Sprachen lernen in der Pubertät
0125
2021
978-3-8233-9426-6
978-3-8233-8426-7
Gunter Narr Verlag
Heiner Böttger
Michaela Sambanis
Die Pubertät sorgt bei allen Beteiligten seltener für freudiges Staunen, sondern häufiger für Irritationen, Ratlosigkeit und mitunter auch für Sprachlosigkeit. Dagegen richtet sich das vorliegende Buch, möchte Licht in das noch herrschende Dunkel einer äußerst wertvollen Entwicklungsphase bringen und zu einem besseren Verständnis beitragen.
Der in zweiter Auflage überarbeitete und aktualisierte Band richtet sich an Studierende, Lehrkräfte, Referendare, Personen in der Lehrkräfteausbildung, Aus- und Fortbildende sowie an Bildungsverantwortliche. Er liefert, kompakt zusammengestellt, wichtige Informationen zur Pubertät und Adoleszenz als sprachsensible Phase und entwickelt, auf der verfügbaren Evidenz aufbauend, konkrete Hinweise für die Gestaltung eines für die Bedürfnisse von Heranwachsenden sensiblen Fremdsprachenunterrichts.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-8233-8426-7 Die Pubertät sorgt bei allen Beteiligten seltener für freudiges Staunen, sondern häufiger für Irritationen, Ratlosigkeit und mitunter auch für Sprachlosigkeit. Dagegen richtet sich das vorliegende Buch, möchte Licht in das noch herrschende Dunkel einer äußerst wertvollen Entwicklungsphase bringen und zu einem besseren Verständnis beitragen. Der in zweiter Auflage überarbeitete und aktualisierte Band richtet sich an Studierende, Lehrkräfte, Referendare, Personen in der Lehrkräfteausbildung, Aus- und Fortbildende sowie an Bildungsverantwortliche. Er liefert, kompakt zusammengestellt, wichtige Informationen zur Pubertät und Adoleszenz als sprachsensible Phase und entwickelt, auf der verfügbaren Evidenz aufbauend, konkrete Hinweise für die Gestaltung eines für die Bedürfnisse von Heranwachsenden sensiblen Fremdsprachenunterrichts. „Das Studienbuch sorgt [...] zweifellos für ein besseres Verständnis des Sprachenlernens in der Pubertät und sensibilisiert für einen reflektierten, professionellen Umgang mit verschiedenen pubertären Verhaltensweisen, innerhalb und außerhalb des (fremdsprachlichen) Klassenzimmers.“ Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung 60 (2018) Böttger / Sambanis Sprachen lernen in der Pubertät Sprachen lernen in der Pubertät 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage Heiner Böttger / Michaela Sambanis 18426_Umschlag.indd 1-3 18426_Umschlag.indd 1-3 01.12.2020 17: 08: 03 01.12.2020 17: 08: 03 <?page no="1"?> Univ.-Prof. Dr. Heiner Böttger ist Professor für die Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sein aktuelles Forschungsinteresse konzentriert sich auf sprachrelevante neurodidaktische Aspekte des Erwerbs kommunikativer Kompetenzen sowie die Bedingungen, die der mehrsprachlichen Entwicklung zugrunde liegen. Univ.-Prof. Dr. Michaela Sambanis ist Lehrstuhlinhaberin für die Didaktik des Englischen an der Freien Universität Berlin. Zuvor war sie als Projektleiterin am TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) der Universität Ulm tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit bilden das Verknüpfen von Didaktik und Neurowissenschaften sowie das Aufschlüsseln von Wissensbeständen für die Praxis des Lehrens und Lernens von Sprachen. Michaela Sambanis und Heiner Böttger verorten sich wissenschaftlich sowohl genuin in der englischen Fachdidaktik als auch als Bindeglied zwischen Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften. Dies dokumentieren sie insbesondere auch in den Bänden bei NARR zu den internationalen Konferenzen in Eichstätt 2015, Berlin 2017 und Griechenland 2019: Focus on Evidence I - Fremdsprachendidaktik trifft Neurowissenschaften Focus on Evidence II - Netzwerke zwischen Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften Focus on Evidence III - Fremdsprachendidaktik trifft Neurowissenschaften 18426_Umschlag.indd 4-6 18426_Umschlag.indd 4-6 01.12.2020 17: 08: 04 01.12.2020 17: 08: 04 <?page no="4"?> Heiner Böttger / Michaela Sambanis Sprachen lernen in der Pubertät 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage <?page no="5"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Univ.-Prof. Dr. Michaela Sambanis, Didaktik des Englischen Freie Universität Berlin, Institut für Englische Philologie, FB Philosophie und Geisteswissenschaften, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin Univ.-Prof. Dr. Heiner Böttger, Didaktik der englischen Sprache und Literatur Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät, Universitätsallee 1, 85072 Eichstätt 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2021 1. Auflage 2017 © 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: pagina GmbH, Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-8426-7 (Print) ISBN 978-3-8233-9426-6 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0276-6 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="6"?> 5 Inhalt 0. Ein Wort zuvor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Alles auf Start . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2.1 Pruning-- gezielte Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2.2 Myelinisierung der Großhirnrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2.3 Limbisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.4 Weitere relevante Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.3 Genderunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.4 Verändertes Schlafverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1 Ansprechpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1.1 Eltern und Erziehungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1.2 Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1.3 Peergroup . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2 Kommunikation im Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.2.1 Funktionen und Merkmale von Jugendsprache(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.2 Rituelle Beschimpfung und Kurzdeutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.3 Parasoziale Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.2.4 Kommunikation und Mediennutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.3 Schweigen und Verweigerung: Innere Emigration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.3.1 Sprachlicher Rückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.3.2 Gelungene Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.3.3 Zurück vom Rückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.3.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 <?page no="7"?> 6 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1 Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1.1 Musikgeschmack, Musik und Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1.2 Sprach- und Musikverarbeitung im Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.1.3 Transfereffekte auf sprachliche Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.1.4 Effekte von Musik auf die Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.1.5 Musik im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.1.6 Musik als Hintergrundreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3.1.7 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.2 Motorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.2.1 Wachstumsspurt, körperdysmorphe Störung und motorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.2.2 Bewegungsfreude und Bewegungslernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.3 Sprechmotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.2.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.3 Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.3.1 Bedarfe und Wünsche Jugendlicher-- aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . 68 3.3.2 Zwei Systeme und Emotionen im Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.3.3 Exekutive Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.3.4 Risikobereitschaft, Selbststeuerung und der Einfluss von Gleichaltrigen 79 3.3.5 Emotionen deuten, Vulnerabilität und Ängste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.3.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.4 Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.4.1 Beginn der Selbststeuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.4.2 Unterstützen der kognitiven Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.4.3 Bewusstes Sprachenlernen organisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.4.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.5 Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.5.1 Arten von Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.5.2 Neurobiologische Aspekte der Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.5.3 Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.5.4 Aufmerksamkeitsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.5.5 Didaktische Interventionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.5.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.6 Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.6.1 Kreativität unterbinden-- ein Gedankenexperiment . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.6.2 Kreativität in Gefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.6.3 Academic confidence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.6.4 Jugendliche Lerner stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.6.5 Kreativität im Fremdsprachenunterricht fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.6.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 <?page no="8"?> 7 4. Individuelle Förderung und Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.1 Differenzierung und Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.2 Korrektur und Rolle des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3 Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.3.1 Teacher feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.3.2 Peer feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.3.3 Just culture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5.1.1 Elections: Klassensprecherwahl-- Mein persönlicher Wahlkampf . . . 120 5.1.2 Newspaper: Ein englischsprachiges Schülermagazin gestalten . . . . . . 124 5.1.3 Role Play: Traveling from King’s Cross London . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.1.4 Decision Game: Das Wüstenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.1.5 Decision Game: Lost at Sea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5.1.6 Trial: Eine Gerichtsverhandlung nachstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.1.7 Exhibition: Eine Kunstausstellung organisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.1.8 Radio Play: Das Klassenradio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.2 Musikbasierte Unterrichtsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5.2.1 Lieder malen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5.2.2 Lieder zu Lebensereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5.2.3 Musikbilder erzählen Geschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.3 Berücksichtigung motorischer Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.3.1 Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5.3.2 Bewegungsmemory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.3.3 Zungenbrecher knacken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.4 Emotionen und exekutive Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.4.1 Ein guter Tag! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.4.2 I’m happy to be in this class with you because-… . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.4.3 Yes, let’s! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5.4.4 Conscience Alley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.5 Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5.5.1 1000 Arten eine Socke zu benutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5.5.2 Sales pitch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.6 Mindful exercises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.6.1 Einstiegsübung: Atmen lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.6.2 Gemeinsame Übung in der Klasse: Bodyscan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5.6.3 Kurze Einzelübung: Notizen machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 <?page no="9"?> 8 Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 <?page no="10"?> 9 0. Ein Wort zuvor Sie ist Anlass für Missverständnisse, Konflikte, Stigmatisierungen, enttäuschte Erwartungen und veritable Beziehungskrisen. Gleichzeitig ist sie eine wahre Brutstätte von Kreativität und Genialität, von inneren wie äußeren Veränderungen und Neuschöpfungen. Sie ist Evolution und Revolution in einem. Die Rede ist von der Pubertät sowie der Adoleszenz, der Grauzone zwischen Jugend und Erwachsensein. Sie bilden einen eigentlich beeindruckenden Entwicklungszeitraum, der aber, anders als z. B. die frühkindliche Entwicklung als ebenfalls beeindruckende Phase, nicht unbedingt für freudiges Staunen sorgt, sondern für Irritationen, Ratlosigkeit und mitunter auch Sprachlosigkeit. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Theoriebildung, vielfältiger Beobachtungs- und Befragungserfahrungen, empirischer Untersuchungen, insbesondere der Fremdsprachendidaktik und der Erziehungswissenschaften, sowie unter Bezugnahme auf neurowissenschaftliche und ausgewählte psychologische Befunde entstand dieses Buch. Es erhebt in aller Bescheidenheit den Anspruch, zu einem besseren Verständnis dieses einzigartigen Entwicklungszeitraums beizutragen und auf dieser Grundlage den sonst oftmals eher intuitiven Handlungshinweisen für den Fremdsprachenunterricht sich auf Wissensbestände stützende zur Seite zu stellen. Das Buch setzt bei einer Auseinandersetzung mit Wissensbeständen an, schlägt Brücken zur Praxis des Fremdsprachenunterrichts und geht dabei zahlreichen Fragen nach: Welche Prozesse laufen im Gehirn von Teenagern ab? Wie gelingt die Kommunikation mit Jugendlichen trotz scheinbarer Abgrenzung? Was bedeutet Sprache für Jugendliche und ihre Identitätsentwicklung? Welchen Einfluss haben Peers auf den sprachlichen Lernprozess? Welche Inhalte sind für Heranwachsende relevant und damit memorierbar? Welche Rolle spielen Emotionen, Kreativität und Strategien? Welche Rolle spielt Musik im Leben von Jugendlichen und welches Potenzial besitzt sie fürs Sprachenlernen? Wie sieht letztlich ein altersgerechter Fremdsprachenunterricht aus, welchen Prinzipien folgt er? Diesen und weiteren Fragen stellen wir uns- - und wir stellen uns ihnen ausgesprochen gerne. Denn eine gesicherte Vorinformation ist diese: Die Pubertät ist eine der Lebensphasen mit dem größten Entwicklungspotenzial. Das starke Motiv für uns beide als ehemalige Lehrkräfte und jetzige Lehrkräftebildner, als Autoren und Wissenschaftler, uns um diese spracherwerbssensible Phase zu kümmern, deren Potenzial wider besseren Wissens unterschätzt wird, ist die Sackgasse, in der vor allem die schulische Sekundarstufe steckt. Entwicklungspsychologisch, neurowissenschaftlich und auch fachdidaktisch zielgruppenorientiertes Fremdsprachenlehren und -lernen zu erforschen und zu organisieren ist immer noch eine Sisyphosaufgabe. Wir gehen holistisch heran, wollen Grundlagen legen, dazu Zugänge und Entwicklungspotenziale aufzeigen, für das Sprachenlernen relevante Besonderheiten dieser einzigartigen Entwicklungsphase beleuchten und diese erklären. Wir möchten einerseits dafür sensibilisieren, dass manche pubertären Verhaltensweisen der Hirnentwicklung zuträglich sind, dass <?page no="11"?> 10 0. Ein Wort zuvor aber andererseits auch nicht alles durch Umbauarbeiten im Gehirn zu entschuldigen ist: In manchen Fällen spiegeln z. B. die Streitbarkeit und Grenzüberschreitungen von Jugendlichen einfach nur die Erwartungen oder Befürchtungen von Erwachsenen, die es mit Pubertierenden zu tun haben. Letztlich berühren wir im Zuge unserer Auseinandersetzung auch die methodische Ebene, wollen Aufgabenformate anbieten, die den gesicherten Befunden entsprechen und Lehrkräften, Referendaren, Studierenden, Personen in der Lehrkräfteausbildung sowie Leiterinnen und Leitern von Sprachkursen für Jugendliche Anstöße geben, um das Potenzial dieser besonderen Entwicklungsphase (neu) zu entdecken, es im Fremdsprachenunterricht zu entfalten, Freude, Gemeinschafts- und Erfolgserlebnisse im Unterricht zu ermöglichen. Gegen Ermüdung, Entmutigung und manchmal sogar Verzweiflung der Fremdsprachenlehrkräfte zu wirken, ist lohnend. Über demokratische Unterrichtsstrukturen, Kollaboration, Kooperation und Partizipation sind Verständnis, Toleranz und Vertrauen gegenüber den sprachenlernenden Jugendlichen zu erreichen, und sie ermöglichen einen einfachen Haltungswechsel. Dieser wiederum bildet den Ansatzpunkt, den wir nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Kenntnisstand und als langjährige Praktiker empfehlen. Das vorliegende Buch möchte, über den Weg des erweiterten Verständnisses für das, was in dieser besonderen Entwicklungsphase vor sich geht, dazu ermutigen, von einer mehr oder weniger resignierten oder auch defizitorientierten Sichtweise von Pubertät und Adoleszenz Abstand zu gewinnen und sie durch eine stärkenorientierte Sichtweise zu ersetzen. Das „Wort zuvor“ möchten wir mit einem Wort des Dankes abschließen: Wir danken all jenen, die uns in Lehrveranstaltungen an der Universität, bei Unterrichtsbesuchen, Vorträgen, Kongressen usw. durch ihr Interesse, ihre Fragen und Erfahrungen immer wieder neu zum Nachdenken und zum Nachforschen bringen. Die Tatsache, dass dieser Band nun in einer zweiten Auflage erscheint, zeigt, wie viele engagierte Menschen es gibt, die sich für die Stärken und Potenziale des Jugendalters fürs Sprachenlernen interessieren. Das freut und beeindruckt uns zugleich. Berlin / Eichstätt, im Sommer 2020 Heiner Böttger Michaela Sambanis <?page no="12"?> 11 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen Die Veränderung der jugendlichen Psyche in der Pubertät ist für Außenstehende, insbesondere für Eltern und Lehrkräfte, kaum nachvollziehbar, da sich einerseits die Motivlagen der Jugendlichen nicht rational erklären lassen und da andererseits die individuelle Entwicklungsgeschwindigkeit des jugendlichen Gehirns nicht konstant und in allen Arealen gleichmäßig verläuft. Es ist eine programmierte Metamorphose vom Kind zum Erwachsenen mit massiven Umbauprozessen im adoleszenten Gehirn. Adoleszenz definiert in etwa den Lebensabschnitt zwischen der späten Kindheit und dem Erwachsenenalter. Sie ist vom Geschlecht, der Kultur, der Ernährung und anderen Faktoren abhängig. Sie umfasst ganzheitlich die physische und mentale Entwicklung zum selbstständigen, verantwortungsbewussten Erwachsenen. Umso wichtiger ist es, dass sich alle für die sprachliche Bildung dieser Altersgruppe Verantwortlichen um ein Basiswissen aus vielerlei Perspektiven bemühen, also holistische Kompetenzen aufbauen. Dazu gehören neben Erkenntnissen der Sprachendidaktik die der Sprachenneurodidaktik, der Neurowissenschaften sowie der Spracherwerbswissenschaft und der Entwicklungspsychologie. So entsteht eine Grundlage für begründetes, durchdachtes, professionelles sprachunterrichtliches Handeln basierend auf klaren Beweisen, nicht auf Vorurteilen, Mythen und unreflektierten Präferenzen. Sichtbar, somit beobachtbar und spürbar, sind Veränderungen in der Psyche der sich wandelnden und entwickelnden Kinder. Diese völlige gedankliche Neuorientierung der heranwachsenden Jugendlichen hängt mit einem biologischen Erdrutsch in deren Gehirn zusammen, einer grundlegenden Reorganisation (Giedd et al. 1999: 861 ff.; vgl. auch Giedd 2004: 77 ff.). In dieser Zeit ermöglicht es die große Plastizität, also die Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit des adoleszenten Gehirns, dass sich Einflüsse von außen in besonderer Weise prägend auf kortikale Schaltkreise auswirken können. Die Anpassungsfähigkeit ist in der Tat enorm: Ein Verlust von Synapsen durch Verletzungen kann mit dem bestehenden Netzwerk ausgeglichen werden. Auch Sprachlerneffekte sind zu beobachten- - der Muttersprachenerwerb ist abhängig von einer umfassenden Synaptogenese, die später durch die Reduktion gestärkt, stabilisiert und effizient gemacht wird. Dieses Netzwerk bildet dann die Grundlage für das weitere Fremdsprachenlernen unter institutionalisierten Bedingungen nach dem Alter von etwa vier bis fünf Jahren, wenn die Entwicklung der Muttersprache bezüglich Grammatik und Wortschatz im Großen und Ganzen abgeschlossen ist (vgl. Böttger 2016: 76). Es entstehen somit sowohl ganz erhebliche Chancen für jede Art von Bildung, insbesondere sprachliche Bildung und Erziehung (vgl. Konrad et al. 2013: 425), jedoch auch hohe Anforderungen an das weitverbreitete geringe Verständnis der Verantwortlichen für diesen Aspekt von Pubertät. Einfache Erklärungen bilden nicht annähernd die Komplexität dieses zerebralen Umbruchs ab. Alles im pubertierenden Gehirn entwickelt sich hormonell bedingt unterschiedlich stark und schnell, passt nicht mehr in das weitgehend vorhersehbare, berechenbare, ausgeglichene und harmonische Gleichgewicht der Kindergedankenwelt. Geschlechtshormone sind ab <?page no="13"?> 12 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen etwa dem zehnten bis zwölften Lebensjahr die Verursacher des scheinbaren Gefühls- und Gedankenchaos. Sie leiten die körperliche Reifung bis hin zur Geschlechtsreife ein. Wie genau der Umbau- und Reorganisationsprozess abläuft, ist nicht abschließend geklärt. Für das Sprachenlernen relevante, bereits gesicherte Erkenntnisse und Aspekte werden im Folgenden geklärt. Diese umfassen auch den sprachlichen Beziehungsaufbau, die Identitätsentwicklung im kommunikativen Kontext, das Sprachselbstbewusstsein, die Kontrolle sprachlicher Produktion sowie kommunikativ-soziale Kompetenzen. 1.1 Alles auf Start Zu einem nicht exakt vorhersehbaren Zeitpunkt beginnt die Wandlung vom Kind zum Jugendlichen (vgl. Harley 2018: 109ff.). Das Hirn weist generell eine hohe Dichte an Rezeptoren für Sexualhormone auf, die so auch während der Adoleszenz dort neuronale Areale beeinflussen, zumal sie in dieser Zeit ansteigend aktiviert werden. Verantwortlich ist dafür in erster Linie der Hypothalamus, der das Ausschütten der Hormone initiiert (vgl. Sambanis 2013: 69). Er ist der kleinere Teil des Zwischenhirns und steuert Abb. 1 Hormonausschüttung <?page no="14"?> 13 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen die biologischen Grundfunktionen des Körpers (vgl. Böttger 2016: 94): Atmung, Nahrungsaufnahme, Blutkreislauf. Zu Beginn der Pubertät sendet der Hypothalamus chemische Signale an die Drüse Hypophyse, damit diese Botenstoffe ausschüttet, die wiederum u. a. die Produktion der Sexualhormone Östrogen und Testosteron bei Mädchen bzw. Jungen beeinflussen. Der genaue Zeitpunkt ist individuell unterschiedlich und abhängig von weiteren Faktoren, beispielsweise den vorhandenen Fettreserven bei Mädchen. Der Hypothalamus (1) befindet sich im Bereich der Sehnervenkreuzung. Er ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Nervensystem und Hormonsystem, erreicht die Größe eines Fünf-Cent- Stücks und wiegt ca. 15 Gramm. Durch den Hypophysenstiel (2) (Infundibulum) besteht eine Verbindung mit der Hypophyse (3) (Hirnanhangdrüse), die wie ein Tropfen hängt. Die Hormonausschütung verläuft ab dort als Kettenreaktion wie folgt: Spezielle Hormone aktivieren in den Eierstöcken bzw. Hoden die Produktion von Östrogen und Testosteron, zwei Sexualhormonen (4). Diese wirken erneut auf den Hypothalamus und beeinflussen den Sexualtrieb. 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen In der Adoleszenz entsteht durch die Reorganisationsprozesse bis etwa zum 30. Lebensjahr ein Ungleichgewicht zwischen reiferen subkortikalen und unreiferen präfrontalen Hirnstrukturen. Dies betrifft insbesondere das früher reifende limbische System, das auch das Belohnungssystem beinhaltet, und das im Stirnlappen sitzende Kontrollsystem (siehe Abb. 2). Dies ist mit tiefgreifenden emotionalen und kognitiven Veränderungen verbunden. Letztere umfassen auch die exekutiven Funktionen (vgl. 3.3.3), die Denken und Handeln kontrollie- Abb. 2 Nichtlineare Reifungsprozesse von subkortikalen und präfrontalen Hirnarealen <?page no="15"?> 14 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen ren, und so erst auch z. B. eine flexible Anpassung an neue sprachliche Herausforderungen in neuen sprachlichen Kontexten ermöglichen (vgl. Casey et al. 2010). Die, an der gesamten körperlichen Entwicklung gemessenen, immer noch unreifen synaptischen Netzwerke im jungen Gehirn verantworten so die verminderte kognitive und emotionale Selbstregulation und damit auch einen zeitweisen Kontrollverlust, auch in sprachlicher Hinsicht. Das Spannungsfeld Kognition-- Emotion ist für die Pubertät konstituierend: Das Denken Pubertierender ist durch die sich erst entwickelnde neuronale Verbindung und Integration von limbischem System und präfrontalem Kortex geprägt. Ist wenig Erregung vorhanden, werden die Denkprozesse über den Stirnlappen gesteuert (=- kalte Kognition), bei starken Emotionen werden Entscheidungen über das limbische System gesteuert (=-heiße Kognition). Besonderes Augenmerk verdient, auch in spracherzieherischer Hinsicht, die emotionale Entwicklung (vgl. 3.3). Natürliche Stressoren führen zu positiven Auswirkungen auf Anforderungen und Lernprozesse, jenseits einer gesunden Grenze verändern sie jedoch neuronale Strukturen, beispielsweise durch intensive Angst, exzessiven Stress, soziale Bebzw. Verurteilung. Ab dem frühen Sprachenlernen bis zum Ende der Pubertät führen positives Feedback und Erfolge zur gesunden Selbsteinschätzung und Selbstregulierung. Die Reifung des Gehirns von der Kindheit bis in die Adoleszenz ist ein höchst dynamischer Gesamtprozess (vgl. Abb. 3) als Resultat vieler unterschiedlicher Einzelprozesse. Um zu ver- Abb. 3 Entwicklungsphasen <?page no="16"?> 15 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen stehen, was diesbezüglich in der Pubertät vor sich geht, ist zunächst ein Blick zurück in die Entwicklung des kindlichen Denkorgans bis zum Eintritt in die Pubertät notwendig. 1.2.1 Pruning-- gezielte Optimierung Schon bald nach der Geburt ist die Höchstzahl der Nervenzellen im Gehirn erreicht (ca. 60 Milliarden). Es fehlen nun noch größtenteils die verbindenden Synapsen. Die Zahl der in den ersten Lebensjahren entstehenden Synapsen erreicht mehrere Billionen und bildet mit den Zellen ein dichtes Netzwerk (vgl. Böttger 2016: 63). Es repräsentiert anatomisch die ungeheure Lernfähigkeit dieser frühen Altersspanne, die die Aufnahme von unzähligen Eindrücken und Impulsen ermöglicht. Dies geht zu Lasten von Konzentrationsfähigkeit und präziser Handlungseffizienz, die erst mit der Entwicklung in der Pubertät erreicht werden können. Im Alter von etwa zehn Jahren wird die steile Synapsenentwicklung eingebremst. Die Atrophie ungenutzter Zellverbindungen, die gegenüber der bisherigen Entwicklung nicht auffallend war und jetzt ein Gleichgewicht erreicht hat, nimmt schlagartig zu: Die Dysbalance kehrt sich um, die Entwicklung schaltet nun von Quantität auf Qualität und zwar nutzungsabhängig. Use it or lose it heißt das neue Prinzip der Hirnentwicklung, also Benützen oder Verlieren von neuronalen Verbindungen-- Letzteres wird auch Pruning (engl., von Zurückschneiden, Stutzen) genannt. 30 000 Nervenverbindungen werden pro Sekunde während der Pubertät rückgebaut, umgerechnet also über 2,5 Milliarden täglich. Dies geht einher mit einer Zunahme des Zellkörpervolumens. Bis zum Ende der Adoleszenz sind es 50 Prozent aller seit Erreichen des Maximums bestehenden Synapsen. Das bedeutet einen massiven Substanzverlust (vgl. Abb. 4), jedoch zu Gunsten qualitativer Verbindungen, die nutzungsabhängig bestehen bleiben. Abb. 4 Volumenänderung im Gehirn <?page no="17"?> 16 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen Wenngleich die Synapsendichte im Frontalhirn, dem Entscheidungszentrum hinter der Stirn (vgl. 1.2.2), nach der Pubertät abgenommen hat, ist das Volumen des Gehirngewebes jedoch gleich geblieben (Blakemore 2006: 163). Der Optimierungsprozess war lange unbekannt, wurde noch länger unterschätzt und sogenannte „pubertäre“, nicht immer rational erklärbare Verhaltensweisen Jugendlicher wurden ihm zugeordnet. Jedoch handelt es sich dabei um eine Erhöhung der Hirnleistungsfähigkeit durch die Entfernung überflüssiger und energieverbrauchender Leitungsmuster (vgl. Abb. 5). Parallel verstärken sich die synaptischen Verbindungen, über die häufig und intensiv elektrische Impulse übertragen werden. 1.2.2 Myelinisierung der Großhirnrinde Die Pubertät setzt ein während eines bereits nach der Geburt begonnenen Reifungsprozesses, der parallel zum Pruning verläuft: die Myelinisierung. Die graue Substanz der Großhirnrinde, bestehend aus den Neuronen (Nervenzellen), reift bis zum Alter von 14 Jahren, dann fällt die Reifungskurve bereits ab. Ihre langen Nervenfortsätze bzw. -fasern, die Verbindungsleitungen, zwischen wenigen Millimetern und bis zu einem Meter lang, werden sukzessive mit einer eiweißhaltigen Fettschicht ummantelt, dem Myelin (vgl. Böttger 2016: 66; Konrad et al. 2013). Myelin ist hell, nahezu weiß, und wird deshalb auch als weiße Substanz bezeichnet. Wie die isolierende Ummantelung eines elektrischen Kabels sorgt die Myelinschicht einerseits für Schutz der Fortsätze (Axone), andererseits aber auch für eine höhere Leitungsgeschwindigkeit ohne Verlust der neuronalen Impulse. Diese kann bis über 400 km / h erreichen. Anders als lange angenommen, ist die Zeit der Pubertät auch eine Zeit der sich schnell und steil entwickelnden Potenziale. Durch die Myelinisierung werden Verbindungen zwischen Hirnarealen, auch solchen, die weiter auseinanderliegen, effizient. Die Myelinisierung verläuft zuerst über die primären sensorischen und motorischen Areale des Kortex, insbesondere solche für das Hören, Sehen und Fühlen, sowie Bewegungen. Erst in der Pubertät sind am Ende dieser Entwicklung alle Teile des präfrontalen Kortex mit den anderen Hirnarealen verbunden. (Böttger 2016: 91) Abb. 5 Synaptische Verbindungen vom 10. Lebensjahr (links) bis zum Ende der Pubertät (rechts) <?page no="18"?