verweist (vgl. ebd.). Ein Symbol ist eine bestimmte Möglichkeit des Gebrauchs medialer Ausdrucksformen, wobei zwischen zwei Typen von Symbolen unterschieden wird: Wörter und Handlungen (vgl. ebd.). Alle menschlichen Kulturen haben Symbole entwickelt, die der Kommunikation dienen. Allerdings besitzen diese Symbole in den verschiedenen Kulturen unterschiedliche in Konventionen festgelegte Bedeutungen, womit die Kenntnis dieser Konventionen eine Voraussetzung für deren Verstehen ist (vgl. ebd.). Die oben angeführten Definitionen von Kommunikation und die Darlegung ihrer Elemente veranschaulichen, wie komplex die menschliche Kommunikation ist und wie viele Faktoren sie beeinflussen. Zur Erfassung dieser Komplexität sind verschiedene Kommunikationsmodelle entwickelt worden, mit denen versucht wird, Kernmerkmale menschlicher Kommunikation zu erfassen und Kriterien für Kommunikationserfolge zu identifizieren. Das Kommunikationsmodell der Psychologen Paul Watzlawick, Don D. Jackson und Janet H. Beavin (1993) ist für die vorliegende Arbeit gut geeignet, da hier das Augenmerk auf der Wechselwirkung zwischen den Kommunizierenden liegt und Kommunikationsprozesse als beobachtbare „Manifestationen menschlicher Beziehungen“ identifiziert werden (Watzlawick, Jackson, Beavin 1993: 22). Dieses Modell ermöglicht dadurch ein besseres Verständnis von Kommunikationsprozessen und lässt sich für die Analyse unterschiedlicher Kommunikationen heranziehen. 1.2 Axiome der Kommunikation Im Mittelpunkt der von der Forschergruppe um Watzlawick (1993) entwickelten Kommunikationstheorie stehen die folgenden fünf Axiome: Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren Das erste und bekannteste der fünf Axiome lautet „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Hierbei wird auch der Aspekt der nonverbalen Kommunikation berücksichtigt. Es wird darauf hingewiesen, dass […] das ‚Material‘ jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern auch alle paralinguistischen Phänomene (wie z. B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache, Pausen, Lachen und Seufzen), Körperhaltung, Ausdrucksbewegung 1.2 Axiome der Kommunikation <?page no="18"?> 1.2 Axiome der Kommunikation 19 (Körpersprache) usw. innerhalb eines bestimmten Kontextes umfaßt - kurz, Verhalten jeder Art. (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1993: 51) Hierbei wird Verhalten mit Kommunikation gleichgesetzt. Da Verhalten kein Gegenteil hat, kann man sich nicht nicht verhalten. Wird akzeptiert, dass jedes Verhalten eines Menschen in Gegenwart eines anderen Menschen kommunikativ ist, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren, denn „Handeln oder Nichthandeln, Worte oder Schweigen haben alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere, und diese anderen können ihrerseits nicht nicht auf diese Kommunikationen reagieren und kommunizieren damit selbst.“ (ebd.) Die Forscher heben damit hervor, dass eine Kommunikation nicht nur dann stattfindet, wenn sie absichtlich, bewusst und erfolgreich ist (vgl. ebd: 52). Der Inhalts- und der Beziehungsaspekt der Kommunikation Mit dem zweiten pragmatischen Axiom wird die relationale Eigenschaft des Kommunikationsprozesses betont: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“ (ebd.: 56) Der Inhaltsaspekt bezeichnet die Sachebene der Kommunikation, die offensichtlich ausgetauschten Informationen. Dabei ist es nebensächlich, ob die Information wahr oder falsch, gültig oder ungültig ist. Der Inhaltsaspekt stellt also das ‚Was‘ einer Mitteilung dar (vgl. ebd.: 53). Die Beziehungsebene bestimmt, „wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht, und ist in diesem Sinn seine persönliche Stellungnahme zum anderen.“ (ebd.) Somit bestimmt der Beziehungsaspekt, wie der Inhalt zu interpretieren ist. Die Beziehungsebene stellt also das ‚Wie‘ einer Mitteilung dar. Dieses Axiom verweist darauf, dass in der Kommunikation nicht nur die reine Sachinformation eine Rolle spielt, sondern auch die Beziehung zwischen den Interagierenden für das gegenseitige Verständnis von entscheidender Bedeutung ist. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass […] Beziehungen verhältnismäßig selten bewußt und ausdrücklich definiert werden. Im allgemeinen ist es so, daß die Definition der Beziehung um so mehr in den Hintergrund rückt, je spontaner und ‚gesunder‘ die Beziehung ist, während ‚kranke‘ (d. h. konfliktreiche) Beziehungen u. a. durch wechselseitiges Ringen um ihre Definition gekennzeichnet sind, wobei der Inhaltsaspekt fast völlig an Bedeutung verliert. (ebd.: 55) Demnach gelingt die Kommunikation, wenn sich die Interagierenden sowohl über den Inhalt ihrer Kommunikation als auch über die Definition ihrer Beziehung einig sind (vgl. Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1993: 81). <?page no="19"?> 20 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Die ‚Interpunktion‘ von Ereignisfolgen Das dritte Axiom lautet: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.“ (ebd.: 61) Unter Interpunktion wird die Abfolge von Mitteilungen bzw. die Struktur einer Kommunikation verstanden. Watzlawick et al. (ebd.: 57) sind der Auffassung, dass jede Kommunikation eine Reaktion auslöst. Jedes Verhalten ist somit immer eine Reaktion auf etwas Vorangegangenes und gleichzeitig ein neuer Reiz. Was in einem Kommunikationsablauf als Aktion und was als Reaktion wahrgenommen wird, liegt in den subjektiven Interpretationen der Kommunikationspartner/ innen (vgl. ebd.). Der Kommunikationsprozess wird also nach den subjektiven Sichtweisen von Ursache und Wirkung strukturiert. Diese Struktur ist durch Kultur, Vorstellungen, Erfahrungen oder Einstellungen unterschiedlich geprägt. Die Kommunikationspartner/ innen konstruieren ihre eigene Wirklichkeit und sehen jeweils andere Kausalzusammenhänge. Die Konstruktion subjektiver Wirklichkeit vollzieht sich als Interpunktion von Ereignisfolgen, d. h. die Kommunikationspartner/ innen legen auf bestimmte Ereignisse besonderen Wert, betrachten diese gewissermaßen als Ursache bzw. Anlass für weitere aus ihnen folgende Ereignisse. Unterschiede in der Interpunktion stellen eine Ursache von Konflikten dar (vgl. ebd.: 93). Wir können nur vermuten, daß Interpunktionskonflikte mit der tief im Innern verwurzelten und meist unerschütterlichen Überzeugung zu tun haben, daß es nur eine Wirklichkeit gibt, nämlich die Welt, wie ich sie sehe, und daß jede Wirklichkeitsauffassung, die von der meinen abweicht, ein Beweis für die Irrationalität des Betreffenden oder seine böswillige Verdrehung der Tatsachen sein muß. (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1993: 93 [Hervorhebung im Original]) Die Interpunktion ist ein wichtiger Bestandteil menschlicher Beziehungen und organisiert das Verhalten. Sie ist kulturabhängig: „So bringt z. B. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur auch ganz bestimmte, ihr eigene Interpunktionsweisen mit sich, die zur Regulierung dessen dienen, was - aus welchen Gründen auch immer - als ‚richtiges‘ Verhalten betrachtet wird.“ (ebd.: 58) Digitale und analoge Kommunikation Nach dem vierten Axiom bedient sich menschliche Kommunikation digitaler und analoger Modalitäten: „Digitale Kommunikationen basieren dabei auf einer komplexen und vielseitigen logischen Syntax, während sie auf dem Gebiet der Beziehungen eine unzulängliche Semantik aufweisen. Hierüber verfügen analoge Kommunikationen in ausreichendem Maß, wofür es ihnen an der für eindeutige Kommunikationen erforderlichen logischen Syntax mangelt.“ (ebd.: 68) Unter digitaler Kommunikation wird die verbale Kommunikation verstanden. <?page no="20"?> 1.2 Axiome der Kommunikation 21 Dabei wird einem Objekt willkürlich ein Begriff zugeordnet. Der Begriff an sich hat mit dem Objekt nichts zu tun: „die Zahl fünf [hat] nichts besonders Fünfartiges an sich und das Wort ‚Tisch‘ nichts besonders Tischähnliches.“ (ebd.: 62) Mit ihrer komplexen und logischen Syntax vermittelt sie überwiegend Inhaltsaspekte. Unter analoger Kommunikation wird demgegenüber die non-verbale Kommunikation in Form von Gesten, Tonfall und Mimik verstanden. Der analogen Kommunikation fehlt es an Eindeutigkeit, da beispielsweise Tränen Ausdruck von Schmerz oder Freude sein können. Mit analogen Elementen wird häufig die Beziehungsebene vermittelt (vgl. ebd.). Der analogen Kommunikation kommt bei der Entschlüsselung von Informationen eine hohe Bedeutung zu, denn „[Eine] Geste oder eine Miene sagt uns mehr darüber, wie ein anderer über uns denkt, als hundert Worte“ (ebd.: 64). Beide Kommunikationsmodi ergänzen sich wechselseitig, da jede Kommunikation immer gleichzeitig auf der Sach- und Beziehungsebene stattfindet. Für eine gelungene Kommunikation müssen analoge und digitale Botschaften übereinstimmen (vgl. ebd.: 62 ff.). Symmetrische und komplementäre Interaktionen Das fünfte Axiom lautet: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.“ (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1993: 70) In symmetrischen Beziehungen verhalten sich die Gesprächspartner „spiegelbildlich“. (ebd.: 69) Diese Beziehungsform zeichnet sich dadurch aus, dass die Interagierenden nach Gleichheit streben; sie bemühen sich, Ungleichheiten untereinander zu minimieren. Dagegen basieren komplementäre Interaktionen auf Unterschiedlichkeiten. Bei dieser Beziehungsform wird zwischen einer primären bzw. superioren und einer sekundären bzw. inferioren Stellung unterschieden (vgl. ebd.: 69). Beziehungen mit einem komplementären Charakter beruhen entweder auf gesellschaftlichen oder kulturellen Kontexten, wobei es nicht so ist „[…] daß ein Partner dem anderen eine komplementäre Beziehung aufzwingt; vielmehr verhalten sich beide in einer Weise, die das bestimmte Verhalten des anderen voraussetzt, es gleichzeitig aber auch bedingt.“ (ebd.: 70) Beispiele hierfür wären die Beziehung zwischen Eltern und Kind, Ärzten und Patienten oder Lehrenden und Studierenden. Die oben angeführten Axiome von Watzlawick et al. (1993) regeln die vielfältige menschliche Kommunikation und demonstrieren zugleich, wie die verschiedenen Ebenen der Kommunikation ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen. Mithilfe dieser Axiome können die menschlichen Kommunikationsregeln transparenter gemacht und problematische Aspekte bzw. Kommunikationsstörungen insbesondere bei interkulturellen Kommunikationen beschrieben werden. <?page no="21"?> 22 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Das erste und das vierte Axiom demonstrieren, dass Kommunikation weit über Sprache hinausgeht und jedes Handeln einen Mitteilungscharakter hat. Jedem Verhalten kann eine kommunikative Botschaft zugeschrieben werden. Selbst fehlende Äußerungen vermitteln eine Botschaft. Verhalten und insbesondere nonverbales Verhalten vermitteln in verschiedenen Kulturen jedoch unterschiedliche Botschaften. So ist z. B. in westlichen Kulturen der Blickkontakt von großer Bedeutung. Die Kommunikationspartner/ innen schauen sich gewöhnlich an, um Aufmerksamkeit zu signalisieren. Dementsprechend kann beispielsweise ein ausbleibender Blickkontakt als unhöflich bzw. als Zeichen der Unaufrichtigkeit empfunden werden. Vertreter mancher asiatischer Kulturen empfinden demgegenüber einen direkten Blickkontakt als offensiv und vermeiden ihn daher, in arabischen Kulturen kann expliziter Blickkontakt je nach Situation und Geschlecht schnell zu unerwarteten Folgen führen. Auch die Deutung von Schweigen, Pausen, Tonfall und Lautstärke ist kulturabhängig. Auch wenn die nonverbale Kommunikation in der Regel unbewusst verläuft, kann eine Sensibilisierung auf die nonverbale Kommunikationsebene Missverständnissen vorbeugen und somit den Kommunikationsablauf positiv beeinflussen. Für das Verständnis von Kommunikationen ist die Unterscheidung zwischen Beziehungs- und Inhaltsebene ausschlaggebend. Das zweite Axiom besagt, dass Kommunikation nicht nur der reine Austausch von Sachinformationen ist, sondern jede Kommunikation von einem Beziehungsaspekt begleitet wird, der für deren Gelingen von besonderem Belang ist. Ob Beziehung oder Inhalt in den Mittelpunkt der Kommunikation gestellt werden, hängt von der Sozialisation und Kultur der Kommunikationspartner/ innen ab. Das dritte Axiom weist darauf hin, dass Kommunikation misslingt, wenn die Kommunikationspartner/ innen jeweils ihre subjektive Wahrnehmung von der Wirklichkeit für richtig halten und jede abweichende Wirklichkeitsauffassung ausblenden bzw. für falsch halten. Kommunikationsprozesse werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich strukturiert. Beispielsweise ist kulturabhängig, an welcher Stelle in der Kommunikation das Wichtigste mitgeteilt wird. Während in Deutschland das Wichtigste zum Anfang der Rede mitgeteilt wird und sofort zum Punkt gekommen wird, wird in asiatischen Kulturen das Wichtigste später in der Rede eingebaut, und es werden Umschweife gemacht, bevor der eigentliche Punkt angesprochen wird (vgl. Abschnitt 2.4.2.7). Das fünfte Axiom schließlich veranschaulicht, dass die Kommunikation einer symmetrischen Beziehung anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als die einer komplementären. In einer komplementären Kommunikation gelten bestimmte kulturgebundene Regeln. Beispielsweise ist es in Deutschland bei komplementären Kommunikationen - wie ein Arzt-Patienten-Gespräch oder ein Sprech- <?page no="22"?> 1.2 Axiome der Kommunikation 23 stundengespräch mit Lehrenden und Studierenden - wichtig, sich an die festgelegte Dauer des Gesprächs zu halten, sich auf Sachinhalte zu konzentrieren und Fragen zu persönlichen oder gar intimen Details zu unterlassen. (vgl. Abschnitt 2.4.2.7). Bei den Ausführungen von Watzlawick et al. (1993) wird der Schwerpunkt auf die Handlungen der Interagierenden gelegt und die Kommunikation als wechselseitig aufeinander bezogenes Handeln definiert. Diese Betrachtung von Kommunikation als Handlung hat ihren Ursprung in der Soziologie, wonach Kommunikation primär der Koordination des alltäglichen Handelns dient (vgl. Lenke/ Lutz/ Sprenger 1995: 120). Das Handeln ist zwar mit einem subjektiven Sinn verbunden und durch die Welttheorien, die Erfahrungen und Vorstellungen der Individuen geprägt. Um dennoch gemeinsam koordiniert mit anderen Menschen handeln zu können, besteht die Notwendigkeit, das Handeln mit anderen abzustimmen (vgl. ebd.). Dabei wirkt ein gemeinsames Inventar kultureller Erfahrungen unterstützend: „Die individuellen Vorstellungen von der Welt sind […] in einer Kultur bzw. Gesellschaft sozialisiert, d. h. die Erziehung und das Erleben einer gleichartigen sozialen Umgebung sorgen dafür, daß die individuellen Welttheorien nicht ‚zu individuell‘ sind.“ (ebd.) In diesem Zusammenhang wird Kommunikation als „[…] allgemeine Voraussetzung für soziales Handeln , für die wechselseitige Beeinflussung und reziproke Verhaltensorientierung von Individuen“ (Schenk 1994: 173) verstanden. In diesem Sinne kommt der Kommunikation eine wichtige Funktion zu: Sie erleichtert einerseits die Herausbildung von Regelmäßigkeiten im sozialen Handeln - nämlich das Entstehen eines jeweils typischen und gleichartig gemeinten Sinnes bei den Handelnden - andererseits werden durch sich wiederholende Abläufe von Handlungen (z. B. Brauch, Sitte) vorhandene Kommunikationsprozesse gefestigt. (ebd.) Jede Sprachgemeinschaft hat für immer wiederkehrende kommunikative Aufgaben konventionalisierte Lösungen hervorgebracht. „Werden bestimmte Handlungen mehrfach (und erfolgreich) ausgeführt, stellt sich gleichsam automatisch eine Habitualisierung ein; es entstehen fertige und wiederholbare Lösungsmuster, die in den Wissensvorrat eingehen.“ (Lüger 2014: 183) So müssen „die Beteiligten […] nicht in jedem Fall alles neu ‚erfinden‘, sie können sich auf eingespielte Routinen verlassen.“ (ebd.) Solche formalisierten Lösungen kommunikativer Aufgaben bezeichnet Luckmann (1986) als kommunikative Gattungen. Das Konzept kommunikativer Gattungen ermöglicht ein tieferes und umfassenderes Verständnis von Kommunikation und eignet sich besonders für die Analyse interkultureller Kommunikationssituationen (vgl. Günthner 2007/ Günthner und Luckmann 2002). In der vorliegenden Arbeit fungiert es als theo- <?page no="23"?> 24 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation retischer Rahmen für die pragmatische Analyse (vgl. Abschnitt 2.4.2.7). Bei der Analyse sollen zum einen die verschiedenen kommunikativen Aspekte, Ebenen und Muster bei Sprechstundengesprächen beleuchtet werden, zum anderen sollen die Folgen kultureller Unterschiede im Gebrauch verschiedener Gattungen sichtbar werden. 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen Die folgenden Abschnitte befassen sich mit dem Konzept der kommunikativen Gattungen. Zunächst werden die Strukturmerkmale und einzelnen Strukturebenen kommunikativer Gattungen mit ihren Kategorien vorgestellt. Anschließend liegt der Fokus auf den kommunikativen Gattungen in der institutionellen Kommunikation. Luckmann (1988: 282) bezeichnet ‚kommunikative Gattungen‘ als „[…] routinisierte und mehr oder weniger verpflichtende Lösungen für bestimmte kommunikative Probleme.“ In eine ähnliche Richtung geht die Definition von Günthner und Knoblauch (1994: 695 f.): Diejenigen kommunikativen Vorgänge, die typisch wiederkehren und deren regelmäßige Bewältigung von gesellschaftlicher Relevanz ist, bilden typische Muster aus, an denen sich Handelnde orientieren können. Kommunikative Gattungen bezeichnen diejenigen kommunikativen Prozesse, die sich gesellschaftlich verfestigt haben. Sie sind nicht mehr bloß Ergebnisse individueller Handlungen, sondern stehen den Handelnden gewissermaßen als ‚Fertigprodukte‘ zur Verfügung. Kommunikative Gattungen stellen einen etablierten Rahmen für Kommunikation dar und prägen das kommunikative Handeln. Nach Günthner und Knoblauch (2007: 55) zeichnen sich kommunikative Gattungen durch einen Gesamtentwurf aus „[…] an dem sich die einzelnen Kommunikationspartner/ innen mehr oder weniger bewusst orientieren. Das kann schon im Kleinen beginnen, etwa bei bestimmten grammatischen Konstruktionen, Redewendungen, Sprichwörtern oder Begrüßungsritualen.“ Kommunikative Gattungen sind als Handlungsmuster zu verstehen, die die Kommunikation erleichtern, „indem sie die Synchronisation der Handelnden und die Koordination ihrer Handlungsteile mittels mehr oder weniger vorbestimmter Muster in halbwegs verläßliche, bekannte und gewohnte Bahnen lenken.“ (Günthner/ Knoblauch 1994: 696) In jeder Gesellschaft existieren zahlreiche kommunikative Vorgänge, wobei es nach Knoblauch und Schnettler (2010: 293 f.) selbstverständlich ist, dass nicht alle kommunikativen Vorgänge in menschlichen Gesellschaften in Gattungen verfestigt sind. Ebenso wenig halten sich alle Interagierenden in ihrem Handeln immer an Vorgaben einer Gattung. Manche kommunikative Handlungen 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen <?page no="24"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 25 werden spontan ausgeführt. In solchen kommunikativen Vorgängen folgen die Handelnden nicht einem zugrundeliegenden vorgefertigten Muster, sondern setzen ihre Botschaft Schritt für Schritt aus einzelnen Worten bzw. Wortblöcken zusammen (vgl. Luckmann 1989: 37). Nach Luckmann bildet der Sprecher „[…] Sätze, indem er Worte und Phrasen aus dem semantischen Inventar seiner Sprache in einer Mischung aus Gewohnheit und Bewußtheit auswählt.“ (ebd.) Beim Zusammenfügen der kommunikativen Elemente orientieren sich die Interagierenden also nicht an einem vorstrukturierten Muster, befolgen aber durchaus die grundlegenden Regeln der Grammatik und der Syntax. Im Unterschied zu solchen spontanen Handlungen, die von den Handelnden von Fall zu Fall aufgebaut und gewissermaßen in eigener Regie durchgeführt werden, gibt es andere Handlungen, in denen die Handelnden weitgehend einem Gesamtmuster folgen (vgl. ebd.). Das Gesamtmuster determiniert die Auswahl der verschiedenen sprachlichen Elemente aus dem semantischen Inventar, die Bildung von Einheiten ist vorgezeichnet und der Verlauf der Handlung ist voraussagbar. Wenn solche Gesamtmuster vorliegen und dem Handelnden als Bestandteile des gesellschaftlichen Wissensvorrats zur Verfügung stehen, kann man von kommunikativen Gattungen sprechen (vgl. ebd.: 38). Bakhtin (1987) vergleicht die Art und Weise, wie kommunikative Gattungen unsere Sprache determinieren, mit Grammatikstrukturen: Speech genres organize our speech in almost the same way as grammatical (syntactical) forms do. We learn to cast our speech in generic forms and, when hearing others’ speech, we guess its genres from the very first words; we predict a certain length […] and a certain compositional structure; we foresee the end; that is, from the very beginning we have a sense of the speech whole, which is only later differentiated during the speech process. (Bakhtin 1987: 78 f.) Bakhtins Gattungskonzeption geht über die Grenzen der Linguistik und eine rein formale Betrachtung sprachlicher Textmerkmale hinaus und wendet sich gegen eine statische Gattungsbetrachtung (vgl. Günther/ Knoblauch 1994: 697). Aus dieser Perspektive erscheinen Gattungen als interaktiv erzeugte Handlungsmuster und nicht als komplexe eigenständige Sprachstrukturen (vgl. ebd.). 1.3.1 Strukturebenen kommunikativer Gattungen Für eine empirische Analyse kommunikativer Gattungen ist die Herausstellung ihrer Strukturmerkmale erforderlich. Die wesentlichen Strukturmerkmale kommunikativer Gattungen sind nach Günther und Knoblauch (1994: 702) ihre soziale Verfestigung und die Formalisierung. Der Verfestigungsgrad „ganzheitlicher“ kommunikativer Strukturen lässt sich analytisch auf drei Strukturebe- <?page no="25"?> 26 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation nen - Außenstruktur, Zwischenstruktur und Binnenstruktur - feststellen (vgl. Günthner/ Knoblauch 2007: 56 f.). Auf diese Ebenen soll nachfolgend ausführlicher eingegangen werden. 1.3.1.1 Die Außenstruktur Die Außenstruktur beschreibt den sozialen Kontext, in dem Gattungen Anwendung finden (vgl. Knoblauch 2008: 140). „Die Außenstruktur kommunikativer Gattungen bezieht sich auf den Zusammenhang von Gattungen und sozialen Milieus, ethnischen und kulturellen Gruppierungen, Geschlechterkonstellationen, Institutionen, etc.“ (Günthner 2001: 19) Soziale Zugehörigkeit ist eng mit den sprachlichen Formen der Selbst- und Fremddarstellung verknüpft. Soziale Milieus z. B. Familien, Frauengruppen, Ökogruppen oder Akademiker/ innen zeichnen sich durch typische soziale „Veranstaltungen“ aus, in denen bestimmte kommunikative Gattungen öfter vorkommen und wiederum andere fehlen (vgl. Knoblauch 2008: 140; Günthner 2001: 19 f.). Beispielsweise zeichnet sich die wissenschaftliche Kommunikation an Universitäten durch die Verwendung bestimmter akademischer Gattungen wie Vorlesungen, Seminardiskussionen, studentischen Referaten, Klausuren, Mitschriften, Sprechstundengesprächen aus (vgl. ebd.). Das soziale Milieu beeinflusst in hohem Maße das Repertoire kommunikativer Gattungen einzelner Mitglieder, und dieses wiederum regelt den Zugang zu gesellschaftlichen Milieus (vgl. ebd.). Somit vermittelt die Außenstruktur zwischen den kommunikativen Aktivitäten und der Sozialstruktur einer Gesellschaft (vgl. ebd.). 1.3.1.2 Die Zwischenstruktur Zu dieser Ebene, die auch als „situative Realisierungsebene“ (Knoblauch/ Günthner 1994) oder „interaktive Realisierungsebene (Günthner 2001: 18) bezeichnet wird, gehören jene Elemente, „die den interaktiven Kontext des dialogischen Austauschs zwischen mehreren Interagierenden und die Sequentialität von Äußerungen betreffen“. (ebd.: 19) Es geht um die Abfolge der einzelnen Äußerungen, um die Zuteilung des Rederechts, den Sprecherwechsel, die Themenführung, sowie um die Frage, in welcher Beziehung die Interagierenden zueinander und zu den in ihrem Gespräch genannten Personen stehen (vgl. ebd.). Hierzu gehören auch die Präferenzstrukturen. Beispielsweise ist bei der kommunikativen Gattung Small Talk eine Präferenz für Zustimmung zu erkennen, Nicht-Übereinstimmung wird hier nicht favorisiert (vgl. Pomerantz 1984). Demgegenüber weisen Argumentationen, mit denen verschiedene Facetten eines Themas beleuchtet werden sollen, eine Präferenz für nicht-übereinstimmende Äußerungen auf (vgl. Günthner 2001: 19). <?page no="26"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 27 Auf dieser Ebene wird das elementare System der Gesprächsorganisation beschrieben. Im Fokus steht die Analyse der sequentiellen Ordnung des Gesprächs. Deppermann (2008: 49) definiert „Sequenzialität“ wie folgt: Sequenzialität meint zunächst einmal, daß Gespräche zeitlich strukturiert sind und durch aufeinander folgende Beiträge entstehen. Diese Zeitlichkeit ist aber keine dem Gespräch äußerliche Eigenschaft, sondern sie ist unhintergehbare Bedingung und Ressource für die Gestaltung von Äußerungen, die Herstellung von Kontexten und Bedeutung sowie für die Entstehung von Intersubjektivität. (ebd.) Bei der Analyse der sequenziellen Struktur stehen die formale Struktur des Gesprächsablaufes, der Sprecherwechsel und Paarsequenzen im Fokus (vgl. Birkner 2001: 82). Diesem Zusammenhang kommt im Kontext der vorliegenden Arbeit insbesondere bei der Transkriptanalyse in Abschnitt 2.4.2.7 eine wichtige Bedeutung zu, weshalb nachfolgend detailliert darauf eingegangen wird. Struktur der Eröffnungsphase Zweck der Eröffnungsphase ist es, Erwartungen an die und Vorstellungen von der Gesprächssituation zu koordinieren und eine wechselseitige Bereitschaft zum Gespräch aufzubauen (vgl. Brinker/ Sager 2006: 99). Nach Spiegel und Spranz-Fogasy (2001: 1247) leisten die Interagierenden in der Phase der Gesprächseröffnung verbal, z. B. durch Grußformeln, und nonverbal, z. B. durch Blickkontakt, die wechselseitige Identifizierung und stellen gemeinsam Gesprächsbereitschaft her. Die Eröffnungsphase hat somit eine wichtige Funktion und dient der grundlegenden Gesprächsorganisation. In der Regel sind Gesprächseröffnungen durch spezifische handlungstheoretisch bzw. inhaltlich akzentuierte Schritte und Formen geprägt (vgl. Casper-Hehne 2006: 217). Nach Berens (1976a: 31 ff.) enthält die Gesprächseröffnung folgende Elemente: ▶ Dialogeröffnungssignale 5 : Damit sind Sprachelemente gemeint, die die Interagierenden zu Beginn der Dialoge verwenden (vgl. ebd.). Als Dialogeröffnungssignal werden oft kurze Grußformeln wie „Guten Tag“ oder „Hallo“ verwendet (vgl. ebd.). ▶ Dialogbereitschaftssignale: Darunter werden verbale Äußerungen erfasst, mit denen sich die Interagierenden ihrer gegenseitigen Bereitschaft versichern (vgl. ebd.). Dialogbereitschaftssignale sind situationsabhängig. Höflichkeitsformeln wie das Anbieten einen Sitzplatzes (bitte nehmen Sie Platz) oder die 5 Einige Begrifflichkeiten in der vorliegenden Arbeit entstammen unterschiedlichen Bezugswissenschaften und theoretischen Grundlagen, daher werden die Begriffe ‚Dialog‘ und ‚Gespräch‘ synonym verwendet. <?page no="27"?> 28 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Äußerung „Was kann ich für Sie tun? “ sowie Sprachelemente wie „Okay, ja“ gehören zu den typischen Dialogbereitschaftssignalen. ▶ Die Themeneinführung: Die Einführung in das Thema ist in der Regel vom situativen Rang und von der Intention abhängig (vgl. ebd.: 32). Beispielsweise setzt die Lehrende bei einer Prüfungssituation das erste Thema fest, während bei einer Beratung die Studierende den Fokus der Situation definiert (vgl. ebd.). Struktur der Kernphase Im Vergleich zu der relativ einfach strukturierten Eröffnungsphase ist die Kernphase wesentlich komplexer organisiert. Ihre hohe Situationsabhängigkeit und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten erschweren die Feststellung einer klaren Struktur für unterschiedliche Gespräche. In der Kernphase werden ein Thema bzw. verschiedene Themen initiiert, besprochen und abgeschlossen. Die Grenzen zwischen unterschiedlichen Themen können von den Interagierenden im Gespräch unterschiedlich signalisiert werden. Nach Schwitalla (1976: 79) besteht eine Grundannahme über die dialogische Interaktion darin, dass „Interagierende irgendwelche Ausschnitte aus einer dialogischen Handlungssequenz nur verstehen können, wenn sie die Verknüpfung mit den vorausgehenden und nachfolgenden Dialogteilen verstehen.“ Die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Dialogteilen werden unter anderem mit sogenannten Sprecher- und Hörersignalen markiert. Das Erkennen dieser unterschiedlichen Signale sowie deren richtige Einsetzung ist in der Kommunikation besonders relevant. Bei Hörersignalen handelt es sich „um kurze sprachliche und nichtsprachliche Äußerungen des Hörers, die nicht auf eine Übernahme der Sprecherrolle zielen. Mit ihnen signalisiert der Hörer dem Sprecher in erster Linie Aufmerksamkeit, eventuell noch Zustimmung oder Ablehnung.“ (Brinker/ Sager 2006: 62) Als verbale Hörersignale können vor allem Partikeln und Kurzäußerungen (wie „mhm“, „ja“, „so“, „ach“, „genau“, „ja gut“, „eben“, „naja“ usw.) angeführt werden. Nonverbale Hörersignale sind z. B. Kopfnicken bzw. -schütteln, Blickkontakt, Körperhaltung, Mimik. Sprechersignale zeigen im Allgemeinen die Einstellung des Sprechers in Bezug auf seine eigene Sprecherrolle. Nach Schwitalla (1976: 83 f.) lassen sich Sprechersignale danach unterscheiden, ob der Sprecher sein Rederecht behalten oder abgeben will. Verschiedene verbale, paralinguistische und nonverbale Mittel markieren bzw. signalisieren Anfang oder Ende eines Redebeitrags. Zur Gewinnung von Sprecherrollen unterscheidet Schwitalla (ebd.) zwischen folgenden Mitteln: ▶ Verbale Mittel: Verbale Explizierung („Ich wollte sagen, …“; „Darf ich hier mal einhaken“), Eröffnungssignale („nun, ja, also usw.“), mehrmaliges Beginnen mit denselben Worten (bei simultanem Sprechen), Vollendung des vorange- <?page no="28"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 29 gangenen Beitrags, Weiterführung des vorangegangenen Beitrags, gehäuftes Senden von Hörersignalen (besonders Zustimmungssignale wie „eben“, „gut“, „ja“) ▶ paralinguistische Mittel: gefüllte Pausen, hörbares Atemholen, erhöhte Lautstärke (bei simultanem Sprechen) ▶ Nonverbale Mittel: Positionsänderung, Handbewegung (Fingerzeig), Blickkontakt weg vom aktuellen Sprecher, Kopfnicken, Öffnen des Mundes (vgl. ebd.). Zum Behalten der Sprecherrolle können die Interagierenden nach Schwitalla (ebd.: 84) auf folgende Mittel zurückgreifen: ▶ Verbale Mittel: Um Erlaubnis fragen („Darf ich das noch zu Ende führen? “), Explizite Ankündigung einer längeren Sprechsequenz (z. B. Erzählen einer Geschichte: „Ich habe das mal erlebt“) implizite Ankündigung einer längeren Sequenz („und noch folgendes …, und dann …“), Wiederholung einzelner Äußerungsteile ▶ Paralinguistische Mittel: gefüllte Pausen, Heben der Stimme, erhöhte Lautstärke ▶ Nonverbale Mittel: kein Blickkontakt, keine Veränderung des Kopfes, der Hände (vgl. ebd.). Zu den Beendigungssignalen, die dem Hörer ein bevorstehendes Ende des Redebeitrags anzeigen, zählen folgende Mittel (ebd.): ▶ Verbale Mittel: Schlusssignale, „Nachträge“ („und so“, „oder sowas“), Beendigung einer linguistischen Einheit, eines Themas oder Subthemas, eines initiierenden Aktes ▶ Paralinguistische Mittel: stille Pausen (auch an syntaktisch nicht beendeten Stellen, unmittelbares Abbrechen, z. B. weil der Sprecher erkennt, dass das, was er sagen will, schon bekannt ist), Senken der Stimmhöhe, Verzögerung des Sprechertempos, (gedehntes Sprechen), verminderte Lautstärke, Heben der Stimme (Frage) ▶ Nonverbale Mittel: Beenden des Blickkontakts, Bewegung vom Hörer weg. Zu den Redeübergabesignalen können nach Schwitalla (1976: 84) folgende Mittel von Interagierenden verwendet werden: ▶ Verbale Mittel: explizite Aufforderung, Beendigung eines initiierenden Aktes, Anrede, Stereotypen, Schlusssignale, Sprechersignale, Wiederholungen in fragender Intonation ▶ Paralinguistische Mittel: gedehntes Sprechen ▶ Nonverbale Mittel: Aufnahme des Blickkontakts, Handbewegungen <?page no="29"?> 30 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Die angeführten Sprecher- und Hörersignale spielen in Gesprächen eine bedeutende Rolle. Die Analyse in Abschnitt 2.4.2.7 greift die Thematik auf. Struktur der Beendigungsphase Die Beendigungsphase unterliegt einer gewissen Ritualisierung, ist aber wesentlich komplexer als die kurze Eröffnungsphase (vgl. Löning 1985: 67). Nach Brinker und Sager (2006: 104) wird die Beendigungsphase eines Gesprächs eingeleitet, „wenn zwischen den Interaktanten darüber Einverständnis erzielt worden ist, daß das ‚eigentliche‘ Gespräch, d. h. die Behandlung der Gesprächsthemen, abgeschlossen ist.“ Die Beendigungsphase muss zwischen den Interagierenden ausgehandelt werden, wobei der Prozess des Aushandelns zu Schwierigkeit führen kann (vgl. ebd.). Jäger (1976b: 106 f.) bemerkt in diesem Zusammenhang: Alltägliche Erfahrungen lehren uns […] auch Mißgeschicke und nicht geglückte Beendigungen interpersonaler Begegnungen, wenn es einfach nicht gelingen will, einen nicht gerade erwünschten Besucher zum Abschied zu bewegen oder einen ‚ewigen Schwätzer‘ abzuschütteln; aber auch, wenn eine angefangene Beendigung nicht zu einem Abschluß kommen will und unsere vielfältigen Bemühungen zur Beendigung erneut ins Spiel gebracht werden müssen. (ebd.) Dabei gibt es unterschiedliche Mittel, um eine Gesprächsbeendigung anzuzeigen. Nach Brinker und Sager (2006: 104) enthält z. B. die Gesprächsbeendigung von Telefongesprächen vier Sequenzen: die Resümeesequenz, die Danksequenz, die Wunschsequenz und die Verabschiedungssequenz. Jäger (1976b: 123 ff.) führt eine etwas differenziertere Beschreibung der Beendigungsaktivitäten auf und zählt dazu folgende Beendigungszüge: ▶ Schlusseinleitungssignale: „[E]s sind Signale, die ein vorhergehendes Thema beendigen, das Angebot einer Beendigung formulieren und von dem Interaktionspartner ausgesandt werden, der die aktuelle Sprecherrolle innehat.“ (ebd.: 122) Um Schlusseinleitungen zu signalisieren, können Interjektionen, Affirmations- und Modalpartikel sowie Konjunktionen verwendet werden, Beispiele hierfür sind „gut“, „okay“, „also“. ▶ Schlusszustimmungssignale: Um zu einer tatsächlichen Beendigung zu gelangen, muss dem Angebot der Beendigung von dem anderen Beteiligten zugestimmt werden (vgl. ebd.: 123). Schlusseinleitungssignale und Schlusszustimmungssignale gelten als Teile eines Paares sprachlicher Äußerungen und sind eng miteinander verbunden (vgl. ebd.). Folgt auf ein Schlusseinleitungssignal kein Schlusszustimmungssignal, deutet das auf Ablehnung des Beendigungsangebots hin. In diesem Fall muss bei geeigneter Gelegenheit der Vorschlag zur Beendigung erneut gemacht werden (vgl. ebd.). Adäquate Signale für die Zustimmung mit dem Vorschlag der Beendigung sind die Wortarten wie bei <?page no="30"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 31 den Schlusseinleitungssignalen d. h. Interjektionen, Affirmations- und Modalpartikeln sowie Konjunktionen (vgl. ebd.). ▶ Terminalsignale: Die paarigen Äußerungen, die in der Kommunikation an letzter Stelle nach einem Schlusszustimmungssignal auftreten, werden als Terminalsignale bezeichnet. Hier handelt es sich um eine relativ kleine geschlossene Liste von Abschiedsgrüßen wie „Auf Wiedersehen“ „Tschüs“, die in hohem Grad normiert sind (vgl. ebd.: 125). ▶ Interne Legitimierung: Alle Äußerungen, die den Versuch der Beendigung eines Gesprächs rechtfertigen, werden als interne Legitimierung erfasst. Interaktanten referieren dabei auf ihrer subjektiven Einschätzung der Situation, die eine Beendigung der Interaktion ermöglicht, z. B.: „Gut, das war’s? “ (vgl. ebd.: 127). ▶ Resümee: Als Resümee werden alle Äußerungen, die zur Beendigung explizit thematische und interpersonelle Aspekte des Gesprächs als Fazit zusammenfassen, bezeichnet (vgl. ebd.). ▶ Externe Legitimierung: Hierunter werden wie bei der internen Legitimierung Äußerungen gefasst, die zur Rechtfertigung der Beendigung verwendet werden. Jedoch referieren die Interagierenden hier auf die äußeren Bedingungen (vgl. ebd.: 128). Als Grund der Beendigung wird also auf Personen oder Dinge verwiesen, die von außen die Situation beeinflussen (vgl. ebd.). Casper-Hehne (2006: 221) verwendet für die Bezeichnung dieser Elemente die Formulierung „Rückzug“ und unterscheidet zwischen „Rückzugsankündigung“ wie „Ich muss jetzt los“ und „Rückzugsbegründung“ wie „Ich muss noch arbeiten.“ Sie weist darauf hin, dass durch Rückzugsbegründung die implizite Gesichtsbedrohung abgeschwächt werden kann (vgl. ebd.). ▶ Wertschätzung/ Dank: Unter dieser Kategorie fallen alle Äußerungen, die Freude und Dankbarkeit über die Teilnahme am Gespräch ausdrücken (vgl. Jäger 1976b: 128), z. B. „Das hat mich weiter gebracht“ oder „Sie haben mir sehr geholfen.“ ▶ Vereinbarungen: Hierunter finden sich Äußerungen, die den Wunsch auf künftige Gespräche ausdrücken, oft wird dabei ein genauer Zeitpunkt festgelegt, z. B. durch Formulierungen wie: „Dann bis nächste Woche.“ (vgl. ebd.). ▶ Ratschläge: Mit Ratschlägen werden Ermutigungen, Ermunterungen, Hinweise, Tipps bezeichnet, die für die Zukunft erteilt werden, z. B. „Heben Sie die Unterlagen gut auf.“ (vgl. ebd.). ▶ Wünsche: Wünsche drücken Hoffnung für das künftige Wohlergehen des Kommunikationspartners aus, z. B.: „Viel Erfolg beim Schreiben.“ (vgl. ebd.: 129). <?page no="31"?> 32 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Diese organisatorischen und inhaltlichen Merkmale von Eröffnungs-, Kern- und Beendigungsphasen stellen die Basis für die Analyse der Transkriptionen von authentischen Sprechstundengesprächen dar (vgl. Abschnitt 2.4.2.7). Das System des Sprecherwechsels und Paarsequenzen Bestimmte Ablaufsequenzen sowie gewisse Sprecherwechselregularitäten sind in Institutionen normativ geregelt. Für die analytische Herangehensweise haben sie eine Schlüsselfunktion: The selection of words (lexical choice) contributes to turn design and the building of actions within turns. Turn design contributes to sequence organization which, in turn, contributes to the phases of interaction which make up its overall structural organization. All of these activities are pervaded by the turn-taking system that is in play within a given type of interaction. These layers, or orders, of organization can also be viewed as ‘keys’ that can be used to unlock institutional data. (Heritage/ Clayman 2010: 50) Deppermann (2008: 68) spricht in diesem Zusammenhang von ‚Folgeerwartungen‘: Eine Art von Äußerung läßt erwarten, daß Äußerungen eines bestimmten anderen Typs folgen. Ist eine fokale Äußerung (z. B. eine Frage) dazu bestimmt, eine spezifische Reaktion (z. B. eine Antwort) hervorzurufen, wird diese Eigenschaft als 'konditionelle Relevanz' bezeichnet: Die erste Äußerung schafft Bedingungen, durch die ein bestimmter Typ von Folgehandlungen relevant wird. Als klassische Beispiele nennt Deppermann die sogenannten „Nachbarschaftspaare“ ( adjacency pairs ) Gruß-Gegengruß, Frage-Antwort, Entschuldigung und Akzeptieren der Entschuldigung (vgl. ebd.). Diese Paare bestehen aus zwei zusammengehörenden Teilen, die von verschiedenen Sprechern aufeinanderfolgend produziert werden. Ist der erste Teil eines solchen Paares geäußert, ist der zweite Teil erwartbar bzw. gar einzufordern (vgl. ebd.). Deppermann (ebd.) konstatiert: Folgeerwartungen legen in der Regel nicht die konkrete Form der Anschlußbeiträge fest, sondern nur gewisse Eigenschaften, die adäquate Anschlüsse zu erfüllen haben. In strukturalistischen Termini: Sie eröffnen qualifizierte Leerstellen (‚ slots ‘), die durch einen Beitrag gefüllt werden können (‚ filler ‘), der den Anforderungen genügt, die durch den vorangegangenen Beitrag festgelegt wurden. Nach Deppermann (2008: 68) kann das Verhältnis zwischen Folgeerwartungen, die durch einen ersten Beitrag A und den konkreten Anschlussbeitrag B gekennzeichnet sind, drei Formen annehmen: <?page no="32"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 33 1. Die präferierte Folge: B löst die durch A geschaffene Erwartung ein. 2. Die dispräferierte Folge: B löst die Erwartung nicht ein, zeigt aber, dass sie die Erwartung kennt. 3. Die ignorierende Folge: B löst die Erwartung nicht ein, ohne zu erkennen zu geben, dass sie die Erwartung kennt oder sich an ihr orientiert. Der Erwartungszusammenhang zwischen aufeinanderfolgenden Beiträgen beruht auf normativen Regeln (vgl. ebd.). Das Ausbleiben konditionell relevanter Folgeäußerungen kann bei Paarsequenzen zu kommunikativen Störungen führen und Irritationen zur Folge haben. Eine bedeutende Stellung in der Analyse der Binnenstruktur nimmt der sogenannte Sprecherwechsel ( turn-taking ) ein. Nach Brinker und Sager (2006: 65) können Sprecherwechsel durch Aufforderung (Fremdzuweisung) oder Selbstwahl (Selbstzuweisung) zustande kommen. 1.3.1.3 Die Binnenstruktur Zur Binnenstruktur gehören die verbalen und non-verbalen Bestandteile des kommunikativen Geschehens. (vgl. Günthner 2001: 18). Dazu zählen vor allem Äußerungsmerkmale wie Prosodie (Betonung, Rhythmus, Intonation, Sprechgeschwindigkeit, Sprechpausen), Stimmqualität, Sprachvarietät (Umgangssprache, Standardsprache, Fachsprache, Dialekt, Soziolekt), Sprachregister (formales oder informelles Register), Interaktionsmodalität (wie z. B. humorvoll, ernst, hypothetisch, spielerisch), stilistische und rhetorische Figuren (Ellipsen, Metaphern etc.) sowie Klein- und Kleinstformen wie z. B. bestimmte grammatische Konstruktionen, verbale Stereotypen, idiomatische Redewendungen, Sprichwörter, kategorische Formulierungen und historisch tradierte Formeln (vgl. Günthner/ Knoblauch 2007: 56). Ziel der Analyse der Binnenstruktur ist es, den Verfestigungsgrad kommunikativer Strukturen zu ermitteln. Diese drei dargestellten Ebenen - Außenstruktur, Zwischenstruktur und Binnenstruktur - bilden das Gesamtmuster einer kommunikativen Gattung. Interagierende können sich an den Gattungsvorgaben orientieren und somit die prototypische Form der Gattung aktualisieren (vgl. ebd.). Festzuhalten bleibt, dass kommunikative Gattungen sozial verfestigt sind. Diese Verfestigung basiert auf der wechselseitigen Erwartung an die zu ergreifenden Handlungsschritte (vgl. Günthner/ Knoblauch 1994: 702). Wenn ein Handlungsablauf verfestigt ist, d. h. wenn sich eine bestimmte Routine herausgebildet hat, können bzw. müssen die Handelnden nicht mehr (in jeder Hinsicht) spontan formulieren, sondern lehnen sich an überkommene, mehr oder weniger verbindliche Gattungsverfahren an. Sobald die Gattung im Gesprächsverlauf erst einmal identifiziert ist, sind bestimmte Strukturen gültig und verpflichtend. Routine <?page no="33"?> 34 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation entindividualisiert das sprachliche Handeln, sie entlastet den Sprecher aber auch: er muß seine ‚Energie‘ nicht mehr in die sprachliche Formulierungsarbeit stecken, und er ist nicht für alle Aspekte seines Handelns selbst voll verantwortlich. (Auer 1999: 178) Bei der sprachlichen Realisierung von kommunikativen Gattungen werden begrenzte Repertoires von Ausdrücken und Mustern herangezogen, um bestimmte kommunikative Aufgaben auf bewährte und angemessene Weise zu bewältigen (vgl. Stein 2004: 262). Nachfolgend wird näher darauf eingegangen. 1.3.2 Gattungsspezifische Formulierungen Seit den 70er Jahren mehren sich die Belege dafür, dass sich mündliche Kommunikation, die unter erheblichem Zeit- und Handlungsdruck abläuft, in großen Teilen auf sprachliche Routinen bzw. rekurrente, verfestigte Muster stützt (vgl. z. B. Bolinger 1976, Coulmas 1981, Pawley/ Syder 1983, Wray/ Perkins 2000, Handwerker 2002, Aguado 2002 a, Günthner 2006; Deppermann 2008). So sehen Pawley und Syder (1983) in verfestigten Mustern eine unabdingbare Voraussetzung für die flüssige und mühelose Produktion von muttersprachlichen Sprechern. […] fluent and idiomatic control of a language rests to a considerable extent on knowledge of a body of ‘sentence stems’ which are ‘institutionalized’ or ‘lexicalized’. A lexicalized sentence stem is a unit of clause length or longer whose grammatical form and lexical content is wholly or largely fixed; its fixed elements form a standard label for a culturally recognized concept, a term in the language. (Pawley/ Syder 1983: 191 f.) Ihnen zufolge lässt sich die beträchtliche Geschwindigkeit in der mündlichen Produktion erwachsener L1-Sprecher lediglich mit dem Einsatz solcher verfestigter Konstruktionen erklären. Dabei wirkt es nicht allein auf die Geschwindigkeit positiv, wenn feste Wendungen, Kollokationen und Sprachformeln aller Art am Stück abgespeichert werden. Auch die Qualität der Sprache nimmt zu. Muttersprachler gewinnen an Ausdrucksvermögen, und bei Fremdsprachenlernenden wird die Sprache vor allem ‚natürlicher‘ (vgl. ebd.). Pawley und Syder (ebd.: 191) führen in diesem Zusammenhang den Ausdruck nativelike fluency ein und definieren ihn als „the native speaker‘s ability to produce fluent stretches of spontaneous connected discourse“. Sie konstatieren: […] native speakers do not exercise the creative potential of syntactic rules to anything like their full extent, and that, indeed, if they did so they would not be accepted as exhibiting nativelike control of the language. The fact is that only a small proportion of the total set of grammatical sentences are nativelike in form - in the sense of being readily acceptable to native informants as ordinary, natural forms of expression, in <?page no="34"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 35 contrast to expressions that are grammatical but are judged to be ‘unidiomatic’, ‘odd’ or ‘foreignismus’. (Pawley/ Syder 1983: 193) Ein kompetenter - d. h. korrekter, idiomatischer und flüssiger - Sprachgebrauch zeichnet sich also durch die Fähigkeit aus, mittels typischer und gebräuchlicher Formulierungen situativ angemessen und erwartungsgemäß zu handeln (vgl. Aguado 2014: 5). Nicht nur die normale Alltagssprache, sondern auch die allgemeine Wissenschaftssprache ist daher gekennzeichnet von bevorzugten, konventionalisierten und somit erwartbaren Formulierungen und Mustern unterschiedlichen Umfangs (Aguado 2016: 30). Zur Bezeichnung solcher verfestigter Ausdrücke gibt es in der Fachliteratur eine Reihe konkurrierender oder alternativer Begriffe. Zu den am häufigsten verwendeten Bezeichnungen in der einschlägigen Literatur gehören Chunks (Miller 1956), formulaic speech (Wong Fillmore 1976), Routineformeln (Coulmas 1981), routines (Krashen 1981), sentence stems (Pawley/ Syder 1983), lexicalized phrases (Nattinger/ DeCarrico 1992), prefabs (Erman/ Warren 2000), formulaic sequence (Wray 2002) und dichte Konstruktionen (Günthner 2006). Ebenso lassen sich in der Literatur zahlreiche unterschiedliche Definitionen finden, die bis heute zu keiner einheitlichen Definition für solche Ausdrücke und Muster vereinigt werden konnten, was vor allem auf ihre komplexe Natur zurückzuführen ist. Schmitt und Carter (2004: 2) schreiben dazu: “In fact, formulaic sequences seem to exist in so many forms that it is presently difficult to develop a comprehensive definition of the phenomenon. This lack of a clear definition remains one of the foremost problems in the area.” Auch sie sehen einen Grund, warum formulaic sequences nur schwer zu definieren sind, in ihrer Vielfältigkeit: For example, formulaic sequences can be long (You can lead a horse to water, but you can't make him drink) or short (Oh no! ), or anything in between. They are commonly used for different purposes. They can be used to express a message or idea (The early bird gets the worm = do not procrastinate), functions ([I'm] just looking [thanks] = declining an offer of assistance from a shopkeeper), social solidarity (I know what you mean = agreeing with an interlocutor), and to transact specific information in a precise and understandable way (Wind 28 at 7 = in aviation language this formula is used to state that the wind is 7 knots per hour from 280 degrees). (Schmitt/ Carter 2004: 2) Darüber hinaus erschweren die sehr unterschiedlichen kommunikativen Funktionen sowie der variierende Grad der Fixiertheit eine zufriedenstellende einheitliche Erfassung und Beschreibung: […] formulaic sequences can be used for most things society requires of communication through language. These sequences can be totally fixed (Ladies and Gentlemen) <?page no="35"?> 36 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation or have a number of ‘slots’ which can be filled with appropriate words or strings of words […]. With this diversity in mind, it is little wonder that different researchers have looked at formulaic sequences and seen different things, resulting in a variety of terminology to express various perspectives. (ebd.: 3) Erman und Warren (2000: 31) verwenden den Begriff prefab , den sie definieren als eine “[…] combination of at least two words favored by native speakers in preference to an alternative combination which could have been equivalent had there been no conventionalization”. Für Wray (2002: 9) ist eine formulaic sequence “a sequence, continuous or discontinuous, of words or other elements, which is, or appears to be, prefabricated; that is, stored and retrieved whole from memory at the time of use, rather than being subject to generation or analysis by the language grammar”. Nattinger und Decarrico (1992: 1) sprechen von lexical phrases und definieren sie als: “multi-word phenomena that exist somewhere between the traditional poles of lexicon and syntax, conventionalized form/ function composites that occur more frequently and have more idiomatically determined meanings than language that is put together each time.” Günthner (2006: 98) verwendet in diesem Zusammenhang den Terminus ‚dichte Konstruktionen‘ und schlägt vor, sie als „syntaktisch produktive Muster mit bestimmten formalen und funktionalen Charakteristika“ zu behandeln. „Sie bilden rekurrente, konventionalisierte - ja grammatikalisierte - Konstruktionen, die auf bestimmte Interaktionsanforderungen zugeschnitten sind und von Interagierenden zur Ausführung spezifischer kommunikativer Aufgaben eingesetzt werden.“ (ebd.) Als gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen Definitionen lässt sich festhalten, dass es sich hier um konventionalisierte sprachliche Einheiten handelt, die mehr oder weniger fix in einer sozial interaktiven Übereinkunft kommunikative Verwendung finden und dabei als Ganzes abgerufen werden. In den letzten Jahren hat sich ein breites interdisziplinäres Forschungsfeld entwickelt, das sich der Untersuchung solcher verfestigten Formulierungen widmet. Sie werden aus der Sicht verschiedener Disziplinen wie der Psycholinguistik, Soziolinguistik und Psychologie mit unterschiedlicher Motivation und unterschiedlichen Zielsetzungen erforscht, was wiederum die Vielfältigkeit der Terminologie und Definitionsvielfalt in diesem Bereich erklärt. Aus dieser Vielfalt wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Imo (2007) der Terminus „gattungsspezifische Formulierungen“ verwendet. Darunter werden Formulierungen verstanden, die für die jeweilige kommunikative Gattung pragmatisch und typisch sind bzw. unter anderen möglichen Ausdrucksvarianten präferiert oder sogar erwartet werden. <?page no="36"?> 1.3 Konzept der Kommunikativen Gattungen 37 Gattungsspezifische Formulierungen sind pragmatisch-funktional und werden im Hinblick auf „ihre situations(typ)spezifische Verankerung bzw. Bindung und ihre Rolle für die Bewältigung kommunikativer Aufgaben“ beschrieben. (Stein 2004: 268) Die Vorgeprägtheit ist das grundlegende Merkmal von gattungsspezifischen Formulierungen. Sowohl satzgliedwertige, satzwertige als auch textwertige Einheiten können als gattungsspezifische Formulierungen bezeichnet werden (vgl. ebd.). Festzuhalten bleibt also, dass kompetente Sprecher beim Bewältigen kommunikativer Aufgaben und Handlungen, wie bei der Eröffnung und Beendigung von Gesprächen, Themenbearbeitungen und Themenwechseln, bei der Durchführung von Korrekturen bzw. Reparaturen, der Kommentierung von Äußerungen usw. auf gattungsspezifische Formulierungen zurückgreifen (vgl. Stein 2004: 262). Keller (2004: 11) vergleicht verfestigte Formulierungen mit einem Trampelpfad: Die Menschen haben bei all ihren kommunikativen Unternehmungen in erster Linie den Erfolg ihrer Bemühungen im Auge: Sie wollen verstanden werden, freundlich und nett wirken, überzeugen, Aufmerksamkeit erwecken, Gruppenzugehörigkeit oder auch Distanz signalisieren, Energie sparen und vieles andere mehr. Dazu wählen sie aus den sprachlichen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, diejenigen aus, von denen sie sich den besten Erfolg ihrer kommunikativen Unternehmung versprechen. Kommt es dabei zu gleichförmigen Wahlen, so entstehen als Kumulationseffekte Spuren wie die Trampelpfade auf dem Rasen. Mit diesem Bild der Trampelpfade wird auf anschauliche Weise die Rolle von verfestigten Konstruktionen beschrieben: eine praktische und ökonomische Lösung für wiederkehrende kommunikative Aufgaben. Das folgende Beispiel soll illustrieren, was unter gattungsspezifischen Formulierungen zu verstehen ist. Während z. B. die Formulierung „Ich habe zwei Anliegen und zwar geht es einmal um … und einmal um …“ als typisch für die Eröffnungsphase einer universitären Sprechstunde gilt, findet sie sich im Alltag eher selten und ist stark situationsbezogen. So wäre in einer Bäckerei die Wendung: „Ich habe zwei Anliegen und zwar geht es einmal um zwei Brötchen und einmal um ein Croissant“ verfehlt. Desgleichen wird ein Sprechstundengespräch nicht mit einer Frage wie „Das waren Ihre Wünsche? “ oder „Außerdem? “ beendet werden. 1.3.3 Zusammenfassung Hinsichtlich des Interesses der vorliegenden Arbeit sind folgende Aspekte des Konzepts der kommunikativen Gattung von besonderer Relevanz: ▶ Kommunikative Gattungen sind das Resultat gesellschaftlicher Normierungsvorgänge. Sie liefern Orientierung und Entlastung in dem Sinn, dass sie den <?page no="37"?> 38 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Handelnden als typisierte Problemlösung im gesellschaftlichen Wissensvorrat zur Verfügung stehen (vgl. Günthner/ Knoblauch 1994: 693; Luckmann 1988: 282). Die Entlastungen betreffen dabei sowohl die Produktion als auch die Rezeption kommunikativer Handlungen. Günthner und Knoblauch (1994: 715) schreiben diesbezüglich: „Die kommunikativen Probleme, die von einer gewissen Relevanz für die Handelnden sind, finden ihren Niederschlag in festgelegten Formen, die bis zu den gattungsartigen Verfestigungen reichen.“ Der Grad dieser Verfestigung unterscheidet sich von Gattung zu Gattung. Manche Gattungen weisen einen rigiden Verpflichtungscharakter auf wie beispielsweise Sprichwörter (vgl. Günthner/ Knoblauch 1994: 702 f.). Andere Gattungen sind hingegen weniger stark verpflichtend und kommen ‚spontanen Formen‘ sehr nahe. So laufen etwa informelle Argumentationen in Familiengesprächen in der Regel recht frei ab, während sie in institutionellen Kontexten eine strikte Verfestigung aufweisen (vgl. ebd.). ▶ Diese Verfestigung bezieht sich sowohl auf die Erwartbarkeit einzelner Handlungen als auch auf die Erwartbarkeit bestimmter Formulierungen. Imo (2007: 340) spricht in diesem Zusammenhang von „Gattungspräferenz“ bzw. „Gattungsabhängigkeit“ von Konstruktionen. ▶ Das Wissen über kommunikative Gattungen ist kulturspezifisch und erfahrungsbasiert, und es wird im Zuge der Sozialisation und des individuellen Spracherwerbs tradiert (vgl. Bauer 2008: 98). Vor allem die kulturspezifischen Merkmale kommunikativer Gattungen sowie die Gattungspräferenzen bestimmter Formulierungen stehen im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den konkreten Realisierungsformen von kommunikativen Gattungen in der Institution Hochschule. Nachfolgend wird zunächst näher auf die Besonderheiten der institutionellen Kommunikation eingegangen. 1.4 Institutionelle Kommunikation Aus den obigen Anführungen ist deutlich geworden, dass soziale Handlungen stark routinisiert sind. Berger und Luckmann (1982: 57) erläutern, dass jeder Institutionalisierung Habitualisierungsprozesse vorausgehen und erklären die Ursprünge der Institutionalisierung wie folgt: Alles menschliche Tun ist dem Gesetz der Gewöhnung unterworfen. Jede Handlung, die man häufig wiederholt, verfestigt sich zu einem Modell, welches unter Einsparung von Kraft reduziert werden kann und dabei vom Handelnden als Modell aufgefasst wird. Habitualisierung in dem Sinne bedeutet, dass die betreffende Handlung auch 1.4 Institutionelle Kommunikation <?page no="38"?> 1.4 Institutionelle Kommunikation 39 in Zukunft ebenso und mit eben der Einsparung von Kraft ausgeführt werden kann. (Berger/ Luckmann 1982: 56) Die Autoren heben hervor, dass ‚Gewöhnung‘ zu einer begrenzten Auswahl führt und somit die Handelnden von der „Bürde der Entscheidungen“ befreit (ebd.: 57), was zu einer psychologischen Entlastung führt. Sie bemerken: „Eingefahrene Bedeutungen, die der Mensch seiner Tätigkeit verliehen hat, erübrigen es, daß jede Situation Schritt für Schritt neu bestimmt werden muß.“ (ebd.) Von Institutionalisierung kann die Rede sein, „sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von Handelnden reziprok typisiert werde. Jede Typisierung, die auf diese Weise vorgenommen wird, ist eine Institution.“ (Berger/ Luckmann 1982: 58) Berger und Luckmann (ebd.) fassen den Institutionsbegriff sehr weit, was für eine umfassende Analyse fundamentaler gesellschaftlicher Prozesse sehr nützlich sein kann (vgl. ebd. 58). Ohne diese behauptete Nützlichkeit zu hinterfragen, soll im Folgenden eine nähere Begriffsbestimmung vorgenommen werden. 1.4.1 Zugrunde liegender Institutionsbegriff Der Begriff ‚Institution‘ wird sehr heterogen verwendet, weshalb häufig ein Mangel begrifflicher Schärfe thematisiert wird. So beklagen Kiwit und Voigt (1995: 117), dass der Begriff der Institution „[…] als Sammelbecken für die unterschiedlichsten Phänomene dient. Sitten, Konventionen, Gesetze, Verträge, Schiedsgerichte, Supermärkte und der Preismechanismus: es scheint kaum ein Phänomen zu geben, das nicht unter den Begriff der Institution gefaßt wird.“ Ehlich und Rehbein (1994: 297) unterscheiden bei der Auffassung des Begriffs ‚Institution‘ drei gegensätzliche Hauptpositionen: a. eine sieht Institutionen als gesellschaftswissenschaftliche Grundkategorie an; b. die andere dagegen fundiert die Gesellschaftstheorie im individuellen Handeln, so daß Institutionen lediglich als Aggregate von individuell zu verstehenden Handlungen gelten. c. Daneben gibt es eine Auffassung, die Institutionen als spezifische Vermittlungsformen der gesellschaftlichen Gesamtbewegung fasst. Die erste Auffassung ist von einem „anti-individualistisch, konservativ-reaktionären Interesse“ geprägt (Ehlich/ Rehbein 1994: 299). Unter Verwendung anthropologischer Argumente, die die Notwendigkeit der Institution aus der „biologischen Sondersituation der nicht instinktgesicherten Gattung Mensch“ (ebd.: 300) zu erklären versucht, bedarf das soziale Leben institutioneller Ordnungsmittel, da es instinktmäßig nicht reguliert werden kann (vgl. Kiesendahl 2011a: 21). Gehlen (1978: 33) bezeichnet den Menschen als ‚Mängelwesen‘. Im Gegensatz zu allen anderen höheren Säugern sei er hauptsächlich durch Mängel bestimmt, <?page no="39"?> 40 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation die im biologischen Sinne jeweils als Unangepasstheiten, Unspezialisiertheiten und Primitivismen zu bezeichnen seien (vgl. ebd.). Aus dieser menschlichen Beschaffenheit resultiert für Gehlen eine ‚Institutionenbedürftigkeit‘ (vgl. ebd.: 61). Demnach entlasten Institutionen die Menschen und ermöglichen es ihnen, effektiv zu handeln (vgl. Ehlich/ Rehbein 1994: 300). Die zweite Position geht „[…] bei der Analyse des Sozialen vom Individuum aus und konstruiert von ihm her die verschiedenen gesellschaftlichen Objekte und Verhältnisse.“ (Ehlich/ Rehbein 1994: 302) Aus dieser Grundströmung resultiert die Terminologie der Rollentheorie und die Einbeziehung von Erlaubnissen, Verboten, Belohnungen, Strafen, Sanktionen sowie Erwartungen und erwartbarem Verhalten (vgl. ebd.: 304). Bei der dritten Auffassung werden Institutionen „[…] als konkrete gesellschaftliche Vermittlungsglieder der gesellschaftlichen Gesamtwirklichkeit“ (ebd.: 306) charakterisiert. Den Institutionen kommt hier die Aufgabe zu, das ökonomische, politische und ideologische Handeln in das konkrete gesellschaftliche Handeln des Einzelnen als Mitglied seiner gesellschaftlichen Schicht zu vermitteln (vgl. Kiesendahl 2011a: 22). Bei allen drei ausgeführten Auffassungen werden entweder die Institution oder das Individuum als gesellschaftliche Grundgröße ins Zentrum der Betrachtung gerückt und es wird zwischen einem institutionellen und einem individuellen Handeln unterschieden (vgl. ebd.). Nach diesem kurzen Überblick über Grundströmungen des Institutionsbegriffs liefern Ehlich und Rehbein (1994: 318) folgende Definition: „Institutionen sind gesellschaftliche Apparate, mit denen komplexe Gruppen von Handlungen in einer zweckeffektiven Weise für die Reproduktion einer Gesellschaft prozessiert werden, und bilden spezifische Ensembles von Formen.“ Unter gesellschaftlichen Apparaten verstehen die Autoren „spezifische, gesellschaftlich ausgearbeitete Systeme von Verhältnissen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Fraktionen.“ (Ehlich/ Rehbein 1977: 37) Als zentrale Kriterien von Institutionen werden der Handlungscharakter und die Zweckbestimmtheit genannt. Diese Faktoren werden auch von anderen Autoren als Definitionskriterium für den Begriff ‚Institution‘ angeführt. So hat etwa nach Wunderlich (1976: 312) eine Institution […] einen bestimmten Zweck im Gesamtzusammenhang der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion; sie ist ein Komplex von wechselseitig aufeinander bezogenen Aktivitäten von Personen; dabei können die Personen im Rahmen der Institution verschiedene Stellungen, Befugnisse usw. innehaben; die Aktivitäten können prozedural geregelt sein und sind deshalb relativ unabhängig von den persönlichen Eigenschaften der in der Institution Agierenden; die Institution als Ganzes kann ein Gebilde des kodifizierten Rechts sein. <?page no="40"?> 1.4 Institutionelle Kommunikation 41 Institutionen neigen zur Herausbildung „charakteristischer Handlungssysteme“ (ebd.: 87). Sie beinhalten Regeln, die den Handlungsspielraum der Aktanten strukturieren und beschränken. Sie geben vor, wie in bestimmten Situationen verfahren wird und welche Prozeduren einzuhalten sind. Nach dieser Begriffsbestimmung sollen im Folgenden die Eigenschaften von Institutionen beleuchtet werden. 1.4.2 Allgemeine Merkmale von Institutionen Ein zentrales Merkmal von Institutionen fassen Ehlich und Rehbein (1994: 319) als „institutionsspezifische Verdinglichung“ auf, worunter die Gegenstände der Institution, d. h. konkrete Gebäude und Geräte, zu verstehen sind. Institutionen stellen einen ‚Handlungsraum‘ innerhalb der Gesellschaft dar, der wiederum mehrere ‚Handlungsräume‘ umfasst (vgl. ebd.). Beispielsweise handelt es sich bei der Institution Hochschule um einen Handlungsraum mit sehr heterogenen Handlungsräumen, wie den Mitarbeiterbüros, der Bibliothek, den Hörsälen, Seminar- oder Aufenthaltsräumen (vgl. Kiesendahl 2011a: 24). Des Weiteren sind Institutionen durch ein spezifisches Personal charakterisiert, welches die Handlungen im Sinne der Institution ausführt. In den meisten Institutionen sind zwei Teilnehmergruppen beteiligt: Die Agenten einer Institution, die die Zwecke der Institution in einer professionalisierten Form ausführen. Sie sind Vertreter bzw. Mitarbeiter der Institution. Außerdem deren Klienten, die meist als Laien in den Handlungsbereich der Agenten eintreten (vgl. ebd.). Bei der Institution Hochschule sind u. a. die Lehrenden die Agenten und die Studierenden die Klienten. Damit die Institutionen funktionieren, müssen die Agenten und die Klienten über spezifisches Wissen verfügen, das vor allem die Abläufe innerhalb der Institutionen optimieren soll (vgl. Ehlich/ Rehbein 1977: 38 f.). Hierfür bedarf es einer Reihe von Kenntnissen über Rahmenbedingungen, die durchaus gesetzlich fixiert sein bzw. eine rechtliche Grundlage haben können (vgl. Koerfer 2013: 227). Ehlich und Rehbein (1977: 39 ff.) unterscheiden zwischen zwei Wissensstufen: ein Institutionswissen erster Stufe, über das bei einem gewissen Mindestaufenthalt in Institutionen alle Aktanten verfügen können, und einem Institutionswissen zweiter Stufe, ein ‚gesellschaftliches Sonderwissen‘, worüber nur die Institutionsvertreter verfügen (vgl. auch Koerfer 2013: 118). Das Institutionswissen erster Stufe kann zum Alltagswissen gerechnet werden, ohne es mit diesem gleichzusetzen (vgl. ebd.: 119). Das Institutionswissen zweiter Stufe ist wesentlicher komplexer. Ehlich und Rehbein (1977: 36 ff.) haben mit ihrer Analyse audiovisueller Aufnahmen von Unterrichtsstunden und schriftlichen Befragungen die folgenden Strukturtypen von Aktantenwissen am Beispiel der Institution Schule herausgearbeitet: <?page no="41"?> 42 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Strukturtyp (0) Partikulares Erlebniswissen Das partikulare Erlebniswissen ist ein erheblicher Teil des individuellen Wissens. „Ein einzelner Wissender entwickelt über ein einzelnes Exemplar eines Objekts des Wissens ein einzelnes Wissenselement, z. B. indem er eine Beobachtung über einen Sachverhalt macht, d. h. ein entsprechendes individuelles, partikulares Erlebnis hat." (Ehlich/ Rehbein 1977: 47) Ehlich und Rehbein (ebd.) haben das partikulare Erlebniswissen anhand des Beispiels veranschaulicht, dass Schüler A weiß, dass der Schüler B am 28.3.1976 auf dem Weg zum Pausenhof Geld verloren hat. Der Wissende ist demnach der Schüler A und das Objekt des Wissens der Schüler B. Das, was der Wissende vom Objekt des Wissens weiß, ist, dass auf dem Weg zum Pausenhof am 28.3.1976 Geld verloren wurde. Die Autoren (ebd.) heben hervor, dass das partikulare Erlebniswissen keinesfalls eine Art ‚elementarer Baustein‘ für den Aufbau eines Wissenssystems sei. Vielmehr bilde das partikuläre Erlebniswissen den Bereich dessen, was „bloß individuell“ sei. Es handelt sich hier um die Domäne der wissensmäßigen Repräsentation des nur „Zufälligen“ (vgl. ebd.) Das partikulare Erlebniswissen geht verloren, falls es nicht von dem wissenden Individuum auf irgendeine Weise z. B. Gedächtnis, Niederschrift usw. abgespeichert wird. Es ist kaum systematisiert und kann zufällig, beispielsweise durch Erinnern, auftreten. Das partikulare Erlebniswissen wird selten systematisiert und bleibt isoliert: „Eine Expandierung des Wissens über das Einzelne, das vom einzelnen Objekt des Wissens gewußt wird, findet nicht statt. Allenfalls werden neue Erlebnisse mit diesem Erlebniswissen, das erinnert wird, ‚identifiziert‘ oder ‚verschmolzen‘." (ebd.: 48) Das partikulare Erlebniswissen steht am Rand des Aktantenwissens, da sich dieses Wissen nur auf das unmittelbar Einzelne bezieht (vgl. ebd.). Strukturtyp (1) Einschätzung Die Einschätzung fundiert auf mehreren eigenen partikularen Erlebnissen. Das Erlebte wird auf dieser Stufe systematisiert (vgl. ebd.). Die Einschätzungen stellen individuelle Interpretationen bestimmter Wirklichkeitsteile dar. Sie sind komplexere „synthetische Leistungen“ auf Grundlage von partikularem Erlebniswissen (vgl. ebd.: 48 f.). „Sie bilden alltagssprachliche Vorstellungen, die sich die Aktanten auf der Grundlage einer - bezogen auf die Menge der möglichen Erfahrungen usw. - begrenzten Auswahl von Phänomenen machen." (ebd.: 49) Bei einer Einschätzung übernimmt der individuelle Aktant ein stereotypisiertes Vorwissen, so dass konkrete partikulare Erscheinungen in ein schon vorstrukturiertes Wissen integriert oder relativiert werden können (vgl. Ehlich/ Rehbein 1977: 51). Einschätzungen tauchen in verbalisierter Form z. B. in Situationen des ‚Lobens‘ oder ‚Ermahnens‘ auf Seiten der Lehrenden oder in Pausengesprächen auf Seiten der Lernenden auf (vgl. ebd.). Einige aufgeführte Beispiele für Ein- <?page no="42"?> 1.4 Institutionelle Kommunikation 43 schätzung aus den untersuchten Materialen von Ehlich und Rehbein (ebd.) sind: „Viele Schulen sind zu alt.“ (ebd.: 49) „Überhaupt müßten nicht so viele autoritäre Lehrkörper die Schule verunzieren diese Lehrer haben eine völlig falsche Einstellung zu den Schülern. Sie denken das die Schüler parieren müssen so haben die es mal früher gelernt, sollten es aber nicht auf uns übertragen.“ (ebd.) Strukturtyp (2) Bild Mehrere Einschätzungen zum gleichen Wirklichkeitsausschnitt werden zu einem Bild zusammengesetzt (vgl. ebd.). Die Erstellung eines Bildes erfolgt somit durch Verallgemeinerung von Eigenschaften und Handlungen bestimmter Aktanten(-gruppen), was als ‚Stereotyp‘ bezeichnet werden kann (vgl. Liedke/ Redder/ Scheiter 2002: 157). Somit formen Bilder ein „Arsenal fester Interpretationen der Handlungswirklichkeit“ (Ehlich/ Rehbein 1977: 52). Während Einschätzungen nur eine schwache Antizipation für zukünftige Handlungen zulassen, können auf der Grundlage eines Bildes gewisse Einstellungen für zukünftige Handlungen entwickelt werden (vgl. ebd.). Den Prozess der Verarbeitung mehrerer Einschätzungen zu einem Bild illustrieren die Autoren (ebd.: 51) anhand des folgenden Beispiels: Schule: Arbeit, Langweile, Kontakt mit Gleichaltrigen, dämliche Lehrer, die einem auf die Nerven gehen, Lehrer, die einen in Ruhe lassen, ständiges auf die Uhr gucken, unbequeme Stühle, Bänke, die man nicht bemalen kann (darf), frühes Aufstehen, ekelhafte Klos, Schlechte Luft in den Klassen, der schöne, sanfte Gong in der neuen Schule, weiße Wände, gelangweilte Gesichter, ewig der selbe Trott, Hausaufgaben, keine (wenig) Freizeit, ewiger Arbeitsdrang, ungerechte Noten, Gesichter von Mitschülern, die man nicht ausstehen kann, SMV, die viel verspricht, aber nichts tut, insgesamt: SCHULE IST SCHEISSE. Ein Bild wird erst bei einer erheblichen Verunsicherung des Bildes revidiert (vgl. ebd.: 52). Strukturtyp (3) Sentenz Eine Verallgemeinerung eines Bildes innerhalb einer Gruppe von Wissenden, wird als „Image“ bezeichnet. Diese Form bildet einen Übergang zur Sentenz. „Eine Sentenz entsteht […] dadurch, daß ein Wissen […] immer gilt, indem alle Wissenden […] dieses Wissen haben.“ (Ehlich/ Rehbein 1977: 54) Sentenzen definieren Wirklichkeitsstrukturen in einer allgemeinen Weise und werden als kollektive Merksätze bezeichnet (vgl. ebd.: 57). Der Ausdruck ‚common sense‘ kann als eine Bezeichnung des in Sentenzen zusammengefassten, d. h. auf der Stufe des Strukturtyps Sentenz befindlichen gesellschaftlichen Alltagswissen verstanden werden. Sentenzen sind mehr als bloß individuelles Wissen. Ihnen kommen <?page no="43"?> 44 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation bei der Organisation sowie der Verwendung des Wissens im institutionellen und im sonstigen alltäglichen Handeln wichtige Funktionen zu (vgl. ebd.). Sentenzen treten verbalisiert in Sprichwörtern, Vorurteilen, in Argumentationen auf (vgl. ebd.). Angeführte Beispiele von den Autoren (ebd.) dafür sind: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ „Schule hat das Ziel, uns geistig für das Leben im Beruf vorzubereiten.“ „Wer nichts lernt, kann nichts.“ Strukturtyp (4) Maxime „Maximen sind zu verstehen als handlungsleitende Destillate aus vorgängiger Erfahrung.“ (ebd.: 58) Ehlich und Rehbein (ebd.) heben den repetitiven Charakter von Handlungen hervor und betonen, dass Handlungen nicht jedes Mal prinzipiell neu sind. „Deshalb kann der Aktant aus vergangenen Handlungen Konsequenzen ableiten für ähnliche Exemplare desselben Handlungstyps in seiner weiteren Geschichte.“ (ebd.: 58 f.) Maximen können somit als eine Organisationsform für das Handlungswissen interpretiert werden, durch die vergangene Erfahrungen für neue Handlungen aktiviert werden. Maximen sind also Lehren, die der Aktant aus der vorgängigen Erfahrung zieht und an die er sich bei neuen Erfahrungen orientiert. Sie ermöglichen die zukünftige Interpretation von Handlungssituationen (vgl. ebd.: 59). Maximen stellen eine wichtige Struktur für den Entscheidungsapparat dar, der die Situationsinterpretation vornimmt, der also klassifiziert, identifiziert und bewertet. Sie weisen zwei Richtungen auf: „als Destillate sind sie an den vergangenen Handlungen orientiert, als Handlungsanleitungen sind sie auf zukünftige Handlungen hin orientiert. Indem sie Handlungen in neuen Situationen ermöglichen, haben sie ein handlungserzeugendes Potential.“ (Ehlich/ Rehbein 1977: 59). Beispiele für schulspezifische Maxime sind: „Lerne was, (dann kannst du was.)“, „Sei zu den Lehrern freundlich“. (ebd.) Strukturtyp (5) Musterwissen Das Musterwissen kann als ein Prototyp von Wissen mit unmittelbarer Handlungsrelevanz interpretiert werden. „Die Muster sind gesellschaftlich entwickelt, um bestimmte, häufig auftauchende Konstellationen zu bewältigen, genauer: um dafür Bewegungsformen zu haben. Indem mehrere Aktanten handeln, bedienen sie sich der Muster; sie sind ihnen darin zugleich unterworfen […].“ (ebd.: 67) Unter Muster werden Formen verstanden, in denen gesellschaftliche Handlungsprozesse ablaufen (vgl. ebd.: 66). Somit ist Musterwissen gesellschaftlich geprägt; „Muster werden eingeübt und sind dadurch tief in der Erfahrung der gesellschaftlichen Individuen verankert. Das Musterwissen enthält so eine spezifische Qualität; es ist dem rationalen Durchschauen wenig zugänglich.“ (ebd.: 67) Muster liegen beispielsweise in der Frage-Antwort oder Begründung vor (vgl. ebd.). Muster werden in der Regel unbewusst befolgt, und die Handelnden <?page no="44"?> 1.4 Institutionelle Kommunikation 45 denken über ihre Struktur nicht nach. Es stellt für alle ein verbindliches Wissen dar und wird bei allen Handelnden vorausgesetzt (vgl. ebd.). Musterwissen kommt im institutionellen Handeln eine wichtige Funktion zu: Nur wer die Muster adäquat anzuwenden weiß, ist in der Institution handlungsfähig (d. h. kann Handlungen ausführen, die gelingen). Adäquat bedeutet dabei: die Handlungen als Exekutionen des Musters stehen in Übereinstimmung mit den Erwartungen des anderen Ko-aktanten, die ihrerseits vermittels des Handlungsmusters gebildet worden sind. Erwartungen sind dabei als Handlungspräsuppositionen für die jeweilig im Muster zusammengebundenen Handlungsabfolgen zu verstehen. (ebd.: 68) Strukturtyp (6) Routinewissen Das Routinewissen stellt ein unbewusstes Wissen dar, das sich auf weitgehend automatisierte, einzelne Verkettungen von Handlungen bezieht. „Sie spielen im Rahmen von Mustern eine Rolle. Die Automatisierung besagt, daß das Routinewissen noch weniger dem Ko-aktanten 6 bewußt präsent ist als im Fall des Musterwissens. Sie sind typische Subhandlungen oder Nebenhandlungen.“ (ebd.: 69) Routinen verlangen spezifische Fertigkeiten. Wissen und Handeln stehen hier in einem besonders engen Zusammenhang. Routinen erfolgen weitgehend automatisch und verlangen keine besondere Aufmerksamkeitszuwendung, weshalb neben der Ausführung der Routine andere Handlungen mit (anderen) Mustern ausgeübt werden können (vgl. Ehlich/ Rehbein 1977: 69). Ein typisches schulspezifisches Beispiel für das Routinewissen stellt das Melden auf der Seite des Schülers und das Anschreiben auf Seiten des Lehrenden dar (vgl. ebd.). Die sieben bereits dargestellten Wissensstrukturtypen lassen sich den beiden folgenden Kategorien zuordnen: ▶ Wissensstrukturtypen, die die Wirklichkeit im Wissen von Aktanten repräsentieren (partikulares Erlebniswissen, Einschätzung, Bild, Sentenz) ▶ Wissensstrukturtypen, die das Handeln von Aktanten in Institutionen leiten (Maxime, Musterwissen, Routinewissen) (vgl. Ehlich/ Rehbein 1977: 64). Nach Ehlich und Rehbein (1994: 321) haben diese Wissensstrukturtypen für Institutionen eine fundamentale Bedeutung, da es nur dadurch möglich sei, "die komplexen Strukturformen von Institutionen repetitiv auszubilden und aktuell zu reproduzieren.“ (ebd.) Für die vorliegende Studie sind insbesondere die Wissensstrukturtypen der zweiten Gruppe relevant. Die unterschiedlichen Strukturtypwissen schlagen sich in der Sprache als Ausdruck der Institutio- 6 Ehlich und Rehbein (1977: 67) verwenden den Ausdruck „Ko-aktion“ als Oberbegriff für Kooperation. <?page no="45"?> 46 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation nalität nieder. Im Folgenden soll auf die Charakteristika der institutionellen Kommunikation näher eingegangen werden. 1.4.3 Charakteristika der institutionellen Kommunikation Institutionelle Kommunikation zeichnet sich nach Drew und Heritage (1992: 22) durch drei typische Merkmale aus: ▶ Sie ist zielorientiert, mindestens einer der Interaktanten verfolgt spezifische institutionelle Zwecke (vgl. ebd.). ▶ Institutionelle Kommunikation unterliegt spezifischen kommunikativen Einschränkungen. Diese bestimmen beispielsweise, welche Redebeiträge in welcher Form angemessen erscheinen. Sie sind eng mit den festgelegten Beteiligungsrollen verbunden und hängen vom Grad der Formalität des jeweiligen institutionellen Kontexts ab (vgl. ebd.). ▶ Institutionelle Kommunikation ist bestimmt durch inferentielle Rahmenbedingungen und Verfahren (vgl. ebd.). Die Beteiligten nehmen Bezug auf einen gemeinsamen Präsuppositionsbestand, der es ihnen ermöglicht, den Äußerungen kontextspezifisch Bedeutung zuzuschreiben (vgl. ebd.). Auch Wunderlich (1976: 86) betont die Zielgerichtetheit und Rollengebundenheit der Interaktion unter institutionellen Bedingungen. Für ihn erfüllen Institutionen bestimmte Zwecke in der Gesamtreproduktion einer Gesellschaft. „Sie sind daher für diese Gesellschaft typische ‚Lebensformen‘ oder Interaktionszusammenhänge, die im allgemeinen sowohl sprachliche wie auch nichtsprachliche, individuelle und kollektive Tätigkeiten einschließen.“ Das Handeln in Institutionen ist durch Konventionen bestimmt (vgl. Wunderlich 1976: 86). Er konstatiert: Innerhalb der Institution werden bestimmte Abfolgen von Interaktionen und anderen Tätigkeiten erwartet; sie sind reguliert durch Mengen von Konventionen. Aufgrund der Wechselseitigkeit von Erwartungen und dem Interesse an der Funktionstüchtigkeit der Institutionen sind die Konventionen zum großen Teil zugleich Normen - auch wenn sie nicht kodifiziert zu sein brauchen - wenn man seine Ziele erreichen will und nicht Mißachtung oder sogar Strafen in Kauf nehmen will, muß man den Konventionen folgen. Nach Ehlich und Rehbein (1994: 317) schlägt sich „[d]ie Repetitivität des gesellschaftlichen Handelns […] je nach der Bedeutung des Handlungszusammenhangs, in spezifischen zusammengehörigen Ensembles von Handlungen nieder, die auf verschiedene gesellschaftliche Zwecke hin organisiert sind.“ Diese repetitive Qualität des sprachlichen Handelns führt zum einem zu einer Entlastung <?page no="46"?> 1.4 Institutionelle Kommunikation 47 der Interaktanten und zum anderen schafft sie Strukturen, die in unterschiedlicher Weise wirksam und erkennbar sind (vgl. ebd.). Die institutionellen Regelungen können sich nach Gülich (1981: 422) auf folgende Aspekte beziehen: ▶ Ort und Zeit der Kommunikationsabläufe ▶ Definition des ‚Klienten‘ ▶ Kompetenzen des ‚Agenten‘ ▶ Verteilung der Redebeiträge ▶ Auswahl der konstitutiven, charakteristischen und zulässigen Interaktionsschemata und kommunikativen Handlungen ▶ Reihenfolge der Interaktionsschemata sowie der kommunikativen Handlungen innerhalb der Interaktionsschemata ▶ Realisierung der kommunikativen Handlungen (sprachlich oder nichtsprachlich, mündlich oder schriftlich usw.) ▶ Formulierung der sprachlichen Handlungen. Aus diesen Regelungen bilden sich relativ feste Dialog- und Interaktionsmuster, die in das Aktantenwissen eingehen (vgl. Abschnitt 1.5.3.). Die Kenntnis dieser Muster stellt eine unabdingbare Voraussetzung für einen störungsfreien Kommunikationsablauf in einer Institution dar (vgl. Gülich 1981: 422). Je nach Typ der Institution gibt es mehr oder weniger fest etablierte geregelte institutionelle Kommunikationsabläufe. So folgt beispielsweise ein Gottesdienst bis ins Detail sogar auf der Formulierungsebene einem vorstrukturierten Handlungsablauf (vgl. ebd.). Im Vergleich dazu lässt die Institution Hochschule trotz aller rechtlichen und konventionellen Regelungen allen Aktanten beachtliche Handlungsspielräume (vgl. Kapitel 1.5.3.). Die Institutionsrollen (Lehrende, Studierende) sowie Lehr- und Lerninhalte und damit Rahmenthemen sind zwar vorgegeben, allerdings bleibt die genaue Ausgestaltung von konkreten Seminarthemen den Aktanten überlassen (vgl. Koerfer 2013: 228). Gleichwohl gibt es an Hochschulen stark ausgeprägte Institutionsrollen. Das Handeln an Hochschulen kann wie bei vielen anderen Institutionen als Rollenhandeln bezeichnet werden (vgl. Kiesendahl 2011a: 24). Linke, Nussbaumer und Portmann (2004: 356) definieren die soziale Rolle einer Person „[…] als die Menge all derjenigen Erwartungen, die sich an das Verhalten der betreffenden Person im Rahmen einer gegebenen Interaktionssituation richten.“ Als Rollenhandeln bezeichnen sie dann „[d]ie Handlungen, die diese Erwartungen einlösen.“ (ebd.) Falls diese Erwartungen nicht erfüllt werden, handelt es sich um eine Art des Normverstoßes, der oft als Versagen interpretiert wird und dementsprechend Sanktionen nach sich zieht (vgl. Kiesendahl 2011a: 25). Diese an den Rollenträger gerichteten Erwartungen umfassen die diversen Verhaltensbereiche, zu denen auch ganz zentral Sprachverhalten zählt. So findet Rollenhandeln in <?page no="47"?> 48 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation großem Maß sprachlich statt (vgl. ebd.). Für die Ausübung einer institutionellen Rolle sind „[e]in rollenspezifischer Wortschatz (z. B. Fachsprache), syntaktische Charakteristika (z. B. Nominalstil in schriftlichen Texten), institutionentypische Gesprächsverhaltensmuster (z. B. Rederecht, Redeteil) sowie sprachliche Höflichkeitsformeln, Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln“ elementar. (ebd.) 1.4.4 Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Hochschule eine Institution darstellt, in der die Agenten (Lehrende) mit umfassendem professionellem Wissen mit Klienten (Studierende) mit anfänglich beschränktem Wissen in überwiegend formalisierten Situationen zusammentreffen. Nach Koerfer (2013: 117) ergibt sich ein großer Teil der Probleme des Verstehens und der Verständigung zwischen den Aktanten daraus, […] daß für den einen Typ von Aktanten eine fraglose Situation ist, in der sie routiniert und wie selbstverständlich agieren und interagieren, was für den anderen Typ von Aktanten eine problematische oder gar krisenhafte Situation ist, in der nicht nur "aller Anfang" schwer ist, sondern bei anhaltender Desorientierung die Kommunikation auf vielfältige Weise fehlschlägt. Zugleich bemerkt Koerfer (ebd.), dass Klienten in bestimmten Typen von Institutionen spezifisches Handlungswissen erwerben können. So können beispielsweise Studierende mit der Zeit ihren Laien-Status verlieren. Sie werden in die Institution Hochschule ‚hineinsozialisiert‘ und verfügen dann über ein spezifisches Handlungswissen im entsprechenden institutionellen Alltag. Liedke/ Redder/ Scheiter (2002: 162) bemerken, dass diese Wissensstrukturtypen gesellschaftlich und insofern kulturspezifisch geprägt sind. Diese Tatsache erschwert das Handeln in Institutionen, die interkulturell geprägt sind. Ehlich und Rehbein (1977: 68 ff.) weisen darauf hin, dass Aktanten aus anderen Kulturen insbesondere das handlungsleitende Institutionswissen fehlt. Sie verfügen über keine vorgängigen Erfahrungen in der jeweiligen Institution und Gesellschaft und können daher auch auf kein Maximenwissen zurückgreifen oder ihr Wissen wurde von Erfahrungen geformt, die teilweise von denen abweichen, die in der jeweiligen Gesellschaft sozialisierte Aktanten gemacht haben. Da dem Musterwissen, das in der Regel bei Aktanten vorausgesetzt und unbewusst befolgt wird, eine besondere Bedeutung in der institutionellen Kommunikation zukommt, erschwert dessen Fehlen diese Kommunikation erheblich. Für das Ausführen dieser Routinen bedarf es institutionsspezifischer Fertigkeiten, die von der jeweiligen Kultur geprägt werden. Diese Tatsache unterstreicht die Rolle der Kultur und demzufolge der Interkulturalität <?page no="48"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 49 in der institutionellen Kommunikation, welche im Folgenden behandelt werden soll. 1.5 Interkulturelle Kommunikation Interkulturelle Kommunikation hat sich als wissenschaftliche Fachbzw. Teildisziplin in Europa in unterschiedlichen Bereichen wie der interkulturellen Wirtschaftskommunikation, der interkulturellen Pädagogik, der Migrationsforschung, der interkulturellen Philosophie, der interkulturell und kulturvergleichend ausgerichteten Psychologie, der interkulturellen Medienanalyse, der interkulturellen Literaturwissenschaft, der interkulturellen Germanistik und Romanistik etabliert (vgl. Lüsebrink 2012: 4). Zudem gewinnen Fragestellungen der interkulturellen Kommunikation in zahlreichen interdisziplinären Lehr- und Forschungskontexten wie der Integrationsforschung, der Pädagogik, der Tourismusforschung, der angewandten Linguistik und der Übersetzungsforschung zunehmend an Bedeutung (vgl. ebd.). Die Erforschung interkultureller Kommunikation in unterschiedlichen Disziplinen, aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen methodischen Orientierungen führt u. a. zu einer Uneinheitlichkeit und Unübersichtlichkeit in der Diskussion, was in der Fachliteratur immer wieder beklagt wird (vgl. ebd.). Je nach Fachdisziplin und Kulturraum wird der Begriff ‚interkulturelle Kommunikation‘ unterschiedlich weit gefasst und mit einer vielfältigen Terminologie versehen. Die am häufigsten verwendeten Begrifflichkeiten setzen sich aus den Bestandteilen ‚inter-‘, ‚multi-‘, ‚trans-‘ ‚cross-‘ und ‚kulturell‘, ‚national‘, ‚ethnisch‘ zusammen (vgl. ebd.). Eine Möglichkeit der Annäherung an eine Definition von interkultureller Kommunikation ist die Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Begriffen Kultur, Interkulturalität und Kommunikation. Nachdem der Begriff Kommunikation ausführlich behandelt wurde, sollen nun im Folgenden die Begriffe Kultur und Interkulturalität für den Kontext der vorliegenden Studie bestimmt werden. 1.5.1 Zugrunde liegender Kulturbegriff Der Begriff ‚Kultur‘ erlebt laut Larcher (2008: 4) derzeit eine Hochkonjunktur. Allerdings existiert in der Literatur keine einheitliche Definition. Aus den zahlreichen Bestimmungsversuchen entstanden unzählige Definitionen, Theorien und Konzepte, die immer von dem jeweiligen historischen und sozialen Kontext abhängen. Nach Bolten (2012: 18) ist eine differenzierte Bestimmung des Kulturbegriffs sehr schwierig, vor allem weil „[…] Definitionen des Kulturbegriffs 1.5 Interkulturelle Kommunikation <?page no="49"?> 50 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation so zahlreich und vielfältig [sind], dass man schon aus diesem Grund Erwartungen an eine verbindliche und ‚richtige‘ Bedeutungsregelung enttäuschen muss: ‚Den‘ allgemein gültigen Kulturbegriff gibt es nicht.“ Nach Larcher (1992: 4 f.) lässt sich der Begriff ‚Kultur‘ am besten als ein Kontinuum darstellen: An einem Pol sind jene kulturellen Regeln angesiedelt, die unser Bewußtsein für ‚natürlichen Anstand‘, ‚natürliches Verhalten‘ ‚natürliches Benehmen‘ hält, das jedermann und jedefrau instinkthaft kennt und befolgt: daß man seine Blößen bedeckt, daß man seinen Hunger stillt usw. […] Am anderen Pol unseres Kontinuums befinden sich jene bewußt ausformulierten Regeln, mit denen Gesellschaften das Zusammenleben ihrer Mitglieder bewußt steuern und kontrollieren, also Gesetzeswerk und religiöse Gebote. Sie sind schriftlich fixiert, ihre Einhaltung kann erzwungen werden, das Abweichen von ihnen wird geahndet. Lüsebrink (2012: 10) unterscheidet nach der interdisziplinären Theoriediskussion der Kulturwissenschaft drei grundlegende Kulturbegriffe und bietet damit eine Systematisierung und Einordnung verschiedener Kulturbegriffe: Intellektuell-ästhetischer Kulturbegriff Hier ist der Kulturbegriff mit Begriffen wie ‚Bildung‘ und ‚Kunst‘ eng verknüpft. Die Vorstellung eines Kanons ästhetischer sowie moralisch-ethischer Werte liegt diesem Kulturbegriff zugrunde, welcher durch die Werke bedeutender Künstler, Schriftsteller und Komponisten repräsentiert ist (vgl. ebd.). Materieller bzw. instrumenteller Kulturbegriff Dieser Kulturbegriff leitet sich von der ursprünglichen Bedeutung von Kultur als ‚Agricultura‘ (Landwirtschaft) ab und umfasst Wirklichkeitsbereiche wie Handwerker-, Unternehmens- oder Gastronomiekultur (vgl. ebd.). Anthropologischer Kulturbegriff Der Kulturbegriff im anthropologischen Sinn umfasst die Gesamtheit der kollektiven Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einer Gesellschaft. Für die vorliegende Arbeit ist der anthropologische Kulturbegriff relevant. Eine anthropologische Definition von Kultur liefert der Sozialpsychologe Alexander Thomas (1993: 380): Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe […] sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten, Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein <?page no="50"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 51 für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung. Der Begriff ‚Orientierungssystem‘ bildet den zentralen Bestandteil dieser Definition. Es ist vor allem aus der psychologischen Forschung bekannt, dass Menschen grundsätzlich ein Bedürfnis nach Orientierung haben. Diesem Bedürfnis wird nach Thomas (2003: 22) dann entsprochen, […] wenn der Mensch über einen ausreichend großen Bestand an verlässlichem Wissen über seine gegenständliche und soziale Umwelt und über Erfahrungen darüber verfügt, wie mit diesem Wissen sachgerecht und effektiv umzugehen ist.“ ‚Kultur‘ bietet nach Thomas (ebd.) bei dem Versuch, Orientierungen zu gewinnen, eine wertvolle Hilfe. Sie ermöglicht es, […] den uns umgebenden Dingen, Personen, Gegenständen, aber auch Ereignisfolgen und komplexen Prozessabläufen sowie Verhaltenskonsequenzen Bedeutung und Sinn zu verleihen. Dieser Vorgang der Sinnstiftung vollzieht sich im Prozess der Wahrnehmung respektive Informationsverarbeitung unter normalen Umständen gleichsam automatisch, also ohne besonderen psychischen Aufwand. Sie stellt in jedem Fall eine einmalige individuelle Leistung dar, die aber nicht willkürlich oder zufällig zustande kommt, sondern, vermittelt durch die Kultur, kollektiven, sozialverbindlichen Normen und Regeln folgt. Durch die Erfassung der Kultur als ‚Orientierungssystem‘ erklärt sich ihre Entstehung, Entwicklung und Weitergabe. Im Laufe des Sozialisationsprozesses, also des Hineinwachsens von Individuen in die sie umgebende Gesellschaft, erlernt jeder Mensch in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt die jeweils geltenden sozialen Normen und relevanten Verhaltensweisen (vgl. Thomas 2003: 23), wobei die Sozialisation einen lebenslangen Prozess darstellt und nicht nur in der Kindheit oder in bestimmten Lebensabschnitten stattfindet. Um die Aufgaben meistern zu können, die sich in der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt stellen, ist in jeder einzelnen Entwicklungsphase das Erlernen von wichtigen Verhaltensweisen unabdingbar (vgl. ebd.). Ist die Sozialisation in einem bestimmten Tätigkeitsbereich im Sinne des jeweiligen Umfeldes erfolgreich verlaufen, „[…] sind Wahrnehmungs-, Denk-, Beurteilungs- und Verhaltensschemata so weit entwickelt und verinnerlicht, dass der Handelnde über ihre Funktionsweise, ihre Dynamik und ihre Folgen nicht mehr gesondert nachzudenken braucht.“ (ebd.) So bilden sich Handlungsroutinen heraus, denen in der Regel ohne Reflexion oder eine bewusste kognitive Steuerung gefolgt wird (vgl. ebd.). Wird Kultur als ein Orientierungssystem aufgefasst, ergibt sich die Frage, „welche kulturspezifischen Orientierungsmerkmale von den Personen der einen <?page no="51"?> 52 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation oder der anderen Kultur in bestimmten Begegnungssituationen oder zur Lösung spezifischer Probleme aktiviert werden.“ (Thomas 2003: 24) Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage und basierend auf der Idee, dass es für alle Kulturen dieser Welt universelle Kategorien gibt, wurden unterschiedliche Konzepte und Modelle zur Bestimmung kultureller Unterschiede entwickelt (vgl. Thomas/ Utler 2013: 42). Im Folgenden soll auf zwei dieser Konzepte, die im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit besonders relevant sind, näher eingegangen werden. 1.5.2 Kulturdimensionen Kulturdimensionen wurden aus der systematischen Untersuchung und Abstrahierung kultureller Unterschiede entwickelt. Die bekanntesten Kulturdimensionen stammen von Edward und Mildred Hall (1950/ 1987), Kluckhohn/ Strodtbeck (1961) und Geert Hofstede (1980/ 2011). Aktuelle Ergebnisse dazu liefert die GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness) (House 2004). Im Folgenden soll lediglich auf die Kulturdimensionen von Hall und Hofstede näher eingegangen werden, die bisher größte Resonanz im Forschungsumfeld haben und Grundlage für viele folgende Kulturdimensionen wurden. 1.5.2.1 Kulturdimensionen nach Edward und Mildred Hall (1987) Nach Hall und Hall (1987) gibt es eine direkte Verbindung zwischen Kultur- und Kommunikationsunterschieden in der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Ihre grundlegende Annahme lautet: “Each cultural world operates according to its own internal dynamic, its own principles, and its own laws - written and unwritten. Even the dimensions of time and space are unique to each culture. There are, however, some common threads that run through all cultures.“ (Hall/ Hall 1987: 4) Hierbei identifizieren sie drei Kulturdimensionen: Kontextorientierung, Raumorientierung und Zeitorientierung. Kontextorientierung Die Kontextorientierung bezieht sich auf die Annahme, dass die Bedeutung jeder Kommunikation durch den Kontext bestimmt wird. Dabei definieren Hall und Hall Kontext wie folgt: Context is the information that surrounds an event and is inextricably bound up with the meaning of that event. The elements that combine to produce a given meaning - events and context - are in different proportions depending on the culture. It is thus possible to order the cultures of the world on a scale from high to low context. (Hall/ Hall 1987: 6) <?page no="52"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 53 Kulturen werden hier danach klassifiziert, in welchem Ausmaß sie den Kommunikationskontext beim Entschlüsseln von Informationen mit einbeziehen. In low-context Kulturen wird beim Kommunizieren die zentrale Information sprachlich und explizit übermittelt. Folglich kann die Bedeutung einer Aussage direkt aus dem Gesagten erschlossen werden und es bleibt wenig Raum für eigene Interpretationen. Ausgeprägte low-context Kulturen finden sich nach Hall und Hall (ebd.: 8) in den USA, in Deutschland, in der Schweiz und in den skandinavischen Ländern. In high-context Kulturen wird der größte Teil der Information implizit übermittelt. Der Zuhörende kann die Bedeutung der zentralen Information nur unter Einbezug des gesamten Kommunikationskontextes erschließen. Nonverbale Signale, die Atmosphäre, die Beziehung der Gesprächspartner usw. bilden den wesentlichen Bestandteil jeder Information (vgl. Layes 2003: 64). Typische high-context Kulturen sind nach Hall und Hall (1987: 8) die japanische und die arabische Kultur sowie die Kulturen am Mittelmeer. Eine interkulturelle Kommunikation zwischen Mitgliedern aus low und high context Kulturen kann nach Hall und Hall (ebd.: 11) eventuell folgendermaßen wahrgenommen werden: “HC people are apt to become impatient and irritated when LC people insist on giving them information they don’t need. Conversely, low context people are at a loss when high context people do not provide enough information.” Eine angemessene Kontextualisierung der zu übermittelnden Informationen gilt folglich als eine große Herausforderung des interkulturellen Kommunizierens: Too much information frequently leads people to feel they are being talked down; too little information can mystify them or make them feel left out. Ordinarily, people make these adjustments automatically in their own country, but in other countries their messages frequently miss the target. (ebd.) Für Hall und Hall ist es natürlich, dass es auch innerhalb einer Kultur individuelle Unterschiede gibt, dennoch unterstreichen sie: “Within each culture, of course, there are specific individual differences in the need for contexting - that is, the process of filling in background data - but it is helpful to know whether or not the culture of a particular country falls on the high or low side of the scale.” (ebd.: 8) Raumorientierung Die Raumorientierung bezieht sich zum einen auf den persönlichen Raum bzw. die Privatsphäre und zum anderen auf das persönliche Territorium. Every living thing has a visible physical boundary - its skin - separating it from its external environment. This visible boundary is surrounded by a series of invisible boundaries that are more difficult to define but are just as real. These other boundaries <?page no="53"?> 54 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation begin with the individual’s personal space and terminate with his individual ‘territory’. (Hall/ Hall 1987: 11 f.) Zur Veranschaulichung stellen Hall und Hall (ebd.) den persönlichen Raum als eine unsichtbare Blase dar, die jedes Individuum umgibt: “Each person has around him an invisible bubble of space which expands and contracts depending on his relationship to those around him, his emotional state, his cultural background, and the activity he is performing.” (Hall/ Hall 1987: 12) Die Kulturen unterscheiden sich in ihrem Verhältnis zu räumlicher Distanz. Wie viel persönlichen Raum ein Individuum im persönlichen und öffentlichen Bereich als angenehm empfindet, hängt von seinem kulturellen Hintergrund ab. In Nordeuropa beispielsweise ist der persönliche Raum, den eine Person braucht, um sich wohl zu fühlen, relativ groß, folglich halten die Menschen großen Abstand voneinander. Anders ist es in Südfrankreich, Italien, Griechenland oder Spanien. Dies kann zur Folge haben, dass Menschen aus diesen Kulturkreisen (zu) wenig Abstand von nordeuropäischen Gesprächspartnern halten (vgl. ebd.). Als Territorium bezeichnen Hall und Hall die Orte, die Menschen als ihren persönlichen exklusiven Bereich wahrnehmen. Welche Räume als eigenes Territorium angesehen werden und die Art und Weise, in der diese Territorien beansprucht werden, ist kulturabhängig (vgl. ebd.: 12). Zeitorientierung Bei der Zeitorientierung wird zwischen Kulturen mit monochronem und polychronem Verständnis von Zeit unterschieden (vgl. ebd.: 15 f.). Charakteristisch für Kulturen mit einem monochronen Zeitverständnis ist, dass nur eine Aufgabe zu einem Zeitpunkt erledigt wird. Die Menschen haben eine lineare Zeitvorstellung; vergleichbar mit einer Linie von der Vergangenheit in die Zukunft. Die Zeit wird in Sequenzen unterteilt, und es wird einer strikten Zeitplanung gefolgt. Zeit wird als ein kostbares Gut wahrgenommen: “People talk about it as though it were money, as something that can be ‚spent‘, ‚saved‘, ‚wasted‘ and ‚lost‘. It is also used as a classification system for ordering life and setting priorities: ‚I don’t have time to see him.’” (ebd.: 16 f.) Dementsprechend ist die Toleranz gegenüber nicht eingehaltenen Fristen, Störungen und Unterbrechungen gering (vgl. ebd.). In Kulturen mit polychroner Zeitauffassung werden Aufgaben oft parallel durchgeführt. Die Menschen haben ein flexibleres Verständnis von zeitlichen Vereinbarungen. Zeitgrenzen wie Abgabetermine sind veränderbar, da Zeit als dehnbar empfunden wird. Die Beziehung zu anderen Menschen und das Pflegen von freundschaftlichen Kontakten zu Arbeitskollegen sind wichtiger als das strikte Einhalten von Zeitplänen, da Informationen oft über persönliche Kontakte verbreitet werden (vgl. ebd.). <?page no="54"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 55 1.5.2.2 Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (2011) In einer groß angelegten quantitativen Studie untersuchte der niederländische Sozial- und Organisationsforscher die Ausprägungen der Kulturdimensionen. Seine Ergebnisse beruhen auf den Auswertungen von Studien, die in den Jahren 1968 und 1972 im Unternehmen IBM durchgeführt wurden. Hierfür waren 116.000 Fragebögen, die in 20 Sprachen übersetzt und dadurch in 53 Ländern eingesetzt werden konnten, verwendet worden (vgl. Layes 2003: 61). Die Fragen erfassten hierbei arbeitsbezogene Wertvorstellungen, d. h. Fragen bezüglich der Zufriedenheit mit bestimmten Arbeitsaspekten. Der Fragebogen umfasste etwa die folgenden Fragen: „Wie gefällt Ihnen die Arbeit, die Sie gegenwärtig verrichten? “, „Wie wichtig ist es für Sie, viel zu verdienen? “, „Wie oft erwartet Ihr Vorgesetzter übermäßig viel Arbeit von Ihnen? “ (vgl. ebd.) Nachdem Hofstede die Antworten korrelationsstatistischer und faktoranalytischer Auswertungen unterzogen hatte, kam er zu vier grundlegenden Kulturdimensionen (vgl. ebd.). Machtdistanz Diese Dimension beschreibt, in welchem Ausmaß eine ungleiche Verteilung von Macht in einer Gesellschaft akzeptiert und erwartet wird. „Machtdistanz spiegelt das Spektrum der möglichen Antworten wider, die in den verschiedenen Ländern auf die grundsätzliche Frage, wie man mit der Tatsache umgehen soll, dass die Menschen ungleich sind, gegeben wurden.“ (Hofstede/ Hofstede 2011: 51) In Kulturen mit hoher Machtdistanz herrscht eine steile hierarchische Ordnung, die von den Mitgliedern unproblematisch hingenommen wird. Kulturen mit geringer Machtdistanz streben nach einer gleichen Verteilung von Macht. Die Idealvorstellung von Gleichheit ist sogar in der Gesetzgebung dieser Länder vorgesehen: „Jeder sollte gleich behandelt werden, ungeachtet seines gesellschaftlichen Standes, materiellen Wohlstandes oder Macht.“ (ebd.) In Institutionen und Organisationen werden dort keine großen Machtgefälle toleriert. Diese flache Organisationsstruktur setzt verstärkt auf Selbstverantwortung und Eigeninitiative (vgl. Layes 2003: 61). Schweden, Deutschland und die USA sind Beispiele für Länder mit einer eher geringen Machtdistanz, wohingegen in China und Brasilien hohe Machtdistanzen vorherrschen. Individualismus vs. Kollektivismus Diese Dimension beschreibt, ob eine Kultur eher individualistisch oder kollektivistisch orientiert ist. Hofstede (Hofstede/ Hofstede 2011: 97) definieren diese Dimension wie folgt: Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und für seine <?page no="55"?> 56 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation unmittelbare Familie sorgt. Sein Gegenstück, der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben lang schützen und dafür bedingungslose Loyalität verlangen. Wie aus dieser Definition hervorgeht, ist in einer individualistisch geprägten Gesellschaft das Interesse des Individuums dem Interesse der Gruppe übergeordnet. Persönliche Zeit, Freiheit und persönliche Herausforderungen unterstreichen die Unabhängigkeit des Individuums von seiner Umgebung. Danach ist es wichtig, dass jeder seinen eigenen Weg geht und seine eigenen Erfahrungen macht. Diese Dimension steht in negativer Korrelation zu der Dimension „Machtdistanz“. Länder mit großer Machtdistanz sind eher kollektivistisch geprägt und Länder mit geringer Machtdistanz eher individualistisch (vgl. ebd.: 106). Die USA und Australien sind sehr individualistische Länder, hingegen China, Brasilien und Thailand eher kollektivistisch geprägt sind. Maskulinität vs. Femininität Diese Dimension beschreibt, wie die Geschlechterrollen in einer Kultur festgelegt sind. Eine Gesellschaft bezeichnet man als maskulin, wenn die Rollen der Geschlechter emotional klar gegeneinander abgegrenzt sind: Männer haben bestimmt, hart und materiell orientiert zu sein, Frauen dagegen müssen bescheidener, sensibler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Als feminin bezeichnet man eine Gesellschaft, wenn sich die Rollen der Geschlechter emotional überschneiden: sowohl Frauen als auch Männer sollen bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen. (ebd.: 156) Als feminine Werte zählt Hofstede Fürsorglichkeit, Unterordnung, Bescheidenheit und Warmherzigkeit auf. Maskuline Werte seien hingegen Leistungsstreben, Durchsetzungsvermögen, Dominanz und materielles Streben (vgl. ebd.: 155). Schweden ist nach der Untersuchung von Hofstede ein sehr feminines Land, während in Japan ein hoher Grad an Maskulinität vorherrscht. Unsicherheitsvermeidung Diese Dimension beschreibt, wie Gesellschaften mit Unsicherheiten umgehen. Hofstede definiert Unsicherheitsvermeidung als den Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen. Dieses Gefühl drückt sich u. a. in nervösem Stress und einem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit aus: ein Bedürfnis nach geschriebenen und ungeschriebenen Regeln. (Hofstede/ Hofstede 2011: 220) <?page no="56"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 57 Kulturen mit einem hohen Grad an Unsicherheitsvermeidung versuchen sich mittels festgeschriebener Gesetze, Richtlinien, Sicherheitsmaßnahmen nicht eindeutigen Situationen zu entziehen. „Die Menschen in derartigen Kulturen suchen in ihren Organisationen, Institutionen und Beziehungen eine Struktur, mit der sich Ereignisse klar interpretieren und vorhersehen lassen.“ (ebd.: 225) Kulturen mit einem geringen Grad an Unsicherheitsvermeidung akzeptieren die Unsicherheit und nicht eindeutige Situationen werden als weniger bedrohlich empfunden. Es gibt wenige Regeln und Normabweichungen werden leichter toleriert. Argentinien und Frankreich sind Nationen mit hoher Unsicherheitsvermeidung, während Schweden und China hier eher niedrigere Ausprägungen aufweisen. 1.5.2.3 Kritik am Konzept der Kulturdimensionen Während die dargestellten Kulturdimensionen bis heute eine weite Verbreitung finden, sind sie nicht unumstritten und werden unter verschiedenen Aspekten stark kritisiert. Die Hauptkritik am Konzept der Kulturdimensionen bezieht sich auf die bipolare Anordnung von Kulturen (z. B. Individualismus vs. Kollektivismus) (vgl. Thomas/ Utler 2013: 48). Diese Anordnung impliziert eine Quantifizierbarkeit kultureller Unterschiede. Während Hall zunächst indirekt und mit einer gewissen Vorsicht Länderzuordnungen vorgenommen hat, weist Hofstede den Ländern, die er untersucht hatte, Indexwerte in einzelnen Dimensionen zu. Grundsätzlich sei diese quantitative Erfassung einer Kultur vor allem aufgrund der Komplexität von Kulturen äußerst fragwürdig (vgl. Bolten 2001: 129). Eine weitere Kritik an den Kulturdimensionen ist die Gefahr der Stereotypisierung. So kritisiert beispielsweise Bolten (ebd.: 130), dass das makroanalytische Arbeiten mit ‚Kulturdimensionen‘ zu Übergeneralisierungen führen könne: „Man erhält abstrakte Durchschnittswerte, die über konkrete Individuen und konkretes alltagskulturelles Verhalten innerhalb einer Kultur und erst recht über interkulturelles Handeln nichts aussagen.“ (ebd.) Bolten (ebd.) ist der Ansicht, dass die Arbeit mit Kulturdimensionen nur eine deskriptive und keine erklärende Funktion hat. Vor allem durch die Registrierung kultureller Spezifika, die nicht unbedingt auch verstanden werden, und die schnelle Übertragung dieser Spezifika auf einzelne Individuen kann stereotypes Handeln gefördert werden. Darüber hinaus geben die Kulturdimensionen bereits ein Spektrum an möglichen Realisationsformen einer Kultur vor und erfassen so eher der Realität des Forschers als die der untersuchten Gesellschaft. Oft werden die kulturellen Spezifika, die durch die genannten Dimensionen nicht erfassbar sind, nicht berücksichtigt (vgl. ebd.). Schließlich wird auch die Repräsentativität der Untersuchung Hofstedes in Frage gestellt. Die Daten sind ausschließlich bei Mitarbeitern des multinationalen Unternehmens IBM erho- <?page no="57"?> 58 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation ben worden. Damit bestehe die Gefahr, dass die Daten eher eine Firmenkultur abbilden, die nicht auf alle Berufs- und Lebensbereiche generalisierbar sind. Darüber hinaus stützt sich der Großteil des Datenmaterials auf Untersuchungen, die mittlerweile mehr als 40 Jahre alt sind (vgl. ebd.: 44). Die angeführten Kritikpunkte haben zwar durchaus ihre Berechtigung. Gleichwohl stellen die Kulturdimensionen einen Meilenstein in der Forschung der interkulturellen Kommunikation dar und liefern ein vielseitiges und praktisches Instrument für das bessere Verständnis interkultureller Kommunikation. In der vorliegenden Studie werden die Kulturdimensionen nicht als absolute Fakten wahrgenommen, sondern als Denkstöße. Ein weiteres Konzept, das auf dem Kategorisieren kultureller Unterschiede basiert, die sogenannten Kulturstandards, geht auf Thomas (2003) zurück. 1.5.3 Kulturstandards Die Kulturstandardforschung ist ein Feld der kulturvergleichenden bzw. interkulturellen Psychologie. Mit deren Erkenntnissen beschäftigen sich viele Wissenschaftsdisziplinen und Institute, wie z. B. die Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften. In der angloamerikanischen Forschung wird in diesem Zusammenhang von Cultural Patterns gesprochen, die als “[…] the way in which a people perceive and think about the world, and the manner in which they live in that world.” definiert werden (Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 24). Reisch (1991) schreibt Kulturstandards eine orientierende Funktion zu und definiert sie als „kulturspezifisch beschreibbare rollen- und situationsspezifische Verhaltenserwartungen, welchen (kulturspezifische) Normen zugrunde liegen, deren Nichterfüllung zur Störung der Interaktion und ggf. Sanktion des/ r Interaktionspartner/ s führen.“ (Reisch 1991: 81 f.) Thomas (2003: 25) definiert sie anhand der folgenden fünf Merkmale: ▶ Kulturstandards sind Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich und andere als normal, typisch und verbindlich angesehen werden. ▶ Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund dieser Kulturstandards gesteuert, reguliert und beurteilt. ▶ Kulturstandards besitzen Regulationsfunktion in einem weiten Bereich der Situationsbewältigung und des Umgangs mit Personen. ▶ Die individuelle und gruppenspezifische Art und Weise des Umgangs mit Kulturstandards zur Verhaltensregulation kann innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs variieren. ▶ Verhaltensweisen, die sich außerhalb der bereichsspezifischen Grenzen bewegen, werden von der sozialen Umwelt abgelehnt und sanktioniert. <?page no="58"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 59 Der Kulturstandardforschung liegt die Vorstellung von Kultur als Orientierungssystem zugrunde (vgl. Abschnitt 1.5.1). Kulturstandards zeigen Tendenzen oder Auffälligkeiten einer Gesellschaft auf einem abstrahierten und generalisierten Niveau auf und erheben nicht den Anspruch, Individuen zu beschreiben (vgl. Schroll-Machl 2013: 29). Kulturstandards werden nach erfolgreicher Sozialisation verinnerlicht und gehen soweit in die Handlungsroutine ein, dass sie nicht mehr bewusst von den Handelnden wahrgenommen werden. Erst im Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen, besonders bei unerwarteten Ereignissen und Reaktionen, können die Kulturstandards und ihre Wirkungen unter günstigen Umständen von selbst, oft aber mit Unterstützung von Anderen, bemerkt werden. Wird dieser Vorgang einer kritischen Kontrolle unterzogen, kann es zur Veränderung der eigenen Denk- und Handlungsroutine führen, was in der Regel neue Prozesse sozialen Lernens auslöst (vgl. Thomas 2003: 23). Der vorliegenden Studie liegt ein Sozialisationsverständnis von Kulturstandards zugrunde, das besonders die kulturspezifische Norm betont, welche die Erwartbarkeit und Planbarkeit von Handlungen darlegt und unterstreicht, dass die Mitglieder einer Kultur sich weitgehend darüber einig sind, dass in einer spezifischen Situation eine spezifische Verhaltenserwartung angemessen ist, deren Nichterfüllung ggf. Sanktionen nach sich zieht. Die Kulturstandardforschung basiert auf einer empirischen systematischen Herangehensweise, die im Folgenden näher beleuchtet wird. 1.5.3.1 Funktionen von Kulturstandards Für Schroll-Machl und Kammhuber (2003: 22) besteht eine bedeutende Funktion von Kulturstandards darin, dass sie als „[…] ,Denkwerkzeuge’ zur Selbst- und Fremdreflexion in interkulturellen Prozessen dienen.“ Markowsky und Thomas (1995: 7) bezeichnen sie als „die spezifischen Spielregeln des gesellschaftlichen Lebens in einer Kultur“. Thomas (2003: 30) sieht in ihnen eine Art Orientierungshilfe zur Deutung fremdkulturellen Verhaltens: Wissen und Kenntnisse über Kulturstandards, verbunden mit der Fähigkeit zum Umgang mit Kulturstandards, sowohl den eigenen wie den fremden, erhöhen die Chance zur realistischen Wahrnehmung fremdkulturellen Verhaltens, zum kulturadäquaten Verständnis für die charakteristischen Merkmale des eigenkulturellen und des fremdkulturellen Orientierungssystems und zur Initiierung, Steuerung und Kontrolle von interaktivem Verhalten. Kulturstandards eignen sich auch als Ausgangsmaterial für die Entwicklung interkultureller Trainings. Kulturstandards können in Verbindung mit prototypischen kritischen Interaktionssituationen zur Sensibilisierung und Vorbereitung auf interkulturelle Begegnungen genutzt werden (vgl. ebd.). <?page no="59"?> 60 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Die Handlungswirksamkeit der konfligierenden Kulturstandards in […] kulturell bedingt kritischen Interaktionssituationen zu erkennen und daraus Handlungsalternativen zur Erreichung einer für beide Seiten produktiven und zufriedenstellenden Kommunikation und Kooperation generieren zu können, ist ein markanter Beleg für interkulturelle Handlungskompetenz. Einerseits wird Stress abgebaut, der aus unbewältigten kulturellen Überschneidungssituationen, aus kulturell bedingt kritischen Interaktionssituationen und dem damit verbundenen tatsächlichen oder befürchteten Orientierungsverlust entsteht. Andererseits können Handlungspotenziale aufgebaut werden, es kann Handlungssicherheit, Orientierungsklarheit, Handlungsflexibilität und Handlungskreativität entstehen, bis zur Förderung kultureller Synergie. (Thomas/ Utler 2013: 55) Weiterhin entwickelt sich über die Transferwirkung eingesetzter interkultureller Handlungskompetenz ein generalisiertes Prozess- und Problemlöseverständnis, verbunden mit einem kulturadäquaten Handlungswissen (vgl. Thomas/ Utler 2013: 55 f.). 1.5.3.2 Die Generierung von Kulturstandards Eine besonders verbreitete Methode zur Generierung von Kulturstandards ist die Erhebung und Analyse sogenannter kritischer Interaktionssituationen ( Critical Incidents ). Sie zeichnen sich durch auf interkulturelle Unterschiede zurückzuführende typische Missverständnisse in Begegnungssituationen aus. Zur reibungslosen Verständigung und Kooperation fehlt den Interaktionspartnern das dafür erforderliche gemeinsam geteilte Hintergrundwissen (vgl. Thomas/ Utler 2013: 54). Aus den entstehenden Konflikten in kritischen Ereignissen kann die handlungsregulierende Wirkung der Kulturstandards ermittelt werden, da sich alle Beteiligten gemäß dem eigenen Kulturstandard verhalten, der in der Regel nicht reflektiert wird (vgl. Thomas 2003: 29). Zur Ermittlung von Kulturstandards wird eine möglichst große Anzahl an Personen, die viele Erfahrungen mit fremdkulturellen Partner/ innen in unterschiedlichen Begegnungssituationen haben, zu Schwierigkeiten und Problemen befragt, die sie immer wieder im Umgang mit ausländischen Partner/ innen beobachtet haben. Das Ziel dieser Befragung besteht darin, herauszufinden, welche andersartigen, unerwarteten, unerklärbaren Reaktionen bei den fremdkulturellen Partner/ innen wiederholt und typischerweise vorkommen und wie diese interpretiert werden (vgl. Thomas 2003: 29). Anhand dieser Sammlung erfolgt die anschließende Auswertung durch Expert/ innen, die sich sowohl in den jeweiligen Kulturen gut auskennen als auch wissenschaftlich mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Die detaillierte Untersuchung der Analyseergebnisse führt im Vergleich und in Ergänzung mit einschlägiger Forschungsliteratur zur Generierung und <?page no="60"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 61 Formulierung der zentralen Kulturstandards. Zuletzt folgt in der Regel noch eine kulturhistorische Verankerung (vgl. Thomas 2003: 30). Die Kulturstandards sind Ergebnisse von Befragungen von Personen unterschiedlicher Nationalitäten. Thomas (ebd.) weist darauf hin, dass sich mit zentralen Kulturstandards keineswegs die Gesamtheit einer Kultur beschreiben lasse, vor allem weil „[…] sie als hypothetische Konstrukte an Interaktionsprozesse im Kontext der Bewältigung kultureller Überschneidungssituationen gebunden sind.“ (Thomas/ Utler 2013: 55) 1.5.3.3 Deutsche Kulturstandards Im Folgenden soll auf die weitgehend typischen zentralen deutschen Kulturstandards näher eingegangen und ihre Relevanz für die vorliegende Studie dargestellt werden. Weiterhin soll der Zusammenhang zwischen den in Abschnitt 1.5.2 dargestellten Kulturdimensionen und den Kulturstandards aufgezeigt werden. Sachorientierung Nach Schroll-Machl (2013: 49) neigt man in Deutschland zur Sachorientierung: „Die Sache ist zunächst einmal der Dreh- und Angelpunkt des Tuns, sie hat Priorität.“ (ebd.) Bei jeder Art der Zusammenarbeit dominieren Sachinhalte, sie bestimmen den Kommunikationsstil. Die Rollen und die Fachkompetenz der Beteiligten sind ebenso ausschlaggebend und stehen im Vordergrund. Dagegen erscheinen persönliche Angelegenheiten und die Beziehungsebene nebensächlich. Um eine Basis für eine sachliche Diskussion zu schaffen, bereiten sich Deutsche in der Regel schriftlich und sehr detailliert auf fachliche Kommunikationen vor (vgl. ebd.: 49 ff.). Die Betonung auf die Sachebene und die Grundsätze dieses Kulturstandards sind z. T. bei der Kulturdimension „Kontextorientierung“ (Hall/ Hall 1987: 6) wiederzufinden und unterstreichen die Inhalts- und Beziehungsaspekte der Kommunikation (vgl. Abschnitt 1.2). Wertschätzung von Strukturen und Regeln Laut Schroll-Machl (2013: 71) drückt sich in Deutschland die Wertschätzung von Strukturen und Regeln in der Vielzahl von Regeln und deren starrer Auslegung, Vorschriften, Verordnungen und Gesetzen aus, die strikt eingehalten werden. Verstöße gegen bestehende Regeln ziehen Konsequenzen nach sich und werden bestraft. Es gibt auch zahlreiche implizite Verordnungen, die in allen Lebensbereichen insbesondere im beruflichen Leben zum Tragen kommen und in der Regel nicht hinterfragt werden (vgl. ebd.). „Deutsche lieben also Strukturen. Dahinter steckt das Bedürfnis nach einer klaren und zuverlässigen Orientierung für alle Beteiligten, nach Kontrolle über eine Situation, nach Risikominimierung <?page no="61"?> 62 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation und prophylaktischer Ausschaltung von Störungen und Fehlerquellen.“ (ebd.: 72) Daher werden Handlungen exakt und detailliert geplant. Um Abläufe optimieren zu können, bevorzugen Deutsche formelle Systeme, wie schriftliche Ausführungen und schriftliche Dokumentationen. Dementsprechend gehört zu jeder beruflichen Tätigkeit die Erledigung eines nicht geringen Maßes an Formalien (vgl. ebd.: 76). Hofstede beschreibt diesen Sachverhalt mit der Dimension „Unsicherheitsvermeidung“ (Hofstede/ Hofstede 2011: 220). In Ländern mit einem hohen Grad an Unsicherheitsvermeidung, zu denen auch Deutschland gehört, haben die Menschen ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Sie neigen dazu, die Angst vor dem Unbekannten durch die starre Auslegung von Regeln, Vorschriften und Gesetzen zu minimieren und Risiken möglichst auszuschließen (vgl. Abschnitt 1.5.2.2). Zeitplanung Zeit wird in Deutschland als ein sehr wertvolles Gut betrachtet. Um Ziele zu erreichen, werden detaillierte Zeitpläne erstellt und strikt eingehalten (vgl. Schroll-Machl 2013: 122). Zeitliche Zuverlässigkeit ist ein wesentlicher Faktor zur Vertrauensbildung und ist eine kaum zu überschätzende Variable für den Erhalt eines positiven Images als verläßlich, interessiert, professionell. Dabei ist zu beachten, daß sich zeitliche Zuverlässigkeit auf den in der Absprache vereinbarten Zeitpunkt bezieht. Kommt es zu Änderungen, müssen die Absprachen geprüft und womöglich revidiert werden. (ebd.: 129) Dementsprechend bedarf jede zeitliche Unzuverlässigkeit einer gewichtigen Begründung, denn Termine sind verbindlich und Fristen müssen eingehalten werden (vgl. ebd.). Der Kulturstandard „Zeitplanung“ kann mit den Beschreibungen der Dimension „Zeitorientierung“ (Hall/ Hall 1987: 15 f.) in Zusammenhang gebracht werden. Deutschland gehört zu den monochronen Kulturen, in denen Zeit als begrenzte Ressource betrachtet wird, weshalb Zeitplanung in Deutschland eine übergeordnete Bedeutung hat. Zwar existieren auch in polychronen Ländern Pläne, jedoch wird ihnen keine übergeordnete Bedeutung zugewiesen und sie können spontan geändert werden (vgl. Abschnitt 1.5.2.1). Internalisierte Kontrolle Schroll-Machl (2013: 94) beschreibt, dass die Mehrheit der Deutschen sich durch einen starken Hang zu Pflichtbewusstsein auszeichnet. „Deutsche […] haben generell eine starke Identifikation mit ihren Tätigkeiten, sie nehmen ihre Arbeit, ihre Rolle und Aufgaben und die damit verbundene Verantwortung sehr ernst. Ja, sie möchten das, was sie machen, gut machen und sind konzentriert bei der <?page no="62"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 63 Sache.“ (ebd.) Strukturen und Regeln wird ein moralischer Wert zugeschrieben und ihre strikte Einhaltung wird mit Zuverlässigkeit gleich gesetzt (vgl. ebd.: 95 ff.). Diese Verlässlichkeit wird nicht vorrangig durch äußere Kontrollinstanzen erreicht, sondern durch das Verinnerlichen von festgelegten Regeln und getroffenen Vereinbarungen, so dass eigenverantwortlich gehandelt werden kann (vgl. ebd.: 95). Dabei wird internalisierte Kontrolle folgendermaßen definiert: Regelorientierte, internalisierte Kontrolle bedeutet, daß alle den im jeweiligen Kontext vorhandenen Regeln, Systemen, Strukturen Folge leisten, und daß das Verhalten an den abstrakten und allgemein gültigen Vereinbarungen, Übereinkünften und Vertragsbestandteilen zu orientieren ist, also an von konkreten Personen und Situationen unabhängigen Regelungen. (ebd.: 94 f.) Folglich wird in Deutschland von jedem ein besonderes Maß an Pflicht- und Verantwortungsgefühl bezüglich der jeweils vorhandenen Struktur, Vereinbarung und Rolle erwartet. (ebd.: 108) Dieser Kulturstandard steht in Zusammenhang mit der Kulturdimension „Machtdistanz“ (Hofstede/ Hofstede 2011: 51). Die Dimension „Machtdistanz“ erfasst die Wahrnehmung der Mitglieder einer Gesellschaft von Autorität. Während Kulturen mit einer niedrigen Machtdistanz verstärkt auf Selbstverantwortung und Eigeninitiative setzen, zeichnen sich Kulturen mit hoher Machtdistanz durch die Erwartung eines autoritären Systems und Weisungen von oben nach unten sowie äußere Kontrollinstanzen aus. (vgl. Abschnitt 1.5.2.2) Trennung von Lebensbereichen Die verschiedenen Bereiche des Lebens werden bei Deutschen meist strikt getrennt. Je nachdem, in welcher Sphäre sie mit einer anderen Person zu tun haben, differenzieren sie ihr Verhalten (vgl. Schroll-Machl 2013: 143 f.) Dieser Sachverhalt spiegelt sich in verschiedenen Sprichwörtern wie z. B.: „Erst die Arbeit dann das Vergnügen! “, „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.“ wider. Mit der Trennung von Beruflichem und Privatem hängen auch die Rollendefinitionen und der Einsatz von Emotionalität und Rationalität zusammen. Rationalität dominiert das Berufsleben und stellt die Basis für Sachorientierung dar. Es gilt als professionell, Gefühle und objektive Fakten auseinanderzuhalten (vgl.: 147). Im Berufsalltag hat die Arbeit Priorität und in der Freizeit widmet man sich seiner Familie, Freunden, persönlichen Neigungen und Interessen. „Im Beruf ist ein Deutscher sachorientiert, privat beziehungsorientiert. Im Beruf ist ein Mitarbeiter zielstrebig, privat will und muß er entspannen.“ (ebd.: 144) Auch die Zeiten, die für den Beruf, und die, die für das Privatleben vorgesehen sind, werden möglichst genau eingehalten. Ein pünktlicher Dienstschluss wird angestrebt und so ist eben oft Feierabend Feierabend (vgl. ebd.). <?page no="63"?> 64 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Dieser Kulturstandard steht in Zusammenhang mit der Kulturdimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ (Hofstede/ Hofstede 2011: 97). In Kulturen, die eher individualistisch ausgeprägt sind, unterstreicht persönliche Zeit und Freiheit die Unabhängigkeit des Individuums von seiner Umgebung. Selbstverwirklichung ist ein wichtiges und legitimes Ziel der Menschen, auch wenn damit Beziehungen mit anderen Menschen beeinträchtigt werden (vgl. Abschnitt 1.5.2.2). Direktheit in der Kommunikation Der deutsche Kommunikationsstil ist durch Explizitheit und Direktheit geprägt. Man kommt ohne große Umschweife auf den Punkt und formuliert sein Anliegen in klaren Worten. Auch eine Kritik wird sachlich und direkt geäußert (vgl. Schroll- Machl 2013: 172). Dieser Kulturstandard steht mit der Kulturdimension „Kontextorientierung“ (Hall/ Hall 1987: 6) in Zusammenhang. Demnach gehört Deutschland zu den low-context Kulturen. Hier wird beim Kommunizieren die zentrale Information explizit und ohne großen Interpretationsspielraum übermittelt. Obwohl das Konzept der Kulturstandards als ein problembezogener und anwendungsorientierter Ansatz gerade für die Praxis viele Möglichkeiten anbietet und insbesondere im Rahmen der wirtschaftlichen Globalisierung gern verwendet wird, wird auch dessen Anwendung kritisch diskutiert. Im Folgenden soll auf die wichtigsten Kritikpunkte näher eingegangen werden. 1.5.3.4 Kritik am Konzept der Kulturstandards Eine grundsätzliche Kritik am Kulturstandardkonzept richtet sich auf die mangelnde begriffliche Schärfe. Nach Heringer (2007: 195) manifestiert sich im Begriff ‚Standard‘ eine generelle Gültigkeit: „schon die Rede von Standard schillert zwischen dem in manchen Sozialwissenschaften üblichen Durchschnitt und einer Norm.“ (ebd.) Diese Homogenitätsannahme steht in gewissem Widerspruch zu der dynamischen und komplexen Natur von Kultur, die sich stets in einem Prozess der Veränderung befindet. In der Folge können nach Heringer die Standards normativ an der Realität vorbeigehen (vgl. ebd.). Weiter führt er aus: Unter wissenschaftlichem Aspekt sind weder die Kulturstandards noch der Terminus in irgendeiner Weise wohldefiniert oder in den Zusammenhang wissenschaftlicher Untersuchungen eingebettet. Die diversen Definitionen und definitionsartigen Aussagen erscheinen eher als Gemischtwarenangebot, aus dem Konsumenten sich das passende aussuchen können. (ebd.: 196) Eine weitere Problematik dieses Konzepts besteht in der angewandten Erhebungsmethode. Kulturstandards werden aus spezifischen Interaktionssituationen gewonnen, die sich durch ein typisches Missverständnis im Rahmen interkultureller Begegnungssituationen auszeichnen. In die wechselseitigen <?page no="64"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 65 Zuschreibungen kultureller Eigen- und Andersartigkeit gehen daher eine Reihe von Spezifika ein, die daraus resultieren, „[…] daß die jeweiligen Partner zu einem bestimmten Zwecke in einem bestimmten Kontext zusammenkommen und dabei mit unüblichen, konfligierenden Handlungs- und Denkweisen konfrontiert werden, die sie jeweils kulturellen Gruppeneigenheiten zuschreiben.“ (Krewer 2003: 152) Solche vorschnellen kulturellen Verallgemeinerungen können entsprechend als konfliktreduzierende Fehlschlüsse interpretiert werden. Zudem spielen eine Vielzahl äußerer Bedingungen interkultureller Kontakte, wie beispielsweise Freiwilligkeit der Kontaktaufnahme, Dauer und Intensität des Kontaktes, Status der beteiligten Individuen und Gruppen, das aktuelle und konkrete Interesse, die Machtverhältnisse und Machtstrukturen, für die Bewertung und Verarbeitung von interkulturellen Situationen eine entscheidende Rolle (vgl. ebd.: 153). Hinzu kommt, dass die Beteiligten der Interaktion selbst Vertreter bestimmter kultureller Subgruppen ihrer Herkunftskultur sind, z. B. Berufs- oder Bildungsgruppen, die sich ihrerseits durch bestimmte Gruppennormen und -identitäten auszeichnen. Daher spiegeln die auftretenden Problemsituationen zunächst die konfliktträchtigen Divergenzen der beteiligten Subkulturen wider. Außerdem wird in jedem interkulturellen Kontakt eine Perspektive eingebracht, die mit einer spezifischen Zielvorstellung verbunden ist. Somit bleibt es fraglich, ob Studierende, Manager, Touristen oder Entwicklungshelfer aus derselben Herkunftskultur im interkulturellen Kontakt mit Angehörigen einer bestimmten Zielkultur die gleichen Problemsituationen und Problemzuschreibungen erleben (vgl. ebd.). Ferner wird an der ‚gezielten Reduktion auf das Typische‘ Kritik geübt. Ein Kulturstandard beruht letztlich auf der Vereinfachung einer komplexen Interaktionssituation. Daher sind Kulturstandards kaum von Stereotypen zu unterscheiden, da sie ebenso wie Stereotypen selektieren und generalisieren. Sie kontrastieren oft das Fremde und das Eigene und werden perspektivisch und vergleichend ermittelt. Somit wird dem Kulturstandardkonzept vorgeworfen, dass es eher die Bildung von Stereotypen fördert, als sie abzubauen (vgl. Heringer 2007: 196). Ein weiterer wichtiger Einwand gegen das Kulturstandardkonzept betrifft die Betonung des Konfliktpotenzials, das in interkulturellen Begegnungen stecken soll: Begibt man sich […] in eine fremde Kultur, so wird man aufgrund fehlender oder mangelhafter Kenntnis der dort wirksamen Standards das, was man im Umgang mit den Gastlandbewohnern erlebt, zunächst auf der Grundlage seiner eigenen Kulturstandards wahrnehmen, beurteilen und dementsprechend darauf reagieren. Das fremdkulturelle Verhalten wird an den eigenkulturellen Verhaltensmaßstäben gemessen. Man erwartet irrtümlicherweise von den Gastlandbewohnern mehr oder weniger das <?page no="65"?