> 17 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen Diese Entwicklung hat demnach eine festgelegte Richtung, von posterior nach anterior, von hinten nach vorne. Denken allgemein, kognitive Fähigkeiten, aber auch Sprachaufnahme, -verarbeitung und -produktion beschleunigen sich mit dieser Entwicklung. Insbesondere der präfrontale Kortex, der Stirnlappen, wird weitgehend neu organisiert (vgl. Abb. 6). Der präfrontale Kortex, auch Stirnhirn genannt, operiert kognitiv, antizipativ, exekutiv und evaluativ: Wichtige, nicht nur für das Sprachenlernen relevante Entscheidungen werden hier getroffen. Der „ CEO des Gehirns“ aktiviert beim Sprachenlernen neue Hirnareale, in denen nach Übung und Wiederholung sprachliche Informationen gespeichert werden, Handlungsplanungen und Entscheidungen stattfinden sowie Antizipationen, das Vorhersehen von Handlungen, ablaufen. Übungen führen zu Automatisierung / Habitualisierung: Neue Verhaltensmuster aktivieren zu Lernbeginn größere Areale im Kortex. Je häufiger neue Muster wiederholt werden, desto stärker bildet sich der belegte Bereich im Kortex zurück, die neuen Erfahrungen werden in subcortikale Bereiche und damit in das Unbewusste verlagert. Der präfrontale Kortex entwickelt sich am langsamsten und erst zuletzt vollständig. (Böttger 2016: 46) Wenn er dann vollständig entwickelt ist, die synaptischen Verschaltungen, die Kortexbereiche untereinander sowie die tieferen Bereiche des Gehirns zu einem Konnektom zusammenführen, dann sind auch die kognitiven Prozesse und Exekutivfunktionen im präfrontalen Kortex feinabgestimmt (vgl. Barkovich 2000; Benes et al. 1994). Abb. 6 Dynamischer Umbau der grauen Substanz durch Myelinisierung <?page no="19"?> 18 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen 1.2.3 Limbisches System Der Prozess des qualitativen Umbaus hat auch seinen Preis. Er führt zunächst zur Spezialisierung, einer Art finetuning motorischer Fähigkeiten, auch im Bereich der Sprache. Das Neurotransmittersystem des Gehirns, verantwortlich für die Übertragung der Impulse von einer Nervenzelle auf andere durch Botenstoffe, verändert sich. So erhöht sich bei der Aussicht auf Belohnung beispielsweise die Konzentration des im Volksmund und populärwissenschaftlich fälschlicherweise als „Glückshormon“ bezeichneten Neurotransmitters Dopamin im Stirnlappen, dem präfrontalen Kortex, und vermindert dessen Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig steigt sie im Nucleus accumbens mit seinen Dopaminrezeptoren an. Dopamin ruft Gefühle der Motivation, der Euphorie und der Vorfreude hervor und überschwemmt das Gehirn buchstäblich. Das „Übermannen der Gefühle“, Risikobereitschaft und der Drang nach Anerkennung durch die peergroup hat seinen Ursprung dort im (meso)limbischen System: Vom Mandelkern (Amygdala), der die Information von außen verarbeitet, wallen sie ungefiltert und häufig unkontrollierbar hervor (vgl. Abb. 7). Durch diese während der Adoleszenz typischerweise erhöhte Aktivität der Amygdala bei der emotionalen Reizverarbeitung können variable Gefühlszustände (vgl. Kap. 3.3) korrelieren, so z. B. verminderte Aufmerksamkeit oder impulsive Reaktionen auf Stressoren: Von himmelhoch jauchzend bis zutiefst betrübt reicht die emotionale Spanne. Dies schließt mögliche depressive Affekte mit ein (vgl. Spear 2010). Das limbische System ist vor allem eine funktionale, weniger eine anatomische, Einheit und gehört zu den ältesten Teilen des Gehirns. Im limbischen System wird deutlich repräsentiert, wie eng Lernen, Gedächtnis, Motivation und Gefühle zusammenhängen. Es ist eine ringförmige Anordnung verschiedener Hirnareale mit Filterfunktion: Sie entscheiden hauptsächlich, ob und welche Inhalte verarbeitet werden, sodass diese dann gegebenenfalls langzeitlich in der Großhirnrinde abgespeichert werden können. Dabei spielen Emotionen, Motivationen, Relevanz und Präferenzen eine entscheidende Rolle (Böttger 2016: 55). Erst im Alter zwischen 20 und 25 ist der präfrontale Kortex so weit ausgereift, dass er emotionale Affekte gezielt unterdrücken kann (vgl. Abb. 7a und b). Da Jugendliche in der Adoleszenz tendenziell stärker ihr bereits gereiftes limbisches System nutzen (vgl. Sambanis 2013: 70 f.), rangieren emotionale Verarbeitungen somit vor kognitiven. Der Verstand hat den Rest des Gehirns quasi noch nicht im Griff. Strategische, langfristige Planungen sind weitgehend noch nicht möglich. Für das Sprachenlernen liegt in dieser Erkenntnis ein Hinweis auf entsprechende Aufgabenformate (vgl. Kap. 5). Die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen, die eigene Perspektive zu verändern, ist vor der Pubertät teils schon ausgeprägt. Während der Pubertät nimmt sie ab, mit dem Grad der Hirnreifung dann erst wieder zu (vgl. 3.3.5). Empathie ist hochgradig sprachenrelevant-- besonders auch in kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen erhält sie Bedeutung. Die Beurteilung und Interpretation der Resultate dieses Perspektivwechsels allerdings ist meist noch geprägt durch den emotionalen Filter des limbischen Systems und weniger durch Kognition. <?page no="20"?> 19 1.2 Qualitative Änderungen in den Hirnregionen 1.2.4 Weitere relevante Veränderungen Interhemisphärische Relaisstation: der Balken Das Corpus callosum ist ein neuronaler Faserbalken, der die Hemisphären im Gehirn verbindet. Auf der Suche nach weiteren Wachstumsmustern des sich entwickelnden Gehirns vor und während der Pubertät ist festzustellen, dass sich dieses Hirnareal vor und während der Pubertät stark entwickelt, sich aber gleich anschließend abschwächt. Für Eltern und Lehrkräfte ist die Erkenntnis von hohem Interesse, dass diese Ergebnisse Studien zum Spracherwerb stützen, die eine Abnahme der Fähigkeit, neue Sprachen zu lernen, propagieren (Thompson et al. 2000). Hormonelle Besonderheiten Das Hormon Oxytocin ist u. a. verantwortlich für die Verstärkung sozialer Bindungen (vgl. Steinberg 2008) sowie die Selbstwahrnehmung während der Pubertät. Ein großes Bestreben Jugendlicher ist, selbstbewusst und somit gelassen aufzutreten. Dies prägt sich auch im Sprachgebrauch aus (vgl. Kap. 2). Eine kleine Drüse im Zentrum des Gehirns, die Epiphyse oder auch Zirbeldrüse genannt, produziert das Hormon Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Während der Wachstumsphase erzeugt es jedoch bei pubertierenden Jugendlichen Müdigkeit gleich einem Jetlag, d. h. in vielen Fällen mit einer Verzögerung von bis zu zwei Stunden gegenüber den „normalen“ Zeitabläufen (vgl. Sambanis 2013: 86). Dies erklärt die jugendliche Tendenz, länger aufbleiben zu wollen. Der Abbau des Hormons geschieht wiederum mit gleicher Verzögerung, was morgendliche Müdigkeit und Schlafmangel zur Folge hat. Auf diesen Umstand sind institutionalisierte Bildungseinrichtungen Abb. 7a und b Entwicklung der kognitiven Kontrolle in der Adoleszenz (a) bzw. nach der Adoleszenz (b) <?page no="21"?> 20 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen nicht eingestellt, sie verlegen sogar teils den Unterrichtsbeginn wegen organisatorischer Notwendigkeiten (Busfahrpläne etc.) noch weiter in den frühen Morgen. Neben sich unweigerlich einstellenden Konzentrationsmängeln, die sich nicht nur auf das Sprachenlernen auswirken, sind erhöhte Reizbarkeit und Anfälligkeit für depressive Stimmungen (vgl. 3.2.1 und 3.3.5) erheblich lernkontraproduktiv. Kortex Die zerebrale Reorganisation wird in Untersuchungen mit EEG (Elektroenzephalographie) ebenfalls deutlich. Dabei können zunehmende kognitive Fähigkeiten in der Adoleszenz in Studien zur neuropsychologischen Intelligenzforschung mit Fokus auf die Myelinisierung des präfrontalen Kortex belegt werden (Tamnes et al. 2010, 2012). Mit fortschreitender Adoleszenz zeigt sich beim Vergleich von Wellenfrequenzen eine starke Tendenz zur Leistungsfähigkeit des Stirnlappens und damit der Effizienz kognitiver Funktionen des beinahe Erwachsenen. Messbar ist gleichzeitig eine Abnahme des Glucose-Stoffwechsels, die diese Entwicklungsrichtung unterstützt (vgl. Spear 2010: 7). 1.3 Genderunterschiede Die Myelinisierung verläuft bei jungen Männern und Frauen bis zum Alter von etwa 18 Jahren leicht unterschiedlich ab und nivelliert sich dann in etwa. Abb. 8 verdeutlicht dies grob. Von erheblichem Interesse dabei ist der Umstand, dass sich dieser Prozess besonders in den für die Sprachverarbeitung verantwortlichen Hirnarealen niederschlägt. Lese- und Schreibkompetenzen wie auch feinmotorische Fähigkeiten, z. B. Handschrift, entwickeln sich ganz erheblich früher und schneller bei Mädchen. Diese Unterschiedlichkeit gleicht sich ab 18 Jahren dann aus, wenn nicht vorher eine genderspezifische Stigmatisierung stattfindet (vgl. Böttger 2016: 96). Abb. 8 Genderabhängige Myelinisierung <?page no="22"?> 21 1.4 Verändertes Schlafverhalten Die Aktivität in den beiden Hemisphären verdient ebenfalls Berücksichtigung bei der Unterstützung und Planung von Lernprozessen bei Jugendlichen: Im Alter von 14 bis 17 Jahren sind deutliche Unterschiede nachweisbar. Sie bestehen bei Mädchen vor allem in der klar effizienteren, funktionell symmetrischer organisierten Aktivierung der Hirnhälften zur Lösung sprachlicher Aufgaben. Obwohl das weibliche Gehirn durchschnittlich 13 Prozent kleiner und leichter ist, kann es insbesondere durch die beidseitige Aktivierung der Hemisphären 20 bis 30 Prozent mehr Hirnanteile für Sprache erschließen (vgl. Harasty et al. 2000: 404 f.). Dies gilt insbesondere für die Sprachwahrnehmung, auch für außersprachliche Zeichen. Jungen nützen, wenn auch viel eingeschränkter, ebenfalls die rechte Hemisphäre, da ihnen sonst wesentliche Sprachinformationen verschlossen bleiben. Auch Empathie kann sich durch den Miteinbezug entsprechender Areale bei Mädchen früher ausprägen, was beim metaphorischen Lesen sichtbar wird. Jungen hingegen verwenden stärker eine einzige Hirnhälfte, sie arbeiten hypothetisch demnach mit nur einer einzigen Aufgabenstellung effizienter (Böttger 2016: 87). 1.4 Verändertes Schlafverhalten Während der Pubertät ändert sich bei den Jugendlichen der Schlaf-Wach-Rhythmus ganz erheblich. Diese Veränderungen führen dazu, dass, wie gesagt, der übliche frühe Beginn der Schul- und Ausbildungszeiten oft durch Müdigkeit und Passivität geprägt ist (vgl. Scheidt et al. 2000). Der Grund dafür liegt vor allem im nächtlichen Schlafdefizit, das wiederum von einem späteren Zubettgehen als in der Kindheit herrührt. Jungen sind davon häufiger betroffen als Mädchen, außerdem nimmt es in der Adoleszenz stetig zu (ebd.). Speziell zu Beginn der Pubertät, etwa im Alter von zehn bis elf Jahren und noch vor den ersten sichtbaren physischen Veränderungen (vgl. Sadeh et al. 2009), verschiebt sich das Schlafverhalten schubartig. Zunächst geschieht dies etwa um durchschnittlich 50 Minuten Richtung Mitternacht. Dazu reduziert sich die durchschnittliche Schlafdauer um 40 Minuten, später dann um bis zu zwei Stunden (vgl. Hansen et al. 2005). Nächtliche Aufwachphasen betreffen in dieser Zeit vor allem Jungen, weniger Mädchen. Es ist anzunehmen, dass sich die pubertätsrelevanten neuronalen Entwicklungen in psychischer wie physischer Hinsicht früher an der Schlaforganisation als an körperlichen Veränderungen diagnostizieren lassen. Unregelmäßiges Schlafverhalten, wie z. B. ▶ Einschlafschwierigkeiten und langes Wachliegen, ▶ morgendliche Aufwachprobleme sowie ▶ überlanges Ausschlafen bis in den Nachmittag an Wochenenden, ist eine erste Beobachtung, die vor allem Eltern machen und beurteilen können sollten. Dieses veränderte Schlafverhalten ist in der Phase der Pubertät jedoch kontraproduktiv: Wo wegen der großen physischen Veränderung eigentlich Erholung und Schlaf notwendig wären (vgl. Randler et al. 2009), wird nächtliches Aufbleiben als erwachsen empfunden. Neben diversen, kontrollierbaren Gründen für spätabendliches Agieren (späte Hausaufgaben und <?page no="23"?> 22 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen Lernphasen sowie Internetkonsum) gibt es einen rein biologischen Grund für das mangelnde Müdigkeitsgefühl. Das Hormon Melatonin, auch „Dunkelhormon“ (vgl. 1.2.4) genannt, wird bei Lichtmangel bzw. einsetzender Dunkelheit ausgeschüttet. Es sendet das Signal zum Müdewerden an den Körper. Der Spiegel erhöht sich individuell unterschiedlich nachts bis auf das Zweibis Dreifache. Während der Pubertät geschieht dieser Vorgang individuell deutlich verzögert (vgl. Carskadon et al. 1998), das Einsetzen von Müdigkeit erfolgt verspätet. 1 Im in der Regel gegen 8 Uhr morgens beginnenden Schulunterricht wirkt nun die innere Uhr gegen das vorgegebene Programm, für die Jugendlichen ist es subjektiv beurteilt noch nachts bzw. sehr früh morgens vor dem eigentlichen Aufstehen. Vergleichbar ist der körperliche Zustand zu dieser Zeit mit dem Jetlag-Gefühl von Flugreisenden nach Asien. Mangelnde Leistungsfähigkeit, lange Reaktionszeiten, Lustlosigkeit (Drake et al. 2003), Launenhaftigkeit, Hyperaktivität, Nervosität, Konzentrationsmangel und gedankliche innere Emigration, passives Verhalten, kurze Einschlafphasen sind die Folge, was dann wiederum zu schlechteren schulischen Leistungen und Leistungsnachweisen führen kann (vgl. Randazzo et al. 1998; Wolfson / Carskadon 1998). Negativ beeinflusst werden durch das sich aufbauende Schlafdefizit die nachschulischen Zeiten am Nachmittag bzw. Abend. Vorbereitungen aller Art auf den kommenden Tag werden deshalb zunehmend erschwert (vgl. Mercer et al. 1998), es kommt zu einem buchstäblichen Teufelskreis mit der Tendenz einer psychisch-physischen Abwärtsspirale. Sie äußert sich in der Regel durch Mangelzeiten an Schlaf im Lauf der Woche und ausgiebigen kompensativen Schlafphasen an den Wochenenden. Der Schlafbedarf ändert sich in der Lebensspanne deutlich, der ideale Schlafbedarf bei Pubertierenden liegt bei etwa 9,5 Stunden. Die zumeist unter der Woche nur erreichten sechs Stunden hingegen sind eindeutig zu wenig: Die Konsequenzen für die Organisation und Struktur von Schule und Unterricht liegen buchstäblich auf der Hand: Biologische Entwicklungen und erhöhte schulische wie gesellschaftliche Anforderungen, inklusive des sozialen peer-Drucks, bedingen sich gegenseitig sowie, möglichweise verstärkend, ungünstige Schlafgewohnheiten. Eltern, Lehrkräfte sowie Bildungsverantwortliche spielen eine ganz erhebliche Rolle bei dem nötigen Umstrukturierungsprozess, der vor allem zunächst zeitlichen Reorganisation schulischer Abläufe. Schlafbedürfnisse gilt es zu priorisieren, da sie sich positiv wie negativ auf Lernprozesse und -erfolge auswirken, so auch beim (Fremd-)Sprachenlernen. Ganz konkret benötigen Teenager während der Pubertät Hilfe bei ihrer zeitlichen Strukturierung und Priorisierung des Tagesablaufs. Genügende Pausenzeiten und leistbare Aufgaben entlasten. Letztlich können auch Ärzte pubertierenden Jugendlichen helfen, bewusst eine gesunde Einstellung zu Schlaf zu entwickeln. 1 Melatonin wird auch als Schlafmittel verwendet, da es die innere Uhr beeinflussen kann: Gerät diese, z. B. durch Jetlag, aus dem Takt, verhilft Melatonin zum schnelleren Einschlafen und erholsamen Schlaf-- jedoch nicht akut. Die Wirkung setzt erst verzögert und auch nur bei jedem zweiten Anwender ein. Es ist in Deutschland, anders als in den USA , verschreibungspflichtig und dessen Einnahme wird erst ab dem Alter von 55 zugelassen. <?page no="24"?> 23 1.4 Verändertes Schlafverhalten Solche Konsequenzen umfassen die Ganztagsschule (vgl. Hansen et al. 2005) sowie einen um das Schlafverzögerungsquantum verschobenen, um ca. eine Stunde später beginnenden Unterricht (vgl. Roenneberg et al. 2004), sowie in der Folge auch später am Vormittag stattfindende Leistungstests. Bis hin zur methodischen Ebene wirken sich die nötigen Anpassungen aus-- rezeptive, musische, körperlich langsam aktivierende Aufgaben in Gruppen mit inhaltlich noch geringem Schwierigkeitsgrad sollten vor anspruchsvollen kreativen und kognitiven Aktivitäten stattfinden. Im häuslichen Umfeld und unter elterlichem Einfluss sind einige Voraussetzungen günstigstenfalls schlaf- und somit (sprach)lernleistungsförderlich: Ruhige, stressfreie und medienarme abendliche Atmosphäre mit routinierten Abläufen, etwas abgedunkelten Räumlichkeiten bzw. geringen Anteilen an Computerspielen, Videokonsum oder auch intensivem Lernen. Bläuliche Lichtquellen bei Smartphones, Tablets und PC s sowie Nikotin, Alkohol und Koffein wirken kontraproduktiv beim Einschlafen bzw. schlafstörend (vgl. DAK 2018). Sogenannte Lichtduschen am Vormittag, u. a. durch das partielle Verlegen des Lernortes nach draußen, und sportliche Betätigungen am Frühabend sowie leichtes Abendessen hingegen beeinflussen das Schlafverhalten positiv. Ein kurzer Nachmittagsschlaf (maximal 30 Minuten) und möglichst äquivalentes Schlafverhalten am Wochenende, natürlich mit den altersgemäßen Ausnahmen, sind gleichermaßen positiv zu bewerten. Auf der unterrichtsmethodischen Ebene lassen sich die Veränderungen im Schlafverhalten ebenfalls berücksichtigen: So genannte Schlaftagebücher helfen Jugendlichen, nachts gute Bedingungen für das Lernen tagsüber zu schaffen. Durch die niedergeschriebene Erinnerung an Träume und bewusst wahrgenommene Wachzeiten kann die eigene Schlafgewohnheit reflektiert und Ruhe- und Wachzeiten rhythmisiert werden. Für das Fremdsprachenlernen bietet sich die Verarbeitung der Niederschriften z.B. in individuellen lyrischen oder musikalischen Textformen wie Songs, Raps, Poems etc. an. Für die Jugendlichen der Sekundarstufen empfehlen sich bei einem gleitenden, flexiblen und späteren Unterrichtsbeginn vor allem rezeptive Phasen: Selbstgewählte Hör- und Lesetexte z.B. helfen beim Start in den Sprachlerntag, der dafür länger dauernd darf. Abb. 9 Verschobener Biorhythmus bei Teenagern <?page no="25"?> 24 1. Sprachrelevante neurobiologische Grundlagen Tests jeder Art ob diagnostisch oder zur Benotung sind nach den ersten Stunden des Vormittags ebenfalls fairer und erfolgversprechender. 1.5 Zwischenfazit Die Vermutung liegt nahe, dass das jugendliche Gehirn durch die Dysbalance zwischen Emotion und Kognition gezielt auf spezifische Erfahrungen vorbereitet wird. Dies würde ebenso klare und Orientierung gebende Lernformen, aber auch die vorsichtige Heranführung an spezifische flexible und offene Lernformen erfordern. Um dieses besondere Lernfenster zu nutzen, müssen kognitive Anforderungen leistbar sein. Zudem sollte der negative Effekt von passivem TV -, Internet- und Videokonsum sowie der mögliche positive Effekt eines gezielten Prunings, z. B. durch Sport, Musik und geistige Anforderungen bewusst gemacht werden. Als Bezugspersonen mit der Dysbalance (sprach-)erzieherisch professionell umzugehen und zu einer Balancierung beizutragen, ist zudem für die Jugendlichen berufsvorbereitend und wirkt bezüglich extremen psychischen Schwankungen hin zu Depressionen und gar Schizophrenie prophylaktisch (zu Angsterkrankungen in der Pubertät vgl. 3.3.5). Dazu darf jedoch das erwachsene Gehirn nicht als Zielzustand angesehen werden, der erreicht wird, indem man die pubertäre Phase als defizitär ansieht und irgendwie absolviert, sondern ihre Potenziale gezielt nutzt (vgl. Konrad et al. 2013: 429). Ausgewählte Literaturhinweise Böttger, H. (2016). Neurodidaktik des frühen Sprachenlernens. Wo die Sprache zuhause ist. Stuttgart: utb. Giedd, J. N. / Blumenthal, J. / Jeffries, N. O. / Castellanos, F. X. / Liu, H. / Zijdenbos, A. / Paus, T. / Evans, A. C. / Rapoport, J. L. (1999). Brain Development during Childhood and Adolescence: A Longitudinal MRI Study. In. Nature Neuroscience 2 (10): 861-63. Hansen, M. / Janssen, I. / Schiff, A. / Zee, P. C. / Dubocovich, M. L. (2005). The Impact of School Daily Schedule on Adolescent Sleep. In. Pediatrics 115 (6): 1555-61. Sambanis, M. (2013). Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr. <?page no="26"?> 25 2.1 Ansprechpartner 2. Kommunikation In diesem zweiten Kapitel soll die Kommunikation der pubertierenden Jugendlichen in den Blick genommen werden. Ihre Ansprechpartner, die Art und Weise des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks sind sowohl für die sprachliche Entwicklung in der Muttersprache als auch in allen anderen Sprachen relevant. Besonders die institutionalisiert wie auch außerschulisch erlernte Kinder- und Jugendkultursprache Englisch ist betroffen, denn ein nicht unerheblicher Teil konstituiert die Jugendsprache (vgl. 2.1.3 & 2.2.1). Die Problematik der Vermittlung von englischsprachigen Standards im Unterricht entsteht für die Altersgruppe dann, wenn ihre Sprech- / Schreibintentionen mit den schulisch vermittelten Sprachmitteln nicht ausgedrückt werden können. Der Stil, das „Wie“ des Sprechens und Schreibens sowie das Register pubertierender Jugendlicher, also das „Wann / In welcher Situation“, „Mit wem“ und „Wie“, spielen in der Regel keine unterrichtliche Rolle, müssen aber dennoch immer wieder involviert werden. Die Nicht-Berücksichtigung der jugendlichen Sprachebene lässt sonst schnell eine Schieflage gegenüber den literarischen Texten sowie Sachtexten entstehen, die für eine sprachliche Vorbildwirkung exemplarisch vorgehalten werden müssen. Jugendliche sehen die verwendete Sprache als eine künstliche, erwachsenenorientierte Ausdrucksmöglichkeit, die sie zwar verstehen lernen, jedoch nicht anwenden. In den typischen Rückzugsphasen, in denen Teenager keinerlei Kommunikation aufrechterhalten wollen, verstärkt sich der sowieso vorhandene Unterschied. 2.1 Ansprechpartner Das Spektrum der Ansprechpartner der pubertierenden Jugendlichen erweitert sich nach der Kindheit schnell. Neben den Eltern bzw. den Erziehungsberechtigten und Familienmitgliedern als feste Bezugsgröße sind es zwei Gruppen, in denen sich die sozialen Netzwerke der Jugendlichen zügig entwickeln: Lehrkräfte und die peers, die Gleichaltrigen. Die Bewertung aller drei Gruppen bleibt positiv, einzig die dominante Rolle der Eltern bzw. der Familie ändert sich. Sie wünschen sich Unabhängigkeit und viele Kontakte, wollen aber auch den sicheren Hafen der Familie und Freunde nicht missen. Dies sind die neuen Prioritäten (vgl. Abb. 10). 2.1.1 Eltern und Erziehungsberechtigte Noch in der Kindheit die absoluten Orientierungsfixpunkte, ab Beginn der Pubertät scheinbar und zunehmend „entthront“-- so ändert sich, zugespitzt ausgedrückt, die Rolle der Eltern und Erziehungsberechtigten. Abb. 10 Werte Jugendlicher <?page no="27"?> 26 2. Kommunikation Während der ersten Lebensjahre standen die Eltern uneingeschränkt im Mittelpunkt, im Kindergartenalter sowie in der Grundschule nahmen der Einfluss und die Vorbildwirkung der Erzieherinnen und Lehrkräfte deutlich zu, ohne die Leitposition zu stark zu beeinflussen. Am Ende richten Kinder ihre Aufmerksamkeit auf Gleichaltrige und ihre eigene Stellung innerhalb dieser Gruppe. Die Eltern werden bewusst zu Gunsten des Einflusses der Altersgenossen in den Hintergrund geschoben. Als Vorbilder in Bezug auf kommunikative Mittel, wie Wortwahl, Register, Stil etc., werden Eltern ebenfalls durch peers ersetzt, die diese Rolle übernehmen. Paradox, aber zutreffend: Pubertierende Jugendliche erwarten nicht, dass Eltern sich nun auf das Sprachniveau der gleichaltrigen Freunde begeben, dies wird in der Regel eher als peinlich empfunden (vgl. 2.2.2). Als Kommunikationspartner sind Eltern dennoch weiter wichtig, nur die Inhalte der Gespräche ändern sich. Auf Ablehnung stoßen-- eine Parallele zur mangelnden jugendlichen Akzeptanz von unterrichtlichem Befehlston- - eindringliche Bitten, Aufforderungen, verbale Einbahnstraßen ohne partnerschaftliche Replikmöglichkeit. Dies erkennen Eltern nicht immer und fühlen sich persönlich in der ehemals so engen Beziehung herabgesetzt. Dies und die Enttäuschung, dass die gewohnte familiäre Idylle mit den klaren Hierarchien sich nun ändert, führt schnell zu Auseinandersetzungen, die ausufern können: Streitigkeiten, verbale Provokationen, Grenzüberschreitungen, letztlich Wut und Tränen bei allen Beteiligten, das ist ein Teufelskreis hauptsächlich von Fehlkommunikation, den es zu unterbrechen gilt. Die eigene Einstellung, die verantwortliche Haltung den Kindern gegenüber und das eigene, auch verbale Verhalten neu zu überprüfen, fällt verständlicherweise schwer. Dabei geraten Eltern häufig in typische kommunikative Verhaltensmuster, die diesen Prozess zusätzlich belasten: 1. Überstarke Bindung wirkt kontraproduktiv. Die scheinbare Ablösung der eigenen Kinder durch übertriebene, sich mit den Problemen der Kinder identifizierende „Wir“-Formulierungen zu kompensieren und sich damit auf die gleiche Stufe zu begeben, verunsichert die Jugendlichen. Starke Kontrolle und Einschränkungen der Unabhängigkeitsbestrebungen sind ebenfalls ungünstig, um Kommunikation und Kontakt aufrechtzuerhalten. 2. Elterliche unterschwellige Projektionen eigener Wünsche sind schwer zu entdecken. Jugendliche jedoch spüren sie schnell, denn unter dem Deckmäntelchen von liberalem Loslassen wird übergroßes Interesse durch ständiges Nachfragen und unterschwellige Botschaften transportiert. Schuld und schlechtes Gewissen sind das Resultat, deren ursächliche Entwicklung Jugendliche zurückverfolgen können. Eine unbeschwerte Kommunikation mit den Eltern ist dann kaum möglich. 3. Überfordernd wirken letztlich Desinteresse, Gleichgültigkeit und zu früh und zu viel übertragene Selbstständigkeit. Der gesuchte Rat als willkommener partnerschaftlicher Kommunikationsanlass entfällt hierbei. Patentrezepte für eine gelungene Kommunikation zwischen Eltern und pubertierenden Jugendlichen gibt es nicht. Wesentliche Aspekte gelungener Ansätze sind jedoch partner- <?page no="28"?> 27 2.1 Ansprechpartner schaftlich ausgerichtete Gespräche, inhaltlich relevante Diskussionen auf Augenhöhe ohne „Verlierer“, sichere, souveräne Gelassenheit und Aushalten von Provokationen, permanentes, verlässliches und nachhaltiges Ernstnehmen der Anliegen der großen Kinder sowie elterliches Bewusstsein des Dilemmas der Jugendlichen zwischen Kontaktwunsch und Abgrenzung. 2.1.2 Lehrkräfte Schule und Pubertät scheinen auf den ersten Blick nicht recht zueinander passen zu wollen. Vorgegebene, systematische Progressionen der Curricula trotz aller Individualität, Leistungsdenken und überbordende vermittelnde methodische Verfahren haben allen Reformbemühungen widerstanden. Die Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Institution Schule, die Lehrkräfte, müssen, oft auch gegen ihre erklärte Überzeugung, diese in der Sekundarstufe aller Schularten noch nicht altersgerechte Ausrichtung von Lernmanagement an der Unterrichtsfront möglichst glaubhaft erhalten. Das hierarchische Prinzip sowie mangelnde Individualisierungsmöglichkeiten stehen jedoch in Widerspruch zu neurobiologischen und auch modernen pädagogischen und didaktischen Erkenntnissen. Auch wenn diese universitär vermittelt wurden und als Lehrkompetenzen quasi vorliegen, stehen strukturelle und organisatorische Belange bei Lehrkräften häufig im Vordergrund und lassen unterrichtliches Handeln nicht zu. Jugendliche, die sich ausdrücken wollen, müssen zuhören, und selbst wenn sie das nicht können, müssen sie so tun als ob. Die disziplinarischen Mittel, die Notengebung an der Spitze, reichen nicht immer aus, um die extrinsische Motivation zu gewährleisten. Das Ergebnis sind enttäuschende, frustrierende und verärgernde Kommunikationen, die alle Beteiligten nicht wollen. Die Lösung liegt trotz aller Einschränkungen bei den Lehrkräften selbst. Ihnen stehen umfassende professionelle Kompetenzen zur Verfügung (vgl. Böttger / BIG -Kreis 2007). Sie besitzen deshalb äußerst relevante a) Reflexionskompetenzen, um verbale Entgleisungen nicht persönlich zu nehmen, zugewandt und freundlich zu bleiben, Vorwürfen ernsthaft zu begegnen, Ratschläge nur gefragt zu erteilen, gezielt Gesprächstechniken einzusetzen sowie individuell Zutrauen und Vertrauen zu signalisieren. b) didaktische Kompetenzen für einen offenen, fordernden und fördernden Unterricht (siehe Kap. 5), mit Raum und Zeit für Kreativität, Experimente und Strategien. Die genannten Punkte beziehen sich auch und zuvorderst auf jede Fremdsprachenlehrkraft. Gerade beim sprachlichen Paradoxon, dem Unterschied in den kognitiven muttersprachlichen Fähigkeiten und dem sich entwickelnden Wissen auf der einen Seite sowie der noch reduzierten fremdsprachlichen Performanz auf der anderen, wird dies deutlich: Großzügigkeit, Fehlertoleranz, Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Achtsamkeit sind didaktische Aspekte eines altersgerechten Fremdsprachenunterrichts. Verantwortlich zu kommunizieren, vor allem die Kompetenzunterschiede in der Fremdsprache nicht als Machtmittel zu missbrauchen, sind unverzichtbare Gelingensbedingungen. <?page no="29"?