> 66 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation gleiche Verhalten, wie man es bei seinen eigenen Landsleuten gewohnt ist, und rechnet damit, daß die eigenen Handlungen dementsprechend richtig verstanden werden. (Markowsky/ Thomas 1995: 8) Diese Betonung suggeriert, dass interkulturelle Kommunikation in der Regel problembeladen ist. Daher besteht bei der Auseinandersetzung mit Kulturstandards prinzipiell die Gefahr, dass […] divergente Normierungen des Handelns, die von Beteiligten als Problem erlebt werden, fälschlicherweise der kulturellen Herkunft zugeschrieben werden, eigentlich aber Ausdruck von konkreten Interessensgegensätzen, von betroffenen Handlungsfeldern, von der jeweiligen Subgruppenzugehörigkeit oder der dominierenden Zielvorstellung sind (Krewer 2003: 155). Zudem sind selbst bei Interaktionspartnern in einem monokulturellen Umfeld Kommunikationen mit Missverständnissen, abgebrochenen Handlungen und Belastungen nicht auszuschließen, nur weil Kommunikationspartner auf der Basis desselben Orientierungssystems handeln. Darüber hinaus setzt die Standardisierung der Kulturen die Existenz einheitlicher Nationalkulturen voraus, die in Wirklichkeit und gerade in Zeiten der Globalisierung nicht bestehen. So konstatiert Welsch (2010: 39), dass „unsere Kulturen […] de facto längst nicht mehr die Form der Homogenität und Separiertheit [haben], sondern sie durchdringen einander, sie sind weithin durch Mischungen gekennzeichnet.“ Er fasst diese neue Struktur mit dem Konzept der „Transkulturalität“ zusammen und erklärt dieses auf einer gesellschaftlichen Makroebene mit dem veränderten Zuschnitt heutiger Kulturen: Zeitgenössische Kulturen sind extern denkbar stark miteinander verbunden und verflochten. Die Lebensformen enden nicht mehr an den Grenzen der Einzelkulturen von einst (der vorgeblichen Nationalkulturen), sondern überschreiten diese, finden sich ebenso in anderen Kulturen. Die Lebensform eines Ökonomen, eines Wissenschaftlers oder eines Journalisten ist nicht mehr einfach deutsch oder französisch, sondern - wenn schon - europäisch oder global geprägt. Und intern sind zeitgenössische Kulturen weithin durch Hybridisierung gekennzeichnet. Für jedes Land sind die kulturellen Gehalte anderer Länder tendenziell zu Binnengehalten geworden. Das gilt auf der Ebene der Bevölkerung, der Waren und der Information: Weltweit leben in der Mehrzahl der Länder auch Angehörige aller anderen Länder dieser Erde; immer mehr werden die gleichen Artikel (wie exotisch sie einst auch gewesen sein mögen) allerorten verfügbar; zudem machen die elektronischen Kommunikationstechniken quasi alle Informationen von jedem Punkt aus identisch verfügbar. (ebd.: 41) <?page no="66"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 67 Auf der Mikroebene erklärt er sein Konzept mit der transkulturellen Prägung der Individuen: „Die meisten unter uns sind in ihrer kulturellen Formation durch mehrere kulturelle Herkünfte und Verbindungen bestimmt. Wir sind kulturelle Mischlinge. Die kulturelle Identität der heutigen Individuen ist eine patchwork-Identität.“ (edb.: 43) Welsch (ebd.: 44) spricht in diesem Zusammenhang von der internen Transkulturalität der Individuen und betont: Man sollte nicht nur davon sprechen, dass heutige Gesellschaften unterschiedliche kulturelle Modelle in sich fassen (‚cultural diversity‘) sondern das Augenmerk darauf richten, dass die Individuen heute durch mehrere kulturelle Muster geprägt sind, unterschiedliche kulturelle Elemente in sich tragen. Weiterhin führt er aus, dass die innere Transkulturalität der Individuen sie dazu befähigt, mit der äußeren Transkulturalität besser umgehen zu können (vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der dargestellten Kritikpunkte stellen sowohl Kulturdimensionen als auch Kulturstandards umstrittene Konzepte dar. Vor allem werden die grundlegende Homogenitätsannahme der Kulturen sowie die Erhebungsmethoden, generelle Übertragbarkeit und damit die Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse hinterfragt. Der Großteil dieser Einwände bezieht sich allerdings auf alle Arten kulturvergleichender Forschung und berührt letztlich die Frage, ob Kulturen überhaupt angemessen beschreibbar und vergleichbar sind. Bolten (2001: 128) beantwortet diese Frage eindeutig negativ: ‚Objektive‘ Kulturdarstellungen gibt es nicht, und sowohl für die Innenwie für die Außenperspektive der Betrachtung gilt, dass sie es mit einem Gegenstandsbereich zu tun haben, der in seiner Komplexität nicht erfassbar ist. In beiden Fällen zwingt allein schon der Versuch, kulturelle Besonderheiten benennen zu wollen dazu, Komplexitätsreduktionen vorzunehmen. Und dies gelingt nur unter Zuhilfenahme von Kategorisierungen, die ihrerseits wiederum freilich immer relativ sind. Um es am Beispiel einer bei Kulturbeschreibungen sehr häufig verwendeten Kategorie zu verdeutlichen: Wie ‚kollektivistisch‘ eine Kultur eingeschätzt wird, hängt erstens vom Betrachterstandpunkt ab und stellt zweitens immer eine Generalisierung dar, die keineswegs auf alle Mitglieder dieser Kultur zutreffen wird. [Hervorhebungen im Original] Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Komplexität und Vielfältigkeit erscheint es besonders wichtig, sich in einer fremden Kultur mindestens grob orientieren zu können. Bolten (ebd.) stellt in diesem Zusammenhang insbesondere im Zuge der zunehmenden Globalisierung und Mobilität einen erheblichen Bedarf an „kompaktem“ Kulturwissen fest (vgl. ebd.). Nach Bittner und Reisch (1994: 197) sind Kulturen „[…] nicht nur komplexe Gebilde, sie sind auch in sich logische Gestalten. Es ist daher möglich, Orientierung über wesentliche <?page no="67"?> 68 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Grundmuster zu vermitteln, die dann […] durch eigene Erfahrung gefüllt werden kann.“ Im Konzept der ‚interkulturellen Kommunikationsfähigkeit‘ von Knapp-Potthoff (1997) wird die Rolle des allgemeinen sowie kulturspezifischen Wissens über fremde Kommunikationsgemeinschaften deutlich. Die darin aufgelisteten Strategien (1997: 202 ff.) stellen das benötigte Handlungswissen in der interkulturellen Kommunikation dar. Es liegt auf der Hand, dass das Erlernen solcher Strategien für das Gelingen der interkulturellen Kommunikation sehr hilfreich ist. Allerdings werden von Knapp-Potthoff (ebd.) keine konkreten Methoden zum Training interkultureller Kommunikationsfähigkeit vorgegeben: Über Möglichkeiten des Erlernens und Wege dazu ist hier freilich noch nichts gesagt. Eines deutet sich jedoch an: Die Entwicklung interkultureller Kommunikationsfähigkeit ist nichts, wofür jeweils Einzelphilologien zuständig wären. Mit fremden Kommunikationsgemeinschaften hat fast jeder fast ständig zu tun, mit fremden Sprachen immer öfter. (Knapp-Potthoff 1997: 203) Bezogen auf das Anliegen der vorliegenden Studie erscheint das Kulturstandardkonzept zur Ermittlung von allgemeinem und kulturspezifischem Wissen über die deutschen Kulturstandards unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen geeignet. Nach Schroll-Machl und Kammhuber (2003: 20) sind Ergebnisse der Kulturstandardforschung handlungsfeldspezifisch. Das heißt, das spezifisch erforschte und systematisch analysierte Handlungsfeld (z. B. Management, Studium, Sprachunterricht usw.) determiniert den Definitionsbereich für die generierten Kulturstandards. In verschiedenen Handlungsfeldern stellen sich sowohl unterschiedliche Aufgaben und Handlungszwänge als auch Interaktionen, die für die jeweiligen Handlungsfelder charakteristisch sind. Des Weiteren weisen die Kulturstandardforscher darauf hin, dass Kulturstandards aus einem spezifischen Erhebungsprozess gewonnen werden, der in einen bestimmten räumlichen und zeitlichen Kontext eingebettet ist. „Sie sind daher keine generelle Beschreibung einer anderen Kultur, sondern weisen auf verhaltenssteuernde Normen hin, die als anders zur Eigenkultur, d. h. hier: zur deutschen Kultur, erlebt werden.“ (ebd.: 20) Die Forscher gehen auch auf die Gefahr der Stereotypisierung ein und erklären: Kulturstandards sind kategoriale Bestimmungen und erfüllen deshalb die Funktion von Stereotypen. Sie unterscheiden sich aber von Vorurteilen gegenüber einer anderen Kultur, weil sie nicht vereinfachte, unreflektierte Bemerkungen, Meinungen und Einstellungen über eine Zielkultur widerspiegeln, sondern aus der systematischen Analyse realer und alltäglich erlebter Handlungssituationen heraus konstruiert werden. Um die Aufnahme und Verarbeitung vielschichtiger Lerninhalte wie Kultur <?page no="68"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 69 überhaupt zu ermöglichen, muss zwangsläufig eine Reduktion der Komplexität erreicht werden - ein Vorgang, der permanent in der menschlichen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung stattfindet. Genau dazu dienen Stereotypisierungen. Das führt zwar immer wieder zu Verzerrungen, aber ermöglicht erst die Orientierung in neuen Situationen. Entscheidend bleibt, wie bewusst dieser Vorgang vollzogen wird, wie realitätsnah die Stereotype konstruiert sind und wie offen sie gegenüber weiteren Differenzierungen bleiben. (ebd.) Des Weiteren betonen die Forscher, dass Kulturstandards in ihrem zeitlichen Kontext zu verstehen sind. Sie sind damit abhängig von dem sozialen Wandel, der sich in einer Gesellschaft vollzieht und können sich im Laufe der Zeit aufgrund politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Entwicklungen verändern. Bestimmte Normen können zwar in einer Gesellschaft über lange Zeitperioden bestätigt und immer wieder im Alltag produziert werden. Jedoch besteht genauso die Möglichkeit, dass sich in spezifischen Handlungsfeldern modifizierte oder sogar neue Konventionen herausbilden (vgl. ebd.: 21). Die Forscher weisen auf die Gefahr hin, dass der Umgang mit den Kulturstandards zu Missverständnissen führen kann, wenn sie, ohne ihren Entstehungsprozess und Gültigkeitsbereich zu berücksichtigen, nur oberflächlich als Handlungsregeln verstanden und angewendet werden (vgl. ebd.: 19). Daher weisen sie immer wieder auf die Grenzen dieses Konzeptes hin. Wird bei der Vermittlung der Kulturstandards jedoch ihr Gültigkeitsbereich berücksichtigt, bietet die Arbeit mit den Ergebnissen der Kulturstandardforschung zweifelsfrei folgende Vorteile: ▶ lebensnahe Strukturierung ▶ leichte Verständlichkeit ▶ gute Übersichtlichkeit ▶ einfache Memorierbarkeit (ebd.: 22) So besteht die Möglichkeit, die wesentlichen kulturell bedingten Konfliktpotentiale in der Interaktion zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen zu identifizieren und in Kulturstandards zu erfassen. Demzufolge erscheint das Kulturstandardkonzept trotz der ausgeführten Schwachstellen für den Zweck der vorliegenden Studie sehr gut geeignet. Es stellt als ein anwendungsorientierter Ansatz „eine Verbindung zwischen möglichst exakter und empirisch fundierter Erfassung der Komplexität kultureller Werte und Normen einer Gemeinschaft und deren Vermittelbarkeit für Kulturfremde dar.“ (Kammhuber/ Schroll-Machl 2003: 22) Abschließend sei erwähnt, dass Kultur zwar einen großen Einfluss darauf hat, wie wir eine Situation wahrnehmen und wie wir uns in ihr verhalten, allerdings soll man sich „vor der Gefahr [bewahren], vor lauter Kultur die Person aus <?page no="69"?> 70 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation dem Blick zu verlieren.“ (Wiechelmann 2006: 323) oder davor „fremdländische Personen als ‚kulturelle Maschinen‘ anzusehen, die sich entlang bestimmter Kulturdimensionen verhalten.“ (Layes 2003: 70). Neben dem kulturellen Einfluss sind im dynamischen Prozess der Kommunikation noch viele weitere Faktoren wie beispielsweise die Beziehung der Gesprächspartner, der soziale Anlass, der Kontext, die räumliche Umgebung usw. ausschlaggebend (vgl. Kapitel 1.1). Aufbauend auf den bisherigen Ausführungen zur Kultur soll im Folgenden der Begriff ‚Interkulturalität‘ näher beschrieben werden. 1.5.4 Zugrunde liegender „Interkulturalitätsbegriff“ Da im Alltagsdiskurs, aber auch gelegentlich in der Fachliteratur, die Begriffe ‚Multikulturalität‘ und ‚Interkulturalität‘ nicht trennscharf gebraucht werden, soll an dieser Stelle eine kurze Erläuterung dieser Begriffe folgen. Entsprechend der lateinischen Vorsilbe ‚multi‘ mit der Bedeutung ‚viel‘, vielfältig‘ bezieht sich ‚Multikulturalität‘ auf die sozialen Strukturen, die durch Zusammensetzung von mehreren Kulturen gekennzeichnet sind. Nach Bolten (2012: 39) ist ‚Multikulturalität‘ ein ‚Faktum‘, ein sozialer Tatbestand. Mit Multikulturalität wird […] eine gesellschaftliche Tatsache bezeichnet, etwas empirisch Gegebenes, nämlich die Tatsache, dass innerhalb einer Gesellschaft bzw. einer staatlich organisierten Gesellschaft/ Bevölkerung mehrere Kulturen koexistieren, sei es friedlich oder im Konflikt, sei es in einem Nebeneinander oder in einem integrierten Miteinander. Multikulturalität bezeichnet folglich ein sozio-kulturelles Charakteristikum einer Gesellschaft, ihre vielfältige kulturelle Differenziertheit, worauf diese Multikulturalität auch immer beruhen mag. (Mintzel 1997: 58) Auf die Beziehungen zwischen diesen Kulturen verweist die lateinische Vorsilbe ‚inter‘ mit der Bedeutung ‚zwischen‘ in dem Begriff ‚Interkulturalität‘. Es handelt sich hierbei um einen Prozess, bei dem Angehörige verschiedener Kulturen als Subjekte agieren und miteinander in Kommunikation treten. Interkulturalität weist dabei nichts Statisches auf, sondern vielmehr einen prozessualen Charakter (vgl. Bolten 2012: 39). Bolten (ebd.: 41) betont in diesem Zusammenhang die enge Verflechtung zwischen Kommunikation und Kultur und konstatiert: Traditionen, Interpretationsvorräte und Wissensbestände werden erst auf der Grundlage von Sprache und Kommunikation erzeugt. Und gerade weil Konventionen, Regeln, Rituale und alles andere, was als Wissensvorrat unser Handeln bestimmt, über Jahrhunderte hinweg kommunikativ ausgehandelt worden ist, bilden die Medien dieser Kommunikationsprozesse gleichsam die Nabelschnur zu der solchermaßen kommunikativ erzeugten Lebenswelt. Zu diesen Medien zählt wesentlich die Sprache. <?page no="70"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 71 Daraus zieht er die Schlussfolgerung: „Ohne Kommunikation gibt es keine (inter-)Kulturen.“ (ebd.) Durch die Kommunikation zwischen den Kulturen, zwischen Eigen- und Fremdkultur, entsteht eine kulturelle Überschneidungssituation. Im Folgenden werden diese kulturellen Überschneidungssituationen näher beschrieben. Kulturelle Überschneidungssituationen Eine kulturelle Überschneidungssituation stellt eine Situation dar, in der die Kommunikationspartner mit zwei unterschiedlichen Orientierungssystemen zu tun haben, die mehr oder weniger deutlich wahrgenommen werden (vgl. Thomas 2003: 44). Kulturelle Überschneidungssituationen entstehen dann, „[…] wenn Fremdes für das Eigene bedeutsam wird und wenn es zu wechselseitigen Beziehungen zwischen Eigenem und Fremdem kommt.“ (ebd.: 46). So entsteht, zwischen dem Eigenkulturellen und dem Fremdkulturellen […] ein Zwischenraum der Uneindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit, der bedrohlich oder/ und anregend wirken kann. Alltagssprachlich ausgedrückt, liegen hier die ,Fettnäpfchen‘ bereit, in die man geraten kann, wenn man sich auf Fremdheit einläßt, aber zu wenig über sie weiß und nichts von ihren Merkmalen und Eigentümlichkeiten versteht. (ebd.) Das Eigene und das Fremde stehen in ständigem Wechsel zueinander. Jedoch stellen sie keine Synthese, sondern Synergiepotenziale dar (vgl. Bolten 2012: 24). 1.5.4.1 Begriffsbestimmung interkulturelle Kommunikation Im Anschluss an die Klärung der Begriffe ‚Kommunikation‘, ‚Kultur‘ und ‚Interkulturalität‘ steht nun die Bestimmung des Begriffs ‚interkulturelle Kommunikation‘ im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen. Wie bereits erwähnt, existiert hierfür keine einheitliche Definition, weshalb an dieser Stelle der Versuch unternommen wird, ihn für den Kontext der vorliegenden Studie zu bestimmen - ohne den Anspruch erheben zu wollen, eine allgemein gültige Definition vorzulegen. Nach einer weiten Auffassung der interkulturellen Kommunikation wird nicht nur die interaktive Ebene, sondern auch die mediatisierte Ebene mit einbezogen, welche eine mediale Darstellungsform interkultureller Kommunikation mittels Film, Fernsehen, Radio, Internet und anderer Medien bedeutet (vgl. Lüsebrink 2012: 8). Ein enger gefasster Begriff, wie er vor allem von Linguisten vertreten wird, „[…] grenzt interkulturelle Kommunikation auf den Bereich der interpersonalen Face-to-Face-Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen ein.“ (ebd.: 7) Angesichts der angesprochenen Komplexität und der Gefahr von Missverständnissen von Kultur als statischem, homogenem Konzept <?page no="71"?> 72 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation verwendet Knapp-Potthoff (1997: 194) das Konstrukt ‚Kommunikationsgemeinschaft‘. Sie versteht darunter „Gruppen von Individuen, die jeweils über durch regelmäßigen kommunikativen Kontakt etablierte Mengen an gemeinsamem Wissen sowie Systeme von gemeinsamen Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns - m.a.W.: ‚Kulturen‘ - verfügen“. Interkulturelle Kommunikation ist also eine interpersonale Interaktion zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kommunikationsgemeinschaften, die sich hinsichtlich ihrer Wissensbestände und Formen des sprachlichen Handelns unterscheiden (vgl. ebd.). Solche Unterschiede bestehen auch schon zwischen Kommunikationsgemeinschaften innerhalb einer national oder ethnisch definierten Gesellschaft. Insofern unterscheidet sich interkulturelle Kommunikation nicht prinzipiell von intrakultureller Kommunikation (vgl. Knapp 2011: 448). Ein wesentliches Charakteristikum interkultureller Kommunikation ist jedoch damit gegeben, dass sich einer der Interagierenden normalerweise einer Sprache und Varietät bedienen muss, die nicht seine eigene ist (vgl. ebd.). Zusammenfassend ergeben sich aus den Begriffsbestimmungen von Kultur, Kommunikation und Interkulturalität sowie aus den daran anschließenden Ausführungen folgende Merkmale, die nach Hinnenkamp (1994: 51) die vorliegende Konzeption der interkulturellen Kommunikation kennzeichnen: ▶ Es gibt unterschiedliche, voneinander unterscheidbare Kulturen ▶ Kommunikationsteilnehmer sind immer auch Teilnehmer bzw. Teilhaber einer Kultur ▶ Kulturelles spiegelt sich in der Kommunikation wider (Ohne Kulturteilhabe könnte man gar nicht kommunizieren) ▶ Kulturteilhabe heißt: In einer spezifischen Weise kommunizieren ▶ Gemeinsame Kulturteilhabe erleichtert die Kommunikation, unterschiedliche Kulturteilhabe erschwert sie Kultur umfasst im anthropologischen Sinn die Gesamtheit der kollektiven Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einer Gesellschaft. Kommunikation und Kultur sind untrennbar miteinander verbunden und determinieren einander: “Culture is in language, and language is loaded with culture.” (Agar 2002: 28). Somit spiegelt sich Kulturelles in der Kommunikation wider und bestimmt, welche Verhaltensweise als ‚akzeptabel‘ eingestuft werden kann (vgl. Litters 1995: 39). Kulturelle Unterschiede zeigen sich u. a. in den unterschiedlichen Dimensionen der Kommunikation (verbal, nonverbal, paraverbal) sowie in den Gesprächsnormen. Auch in der jeweils vorherrschenden Einstellung zu Zeit und Raum, wie auch in der Dichte der Informationsnetze können sich kulturelle Unterschiede manifestieren (vgl. ebd.). Wird von der Grundannahme ausgegangen, dass diese gemeinsame Kulturteilhabe die Kommunikation erleichtert <?page no="72"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 73 und eine unterschiedliche Kulturteilhabe sie erschwert, kann der Entstehung von Missverständnissen, die auf unterschiedliche kulturelle Zugehörigkeit der Gesprächsteilnehmer zurückzuführen sind, durch eine Sensibilisierung gegenüber der Zielkultur und Wissen über ihre grundlegenden Merkmale vorgebeugt werden (vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden das Augenmerk auf das Missverständnis-Potential in der interkulturellen Kommunikation gerichtet werden. 1.5.4.2 Kulturunterschiede in der Kommunikation und ihre Auswirkungen Sobald Menschen miteinander kommunizieren, besteht die Gefahr, dass sie sich missverstehen. Missverständnisse haben komplexe Ursachen. Sie können „[…] aufgrund von Informationsdefiziten, unterschiedlichen Zielen und Erwartungen, subjektiven Befindlichkeitslagen und Situationsinterpretationen, die nicht zusammenpassen oder die nicht aufeinander abgestimmt sind, [auftreten].“ (Thomas 2003: 102) In interkulturellen Begegnungssituationen treten solche Missverständnisse in der Regel häufiger auf. Hinnenkamp (1994: 53) greift zur Erläuterung die alte Babylon-Metapher auf: „Interkulturelle Kommunikation hat mit Verstehen und Verständigung zu tun: Das Fremde verstehen und sich gleichzeitig mit der Fremde und dem Fremden verständigen. Doch der Fluch von Babylon erlaubt keine simple Heilung durch interkulturelle Kommunikation.“ Auch Bruck (1994: 355) betont, dass Konflikte zu erwarten sind, wenn unterschiedliche Kulturen ‚aufeinandertreffen‘ und weist sogar darauf hin, dass diese Konflikte nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel darstellen. Thije (2006: 1) sieht dies etwas differenzierter, wenn er schreibt: “[…] misunderstandings can frequently be found in intercultural communication, although, one could not claim that intercultural communication is constituted by misunderstanding alone.” Diese Fokussierung auf das Missverständnispotential wird jedoch besonders in den jüngeren Forschungen zur interkulturellen Kommunikation kritisiert (vgl. Dorfmüller/ Möller 2010: 9). Politisch und pädagogisch wird gefordert, die mitgebrachte Sprache und Lebensform in der interkulturellen Kommunikation als Ressource anzusehen. Dorfmüller und Möller (2010: 9) weisen darauf hin, dass in interkulturellen Kommunikationssituationen neue kommunikative Strukturen entstehen können, die es so in den jeweiligen Einzelkulturen bisher nicht gegeben hat. Es entsteht dabei also etwas Neues, Drittes, eine Synergie, die mehr sei als die Summe der einzelnen Teile. Ganz wichtig ist, dass gerade in multikulturellen Settings diese ‚dritte Kultur‘ bzw. ‚Interkultur‘ zur einzig möglichen Verständnisgrundlage werden kann. Das Entstehen einer solchen interkulturellen Kommunikation setzt eine Offenheit zum Fremdverstehen sowie eine ausgeprägte Ambiguitätstoleranz voraus, die nicht als selbstver- <?page no="73"?> 74 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation ständlich gegeben angesehen werden darf. „Bestehende Unterschiede zwischen den kulturellen Praktiken dürfen nicht verdeckt, sondern müssen im Gegenteil offen gelegt werden, um fruchtbar gemacht werden zu können.“ (Dorfmüller/ Möller 2010: 9 f.) Die Beteiligten müssen dafür in der Lage sein, Widersprüchlichkeiten und gegensätzliche Erwartungen, die durch kulturell bedingte Unterschiede auftreten können, auszuhalten, und gleichzeitig die Fähigkeit haben, eigene kulturelle Normen zu reflektieren (vgl. ebd.). Die Autoren sehen daher in interkulturellen Begegnungen eine Chance: In der Begegnung mit dem Anderen, mit der Alterität, liegt die Chance, in einen Spiegel zu sehen, und das eigene Selbstbild deutlicher und klarer zu erkennen als zuvor. Ohne Konfrontation bestünde keine Notwendigkeit dazu, sich selbst quasi von außen, mit anderen Augen zu sehen. Indem das Fremde vertrauter wird und das Vertraute ein Stück weit fremd, ist die Möglichkeit gegeben, dass die Interagierenden über sich selbst Neues lernen. (ebd.: 10) Damit drücken sie zwar das Potenzial aus, das jede interkulturelle Begegnung in sich birgt, allerdings wäre zu hinterfragen, inwieweit dieses Potenzial von den Beteiligten tatsächlich auch erfasst wird. Um dieses Synergiepotenzial in interkulturellen Begegnungssituationen erkennen und auswerten zu können, müssen die Beteiligten „[…] einerseits eine klare eigenkulturelle Orientierung besitzen, andererseits Kenntnisse und Verständnis für fremdkulturelle Orientierungssysteme erworben haben und die erforderlichen interkulturellen Kompetenzen besitzen.“ (Thomas 2003: 58 f.) Würde davon ausgegangen, dass die hier geforderten Qualifikationen in jeder interkulturellen Begegnung tatsächlich vorhanden sind und die angesprochenen Ressourcen wirklich oft mobilisiert werden, dann würden diese Annahmen und die damit verbundenen Erwartungshaltungen in der Realität zu einer gewissen Enttäuschung führen. Interkulturalität als Chance und Ressource zu betrachten, ist zweifellos politisch korrekter, aber dies geht bisher noch oft an der Wirklichkeit vorbei. Deshalb erscheint es im Rahmen der vorliegenden Studie schlüssiger, die problematischen Aspekte interkultureller Kommunikation in den Mittelpunkt zu rücken. Thomas (2003: 13) formuliert dies pointierter, wenn er schreibt: Ob die kulturellen Unterschiede aus individueller Sicht nun als Belastung oder als Bereicherung erfahren und behandelt werden, ändert nichts an der Tatsache, dass es sie gibt, dass sie auf das Wahrnehmen, Denken, Empfinden und Verhalten einwirken und die Kommunikation und Kooperation zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen nachhaltig beeinflussen. Wer versteht, was hier geschieht, sowohl beim fremdkulturellen Partner wie bei sich selbst, warum sich vieles so und nicht anders vollzieht <?page no="74"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 75 und wie man mit kulturellen Differenzen so umgehen kann, dass sie die eigene und die gemeinsame Zielerreichung fördern und nicht behindern […], der hat gegenüber anderen Formen des Umgangs mit interkultureller Fremdheit einen produktiven Gewinn erzielt. (Thomas 2003: 13) Überzeugt von diesem angesprochenen Gewinn der Beschäftigung mit kulturellen Differenzen liegt der Fokus in den nächsten Abschnitten auf den potenziellen Missverständnissen, die in jeder interkulturellen Kommunikationssituation angelegt sind. Agar spricht in diesem Zusammenhang von rich points , auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Anschließend werden für Missverständnisse besonders anfällige Bereiche der interkulturellen Kommunikation vorgestellt. Rich points nach Michael Agar (1994) Als rich points bezeichnet Michael Agar (1994/ 2002) Momente in der Kommunikation, die besonders problemanfällig sind. Sie treten sowohl innerhalb einer Kultur als auch kontrastiv im Vergleich zweier Kulturen auf. [ Rich points ] demonstrate variation among different social identities - between investors and academics, between men and woman, between workers and entrepreneurs, and between socialists and conservatives. And these identities, born of economics, gender, and politics, only tap a long, long list (Agar 2002: 223). Für Agar sind Sprache und Kultur untrennbar miteinander verbunden und determinieren einander (vgl. Agar 2002: 28). Aus diesem Grund prägte er den Begriff ‚languaculture‘, eine Wortverbindung aus ‚language‘ und ‚culture‘ und beschreibt ihn so: “The Langua in languaculture is about discourse, not just about words and sentences. And the culture in languaculture is about meanings that include, but go well beyond, what the dictionary and grammar offer”. (ebd.: 96) Demzufolge kristallisieren sich rich points zwar häufig in Wörtern, aber eben auch in grammatischen Strukturen, Satzstrukturen, Diskurskonventionen, unterschiedlichen Höflichkeitssystemen oder unterschiedlich strukturierten Schemata und Sprecherwechseln (vgl. ebd.: 174; 179). Die entstehenden Missverständnisse sind normalerweise schwer zu erklären. Dazu schreibt Agar: When two languacultures come into contact, yours and theirs the most interesting problems […] are the vertical cliffs. These cliffs are difficult because - on one side of the barrier or another or perhaps on both sides - the problematic bit of language is puttied thickly into far-reaching networks of association and many situations of use. When one grabs such a piece of language, the putty is so thick and so spread out that it’s almost impossible to lift the language out. (Agar 2002: 99 f.) <?page no="75"?> 76 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Rich points deuten somit auf Wissenslücken hinsichtlich der anderen Kultur hin und sind leicht zu erkennen. Sie kommen vor, wenn man ganz plötzlich nicht weiß, was los ist (vgl. ebd.: 106). Agar skizziert unterschiedliche Möglichkeiten für den Umgang mit rich points : You can ignore it and hope that the next thing will make sense. You can number on it to death, take it as evidence that the rich point only confirms that whoever produced it is deficient in some way. Or you can wonder - wonder why you don’t understand, wonder if some other languaculture isn’t in play, wonder if how you thought the world worked isn’t just one variation on countless themes. (ebd.) Nach der Vorstellung der rich points werden im folgenden Abschnitt die für Missverständnisse besonders anfälligen Bereiche der interkulturellen Kommunikation ins Zentrum gerückt. Sensible Bereiche der interkulturellen Kommunikation Menschen greifen beim Kommunizieren in der Regel unbewusst auf die eigenen Regeln der Kommunikation zurück, weshalb auch das fremdkulturelle Handeln auf dieser Grundlage interpretiert wird (vgl. Müller-Jacquier 2000: 26). Die Diskrepanz zwischen zwei Kulturen birgt die Gefahr von Missverständnissen in sich und kann als Ursache kulturell bedingter Kommunikationsprobleme erfasst werden. Es gibt mehrere Versuche der Kategorisierung typischer interkultureller Interaktionsprobleme (z. B. Földes 2007; Knapp 2011; Hoffman 2015; Müller-Jacquier 2000). Diese Modelle weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf und dokumentieren ähnliche Kategorien, die unterschiedlich ausgelegt und bezeichnet werden. Das Modell von Müller-Jacquier (2000) ist mit seinen zehn Komponenten am umfangreichsten und soll daher im Folgenden vorgestellt werden. Ergänzend wird danach auch auf das Modell von Hoffman (2015) eingegangen. Bei beiden Modellen wird zusätzlich auf Beispiele und Erläuterungen anderer Modelle zurückgegriffen. 1.5.4.2.1 Interkulturelle Kommunikationsprobleme nach Müller-Jacquier (2000) Nach Müller-Jacquier (2000: 25) bringen bestimmte Konstellationen von Ausgangskulturen in interkulturellen Situationen ähnliche „patterns of interaction“ und damit bestimmte Typen von Problemen der entstandenen „InterKulturen“ hervor. Basierend auf der Annahme, dass diese mit einem kulturneutralen Raster, das ein systematisches Abfragen möglicher Gründe von kulturell bedingten Kommunikationsproblemen ermöglicht, adäquat erfasst werden können, hat er einen umfassenden Kriterienkatalog zu Typen interkultureller Kommunikationsprobleme zusammengestellt, der im Folgenden näher beschrieben werden soll. Müller-Jaquier (ebd.: 26) weist darauf hin, dass die Kategorien zwar auf- <?page no="76"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 77 grund der Gliederungssystematik einzeln aufgeführt werden müssen, in der Handlungspraxis jedoch nicht scharf voneinander zu trennen sind und sich teilweise überlappen. So hängt z. B. die Wahl bestimmter Sprechhandlungen von der Wahl bestimmter Themen ab, die wiederum Konventionen der Direktheit bzw. Indirektheit unterworfen sind (vgl. ebd.). 1. Soziale Bedeutung/ Lexikon ‚Soziale Bedeutung‘ und ‚Lexikon‘ werden in der Kognitionspsychologie als Hinweis darauf verstanden, „[…] dass co-participants mit Wörtern soziale Repräsentationen zum Ausdruck bringen und ebensolche beim andern evozieren. Solche hier auch als Begriffe bezeichneten Vorstellungsmuster sind kulturenspezifisch ausgeprägt.“ (Müller-Jacquier 2000: 27) Dementsprechend kann die fehlende Äquivalenz eines Begriffs offensichtlich Probleme in der interkulturellen Kommunikation hervorrufen. Auch Unterschiede bei den mit einem Wort verbundenen Konnotationen können die interkulturelle Kommunikation stark beeinträchtigen. Ein typisches Beispiel hierfür sind die unterschiedlichen Vorstellungen zum Begriff ‚Konzept‘ im Deutschen und in anderen Sprachen wie z. B. dem Französischen. Während ein ‚Konzept‘ im Deutschen in der Regel eine planmäßig durchstrukturierte Vorlage beschreibt, die meistens schriftlich dokumentiert ist, stellt ein concept im Französischen die Zusammenstellung sehr vorläufiger Überlegungen dar, die als erste Grundlage für ein gemeinsames Brainstorming fungiert (vgl. Müller-Jacquier 2000: 27). Bei Unkenntnis dieser Konnotationen sind die jeweiligen Erwartungen unterschiedlich und können beispielsweise bei einer wirtschaftlichen Kooperation zwischen Deutschen und Franzosen oder bei einer Gruppenarbeit an der Universität schnell zum Misslingen führen (vgl. ebd.). Dies verlangt von den Interagierenden in interkulturellen Situationen eine sehr genaue Beachtung möglicher unterschiedlicher, kognitivemotionaler Repräsentationen von Wortbedeutungen, die sie aus den (kontextualisierten) Äußerungen ihrer Interaktionspartner erschließen müssen (vgl. ebd.). 2. Sprechhandlungen/ Sprechaktsequenzen „Jeder Sprechakt spiegelt die zur jeweiligen Kultur gehörenden Normen und Werte wider.“ (Probst 2003: 215) Dementsprechend weisen Sprechakte und Sprechaktsequenzen kulturbedingte Unterschiede in ihrem Vorkommen und ihrer Realisierung auf, was in der interkulturellen Kommunikation zu Irritationen führen kann. Als Beispiel führt Knapp (2011: 451) etwa den Umgang mit Gefälligkeiten und Komplimenten an. Während sich im westlichen Kontext üblicherweise für eine Gefälligkeit bedankt wird, wird hier beispielsweise in der japanischen Kultur der Sprechakt der Entschuldigung erwartet (vgl. ebd.). Das <?page no="77"?> 78 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Kompliment wird als völlig unverdient zurückgewiesen und es wird sich wegen der Mühe entschuldigt, die dem Anderen bereitet wurde (vgl. Müller/ Gelbrich 2014: 210). Der Umgang mit Komplimenten hat also eine kulturelle Basis. „Der Wert oder Status eines Kompliments kann […] auf einem Kontinuum mit den Polen ‚übliche, notwendige sprachliche Äußerung’ (Kamerun, Arabische Länder, Spanien) bis hin zu ‚gesichtsbedrohendem Sprechakt’ (Samoa, Japan) angeordnet werden.“ (Grein 2008: 19) So treten Komplimente in manchen Kulturkreisen öfters auf und stellen eine relativ einfache und sehr oft erfolgreiche Form der Gesprächseröffnung, Kontaktpflege und Gesprächslenkung dar, während sie in anderen Kulturkreisen sehr sparsam angewendet werden (vgl. ebd.). 3. Gesprächsorganisation/ Konventionen des Gesprächsverlaufs Der Ablauf bzw. die Struktur eines Gesprächs folgt ebenfalls kulturspezifischen Regeln. So unterliegt es kulturspezifischen Konventionen, welche Begrüßungsformel zur Gesprächseinleitung genutzt oder mit welchen Abschiedsformeln es abgeschlossen wird, wie die Gesprächsbeiträge organisiert, wie die Haupt- und Hintergrundinformationen strukturiert und wie die ‚gegebenen‘ bzw. ‚neuen‘ Informationen gekennzeichnet werden (vgl. Günthner 1993: 300; Knapp 2011: 416). Als Beispiel hierfür kann die unterschiedliche Länge der Begrüßungsformel angeführt werden. Während in der deutschen und in der Mehrzahl der europäischen Kulturen kurze Begrüßungsformeln insbesondere bei offiziellen Gesprächen üblich sind und ein relativ rasches ‚Zur-Sache-Kommen‘ erwartet wird, umfassen Begrüßungsrituale in afrikanischen Kulturen auch Fragen nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden des Gesprächspartners sowie seiner engeren und weiteren Familienmitglieder (vgl. Lüsebrink 2012: 51). Ein weiterer sensibler Bereich der interkulturellen Kommunikation stellt die Abschlussphase eines Gesprächs dar, was u. a. daran liegt, „[…] daß jeder Beendigungsversuch der Bestätigung durch den bzw. die Gesprächspartner bedarf; erst dann kann es zur Beendigung des Gesprächs kommen“. (Brinker und Sager 2006: 104). Levinson (2000: 343 f.) bezeichnet die Beendigungsphase von Gesprächen generell als […] eine heikle Angelegenheit, weil es zum einen zeitlich so abgestimmt sein muß, daß keiner Partei die Gelegenheit zum Sprechen entzogen wird, obwohl sie gerne was sagen wollte, und weil überhastete wie auch stark hinausgezögerte Gesprächsabschlüsse die Teilnehmer möglicherweise zu unerwünschten Schlüssen über die Art ihrer Beziehung verleiten. Die Mittel zur Strukturierung der Beendigungsphase sind auf diese Probleme fein abgestimmt. Werden die typischen Beendigungssignale nicht wahrgenommen bzw. falsch interpretiert, kommt es zu Missverständnissen. Ebenso weisen die Konventio- <?page no="78"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 79 nen des Redewechsels kulturspezifische Besonderheiten auf. Während in Nordeuropa Redeunterbrechungen in der Regel als unhöflich gedeutet werden, gibt es Kulturen, in denen größtenteils überlappend kommuniziert wird. So hat von Helmolt (1997) in ihrer kulturkontrastiv angelegten Untersuchung festgestellt, dass Deutsche im Vergleich zu Franzosen weniger überlappend sprechen. Während im Deutschen Unterbrechungen meist zur Dissens-Markierung erfolgen, wird im Französischen häufiger zustimmend „unterbrochen“ (vgl. von Helmolt 1997: 81 ff.). Wenn also Franzosen in einer interkulturellen Kommunikation mit deutschen Kommunikationspartner/ innen durch Unterbrechungen ihr Interesse am Gespräch ausdrücken möchten, können dies Deutsche als ein unhöfliches ‚ins Wort fallen‘ interpretieren und eventuell ihren Redebeitrag abbrechen (vgl. Lüsebrink 2012: 52). 4. Themen Kulturbedingte Unterschiede sind auch hinsichtlich der Auswahl von Gesprächsthemen festzustellen. Diese wirken sich darauf aus, welche Themen in welchen Situationen mit welchen Kommunikationspartner/ innen angesprochen werden dürfen und welche in bestimmten Gesprächssituationen mit bestimmten Kommunikationspartner/ innen eher vermieden werden sollten (vgl. Müller-Jacquier 2000: 31). Beispielsweise sind religiöse und politische Themen in manchen asiatischen Ländern wie China tabuisiert und werden vermieden. Dagegen gehören dort Fragen nach dem Familienstand, den Kindern, dem Alter, Gehalt bzw. Verdienst oder Eigentum zu gängigen Gesprächsthemen, die bei deutschen Kommunikationspartner/ innen wiederum eventuell zu Irritationen führen können (vgl. Müller-Jacquier 2000: 31; Lüsebrink 2012: 53). 5. Direktheit/ Indirektheit Ein weiterer Bereich, der in interkulturellen Kommunikationen Missverständnisse hervorrufen kann, ist der Grad der Direktheit des Kommunikationsstils. Als Beispiel kann der unterschiedliche Direktheitsgrad beim Äußern von Widerspruch angeführt werden. Während in vielen westlichen Kulturen, wie z. B. in der deutschen Kultur, Nicht-Übereinstimmung bzw. Widerspruch tendenziell explizit und direkt geäußert wird, zeichnen sich asiatische Kulturen durch eine hohe Indirektheit in der Signalisierung von Dissens aus (vgl. ebd.). Dort wird den Kommunikationspartner/ innen zunächst zugestimmt und erst im nächsten Redebeitrag vorsichtig eine abweichende Position formuliert. Aus diesem Grund könnte beispielsweise eine Studierende aus einer asiatischen Kultur auf die direkte Formulierung einer Lehrenden „Das ist völlig unakzeptabel! “ in einer Sprechstunde zu einer ersten Hausarbeit vollkommen entsetzt reagieren. <?page no="79"?> 80 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation 6. Register Müller-Jacquier (2000: 33) bezeichnet das Register als die komplizierteste Kategorie des Interagierens in interkulturellen Situationen. Mit Register sind ‚funktionale Sprachvarianten‘ oder Formulierungsalternativen gemeint, die Interaktionspartner in Abhängigkeit von folgenden Aspekten verwenden: ▶ Situation (stark ritualisiert bis informell), ▶ Alter der Anwesenden, ▶ Status des Anzusprechenden, ▶ Machtposition des Gegenübers, ▶ Geschlecht der Anwesenden, ▶ gewählte Register-/ Sprachebene der Co-Participants (formell-informell) (ebd.) Alle Beteiligten bemühen sich i. d. R. durch die Wahl des entsprechenden Registers eine angemessene Situation zu konstituieren, Beziehungen zu definieren und zu bestätigen. Die situativ angemessene Auswahl eines bestimmten Registers ist kulturell ritualisiert (vgl. ebd.). Gerade bei Erstbegegnungen kommt der Verwendung der situationskonstituierenden Register eine hohe Bedeutung zu, um die bestehenden Status- und Machtbeziehungen zu berücksichtigen oder sie überhaupt erst zu beanspruchen. Betritt ein Ausländer das Büro eines deutschen Managers, mit dem er verabredet ist, und äußert er dabei „Guten Tag! “, so kann es passieren, dass der Deutsche im gleichen Moment „Ich grüße Sie, Herr Leblanc! “ sagt und damit ein anderes Register mit entsprechendem Beziehungspotential benutzt. (ebd.: 33) Eine solche gelegentlich auch nur minimal andere Registerverwendung lässt daher im Allgemeinen auf eine abweichende Einschätzung der Situation bzw. Beziehung schließen. Müller-Jacquier (2000: 33) betont: „In der Regel deutet eine solche manchmal nur geringfügig - andere Registerverwendung also auch eine andere Definition der Situationsbzw. Beziehungseinschätzung an“ (ebd.: 34). Beispielsweise haben Alter und Geschlecht in Deutschland einen geringeren Einfluss auf die Registerwahl als in manchen asiatischen Ländern wie China (vgl. ebd.). 7. Paraverbale Faktoren Paraverbale Faktoren umfassen sprachliche Komponenten wie Stimmlage, Tonfall, Intonation und das Sprechverhalten wie Artikulation, Lautstärke, Sprechtempo und Sprachmelodie einschließlich Sprechpausen und Schweigen. Diese Komponenten drücken in der Kommunikation Befindlichkeiten wie Un-/ Freundlichkeit, Un-/ Bestimmtheit, Unsicherheit/ Überzeugungskraft oder Trauer/ Glück aus und können in interkulturellen Begegnungen unterschiedlich interpretiert <?page no="80"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 81 werden. Beispielsweise werden längere Pausen in Deutschland als Unsicherheit interpretiert; treten längere Pausen auf, so werden sie als peinlich empfunden, weshalb die Interaktionspartner nach einem Überbrücken von Pausen streben (vgl. Müller-Jacquier 2000: 34). Während in westlichen Kulturen eine leicht über dem Durchschnitt liegende Lautstärke positiv gewertet und mit Attributen wie Durchsetzungsvermögen, Willenskraft, Überzeugung u. ä. verbunden wird, ist im asiatischen Kulturkreis eine leise, ohne Akzentuierung und Tonhöhenmodulierung das übliche Register (vgl. ebd.: 35 f.). 8. Non-verbale Faktoren Bei non-verbalen Faktoren handelt es sich um den nichtsprachlichen Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation. Darunter werden die Körpersprache vor allem Mimik, Gestik, Augenkontakt sowie Körperdistanz (Proxemik) verstanden, aber auch Zeichen, Symbole, Kleidung und Frisur. Der größte Teil der nonverbalen Signale wird unbewusst gesendet und kann von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich sein (vgl. ebd.: 36). Nonverbale Ausdrucksmomente verleihen den verbalen letztendlich die gemeinte Bedeutung, z.T. bei deutlicher Modifikation der verbalen Aussage. Müller-Jacquier (2000: 36) beschreibt die Rolle der nonverbalen Kommunikationselemente als „gleichberechtigt in der Funktion und dennoch anteilsmäßig je unterschiedlich in konkreten Interaktionssituationen“. Die nonverbalen Elemente einer Äußerung werden nicht als Begleitphänomene eines Dialogs angesehen, sondern als Kommunikationselemente, die mit den sprachlichen Elementen eng zusammenwirken, um ein „Gesamtereignis“ hervorzubringen. Der Einsatz nonverbaler Elemente in der Kommunikation und ihre Wechselwirkungen können im konkreten Kommunikationsakt sehr unterschiedlich ausfallen. So kann eine voneinander isolierte Analyse verbaler und nonverbaler Elemente zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ein Bereich, der in der nonverbalen, interkulturellen Kommunikation oft zu Verwirrung führt, ist die sogenannte Proxemik als Konvention des als „normal“ empfundenen Körperabstands und der räumlichen Anordnung von Dingen allgemein (vgl. hierzu auch die Raumorientierung von Hall in Abschnitt 1.5.2.1). Menschen reagieren in unterschiedlichen Kulturen auf die Verletzung ihres imaginären Raumempfindens unterschiedlich empfindlich. Laut Müller-Jacquier (2000: 37) ist die Wirkung kulturell unterschiedlicher kommunikativer Regeln im Bereich der Proxemik deutlich stärker als in anderen, aber zugleich weniger bewusst. Menschen sind in der Regel „bei Verletzungen der Proxemik […] eher geneigt, psychologische Attributionen zu vollziehen, als in anderen, bewussteren Kategorien der Interaktion und sie interpretieren das feine Regelwerk intentionaler und nichtintentionaler nonverbaler Handlungen leicht falsch.“ (ebd.) <?page no="81"?> 82 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation 9. Kulturspezifische Werte/ Einstellungen Kulturspezifische Wertorientierungen leiten das Handeln von Individuen, und auf ihrer Grundlage wird das Handeln anderer Menschen beurteilt (vgl. Müller-Jaquier 2000: 81). Diese Kategorie der kulturspezifischen Werte wirkt sich auf alle vorher beschriebenen Kategorien aus (vgl. ebd.). Um die Frage zu beantworten, inwieweit Verhalten auf kulturspezifische Wertorientierungen zurückgeht, bezieht sich Müller-Jaquier (ebd.) auf empirische Arbeiten von Hofstede und Thomas, die in der vorliegenden Arbeit bereits in Abschnitt 1.5.2 und 1.5.3 ausführlich diskutiert worden sind. 10. Kulturspezifische Handlungen Kulturspezifische Handlungen bilden eine Sonderkategorie. Zwar könnten sie in einzelne der Kategorien 1-8 eingeordnet werden, jedoch erhalten sie einen besonderen Status dadurch, dass sie aus der Fremdperspektive als prototypische Handlungen einer Kultur angesehen werden (vgl. ebd.: 39). Kulturspezifische Handlungen sind solche, die aus einer Fremdperspektive als prototypische Handlungen für die Vertreter einer bestimmten Kultur angesehen werden (vgl. ebd.). In verschiedenen Kulturen gelten unterschiedliche Regeln, was in bestimmten Situationen zu tun oder zu unterlassen ist. Umfragen und Interviews ergeben eine Reihe von immer wieder genannten Handlungen, die als situativer Erfahrungsbeleg für grundlegende Wertorientierungen Kulturstandards herangezogen werden (vgl. ebd.). Müller-Jaquier (ebd.: 39) warnt jedoch bei der Darstellung einer Auswahl typischer Handlungen bzw. Unterlassungen vor jeglicher Kausalverbindung: „Zu groß ist die Neigung vieler, als Strategie der Verarbeitung von Fremderfahrung Fremdes vor allem auf Einzelaspekte oder -handlungen zu reduzieren und die letzteren in einen Kausalzusammenhang mit generalisierten, teilweise historisierend garnierten Wertorientierungen zu bringen.“ (ebd.) Müller-Jaquier (vgl. ebd.) bringt dann zur Veranschaulichung Beispiele einzelner Handlungen, die Ausländern in Deutschland auffallen, ohne Begründungshypothesen aufzuführen. So werden, bestimmte Handlungen als „typisch deutsch“ wahrgenommen. Beispielsweise: sich laut die Nase schnäuzen; auf der Straße und zu jeder Zeit essen, bei der Ankunft im Wirtshaus auf den Tisch klopfen (um alle am Tisch zu begrüßen). Es gibt auch „typisch deutsche“ Handlungsunterlassungen: Beispielsweise zu bestimmten Zeiten öffentlich „arbeiten“ (sonntags Rasen mähen). Der Kriterienkatalog von Müller-Jaquier (ebd.) bildet eine gute Basis für die Analyse von Kommunikationsabläufen und eignet sich für die Aufklärung von Störungen der interkulturellen Kommunikation. Neben dem Modell von Müller- Jacquier mit seinen zehn Komponenten ist auch das von Hoffman vorgestellte Modell ein gut geeignetes Instrument zur Analyse interkultureller Kommunikation. <?page no="82"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 83 1.5.4.2.2 Das TOPOI-Modell von Hoffman (2008) Im systemtheoretischen Ansatz zu interkultureller Kommunikation von Hoffman (2008/ 2015) stehen die Sprache und die Besonderheit der Persönlichkeit im Vordergrund. Das TOPOI-Modell umfasst in Anlehnung an Watzlawick u. a. (1974) die fünf Dimensionen Taal (Sprache), Ordening (Ordnung), Personen (Personen), Organisatie (Organisation) und Inzet (Einsatz). Darüber hinaus bietet es verschiedene kommunikative Interventionsstrategien (vgl. Hoffman 2015: 136). Die sozialen Repräsentationen beeinflussen alle fünf Dimensionen des Modells und sind von besonderer Relevanz. Dem Einfluss der sozialen Umgebung auf die Kommunikation, auf das Denken sowie auf die Einstellung der Kommunikationspartner/ innen wird eine hohe Bedeutung beigemessen (vgl. ebd.: 137 f.). Die Dimension Taal (Sprache) Die Dimension Sprache umfasst sowohl die verbale als auch die non-verbale Sprache. In diesem Bereich können der Grad der Sprachbeherrschung sowie Unterschiede im Sprachhintergrund Missverständnisse verursachen (vgl. Hoffman 2015: 138). Besondere Bedeutung kommt dabei dem sprachlichen Ausdruck von Höflichkeit zu. In jeder Kultur gibt es eine Reihe von sprachlichen Strategien wie Indirektheit, kompensierende Handlungen, Vermeidungsrituale und entsprechende sprachliche Formen, die eingesetzt werden können und deren Verwendung erwartet wird (vgl. ebd.). Beispielsweise wirkt im Deutschen eine als Frage formulierte Aufforderung freundlicher, höflicher und weniger direkt als eine Aufforderung im Imperativ. Eine solche Frage wird z. B. mit einem Modalverb im Konjunktiv formuliert. So ist die in einer Frage formulierte Aufforderung „Könntest du mir das Buch leihen? “ weniger direkt und durchaus höflicher als „Leih mir das Buch“. Mit Partikeln und Satzadverbien lassen sich solche Aufforderungen weiter modulieren: „Könntest du mir mal das Buch leihen? “. Lüger (2002: 11) konstatiert, dass der Sprecher mit dem Einsatz verschiedener Modulierungen zum Ausdruck bringen könne, dass seine Äußerung nicht nur als Aufforderung zum Vollzug einer bestimmten Handlung interpretiert werden kann, sondern auch als Wertschätzung des Hörers und als Rücksichtnahme auf dessen persönliche Sphäre. Neben der angesprochenen Formulierungsebene stellt auch die interaktive Einbettung einer Aufforderung eine Höflichkeitsstrategie dar. Es ist von besonderem Belang, wie eine Aufforderung vorbereitet und wie sie im Gespräch umgesetzt wird (vgl. Lüger 2002: 13). Dementsprechend wird eine Aufforderung nicht direkt formuliert, sondern zuvor mit einer sogenannten ‚Vorbitte‘ (ebd.) angekündigt. Typische Formulierungen hierzu wären: „Darf ich Sie um einen Gefallen bitten? “, „Haben Sie einen Augenblick Zeit? “, „Darf ich Dich etwas fragen? “, „Kannst Du mir einen Gefallen tun? “. <?page no="83"?> 84 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Eine Aufforderung mit einem hohen Ablehnungsrisiko wird in der Regel nicht im Ganzen vorgetragen, sondern soll am Besten in mehreren Schritten entfaltet werden, was zu einem dementsprechend höheren kommunikativen Aufwand führt (vgl. ebd.). Der Bereich der non-verbalen Sprache ist durch Mehrdeutigkeit gegenzeichnet und kann besonders in interkulturellen Gespräch leicht zu Missverständnissen führen. Hoffman (2008: 139) zählt hierzu beispielhaft den persönlichen Abstand anderen gegenüber, die Körpersprache, das Zeigen von Aufmerksamkeit während eines Gesprächs, die Art zu grüßen, den Erzählstil, das Lachen, die Kleidung, den Stimmgebrauch, die Art zu gehen und sich zu bewegen und die Einrichtung des Raums. Die Dimension Ordening (Ordnung) Bei dieser Dimension geht es um die persönliche Wahrnehmung der Wirklichkeit, die jeder aufgrund von Unterschieden in Biographie, Sozialisation und Position auf seine eigene Art und Weise ordnet (vgl. Hoffman 2015: 140). Unterschiedliche Sichtweisen auf die Wirklichkeit können in der interkulturellen Kommunikation zu Konflikten führen. Ein Risiko besteht darin, dass man davon ausgeht und es für selbstverständlich hält, dass der Gesprächspartner die gleiche Logik verfolgt und dieselbe Sichtweise hat (vgl. ebd.). In der interkulturellen Kommunikation ist es daher besonders wichtig, dass Unterschiede nicht als ein Streit um die Wahrheit, sondern als Unterschiede in Sichtweisen, Wissen und Kontext aufgefasst werden. Die Dimension Personen (Personen) Diese Dimension umfasst den Beziehungsaspekt in der Kommunikation und unterstreicht die Einzigartigkeit der Person. Hoffman (ebd.: 142) beschreibt dies so, dass sich die Interagierenden in der Kommunikation ständig den Spiegel vorhalten, wie sie sich selbst, den anderen und ihre Beziehung sehen. Die Rollenerwartungen, die sich an ein Individuum richten, unterscheiden sich dabei von Kultur zu Kultur. So besteht in der interkulturellen Kommunikation die Gefahr, dass die Erwartungen an den anderen nicht erfüllt werden, wenn sich die Rollendefinitionen stark voneinander unterscheiden (vgl. ebd.). So wäre es beispielsweise eine Fehleinschätzung, wenn die Lehrenden davon ausgehen, dass alle Studierenden unabhängig von ihrer kulturellen Prägung selbstständig und eigenverantwortlich handeln können. Die Dimension Organisatie (Organisation) Jede Kommunikation findet in einem bestimmten organisatorischen Zusammenhang statt und ist davon beeinflusst. Hoffman (2015: 143) unterscheidet zwischen dem Mikroniveau, welches die konkrete Gesprächssituation umfasst, wie <?page no="84"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 85 z. B. die Raumgestaltung, den Zeitrahmen und die Prozedur, dem Mesoniveau, das die Regeln und Prozeduren der Institution umfasst, sowie dem Makroniveau, welches etwa die gesetzlichen Regelungen, beschreibt. Ein typisches Beispiel in Bezug auf die Organisation ist das Zuspätkommen oder Nichterscheinen zu vereinbarten Terminen. Die Dimension Inzet (Einsatz) Der niederländische Begriff ‚Inzet‘ lässt sich kaum ins Deutsche übersetzen. Wörtlich bedeutet er ‚Einsatz‘ und meint „die täglichen zahllosen Anstrengungen und Absichten von Menschen in ihrem Engagement für andere Menschen, die zugrundeliegenden Motive und Beweggründe von Menschen“. (ebd.) Es geht somit um die tragenden Fundamente von Haltung, Neigung und das Verhalten des Individuums und stellt die Quellen der Motivation sowie die persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Aufgaben dar, für die sich jede Person in ihrem täglichen Leben einsetzt. Das angeführte Modell von Hoffman (2015) ist in Anlehnung an die Kommunikationstheorie von Watzlawick (1969) entwickelt worden (vgl. Hoffman 2015), womit die Axiome von Watzlawick den Ausgangspunkt für diese heuristischen Dimensionen bilden. Die Dimension ‚Sprache‘ greift auf das Axiom ‚digitale und analoge Kommunikation‘, die Dimension ‚Ordnung‘ auf das Axiom ‚Interpunktion‘, die Dimension ‚Personen‘ auf das Axiom ‚Inhalts- und Beziehungsaspekte der Kommunikation‘ sowie ‚symmetrische und komplementäre Interaktion‘ und die Dimension ‚Inzet‘ auf das Axiom ‚die Unmöglichkeit nicht zu kommunizieren‘ zurück. Diese fünf Bereiche konkretisieren die in der Praxis der interkulturellen Kommunikation häufig vorkommenden kulturellen Unterschiede. Mit ihnen können die kulturellen Unterschiede operationalisiert und handhabbar gemacht werden (vgl. ebd. 137). Hoffman (ebd.) weist darauf hin, dass alle Bereiche in der kommunikativen Praxis eng miteinander verwoben sind und daher gleichzeitig vorkommen können. Die Abgrenzung dieser Bereiche erfolgt daher künstlich und lediglich zum Zwecke der Untersuchung. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die angeführten Unterschiede nicht in jeder interkulturellen Kommunikation automatisch zu Missverständnissen führen, sondern lediglich ein gewisses Potenzial für die Entstehung von Kommunikationsproblemen bergen (vgl. auch Knapp 2011: 89). Das TOPOI-Modell kann als Analyseinstrument zum Aufdecken solcher möglichen Missverständnisse eingesetzt werden. Ein weiteres, für die vorliegende Arbeit wichtiges Konzept, ist das der ‚interkulturellen Kommunikationsfähigkeit‘. <?page no="85"?> 86 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation 1.5.4.3 Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit In der aktuellen fachdidaktischen Diskussion zum Fremdsprachenunterricht findet die Förderung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit zunehmende Beachtung. Byram (1999) hat in Abgrenzung zur interkulturellen Kompetenz das Modell der ‚Intercultural Communicative Competence‘ (ICC) entwickelt. Hauptmerkmal seines Modells ist die Distanzierung vom native speaker als Lernziel und die Prägung des Begriffs intercultural speaker als einen Sprechenden der „ […] in bestimmten Situationen, das richtige sagt, keine Tabus verletzt und den anderen angemessen versteht.“ (Bredella 1999: 91) Es geht hier somit um einen Sprechern, der über ein hohes Maß an interkulturellen Vermittlungskompetenzen verfügt (vgl. Bredella/ Delanoy 1999: 17). Byram (1999: 364) definiert den intercultural speaker als “[…] someone who has a competence different from that of the native speaker, someone who is able to see and establish relationships between languages and cultures, rather than someone who tries, and usually fails, to imitate a native speaker”. Seiner Ansicht nach (ebd.: 364 f.) sollten intercultural speaker daher die folgenden drei Teilkompetenzen entwickeln: ▶ eine sprachliche Kompetenz ▶ eine soziolinguistische Kompetenz ▶ eine Diskurskompetenz In Anlehnung an die Ideen Byrams entwickelte Knapp-Potthof (1997: 196) in zwei Varianten das Konzept der ‚interkulturellen Kommunikationsfähigkeit‘: Zum einen kann interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Fähigkeit zur Teilhabe an einer fremden Kommunikationsgemeinschaft (KG) verstanden werden. Dies setzt die Kenntnis der Sprache, Werte, Normen und Standards der fremden KG voraus. Das Ziel dieser Variante besteht in einem umfangreichen und adäquaten Wissen über die andere Kommunikationsgemeinschaft. Dies wäre ein sinnvolles Lernziel, wenn Akkulturation oder mindestens ein längerdauernder Aufenthalt in der fremden KG angestrebt wird, insbesondere dann, wenn die meisten Mitglieder der fremden KG wenige weitere KG-Zugehörigkeiten aufweisen (vgl. ebd.). Zum anderen versteht sie unter interkultureller Kommunikationsfähigkeit die, „[…] Fähigkeit, trotz mangelhafter Kenntnis fremder KG mit ihren Mitgliedern eine befriedigende Verständigung zu erzielen und ggf. neue Kommunikationsgemeinschaften aufzubauen.“ (ebd.) Das Ziel in Variante zwei ist es, eine befriedigende Verständigung zu erzielen. Diese Variante eigne sich besonders als Lernziel „[…] in Bezug auf sowohl kurzzeitige als auch längerdauernde Kontakte mit Mitgliedern differenzierter Gesellschaften, die vielfache KG-Zugehörigkeiten aufweisen und selbst im interkulturellen Kontakt erfahren sind.“ (ebd.) Auf Basis der zweiten Variante definiert Knapp-Potthoff interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als die Fähigkeit <?page no="86"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 87 […] mit Mitgliedern fremder Kommunikationsgemeinschaften ebenso erfolgreich Verständigung zu erreichen wie mit denen der eigenen, dabei die im einzelnen nicht genau vorhersehbaren, durch Fremdheit verursachten Probleme mit Hilfe von Kompensationsstrategien zu bewältigen und neue Kommunikationsgemeinschaften aufzubauen. (Knapp-Potthoff 1997: 196) Die Formulierung ‚ebenso erfolgreich Verständigung erreichen‘ darf dabei jedoch nicht mit ‚auf die gleiche Weise Verständigung erreichen‘ gleichgesetzt werden. Wichtig ist es, dass bestehende Mängel an gemeinsamem Wissen kompensiert werden können (vgl. ebd.). Für das Erreichen interkultureller Kommunikationsfähigkeit sind nach Knapp-Potthoff (1997: 199 ff.) die vier folgenden Komponenten ausschlaggebend: 1) Affektive Komponenten Für die Kommunikation mit Angehörigen anderer KG und die Aufrechthaltung des bestehenden Kontakts ist ein gewisses Maß an Empathiefähigkeit und Toleranz erforderlich, was jedoch nicht mit der kritiklosen Übernahme beliebiger Standards anderer KG gleichzusetzen sei (vgl. ebd.: 199). Des Weiteren sind für interkulturelle Kontakte spezifische Strategien der Verständigung (z. B. Suche nach einer gemeinsamen Wissensbasis), die Bereitschaft und „Fähigkeit zur Übernahme der Perspektive von Mitgliedern fremder KG“ (ebd.) unabdingbar. 2) Kulturspezifisches Wissen Dem kulturspezifischen Wissen werden drei Funktionen zugeschrieben (vgl. ebd.): 1. Basis für die Deutung von Äußerungen und Handlungen Angehöriger anderer KGs 2. Basis für die Entwicklung von Strategien zur Vorbeugung und Reparatur von Missverständnissen u. Ä. 3. (in begrenztem Maße) Grundlage für eigene Verhaltensänderung im Hinblick auf Initiierung und Aufrechterhaltung interkultureller Kommunikation. (Beispielsweise kann durch die Verwendung der anderen Sprache, die Einhaltung von Ritualen oder die Respektierung von Tabus eine Kommunikationsbereitschaft signalisiert werden.) Kulturspezifisches Wissen bezieht sich sowohl auf andere Kommunikationsgemeinschaften als auch auf die eigene. Für die Identifikation von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der anderen KG ist spezifisches Wissen über die eigene KG notwendig. Darüber hinaus kann das kulturspezifische Wissen für die metakommunikative Unterhaltung über kulturelle Standards wichtig werden. Knapp-Potthoff unterstreicht, dass „[…] kulturspezi- <?page no="87"?> 88 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation fisches Wissen als prinzipiell unvollständiges und daher beständig ergänzungs- und revisionsbedürftiges in Form flexibler kognitiver Schemata organisiert sein [sollte].“ (Knapp-Potthoff 1997: 200) 3) Allgemeines Wissen über Kultur und Kommunikation/ interkulturelle Kommunikationsbewusstheit Unvollständiges spezifisches Wissen über eine bestimmte KG kann zum Teil durch ein allgemeines Wissen über Sprache, Kommunikation und Kultur kompensiert werden. Hierzu gehört nach Knapp-Potthoff (ebd.: 201): ▶ Wissen um die Abhängigkeit menschlichen Denkens, Deutens und Handelns - speziell auch des kommunikativen Handelns - von kulturspezifischen kognitiven Schemata, ▶ Wissen um die Kulturabhängigkeit des eigenen Denkens, Deutens und Handelns, ▶ Kenntnis von Dimensionen, in denen sich Kulturen grundsätzlich unterscheiden können, speziell Kenntnis unterschiedlicher kommunikativer Stile […], ▶ Wissen über die Grundprinzipien der interpersonalen Kommunikation: über die Rolle von Kommunikation zur Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen, über Mechanismen der Unsicherheitsreduktion, der Attribution und Stereotypenbildung, ▶ Wissen über Probleme von Lernersprach- und lingua-franca-Kommunikation, ▶ Wissen über die speziellen Bedingungen der Kommunikation mit Hilfe von Sprachmittlern. Dieses allgemeine Wissen kann als ‚interkulturelle Kommunikationsbewusstheit‘ bezeichnet werden, sofern es als Basis für die interkulturelle Kommunikation aktiviert ist (vgl. ebd.). 4) Strategien Knapp-Potthoff (1997) schlägt zur Verständigung in interkulturellen Kommunikationssituationen entsprechende Strategien vor. Dabei unterscheidet sie zwischen interaktionsbezogenen Strategien, die auf einen erfolgreichen Verlauf der aktuellen Interaktion abzielen, und Lern- und rudimentäre Forschungsstrategien, die „[…] auf die Erweiterung und Differenzierung des Wissens von fremdbezogenem Wissen gerichtet sind.“ (ebd.: 201) Interaktionsbezogene Strategien Interaktionsbezogene Strategien werden von Knapp-Potthoff (ebd.: 202) wie folgt als konkrete handlungsleitende Aufforderungen formuliert: <?page no="88"?> 1.5 Interkulturelle Kommunikation 89 ▶ Bemühe dich, die Kommunikationsbereitschaft des Partners/ der Partner zu erhalten, indem du ▷ Tabuverletzungen vermeidest, ▷ Annäherungsbereitschaft an die fremde KG signalisierst, z. B. durch partielle Anpassung, ▷ nach common ground suchst. ▶ Suche nach Gemeinsamkeiten und nutze sie als common ground für die Interaktion, sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene der Interaktion, z. B.: ▷ Suche nach gemeinsamer Teilhabe an - wenn auch lockeren - KG. ▷ Suche nach gemeinsamem Erfahrungshintergrund aufgrund ähnlicher sozialer Rollen. ▷ Suche nach einer gemeinsamen Sprache. ▷ Suche nach vermuteten Gemeinsamkeiten der Kulturen der KG. ▷ Erwarte, daß kulturbedingte Andersartigkeit die Interaktion beeinflussen kann, und lege dich so spät wie möglich auf eine Interpretation der Äußerungen - auch der nonverbalen - deines Kommunikationspartners fest. ▷ Erwarte, daß deine Kommunikationspartner deine Äußerung mißverstehen können, und achte auf Indizien für Mißverstehen im weiteren Verlauf der Interaktion. ▶ Nutze spezifisches Wissen von den fremden KG sowie allgemeines Wissen über Unterschiede zwischen KG für Hypothesen über die vom jeweiligen Kommunikationspartner intendierte Bedeutung. ▶ Setze metakommunikative Verfahren zur Prophylaxe und Reparatur von Mißverständnissen ein, allerdings nur insoweit, als sie das Gesicht des Kommunikationspartners nicht bedrohen. ▶ Ziehe, falls möglich, gegebenenfalls einen Sprachmittler hinzu. Mache dem Sprachmittler deine Intentionen so explizit wie möglich. Lern- und rudimentäre Forschungsstrategien Zu den Lern- und rudimentären Forschungsstrategien gehören Strategien der systematischen Beobachtung und Befragung, mit denen die fremde KG und ihre kulturellen Standards identifiziert sowie deren Gültigkeitsbereich überprüft werden können (vgl. ebd.). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Kommunikationsverhalten - bewusst oder unbewusst - stark von kulturellen Prägungen beeinflusst wird. Vielen Missverständnissen in der interkulturellen Kommunikation kann vorgebeugt werden, wenn die Interagierenden für das kulturbedingt unterschiedliche Kommunikationsverhalten sensibilisiert werden, sich mit den kul- <?page no="89"?> 90 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation turspezifischen Merkmalen der Zielkultur auseinandersetzen und ihr eigenes Kommunikationsverhalten reflektieren. Nachdem die Forschungsbereiche der institutionellen Kommunikation und interkulturellen Kommunikation zunächst etwas allgemein dargestellt wurden, sollen diese Theorien nachfolgend speziell in Bezug auf den Forschungsfokus der vorliegenden Arbeit nämlich ‚Sprechstundengespräche als Beispiel für interkulturelle Kommunikation im Rahmen der Institution Hochschule in Deutschland‘ gebracht werden. Dazu wird zunächst allgemein in die Hochschulkommunikation eingeführt und anschließend der Forschungsstand zu Sprechstundengesprächen an deutschen Hochschulen zusammengefasst. Ein Einblick in die spezifischen Merkmale universitärer Sprechstunden schließt den theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit ab. 1.6 Hochschulische Kommunikation Ehlich (2003) bezeichnet die Hochschule, wie die Schule, als eine versprachlichte Institution. „Dies bedeutet, daß das Lernen in der Universität sich spezifischer Diskurs- und Textformen bedient. Dies gilt für alle Bereiche der universitären Arbeit, die Forschung, die Lehre und die Administration.“ (Ehlich 2003: 17) Die Hochschulkommunikation stellt ein wichtiges Handlungsfeld innerhalb des Forschungsgebiets ‚Akademischer Diskurs‘ dar (vgl. Limberg 2009: 113), zu dem neben der Hochschule verschiedene Bildungsinstitutionen und der gesamte Bereich der Wissenschaft und Forschung gehören (vgl. ebd.). Die Kommunikation an Hochschulen umfasst zahlreiche Formen. Zur mündlichen Kommunikation gehören Vorlesungen, Seminare, Kolloquien, Sprechstunden, Studienberatungen, Besprechungen und Prüfungen. Innerhalb dieser Kommunikationsformen können weitere Gesprächstypen wie Präsentationen, Referate, Diskussionen oder Verteidigungen differenziert werden (vgl. ebd.: 114). Zur schriftlichen Hochschulkommunikation gehören Seminarmitschriften, Protokolle, Exzerpte, Portfolios, E-Mails, Klausuren, Haus- und andere Studienarbeiten (vgl. ebd.). Die meisten Studien zu akademischen Diskursformen im deutschsprachigen Raum haben sich der schriftlichen Hochschulkommunikation gewidmet, während die gesprochene akademische Sprache bislang deutlich seltener untersucht worden ist (vgl. ebd.: 115). Für den angloamerikanischen Raum ist hier eine ähnliche Situation festzustellen. So konstatiert Limberg (2010: 2): “Whereas a great deal of research in this field has focused on written academic discourse, those studies that looked at spoken discourse at the university level have mainly investigated the classroom, i. e., both instructor and student discourse. In den letzten Jahren ist jedoch das Interesse an mündlicher Hochschulkommunika- 1.6 Hochschulische Kommunikation <?page no="90"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 91 tion gewachsen und verschiedene Forschungsprojekte sind ins Leben gerufen worden, wie beispielsweise das Projekt ‚Gewiss - Gesprochene Wissenschaftssprache kontrastiv: Deutsch im Vergleich zum Englischen und Polnischen‘. Im Rahmen dieses Projekts wurde ein Korpus erstellt, das eine empirische Grundlage für vergleichende Untersuchungen in diesem Bereich ermöglicht. Das Korpus erfasst zwei zentrale Genres der gesprochenen Wissenschaftssprache, nämlich Vortrag (einschließlich Diskussion) und Prüfungsgespräch. Das Forschungsprojekt hat 2009 begonnen, die Ergebnisse und das erstellte Korpus, das fortlaufend ausgebaut und weiterentwickelt wird, kann unter https: / / gewiss.uni-leipzig.de (letzter Zugriff 20.02.2019) angesehen werden. Die meisten Studien haben sich also der Qualität und Effizienz wissenschaftlicher Lehrveranstaltungen gewidmet, während wichtige Kommunikationsformen aus dem studentischen Alltag wie beispielsweise universitäre Sprechstunden lange Zeit vernachlässigt wurden. Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit mit universitären Sprechstunden an deutschen Hochschulen. 1.6.1 Forschungsstand zu universitären Sprechstundengesprächen Noch im Jahre 2000 bemerkten Boettcher und Meer, dass sich kaum empirische Untersuchungen zu den Kontaktgewohnheiten zwischen Lehrenden und Studierenden fänden (vgl. Boettcher/ Meer 2000: 2). Golle (2003: 1) spricht in diesem Zusammenhang vom „Stiefkind Sprechstunde“. Kiesendahl (2011a: 19) bemängelt, dass empirische Studien zu Sprechstundengesprächen bis dato noch ein Desiderat der empirischen Untersuchung der hochschulischen Kommunikation sind. Nachfolgend werden die wichtigsten vorhandenen Studien zu universitären Sprechstundengesprächen an deutschen Hochschulen kurz dargestellt. Von besonderem Belang hinsichtlich des für die vorliegende Arbeit interessierenden Untersuchungsgegenstands ist die Studie von Rost-Roth (1998; 2003). Sie fokussierte Aspekte interkultureller Kommunikation und daraus resultierende Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnisse in universitären Sprechstunden und Studienberatungen. Die Studie wurde diskursanalytisch ausgerichtet, die empirische Basis bildeten ca. 160 Audio- und Videoaufnahmen von Gesprächssituationen aus Sprechstunden und Studienberatungen im Fachbereich Germanistik, bei der allgemeinen Studienberatung, bei speziellen Sprechstunden für ausländische Studierende sowie beim Akademischen Auslandsamt an der Freien Universität Berlin (vgl. Rost-Roth 1998: 217). Sowohl deutschsprachige als auch internationale Studierende wurden aufgenommen. In 25 Fällen wurden Gesprächsaufzeichnungen durch Nachbesprechungen mit den Beteiligten und deren Kommentaren dazu ergänzt (vgl. ebd.). <?page no="91"?> 92 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Rost-Roth (ebd.: 235) gelangte mit der Analyse von inter- und intrakulturellen Gesprächen in der Institution Hochschule zu dem Ergebnis, dass sich kommunikative Störungen hinsichtlich ihrer Ursachen nach verschiedenen Problembereichen, die letztlich auch verschiedene Problempotentiale darstellen, in vier Hauptkategorien gruppieren lassen: 1. Störungen allgemeiner Art, die prinzipiell in jedem Gespräch vorkommen können, 2. Störungen, die eine Verbindung mit institutionellen Rahmenbedingungen und den Gesprächsrollen der Beteiligten aufweisen, 3. Störungen, die auf unterschiedliche Sprachkompetenzen von Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern und Erwerbsprobleme zurückzuführen sind, 4. Störungen durch Divergenzen in kulturspezifischen Wissensbeständen und kulturelle Kontraste in Bezug auf Handlungsnormen und -erwartungen. Rost-Roth (ebd.) bemerkt, dass in vielen Fällen empirisch zwar eine eindeutige Zuordnung zu einem der Problembereiche möglich sei, aber auch eine engere Verbindung zwischen den verschiedenen Problembereichen bestehen könne. Hieraus schlussfolgert Rost-Roth (ebd.: 237): Aufgrund dieser auf empirischen Beobachtungen basierenden Überlegungen zu Problembereichen in verschiedenen Gesprächskontexten ist anzunehmen, daß sich beim Zusammentreffen der verschiedenen Problembereiche die Störungspotentiale nicht nur addieren, sondern daß das Zusammentreffen der verschiedenen Problembereiche zu einer Potenzierung der Problempotentiale führt. Neue Impulse erhielt die Untersuchung universitärer Sprechstundengespräche durch die Studie von Boettcher und Meer (2000). Auf der Basis von 120 Gesprächsaufnahmen an der Ruhr-Universität Bochum in vier unterschiedlichen Fakultäten - der Fakultät für Philologie, der Fakultät für Geowissenschaften, der Medizinischen Fakultät und der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik - untersuchten sie das Kommunikationsverhalten von Lehrenden und Studierenden unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten (vgl. ebd.: 10). Die Auswahl der vier Fakultäten wurde begründet mit den spezifischen Studienbedingungen sowie den fakultätsspezifischen Kommunikationsstrukturen, die sich in unterschiedlicher Form auf die kommunikative Gestaltung und die konkreten Wahrnehmungen der an Sprechstunden Beteiligten auswirkten. (vgl. ebd.) Die Studie trianguliert qualitative und quantitative Analysen. Aus qualitativer Perspektive bildete die gesprächsanalytische Untersuchung authentischer Sprechstundengespräche den empirischen Schwerpunkt der Studie (vgl. ebd.: 9). Dazu erfolgte eine quantitative Erhebung der Erfahrungen und Beobachtungen der an den Sprechstunden beteiligten Lehrenden und Studierenden mittels eines <?page no="92"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 93 Fragebogens. Außerdem wurden einige Lehrenden nach ihren Erfahrungen bei Kontakten mit Studierenden innerhalb von Sprechstunden befragt (vgl. ebd.). Boettcher und Meer (2000) wiesen in ihrer empirischen Studie nach, dass es Studierenden oft nicht gelinge, ihre Anliegen adäquat einzufordern. Oft kommen sie mit ihrer Fragestellung oder dem Präsentieren ihrer Überlegungen nicht voran, so dass sie mit dem gleichen Anliegen noch einmal die Sprechstunde aufsuchen müssen (vgl. ebd.). Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Untersuchungen sich in erster Linie auf deutschsprachige Studierende beziehen. Diese Studie stellte die empirische Vorstudie zu einem hochschuldidaktischen Anschlussprojekt dar, in dessen Rahmen Dorothee Meer (2003) einen Ratgeber für Studierende und Lehrende mit konkreten Empfehlungen zu möglichen Verhaltensweisen herausgegeben hat. Zegers (2004) rückte in ihrer Dissertation mit dem Titel „Man(n) Macht Sprechstunde“ die Geschlechterfrage in den Vordergrund. Im Fokus des Interesses stand das Zusammenspiel von Sprache, Macht und Geschlecht. Ihre explorativ-interpretativ angelegte Studie basierte auf 70 Sprechstundengesprächen, die im Zeitraum von Dezember 1997 bis November 2000 an der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum teils auf Tonband, teils auf Video aufgenommen wurden (vgl. Zegers 2004: 29). Zegers ging in ihrer Dissertation der Frage nach, wie Studenten und Studentinnen in Sprechstundengesprächen ihr Anliegen darstellen und wie sie mit eigenen Kompetenzen und (Wissens-) Defiziten umgehen. Zegers (2004: 184) gelangte zu dem Ergebnis, dass sich die Kommunikationsstrategien von Studenten und Studentinnen auffallend voneinander unterscheiden. Die Studentinnen erschienen dabei im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen häufig weniger kompetent und vorbereitet. Sie sprachen nicht nur leiser und verwendeten auf der sprachlichen Ebene mehr Modalverben und -partikel, sondern redeten auch bevorzugt im Konjunktiv und formulierten öfter Fragen als Feststellungen. Auf der Inhaltsebene neigten sie eher dazu Schwächen, Nichtwissen und Versäumnisse einzuräumen. Im Rahmen seiner 2010 erschienen Dissertation „The Interactional Organization of Academic Talk. Office hour consultations“ beschäftigte sich Limberg (2010) mit Strukturmerkmalen universitärer Sprechstunden. Gegenstand seiner Untersuchung waren 47 auf Video aufgezeichnete Gespräche zwischen Lehrenden und Studierenden im Fach Anglistik an den Universitäten Münster und Oldenburg, die unter Rekurs auf ethnographische konversationsanalytische Prinzipien auf makro- und mikrostruktureller Ebene untersucht wurden. Limberg gelangte durch seine Analyse zu folgender sequentiellen Strukturierung der Gesprächsphasen von Sprechstundengesprächen: <?page no="93"?> 94 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation ▶ Erste Kontaktaufnahme ▶ Gesprächseröffnung ▶ Präsentation des Gesprächsanliegens ▶ Gesprächskern ▶ Gesprächsbeendigung ▶ Abwicklungssequenz und Folgeinteraktion (Limberg 2014: 229 ff.) Er legte in seiner Dissertationsschrift eine detaillierte Beschreibung der Gesprächsphasen vor (vgl. Limberg 2010: 347). Kiesendahl (2011a) befasste sich in ihrer Dissertation „Status und Kommunikation“ mit der sprachlichen Signalisierung von Rolle und Status in universitären Sprechstundengesprächen und hochschulischer E-Mail-Kommunikation. Die Datenbasis für die Untersuchung der Sprechstundengespräche lieferten 18 Gespräche mit Studierenden im Grund- und Hauptstudium am Institut für Germanistik der Universität Greifswald im Zeitraum von 2007 bis 2009 (vgl. ebd.: 76). Methodisch wurden in der korpusgestützten Studie verschiedene Ansätze kombiniert, wobei der Schwerpunkt auf der qualitativen Beschreibung lag. Mithilfe von MAXQDA, einer Software zur qualitativen Datenanalyse, wurden Sprechhandlungen analysiert und klassifiziert. Ziel der Studie war die Rekonstruktion der sprachlichen Rollen- und Statussignalisierung in der Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden vor dem Hintergrund ihrer medialen Realisierung (vgl. ebd.: 53). Auf Grundlage der Sprechhandlungsanalyse wurde ein Sprechhandlungsinventar für Lehrende und Studierende am Beispiel des Kommunikationsbereichs ‚Prüfungsabsprache‘ erstellt (vgl. ebd.: 319). Im Jahr 2014 lieferte Ekawati eine kontrastive gesprächsanalytische Untersuchung von interkulturellen Beratungsgesprächen deutsch-indonesischer Interaktionen im akademischen Bereich. Die Studie basierte auf 15 Sprechstundengesprächen zwischen deutschen Lehrenden und indonesischen Studierenden am Goethe-Institut in Bandung, Indonesien und am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg, die im Jahr 2010 audio-visuell aufgezeichnet worden waren. Ekawati (2014) zeigte am Beispiel von deutsch-indonesischen Kontrasten, wie kulturelle und interkulturelle Aspekte wie Direktheit und Indirektheit, Höflichkeit, Machtverhältnisse und Stereotypisierung z. B. durch den Einsatz von bestimmten Wortverbindungen, Mustern, Anreden und Grüßen, Kodewechseln, formellen und informellen Registern sowie Modalität auf der Mikroebene vorkommen. Auch wenn in den vergangenen Jahren einige Untersuchungen zu mündlicher Hochschulkommunikation im Allgemeinen und universitären Sprechstunden im Besonderen durchgeführt wurden, so besteht weiterhin Bedarf an Studien zu einer integrativen Behandlung sprachlicher, interkultureller und <?page no="94"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 95 landeskundlicher Inhalte und Verfahren. Vor allem aber fehlt es an Ansätzen, die internationale Studierende bei der Bewältigung der kommunikativen Anforderungen in Sprechstundengesprächen gezielt unterstützen. Zu den wenigen Publikationen, die in diesem Zusammenhang erschienen sind, gehört eine im Jahr 2005 von Mehlhorn entwickelte Handreichung für die studienbegleitende Sprachausbildung internationaler Studierender. Auch wenn sich diese Handreichung in erster Linie an Hochschullehrende richtet, stellt sie doch eine wichtige Orientierung und Stütze für die vorliegende Arbeit dar. Nach der Skizzierung des aktuellen Forschungsstandes sollen nun die spezifischen Merkmale universitärer Sprechstundengespräche näher beleuchtet werden. 1.6.2 Universitäre Sprechstundengespräche als kommunikative Gattung Der vorliegenden Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass sich das universitäre Sprechstundengespräch als kommunikative Gattung im Sinne von Luckmann (1988) begreifen lässt. Jedes Sprechstundengespräch ist durch individuelle Prägungen gekennzeichnet und hat seine eigene Dynamik. Selbst bei ähnlichen Anliegen der Studierenden können sehr unterschiedliche Gesprächsverläufe beobachtet werden, da nicht nur die jeweilige Sprechintention, sondern auch die sprachliche Umgebung, die Beziehung zwischen den Interaktionspartnern, die Persönlichkeit und der Idiolekt der Interagierenden darüber entscheiden, wie und mit welchen sprachlichen Mitteln agiert wird. Die Vielfalt der Sprechanlässe und -intentionen hochschulischer Sprechstunden erschwert deren eindeutige Klassifikation, weil die komplexe kommunikative Gattung Sprechstunde nicht auf einen Kommunikationszweck begrenzt ist, sondern verschiedene Handlungsmuster beinhalten kann (vgl. Kiesendahl 2011a: 35). Darüber hinaus kommen in den Gesprächen auch Phänomene vor, deren institutioneller Charakter nicht offenkundig ist (vgl. ebd: 52). Dabei handelt es sich um Gesprächssequenzen, in denen sich einer der Interagierenden als Privatperson inszeniert und sich von seiner institutionellen Rolle distanziert (vgl. ebd.). Limberg (2009: 33) konstatiert: “Office hours must be viewed as a dynamic speech event with talk that can have different degrees of formality.” Er plädiert daher dafür, sie in der Mitte eines von vollkommen formal bis informell reichenden Kontinuums anzusiedeln. Hochschulische Sprechstundengespräche werden oft als Beratungsgespräche (Nothdurft/ Reitemeier/ Schröder 1994) klassifiziert. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es sich tatsächlich um ein Beratungsgespräch handelt, wenn Studierende Leistungsnachweise einreichen oder abholen, Termine vereinbaren, eine Unterschrift einholen, Literaturlisten abholen etc. (vgl. Meer 2006: 134). Es handelt <?page no="95"?> 96 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation sich um einen enorm komplexen Kommunikationsbereich, der fachspezifische und individuelle Prägungen aufweist. Nichtsdestotrotz sind Sprechstundengespräche durch gewisse fachübergreifende Gemeinsamkeiten gekennzeichnet und weisen typische strukturelle Eigenschaften auf. Diese Gemeinsamkeiten stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit und sollen im Folgenden genauer beschrieben werden. Hierfür bietet das bereits in Abschnitt 1.3.1 vorgestellte Konzept der kommunikativen Gattung einen geeigneten Rahmen. Das Gattungskonzept dient im Folgenden als Leitlinie für die Bestimmung der Strukturmerkmale der Gattung „universitäre Sprechstundengespräche“. 1.6.2.1 Die Außenstruktur Wie in Kapitel 1.3 dargestellt, gibt die Außenstruktur einer Gattung zum einen Aufschluss darüber, welche spezifischen Funktionen und gesellschaftlichen Zwecke die Gattung erfüllt, und bestimmt zum anderen die Situation und die Beteiligungsrollen der Interagierenden (vgl. Birkner 2001: 56). Auf der Ebene der Außenstruktur sollen die Rahmenbedingungen kommunikativer Situationen von universitären Sprechstundengesprächen beschrieben werden, indem das kommunikative Milieu (gewohnheitsmäßiger Ort der Kommunikation, gemeinsame Zeitbudgets usw.) und die wechselseitige Beziehung der Handelnden bestimmt werden. Sprechstundengespräche sind eine zentrale Kommunikationsform innerhalb der Institution Hochschule, in deren Rahmen studienrelevante Angelegenheiten besprochen werden (vgl. Kiesendahl 2011a: 51). Neben dem akademischen Unterricht gehören Sprechstundengespräche zu den wichtigsten mündlichen Kommunikationssituationen zwischen Lehrenden und Studierenden und sind damit ein elementarer Bestandteil des universitären Alltags (vgl. Limberg 2009: 121). Das Sprechstundengespräch verläuft innerhalb eines institutionellen Rahmens, der speziell durch den Raum (Büro des Lehrenden) sowie den Zweck des Gesprächs definiert ist. An deutschen Hochschulen werden zwei Arten von Sprechstunden unterschieden: Die wöchentliche offene Sprechstunde, die für kurze Fragen vorgesehen ist und innerhalb eines bestimmen Zeitfensters stattfindet. Bei dieser Form müssen die Studierenden insbesondere in Fächern mit höheren Studierendenzahlen mit langen Wartezeiten vor der Tür der Lehrenden rechnen, bis sie in sehr knapp bemessener Zeit ihr Anliegen vorbringen können. Für ein ausführliches Anliegen besteht die Möglichkeit, z. B. via E-Mail einen Gesprächstermin mit den Lehrenden zu vereinbaren. Auch bei dieser Art der Sprechstunde steht den Studierenden nur ein begrenzter Zeitrahmen zur Verfügung. Die Sprechstunden bieten Studierenden die Möglichkeit eine akademisch geprägte soziale Beziehung zu den Lehrenden aufzubauen (vgl. Kiesendahl 2011a: 35). Als wei- <?page no="96"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 97 teren Aspekt spricht Meer (2003: 1 f.) die Gelegenheit an, sich im Gespräch mit ranghöheren Personen ‚ausprobieren‘ zu können. Die dabei erworbene Kompetenz in der asymmetrischen Kommunikation ist nicht nur für die Dauer des Studiums wichtig, sondern insbesondere auch im späteren Erwerbsleben, wo dem kommunikativen Durchsetzungsvermögen in hierarchischen Gesprächssituationen entscheidende Bedeutung zukommt. Aber auch den Lehrenden bieten Sprechstunden die Gelegenheit, evaluative Informationen über ihre Lehr- und Prüfungstätigkeit zu erhalten, um so gegebenenfalls ihre Lehrveranstaltungen individuell ‚nachbessern‘ zu können. Sprechstunden könnten in diesem Sinne als eine Art „permanenter Hochschullehrerfortbildung“ genutzt werden (ebd.: 2). Sprechstunden können nach Meer (2006: 132 f.) gerade in der heutigen Studiensituation - Studium an ‚Massenuniversitäten‘ mit oft unklarer bzw. unsicherer Studien- und Berufsperspektive - einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg und die Dauer des Studiums ausüben und ein notwendiges Komplement zu den üblichen Großveranstaltungen darstellen. Bei Sprechstundengesprächen handelt es sich um eine Face to - Face -Kommunikation, an der in der Regel nur zwei Interagierende teilnehmen. In manchen Fällen gehen aber auch zwei oder mehr Studierende mit einem gleichen Anliegen in eine Sprechstunde. Universitäre Sprechstunden unterscheiden sich von anderen Kommunikationsformen an der Institution Hochschule besonders dadurch, dass es bei ihnen nicht primär um Wissensvermittlung oder das Erreichen eines konkreten Lernziels geht, sondern eher darum, den Studierenden die Möglichkeit zu einem persönlichen Kontakt anzubieten, bei dem sie ihre Anliegen vorbringen können (vgl. Limberg 2009: 122). Nach Meer (2000: 20) deuten die Rahmenbedingungen von Sprechstunden auf institutionelle Hierarchien zwischen Lehrenden und Studierenden hin: So fällt es in den Einflussbereich der Lehrenden, den Termin von Sprechstunden und damit weitgehend den Zeitrahmen dieser Gespräche abzustecken, Eigentümer des Raumes zu sein, in dem die Sprechstunden stattfinden, die inhaltlichen Rahmenvorgaben (in Form von Seminarthemen etc.) festzulegen und Zensuren zu vergeben. Verglichen mit diesen Möglichkeiten der Lehrenden sind Studierende in einer sicherlich untergeordneten (institutionellen und kommunikativen) Position: als Einzelne innerhalb des Instituts ohne nennenswerten Einfluss sind sie darauf angewiesen, dass die jeweiligen Lehrenden sie und ihre Leistungen trotz der vor der Tür wartenden Menge weiterer Kommiliton/ inn/ en in hinreichendem Umfang wahrnehmen, ihnen innerhalb der Sprechstunde genug Zeit für die Bearbeitung ihrer Anliegen zur Verfügung stellen und sie mit ihrem Anliegen nicht zurückweisen. Diese Tendenzen sind insbesondere in Fächern mit hohen Studierendenzahlen wie in der Philologie zu beobachten (vgl. ebd.). Im Unterschied zu einem sym- <?page no="97"?> 98 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation metrischen Gespräch, in dem die Interaktanten gleichberechtigt die Eröffnung, Steuerung, Thematisierung und Beendigung des Gesprächs vornehmen, sind diese Möglichkeiten in einem asymmetrischen Gespräch auf einen der Beteiligten beschränkt (vgl. Jäger 1976a: 69). In Sprechstundengesprächen fällt also die Eröffnung des Gesprächs, seine kommunikative Steuerung und Beendigung in der Regel in die Zuständigkeit der ‚privilegierten‘ Interagierenden, d. h. die Lehrenden. Zu der asymmetrischen Konstellation kommt es ferner, weil die Interagierenden mit unterschiedlichen Perspektiven auf das Anliegen, mit unterschiedlichem Wissen und mit verschiedenen Ressourcen aufeinandertreffen (vgl. Limberg 2009: 122). Wie bereits in Abschnitt 1.4.2 dargelegt, verfügen die Lehrenden als Agenten und Experten der Institution Hochschule über andere Wissensstrukturtypen als die Studierenden als Laien und Klienten der Institution. Auch Kisendahl (2011a: 54) bemerkt: „[…] das Sprechstundengespräch [ist] für Lehrende eine vertraute, alltägliche kommunikative Praktik, während Studierende eher selten davon Gebrauch machen.“ Dieser Unterschied im Wissensstrukturtyp schlägt sich im Gespräch nieder. 1.6.2.2 Die Zwischenstruktur Auf dieser Ebene stehen inhaltlich-thematische Verfestigungen im Fokus (vgl. Abschnitt 1.3). Die in universitären Sprechstunden behandelten Themen sind sehr vielfältig. Boettcher und Meer (2000: 4) weisen darauf hin, dass der Begriff ‚Sprechstunde‘ eine Bezeichnung „[…] für einen gesprächsorganisatorischen Rahmen [ist], innerhalb dessen sehr unterschiedliche Gesprächs-Typen mit sehr unterschiedlichen Gesprächszwecken stattfinden können.“ Beispielsweise dienen Sprechstundengespräche ▶ fachlichen Unterstützungswünschen (z. B. Literaturhinweise erbitten, fachliche Rückfragen zu Veranstaltungsinhalten, fachliche Vertiefungsgespräche) ▶ bewertungsbezogenen Zwecken (z. B. Klärung von Anforderungen an eine Hausarbeit, Nachbesprechung einer Leistungsnachweisarbeit, Vorbesprechung von Fachprüfungen) ▶ kooperationsbezogenen Klärungen (z. B. Kontakt- und Imagepflege vor einer Prüfung, Kritikgespräch der Lehrperson mit in Veranstaltungen auffallend problematischen Studierenden, negatives/ positives Feedback von Studierenden an Lehrende, Nachbesprechung einer Prüfung) ▶ studienorganisatorischen Zwecken (z. B. Auskunft einholen, Unterschriften holen, Anmeldungen) ▶ Ratschlägen/ Beratungen (z. B. Sprechen über Studienprobleme, Prüfungsprobleme, Ratschläge bzw. Beratung zu Studiengangwechsel) ▶ ‚karrierebezogenen‘ Anliegen (z. B. Bitte um Gutachten, Bewerbung um Hilfskraftstellen, Fragen nach Promotionsmöglichkeiten) (ebd.) <?page no="98"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 99 Universitäre Sprechstundengespräche zeichnen sich durch die spezifischen Aufgaben und Zielorientierung der Interagierenden aus. Die sequentielle Struktur von universitären Sprechstundengesprächen kann wie folgt zusammengefasst werden. Eine universitäre Sprechstunde beginnt in der Regel mit der Begrüßung. Sie besteht aus einem kurzen Austausch von stark normierten Grußformeln. Die Grußformeln „Guten Morgen“ oder „Guten Tag“ fungieren hierzu als konventionalisierter Einstieg. In den letzten Jahren hat sich in Anlehnung an englische und amerikanische Begrüßungsformen das informelle „Hallo“ durchgesetzt (vgl. Schumann 2012: 222). In der Eröffnungsphase übergeben die Lehrenden das Rederecht mit der typischen Frage: „Was kann ich für Sie tun? “ oder mit nonverbalen Signalen, wie einem Kopfnicken oder der Aufnahme von Blickkontakt zum Studierenden. Die Lehrenden nehmen in der Regel zunächst eine rezeptive, reagierende Rolle ein. Mit der thematischen Überleitung zur Kernphase und mit dem Beginn der Bearbeitung des Anliegens dominieren häufig die Lehrenden den Gesprächsverlauf. Das professionelle Wissen der Lehrenden legt zwar nahe, dass sie die Verantwortung für das kommunikative Verhalten übernehmen und dementsprechend höhere Redeanteile übernehmen als die Studierenden. Meer (2003: 59) findet jedoch das Ausmaß bemerkenswert, in dem für Studierende in vielen Fällen kaum Raum zur Entwicklung eigener Überlegungen besteht. Dies sei jedoch vor allem auf das Verhalten der Studierenden zurückzuführen. Sie würden sich häufig selbst und ihre Anliegen zurücknehmen und unsicher auftreten. Das kommunikative Verhalten einer Mehrzahl der Studierenden beschreibt Meer (2003: 61) wie folgt: […] das Verhalten von Studierenden [ist] während der Anliegensbearbeitung vorrangig durch eine defensive Grundhaltung gekennzeichnet, mit der Studierende dazu beitragen, dass vor allem die Überlegungen und Kompetenzen der Lehrenden im Mittelpunkt stehen. So sind Aktivitäten der Studierenden in vielen Fällen beschränkt auf die kontinuierliche Bestätigung der Ausführungen der Lehrenden („hm“, „mhm“, „klar“, „natürlich“, „ja“), in vielen Fällen ohne dass dieses Verhalten tatsächlich auf Zustimmung oder auch nur auf Verstehen verweisen würde. Diese „kommunikative Selbstreduktion“ beginnt oft bereits mit Einleitungsformeln vom Typ „Ich hab nur ne ganz kurze Frage“ oder „Es geht nur um meine Prüfungsthemen“ und nicht selten bleibt das Anliegen undeutlich (vgl. ebd.). Die Kernphase eines Sprechstundengesprächs ist stark vom jeweiligen Anliegen abhängig und umfasst entsprechend unterschiedliche Komponenten. Unterschieden wird hier z. B., ob Studierende ein Hausarbeitsthema besprechen, eine Unterschrift einholen oder um Fristverlängerung einer Hausarbeit bitten möchten. Die Kernphasen weisen zwar spezifische, typbedingte Ablaufstrukturen auf, dennoch liegen kaum Untersuchungen vor, die eine solide Basis für die <?page no="99"?> 100 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation vorliegende Arbeit liefern konnten (vgl. hierzu auch Brinker/ Sager 2006: 108). Kernphasen können nur in Bezug zu Gesprächssituationen dargestellt werden. Die Kernphase der universitären Sprechstundengespräche ist jedoch in ihrem Ablauf vornehmlich thematisch strukturiert. Die Beendigungsphase wird in Sprechstundengesprächen in der Regel von den Lehrenden initiiert. Manchmal leiten jedoch die Studierenden mit Formulierungen wie „noch eine letzte Frage“ oder „kurz noch mal zum Schluss“ die Gesprächsbeendigung ein. 1.6.2.3 Die Binnenstruktur Auf der binnenstrukturellen Ebene sind die sprachlichen Merkmale der Gattung von besonderem Interesse (vgl. Abschnitt 1.3.1). Sprechstundengespräche beinhalten sowohl fachsprachliche als auch alltagssprachliche Elemente. Die Fachsprache ist durch das häufige Auftreten von Fachvokabular, komplexen Satz- und Textkonstruktionen sowie morphologischen und syntaktischen Merkmalen gekennzeichnet (vgl. Elsen/ Michel 2010: 43). Elsen und Michel (ebd.: 38) haben bei ihrer Analyse mehrerer universitärer Sprechstunden festgestellt, dass die Lehrenden im Vergleich zu den Studierenden eher Fachtermini und komplexere Konstruktionen verwenden. Bei den Studierenden sind oft umgangssprachliche Elemente zu beobachten, wie z. B. die Verwendung von Ausdrücken wie „rauskriegen“, „runtergehen“, „reinsetzen“ oder „ersma“ (anstatt erst mal) (vgl. ebd.). In Sprechstundengesprächen finden sich häufig die gattungsspezifischen Formulierungen insbesondere in den stark routinisierten Anfangs- und Beendigungsphasen (s. Abschnitt 1.3.2). Die erfolgreiche Realisierung einer kommunikativen Gattung setzt ein umfangreiches Gattungswissen voraus. Beispielsweise ziehen typische Fragen präferierte Antworten nach sich. Welche das sind, ist Teil des Gattungswissens (vgl. Birkner 2001: 188). Gattungswissen gehört zum kollektiven kulturellen Wissen einer Kommunikationsgemeinschaft. In interkulturellen Begegnungen treffen die Interagierenden mit unterschiedlichen Repertoires an kommunikativen Formen und Gattungen aufeinander (vgl. Günthner/ Luckmann 2002: 224; Günthner 2001: 21). Die Realisierung kommunikativer Gattungen kann daher in interkulturellen Kommunikationen zu Schwierigkeiten führen. Einen wesentlichen Bereich der kommunikativen Praxis, der zur Konstitution von Fremdheit und damit zur Aktualisierung von Interkulturalität beitragen kann, stellt die Orientierung der Interagierenden an kulturell divergierenden rhetorischen Traditionen mit ihren Repertoires an kommunikativen Gattungen dar. Kulturell unterschiedliche Repertoires an kommunikativen Gattungen, divergierende Konventionen scheinbar gleicher Gattungen, unterschiedliche stilistische Bewertungen einer be- <?page no="100"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 101 stimmten Gattung etc. führen immer wieder zu Problemen in Kommunikationssituationen zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen bzw. aktualisieren „Fremdheit“. (Günthner 2001: 15 f.) Im Folgenden sollen in Anlehnung an Günthner (2001) einige Konsequenzen kulturell unterschiedlicher Repertoires kommunikativer Gattungen universitärer Sprechstundengespräche für die interkulturelle Kommunikation beleuchtet werden. Nicht-Verfügen über die betreffende Gattung Sprechstunden sind an deutschen Hochschulen eine fest verankerte Institution und Studierende erwerben relativ schnell Erfahrungen im Umgang mit dieser kommunikativen Gattung (vgl. Günthner 2001: 22). Für viele internationale Studierende (z. B. Studierende aus China, aus dem Iran oder aus dem Sudan) stellen Sprechstunden jedoch eine Art ‚terra incognita‘ dar, ein unbekanntes Kommunikationsfeld, das sie von ihren Heimatuniversitäten nicht kennen und mit dessen spezifischen Konventionen im deutschsprachigen Raum sie nicht vertraut sind. Die folgenden Erfahrungsberichte dienen zur Veranschaulichung der Problemlage. Eine chinesische Germanistikstudentin berichtet: Diese Sprechstunden, die gibt es bei uns in China nicht. In China besuchen die Studenten den Prof. zu Hause. Das bedeutet: man hat was, man will was von dem Lehrer. Normalerweise. Als ich dann nach Deutschland kam, wußte ich wirklich am Anfang gar nicht, was man in diesen Sprechstunden macht. Ich kannte die Form Sprechstunde überhaupt nicht. Und da hab ich dann andere Chinesen gefragt, was man denn in den Sprechstunden eben reden sollte. Und da haben die gesagt: übers Studium. Man sollte denen erzählen, was man alles gemacht hat. Man geht mit einem Ziel hin. Und man muß eben das Ziel erreichen, wenn man rauskommt. (ebd.) Ein chinesischer Doktorand erzählt: Ja, am Anfang ist man sehr unsicher. Was ist so eine Sprechstunde? Was macht man da? Da habe ich einen chinesischen Kommilitonen gefragt. Der hat gesagt: ›Ja du sollst dem Professor sagen, du hast alles gelernt und kannst alles und willst gleich mit der Diss. anfangen‹. Und das habe ich dann gemacht. Aber das war wohl nicht so ganz gut. Bei uns besucht man den Professor zu Hause und bringt Geschenke mit. Auch beim Parteisekretär ist das so. (ebd.: 22 f.) Ein iranischer Maschinenbaustudent schildert folgende Schwierigkeiten bei der Formulierung seines Anliegens: Am Anfang des Studiums dachte ich immer, dass es unhöflich ist, wenn ich Professoren direkt um etwas bitte. Und so habe ich immer sehr viel erzählt. Einmal wollte ich <?page no="101"?> 102 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation einen Professor um ein Gutachten für die Bewerbung um ein Stipendium bitten und bin in seine Sprechstunde gegangen. Ich war aufgeregt und wollte nicht fordernd wirken. So begann ich damit, meine ganze Geschichte zu erzählen. Angefangen von meiner Zulassung an der Uni Kassel, von meiner Anreise nach Kassel, von der Äußerung meiner Freude darüber, dass ich jetzt hier studiere, aber dass ich hier noch niemanden kenne und keine finanzielle Unterstützung habe etc. Nach wenigen Minuten allerdings fragte der Professor mich mit einem Blick auf seine Uhr ungeduldig: „Können Sie mir bitte konkret sagen, worum es geht? “ (Saberi 2012: 106) Diese Erfahrungsberichte veranschaulichen die Unsicherheiten internationaler Studierender im Umgang mit der ihnen unvertrauten kommunikativen Gattung Sprechstunde (vgl. Günthner 2001: 23). Ebenso verweisen sie darauf, dass bestimmte kulturelle Erwartungen, die diese Studierenden an die fremde Situation haben, unter Umständen zu Enttäuschung führen, z. B. dann wenn die Lehrenden die mitgebrachten Geschenke in der Sprechstunde nicht annehmen und irritiert reagieren. Unterschiedliche Realisierung von scheinbar gleichen Gattungen Eine weitere Herausforderung in der interkulturellen Kommunikation besteht dann, wenn Gattungen kulturell unterschiedlich realisiert werden, obwohl sie scheinbar gleich sind. Beispielsweise sehen Sprechstunden an deutschen und US-amerikanischen Universitäten zunächst gleich aus. Auch an US-amerikanischen Universitäten halten die Lehrenden zu bestimmten Terminen Sprechzeiten ab, in denen die Studierenden mit ihnen aktuelle Projekte oder studienrelevante Probleme besprechen können. Die Lehrenden sind jedoch auch außerhalb der Sprechstunden jederzeit ansprechbar. Das private Finanzierungssystem führt zu einer günstigeren Studierenden-Dozierenden-Relation als an deutschen Universitäten (vgl. ebd.). Ein weiterer Bereich betrifft die Anredekonventionen in Sprechstundengesprächen. Beispielsweise ist es an dänischen Universitäten üblich, dass Studierende ihre Lehrenden duzen, da in Dänemark jeder bis auf die Königin mit „Du“ angesprochen wird. So beschreibt eine dänische Studierende irritiert die Reaktion ihres deutschen Professors: „[…] Er wird zunehmend ernster und platzt plötzlich mit seinem Unmut heraus: „würden Sie mich bitte siezen. Ich bin immerhin Ihr Professor“ (ebd.: 186). Diese Beispiele veranschaulichen, dass der Transfer der eigenen Gattungskonventionen auf eine kommunikative Gattung in der Zielkultur zu Schwierigkeiten führen kann. <?page no="102"?> 1.6 Hochschulische Kommunikation 103 Hyperkorrekturphänomene bei der Aktualisierung kommunikativer Gattungen Ein weiterer für die interkulturelle Realisierung kommunikativer Gattungen relevanter Aspekt betrifft das sogenannte „interaktive Hyperkorrekturphänomen“ (Günthner 2001: 26). Ein Phänomen, das dann auftritt, wenn sich die Interagierenden zu viel Mühe geben, sich interkulturell korrekt zu verhalten (vgl. ebd.). Sie informieren sich im Vorfeld über die Kommunikationskonventionen sowie die Verhaltensweisen und Eigenschaften der „anderen Kultur“ und haben bestimmte Erwartungen (vgl. ebd.): „Sie wissen, daß ihr Gegenüber sich in bestimmten kommunikativen Situationen ‚anders‘ verhält. Dieses Wissen fließt in die Interaktion mit ein und führt nicht selten zu bestimmten ‚interaktiven Hyperkorrekturphänomenen‘.“ (Günthner 1993). Die Interagierenden überformen dann ihre eigenen Verhaltensweisen und glauben, sich so an fremde Konventionen anzupassen. Günthner (2001: 27) veranschaulicht dieses Phänomen am folgenden Fallbeispiel einer Überanpassung einer chinesischen Studierenden an die ‚Direktheit‘ der deutschen Kommunikation: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schmidt! Verzeihen Sie, daß ich Sie mit meinem Anliegen störe! Mein Name ist Liu Xiaobing. Ich arbeite als Dozent für Physik an der Hochschule in Nanjing. Ich möchte gerne bei Ihnen arbeiten. Ich brauche deshalb einen Laborplatz bei Ihnen. Können Sie ihn mir zur Verfügung stellen. Leider dauert mein Stipendium von der chinesischen Regierung nur ein Jahr. Doch ich möchte meine Doktorarbeit bei Ihnen schreiben. Bitte seien Sie so höflich und besorgen Sie mir ein Stipendium für die Doktorarbeit. Auch wichtige Forschungsliteratur ist in China nur schwierig zu bekommen. Deshalb brauche ich neuere Literatur von Ihnen. Schicken Sie die Bücher an meine Adresse in Nanjing. Entschuldigen Sie meine Belästigung. Das Fallbeispiel illustriert, was passiert, wenn den Studierenden z. B. im Rahmen von inter-kulturellen Trainings nahegelegt wird, sich im Umgang mit Deutschen ‚direkt‘ auszudrücken, ohne dabei differenzierte Erklärungen und Beispiele zu geben. Für eine erfolgreiche Kommunikation in interkulturellen Begegnungen ist daher die Untersuchung und gezielte Vermittlung von Besonderheiten kommunikativer Gattungen von großem Belang. Adamzik (1995: 30) bemerkt dazu bezüglich der schriftlichen Textsorten: Unter praktischen, anwendungsbezogenen Gesichtspunkten ist das Phänomen der standardisierten Textsorten von besonderem Interesse, weil es hier um relativ strikte Konventionen geht, die gewissermaßen zufällig und jedenfalls nicht vorhersehbar sind und die sich einzelsprachlich unterscheiden. Das macht es notwendig, sie zu beschreiben und diese Beschreibung dergestalt didaktisch aufzubereiten, daß die <?page no="103"?> 104 1 Theoretische Grundlagen der Kommunikation Routinen im mutter- und fremdsprachlichen Unterricht vermittelt werden können. Dieses anwendungsbezogene Interesse erklärt nicht nur, daß Textsortenforschung in diesem Sinne strikt empirisch und auf einer alltagsnahen Ebene arbeiten muß, sondern auch, daß sich solche empirischen Studien in den letzten Jahren bevorzugt auf fachsprachliche Textsorten und kontrastive Aspekte konzentriert haben. Hier ist der Bedarf an expliziter Vermittlung von einzelsprachspezifischen kommunikativen Routinen besonders groß. Für eine erfolgreiche Gestaltung von Sprechstundengesprächen und die sprachlich angemessene Formulierung des jeweiligen Anliegens ist somit ein adäquates Gattungswissen nicht nur wünschenswert, sondern absolut notwendig. 1.7 Zwischenfazit In den bisherigen Ausführungen wurde die Komplexität menschlicher Kommunikation deutlich. Diese Komplexität führt nicht selten zu Kommunikationsstörungen und Verständigungsproblemen. Die Interagierenden zielen in der Kommunikation zwar in der Regel auf Verständigung ab, allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass sie immer erreicht wird (vgl. Fiehler 1998: 7). Fiehler (ebd.) betont, dass Verständigung keineswegs ein selbstverständliches, unproblematisches oder gar automatisches Resultat von Kommunikation ist. Vielmehr hat sie immer einen ‚Versuchscharakter‘, wobei aus vielerlei Gründen die Gefahr besteht, dass der Versuch nicht zum Erfolg führt (vgl. ebd.). Als Ergebnis der Literaturdiskussion kann des Weiteren festgehalten werden, dass Interagierende an die Kommunikation bestimmte Erwartungen knüpfen. Einem Gespräch liegen also immer bestimmte Erfahrungswerte und normative Vorstellungen über dessen Ablauf zugrunde, an denen dann die aktuelle Kommunikation gemessen wird (vgl. ebd.: 9). Wird diesen nicht entsprochen, kann es zu Problemen bzw. Störungen kommen. Ebenso wurde festgestellt, dass die Kommunikation in Institutionen bestimmten Regeln folgt. Die Interagierenden müssen über eine Reihe von Kenntnissen zu den Rahmenbedingungen der Institution verfügen, damit die Kommunikation gelingen kann. Es liegt auf der Hand, dass das Befolgen unterschiedlicher Konventionen, Regeln und Normen bei der interkulturellen Kommunikation eine größere Herausforderung darstellt, als es bei der intrakulturellen Kommunikation der Fall ist. Um die Ergebnisse von Kommunikation zu verbessern und Verständigung in dem erforderlichen Maß zu erreichen, bedarf sie sorgfältiger Beobachtung und einer konstruktiven Mitwirkung der Interagierenden sowie kontinuierlicher Anstrengung und kommunikativer Arbeit (vgl. ebd.). Die Sichtweise, dass 1.7 Zwischenfazit <?page no="104"?> 1.7 Zwischenfazit 105 Kommunikation gestaltbar ist, schließt Vorstellungen über eine Verbesserbarkeit und Lehrbarkeit der Fähigkeit zur Verständigung mit ein (vgl. ebd.: 8). Es stellt sich somit die Frage, durch welche Lehr- oder Lernformen die Kommunikationsfähigkeit soweit verbessert werden kann, dass Probleme und Störungen wesentlich seltener oder gar nicht mehr vorkommen. Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, die Kommunikation in hochschulischen Sprechstunden näher zu beleuchten und ein Angebot zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit internationaler Studierender zu entwickeln, da auf der Basis der dargestellten theoretischen Grundlagen davon ausgegangen werden kann, dass es hierfür hilfreich ist, ihnen relevante Informationen zu Kommunikation und Kultur zu vermitteln. Im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit steht also die Interaktion zwischen internationalen Studierenden und den Lehrenden in Sprechstunden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den institutionellen sowie den kulturspezifischen Besonderheiten universitärer Sprechstundengespräche sowie den damit verbundenen typischen Sprechhandlungen und deren typische sprachliche Realisierung. <?page no="106"?> 1.7 Zwischenfazit 107 2 Forschungsdesign und Methodik In zweiten Teil der vorliegenden Arbeit sollen die bisherigen theoretischen Überlegungen im Hinblick auf die empirische Analyse konkreter Sprechstundengespräche gebündelt werden. Das Kapitel gliedert sich in vier Abschnitte. Zunächst werden die methodischen Herausforderungen thematisiert, die allgemein mit der Erforschung menschlicher Kommunikation verbunden sind (Abschnitt 2.1). Danach werden einige grundlegende Überlegungen zur Analyse gesprochener Sprache angestellt (Abschnitt 2.2). Daran anschließend werden die ausgewählte Analysemethode, die funktional-pragmatische Diskursanalyse, in ihrer allgemeinen Form sowie deren allgemeine methodologische Prinzipien vorgestellt (Abschnitt 2.3). Dem Abschnitt folgt die Beschreibung der einzelnen Analyseschritte nach dieser Methode (Abschnitt 2.4), bevor sich der Abschnitt 2.4.2.7 dann der Darlegung der praktischen Umsetzung der Methode am Gegenstand und Ziel der vorliegenden Untersuchung widmet. Abschließend werden die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt. 2.1 Methodische Reflexion Beim Versuch, menschliche Kommunikation wissenschaftlich zu erfassen und zu beschreiben, treten zahlreiche methodologische Probleme auf. Aus diesem Grund soll vor der Darstellung der Forschungsmethode zunächst näher auf diese Herausforderungen eingegangen werden. Thije (2002: 63) fasst diese Herausforderungen in den folgenden beiden grundlegenden Fragen zusammen: ▶ Erstens stellt sich die Frage, ob und wie man von Untersuchungen der Interaktionsstrukturen zwischen zwei individuellen Personen auf die Beziehungen zwischen den entsprechenden unterschiedlichen Kollektiven, denen sie angehören (wollen), generalisieren kann. Welcher Stellenwert wird dabei Begriffen wie ‚Kultur‘, ‚Ethnizität‘ und ‚Nationalität‘ beigemessen? ▶ Zweitens stellt sich die Frage, wie man in der Forschung das Verhältnis zwischen sprachlichem Handeln in der Interaktion und gesellschaftlichen Strukturen allgemein, in denen die Interaktion stattfindet, analysiert; oder - besser formuliert - wie das Verhältnis zwischen der Interaktion und den gesellschaftlichen Strukturen, die in und durch die Interaktion konstituiert werden, beschaffen ist. <?page no="107"?> 108 2 Forschungsdesign und Methodik Darüber hinaus weist Thije (ebd.) auf das grundsätzliche Problem hin, dass der Terminus interkulturelle Kommunikation in der Forschung sehr weit gefasst wird (vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 1.5). Aufgrund der komplexen und dynamischen Natur menschlicher Kommunikation und Kultur ist es sogar wahrscheinlich, dass zumindest Teile der genannten Problemen nicht lösbar sind. Daher ist Thije (2002: 70) zuzustimmen, wenn er feststellt, dass keine Forschungsmethodik oder Heuristik vorliegt, mit der diskursive Strukturen der interkulturellen Kommunikation analysiert werden können. Gleichwohl ist zu klären, wie eine Analysemethode aussehen muss, die ansatzweise der Komplexität des Forschungsgegenstands gerecht werden kann. Diese Frage verlangt nach methodologischen Überlegungen, die im Folgenden dargelegt werden sollen. 2.2 Grundlegende Überlegungen zur Analyse gesprochener Sprache Verschiedene theoretische Ansätze befassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Zielsetzungen mit der gesprochenen Sprache. Zu Beginn der siebziger Jahre gab die Pragmatik der Erforschung der gesprochenen Sprache neue Impulse. Vor dem Hintergrund der linguistischen Pragmatik entwickelte sich die kommunikationsorientierte Textlinguistik, die sich vor allem auf die Sprechakttheorie von Austin (1962) stützte. Austin (ebd.) lenkte in seinem Hauptwerk ‚How to do things with words‘ die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf zentrale, bis dahin jedoch stark vernachlässigte Gebiete der Linguistik und hebt den Handlungsaspekt der Sprache hervor. Folglich sind die „Verwendungsbezüge“ (Ehlich 2010: 215) von Sprache neben den traditionellen Kernbereichen der Linguistik - Grammatik, Lexikon und Morphologie, Phonologie, Syntax und Semantik - verstärkt ins Blickfeld geraten. Unter der pragmatischen Perspektive wurden die charakteristischen Merkmale gesprochener Sprache zunehmend in dialogischen Kontexten untersucht (vgl. ebd.). Für die Untersuchung von Gesprächen findet sich in der germanistischen Linguistik eine Vielfalt an Begriffsbestimmungen wie ‚Konversationsanalyse‘ (Kallmeyer/ Schütze 1976), ‚Diskursanalyse‘ (Wunderlich 1976) und ‚Gesprächsanalyse‘ (Ungeheuer 1987). Trotz der verschiedenen Termini stellen sie alle im Wesentlichen eine Rezeption der amerikanischen conversational analysis dar (vgl. Henne/ Rehbock 2001). Deppermann (2008: 49) fasst dies wie folgt zusammen: Jede gesprächsanalytische Untersuchung zielt in irgendeiner Weise darauf ab, Formen (kommunikative Gattungen, institutionelle Interaktionstypen, grammatische Einheiten etc.) typologisch zu beschreiben und verständlich zu machen, indem gefragt wird, 2.2 Grundlegende Überlegungen zur Analyse gesprochener Sprache <?page no="108"?> 2.3 Funktional-pragmatische Diskursanalyse 109 welche Funktionen die Formen für Aufgaben, Probleme und Zwecke haben, mit denen Interaktanten in Gesprächen befasst sind. Der Sammelband ‚Pragmatiktheorien‘ (Staffeldt/ Hagemann 2014) gewährt einen Einblick in Erkenntnisinteresse und Analyseverfahren verschiedener pragmatischer Richtungen. Vertreter der unterschiedlichen theoretischen Ansätze demonstrieren dort anhand desselben sprachlichen Materials, der Bundespressekonferenz vom 18.02.2011, welche Ergebnisse bei Anwendung der jeweiligen Beschreibungsmethoden erzielt und welche Erkenntnisse aus den authentischen Daten gewonnen werden können (vgl. ebd.: 8). Auf diese Weise ist die Möglichkeit des Vergleichs der verschiedenen Ansätze gegeben. Von diesen diskursanalytischen Forschungsmethoden eignet sich für die Sprachverwendung in institutionellen Kontexten die funktional-pragmatische Diskursanalyse vor allem deswegen am besten, weil bei dieser Methode die Frage nach dem Zusammenhang von sprachlichem Handeln, sprachlicher Form und gesellschaftlichen, vor allem institutionellen, Strukturen und Zwecken im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses steht (vgl. Weber/ Becker-Mrotzek 2012: 2). Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen der funktional-pragmatischen Diskursanalyse vorgestellt und dann die Analyseschritte zusammenfassend beschrieben. 2.3 Funktional-pragmatische Diskursanalyse Die Bezeichnung ‚funktional-pragmatische Diskursanalyse‘ deutet bereits die Grundannahmen dieser Methodik an. Der Begriff ‚Pragmatik‘ weist auf die Interpretation des Sprechens als Handeln hin, welches das Leitthema dieses Ansatzes bildet (vgl. Ehlich 2010: 215). Sprache wird hier in erster Linie nicht als System, sondern als etwas Funktionales betrachtet und dementsprechend behandelt. Sie erfüllt eine gesellschaftliche Funktion, und ihr liegen menschliches Handeln und eine zweckmäßige Kooperation zugrunde (vgl. Leimbrink 2014: 213 ff.; Weber/ Becker-Mrotzek 2012: 1; Ehlich 2010: 216). Somit bilden die Zwecke, die die Interaktanten beim Sprechen verfolgen, die zentrale Kategorie der Sprachanalyse dieser Methodik, worauf der Begriff ‚funktional‘ hinweist. Dabei handelt es sich nicht um die Zwecke vereinzelt Handelnder, sondern um die Zwecke der Handelnden in ihrer kommunikativen Gemeinschaft (vgl. Ehlich 2010: 216). Brünner und Graefen (1994: 14) beschreiben die Analysemethode der funktionalen Pragmatik folgendermaßen: Funktionale Pragmatik ist eine Analyseweise, die sprachliches Handeln als Teil des gesellschaftlichen Handelns untersucht. Das bedeutet, daß sie das sprachliche Han- 2.3 Funktionalpragmatische Diskursanalyse <?page no="109"?> 110 2 Forschungsdesign und Methodik deln systematisch auf gesellschaftliche Zwecke und auf institutionelle Bedingungen bezieht. Zugleich analysiert sie es in seiner Vernetzung mit anderen (mentalen und praktischen) Formen des Handelns. Sie rekonstruiert die gesellschaftlichen Zwecke und bis zu einem gewissen Grad auch die individuellen Ziele aus den Formen sprachlicher Handlungen sowie aus der Verwendungsweise sprachlicher Mittel. Sprachliches Handeln im Sinne der funktional-pragmatischen Diskursanalyse ist auf Verständigung bei der Lösung von gesellschaftlichen Problemen orientiert. Kennzeichnend für Interaktionen innerhalb einer Gesellschaft ist ihr wiederkehrender Charakter, der dazu führt, dass die Interagierenden ein gemeinsames gesellschaftliches Wissen bezüglich Institutionen und Diskurstypen aufweisen, welches jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein kann (vgl. Thije 2002: 64). Dieses Wissen wird beispielsweise an der unterschiedlichen Formulierung einer Frage erkennbar, wenn sie einem Kommilitonen, einer Professorin, einem Kollegen oder einer Nachbarin gestellt wird (vgl. ebd). Die funktionale Pragmatik ist von verschiedenen Theorien beeinflusst worden, wobei der Sprechakttheorie eine grundlegende Bedeutung zukommt (vgl. Leimbrink 2014: 214 f.). Die Sprechakttheorie ist durch das Konzept des Handlungsmusters diskursanalytisch weiterentwickelt worden. Charakteristisch für dieses Konzept sind die Darstellung der Zusammenhänge der Handlungsoptionen der Interagierenden sowie die systematische Berücksichtigung ihrer mentalen Handlungen und ihres Wissens (vgl. Weber/ Becker-Mrotzek 2012: 2). Damit stellt die funktional-pragmatische Diskursanalyse eine umfassende Theorie dar, „[…] die die Vielfältigkeit kommunikativer Handlungsbezüge von Sprache ebenso thematisiert, wie sie die sprachlichen Strukturen als funktional sinnvolles Ensemble beschreibt.“ Redder (2008: 134) führt dazu aus: “Functional Pragmatics views society as central to understanding language, but tries to avoid the danger of short circuiting linguistic forms and ideological functions, by reconstructing in great detail linguistic and mental processes.” Nach Ehlich und Rehbein (1975: 215) kann eine funktionale Analyse nur dann erreicht werden, „[…] wenn man die dem sozialen Leben zugrundeliegenden Kräfte und Strukturen herausfindet. Aus ihnen […] lässt sich die Erklärung der an der Oberfläche auftretenden Erscheinungen entwickeln.“ Die Betrachtung der Sprache und ihrer Bedeutung aus dieser Perspektive ist nach Wunderlich (1975: 5) besonders dann nützlich, „[…] wenn Sprechen einmal nicht gelingt, wenn widersprochen, vorgeworfen, irregeführt, getäuscht wird, oder wenn Sprechen dem einen gelingt, dem anderen nicht, und dann zur Erklärung der Kontext der Tätigkeiten und sozialen Verhältnisse ins Spiel kommen muß.“ Ehlich und Rehbein (1975) haben am Beispiel ‚Speiserestaurant‘ gezeigt, wie sich die Handlungsabläufe und das sprachliche Handeln aufeinander beziehen. <?page no="110"?> 2.3 Funktional-pragmatische Diskursanalyse 111 In ihrer Analyse sind die zentralen theoretischen Überlegungen der funktionalpragmatischen Diskursanalyse zu finden. Es wird angenommen, dass sich die sprachlichen Zwecke als gesellschaftliche Größen, als das Ergebnis von konkreter Interaktion realisieren. „Sie resultieren in unterschiedlichen Mustern und Arten, auf die die gesellschaftlichen Aktanten zurückgreifen können, die sie fortschreiben und fortentwickeln: in den Handlungsmustern, den Diskursarten und den Textarten.“ (Ehlich 2010: 216) Bei der Analyse der Institution ‚Restaurant‘ werden die zentralen Strukturen dieser Institution angegeben. Die einzelnen Handlungen der verschiedenen Interaktanten werden akribisch festgestellt und in drei Gruppen unterteilt: in Aktionen (z. B. Platznehmen), Interaktionen (verbale und nonverbale Kommunikationen zwischen Aktanten, z. B. Zahlen wollen) und Entscheidungspunkte, die die mentalen Handlungen der Aktanten miteinbeziehen (vgl. Ehlich/ Rehbein 1975: 224; Grießhaber 2001: 75). Das gesellschaftlich erarbeitete Muster der Institution und Handlungsprozesse wird in einem sogenannten ‚Praxeogramm‘ dargestellt. Mit einem Praxeogramm ist „[…] die Folie für die sich wiederholenden Performanzen von Handlungsabläufen gegeben, die für diese Institution charakteristisch sind.“ (Ehlich/ Rehbein 1975: 228) Es ermöglicht einen Überblick über die interaktive Charakteristik institutioneller Handlungsprozesse und stellt eine Abstraktion dar, mit der komplizierte Vorgänge adäquat klassifiziert werden können (vgl. ebd.). Zudem kann mit einem Praxeogramm dargestellt werden, dass die Handlungsmuster nicht linear durchlaufen werden, sondern in Abhängigkeit von den gegebenen Bedingungen nur bestimmte unterstützende Muster (z. B. Verständnissicherungsprozeduren) umfassen und andere Musterpositionen auslassen können (vgl. Grießhaber 2001: 75). Ehlich und Rehbein (1986: 6) weisen darauf hin, dass in relativ einfachen Institutionen wie einem Speiserestaurant die Vermittlungszusammenhänge zwischen Sprache und sonstigen Abläufen verhältnismäßig leicht zu erkennen sind und die zentralen Bestimmungen und Zweckzusammenhänge der Institution in einem Praxeogramm dargestellt werden können. Bei komplexeren Institutionen, zu denen die Hochschule gehört, ist eine derart einfache Darstellungsform jedoch nicht möglich, da sie sowohl die Institutionsanalyse als auch die Analyse der Sprache und des sprachlichen Handelns in der Institution unzulässig verkürzt (vgl. ebd.). Demzufolge lässt sich die komplexe Kommunikation in einer universitären Sprechstunde ebenso wenig in einem Praxeogramm abbilden. Gleichwohl eignen sich die grundlegenden Verfahren der funktional-pragmatischen Diskursanalyse als Analyseform für deren Untersuchung. Nach dieser kurzen Einführung soll nun im Folgenden auf die grundlegenden Analyseverfahren der funktional-pragmatischen Diskursanalyse eingegangen werden. <?page no="111"?> 112 2 Forschungsdesign und Methodik 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess Nach Thije (2002: 65) soll in einer funktional-pragmatischen Diskursanalyse immer danach gefragt werden, „[…] mit welchen sprachlichen Handlungsmustern und in welcher Institution eine Interaktion stattfindet, oder konkreter formuliert, man sollte rekonstruieren, wie die Zwecke der Muster und die Zwecke der Institution sich wechselseitig sprachlich ermöglichen und vermitteln.“ Bei diesem Ansatz steht die Auswirkung situationeller und institutioneller Gegebenheiten auf die Interaktion also im Mittelpunkt des Interesses. Hiermit soll herausgefunden werden, welche institutionellen Besonderheiten und Regeln dem Diskurs zugrunde liegen und wie sich diese in der sprachlichen Form zeigen. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, den institutionellen Rahmen aufzuzeigen und die damit verbundenen spezifischen Handlungs-, Wissens- und Sprachformen zu erläutern (vgl. Leimbrink 2014: 215). Die Herausarbeitung der spezifischen Handlungskonstellationen ist ein wichtiger Bestandteil der Institutionsanalyse. Das Handlungspotential der Aktanten wird von der jeweiligen Konstellation determiniert: Wer spricht zu wem, zu welchem Zweck und unter welchen Bedingungen? Wie ist das Wissen unter den Aktanten verteilt? Gibt es Wissensvorsprünge einzelner Aktanten? Welches Rollenverständnis (z. B. symmetrisch/ asymmetrisch) prägt die Interaktion? (vgl. ebd.) 2.4.1 Analyseschritte nach Thije (2002) Thije (2002: 71 ff.) skizziert den Forschungsablauf der funktional-pragmatischen Diskursanalyse in Schritten und weist zugleich darauf hin, dass der von ihm beschriebene Analyseprozess einen Modell-Ablauf darstellt und jedes Forschungsziel einer spezifischen, angepassten Arbeitsweise bedarf. Die Schritte werden im Folgenden zusammengefasst dargestellt. Schritt 1: Fragestellung Die Untersuchung interkultureller Kommunikationssituationen beginnt auf der Basis von Literaturstudien, Introspektion, Pilotstudien etc. mit der Überlegung, wo interkulturelle Situationen erwartet werden können und wie interkulturelle diskursive Strukturen die Interkulturalität der Situation bestimmen. Es wird eine vorläufige Forschungslage formuliert, in der sich mit einem spezifischen interkulturellen Phänomen auseinandergesetzt wird und die Erwartungen oder Erkenntnisinteressen explizit gemacht werden. 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess <?page no="112"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 113 Schritt 2: Datensammlung Ausgehend vom Erkenntnisinteresse werden authentische Diskurse ausgewählt und mittels Audio-/ Videoaufnahmen festgehalten. Diese aufgezeichneten Gespräche bilden dann die Grundlage der diskursanalytischen Untersuchungen. Schritt 3: Zusammenfassung von Daten Die Inhalte der Diskurse werden in einer Gesamtübersicht der Daten zusammengefasst, um einen Überblick über das verfügbare Forschungsmaterial zu ermöglichen. Schritt 4: Suche nach Auffälligkeiten Geleitet von dem Analyseziel und dem Forschungsinteresse besteht der nächste Schritt in der Suche nach Auffälligkeiten in den aufgenommenen Materialien. Auffälligkeiten in einer interkulturellen Kommunikation können in Anlehnung an Agar (1994/ 2002) auch als rich points verstanden werden (vgl. Abschnitt 1.5.4.2). Schritt 5: Selektion zu untersuchender Materialausschnitte Für die Analyse werden jene Gesprächsausschnitte selektiert, in denen ausgewählte rich points vorkommen. Schritt 6: Transkription der zu untersuchenden Ausschnitte Nach der Entscheidung zur Beschäftigung mit bestimmten Ausschnitten der Interaktionen und Gespräche werden diese Ausschnitte transkribiert, wobei die Genauigkeit der Transkription vom jeweiligen Analyseziel abhängt. Schritt 7: Transkriptanalyse Die Transkriptanalyse stellt zunächst eine Einzelfallanalyse dar, „bei der versucht wird, im Zufälligen des jeweiligen Gesprächs das Gesetzmäßige zu finden. Es wird nach Unterschieden zwischen verschiedenen Gesprächsverläufen in Transkripten gleicher Diskursart gesucht.“ (Weber/ Mrotzek 2012: 4) An der Oberfläche lassen sich beim Vergleich der Gespräche mehrere weitgehend parallele Abschnitte erkennen, die eine erste Strukturierung der Gespräche ermöglichen (vgl. ebd.). So werden ausgehend von der Forschungsfrage die Transkripte in ihren strukturierenden Einheiten oder Phasen analysiert: das sogenannte ‚Sektionieren des Transkriptes‘. In den für die Analyse relevantesten Sektionen wird nach Äußerungseinheiten segmentiert. <?page no="113"?> 114 2 Forschungsdesign und Methodik Schritt 8: Versuchsanalyse In der Versuchsanalyse wird anhand des Transkriptes die vorläufige Forschungsfrage bearbeitet. Dazu wird der Zusammenhang zwischen einzelnen Segmenten und der Struktur der betreffenden Sektion bzw. des Diskurses rekonstruiert. Die Versuchsanalyse bezieht sich somit auf die Vermittlung sprachlicher Ausdrücke und der zugrundeliegenden Handlungsstruktur im Diskurs. Auf ihrer Grundlage kann dann die vorläufige Fragestellung in eine ‚zugespitzte Fragestellung’ umformuliert werden, so dass z. B. deutlich wird, welche sprachlichen Strukturmerkmale für die Identifikation ähnlicher Ausschnitte in anderen Transkripten wichtig sind. Schritt 9: Korpusanalyse Zur Beantwortung der zugespitzten Fragestellung werden aus der gesamten Transkriptionssammlung vergleichbare Ausschnitte ausgewählt. Durch wechselseitige ‚Konfrontation‘ werden Segmente in Bezug auf strukturelle Unterschiede und Zusammenhänge untersucht. Für die Konfrontation ist der Unterschied zwischen sogenannten ‚reinen‘ und ‚abgeleiteten Fällen‘ ausschlaggebend. Bei der Analyse werden zunächst die Strukturmerkmale der reinen Fälle fokussiert, d. h., es werden erst die erfolgreichen Durchläufe eines Musters analysiert, bevor die missglückten Durchläufe bzw. abgeleiteten Fälle analysiert werden. Die beschriebenen Verfahrensschritte können bei Bedarf durch eine Sammlung ethnographischer Daten und Interviews sowie eine teilnehmende Beobachtung ergänzt werden (vgl. Thije 2002: 74 f.). Wie bereits erwähnt, hat Thije (ebd.: 76) an mehreren Stellen ausdrücklich hervorgehoben, dass der von ihm beschriebene Analyseprozess lediglich einen Modell-Ablauf darstellt und nicht als „ein autonomer Mechanismus“ betrachtet werden darf. Vielmehr erfordert jede Fragestellung eine spezifische Arbeitsweise (vgl. ebd.). Die methodologischen Prinzipien dieser Methode fasst Thije (ebd.) folgendermaßen zusammen: Die funktional-pragmatische Diskursanalyse als empirische Ausrichtung Bei ihren Untersuchungen geht die funktional-pragmatische Diskursanalyse empirisch-induktiv vor und bedient sich qualitativer Methoden (vgl. Weber/ Mrotzek 2012: 3). Ehlich (2007: 27) formuliert dieses grundlegende Prinzip wie folgt: Eine funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse ist notwendig empirisch, d. h. sie läßt sich in einer systematischen Weise auf die Konkretionen, die an der Oberfläche des sprachlichen Handelns erscheinen, wirklich ein. Zugleich ist sie reflektiert, d. h. sie gibt sich nicht dem Anschein hin, die Empirie rede sozusagen allein und für sich <?page no="114"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 115 selbst, sondern sie analysiert die Kategorien, die sie immer schon - als alltägliche dem Analytiker mit den anderen Sprechern einer Sprache gemeinsam; als alltagswissenschaftliche und als wissenschaftliche - ins Spiel bringt, bewußt und prüft sie auf ihre analytische Leistungsfähigkeit. Nach Weber und Mrotzek kann man das Vorgehen in der funktional-pragmatischen Diskursanalyse als […] reflektierte Empirie ohne starre Analyseschritte bezeichnen, bei der sich empirische Untersuchung und Theoriebildung über sprachliches Handeln gegenseitig bedingen; die Analyse authentischer sprachlicher Interaktion, die Entwicklung theoretischer Erkenntnisse und die erneute Überprüfung des gewonnenen Wissens am Datenmaterial befördern sich wechselseitig. (ebd.) In die Analyse gehen sowohl Wissensbestände der Analysierenden als auch das Wissen der Interaktanten, insbesondere sprachliches Wissen und Handlungswissen sowie Wissen um gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge ein (vgl. Thije 2002: 77). Somit geht die funktional-pragmatische Diskursanalyse „[…] mit einem doppelten Vorverständnis an die zu untersuchenden Gespräche: zum einen mit einem alltäglich-praktischen und zum anderen mit einem analytisch-wissenschaftlichen zur theoretischen Vorklärung.