> 28 2. Kommunikation 2.1.3 Peergroup In erster Linie ist eine peergroup eine in der Regel mehr oder weniger große Gruppe von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, in der sich wiederum „beste Freundinnen und Freunde“ sowie „Kumpel“ finden, mit denen Cliquen oder Banden gebildet werden. In der Regel bedeutet peer auch eine Art Gleichstellung, jedoch sind klare Hierarchien mit Anführern keine Seltenheit. Die peergroup wird weiter definiert durch die räumliche Nähe ihrer Mitglieder, durch ähnliche Interessenslagen, abgrenzende äußerliche Zeichen sowie durch einen eigenen Sprachstil (vgl. 2.2). Mit Blick auf die altersbezogene Sprachproduktion ist wegen des Strebens nach Selbstbewusstsein bei Pubertierenden das gezielte Verwenden besonders lässiger, „cooler“ Jugendsprache zu beobachten. Bei deutschsprachigen Jugendlichen ist dies z. B. der Ersatz deutscher Begriffe durch englische Ausdrücke (vgl. Böttger 2016 2 ). Sie bewirken die weitere Abgrenzung von der bestehenden Erwachsenengeneration, dienen gleichzeitig aber auch als Kollektivsprache der peergroup. Die Bewertung der eigenen Persönlichkeit durch die Gruppe Gleichaltriger ist wichtig, die scheinbar gleichgültige Wortwahl und „coole“ Sprachverwendung diesbezüglich relevant. Lehnwörter aus dem Englischen ersetzen dabei deutsche Begriffe: 1. lyrics Songtexte 11. party Feier 2. trouble Ärger 12. friends Freunde 3. fresh frisch 13. crazy verrückt 4. nice schön 14. spot Ort 5. track Liednummer 15. bag Tasche 6. easy einfach 16. skill Fähigkeit 7. shit Scheiße 17. smooth geschmeidig 8. style Stil 18. homie Kumpel 9. game Spiel 19. mum / dad Mama / Papa 10. peace Friede 20. screen Bildschirm In einer Vergleichsuntersuchung konnte Böttger (2016 2) : 3) feststellen, dass nahezu alle befragten peers die jeweils deutsche Entsprechung kannten, nicht jedoch die befragten Erwachsenen. Ähnlich verhielt es sich mit den sprachlichen Präferenzen bei folgenden Auswahlmöglichkeiten: 1. ____________________, ich habe genug Geld dabei. No worries / Keine Sorge 2. Oh ____________________ , ich habe mein Handy im Bus liegen lassen. shit / verdammt 3. ____________________ Jacke, steht dir gut! Coole / Schöne <?page no="30"?> 29 2.1 Ansprechpartner 4. Ich habe mir ein neues ____________________ für die PlayStation 4 gekauft. game / Spiel 5. Wir gehen in ____________________ , willst du mitkommen? einen Club / eine Diskothek 6. ____________________ handelt von seiner Jugendzeit im Ghetto, ich Der Song / Das Lied habe mir ____________________ angeschaut. die Lyrics / den Liedtext 7. Hey ____________________, ich komme heute früher von der Schule nach Hause. Mum / Dad Mama / Papa 8. ____________________ (zusammen), wie geht es euch? Peace / Seid gegrüßt 9. Das ist doch ____________________ , ich glaube, dass er lügt. bullshit / Schwachsinn Die englische Sprache spielt in zweierlei Hinsicht eine besondere Rolle in der Pubertät: Zum einen sind es die oben genannten Entlehnungen aus dem Englischen, die die Identifikation und Zugehörigkeit zu einer Gruppe quasi mit Schlüsselwörtern ausweisen. Abseits vom vermittelten Standardenglisch des Englischunterrichts sind es aber auch die teils durch Varietäten veränderten englischsprachigen Song- und Raptexte, die neben dem Musikstil eine Abgrenzung zu Erwachsenen ermöglichen (zu Musik im Jugendalter vgl. 3.1). Ihre teilweise grenzüberschreitenden, sexistischen, gewaltverherrlichenden lyrics sind dabei nicht gleichzusetzen mit einer internalisierten Haltung, sondern verbales Experiment, Abenteuer und Protest. 2.1.4 Zwischenfazit Vom Nahen zum Fernen-- dieses logische didaktische Prinzip zeigt sich auch bei der Entwicklung pubertierender Jugendlicher. Gerade war es noch die Familie, dann plötzlich sind es die gleichaltrigen Freundinnen, Freunde und Kumpel, die die Sicht auf die Dinge bestimmen. Gewohnheiten, Rituale und vertraute Kommunikationsstränge scheinen, insbesondere für die Eltern, zu reißen. Jedoch ist der Rat zu Gelassenheit und Aufrechterhalten des Kontakts ein weiser, denn die Kommunikation zwischen den Jugendlichen und ihren erwachsenen Bezugspersonen ist nicht beendet, sondern hat sich nur qualitativ entwickelt-- in Richtung Gleichberechtigung. Dies verändert auch und vor allem allgemein Unterricht, ganz speziell den Fremdsprachenunterricht. In ihm führen demokratische Aufgabenformate zunehmend zu mehr Partizipation, auch wenn das Paradox für den Jugendlichen besteht, nicht alles fremdsprachlich ausdrücken zu können, was muttersprachlich möglich wäre. Dem Wunsch <?page no="31"?> 30 2. Kommunikation nach fremdsprachlicher Realisierung von Redeintentionen durch gezielte Unterstützung, z. B. Scaffolding, nachzukommen, ist eine der wichtigsten und schwierigsten Lehrkompetenzen. Ausgewählte Literaturhinweise BIG -Kreis (2007). Standards für die Lehrerbildung: Empfehlungen des BIG -Kreises in der Stiftung LERNEN . In: Fremdsprachenunterricht in der Grundschule. München: Domino Verlag. Shell Jugendstudie (2015). www.shell.de/ ueber-uns/ die-shell-jugendstudie.html. 2.2 Kommunikation im Jugendalter Bist du‘n Alpha-Kevin oder doch mega bambus? Einwegtussi oder Tinderella? Omni oder Swaggetarier? Egal- - du wirst dieses Wörterbuch der Jugendsprache krass feiern. Hier gibt‘s nämlich Enterbrainment, bei dem auch die Fliegenficker steil gehen. (Vogt 2016: 3) Mit diesem für die meisten wohl zumindest in Teilen kryptischen Text, abgefasst, wie anzunehmen steht, in einer Jugendsprache, wirbt der Langenscheidt-Verlag für sein „Buch zum Jugendwort des Jahres“ (vgl. Vogt & Langenscheidt 2016). Im Rahmen der Initiative zur Identifizierung des Jugendworts des Jahres werden Menschen-- Zielgruppe sind wohl vor allem junge Menschen (man soll sein Alter angeben, wenn man ein Wort vorschlägt)- - dazu aufgefordert, Wörter und Wendungen einzureichen, die gerade en vogue sind (www.jugendwort.de). In der Sprache des Werbekurzfilms für die Aktion wird die Aufgabenstellung wie folgt präzisiert: „Hau dein Wort rein, das bei dir und deiner crowd gerade awesome tight ist.-[…] Hauptsache, es ist gediegen.-[…] Also, mach die Socken scharf.“ (ebd.). Auf der Homepage der Initiative können Stimmen für die gelisteten Vorschläge abgegeben werden. Daraus geht eine Top Ten-Liste hervor, die dann noch rechtzeitig, bevor das Jahr zu Ende ist, einer Jury zugetragen wird (dem Werbekurzfilm zufolge werden sogar „die 15 fettesten Wörter-[…] einer Expertenjury hingebrettert“, ebd.). Diese Jury nimmt unter Anwendung von vier Kriterien (sprachliche Kreativität, Originalität, Verbreitungsgrad sowie ein möglicher Bezug zu gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen) die abschließende Auswahl vor und bestimmt die fünf ersten Plätze. Und so steht jeweils „am Ende des Jahres der Checker der Wörter fest“ (ebd.). Das war 2016 „fly sein“, ein wenig verbreiteter, jedoch nach Ansicht der Jury aufstrebender Ausdruck aus der Hip-Hop-Sprache mit der Bedeutung „besonders abgehen“. 2015 schaffte es „Smombie“ auf Platz 1, was sich wie folgt definiert: „…-jemand, der wie gebannt auf sein Smartphone schaut und dadurch wie ein Zombie durch die Gegend läuft“ (ebd.). 2014 lautete das Jugendwort des Jahres „Läuft bei dir“, 2017 „i bims“, 2018 „Ehrenmann/ Ehrenfrau“ (im Folgejahr wurde die Wahl ausgesetzt). Das Jugendwort des Jahres ist ein Beispiel dafür, wie Jugendliche Sprache in Besitz nehmen, ihr Bedeutung geben und sie formen- - oftmals auf kreative Weise. Kommunikation im Jugendalter bedeutet, in vielen Kontexten die Art selbst zu bestimmen, wie kommuniziert wird, mitunter nämlich in einer Jugendsprache, und sich die Gesprächspartner, mehr als in früherer Kindheit, selbst auszuwählen (vgl. 2.1). <?page no="32"?> 31 2.2 Kommunikation im Jugendalter Jugendsprachen sind kein auf Deutschland begrenztes Phänomen, sondern existieren auch in anderen Ländern, vielfach mit vergleichbaren Merkmalen. Jugendsprachen zeichnen sich durch verschiedene Modifikationen, auch jenseits der Wortebene, aus. Einige ursprünglich jugendsprachliche Sprechweisen finden den Weg in die Umgangssprache, was einerseits die Innovationskraft der jungen Generation sichtbar macht, andererseits die Jugend aber auch dazu veranlasst, ihre Sprache, durch die eine „Art Generationsidentität“ (Marossek 2016: 42) hergestellt und zum Ausdruck gebracht werden soll, nach relativ kurzer Zeit schon wieder sprachlichen Renovierungs- und Innovationsmaßnahmen zu unterziehen. Largo / Czernin (2011: 110) sprechen von einem schnellen Wandel und weisen darauf hin, dass von jeder Generation die Jugendsprache „neu geschaffen und emotional aufgeladen werde“. „Keine andere Sprechergruppe hat einen so markanten und zugleich wandlungsfähigen Stil wie die Jugendlichen“ (Marossek 2016: 39). Im Folgenden werden der Zweck und einige Merkmale von Jugendsprachen, die sich übrigens als gruppenspezifische Sprechweisen definieren, dargestellt. 2.2.1 Funktionen und Merkmale von Jugendsprache(n) Die Tatsache, dass Jugendliche Sprache nicht nur übernehmen, sondern sie aktiv verändern und zum Teil neu gestalten, zeugt von ihrer Kreativität (vgl. 3.6), Explorationsfreude, Identitätssuche, sprachlichen Sensibilität und Emotionalität (vgl. 3.3). Jugendsprache dient dazu, sich einerseits abzugrenzen- - nicht nur von den Erwachsenen, sondern auch von anderen Sprechergruppen (es gibt nicht die eine Jugendsprache, sondern verschiedene zur selben Zeit)- - und andererseits, wie schon angedeutet, Zugehörigkeit zu pflegen und zu zeigen. „Zum Wesen der Jugendsprache gehört es, zu entfremden, zu zitieren und zu verbildlichen“ (Marossek 2016: 39) und in der Tat ist die Wahl der Lexik ein wichtiges Merkmal. 2 Neben Wortschöpfungen und Entlehnungen aus anderen Sprachen (zum Englischen vgl. 2.1.3)-- in diesem Zusammenhang wird mitunter auch auf Kiezdeutsch, einen neuen deutschen Dialekt (vgl. Wiese 2012: 10), 3 als eine Form von Jugendsprache hingewiesen-- sind auf Wortebene auch Reduktionen oder Erweiterungen der Bedeutung zu beobachten: „‚Fett‘ heißt dann so viel wie richtig toll, und ‚cremig‘ steht für locker und entspannt“ (Marossek 2016: 40). Für einiges gibt es außerdem auffallend viele synonyme Bezeichnungen, z. B. für Idiot (voll der Honk oder Hunk, Lauch, Alpaka, Hasenhirn, Lappen, Vollzonk, Bodenturner, Alpha-Kevin 2 Die Berliner Soziolinguistin Marossek hat 2013 mit einer Studie zum Einfluss migrationsbedingter Kontraktionsvermeidungen im Sprachgebrauch von Berliner Jugendlichen promoviert. 3 „Kiezdeutsch ist ein Sprachgebrauch im Deutschen, der sich unter Jugendlichen in Wohnvierteln wie Berlin-Kreuzberg entwickelt hat“ (Wiese 2012: 12 f.) und dann, befördert durch neue Kommunikationswege und -formate, auch außerhalb der Ursprungskieze wahrgenommen wurde. Kiezdeutsch wird vor allem von Jugendlichen gesprochen, „die in Deutschland geboren und mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind“ (Wiese 2012: 115). Diese jungen Menschen können sich in der Regel auch in Standard-Umgangssprache ausdrücken. „Kiezdeutsch ist-[…] ein Element aus dem sprachlichen Repertoire von Jugendlichen, aber nicht das einzige.“ (Wiese 2012: 14) <?page no="33"?> 32 2. Kommunikation sowie Opfer, Horst, Schwachmat, Spacko, Spast, Vollspast oder Spasti etc.). 4 Des Weiteren zählen die Verwendung von Umschreibungen und bildhaften Ausdrücken zu den Merkmalen von Jugendsprache, ebenso das Übertragen eines Wortes in eine andere Wortart, z. B. kann das Substantiv „Müll“ zu einem Verb, nämlich müllen, konvertiert werden. Der Name von Kanzlerin Merkel wurde zu merkeln (nichts tun, nicht reagieren, keine Entscheidung treffen) und hatte recht gute Chancen, zum Jugendwort des Jahres 2015 gewählt zu werden. 5 Ein weiteres Merkmal von Jugendsprache betrifft außer- und übersprachliche Zeichen, d. h. Ausdrucksformen jenseits der Wort- und Satzebene, die einen großen Beitrag zur Kommunikation leisten. Gestische und mimische Mittel nehmen z. B. in den „teilweise ausgefeilten Begrüßungs- und Verabschiedungsritualen“ (Marossek 2016: 41) von Jugendlichen eine bedeutende Rolle ein, begleitet von Begrüßungsformeln, wie z. B. „Hey Kackspast! “, „[Name], du Spast, Alter! “ oder „Heeeyy, lassma gleich Späti gehen. Kommst du? “ als direkte Einladung, sich einer Unternehmung anzuschließen. Einige der Beispiele zeigen, dass auch bestimmte Stilmittel, z. B. Provokation, eine Rolle spielen: „‚Erzählen‘ unter Jugendlichen heißt u. a. sich das Rederecht zu erkämpfen und in einem ‚krassen‘ Beitrag Gruppenstimmung zu machen. Dazu bedarf es sozialer und rhetorischer Strategien, u. a. der Provokation“ (Steckbauer et al. 2014: 148). 2.2.2 Rituelle Beschimpfung und Kurzdeutsch In den Kontext von Provokationen und Erzeugung von Aufmerksamkeit fügt sich auch das schon seit mehreren Generationen in der einen oder anderen Form zu beobachtende Phänomen der rituellen Beschimpfung ein. Respekt, Anerkennung und Dominanz werden aggressiv eingefordert.- […] Letztlich dient- […] [die rituelle Beschimpfung aber auch] dazu, sich gegenseitig Respekt zu bekunden.- […] Rituelle Beschimpfungen stellen einen Gegenentwurf zu den gültigen Regeln der Höflichkeit in der Erwachsenenwelt dar, und letztlich geht es Jugendlichen genau um diese identitätsstiftende Abgrenzung. (Marossek 2016: 64, 65, 77) Nicht alles, was in den Ohren von Erwachsenen wie eine Beschimpfung klingt, ist tatsächlich so gemeint. 6 Offenbar kommt es-- auch hier sind wieder Mittel jenseits der Wort- und 4 Einige der Bezeichnungen können durch die Namensnennung (z. B. Kevin) oder die Anspielung auf eine Erkrankung (Spastik) als diskriminierend und besonders provozierend empfunden werden. Der Provokation als Stilmittel in Jugendsprachen wendet sich der nachfolgende Abschnitt zu. 5 Manche der genannten Merkmale unterliegen, wie gesagt, einem raschen Wandel, sind nur bestimmten Gruppen zuzuordnen oder werden von den Jugendlichen gezielt lediglich in bestimmten Situationen genutzt, in anderen weniger oder gar nicht. 6 Jugendsprachen sollen gruppenspezifisch wirken, d. h. beispielsweise sollen sie sich Erwachsenen nicht sofort erschließen. Mitunter sollen sie auch Sprecherinnen und Sprecher anderer Soziolekte irritieren. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es von Jugendlichen nicht unbedingt geschätzt, sogar als Grenzüberschreitung und Anbiederung empfunden wird, wenn sich Erwachsene „ihrer“ Sprache bedienen. Beispiele für missglückte Versuche Erwachsener, sich jugendsprachlicher Ausdrucks- und Verhaltensweisen zu bedienen, finden sich bei Marossek, einige eher klägliche Versuche, durch jugend- <?page no="34"?> 33 2.2 Kommunikation im Jugendalter Satzebene von Relevanz- - sehr auf die Art an, wie die rituelle Beleidigung ausgesprochen wird. Manchmal soll allein die Länge eines einzelnen Vokals entscheidend dafür sein, ob z. B. Opferknecht tatsächlich beleidigend oder anerkennend gemeint ist (vgl. Marossek 2016: 71). 7 Die rituelle Beschimpfung ist, zusammenfassend betrachtet, ein sehr anschauliches, greifbares Merkmal des Kurzdeutschs. Diejenigen, die sie praktizieren, zeigen in der Regel auch eine besondere Affinität zu den anderen Eigenheiten des Kurzdeutschs und umgekehrt. (Marossek 2016: 77) Hier wird von Marossek ein weiteres bemerkenswertes Phänomen erwähnt: das Kurzdeutsch. Largo / Czernin (2011: 113) weisen auf die Prägnanz von Jugendsprache und die Häufigkeit von Abkürzungen hin, was sich nicht auf die lexikalische Ebene beschränkt, sondern auch in syntaktischen Merkmalen niederschlägt. Die Tendenz zur Auslassung von Präpositionen und zur Tilgung von Artikeln sind Schlüsselmerkmale von Kurzdeutsch (Lassma Aldi gehen; Was? Gestern war ich Schule! ). Bestimmte Ausprägungen von Jugendsprache bilden sozusagen die Keimzelle des Kurzdeutschs, inzwischen finden sich aber auch in der Sprache anderer Bevölkerungsgruppen Spuren von Kurzdeutsch, was ein konkretes Beispiel dafür ist- - ob man es in diesem Fall nun schön findet oder nicht--, dass die sprachlichen Innovationen der jungen Generation die Grenzen des eigenen Soziolekts tatsächlich verlassen können. „Mit steigender Verbreitung unter den Erwachsenen verliert das Element oder gar der ganze Stil irgendwann endgültig den Status Jugendsprache und ist nun Bestandteil der ganz normalen Umgangssprache“ (Marossek 2016: 48). Die Verbreitung von Kurzdeutsch sei vor allem auf Formate der Selbstinszenierung im Internet, wie Posts in sozialen Netzwerken und Filme bei YouTube, zurückzuführen (vgl. Marossek 2016: 80 f.). Auf diese Weise habe die Jugendkultur, gemeint ist in diesem Fall vor allem die multikulturelle Jugendkultur, denn diese soll maßgeblich an der Ausprägung von Kurzdeutsch beteiligt sein, selbst dazu beigetragen, dass Merkmale ihrer Jugendsprache Einzug in die Umgangssprache gefunden haben. Jugendsprachen zeigen vielfach Einflüsse von fremden Sprachen, z. B. des Türkischen oder Arabischen sowie weiterhin des Englischen, von Netzjargon und vereinzelt aus der Musik, z. B. soll Babo, das Jugendwort 2013, durch ein Lied des deutsch-kurdischen Rappers Haftbefehl Verbreitung gefunden und Deichkind der Jugendsprache im Jahr 2012 „leider geil“ beschert haben. Die Merkmale jugendsprachlicher Narrationen, einer bedeutenden Form jugendsprachlicher Interaktion, lassen sich auf folgende vier Punkte verdichten: „Selbst- und fremdbezogene Befindlichkeiten werden sehr spontan und empathisch mitgeteilt durch Interjektionen- […], [a]ufmerksamkeitsfordernde Partikel[ ] wie ey, alter- […] prosodisch inszenierte direkte Rede, Intensivierer ([…] krass u. a.)“ (Steckbauer 2014: 155). „Grammatische Korrektheit wird vernachlässigt“ (ebd.). sprachliche Werbefilme das entsprechende Zielpublikum zu erreichen, unter www.new-communication. de/ neues/ detail/ artikel/ chillt-eure-nuggets-jugendsprache-unter-der-lupe. 7 Im Falle von rituellen Beschimpfungen, die das Wort „Opfer“ enthalten, soll ein langes O auf Anerkennung schließen lassen, ein kurzes auf Zurückweisung (ebd.). <?page no="35"?> 34 2. Kommunikation „Sondervokabular: -[…] abziehen („jmd berauben“), standard-[…]“ (ebd.). Einsatz sogenannter Attention Getters, „multifunktionaler und -kategorialer, höchst frequenter Gebrauch des verbalen Joker so“: Die „Einleitung der „direkten Rede“ durch so ist besonders jugendsprachlich“ (Steckbauer 2014: 156). 2.2.3 Parasoziale Interaktionen Das auf Horton / Wohl (1956; vgl. Spreckels 2014) zurückgehende Konzept der parasozialen Interaktion ist für die Betrachtung von Kommunikation im Jugendalter und Jugendsprachen insbesondere im Hinblick auf kommunikatives Verhalten in Verbindung mit Medienrezeption von Bedeutung. Als parasozial werden Interaktionen bezeichnet, „die einseitig und nicht reziprok sind“ (Spreckels 2014: 168), also z. B. dann stattfinden, wenn Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer „ TV -Akteurinnen direkt ansprechen-[…], diese aber natürlich nicht darauf reagieren“ (ebd.). Mit Freundinnen und Freunden eine Sendung zu schauen, dabei das Geschehen auf dem Bildschirm zu kommentieren und als Anlass für sprachliche Interaktion zu nutzen, stellt ein in der Alltagswelt etabliertes Phänomen dar, wobei es sich zwar um eine „asymmetrische Interaktionsform handelt“, aber dennoch um „aktives (soziales) Handeln seitens der Rezipienten“ (Spreckels 2014: 169). In der Alltagsgestaltung Jugendlicher spielt das Fernsehen „weiterhin eine zentrale Rolle“ (mpfs 2015: 11). 8 Die TV-Nutzung beträgt bei Jugendlichen an Werktagen etwa 107 Minuten (mpfs 2019: 34) und einen Fernseher gebe es bei 96 Prozent (vgl. ebd.: 52). Wobei übrigens Sitcoms und Comedy ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen (vgl. mpfs 2015: 24 f.; 2019: 36). In vielen Fällen befassen sich Jugendliche beim Fernsehschauen zeitgleich mit anderem, nämlich mit ihrem Smartphone (59 %, vgl. mpfs 2015: 27) oder sie machen Hausaufgaben (knapp ein Fünftel der Befragten, vgl. mpfs 2015: 27 f.), was wegen der Unteilbarkeit der Aufmerksamkeit (vgl. 3.1) wohl die Qualität mancher Hausaufgaben erklärt. Außerdem werden Sendungen als Kommunikationsauslöser genutzt und „41 Prozent sehen regelmäßig fremdsprachige Videos“ (mpfs 2019: 39). Spreckels hat über einen Zeitraum von circa zwei Jahren Sprachdaten von fünf befreundeten fünfzehnbzw. sechszehnjährigen Mädchen aufgezeichnet und ausgewählte Sequenzen analysiert (teilnehmende Beobachtung, Auswertung ethnographisch, gesprächsanalytisch, vgl. Spreckels 2014: 165). 9 Die Daten basieren auf Audioaufnahmen von Gesprächen der Freundinnen bei unterschiedlichen Freizeitaktivitäten, darunter auch das gemeinsame Schauen von TV -Castingshows. In diesen Fällen handelt es sich bei den Gesprächsdaten um aus parasozialen Interaktionen gewonnene Daten. Gemeinschaftlicher Medienkonsum führt oft zu „medial ausgelöste[n] Kommunikationsereignisse[n]“ (Spreckels 2014: 180), bei denen Prozesse der Vergemeinschaftung der Zuschauerinnen und Zuschauer vonstattengehen: „Die Analyse der parasozialen Interaktionen hat gezeigt, dass die Mädchen den Mediendiskurs nutzen, um geteilte Werte und Normen-[…] zum Ausdruck zu bringen“ (Spreckels 2014: 180). 8 Die Abkürzung mpfs steht für den Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, auf dessen Studie aus dem Jahr 2015 im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen wird. 9 Ihre Daten stammen aus dem Jahr 2002, vgl. Spreckels 2014: 165. <?page no="36"?> 35 2.2 Kommunikation im Jugendalter Häufig werde bewertet, was auf dem Bildschirm zu sehen sei, auch Lästersequenzen seien keine Seltenheit, was auf das „Fehlen der Reziprozität“ (Spreckels 2014: 181) der Kommunikation zurückgeführt wird, wodurch die oder der Beurteilende im sicheren Raum agiert, keine Gegenrede oder sonstige Retoure des Beurteilten befürchten muss. Es wird angenommen, dass junge Menschen auf diese Weise ihre kommunikativen Fertigkeiten und insbesondere ihre Schlagfertigkeit im geschützten Feld der Mediendiskussion trainieren. Mediendiskurse fallen, besonders bei Jugendlichen, oft humorvoll, parodistisch und ironisch aus (Spreckels 2014: 183), sie aktivieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die damit die Rolle des rezeptiven und eher passiven Publikums verlassen. Mediendiskurse werden in der Regel kooperativ gestaltet. Dabei gehe es um Spaß, Unterhaltung, außerdem um Einfallsreichtum (vgl. 3.6 zu Kreativität) und sprachliche Gewandtheit sowie zugleich darum, einander mit Kommentaren zu übertreffen, von den peers bemerkt zu werden und die Gruppenidentität zu bestätigen: „Empirische Studien zur Medienrezeption- […] zeigen eindeutig, dass (jugendliche) Zuschauerinnen keine passiven Wesen sind- […], weshalb Medienrezeptionsgruppen auch als Interaktionsgemeinschaften bezeichnet werden“ (Spreckels 2014: 184). Offenbar können durch gemeinsame Medienrezeption, z. B. das Schauen eines Films oder einer Show, kommunikative Interaktionsanlässe gegeben werden, die, je nach Zuschauerkonstellation und geltenden Regeln bei der Rezeption, starke Anreize zum Sprechen und zum Teilen von Meinungen geben können. Eine direkte Übertragung der Ergebnisse o. g. Studie zur medienbasierten parasozialen sprachlichen Interaktion, z. B. auf das Schauen eines Films im Englischunterricht, scheint zwar nicht möglich, dennoch können die herausgearbeiteten Beobachtungen Anstöße für ein Überdenken der Gestaltung mancher Rezeptionssituation, auch im schulischen Kontext, geben. 10 Mit dem Blick auf Interaktionen im Rahmen von Medienrezeptionssituationen rückt auch die Frage nach der Mediennutzung im Jugendalter in den Fokus. Dazu werden im Folgenden einige wichtige Befunde zusammengestellt und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Medien bei der Kommunikation. 2.2.4 Kommunikation und Mediennutzung Seit 1998 veröffentlicht der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) die Ergebnisse einer in jährlichem Turnus stattfindenden Erhebung zur Mediennutzung von Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren. Die sogenannte JIM -Studie (Jugend, Information, (Multi-) Media) ermöglicht es, auf der Basis neuester Daten das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen einzuschätzen und durch Vergleich mit den Studien aus den Vorjahren auch 10 In einer Metaanalyse zum Einfluss von Filmuntertiteln auf das fremdsprachliche Hör-Sehverstehen befasst sich Grum (2016: 211 ff.) mit dem Forschungsstand und kommt zu dem Schluss, dass Untertitel in der Fremdsprache das Hörverstehen stützen und auch das Hör-Sehverstehen zumindest nicht beeinträchtigen (was zu befürchten stand, da durch das Mitlesen von Untertiteln über den visuellen Kanal sozusagen eine zweite Informationsspur eingeht). Insbesondere ab einem mittleren Sprachniveau scheinen Untertitel in der Zielsprache eine positive Wirkung zu haben (vgl. Grum 2016: 222). <?page no="37"?> 36 2. Kommunikation Trends und Entwicklungen sichtbar zu machen. Die JIM -Studie stützt sich auf Befragungsdaten, die bei einer Stichprobe von N-= 1200 im Frühsommer 2015 z.B. generiert wurden. Hinsichtlich der Ausstattung mit Medien zeigt sich-- und zwar ohne nennenswerte Unterschiede im Hinblick auf den Bildungshintergrund (vgl. mpfs 2015: 8)--, dass in fast allen Familien ein Handy verfügbar ist (99 %), genauer noch, 98 % der Zwölfbis 19-Jährigen besitzen ihr eigenes Handy (vgl. mpfs 2015: 6 f.) und dass „neun von zehn Jugendlichen-[…] vom eigenen Zimmer aus-[…] ins Internet gehen“ können (mpfs 2015: 7). In der täglichen Nutzung steht das Handy an oberster Stelle, „neun von zehn Jugendlichen nutzen ihr Mobiltelefon täglich“ (mpfs 2015: 11). Die subjektiv dem Handy beigemessene Wichtigkeit nimmt über das Jugendalter hinweg zu (vgl. mpfs 2015: 15). Eine Zunahme zeichnet sich auch im Hinblick auf die Zeit ab, die Jugendliche online sind: 80 % sind täglich online (vgl. mpfs 2015: 29), „die Zwölfbis 13-Jährigen im Schnitt 156 Minuten“, die „18bis 19-Jährigen- […] 260 Minuten“ (mpfs 2015: 30). Es kann also festgehalten werden, dass Jugendliche sehr gut mit Medien ausgestattet sind, meistens ganz bequem, d. h. übers eigene Smartphone oder den Internetzugang zu Hause, oftmals mit Anschluss im eigenen Zimmer, die Möglichkeit zur medialen Kommunikation, sowohl zur interpersonalen Kommunikation als auch zur Massenkommunikation, haben. Die Studie von Calmbach et al. stellt sogar einen „Sättigungseffekt“ (2016: 465) bei Jugendlichen fest, was die Medienausstattung betrifft. Zu welchem Zweck aber nutzen Jugendliche die gute Medienausstattung, tatsächlich vorrangig zur Kommunikation? Die JIM -Studie (unabhängig von Schulschließungen) von 2015 bestätigt eine Entwicklung, die sich bereits in den Vorjahren zeigte: Ein „Großteil der Online-Zeit [entfällt] auf Kommunikation (40 %)“ (mpfs 2015: 56, vgl. auch 31), wobei sich hier ein gewisser Geschlechterunterschied zeigt: „Mädchen [widmen] etwa die Hälfte, Jungen-[…] ein Drittel ihrer Online-Nutzungungszeiten der Kommunikation“ (mpfs 2015: 31). 11 Bei der Kommunikation im Internet ist weiterhin, wie schon in früheren Erhebungen, WhatsApp das Mittel der Wahl (täglich nutzen 86% bzw. mehrmals pro Woche 93% der Jugendlichen den Dienst, mpfs 2019: 31), gefolgt von Instagram und Snapchat. Die Prozentangaben illustrieren, dass Jugendliche nicht nur mündlich kommunizieren, sondern dass das Schriftliche ebenfalls Bedeutung für die Alltagskommunikation besitzt. Oftmals werden Schriftnachrichten knapp gehalten. Bei Belangen, die längerer Ausführungen bedürfen, weichen Jugendliche gerne auf Sprachnachrichten aus. Bemerkenswert, wenn auch nicht überraschend, ist die Tatsache, dass Jugendliche das Smartphone nicht vorrangig zum Telefonieren benutzen. Telefonieren nimmt Rang vier bei den Nutzungshäufigkeiten ein, davor platzieren sich das Surfen im Internet (Rang drei), das Abspielen von Musik (Rang zwei) und auf Rang eins das Verschicken und Empfangen von Nachrichten (vgl. mpfs 2015: 47). Medien verhindern und ersetzen nicht unbedingt zwischenmenschliche Kommunikation, sondern können diese auch auslösen und, im Falle von mediengestützter Kommunikation, 11 Auf Rang zwei folgen Spiele, wobei „bei Jungen der Anteil für Online-Spiele dreimal so hoch ausfällt wie bei Mädchen“ (mpfs 2015: 31). <?page no="38"?> 37 2.2 Kommunikation im Jugendalter ermöglichen, obschon das Moment der persönlichen Begegnung dann nicht mehr unbedingt gegeben ist. Die JIM -Studie belegt in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich Jugendliche, genau genommen 78 %, weiterhin regelmäßig täglich oder zumindest mehrmals pro Woche mit Freundinnen und Freunden treffen (vgl. mpfs 2015: 9). Das Verabreden erfolgt oftmals auf dem Weg mediengestützter Kommunikation, was zeigt, dass „digitale Teilnahme- […] Voraussetzung für soziale Teilhabe in der Peergroup“ ist (Calmbach et al. 2016: 465). Die Medienfaszination der Jugendlichen früherer Jahre gehört offenbar der Vergangenheit an (vgl. Calmbach et al. 2016: 476), Mediennutzung wird als Selbstverständlichkeit betrachtet. Unter Jugendlichen zeichnet sich sogar der Wunsch „nach Entschleunigung der technologischen Dynamik“ ab sowie Sorge darüber, dass „Kinder heute immer weniger kindgerechte analoge Erfahrungen machen“ (Calmbach et al. 2016: 476, 466). Ob Mediennutzung schadet bzw. wann und in welchem Ausmaß sowie möglicherweise in Zusammenspiel mit welchen Persönlichkeitsvariablen, ist ein viel, kontrovers und vor allem medienwirksam diskutiertes Thema (vgl. u. a. Spitzer 2012, 2015). Jones / Schmidt (2014: 39) sprechen in Zusammenhang mit digitalen Spielen von „competent game use“ und führen die Diskussion, die auch bezogen auf sonstige Mediennutzung keineswegs unzutreffend erscheint, auf folgenden Punkt zusammen: Digital games should be seen as tools that, like any other tool, allow for both proper as well as improper use. When used properly, they can promote (language and cultural) learning and skills necessary for life in the 21 st century. If used improperly, they can promote asocial and addictive behavior. (ebd.) Überlegungen und konkrete Anregungen zur Nutzung von Medien und zu deren „Potenzial für interaktives und kommunikatives Fremdsprachenlernen“ (Uhl 2016: 194) finden sich in zahlreichen aktuellen Publikationen, u. a. bei Jones / Schmidt (2014), Grimm et al. (2015), Uhl (2016), Oesterreicher (2016) und von Reppert (2020). 2.2.5 Zwischenfazit Anhand der Ausführungen zu Jugendsprachen konnte gezeigt werden, dass Sprache für Heranwachsende eine hohe Relevanz besitzt. Studien zur Erforschung des Mediennutzungsverhaltens belegen, dass Jugendliche Medien überwiegend für Kommunikations- und Vernetzungszwecke nutzen. Kommunikation, besonders die mit Gleichaltrigen, spielt eine große Rolle im Leben von Jugendlichen. Dabei wird Sprache zum Ausdruck der Identität und Zugehörigkeit sowie zur Abgrenzung genutzt. Vor diesem Hintergrund wird besser nachvollziehbar, warum manche Heranwachsende Hemmungen zeigen, vor der Klasse in einer Fremdsprache zu sprechen und warum manche zu einer verdeutschten Aussprache im Fremdsprachenunterricht neigen (vgl. 3.2.1). Eine Bewusstmachung der Attraktivität von Fremdsprachenkenntnissen, die in den Augen Jugendlicher im Besonderen darin bestehen kann, auch mit jungen Menschen kommunizieren zu können, die kein Deutsch sprechen, kann die Bereitschaft zum Fremdsprachenlernen im Jugendalter erhöhen. Für Englisch liegen die Argumente des Nutzwertes für grenzüber- <?page no="39"?> 38 2. Kommunikation schreitende, oftmals medial vermittelte Kommunikation besonders klar auf der Hand, zumal Englisch auch die Sprache des Internets ist. Einen Ansatzpunkt zur Erhöhung der Bereitschaft, sich der Fremdsprache nicht zu verschließen, kann das im Feld von popular culture verortete Thema „Jugendsprachen“ bilden, denn, wie gesagt, Jugendsprachen sind kein auf Deutschland beschränktes Phänomen, sondern z. B. auch in englischen Zielsprachenländern zu finden. Die Bewusstwerdung darüber, dass auch englischsprachige Jugendliche eigene Sprechweisen entwickeln, ein Betrachten einiger sprachlicher Merkmale, wie z. B. Wortkürzungen im Englischen (bro für brother) oder „metaphorischer Bedeutungen: epic (gewaltig, super, z. B. an epic fail)“ (Hutz 2014: 47, kursiv durch die Herausgeber) kann für die jugendlichen Sprachenlerner interessant sein, sie zum Nachdenken über Sprache, sprachliche Identitätsbildung und Sprachenvielfalt anregen. 12 Ausgewählte Literaturhinweise Bildungshaus Schulbuchverlage (Hrsg.) (2014). Praxis Englisch. Popular culture. Explored and embraced. (Themenheft) Marossek, D. (2016). Kommst du Bahnhof oder hast du Auto? Warum wir reden, wie wir neuerdings reden. Berlin: Hanser. Wiese, H. (2012). Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht. München: Beck. 2.3 Schweigen und Verweigerung: Innere Emigration In diesem Abschnitt soll es nicht um allgemeine Schulmüdigkeit oder Schulverweigerung bzw. deren Konsequenzen gehen. Vielmehr gilt es, die zielgruppenorientierte sprachlernrelevante Kommunikation zu beleuchten, die sich altersgemäß zu verändern beginnt. Die präpubertäre kindliche Bereitschaft, nahezu jeder kommunikativen Herausforderung aufgeschlossen zu begegnen, weicht in der Regel dem eher passiven jugendlichen Kommunikationsverhalten. In der Schule wird dieser Wandel im unterrichtlichen Gesprächsverhalten deutlich. Auch im Fremdsprachenunterricht bildet sich dann ab, was Eltern zuhause vielfach erleben: Mangelnde oder eher konfrontative Kommunikationsbereitschaft. Für Jugendliche in der Pubertät werden die gleichaltrigen Freunde als Gesprächspartner immer wichtiger. Dennoch versuchen Eltern wie Lehrkräfte herauszufinden, wie es den Schützlingen geht, was sie umtreibt, wie sie denken, was sie tun. 12 Vorschläge zum Thema „Jugendsprache im Englischunterricht“ finden sich im Beitrag von Hutz im Themenheft Popular culture von Praxis Englisch (2014: 47 ff.). Ein die kritische Aufmerksamkeit des social media-Nutzers ansprechender Text, der sich zum Einsatz im Englischunterricht bei Jugendlichen eignet, ist im selben Heft auf Seite 22 abgedruckt. <?page no="40"?> 39 2.3 Schweigen und Verweigerung: Innere Emigration 2.3.1 Sprachlicher Rückzug Eine Art pubertätsbezogener, aber eigentlich völlig harmloser Mutismus (vgl. Margraf / Müller-Spahn 2009: 1616) ist die Folge: Jugendliche schweigen in der Regel oft gegenüber Erwachsenen, wenn durch „Ausfragen“ Druck erzeugt wird. Diese eher schwache Form des selektiven Mutismus als klinische Diagnose bezeichnet eine psychogen-neurotische Sprechverweigerung gegenüber bestimmten Personen oder ist in bestimmten Situationen als Zeichen einer reflektorischen Abwehrhaltung zu deuten. Diese eigentlich klinische Ausprägung ist in der Pubertät nicht krankhaft, sondern vielmehr normal. In der Familie und der peergroup, also im vertrauten Bereich, wird dagegen in der Regel gesprochen. Die Grundhaltung dabei ist die einer aktiven Verweigerung als Zeichen des Protests, um sich einer Anforderung zu entziehen oder auch, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dem sprachlichen Rückzug folgt auch oft ein gedanklicher, die partielle und situative Introvertiertheit führt zu einer Art „innerer Emigration“, der Flucht durch z. B. Tagträumen in die eigene Gedanken- und Vorstellungswelt. Kommunikation ist ein grundlegendes Element für eine gute Erziehung allgemein und sprachliche Erziehung im Speziellen. Sie muss aufrechterhalten werden, auch wenn dies scheinbar recht einseitig verläuft. 2.3.2 Gelungene Kommunikation Eine Grundvoraussetzung für funktionierende Gespräche zwischen Eltern und Jugendlichen bzw. Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ist dann gegeben, wenn Letztere echtes Interesse spüren. „Wie war es denn heute in der Schule? “ mag von echtem Interesse für Eltern sein, aus Sicht Pubertierender handelt es sich vornehmlich um eine Kontrollfrage. Für echte Kommunikation ist gerade die Pubertät ein Prüfstein- - Jugendliche im Alter zwischen dreizehn und sechzehn Jahren sind in ihrer Akzeptanz oder Ablehnung der Kommunikation mit erwachsenen Bezugspersonen ehrlich und dynamisch. Die Reaktionen auf nicht gelungene Kommunikation sind bekannt: Augenverdrehen, Aufstöhnen, beredtes Schweigen oder kurze verbale, hörbar desillusionierte Äußerungen begleiten oder beenden Monologe der erwachsenen Bezugspersonen. Einladend zuzuhören und persönlich relevant zu fragen sind erste einfache Mittel, um das Schweigen zu vermeiden bzw. zu beenden. Der englischsprachige Smalltalk mit einfachen, zugewandten Fragen nach der Befindlichkeit und dem aktuellen Stand der Dinge bei Themen wie Hobbys etc. bietet unverbindliche Redeanlässe. Er entspricht in gewisser Weise dem sokratischen Gespräch, das von der Kenntnis des Gegenübers ausgeht und einem echten Interesse an ihm. <?page no="41"?> 40 2. Kommunikation 2.3.3 Zurück vom Rückzug Eine fremdsprachliche Unterrichtsführung in der Pubertät vermeidet das statische Question-&-Answer-Ritual von Wissensfragen. Sie regt vielmehr durch relevante und interessante, problemorientierte, offene Fragestellungen Interesse und Motivation an, fremdsprachliche Performanz zu zeigen (vgl. Kap. 5). Kollaborative, kooperative und partizipative Aufgabenformate fördern dabei zusätzlich den Austausch in der peergroup. Gezieltes Begleiten und leitendes Nachfragen regen zum eigenen Denken an. Kommunikation wird zu einem wechselseitigen Austausch und einem echten Dialog, wenn beide Kommunikationspartner am Gespräch teilnehmen, gemeinsam nachdenken und sich eine Meinung bilden können. 2.3.4 Zwischenfazit Um eine gelungene Kommunikation müssen sich alle an ihr Beteiligten bemühen. Zwischen Jugendlichen in der Pubertät und Erwachsenen können und dürfen dies keine Gespräche mit hierarchischer Schieflage mehr sein, sondern gleichberechtigte und relevante. Das echte Interesse am Gegenüber entsteht, wenn beide Partner profitieren, Monologe sind kontraproduktiv. Ausgewählte Literaturhinweise Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt. Schulz von Thun, F. (2004). Klarkommen mit sich selbst und anderen: Kommunikation und soziale Kompetenz. Reden, Aufsätze, Dialoge. Reinbek: Rowohlt. Schulz von Thun, F. (2011). Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differenzielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt. (Die Originalausgabe erschien erstmals 1989.) Abb. 11 Schweigen und Verweigerung <?page no="42"?> 41 3.1 Musik 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 3.1 Musik Eine Auseinandersetzung mit dem Sprachenlernen im Jugendalter sollte das Thema „Musik“ keinesfalls ausklammern. Zum einen nimmt musikbezogenes Handeln eine wichtige Rolle in der Alltagsgestaltung und -bewältigung von vielen Jugendlichen ein, sodass sich Pädagoginnen und Pädagogen mit Musik als einem Einflussfaktor auf die Entwicklung sowie mit der Rolle von Musik in Lehr-, Lern- und Erziehungskontexten auseinandersetzen sollten. Beim Einsatz von Musik im Unterricht gilt es u. a., auch immer wieder sensibel abzuwägen, inwieweit einer Pädagogisierung und Didaktisierung von Jugendkulturen bzw. deren Musik zuzustimmen ist (vgl. Kautny 2011: 39). Für den Sprachunterricht ist die Frage nach möglichen unterrichtlichen Funktionen von Musik in besonderer Weise interessant, denn zwischen Sprache und Musik gibt es verbindende Merkmale und so wundert es nicht, dass sich auch im Gehirn besonders bei der Musik- und der Sprachproduktion gewisse Übereinstimmungen zeigen, auf die später noch genauer eingegangen wird. In der Fachliteratur wird Musik im Jugendalter vor allem als Mittel zur Individuation, zur Abgrenzung einerseits sowie zur Affirmation der Zugehörigkeit zu einer bestimmten peergroup andererseits beschrieben. Diese Funktionen von Musik lassen sich um einen für das unterrichtliche Handeln relevanten Teilaspekt erweitern: Musik sei, so Hartung (2010) unter Bezugnahme auf eine Studie bei Zehnbis 17-Jährigen zum familiären Musikverhalten, nicht nur ein Mittel zur persönlichen Distinktion und zur Abgrenzung u. a. von den Eltern, sondern durch Musik finde auch gemeinsames, mitunter generationsübergreifendes Erleben statt. Musik stifte Atmosphäre und könne Situationen abfedern, die als unangenehm erlebt werden. Musik stelle Nähe her und stoße über den Austausch zu unterschiedlichen Musikpräferenzen Prozesse intersubjektiver Verständigung an. Auch im schulischen Kontext ist vorstellbar, dass z. B. das Staunen über den Musikgeschmack der Lehrkraft, die in den Englischunterricht anstelle eines in der aktuellen Jugendkultur verankerten Musikstücks einen Hit aus der eigenen Jugendzeit mitbringt, Anlass zum Austausch gibt. Dies wiederum kann dazu beitragen, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden, die von großer Bedeutung für die Lernatmosphäre und den Lernerfolg ist (vgl. Hattie 2009, Sambanis 2013: 44 ff.), zu stabilisieren und einer drohenden Beziehungslosigkeit (vgl. Largo / Czernin 2011: 293, Sambanis 2013: 75) zwischen der Lehrkraft und ihren pubertierenden und mitunter opportunierenden Schülerinnen und Schülern entgegenzuwirken. 3.1.1 Musikgeschmack, Musik und Emotionen Durch die für viele Heranwachsende besondere Bedeutung von Musik (vgl. Calmbach et al. 2020: 209) entsteht der Eindruck, dass sich der Musikgeschmack in dieser Schwellenphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter erst auspräge. In der Tat bilden sich individuelle <?page no="43"?> 42 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale musikalische Präferenzen dann noch weiter aus, aber die bereits vorher gesammelten Musikerfahrungen wirken auf diesen Prozess der Präferenzbildung ein. Für Musik gilt nämlich, was auch auf andere Vorlieben und Abneigungen zutrifft: Menschen mögen das, was sie kennen und was ihnen vertraut ist. Tatsächlich ändert sich in diesem Sinne auch am Musikgeschmack in den Teenagerjahren weniger, als man denkt. Eine in den 1990ern durchgeführte Längsschnittstudie zur Entwicklung des Musikgeschmacks und des Musikerlebens im Jugendalter (Behne 2009) gibt Hinweise darauf, dass sich der Musikgeschmack schon mit zwölf Jahren weitgehend stabilisiert hat. Außerdem gibt es Unterschiede, was die individuell beigemessene Relevanz und das Ausmaß des Musikkonsums von Heranwachsenden angeht. Diese stehen u. a. mit den jeweils gewählten Sozialisationsräumen in Verbindung: Manche Jugendliche fühlen sich Jugendkulturen zugehörig, in denen Musik eine große Rolle spielt. Andere tendieren zu Szenen mit nicht-musikalischer, stattdessen z. B. sportlicher Ausrichtung (vgl. Behne 2009). Freizeitaktivitäten und Szene-Orientierung sind einige der Faktoren, die den Musikgeschmack, das Musikerleben und die Rolle von Musik im Alltag von Jugendlichen mitbestimmen. Hinzu kommt die jeweilige Problembelastung des Heranwachsenden. In der von Behne (2009) referierten Studie zeigte sich eine besonders „hohe Korrelation zwischen Problembelastung und der Intensität des Musikerlebens“ (ohne Seitenangabe), die den Verfasser zu dem Schluss veranlasst: „je mehr Probleme, desto intensiver das Musikerleben! “ (ebd.). Im Alter zwischen 14 und 17 entwickelten die an der Studie teilnehmenden Jugendlichen, besonders die Mädchen, ein „zunehmend differenziertes System der selbsttherapeutischen Benutzung von Musik“ (ebd.). Sie setzten Musik zur Emotionsregulation ein (vgl. Juslin 2009: 139), was auf den engen Zusammenhang zwischen Musik und Emotionen verweist. Aktuelle Daten zur Mediennutzung von Jugendlichen belegen die hohe Relevanz von Musikkonsum im Alltag: Das Hören von Musik sei „die zweitwichtigste Medientätigkeit für die Zwölfbis 19-Jährigen [gemessen im Jahr 2015]“, wobei die tägliche Musiknutzung am häufigsten über Streamingdienste und das Radio erfolgt (mpfs 2019: 18). YouTube nimmt laut JIM-Studie 2019 eine zentrale Stellung im Medienalltag Heranwachsender ein (ebd.: 54). Durch Musik, die aufgrund individueller Präferenzen als angenehm empfunden wird, werden im Gehirn Netzwerke einschließlich des körpereigenen Belohnungssystems aktiviert. Dabei gilt: „Familiarity with the music tends to induce stronger emotional responses“ (Juslin 2009: 135). Musikerfahrung führt zu Vertrautheit und wirkt als verbindender Faktor zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Musikpräferenz, auf die überdies kulturelle Einflüsse und das soziale Umfeld einwirken (vgl. Lamont / Greasley 2009: 163). Korrelationen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Musikpräferenz wurden z. B. in folgender Hinsicht gefunden: Preference for highly arousing music such as heavy metal, rock, dance and rap correlates with high levels of resting arousal and sensation-seeking-[…] highly intuitive people showed a greater preference for classical, jazz, soul and folk music. (Lamont / Greasley 2009: 162) Das Belohnungssystem, auch mesolimbisches dopaminerges System genannt, der „Ort der Belohnung durch hirneigene Opiate sowie der „Inaussichtstellung“ von Belohnung“ (Roth 2010: 59), wird so lange durch bestimmte Nervenzellen gehemmt, bis ein Impuls, z. B. die Lieblingsmusik (Blood / Zatorre 2001, Altenmüller et al. 2007), zur Freisetzung des Neurotrans- <?page no="44"?> 43 3.1 Musik mitters Dopamin führt (vgl. 1.2.3). Außer Musik können das auch andere Auslöser bewirken, nämlich u. a. Drogen (Kandel et al. 2000: 1010) einschließlich Alkohol (Spear/ Varlinskaya, 2005), Schokolade (Small et al. 2001), Sportwagen (Erk et al. 2002), Blickkontakt mit einer attraktiven Person (Kampe et al. 2001) oder, für den schulischen Kontext besser geeignet als manche andere dopaminergen Reize, ein freundliches Wort (Haman / Mao 2002, vgl. Sambanis 2013: 49 ff.). Durch die Aktivierung o. g. Netzwerke kann sich Musik, besonders die jeweilige Lieblingsmusik, in mehrfacher Hinsicht günstig auswirken. Forscher berichten von „[…] effects in reducing pain, anxiety and agitated behaviour“ (Lamont / Greasly 2009: 164), wobei besonders die Möglichkeit zur Reduzierung von Angst, Zappeligkeit und Unruhe für den schulischen Unterricht relevant erscheint. Im Gehirn wirken verschiedene Neuromodulatoren auf unterschiedliche Weise, wobei Dopamin für Antrieb, Neugier und Belohnungserwartung sorgt (vgl. Roth 2010: 59). Das durch Dopamin vermittelte gute Gefühl begünstigt die Lernbereitschaft, indem es zu Neugier führt, zu positiven Erwartungen und Motivation. In der Pubertät reagiert das Belohnungssystem (vgl. 1.2) im Gehirn jedoch etwas schwerfälliger als früher, es ist „unsensibler für den Einfluss von Dopamin“ (Evers et al. 2016). Die Reaktionen auf Dinge, die eigentlich Freude und Begeisterung hervorrufen müssten, fallen oftmals gedämpft und verhalten aus (vgl. 3.3.1). Das erklärt, warum Teenager mitunter antriebslos oder desinteressiert wirken, und es ist ein wertvoller Hinweis für Lehrkräfte: Man muss sich nicht grämen, wenn sich Begeisterung nicht gerade in euphorischem Ausmaß manifestiert. Die Verhaltenheit liegt an der Veränderung der Sensibilität für Dopamin. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Mechanismen des Belohnungssystems bei Heranwachsenden abgeschaltet wären. Bei der Herstellung von Lernbereitschaft spielt neben dem dopaminergen System auch das noradrenerge System eine Rolle, denn Noradrenalin, ebenfalls ein Neuromodulator, erhöht „die allgemeine Aufmerksamkeit- […] (leichter Erwartungsstress)“ (Roth 2010: 65). Schließlich trägt auch Acetylcholin, also die Aktivierung des cholinergen Systems durch das Herstellen von gezielter Aufmerksamkeit und Konzentration zur Lernbereitschaft bei. Musik aktiviert nicht nur das Belohnungssystem, das, wie eben kurz gezeigt wurde, in emotionaler Hinsicht und für die Herstellung von Lernbereitschaft eine wertvolle Funktion erfüllt, sondern u. a. auch den Hippocampus, eine für das Lernen überaus relevante Hirnstruktur. Der Hippocampus ist zugleich Neuigkeitsdetektor, d. h. er reagiert auf Novitäten und Abwechslung auch in der Unterrichtsgestaltung und er ist „Organisator des deklarativen-[…] Gedächtnisses (episodisches Gedächtnis, Faktengedächtnis, Vertrautheitsgedächtnis)“ (Roth 2010: 58). Im Hippocampus sind emotionale Informationen repräsentiert (zu Emotionen vgl. 3.3). Bei der Verarbeitung von Musik kommt dem Hippocampus eine Art vermittelnde Funktion zu, die es ermöglicht, dass Musik entspannend wirkt und als Gemeinschaftserlebnis wahrgenommen werden kann: […] die Gefühle beruhen nicht allein auf der Reaktion des Belohnungssystems.-[…] Da der Hippocampus wiederum eng mit dem Hypothalamus im Mittelhirn verknüpft ist, sorgt Musik zudem für Entspannung: Der Hypothalamus reguliert Stresshormone wie Cortisol und schüttet den Botenstoff Oxytozin aus, der die zwischenmenschliche Bindung fördert. (Bernard 2015: 43) <?page no="45"?> 44 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Der Hippocampus, der für die Gedächtnisbildung wichtig ist, als Ortsgedächtnis fungiert und, wie gesagt, auf Neues anspricht, bildet die zentrale Struktur des limbischen Systems (vgl. 1.2.3). Das limbische System erfüllt zwei wichtige Aufgaben: Es verarbeitet Emotionen und Informationen (vgl. Markowitsch 2002: 22). Im limbischen System existieren mehrere Schaltkreise, die eine „emotive Selektion“ (ebd.), d. h. einen sofortigen und überaus raschen gefühlsbezogenen Eingangscheck aller eingehenden Informationen leisten. Auf diese Weise beeinflussen Emotionen Lernprozesse von der ersten Sekunde an (vgl. 3.3). Im Zuge der emotiven Selektion wird sofort sondiert, ob die weitere Auseinandersetzung mit eingehenden Informationen, im Unterricht also z. B. die Befassung mit einer Aufgabe, lohnend erscheint und zwar im Sinne möglicher Frustrationsvermeidung oder, besser noch, in Form von erwarteten positiven Emotionen und Belohnungserleben durch Bewältigungs-, Selbstwirksamkeits- und Erfolgserlebnisse. Durch verschiedene Studien, teils mit bildgebenden Verfahren, konnte gezeigt werden, dass positive Emotionen Lernprozesse nachhaltig stützen (vgl. Sambanis 2013: 25 ff.). Des Weiteren ist sowohl durch Erfahrung als auch empirisch belegt, dass Musik positive Emotionen hervorrufen kann. Auf welchen Verarbeitungsmechanismen diese emotionale Reaktion beruht, wurde im Vorausgegangenen skizziert. Musik kann starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Starke Emotionen können das Lernen und den Aufbau von Gedächtnisinformationen fördern. (Jäncke 2008: 235) Interessanterweise ist noch nicht abschließend geklärt, warum selbst traurige Musik zu angenehmen, oftmals kathartischen emotionalen Reaktionen führt, während andere traurige Stimuli seltener als angenehm und emotional in positiver Weise berührend empfunden werden (vgl. Koelsch 2014). In dieser Hinsicht werden seit einigen Jahren folgende Aspekte erforscht und diskutiert: „[…] whether there are uniquely musical emotions, and what the relationship is between perceived and induced emotions“ (Juslin 2009: 138). Weitere Erkenntnisse auf diesem Gebiet werden, gerade im Hinblick auf die Bedeutung von Musik im Jugendalter und dann auch hinsichtlich des oben erwähnten selbsttherapeutischen Einsatzes von Musik, mit Spannung erwartet. Zusammenfassend lässt sich zur Verbindung von Musik und Emotionen festhalten, dass Musik das Belohnungssystem aktivieren kann. Dies führt neben positiven Emotionen zu dem Wunsch, das erlebte angenehme Gefühl, die dazugehörige (Lern-)Situation wieder erleben zu können. Durch Emotionen werden eingehende Informationen bedeutsam. Emotional bewegende Momente führen dazu, dass die Situation und die mit ihr verbundenen Inhalte letztlich oftmals besser erinnert werden, auch wenn sie nur einmal erlebt wurden. Während das Gehirn beim Lernen ansonsten zumeist auf zahlreiche Wiederholungen, am besten möglichst vielfältige, angewiesen ist, schreiben sich Ereignisse mit hohem emotionalem Gehalt sofort ins Gedächtnis ein. Positive Emotionen können auf diese Weise als Lernbeschleuniger wirken, da die Erinnerung an positiv erlebte Situationen gerne angestoßen wird und sich dadurch auch die zur Situation gehörenden Inhalte immer weiter verfestigen. Ein interessanter Zusammenhang, der für die Unterrichtsgestaltung insgesamt und den Einsatz angenehmer musikbasierter Stimulation nicht unwichtig erscheint. <?page no="46"?> 45 3.1 Musik Mittels Regulation des Stresshormonlevels kann durch Musik Entspannung herbeigeführt werden. Außerdem führt die Freisetzung von Oxytozin, einem Neurotransmitter, der das soziale Bindungsverhalten beeinflusst, dazu, dass gemeinsame Musikerlebnisse Gruppenzugehörigkeitsgefühle entstehen lassen bzw. stärken. Auf diese Weise bringt Musik Menschen dazu, sich zu synchronisieren und sich als Teil der Gruppe wahrzunehmen-- ein gerade für Jugendliche wichtiger Aspekt. Nachdem beleuchtet wurde, auf welche Weise Musik Emotionen hervorrufen kann, soll im Folgenden geklärt werden, wie das Gehirn mit sprachlichen und wie es mit musikalischen Informationen umgeht und ob es hierbei Ähnlichkeiten gibt. 3.1.2 Sprach- und Musikverarbeitung im Gehirn Dem renommierten Schweizer Neuropsychologen Jäncke (2008: 387) zufolge werden Sprache und Musik in „stark überlappenden Nervenzellnetzwerken“ verarbeitet. Die Annahme, Sprache sei links-, Musik hingegen rechtshemisphärisch verortet, trifft nicht in der Weise zu, wie es insbesondere populärwissenschaftliche Publikationen oftmals nahelegen. Es liegt jedoch erst eine begrenzte Zahl an komparativen Studien zur Sprach- und Musikverarbeitung vor (vgl. Patel 2009: 214), sodass der Wissensstand noch nicht umfassend ist, die bereits gesicherten Befunde jedoch wie folgt zusammengefasst werden können: Zur Verarbeitung von gehörter Sprache tragen unterschiedliche Zentren im Gehirn bei, nämlich Sprachareale, Hörzentren und Teile des limbischen Systems. Musikanalyse erfolgt in Netzwerken unter Beteiligung des auditiven Kortex‘, des Kleinhirns bei der automatisierten Analyse einfacher und schon bekannter Musikstücke sowie frontaler Regionen bei komplexen Musikstücken. Der Hörkortex, einer der Hauptakteure auch beim Verstehen von Sprache, ist beidseitig aktiv: Links werden in der Regel Zeitaspekte von Musik, rechts Frequenzaspekte, Tonhöhe, Tonmuster sowie Klangfarbe verarbeitet. Studien mit bildgebenden Verfahren (f MRT ) weisen auf eine Beteiligung des Broca-Areals, also eines der wichtigsten Sprachareale, an der Verarbeitung der Harmoniestruktur von Musik hin (vgl. Patel 2009: 213). Musikverarbeitung scheint ebenenweise zu erfolgen, d. h. das Gehirn analysiert die verschiedenen Merkmale von Musik, offenbar beginnend mit den Tonhöhen (rechter Hörkortex). Interessanterweise werden auf allen Verarbeitungsebenen Verbindungen zu motorischen Arealen hergestellt. Auch das semantische Gedächtnis und, wie schon gezeigt, die emotionsverarbeitenden Zentren werden aktiviert (vgl. Jäncke 2008: 279 ff.). Die genannten Areale bzw. Netzwerke sind auch an der Sprachverarbeitung und am Sprachenlernen beteiligt (vgl. Koelsch, Gunter et al. 2002). An der Produktion von Sprache und Musik sind übrigens zum Teil dieselben Zentren und Netzwerke beteiligt wie an der Rezeption, zum Teil aber auch andere. Es gibt also Schnittmengen hinsichtlich der Sprach- und Musikverarbeitung, z. B. der jeweiligen melodischen Merkmale, was jedoch nicht grundsätzlich bedeutet, dass die Verarbeitung identisch verlaufe. Die Konstituenten von Sprache und Musik sind nicht dieselben, auch die Syntax von Sprache und Musik ist unterschiedlich, z. B. gibt es in der Musik keine grammatischen Kategorien (vgl. Patel 2009: 212). Bildgebende Verfahren zur Verarbeitung <?page no="47"?> 46 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale musikalischer und sprachlicher Syntax im Gehirn liefern vor allem Hinweise auf eine Überlappung der beteiligten Netzwerke, während neuropsychologische Studien auch auf Unterschiede bei der Verarbeitung schließen lassen (vgl. Patel 2009: 213). Man geht davon aus, dass es im Gehirn einen Mechanismus gibt, der über den auditiven Kanal eingehende Informationen zunächst der Kategorie Sprache oder Musik zuordnet, um dann das für Sprache bzw. Musik geeignete Analyseverfahren anzustoßen (vgl. Sommer 2016: 313). Dabei soll Sprache zu mehr Aktivität in der linksseitigen Hörrinde führen, während das, was vom Gehirn als Musik klassifiziert wird, „auffälligere Aktivität im auditiven Cortex der rechten Seite“ erzeugt (Carter et al. 2009: 91). Trotz einiger Ausdifferenzierung bleiben Schnittmengen zwischen Sprache und Musik im Gehirn, sodass sich die Frage stellt, ob die sprachliche Entwicklung von der musikalischen profitieren kann-- vielleicht durch die Möglichkeit, Musik auf struktureller Ebene als Unterstützer von Lernprozessen oder auch als Auslöser positiver Emotionen einzusetzen, nicht zuletzt im Teenageralter. 3.1.3 Transfereffekte auf sprachliche Leistungen Aktives Musizieren verändert die Gehirnarchitektur, und ein Fünftel der Jugendlichen macht mehrmals pro Woche selbst Musik (mpfs 2019: 10, Calmbach et al. 2020: 211). Wenn intensiv geübt wird, führt dies „zu unterschiedlichen kurz- und langfristigen plastischen Anpassungen des zentralen Nervensystems“ (Altenmüller 2007: 47). Dabei kommt es zu einer nutzungsbedingten Verdichtung neuronaler Strukturen (zu Plastizität vgl. Kap. 1 und Sambanis 2013: 14 ff.). Durch die angestoßenen Wachstumsprozesse wird das Gehirn leistungsfähiger in Bezug auf die trainierten Abläufe und Aufgaben. Am Musikergehirn kann mit bildgebenden Verfahren sehr gut gezeigt werden, wie sich Lernen auf neuronaler Ebene niederschlägt. In Anbetracht der Tatsache, dass an der Musik- und Sprachverarbeitung überlappende Netzwerke beteiligt sind, stellt sich die Frage, ob das Sprachenlernen durch musikalische Aktivität und die korrespondierenden Wachstumsprozesse im Gehirn, durch Singen oder vielleicht sogar durch das Hören von Musik profitieren kann. Es gibt zwar keine garantierten Transfereffekte, d. h. die sprachlichen Leistungen müssen nicht in jedem Fall von musikalischen profitieren, aber aus der Forschung liegen Hinweise dazu vor, dass bestimmte sprachliche Leistungen durch Musizieren und mitunter bis zu einem gewissen Grad auch durch Musikhören tatsächlich profitieren können. Art, Intensität und Ausmaß der musikalischen Tätigkeit beeinflussen jedoch die Tragweite der Transfereffekte. Versuchsteilnehmer, die bessere Leistungen bei Ton-, Klang-, Rhythmus- und Melodieaufgaben vollbrachten, erzielten auch in phonologischen Aspekten von Fremdsprachen bessere Leistungen. Sie verstehen Fremdsprachen besser und sie sind bei deren Aussprache überlegen. (Jäncke 208: 388) Das ist zunächst ein für die Fremdsprachendidaktik interessanter Befund, der für das Singen im Fremdsprachenunterricht sprechen könnte. Es bleibt aber zu bedenken, dass in Studien zu Transfereffekten oftmals ein kompaktes und intensives oder ein sich über Jahre erstreckendes Training der musikalischen Fähigkeiten stattgefunden hat-- also intensives bzw. extensives <?page no="48"?