“ (Grießhaber 2000: 81) Dabei zielt die theoretische Vorklärung in erster Linie auf die Klärung der Zwecke des Diskurses (vgl. ebd.). „Die Analyse setzt also nicht direkt mit dem alltäglich-praktischen Wissen des Untersuchenden mit der Rezeption der Transkripte ein, sondern erfordert eine theoretische Vorklärung und systematische Aufarbeitung vorhandenen Wissens.“ (ebd.) Die funktional-pragmatische Diskursanalyse als ‚konkrete Hermeneutik‘ Die funktional-pragmatische Diskursanalyse ist durch die Anwendung mehrerer Methoden nebeneinander gekennzeichnet und stellt einen triangulären Forschungsansatz dar. Die Methode ist […] weder eine ‚ bottom-up Analyse‘ von der Äußerung zur sozialen Struktur, noch ist sie eine ‚ top-down Entwicklung‘ von der sozialen Struktur zur Interpretation von Äußerungen. Sie folgt stattdessen den zirkulären interpretativen Stufen, welche als hermeneutische Methode bekannt sind. Das Ziel der hermeneutischen Analyse ist die Rekonstruktion von Wissen über die Wirklichkeit, in der der Diskurs als Teil der Realität auf das Gesamte bezogen wird (Thije 2002: 78). Ein solches Verständnis der linguistischen Aufgabe unterstreicht die Komplexität der Analyse. Ehlich (2007: 26) betont daher, dass die funktionale Pragmatik <?page no="115"?> 116 2 Forschungsdesign und Methodik nicht umhin kommt, sich sowohl als Sprachsoziologie und Sprachpsychologie als auch als Sprachanalyse zu verstehen. 2.4.2 Beschreibung der einzelnen methodischen Schritte Nachdem die methodischen Überlegungen und die theoretischen Grundlagen der funktional pragmatischen Diskursanalyse dargestellt wurden, soll nun die konkrete Vorgehensweise der empirischen Untersuchung am Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, nämlich an authentischen Sprechstundengesprächen, erläutert werden. Das Ziel der Analyse besteht darin, einen vertiefenden Einblick in die verschiedenen Bereiche der Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden zu verschaffen sowie Regelhaftigkeiten auf der sprachlichen Ebene darzustellen und die damit verbundenen gattungsspezifischen Formulierungen aus den Gesprächen abzuleiten. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse werden dann in einem nachfolgenden Schritt für die Erstellung des Online -Förderangebots genutzt. Im Folgenden werden zunächst die Forschungsschritte nachgezeichnet. 2.4.2.1 Fragestellung Abgeleitet aus dem theoretischen Rahmen und der formulierten Zielsetzung der Analyse ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen: ▶ Welche institutionellen, kulturellen und sprachlichen Merkmale weisen universitäre Sprechstundengespräche auf? ▶ Welche Ablaufstruktur liegt universitären Sprechstundengesprächen an deutschen Hochschulen zugrunde? ▶ Welche Schwierigkeiten können in einem Sprechstundengespräch zwischen Studierenden und Lehrenden im internationalen Kontext auftreten? ▶ Welche Formulierungen in universitären Sprechstunden können als gattungsspezifisch bezeichnet werden? ▶ Wie können die Ergebnisse der Diskursanalyse für das Förderangebot fruchtbar gemacht werden? 2.4.2.2 Datensammlung Die Datengrundlage der Arbeit bilden Audioaufnahmen von 27 Sprechstundengesprächen an der Universität Kassel und der Philipps-Universität Marburg, die zwischen dem Wintersemester 2009/ 2010 und dem Wintersemester 2010/ 2011 aufgezeichnet wurden. Die Gespräche fanden im Rahmen der offiziellen Sprechstundenzeiten statt. Das Korpus besteht aus Sprechstundengesprächen zwischen Hochschullehrenden und deutschen Studierenden sowie Sprechstundengesprächen mit inter- <?page no="116"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 117 nationalen Studierenden, bei denen der Fokus auf Aspekten der interkulturellen Kommunikation liegt. Die Dauer der Gespräche variiert sehr stark, das kürzeste Gespräch dauert 2 Minuten, das längste 76 Minuten. Die Gesamtdauer der Gespräche beträgt 487 Minuten bzw. 8 h 7 min. Es kann festhalten werden, dass die am Institut für Germanistik an der Universität Kassel aufgenommenen Gespräche kürzer sind als die im Fachgebiet für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache aufgenommenen. Am Institut für Germanistik haben die Lehrenden meist eine sehr große Zahl von Studierenden zu betreuen, weshalb die Beratungsangebote begrenzt sind. Ergänzend zu diesem Korpus wurde auf bereits existierende Korpora zu universitären Sprechstundengesprächen von Boettcher, Limburg und Zegers (2005), Kiesendahl (2011) und Zegers (2005) zurückgegriffen. 2.4.2.3 Zusammenfassung der Daten Für einen besseren Überblick zum verfügbaren Forschungsmaterial wurden die aufgenommenen Gespräche in Form einer Tabelle zusammengefasst. Dateiname Dauer der Aufnahme Inhalt Fachgebiet- Universität L1 Lehrende-Studierende Gespräch Nr. 1 00: 16: 40 Fragen zum Thema einer Hausarbeit Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 2 00: 12: 47 Sich über Masterstudiengang informieren DaF-Philipps-Universität Marburg Italienisch- Deutsch Gespräch Nr. 3 00: 06: 09 Fragen zur Prüfung Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 4 00: 02: 20 Tutorentätigkeit Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 5 00: 11: 40 Inhaltliche Besprechung eines Referats DaF-Philipps-Universität Marburg Italienisch-Chinesisch Gespräch Nr. 6 00: 33: 39 Inhaltliche Fragen zu einer Hausarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Vietnamesisch Gespräch Nr. 7 00: 15: 08 Klausurnachbesprechung DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Bosnisch <?page no="117"?> 118 2 Forschungsdesign und Methodik Gespräch Nr. 8 00: 19: 36 Inhaltliche Fragen zu einer Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Kubanisches Spanisch Gespräch Nr. 9 00: 23: 36 Fragen zur Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Griechisch Gespräch Nr. 10 00: 05: 29 Tutorentätigkeit Prüfungsbesprechung Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 11 00: 06: 14 Organisatorische Frage zu einer Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Albanisch Gespräch Nr. 12 00: 29: 48 Inhaltliche Fragen zu einer Masterarbeit (Gliederung & Exposé) DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Griechisch Gespräch Nr. 13 00: 11: 01 Fragen zur Anerkennung zuvor erbrachter Leistungen DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 14 00: 53: 09 Fachliche Fragen zu einer Dissertation DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Türkisch Gespräch Nr. 15 00: 04: 30 Abgabe einer Hausarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Albanisch Gespräch Nr. 16 00: 18: 40 Fragen zur Gliederung einer Hausarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Chinesisch Gespräch Nr. 17 00: 07: 18 Antrag auf ein Stipendium Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 18 00: 02: 13 Fragen zu Formalien einer Hausarbeit Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 19 00: 17: 06 Fragen zum Thema einer Hausarbeit Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 20 00: 11: 87 Anmeldung für Examensarbeit Germanistik-Universität Kassel Deutsch-Deutsch <?page no="118"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 119 Gespräch Nr. 21 00: 03: 04 Anmeldung für Zwischenprüfung Germanistik- Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 22 00: 16: 13 Nachbesprechung einer Hausarbeit Germanistik- Universität Kassel Deutsch-Deutsch Gespräch Nr. 23 00: 15: 20 Fragen zu einer Hausarbeit DaF-Philipps-Universität Marburg Italienisch-Chinesisch Gespräch Nr. 24 00: 04: 43 Allgemeine Fragen zum Studium DaF-Philipps-Universität Marburg Italienisch-Deutsch Gespräch Nr. 25 00: 43: 39 Fragen zu einer Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Persisch Gespräch Nr. 26 01: 16: 33 Fragen zur Gliederung einer Dissertation DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Persisch Gespräch Nr. 27 00: 17: 54 Inhaltliche Fragen zu einer Hausarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Deutsch-Chinesisch Tabelle 1: Zusammenfassung der Daten 2.4.2.4 Suche nach Auffälligkeiten Geleitet von dem Analyseziel und dem Forschungsinteresse bestand der nächste Schritt in der Suche nach Auffälligkeiten in den aufgenommenen Daten. Für den Begriff der Auffälligkeiten wurde sich hier an Agar (1994) angelehnt, der sie als Momente in der Kommunikation beschreibt, die besonders problemanfällig sind (siehe Ausführungen in Abschnitt 1.5.4.2). Um solche Auffälligkeiten bzw. problemanfälligen Momente in einer Kommunikation erkennen zu können, müssen zunächst die konkreten Normen bzw. Regeln, an denen sich die Interagierenden in einer Kommunikationsgemeinschaft bei der Realisierung der jeweiligen kommunikativen Gattung orientieren, herausgearbeitet und rekonstruiert werden. (siehe Ausführungen in Abschnitt 1.6.2) Dabei wurden Normen begrifflich in Anlehnung an Hartung (1977: 11) als „gedankliche Festsetzung“ verstanden, „die sich auf menschliche Handlungen beziehen und kollektive Verbindlichkeit besitzen, die vom Handelnden also eine bestimmte, wiederkehrende Art des Handelns fordern und so auf eine Regulation sozialen Verhaltens hinzielen.“ Auf der Basis der theoretischen Ausführungen zu kommunikativen Gattungen (siehe Abschnitt 1.6.2) wurden aus dem Korpus Gespräche mit deutschsprachigen Studierenden ausgewählt, an denen die Kommunikationsnormen universitärer Sprechstundengespräche besonders deutlich in Erscheinung tre- <?page no="119"?> 120 2 Forschungsdesign und Methodik ten. Im Einzelnen geht es bei der Darstellung der Regelhaftigkeiten universitärer Sprechstundengespräche vor allem um Fragen wie: Welche Phasen lassen sich in einem universitären Sprechstundengespräch identifizieren? Wie werden diese Phasen im interaktiven Zusammenspiel konstituiert? Welche Sequenzen sind obligatorisch? Welche besonderen sprachlichen Mittel bzw. gattungsspezifischen Formulierungen werden von den Interagierenden verwendet? In einem nächsten Schritt wurde nach den Auffälligkeiten gesucht. Die Kategorisierung bzw. Feststellung eines kommunikativen Verhaltens als auffällig ist jedoch mit methodischen Problemen behaftet. Grundlegend ist dabei die Prämisse, dass es keine objektive Wirklichkeit außerhalb der Handlungen der Interagierenden gibt. Mit anderen Worten: Soziale Wirklichkeiten verweisen nicht auf eine naturhaft-objektive, sondern auf eine gesellschaftlich-intersubjektive Welt, die symbolisch vermittelt und kommunikativ bedingt ist und von Handelnden unter kognitiven, expressiven und normativen Gesichtspunkten aktiv hergestellt wird. Ihr Realitätsgehalt ist dementsprechend nicht subjekt-unabhängig, sondern die symbolisch vermittelte Empirie basiert auf einem grundsätzlich subjektbezogenen Modus der Erfahrungsverarbeitung. (Bonß 1982: 44) Aus interaktionstheoretischer Sicht wird die Bedeutung von Äußerungen in einer Kommunikation weder ‚semiotisch‘ als im Zeichensystem gegeben betrachtet noch ‚kognitivistisch‘ als innerer, mentaler Zustand der Beteiligten aufgefasst, sondern als Phänomen, das im Interaktionsprozess zwischen den Interagierenden entsteht (vgl. Nothdurft 2007: 30 ff.). Ferner ist es „eine vorgängige Entscheidung, etwas (dominant) als Problem der Kommunikation und beispielsweise nicht der Persönlichkeit, der sozialen Beziehung oder der Arbeitsorganisation zu typisieren.“ (Fiehler/ Sucharowski 1992: 27) So können beispielsweise ständige Unterbrechungen während eines Gesprächs als Kommunikationsproblem oder aber als ein psychisches Problem (z. B. Dominanzstreben) interpretiert werden, welches sich in einem bestimmten Kommunikationsverhalten manifestiert (vgl. ebd.). Um einer subjektiven Sichtweise entgegenzuwirken, die zum Teil aus der Komplexität der Kommunikation als Forschungsgegenstand resultiert, wurde dem Prinzip der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit von Steinke (2000) gefolgt (vgl. Abschnitt 2.4.2.7). Die Auffälligkeiten und Kommunikationsprobleme sollten dabei anhand von Gesprächsbeispielen mit internationalen Studierenden dokumentiert werden, da sie die Adressatengruppe des zu entwickelnden Förderangebotes sind und es sich um ihre Kommunikationsschwierigkeiten handelt. ‚Gelungene’ Sprechstundengespräche mit internationalen Studierenden fanden an dieser Stelle keine Erwähnung. Es sei explizit hervorgehoben, dass damit nicht suggeriert werden soll, dass deutsche Studierende in der Regel keine Schwierigkeiten <?page no="120"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 121 mit der kommunikativen Gattung Sprechstundengespräch hätten, und/ oder internationale Studierende generell den kommunikativen Anforderungen eines Sprechstundengesprächs nicht gewachsen seien. Schon Boettcher und Meer (2000) wiesen in ihrer empirischen Studie nach, dass es durchaus auch vielen deutschen Studierenden nicht gelingt, ihre Anliegen im Rahmen eines Sprechstundengesprächs adäquat einzufordern. Es ist ebenso unbestritten, dass viele internationale Studierende dies erfolgreich bewältigen. Van den Berk (2013: 172) unterstreicht, dass die Kompetenzen zur Realisierung kommunikativer Gattungen subjektbezogen formuliert werden, da kommunikative Gattungen sozial erzeugt werden und insofern als lern- und erfahrungsabhängig anzusehen sind. Der vorliegenden Arbeit liegt die Auffassung zugrunde, dass Angehörige verschiedenartiger Kulturen über teilweise unterschiedliche Wissensbestände verfügen, die divergierende Handlungsvorschriften und Interpretationsweisen menschlichen Verhaltens beinhalten (vgl. Günthner 2013: 326 f.). Wenn wir kommunikative Gattungen als sozial konstruierte Lösungen verstehen, die den Umgang mit bestimmten kommunikativen Problemen organisieren und routinisieren, dann scheint es offenkundig, dass unterschiedliche kulturelle Gruppen ihre kommunikativen Probleme teilweise unterschiedlich lösen. (Günthner/ König 2016: 186) Des Weiteren entspricht die beschriebene Vorgehensweise dem vorgeschlagenen Analyseverfahren von Thije (2002), an dem sich die vorliegende Arbeit orientiert (siehe Abschnitt 1.4.1). 2.4.2.5 Selektion zu untersuchender Materialausschnitte Für die Analyse wurden jene Gesprächsausschnitte selektiert, die die Besonderheiten der kommunikativen Gattung Sprechstunde wiedergeben und in denen Auffälligkeiten erkannt worden sind. Bei der Selektion der zu untersuchenden Transkriptionsausschnitte sind somit die markanten Beispiele ausgesucht worden, die die bestehenden Unterschiede zwischen den kulturellen Praktiken deutlich machen. Das übergeordnete Ziel der Analyse war die Aufdeckung von Problembereichen bei der Interaktion zwischen Lehrenden und internationalen Studierenden. Die erfassten Problembereiche sollten dann für die Entwicklung von Lösungsvorschlägen in einem Online -Angebot fruchtbar gemacht werden. Entsprechend dem genannten Analyseziel wurden zehn Sprechstundengespräche für die Untersuchung ausgewählt. Vor der inhaltlichen Analyse wurden Personennamen aus Datenschutzgründen geändert. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den ausgewählten Sprechstundengesprächen. <?page no="121"?> 122 2 Forschungsdesign und Methodik Dateiname Dauer der Aufnahme Inhalt Fachgebiet-Universität Beteiligte (Studierende) Beteiligte (Lehrende) Gespräch Nr. 1 00: 16: 40 Fragen zum Thema einer Hausarbeit Germanistik-Universität Kassel Ina Schmidt L1: Deutsch Herr Dr. Moser L1: Deutsch Gespräch Nr. 2 00: 12: 47 Abholen einer Modulbescheinigung - Sich informieren über Masterstudiengang DaF- Philipps-Universität Marburg Anna Müller L1: Deutsch Frau Dr. Costa L1: Italienisch Gespräch Nr. 3 00: 06: 09 Mentorenschein Fragen zur Prüfung Germanistik- Universität Kassel Claudia Wagner L1: Deutsch Herr Prof. Dr. Goebel L1: Deutsch Gespräch Nr. 4 00: 02: 20 Tutorentätigkeit Germanistik- Universität Kassel Beate Fischer L1: Deutsch Herr Prof. Dr. Goebel L1: Deutsch Gespräch Nr. 5 00: 11: 40 Inhaltliche Besprechung eines Referats DaF-Philipps- Universität Marburg Mei Lin Fang L1: Chinesisch Frau Dr. Costa L1: Italienisch Gespräch Nr. 6 00: 33: 39 Inhaltliche Fragen zu einer Hausarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Hoa Le L1: Vietnamesisch Thao Pham L1: Vietnamesisch Frau Corinna Sommer L1: Deutsch Gespräch Nr. 7 00: 15: 08 Klausurnachbesprechung DaF/ Z-Universität Kassel Fatima Ibrahimovic L1: Bosnisch Frau Prof. Dr. Köhler L1: Deutsch Gespräch Nr. 8 00: 19: 36 Besprechung einer Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Emma Diego L1: Spanisch Frau Prof. Dr. Köhler L1: Deutsch Gespräch Nr. 9 00: 23: 36 Fragen zur Masterarbeit DaF/ Z-Universität Kassel Maria Kolidis L1: Griechisch Frau Prof. Dr. Köhler L1: Deutsch Gespräch Nr. 10 00: 05: 29 Tutorentätigkeit Prüfungsbesprechung Germanistik- Universität Kassel Lisa Kaufmann L1: Deutsch Herr Prof. Dr. Goebel L1: Deutsch Tabelle 2: Ausgewählte Beispiele im Überblick <?page no="122"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 123 2.4.2.6 Transkription der zu untersuchenden Ausschnitte In diesem Schritt gilt es, die Frage nach einer adäquaten Aufbereitung der gewonnen Daten zu klären. Die Herausforderung besteht hier darin, einen praktischen Mittelweg zwischen den Polen ‚Präzision der Darstellung‘ einerseits und ‚Übersichtlichkeit bzw. Lesbarkeit des Transkripts‘ andererseits zu finden. Im deutschsprachigen Raum hat sich mittlerweile die Konvention ‚Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem‘ (GAT) etabliert, die hierfür einen Lösungsvorschlag anbietet (vgl. Selting et al. 1998). Bei diesem Transkriptionssystem wird zwischen dem ‚Basistranskript‘ als dem gesprächsanalytischen Mindeststandard und dem ‚Feintranskript‘, das insbesondere prosodische Informationen wie Tonhöhenverlauf, Sprachrhythmus, Betonung und Sprechpausen enthält, unterschieden (vgl. ebd.: 97). Das Basistranskript kann je nach Spezialfragestellungen und Bedürfnissen nach dem ‚Zwiebelprinzip‘ ausgebaut und verfeinert werden (vgl. ebd.). Die Transkriptionsart wird also in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel und der zugrunde gelegten linguistischen Theorie ausgewählt. In der vorliegenden Arbeit wurden die aufgenommenen Sprechstundengespräche nach GAT verschriftlicht. Für die Analysezwecke der Studie wurde das Basistranskript verwendet, welches durch Verzicht auf die detaillierte Darstellung der parasprachlichen und nonverbalen Phänomene eine übersichtlichere Darstellung von Gesprächsverläufen und eine Hervorhebung relevanter Strukturen ermöglicht. Das Basistranskript enthält jedoch die minimale prosodische Transkription, die notwendig ist, um Missverständnisse bezüglich der semantischen Struktur sowie der pragmatischen Funktion der Einheiten im Gesprächskontext auszuschließen (vgl. ebd.). Die folgende Abbildung 7 vermittelt einen Überblick über die verwendeten Transkriptionszeichen. Sequenzielle Struktur/ Verlaufsstruktur [ ] Überlappungen und Simultansprechen [ ] = schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Turns oder Einheiten Pausen (.) Mikropause (2.0) geschätzte Pause, bei mehr als ca. 1 Sek. Dauer (2.85) gemessene Pause (Angabe mit zwei Stellen hinter dem Punkt) 7 Quelle: www.teachsam.de/ deutsch/ d_lingu/ gespraechsanalyse/ gespraech_9_4_3_6.htm <?page no="123"?> 124 2 Forschungsdesign und Methodik Sonstige segmentale Konventionen und=äh Verschleifungen innerhalb von Einheiten : , : : , : : : Dehnung, Längung, je nach Dauer äh, öh, etc. Verzögerungssignale, sog. „gefüllte Pausen“ Abbruch durch Glottalverschluss Lachen so(h)o Lachpartikeln beim Reden haha hehe hihi silbisches Lachen ((lacht)) Beschreibung des Lachens Rezeptionssignale hm,ja,nein,nee einsilbige Signale hm=hm,ja=a, nei=ein, nee=e zweisilbige Signale 'hm'hm mit Glottalverschlüssen, meistens verneinend Akzenuierung akZENT Primärbzw. Hauptakzent ak! ZENT! extra starker Akzent Tonhöhenbewegung am Einheitenende ? hoch steigend , mittel steigend gleichbleibend ; mittel fallend . tief fallend Sonstige Konventionen ((hustet)) para- und außersprachliche Handlungen u. Ereignisse <<hustend>> sprachbegleitende para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse mit Reichweite <<erstaunt>> interpretierende Kommentare mit Reichweite ( ) unverständliche Passage je nach Länge <?page no="124"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 125 (solche) vermuteter Wortlaut al(s)o vermuteter Laut oder Silbe (solche/ welche) mögliche Alternativen ((…)) Auslassung im Transkript ¾> Verweis auf im Text behandelte Transkriptzeile Tabelle 3: Überblick über die Basistranskriptionskonvention von GAT Die Transkriptionen erfolgten mit Hilfe des Transkriptionsprogramms EXMA- RaLDA ( Extensible Markup Language for Discourse Annotation ). Es handelt sich hierbei um ein System aus Datenmodell, Datenformaten und Software -Werkzeugen für das computergestützte Erstellen sowie Analysieren von Korpora gesprochener Sprache (vgl. Schmidt/ Wörner 2005: 171). Transkribieren mit EXMA- RaLDA ist zwar mit einem hohen Aufwand verbunden, bietet aber eine Vielfalt von Darstellungsmöglichkeiten für Transkriptionsdaten (vgl. ebd.). So können mit dem Programm beispielsweise Überlappungen und die Sequenzialität des Gesprächs nachvollziehbar dokumentiert werden. Darüber hinaus ermöglicht es eine Ausgabe in mehreren Präsentationsformaten (RTF, HTML, PDF), wobei eine Vielzahl von Parametern (Schriftarten und -größen, Seitenformate etc.) wählbar sind. 2.4.2.7 Transkriptanalyse Durch die Transkriptanalyse sollte mithilfe ausgewählter Transkriptauszüge die bis dahin nur anhand der Forschungsliteratur erfolgte Bestimmung der Gattung „Sprechstundengespräch“ konkretisiert werden. Die Analyse versucht dem Prinzip der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit im Sinne der Transparenz der Dokumentation des Forschungsprozesses und der entstandenen Ergebnisse gerecht zu werden (vgl. Steinke 2000). Dementsprechend wurde u. a. folgenden von Steinke (2000: 325ff.) vorgeschlagenen Maßnahmen gefolgt: ▶ Detaillierte Darstellung der Erhebungsmethoden und des Erhebungskontextes. ▶ Beschreibung der Transkriptionsregeln, um nachvollziehen zu können, welche Informationen transkribiert worden sind und welche nicht ▶ Zugang zum Datenmaterial ▶ Beschreibung der Auswertungsmethoden sowie der einzelnen Auswertungsschritte und Interpretationen ▶ präzise Darstellung der Informationsquellen und deren Kontext ▶ Dokumentation der anfallenden Entscheidungen und Probleme im Laufe des Forschungsprozesses <?page no="125"?> 126 2 Forschungsdesign und Methodik Die Grundlage für die Transkriptanalyse und die systematische Bestimmung ihrer Strukturmerkmale bildeten die drei dargestellten Analyseebenen des Gattungskonzepts - Außenstruktur, Zwischenstruktur und Binnenstruktur (siehe Abschnitt 1.3.1) - und deren Konkretisierung im Hinblick auf universitäre Sprechstundengespräche (vgl. Abschnitt 1.6.2). 2.4.2.7.1 Die Außenstruktur Bei der Analyse auf der außerstrukturellen Ebene soll die Frage geklärt werden, in welchem kommunikativ-sozialen Milieu das universitäre Sprechstundengespräch anzusiedeln ist. Diese Frage war bezüglich der kommunikativen Gattung universitäres Sprechstundengespräch bereits ausführlich Gegenstand der Fachliteratur (vgl. Boettcher und Meer 2000, Meer 2003; 2006 und Limberg 2009), so dass hier auf eine vertiefende Betrachtung verzichtet wird. Essentielle außenstrukturelle Merkmale der Gattung universitäres Sprechstundengespräch wurden in Abschnitt 1.6.2.1 vorgestellt. 2.4.2.7.2 Die Zwischenstruktur Auf der Ebene der Zwischenstruktur stehen inhaltlich-thematische Verfestigungen im Vordergrund. Die sequenzielle Struktur, das System des Sprecherwechsels und Paarsequenzen werden auf dieser Ebene untersucht. Im Folgenden sollten anhand von datengeleiteten Analysebeispielen die Gattungsmerkmale auf der Ebene der Zwischenstruktur rekonstruiert werden. Für eine gute Nachvollziehbarkeit der Transkripte sind der Analyse zugrunde gelegte Ereignisse ( Events ) im Fließtext mit der entsprechenden Nummer „(E#)“ gekennzeichnet. Zunächst wurde anhand der Analyse von Beispielen aus Sprechstundengesprächen deutschsprachiger Studierender der typische Verlauf einer Sequenz im Sprechstundengespräch exemplarisch nachgezeichnet. Hierbei standen die Fragen, welche Sequenzen in unterschiedlichen Gesprächsphasen - Eröffnungs-, Kern- und Beendigungsphase - obligatorisch sind und welche besonderen sprachlichen Mittel bzw. gattungsspezifischen Formulierungen von den Interagierenden verwendet werden, im Fokus. Danach sollen in der Analyse von Beispielen interkultureller Kommunikation zwischen Lehrenden und internationalen Studierenden ‚kritische Momente‘ rekonstruiert werden. Eröffnungsphase Eine universitäre Sprechstunde beginnt in der Regel mit einem kurzen Austausch von Grußformeln (vgl. Abschnitt 1.6.2.2). Diese rituellen Begrüßungen fehlen allerdings bei den meisten aufgenommenen Sprechstundengesprächen des vorliegenden Korpus, weil zunächst das Einverständnis zur Aufnahme eingeholt werden musste und sie erst nach der Begrüßung beginnt. Die folgenden <?page no="126"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 127 Beispiele illustrieren die Gestaltung der Eröffnungsphase von deutschsprachigen Studierenden. Beispiel Nr. 1 (GS 1) Beim ersten Gesprächsausschnitt handelt es sich um ein Sprechstundengespräch zwischen Herrn Dr. Moser und der deutschsprachigen Studentin Ina Schmidt am Institut für Germanistik an der Universität Kassel. Gegenstand ist die Themenfindung für eine Hausarbeit. Ina Schmidt besaß bereits eine grobe Vorstellung von dem Thema ihrer Arbeit und wollte diese konkretisieren. Das Gespräch dauert insgesamt ca. 17 Minuten. [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 01.8] 2 [00: 06.2] Dozent [v] ja. (1.0) ich erinnere Studentin [v] okay. also ich habe bei ihnen das seminar (name) besucht.und ich [2] .. 3 [00: 07.5] 4 [00: 09.1] 5 [00: 09.4] 6 [00: 11.5] 7 [00: 31.3] Dozent [v] mich. hm Studentin [v] Bräuchte ein hausarbeits (.) thema. hm: : : genau. ((…)) und (-) ich wollte [3] .. Studentin [v] gern was mit adjektiven machen; aber das ist ja ein ! GROßES! weites feld; (-) [4] .. 8 [00: 39.4] 9 [00: 39.9] Dozent [v] ja; Studentin [v] und dann wollte ich fragen ob sie da speziell so etwas haben, Nachdem sich Herr Moser von Ina Schmidt das Einverständnis zur Aufnahme des Gesprächs geholt hat, signalisiert er mit einem „ja“ (E0) seine Dialogbereitschaft. Ina Schmidt beginnt ihren Redebeitrag mit einer für universitäre Sprechstunden typischen Formulierung „okay. also ich habe bei ihnen das seminar (name) besucht und ich bräuchte ein hausarbeits (.) thema.“ (E1-3). Durch den Bezug auf das besuchte Seminar gibt sie Anhaltspunkte für das Gespräch und ruft sich beim Lehrenden ins Gedächtnis. Sie nennt anschließend den konkreten Grund ihrer Anwesenheit. Das zeigt ihre Vertrautheit mit der typischen Ablaufstruktur und den gattungsspezifischen Formulierungen für die Eröffnungsphase von Sprechstunden. Mit ihrem nächsten Redebeitrag deutet sie ihre ersten thematischen Vorüberlegungen an (E5-7). Auch wenn sie kein konkretes Thema <?page no="127"?> 128 2 Forschungsdesign und Methodik benennen kann, teilt sie den sie interessierenden Themenbereich mit. Daraus lässt sich schließen, dass ihr bewusst ist, dass von ihr ein gewisses Maß an Autonomie und Selbstorganisation verlangt wird. Gleichzeitig deutet ihr nächster Redebeitrag (E7) auf eine mögliche Unsicherheit hin. Er lässt jedoch darauf schließen, dass sie sich im Voraus Gedanken über das Thema gemacht hat und nicht unvorbereitet in die Sprechstunde gekommen ist. Ihre klare Anliegensformulierung leitet direkt von der Eröffnungsphase in die Kernphase über. Beispiel Nr. 2 (GS 2) Das nächste Beispiel ist ein Gespräch zwischen Frau Dr. Costa, einer gebürtigen Italienerin, mit der deutschsprachigen Studentin Anna Müller im Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache an der Universität Philipps-Universität Marburg. Anna Müller benötigt zum einen eine Modulbescheinigung und will sich außerdem über den Masterstudiengang informieren. Das Gespräch dauert insgesamt ca. 13 Minuten. [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 00.7] Dozentin [v] so (-) Studentin [v] gut, also ich habe zwei anliegen einmal ähm brauche ich eine [2] .. 2 [00: 04.5] 3 [00: 05.2] Dozentin [v] ja (.) Studentin [v] modulbescheinigung. für b3; (-) ich habe auch meine scheine hier daBEI; ( Auch hier nennt die deutschsprachige Studentin zu Beginn ihres Redebeitrags den konkreten Grund ihrer Anwesenheit. Die Formulierung „gut, also ich habe zwei anliegen einmal ähm brauche ich eine modulbescheinigung für b3“ (E1-3) weist wie im Beispiel 1 auf ein Gattungswissen bezüglich der Eröffnung eines Sprechstundengesprächs hin. Sie kommt ohne Umschweife unmittelbar zur Sache und baut sofort den notwendigen Kontext für das Gespräch auf. Der Hinweis auf mitgebrachte Scheine (E3) zeigt, dass sie sich im Voraus informiert hat und auf die Sprechstunde vorbereitet ist sowie die eventuell erforderlichen Unterlagen mitgebracht hat. Beispiel Nr. 3 (GS 3) Beispiel 3 ist ein Gespräch zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und der deutschsprachigen Studentin Claudia Wagner am Institut für Germanistik an der Universität Kassel. In dem insgesamt ca. 6-minütigen Gespräch geht es um einen Mentorenschein und um die bevorstehende Examensarbeit. <?page no="128"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 129 [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 01.6] 2 [00: 02.5] 3 [00: 04.2] Dozent [v] so (---) so (-) bitte (-) ja; ja; Studentin [v] also (.) zwei sachen würde ich gern mit ihnen besprechen ein [2] 4 [00: 04.5] 5 [00: 06.7] 6 [00: 08.1] Dozent [v] =ah ja (--) hm Studentin [v] mal ganz normal diesen (mentoren)schein; = und zum zweiten [3] .. 7 [00: 11.9]8 [00: 12.3] Dozent [v] hm Studentin [v] würd ich gern bei ihnen meine examensarbeit schreiben; (-) nächstes sommersem [4] 9 [00: 12.7] 10 [00: 13.1]11 [00: 14.0] 12 [00: 14.9]13 [00: 15.2] 14 [00: 16.1]15 [00: 16.3] Dozent [v] die ba arbeit? (--) hm was für ein (-) Studentin [v] ester; ne lehramt; (-) die examensarbeit für (ein) [5] .. 16 [00: 17.9] 17 [00: 18.6] 18 [00: 19.7] Dozent [v] Lehramt? (---) =lehramt gymnasium; (.) ja; = Studentin [v] gymnasium; = =mit deutsch und Auch in diesem Beispiel wird als Erstes der Grund für den Besuch vorgetragen, indem Claudia Wagner am Anfang des Gesprächs darauf hinweist, dass sie zwei Anliegen mit dem Dozenten besprechen möchte (E1-6). Beispiel Nr. 4 (GS 4) In einem weiteren Sprechstundengespräch am Institut für Germanistik an der Universität Kassel fragt die deutschsprachige Studentin Beate Fischer Herrn Prof. Dr. Goebel nach der Möglichkeit der Übernahme einer Tutorentätigkeit bei dem Professor. Das Gespräch dauert insgesamt 02: 20 Minuten. [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 04.8] Dozent [v] (2.0) so; (2.0) ok; (---) Studentin [v] so (---) ja: : mein Name ist beate fischer ich weiß nicht ob [2] .. 2 [00: 11.7] Dozent [v] ! ACH! ja (.) Studentin [v] sie meine e-mail erhalten haben. (.) es ging um äh das tutorium im [3] .. 3 [00: 12.9] Dozent [v] richtig; (-) Studentin [v]wintersemester. <?page no="129"?> 130 2 Forschungsdesign und Methodik Beate Fischer stellt sich zunächst vor und bezieht sich dann auf eine geschriebene E-Mail, um sich bei dem Professor in Erinnerung zu rufen und den Kontext herzustellen (E1-2). Dazu erwähnt sie, dass es in dieser E-Mail um das Tutorium im Wintersemester ging. Der Professor erinnert sich daran (E2). Diese reduzierte Eröffnungsphase signalisiert das „Direkt-zur-Sache-kommen- Wollen“ deutscher Studierender. Für die Phase der Gesprächseröffnung durch deutsche Studierende sind folgende Schritte festzuhalten: ▶ kurzer Austausch einer Grußformel (obligatorisch) ▶ sich vorstellen (fakultativ) ▶ Hinweis auf eine Handlung in der Vergangenheit als Gedächtnisstütze (fakultativ) („ich weiß nicht ob sie meine e-mail erhalten haben. (.) es ging um äh das tutoriuM im wintersemester.“) ▶ Anliegensformulierung (obligatorisch) Das, was bei muttersprachlichen Studierenden in den Beispielen selbstverständlich erscheint, kann für internationale Studierende in Kommunikationssituationen mit deutschsprachigen Lehrenden in Sprechstundengesprächen eine Herausforderung darstellen. Dies soll anhand einer Analyse einiger markanter Beispiele illustriert werden. Beispiel Nr. 5 (GS 5) Die chinesische Studentin Mai Lin Fang, Studierende im Masterstudiengang Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universität Marburg, bespricht mit Frau Dr. Costa den Inhalt eines Referates. Das Gespräch dauert insgesamt ca. 11 Minuten. [1] 0 [00: 00.0] 1 [00: 03.0] 2 [00: 04.9*] Dozentin [v] (2.0) gut (1.0) bitte; hehehe ja (1.0) Studentin [v] ähm meine kommilitonin kann kann nicht kommen [2] 3 [00: 06.6] 4 [00: 07.7] 5 [00: 12.7] 6 [00: 13.1*] Dozentin [v] oka: : y. okay= Studentin [v] weil hat uni. und das ist unse: : r (1.0) allgemeine hehe gliederung. =ja. [3] 7 [00: 13.5] 8 [00: 16.6] Dozentin [v] also (-) es geht ja um das ! REFERAT! (--) nächste woche ist das.(-) Studentin [v] genau = [4] 9 [00: 17.2] 10 [00: 19.3] 11 [00: 20.3] 12 [00: 21.3*] Dozentin [v] = nächste woche. (--) und sie sind? (-) mei lin fang oka: y; hehe Studentin [v] mei lin fang (-) genau. <?page no="130"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 131 [5] 13 [00: 22.0] 14 [00: 23.0] 15 [00: 24.7] 16 [00: 29.6] Dozentin [v] gu: : : t vielleicht könne sie es mir erklä: : ren. Studentin [v] ja. Frau Costa signalisiert ihre Dialogbereitschaft und fordert die Studentin zur Formulierung ihres Anliegens auf (E0). Anstatt ihr Anliegen vorzubringen, beginnt Mai Lin Fang ihren Redebeitrag mit dem Hinweis, dass ihre Kommilitonin, die wahrscheinlich auch an der Sprechstunde teilnehmen sollte, nicht kommen kann (E1-3). Dabei stellt sie weder sich selbst vor, noch nennt sie den Namen der abwesenden Kommilitonin. Auch den Titel der Lehrveranstaltung zum geplanten Referat erwähnt sie nicht. Außerdem fehlt eine klare Anliegensformulierung zu Beginn des Gesprächs. Mai Lin Fang überreicht anschließend der Lehrenden einige Manuskriptseiten und teilt ihr mit: „und das ist unse: : r (1.0) allgemeine hehe gliederung„ (E4). Sie spricht auffallend leise und lückenhaft und wirkt unsicher. Auf der prosodischen Ebene deuten die Lautstärke und Dehnung sowie die Pause „unse: : r (1.0)“ auf diese Verunsicherung hin. Die Eröffnung des Gesprächs geschieht also lediglich mit einem Hinweis auf die Referatsgliederung, die der Lehrenden vorgelegt wird. Es fehlen jegliche Kontextualisierungen. Um eine Basis für das Gespräch zu schaffen, versucht Frau Costa nun ihrerseits den Kontext zu erschließen. Sie formuliert anstelle der Studentin selbst das vermutete Anliegen (E7). Hierauf folgt die Aufforderung zu einer Bestätigung dafür, dass sie das Anliegen korrekt benannt hat, was von Mai Lin Fang mit einem affirmativen „genau“ ratifiziert wird (E8). Zudem versucht Frau Costa den Namen der Studentin, wahrscheinlich von der eingereichten Gliederung, laut abzulesen, um sich über die korrekte Aussprache zu vergewissern (E9). Anschließend fordert Frau Costa die Studentin explizit zur Konkretisierung ihres Anliegens auf (E14). Beispiel Nr. 6 (GS 6) In diesem Gespräch im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Kassel sind die Beteiligten Frau Corinna Sommer und zwei vietnamesischen Studentinnen Hoa Le und Thao Pham. Auffällig bei dem Gespräch ist, dass Hoa Le die Sprecherrolle übernimmt, während Thao Pham außer einigen Hörer- und Bestätigungssignalen sowie einigen Sätzen auf Vietnamesisch zu ihrer Kommilitonin im gesamten Gespräch passiv bleibt. Gegenstand des insgesamt 33 Minuten dauernden Gesprächs sind inhaltliche Fragen zu einer Hausarbeit. Das Sprechstundengespräch beginnt zunächst mit einer Sequenz zu dem verwendeten Aufnahmegerät und der Möglichkeit, sich als Studierende ein solches Aufnahmegerät für empirische Untersuchungen ausleihen zu dürfen (E1-29, hier nicht zitiert) <?page no="131"?> 132 2 Forschungsdesign und Methodik [7] .. 32 33 34 35 Dozentin [v] müssen wir denn heute alles besprechen? Stundentin 1 [v] (2.0) äh: : : : i: : : : : ch (-) eigentlich [8] 26 27 28 29 30 31 Dozentin [v] aber ich glaube (.) frau [Name1] hat die gleich so geordert. ! GUT! was Stundentin 1 [v] ah aha hm. [9] .. Stundentin 1 [v] habe ich den fragebogen nur/ noch nicht fertig übersetzt ins [sprache1]. (-) [10] 36 37 38 39 40 Dozentin [v] hm Stundentin 1 [v] ein fragebogen für lehr/ lernende ne? (--) aber hab ich nur das für (.) [11] .. 41 42 43 Stundentin 1 [v] lehrende äh oder ( ) bei mir. also die theorie Stundentin 1 [nv] sucht in ihren Unterlagen Studentin 2 [v] ( ) [12] .. 44 45 Dozentin [v] also Stundentin 1 [v] hab ich noch ä: : h (---) zu schreiben. dann schicke ich dir (-) später. (-) [13] .. 46 47 48 49 Dozentin [v] das ist jetzt der fragebogen für lehrende (.) den du ins [sprache1] ü Stundentin 1 [v] genau. ja. [14] .. 50 51 52 Dozentin [v] bersetzt? (2.0) wie lange arbeiten sie schon als deutschlehrerin? (-) Dozentin [nv] liest aus Fragebogen vor Stundentin 1 [v] ja. (2.0) Frau Sommer eröffnet das Gespräch dann mit der Frage: „! GUT! was müssen wir denn heute alles besprechen? “ und animiert damit die Studierenden ihr Anliegen vorzubringen (E30-31). Auf diese Aufforderung folgt zunächst eine Pause. Hoa Le übernimmt schließlich das Rederecht und produziert zunächst Verzögerungssignale, was auf Planungsprobleme bei der Formulierung schließen lässt (E32-34). Dann beginnt sie einen neuen Satz und bezieht sich ähnlich wie die Studentin im Beispiel Nr. 5 auf den mitgebrachten Fragebogen (E35). Sie teilt anschließend der Dozentin mit, dass es sich um einen Fragebogen für Lehrende <?page no="132"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 133 handele (E36). Durch die Verwendung von Rückversicherungspartikeln „ne? (-- )“ (E37) möchte sie sich möglicherweise vergewissern, dass die Dozentin jetzt weiß, worum es sich handelt. Frau Sommer reagiert mit der Hörerrückmeldung „hm“ (E38), übernimmt aber noch nicht das Rederecht und gibt somit der Studentin die Gelegenheit, ihr Anliegen zu präzisieren. Hoa Le weist, während sie in ihren Unterlagen etwas sucht, darauf hin, dass sie nur den einen Fragebogen dabei hat (E39-40). Anschließend teilt sie mit, dass sie den Theorieteil noch nicht geschrieben habe (E43). In ihrem Redebeitrag fallen gedehnte Verzögerungssignale auf. Die Art und Weise der sprachlichen Realisierung von Hoa Le in diesem Beispiel hinterlässt den Eindruck großer Unsicherheit. Ihr Satzbau ist durch viele Abbrüche und Sprünge gekennzeichnet. Auch bei diesem Gespräch fehlt eine klare Anliegensformulierung, weshalb Frau Sommer zunächst nach Orientierung in der Gesprächssituation sucht. Auch hier wird die normative Erwartung der Dozentin, über den Inhalt des Gesprächs informiert zu werden, nicht erfüllt. Frau Sommer versucht nun den Kontext selber zu erschließen und eine Ausgangsbasis zu finden. Sie resümiert zunächst, was Hoa Le erzählt hat (E45-48). Beispiel Nr. 7 (GS 7) Das Gespräch zwischen Fatima Ibrahimovic einer internationalen Studentin mit Bosnisch als Muttersprache und Frau Prof. Dr. Köhler im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Kassel betrifft die Nachbesprechung einer Klausur und dauert insgesamt ca. 15 Minuten. [1] 0 [00: 00.0] 1 2 3 4 Dozentin [v] So jetzt sollte es gehen. okay um was gehts? Studentin [v] ähm also ich war letztes mal [2] .. 5 6 7 8 Dozentin [v] hm ja, Studentin [v] in der prüfung. (.) und ähm (--) jetzt, sie haben mir eine email geschickt. Zu Beginn des Gesprächs stellt Frau Köhler sicher, dass das Aufnahmegerät läuft und fordert mit der gattungsspezifischen Formulierung: „okay, um was gehts? “ die Studentin zur Darstellung ihres Anliegens auf (E2-3). Fatima Ibrahimovic reagiert allerdings nicht direkt mit der Anliegensformulierung, sondern teilt der Professorin mit, dass sie an einer Prüfung teilgenommen habe. Sie erwähnt dabei weder den Namen der Veranstaltung, in deren Rahmen die Prüfung stattgefunden hat, noch gibt sie weitere Informationen über die Prüfung (E4). Frau Köhler hört aufmerksam zu und begleitet sie mit einem Hörsignal „hm“ (E5). Nach einer kurzen Pause bezieht sich Fatima Ibrahimovic auf eine E-Mail, die sie <?page no="133"?> 134 2 Forschungsdesign und Methodik von Frau Köhler erhalten hat (E6-7). Hierbei fehlen Hinweise als Erinnerungsstütze auf den Inhalt der gemeinten E-Mail. Es folgen mehrere Redebeiträge, mit denen Fatima Ibrahimovic der Dozentin verschiedene Hintergrundinformationen vermittelt. [3] 9 10 Studentin [v] ich musste mich eigentlich letzte woche anmelden aber weil ich krank war (.) [4] 11 12 13 14 Dozentin [v] hm Studentin [v] ich konnte nicht. und das zweite fall ist ich hab danach auch eine (.) [5] .. 15 16 17 Dozentin [v] hm Studentin [v] seminar direkt also zwischen zwei seminaren haben sie eine sprechstunde [6] 18 19 20 21 22 Dozentin [v] das heißt sie haben jetzt jetzt haben sie eigentlich seminar? Studentin [v] und darum nee weil mein [7] .. 23 24 25 Dozentin [v] okay. okay. Studentin [v] dozent jetzt irgendwo exkursion hat diese woche darum hatte ich die [8] .. 26 27 28 29 30 31 32 33 Dozentin [v] okay is gut. prima. ja ja ja; und es geht um die Studentin [v] gelegenheit dieses mal zu kommen. [9] .. 34 35 36 37 38 Dozentin [v] klauSUR? ja. ähm (-) sie wissen dass sie durchgefallen sind, Studentin [v] ja. um die klaus ur. Zunächst erzählt sie, dass sie aus gesundheitlichen Gründen in der vorherigen Woche nicht die Sprechstunde der Professorin aufsuchen konnte (E9-11). Weiterhin teilt sie Frau Köhler mit, dass die Sprechstunde mit einer anderen Veranstaltung kollidiere und dass sie jetzt zu der Sprechstunde kommen konnte, weil die Anderen auf einer Exkursion seien (E13-31). Bei diesem Gespräch fallen besonders die Ausführlichkeit der Erläuterungen sowie der erhebliche kommunikative Aufwand auf, mit dem Fatima Ibrahimovic ihre Anwesenheit inhaltlich einbindet bzw. ihre Abwesenheit bei der letzten Sprechstunde rechtfertigt. Die einzelnen Informationen und deren Abfolge (letzte Prüfung, erhaltene E-Mail, Krankheit, <?page no="134"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 135 Sprechstundenzeit zwischen zwei Seminaren, Exkursion der Dozenten) erscheinen dabei wenig strukturiert und zielführend. Frau Köhler hört ihr zunächst geduldig zu und versucht, das Anliegen der Studentin aus deren Redebeiträgen zu ermitteln. Allerdings wird mit zunehmender Länge und wachsender Detailliertheit der Beiträge sowie unter Berücksichtigung der Zeitdimension und des institutionellen Zwecks eine Unterbrechung der Studentin notwendig, weshalb zunächst mit drei aufeinanderfolgenden Okays: „okay. okay. Okay, ist gut. Prima“ (E23-28) der Versuch erfolgt, das Rederecht zu erhalten. Fatima Ibrahimovic scheint diese Signale nicht wahrzunehmen, gibt das Rederecht nicht ab und setzt ihre Ausführungen fort. Erst die nächsten drei aufeinanderfolgenden ‚Ja‘ führen dazu, dass die Studentin schließlich das Rederecht abgibt. Die Professorin leitet nun mit einer Frage zum eigentlichen Anliegen über: „und es geht um die klau- SUR? “ (E33), was die Studentin bestätigt (E34). An diesem Transkriptauszug wird deutlich, dass die Professorin einen Erzählversuch der Studentin ab einem gewissen Punkt nicht mehr zulässt, weil diese immer wieder auf Beiläufiges abschweift und nicht auf den Punkt kommt, bzw. ihr Anliegen transparent formuliert. Die angeführten Beispiele verdeutlichen die Unterschiede bei der Gestaltung der Eröffnungsphase zwischen deutschen und internationalen Studierenden. Nach Hall und Hall (1987: 8 ff.) werden beim Kommunizieren in Deutschland, als Vertreter einer typischen low-context Kultur, zentrale Informationen sprachlich explizit übermittelt, wie dies auch in den Beispielen der deutschen Studierenden deutlich wird (vgl. Abschnitt 1.5.2.1). Die deutschen Lehrenden verfolgen ebenfalls eine explizite Kommunikation und benötigen ausführliche Hintergrundinformationen um zu kommunizieren. Die Lehrenden in den vorliegenden Beispielen erwarten dementsprechend, möglichst früh über Ziele und Inhalte des Sprechstundengesprächs informiert zu werden. Die internationalen Studierenden in den angeführten Beispielen stammen demgegenüber aus high-context Kulturen, und kommunizieren nicht explizit, sondern formulieren ihre Anliegen eher indirekt. Der Kern der Information lässt sich oft nur aus dem Kontext erschließen (vgl. Abschnitt 1.5.2.1). Auch der von Thomas (2003) beschriebene Kulturstandard ‚Sachorientierung‘ lässt sich in den angeführten Beispielen wiedererkennen (vgl. Abschnitt 1.5.3). In Deutschland bestimmen Sachinhalte den Kommunikationsstil (vgl. Schroll- Machl 2013: 49). Dementsprechend wird in Gesprächen von den Interagierenden themenbezogene Sachlichkeit erwartet. In beziehungsorientierten Kulturen spielt dagegen das Vertrauen eine wichtige Rolle. Die Sachorientierung bzw. Beziehungsorientierung eines Gesprächs manifestiert sich unter anderem am Anfang des Gesprächs. So erfüllt die Eröffnungsphase in beziehungsorientierten Kulturen eine andere Funktion und dient der Vergewisserung der Vertrautheit bzw. der Beziehungspflege. <?page no="135"?> 136 2 Forschungsdesign und Methodik In den vier angeführten Gesprächseröffnungen von deutschsprachigen Studierenden stellt die direkte Einführung in das Thema durch die Studierenden die typische Form dar. Außerdem ist für den muttersprachlichen Diskurs die Sachlichkeit bzw. das Verbleiben auf der Sachebene charakteristisch. Wie aus den Beispielen zu entnehmen ist, zeichnet sich die Gestaltung der Eröffnungsphase des universitären Sprechstundengesprächs im Anschluss an die Begrüßung durch Selbstvorstellung und -verortung und explizite Anliegensformulierung aus. Die explizite Benennung und klare Formulierung des Anliegens gilt somit als eine obligatorische Sequenz in dieser Phase und ist zentral, weil in ihr Inhalt, Zweck und Ziel des Gesprächs definiert werden. Die Beispiele Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 illustrieren die sprachliche Realisierung von ‚Sachorientierung‘ durch Anwendung gattungsspezifischer Formulierungen wie „ich habe bei ihnen das seminar (name) besucht und ich bräuchte ein hausarbeits (.) thema.“ (Beispiel Nr. 1; E1-3) oder „ich habe zwei anliegen einmal ähm brauche ich eine modulbescheinigung für b3“ (Beispiel Nr. 2; E1). Diese explizite Benennung des Anliegens oder klare Formulierung des Gesprächsziels fehlt in den drei angeführten Beispielen der internationalen Studierenden. Sie durchlaufen entweder eine längere Sequenz mit kontextfernen Angaben (siehe Beispiel Nr. 7), bevor sie zu ihrem eigentlichen Anliegen kommen, oder sie beginnen das Gespräch abrupt ohne jegliche Kontextualisierung (siehe Beispiel Nr. 5 und Beispiel Nr. 6). Einige Studierende haben ihr Anliegen ‚aktional‘ vorgebracht, indem sie den Lehrenden einige ausgedruckte Seiten vorgelegt haben, aus denen diese dann das Anliegen erschließen sollten. Bei fehlenden bzw. unklaren Anliegensformulierungen versuchten die Lehrenden ihrerseits, das Anliegen über Nachfragen zu ermitteln, und formulierten anstelle der Studierenden häufig selbst das vermutete Anliegen mit Äußerungen wie „o.k. gut, es geht also um …“. (s. Beispiel Nr. 5 und Beispiel Nr. 7) Das Anliegen wurde anschließend durch die Lehrenden verbalisiert. In den drei angeführten Beispielen der internationalen Studierenden kann eine allgemeine Ausrichtung auf eine beziehungsorientierte Gesprächskultur festgestellt werden. Diese Beobachtungen stützen die These von Hall und Hall (1987: 11), wonach eine angemessene Kontextualisierung von Informationen eine der großen Herausforderungen des interkulturellen Kommunizierens ist (vgl. Abschnitt 1.5.2.1). Ähnliche Unterschiede in der Gestaltung der Eröffnungsphase stellte Günthner (1993) in deutsch-chinesischen Gesprächen fest. Günthner (1993: 79 ff.) schildert ausführlich, wie das „zhuanwan mojiao“, das „langsame zur Sache kommen“, die chinesische Gesprächskultur dominiert und wie Deutsche oft davon irritiert sind. Günthner (ebd.) stellt in ihrer Studie die Harmonieorientierung der Chinesen heraus und weist darauf hin, dass die unterschiedlichen kulturellen Strategien in den Gesprächen zu Urteilen wie „unhöflich“ führen <?page no="136"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 137 können. Festzuhalten bleibt, dass die Eröffnungsphase in einer Sprechstunde an deutschen Hochschulen eine organisatorische Funktion erfüllt. Kernphase Die Bearbeitung des festgestellten Anliegens bildet den Hauptbestandteil der Kernphase. Die Kernphase universitärer Sprechstundengespräche ist in ihrem Ablauf vornehmlich thematisch strukturiert. Ein Thema bzw. verschiedenen Themen werden initiiert, besprochen und abgeschlossen (vgl. Abschnitt 1.6.2.2). Die im Rahmen einer universitären Sprechstunde behandelten Themen können jedoch sehr vielfältig sein und unterliegen darüber hinaus auch fachspezifischen Besonderheiten (vgl. Abschnitt 1.6.2.2). Dies erschwert die Beschreibung und die Analyse dieser Phase sowie einen Vergleich von intra- und interkulturellen Sprechstundengesprächen. Aufgrund dieser Komplexität empfehlen Brinker und Sager (2006: 108) für die Analyse der Kernphase nicht von Gesprächssequenzen, sondern von der thematischen Ebene und der Handlungsebene auszugehen. Durch eine Aufteilung des Gesprächs in thematische Abschnitte lässt sich eine erste Gliederung des Gesprächsverlaufs gewinnen (vgl. ebd.). Ein thematischer Abschnitt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Aufmerksamkeitsausrichtung (Fokus) der Interagierenden auf einen Sachverhalt oder Gesprächsgegenstand konstant bleibt (vgl. ebd.). „Es handelt sich also um den Ausschnitt eines Gesprächs, der ‚zwischen zwei Themenwechseln‘ liegt.“ (Sager/ Brinker 2006: 108) Die thematischen Abschnitte werden durch Verwendung von Signalen und Formulierungshandlungen voneinander abgegrenzt (vgl. ebd.). Dabei kommt der Markierung thematischer Einheiten für die Gesprächsorganisation eine wichtige Funktion zu. Dieses Markieren thematischer Einheiten unterliegt kulturspezifischen Besonderheiten und kann in interkulturellen Gesprächen zu Missverständnissen führen (vgl. Abschnitt 1.5.6). In der folgenden Analyse der Kernphase steht zum einen die Markierung der thematischen Abgrenzungen im Fokus. Zum anderen wird die Relevanz der angesprochenen Themen für den Kontext einer Sprechstunde an deutschen Hochschulen untersucht. Beispiel Nr. 8 (GS 10) Im ersten Beispiel wird zunächst die typische Markierung thematischer Bereiche im Gespräch mit einer deutschsprachigen Studierenden abgebildet, bevor im Anschluss daran abweichende Markierungen und Auffälligkeiten in Gesprächen mit internationalen Studierenden untersucht werden. Der Transkriptausschnitt stammt aus dem Gespräch Nr. 10 zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und Lisa Kaufmann am Institut für Germanistik an der Universität Kassel. Im ersten thematischen Bereich signalisiert Lisa Kaufmann ihr Interesse und ihre Bereitschaft, im nächsten Semester wieder als Tutorin bei <?page no="137"?> 138 2 Forschungsdesign und Methodik dem Professor tätig zu sein. Der Ausschnitt beginnt nach dem Abschluss der organisatorischen Fragen dazu. [11] .. 21 [00: 32.5] 22 [00: 33.8] 23 [00: 34.0] Dozent [v] das; (.) gut. = Studentin [v] kenn das ja alles schon. (-) =ja dann würd ich es gerne wieder [12] 24 [00: 35.0] 25 [00: 36.0] Dozent [v] hm (-) okay. (.) Studentin [v] machen gut; (.) super (---) und jetzt möchte ich meine prüfung nochmal [13] .. 26 [00: 39.3] 27 [00: 39.4] 28 [00: 40.8] Dozent [v] ja Dozent [NV] ((blättert in unterlagen)) ( ) Studentin [v] mit ihnen besprechen mein prüfungsthema Herr Goebel kündigt das Ende dieses Themenbereichs durch das Schlusseinleitungssignal „gut“ an (E22). Lisa Kaufmann reagiert mit einer resümierenden Äußerung (E23). Mit der Äußerung: „gut; (.) super (---)“ ratifiziert sie die Themenbeendigung (E25) und bringt nach einer kurzen Pause ihr zweites Anliegen vor (E25-26), womit sie das Gespräch in den nächsten Themenbereich überleitet. Beispiel Nr. 9 (GS 3) Der Transkriptausschnitt stammt aus dem Gespräch Nr. 3 zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und Claudia Wagner (vgl. Abschnitt 2.4.2.7.2). [57] .. 97 [04: 23.3] 98 [04: 26.0] 99 [04: 32.5] 100 [04: 33.6] 101 [04: 34.1] Dozent [v] hm (1.9) so; (-) [name] (-) ja, = gut alles klar; (-- Studentin [v] studiengang L3 gut. (6.0) = ja. (.) [58] .. 102 [04: 38.2] Dozent [v] -) ! SO! (---) und äh worüber wollen sie dann schreiben? (-) Studentin [v] also (.) ähm (--) ich [59] .. Studentin [v] hab mir überlegt (-) ich würde ganz gern was (-) ähm über sprachliche zeichen [60] .. 103 [04: 44.3] 104 [04: 45.0] Dozent [v] hm Studentin [v] machen; (.) ähm (.) weil ich das ganz (.) einfach total interessant finde; (- <?page no="138"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 139 Der Gesprächsausschnitt beginnt mit dem Schlusseinleitungssignal von Herrn Goebel: „gut alles klar; (---) ! SO! (---)“ (E101). Die Pause am Ende seines Beitrags begleitet das verbale Themenabschlusssignal. Mit einer inhaltlichen Frage zum Thema der schriftlichen Arbeit leitet er das Gespräch dann in einen neuen Themenbereich ein. Sowohl die Initiierung des Themenwechsels durch den Professor in beiden Beispielen als auch die erwartete adäquate Interpretation und Befolgung durch die Studierenden folgt einem idealtypischen Gesprächsverlauf. Der Beginn einer Phase wird meist mit den Partikeln „so“, „also“ oder „ja“ signalisiert, den Abschluss einer Phase bilden Signale wie „okay“, „alles klar“ oder „gut“. In der Regel ist wie im letzten angeführten Beispiel (E99-101) eine wechselseitige formale Verständnissicherungssequenz festzustellen. Die folgenden Beispiele mit internationalen Studierenden zeigen Gesprächsorganisationen mit Beobachtungen zu unscharfem und inkonsistentem Umgang mit Themen und Themenwechsel. Beispiel Nr. 10 (GS 8) Der folgende Ausschnitt illustriert einen Teil der Kernphase des Sprechstundengesprächs zwischen Frau Prof. Dr. Köhler und Emma Diego aus Lateinamerika im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Kassel. Das Gespräch dauert insgesamt ca. 20 Minuten. In der Kernphase werden ausführlich inhaltliche Fragen zur Abschlussarbeit diskutiert. Emma Diego resümiert im folgenden Gesprächsausschnitt, wie sie die entsprechenden Änderungsvorschläge der Professorin in die Arbeit einbringen soll (E195-218). [57] .. 187 188 189 Dozentin [v] thematisieren muss; (.) nicht, dass man einfach sagt (.) oh ich hab mich auf das [58] .. 190 191 192 193 Dozentin [v] gefühl dieser drei muttersprachler ver lassen. und wenn die sagen (.) das ist Studentin [v] hm [59] .. 194 195 196 197 Dozentin [v] gebräuchlich (.) dann glaub ich das. hm Studentin [v] ich konnte vielleicht das sagen. dass das [60] 198 199 200 201 202 203 Dozentin [v] ja. richtig. richtig. Studentin [v] ist nicht gebräuchlich. das ist subjektives gefühl. und ich habe <?page no="139"?> 140 2 Forschungsdesign und Methodik [61] 204 205 206 207 208 Dozentin [v] genau. genau. Studentin [v] ! DAS! vielleicht in der arbeit dass das! ABHÄNGT! in diese [62] .. 209 210 211 212 213 Dozentin [v] genau. so was ist jetzt noch ( )? Studentin [v] zusammenhang. ja. (3.0) am anfang der [63] .. 214 Dozentin [v] hm Studentin [v] ! STUDIE! (.) wollte ich eigentlich äh die kollokationen nach niveaus (-) [64] 215 216 217 218 Dozentin [v] hm=hm Studentin [v] prüfen. und eigentlich al/ die probanden (.) die ä: : h die kollokationen Die Ausführungen der Studentin werden zunächst mit Bestätigungssignalen quittiert (E196, E198, E201), weiten sich dann jedoch aus. Die zweifache Wiederholung von Zustimmungssignalen „richtig“ und „genau“ (E201-E207) von Frau Köhler kann nach Schwitalla (1976: 83) als „gehäuftes Senden von Hörersignalen“ interpretiert werden und dient der Gewinnung der Sprecherrolle. Emma Diego nimmt diese Signale offenbar nicht wahr und setzt ihren Redebeitrag mit der unverständlichen Äußerung „und ich habe ! DAS! vielleicht in der arbeit dass das ! ABHÄNGT! “ fort (E202-206). Frau Köhler setzt ein weiteres Sprechersignal, das als Abschlusssignal für den Themenbereich zu interpretieren wäre, was jedoch nicht zum gewünschten Erfolg führt. Sie unterbricht schließlich Emma Diego und fragt explizit nach dem weiteren Anliegen und schließt somit den Themenbereich ab (E209-212). Auffällig an der Kernphase dieses Gesprächs ist, wie Emma Diego ihr methodisches Vorgehen darstellt. Der Gesprächsausschnitt beginnt mit einer sehr kleinschrittigen und teilweise zu detaillierten Beschreibung des Vorgehens, welches sie am Anfang ihrer Studie geplant hatte. Daran schließt sich der Hinweis an, dass dieser Ansatz nicht funktioniert hatte und sie deswegen dann einen anderen verfolgte. Sie neigt dazu, sich jeden Arbeitsschritt von der Professorin bestätigen zu lassen. [62] .. 209 210 211 212 213 Dozentin [v] genau. so was ist jetzt noch ( )? Studentin [v] zusammenhang. ja. (3.0) am anfang der <?page no="140"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 141 [63] .. 214 Dozentin [v] hm Studentin [v] ! STUDIE! (.) wollte ich eigentlich äh die kollokationen nach niveaus (-) [64] 215 216 217 218 Dozentin [v] hm=hm Studentin [v] prüfen. und eigentlich al/ die probanden (.) die ä: : h die kollokationen [65] .. 219 220 221 222 223 224 225 Dozentin [v] hm Studentin [v] darbie/ darbieten? nach also nach niveaus (.) zum beispiel b1 b2 b3 b3 ne. [66] 226 227 228 229 230 Dozentin [v] ja. ja? Studentin [v] c1 und c2. aber das war nicht möglich. ! WEIL! ich habe ich habe die [67] .. 231 232 233 Studentin [v] kollokationen aus lehrbüchern genommen. ! UND! (.) viele kollokationen die [68] .. 234 235 236 Studentin [v] ! ICH! i: : : m b zw/ b1 gefunden habe (.) habe ich wieder in c1 gefunden und c2 [69] .. 237 238 239 240 Dozentin [v] hm hm Studentin [v] gefunden. deswegen habe ich das eigentlich geändert und ich habe das schon [70] .. 241 242 243 244 Studentin [v] in in dem in dem (---) in dem kapitel oder in der heißt (-) das heißt das kapitel [71] 245 246 Studentin [v] das heißt ähm (--) datenerhebung und das wieder thematisiert; dass das nicht [72] .. 247 248 Dozentin [v] ja; Studentin [v] möglich war. ! UND! äh dass ich eigentlich ein paar kollokationen [73] .. 249 250 Studentin [v] ausgenommen habe (.) weil wenn ich diese probanden (.) gefragt hab die haben <?page no="141"?> 142 2 Forschungsdesign und Methodik [74] .. 251 252 253 254 255 Dozentin [v] hm (-) okay. Studentin [v] gesagt das benutze ich nie. (.) deswegen habe ich eigentlich wieder das [75] 256 257 258259 260 261 Dozentin [v] ja, ja. ja. gut (.) Studentin [v] modifziert. ab er die kollokationen habe ich auch aus den lehrbüchern In diesem Gesprächsausschnitt kommt die unterschiedliche kulturelle Prägung der Interagierenden in der Kulturdimension „Machtdistanz“ bzw. in dem Kulturstandard „Internalisierte Kontrolle“ zum Vorschein (siehe Abschnitt 1.5.2 und 1.5.3). Während in Kulturen mit einer niedrigen Machtdistanz wie Deutschland verstärkt auf Selbstverantwortung und Eigeninitiative gesetzt wird, zeichnen sich Kulturen mit hoher Machtdistanz wie Lateinamerika durch die Erwartung eines autoritären Systems und Weisungen von oben nach unten sowie äußeren Kontrollinstanzen aus. Studierende aus Ländern mit hoher Machtdistanz weisen dementsprechend eine höhere Erwartung an die Anleitung und Führung durch Lehrende auf. Frau Prof. Dr. Köhler setzt jedoch ein gewisses Maß an autonomem Verhalten und eigenverantwortlichem Handeln bei einer Masterarbeit voraus. Im folgenden Transkriptausschnitt reagiert sie auf die detaillierten Informationen mit dem Hinweis auf die typische Vorgehensweise bei der Betreuung einer Abschlussarbeit. Sie teilt Emma Diego mit, dass sie vor der Abgabe nicht die gesamte Masterarbeit lesen würde, sondern nur bestimmte Teile und dass die Studentin ihr die Gliederung erst dann schicken solle, wenn sie der Meinung sei, dass diese fertig sei (E621-629). [167] .. 598 599 600 601 602 603 604 605 Dozentin [v] hm hm hm Studentin [v] so la: : : : ng ich glaube ich habe nur sieben seiten insgesamt geschickt. [168] 606 607 608 609 Dozentin [v] das wäre doch das wäre Studentin [v] ich glaube (.) ich sollte ihnen vielleicht das mal ! SCHICKEN! . [169] .. 610 Dozentin [v] ganz gut. und also ich kann ja aus dem inhaltsverzeichnis auch nochmal einiges [170] .. 611 Dozentin [v] ablesen. zum beispiel haben sie sich denn mit diesem thema kollokationen im ( <?page no="142"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 143 [171] .. 612 613 Dozentin [v] -) äh ä: : h daf-unterricht? haben sie sich mit der thematik denn beschäftigt? Studentin [v] nein. [172] 614 615 616 Dozentin [v] ja; Studentin [v] das das hat mir auch ähm [Name2] empfohlen aber bis jetzt hab ich noch nicht [173] .. 617 618 619 620 621 Dozentin [v] das sollten sie das sollten sie tun. also erst wenn sie (.) ! ALSO! Studentin [v] da zeit gehabt. das würde bedeuten [174] .. 622 Dozentin [v] ich möchte die ! GLIEDERUNG! von ihnen erst dann haben (.) wenn sie selber [175] .. 623 624 625 626 627 628 Dozentin [v] sagen die ist ! FERTIG! . (-) ja wenn die aus ihrer äh sicht fertig Studentin [v] ja. die gliederung ist fertig [176] .. 629 630 631 632 Dozentin [v] ist (.) dann können sie die mir schicken. (3.5) hm Studentin [v] ( ) daf-unterricht. Studentin [nv] schreibt. Für Emma Diego ist nicht nur die Meinung der Professorin zu ihrer fachlichen Leistung hinsichtlich der Abschlussarbeit von Bedeutung, sondern auch der persönliche Eindruck, den die Professorin von ihr hat, sehr wichtig. Sie ist bemüht, einen positiven Eindruck bei der Professorin zu hinterlassen, was Goffman (1971: 10) als Imagepflege ( Face-Work ) bezeichnet. Allerdings ist die Art und Weise eher untypisch für ein universitäres Sprechstundengespräch in Deutschland. Der folgende Transskriptausschnitt beginnt, als Emma Diego der Professorin mitteilt, dass sie ein konkretes Beispiel aus ihrer Masterarbeit zeigen möchte, um daran das Verhalten der Probanden zu erklären (E372). Die Stelle ist in der Arbeit von ihr nicht markiert, sie sucht vergeblich 17 Sekunden in ihren Unterlagen (E374). Dabei fallen ihr auch ihre eigenen sprachlichen Fehler bei der eingereichten Abschlussarbeit auf. Sie scheint in Verlegenheit zu geraten und wiederholt lachend die Bemerkung von Frau Köhler (E377-378), dass die Arbeit sprachlich korrigiert werden müsse. Sie sucht vergeblich weitere 16 Sekunden in ihren Unterlagen. Nun folgt ein abrupter Themenwechsel: Emma Diego spricht ohne thematischen Bezug auf einer Metaebene über ihre persönliche <?page no="143"?> 144 2 Forschungsdesign und Methodik Entwicklung bezüglich ihres Arbeitsverhaltens und hebt hervor, dass sie jetzt sehr fleißig arbeite und dass es ihr sehr gut gefalle (E382-406). [102] .. 369 Studentin [v] eigentlich ähm äh di: : : e schlussfolgerungen einbezogen. also ! WARUM! glaube [103] .. 370 371 372 Studentin [v] ich, also warum glaube ich dass die probanden sich so verhalten haben. weil [104] .. Studentin [v] ich eigentlich äh in dem äh ich möchte äh will ich ihnen ! DAS! (--) zeigen. [105] 373 374 375 376 377378 Dozentin [v] hm Studentin [v] (17.0) ((lacht)) ( ) ja ich muss das auch (--) Studentin [nv] sucht in ihren Unterlagen [106] .. 379 380 381 382 383 384 Dozentin [v] hm das he Studentin [v] korrigieren lassen. ja. (16.0) aber ich habe viel gelernt frau (.) [Name1]. [107] .. 