> 47 3.1 Musik Üben, d. h. in beiden Fällen viele Impulse verarbeitet wurden, die im Gehirn zu Wachstumsprozessen führen konnten- -, bevor Transfereffekte auf sprachliche Leistungen gemessen wurden. Sommer (2016: 314) stellt daher zu Recht die Frage, ob das Singen im Fremdsprachenunterricht „in dem Umfang und der Häufigkeit, die im unterrichtlichen Alltag möglich“ ist, Transfereffekte, z. B. auf die Wahrnehmung von Sprache, in dem Ausmaß anstoßen kann, wie diese erhofft werden. Die Erwartungen, die an den Musikeinsatz bzw. das Singen im Fremdsprachenunterricht gestellt werden, sollten realistisch sein: Weder ist von Wunderwirkungen auf die Sprachwahrnehmung und Aussprache oder andere sprachliche Bereiche auszugehen, noch ist es Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts, musikalische Bildung und Stimmbildung zu betreiben, obschon es in der Musikdidaktik interessante Publikationen gibt, die teilweise auch für Musik im Fremdsprachenunterricht nicht unbedeutend erscheinen. Beispielsweise sollte eine Lehrkraft, die mit den Kindern singt, über den für die Stimme des Kindes bzw. Heranwachsenden geeigneten Tonumfang Bescheid wissen. Der für Kinderstimmen zuträgliche und nicht belastende Tonbereich liegt bei Sechsbis Zehnjährigen etwa zwischen c1 und e2 (vgl. Mohr 2008). [Bei] Heranwachsenden spielt die Mutation eine große Rolle, natürlich vor allem bei den Jungs. In dieser Phase wird ein Abwägen zwischen Schonung und Forderung empfohlen. Nach der Mutation erweitert sich der Stimmumfang allmählich sowohl nach unten als auch nach oben. (Weyrauch 2016) 13 In welcher Hinsicht kindliche Musikerlebnisse auf die Sprachentwicklung rückwirken oder ob z. B. „die phonologische Wahrnehmungsfähigkeit, welche sich durch das Erlernen der L1 entwickelt, eher die Entwicklung der musikalischen Wahrnehmungsfähigkeiten begünstigt“ (Sommer 2016: 315), kann noch nicht mit Gewissheit gesagt werden. Denkbar wäre auch eine Wechselwirkung zwischen sprachlicher und musikalischer Entwicklung. Neben den bereits erwähnten möglichen Wechselwirkungen oder Transfereffekten von Musik auf die Aussprache sowie auf das Sprachverstehen, ist eine indirekte Unterstützung der Lesefertigkeit nicht auszuschließen, was zumeist auf das durch Musik trainierte phonologische Bewusstsein zurückgeführt wird. Genießen Kinder eine musikalische Ausbildung, die auch die Befassung mit der Notenschrift einschließt, kann dies zu einer Sensibilisierung für symbolische Schriftebenen führen, was letztlich auch das Lesen von sprachlichen Texten erleichtern könnte. Weitere mögliche Transfereffekte von musikalischer Aktivität, die sich, das ist im Hinblick auf den Inklusionsauftrag der Schule interessant, teilweise besonders deutlich bei Lernern mit Förderbedarf zeigen (vgl. Hallam / Mac Donald 2009: 474), betreffen motivationale Aspekte sowie die Erinnerungsleistung, z. B. bei Unterrichtsaktivitäten, die auf Geschichten basieren (Storytelling, Storyline, bestimmte Dramaaktivitäten usw.). Weitere positive Effekte, die zwar nicht direkt den Spracherwerb stützen, jedoch die Entwicklung von Kompetenzen, die für sprachliche 13 Im Anschluss an einen Vortrag im Rahmen einer Lehrerfortbildungsveranstaltung im Frühjahr 2016 in Speyer befragte die Mitautorin des vorliegenden Bandes den Musikpädagogen Oliver Weyrauch von der Universität Koblenz-Landau. Das Zitat ist ein Auszug aus dem anschließenden schriftlichen Austausch. <?page no="49"?> 48 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Interaktionen bedeutungsvoll sind, betreffen die sogenannten social skills: Musikunterricht-- denkbar wäre, dass auch das Einbinden musikalischer Aktivitäten in den Fremdsprachenunterricht gewisse Effekte zeigen könnte- - begünstigt die Entwicklung angemessenen Sozialverhaltens. Auch diese Effekte waren besonders ausgeprägt „in low ability, disaffected pupils“ (Hallam / Mac Donald 2009: 474). Andere Forschungsarbeiten weisen übrigens darauf hin, dass sich musikalische Angebote für „adolescents with mental health disorders“ (Hallam / Mac Donald 2009: 473) förderlich auf deren kognitive Funktionen auswirken. 3.1.4 Effekte von Musik auf die Intelligenz Studien nach intensiviertem Musikunterricht haben neben möglichen Transfereffekten auch Hinweise auf positive Wirkungen auf das Sozialverhalten, die Motivation sowie auf Aufmerksamkeit und Ausdauer erbracht. Die Ergebnisse wurden jedoch vielfach überdimensioniert und, besonders in der Presse, verzerrt dargestellt (z. B. die sogenannte Bastian-Studie, BMBF 2006: 46 ff.). Tendenzen wurden zu signifikanten Ergebnissen uminterpretiert, widersprüchliche Befunde blieben ausgeblendet und Schwächen in manchen Studiendesigns unberücksichtigt: So überrascht es beispielsweise nicht, dass Kinder mit zusätzlichem Musikunterricht Entwicklungsfortschritte zeigen, die sich bei Kindern, die überhaupt kein Zusatzangebot erhalten, nicht in derselben Weise abzeichnen. Auf dieser methodischen Schräglage basieren die Ergebnisse mancher Studien. Die Behauptung, Musik mache auf jeden Fall schlau, klingt zwar verlockend, kann aber nicht in jeder Hinsicht als gesichert betrachtet werden. Verschiedene verlässliche Studien zu Musikinterventionen belegen Intelligenzzuwächse für gewisse Bereiche (vgl. Schellenberg 2004, analog bei Neville 2009), wobei sich die Frage stellt, ob die Ergebnisse auf die musikalische Aktivität als solche zurückzuführen sind oder darauf, dass musikalische Aktivität in der Regel zu einer Fokussierung der Aufmerksamkeit führt und letztlich wie ein Aufmerksamkeitstraining wirkt. Die Studie von Neville et al., die die Effekte verschiedener Interventionen, u. a. Musikunterricht oder Aufmerksamkeitstraining, miteinander verglich, zeigt jedenfalls ähnliche Effekte: Ces résultats sont compatibles avec l’hypothèse selon laquelle l’effet bénéfique de la pratique musicale sur les aptitudes cognitives serait en partie dû au fait que la musique sollicite et développe des fonctions attentionnelles. (Neville 2009: 286) Besonders große Faszination und entsprechende Beachtung in der Öffentlichkeit löste in den 1990er-Jahren der sogenannte Mozart-Effekt aus, und auch heute noch hallt er nach. Zurückzuführen ist er auf eine Studie aus dem Jahr 1993 (Rauscher et al.), die nachwies, dass Probanden nach dem Hören anregender Musik bessere Leistungen in bestimmten Tests erbrachten. Dies war eine wirklich interessante Entdeckung, die jedoch überdimensioniert dargestellt, medienwirksam ausgenutzt und rasch als sogenannter Mozart-Effekt bekannt wurde. Dieser besagt, dass sich durch das Anhören einer Mozart-Sonate, vorzugsweise KV 448, <?page no="50"?> 49 3.1 Musik schon nach zehn Minuten eine intelligenzfördernde Wirkung einstelle. Empirisch gewonnene Hinweise auf mögliche Effekte betrafen allerdings lediglich die räumliche Intelligenz (Sambanis 2013: 83), nachgewiesen durch eine Aufgabe, bei der die Probandinnen und Probanden Papier falten mussten. Wie sich weiter herausstellte, ist der Mozart-Effekt gar nicht im Speziellen an Mozart-Musik gebunden. Er kann auch durch andere Musik ausgelöst werden, so lange sie nicht einschläfert, sondern für Anregung sorgt. Auch nicht-musikalische Reize-- erforscht z. B. für das Hören einer Geschichte von Stephen King-- können ebenfalls zum Mozart-Effekt führen. Durch die ursprüngliche Studie wurde auch, obschon vielfach behauptet, keine allgemeine intelligenzfördernde Wirkung nachgewiesen, sondern lediglich ein Nachhall-Effekt, der max. 20 Minuten lang anhält und sich besonders auf die räumliche Intelligenz auswirkt. Daneben zeigten sich auch Effekte im Bereich der sprachlichen Intelligenz, was für die Fremdsprachendidaktik ein bemerkenswerter Befund ist. Allerdings ist „dieser Effekt-[…] weniger stark ausgeprägt“ als der auf räumliche Leistungen (Altenmüller 2007: 41) und hält ebenfalls nur einige Minuten lang an. Für den Fremdsprachenunterricht ist dies trotzdem interessant, denn er stützt die Idee des Einsatzes von Musik in psychohygienischer Funktion (Musikhören zur Entspannung oder Anregung, vgl. 3.1.5), was dann wiederum, im Unterricht vor kognitive Phasen geschaltet, lernförderliche Wirkungen haben könnte. Allerdings zeigt sich dieser wünschenswerte Nachhall-Effekt nur bei persönlich als anregend wahrgenommener Musik, und das stellt die Lehrkraft vor ein gewisses Problem, denn das, was auf angenehme Weise als anregend empfunden wird, ist interindividuell unterschiedlich. Es gibt keine Garantie dafür, dass die Schülerinnen und Schüler Musik, die die Lehrkraft zu diesem Zweck auswählt, tatsächlich als anregend empfinden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sie diese ablehnen und eher negative Emotionen (Ärger, Gereiztheit, Langeweile usw.) zeigen. Gerade Teenager reagieren dann mitunter heftig, sodass zu überlegen wäre, ob die Lehrkraft, wenn sie den Nachhall-Effekt nutzen möchte, das zeitlich begrenzte individuelle Hören der jeweiligen Lieblingsmusik über Smartphone und Kopfhörer erlauben möchte. Technisch wäre dies, da die meisten Teenager über ein Smartphone verfügen, in vielen Fällen möglich, aber der Zweck der Smartphonenutzung müsste vorher klar dargelegt, und es müsste den Lernenden verdeutlicht werden, warum das in vielen Schulordnungen verankerte Handyverbot dann temporär zweckgebunden außer Kraft gesetzt wird. Klassik- und Barockmusik wird teilweise unterstellt, dass sie bei allen Menschen ähnliche Reaktionen hervorriefe. Auf diese Annahme stützt sich z. B. das suggestopädische Verfahren (vgl. Lozanov 1978, Schiffler 1989), ein in der Fremdsprachendidaktik relativ bekannter Ansatz, der auf Musikinterventionen baut, bei denen insbesondere Barockmusik zum Einsatz kommt. Diese soll, so die Annahme von Vertretern dieses Ansatzes, ungeachtet der Unterschiede bei der Musikerfahrung und -präferenz, bei allen Schülerinnen und Schülern die intendierten, verarbeitungs- und behaltensförderlichen Reaktionen hervorrufen. Die Suggestopädie ist als ein multisensorischer Ansatz zu beschreiben, der auf die simultane Nutzung verschiedener Stimuli setzt und die Absicht verfolgt, durch expressive Musik die Präsentation neuer Inhalte besonders eindrucksvoll zu gestalten. Außerdem soll Musik <?page no="51"?> 50 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale zur Entspannung genutzt werden, was ein plausibler Gedanke ist, solange nicht Entspannung und aktives Einspeichern zusammenfallen sollen. Es spricht mehr dafür, fokussiert zu lernen und dazwischen regelmäßig zu entspannen, als auf ein Lernen en passant im Entspannungszustand zu setzen. Entspannungsphasen sollten dem Leerlauf Raum geben, der für das Gehirn wichtig ist, denn im sogenannten Default Mode ist das Gehirn keineswegs untätig. Es befindet sich nicht in einem Ruhemodus, sondern in einer Zwischenphase, die dazu dient, eingegangene Impulse und Inhalte zu sortieren (vgl. Maier 2013: 24). Das Gehirn kommuniziert zu diesem Zweck intensiv mit sich selbst, befindet sich sozusagen in einem Selbstgespräch und reagiert deshalb kaum bzw. nicht unmittelbar auf Reize von außen. Phasen, in denen das Gehirn nach intensiver Verarbeitung von Reizen bzw. Befassung mit Inhalten in den Default Mode wechseln kann, sind wertvoll, da sie die Nachbereitung (Konsolidierung) anbahnen und als entspannend erlebt werden, weil kurzzeitig kaum Neues verarbeitet wird. Beruhigende, nicht zu sehr anregende Musik kann diesen Vorgang begleiten, ein Koppeln von Entspannung und Einspeicherung von Inhalten hingegen steht streng genommen in Widerspruch zu den Vorgängen im Gehirn, nämlich Aufmerksamkeitsfokussierung bei der Enkodierung einerseits und, komplementär dazu, Entspannung, Default Mode und Konsolidierung andererseits- - beides gleichermaßen wichtige Säulen von Lernvorgängen (vgl. Sambanis/ Walter 2020). Frühe Studien zum suggestopädischen Fremdsprachenlernen, die nicht zuletzt auf das Wirken der Musik als ein „Katalysator für die Langzeitspeicherung von Wissen“ (Jäncke 2008: 203) zurückgeführt wurden, berichteten von unglaublichen Lernerfolgen. Diese konnten jedoch durch Folgestudien nicht bestätigt werden (vgl. Lukesch 2000): Die von der Suggestopädie und verwandten Methoden propagierte Wirkung von passivem Musikhören auf das Lernen (vielfältiger Inhalte) hält keiner ernsten wissenschaftlichen Überprüfung stand. (Jäncke 2008: 233) Auch im Rahmen von suggestopädischen Verfahren erweist sich Musikhören nicht als Wundermittel, um sprachliche Ziele zu erreichen oder die sprachliche Intelligenz zu erhöhen. Erneut muss in diesem Zusammenhang vor überhöhten Erwartungen gewarnt werden, um nicht aufgrund von enttäuschten Erwartungen Euphorie in Ablehnung zu verkehren. Denn Musik besitzt ein Potenzial, das, planvoll und sensibel eingesetzt, sowohl die Unterrichtsatmosphäre als auch den Lernertrag günstig beeinflussen kann. Im Folgenden werden einige Möglichkeiten des Musikeinsatzes im Fremdsprachenunterricht mit Teenagern dargestellt, auf eine Systematisierung der Funktionen von Musik im Fremdsprachenunterricht hingewiesen und schließlich das Thema mit der Frage abgeschlossen, ob Hintergrundmusik eigentlich eher förderlich oder hinderlich ist. 3.1.5 Musik im Fremdsprachenunterricht Für viele Lehrkräfte ist Musik ein Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts, besonders in der Grundschule und zu Beginn der Sekundarstufe bei noch jüngeren Lernern. Das gemeinsame Singen von Liedern bzw. das z. B. durch eine CD gestützte Mitsingen ist dort eine <?page no="52"?> 51 3.1 Musik willkommene Abwechslung, dient als Begrüßungs- oder Verabschiedungsritual oder rückt auch direkt ins Zentrum des Unterrichts. Lernen Kinder ein neues Lied in der Fremdsprache, befassen sie sich dabei natürlich mit dem Text. Sie lernen neue Wörter kennen, begegnen bereits bekannten Wörtern und Wendungen bzw. entdecken sie in neuen Zusammenhängen wieder. Beim Mitsingen trainieren sie ihre Sprechwerkzeuge (vgl. 3.2) und ihr sprachliches Gedächtnis. Meistens werden Lieder im Unterricht mehrfach gesungen, sodass durch das Wiederholen ein Memorieren von Textbausteinen erreicht wird. Von Wiederholungen und rhythmisierter Sprache profitieren auch Lernende mit bestimmten Förderbedarfen: Using rhyme, rhythm and repetition has been shown to facilitate the learning of vocabulary- […] particularly in remedial learners. (Hallam / MacDonald 2009: 473 f.) Lehrkräfte, die Teenager unterrichten, wissen jedoch, dass die Heranwachsenden auf das gemeinsame Singen zuweilen mit Unbehagen reagieren. Viele Jugendliche wissen nicht genau, wie sie mit der Situation umgehen sollen: Für manche fühlt es sich an, als wären sie exponiert, anstatt das Singen in der Klasse als Gemeinschaftserlebnis wahrzunehmen. Andere möchten unter Beweis stellen, dass sie mit kindlichen Routinen gebrochen haben, und das Mitsingen von Liedern erscheint ihnen kindisch, folglich müssen sie sich dagegen sperren. Wieder anderen entgleist die Stimme während des Stimmbruchs, was in der Tat zu merkwürdigen tonalen Ereignissen führen kann, die von den Klassenkameraden möglicherweise belacht werden. In gewisser Weise hat auch die Sorge, selbst bei leisem Mitsingen aufzufallen, etwas damit zu tun, dass Jugendliche, besonders in der frühen Adoleszenz, selbstzentriert sind und in dem Gefühl leben, die Umwelt wäre in gleicher Weise auf sie fokussiert wie sie es sind. Sie fühlen sich, als stünden sie permanent auf einer Bühne, würden beobachtet und beurteilt. In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang vom Imaginary-Audience-Konzept (vgl. Elkind 1990). Bedenkt man, welche tiefgreifenden Entwicklungsprozesse und Umschwünge sich während der Identitätsfindung in der Pubertät vollziehen, müssen viele der aus Erwachsenensicht befremdlichen Reaktionen von Heranwachsenden eigentlich nicht verwundern. Es ist wichtig, solche Reaktionen der Schülerinnen und Schüler als Lehrkraft weder ins Lächerliche zu ziehen noch sie überzubewerten und bestimmte, für ein gutes Klassen- und Arbeitsklima unverzichtbare Verhaltensregeln nicht infrage stellen zu lassen, sondern freundlich und beharrlich einzufordern. Es schont Nerven und Ressourcen, wenn nicht allzu viele Regeln aufgestellt werden und wenn den Jugendlichen offenlegt wird, warum diese Regeln wichtig für alle sind. Dazu gehört auch, dass man, wenn jemand etwas zum Unterricht beiträgt, zumindest die Höflichkeit besitzt, es anzuhören. Das funktioniert erstaunlich gut, wenn die Jugendlichen erleben, dass ihnen im Unterricht dann auch Raum zur Meinungsäußerung und Diskussion gegeben wird. Wenn dies auch beim Einsatz von Musik berücksichtigt wird, dann finden sich selbst für Pubertierende verträgliche Zugänge zu musikalischen Unterrichtsangeboten und Vorgehensweisen, die nicht einfach eine Fortsetzung dessen sind, was in früheren Lernjahren einmal funktioniert hat. Beispielsweise können Text und Thematik eines Liedes, dessen „Form und Instrumentalisierung, kurzum dessen Wortsprache und die Sprache der Musik-[…]“ besonders gut ab dem Teenageralter „als Auslöser und Gegenstand fremdsprachlichen Lernens“ (Sambanis 2015: 7) genutzt werden. Aus Erfahrung kann berichtet werden, <?page no="53"?> 52 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale dass sich gerade Jugendliche recht aufgeschlossen zeigen, wenn sie verstehen, welchen Zweck und konkreten Nutzen eine bestimmte Unterrichtsaktivität für sie haben soll. Damit erhöhen sich die Chancen, dass die eingehenden Impulse den emotionalen Eingangscheck im Gehirn passieren (vgl. 3.1.1) und Partizipationsbereitschaft aufgebaut wird. Gründe für den Einsatz von Musik im Fremdsprachenunterricht lassen sich aus den oben referierten Befunden herleiten, ergänzend sei auf Thalers „A-Dekalog der Motivation“ (2015: 11) hingewiesen, mit dem er „eine erste Antwort liefert“ auf die Frage, warum man Musik nicht ausklammern sollte-- auch nicht jenseits der Grundschule. Die jeweils mit dem Buchstaben A beginnenden Gründe lassen sich als Zehn Gebote ausformulieren: Du sollst Musik einsetzen, um-… 1. Abwechslung in den Unterricht zu bringen. 2. die Attraktivität unterrichtlicher Angebote zu erhöhen. 3. der Allgegenwärtigkeit von Musik Rechnung zu tragen. 4. für Authentizität zu sorgen. 5. Aktualität zu erreichen. 6. adressatenorientierte Unterrichtsangebote zu machen. 7. für Anwendbarkeit des Gelernten zu sorgen. 8. Affektivität Raum zu geben. 9. Material anzubieten, das sich durch Auslegbarkeit auszeichnet. 10. die Lernenden zu aktivieren. Thalers A-Dekalog bzw. die Zehn Gebote des Einsatzes von Musik im Fremdsprachenunterricht machen deutlich, dass es aus fremdsprachendidaktischer Sicht viele weitere Gründe gibt als die reine Sprachvermittlung bzw. die häufig beim Singen bzw. der Thematisierung von Liedern vorrangig intendierten Lernziele im Bereich von Aussprache, Wortschatz und Grammatik. Durch das Phänomen der Videoclips und die ständige Verfügbarkeit korrespondierender Quellen hat sich der Einfluss der popular culture, die für die meisten Teenager eine wichtige Rolle spielt, in den letzten Jahren verstärkt, was auch für den Einsatz von Musik, insbesondere im Englischunterricht, neue Dimensionen und Handlungsfelder eröffnet hat (vgl. Thaler 2012: 65). Musik ist in der kombinierten Ton- und Bildform von Videoclips besonders geeignet, um zum Austausch über Soziales, Kulturelles und Interkulturelles anzuregen und bietet Material, das zur Befassung mit Intermedialität sowie mitunter auch medienkritischen Gesichtspunkten einlädt. Dies sind Aspekte, die erst mit zunehmender persönlicher und sprachlicher Reife vertiefend bearbeitet werden können. Sie bilden daher einen Ansatzpunkt für den Musikeinsatz im Fremdsprachenunterricht bei Teenagern, der in der Grundschule noch nicht bzw. nicht in vergleichbarer Weise tragfähig wäre. Musik stellt, wenn sie auf jeweils angemessene Art im Unterricht eingesetzt wird, unabhängig vom Lerneralter eine wertvolle pädagogische Ressource dar. Musikbasierte Rituale können Struktur und Sicherheit geben. Musikalische Hinweise können auf den Beginn oder das Ende von Aktivitäten hinweisen, Orientierung geben und zu einem geschmeidigen Ablauf des Unterrichts beitragen. Musik kann Bewegungsimpulse setzen, und Bewegung ist für <?page no="54"?> 53 3.1 Musik die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler wichtig. Musik kann lernunterstützend wirken (vgl. Sambanis 2013: 89 ff.) und zur Gemeinschaftsbildung beitragen. Musik kann, wenn sie an Inhalte gekoppelt wird, ähnlich wie Bewegung oder in Kombination mit Bewegung das multimodale Enkodieren von Inhalten unterstützen. In diesem Sinne liefert Musik „additional cues for remembering“ (Hallam / MacDonald 2009: 477). Um die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten überschaubar zu machen, werden im Folgenden die im Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (Surkamp 2010: 228) angeführten Funktionen von Musik im Fremdsprachenunterricht aufgeführt, jeweils durch einen Umsetzungshinweis ergänzt: ▶ Psychohygienische und emotionale Funktionen: z. B. den Verlauf eines Musikstückes durch Linien darzustellen, hilft dabei, zur Ruhe zu kommen und trainiert zugleich die Sequenzialisierungsfähigkeit, die u. a. beim Erzählen von Geschichten unverzichtbar ist. ▶ Sozialpsychologische Funktionen: gemeinsame Musikerlebnisse als verbindendes Element und zur Affirmation des Zugehörigkeitsgefühls (vgl. 3.1.1), z. B. stellt die Lehrkraft eine kleine Auswahl an beruhigender Musik vor und holt ein Schülervotum dazu ein. Die beiden Musikstücke bzw. Lieder, die die Rangliste anführen, werden im Unterricht als Hinweisreiz oder für kurze Entspannungspausen genutzt. ▶ Förderung des unbewussten Lernens: rhythmisierte Sprache, aber auch Lieder mit Tanzbewegungen, z. B. Square Dance, können das unbewusste Lernen stützen. ▶ Förderung kognitiver Prozesse: Lieder können zur Auseinandersetzung mit dem Text und zum Nachdenken und Austausch über Inhalte und Hintergründe anregen. ▶ Auslöser von fremdsprachlichen Kommunikationsprozessen sowie interkulturelles Lernen: z. B. Kulturspuren in Musik und Videoclips entdecken, über Fundstellen berichten, sich über Beobachtungen austauschen Die Aufschlüsselung der verschiedenen Funktionen von Musik im Fremdsprachenunterricht verdeutlicht zum einen, wie viele unterschiedliche und wichtige Beiträge musikbasierte Unterrichtsaktivitäten leisten können. Darauf sollte, wie gesagt, auch bzw. gerade bei der Arbeit mit Jugendlichen nicht verzichtet werden. Zum anderen stellt sie eine Systematisierung dar, die für die Planung und Umsetzung des Einsatzes von Musik im Fremdsprachenunterricht wertvoll erscheint. Vor einigen Jahren konnte ein gewisser Trend zum Einsatz von Entspannungsmusik als Hintergrundkulisse z. B. bei Einzel- oder Stationenarbeit im Fremdsprachenunterricht beobachtet werden. 14 Mittlerweile ist dieser Trend rückläufig, ganz im Gegensatz zur Stabilität 14 Es gab kaum einen Unterrichtsbesuch ohne die New-Age-Klänge von Enyas Orinoco Flow (1988) oder Only Time (2000). <?page no="55"?> 54 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale des Phänomens, dass sich Jugendliche gerne beim Lernen, besonders beim Hausaufgabenmachen, durch Hintergrundmusik, und zwar nicht immer der dezentesten Art, beschallen lassen. Dies veranlasst zu der Frage nach möglichen Risiken und Nebenwirkungen des diffusen Hörens bei gleichzeitig geforderter kognitiver Aktivität. 3.1.6 Musik als Hintergrundreiz Young people in particular spend a great deal of time playing music and often use it to accompany their studying (Hallam / Mac Donald 2009: 471). Tatsächlich sind viele Heranwachsende davon überzeugt, dass Hintergrundmusik sie nicht beim Lernen störe. Manche vertreten, aus Überzeugung oder in Opposition zu Eltern und Lehrkräften, die Ansicht, dass ihnen Musikbeschallung z. B. beim Hausaufgabenmachen helfe. Sie führen dafür in der Regel emotionale Gründe an (Mit Musik habe ich mehr Spaß am Lernen.), weisen auf Unterstützung ihrer Impulskontrolle hin (Mit Musik verliere ich nicht so schnell die Geduld, sie dämpft Unlust ab.) und auf bessere Konzentration (Musik hält mich wach, ich kann mich besser konzentrieren.). Viele betonen, dass sie sich durch Musik im Hintergrund keineswegs abgelenkt fühlten, und das stimmt bis zu einem gewissen Grad offensichtlich sogar: Jugendliche trainieren nämlich ihre Fähigkeit zu diffusem Hören, also zum Weghören bei Hintergrundmusik zumeist recht erfolgreich und sind dadurch tatsächlich besser in der Lage, diese Reize auszublenden als jüngere Kinder. 15 Lehrkräfte und Eltern sehen das Musikhören beim Lernen vielfach deutlich skeptischer und fragen sich zu Recht, ob nicht besonders beim Sprachenlernen, das, wie oben gezeigt, ähnliche Netzwerke beansprucht wie die Musikanalyse, Musik nicht auch störend wirken kann. Zu Musik als Hintergrundreiz gibt es eine Reihe an Studien, die zum Teil hochinteressante, dabei jedoch recht spezifische Erkenntnisse erbracht haben (vgl. Hallam et al. 2009, Sambanis 2015). Zum Beispiel habe beruhigende Hintergrundmusik a positive impact on the behaviour of children with emotional and behavioural difficulties, reducing their stress and anxiety in a variety of settings (Hallam / MacDonald 2009: 475). Abgesehen von solchen sich auf Subgruppen beziehenden Befunden erlaubt es die Erkenntnislage außerdem, für Hintergrundmusik beim Lernen erste allgemeine Hinweise zu geben. Diese werden im Folgenden, verdichtet zu drei Faustregeln, dargestellt. Da für Hintergrundmusik teils positive, teils auch negative Einflüsse belegt sind, soll jeweils auch kurz erwähnt werden, wann eher die negativen Einflüsse zu überwiegen scheinen. Faustregel 1: Je schwieriger eine Aufgabe, je mehr Aufmerksamkeit sie fordert, desto störender wirkt Hintergrundmusik. 15 Als Erwachsener gewinnt man mitunter den Eindruck, dass sie nicht nur bei Musik ihre Fähigkeit zum Ausblenden weiterentwickeln, sondern auch in anderer Hinsicht, aber das ist ein anderes Thema. <?page no="56"?> 55 3.1 Musik Während Aufgaben, die wiederholt bearbeitet werden und für die bereits ein passendes Aktivierungsmuster im Gehirn aufgebaut wurde, teilweise auch mit weniger bewusster Aufmerksamkeit gemeistert werden können, muss das Gehirn in all jenen, deutlich zahlreicheren Fällen, in denen Aufmerksamkeit vonnöten ist, die Hintergrundmusik als Störreiz herausfiltern. Sich einer Sache mit Aufmerksamkeit zuzuwenden bedeutet, die mentalen Ressourcen auf einen bestimmten Stimulus, z. B. eine Aufgabe zu richten, und das geht meist einher mit dem Ausblenden konkurrierender Reize (selektive Aufmerksamkeit). Viele Aufgaben und intendierte Kompetenzzuwächse sind ohne fokussierte Aufmerksamkeit nicht erfolgreich zu bewältigen bzw. nicht erreichbar, da erst durch die Fokussierung eine weiterführende Verarbeitung der Informationen jenseits der basalen Verarbeitung sensorischer Eindrücke ermöglicht wird (vgl. Dehaene 2014: 60 ff.). Passieren Reize das Tor der bewussten Aufmerksamkeit, können sich weitere Verarbeitungsschritte anschließen (unter Beteiligung von Emotionen, dem Arbeitsgedächtnis, dem Hippocampus und schließlich kortikaler Regionen, vgl. Carter et al. 2010: 158), die im günstigen Fall zu einer langfristigen Speicherung führen. Faustregel 2: Instrumentalmusik lenkt weniger ab als Vokalmusik. Gerade bei der Befassung mit sprachlichen Aufgaben kann das Aufschnappen von Textpassagen aus Hintergrundmusik konkurrierend wirken. Dies gilt ganz besonders, wenn beim Lernen, z. B. beim Lernen von Vokabeln, der auditive Kanal genutzt wird (vgl. Hallam / Mac- Donald 2009: 476) oder zumindest wiederholtes Sprechen vor dem inneren Ohr stattfinden muss. Schriftliche Aufgabenstellungen scheinen geringfügig weniger störanfällig zu sein (ebd.), dennoch zwingt die periphere Beschallung auch dann das Gehirn dazu, entweder den Musikreiz konstant zu unterdrücken oder die Aufmerksamkeit ständig springen zu lassen. Das Gehirn arbeitet jedoch besser, wenn es bei einem Stimulus bleiben kann und nicht zu Aufmerksamkeitssprüngen gezwungen wird. Das Ausblenden von Hintergrundmusik ist ein aktiver Vorgang, der Ressourcen im Gehirn bindet, die dann nicht der Lernaufgabe zugutekommen können. Diffuses Hören gelingt in der Regel etwas besser, wenn es sich um bereits Vertrautes handelt (ebd.) als z. B. bei einem noch relativ selten gehörten Lied. Faustregel 3: Persönlichkeitsmerkmale entscheiden darüber, wie sehr Hintergrundmusik störend wirkt. Wie bereits erwähnt, trainieren Jugendliche ihre Fähigkeiten zum Ausblenden und „[the] extent to which learners are used to working with music playing in the background“ (Hallam / MacDonald 2009: 476) spielt ebenfalls eine Rolle. Dies soll angesichts der oben bereits erwähnten möglichen Störeffekte Heranwachsende jedoch nicht dazu ermutigen, auf das Training ihrer Fähigkeiten zum Unterdrücken musikalischer Hintergrundreize zu setzen, anstatt auf ein ruhiges Arbeitsumfeld! Bei introvertierten Lernern zeigt sich deutlicher die Tendenz zur Ablenkung durch Musik als bei extrovertierten (vgl. Jäncke 2008: 234). Introvertierte gelten deswegen als störungsanfälliger, da ihre Aktivierung (Arousal) auch im Ruhezustand schon höher liegt als bei Extrovertierten. Während bei Letzteren anregende Musik mitunter <?page no="57"?> 56 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale das Arousal Level gerade so weit anheben kann, dass sich die Lerner erfrischt, aufnahme- und lernfähig fühlen, führt dies bei Introvertierten bereits zu einem Over Arousal. 3.1.7 Zwischenfazit Ob Hintergrundmusik tatsächlich förderlich wirkt oder ob in den meisten Fällen nicht darauf verzichtet werden könnte, kann noch nicht eindeutig gesagt werden. In emotionaler Hinsicht mag Musik bei den Hausaufgaben möglicherweise tatsächlich die eingangs erwähnte Wirkung zeigen (vgl. 3.1, 3.1.6), durch die eine eher ungeliebte Situation als angenehmer empfunden wird. Demgegenüber steht jedoch das Risiko der Störeffekte, für die es Nachweise gibt. Es bleibt also abzuwägen, bei welchen Aufgaben und gegebenenfalls bei welchem Lernenden Hintergrundmusik akzeptabel ist. Pragmatischer erscheint die Lösung, zwischen wohl portionierten konzentrierten Arbeitsphasen ohne Musik und musikbasierten Entspannungs- und Leerlaufphasen bzw. erfrischenden, anregenden Auszeiten zu wechseln, die dann gegebenenfalls sogar einen Nachhall-Effekt auf die nachfolgende Lernphase haben können. Ausgewählte Literaturhinweise Behr, U. / Bial, J. et al. (Hrsg.). (2015). Praxis Fremdsprachenunterricht 3. (Themenheft Musik). Hallam, S. / Cross, I. / Thaut, M. (Hrsg.). (2009). The Oxford Handbook of Music Psychology. Oxford: OUP . Jäncke, L. (2008). Macht Musik schlau? Neue Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie. Bern: Hans Huber, Hogrefe (2. Nachdruck 2012). 3.2 Motorik „Nach den ersten zwei Lebensjahren verläuft die körperliche Entwicklung nie mehr so dramatisch wie in der Adoleszenz“, schreiben Flammer und Alsaker in ihrer Entwicklungspsychologie der Adoleszenz (2002: 72). Beispielsweise ist die Wachstumsgeschwindigkeit im Grundschulalter eher gemäßigt, bevor dann der pubertäre Wachstumsspurt teilweise mit hoher Geschwindigkeit einsetzt. Die wachstumsbedingten Veränderungen schlagen sich in der Regel, zumindest phasenweise, auch in den motorischen Fähigkeiten der Jugendlichen nieder. 3.2.1 Wachstumsspurt, körperdysmorphe Störung und motorische Entwicklung Mitunter wirken Teenager ungeschickt und unbeholfen, ihre Körperwahrnehmung und Bewegungskoordination scheint schlechter, ungenauer und unsicherer zu sein als in früheren Jahren. Dies muss letztlich nicht verwundern, denn ein Merkmal der somatischen, d. h. der körperlichen, Entwicklung in Pubertät und Adoleszenz ist, wie gesagt, der sich oftmals sehr schnell vollziehende enorme Wachstumsschub. Die Repräsentation des Körpers im Gehirn muss dann sozusagen nachjustiert werden, d. h. sich basierend auf vielfältiger Nutzung neu <?page no="58"?> 57 3.2 Motorik einstellen: „Köperhaltung und Bewegungsabläufe müssen-[…] neu kalibriert werden“ (Largo / Czernin 2011: 133). Im Motorkortex sind Bewegungskategorien repräsentiert, die durch Benutzung entstanden sind, und das Nachjustieren bedarf, damit die Ausreifung der motorischen Funktionen in der Pubertät bestmöglich abgeschlossen werden kann, wiederum reger motorischer Aktivität. Das Wachstum in der Jugendphase verläuft nicht unbedingt symmetrisch, d. h. es kann zeitweilig zu Unterschieden des Wachstumsfortschrittes zwischen der linken und der rechten Körperhälfte kommen. 16 Ferner wachsen einzelne Körperteile früher als andere, zunächst wachsen Hände und Füße, der Kopf, dann Arme und Beine, was die Proportionen des Körpers aus der Balance bringt und damit so manchen Heranwachsenden in seiner Bewegungskoordination vor neue, relativ plötzlich auftretende Herausforderungen stellt. Durch den teilweise unsymmetrisch verlaufenden Wachstumsschub kommt es vielfach zu Beeinträchtigungen von Gleichgewicht und Koordination. Die „Harmonie der Körpererscheinung [gerät] durcheinander“ (Flammer / Alsaker 2002: 72), was sich natürlich auch auf emotionaler Ebene niederschlagen kann (zu Emotionen vgl. 3.3). In manchen Fällen entwickelt sich aus einer Befremdung angesichts des sich verändernden Körpers ein regelrechtes Krankheitsbild, Dysmorphophobie genannt bzw. körperdysmorphe Störung (vgl. Wegner et al. 1999: 233). Durchschnittlich sind etwa 2 % der Bevölkerung betroffen, allerdings ist darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da die körperdysmorphe Störung in vielen Fällen weder erkannt noch eindeutig diagnostiziert wird. Betroffen sind Menschen, die aus Sicht anderer ein völlig normales Erscheinungsbild haben, oftmals sogar als attraktiv wahrgenommen werden. Sie lassen sich dennoch von der ängstlich-obsessiven Vorstellung vereinnahmen, durch einen körperlichen Makel verunstaltet zu sein (ebd.). Sie bilden sich ein, durch ihren angeblichen Schönheitsfehler negativ aufzufallen, gemieden oder angestarrt zu werden sowie auf Ablehnung im sozialen Umfeld zu stoßen. Sie beschäftigen sich übermäßig mit dem vermeintlichen Makel, verfallen nicht selten in Grübelei, empfinden Scham und isolieren sich häufig. Auch suizidale Gedanken oder Selbstmordversuche sind bei Dysmorphophobikern keine Seltenheit. Die Störung tritt in der Regel im Jugendalter auf, am häufigsten manifestiert sie sich erstmals in der Pubertät und verläuft, wenn sie nicht früh genug diagnostiziert wird und geeignete therapeutische Maßnahmen zur Anwendung kommen (diskutiert werden sowohl die medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva als auch Formen der Verhaltens- und Expositionstherapie), in der Regel chronisch. Carter (2010: 234) weist darauf hin, dass sich etwa 40 % aller Fälle „im Alter zwischen 11 und 15 Jahren“ entwickeln, wobei Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen sein können. Die körperdysmorphe Störung weist, Ähnliches ist Lehrkräften z. B. in Zusammenhang mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) oder LRS (Lese-Recht- 16 Der vorliegende Band fokussiert zwar nicht das Thema Inklusion, aber es soll trotzdem nicht unerwähnt bleiben, dass bei Heranwachsenden mit körperlicher Behinderung die „Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung-[…] gerade in der Pubertät oft schmerzlich vollzogen [wird], da das Erleben von Ablehnung und eigener Unzulänglichkeit im sozialen Kontext an Gewicht gewinnt“ (Baerecke et al. 2015: 15). <?page no="59"?> 58 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale schreib-Schwäche) bekannt, eine hohe Komorbidität auf, d. h. sie geht in vielen Fällen einher mit anderen Störungen. Im Falle der körperdysmorphen Störung sind dies u. a. Zwangsstörungen, Essstörungen, soziale Phobien, bestimmte Formen von Depression oder Trichotillomanie, eine Störung der Impulskontrolle (vgl. 3.3.3 zu exekutiven Funktionen), die sich im Ausreißen von Haaren manifestiert. Viele von der körperdysmorphen Störung Betroffene versuchen sie zu beheben, indem sie das als Makel empfundene körperliche Merkmal verändern lassen. In diesem Zusammenhang spielt sicher der Einfluss der Medien eine Rolle, denen eine Beteiligung an der Etablierung von Schönheitsidealen zuzusprechen ist. Medien propagieren, direkt wie auch indirekt, die Relevanz von Attraktivität und haben auch dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle gegenüber Eingriffen am eigenen Körper aus nichtmedizinischen Gründen niedriger denn je ist. Es soll keine grundsätzliche Medienkritik geäußert werden, aber es muss im Vergleich zu früheren Generationen von einer veränderten Jugendzeit mit teilweise veränderten Normen und Haltungen ausgegangen werden. Dieser Wandel steht in Verbindung mit der Medialisierung und Digitalisierung der Lebenswelten. Die Maßnahmen, die heutzutage zum Erreichen eines Schönheitsideals ergriffen werden, erscheinen mitunter radikal, fragwürdig, übertrieben und sogar autodestruktiv. Die wenigsten von der körperdysmorphen Störung Betroffenen suchen Hilfe bei einem Psychologen oder Psychiater, was auch die recht hoch einzuschätzende Dunkelziffer erklärt. Sie konsultieren viel eher einen Dermatologen, Zahnarzt, Kieferchirurgen oder plastischen Chirurgen, um den vermeintlichen Makel durch Behandlungen oder operative Eingriffe beseitigen zu lassen. Allerdings führen solche Eingriffe bei den meisten von der Störung Betroffenen nicht zu einer Besserung. Vielmehr bleibt die Störung, die ja z. B. durch einen chirurgischen Eingriff letztlich nicht behandelt wurde, bestehen und verschlechtert sich nach dem Eingriff oftmals sogar. Die Frage, welche Ursachen zur körperdysmorphen Störung führen, ist zwar noch nicht eindeutig zu beantworten, aber es liegen erste Studien vor, die zur Klärung beitragen. Die Spur führt in jedem Fall zum Gehirn, wo bei Betroffenen Vernetzungen und Aktivierungsmuster entdeckt wurden, die nicht den üblichen Mustern entsprechen. Dysmorphophobiker sollen angeblich bei der Gesichtserkennung eine auffallende Aktivität in der linken Hemisphäre zeigen, während andere Menschen dazu eher die rechte Hemisphäre benutzen und sich Aktivierung linksseitig bei ihnen nur dann zeigt, wenn die Gesichter im Detail betrachtet werden sollen (vgl. Carter 2009: 234). Auch ein zu niedriger Serotoninspiegel, also eine zu geringe Konzentration des Neuromodulators, der Dämpfung und Wohlgefühl vermittelt, könnte eine Rolle spielen. Die körperdysmorphe Störung ist deutlich weniger bekannt als andere, ebenfalls in der ICD -10, d. h. der internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten, aufgeführte Störungen, die das Lernen und die Performanz betreffen. Lehrkräfte, die Jugendliche, insbesondere die Gruppe der Pubertierenden, unterrichten, sollten jedoch dafür sensibilisiert sein, da die Störung gar nicht so selten ist, Mädchen und auch Jungen betreffen kann und entsprechende Verhaltensweisen im Unterricht und den Pausen erklären könnte. <?page no="60"?> 59 3.2 Motorik Da bei Jungen die Pubertät durchschnittlich etwa eineinhalb Jahre später einsetzt als bei Mädchen, manifestiert sich auch der Wachstumsschub später und auch das Auftreten einer möglichen körperdysmorphen Störung kann sich bei Jungen nach dem 15. Lebensjahr noch recht häufig erstmalig zeigen, während bei Mädchen dann die Rate schon deutlich zurückgeht. Für viele Lehrkräfte ist es, wenn sie Klassen gegen Ende der Grundschulzeit oder zu Beginn der Sekundarstufe unterrichten, ein vertrautes Bild, dass die Mädchen größer sind als die Jungen. Die Jungen holen den Vorsprung dann etwa im Laufe von zwei Jahren wieder auf und überholen die Mädchen in der Regel mit ungefähr 14 Jahren. Bei Jungen verläuft der Wachstumsspurt insgesamt heftiger, dennoch sind sie erst später ausgewachsen: „Die meisten Mädchen sind mit 16 Jahren ausgewachsen und ausgereift, die Jungen sind es erst mit etwa 18 Jahren“ (Largo / Czernin 2011: 36). Die längere Dauer des Wachstumsspurts und die Tatsache, dass dieser bei Jungen stärker ist als bei Mädchen, führt schließlich dazu, dass im Erwachsenenalter „zwischen Frauen und Männern ein mittlerer Größenunterschied von 13 Zentimetern“ (ebd.) besteht. Bei der Ermittlung von Effektstärken für geschlechtsspezifische Unterschiede liegt übrigens der Mittelwertunterschied der Körpergröße von Männern und Frauen mit einer Effektstärke von d = 1.7 deutlich über anderen Werten. Beim Vergleich zwischen den Geschlechtern ist das also der bedeutendste Unterschied. Die Streuung innerhalb der Geschlechtergruppen ist oftmals größer als die zwischen den beiden Gruppen. Beispielsweise erreicht die Gewissenhaftigkeit von Frauen im Vergleich zu der von Männern nur eine Effektstärke von d = 0.18, und Frauen sprechen auch, selbst wenn die subjektive Wahrnehmung ein anderes Bild zeichnen mag, kaum mehr als Männer. Die Effektstärke liegt hier nur bei d = 0.11 (vgl. Lilienfeld et al. 2011: 139 ff.). Der Wachstumsschub in der Pubertät und seine Auswirkungen auf die Grob- und Feinmotorik stellen ein unmittelbar beobachtbares Phänomen dar. Viele motorische Funktionen sind bereits mit Einsetzen der Pubertät abgeschlossen, also etwa mit 12 Jahren, und eigentlich erreicht die Motorik etwa um das 15. Lebensjahr herum einen „Höchststand“ (vgl. Largo / Czernin 2011: 131). Zugleich beeinträchtigen jedoch „die körperlichen Veränderungen in der Pubertät-[…] die Motorik“ (Largo / Czernin 2011: 133). In der Pubertät wird ein Plateau erreicht, d. h. die Kinder verbessern, anders als im früheren Schulalter, bereits angelegte motorische Fähigkeiten nur noch geringfügig, was auf den Abschluss verschiedener motorischer Reifungsprozesse hinweist. Dennoch ist die Pubertät für die Motorik eine wichtige Phase. Damit das Gehirn der Heranwachsenden die in diesen Bereichen noch hohe Veränderbarkeit (Plastizität) nutzen kann, um nachzujustieren oder auch auf dem allgemein bereits erreichten Plateau neue motorische Abläufe, z. B. sportliche Aktivitäten, zu erlernen, braucht es Bewegungsgelegenheiten und motorische Herausforderungen. Begünstigend kommt hinzu, dass Jugendliche oftmals eine höhere Risikobereitschaft besitzen, was nicht immer positiv zu bewerten ist, der motorischen Entwicklung aber durchaus zupasskommen kann. Durch die Plastizität des Gehirns einerseits und die Risikobereitschaft andererseits, eröffnen sich in gewisser Weise neue Chancen für die motorische Entwicklung bzw. die Ausschöpfung des Potenzials in diesem Bereich. Aus diesem Grund lernen Jugendliche neue Sportarten meistens rascher als Erwachsene und benötigen weniger Wiederholungen der Bewegungs- <?page no="61"?> 60 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale abläufe. Leider zeigen sich Teenager im Fremdsprachenunterricht oft weniger risikobereit, insbesondere, wenn es um das Sprechen geht (vgl. 2.2): […] viele Heranwachsende zeigen Hemmungen, vor der Klasse Englisch oder Französisch zu sprechen. Manche sprechen mehr als zuvor mit deutschem Akzent und legen die deutsche Aussprache wie einen Tarnmantel über die der Zielsprache. Gerade das Benutzen einer Sprache, in der sich der Heranwachsende nicht bzw. noch nicht zu Hause fühlt, die er nicht als Teil seiner Identität wahrnimmt, kann im Teenageralter zu Hemmungen führen, was in Zusammenhang mit der Identitätssuche des Jugendlichen steht. (Sambanis 2013: 68) Für die Lehrkraft im Fremdsprachenunterricht ist es einerseits wichtig, sich über den Zusammenhang zwischen Identitätsbildung und Sprache bewusst zu werden, andererseits sollte aber auch, wie später noch genauer dargelegt wird, die Chance nicht verwirkt werden, Kompetenzen im sprechsprachlichen Bereich weiter auf- und auszubauen. Es liegt im Interesse der Lernenden und Lehrenden, Angebote zu schaffen, die z. B. dem Training sprechmotorischer Abläufe Raum geben, und zwar so, dass sich die Schülerinnen und Schüler nicht exponiert fühlen müssen (vgl. 3.1.5 zum Imaginary Audience-Konzept), eventuell auch durch die Nutzung von Apps. Ebenso gilt es, geeignete Möglichkeiten zu schaffen, um das Hör-Seh-Verstehen und Sprechen in angenehmer, anregender Atmosphäre in der Interaktion mit anderen zu üben (zum Potenzial des dramapädagogischen Fremdsprachenunterrichts in diesem Zusammenhang vgl. Sambanis 2013: 115 ff.). 3.2.2 Bewegungsfreude und Bewegungslernen In Zusammenhang mit Wachstumsprozessen sei ergänzend erwähnt, dass bei Teenagern nicht nur die Körpergröße, sondern natürlich auch die Körpergestalt Veränderungen unterzogen ist, wobei Jungen mehr Muskelmasse entwickeln, Mädchen im Vergleich mehr Fettgewebe. Besonders Jungen zeigen oft ein gesteigertes Bewegungsbedürfnis, wenn der Wachstumsschub einsetzt, was wahrscheinlich mit der Entwicklung der Muskelmasse im Körper in Verbindung steht. Die größte Bewegungsfreude besitzen Kinder gegen Ende der Grundschulzeit, also kurz vor der Pubertät. Im Laufe der Pubertät ändert sich das Bild: Jugendliche scheinen dann entweder zu der Gruppe der Bewegungsaktiven zu gehören oder zu der Gruppe jener Heranwachsenden, die sich kaum bewegt. Insgesamt betrachtet, nimmt nachweislich die Bewegungsaktivität im Vergleich zur präpubertären Hochphase im Laufe der Pubertät wieder ab (vgl. hierzu KIGGS -Studie sowie die international vergleichende HBSC -Studie- - Health Behavior in School-aged Children der Weltgesundheitsorganisation). Gerade die Schwellenphase mit der höchsten Bewegungsfreude vor der Pubertät scheint interessant, wenn es um den Auf- oder Ausbau motorischer Abläufe geht, denn Anregungen von außen sind immer dann besonders nachhaltig, wenn die Bildungsangebote in Einklang mit aktuellen Bedarfen bzw. mit unmittelbar bevorstehenden Entwicklungen stehen. In dieser Phase sollte der Fremdsprachenunterricht auf keinen Fall auf bewegungsgestützte Aktivitäten verzichten (für ausführliche Hinweise zu Bewegung im Unterricht und zu Befunden der Hirnforschung vgl. auch Sambanis 2013: 89 ff.). Sie ermöglichen es den Kindern, besonders in der <?page no="62"?> 61 3.2 Motorik bewegungsaktiven vor- und frühpubertären Phase, ihrem Bewegungsdrang nachzukommen und nutzen die Bewegungsfreude für nachhaltiges Lernen in unterschiedlichen sprachlichen Bereichen (Wortschatz, Aussprache etc.). Aber auch im weiteren Verlauf der Pubertät sowie letztlich in jedem Lebensalter unterstützt das Einbinden von Bewegungen in den Unterricht das Lernen und die Entwicklung in mehrfacher Hinsicht, z. B. in motorischer, gesundheitserzieherischer, sozialer und gemeinschaftsbildender (vgl. Andrä/ Macedonia 2020). Dem sogenannten Bewegungslernen können sehr viele unterschiedliche Aktivitäten zugerechnet werden. Grundsätzlich lassen sich aber zwei Typen unterscheiden, die sich beide, wenn auch basierend auf unterschiedlichen Mechanismen im Gehirn, förderlich auf die Lernbereitschaft und den Lernertrag auswirken können. Zum einen kann Bewegung so genutzt werden, dass sie für Abwechslung sorgt und einen Ausgleich zum Stillsitzen schafft. Zum anderen können Unterrichtsaktivitäten auf die unmittelbare Verknüpfung von Inhalten mit Bewegungen ausgerichtet sein. Bewegungsbasierte Angebote der ersten Art, wie z. B. das Umhergehen im Raum zu Musik, das Einschieben einer kurzen Sequenz von Pilates-Übungen in den Unterricht usw., können unter dem Stichwort „Bewegungspausen“ zusammengefasst werden. Sie dienen, je nach aktuellem Bedarf, der Aktivierung oder Entspannung der Lernenden und finden zu Beginn oder im Verlauf des Unterrichts in kurzen Phasen statt. Solche Angebote setzen auf eine erfrischende bzw. ausgleichende Wirkung von Bewegungen, d. h. darauf, den Unterricht angemessen zu rhythmisieren und mit statt gegen den Spannungsbogen der Lernenden zu arbeiten. In der Tat können lernrelevante Prozesse im Anschluss an solche kurzen Phasen in der Regel zumindest für eine Weile-- je nach Lerneralter und individueller Aufmerksamkeitsspanne für etwa 10 bis 20 Minuten- - wieder leichter angestoßen bzw. effizienter vollzogen werden. Dieses Phänomen steht in Zusammenhang mit dem in 3.1.4 dargestellten Nachhall- Effekt duch den die Bewegung den Lernprozess auf indirekte Weise unterstützt. Eine indirekte Unterstützung kann auch manchen Arbeits- und Sozialformen, die mit Bewegungen verknüpft sind, zugesprochen werden. Sie tragen dazu bei, dass der Unterricht als abwechslungsreich erlebt wird. Dies ist im Besonderen darauf zurückzuführen, dass der Hippocampus in seiner Funktion als Neuigkeitsdetektor und lernrelevante Hirnstruktur auf Wechsel im Unterrichtsgeschehen reagiert. Auch das Aufstehen und Einnehmen einer neuen Arbeitsposition oder -konstellation signalisiert dem Gehirn, dass etwas Neues beginnt und stellt somit zumindest einen „Hingucker“ dar, der, wenn das Lernangebot dann ansprechend und herausfordernd ist, nicht verpuffen muss, sondern gute Bedingungen schafft, damit die Aufmerksamkeit fokussiert ausgerichtet werden kann. Selbstverständlich müssen bewegungsgestützte Arbeitsformen, wie sich variabel im Klassenzimmer formierende Murmelgruppen (vgl. 3.3.5), Walk and Talk (Diskutieren oder Wiederholen in Kleingruppen beim Umhergehen), Laufdiktat, Kugellager usw. (vgl. Grieser-Kindel et al. 2006; für weitere Hinweise siehe Kap. 5), zum Inhalt und den intendierten Zielen passen. Wird auf Passung geachtet, bieten solche Arbeitsformen Möglichkeiten, wie Bewegung als indirekte Unterstützung von Lernprozessen auch von Heranwachsenden als altersangemessenes Vorgehen anerkannt und angenommen werden kann. <?page no="63"?> 62 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Aktivitäten, die, in Abgrenzung zu den Bewegungspausen und bewegungsbasierten Sozial- und Arbeitsformen, auf einer Koppelung von Inhalt und Bewegung basieren, nutzen anstelle des Nachhall-Effektes u. a. die Effekte der multimodalen Enkodierung und der Lerneraktivierung (vgl. Hille et al. 2010, Sambanis 2014). Durch die Beteiligung mehrerer Sinneskanäle beim Einspeichern und Üben (mehrkanaliges Lernen) und durch die Lerneraktivität in Form von Bewegungen und wiederholtem Sprechen werden breitere Aktivierungsmuster im Gehirn erreicht als beim bewegungsfreien Vorgehen (vgl. v. Soden-Fraunhofen et al. 2007, Spitzer 2010, zusammenfassend dargestellt bei Sambanis 2013: 101 ff.). Durch eine Reihe an Studien konnte nachgewiesen werden, dass Inhalte, die zusammen mit Bewegungen gelernt werden, sich in vielen Fällen resistenter erweisen, d. h. nicht so schnell wieder vergessen werden wie Inhalte, die ohne ergänzende Bewegungskomponente eingespeichert werden. Bei der Koppelung von Inhalten an Bewegungen, ein Verfahren, das auch unter der Bezeichnung „Szenisches Lernen“ oder „Scenic Learning“ in der Fachliteratur zu finden ist, werden zu verarbeitende Informationen, z. B. neue Vokabeln, grammatische Phänomene oder kommunikative Fertigteile, mit einer Bewegung verknüpft und mehrfach im Verbund wiederholt, sodass im Gehirn durch die Aktivierung entsprechender Regionen ein Muster entsteht, das eine sichere Verankerung durch das Anlegen mehrerer Knotenpunkte begünstigt. Die Bewegungen semantisieren den Inhalt, bilden die Lautgestalt ab oder deuten einen prototypischen Verwendungskontext an. In vielen Fällen wirken die Bewegungen, obschon sie in der Regel recht einfach sind und durch stimmliche Mittel unterstützt werden können, wie kleine aus dem Leben gegriffene Szenen, daher der Name „Szenisches Lernen“. Die Inhalte erfahren eine Verlebendigung und Kontextualisierung. Bilder und sogar kleine Geschichten entstehen vor dem inneren Auge, das Schaffen von Assoziationen wird angeregt. Damit lassen sich die gefundenen positiven Effekte zumindest zum Teil erklären, insbesondere die hohe Stabilität über längere Zeit hinweg und die Schnelligkeit und Flexibilität beim Abruf der Inhalte. Menschen lieben Geschichten und durch die Nutzung außer- und übersprachlicher Komponenten beim Szenischen Lernen ist das Sprachmaterial nicht nur eine von der Lehrkraft akustisch und optisch dargebotene Information, sondern es wird, indem es von allen Lernenden mehrfach im Chorsprechen zusammen mit der Bewegung wiederholt wird, aktiv angeeignet und dabei sozusagen erlebbar gemacht. Auf diese Weise werden beim Szenischen Lernen in der Regel alle drei representational modalities (vgl. Marzano 1998) eingebunden: sprachlich, nicht-sprachlich und vielfach auch affektiv. Die motorischen Komponenten stellen Knotenpunkte dar, über die die Lernenden offenbar gerne und erfolgreich wieder auf die korrespondierenden Gedächtnisinhalte zugreifen. Im Zuge der Erforschung der Wirkungen von Szenischem Lernen sowie bei Unterrichtsbeobachtungen konnte festgestellt werden, dass viele Schülerinnen und Schüler die vereinbarten Gesten und Körperbewegungen z. B. bei Tests nutzen, sie zumindest andeuten, um dann Inhalte in Erinnerung zu rufen und vortragen oder niederschreiben zu können. Auch diese Beobachtung lässt sich unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Psychologie und Neurowissenschaften erklären: <?page no="64"?> 63 3.2 Motorik Ein allgemeines Merkmal von Lernprozessen ist der modalitätsspezifische Abruf. Darunter versteht man, dass es für die meisten Menschen einfacher ist, Inhalte in der gleichen Modalität zu erinnern, in der sie aufgenommen wurden. (Brand / Markowitsch 2011: 60 f.) Szenisches Lernen nimmt, anders als Aktivitäten, die auf den Nachhall-Effekt setzen, Einfluss auf alle drei Phasen des Gedächtnisprozesses, nämlich auf das Enkodieren, die Retention und Konsolidierung sowie auf den Abruf. Außerdem legen Studien zu den Behaltenseffekten beim Szenischen Lernen wie die von Hille et al. (2010), die übrigens bei Schülerinnen und Schülern im Teenageralter durchgeführt wurde, den Schluss nahe, dass Bewegungen auch langfristig betrachtet Einfluss auf den Lernertrag nehmen können, und zwar im Sinne dauerhaft höherer Behaltensleistungen. Im Rahmen einer 2016 in der Abteilung Didaktik des Englischen an der Freien Universität Berlin betreuten Masterarbeit mit empirischer Studie (Schilf 2016) sollten erste Erkenntnisse zur Klärung der Frage generiert werden, ob sich bewegungsgestütztes Wortschatzlernen bei Einzelwörtern und umfangreicheren sprachlichen Einheiten (chunks, ganze Sätze) auf vergleichbare oder unterschiedliche Weise auswirkt. Bereits vorliegende Studien, z. B. die von Macedonia / Knösche 2011, Sambanis / Speck 2010, beinhalten bzw. fokussieren zwar komplexeres Sprachmaterial, gehen aber anderen Fragestellungen nach und geben somit noch keine Hinweise darauf, ob gegebenenfalls (Teil-)-Sätze mehr von der Bewegungskoppelung profitieren könnten als einzelne Wörter. Sätze sorgen bereits auf sprachlicher Ebene zumindest für eine gewisse Kontextualisierung, sodass nicht alleine die Bewegung den Kontext schafft. Im Rahmen einer quanti-qualitativen Studie mit Experimental-Kontroll-Design-- es erfolgte eine Randomisierung auf Gruppenebene- - wurde das bewegungsgestützte Lernen von Einzelwörtern einer Experimentalbedingung gegenübergestellt, bei der die Wörter in sprachliche Kontexte eingebettet waren (vgl. Schilf 2016: 26). Daten wurden zu drei Messzeitpunkten erhoben (unmittelbar nach der Durchführung des Quasi-Experiments, eine Woche später, nach drei Wochen). Die Stichprobengröße lag bei N-= 41, es handelte sich um Kinder der vierten Klasse, also kurz vor Einsetzen der Pubertät. In den Messungen der Lernleistung wurden 18 Vokabeln schriftlich abgefragt und zwar, wie es die Kinder gewohnt waren, in Form eines zweispaltigen Vokabeltests: Die deutschen Wörter waren angegeben, die Schülerinnen und Schüler sollten die englischen Entsprechungen eintragen. 17 Der Median lag bei den Ergebnissen der Experimentalgruppe, also der mit sprachlich komplexerem Material, zum Messzeitpunkt 1 ( MZP 1) bei 16 (18 abgefragte Vokabeln), der der Kontrollgruppe bei 11. Es konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen ermittelt werden. Dieser zeigte sich auch bei MZP 2 und 3: „Die Experimentalgruppe schneidet-[…] an allen drei Messzeitpunkten signifikant bis hochsignifikant besser ab als die Kontrollgruppe“ (Schilf 2016: 46). Die Studie liefert also erste Hinweise darauf, dass der lern- und behaltensförderliche Effekt von Bewegungen möglicherweise besonders gut greifen kann, wenn Sprachmaterial dabei nicht isoliert präsentiert und geübt wird. 17 Auch bei dieser Studie wurde beobachtet, dass die Kinder während der Testungen die Bewegung als Erinnerungshilfe genutzt haben (vgl. Schilf 2016: 44). <?page no="65"?> 64 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Bei der Betrachtung der Entwicklung über die Zeit zeichnet sich in beiden Gruppen eine kontinuierliche Steigerung der Behaltensleistung ab, was, in Übereinstimmung mit früheren Studien, als weiterer Hinweis auf die behaltensförderliche Wirkung von Bewegungen zu deuten ist (statt Vergessen zeigen sich über die Zeit hinweg sogar höhere Leistungen, mitunter selbst dann, wenn die Inhalte nicht mehr geübt werden). In der Experimentalgruppe (sprachlich kontextualisiert) konnte ein signifikanter Unterschied zwischen erstem und drittem Messzeitpunkt festgestellt werden, bei der Kontrollgruppe (einzelne Wörter) ist ebenfalls über die Zeit hinweg eine Steigerung nachweisbar. Sie erreicht in dieser Studie jedoch kein signifikantes Niveau (vgl. Schilf 2016: 45) Abbildung 12 (Schilf 2016: 41) zeigt den Verlauf über die Zeit hinweg, ermöglicht einen gruppeninternen Vergleich sowie einen Vergleich zwischen den Gruppen und veranschaulicht darüber hinaus die Breite der Streuung in den beiden Gruppen (breitere Streuung in der Kontrollgruppe). 3.2.3 Sprechmotorik Vieles spricht also für Bewegungen und zwar sowohl in Form von Bewegungspausen und die Lernenden bewegenden Sozial- und Arbeitsformen als auch im Speziellen für die Verbindung von Inhalten mit Bewegungen, Mimik und stimmlichem Ausdruck. Bei der Evaluation des Szenischen Lernens im Fremdsprachenunterricht wurde neben den Effekten auf das Vokabellernen auch die Ausspracheleistung untersucht. Diese stellt eine eigene motorische Leistung dar und zwar eine, die im Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung ist und keineswegs banal erscheint, denn am Sprechen sind ca. 100 Muskeln beteiligt, die es zu koordinieren gilt. Das klingt beeindruckend, und wenn man die Prozesse näher betrachtet, wird es noch beeindruckender: Hacke (2010: 83) schlüsselt in seinem Lehrwerk der Neurologie auf, dass „pro Sekunde 14 000 verschiedene neuromuskuläre Ereignisse oder Ereigniskombinationen-[…] zur sprechmotorischen Leistung koordiniert werden müssen.“ Ob die sprechmotorische Leistung durch die Nutzung von Gestik, Mimik und Körperbewegungen beim Lernen gestützt oder vielleicht auch gestört wird und welche Bedeutung dem Chorsprechen zukommen könnte, sind wichtige Fragen, zu denen erste Erkenntnisse vorliegen (Hille et al. 2010, Weigel 2013, Sambanis 2020), die im Folgenden referiert werden. Daten zur Ermittlung möglicher Effekte des Szenischen Lernens auf die Ausspracheleistung wurden im Französischunterricht am Gymnasium auf den Klassenstufen 6 und 7, also bei Lernenden im Pubertätsalter, erhoben (N-=-85). Die Schülerinnen und Schüler der Abb. 12 Behaltensleistung <?page no="66"?