385 386 Dozentin [v] ist hehe gut. das ist Studentin [v] aber nichnicht nur in bezug ! AUF! (--) ä: : h deutsch oder in bezug [108] .. 387 388 Dozentin [v] hm Studentin [v] auf ä: : : h wie auch wie man (4.0) masterarbeiten schreibt; ! SONDERN! [109] 389 390 Studentin [v] dass ich äh endlich gelernt habe (.) dass die/ dass man sich vor den computer [110] .. 391 392 393 394 395 Dozentin [v] ja. ja ja. zwischendurch äh äh am anfang Studentin [v] lange (.) sitzen. setzen (-) soll. (.) [111] .. 396 Dozentin [v] hatten sie jedenfalls immer wieder so phasen (.) wo sie ne ganze zeit lang [112] .. 397 398 399 400 <?page no="144"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 145 Dozentin [v] ! NICHT! weiter gearbeitet haben ne? und das ist grade für eine Studentin [v] ja. das war (.) [113] .. 401 Dozentin [v] solche arbeit ähm ein ganz großes problem. (.) da müssen sie drin bleiben (.) [114] 402 403 404 Dozentin [v] sonst äh müssen sie sich jedes mal wieder zwei tage einarbeiten. (.) Studentin [v] ja. jetzt [115] .. 405 406 Studentin [v] arbeite ich sehr fleißig. und das gefällt mir (.) weil das ist eine veränderung in [116] .. 407 408 Studentin [v] meinem verhalten und das (-) das brauchte ich. (5.0) Studentin [nv] murmelt etwas An einer anderen Stelle reagiert Emma Diego auf die Abschlusssignale „genau. okay.“ der Professorin mit der Bemerkung, dass sie beim Schreiben der Masterarbeit viel gelernt habe (E499). [136] 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 Dozentin [v] genau. okay. gut. schön. Studentin [v] was ! MACHEN! ! SIE! äh… ja. hm aber (.) ja. das ja. ich [137] .. 500 501 502 503 Studentin [v] habe viel gelernt. (--) ((lacht)) ja (.) aber das ist mein fazit. ich weiß es nicht. Der weitere Verlauf des Gesprächs ist von Seiten der Studentin durch mehrere Strategien zur Gesichtswahrung und Unterstreichung ihres Images als gute bzw. fleißige Studentin (E712 - E744) geprägt. [203] .. 707 708 709 710 Dozentin [v] drin bleiben. also lassen sie das Studentin [v] ((lacht)) Hm das habe ich nur so Studentin [nv] hat Mund voll [204] .. 711 712 713 714 Dozentin [v] hm Studentin [v] schnell korrigiert (.) weil ich wollte dass sie wissen dass ich gearbeitet habe. <?page no="145"?> 146 2 Forschungsdesign und Methodik [205] 715 716 717 718 719 Dozentin [v] ja. ja. davon bin Studentin [v] ((lacht)) dass ich nicht zu hause (-) gefaulenzt gefaulenzt habe. (-) [206] .. 720 721 722 Dozentin [v] ich auch nicht ausgegangen. (.) Studentin [v] naja an manchen/ (.) sie haben mich eigentlich in [207] .. 723 724 725 Dozentin [v] =ich weiß. ich weiß. Studentin [v] (.) einer schlechten sehr schlechten jahren kennengelernt.= [208] .. 726 727 728 729 730 731 Dozentin [v] (2.0) aber sie habens ja geschafft. sie haben sich am ende wieder aus der Studentin [v] und ja. das finde ich [209] 732 733 734 735 Dozentin [v] hm Studentin [v] eigentlich so schade weil ich vorher sehr sehr viel durch/ äh sehr viel [210] .. 736 Studentin [v] gearbeitet habe für mei/ für die vorlesungen (.) aber das ist so gekommen (.) [211] 737 738 739 740 Dozentin [v] ja. nein. Studentin [v] ich habe viel ! ANGST! davor. dass sie mich ähm ! NOCH! ! SO! sehen. [212] 741 742 743 Dozentin [v] machen sie sich darüber keine sorgen. ((lachend)) Studentin [v] ((lacht)) äh das kann ich [213] .. 744 745 746 Dozentin [v] ich sehe dass sie gut gearbeitet haben. und dass sie sehr intensiv Studentin [v] nicht vermeiden. [214] .. 747 Dozentin [v] gearbeitet haben. und jetzt (2.0) werde ich irgendwann mal die arbeit im ganzen [215] .. 748 749 Dozentin [v] stück lesen und dann = Studentin [v] =ja. und ich möchte eigentlich weiter in diese also mit <?page no="146"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 147 Emma Diego betont, dass es für sie sehr wichtig wäre, dass die Professorin wisse, dass sie fleißig gearbeitet habe und gibt das als Grund dafür an, weshalb sie die Arbeit nicht sprachlich sorgfältig korrigiert habe. Sie habe darauf verzichtet, damit Frau Prof. Dr. Köhler die Arbeit schneller bekomme und wüsste, dass sie gearbeitet habe (E712-718). An einer weiteren Stelle drückt Emma Diego explizit ihre Befürchtung aus, dass die Professorin sie für eine schlechte Studentin halten könnte (E737). Sie bedauert, dass die Professorin sie in ihrer schlechten Studienphase kennengelernt habe. Vorher sei sie eine fleißige Studentin gewesen (E722-737). Es ist ihr also ein wichtiges Anliegen, ihr selbstempfundenes negatives Image zu korrigieren. Das geschieht allerdings ohne Berücksichtigung des Zeitbudgets der Professorin in der Sprechstunde. Das Thema wird aus ihrer Sicht nicht wirklich abgeschlossen, sie kommt immer wieder darauf zurück. Frau Köhler beruhigt sie mehrmals (z. B. E719, E724 - E728) und betont, dass sie sich keine Sorge machen solle (E742). Sie versichert Emma Diego, dass sie wisse, dass sie intensiv gearbeitet habe und lobt sie (E744-746). Ein weiteres Merkmal des Gesprächs ist, dass Emma Diego kaum Gliederungssignale verwendet. Tut sie es doch, handelt es sich um untypische Formulierungen. Beispielsweise reagiert sie in der folgenden Sequenz auf das Abschlusssignal „gut“ seitens der Professorin (E 332) mit der untypischen Selbstfrage „ähm wie weit bin ich? “ (E333) und beschreibt anschließend den Stand ihrer Arbeit. Hier wird zwar ihrerseits das Abschlusssignal richtig interpretiert und der thematische Bereich erwartungsgemäß beendet, die sprachliche Realisierung kann jedoch nicht als gattungsspezifisch gewertet werden. [91] 330 331 332 333 334 Dozentin [v] brauchen wir eigentlich nicht. gut. Studentin [v] hm ähm wie weit bin ich? ich habe schon die [92] .. 335 336 337 Dozentin [v] ja? Studentin [v] drei analyse gemacht und die schlussfolge/ also ich habe schon alles [93] .. 338 339 340 341 342 Dozentin [v] ja. gut. und schluss auch schon Studentin [v] geschrieben. ich korrigiere ähm eigentlich alles. Beispiel Nr. 11 (GS 9) Der folgende Ausschnitt ist ein Teil der Kernphase eines Sprechstundengesprächs zwischen Maria Kolidis, einer internationalen Studierenden mit Griechisch als Muttersprache, und Frau Prof. Dr. Köhler im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität Kassel. Es geht zum einen um die <?page no="147"?> 148 2 Forschungsdesign und Methodik Klärung einiger organisatorischer Fragen zur Masterarbeit und zum anderen um die Besprechung der Gliederung der bevorstehenden Abschlussarbeit. Das Gespräch dauert insgesamt ca. 23 Minuten. [75] .. 244 245 246 247 248 Dozentin [v] das heißt herr [Name] ist ihr erstgutachter; (.) okay. = Studentin [v] ja. (.) =ja. [76] 249 250 Dozentin [v] ist gut ne. = Studentin [v] = ich möchte nur also mit ihnen wollt ich ein bisschen die struktur [77] 251 252 253 254 255 256 Dozentin [v] hm hm ja, = Studentin [v] mehr also ich hab schon mit ihm schon gesprochen. =also er hat [78] .. 257 258 Dozentin [v] ja; (.) Studentin [v] mit schon heute zwei bücher gegeben. aber (.) i: ch wollte noch eine zweite [79] .. 259 260 261 262 263 Dozentin [v] hm=hm ja=ja ist gut. (.) Studentin [v] meinung dazu. so deswegen. (.) und ähm und wie ich das [80] .. 264 265 266 Dozentin [v] =hm=hm Studentin [v] alles/ also ich hab schon viel noTIERT.= ich hab also 'n paar [81] .. 267268 269 270 271 Dozentin [v] ja; ja; Studentin [v] STICHpünkte (.) wie ich das weiter (.) äh wie ich also zum beispiel (2.0) ich [82] .. 272 273 274 275 Dozentin [v] hm wissen sie (.) ich mach ihnen 'nen vorschlag. Studentin [v] hab das so grob ( ) Nachdem die organisatorischen Fragen zum Erst- und Zweitgutachter der Masterarbeit geklärt sind, teilt Maria Kolidis mit, dass sie nun mit der Professorin über die Struktur der Arbeit sprechen möchte (E250). Jedoch geht sie in ihrem darauffolgenden Redebeitrag nicht auf die Struktur der Arbeit ein, sondern teilt <?page no="148"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 149 mit, dass sie schon mit ihrem Erstgutachter gesprochen habe, womit sie wieder auf ein Thema, das bereits abgeschlossen war, zurückfällt (E254). Dem schließt sich die Mitteilung darüber an, dass sie von ihrem Erstgutachter schon zwei Bücher bekommen habe (E256). Dann begründet sie ihren Wunsch nach dem Gespräch damit, dass sie eine zweite Meinung hören wolle (E258). Frau Köhler fordert sie mit der Äußerung „ja… ja ist gut“ (E261-262) auf, zum Punkt zu kommen. Es folgen dann mehrere Formulierungen von Maria Kolidis, die durch häufige Satzbrüche gekennzeichnet sind. Sie berichtet über ihre Vorgehensweise: „und ähm und wie ich das alles/ also ich hab schon viel noTIERT.= ich hab also 'n paar STICHpünkte (.)“ (E263-266). Sie bezieht sich im Gespräch detailliert auf die einzelnen Punkte der Gliederung. Ihre Redebeiträge sind unstrukturiert. Frau Köhler hört zunächst aufmerksam zu, sie unterbricht sie jedoch schließlich und beschreibt ihr die übliche Vorgehensweise. [82] .. 272 273 274 275 Dozentin [v] hm wissen sie (.) ich mach ihnen 'nen vorschlag. Studentin [v] hab das so grob ( ) [83] .. 276 277 Dozentin [v] (-) damit wir da äh auch ähm etwas ähm (-) effizienter vorgehen können. Studentin [v] ja. (.) [84] 278 279 280 Dozentin [v] äh dass sie mir dass damit wir jetzt nicht einzeln durchgehen; (-) denn das [85] .. 281 282 Dozentin [v] dauert sehr sehr lange (.) äh und sie müssen mir dazu sehr viel erklären. (.) Studentin [v] hm [86] 283 284 285 Dozentin [v] dass sie mir äh die ideen (.) die sie haben und äh und auch eine Studentin [v] ja. (.) [87] .. 286 Dozentin [v] ! MÖ: : GLICHE! vorgehensweise; (.) wenn sie schon ein/ eine vorstellung [88] .. 287 288 289 290 Dozentin [v] davon haben (.) dass sie mir das per email schicken. (.) äh und äh wenn es Studentin [v] hm <?page no="149"?> 150 2 Forschungsdesign und Methodik [89] .. 291 292 Dozentin [v] möglich ist zwei tage vor (.) der nächsten sprechstunde (.) Studentin [v] hm Nach dem üblichen Verfahren, welches sie hier abschwächend als Vorschlag bezeichnet (E275), werde die Gliederung einige Tage vor der Sprechstunde der Lehrenden per E-Mail zugeschickt, damit diese sie in Ruhe durchgehen und dann bestimmte Punkte mit der Studentin besprechen könne, anstatt gemeinsam mit ihr in einem Sprechstundengespräch auf einzelne Punkte einer Gliederung einzugehen (E277-290). Frau Köhler begründet ihre Vorgehensweise noch einmal damit, dass ihr im Rahmen einer universitären Sprechstunde nicht so viel Zeit zur Verfügung stehe (E299-302). [91] .. 294 295 296 297 Dozentin [v] zu sprechen. (.) ne? (.) wenn wir jetzt (.) wenn wir jetzt hier diese Studentin [v] ja. (.) [92] .. 298 Dozentin [v] einzelnen punkte äh durchgehen (.) ohne dass ich mir das äh vorher angeschaut [93] .. 299 Dozentin [v] hab und äh schon mal so ne grobe struktur (.) erkennen kann (.) dann dauert [94] .. 300 301 302 303 304 Dozentin [v] das mindestens ne stunde und das können wir jetzt nicht machen. ja? also Studentin [v] okay; ich verstehe. okay. hm Im weiteren Verlauf des Gesprächs kommt es nach der Bitte um einen Literaturhinweis zu einer Äußerung, welche die Normerwartung der Professorin verletzt. Frau Köhler nennt Maria Kolidis ein Buch und die Studierende fragt, ob dieses in der hiesigen Bibliothek zu finden wäre (E188). Sie habe noch nicht so viel gesucht (E189-E190). Die Reaktion von Frau Köhler auf das fehlende autonome Verhalten der Studentin deutet darauf hin, dass sie die Frage unangemessen findet: „das kann ich ihnen nicht sagen. das müssen sie äh das müssen sie selber suchen (.) ob wir das haben.“ (E193-197). [58] .. 186 187 Dozentin [v] explicit learning of language. [Name Verfasser1]. und da gibts noch was <?page no="150"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 151 [59] .. 188 189 Dozentin [v] aktuelleres. (-) Studentin [v] da gibts gibt es das in der bibliothek bei uns? äh also ich meine (- [60] .. 190 191 192 193 194 195 Dozentin [v] hm das kann ich ihnen nicht sagen. das Studentin [v] ) ich hab nicht so viel geSUCHT weil die meisten [61] .. 196 197 198 199 Dozentin [v] müssen sie äh das müssen sie selber suchen (.) ob wir das haben. äh Studentin [v] ja. An den Beispielen wird deutlich, dass der Ablauf bzw. die Struktur eines Gesprächs kulturspezifischen Regeln folgt. Die oben dargestellten Beobachtungen stehen im Einklang mit den Überlegungen von Kaplan (1966), nach dessen Ansicht unterschiedliche Kommunikationsnormen die Hauptquelle für Kommunikationsschwierigkeiten darstellen. Kaplan hat zwar die schriftliche Textproduktion von Studierenden untersucht, seine Ergebnisse können jedoch auch auf die mündlichen Sprechstundengespräche übertragen werden. Nach Kaplans Beobachtungen (1966: 3) sind die Textproduktionen internationaler Studierender von den Lehrenden häufig mit Anmerkungen wie „it seems somehow out of focus“ oder „lacks organization“ oder „lacks cohesion“ kommentiert worden, welche auch auf die mündliche Produktion in den Sprechstundengesprächen der angeführten Beispiele übertragen werden können. Kaplan (ebd.: 4) unterscheidet zwischen linearem und zirkulärem Diskursstil. Ein linearer Diskursstil weist folgendes Schema auf: Eine zentrale Idee wird ohne Abweichungen linear und direkt zum Ziel verfolgt. Einen davon abweichenden Diskursstil bezeichnet Kaplan (ebd.: 7) als ‚zirkulär‘ und beschreibt ihn als ‚turning and turning in a widening gyre’. “The circles or gyres turn around the subject and show it from a variety of tangential views, but the subject is never looked at directly. Things are developed in terms of what they are not, rather than in terms of what they are.” (ebd.: 7) Ein zirkulärer Diskursstil lässt sich demnach wie folgt illustrieren: <?page no="151"?> 152 2 Forschungsdesign und Methodik Ein Thema wird aus verschiedenen Blickwinkeln umkreist, und wie in einer Endlosschleife wird nicht zum Ende gekommen bzw. wird das Wesentliche nicht direkt apostrophiert. Dieses ‚Nicht zum Punkt kommen’ findet sich in zahlreichen Publikationen (vgl. z. B. Günthner 1993) als ein Charakteristikum von Kommunikation in asiatischen Kulturen wieder. Der Kommunikationsstil der internationalen Studierenden in den oben angeführten Beispielen kann als zirkulär bezeichnet werden, da auch hier im gesamten Gespräch fehlende Struktur und Planlosigkeit dominant erscheinen und Themen, die schon besprochen und abgeschlossen wurden, erneut aufgegriffen werden. Auch die unterschiedlichen Erwartungshaltungen bezüglich der Besprechung einer wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen eines universitären Sprechstundengesprächs werden in den Beispielen deutlich. In der deutschen Kultur mit einer niedrigen Machtdistanz wird von Studierenden ein hohes Maß an Autonomie und Selbstverantwortung erwartet, weshalb Lehrende den Sinn von Besprechungen nicht in einer kleinschrittigen detaillierten Erörterung einer Arbeit sehen. Demgegenüber erwarten viele internationale Studierende, dass sie von den Lehrenden Schritt für Schritt durch den Schreibprozess geführt und geleitet werden. 8 Beendigungsphase Die Beendigung eines Gesprächs muss von den Interagierenden ausgehandelt werden. Ein Gespräch gelangt erst dann zu einem tatsächlichen Abschluss, wenn dem Beendigungsversuch eines Interaktanten durch den anderen Beteiligten zugestimmt wird (vgl. Abschnitt 1.6.2.2). Dieses Aushandeln verläuft nicht immer problemlos, weshalb die Beendigungsphase generell als heikle Situation in Gesprächen bezeichnet wird und damit zu den besonders sensiblen Bereichen in interkulturellen Begegnungen gehört (vgl. Abschnitt 1.5.4.2). Im Folgenden 8 Vgl. hierzu Critical Incident B25 aus der Datenbank von MuMis-Projekt (www.mumis-projekt.de/ mumis/ index.php/ ci-datenbank/ situationen-typen/ b-kommunikation-mit-dozenten/ b2-betreuung-und-bewertung-von-leistungsnachweisen) <?page no="152"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 153 werden zunächst zwei gelungene Beendigungsphasen im muttersprachlichen Kontext wiedergegeben. Dem folgt ein Beispiel für eine weniger geglückte Beendigungsphase aus einer interkulturellen Begegnung. Beispiel Nr. 12 (GS 4): Der folgende Transkriptausschnitt stammt aus dem Gespräch Nr. 4 zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und Frau Beate Fischer. [18] 30 [01: 02.9] 31 [01: 03.5] 32 [01: 04.4] 33 [01: 04.7] Dozent [v] verstehen sie das, da (.) bin ich mir noch nicht sicher; = ja ich hab' (--) Studentin [v] ok =uhum [19] .. 34 [01: 06.8] 35 [01: 07.2] Dozent [v] brauch sie etwa um die ! ZEHN! (-) und äh wenn (--) ich noch nicht Studentin [v] uhum [20] .. Dozent [v] ! ZEHN! habe dann (-) wär ich froh wenn sie hehe mitmachen würden hehe; [21] 36 [01: 12.5] 37 [01: 13.0] 38 [01: 14.6] 39 [01: 15.0] 40 [01: 15.3] Dozent [v] ja; ich meld mich im laufe der nächsten woche; (-) ja? Studentin [v] gerne; ok; (.) super (--) [22] 41 [01: 16.5] 42 [01: 17.4] 43 [01: 17.6] 44 [01: 17.9] 45 [01: 18.6] 46 [01: 18.8] Dozent [v] gut (--) das wars? gut; Studentin [v] gut (--) das das wär eigentlich dann fülle ich das mal schnell aus; = [23] 47 [01: 20.2] 48 [01: 21.0] 49 [02: 07.2] 50 [02: 09.3] Dozent [v] =gerad noch aus zufüllen (45,75 Sek.) Studentin [v] ja; gut (.) dann (-) danke schön; (---) [24] .. 51 [02: 09.8] 52 [02: 20.3] 53 [02: 20.4] Dozent [v] wiederschauen; (.) Studentin [v] tschüss; (9,5Sek.) Der Gesprächsausschnitt beginnt mit dem Redebeitrag von Herrn Goebel, in dem der Studentin der Ablauf der Tutorenauswahl beschrieben wird (E33-35). Anschließend beendet er das Thema mit dem Diskursmarker „ja? “ (E39) und leitet die Beendigungsphase ein. Beate Fischer stimmt dem Schlussangebot <?page no="153"?> 154 2 Forschungsdesign und Methodik zu (E40). Die simultane Äußerung von „gut (--)“ (E41) und die Pausen danach können bereits als Hinweise darauf interpretiert werden, dass sich die Interagierenden gegenseitig signalisieren, nichts mehr zum Thema sagen zu wollen. Anschließend setzt der Professor mit der Frage „das wars? “ ein Schlusseinleitungssignal (E42-43). Beate Fischer stimmt dem Abschlussangebot zu (E43-44) und füllt anschließend das Einverständnisformular zur Gesprächsaufnahme aus (E46). Die beiden Terminalsignale „Wiederschauen“ „Tschüs“ markieren dann den endgültigen Abschluss des Gesprächs (E50-51). In diesem Beispiel werden die eingesetzten Signale adäquat interpretiert und die Beendigungsphase verläuft problemlos und ohne Schleifenbildung. Beispiel Nr. 13 (GS 10) Das Gespräch Nr. 10 zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und Frau Lisa Kaufmann enthält ein weiteres typisches Beispiel für eine gelungene Beendigungssequenz. [63] .. 124 [05: 11.0] 125 [05: 11.8] 126 [05: 12.6] 127 [05: 12.9] Dozent [v] =ende mai klausur; gut. (--) ! GUT! (.) Studentin [v] zeitplan.= gut und ich ähm (-) schreibe [64] .. 128 [05: 15.7]129 [05: 16.7] 130 [05: 20.0] Dozent [v] =hm (-) gut. dann Studentin [v] frau [name] wegen dem raum.= gut (---) und das war's. ( ) [65] .. 131 [05: 21.3] 132 [05: 22.0] 133 [05: 23.0] 134 [05: 29.4] Dozent [v] machen sie es gut. (-) tschüss Studentin [v] sie auch herr Goebel tschüss Der Beginn der Beendigungsphase ist bei E125 zu markieren, nachdem der Termin für die Klausur festgelegt wurde. Herr Goebel setzt das Schlusseinleitungssignal „! GUT! (.)“ ein, gefolgt von einer kurzen Pause und einer Wiederholung von „gut“, worauf die Studentin mit einer resümierenden Äußerung reagiert (E127). Herr Goebel signalisiert durch ein Schlusseinleitungssignal „=hm (-) gut.“ die Verminderung seiner Zugänglichkeit (E128). Lisa Kaufmann geht auf dieses grenzmarkierende Signal sofort ein und stimmt dem Abschlussangebot zu (E129). Nach einer kurzen Wunschsequenz (E130-131) und dem simultanen Austausch der Terminalsignale „tschüs-tschüs“ (E132) endet das Gespräch. Die obigen Ausschnitte zeigen eine für das untersuchte Korpus typische Beendigungsphase. Im Anschluss an die Anliegensbearbeitung wird die Beendigungsphase eingeleitet, bei der thematische Aspekte in den Hintergrund rücken. Eine der Interagierenden - in der Regel die Lehrende - signalisiert <?page no="154"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 155 die Gesprächsbeendigung. Die andere Interagierende akzeptiert dies. Zur Beendigungsphase gehören die Sprechhandlungen „sich bedanken“ und „sich verabschieden“. Deren Umfang und Art hängen vom Anliegen und dem Grad des Entgegenkommens des jeweiligen Lehrenden ab. Manchmal wird in dieser Phase auch das Ergebnis des Gesprächs festgehalten. Die Beendigung der beiden vorliegenden Sprechstundengespräche ohne großen kommunikativen Aufwand nach der Anliegensbearbeitung deutet zum einen auf die Zielgerichtetheit des Gesprächs und zum anderen auch auf das Gattungswissen der Interagierenden hin. Beispiel Nr. 14 (GS 8) Beispiel 14 ist ein Ausschnitt aus dem Gespräch Nr. 8 zwischen Frau Prof. Dr. Köhler und Frau Emma Diego, dessen Rahmenbedingungen bereits dargestellt worden sind. [187] .. 660 661 662 663 664 Dozentin [v] ja=ja. ja ja. Studentin [v] eigentlichkeit (.) sondern eher (.) von berichte (.) literatur. deswegen [188] .. 665 666 667 Dozentin [v] also das müsste eigentlich für sie gut geeignet sein. (.) Studentin [v] konnte ich das nicht nutzen. okay. [189] 668 669 670 671 Dozentin [v] okay. versuchen sie das mal. (.) wir müssen leider aufhören. (.) weil ich ähm [190] 672 673 Dozentin [v] ich hab noch (-) ja. Studentin [v] einen termin noch bei [Name2] hatten. deswegen bin ich ein bisschen früher [191] .. 674 675 676 Dozentin [v] ja; wir haben jetzt Studentin [v] gekommen (.) weil ich das zufällig erfahren habe. (2.0) [192] .. 677 Dozentin [v] gleich ne sitzung und ich hab draußen noch ähm [Name3] und [Name4]. Studentin [v] ja. <?page no="155"?> 156 2 Forschungsdesign und Methodik [193] 678 679 680 681 Dozentin [v] sie schicken mir das. okay. Dozentin [nv] Studentin [v] also ich schicke ihnen ! DAS! . [194] .. 682 683 684 685 Dozentin [v] die sind (.) weiß ich gar nicht. die sind alle unterschiedlich. nehmen sie Dozentin [nv] runter. essen [195] .. 686 687 688 689 Dozentin [v] sich noch eins. für unterwegs (.) okay? ich muss Dozentin [nv] wahrscheinlich Süßigkeiten Studentin [v] danke. Studentin [nv] mit vollem Mund! [196] .. 690 691 692 Dozentin [v] mal grade (.) dass sie Studentin [v] aber ich freue mich sehr (.) dass ich in äh weihnachtszeit (.) dass Der Gesprächsausschnitt beginnt mit dem Schlusseinleitungssignal von Frau Köhler (E661). Diese signalisiert durch mehrfache Wiederholung von „ja“ die Verminderung ihrer Zugänglichkeit und ihren Wunsch das Gespräch zu beenden (E661-663). Nachdem diese Schlusseinleitungssignale von Emma Diego offenbar nicht wahrgenommen bzw. nicht richtig interpretiert werden, leitet die Professorin mit einer Rückzugsankündigung explizit das Ende des Gesprächs ein „wir müssen leider aufhören. (.)“ (E670). Zur Abmilderung dieser Rückzugsankündigung führt sie mit dem Hinweis auf äußere Gegebenheiten (die bevorstehende Sitzung) noch eine Begründung an (E671-672). Emma Diego unterbricht sie jedoch und vollendet ihren angefangenen Satz (E672). Sie weist sogar darauf hin, dass sie zufällig von dem gemeinten Termin der Professorin erfahren habe, und dies der Grund für ihr früheres Erscheinen in die Sprechstunde gewesen sei (E673-675). Die Professorin bestätigt dies und fügt hinzu, dass vor der Tür auch noch zwei andere Studierende warten (E676). Schließlich reagiert Emma Diego auf die Aufforderung, das Gespräch zu beenden und stimmt dem Gesprächsende zu: „ja. also ich schicke ihnen ! DAS! .“ (E677-678). Tatsächlich folgen den Schlusszustimmungssignalen jedoch keine Terminalsignale und kein Austausch von Abschiedsgrüßen, sondern die Studentin kostet von den Süßigkeiten auf dem Tisch der Professorin und lässt sich dabei viel Zeit. Auf eine erneute Bemühung um die Beendigung des Gesprächs deutet das „okay“ der Professorin (E687). Auch dieser Gesprächsschritt bleibt von Emma Diego unbeachtet. Es folgt eine weitere Rückzugsankündigung sei- <?page no="156"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 157 tens der Professorin „ich muss mal gerade …“ (E689). Ausdrücklich wird die endgültige und zügige Gesprächsbeendigung gefordert. Emma Diego reagiert hierauf mit der Mitteilung ihrer Freude darüber, dass sie nun bald mit der Arbeit fertig sei (E690-692), gefolgt von einer abermaligen Abschweifung, diesmal zur Studienordnung. Anschließend bringt Emma Diego in der mehrmals eingeleiteten und eingeforderten Schlussphase noch ein karrierebezogenes Anliegen vor (E748-759) [215] .. 748 749 Dozentin [v] stück lesen und dann = Studentin [v] =ja. und ich möchte eigentlich weiter in diese also mit [216] .. 750 751 752 753 Dozentin [v] hm hm sie haben jetzt Studentin [v] forschung arbeiten. mit empirische forschung arbeiten. (.) [217] .. 754 Dozentin [v] ja erfahrungen gesammelt (.) und sie haben vielleicht auch gesehen (.) was äh [218] .. 755 756 757 Dozentin [v] wo die probleme liegen und was man äh von vornherein Studentin [v] und ich fande ich habe schon vielleicht [219] 758 759 760 Dozentin [v] mit einplanen muss ja. Studentin [v] vielleicht eine ä: : hm ! EINE! IDEE! fü: : r ein proJEKT. [220] 761 762 763 764 Dozentin [v] =das find ich gut lassen sie uns das erst ABschließen und dann Studentin [v] vielleicht aber= [221] 765 766 767 768 769 770 Dozentin [v] reden wir weiter. ja? nicht dass sie/ aber auch schon im bereich kollokationen? Studentin [v] genau. ja. [222] 771 772 773 Studentin [v] ! JA! und im bereich von von muttersprachlern (.) zum beispiel wie zweite [223] .. 774 775 Studentin [v] aufgabe. es wäre sehr interessant gewesen (.) auch (.) muttersprachler dabei zu <?page no="157"?> 158 2 Forschungsdesign und Methodik [224] .. 776 777 778 Studentin [v] haben (.) das diese ausgabe gelöst hätten. und zu vergleichen (.) wie haben sich [225] .. 779 780 781 Dozentin [v] =das machen wir beim nächsten mal. äh das wäre ganz Studentin [v] ä: : h eigentlich= ja. [226] .. 782 783 Dozentin [v] interessant. Studentin [v] ja. wie ha/ wie habe/ wie hätten sie die äh auf ! DIESE! ä: : h test [227] .. 784 785 786 787 788 789 Dozentin [v] ja. okay. dann Dozentin [nv] Abbruch der Aufnahme Studentin [v] reagiert? (-) ja. okay. Emma Diego teilt Frau Köhler mit, dass sie gerne weiter über das Thema forschen will und Ideen für ein Forschungsprojekt hat (E748-750). Mit den Worten „ja=das find ich gut lassen sie uns das erst ABschließen und dann reden wir weiter. ja? “ (E763-767) formuliert Frau Köhler erneut explizit ihren Abschlusswunsch. Sie zeigt deutlich an, dass für sie Gesprächsziel und Ende der Gesprächszeit erreicht sind. Spätestens hier sollte die Verabschiedungssequenz folgen. Stattdessen bringt Emma Diego weitere detaillierte Beiträge über Ideen und Forschungsvorhaben vor (E771-778). Mit der direkten Aufforderung „=das machen wir beim nächsten mal äh das wäre ganz interessant.“ unterbricht die Professorin den Redebeitrag der Studentin und leitet abermals die Schlusssequenz (E779-E781) ein. Doch Emma Diego zeigt auch hierauf keine entsprechende Reaktion und erzählt weiter (E783). Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen das Gespräch zu beenden, schaltet Frau Köhler das Aufnahmegerät aus (E789). An diesem Gesprächsausschnitt wird in mehrfacher Hinsicht deutlich, dass die Studentin im Umgang mit den Regeln universitärer Sprechstundenkommunikation nicht vertraut ist. An diesem Beispiel wird die unterschiedliche Strukturierung von Zeit in Lateinamerika und in Deutschland deutlich, die sich mit der von Hall und Hall entwickelten Kulturdimension „Zeitorientierung“ beschreiben lässt (vgl. Abschnitt 1.5.2.1). Nach Hall und Hall (1987: 16) spielt in polychronen Kulturen die Zeit nur eine untergeordnete Rolle, weshalb Menschen ein flexibleres Verständnis von zeitlichen Vereinbarungen haben. Internationale Studierende, im konkreten Fall Emma Diego, agieren vor dem Hintergrund ihres flexibleren Zeitverständnisses. Nach Göhring (2007: 39) ist Zeit in Lateinamerika elastisch, und Eile bedroht sogar die Würde des Individuums. Die Lehrenden an deutschen Universitäten <?page no="158"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 159 haben als Angehörige einer Kultur mit einem monochronen Zeitverständnis eine lineare Zeitvorstellung und versuchen Zeit möglichst effizient zu nutzen. Ihre Zeit ist darüber hinaus durch meist hohen Studierendenandrang und weitere Sitzungstermine besonders begrenzt. Die Zeit in einer Sprechstunde ist demnach streng bemessen. Daher erwartet Frau Köhler in dem hier angeführten Beispiel von der Studierenden, dass sie diesen Sachverhalt akzeptiert. Die Studierende erkennt dies jedoch aufgrund ihrer abweichenden Zeitorientierung offenkundig nicht, was einen befriedigenden Gesprächsabschluss behindert. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es neben diesem hier besonders hervorgehobenen, kulturspezifischen Zeitverständnis weitere Faktoren gibt, beispielsweise persönliche Merkmale und den sozialen Status, die als ursächlich für zu beobachtende Schwierigkeiten der Beendigungsphase von Gesprächen angesehen werden können (vgl. Ausführungen in Kapitel 1.1). Das System des Sprecherwechsels Eine bedeutende Stellung in der Analyse der Zwischenstruktur einer Gattung nimmt die Analyse des Systems des Sprecherwechsels ein. Der Sprecherwechsel unterliegt bestimmten Normen, die von Kultur zu Kultur variieren können (vgl. Abschnitt 1.5.4.2). Alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft verfügen über ein Repertoire an Diskursmitteln, mit denen sie einen Sprecherwechsel einleiten. In der interkulturellen Kommunikation kann die unterschiedliche Interpretation der hierfür eingesetzten Signale zu Missverständnissen führen. Beispielsweise gibt es Kulturen, in denen größtenteils überlappend kommuniziert wird. In diesen Kulturen wird durch Unterbrechungen sogar das besondere Interesse am Gespräch ausgedrückt, was wiederum z. B. in Deutschland in der Regel als unhöfliches ‚ins Wort fallen‘ gedeutet wird und sogar zum Abbruch des Redebeitrags durch den Betroffenen führen kann (vgl. Lüsebrink 2012: 52). Der Sprecherwechsel gilt als zentral für die Organisation eines Gespräches. Generell sind dessen Regeln, die das Ablaufschema von Gesprächen bestimmen, zwischen Kulturen unterschiedlich, wie auch aus den folgenden Beispielen zu entnehmen ist. Im Folgenden soll zunächst wieder ein Beispiel eines typischen Sprecherwechsels im Kontext der universitären Sprechstunden für die entsprechende Norm stehen. Danach werden Beispiele aus einem interkulturellen Gespräch angeführt, die deutlich machen, wie die Kommunikation belastet wird, wenn die Interagierenden unterschiedliche Sprecherwechselsysteme aktivieren und wenn eingesetzte Signale in der Kommunikation nicht erkannt bzw. abweichend interpretiert werden <?page no="159"?> 160 2 Forschungsdesign und Methodik Beispiel Nr. 15 (GS 4): Der folgende Transkriptausschnitt stammt aus dem Gespräch Nr. 4 zwischen Herr Prof. Dr. Goebel und Beate Fischer, es illustriert ein typisches Sprecherwechselsystem. (vgl. 2.4.2.7.1). [7] .. 12 [00: 26.8] 13 [00: 28.8] Dozent [v] =ne ich hatte sogar/ ( ) geschrieben ich hab es ja zur kenntnis Studentin [v] ! DRAN! (.) und= genau; [8] 14 [00: 29.4] 15 [00: 29.8] 16 [00: 30.2] 17 [00: 31.9] 18 [00: 32.3] Dozent [v] genommen; = und hab das auch in der liste (-) äh (---) =genommen Studentin [v] =ah (.) ach so= [9] .. Dozent [v] ich melde mich auch b/ bei ihnen; (.) ich hab nur (.) gewartet bis ich von [10] .. 19 [00: 36.7] Dozent [v] ! ALLEN! eine rückmeldung hatte. (-) Studentin [v] ne ich hab gedacht vielleicht bin ich [11] .. 20 [00: 39.3] 21 [00: 39.5] Dozent [v] ne=ne ich hab so 'nen ganzen (-) Studentin [v] diesmal hehe in ihrem spamordner he gelandet; Herr Goebel erklärt, dass er die E-Mail von Beate Fischer bereits erhalten habe und er sich melden würde, sobald er von allen Studierenden, die er bezüglich der Tutorentätigkeit angeschrieben hatte, eine Rückmeldung erhalten habe (E12- 18). Beate Fischer begleitet die Ausführungen des Professoren mit Rezeptionssignalen wie „genau“(E13), „ach so“ (E17). Sie ergreift das Wort erst, als der Professor seinen Redebeitrag beendet und mit einer kurzen Pause die Redeübergabe signalisiert hat (E19). Beispiel Nr. 16 (GS 8): Das abweichende Beispiel stammt aus dem Gespräch Nr. 8 zwischen Frau Prof. Dr. Köhler und Emma Diego und illustriert kulturelle Unterschiede im Bereich des Systems des Sprecherwechsels. Emma Diego kommt aus einer Kultur, in der oft simultan kommuniziert wird. Bei diesem Gespräch fällt tatsächlich die Häufigkeit der Unterbrechungen seitens der Studentin besonders auf. Nach einer Sequenz über eine graphische Darstellung in der Masterarbeit (hier nicht zitiert) kommt es zu folgender Interaktion: <?page no="160"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 161 [7] 21 22 23 24 25 26 27 Dozentin [v] ja. ja. es gibt eine sache die mir aufgefallen ist= Studentin [v] und das fehlt mir in diesem kapi tel. [8] 28 29 30 31 32 Dozentin [v] äh sie haben hier in (..............) ne=ne da geht es darum (--) äh: : m äh äh das Studentin [v] =ja? die liste. Frau Köhler beginnt ihren Redebeitrag mit der Äußerung „äh sie haben hier in (…)“ (E29-30) und wird durch Emma Diego unterbrochen. Sie vollendet die Äußerung der Professorin mit einer Vermutung (E30), die sich im Nachhinein als inkorrekt herausstellt (E31). Durch diese Unterbrechung scheint Frau Köhler kurz den Faden verloren zu haben, was sich in der kurzen Pause und der Verwendung des Verzögerungslautes „äh: : m äh äh“ zeigt (E32). Auch im folgenden Ausschnitt desselben Gesprächs kann Frau Köhler ihren mit „Sie nehmen“ angefangenen Redebeitrag nicht vollenden, da ihr Emma Diego ins Wort fällt (E58). [14] .. 47 48 49 50 51 52 Dozentin [v] sprachlich müssen sie das noch überarbeiten ne? wissen sie. ja Studentin [v] ziehen. ja. ( ) [15] 53 54 55 Dozentin [v] meine frage ist (.) wie viele muttersprachler hatten sie? Studentin [v] für diese AUFgabe? [16] 56 57 58 59 60 61 Dozentin [v] ja. okay. sie nehmen ja. Studentin [v] drei. im selben milieu in den selben milieu ich habe die ausgewählt (.) [17] 62 63 64 65 Dozentin [v] hm Studentin [v] dass (.) in ähnlicher WEIse äh ! AUCH! machen was die äh was meine mu/ [18] .. 66 67 68 Dozentin [v] ja das problem ist (.) ähm äh Studentin [v] äh was meine spanischen muttersprachler machen. [19] .. 69 70 71 Dozentin [v] dass sie die ähm ein ein absolut nicht repräsentatives äh maß äh haben. also sie Studentin [v] ja. <?page no="161"?> 162 2 Forschungsdesign und Methodik [20] .. 72 73 Dozentin [v] fragen ähm nach also sie sagen gebräuchlichkeit und sie fragen ! DREI! Studentin [v] ja. Dass Frau Köhler ihren Redebeitrag sofort unterbricht, kann als die Orientierung ihrerseits an der nordeuropäischen Kommunikationsregel interpretiert werden, nach der zur gleichen Zeit nur eine Person spricht. Frau Köhler hört zunächst der Studentin zu, begleitet sie mit Hörersignalen (60-65) und wartet, bis sie ihren Redebeitrag vollendet hat. Erst dann startet sie einen neuen Versuch ihren vorherigen Gesprächsschritt auszuführen (E67). Der folgende Transkriptausschnitt enthält ein weiteres Beispiel für einen problematischen Sprecherwechsel. [152] .. 551 Dozentin [v] brauchen sie mir auch nicht unbedingt zu zeigen (.) weil mich interessiert [153] .. 552 553 554 Dozentin [v] ! DAS! hier. das und äh und ich brauch noch mal (.) ich weiß nicht Studentin [v] ! DAS! hier? [154] 555 556 557 Dozentin [v] ob sie nochmal an dem inhaltsverzeichnis was geändert haben? (-) Studentin [v] hm ja die [155] .. 558 559 560 561 562 Dozentin [v] also die aktuelle (.) die aktuelle = ja. Studentin [v] gliederung. =darf ich? (das mitnehmen? ) [156] .. 563 564 Dozentin [v] da hab ich [datum] hingeschrieben. die aktuelle ähm aktuelle ä: : h Studentin [v] (2.0) [157] .. 565 566 567 Dozentin [v] gliederung (.) also das inhaltsverzeichnis. Studentin [v] implikationen für didaktische für di: : e Emma Diego unterbricht Frau Köhler mitten in ihrem Redebeitrag, um sie zu fragen, ob sie die Gliederung mitnehmen dürfe (E560). Die Verzögerungssignale und Wiederholungen bei der darauffolgenden Äußerung der Professorin deuten darauf hin, dass sie durch diese Unterbrechung erneut irritiert ist (E564). Ein außergewöhnlicher Sprecherwechsel findet statt, als Emma Diego die Professorin fragt, ob diese noch was zu sagen hätte (E306-308). <?page no="162"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 163 [83] .. 297 298 299 300 301 302 Dozentin [v] ja? ja gut. aber das ist ja schon ein interessantes ergebnis. das passt nicht Studentin [v] c2. ja. hm [84] .. 303 304 305 306 307 308 Dozentin [v] zu richtig zu dem äh ziel was sie eigentlich hatten aber (2.0) Studentin [v] ja. ä: : : : h ja? haben Studentin [nv] [85] .. 309 310 311 312 Dozentin [v] nein ich was ich zu sagen habe ist das also ich find das Studentin [v] noch was zu sagen? [86] .. 313 314 315 316 Dozentin [v] sehr interessant und sie müssen es aber wie gesagt äh äh sprachlich Studentin [v] ja. aber das Die Beispiele illustrieren die kulturellen Unterschiede bei der Organisation von Sprecherwechseln in Gesprächen. Ähnliche Beobachtungen finden sich bei Günthner (1993), die darauf hinweist, dass der Sprecherwechsel durch Selbstwahl mit Unterbrechung in einigen Kulturen in höherem Maße toleriert wird als in anderen. In manchen Kulturen (wie in den arabischen Ländern, Lateinamerika, Frankreich und Spanien) haben Unterbrechungen eine affirmative Funktion. Sie gelten als Zeichen von Interesse, Spontanität und aktiver Teilnahme, weshalb dort die Aussagen des Vorredners mehrfach bestätigend unterbrochen und weitergeführt werden (vgl. Casper Hehne 2006: 349; Bouchara 2002: 125). In anderen Kulturen (wie in Deutschland, Finnland oder Japan) wird das Interesse hingegen dadurch gezeigt, dass Gesprächspartnern aufmerksam zugehört wird und sie aussprechen können. Gesprächsunterbrechungen werden als unhöflich interpretiert (vgl. ebd.). 2.4.2.7.3 Die Binnenstruktur Auf der Ebene der Binnenstruktur stehen verbale und nonverbale Bestandteile der kommunikativen Akte im Mittelpunkt der Analyse. Dazu gehört auch die Verwendung von gattungsspezifischen Formulierungen, denen im Kontext der vorliegenden Untersuchung eine große Relevanz zukommt (vgl. Abschnitt 1.3.1). Das übergeordnete Ziel besteht dabei im Abstrahieren prototypischer Formulierungen, die in einem nächsten Schritt in einem Förderangebot zusammengefasst werden sollen. <?page no="163"?> 164 2 Forschungsdesign und Methodik Sprachliche Merkmale der Gattung Auf der sprachlichen Ebene beinhalten Sprechstundengespräche sowohl fachsprachliche als auch alltagssprachliche Elemente (vgl. Abschnitt 1.6.2), wobei die Verwendung bestimmter alltagssprachlicher Formulierungen für Sprechstunden als institutionelle Kommunikation untypisch ist. Im Folgenden sollen einige Beispiele diese Problematik verdeutlichen. Beispiel Nr. 17 (GS 8) Der folgende Transkriptausschnitt stammt aus dem Gespräch Nr. 8 zwischen Frau Prof. Dr. Köhler und Emma Diego. Die Studentin verwendet oft alltagssprachliche Mittel, die in institutioneller Kommunikation eher unüblich sind. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung sogenannter „Etceteraformeln“ (Schwitalla 2006: 84). Hierunter werden sprachliche Vagheit durch Ausdruck von Formeln wie „und so“, „bla bla bla“ oder „oder irgend sowas“ zusammengefasst (vgl. ebd.). [137] .. 500 501 502 503 Studentin [v] ((lacht)) ja (.) aber das ist mein fazit. ich weiß es nicht. [138] 504 505 506 Studentin [v] das wäre (2.0) fazit ist der drei aufgaben aber auch die schlussfolgerungen [139] .. 507 508 509 510 Studentin [v] miteinbezogen. da diese diese zum beispiel das hie: : : : : r dass vielleicht in diese [140] .. 511 Studentin [v] aufgabe so (.) viele kollokationen da paraphrasieren wurden (.) bedeutet [141] .. 512 513 514 Dozentin [v] hm hm Studentin [v] blablabla äh wann soll ich ihnen die ganze arbeit schicken? (---) wenn ich [142] .. 515 516 Dozentin [v] ! ALSO: : ! ä: : : hm lassen sie uns mal Studentin [v] das alles korrigiert habe. aber (---) In diesem Gesprächsausschnitt beginnt Emma Diego ihren Redebeitrag mit dem Gliederungssignal „ja“. Nach einer kurzen Pause folgt ein Hinweis auf das Fazit der Arbeit „aber das ist mein fazit“ (E501-504). Direkt danach äußert sie ihre Unsicherheit „ich weiß es nicht“ (E503). Anschließend teilt sie erneut mit „das wäre (2.0) fazit“. Danach versucht sie an einem Beispiel etwas zu erläutern und <?page no="164"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 165 bezieht sich dabei auf eine Aufgabe des empirischen Teils ihrer Masterarbeit (E507-510). Unvermittelt verwendet Emma Diego dann eine Etceteraformel und beendet somit abrupt den Themenbereich und erfragt nach einem Verzögerungssignal den Abgabetermin (E508-513). An einer anderen Stelle erläutert Emma Diego die Aufgaben aus dem empirischen Teil ihrer Arbeit. Allerdings lassen die Verzögerungssignale und Pausen darauf schließen, dass die Ausführungen nicht geplant und durchdacht sind. Wieder begleitet Frau Köhler geduldig die Erzählung mit vielfachen, teils fragenden Hörersignalen und Ratifizierungen wie „sehr interessant“ (E434). [122] .. 428 429 Dozentin [v] hm Studentin [v] prozente bei den drei aufgaben (.) also das sind die drei aufgaben (.) welche [123] 430 431 Studentin [v] kollokationen bei korrekter produktion (.) dann ist bei bilderbeschreibung. (.) [124] 432 433 434 435 436 437 Dozentin [v] ja. sehr interessant. Studentin [v] bei den drei aufgaben. dass man ja ! UND! ! DANN! ä: : : h okay [125] 438 439 440 Studentin [v] dann schreiben dededede und dann (-) habe ich eine leistung der probanden ( Studentin [nv] [126] .. 441442 443 444 445 446 Dozentin [v] hm ja. was unten in Studentin [v] ) (.) das ist eigentlich (.) was ich machen soll. machen will. Während ihrer Ausführungen sucht Emma Diego nach einer bestimmtem Stelle in ihren Unterlagen und begleitet dies mit sprachlichen Äußerungen wie „ja ! UND! ! DANN! ä: : : h okay“ und Lauten wie „dedede“ (E439), die für eine institutionelle Kommunikation unüblich sind. Da die institutionelle Kommunikation präzisere Formulierungen als die Alltagskommunikation erfordert, sollten „Vagheitsausdrücke“ (Schwitalla 2006: 155) und „Etceteraformeln“ insbesondere Äußerungen wie ‚bla bla bla‘ möglichst vermieden werden. Gattungsspezifische Formulierungen Durch die Analyse des Sprachgebrauchs auf dieser Ebene soll festgestellt werden, wie sich das Gattungswissen speziell auf der Formulierungsebene manifestiert. Erfahrene Interagierende zeigen durch Anwendung von gattungsspezi- <?page no="165"?> 166 2 Forschungsdesign und Methodik fischen Formulierungen ihre Vertrautheit mit der Gattung. Diese spezifischen Formulierungen sollen bei der vorliegenden Analyse herausgearbeitet werden. Bei der Analyse auf der Ebene der Binnenstruktur ließ sich die Verwendung von gattungsspezifischen Formulierungen in der Eröffnungs- und Beendigungsphase eindeutig rekonstruieren. Gattungsspezifische Formulierungen wie Ich habe letztes Semester bei Ihnen [die Vorlesung …/ das Seminar …/ die Veranstaltung …] besucht Ich heiße […] und besuche [Ihr Seminar…/ Ihre Veranstaltung …] Ich habe zwei Anliegen, und zwar geht es einmal um … und einmal um … Es geht um die Anerkennung eines Leistungsnachweises Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen konnten aus dem Korpus für die Eröffnungs- und Beendigungsphase gewonnen werden. Die Zusammenstellung von geeigneten Formulierungen für die Kernphase erwies sich jedoch als schwierig. Auf die Gründe dafür wird in Abschnitt 3.2.1.1 vertiefend eingegangen. 2.4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten Sprechstundengespräche und deren für die kommunikative Gattung konstitutiven Besonderheiten aufgezeigt und sofern möglich mit Transkriptionsauszügen belegt wurden, sollen nachfolgend die Analyseergebnisse unter Einbezug der theoretischen Grundlagen des Konzepts der kommunikativen Gattungen und der interkulturellen Kommunikation zusammengefasst werden. Die vorangegangene Analyse hatte die Beschreibung der typischen Ablaufstruktur eines universitären Sprechstundengesprächs an deutschen Hochschulen zum Ziel. Hierfür wurden Sprechstundengespräche zwischen Lehrenden und deutschen Studierenden analysiert. Eine weitere Zielsetzung der Analyse bestand darin, mögliche Schwierigkeiten zu skizzieren, die in einem Gespräch zwischen Studierenden und Lehrenden im internationalen Kontext auftreten können, wenn die Studierenden nicht über das erforderliche institutionenbzw. kulturspezifische Handlungswissen verfügen. Zu diesem Zweck wurden Gespräche zwischen internationalen Studierenden und Lehrenden anhand ausgewählter Beispiele analysiert und mit Sprechstundengesprächen mit deutschen Studierenden verglichen. Vergleichsbasis für die kommunikative Gattung ‚Sprechstundengespräch‘ waren typische Handlungen und Handlungsabfolgen. Der Fokus der Analyse lag auf der Ebene der Zwischenstruktur und der Binnenstruktur. Hierbei standen die sequenzielle Struktur sowie inhaltlich-themati- <?page no="166"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 167 sche Verfestigungen im Vordergrund. Der sequenziellen Analyse der Gespräche folgten dann die Untersuchung von Gesprächsorganisation und Sprecherwechsel ( turn-taking ) sowie der Sprech- und Hörersignale und auf der Ebene der Binnenstruktur die Verwendung von gattungsspezifischen Formulierungen. Bei der exemplarischen Analyse der ausgewählten Gespräche bleibt festzuhalten: Hochschullehrende scheinen ihr sprachliches Handeln an gewissen Ablaufplänen, die das Gespräch in thematischer Hinsicht strukturieren, zu orientieren. Dies gestaltet sich dann als problematisch, wenn die internationalen Studierenden, wie die Transkriptauszüge beispielhaft belegen, von dem Plan abweichen. Insgesamt konnten bei internationalen Studierenden in den ausgewählten Beispielen Defizite beim Musterwissen festgestellt werden (vgl. Ausführungen in Abschnitt 1.4.2). Sie verfügten über ein eingeschränkteres Repertoire an gattungsspezifischen Formulierungen und waren insgesamt mit dem typischen Handlungsablauf eines universitären Sprechstundengesprächs an einer deutschen Hochschule nicht vertraut. Auch wenn die Agierenden vielfältigen individuellen und institutionellen Prägungen unterliegen, so lassen sich doch einige zentrale Aspekte aufzeigen, die eine Orientierung an unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Kommunikationsnormen mit sich bringt. ▶ Kommunikationsschwierigkeiten in einem interkulturellen Kontext haben häufig ihren Ursprung in den Unterschieden der jeweils kulturspezifischen Normen des Kommunizierens. Dieser Faktor wird allerdings sowohl von Lehrenden als auch von Studierenden immer wieder übersehen oder ihm wird nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. Hiller 2014: 233). Internationale Studierende konzentrieren sich vorrangig auf den inhaltlichen Aspekt der Kommunikation und vernachlässigen dabei nicht selten die grundlegenden Kommunikationsnormen, falls ihnen diese überhaupt bekannt sind. Die Lehrenden versäumen anzuerkennen, dass internationale Studierende nicht automatisch wie die deutschen „dieselben sozialen Routinen und Erwartungen, Handlungspraxen und Einstellungen, Werte und Lebensentwürfe mitbringen.“ (Moosmüller 2013: 90) ▶ Deutlich wird ebenfalls, dass internationalen Studierenden auch das spezifische Handlungswissen auf mehreren Ebenen fehlt. Nach Casper-Hehne (2004: 62) umfasst das notwendige Wissen für eine situationsangemessene Verwendung und sprachliche Realisierung von kommunikativen Gattungen drei Aspekte: ▷ Handlungsaspekt: Dies bedeutet, dass internationale Studierende Wissen über die „spezifischen Handlungsstrukturen“ benötigen. Welche Anliegen können im Rahmen einer Sprechstunde geäußert werden? Was ist der ty- <?page no="167"?> 168 2 Forschungsdesign und Methodik pische Ablauf eines Sprechstundengesprächs? Welche sprachlichen Handlungen sind bei Sprechstundengesprächen typisch? ▷ Beziehungsaspekt: Darunter ist die „Gestaltung der affektiven Beziehungen zwischen Individuen“ zu verstehen. Wie sind die hierarchischen Strukturen? Wie verhalte ich mich beispielsweise im Gespräch mit ranghöheren Lehrenden? Welche Rollenverständnisse liegen einem Sprechstundengespräch zugrunde? Wie werden diese Beziehungen sprachlich realisiert? ▷ Propositionaler Aspekt: Damit ist der thematische Aufbau von Gesprächen gemeint. Wie ist ein Sprechstundengespräch in dieser Hinsicht aufgebaut? Welche Makrostrukturen weist es auf ? Casper-Hehne (2004: 62) betont, dass „alle drei genannten Aspekte […] immer in Bezug zu ihrer sprachlichen Realisierung gesehen werden [müssen].“ Bei der Analyse der Sprechstundengespräche in der vorliegenden Arbeit konnten Wissenslücken hinsichtlich aller drei Aspekte festgestellt werden. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit bestand nicht nur darin, die konstitutiven Gattungsmerkmale universitärer Sprechstundengespräche zu erarbeiten und auf potentielle Problemstellen, die interkulturellen Sprechstundengesprächen zugrunde liegen können, einzugehen, sondern im Sinne der angewandten Gesprächsforschung (vgl. Fiehler 2001) war das übergeordnete Ziel, anhand eines Angebots systematisch zu Verbesserungen dieser spezifischen kommunikativen Praxis beizutragen. Daher sollten die aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse sowie die Einsichten aus der theoretischen Herleitung in einem nächsten Schritt in die Entwicklung eines Online -Förderangebots mit dem Ziel einfließen, internationalen Studierenden Handlungswissen bezüglich aller drei dargestellten Aspekte zu vermitteln. <?page no="168"?> 2.4 Analysemethoden und Analyseprozess 169 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch UniComm- Deutsch entstand im Rahmen des Projekts Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium 9 (MuMiS-Projekt). Das Ziel dieses von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekts war die „Entwicklung und Erprobung konkreter Maßnahmen zur Bewältigung der mit Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium verbundenen sprach- und kulturbedingten Probleme.“ (Knapp 2012: 17) Abbildung 1: Screenshot von der Startseite des MuMiS-Projekts Das Gesamtprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Annelie Knapp gliederte sich in drei Teilprojekte an unterschiedlichen Universitäten: Teilprojekt A: Sprachkompetenz in internationalen Studiengängen mit Englisch als Lingua Franca (unter Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Juliane House, Universität Hamburg). 9 www.mumis-projekt.de <?page no="169"?> 170 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Teilprojekt B: Maßnahmen zur Verbesserung der Fremdsprachenkompetenz von Studierenden im Hinblick auf Anforderungen des Studiums (unter Leitung von Prof. Dr. Annelie Knapp, Universität Siegen, und Prof. Dr. Karin Aguado, Universität Kassel). Teilprojekt C: Maßnahmen zur Verbesserung der Integration internationaler Studierender und zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenz internationaler und deutscher Studierender (unter Leitung von Prof. Dr. Adelheid Schumann, Universität Siegen) (Knapp 2012: 17). Die Forschungsergebnisse aller Teilprojekte stehen online unter www.mumis-projekt.de zur Verfügung. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Teilprojekt B, das die Entwicklung eines Online -Förderangebots ( Uni- Comm- Deutsch) für internationale Studierende zur Verbesserung ihrer studiumsbezogenen Deutschkompetenz zum Gegenstand hatte. In diesem Kapitel wird die inhaltliche und formale Gestaltung des Online -Angebots dokumentiert. Zunächst werden die Zielsetzung und der Aufbau von UniComm -Deutsch expliziert (Abschnitt 3.1.), anschließend werden die Entwicklungsphasen des Angebots beschrieben. Hierbei werden die einzelnen Arbeitsschritte nachgezeichnet und die Ergebnisse anhand von Screenshots illustriert (Abschnitt 3.2). Es folgt die Erläuterung der inhaltlichen Umsetzung und der technischen Realisierung von Unicomm -Deutsch (Abschnitt 3.3). 3.1 Zielsetzung, Aufbau und Entwicklungsphasen von UniComm-Deutsch Das übergeordnete Ziel von UniComm -Deutsch ist die Förderung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit internationaler Studierender (vgl. Abschnitt 1.5.4.3). Eine zentrale Annahme hierbei ist, dass ein differenzierter Vorrat an vorgefertigten Formulierungen einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Bewältigung von kommunikativen Aufgaben leisten kann. Vor diesem Hintergrund soll ein Angebot an Formulierungen für die Bewältigung kommunikativer Aufgaben aufgebaut werden. Im Rahmen des Vorlaufprojekts Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium 10 (MuMiS 1) ging es unter anderem um die Frage, welche Kommunikationssituationen von internationalen Studierenden als problematisch emp- 10 Das Vorlaufprojekt Mehrsprachlichkeit und Multikulturalität im Studium wurde in den Jahren 2005-2006 an den Universitäten Siegen und Hamburg im Rahmen des Programms „Geisteswissenschaften gestalten Zukunftsperspektiven“ durchgeführt und vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert (vgl. Schumann 2008: 24). <?page no="170"?> 3.1 Zielsetzung, Aufbau und Entwicklungsphasen von UniComm-Deutsch 171 funden werden und eventuell zu interkulturellen Missverständnissen führen (vgl. Schumann 2008: 36). Dazu sind insgesamt 1.205 internationale Studierende an der Universität Siegen im WS 2005/ 06 mittels eines Fragebogens befragt worden. Den Ergebnissen zufolge bereiteten den internationalen Studierenden Kommunikationsformen die größten Schwierigkeiten, die eine aktive mündliche Beteiligung erfordern, wie ‚Diskussionen in Lehrveranstaltungen‘, ‚Referate‘ und ‚das Gespräch mit Lehrenden‘ (vgl. ebd.). Aufbauend auf diesen Ergebnissen umfasste UniComm -Deutsch zunächst die Kommunikationsbereiche „Beteiligung an Lehrveranstaltungen“, „Mündliche Präsentationen“ und „Sprechstundengespräche“. In einer späteren Phase wurde aus folgenden Gründen auch die E-Mail-Kommunikation einbezogen. Diese Kommunikationsform gehört mittlerweile zur alltäglichen Hochschulkommunikation. Sie fungiert in der Hochschulkommunikation beispielsweise unter anderem als Vorbzw. Nachbereitung von Sprechstundengesprächen. So sollen vor Sprechstunden häufig Texte wie Gliederungen oder Exposés geschickt oder bei Absprachen von Prüfungsthemen Thesenpapiere o. Ä. eingereicht werden. E-Mails beinhalten oft eine Reihe von typischen Merkmalen mündlicher Kommunikation wie geringe Variation in der Wortwahl, einfache Hauptsatzreihen, Korrektursignale und Nachträge (vgl. Pansegrau 1997: 101). Beispielsweise werden bei E-Mails Anreden aus der gesprochenen Sprache wie ‚Guten Tag’ und ‚Hallo’ immer häufiger als Grußformeln verwendet. E-Mail-Kommunikation unterscheidet sich somit als ‚konzeptionell mündliche‘ Mitteilungsform von anderen schriftlichen Kommunikationsformen in der Hochschule wie Haus- und Abschlussarbeiten oder Klausuren. Der Begriff ‚konzeptionelle Mündlichkeit‘ bezieht sich auf das von Koch und Österreicher (1985) vorgestellte Modell. Nach diesem Modell wird zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit hinsichtlich des Mediums und der Konzeption unterschieden. Das ‚Medium‘ bezieht sich auf die Realisierungsform einer sprachlichen Äußerung, die entweder mündlich oder schriftlich sein kann. Die ‚Konzeption‘ beschreibt die Modalität der Äußerungen und wird durch ein Kontinuum repräsentiert (vgl. Koch und Oesterreicher 1985: 17). Die beiden Endpunkte dieses Kontinuums beschreiben die Autoren durch die Begriffe ‚Nähe‘ versus ‚Distanz‘, wobei die Gesamtheit von Faktoren wie Dialogizität, Situationsnähe oder geringe Planung Einfluss auf die Ansiedlung einer konkreten sprachlichen Äußerung auf diesem Kontinuum ausüben (ebd.: 29 ff.). E-Mail-Kommunikation steht demnach der konzeptionellen Mündlichkeit näher, obwohl sie medial schriftlich realisiert wird (vgl. Pansegrau 1997: 99). Pansegrau (ebd.: 100) konstatiert: „Das Internet scheint eine gewisse kommunikative Nähe zwischen den Kommunikationspartnern zu suggerieren, die sich dann in der Wahl der sprachlichen Mittel ausdrückt.“ <?page no="171"?> 172 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Von den genannten Kommunikationsbereichen widmet sich die vorliegende Arbeit den ‚Sprechstundengesprächen‘, die im Vergleich zu den anderen bislang weniger erforscht sind, weshalb es dazu auch weniger Unterstützung und Angebote gibt, auf die internationale Studierende zugreifen könnten (siehe Abschnitt 1.6.1). 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch Der Entwicklungsprozess von UniComm- Deutsch verlief nicht linear, sondern war vielmehr durch vielfältige Rückkoppelungen zwischen den Beobachtungen aus der Praxis und anwendungsorientierten Forschung gekennzeichnet. So ist das Angebot bereits während seiner Entwicklung im Rahmen mehrerer Workshops mit internationalen Studierenden erprobt und evaluiert worden. Die Ergebnisse dieser Evaluationen sind in die kontinuierliche Optimierung des Angebots eingeflossen. 3.2.1 Erste Entwicklungsphase (September 2008 - Juni 2009) In der ersten Entwicklungsphase bestand die Hauptaufgabe darin, typische Sprechhandlungen und deren gattungsspezifische sprachliche Realisierungsformen in universitären Sprechstundengesprächen herauszuarbeiten. Im Folgenden wird der Prozess der ersten Entwicklungsphase beschrieben. 3.2.1.1 Sammlung von Formulierungen Basierend auf der Annahme, dass sich gattungsspezifische Formulierungen auf der Grundlage der aufgenommen authentischen Sprechstundengespräche im vorgestellten Korpus (vgl. Abschnitt 2.4.2.2) sammeln ließen, wurden die Daten auf diese typischen Formulierungen hin untersucht. Allerdings erwies sich die Zusammenstellung korpusbasierter Formulierungen als schwierig. In der folgenden Aufstellung werden zunächst die Herausforderungen aufgezeigt, die mit der Gewinnung solcher Formulierungen aus dem Korpus einhergingen. ▶ Sprechstundengespräche sind beeinflusst durch die individuellen Prägungen der Beteiligten, weshalb es teilweise gravierende Unterschiede zwischen Sprechstundengesprächen sogar in ein und demselben Fachbereich geben kann. ▶ Sprachliche Beiträge in einem Sprechstundengespräch sind in hohem Maße situationsgebunden. Nicht jede Formulierung kann in jedem beliebigen Kontext angewendet werden. Nur unter Berücksichtigung der Gesprächssituation kann bestimmt werden, welche Formulierung angemessen ist. <?page no="172"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 173 ▶ Die meisten Studierenden nehmen nur selten eine aktive kommunikative Rolle im universitären Sprechstundengespräch ein, was häufig zu reduzierten Redeanteilen der Studierenden führt (vgl. Boettcher/ Meer 2000). Darüber hinaus bereiten sie sich auf eine Sprechstunde nicht systematisch vor und formulieren ihr Anliegen oft ad hoc. Die obengenannten Tatsachen erschweren eine korpusbasierte Ableitung von gattungsspezifischen Formulierungen. Wie stark der Grad der Bekanntheit, Charaktermerkmale, individuelle Verhaltensweisen das Gesprächsverhalten der Interagierenden beeinflussen können, soll im Folgenden anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Es handelt sich um das Gespräch Nr. 10 zwischen Herrn Prof. Dr. Goebel und der Studierenden Lisa Kaufmann, die Rahmenbedingungen sind in Abschnitt 2.4.2.7.2 dargestellt worden. Die Studierende möchte mit dem Professor ihr Klausurthema festlegen. [24] 54 [02: 45.4] 55 [02: 46.0] 56 [02: 46.9] Dozent [v] ja (.) ja (.) genau. Studentin [v] genau (.) für die klauSur und ähm jetzt hab ich mir als [25] .. Studentin [v] ! ALTERNATIVE: : : ! (---) überlegt (-) ähm (.) ich fand äh (.) geschlecht und [26] .. 57 [02: 55.8] 58 [02: 56.2] Dozent [v] =ja. Studentin [v] dialekt das fand ich sehr interessant; = das hab ich in der ( ) das [27] .. 59 [02: 58.3] 60 [02: 58.7] Dozent [v] hm Studentin [v] kapitel gelesen. (.) auch so mit sozialem geschlecht (.) biologischem [28] .. Studentin [v] geschlecht und so was ähm (-) und oder dialekt und alter also das hängt ja [29] .. 61 [03: 06.3] 62 [03: 07.3] 63 [03: 07.9] 64 [03: 09.8] Dozent [v] dialekt und alter hm ja (.) genau (--) hm Studentin [v] auch zusammen. (.) hm hm (-) ich [30] .. 65 [03: 11.7] 66 [03: 12.3] Dozent [v] ja. (.) Studentin [v] (warte so) auf ihre entscheidung. ((lacht)) geschlecht oder alter? (-) <?page no="173"?> 174 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch [31] .. 67 [03: 13.5] 68 [03: 16.8] 69 [03: 17.5] 70 [03: 18.0]71 [03: 18.2]72 [03: 18.6] Dozent [v] ja ä: h (2.5) geschlecht? (.) gut. nehmen wir Studentin [v] oder beides? dann geschlecht geschle cht [32] .. 73 [03: 19.2] Dozent [v] geschlecht. = Studentin [v] =nehmen wir geschlecht (-) gut ähm (--) ich habe noch nichts [33] .. 74 [03: 23.2]75 [03: 23.9] Dozent [v] hm Studentin [v] von meiner arbeit gehört. (-) eine woche haben sie noch (.) dann fang [34] .. Studentin [v] ich an (-) nervig zu werden hehe sind die sechs wochen um hehe (---) und [35] .. Studentin [v] dann werd ich werd ich mich dann bei ihnen melden (.) wenn ich den (--) weil [36] .. 76 [03: 34.7] 77 [03: 34.9] 78 [03: 36.1] Dozent [v] ja. (.) richtig. (---) Studentin [v] früher darf ich ja nicht. (-) bevor das gutachten vorliegt. (-) Die Studierende hatte ein Thema vorgeschlagen, das aus Sicht des Professors nicht für ein Klausurthema geeignet ist. Der Gesprächsausschnitt beginnt mit der Vorstellung des neuen Themenbereichs (E56-61), wobei die Studierende eine Stellungnahme des Dozenten zu ihrem vorgeschlagenen Thema erwartet. Der Professor wiederholt zunächst die vorgeschlagene Themenkombination „dialekt und alter“, (E61) dem die Diskurspartikel „hm“ folgt, welche von der Studentin überlappend ratifiziert wird (E62). Sein nächster Redebeitrag „ja (.) genau (--) hm“ (E63) deutet auf seinen Nachdenkprozess hin. Die Studentin reagiert jedoch ungeduldig und fordert explizit eine Stellungnahme ein: „hm (-) ich (warte so) auf ihre entscheidung. ((lacht))“ (E64). Sie versieht ihren Redebeitrag am Ende mit einem Lachen. Das angehängte Lachen kann hier in seiner Funktion als Modalitätswechsel und Abschwächung interpretiert werden (vgl. Kienzle 1996). Der Professor reagiert auf diese Äußerung nur mit einem Rezeptionssignal (E65). Da die Stellungnahme ausbleibt, wiederholt die Studentin ihre Frage nachdrücklich: „geschlecht oder alter? (-) oder“ (E66). Während der Professor mit einem langgezogenen Verzögerungssignal und einer Pause von 2,5 Sekunden Zeit zur Vorbereitung einer Stellungnahme gewinnt, erlaubt sich die Studentin eine vorgreifende Entscheidung (E68). Der Professor akzeptiert ihren Themenvorschlag, womit das Klausurthema festgelegt wird. Nachdem <?page no="174"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 175 das Klausurthema festgelegt ist, möchte die Studentin als nächstes erfahren, ob die von ihr eingereichte Hausarbeit vom Professor bereits gelesen worden ist. Auch dieses Anliegen wird von ihr auffällig vorgebracht. Zunächst teilt sie dem Professor mit: „gut ähm (--) ich habe noch nichts von meiner arbeit gehört. (-)“ (E73). Der Professor produziert daraufhin ein Rezeptionssignal (E74). Die Studentin greift auch hier wieder zu einer für eine universitäre Sprechstunde eher untypischen Bemerkung: „eine woche haben sie noch (.) dann fang ich an (-) nervig zu werden hehe sind die sechs wochen um hehe (---)“ (E75) Auch hier schwächt sie ihre Aussagen mit Lachen ab. Diese Gesprächssequenz zwischen Herrn Goebel und Frau Kaufmann weist eine deutliche Individualität auf und verweist auf den situationsspezifischen Charakter von Sprechstunden. Das Beispiel verdeutlicht auch, warum muttersprachliche Diskurse, also Sprechstundengespräche mit deutschen Studierenden nicht zwangsläufig als Vorbild und Lieferant von gattungsspezifischen Formulierungen dienen können. Auf die Schwierigkeit einer korpusbasierten Gewinnung von gattungsspezifischen Formulierungen haben bereits Handwerker und Madlener (2009: 14) bei ihrem Versuch ein Chunk -Angebot zu erstellen hingewiesen: „Lieferanten für das Chunk -Angebot können nicht allein Korpora sein, auch wenn sie […] eine notwendige Basis bilden.“ Die Faktorenvielfalt (dialogische Struktur, hohe Situationsabhängigkeit sowie individuelle Prägung) machte das Erstellen des Förderangebots zu einer anspruchsvollen Aufgabe, da die Grundidee der Entwicklung darin bestand, typische sprachliche Realisierungsmöglichkeiten für die spezifische Kommunikationssituation der universitären Sprechstunde zusammenzustellen. Die rein korpusbasierte Gewinnung von Formulierungen wurde als nicht zielführend verworfen. Eine Möglichkeit, dem Problem der Gewinnung von gattungsspezifischen Formulierungen zu begegnen, bestand darin, Expert/ innen zu Rate zu ziehen, wofür im vorliegenden Fall Kolleginnen und Kollegen im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Kassel mit langjähriger Erfahrung in der Durchführung universitärer Sprechstunden gewonnen werden konnten. In einem ersten Schritt wurden sie über die Zielsetzung von UniComm -Deutsch und die damit verbundenen situativen Gegebenheiten informiert. Ferner wurden ihnen verschiedene Sprechstundensituationen mit einer genauen Beschreibung der jeweiligen Situation schriftlich vorgelegt. Es wurde nach Vorschlägen gefragt, wie sie selbst die jeweilige kommunikative Aufgabe lösen und sprachlich realisieren würden. Im Folgenden soll dieses Verfahren am Beispiel der Situation „Bitte um Fristverlängerung“ vorgestellt werden. <?page no="175"?