> 65 3.2 Motorik Experimental- und Kontrollgruppen übten einen ihnen unbekannten Lesetext im Sinne von spaced practice (vgl. Hattie 2009: 186) sechs Mal je sieben Minuten lang verteilt über fünf Wochen. Bei jedem Übungsdurchgang wurden Informationen zum Text und der Aussprache der Wörter abgerufen, was für Nachhaltigkeit sorgt, denn: „Jeder Abruf von Inhalten führt gleichzeitig zu einer neuen Einspeicherung (Re-Enkodierung)“ im Gehirn (Brand / Markowitsch 2011: 35). Nach den Übungseinheiten wurden die Textkopien wieder eingesammelt, um zu vermeiden, dass die Lernenden den Text mit nach Hause nahmen, denn sonst hätte es zu nicht kontrollierbaren Übungseffekten und damit zu einer Verzerrung der Ergebnisse kommen können. Durch diese Maßnahme wurde sichergestellt, dass die Schülerinnen und Schüler in der Experimental- und der Kontrollgruppe gleichviel Zeit zum Üben hatten. Natürlich war der Text identisch, und auch das Korrektur- und Unterstützungsverhalten der Lehrkraft darf in beiden Gruppen als vergleichbar bezeichnet werden. Der eigentliche Unterschied zwischen den Gruppen bestand darin, dass in den Experimentalgruppen beim Lesen und Üben der Aussprache Bewegungen eingesetzt wurden. Der Fokus lag auf stimmhaften und stimmlosen Konsonanten, denen zwei unterschiedliche Bewegungen zugeordnet wurden, nämlich eine weiche Handbewegungen zum Körper hin bei stimmhaften Lauten, bei stimmlosen eine kantige Bewegung vom Körper weg. Die Kontrollgruppen konzentrierten sich hingegen ganz auf den gedruckten Text und verzichteten auf Handbewegungen. Durch die Studie von Hille et al. (2010) sollte u. a. geklärt werden, ob Körperbewegungen beim Lesen und Üben der Aussprache möglicherweise, anders als beim Vokabellernen, als Distraktor wirken, denn beim Lesen muss die Aufmerksamkeit eigentlich auf den Text gerichtet sein, während man sich beim Vokabellernen recht flexibel von der gedruckten Vorlage lösen kann. Nach Abschluss des Übungszeitraums wurde von jedem Lernenden eine Tonaufnahme des Lesetextes gemacht. Die Aufnahmen wurden jeweils von vier unabhängigen Ratern (drei Französischlehrkräfte, eine Muttersprachlerin) beurteilt. Die Rater waren, um eine unvoreingenommene Beurteilung sicher zu stellen, verblindet, d. h. sie wussten nicht, welche Aufnahme aus der Experimental- oder der Kontrollgruppe stammte. Die Einschätzung der Ausspracheleistungen wurde in einem Beurteilungsraster festgehalten, das auf der Grundlage des Kriteriensystems des DELF -Zertifikats und des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erstellt worden war (vgl. Hille et al. 2010: 345). Die Skalen deckten die Kategorien phonetische Korrektheit (Vokale, Konsonanten, Nasale, Liaison, Interferenzen), Sprachfluss (Prosodie, Tempo) sowie Merkmale ab, die auf Sinnverständnis schließen lassen (Adressatenbezug, Verlesungen). Auf beiden Klassenstufen schnitten die Gruppen, die den Lesetext mit Bewegungen geübt hatten, besser ab als die Kontrollgruppen, meistens statistisch signifikant, und zwar in allen Kategorien. Für Klasse 7 konnte eine Effektstärke von d = 0.80, für Klasse 6 sogar von d = 1.27 ermittelt werden. Die Teilstudien weisen also auf stützende Effekte des Einsatzes von Bewegungen auch auf die Aussprache hin und sprechen gegen die Befürchtung, dass Körperbewegungen in dieser Hinsicht störend wirken könnten. <?page no="67"?> 66 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale In Anknüpfung an diese Studie und ihr Design sollte im Rahmen einer Masterarbeit in der Didaktik des Englischen der FU Berlin (Weigel 2013) geklärt werden, ob sich ähnliche Effekte manifestierten, wenn die Ausspracheleistung durch eine anspruchsvollere Aufgabenstellung getestet würde. Anstelle des im Übungszeitraum durch Chorsprechen wiederholten Sprachmaterials wurde von den Lernenden im Test eine Transferleistung gefordert. Die Datenerhebung erfolgte auf der Klassenstufe 8 an einer Gesamtschule, also wiederum im Teenageralter. Zunächst galt es, passenden, den Lernenden noch unbekannten Wortschatz samt phonologischen Zwillingen, d. h. Wörtern mit gleichen Ausspracheeigenschaften (z. B. starving-- carving, float-- coat) zu finden. Die phonologischen Zwillinge wurden zur Überprüfung der Transferleistung benötigt, denn bei den Messungen zur Ermittlung der Ausspracheleistung sollten anstelle der Lernwörter die Wörter verwendet werden, die die Lernenden nur dann korrekt aussprechen konnten, wenn es ihnen gelang, den Transfer vom Lernwortschatz zu den ähnlichen, aber nicht identischen Wörtern zu leisten. Die Datenerhebung erfolgte an zwei MZP (sechs Wochen zwischen 1. und 2. MZP , Messwiederholung unangekündigt). Es zeigten sich folgende Tendenzen: Bei der ersten Messung lag die Ausspracheleistung der beiden Gruppen dicht beieinander mit einer leichten Überlegenheit der Experimentalgruppe (Bewegungsgruppe). Zum zweiten MZP war der Unterschied zugunsten der Experimentalgruppe deutlicher: In allen Leistungsdritteln zeichnete sich über die Zeit in der Experimentalgruppe ein Rückgang der Fehlerrate ab, was wiederum auf eine stützende Wirkung der Bewegungen schließen lässt. 18 Die Studie erbrachte übrigens keine Hinweise darauf, dass durch bewegungsgestützte Ausspracheübungen die Einspeicherung des korrekten Schriftbilds leiden könnte, aber hierzu sollten trotzdem noch weitere Studien durchgeführt werden. Eine mögliche Beeinträchtigung der Schriftbildverarbeitung war als nachgeordnete Fragestellung im Rahmen der Studie von Weigel (2013) mit untersucht worden. Automatisierte Fertigkeiten, Bewegungs- und Handlungsabläufe werden im prozeduralen Gedächtnis gespeichert. Zur Speicherung bedarf es vielfältiger Wiederholungen, des Ausführens der Bewegungsabläufe, oftmals zusätzlich des Beobachtens und gedanklichen Durchspielens der Abläufe. Gespeicherte Bewegungsabläufe müssen ohne bewusste Aufmerksamkeitssteuerung, d. h. ohne darüber nachzudenken, abgerufen werden können. Der Fremdsprachenunterricht verfolgt das Ziel, die Lernenden zur Teilhabe an und Mitgestaltung von kommunikativen Interaktionen zu befähigen. Jeder, der eine fremde Sprache lernt, weiß, wie anstrengend es ist, wenn Prozesse, die eigentlich automatisiert ablaufen sollten, noch nicht automatisiert wurden. „Aussprache ist- […] eine Teilaktivität des Sprechens“ (Börner 1995: 226) und zwar eine, die durch Training der motorischen Funktionen und regelmäßige Nutzung der durch das Training angelegten neuronalen Strukturen (zum use it or lose it-Prinzip, vgl. 1.2.1) möglichst ohne bewusste Aufmerksamkeitssteuerung erfolgen muss. In dieser Hinsicht gilt: „exposure in itself does not predict language acquisition“ (McLaughlin 1992, ohne Seitenangabe). Eine Möglichkeit, um dem Einüben sprechmotorischer Abläufe im Fremdsprachenunterricht einen durch die Gruppe geschützten Raum zu geben, in dem sich 18 Die Transferleistung stellte ganz eindeutig eine größere Herausforderung dar als das Vorlesen eines geübten Textes. Darauf lässt die recht hohe Fehlerrate beider Gruppen zum ersten MZP schließen. <?page no="68"?> 67 3.2 Motorik der Lernende nicht vorgeführt oder beobachtet fühlen muss, stellt das als Bestandteil von Szenischem Lernen mehrfach erwähnte wiederholte Chorsprechen dar. Beim Lesen lässt es sich als buzz reading / Lesegemurmel umsetzen (vgl. Grieser-Kindel et al. 2006: 22 ff.). Dabei lesen alle Schülerinnen und Schüler „gleichzeitig einen bekannten Text murmelnd vor sich hin, um sich artikulatorisch mit ihm vertraut zu machen“ (Grieser-Kindel et al. 2006: 22). Dabei können die Lernenden selbst bestimmen, ob sie eher lauter oder leiser murmeln, je nachdem, wie beobachtet sie sich gegebenenfalls fühlen. Wichtig ist jedoch, dass sie nicht nur flüstern, denn beim Flüstern können manche Laute, z. B. stimmhafte Konsonanten wie / z/ , nicht realisiert werden. Auch die Read and Look up-Technik (vgl. Grieser-Kindel et al. 2006: 133 ff.), die von Teenagern in der Regel ebenfalls recht gut angenommen wird, kann neben ihrem eigentlichen Zweck, dem Memorieren von Textbausteinen durch Lesen und murmelnde Wiedergabe, zum Training der Sprechmotorik genutzt werden. Die Lehrkraft kann es den Lernenden freistellen, ob sie für solche Murmel-Aktivitäten an ihrem Platz bleiben oder sich einen anderen Ort im Klassenzimmer suchen wollen. Es kann auch mit Blick zur Wand gemurmelt werden, wenn sich jemand trotz der gleichzeitigen Aktivität aller im Klassenraum immer noch unwohl und wie auf dem Präsentierteller fühlt. 3.2.4 Zwischenfazit Motorik, im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht natürlich auch bzw. im Besonderen die Sprechmotorik, stellt eine Entwicklungsaufgabe dar, die bei der Arbeit mit Teenagern weder als abgeschlossen noch als aussichtslos betrachtet werden darf. Die Lehrkraft bewegt sich bei der Förderung (sprech)motorischer Funktionen unterrichtsmethodisch im Spannungsfeld zwischen notwendiger Herausforderung einerseits und Zumutbarkeit, Altersgemäßheit und Akzeptanz durch die Lernenden andererseits. In die vorausgegangenen Ausführungen sind einige Hinweise zu Aktivitäten eingeflossen, die die Motorik fördern können und bereits den Praxistest bei Heranwachsenden bestanden haben. Weitere anwendbare Impulse zur Berücksichtigung (sprech)motorischer Prozesse und Zugänge finden sich im Fundus Unterrichtspraxis in Kapitel 5. Ausgewählte Literaturhinweise Hille, K. / Sambanis, M. et al. (2010). Szenisches Lernen im Fremdsprachenunterricht-- die Evaluation eines Schulversuchs. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 3, 337-350. Largo, R. H. / Czernin, M. (2011). Jugendjahre. Kinder durch die Pubertät begleiten. München: Piper Verlag, 131 ff. Sambanis, M. (2013). Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr, 89 ff. <?page no="69"?> 68 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 3.3 Emotionen Assoziationen zum Stichwort „Pubertät“ stehen oft in Verbindung mit dem Aufruhr von Emotionen, Stimmungsschwankungen, unüberlegten Reaktionen, Gefühlsausbrüchen usw. Weiler beschreibt in seinem zwar nicht wissenschaftlichen, aber unterhaltsamen, auf Erfahrung und Reflexion basierenden Buch Im Reich der Pubertiere ein Phänomen, das er als Vatertrotz beschreibt: Dieses Phänomen tritt auf, wenn vom Vater ein großer Gefallen erwartet wird, obwohl sich das Pubertier wenige Minuten zuvor benommen hat wie der tasmanische Teufel. Der Vatertrotz wird vom Pubertier in der Regel als ‚kindisch‘ und ‚typisch‘ bewertet, was wiederum den Vater ärgert. (Weiler 2016: 111) Er spricht damit zwei wichtige Aspekte an: Zum einen den der emotionsgeleiteten, mitunter heftigen Reaktionen von Jugendlichen, zum anderen den des Vatertrotzes, also die dann oft ihrerseits auch emotionsgeleitete Reaktion von Bezugspersonen. Dass dies, obschon nachvollziehbar, nicht die günstigste und förderlichste Art ist, mit solchen Situationen umzugehen, liegt auf der Hand. Um in der konkreten für den Jugendlichen und in der Folge auch für die Eltern oder Lehrkraft emotional aufgeladenen Situation auf förderliche Handlungsstrategien zurückgreifen zu können, ist es hilfreich, sich der Gründe für das emotionsgeleitete Handeln der Jugendlichen bewusst zu werden, d. h. auch darüber informiert zu sein, was im Gehirn vor sich geht. Dem widmet sich dieses Kapitel, knüpft dabei an die in Kapitel 1 geschilderten Umbauprozesse im Gehirn an, beleuchtet gezielt weitere Aspekte des Themas „Emotionen im Jugendalter“ und schlägt die Brücke zu der Frage danach, welche Konsequenzen sich für den Fremdsprachenunterricht ergeben und wie es gelingen kann, in der Emotionalität der Jugendlichen ein Entwicklungspotenzial zu sehen. 3.3.1 Bedarfe und Wünsche Jugendlicher-- aktuelle Tendenzen Jugendliche müssen, um ihre Entwicklung voranbringen, sich lösen und Selbstständigkeit erreichen zu können, Grenzen austesten, zu diesem Zweck gegebenenfalls auch einmal zum oben erwähnten tasmanischen Teufel werden und sich in für sie neue Situationen begeben. Wäre ihr Gehirn nicht gerade im Umbau begriffen, würden sie wohl einige dieser neuen Erfahrungen gar nicht machen: [Die] tiefgreifenden Umstrukturierungen im Gehirn- […] betreffen zum einen das Belohnungssystem, welches für die emotionale Bewertung zuständig ist. Das Belohnungssystem wird in dieser Phase unsensibler für den Einfluss von Dopamin-[…]. Das hat zur Folge, dass Dinge, die vorher eine Reaktion im Belohnungszentrum hervorgerufen haben, dies nun nicht mehr tun. (Evers et al. 2016: 6) Die geringere Sensibilität des Belohnungssystems für Dopamin soll darauf zurückzuführen sein, dass das Gehirn im Zuge der Umbauarbeiten bis zu „30 Prozent seiner Dopaminrezeptoren verliert“ (Herculano-Houzel 2014: 36). Das hat zweierlei zur Folge: Erstens sucht der Jugendliche, um seine Sehnsucht nach Belohnungserleben zu stillen, nach anderen, auch nach <?page no="70"?> 69 3.3 Emotionen extremeren Erfahrungen als in Kindertagen und scheut dabei mitunter die Gefahr nicht- - nachvollziehbarer Weise, denn seine Selbststeuerung ist erst jenseits eines Alters von 20 Jahren voll entwickelt! Zweitens erreicht manches, was jüngere Kinder begeistern kann, beim Jugendlichen nicht mehr die Schwelle, an der das Erlebnis zu positiven Emotionen führt oder lohnend erscheint. In der Folge wirken Jugendliche „antriebslos und schnell gelangweilt“ (ebd.), ablehnend kindlichen Beschäftigungen gegenüber. Aber „der Umbau des Belohungssystems“ darf nicht nur negativ betrachtet werden, denn er „geht Hand in Hand mit Hirnanpassungen, welche die Fähigkeit zum abstrakten Denken verbessern“ (Herculano-Houzel 2014: 36). In den letzten Jahren zeigt sich in Deutschland ein rückläufiger Trend, was das Abgrenzungsverhalten Jugendlicher betrifft: Offenbar gibt es „immer weniger typisch jugendliche Abgrenzungsbemühungen gegenüber der Erwachsenenwelt“ (Calmbach et al. 2016: 475). Dieser Befund geht auf die dritte, SINUS -Jugendstudie zurück. Seit 2008 wird in einem regelmäßigen Turnus von vier Jahren (2008, 2012, 2016, 2020) vom SINUS -Institut eine Erhebung zur „systematische[n] und substantielle[n] Erforschung der Lebenslagen junger Leute in Deutschland“ durchgeführt (Calmbach et al. 2016: 8, vgl. 2.4). 19 Der Vergleich der Entwicklungstendenzen durch Gegenüberstellung der Studien aus den Jahren 2012 und 2016 zeigt eine zunehmende „Anpassungsbereitschaft“ der 14bis 17-jährigen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, „Sehnsucht nach Normalität“ sowie eine „gewachsene Sehnsucht nach Aufgehoben- und Akzeptiertsein in einer Gemeinschaft, nach Geborgenheit und auch nach Halt und Orientierung in den zunehmend unübersichtlichen Verhältnissen einer globalisierten Welt“ (Calmbach et al. 2016: 475). „Zeit mit Freund*innen und für sich allein zu haben, sind die stärksten Zufriedenheitsgaranten“ (Calmbach et al. 2020: 195). Für unterrichtliches Handeln scheint vor allem der Wunsch Jugendlicher nach Übersichtlichkeit und Orientierung, aber auch der nach Gemeinschaft und Aufgehobensein, also das Zugehörigkeitsgefühl sowie gemeinsames Handeln und Erleben, von Bedeutung zu sein. Dies lässt sich in der Planung und Durchführung von Unterricht sehr gut berücksichtigen. Die Wünsche und Bedarfe, die aktuell von Heranwachsenden geäußert werden, stehen-- und das ist eine erfreuliche und zum Teil auch beruhigende Feststellung-- in Einklang mit manchen aktuellen Tendenzen in der Fremdsprachendidaktik, nämlich z. B. der, Orientierung und Klarheit zu bieten. Dazu können gute Lehrbuch- und Lehrmaterialangebote hervorragend beitragen. Andererseits müssen aber im Unterricht auch Experimentier- und Handlungsfelder eröffnet werden, die nicht zu eng gesteckt sind, nicht zu viele Vorgaben machen (vgl. 2.1.2) und mehr bzw. anderes bewirken sollen, als nur einer vorgegebenen Progression zuzuarbeiten. Das Schaffen solcher Handlungsfelder stellt eine Herausforderung für die Lehrkraft dar, aber eine notwendige und lohnende. Die Hattie-Studie (2009) hat die Bedeutung von Orientierung und Klarheit, u. a. in Form von teacher clarity (d = 0.75), concept mapping (d = 0.57), d. h. graphischen Darstellungen von komplexen Inhalten, neu ins Bewusstsein gerückt, während die Dramapädagogik in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Anstöße gegeben hat, um performative Ansätze zu stärken 19 2016 legte das Institut eine auf Interviews, schriftlichen und fotografischen Dokumenten basierende qualitative Studie vor. <?page no="71"?> 70 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale (vgl. Crutchfield / Sambanis 2017, Sambanis/ Walter 2020). Diese basieren in der Regel auf gemeinschaftlichem Arbeiten, erfordern und fördern Kooperation. Die SINUS -Studie (2016: 460) erbrachte darüber hinaus im Zuge der Erfassung der normativen Grundorientierung von Jugendlichen Hinweise darauf, dass neben Halt und Orientierung sowie „jugendtypische[n] Selbstentfaltungswerte[n]“, z. B. Ich-Orientierung, „hedonistische(n) Werte(n)“ wie Spaß und Risiko auch sogenannte „postmoderne Werte“ für die derzeit heranwachsende Generation von großer Bedeutung sind. Zu den postmodernen Werten zählt u. a. Mobilität, aber auch Performing, was neben dem Wunsch nach Gemeinschaft eine weitere Brücke zu performativen, z. B. dramapädagogisch inspirierten Unterrichtsangeboten schlägt. Gleichaltrige sind bekannterweise für Jugendliche eine wichtige Bezugsgruppe, was damit zusammenhängt, dass sich der Jugendliche von seiner kindlichen Verbundenheit mit erwachsenen Bezugspersonen löst und dadurch die Weichen so stellt, dass er Gemeinschaft und Geborgenheit fortan auch bei anderen Personen, nämlich bei Gleichaltrigen, bei Freunden und in der Partnerschaft suchen muss (vgl. Largo / Czernin 2011: 157). Der Heranwachsende wählt seine Bezugspersonen deutlich eigenständiger als das Kind. Trotzdem erwartet der Jugendliche von seinen Eltern „nach wie vor, vorbehaltlos angenommen zu werden, vor allem auch dann, wenn er die emotionale Sicherheit bei den Gleichaltrigen nicht finden kann (Largo / Czernin 2011: 165). Aus Elternsicht lässt sich dieser Zusammenhang aus einer negativen Perspektive, aber auch aus einer positiven heraus betrachten: Selbst, wenn das pubertierende Kind sich mitunter zänkisch, diskussions- und hinterfragungsbesessen oder sogar abweisend verhält, zählt es weiterhin auf die Familie und den Rückhalt der Eltern. Die in Kapitel 2.2.4 bereits erwähnte JIM -Studie (mpfs 2015) enthält auch Hinweise auf die Häufigkeit, mit der Jugendliche etwas mit Familienmitgliedern unternehmen: „36 Prozent unternehmen- […] mehrmals wöchentlich etwas gemeinsam mit ihrer Familie“ (mpfs 2015: 9, vgl. mpfs 2019: 10), und „seit 2005 (16 %) hat sich der Wert mehr als verdoppelt“ (mpfs 2015: 11). Dieser Trend unterstreicht nicht nur die Relevanz des elterlichen Rückhalts und den Wunsch nach Verankerung, sondern er fällt auch zusammen mit dem oben erwähnten Rückgang des jugendlichen Abgrenzungsverhaltens in den letzten Jahren. Auch die Lehrer-Schüler-Beziehung ist von großer Bedeutung (die Effektstärke liegt laut Hattie (2009) bei d = 0.72) und ihr sollte, gerade in der Sekundarstufe, Aufmerksamkeit geschenkt werden. Lehrkräfte mit Erfahrung im Unterrichten in diesem Alterssegment wissen, dass es, besonders beim Auftreten von Reibungsmomenten und unreflektierten Aktionen der Lernenden, zu einer Art Beziehungslosigkeit kommen kann. Dies ist eine ungünstige Entwicklung, wenn ihr Zustandekommen auch in gewisser Weise verständlich ist, denn manche jugendlichen Handlungen kosten Kraft, können verletzend wirken und bringen Erwachsene mitunter dazu, sich aus Selbstschutz zu verschließen und von weiteren Versuchen der Beziehungsgestaltung abzusehen. Andere Lehrkräfte wiederum, und auch das ist in gewisser Weise nachvollziehbar, sehnen sich danach, von ihren Schülerinnen und Schülern angenommen zu werden und entscheiden sich deshalb für den Weg der Verkumpelung. Aber Jugendliche wollen sich von den Erwachsenen unterscheiden. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Lehrkräfte den Mut haben sollten, sich von ihren Schülerinnen und Schülern zu unterscheiden, statt sich mit ihnen auf eine Stufe <?page no="72"?> 71 3.3 Emotionen stellen zu wollen. Ihre Rolle ist es, Verlässlichkeit und Orientierung zu bieten sowie die Zusammenarbeit zu stärken. Sie sollten Lernen so oft wie möglich als lohnende Tätigkeit erfahrbar machen und Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen. Eine Lehrkraft, die sich selbst treu bleibt, Humor zeigt und Begeisterung, nicht nur für ihr Fach und die Inhalte, sondern im Besonderen für das Unterrichten, die Zusammenarbeit mit den Lernenden und die gemeinsam investierte Zeit, bringt gute Voraussetzungen mit, um Jugendliche zu unterrichten und von ihnen in ihrer Rolle als Lehrkraft angenommen zu werden. Sie sollte Neugier besitzen, selbst gerne noch dazulernen, zuhören und ernst nehmen können, ohne dabei rückgratlos zu wirken. Mit ihrer passion kann die Lehrkraft beeindrucken und motivieren: “Passion-[…] can be infectious-[…]. It is among the most prized outcomes of schooling and-[…] it influences many of the influences that make the difference to the outcomes” (Hattie 2012: 16). Im Grunde ist diese Leidenschaft der Lehrkraft, wie oben beschrieben, nicht nur eine solide Basis zur Beziehungsgestaltung, sondern sogar eine Art Meta-Einflussfaktor auf schulisches Lernen insgesamt. Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Leidenschaft, mit der die Lehrkraft unterrichtet, auf die emotionale Bereitschaft der Lernenden, am Unterricht teilzunehmen, rückwirkt und sie dazu anregt, Unterrichtsangebote und -inhalte nicht aus Prinzip heraus sofort abzulehnen. Dass Emotionen einen Filter für eingehende Impulse bilden, ist mittlerweile weithin bekannt. Weniger bewusst ist hingegen, dass Emotionen alle Komponenten des Handelns beeinflussen können: Emotionen können alle Teilprozesse der Handlungssteuerung beeinflussen, so etwa die handlungsmotivierenden Prozesse, die Verhaltensvorbereitung, die Abwägung von Handlungsalternativen und schließlich die Ausführung der Handlung selbst. (Schmidt-Atzert et al. 2014: 210) Es gibt übrigens Hinweise auf Unterschiede des emotionalen Erlebens im Kindheits-, Jugend- und Erwachsenenalter (vgl. Schmidt-Atzert et al. 2014: 315). Nachgewiesene Besonderheiten des Jugendalters sind Schwankungen der Stimmung und des Energielevels sowie in manchen Fällen mehr Unruhe und Angst. Für manches werden, wie in 3.3.5 noch genauer ausgeführt wird, Hormone verantwortlich gemacht, was jedoch nicht bedeutet, „dass in der Pubertät das emotionale Befinden unter der Kontrolle von Hormonen“ stünde (Schmidt-Atzert et al. 2014: 316). Wie aber organisiert sich das Gehirn als Schaltstelle für Emotionen und Kognition unter den besonderen Bedingungen in der Pubertät und Jugend, und wo sind Emotionen eigentlich verankert? 3.3.2 Zwei Systeme und Emotionen im Gehirn Um sich eine genauere Vorstellung davon zu machen, wie das menschliche Gehirn im Allgemeinen und wie es in der Pubertät im Besonderen arbeitet, kann es hilfreich sein, zwei Systeme zu unterscheiden. Hattie und Yates sprechen in ihrem 2014 erschienenen Werk von two minds: System 1 ist das schnelle, das sie auch als „inner friendly robot“ bezeichnen (Hattie / Yates 2014: 297) und das sofortige, automatisierte Reaktionen ermöglicht: „In any familiar situation, you can respond quickly, efficiently, and without thinking.“ (ebd.) Dieses System ist von großer Bedeutung, denn es erlaubt energieeffizientes Handeln und hält, bildlich gesprochen, System 2 den Rücken frei, damit dieses durch gezielte und ge- <?page no="73"?> 72 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale bündelte Aufmerksamkeit vor allem deep thinking und slow processing (Hattie / Yates 2014: 299) leisten kann. Während System 1 sich durch „low cost and fast processing“ auszeichnet, arbeitet System 2 mit „high cost und slow processing“ (ebd.). Beide Systeme sind unverzichtbar, arbeiten komplementär bzw. sollten dies, was aber besonders in den Jugendjahren nicht immer reibungslos gelingt. System 2 steht in Verbindung mit exekutiven Funktionen, mit „think, plan ahead- […], adjust actions toward serving those goals you harbour- […]“ sowie mit „impulse control and delay of gratification“ (Hattie / Yates 2014: 300), alles Leistungen, durch die sich Heranwachsende nicht im Besonderen auszeichnen. System 2 wird außerdem die Aufgabe zugesprochen, automatische Reaktionen in unpassenden Situationen zu unterbinden, bei Grenzüberschreitungen „social appeasement gestures, such as saying ‚sorry‘“ zu initiieren sowie ferner, das stellt eine besonders wichtige Funktion von System 2 dar, „slowing down“ (ebd.) herbeizuführen. Mehrfach betonen Hattie und Yates die Relevanz des Innehaltens und langsamen Denkens, das automatisierten, spontanen Reaktionen und schnellen Lösungen entgegensteht und stattdessen auf ein Zusammenfügen von Informationen, auf Beurteilen und sorgsames Abwägen, mentales Durchspielen von möglichen Konsequenzen usw. zielt (zur kognitiven Entwicklung vgl. 3.4). Aber, gerade im Kontext des Themas „Pubertät und Jugendliche“, gilt es, Folgendes zu bedenken: „[…] System 2 involves effort and is inherently lazy.-[…] It is limited by the knowledge base it can access.-[…] It requires-[…] investment of resources such as attention and working memory“ (Hattie / Yates 2014: 304) und kann, auch bei Erwachsenen immer nur zeitlich begrenzt aktiv sein, nämlich etwa 15 Minute lang (vgl. Hattie / Yates 2014: 301). Auch bei den an der Emotionsverarbeitung beteiligten zahlreichen Hirnregionen lassen sich im Grunde zwei Systeme unterscheiden, nämlich ebenfalls ein oftmals schnelles und dabei nicht sehr genaues sowie ein regulierendes, vermittelndes, bei Bedarf hemmendes. Als markanteste Struktur „für rasche emotionale Aktivierungen des Organismus“ und als „Schaltstelle-[…] für stark vorverarbeitete sensorische Informationen“ (Schmidt-Atzert et al. 2014: 219) gilt die Amygdala. Sie besitzt „zahlreiche Verbindungen“ zu lernrelevanten Hirnstrukturen, insbesondere zum Hippocampus und dem PFC , d. h. zum präfrontalen Kortex (vgl. ebd.). Im PFC ist die Anpassungs- und Umbauphase, wie an anderer Stelle erläutert, im Zuge der von hinten nach vorn verlaufenden Reorganisation des Gehirns in der Jugend erst spät abgeschlossen. Die Amygdala ist übrigens keineswegs nur das Angstzentrum im Gehirn (zu Emotionen im Gehirn vgl. Arndt/ Sambanis 2017: 125ff.). Möglicherweise ist sie sogar nur eines von mehreren Angstzentren bzw. ihre Funktion kann, wenn sich neuere Studien an Patientinnen oder Patienten mit beidseitiger Schädigung der Amygdala bestätigen, von anderen Strukturen übernommen werden (vgl. Feinstein et al. 2013: 270 ff.). Sie besitzt mehrere unterschiedliche, voneinander abgrenzbare Funktionen. Diese werden im Folgenden in Orientierung an Schmidt-Atzert et al. (2014: 219) aufgelistet: ▶ Flucht, Ekelreaktionen usw. ▶ emotionale Tönung von eingehenden Informationen ▶ emotionales Konditionieren, Assoziationslernen <?page no="74"?> 73 3.3 Emotionen ▶ Unterstützen von emotionalen Lernprozessen, „Encodierung von Aufgabenmerkmalen im Langezeitgedächtnis“ (ebd.) ▶ Beteiligung an emotionalen Regulationsprozessen. Bei Letzteren sollte die Amygdala eigentlich nicht federführend tätig sein, sondern vielmehr im Zusammenspiel mit anderen Hirnregionen zu Regulationsprozessen beitragen, wobei andere Hirnregionen, nämlich frontale, die Kontrolle übernehmen sollten. Aber genau diese Kontrollfunktion kann im Jugendalter wegen der Umbauprozesse nicht mehr bzw. noch nicht wieder so erfolgen, wie es eigentlich nötig wäre (vgl. 1.2.3). Das zweite und übergeordnete System ist im medialen präfrontalen Kortex ( PFC ) verankert. Seine Funktionen, die im Folgenden aufgelistet werden, stehen in vielfacher Hinsicht mit dem in Verbindung, was Hattie / Yates in ihrem Modell der two minds System 2 zuschreiben: ▶ „Detektion von Konflikten zwischen konkurrierenden Reaktionen, Aktivierung von Systemen, welche zur Konfliktlösung beitragen” ▶ Einschätzen von Gewinn- und Verlustchancen sowie von Kosten-Nutzen-Relationen ▶ „Vorhersage von Risiken” ▶ „Handlungskontrolle” (Schmidt-Atzert et al. 2014: 219). Präzisierend ist außerdem der anteriore cinguläre Kortex ( ACC ) zu erwähnen, der von den meisten Forscherinnen und Forschern dem medialen PFC zugerechnet wird. 20 Er gilt als Zentrum der Belohnungserwartung und hat außerdem im Einzelnen folgende Funktionen: ▶ Erkennen von „motivationalen Zielkonflikten, z. B. zwischen Annäherungs- und Vermeidungstendenzen” ▶ Hemmen „konflikterzeugender Verhaltensweisen und Anregung kognitiver Prozesse” ▶ Anregen des „subjektiven Erlebens von Emotionen” (ebd.). Der PFC , der hinter der Stirn lokalisiert ist, stellt, wie die Aufschlüsselung der einzelnen Funktionen vermuten lässt, eine wichtige Struktur dar, nämlich eine, die als emotionskontrollierende und handlungsregulierende Instanz fungiert. „Hier sind exekutive Funktionen verankert, die vornehmlich beteiligt sind, wenn wir unsere Gedanken, Emotionen und [unser] Verhalten bewusst, planvoll und zielorientiert steuern” (Evers et al. 2016: 6). „Executive functions include a range of skills that help us to control and regulate our thoughts and behaviors in order to attain goals” (de Haan 2014: 325, vgl. Arndt/ Sambanis 2017: 71ff.). Exekutive Funktionen und Emotionen interagieren, indem Emotionen „das adaptive, situationsangemessene Handeln” fördern (Schmidt-Atzert 2014: 211). Umgekehrt gilt aber auch, dass „die zentrale Exekutive” Emotionen „moduliert bzw. reguliert” (ebd., vgl. 1.2.3). Es gibt in der Tat Hinweise auf einen „functional link between the prefrontal executive processes and the emotional-motivational 20 Der mediale PFC umfasst die Brodmann Areale 24, 25, 32 und 10, dem ACC werden die Areale 25, 32 und 33 zugerechnet, d. h. zwei der drei ACC -Areale zählen zum medialen PFC . Die Bezeichnung Brodmann-Areale geht auf den deutschen Neurologen Korbinian Brodmann zurück, der Anfang des 19. Jahrhunderts die erste Einteilung der Großhirnrinde in Felder erarbeitete. Auf seine Einteilung in 52 Kortexareale beziehen sich Forschende auch heute noch. <?page no="75"?> 74 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale processes of the limbic system” (Jones 2014: 298). Im Kontext des Themas „Emotionen“ gilt es also, auch die Wechselwirkung bzw. die sich ergänzenden Beiträge von Emotionen und exekutiven Funktionen zum Handeln und damit auch zum Lernen in den Blick zu nehmen. 