> 176 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Bitte um Fristverlängerung Ihnen ist es aus verschiedenen Gründen nicht gelungen, Ihre Hausarbeit rechtzeitig abzuschließen. Jetzt bleibt Ihnen bis zur Abgabefrist nur noch eine Woche Zeit, und Sie stehen unter großem Zeitdruck. Da Sie keine mittelmäßige Arbeit einreichen wollen, gehen Sie in die Sprechstunde Ihrer Dozentin/ Ihres Dozenten und erklären ihr/ ihm die Gründe, warum Sie die Abgabefrist nicht einhalten können, und Sie möchten sie/ ihn um eine Fristverlängerung bitten. Dieses Vorgehen hat sich als fruchtbar erwiesen und eine sinnvolle, situationsspezifische Gewinnung von Formulierungen ermöglicht. Der Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass auf diese Weise - im Vergleich zu den Formulierungen im o. g. Korpus, bei denen es sich größtenteils um spontane Äußerungen handelt - besonders durchdachte Formulierungen gewonnen werden können. Zur Validierung wurden anschließend die gesammelten Formulierungen in einem Evaluationsprozess durch die Expertinnen und Experten auf ihre pragmatische Korrektheit überprüft, ergänzt und rephrasiert. Dabei wurde das Augenmerk besonders auf die ‚Mustergültigkeit‘ der Formulierungen gerichtet. Die auf diese Weise abschließend gewonnenen kreuzvalidierten Formulierungen zu der oben genannten Situation ‚der Bitte um Fristverlängerung‘ erscheinen in Unicomm -Deutsch wie folgt: <?page no="176"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 177 Anliegen formulieren ▶ Es geht um meine Hausarbeit, die ich nächste Woche bei Ihnen einreichen soll. ▶ Ich hätte eine Bitte. Es geht um den Abgabetermin meiner Hausarbeit. ▶ Ich möchte mich mit einer Bitte an Sie wenden: es geht um die Abgabefrist meiner Hausarbeit. Anliegen einleiten ▶ Ich fürchte, ich schaffe es nicht, die Arbeit rechtzeitig abzugeben. ▶ Ich glaube, dass ich es nicht schaffe, die Arbeit in dieser Woche [abzuschließen]/ [fertigzustellen]. ▶ Ich habe ein Problem. Ich fürchte, dass ich es nicht schaffen werde, meine Abschlussarbeit fristgerecht einzureichen. ▶ Ich schaffe es leider nicht, meine Hausarbeit termingerecht fertigzustellen. ▶ Leider habe ich mich mit der Zeit verschätzt. Ich werde es nicht schaffen, die Arbeit fristgerecht abzugeben. ▶ Leider haben sich bei mir ein paar Probleme ergeben, so dass ich die Arbeit nicht bis nächste Woche einreichen kann. 3.2.1.2 Strukturierung der Formulierungen In einem nächsten Schritt wurden die gewonnenen Formulierungen nach Sprechhandlungen strukturiert. In jeder Sprechstunde finden sich neben spezifischen Formulierungen auch alltägliche sprachliche Handlungen, wie z. B. ‚sich begrüßen‘, ‚sich vorstellen‘, ‚sich bedanken‘, ‚ums Wort bitten‘. Die in der Kontaktschwelle Deutsch (Baldegger/ Müller/ Schneider 1980: 57 ff.) vorgenommene Einteilung der allgemeinen Sprechhandlungen wurde übernommen und den Zwecken der vorliegenden Arbeit mit spezifischen universitätsbezogenen Realisierungen angepasst. So wurde z. B. die Sprechhandlung ‚Fragen stellen‘ aus der Sprechhandlungsliste als Oberkategorie übernommen und um Sprechhandlungen wie ‚Fragen zur Gliederung stellen‘, ‚Fragen zur Anerkennung von zuvor erbrachten Leistungen‘, ‚Fragen zu Prüfungsvoraussetzungen‘ ergänzt. Auf diese Weise ergab sich eine Liste mit 45 Sprechhandlungen und 291 zugeordneten sprachlichen Konkretisierungen (vgl. Anhang 1). Zu jeder Sprechhandlung wurden mehrere Formulierungen in unterschiedlicher Komplexität angeboten. <?page no="177"?> 178 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 3.2.2 Erste Erprobung (Sommersemester 2009) Um erste Erkenntnisse über die Nutzung von UniComm -Deutsch durch Studierende zu gewinnen, wurde das Angebot im Rahmen eines Workshops zur mündlichen Hochschulkommunikation am Beispiel von mündlichen Präsentationen und Sprechstundengesprächen in einer Gruppe mit neun internationalen Studierenden an der Universität Kassel erprobt. Mit diesen Workshops sollte eine möglichst frühzeitige Einbeziehung der Zielgruppe und deren Perspektive in den Entwicklungsprozess gewährleistet werden. Der Workshop gliederte sich in drei aufeinanderfolgende Phasen: Phase 1: Eine allgemeine Einführung über die Musterhaftigkeit des Sprachgebrauchs sowie eine kurze Übersicht über die Rolle vorgefertigter Formulierungen bei mündlichen Präsentationen und universitären Sprechstundengesprächen. Phase 2: Eine detaillierte Darstellung des Angebots an gattungsspezifischen Formulierungen. Phase 3: Exemplarische Anwendung der angebotenen Formulierungen in kurzen simulierten hochschultypischen Kommunikationssituationen. Für eine erste Einschätzung des Angebots wurde zum einen auf das beobachtete Verhalten der Studierenden während des Workshops und zum anderen auf die Auswertung eines Fragebogens (s. Anhang 2) zurückgegriffen. Die kleine Gruppengröße ermöglichte eine genaue Beobachtung der Auseinandersetzung mit dem Angebot und einen Einblick in mögliche Problembereiche. Der Fragebogen beinhaltete zwei Items zur Bewertung des Workshops und fünf zur Einschätzung des Angebots an Formulierungen. Alle Items waren von den Studierenden auf einer vierstufigen Likert-Skala zu bewerten von (1) „trifft vollkommen zu“ bis (4) „trifft überhaupt nicht zu“. Die allgemeine Beurteilung des Workshops fiel durchaus positiv aus. Die Nützlichkeit des Angebots wurde über die Zustimmung zur Aussage „Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Referats oder eines Sprechstundengesprächs hilfreich.“ erhoben. Fünf Studierende fanden die Aussage „vollkommend zutreffend“ und haben angegeben, dadurch viele Anregungen zur Vorbereitung eines Referats oder eines Sprechstundengesprächs erhalten zu haben. Vier weitere Studierende bewerteten sie mit „trifft eher zu“. <?page no="178"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 179 Das Interesse am selbständigen Sammeln weiterer Formulierungen wurde mittels der Aussage „Ich werde selbst weitere Chunks 11 sammeln.“ erhoben. Fünf Studierende konnten sich kaum vorstellen, selbstständig weitere Chunks zu sammeln und wählten die Aussage „trifft eher nicht zu“, vier Studierende bewerten sie als „trifft eher zu“. Um herauszufinden, ob das Angebot aus Sicht der Studierenden gut strukturiert war, sollten die Studierenden sich zu der Vorgabe „Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert.“ äußern. Die Mehrheit (sechs Studierende) sah hier mit der Bewertung „trifft eher nicht zu“ noch Optimierungspotenzial, drei Studierende haben der Aussage mit „trifft eher zu“ schwach zugestimmt. Die Anwendung der angebotenen Formulierungen wurde mittels der Aussage „Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.“ erhoben. Fünf Studierende bewerteten sie als eher unzutreffend, während ihr vier Studierende mit „trifft eher zu“ schwach zustimmten. Schließlich hat die Mehrzahl der Studierenden (sieben Studierende) angegeben, „künftig bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs auf das Angebot zurückzugreifen“. Den Ergebnissen der Befragung zufolge sind der Workshop und das Angebot insgesamt auf eine positive Resonanz gestoßen, wobei insbesondere hinsichtlich der Struktur des Angebots und der Anwendungsmöglichkeiten Verbesserungsbedarf gesehen wurde. Die vollständige Auswertung des Fragebogens befindet sich im Anhang 3. Über die Befragung hinaus lieferten eigene Beobachtungen der Verfasserin der vorliegenden Arbeit während des Workshops Aufschluss zum Nutzerverhalten. Ein Vergleich zwischen dem Verhalten der Studierenden und ihrem Umgang mit Formulierungen aus dem Kommunikationsbereich „mündliche Präsentationen“ und „Sprechstundengespräche“ erbrachten interessante Erkenntnisse. Es hat sich gezeigt, dass die relativ strikten Vorgaben zum Aufbau einer mündlichen Präsentation den Umgang mit den zur Verfügung gestellten gattungsspezifischen Formulierungen erheblich erleichtern. Bemerkenswert war hierbei die Überzeugung der Studierenden, dass diesen Formulierungen für das Gelingen einer mündlichen Präsentation eine entscheidende Rolle zukommt. Dementsprechend groß war ihr Interesse am Erwerb solcher Formulierungen. Diese positive Haltung kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen werden mündliche Präsentationen, anders als Sprechstundengespräche, in der Regel bewertet. Der damit verbundene Leistungsdruck erhöht die Motivation 11 In der Anfangsphase ist für die Bezeichnung der angebotenen Formulierungen der Begriff Chunk verwandt, weshalb dieser Begriff auch in diesem Fragebogen auftaucht. Im späteren Verlauf der Arbeit und mit dem Fokus auf das universitäre Sprechstundengespräch als kommunikative Gattung ist dann der Begriff „gattungsspezifische Formulierungen“ in Anlehnung an Imo (2007) verwendet worden (vgl. Abschnitt 1.3.2). <?page no="179"?> 180 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch zum Erlernen und Anwenden solcher Formulierungen. Auch lassen sich monologische Diskurse besser planen und vorbereiten als Interaktionen. Die Anwendung der Formulierungen und ihre Integration in den eigenen Sprachgebrauch stellte dennoch eine Herausforderung für die Studierenden dar, indem sie beispielsweise sowohl bei den Präsentationen als auch bei den Sprechstundengesprächen dazu tendierten, elaborierte Formulierungen über ihrem eigentlichen Sprachniveau zu verwenden. Eine weitere Beobachtung war, dass einige internationale Studierende typische gattungsspezifische Formulierungen aus der ihnen im Workshop vorgelegten Tabelle besonders im Bereich Sprechstunden (s. Anhang 1) als ‚gestellt‘ und ‚nicht gewohnt‘ empfunden haben. Beispielsweise wirkte die Formulierung „ich habe zwei Anliegen, und zwar geht es einmal um … und einmal um …“ am Anfang einer Sprechstunde auf sie sehr unnatürlich und unpassend. Diese Einschätzung der Studierenden lässt sich vermutlich einerseits auf kulturspezifische Kommunikationsnormen und andererseits eventuell auf die isolierte Darstellungsform in Tabellen zurückführen. Diese beiden Aspekte werden nachfolgend näher beleuchtet. 3.2.2.1 Die kulturelle Bedingtheit sprachlicher Äußerungen Kulturspezifische Kommunikationsnormen können ein Grund dafür sein, dass die angebotenen gattungsspezifischen Formulierungen auf internationale Studierende befremdlich gewirkt haben. Unterschiedliche Kulturen zeichnen sich durch teilweise unterschiedliche Muster zur Lösung ihrer kommunikativen Aufgaben aus. Muster, die in der einen Kultur auf bestimmte Weise realisiert werden, können in einer anderen Kultur gänzlich fehlen oder aber divergent aktualisiert werden. Das Repertoire kommunikativer Gattungen variiert also von Kultur zu Kultur. (Günthner/ König, 2016: 177) Internationale Studierende aus eher beziehungsorientierten Kulturen, in denen emotionales Wohlbefinden in jeder Kommunikation eine entscheidende Rolle spielt, fühlen sich von sachorientierter Kommunikation irritiert. Sie gehen von ihrem eigenen Kulturwissen aus und empfinden den mit der angegebenen Formulierung verbundenen sachlichen Kommunikationsstil eventuell als unfreundlich und nicht gewohnt. Diese Annahme soll anhand des Beispiels aus der Eröffnung eines Sprechstundengesprächs verdeutlicht werden. Die Eröffnungsphase eines Sprechstundengesprächs zeichnet sich in beziehungsorientierten Kulturen durch die Verwendung mehrerer Höflichkeitsfloskeln aus. Beispielsweise wird im Iran ein Sprechstundengespräch mit einer Floskel eröffnet, die wörtlich ins Deutsche übersetzt „Seien Sie nicht müde“ lautet. Mit ihr wird die Wertschätzung gegenüber den vielfältigen Aufgabenbereichen <?page no="180"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 181 der Lehrenden zum Ausdruck gebracht. Sie bedeutet etwa „Ich hoffe, Sie sind nicht erschöpft durch die viele Arbeit“. In China gehört die Floskel „Haben Sie gut gegessen? “ zur Eröffnungsphase eines offiziellen Gesprächs, sich nach dem Befinden der Lehrenden zu erkundigen, ist ebenfalls üblich (vgl. Günthner 1993: 1). So ungewöhnlich wie Formulierungen wie „Seien Sie nicht müde“ auf Deutsche wirken, wirken die sachorientierten Einleitungen auf einige internationale Studierende seltsam. Schumann (2008: 46) weist darauf hin, dass die Sachorientierung der Deutschen von internationalen Studierenden als ein „Mangel an Warmherzigkeit und Ausdruck von Gefühlen“ interpretiert wird. Es ist somit nachvollziehbar, dass internationale Studierende aus beziehungsorientierten Kulturen es merkwürdig, distanziert und ungewohnt finden, wenn sie dazu aufgefordert werden, nach einer knappen Begrüßung direkt ihr Anliegen auf eine Formulierung wie „Ich habe zwei Anliegen, und zwar geht es einmal um … und einmal um …“ zu reduzieren. Es müsste ihnen daher zunächst das Wissen um zugrunde liegende kulturell konnotierte Kommunikationsnormen vermittelt werden, das zu einer solchen Ausformung der Eröffnungsphase in Sprechstunden an deutschen Universitäten führt. Lösungsansätze dazu werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels formuliert. 3.2.2.2 Problematik der Darstellung von Formulierungen In Kapitel 1.1 wurde die Kontextgebundenheit menschlicher Kommunikation ausführlich dargelegt. Hierauf weisen etwa auch Sacks, Schegloff und Jefferson (1974: 699) hin: “First of all, a problem for research on actual conversation is that actual conversation is always ‘situated’, always comes out of, and is part of some real sets of circumstances of its participants.” Dieses Merkmal von Kommunikation macht die Erstellung eines Angebots sowie dessen Vermittlung und eine erfolgreiche zukünftige Anwendung in realen Sprechstundensituationen zu einer besonderen Herausforderung. Die Kernidee war, die Studierenden mit einem Angebot an gattungsspezifischen Formulierungen mit einer Vielfalt typischer sprachlicher Realisierungen für eine bestimmte Gattung zu versorgen. Zu diesem Zweck werden Formulierungen aus ähnlichen Gesprächssituationen unter einem Stichwort aufgelistet. Allerdings sind derartige Angebote in der praktischen Anwendung mit Schwierigkeiten verbunden. Sie stellen in der Regel eine Art ‚Lernen auf Vorrat‘ dar, die nicht sämtliche denkbaren situativen Äußerungswünsche jedes einzelnen Lernenden berücksichtigen können. Darüber hinaus werden die ausgewählten Formulierungen oft aus praktischen Gründen ‚steril‘ in einer Liste dargestellt und nicht (chrono)logischen abgebildet, was einem natürlichen Interaktionsablauf widerspricht. In der gesprochenen Sprache knüpfen die meisten Gesprächsbeiträge inhaltlich an den Gesamtkontext an und jede Äußerung wird durch spe- <?page no="181"?> 182 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch zifische sprachliche und nicht-sprachliche Mittel (z. B. Partikeln, Konnektoren bzw. Mimik, Gestik etc.) mit vorangehenden und nachfolgenden Äußerungen verflochten. Eine bloße Aneinanderreihung von Formulierungen vernachlässigt diese Kontextgebundenheit sowie die verbindenden Elemente, was Lernenden letztlich das Verstehen, die Aufnahme und die Verwendung der Formulierungen erschwert. All dies erklärt, warum reine Zusammenstellungen von Formulierungen häufig nicht zum erhofften Erfolg führen. Ein alltägliches Beispiel sind die zahlreichen Reiseführer, die mittels vorgefertigter Formulierungen eine funktionierende Kommunikation im Zielsprachenland suggerieren. Touristen vermögen trotz dieses Angebots nur selten, ihre Bedürfnisse sprachlich angemessen zu realisieren. Das Dilemma ist, dass die angebotenen Formulierungen zwei Merkmale in sich vereinen müssen, die im Grunde nicht vereinbar sind oder sich sogar gegenseitig ausschließen: Sie sollen einerseits „ context free “ in einem Angebot dargestellt werden. Anderseits sollen sie auf konkrete Situationen, in denen sie angewendet werden, zugeschnitten sein, also „ context sensitive “ (vgl. Hausendorf 2004: 20). 3.2.2.3 Problematik der Anwendung Eine weitere Beobachtung aus der Erprobung war, dass einige internationale Studierende Schwierigkeiten hatten, die angebotenen Formulierungen in ihren Sprachgebrauch zu integrieren. Auf diese Problematik wird in der Fachliteratur oft hingewiesen. Diesbezüglich schreibt Wray (2000: 468): “There is general consensus that formulaic sequences are extremely difficult for the L2 learner to master.” Handwerker und Madlener (2009: 6) konstatieren, dass erwachsene L2-Lernende von Natur aus eher „Word-Watcher […] als Chunk -Sammler" sind, indem sie stärker auf einzelne Wörter fokussieren und dabei in der Regel einen Großteil der weiteren verfügbaren Inputinformationen vernachlässigen (vgl. Madlener/ Behrens 2015: 16). Erwachsene L2-Lernende richten auch bei der Rezeption von zielsprachlichen Äußerungen häufig ihre Aufmerksamkeit eher auf den Inhalt (vgl. Aguado 2015: 7). Dies kann dazu führen, dass sie „ihre Aufmerksamkeit ‚abschalten‘ und die sprachliche Form ignorieren, sobald sie glauben, eine Äußerung inhaltlich verstanden zu haben und zu wissen, worum es geht.“ (ebd.) In Anbetracht der erforderten Genauigkeit bei der Wahrnehmung und anschließenden Anwendung komplexer Sequenzen oder Formulierungen ist eine solche Herangehensweise allerdings ungünstig und fördert Schwierigkeiten und Fehler bei der anschließenden eigenen Verwendung komplexerer Formulierungen (vgl. ebd.). <?page no="182"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 183 Für die Wahrnehmung und Aufnahme von gattungsspezifischen Formulierungen spielt unter anderem der Grad der Aufmerksamkeit, die Motivation, das Vorwissen und der Grad an Interaktivität der aktuellen Situation eine wichtige Rolle (vgl. Madlener/ Behrens 2015). Es besteht mittlerweile Konsens darüber, dass erwachsene L2-Lernende einen „steuernden Eingriff mit expliziter Unterweisung im Umgang mit dem Vorgefertigten [benötigen]“. (Handwerker und Madlener 2009: 12) Der erste Schritt dazu besteht in der Festlegung der Adressatengruppe, des Lernziels und der sorgfältigen Auswahl der anzubietenden Formulierungen: […] those choices will vary according to whom we are addressing, why, and in what communicative context. Part of the mastery of genre is fine-tuning the selection of formulations, either to be directly more effective (e.g. using shorter sentences in one genre than another) or else to be perceived as appropriate according to culture and custom. (Wray 2009: 10) Festzuhalten bleibt, dass ein Angebot an gattungsspezifischen Formulierungen erst dann einen Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation leisten kann, wenn die Lernenden in mehreren Schritten sinnvolle Unterstützung erhalten und zudem in der Anwendung von Formulierungen geschult werden. Daher bestand der nächste Schritt in der Erarbeitung zielorientierter Lösungsmöglichkeiten für diese erkannten Anforderungen an das Angebot. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Erprobungsphase sollten in die nächste Entwicklungsphase einfließen. 3.2.3 Zweite Entwicklungsphase (Juni 2009 - März 2010) In der zweiten Entwicklungsphase lag der Fokus auf der Kontextualisierung der angebotenen Formulierungen sowie auf der Ergänzung des Angebots um allgemeine und kulturspezifische Informationen im Hinblick auf Kommunikationsnormen. 3.2.3.1 Situative Einbettung der Formulierungen Die isolierte Darstellung der gattungsspezifischen Formulierungen in einer Liste hat sich in der Erprobungsphase als wenig hilfreich erwiesen. Eine Hauptaufgabe bestand nun in der Entwicklung eines situativ angepassten Rahmens für die angebotenen Formulierungen. Auf die Bedeutung der Situationsabhängigkeit von Kommunikation wurde in Kapitel 1 bereits ausführlich eingegangen. Während einer Kommunikation werden Äußerungen nicht isoliert gesendet oder empfangen, sondern in bestimmten Rahmen und Kontexten (vgl. Samovar/ Porter/ Stefani 1998: 25). Eine <?page no="183"?> 184 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Möglichkeit, der hohen Situationsabhängigkeit von Formulierungen Rechnung zu tragen, ist die Einbettung und Darstellung der Formulierungen in konkreten Szenarien. Im Kontext der Fremdsprachendidaktik wurde der Begriff Szenario von Piepho (2003) geprägt. Er stellt ihn in Beziehung zum allgemeinen Umfeld, in dem er benutzt wird: „Szenario taucht heutzutage ständig auf, wenn die Handlungsbedingungen eines Vorhabens und die absehbaren Folgen eines realen Wirkungszusammenhangs und -verlaufs durchgespielt werden können“ (Piepho 2003: 42). Szenarien kommen zum Einsatz, wenn es darum geht, „reale Situationen, Entschlüsse und Rahmenbedingungen eines Vorgangs zu erkennen, zu bewältigen und am Ende zu evaluieren.“ (ebd.) Somit stellen Szenarien standardisierte Handlungsabfolgen in einem bestimmten Kontext dar und enthalten strukturierte Informationen über dynamische Handlungsabläufe (vgl. Schank/ Abelson 1977). Ausgehend von diesem Szenario-Begriff sollten die typischen Kommunikationssituationen universitärer Sprechstundengespräche mit ihren oft normierten Handlungsabläufen und spezifischen Formulierungen in Szenarien konkretisiert werden. Hierzu sind die folgenden acht Szenarien entwickelt worden: ▶ Anerkennung von Leistungsnachweisen ▶ Fragen zum Thema einer Hausarbeit ▶ Fragen zur Literatur ▶ Fragen zur Gliederung ▶ Bitte um Fristverlängerung ▶ Nachbesprechung einer Studienleistung ▶ Bitte um Gutachten ▶ Fragen zur Prüfung Die Auswahl der Szenarien orientierte sich vorrangig an den Standardthemen universitärer Sprechstundengespräche (vgl. hierzu auch Boettcher/ Limburg/ Meer/ Zegers 2005: 7). Jedes erstellte Szenario umfasst drei Phasen (Eröffnungs-, Kern-, Beendigungsphase), die je nach den konkreten Inhalten unterschiedlich gegliedert sind. (vgl. Abschnitt 1.6.2). Zur Vermittlung einer konkreten Vorstellung von der jeweiligen Situation wurde jedem Szenario eine einführende Beschreibung vorangestellt: <?page no="184"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 185 Anerkennung von Leistungsnachweisen Sie haben vor Aufnahme Ihres Studiums in Deutschland bereits in Ihrem Heimatland oder an einer anderen Hochschule Leistungsnachweise erworben. Nun möchten Sie sich erkundigen, ob diese an der hiesigen Universität anerkannt werden. Eröffnungsphase: die/ den Lehrenden begrüßen Guten Morgen Frau/ Herr … Guten Tag [Herr Doktor …]/ [Frau Professorin…] sich vorstellen Ich heiße […] und bin im [zweiten] Semester Mein Name ist […] und ich studiere […] als Hauptfach Mein Name ist […] und studiere im ersten Semester das Fach [Germanistik]/ [Politikwissenschaften] Anliegen formulieren Es geht um die Anerkennung eines Leistungsnachweises Ich möchte gern Leistungsnachweise anerkennen lassen Kernphase: Fragen zur Anerkennung stellen Ich habe [ein] Semester im Ausland studiert und möchte nun meine dort erworbenen Scheine anerkennen lassen. Was muss ich tun? Ich habe [in meiner Heimat]/ [im Ausland] ein [Praktikum] absolviert. Besteht die Möglichkeit, dieses [Praktikum] hier anzuerkennen? Ich habe vor dem Studium [eine Ausbildung] abgeschlossen. Kann ich mich von den praktischen Studienanteilen befreien lassen? Beendigungsphase: sich bedanken Herzlichen Dank. Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich bedanke mich ganz herzlich, das hilft mir sehr. <?page no="185"?> 186 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 3.2.3.2 Kulturstandards als Bausteine im kulturspezifischen Orientierungssystem an deutschen Hochschulen In der Erprobungsphase ist deutlich geworden, wie wichtig die Vermittlung von allgemeinem und kulturspezifischem Wissen über die Zielkultur ist. Diese Notwendigkeit wird auch in der Fachliteratur hervorgehoben. So betont beispielsweise Knapp-Potthof (1997) in ihrem Konzept der ‚interkulturellen Kommunikationsfähigkeit‘ den besonderen Stellenwert des allgemeinen Wissens über fremde Kommunikationsgemeinschaften sowie kulturspezifischen Wissens, welches dafür notwendig ist (vgl. Abschnitt 1.5.4.3). Die Herausforderung war nun, dieses Wissen im Rahmen eines Online -Angebots zu organisieren und zu vermitteln. Das Konzept der Kulturstandards (vgl. Abschnitt 1.5.3) scheint ein adäquater Ansatz hierfür zu sein. Laut Schumann (2008: 32) gehört das „Wissen um deutsche Kulturstandards und ihre Funktion in der interkulturellen Kommunikation“ zur gezielten Vorbereitung internationaler Studierender auf die spezifischen Arbeits- und Diskursformen an deutschen Universitäten. Diesen Anspruch berücksichtigt die Zusammenfassung und Konkretisierung der zentralen deutschen Kulturstandards für den akademischen Kontext in einer kurzen ‚Lektüre‘ und auf der Basis von Kulturstandards herausgearbeitete Handlungsempfehlungen (siehe Anhang 4). 12 Der folgende Ausschnitt soll zeigen, wie diese Idee in UniComm- Deutsch umgesetzt wurde. Sachorientierung Die deutsche Kultur ist vor allem durch „Sachlichkeit“ geprägt. Ein sachliches Verhalten wird mit Professionalität gleichgesetzt und impliziert die weitgehende Kontrolle von Emotionen und persönlichen Empfindlichkeiten. Entsprechend ist auch der Kommunikationsstil durch Sachlichkeit bestimmt. Die Argumentation ist in der Regel zielorientiert, Schwachstellen werden meist offen benannt, und es wird vorwiegend mit Fakten argumentiert. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass Sie bei der Kommunikation auf längere Höflichkeitsfloskeln verzichten und Ihr eigentliches Anliegen ohne größere Umwege zur Sprache bringen sollten, denn in Deutschland „kommt man schnell zur Sache“ und „bleibt bei der Sache“. 12 www.mumis-projekt.de/ mumis/ images/ trainingsmaterial/ Kulturstandards_an_deutschen_Hochschulen.pdf <?page no="186"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 187 3.2.4 Zweite Erprobung (Wintersemester 2009/ 2010) Die zweite Erprobung fand im Rahmen eines 90-minütigen Workshops im Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache der Philipps-Universität Marburg mit 26 internationalen Studierenden statt. Mit der Erprobung sollte geprüft werden, ob die Ergänzung des Förderangebots um kulturspezifische Kommunikationsnormen sowie die Einbettung der Formulierungen in Szenarien zu einer Verbesserung führte. Darüber hinaus sollten neue Anregungen und Impulse zur weiteren Bearbeitung des UniComm- Deutsch und dessen bessere Abstimmung auf die Bedürfnisse der internationalen Studierenden gewonnen werden. Der zweite Workshop wurde in Anlehnung an Mehlhorn (2005: 27 ff.) und Becker-Mrotzek/ Brünner (2004: 37 ff.) weiter konkretisiert und verfeinert. 1. Einstieg In der Einstiegsphase wurden in Kleingruppen zunächst Fragen, wie z. B. „Wozu dienen Sprechstunden? “ bzw. „Wann geht man in die Sprechstunde und warum? “, „Gehen Sie gerne in Sprechstunden? “, „Welche positiven/ negativen Erfahrungen haben Sie bis jetzt in Sprechstunden gesammelt? “ bearbeitet und anschließend im Plenum diskutiert. 2. Wahrnehmen und Verstehen Der Noticing -Hypothese von Schmidt (2001, 2010) zufolge müssen Lernende eine zielsprachliche Struktur erst bemerken bzw. wahrnehmen, bevor sie diese erwerben können. Ausgehend von dieser Hypothese sollte die Aufmerksamkeit der Studierenden in dieser Phase des Workshops auf gattungsspezifische Formulierungen gelenkt werden, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass spezifische Gesprächssituationen spezifische sprachliche Formulierungen erwarten lassen (vgl. Abschnitt 1.3.2.). Hierfür bot sich die Arbeit mit authentischen Audiodateien und Transkripten aus dem Korpus (vgl. Abschnitt 2.4.2.2) an. Die Studierenden hörten zunächst Aufnahmen aus Eröffnungsphasen von Sprechstundengesprächen deutschsprachiger Studierender, die gattungsspezifische Formulierungen beinhalteten. Zusätzlich erhielten sie Transkripte dieser Aufnahmen, die sie in kleinen Gruppen anhand der folgenden Fragestellungen bearbeiten sollten: ▶ Wie wird das Gespräch eröffnet? ▶ Wie wird der/ die Lehrende angesprochen? ▶ Können Sie aus dieser Textpassage das Anliegen der Studierenden ermitteln? <?page no="187"?> 188 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 3. Überzeugung gewinnen Das Erlernen gattungsspezifischer Formulierungen muss für die Studierenden eine identifizierbare und sinnvolle Funktion erfüllen. Dies hängt stark davon ab, inwieweit ihnen die Besonderheiten der jeweiligen Gesprächssituation und die damit verbundenen sprachlichen Erwartungen deutlich werden, was in der oben skizzierten ersten Lernphase beim ‚Wahrnehmen und Verstehen‘ angeregt wurde. Zur Verdeutlichung der Rolle gattungsspezifischer Formulierungen sind in dieser Phase Aufnahmen aus Eröffnungsphasen von Sprechstundengesprächen internationaler Studierender vorgespielt worden. Auch hier erhielten die Studierenden Transkripte der Aufnahmen, die in kleinen Gruppen anhand der folgenden Fragestellungen bearbeitet werden sollten: ▶ Wie wird das Gespräch eröffnet? ▶ Wie wird der/ die Lehrende angesprochen? ▶ Können Sie aus dieser Textpassage das Anliegen der Studierenden ermitteln? ▶ Wenn nicht, welche Gründe gibt es dafür? ▶ Wie läuft das Gespräch im Einzelnen ab? 4. Präsentation von UniComm-Deutsch Nach dem Aufbau und der Erweiterung der Sensibilisierung für die Musterhaftigkeit von Sprache und der Entwicklung des Bewusstseins, dass das Erlernen von gattungsspezifischen Formulierungen einen positiven Einfluss auf künftige Kommunikationssituationen haben kann, erhielten die Studierenden anhand ausgewählter Kommunikationssituationen aus Sprechstundengesprächen (s. Abschnitt 3.2.3.1) eine Einführung in das Angebot von UniComm- Deutsch. 5. Üben Gerade in Bezug auf holistisches Lernen kommt dem Üben und Wiederholen ein besonderer Stellenwert zu. Aguado (2002a: 32) betont: „Damit formelhafte Sprache einen positiven Einfluss auf die Sprachproduktion ausüben kann und es tatsächlich zu einer Erhöhung der Flüssigkeit kommt, müssen ihr Abruf und ihre Produktion weitgehend automatisiert sein.“ Dies kann durch aktives und kontinuierliches Üben erreicht werden. Schoormann und Schlak (2011: 140) empfehlen hierzu „Unterrichtsaktivitäten, die kontrollierte Übungen und kommunikative Übungen in einem insgesamt kommunikativen Rahmen integrieren.“ Zu diesem Zweck bieten sich komplexe Aufgaben (sogenannte Tasks ) an, in denen zielsprachliche Formen und kommunikative Funktionen realitätsnah miteinander verknüpft sind (vgl. ebd.: 140 f.). Gut geeignet hierfür sind Simulationen und Rollenspiele. Vor diesem Hintergrund sollten die Studierenden im Rahmen des Workshops in kurzen Rollenspielen gezielt die Anwendung von gattungsspezifischen Formulierungen üben. Bei Simulationen wurde be- <?page no="188"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 189 sonders darauf geachtet, dass die Handlungsbedingungen weitgehend dem Alltag der Studierenden entsprechen. Sie sollten z. B. ein Sprechstundengespräch mit einem für sie aktuellen Anliegen simulieren, das sie demnächst mit ihrem Dozenten bzw. ihrer Dozentin besprechen wollten. 6. Umsetzen Die Umsetzung des neu Gelernten in realen Kontexten ist der nächste wichtige Lernschritt. Dabei geht es darum, die Lernenden kommunikativ aktiv werden zu lassen. Hierfür erschien das von Mehlhorn vorgeschlagene Verfahren „Ausprobieren im Feld“ sehr vielversprechend (vgl. Mehlhorn 2005: 38 f.). Die Studierenden sollen eine Kommunikationssituation aus dem Angebot auswählen und das neu Gelernte in einer authentischen Situation zum Einsatz bringen. Beispielsweise sollen sie die Sprechstunde einer Lehrkraft ihres Studiengangs aufsuchen und studienrelevante Informationen erfragen. Da der systematischen Vorbereitung auf eine solche Kommunikationssituation eine besondere Bedeutung zukommt, wurde hierfür ein Leitfaden zur Unterstützung der Studierenden in vier Phasen Orientierung, Vorbereitung, Bearbeitung und Reflexion entwickelt (vgl. Anhang 5). Im Folgenden wird zunächst die Bearbeitungsphase exemplarisch dargestellt. Während der Sprechstunde Bearbeitungsphase Zu Beginn des Gesprächs Stellen Sie sich vor und benennen Sie Ihr Anliegen ( Worum geht es ? ). Überlegen Sie sich hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. ………………………………………………………………………………… Zur Gesprächsstruktur Überlegen Sie sich konkrete Fragen zu Ihrem Anliegen. Notieren Sie sich hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. ………………………………………………………………………………… Zum Abschluss des Gesprächs Fassen Sie am Ende des Gesprächs das Wichtigste noch einmal mündlich zusammen (z. B. vereinbarte Termine, getroffene Absprachen, etc.). Überlegen Sie sich auch hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. ………………………………………………………………………………… <?page no="189"?> 190 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 7. Selbstreflexion Die Selbstreflexion soll die Studierenden zu einer stärkeren Steuerung ihres Lernprozesses befähigen und dazu dienen, Erfahrungen bewusst zu machen und neu Gelerntes zu verarbeiten. Entscheidend hierfür ist das Bewusstsein für die persönlichen Stärken, Grenzen und Chancen sowie die Erarbeitung von Strategien zur Effektivitätssteigerung der Kommunikation in der Zielsprache Deutsch. Zur Förderung der Selbstreflexion wurden die Studierenden aufgefordert, sich nach der Sprechstunde Notizen zu folgenden Fragen im Leitfaden (s. Anhang 5) zu machen. Nach der Sprechstunde Reflexionsphase Machen Sie sich Ihre Stärken und Defizite im Bereich der mündlichen Kommunikation noch einmal bewusst und fertigen Sie Notizen dazu an: Was ist Ihnen gut gelungen? ………………………………………………………………………………………………… Worauf möchten Sie bei der nächsten Sprechstunde besonders achten? ………………………………………………………………………………………………… Was könnten Sie bei der nächsten Sprechstunde verbessern? ………………………………………………………………………………………………… Für die Einschätzung des Angebots wurde wie bei der ersten Erprobung auf die Eindrücke und Beobachtungen während des Workshops sowie auf die Auswertung eines Fragebogens zurückgegriffen, wobei dieser um drei offene Fragen ergänzt und weiter modifiziert wurde (s. Anhang 6). Der Fragebogen umfasste insgesamt 15 Items, wovon die ersten vier der Einschätzung des Workshops und die weiteren elf der Bewertung des Formulierungsangebots dienten. Bei dem ersten Item sollten die Studierenden auf einer vierstufigen Likert-Skala von „trifft vollkommen zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“ angeben, ob der Workshop für sie hilfreich war. Die Bewertung ist im folgenden Diagramm dargestellt. <?page no="190"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 191 Abbildung 2: Evaluation des Workshops; Frage 1 Die Mehrheit der Studierenden (65 %) hat angegeben, dass ihnen der Workshop wichtige Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs vermittelt hat. Der Workshop wurde überwiegend positiv bewertet. Knapp zwei Drittel der Studierenden wollten ihn daher auch anderen Studierenden weiterempfehlen. Die Frage „Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? “ haben 65 % der Studierenden mit ‚sehr wichtig‘ und weitere 34 % mit ‚wichtig‘ beantwortet. Der Aussage „Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich.“ wurde von 42 % der Studierenden zugestimmt. Die Frage nach der Struktur des Angebots an Formulierungen wurde im Vergleich zur ersten Erprobung positiver beantwortet. So war mit etwa 57 % knapp über die Hälfte der Studierenden mit der Struktur des Angebots zufrieden. In Bezug auf die Aussage „Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.“ war wie bei der ersten Erprobung eine hohe Unsicherheit zu registrieren: ca. 65 % der Studierenden waren sich diesbezüglich unsicher. Die Mehrheit der Studierenden, etwa 70 %, hat angegeben, dass sie sich in ihrem Sprachgebrauch sicherer fühlt, wenn sie vorgefertigte Formulierungen verwendet. Alle Studierenden (etwa 46 % ‚trifft vollkommen zu‘ und 54 % ‚trifft eher zu‘) haben angegeben, dass sie bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen würden. Dabei würden etwa 43 % der Studierenden selber ‚eher‘ keine weiteren Chunks sammeln, weitere 57 % würden dies ‚vielleicht‘ tun. Dieses Ergebnis lässt sich dahingehend interpre- <?page no="191"?> 192 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch tieren, dass die Studierenden sich noch nicht in der Lage sahen, ‚eigenständig‘ aktiv nach adäquaten Chunks für ihre Äußerungswünsche zu suchen, was in Anbetracht der Besonderheiten universitärer Sprechstunden nachvollziehbar erscheint. Dadurch dass Sprechstundengespräche in der Regel nur zwischen einem Lehrenden und einem einzelnen Studierenden stattfinden, mangelt es den internationalen Studierenden an Situationen, in denen sie Erfahrungen hinsichtlich dieser kommunikativen Gattung und der spezifischen Formulierungen sammeln können und z. B. beobachten können, wie deutsche Muttersprachler ein solches Gespräch führen, um daraus Chunks abzuleiten. Abbildung 3: Evaluation des Angebots; Frage 12 Die vollständige Auswertung des Fragebogens befindet sich im Anhang 7. Der Fragebogen enthielt drei offene Fragen, um allgemeine Anmerkungen und Anregungen zum Angebot aus der Perspektive der individuellen Nutzerinnen und Nutzer zu erheben. Allerdings war hier aufgrund der spärlichen Antworten keine sinnvolle Analyse möglich. Die zentralen Erkenntnisse aus den Beobachtungen während der zweiten Erprobung lassen sich wie folgt zusammenfassen: ▶ Bei der Diskussion der Frage zur Einstiegsphase „Wann geht man in die Sprechstunde und warum? “ konnte festgestellt werden, dass manche Studierende unsicher waren, welche Anliegen in einem Sprechstundengespräch überhaupt an die Lehrenden herangetragen werden können. ▶ Die Ergänzung des Angebots durch allgemeines Wissen über Kulturstandards hat sich als sinnvoll erwiesen. Hier konnte bei einigen Studierenden ein „Aha-Erlebnis“ beobachtet werden. <?page no="192"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 193 ▶ Es konnte festgestellt werden, dass internationale Studierende über Wissen zu sprachlichen Realisierungsformen hinaus auch Wissen über spezifische Kommunikationsnormen und typische Verhaltensmuster benötigen. ▶ Die Studierenden empfanden auch bei der zweiten Erprobung einige Formulierungen als ‚gestellt‘. Das Problem der isolierten Darstellung der Formulierungen und des fehlenden sprachlichen Zusammenhangs in einer realistischen Weise, mit spezifischen sprachlichen und nicht-sprachlichen Momenten bestand grundsätzlich fort. 3.2.5 Dritte Entwicklungsphase (März 2010 - Februar 2011) Eine wichtige Erkenntnis aus der zweiten Erprobung war, dass die Einbettung der Formulierungen in Szenarien noch keine ideale Lösung darstellte. Das Szenarien-Konzept erschien zwar sinnvoll, jedoch konnte damit die komplexe Vernetzung von Formulierungen und deren Anwendungsmöglichkeiten immer noch nicht effizient erfasst werden. Als Möglichkeit hierzu haben sich kurze Videos erwiesen, die modellhaft im Sinne von ‚ best practice ‘ relevante und typische Schlüsselsituationen in Sprechstundengesprächen in semi-authentischen Kontexten präsentieren sollten. Der zentrale inhaltliche Anspruch der Videos besteht darin, den Kontext in einem „universitären Sprechstundengespräch“ zu veranschaulichen und den internationalen Studierenden die Möglichkeit zu einem realitätsnahen Wahrnehmen der Situationen zu erlauben, um so ganz konkrete, auf das jeweilige Szenario bezogene Sprachhandlungen und entsprechende Formulierungen erkennen zu können, die dann wieder als Modelle für die eigene Sprachproduktion einsetzbar wären. Vorteile der Darstellung von Szenarien in Videos sind u. a.: ▶ die sukzessive Wiedergabe des zeitlich-linearen Entstehungsprozesses des Kommunikationsverlaufs, ▶ Veranschaulichung der Beziehungen zwischen Lehrenden und Studierenden und des typisierten Rollenverständnisses, ▶ effektive Veranschaulichung der kulturspezifischen Kommunikationsnormen, ▶ Veranschaulichung von Handlungszusammenhängen. 3.2.5.1 Organisatorischer Rahmen und technische Umsetzung von Szenarien Im Folgenden werden die technische und organisatorische Realisierung der Videoproduktion ausführlich beschrieben. Diese Beschreibung hat eher den Charakter einer Prozessdokumentation, in der der eingeschlagene Weg, die wichtigsten Abläufe, die entstandenen Erfahrungen und die erzielten Ergebnisse beschrieben werden. <?page no="193"?> 194 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 3.2.5.1.1 Der Produktionsprozess im Überblick Die Szenarien sollten zwei grundsätzliche Funktionen erfüllen. Zum einen sollten sie die angebotenen gattungsspezifischen Formulierungen sinnvoll in eine semi-authentische Situation einbetten und somit die Anwendungsmöglichkeiten effizient veranschaulichen. Zum anderen sollten sie die einem universitären Sprechstundengespräch zugrunde liegenden Kommunikationsnormen verdeutlichen. Insbesondere sollten sie die bei der Analyse der interkulturellen Sprechstundengespräche festgestellten Problembereiche (s. Abschnitt 2.4.2.7) durch eine Fokussierung auf erwartete Verhaltensnormen an deutschen Hochschulen reflektieren. Beispielsweise wurde bei der Planung der Videos bewusst darauf geachtet, dass die Regeln des Sprecherwechsels eingehalten werden und simultanes Sprechen vermieden wird. So wurde auch versucht, die erwartete Vorbereitung auf eine Sprechstunde dadurch zu verdeutlichen, dass die Studierenden in den erstellten Videos die für das Gespräch möglicherweise benötigten Unterlagen bereits griffbereit haben und nicht erst danach suchen müssen, wie dies in einigen der aufgenommenen authentischen Sprechstunden zu beobachten war. Den genannten Vorteilen von Modellvideos stehen als Nachteile insbesondere der zeitliche und finanzielle Aufwand für deren Erstellung gegenüber. Da die Idee der Produktion von Videos erst im Prozess der Arbeit entstand, war dafür im Projekt kein Budget vorgesehen. Daher mussten die Videos mit sehr knappen Ressourcen erstellt werden und konnten beispielsweise nicht einer professionellen Firma in Auftrag gegeben werden. Der erste Schritt im Gesamtkonzept war die Erstellung eines Drehbuchs zu jedem geplanten Video. Als Basis für die Erstellung des Drehbuchs dienten die Aufzeichnungen der authentischen Sprechstunden aus dem Korpus. Es sollten möglichst viele Formulierungen und Kommunikationsnormen sinnvoll in ein Szenario eingebunden werden. Die Videos sollten nicht länger als drei Minuten dauern, um die Kompaktheit von Sprechstundengesprächen zu verdeutlichen und den internationalen Studierenden bewusst zu machen, dass die Anliegen im Rahmen einer Sprechstunde knapp und effizient vorgebracht werden sollten. 3.2.5.1.2 Darsteller/ innen und Dreharbeiten In einem weiteren Schritt mussten für die Rolle der Lehrenden und der Studierenden Darsteller/ innen gefunden werden. Die Suche nach geeigneten Personen gestaltete sich als sehr schwierig. Da eben aus Kostengründen keine professionellen Akteure engagiert werden konnten, musste im Kollegen- und Bekanntenkreis nach Freiwilligen gesucht werden, die bereit waren, unentgeltlich bzw. auf Freundschaftsbasis mitzuwirken. Für die Rolle einer Studierenden konnte <?page no="194"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 195 hierbei eine Kollegin 13 gewonnen werden, die Mitglied eines Freizeit-Theaterensembles war und somit Bühnenerfahrung hatte. Außerdem konnte sie ein weiteres Mitglied des Ensembles für die Rolle eines Lehrenden gewinnen. Da deren zeitliche Ressourcen knapp und von ihrer Freizeit abhängig waren, sollten alle Videos möglichst an einem Tag gedreht werden. Nach der Beschaffung der notwendigen technischen Geräte und Requisiten, konnte an einem Wochenende mit den Dreharbeiten begonnen werden. Die Erstellung der Videos erwies sich jedoch als unerwartet aufwändig, da einzelne Szenen mehrmals geprobt und gedreht werden mussten. Von den geplanten acht Videos konnten letztendlich nur drei fertiggestellt werden. Vor einer weiteren Produktion sollten aber zunächst die erstellten Videos in der Zielgruppe erprobt werden. 3.2.5.1.3 Ergänzung des Angebots um ‚cultural notes‘ Eine weitere Erkenntnis aus der zweiten Erprobungsphase war, dass die internationalen Studierenden neben allgemeinem Wissen über Kulturstandards auch spezifisches Wissen über Kommunikationsnormen und typische Verhaltensmuster an deutschen Hochschulen benötigen. Zur Sensibilisierung der internationalen Studierenden für Verhaltensmuster an deutschen Hochschulen wurden die acht erstellten Szenarien (siehe Abschnitt 3.2.3.1) um ‚Kommentare‘ und ‚Tipps‘ ergänzt. Die Rubrik ‚Kommentar‘ gewährt einen Einblick in allgemeine Normen in der Hochschulkommunikation an deutschen Universitäten. Unter der Rubrik ‚Tipp‘ werden passend zur jeweiligen Situation konkrete Handlungsempfehlungen formuliert. Dies soll anhand des folgenden Beispiels aus dem Angebot veranschaulicht werden. Abbildung 4: Screenshot von Kommunikationssituation ‚Bitte um Fristverlängerung‘ 13 An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Kollegin Frau Monika Jordanow für ihre Mitwirkung bedanken. <?page no="195"?> 196 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch 3.2.6 Dritte Erprobung (Wintersemester 2010/ 2011) Die dritte Erprobung erfolgte im Rahmen eines 90-minütigen Workshops im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität Kassel mit 14 internationalen Studierenden. Hierbei wurde der Herangehensweise der zweiten Erprobung gefolgt. Die entwickelten Materialien wurden in das vorgestellte Konzept des Workshops (vgl. Abschnitt 3.2.4) integriert. So wurde in der Einstiegsphase das Arbeitsblatt „Wann geht man in die Sprechstunde und warum? “ in kleinen Gruppen bearbeitet und die Ergebnisse wurden anschließend im Plenum kurz zusammengefasst. Im vierten Schritt „Präsentation von UniComm -Deutsch“ wurden die neu entwickelten Materialien (vgl. Abschnitt 3.2.5) sowie ein erstelltes Modellvideo präsentiert. Zur Einschätzung dienten wieder der vorgestellte Fragebogen (Anhang 8) und handschriftlich während des Workshops festgehaltene Beobachtungsprotokolle. An dieser Stelle wird auf eine wiederholte Benennung der einzelnen Items des Fragebogens (vgl. Abschnitt 3.2.4) sowie die detaillierte einzelne Betrachtung der Ergebnisse zu jedem Item verzichtet. Es sei nur darauf hingewiesen, dass das Angebot und der Workshop insgesamt besser als bei der zweiten Erprobung bewertet wurden. So wurde das Angebot von 57 % der Studierenden als „sehr gut“ und von 36 % als „gut“ beurteilt. Der Anteil der Studierenden, die die Aussage „Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundegesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen“ mit „trifft vollkommen zu“ bewerteten, betrug 71 %. Die Möglichkeit, sich bei den offenen Fragen zu dem Angebot zu äußern, haben diesmal fünf Studierende wahrgenommen. So wurden etwa auf die Frage, was besonders gut gefunden wurde, die konkreten Handlungsempfehlungen als sehr hilfreich bezeichnet (die vollständige Auswertung des Fragebogens befindet sich im Anhang 9). Die generellen Eindrücke während des Workshops und die gezielte Beobachtung der Studierenden während ihres Umgangs mit dem Angebot an Formulierungen in kleinen Gruppen ließen ebenfalls den Rückschluss zu, dass die entwickelten Materialien überwiegend als eine nützliche Ergänzung zum Angebot wahrgenommen werden. Das präsentierte Modellvideo führte allerdings nicht zum angestrebten Erfolg. Zum einen sind die Szenen und Dialoge von der Zielgruppe als gestellt bzw. nicht authentisch wahrgenommen und bewertet worden, zum anderen richtete sich die Aufmerksamkeit der Studierenden zunächst nicht vornehmlich auf die verwendeten Formulierungen, sondern auf Teilaspekte der Szenen, wie die Persönlichkeiten der Darsteller etc. Die gewünschte Informationsvermittlung konnte daher nicht erreicht werden. Diese Erkenntnisse verlangten nach einer konzeptionellen Überarbeitung der Videoproduktion. <?page no="196"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 197 Eine weitere Gelegenheit zur Einschätzung des Angebots an Formulierungen ergab sich aus der Möglichkeit, das Projekt im Kolloquium Fremdsprachenforschung an der Philipps-Universität Marburg einem Fachpublikum vorzustellen. Das Forschungskolloquium bietet sowohl eigenem wie auch auswärtigem akademischen Nachwuchs ein regelmäßiges Forum, in dessen Rahmen Qualifikationsarbeiten zur Diskussion gestellt werden. Dies ermöglicht einen wissenschaftlichen Austausch und generiert sowohl inhaltliche als auch methodische Anstöße für die Forschung (vgl. Cerri/ Jentges/ Stork 2012: 2 f.). Bei der Vorstellung des Projekts stießen seine Intention sowie sein methodisches Design auf überwiegend positive Resonanz. Die Hauptkritik in der anschließenden Diskussion richtete sich auf die mangelnde Authentizität des präsentierten Modellvideos. Manche Dialogpassagen wirkten auf die TN gekünstelt, insbesondere durch die starke Lenkung auf die Verwendung von bestimmten Konstruktionen, was eine Fremdsprachendidaktikerin aus dem Auditorium an die unnatürlichen Dialoge der audio-lingualen Methode erinnerte. Vor allem die wenig überzeugende Performanz der Lehrerrolle im Video traf auf Kritik. Das angestrebte Ziel, den Studierenden durch Modellvideos einen Mehrwert zu bieten, schien somit verfehlt. 3.2.7 Vierte Entwicklungsphase (Februar 2011 - Juni 2012) In der vierten Entwicklungsphase wurde die Erstellung der Modellvideos einer eingehenden Revision unterzogen. Bei der Produktion der Videos in der vorigen Entwicklungsphase wurde der Schwerpunkt darauf gesetzt, möglichst viele gattungsspezifische Formulierungen in ein Modellvideo zu integrieren, was die Authentizität stark beeinträchtigte. Der Ansatz, den gesamten Verlauf des Gesprächs und sogar einzelne Dialogphasen detailliert vorzugeben, hatte sich somit als kontraproduktiv erwiesen. Eine „universitäre Sprechstunde“ mit Dialogen nach einem vorbereiteten Drehbuch glaubhaft umzusetzen, erfordert - analog zum klassischen Spielfilm - eine schlüssige Dramaturgie und vor allem geübte Darsteller. Als alternative Vorgehensweise wurde an „Originalschauplätzen“ mit „echten“ Lehrenden und Studierenden gefilmt. Die Rolle des Lehrenden übernahm ein Kollege 14 , der über langjährige Erfahrungen mit Sprechstundengesprächen als Dozent verfügte. So erfolgte die neue Besetzung mit zwei Kolleg/ innen aus dem Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, die in einer früheren Phase des Projekts als Expert/ innen die Formulierungen bewertet hatten (vgl. 14 An dieser Stelle möchte ich Herrn Michael Koenig ganz herzlich danken, der sich trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen an der Universität Kassel hierfür bereiterklärt hat. <?page no="197"?> 198 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Abschnitt 3.2.1.1) und mit den Leitgedanken des Projekts vertraut waren. Statt eines Drehbuchs mit detaillierten Vorgaben erhielten die Darsteller/ innen eine Beschreibung der jeweiligen Kommunikationssituation mit Formulierungen aus UniComm- Deutsch. Ziel der diesmaligen Herangehensweise war, die Situationen ohne lange Vorbereitung so darzustellen, dass sie möglichst authentisch erscheint. Auch diesmal gestalteten sich die Dreharbeiten sehr aufwändig und die Szenen wurden wiederholt geprobt und aufgenommen. Positiv wirkte sich aber die Erfahrung des Kollegen aus dem Fachgebiet aus, der jetzt die Lehrerrolle übernommen hatte. Die Videos wurden nach jeder Aufnahme gemeinsam mit den Kollegen/ innen kritisch ausgewertet, wodurch sie erheblich an Qualität gewinnen konnten. Insgesamt erwies sich aber die Erstellung der Modellvideos als beachtliche Herausforderung. Probleme wie der Ausfall einer Darstellerin, die Suche nach Ersatz 15 , Zeitprobleme usw. begleiteten die weitere Produktion. Formfokussierung und Aufmerksamkeitslenkung In Abschnitt 3.3.4 ist auf die Notwendigkeit hingewiesen wurden, erwachsene L2-Lernende explizit im Umgang mit Formulierungen zu trainieren. Ein mögliches Verfahren hierzu ist die in der Fachliteratur umfassend beschriebene Lenkung der Aufmerksamkeit der Lernenden auf solche Formulierungen. Aufmerksamkeit gilt als eine notwendige Voraussetzung für L2-Erwerbsprozesse (vgl. Abschnitt 3.2.4). In ihr wird „jener Mechanismus gesehen, der den äußeren Sprachkontext mit der Kognition der Lernenden verbindet. Um Lernprozesse zu generieren, müssen (neue) Sprachelemente in mehr oder weniger expliziter Form in den Aufmerksamkeitsfokus gelangen.“ (Schifko 2008: 37) In diesem Zusammenhang ist die noticing -Hypothese (vgl. Abschnitt 2.3.4) von besonderer Relevanz. Hierzu zählt auch die sogenannte ‚Inputintensivierung‘ (Schifko 2008: 42), bei der ausgewählte zielsprachliche Elemente so präsentiert werden, dass sie von den Lernenden leichter wahrgenommen und verarbeitet werden können (vgl. ebd.). Dies kann beispielsweise durch graphische Elemente wie Fettdruck, farbliche Markierung oder akustische Hervorhebungen gefördert werden (vgl. ebd.). Um die Aufmerksamkeit der Studierenden auf die Formulierungen zu lenken, wurden die Videosequenzen, inspiriert durch die Arbeit von Handwerker und Madlener (2009), mit mehreren Varianten von Untertiteln versehen. So besteht die Möglichkeit, nur die gattungsspezifischen Formulierungen einzublenden, alle Äußerungen als Verständnishilfe in vollständigen Sätzen 15 Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Frau Marlis Fellmann für ihre kollegiale Unterstützung und die kurzfristige Übernahme der Rolle. <?page no="198"?> 3.2 Entwicklungsprozess von UniComm-Deutsch 199 hinzuzufügen oder aber auch alles auszublenden. Zusätzlich steht das gesamte Skript des Szenarios zum Mitlesen bzw. zum Ausdrucken zur Verfügung. Die Videos wurden mit Hilfe von „Adobe Flash Professional CS5“ 16 bearbeitet, welches als ein Standard - Authoring - Tool für die Erstellung von Webseiten dient. Durch dieses Programm sollte die Integration der Modellvideos in das Online -Angebot und deren Export ins Internet gewährleistet werden. Die Untertitelung erfolgte mit den sogenannten eingebetteten ‚Ereignis- Cue - Points ‘. „Ein Cue - Point ist ein Punkt, an dem der Video-Player ein cuePoint -Ereignis auslöst, während eine Videodatei abgespielt wird.“ 17 Der FLV-Datei werden an den Stellen Cue - Points hinzugefügt, an denen für andere Elemente auf der Webseite eine Aktion - im Fall der vorliegenden Arbeit ein Untertitel - ausgeführt werden kann. Abbildung 5: Screenshot von Modellvideo ‚Fragen zur Gliederung Die verschiedenen Varianten der Einblendung von Formulierungen in ihrem kontextuellen Zusammenhang sollten die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Formulierungen erhöhen und dazu beitragen, die Sensibilität für die Strukturen und die Musterhaftigkeit von Sprechstundengesprächen sowie den Gebrauch von Formulierungen zu unterstützen. Eine solch differenzierte Untertitelung bedeutete allerdings erneut eine aufwändige Bearbeitung. 3.2.8 Vierte Erprobung (Wintersemester 2011/ 2012) Die vierte Erprobung fand mit 19 internationalen Studierenden im Rahmen eines 90-minütigen Workshops im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität Kassel statt. Im Prinzip wurde der Herangehensweise 16 Für die technische Unterstützung danke ich Herrn Dr. Reinhard Gerhold. 17 http : / / h e lp. a d o b e . c o m/ d e _ D E / a s 3 / c o m p o n e nt s / W S 5 b 3 c c c 5 1 6 d 4 f b f 3 5 1 e 6 3 e - 3d118a9c65586-7feb.html <?page no="199"?> 200 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch der dritten Erprobung gefolgt, allerdings lag der Fokus bei dieser Erprobung auf der Wirkung der neu erstellten Modellvideos. Die Beurteilung des Workshops und des Angebots erfolgte durch das zuvor bereits vorgestellte Evaluationsverfahren (vgl. Abschnitt 3.2.6, Anhang 10). Die Einschätzung der Studierenden war auch diesmal überwiegend positiv. So wurde das Angebot von 63 % der Studierenden als „sehr gut“ und von 37 % als „gut“ beurteilt. Der Anteil, der die Aussage „Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen“ mit „trifft vollkommen zu“ bewertete, betrug 74 %. Die Bewertung der Modellvideos mit der Möglichkeit der Formfokussierung durch Untertitel war positiv, was von einigen Studierenden bei der Beantwortung der offenen Frage auch explizit geäußert wurde (die vollständige Auswertung des Fragebogens findet sich im Anhang 11). Anders als bei der dritten Erprobung gab es diesmal keine kritischen Anmerkungen zur fehlenden Authentizität der Formulierungen oder der präsentierten Videos. Die Ergebnisse der Evaluation legen nahe, dass sich durch die neuen Modellvideos dem zentralen Ziel, anhand von authentischem Sprachmaterial sprachliche Zusammenhänge zu demonstrieren und die Aufmerksamkeit der Studierenden auf bestimmte Formulierungen zu lenken, angenähert wurde. 3.3 Inhaltlicher und technischer Aufbau von UniComm- Deutsch Das webbasierte Format von Unicomm -Deutsch stellt besondere Anforderungen an Aufbau und Struktur der Inhalte, da die Qualität eines Online -Angebots nicht allein vom Inhalt abhängt, sondern auch von der Form der Präsentation der Informationen beeinflusst wird. Somit kommt dem Informationsdesign, welches nicht nur textuelle Komponenten, sondern auch visuelle Repräsentationen umfasst, bei der Erstellung von webbasierten Angeboten eine besondere Bedeutung zu (vgl. Preim/ Dachselt 2015: 118). Neben der Strukturierung des Inhalts sind eine übersichtliche Aufteilung des Bildschirms sowie eine leicht bzw. intuitiv erschließbare Benutzerführung wesentlich. Dementsprechend sollte eine geeignete Aufbereitung der Inhalte von UniComm -Deutsch den Nutzer/ innen eine rasche und sichere Orientierung und Bewegung im Inhaltsbereich ermöglichen. In dieser Phase standen daher Überlegungen zur Strukturierung der Inhalte sowie eine systematische Verknüpfung statischer Medien (wie Text) mit dynamischen Medien (wie Video) im Fokus. Es wäre zu erwähnen, dass die technische Realisierung und die administrative Arbeit im Rahmen des Teilprojekts B an der Universität Siegen erfolgten. <?page no="200"?> 3.3 Inhaltlicher und technischer Aufbau von UniComm-Deutsch 201 Die Startseite verfügt jeweils im oberen sowie im linken Bereich über eine Navigationsleiste, die im Folgenden mit dem Fokus auf Sprechstundengespräche näher beschrieben wird. Sie ist in vier Menüpunkten zu den vier Kommunikationsbereichen ‚Sprechstundengespräche‘, ‚Mündliche Präsentationen‘, ‚Beteiligung an Lehrveranstaltungen‘ und ‚E-Mail-Kommunikation‘ unterteilt. Abbildung 6: Screenshot von der Startseite von UniComm -Deutsch Der erste Menüpunkt ‚Sprechstundengespräche‘ umfasst die Kategorien ‚Allgemeine Tipps und Tricks‘ und ‚Kommunikationssituationen‘. Mit ‚Allgemeine Tipps und Tricks‘ soll durch die Gegenüberstellung der Perspektiven von Lehrenden und Studierenden eine Verständigung auf einer Metaebene erzielt werden (vgl. Abschnitt 1.5.4.3). Ferner wird durch die Vermittlung grundlegender Kommunikationstechniken wie ‚aktives Zuhören‘ oder ‚klärendes Nachfragen‘ zur Verminderung von Missverständnissen beigetragen. Unter dem Menüpunkt ‚Kommunikationssituation‘ sind die acht erstellten Szenarien aufgelistet. Abbildung 7: Screenshot von der Startseite von UniComm -Deutsch <?page no="201"?> 202 3 Online-Förderangebot UniComm-Deutsch Zu jedem Szenario gehört eine genaue Beschreibung der Situation sowie ein Kommentar mit allgemeinen, auf das Thema des jeweiligen Sprechstundengesprächs zugeschnittenen Informationen zu Verhaltensmustern an deutschen Hochschulen. Unter der Rubrik ‚Tipp‘ sind praktische Handlungsempfehlungen formuliert (vgl. Abschnitt 3.2.5.1.3). Ferner umfasst jede Kommunikationssituation die typischen Sprechhandlungen und die dazu gehörenden typischen sprachlichen Realisierungen sowie die Modellvideos (vgl. Abschnitt 3.2.7). Der Menüpunkt ‚Trainingsmaterial UniComm -DaF‘, der sich auf dem oberen Bereich der Startseite des MuMiS -Projektes befindet, bietet einen direkten Zugriff auf die erstellten Trainingsmaterialien zu allen vier Kommunikationsbereichen. Zu den Sprechstundengesprächen bestehen die Trainingsmaterialien aus einem Arbeitsblatt und einem Leitfaden (vgl. Abschnitt 3.2.4) mit der Möglichkeit, sie auch als PDF-Dokumente herunterzuladen. Über den Link ‚Kulturstandards an deutschen Hochschulen‘ gelangt man zu den zentralen deutschen Kulturstandards, die für den akademischen Kontext konkretisiert sind (vgl. Abschnitt 3.2.3.2). Besucherfrequenz Seit der Online -Stellung von UniComm -Deutsch im September 2012 ist eine kontinuierliche Nachfrage zu registrieren. Die Nutzerzahl - im Februar 2019 bereits über 1.200.000 - belegt ein hohes und kontinuierlich steigendes Interesse und ist ein Indiz dafür, dass das Angebot den Bedürfnissen der internationalen Studierenden entgegenkommt. Dabei wäre es von Interesse, anhand von einer qualitativen Analyse des Nutzerverhaltens, Details zu den demografischen Merkmalen und dem Verhalten der Nutzer/ innen (internationale Studierende) zu erfahren, indem man beispielsweise den Anteil neuer bzw. wiederkehrender Nutzer/ innen erfasst, Interessenbereiche ermittelt und ihre durchschnittliche Verweildauer sowie ihre Interaktion mit spezifischen Inhalten zurückverfolgt. Eine solche Analyse könnte aufschlussreiche Erkenntnisse erbringen. Allerdings war eine qualitative Analyse im MuMiS -Projekt von Anfang an aufgrund des damit verbundenen personellen und materiellen Aufwands nicht vorgesehen und demzufolge sind die zu einer solchen Auswertung notwendigen Informationen in der Datenbank nicht gespeichert. <?page no="202"?> 3.4 Zusammenfassung 203 3.4 Zusammenfassung Das Kapitel behandelte die Darstellung der inhaltlichen und formalen Gestaltung des Online -Angebots sowie der detaillierten Betrachtung der Produktionsabläufe von UniComm -Deutsch. Dazu wurden die gewonnenen Erkenntnisse beschrieben, die Prozessgestaltung und die inhaltlich-technischen Problemstellungen expliziert sowie die Bedingungen und Anforderungen diskutiert. Eine große Herausforderung war die praxisorientierte und adressatengerechte Darstellung der gattungsspezifischen Formulierungen und die Darstellung angemessener Anwendungsmöglichkeiten. Die vorgenommene bzw. angestrebte Strukturierung der Formulierungen konnte und sollte dabei nicht den Ansprüchen einer differenzierten Sprechhandlungsklassifikation genügen, sondern der Erfüllung praktischer Zwecke dienen. Hierfür hat sich der Ansatz der Einbettung der Formulierungen in Szenarien als zielführend erwiesen. Im Rahmen des kontinuierlichen Ausbaus und der Verbesserung der Qualität von UniComm -Deutsch wurden die Szenarien in einer weiteren Ausbaustufe mit videobasierten Inhalten angereichert. Dafür mussten zunächst geeignete Konzepte gefunden und Produktionsbedingungen geschaffen werden, die eine Videoproduktion mit kaum medienerfahrenen Mitwirkenden und knappen Ressourcen ermöglichten. Das betraf auch den Aufbau der notwendigen Kenntnisse für die Videoproduktion, Nachbearbeitung und Distribution im Rahmen eines Online -Angebots. Da der langjährige Prozess der Produktion und der kontinuierliche Ausbau von UniComm -Deutsch nicht vollumfänglich in einem Kapitel nachvollziehbar dargestellt werden konnte, wurden hier lediglich die Meilensteine beschrieben, ohne eine detaillierte Benennung zahlreicher weiterer Anregungen und Inspirationen aus vielen, meist interaktiven Gelegenheiten, von denen hier nur die wichtigsten erwähnt werden sollen: ▶ regelmäßiger wissenschaftlicher Austausch und Diskussionen mit dem gesamten Team während der Projektsitzungen sowie im Rahmen der organisierten Fachtagung für das MuMiS Projekt ▶ regelmäßiger Austausch im Rahmen des Doktoranden-Kolloquiums an der Universität Kassel sowie konstruktive Gespräche mit Kolleg/ innen ▶ Vorstellung des Angebots im Rahmen der 38. Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache ▶ Vorstellung des Projektes im Rahmen eines von Herrn Prof. Konrad Ehlich geleiteten Kolloquiums für Promovierende im Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität Kassel <?page no="204"?> 4.1 Zusammenfassung und Fazit 205 4 Schlussbetrachtung Im Folgenden werden zunächst die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Daran schließt sich ein kurzer Ausblick auf weitere Forschungsperspektiven an. 4.1 Zusammenfassung und Fazit Die vorliegende Arbeit steht im theoretischen Zusammenhang der linguistischen Gesprächsanalyse und ihrer exemplarischen Anwendung auf die Kommunikation an deutschen Hochschulen am Beispiel von Sprechstundengesprächen. Damit versteht sie sich sowohl als Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich der interkulturellen Kommunikation in Institutionen als auch als Beitrag zur Anwendungsforschung in der Entwicklung von Kommunikationstrainingskonzepten auf diskursanalytischer Basis. Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die Annahme, dass sprachliche Anforderungen im Hochschulkontext insbesondere für internationale Studierende eine große Herausforderung darstellen, deren erfolgreiche Bewältigung nicht nur eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Ansprüchen des Studiums an einer deutschen Universität bedeuten, sondern auch mit den damit verbundenen neuen Lehr- und Lernstilen sowie mit z.T. unbekannten sozialen und kulturellen Gewohnheiten, Werten und Normen im alltäglichen Studienumfeld. Verschärft wird die Situation außerdem durch eine geringere zeitliche Flexibilität vor allem in den modularisierten Studiengängen. Dazu kommt, dass sich bei Kommunikationssituationen wie den Sprechstundengesprächen aufgrund des individuellen Beratungscharakters ( Face-to-Face - Kommunikation) kaum Lerngelegenheiten z. B. durch Beobachtung ergeben. Den Studierenden fehlt daher häufig die Gelegenheit, sich die erforderlichen kulturell relevanten kommunikativen Kompetenzen anzueignen: Verstöße gegen herrschende Kommunikationsnormen können die Folge sein. Die vorliegende Arbeit hat sich daher zur Aufgabe gemacht, ein praxisorientiertes Angebot zur gezielten Unterstützung internationaler Studierender bei der Bewältigung kommunikativer Aufgaben an einer deutschen Hochschule zu entwickeln. Das Angebot ist im Rahmen des MuMis-Projekts (vgl. Abschnitt 3) mit dem Ziel entstanden, internationale Studierende anhand des Online -Angebots Unicomm -Deutsch in den vier Kommunikationsbereichen ‚Sprechstundenge- <?page no="205"?> 206 4 Schlussbetrachtung spräch‘, ‚Mündliche Präsentation‘, ‚Beteiligung an der Lehrveranstaltungskommunikation‘ sowie ‚E-Mail-Kommunikation‘ zu unterstützen. Von den genannten Bereichen fokussiert die vorliegende Arbeit auf ‚Sprechstundengespräche‘. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Realisierung der einzelnen Teilziele gegeben. Daran anschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse aus der durchgeführten Gesprächsanalyse zusammenfassend dargestellt. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit erfolgte eine Darstellung der theoretisch konzeptionellen Grundlagen und die Bestimmung der zentralen Begriffe der vorliegenden Untersuchung (Abschnitt 1.1 bis 1.4). Dazu wurden zunächst die für den Kontext zentralen Konzepte der Kulturdimensionen und der Kulturstandards unter Reflexion der einschlägigen Kritik skizziert (Abschnitt 1.5). Mit der anschließenden Charakterisierung von Sprechstundengesprächen als kommunikative Gattung mit den Analyseebenen Außenstruktur, Zwischenstruktur und Binnenstruktur wurde eine theoretische Fundierung für die empirische Untersuchung universitärer Sprechstundengespräche im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit geschaffen (Abschnitt 1.6). Eine detaillierte Darstellung des Forschungsdesigns und der Methodik der Arbeit leitete den zweiten Teil der Ausführungen ein. Im Rahmen der grundlegenden Überlegungen zur Analyse gesprochener Sprache wurde das Konzept der funktional-pragmatischen Diskursanalyse diskutiert (Abschnitt 2.1 bis 2.3). Im Anschluss erfolgte die Beschreibung der entsprechenden Analyseschritte (Abschnitt 2.4). Ein erster Schritt bestand in einer Analyse aufgenommener universitärer Sprechstundengespräche nach funktional-pragmatischen Gesichtspunkten (Abschnitt 2.2 bis 2.3). Die Datengrundlage der Arbeit bildeten Audioaufnahmen von 27 Sprechstundengesprächen zwischen Hochschullehrenden und deutschen sowie internationalen Studierenden an der Universität Kassel und an der Philipps-Universität Marburg. Ergänzt wurde diese Datenbasis durch ausgewählte, bereits publizierte Korpora zu universitären Sprechstundengesprächen. Auf der Grundlage der Sprechstundengespräche zwischen Lehrenden und deutschen Studierenden konnten rekurrente, charakteristische Gesprächsphänomene ermittelt und beschrieben werden. Es wurde festgestellt, dass Hochschullehrende und deutsche Studierende ihr sprachliches Handeln an Ablaufplänen orientieren, die das Gespräch in thematischer Hinsicht strukturieren. Als charakteristisches Merkmal konnten beispielsweise auf Seiten der Studierenden die Sachlichkeit bzw. das Verbleiben auf der Sachebene sowie die direkte Einführung in das Thema festgestellt werden. Das kommunikative Verhalten der internationalen Studierenden wies demgegenüber Abweichungen von den charakteristischen Ablaufschemata auf, die anhand von Transkriptauszügen exemplarisch dokumentiert wurden. Besonders starke Divergenzen zeigten sich dabei innerhalb der Eröffnungsphasen von Sprechstundengesprächen, in denen kulturspezifische Unterschiede hin- <?page no="206"?> 4.1 Zusammenfassung und Fazit 207 sichtlich der Selbstdarstellung und der konkreten Benennung des Anliegens deutlich wurden. So fehlte in den angeführten Beispielen der internationalen Studierenden die explizite Benennung des Anliegens und/ oder eine klare Formulierung des Gesprächsziels. Stattdessen wurde das Gespräch entweder mit einer längeren Sequenz mit kontextfernen Angaben (siehe Beispiel Nr. 7) oder ganz ohne kontextualisierende Einleitung eröffnet (siehe Beispiel Nr. 5 und Beispiel Nr. 6). Die vorgestellten Transkriptauszüge (Beispiele Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 7) stützten die Annahme, dass die untersuchten internationalen Studierenden nur über ein eher eingeschränktes Repertoire an gattungsspezifischen Formulierungen verfügten und mit dem typischen Handlungsablauf eines universitären Sprechstundengesprächs offenkundig nicht vertraut waren. Die aus diesen Analysen gewonnenen Erkenntnisse bildeten zusammen mit den theoretischen Überlegungen aus dem ersten Kapitel die Basis für die im dritten Kapitel dargestellte Konzeption des Förderangebots Unicomm -Deutsch. Die Besonderheit des Forschungsgegenstands ‚Sprechstundengespräche‘ als außerordentlich heterogene und komplexe kommunikative Gattung (Kiesendahl 2011a: 35) im Zusammenspiel mit dem ebenso komplexen Prozess der Entwicklung eines lernerorientierten Online -Angebots machten den Forschungszugang zu einer besonderen Herausforderung. So gestaltete sich aufgrund der Notwendigkeit, kontinuierlich Reflexionsschleifen in den Gestaltungsprozess einzubauen, die Darstellung strikt linear aufeinander folgender Forschungsphasen (Datenerhebung, Datenaufbereitung, Datenanalyse) als schwierig. Mit der Beschreibung der Entwicklung des Online -Angebots in Abschnitt 3.2 wurden Einblicke in die verschiedenen Etappen des Forschungsverlaufs gewährt. Die ursprüngliche Idee der Entwicklung eines Formulierungswörterbuchs wurde im Laufe des Projekts in vielfältiger Weise erweitert, ergänzt und an die Bedürfnisse internationaler Studierender angepasst. Zur Identifizierung von Stärken und Verbesserungspotenzialen ist das Angebot UniComm -Deutsch bereits während seiner Entwicklung mehrfach in Workshops mit internationalen Studierenden erprobt und evaluiert worden. Die Ergebnisse dieser Evaluationen wurden zur kontinuierlichen Optimierung des Angebots genutzt. Ein besonderes Merkmal des Angebots UniComm -Deutsch sind die Videoaufnahmen semi-authentischer Sprechstundengespräche, die als illustrative Wirklichkeitsausschnitte kulturspezifische Inhalte und Erfahrungen transportieren, für die Besonderheiten universitärer Sprechstundengespräche sensibilisieren und gleichzeitig mit dem multimedialen Materialangebot einen Mehrwert darstellen: Im Sinne von ‚best practice’ präsentieren die Videos relevante und typische Schlüsselsituationen in Sprechstundengesprächen. Neben Sprache und sprachbegleitender Mimik und Gestik veranschaulichen sie weitere kontextuelle Gegebenheiten und erlauben eine ganzheitliche, situierte Auseinandersetzung mit <?page no="207"?> 208 4 Schlussbetrachtung der Gattung ‚Sprechstundengespräch‘. Die Videos wurden mit verschiedenen Varianten an Untertiteln versehen, um gezielt sprachliche Realisierungsformen hervorzuheben und die Aufmerksamkeit auf die Formulierungsebene lenken zu können. Nutzer/ innen haben so die Wahl, ob sie entweder alle Äußerungen in vollständigen Sätzen als Verständnishilfe eingeblendet sehen wollen oder nur die gattungsspezifischen Formulierungen oder aber auch nur die Videos ohne jede schriftliche Ergänzung. Als Material zum Mitlesen bzw. zum Ausdrucken steht in jedem Fall das gesamte Skript des Szenarios zur Verfügung. Somit enthält das Online -Angebot notwendige Elemente für einen differenzierten, selbstbestimmten, autonomen Lernprozess. Es kann resümierend festgehalten werden, dass es sich bei der Vermittlung und dem Erwerb von Struktur-, Formulierungs- und Verhaltensmustern um sehr komplexe Vorgänge handelt. Das konkrete sprachliche Handeln kann sich daher nicht in der Ausführung von Musterstrukturen und einer vorgegebenen Auswahl möglicher sprachlicher Realisierungen erschöpfen (vgl. Ehlich/ Rehbein 1994: 163). Durch die Integration von Videos, welche die Besonderheiten mündlicher Kommunikation in spezifischen Handlungszusammenhängen verdeutlichen, bietet das multimediale Angebot UniComm -Deutsch die Möglichkeit einer intensiven, mehrperspektivischen Beschäftigung mit gesprochener Sprache im interkulturellen Kontext universitärer Sprechstunden. Die Erprobung der verschiedenen Entwicklungsversionen des Angebots fand im Rahmen mehrerer Workshops mit internationalen Studierenden statt. Das Angebot traf bei den internationalen Studierenden generell auf breite Zustimmung, besonders positiv im Rahmen der Erprobung der finalen Version mit den wirklichkeitsnahen Videos. Dies veranschaulichen etwa die folgenden Antworten auf die offene Frage im Fragebogen „Was finden Sie besonders gut? “: „Dieses Angebot finde ich ganz nützlich und pragmatisch, weil Sprechstunden für uns ausländische Studenten sehr fremd sind.“, „Ich finde die Erklärungen und die praktische [sic! ] Handlungsempfehlungen sehr hilfreich.“ oder „Die Videos sind ansprechend und anschaulich.“ Auch die Nutzerzahl des Online -Angebots mit 1.220.000 Aufrufen - Februar 2019 - belegt ein hohes und kontinuierlich steigendes Interesse. 4.2 Ausblick Die vorliegende Arbeit hat sich mit Kommunikationsschwierigkeiten auseinandergesetzt, die in einem interkulturellen Kontext (universitäre Sprechstundengespräche) auftreten können. Theoretisch hergeleitet, empirisch erforscht, didaktisch umgesetzt und adressatenspezifisch in Workshops evaluiert, wurde <?page no="208"?> 4.2 Ausblick 209 ein Ansatz entwickelt, der durch die Bereitstellung von Informationen über die relevanten Merkmale einer kommunikativen Gattung, über kulturelle Besonderheiten und durch die Zusammenstellung sprachlicher Formulierungshilfen auf unterschiedlichen Ebenen in einem Online -Angebot Unterstützung für eine möglichst erfolgreiche Bewältigung der kommunikativen Aufgaben im Rahmen eines universitären Sprechstundengespächs anbietet. Der vorgestellte praxisorientierte Ansatz bietet vielfältiges Potenzial für künftige Anschlussforschungen. Im Sinne der Wirkungsforschung wäre eine Überprüfung der praktischen Anwendung durch Studierende in realen Sprechstunden sinnvoll. In einem ‚Vorher-Nachher-Vergleich‘ anhand einer audio- oder videobasierten Dokumentation ließe sich feststellen, inwieweit die Auseinandersetzung mit den Inhalten von UniComm -Deutsch, Veränderungen im kommunikativen Verhalten der Nutzer/ innen bewirken. Ein experimentielles Studiendesign könnte hierzu aussagekräftige Erkenntnisse liefern. Im Fokus der vorliegenden Arbeit standen allgemeine Merkmale von universitären Sprechstundengesprächen. Für zukünftige Forschungsaktivitäten wäre der Einbezug von fachspezifischen Merkmalen universitärer Sprechstundengespräche interessant. Hierzu könnte eine Erweiterung des Korpus‘ um Sprechstundengespräche in unterschiedlichen Fachbereichen (Naturwissenschaften, Kunst, Medizin, etc.) und die Analyse fachspezifischer Besonderheiten vorgenommen werden. Eine Ergänzung der im Online -Angebot erfassten acht Kommunikationssituationen einer Sprechstunde um weitere studienrelevante Situationen, beispielsweise die Besprechung von Ergebnissen eines Experiments in den Naturwissenschaften könnte zur Optimierung des Angebots beitragen. Eine Erweiterung von UniComm -Deutsch um zusätzliche mündliche Kommunikationsbereiche an der Hochschule, die internationalen Studierenden Schwierigkeiten bereiten können, wie z. B. Prüfungsgespräche, vorlesungsbegleitende Tutorien oder auch Kommunikation in der Hochschulverwaltung, bieten weiteren Raum für zukünftige Forschung Das didaktisch-methodische Prinzip des hier vorgestellten Ansatzes lässt sich auch auf andere interkulturelle Beratungsgespräche, wie z. B. Elterngespräche in der Schule, Arzt-Patientengespräche oder Gespräche in der Ausländerbehörde übertragen, wo Handlungen im Sinne der Institution ausgeführt werden und die Merkmale eines Experten-Laien Gesprächs aufweisen (vgl. Abschnitt 1.4.2). Durch ein theoretisch und didaktisch aufbereitetes und erprobtes Angebot wie UniComm -Deutsch könnten internationale Mitbürger/ innen bei der Bewältigung von vielfältigen sprachlichen und kulturellen Herausforderungen, sachgerecht und adressatenspezifisch unterstützt werden. Abschließend ist festzuhalten, dass der unkomplizierte Zugriff auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelten Materialien in Form eines Online -Angebots <?page no="209"?> 210 4 Schlussbetrachtung in ihrer lernerfreundlichen, erfolgsorientierten und differenzierten Herangehensweise neben sprachlichen und kulturellen Lernzielen v.a. auch ein übergeordnetes und sehr wichtiges Ziel fördert, nämlich die Autonomie der Nutzer/ innen. <?page no="210"?> 5 Literaturverzeichnis 211 5 Literaturverzeichnis Adamzik, Kirsten (1995): Textsorten-- Texttypologie eine kommentierte Bibliographie . Münster: Nodus-Publ. Agar, Michael (2002): Language shock. Understanding the culture of conversation . Reprinted. 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Entschuldigen Sie bitte die Störung, ich wollte nur … Sich begrüßen Guten Tag, Herr … / Frau … Sich vorstellen Ich heiße … und besuche Ihr Seminar … Mein Name ist … und ich besuche bei Ihnen das Seminar … Ich studiere … als Hauptfach und … als Nebenfach Ich habe letztes Semester bei Ihnen die Vorlesung … besucht Sich bedanken Vielen Dank Herzlichen Dank Ich bedanke mich ganz herzlich vielen Dank, das hilft mir weiter Danke, jetzt ist alles klar Danke, jetzt weiß ich, wie ich weiter vorgehen soll Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen Vielen Dank, das bringt mich wieder weiter 6 Anhang <?page no="231"?> 232 6 Anhang Danke schön, ich komme dann (wie verabredet) nächste Woche noch einmal vorbei Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben Vielen Dank (für das Gespräch), das hat mich sehr viel weiter gebracht Danke, das Gespräch hat mir sehr geholfen Vielen Dank für Ihr Verständnis Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen Das ist für meine weitere Arbeit ein wichtiger Gedanke, vielen Dank für den Hinweis Ich danke Ihnen für den Hinweis, das wird mir bei der Überarbeitung helfen Auf Dank reagieren Bitte schön gerne Gern geschehen Keine Ursache Nichts zu danken Sich entschuldigen Ich bitte um Entschuldigung für … Ich muss mich dafür wirklich entschuldigen Verzeihen Sie bitte die Verspätung Entschuldigen Sie bitte, dass ich so spät komme Entschuldigen Sie bitte, dass ich die Arbeit erst jetzt abgebe, aber … Verzeihung, den Termin hätte ich nicht vergessen dürfen Tut mir leid, das war nicht meine Absicht Entschuldigung, so war das nicht gemeint, ich habe mich da wohl falsch ausgedrückt Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich letzte Woche nicht an Ihrem Seminar teilnehmen konnte <?page no="232"?> Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 233 Auf Entschuldigungen reagieren Ist nicht schlimm Kein Problem, es ist schon in Ordnung Zustimmen, beipflichten Ja, das denke ich auch ja, das stimmt, so ist es logischer Ja, das sehe ich genauso / auch so Ja, auf jeden Fall kann man das so machen … / kann ich das so machen Ich bin ganz Ihrer Meinung Sie haben (vollkommen) Recht Das überzeugt mich, vor allem, weil … Eingeschränkt zustimmen/ einwenden Das stimmt natürlich, aber … Stimmt, aber sollte man nicht auch … bedenken? Das ist richtig, aber sollte man nicht auch einbeziehen / bedenken, dass … Richtig, aber könnte / kann man das nicht auch so sehen, dass Genau, sollte man aber nicht auch berücksichtigen, dass … Ja, aber sollte man nicht auch … berücksichtigen Müsste man hier nicht auch … beachten Ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht ganz folgen, denn … Korrigieren Oh Entschuldigung, ich wollte damit sagen, dass … Was ich eigentlich sagen wollte, war … Entschuldigung, da meinte ich nicht …, sondern … Da habe ich mich versprochen, es muss heißen …, nicht … <?page no="233"?> 234 6 Anhang Ich fürchte, ich habe mich da falsch ausgedrückt Verzeihung, ich glaube, da ist mir ein Fehler unterlaufen Zugeben, eingestehen Stimmt, das habe ich nicht beachtet Ach so, das habe ich gar nicht so gesehen Richtig / ach ja, das habe ich gar nicht bedacht Ja, (gut), das kann ich so machen Ja, ich muss Ihnen da Recht geben, jetzt sehe ich das auch Da muss ich mich nochmal dran setzen Ich muss zugeben, ich habe mich nicht optimal / ausreichend informiert Ich muss zugeben, das ist nicht ganz so gelaufen wie geplant/ vorgestellt ich muss zugeben, ich war ein bisschen überfordert Rechtfertigung Vielleicht kann ich das näher erklären/ erläutern Darf ich das eben erklären? Lassen Sie es mich anders erklären/ sagen: Ich würde das so erklären, dass Ich würde das damit begründen, dass Das hier war ein ganz neues Thema für mich und ich war auch ein bisschen überfordert Ums Wort bitten Dazu würde ich gerne noch sagen, dass Darf ich noch/ etwas dazu sagen? Ich glaube, dass … Ich möchte noch etwas fragen und zwar, ob … Darf ich zu diesem Punkt eben noch etwas sagen? Wir haben gerade über … gesprochen, dazu würde ich gerne noch sagen, dass … Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber … <?page no="234"?> Entschuldigung, dürfte ich Sie hier kurz mal unterbrechen? Entschuldigen Sie, erlauben Sie eine kurze Zwischenfrage? Wenn ich Sie einmal kurz unterbrechen darf; ich finde, … Verzeihen Sie bitte, bloß eine kurze Zwischenfrage Erlauben Sie (mir) eine Anmerkung? / Bemerkung? Bitten zu buchstabieren Entschuldigung, schreibt man das so? Entschuldigung, wie schreibt man das? Wie wird das genau geschrieben? R … O … S … Könnten Sie mir den Namen des Autors bitte buchstabieren? Würden Sie mir den Namen / Begriff bitte aufschreiben? Nicht-Verstehen signalisieren Tut mir leid, das habe ich jetzt nicht ganz verstanden Ich fürchte, das habe ich nicht ganz verstanden Ich fürchte, ich habe nicht alles verstanden Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt? Ich habe Sie akustisch nicht verstanden Entschuldigung, ich konnte Ihnen leider nicht folgen Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe Mir ist noch nicht ganz klar (geworden), wie … / ob … Ich fürchte, mir ist noch nicht ganz klar geworden, ob … Um sprachliche Erklärung zu Äußerungen bitten Könnten Sie das vielleicht nochmal erklären? Entschuldigung, könnten Sie (mir) das bitte noch einmal erklären? Entschuldigung, könnten Sie genauer erklären, was mit … gemeint ist? Was bedeutet … (jetzt / hier) genau in diesem Zusammenhang? Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 235 <?page no="235"?> 236 6 Anhang Bitte etwas zu explizieren, kommentieren Sie meinen also, dass … Könnten Sie dafür ein Beispiel geben? Gibt es für … vielleicht eine Umschreibung/ ein anderes Wort? Entschuldigung, könnten Sie mir dazu genauere Informationen geben? Würden Sie das bitte etwas genauer ausführen? Entschuldigung, könnten Sie das vielleicht noch mehr erläutern? Verständnis sichern Soll ich also … ? Ich sollte also …, ist das richtig? Habe ich Sie richtig verstanden, dass …? Sehe ich das richtig, dass …/ wenn… Wenn ich das richtig verstanden habe, heißt das … Das würde bedeuten, dass … Darf ich kurz zusammenfassen, was ich verstanden habe? Um es richtig festzuhalten, fasse ich jetzt noch einmal zusammen Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, ich mache jetzt … Also das heißt, ich mache jetzt … zögern, nach Worten suchen Ich finde jetzt das richtige Wort nicht Ich habe leider das Wort/ den Namen vergessen Mir fällt das Wort/ der Name nicht mehr ein Spezifische Sprechhandlungen zur Sprechstunde Allgemeine Anliegen benennen In erster Linie geht es mir um … Ich hätte einige Fragen zu … <?page no="236"?> Ich möchte mich mit einer Bitte an Sie wenden Ich komme zur Nachbesprechung meines Referates/ meiner Hausarbeit Es geht um das Thema des Referates … Es geht um die Abgabefrist meiner Hausarbeit Ich würde gerne mit Ihnen über meine Hausarbeit/ mein Referat/ … sprechen Ich habe mich gestern/ letzte Woche telefonisch / per E-Mail gemeldet und komme heute wegen … Ich war letzte Woche wegen meiner Hausarbeit bei Ihnen und sollte nochmal wieder kommen Ich war in der vorletzten Sprechstunde bei Ihnen; wir hatten über meine Hausarbeit gesprochen und jetzt wollte ich … Es geht um eine Hausarbeit, die ich nächste Woche bei Ihnen einreichen soll Ich habe Ihnen vorige Woche eine E-Mail geschrieben wegen des Referates/ der Hausarbeit für das Seminar "…" und jetzt wollte ich … Ich komme wegen des Exkursionsberichts, den ich abgegeben hatte Ich wollte (kurz) mit Ihnen meine Prüfungsthemen besprechen Zusätzliche / fortführende Anliegen einleiten Ich habe noch eine Frage zu … Ich würde gerne fragen … Ich habe noch ein zweites Anliegen und zwar … Was ich Sie noch fragen wollte: … Da fällt mir gerade noch ein, dass ich Sie fragen wollte, ob … Da wäre noch eine Sache/ Angelegenheit, die ich gerne mit Ihnen besprechen würde Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 237 <?page no="237"?> 238 6 Anhang Karrierebezogene Anliegen Bewerbung um Hilfskraftsstellen/ Stellen an der Uni Muss ich eine schriftliche Bewerbung einreichen? Können Sie mir sagen, an wen ich mich bezüglich einer Hilfskraftsstelle wenden kann? Frage nach Promotionsmöglichkeiten Wäre es möglich, zu diesem Thema bei Ihnen zu promovieren? Ich würde mich sehr gerne weiter mit diesem Thema beschäftigen, würden Sie meine Promotion dazu betreuen? Könnte man das Thema der Masterarbeit zu einer Dissertation erweitern? Kann die Dissertation auf der Masterarbeit aufbauen? Könnte ich das Projekt … mit einer Dissertation (darüber) verbinden? Frage nach Stipendienmöglichkeiten Könnten Sie mir sagen, wo ich mehr Informationen zu Stipendienmöglichkeiten bekomme? Kennen Sie vielleicht Stipendienprogramme, die meine Promotion unterstützen würden? Könnten Sie mir sagen, wo ich für mein Projekt/ Promotionsvorhaben Fördermittel beantragen kann? Kennen Sie vielleicht Organisationen, die solche Themen fördern? Wissen Sie vielleicht von Organisationen / Stellen / Stiftungen, die für solche Vorhaben Stipendien vergeben? Könnten Sie mir bitte einen Rat geben, wo ich für mein Projekt Fördermittel beantragen kann? Eigenes Interesse ausdrücken Ich würde sehr gerne ein Referat über das Thema … halten <?page no="238"?> Über (das Thema) … habe ich schon einiges gelesen und finde es sehr interessant … Ich habe in Ihrem Seminar viele Anregungen bekommen und mich interessiert besonders das Thema … Ich habe mir schon einige Gedanken zu dem Thema … gemacht und würde sehr gerne eine Hausarbeit dazu schreiben Ich habe mich schon länger mit dem Thema … beschäftigt, und was ich besonders spannend finde, ist … Ich habe bereits einiges an Literatur zu dem Thema … gelesen und finde das alles sehr spannend Mich interessiert das Thema …, weil ich in der Literatur immer wieder Hinweise darauf finde Kann ich auch ein Thema wählen, das nicht auf der Liste steht? Ich habe mir die Liste mit den Themenvorschlägen angeschaut. Könnte ich auch ein eigenes Thema vorschlagen? Studienorganisatorische Fragen Fragen zu Prüfungsvoraussetzungen Welche Leistungsnachweise muss ich für die Prüfung erbringen? Könnten Sie mir sagen, was für eine Prüfung ich ablegen muss Ich habe mir schon die Prüfungsordnung angeschaut, aber mir ist nicht klar, was … Ich habe mich schon beim Prüfungsamt erkundigt, aber mir ist … immer noch nicht klar Ich war schon im Prüfungsamt, dort hat man mich aber an Sie verwiesen Frau/ Herr … vom Prüfungsamt hat mir geraten, mit Ihnen über … zu sprechen Mit wem soll ich die Themen der Prüfung absprechen? Unter welchen Bedingungen kann ich in die neue Prüfungsordnung wechseln? Ich möchte in die neue Prüfungsordnung wechseln, meine Frage ist, welche Voraussetzungen ich dafür erfüllen muss? Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 239 <?page no="239"?> 240 6 Anhang Ich möchte mich nächstes Jahr zur Prüfung anmelden und wollte mich nach dem Verfahren erkundigen Kann ich mich schon zur Masterarbeit anmelde, obwohl ich noch nicht alle Scheine habe? Bevor ich mich zur Prüfung anmelde, wollte ich mich bei Ihnen noch einmal über die Prüfungsvoraussetzungen informieren Ich möchte Sie fragen, wie bei Ihnen Klausuren geregelt sind Wann muss ich mein Thesenpapier/ meine Literaturliste eingereicht haben? Fragen zum Studiengangswechsel Was wird anerkannt, wenn ich das Hauptfach / Nebenfach ändere / ändern würde? Ich würde gerne den Studiengang wechseln. Was genau muss ich beachten? Ich möchte gern mein Hauptfach wechseln, wie muss ich da vorgehen? Ich möchte mein Hauptfach / Nebenfach wechseln, was ist dafür erforderlich? Besteht die Möglichkeit, mein Nebenfach zu wechseln? Würde ich meine Leistungspunkte angerechnet bekommen, wenn ich das Fach wechseln würde? Fragen zu Studienrichtlinien (Krankheitsfall, Rücktritt von einer Prüfung etc.) Wann / Wo / Wem muss ich das Attest bei Nichtteilnahme an einer Prüfung vorlegen? Was muss ich tun, wenn ich an einer Sitzung nicht teilnehmen kann? Kann ich die Klausur wiederholen, um meine Note zu verbessern? Besteht die Möglichkeit, die Klausur noch einmal zu schreiben, um meine Note zu verbessern? Wegen … kann ich nicht an jeder Sitzung teilnehmen. Wäre es trotzdem möglich, einen Schein zu bekommen, z. B. durch eine Zusatzaufgabe? <?page no="240"?> Fragen zur Anerkennung von zuvor erbrachten Leistungen Könnten Sie mir … anerkennen? Wird mir auch … anerkannt? Kann ich mir … anerkennen lassen? Kann ich mir dieses Praktikum auf das Seminar … anrechnen lassen? Ich habe hierzu schon Zertifikate / Zeugnisse erworben, werden die hier anerkannt? Besteht die Möglichkeit, dass mein Praktikum hier anerkannt wird? Fachliche und inhaltsbezogene Fragen Fragen zu Veranstaltungsinhalten Die Theorie, die Sie im Seminar … erwähnt haben, finde ich sehr interessant. Haben Sie weiterführende Literatur dazu? Mir fehlt das Hintergrundwissen zu der Theorie, die Sie im Seminar erwähnt haben. Deshalb wollte ich Sie nach einführender Literatur zu diesem Thema fragen Fragen zu schriftlichen Arbeiten/ Referaten Ich muss einen Leistungsnachweis erwerben und würde deshalb gerne ein Referat in Ihrem Seminar halten … Ich brauche einen Leistungsnachweis und wollte Sie fragen, ob ich bei Ihnen eine Hausarbeit über … schreiben kann Ich war in der ersten Sitzung, in der Sie die Themen für die Referate verteilt haben, nicht da. Und wollte fragen, ob ich noch ein Thema übernehmen könnte / ob noch ein Thema übrig ist Fragen zu Anforderungen an eine Hausarbeit/ ein Referat Wie lang sollte die Hausarbeit sein? Wie lang darf die Arbeit werden? Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 241 <?page no="241"?> 242 6 Anhang Gibt es bestimmte Seitenvorgaben für die Hausarbeit? Wie sollte das Layout aussehen? Gibt es bestimmte Vorgaben für das Layout? Fragen zu Abgabefristen und Abgabe einer schriftlichen Arbeit Kann ich die Arbeit auch im Sekretariat abgeben? Bis wann müsste ich die Arbeit einreichen / abgeben? Soll ich die Arbeit persönlich einreichen oder kann ich sie in Ihr Fach legen? Könnte ich Ihnen meine Hausarbeit auch als Attachement per E-Mail schicken? Bis wann sollte die Arbeit spätestens eingereicht werden? Bis wann sollte ich denn die Hausarbeit eingereicht haben? Reicht es, wenn ich die Arbeit/ das Protokoll bis … (Datum) abgebe? Fragen zum Thema einer Hausarbeit / eines Referats Das ist meine erste Hausarbeit und ich bin mir nicht sicher, wie ich vorgehen soll Ich habe mir das Thema noch nicht konkret formuliert, mich interessiert jedoch … Ich habe noch kein konkretes Thema, mich interessiert aber … Ich habe mich jetzt für das Thema … entschieden und bin gerade dabei, ein Konzept zu erstellen Bezüglich / Hinsichtlich des Themas habe ich mir Folgendes überlegt Das Thema … würde mich interessieren, weil … Ich würde gern mein Thema erweitern und zwar … Ich suche ein Thema für eine Hausarbeit und brauche Ihre Unterstützung Ich habe mich in verschiedene Themen eingelesen und mich interessiert besonders das Thema … <?page no="242"?> Fragen zur Literatur Gibt es Literatur, die Sie mir empfehlen könnten? Ich habe leider keine aktuelle Literatur gefunden. Könnten Sie mir weiterhelfen Wissen Sie vielleicht, ob es zu diesem Thema noch mehr Literatur gibt? Könnten Sie mir zum Thema … noch weitere Literatur empfehlen? Gibt es Sekundärliteratur, die ich unbedingt noch einarbeiten/ berücksichtigen sollte? Ich habe bis jetzt nur etwas zu … gefunden, aber mir fehlt noch mehr/ weiterführende Literatur zum Bereich …, gibt es etwas, was Sie mir empfehlen könnten? Ich habe bislang nur zwei Titel dazu gefunden, die aber leider nicht so viel hergeben / veraltet sind Fragen zur Gliederung / Exposé/ Struktur / Konzept Ich wollte meine Gliederung mit Ihnen besprechen Würden Sie sich bitte mein Inhaltsverzeichnis anschauen, und mir sagen, ob das so in Ordnung ist Ich habe Ihnen vor einer Woche mein Exposé per E-Mail geschickt und wollte fragen, ob wir es heute zusammen besprechen könnten Sie hatten mir eine Mail zu meinem Exposé geschickt, die Anregungen fand ich sehr hilfreich, aber ich hätte noch ein paar Fragen dazu … Ich habe schon eine erste Gliederung erstellt, aber jetzt komme ich nicht mehr weiter und wollte Sie um Hilfe bitten Ich habe mein Exposé nochmal überarbeitet und ein paar Änderungen vorgenommen, die ich mit Ihnen gerne durchgehen würde Fragen zur Eingrenzung des Themas Ich würde den Schwerpunkt meiner Arbeit gern auf … setzen, halten Sie das für sinnvoll? Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 243 <?page no="243"?> 244 6 Anhang Ich bin nicht sicher, wie ich das Thema eingrenzen kann Mir scheinen alle Aspekte wichtig. Ich weiß nicht genau, wie ich das Thema eingrenzen könnte Fragen zur Nachbesprechung Studienleistungen Ich wollte Sie fragen, wie Sie mein Referat fanden Ich wollte Sie um ein Feedback zu meinem Referat bitten Könnten Sie mir bitte eine Rückmeldung zu meiner Hausarbeit geben? Ich wollte nachfragen, ob Sie schon dazu gekommen sind / Zeit hatten, meine Hausarbeit zu lesen Fragen nach Möglichkeit der Überarbeitung Jetzt weiß ich, was ich verbessern soll, dürfte ich die Arbeit vielleicht nochmal überarbeiten? Gäbe es vielleicht die Möglichkeit, die Arbeit noch einmal zu bearbeiten? Könnte ich die Arbeit nochmal überarbeiten, um Ihre Anregungen einzubauen? Ich hätte gerne eine bessere Note, könnte ich die Arbeit noch mal überarbeiten? Fragen zu Abschlussarbeiten Ich habe schon eine Hausarbeit über das Thema … geschrieben und würde das jetzt gerne in der Masterarbeit vertiefen Fragen zu Abschlussprüfungen Ich habe mir jetzt für die Abschlussprüfung drei Themen überlegt, und zwar … Ich habe mich für drei Themen entschieden und wollte fragen, ob Sie mit ihnen einverstanden sind Ich habe eine Literaturliste zu den Prüfungsthemen zusammengestellt, die ich gerne mit Ihnen besprechen würde <?page no="244"?> Ich habe mich schon mit der Literatur zum Thema auseinandergesetzt und wollte Sie fragen, ob das Thema für die Prüfung geeignet wäre? Fragen zu Leistungsnachweisen Ich würde gerne einen Leistungsnachweis bei Ihnen machen und wollte nachfragen, was ich dafür tun muss? Ich brauche einen Leistungsnachweis, und wollte fragen, welche Anforderungen Sie daran stellen? Ich muss einen Leistungsnachweis in Ihrem Seminar machen, welche Möglichkeiten gibt es da? Was müsste ich tun, um bei Ihnen einen Teilnahmeschein zu bekommen? Es geht um das Seminar … und da wollte ich jetzt gerne meinen Schein abholen Ich habe in Ihrem Seminar ein Referat über … gehalten und wollte fragen, ob ich den Schein schon abholen könnte? Ich wechsele an die Uni Bremen, deswegen bräuchte ich den Schein bis zum … Wäre das möglich? zur Anmeldung (Exkursionen/ Prüfungen, etc …) Ich möchte mich für die Exkursion nach … anmelden Bis wann muss ich mich für die Prüfung anmelden? Wann endet die Anmeldefrist zur Zwischenprüfung? Gibt es bestimmte Anmeldefristen? Könnten Sie mir sagen, an wen ich mich wenden muss, um mich zur Prüfung anzumelden Für die Anmeldung zur Prüfung bräuchte ich noch eine Unterschrift von Ihnen Brauche ich außer meinen Scheinen noch andere Unterlagen zur Anmeldung? Ich bräuchte noch eine Unterschrift, dass Sie bereit sind, mich zu prüfen Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 245 <?page no="245"?> 246 6 Anhang Es geht um die Exkursion nach …, ich wollte Sie fragen, ob noch Plätze frei sind Wären Sie bereit mich zu prüfen? Bitten / Wünsche äußern Bitte um Fristverlängerung Ich habe ein großes Problem. Es geht um die Abgabe meiner Hausarbeit … Ich glaube, dass ich es nicht schaffen werde, die Arbeit in dieser Woche zu beenden, deshalb … Ich fürchte, ich schaffe es nicht die Arbeit rechtzeitig abzugeben … Eigentlich hätte ich die Arbeit abgeben sollen, aber ich habe es leider nicht geschafft, … Ich habe es leider nicht geschafft, meine Hausarbeit zum vorgegebenen Termin fertig zu stellen Leider haben sich bei mir ein paar Probleme ergeben, so dass ich die Arbeit nicht bis nächste Woche einreichen kann, … Leider habe ich mich mit der Zeit verschätzt, und deshalb werde ich es nicht schaffen, die Arbeit fristgerecht abzugeben, … Mein Konzept für die Hausarbeit habe ich schon fertig, aber ich habe mich irgendwie mit der Zeit verschätzt, daher … …, daher wollte ich Sie um eine Fristverlängerung für die Abgabe meiner Arbeit bitten …, deshalb wollte ich Sie fragen, ob ich vielleicht eine Fristverlängerung bekommen könnte …, könnten/ würden Sie mir daher eine Fristverlängerung für die Abgabe der Hausarbeit geben? Ich habe ein Problem. Ich fürchte, dass ich es nicht schaffen werde, meine Abschlussarbeit fristgerecht einzureichen. Wäre auch ein späterer Abgabetermin möglich? Könnten Sie mir daher einen späteren Abgabetermin einräumen? Bitte um Gutachten/ Referenzen/ Unterschrift Könnten Sie mir bitte … unterschreiben? <?page no="246"?> Ich bräuchte noch eine Unterschrift für … Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir eine Referenz schreiben würden. Ich möchte mich um eine Stelle bei … bewerben und wollte Sie bitten, mir ein Gutachten zu schreiben. Ich möchte mich gerne bei … um eine Stelle bewerben. Darf ich Sie als Referenz angeben? Ich möchte mich um eine Stelle bei … bewerben. Könnten Sie eventuell ein Gutachten für mich schreiben? Ich bewerbe mich gerade um eine Stelle bei … und möchte Sie fragen, ob ich Sie als Referenz angeben darf Anhang 1: Chunk -Angebot, erste Entwicklungsphase 247 <?page no="247"?> 248 6 Anhang Anhang 2: Fragebogen, erste Erprobung (Sommersemester 2009) Bitte geben Sie anhand der folgenden Aussagen eine Bewertung des Workshops und des Chunk-Angebots ab. trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu 1 2 3 4 1. Der Workshop war für mich hilfreich.     2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Referats oder eines Sprechstundengesprächs erhalten.     3. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Referats oder eines Sprechstundengesprächs hilfreich.     4. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln.     5. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert.     6. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.     7. Ich werde bei der Vorbereitung eines Referats oder eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen.     Anhang 2: Fragebogen, erste Erprobung (Sommersemester 2009) <?page no="248"?> Anhang 3: Evaluationsbogen, erste Erprobung 249 Anhang 3: Evaluationsbogen, erste Erprobung Universität Kassel, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Sommersemester 2009, teilnehmende Studierende: 9 1. Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 7 (78 %) trifft eher zu 2 (22 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 zu 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Der Workshop war für mich hilfreich. 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs erhalten. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 7 (78 %) trifft eher zu 2 (22 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="249"?> 250 6 Anhang Musterdatei NFA_Basis_A.dot 336 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs erhalten. 3. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs hilfreich . Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 7 (78%) trifft eher zu 2 (22%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 5 (56%) 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs erhalten. 3. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 5 (56 %) trifft eher zu 4 (44 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 337 4. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. trifft eher zu 4 (44%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 4 (44%) 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs hilfreich. 4. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 4 (44 %) trifft eher nicht zu 5 (56 %) trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="250"?> Anhang 3: Evaluationsbogen, erste Erprobung 251 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 338 5. Das Chunk-Angebot ist gut strukturiert. trifft eher nicht zu 5 (56%) trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 3 (33%) trifft eher nicht zu 6 (67%) trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. 5. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 3 (33 %) trifft eher nicht zu 6 (67 %) trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 339 6. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 4 (44%) trifft eher nicht zu 5 (56%) trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Das Chunk-Angebot ist gut strukturiert. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. 6. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 4 (44 %) trifft eher nicht zu 5 (56 %) trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="251"?> 252 6 Anhang Musterdatei NFA_Basis_A.dot 339 6. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 4 (44%) trifft eher nicht zu 5 (56%) trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Das Chunk-Angebot ist gut strukturiert. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. 7. Ich werde bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 7 (78 %) trifft eher zu 2 (22 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 340 7. Ich werde bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 7 (78%) trifft eher zu 2 (22%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich werde bei der Vorbereitung eines Referates oder eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen. <?page no="252"?> Anhang 4: Kulturstandards an deutschen Hochschulen 253 Anhang 4: Kulturstandards an deutschen Hochschulen Jede Kultur weist eine Menge an Merkmalen auf, die für diese Kultur charakteristisch sind. Diese Spezifika lassen sich unter dem Begriff „Kulturstandards“ zusammenfassen. Die folgenden Ausführungen sollen Ihnen einen Überblick über Besonderheiten im akademischen Kontext an deutschen Hochschulen liefern, deren Beachtung einer gelingenden interkulturellen Kommunikation förderlich sein kann. 18 Sachorientierung Die deutsche Kultur ist vor allem durch „Sachlichkeit“ geprägt. Ein sachliches Verhalten wird mit Professionalität gleichgesetzt und impliziert die weitgehende Kontrolle von Emotionen und persönlichen Empfindlichkeiten. Entsprechend ist auch der Kommunikationsstil durch Sachlichkeit bestimmt. Die Argumentation ist in der Regel zielorientiert, Schwachstellen werden meist offen benannt, und es wird vorwiegend mit Fakten argumentiert. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass Sie bei der Kommunikation auf längere Höflichkeitsfloskeln verzichten und Ihr eigentliches Anliegen ohne größere Umwege zur Sprache bringen sollten, denn in Deutschland „kommt man schnell zur Sache“ und „bleibt bei der Sache“. 18 Diese Hinweise wurden in enger Anlehnung an den folgenden Aufsatz formuliert: Schroll-Machl, Sylvia (2007). Deutschland. In: Thomas, Alexander / Kinast, Eva-Ulrike / Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kooperation . Band. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit. 2. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 72-89. Des Weiteren empfehlen wir die Publikationen und Produkte, die im Rahmen der anderen Teilprojekte des MuMiS-Projekts entstanden sind: Teilprojekt C: Integration internationaler Studierender und Förderung interkultureller Kompetenzen (Projektleitung: Adelheid Schumann): http: / / www.mumis-projekt.de/ ci/ Teilprojekt A: Sprachkompetenz und akademische Kultur in Studiengängen mit Englisch als Lingua Franca (Projektleitung: Juliane House): http: / / www.mumis-projekt.de/ projekt/ index.php? option=com_content&view=article&id=16&Itemid=22&lang=de <?page no="253"?> 254 6 Anhang Wertschätzung von Strukturen und Regeln In Deutschland gibt es viele Vorschriften, Verordnungen und Regeln, die für alle gleichermaßen gelten. Ausnahmen werden eher selten gemacht. Für die meisten Handlungsfelder gibt es klare Strukturen und standardisierte Abläufe. Handlungen werden normalerweise sorgfältig organisiert und bis in kleinste Detail geplant, um potenzielle Fehlerquellen und Hindernisse im Voraus zu erkennen und ihnen vorzubeugen. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass man die Einhaltung von Regeln für selbstverständlich hält, ihre Verletzung meist nicht toleriert wird und im Normalfall Sanktionen nach sich zieht. Zeitplanung In Deutschland wird Zeit als ein kostbares Gut wahrgenommen, das man möglichst nicht vergeuden, sondern produktiv nutzen soll. Typische Kennzeichen deutscher Kultur sind daher langfristige Planungen und ein möglichst zuverlässiges Erfüllen von Arbeits- und Zeitplänen. Zeitliche Zuverlässigkeit gilt in Deutschland als wichtiges Merkmal zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit einer Person. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass die Toleranz gegenüber nicht eingehaltenen Fristen, Verzögerungen und Unterbrechungen meistens gering ist und Sie versuchen sollten, Termine und Verabredungen einzuhalten. Internalisierte Kontrolle Selbstdisziplin und Pflichtbewusstsein sind wichtige Merkmale der deutschen Kultur. Die meisten Deutschen nehmen ihre Arbeit, ihre Rolle, ihre Aufgaben und die damit verbundene Verantwortung sehr ernst. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass man ein gewisses Maß an autonomem Verhalten und eigenverantwortlichem Handeln erwartet. Zugeteilte Aufgaben sollten Sie - auch ohne externe Kontrolle - selbständig erledigen. <?page no="254"?> Anhang 4: Kulturstandards an deutschen Hochschulen 255 Trennung von Lebensbereichen Eine klare Trennung der verschiedenen Lebensbereiche ist für Deutsche typisch. Es wird in der Regel zwischen Berufsleben und Privatleben klar unterschieden. Außerdem differenzieren die meisten Deutschen ihr Verhalten je nach der Ebene, auf der sie es mit einer anderen Person zu tun haben. Für den akademischen Kontext bedeutet dies beispielsweise, dass Lehrende Fragen zu studentischen Angelegenheiten normalerweise nicht in der Mensa, auf dem Parkplatz oder bei einem zufälligen Treffen im Supermarkt besprechen, sondern in der dafür vorgesehenen Sprechstunde. Direktheit in der Kommunikation Der deutsche Kommunikationsstil ist im Allgemeinen direkt und explizit. Es wird in klaren Worten gesprochen, und Sachverhalte werden meist offen benannt. Es können sogar die Rangbeziehungen zwischen den Interaktionspartnern zugunsten der Diskussion der Sache in den Hintergrund treten. Für den akademischen Kontext bedeutet dies, dass Sie Ihre Meinung offen, aber dennoch höflich sagen sollten. Kommen Sie ohne Umschweife oder lange Umwege auf den Punkt und legen Sie den Fokus der Kommunikation auf die Sachebene und den Inhalt. <?page no="255"?> 256 6 Anhang Anhang 5: Leitfaden zur Vorbereitung von Sprechstundengesprächen Um die in einer Sprechstunde zur Verfügung stehende Zeit effektiv zu nutzen und Ihr Anliegen erfolgreich zu bearbeiten, sollten Sie das Gespräch sorgfältig vorbereiten. Der folgende Leitfaden unterstützt Sie dabei. Vor der Sprechstunde Orientierungsphase Bevor Sie in eine Sprechstunde gehen, sollten Sie selbst aktiv werden und nach möglichen Antworten auf Ihre Fragen suchen. Hierzu können Sie sich in der Studien- oder Prüfungsordnung, im kommentierten Vorlesungsverzeichnis oder im Internet (z. B. auf der Homepage Ihres Fachbereichs/ Fachgebiets o. ä.) informieren oder aber Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen befragen. So können Sie herausfinden, zu welchen Themen nur Ihre Dozentin/ Ihr Dozent Auskunft geben kann. Vorbereitungsphase Um eine Sprechstunde gut vorzubereiten, sollten Sie sich klar machen, was Sie genau erfahren bzw. erreichen möchten. Bereiten Sie das Gespräch auch inhaltlich vor: Wenn Sie z. B. ein Referats- oder Hausarbeitsthema besprechen möchten, überlegen Sie sich vorher mögliche Themen- oder Fragestellungen und recherchieren Sie nach Literatur. Auch bei anderen Fragen oder Problemen sollten Sie sich zunächst selbst Gedanken über mögliche Lösungen machen. <?page no="256"?> Anhang 5: Leitfaden zur Vorbereitung von Sprechstundengesprächen 257 Während der Sprechstunde Bearbeitungsphase Zu Beginn des Gesprächs Stellen Sie sich vor und benennen Sie Ihr Anliegen ( Worum geht es ? ). Überlegen Sie sich hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. …………………………………………………………… …………………………………………………………… Zur Gesprächsstruktur Überlegen Sie sich konkrete Fragen zu Ihrem Anliegen. Notieren Sie sich hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. …………………………………………………………… …………………………………………………………… Zum Abschluss des Gesprächs Fassen Sie am Ende des Gesprächs das Wichtigste noch einmal mündlich zusammen (z. B. vereinbarte Termine, getroffene Absprachen, etc.). Überlegen Sie sich auch hierzu passende Formulierungen oder suchen Sie sich geeignete Ausdrucksmöglichkeiten aus dem UniComm heraus. …………………………………………………………… …………………………………………………………… Nach der Sprechstunde Reflexionsphase Machen Sie sich Ihre Stärken und Defizite im Bereich der mündlichen Kommunikation noch einmal bewusst und fertigen Sie Notizen dazu an: Was ist Ihnen gut gelungen? …………………………………………………………………………………………… Worauf möchten Sie bei der nächsten Sprechstunde besonders achten? ……………………………………………………………………..........………………. Was könnten Sie bei der nächsten Sprechstunde verbessern? ……………………………………………………………………………………....…… <?page no="257"?> 258 6 Anhang Literatur: ▶ Mehlhorn, G. (2005) Studienbegleitung für ausländische Studierende an deutschen Hochschulen. München: Iudicium. ▶ Service Center Selbststudium (SCS), Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaft: www.uni-bielefeld.de/ erziehungswissenschaft/ / scs/ pdf/ leitfaeden/ studierende/ sprechstunden.pdf (letzter Zugriff: 05.09.2012) <?page no="258"?> Anhang 6: Fragebogen, zweite Erprobung (Wintersemester 2009/ 10) 259 Anhang 6: Fragebogen, zweite Erprobung (Wintersemester 2009/ 10) Bitte geben Sie anhand der folgenden Aussagen eine Bewertung des Workshops und des Chunk -Angebots für Sprechstundengespräche ab. 1. Der Workshop war für mich hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen?  ja, ganz sicher  ja, im Großen und Ganzen  nein, eher nicht  nein, ganz sicher nicht 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde?  sehr wichtig  wichtig  eher unwichtig  unwichtig 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu Anhang 6: Fragebogen, zweite Erprobung (Wintersemester 2009/ 10) <?page no="259"?> 260 6 Anhang 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 13. Wie könnte man das Chunk-Angebot verbessern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Was fanden Sie besonders gut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Was haben Sie vermisst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit! <?page no="260"?> Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung 261 Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Wintersemester 2009/ 2010, teilnehmende Studierende: 26 1. Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 17 (65 %) trifft eher zu 9 (35 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 348 Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Wintersemester 2009/ 2010, Teilnehmende Studierende: 26 1. Der Workshop war für mich hilfreich. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 17 (65%) trifft eher zu 9 (35%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 17 (65 %) trifft eher zu 9 (35 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="261"?> 262 6 Anhang Musterdatei NFA_Basis_A.dot 349 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 17 (65%) trifft eher zu 9 (35%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung Sehr gut 14 (54%) Gut 10 (38%) befriedigend 2 (8%) ausreichend 0 mangelhaft 0 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung Sehr gut 14 (54 %) Gut 10 (38 %) befriedigend 2 (8 %) ausreichend 0 mangelhaft 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 350 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? Antworten Auswertung ja, ganz sicher 17 (65%) ja, im Großen und Ganzen 9 (35%) nein, eher nicht 0 nein, ganz sicher nicht 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befridigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="262"?> Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung 263 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? Antworten Auswertung ja, ganz sicher 17 (65 %) ja, im Großen und Ganzen 9 (35 %) nein, eher nicht 0 nein, ganz sicher nicht 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 351 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? Antworten Auswertung sehr wichtig 14 (54%) wichtig 12 (46%) eher unwichtig 0 unwichtig 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% ja, ganz sicher ja, im Großen und Ganzen nein, eher nicht nein, ganz sicher nicht Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? Antworten Auswertung sehr wichtig 14 (54 %) wichtig 12 (46 %) eher unwichtig 0 unwichtig 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 352 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 11 (42%) trifft eher zu 15 (58%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr wichtig wichtig eher wichtig unwichtig Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. <?page no="263"?> 264 6 Anhang 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 11 (42 %) trifft eher zu 15 (58 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 352 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 11 (42%) trifft eher zu 15 (58%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr wichtig wichtig eher wichtig unwichtig Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 15 (58 %) trifft eher zu 11 (42 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 353 7. Das Chunk-Angebot ist gut strukturiert. 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 15 (58%) trifft eher zu 11 (42%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 9 (35%) trifft eher zu 17 (65%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Das Chunk-Angebot ist gut struktuiert. <?page no="264"?> Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung 265 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 9 (35 %) trifft eher zu 17 (65 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 354 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 18 (69%) trifft eher zu 8 (31%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. trifft überhaupt nicht zu 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 18 (69 %) trifft eher zu 8 (31 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 354 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 18 (69%) trifft eher zu 8 (31%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. trifft überhaupt nicht zu <?page no="265"?> 266 6 Anhang 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 12 (54 %) trifft eher zu 14 (46 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 355 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen. 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 12 (54%) trifft eher zu 14 (46%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 15 (58%) trifft eher nicht zu 11 (42%) trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk- Angebot zurückgreifen. 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 15 (58 %) trifft eher nicht zu 11 (42 %) trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 356 12. Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung Sehr gut 8 (31%) gut 16 (61%) Befriedigend 2 (8%) ausreichend 0 mangelhaft 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="266"?> Anhang 7: Evaluationsbogen, zweite Erprobung 267 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung sehr gut 8 (31 %) gut 16 (61 %) befriedigend 2 (8 %) ausreichend 0 mangelhaft 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 356 12. Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung Sehr gut 8 (31%) gut 16 (61%) Befriedigend 2 (8%) ausreichend 0 mangelhaft 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="267"?> 268 6 Anhang Anhang 8: Fragebogen, dritte Erprobung (Wintersemester 2010/ 11) Bitte geben Sie anhand der folgenden Aussagen eine Bewertung des Workshops und des Chunk -Angebots für Sprechstundengespräche ab. 1. Der Workshop war für mich hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen?  ja, ganz sicher  ja, im Großen und Ganzen  nein, eher nicht  nein, ganz sicher nicht 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde?  sehr wichtig  wichtig  eher unwichtig  unwichtig 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifftüberhauptnicht zu 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifftüberhauptnicht zu 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu Anhang <?page no="268"?> Anhang 8: Fragebogen, dritte Erprobung (Wintersemester 2010/ 11) 269 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifftüberhauptnicht zu 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifftüberhauptnicht zu 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 13. Wie könnte man das Chunk-Angebot verbessern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Was fanden Sie besonders gut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Was haben Sie vermisst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit! <?page no="269"?> 270 6 Anhang Anhang 9: Evaluationsbogen, dritte Erprobung Universität Kassel, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Sommersemester 2010/ 2011, teilnehmende Studierende: 14 1. Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71 %) trifft eher zu 4 (29 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 359 Anhang 9: Evaluationsbogen, dritte Erprobung Universität Kassel, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Sommersemester 2010/ 2011, Teilnehmende Studierende: 14 1. Der Workshop war für mich hilfreich. 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71%) trifft eher zu 4 (29%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71 %) trifft eher zu 4 (29 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="270"?> Anhang 9: Evaluationsbogen, dritte Erprobung 271 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 360 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? trifft vollkommen zu 10 (71%) trifft eher zu 4 (29%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung Sehr gut 8 (57%) gut 5 (36%) befriedigend 1 (7%) ausreichend 0 mangelhaft 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung sehr gut 8 (57 %) gut 5 (36 %) befriedigend 1 (7 %) ausreichend 0 mangelhaft 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 360 4. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% ja, ganz sicher ja, im Großen und Ganzen nein, eher nicht nein, ganz sicher nicht Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? Antworten Auswertung ja, ganz sicher 10 (71 %) ja, im Großen und Ganzen 4 (29 %) nein, eher nicht 0 nein, ganz sicher nicht 0 <?page no="271"?> 272 6 Anhang Musterdatei NFA_Basis_A.dot 360 4. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% ja, ganz sicher ja, im Großen und Ganzen nein, eher nicht nein, ganz sicher nicht Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? Antworten Auswertung sehr wichtig 9 (64 %) wichtig 5 (36 %) eher unwichtig 0 unwichtig 0 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 8 (57 %) trifft eher zu 6 (43 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="272"?> Anhang 9: Evaluationsbogen, dritte Erprobung 273 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 8 (57 %) trifft eher zu 6 (43 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 4 (29 %) trifft eher zu 10 (71 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="273"?> 274 6 Anhang 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71 %) trifft eher zu 4 (29 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 365 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. trifft vollkommen zu 10 (71%) trifft eher zu 4 (29%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71%) trifft eher zu 4 (29%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 10 (71 %) trifft eher zu 4 (29 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="274"?> Anhang 9: Evaluationsbogen, dritte Erprobung 275 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 0 trifft eher zu 10 (71 %) trifft eher nicht zu 4 (29 %) trifft überhaupt nicht zu 0 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung sehr gut 8 (57 %) gut 5 (36 %) befriedigend 1 (7 %) ausreichend 0 mangelhaft 0 <?page no="275"?> 276 6 Anhang Musterdatei NFA_Basis_A.dot 367 12. Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung Sehr gut 8 (57%) gut 5 (36%) befriedigend 1 (7%) ausreichend 0 mangelhaft 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="276"?> Anhang 10: Fragebogen, vierte Erprobung (Wintersemester 2011/ 12) 277 Anhang 10: Fragebogen, vierte Erprobung (Wintersemester 2011/ 12) Bitte geben Sie anhand der folgenden Aussagen eine Bewertung des Workshops und des Chunk -Angebots für Sprechstundengespräche ab. 1. Der Workshop war für mich hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen?  ja, ganz sicher  ja, im Großen und Ganzen  nein, eher nicht  nein, ganz sicher nicht 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde?  sehr wichtig  wichtig  eher unwichtig  unwichtig 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu Anhang 10: Fragebogen, vierte <?page no="277"?> 278 6 Anhang 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln.  trifft vollkommen zu  trifft eher zu  trifft eher nicht zu  trifft überhaupt nicht zu 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben?  sehr gut  gut  befriedigend  ausreichend  mangelhaft 13. Wie könnte man das Chunk -Angebot verbessern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Was fanden Sie besonders gut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Was haben Sie vermisst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit! <?page no="278"?> Anhang 11: Evaluationsbogen, vierte Erprobung 279 Anhang 11: Evaluationsbogen, vierte Erprobung Universität Kassel, Fachgebiet Deutsch als Fremd- und Zweit Sprache Wintersemester 2011/ 2012, teilnehmende Studierende: 19 1. Der Workshop war für mich hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 14 (74 %) trifft eher zu 5 (26 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 2. Ich habe durch den Workshop viele Anregungen zur Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs erhalten. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 14 (74 %) trifft eher zu 5 (26 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="279"?> 280 6 Anhang 3. Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung sehr gut 12 (63 %) gut 7 (37 %) befriedigend 0 ausreichend 0 mangelhaft 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 371 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? ausreichend 0 mangelhaft 0 Antworten Auswertung 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie den Workshop zur sprachlichen Vorbereitung auf Sprechstunden bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="280"?> Anhang 11: Evaluationsbogen, vierte Erprobung 281 4. Würden Sie diesen Workshop anderen Studierenden weiterempfehlen? Antworten Auswertung ja, ganz sicher 14 (74 %) ja, im Großen und Ganzen 5 (26 %) nein, eher nicht 0 nein, ganz sicher nicht 0 5. Wie wichtig ist für Sie die sprachliche Gestaltung bei einer Sprechstunde? Antworten Auswertung sehr wichtig 11 (58 %) wichtig 8 (42 %) eher unwichtig 0 unwichtig 0 <?page no="281"?> 282 6 Anhang 6. Die angebotenen Formulierungshilfen sind bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs hilfreich. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 13 (68 %) trifft eher zu 6 (32 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 7. Das Chunk -Angebot ist gut strukturiert. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 12 (63 %) trifft eher zu 7 (37 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="282"?> Anhang 11: Evaluationsbogen, vierte Erprobung 283 8. Es ist mir klar, wie ich die Formulierungshilfen anwenden kann. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 12 (63 %) trifft eher zu 7 (37 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 9. Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 15 (79 %) trifft eher zu 4 (21 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 377 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk-Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 14 (74%) trifft eher zu 5 (26%) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% trifft vollkommen zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu Ich fühle mich sicherer in meinem Sprachgebrauch, wenn ich vorgefertigte Formulierungen verwende. <?page no="283"?> 284 6 Anhang 10. Ich werde bei der Vorbereitung eines Sprechstundengesprächs künftig auf das Chunk -Angebot zurückgreifen. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 14 (74 %) trifft eher zu 5 (26 %) trifft eher nicht zu 0 trifft überhaupt nicht zu 0 11. Ich werde selbst weitere Chunks sammeln. Antworten Auswertung trifft vollkommen zu 3 (16 %) trifft eher zu 11 (58 %) trifft eher nicht zu 5 (26 %) trifft überhaupt nicht zu 0 <?page no="284"?> Anhang 11: Evaluationsbogen, vierte Erprobung 285 12. Wenn Sie das Chunk -Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? Antworten Auswertung sehr gut 13 (68 %) gut 6 (32 %) befriedigend 0 ausreichend 0 mangelhaft 0 Musterdatei NFA_Basis_A.dot 379 Antworten Auswertung Sehr gut 13 (68%) gut 6 (32%) befriedigend 0 ausreichend 0 mangelhaft 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wenn Sie das Chunk-Angebot zu Sprechstundengesprächen bewerten sollten, welche Note würden Sie ihm geben? <?page no="286"?> Anhang 10: Fragebogen, vierte Erprobung (Wintersemester 2011/ 12) 287 7 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Screenshot von der Startseite des MuMiS-Projekts . . . . . . . . . 169 Abbildung 2: Evaluation des Workshops; Frage 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Abbildung 3: Evaluation des Angebots; Frage 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Abbildung 4: Screenshot von Kommunikationssituation ‚Bitte um Fristverlängerung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildung 5: Screenshot von Modellvideo ‚Fragen zur Gliederung . . . . . . 199 Abbildung 6: Screenshot von der Startseite von UniComm -Deutsch . . . . . 201 Abbildung 7: Screenshot von der Startseite von UniComm -Deutsch . . . . . 201 <?page no="287"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Universitäre Sprechstundengespräche mit ihren vielfältigen institutionellen und kulturellen Prägungen und Normen stellen häufig eine Herausforderung sowohl für Lehrende als auch für internationale Studierende dar. Der Band stellt neben einer Analyse authentischer Sprechstundengespräche ein innovatives Online-Angebot vor. Das Förderangebot bietet Studierenden Unterstützung in Form von Formulierungshilfen, Hinweise auf sprachliche und kulturelle Normen sowie didaktisch aufbereitete Videos. Die stetig steigende Nutzerzahl - im Februar 2019 lag sie bei 1.200.000 - belegt ein hohes Interesse an diesem vielfältigen Angebot. ISBN 978-3-8233-8290-4