3.3.3 Exekutive Funktionen Durch ein Zusammenwirken von Emotionen und Kognition können Menschen adaptive Handlungsstrategien entwickeln. Dabei spielen exekutive Funktionen (Inhibition, Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität / Inhibition, Working Memory, Shifting) eine bedeutende Rolle. Exekutive Funktionen sind daran beteiligt, dass Lernen erfolgreich vonstatten geht und dass es gelingt, Emotionen zu regulieren, die ja letztlich auch wieder Einfluss auf Lernprozesse nehmen. Exekutive Funktionen ermöglichen, dass man ▶ „seine Aufmerksamkeit für bestimmte Dinge bewusst steuern kann, indem man sich z. B. auf eine bestimmte Aufgabe konzentriert, ▶ Prioritäten setzen kann, sich also z. B. entscheidet, erst die Hausaufgaben zu erledigen und dann mit der Freundin zu chatten, ▶ Impulse unterdrücken kann, also z. B. eine Aufgabe löst, ohne sich von miteinander plaudernden Mitschülerinnen und Mitschülern oder vom piepsenden Handy ablenken zu lassen, ▶ Pläne machen und diese auch verfolgen kann, sich also z. B. rechtzeitig vor einer Leistungsüberprüfung überlegt, was man wiederholen muss und damit auch beginnt, ▶ also insgesamt zielgerichtet handeln kann” (Salomo / Mohr 2016: 17). Bei Heranwachsenden scheint es, als setzten Selbststeuerung und Selbstregulation zeitweilig aus, wobei natürlich eine Verbindung zu den Umbauprozessen im Gehirn besteht. Dennoch ist es nicht angemessen, für jegliches grenzüberschreitendes Verhalten allein das Gehirn und die darin ablaufenden Umbauarbeiten verantwortlich zu machen, denn manche typisch jugendlichen Verhaltensweisen werden wohl zumindest zum Teil auch durch die Umgebung verstärkt. Für die Umbauprozesse im Gehirn gibt es Belege, und gerade deshalb ist bemerkenswert, dass jugendliche Rebellion einschließlich mitunter unzulänglicher exekutiver Kontrolle ein Phänomen ist, das sich „fast ausschließlich auf westliche Industriegesellschaften beschränkt” (Epstein 2014: 41) bzw. sich in anderen Ländern erst dann zu manifestieren begonnen hat, nachdem sie über die Medien von Einflüssen westlicher Industriegesellschaften erreicht worden waren. In westlichen Industrieländern haben sich ganze Industriezweige auf das Phänomen des Jugendalters spezialisiert und bedienen die angeblich besonderen Bedarfe von Heranwachsenden, unterstützen dabei aber zugleich, dass sich Jugendliche in ihrer besonderen Rolle, einschließlich zeitweise mangelnder Selbststeuerung, bestätigt fühlen. Die Teilhabe an dieser speziell die Zielgruppe Jugendlicher fokussierenden Konsumwelt hinterlässt natürlich Spuren im Gehirn, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch typisch jugendliche Verhaltensmuster verstärkt oder gegebenenfalls sogar erst angestoßen werden, aber das exekutive System ist dennoch auch bei Heranwachsenden nicht <?page no="76"?> 75 3.3 Emotionen etwa komplett inexistent. Evers und Kollegen (2016: 6) weisen darauf hin, dass in Situationen, die als neutral erlebt werden, schon Fünfzehnjährige ihr exekutives System fast genauso gut nutzen können wie Erwachsene. Kommen aber „Motivationen und Emotionen ins Spiel”, was, wie später noch gezeigt wird, besonders in Situationen der Fall ist, an denen gleichaltrige peers beteiligt sind, “funktionieren die exekutiven Funktionen oft nur beeinträchtigt” (ebd.). Epstein (2014: 45) weist darauf hin, dass Jugendliche heutzutage in „der Welt ihrer Gleichaltrigen“ regelrecht gefangen seien. Statt sich auch an älteren Vorbildern orientieren zu können, lernten sie mit und von Gleichaltrigen. Möchte man dieser Argumentation zumindest bis zu einem gewissen Grad folgen, bestätigt das, was weiter oben über die Lehrerrolle gesagt wurde: Lehrkräfte sind wichtige Interaktionspartner und sie dürfen sich von den Jugendlichen, die sie unterrichten, getrost unterscheiden. Es geht nicht darum, Heranwachsenden einfach mehr Freiheiten zu gewähren, sondern vielmehr ist für ihre Entwicklung, auch die der exekutiven Funktionen, ausschlaggebend, wie viel Verantwortung ihnen in geeigneten Kontexten bereits übertragen und die Verantwortungsübernahme von ihnen auch tatsächlich erwartet wird. Im Unterricht kann Verantwortungsübernahme oftmals mit einfachen Maßnahmen angeregt und etabliert werden. Als ein konkretes Beispiel sei das Einrichten eines festen Checkpoint, z. B. in einer Zimmerecke, erwähnt. Der Checkpoint verfolgt das Ziel, Jugendlichen die erste Kontrolle über erledigte schriftliche Arbeitsaufträge zu übertragen und zwar ohne jedes Mal aufs Neue eine partnerschaftliche Kontrolle organisieren zu müssen. Der Checkpoint funktioniert wie folgt: Wird im Unterricht eine schriftliche Aufgabe bearbeitet, können Schülerinnen und Schüler, die bereits fertig sind, direkt zum Checkpoint gehen. Dort warten sie auf den Mitschüler oder die Mitschülerin, die als nächstes fertig wird. Beide gehen dann zusammen entweder zu einem der Plätze oder ziehen sich in eine andere Zimmerecke, auf die Lesecouch o. Ä. zurück, um dort ihre Ergebnisse zu vergleichen bzw. einander Rückmeldung zu geben und die Aufgabe entsprechend zu ergänzen oder zu berichtigen. Der Checkpoint ist, als feste Größe im Unterricht etabliert, eine Maßnahme, die neben der Übertragung von Verantwortung für die Qualität der Arbeiten auch Leerlauf im Unterricht abfedert, der sonst entsteht, wenn Schnellere schon fertig sind und Langsamere noch schreiben. Er funktioniert ohne zusätzliche Vorbereitung, organisatorische Maßnahmen und, nach dem Vertrautwerden mit dem Zweck und den Abläufen am Checkpoint, zumeist ohne das Eingreifen der Lehrkraft. Er sorgt dafür, dass auch Lernende, die sonst nicht zusammenarbeiten, ins Gespräch kommen. Der Checkpoint sollte in einem Klassengespräch mit den Lernenden thematisiert werden. Es geht am Checkpoint darum, dem Zufall zu überlassen, mit wem man zusammenarbeitet, was gegebenenfalls bedeutet, dass man Toleranz zeigen und sich in professionellem Handeln üben muss. Sollte tatsächlich einmal ein Schüler oder eine Schülerin am Checkpoint stehen und sich niemand zu ihm oder ihr gesellen, kann die Lehrkraft subtil eingreifen, den übrigen Schülerinnen und Schülern über die Schulter schauen und solche, die bereits fertig sind an den Checkpoint erinnern, ohne sie allzu offensichtlich dorthin zu schicken. Es kann gegebenenfalls auch sinnvoll sein, den wartenden Schüler angesichts seiner Schnelligkeit kurz anerkennend zu erwähnen und sich verwundert zu zeigen, dass von den anderen noch <?page no="77"?> 76 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale niemand fertig zu sein scheine. Man sei jedoch zuversichtlich und gespannt, wem es gleich gelingen werde, am Checkpoint für Bewegung zu sorgen. Zweifellos fordern solche Situationen Empathie, Wachsamkeit und Fingerspitzengefühl der Lehrkraft, aber ein Vermeiden ist auch nicht sinnvoll, da die Lernenden diese Art der Herausforderung brauchen, um ihre sozialen Kompetenzen zu entfalten. Sich problematisch entwickelnde Situationen können, in einen anderen Kontext transferiert, oftmals sehr gut durch Dramamethoden, z. B. mit Standbildern, bearbeitet und es kann im Auswertungsgespräch dafür sensibilisiert werden, wie sich Ausgrenzung anfühlt und dass sie überall stattfinden kann, die Klasse aber eine Sphäre der Gemeinschaft und Toleranz sein sollte (zu Gemeinschaftsbildung vgl. u. a. 3.1 sowie Kap. 5). Nach diesem kurzen Blick in die Praxis soll im Folgenden ein Abriss des Forschungs- und Kenntnisstands zu exekutiven Funktionen gegeben werden. Studien zu exekutiven Funktionen befassen sich mit der Identifizierung beteiligter Netzwerke, versuchen zu klären, wann sich die exekutiven Funktionen im Laufe der kindlichen Entwicklung ausprägen, ob sich die Netzwerke mit fortschreitender Entwicklung stabil verhalten oder ob sich die Aktivierung im Gehirn verlagert. Sie gehen, zumeist in Zusammenhang mit mathematischen Leistungen und dem Lesen, der Frage nach Verbindungen zwischen akademischen Leistungen und exekutiven Funktionen nach und erforschen mögliche Effekte von Programmen (zunehmend digitale Angebote, vgl. z.B. Homer et al. 2019), die auf ein unmittelbares oder mittelbares Training von exekutiven Funktionen allgemein bzw. einzelner exekutiver Funktionen, z. B. Working Memory, zielen. In ihrem Überblicksartikel (2014) gibt de Haan vom University College London den Forschungsstand wieder, wobei sie auf jede der drei exekutiven Funktionen Inhibition, Working Memory und Shifting im Einzelnen eingeht. Eine in Verbindung mit dem Thema „Pubertät und Jugendliche“ bedeutende Erkenntnis betrifft die Netzwerke, die im Gehirn für die Exekutive zuständig sind. Entgegen der landläufigen Meinung sind diese nicht auf den PFC , also den Hirnbereich, der im Zuge der Restrukturierung und Anpassung im Jugendalter erst spät abschließend reorganisiert ist, beschränkt, zumindest nicht bei Erwachsenen: 21 In adults, executive functions depend on a network of brain regions including the prefrontal cortex, a part of the brain that develops slowly and is not yet fully mature in adolescence. (de Haan 2014: 325) Studien, die die Hirnaktivität bei exekutiven Funktionen im Laufe der Entwicklung erfassen, weisen auf ein breiteres Aktivierungsmuster bei Kindern, später auf ein gezielteres und zunehmend differenziertes hin. While most evidence suggests that the same basic brain networks as implicated in adults are also activated in children, brain networks-[…] still show numerous changes over development.-[…] they become less diffused and more localized-[…]. In addition, several studies observed a shift in which prefrontal areas become less active with age-[…], a finding that may reflect that-[…] a given task may require more effort in younger participants and may require less effort and be performed more automatically in older participants. (de Haan 2014: 341) 21 Neben dem PFC sind der parietale Kortex sowie subkortikale Strukturen beteiligt (vgl. de Haan 2014: 326). <?page no="78"?> 77 3.3 Emotionen Inhibition kann schon bei Kindern im Alter von sieben Monaten nachgewiesen werden, was man übrigens mittels Verstecken und Wiederfinden von Objekten überprüft. Die Fähigkeit, unangemessene oder nicht-zielführende Reaktionen und Gedanken zu unterdrücken, zeigt bedeutende Fortschritte im Kindergartenalter (bei Dreibis Fünf-Jährigen, vgl. de Haan 2014: 329). Um das Schuleintrittsalter kann von einer gewissen Stabilisierung ausgegangen werden, wobei „results suggest that there is further quantitative improvement in inhibitory-control abilities during middle childhood and adolescence“ (de Haan 2014: 230). Für Inhibition konnten positive Zusammenhänge mit mathematischen Leistungen nachgewiesen werden, für andere akademische Leistungen, z. B. Lesen, geht man von einem eher indirekten die Kompetenzentwicklung begünstigenden Einfluss aus, der über Frustrationstoleranz, Wut oder Ungeduld bzw. Geduld vermittelt wird. Die exekutive Funktion Working Memory kann als „mental workspace“ (de Haan 2014: 339) beschrieben werden und bezeichnet die Fähigkeit, Informationen im Arbeitsgedächtnis zu halten und diese bei Bedarf dort zu bearbeiten. Auch das Arbeitsgedächtnis entwickelt sich im Laufe der Zeit weiter und zwar weisen die meisten Studien auf einen „linear increase in working memory skills from age 4 years to 14-15 years“ hin (de Haan 2014: 332). 22 Verbal Working Memory im Alter von vier Jahren konnte als Prädiktor für die Schreibleistung zu Beginn des Grundschulalters identifiziert werden, außerdem gibt es „consistent links- […] with reading comprehension“ (de Haan 2014: 335). Ein Zusammenwirken von Inhibition, insbesondere dem Ausblenden von ablenkenden Gedanken oder von sonstigen Distraktoren, und Working Memory scheint plausibel. Auch für die dritte exekutive Funktion, Shifting, wird von einem Zusammenwirken mit Inhibition und Working Memory ausgegangen. Shifting bezeichnet die kognitive Flexibilität, die sich z. B. in der Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Aufgaben einstellen und von einer Aufgabenstellung zur anderen wechseln zu können, manifestiert. Auch diese exekutive Funktion entwickelt sich über die Zeit weiter. Um die kognitive Flexibilität von Probandinnen und Probanden zu ermitteln, wird z. B. der Wisconsin Card Sorting Test eingesetzt. Dieser besteht aus Spielkarten, die jeweils ein Symbol, beispielsweise ein Quadrat, ein Pluszeichen oder einen Stern, zeigen, das jedoch auf den einzelnen Karten in unterschiedlicher Anzahl abgebildet ist. Außerdem gibt es Karten, auf denen die abgebildeten Symbole blau sind, auf anderen grün usw. Dadurch eröffnet sich den Testteilnehmerinnen und -teilnehmern die Möglichkeit, die Karten nach unterschiedlichen Kriterien einander zuzuordnen, z. B. anhand der Symbole, deren Anzahl oder Farbe usw. Die Probandinnen und Probanden sollen die Karten ohne weitere Vorgaben einander zuordnen und erhalten dann von der Spielleiterin oder dem Spielleiter Rückmeldungen dazu, ob ihre Zuordnungen als richtig oder falsch gewertet werden. Für Shifting wurden bislang keine „strong relations“ zu akademischen Leistungen nachgewiesen (vgl. de Haan 2014: 336). 22 Beim Arbeitsgedächtnis zeigen sich über das gesamte Schulalter hinweg ähnliche Aktivierungsmuster, allerdings soll sich, wie eine Studie mit bildgebenden Verfahren bei Heranwachsenden und Erwachsenen zeigt (Finn et al. 2010), die Relevanz des Beitrags des Hippocampus mit der Zeit reduzieren. <?page no="79"?> 78 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Obwohl im Hinblick auf eine kausale Beziehung zwischen exekutiven Funktionen und akademischen Leistungen noch weiterer Klärungsbedarf besteht, liegt dennoch der Schluss nahe, dass sich ein Training exekutiver Funktionen förderlich auf den Lernertrag, die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme sowie gegebenenfalls auf die Zufriedenheit der Lernenden auswirken könnte. Immerhin konnten „studies examining links with working memory and inhibition“ bereits gesicherte Nachweise für „general relations to learning“ (de Haan 2014: 341) erbringen, womit Überlegungen zu Möglichkeiten der Förderungen exekutiver Funktionen auch oder besonders im Jugendalter legitimiert erscheinen. Es lassen sich zwei Typen von Trainingsprogrammen unterscheiden, nämlich solche, die z. B. mit speziellen Computerprogrammen bestimmte exekutive Funktionen fördern-- „most well studied for working memory“ (de Haan 2014: 339)- - und solche, die exekutive Funktionen indirekt fördern, z. B. durch Bewegungsaktivitäten wie Tanz oder auch bestimmte Kampfsportarten. Mögliche Wirkungen beider Trainingstypen sind noch nicht abschließend erforscht, aber erste vorläufige Schlüsse sind bereits möglich. Zum einen scheint sich das Training nicht bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern in derselben Art bzw. Intensität niederzuschlagen, allerdings überrascht diese Varianz letztlich nicht, denn es gibt bei vielen Interventionen eine gewisse Streuung. Erfreulicherweise zeichnete sich bei ADHS -Kindern, die ein auf Working Memory fokussiertes Training durchlaufen hatten, sowohl eine Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses ab als auch die Tendenz, die optimierten Funktionen auch außerhalb des Trainingskontextes zu nutzen (vgl. Klingberg et al. 2005). Mit aller noch gebotenen Vorsicht kann gefolgert werden, dass exekutive Funktionen einen vielversprechenden Ansatzpunkt für pädagogische Interventionen darstellen. Wenn auch deren Entwicklung insgesamt sowie während der Pubertät noch weiter erforscht werden muss, scheint es keine Hinweise darauf zu geben, dass exekutive Funktionen in der Jugend komplett aussetzten. Der oben referierte Forschungsstand lässt eher auf Modifikationen beteiligter Netzwerke im Laufe der Entwicklung schließen. Mehrfach wird in der Literatur auf eine weitere Optimierung auch während der turbulenten Phase des Umbaus des Gehirns hingewiesen, wobei einzelne Studien dann eine stärkere Aktivität in bestimmten Hirnregionen belegen, was als Kompensationsstrategie zum Ausgleich der Umbauprozesse gedeutet werden könnte, denn diese besondere Aktivität nimmt später wieder ab bzw. verlagert sich. Für die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen ist es wichtig, eine Vorstellung davon zu haben, welche Beiträge exekutive Funktionen zu Lernprozessen erbringen können. Diese wurden im Vorausgegangenen exemplarisch dargestellt, wobei drei exekutive Funktionen unterschieden wurden. Auf Möglichkeiten der Förderung wurde hingewiesen, zwei grundlegende Typen von Fördermaßnahmen unterschieden. Mit Checkpoint wurde ein Beispiel für den Unterricht gegeben, wie Verantwortungsübernahme angeregt und zugleich Inhibition in Form von Warten-Können auf die nächste Schülerin oder den nächsten Schülern trainiert wird. Impulskontrolle wird hier gegebenenfalls auch zu erbringen sein, z. B. dann, wenn am Checkpoint Lernende aufeinandertreffen, die sonst nicht freiwillig zusammenarbeiten oder wenn die Rückmeldungen Kritik enthalten. Es gibt weitere Ideen dazu, wie exekutive Funktionen im Fremdsprachenunterricht mit Heranwachsenden berücksichtigt werden können, ohne dabei die fremdsprachlichen Ziele des Unterrichts aus den Augen zu verlieren (vgl. <?page no="80"?> 79 3.3 Emotionen Kap. 5). Durch die klare Unterscheidung zwischen Inhibition, Working Memory und Shifting ist es außerdem möglich, eigene Unterrichtsroutinen, bewährte Aktivitäten und Unterrichtsmaterialien hinsichtlich ihres Beitrags zur Nutzung bzw. Weiterentwicklung von exekutiven Funktionen zu analysieren und die Unterrichtsangebote oder -materialien nach Wunsch und Notwendigkeit gezielt auszuwählen. Das Bemerkenswerte an exekutiven Funktionen ist, dass sie, deutlich mehr als der IQ , trainierbar sind, d. h. sie bilden eine Stellschraube, an der angesetzt werden kann, um Entwicklungs- und Lernprozesse anzustoßen. Erste Hinweise darauf, dass davon auch oder insbesondere jene Kinder profitieren können, deren Unterstützung Eltern und Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen stellt und die Lernenden selbst mitunter an die Grenzen ihrer Frustrationstoleranz und Belastbarkeit führt, liefern, wie oben erwähnt, Studien, die positive Effekte von Maßnahmen belegen, die auf das Training von exekutiven Funktionen ausgerichtet sind. Für die Jugendzeit gilt: Exekutive Funktionen stellen eine Entwicklungsaufgabe und ein Potenzial dar, kein Defizit, denn ihre Entwicklung setzt sich von der frühen Kindheit bis hinein ins Jugendalter fort, d. h. das Jugendalter ist Bestandteil eines Entwicklungsverlaufs. Entsprechende Erfahrungen müssen gemacht, nicht etwa vermieden werden. Dabei gilt aber wiederum, dass Emotionen eine bedeutende Rolle spielen und dass Herausforderungen, in denen z. B. Impulskontrolle zu erbringen ist, so beschaffen sein müssen, dass die Heranwachsenden sie mit etwas Anstrengung auch meistern können. Inhibition und Risikobereitschaft sind zwei nicht selten konkurrierende Faktoren, die auf das Handeln und die Haltung Einfluss nehmen und die im Jugendalter eine besondere Rolle spielen können, auch im Fremdsprachenunterricht. Und tatsächlich können Jugendliche Versuchungen schlechter widerstehen als Erwachsene, da Hirnzentren, die auf die „Aussicht auf Spaß“ reagieren besondere Aktivität zeigen (ausführlicher in Arndt/ Sambanis 2017: 49). 3.3.4 Risikobereitschaft, Selbststeuerung und der Einfluss von Gleichaltrigen Eine gewisse Risikobereitschaft in Form von Explorationsverhalten einschließlich des Austestens von Grenzen scheint für die Weiterentwicklung keineswegs abträglich zu sein und fällt mit den „Renovierungsarbeiten im Gehirn zusammen, die einem genetisch festgelegten Plan“ folgen (Hercoulano-Houzel 2014: 36). „Die Neustrukturierung verläuft dabei abgestimmt auf die übrigen körperlichen Veränderungen“ (ebd.). In der Phase, in der sich das Stirnhirn gewissermaßen im Notbetrieb befindet bzw. Anpassungsprozesse in Gang sind, „waltet das limbische System,- […] [insbesondere die Amygdala] ohne konsequente Kontrolle. Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass der Heranwachsende ein starkes Explorationsverhalten ausprägt, sich aufgrund der im Zuge seiner Explorationen gemachten Erfahrungen weiterentwickeln“ (Sambanis 2013: 71) und seine Netzwerke anpassen oder zum Teil auch verschieben kann. Der letzte und entscheidende Bauabschnitt im pubertierenden Gehirn betrifft ein kleines Areal ganz vorn in der Stirn, direkt über den Augenhöhlen: der orbitofrontale Kortex ( OFC ). Er arbeitet im Verbund mit anderen Strukturen, die unser Sozialverhalten steuern. (Herculano-Houzel 2014: 39) <?page no="81"?> 80 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Erregt etwas die Aufmerksamkeit von Heranwachsenden, erscheint ihnen eine Situation reizvoll, können sie sich überaus leistungsbereit zeigen. Die im Unterricht gestellten Aufgaben sollten der Tatsache Rechnung tragen, dass Jugendliche anders lernen als jüngere Kinder. Jugendliche zeichnen sich dadurch aus, dass sie „schon größeres Wissen über die Welt haben“ (Salomo / Mohr 2016: 70) und Zusammenhänge selbst dann erschließen können, wenn sie sie sprachlich nicht im Detail verstehen. Auch durch ihr Wissen über Sprachen, das sie im Zuge des Erwerbs ihrer Erstsprache oder Erstsprachen sowie im Fremdsprachenunterricht aufgebaut haben, und ihre dadurch bereits vorhandene Sprachlernerfahrung, sind Jugendliche gut ausgestattet fürs Sprachenlernen. Überdies besitzen sie „bereits größere kognitive Fähigkeiten-[…] [als jüngere Lerner]: Sie können gut memorieren, können Phänomene bewusst und konzentriert wahrnehmen, sie können komplexe Denkaufgaben und Probleme lösen“ (ebd.). Wie bereits in Zusammenhang mit der motorischen Entwicklung erwähnt, wäre es erfreulich, wenn sich die Risikobereitschaft von Jugendlichen nicht im Austesten von Grenzen und der Steigerung der Erlebnisintensität erschöpfte, sondern im Fremdsprachenunterricht auch z. B. in Form von besonders reger Unterrichtsbeteiligung zeigte, aber viele Jugendliche achten vor allem auf ihre Wirkung auf Gleichaltrige. Sehr aktives Mitarbeiten im Unterricht könnte von den Klassenkameradinnen und -kameraden als angepasstes oder sogar streberhaftes Verhalten gedeutet werden, und das wäre für viele Heranwachsende ein das Selbstbild beschädigendes Attribut. Gerade in westlichen Ländern, in denen, wie gesagt, pubertäre Verhaltensweisen deutlicher zutage treten als in anderen Ländern, gelten bei Teenagern daher auch sehr gute Noten nicht unbedingt als erstrebenswert (vgl. Salomo/ Mohr 2016: 34). Jugendliche streben häufig Noten an, die so gut sind, dass die Eltern „keinen Stress machen“, aber nicht so überragend, dass sie dadurch in der Klasse hervorstächen. Das Herausragen aus der Gruppe ist auch im Hinblick auf die Unterrichtsbeteiligung aus Sicht vieler Teenager nicht erstrebenswert. Die Lehrkraft kann jedoch durch ihre Begeisterung, eine positive Präsenz, das Pflegen eines guten Unterrichtsklimas, durch eine gesunde Portion Humor und das Schaffen reizvoller Herausforderungen dazu beitragen, dass die Peer-Pressure nicht überhandnimmt. Dem Streben der Heranwachsenden danach, von Gleichaltrigen wahrgenommen und nach Möglichkeit angenommen zu werden, kann besonders in kollaborativen Unterrichtsaktivitäten Rechnung getragen werden (vgl. Kap. 5). In der Zusammenarbeit mit einer Partnerin oder einem Partner bzw. in der Gruppe kann von den Heranwachsenden auch im Unterricht oftmals eine gewisse förderliche Risikobereitschaft ohne Furcht um Gesichtsverlust gezeigt werden. Belege für die erhöhte Risikobereitschaft von Jugendlichen liefern Unfallstatistiken. Laut Statistischem Bundesamt (2014) haben z. B. „Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren mehr Radunfälle-[…] als andere Altersgruppen“ (Fäsche et al. 2016: 7). Die beiden Faktoren „Risikobereitschaft und die Beeinflussbarkeit durch Gleichaltrige-[…] verzeichnen während der Pubertät einen deutlichen Anstieg“, während die Selbststeuerungskompetenz erst deutlich später, nämlich etwa im Alter „von 25 Jahren vollständig entwickelt“ ist (ebd.). Im Rahmen des Projekts „ YOLO -- (Selbst)sicher Radfahren“ wurden von einer Forschergruppe des TransferZentrums für Neurowissenschaften und Lernen an der Universität Ulm Daten bei mehr als Tausend 5.bis 9.-Klässlern, ihren Eltern und Lehrkräften erhoben, um herauszu- <?page no="82"?> 81 3.3 Emotionen finden, ob Zusammenhänge zwischen der Selbststeuerung und den Zahlen sowie der Schwere von Radunfällen bestehen: „Die Ergebnisse zeigen, dass von allen untersuchten Faktoren vor allem eine problematische Selbststeuerungskompetenz mit den hohen Unfallzahlen in dieser Altersgruppe verbunden ist“ (ebd.). Es zeigten sich überdies Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit und dem Schweregrad von Radunfällen mit einer höheren Risikobereitschaft der Heranwachsenden und einer größeren Beeinflussbarkeit durch Gleichaltrige. Es scheint, als würde „entweder gar nicht rational geprüft oder Netzwerke rationalen Denkens und Emotionen konkurrieren, wobei beim Heranwachsenden von einer Disposition auszugehen ist, die eine rasche gefühlsgeleitete Entscheidung“, z. B. die, Eindruck auf Gleichaltrige machen zu wollen, „wahrscheinlicher macht als eine wohlüberlegte Entscheidungsfindung samt Abwägen möglicher Folgen“ (Sambanis 2013: 72). The adolescent brain is characterized by maturation of the limbic system with heightened reward sensitivity in conjunction with the protracted development of the prefrontal cortex and developing cognitive control. It is this disparity between the development of these two systems which may be underpinning the risk-taking behaviors often observed in adolescents. (Jones 2014: 312, vgl. Abb. 7) Der Einfluss von Gleichaltrigen auf das Verhalten Jugendlicher ist nicht zu unterschätzen (vgl. Kap. 2). Sie fühlen sich in der Gruppe stärker, wobei die Präsenz Gleichaltriger sie dazu veranlassen kann, Regeln zu durchbrechen und sogar Gefahren in Kauf zu nehmen, um sich Anerkennung zu verschaffen. Für Jugendliche ist soziale Anerkennung samt Zugehörigkeitsgefühl von allergrößter Bedeutung. Sie zeigen „greater levels of anxiety in response to social exclusion than do adults“ und sind in Gesellschaft Gleichaltriger „more likely to engage in risky behaviour than when alone“(Fuhrmann et al. 2015: 562). Insbesondere jüngere Jugendliche zeigen sich in weit größerem Maße beeinflussbar „by the opinions of teenagers compared with the opinions of adults“ (Fuhrmann 2015: 563). „Midadolescents“ (ebd.) werteten dann die Meinungen von Gleichaltrigen und Erwachsenen bereits ausgewogener, nämlich ohne die der Jugendlichen zu präferieren. Der Einfluss gleichaltriger peers auf die Risikofreudigkeit Jugendlicher ist nachgewiesen, auch durch Studien mit bildgebenden Verfahren. Chein (2011) und Kollegen rekrutierten Jugendliche und Erwachsene, um ihr Verhalten im Fahrsimulator zu analysieren, die Aktivierungsmuster im Gehirn erfassen und zwischen Jugendlichen und Erwachsenen vergleichen zu können. Eine Schlüsselsituation im Fahrsimulatortest bestand darin, dass sich die Probanden einer auf Rot umspringenden Ampel näherten und entscheiden mussten, ob sie regelkonform anhalten oder eigentlich schon regelwidrig noch rasch durchfahren wollten. Das Interessante an dieser und ähnlichen Studien ist, dass die jugendlichen Probanden sich unterschiedlich verhalten, wenn sie den Fahrtest alleine oder im Beisein von Gleichaltrigen durchlaufen. Sind gleichaltrige peers anwesend, ändert sich das Verhalten bei den Jugendlichen, nicht aber bei den erwachsenen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern: Die Heranwachsenden zeigen dann deutlich größere Bereitschaft, sich regelwidrig zu verhalten und einen Unfall zu riskieren. „Unabhängig von der Versuchsbedingung (ohne und mit peers), zeigten sie insgesamt eine schwächere Aktivierung kognitiver Netzwerke (Cognitive Control System) als die erwachsenen Studienteilnehmer“ (Sambanis 2013: 72). Außerdem waren bei <?page no="83"?> 82 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale den Jugendlichen die Belohnungszentren stärker aktiviert, wenn Gleichaltrige präsent waren (vgl. Silva et al. 2016: 327), was darauf hinweist, dass diese Präsenz als reizvoll empfunden wird und aus Sicht der Heranwachsenden ein Belohnungspotenzial birgt. Dieses wird dann durch risikofreudigere Entscheidungen genutzt, denn dadurch erhoffen sich die Heranwachsenden Anerkennung von ihren peers. […] evidence suggests that the peer effect on risk taking occurs because peers heighten adolescents‘ [Anmerkung: in dieser Studie male adolescents‘] sensitivity to potential reward (Chein et al., 2011; Smith, Steinberg, Strang, & Chein, 2015). This is especially true for immediately available rewards-[…]. (Silva et al. 2016: 323) Auch die durch Silva und Kollegen (2016) generierten Daten bestätigen „[that] adolescents make more reckless decisions when with peers than when alone“ (Silva et al 2016: 322). Die Studie nahm außerdem den Peer-Effekt genauer in den Blick und untersuchte, ob sich das Risikoverhalten verändert, wenn es sich bei der Peer-Präsenz nicht nur um Gleichaltrige handelt: In the present study we investigated how the presence of peers affects decisision making in late adolescents (ages 18-22) and whether the previously documented effect of peers on adolescents‘ risk taking can be reduced or reversed by the presence of a slightly older adult (age 25-30). (Silva et al. 2016: 323) Die Studie belegt, dass sich das Risikoverhalten der jungen Erwachsenen deutlich reduziert, wenn die peergroup nicht nur aus Gleichaltrigen besteht: „When 1 adolescent was replaced by someone slightly older,-[…] adolescents‘ decision making and reward processing resembled that seen when adolescents were tested alone“ (Silva et al. 2016: 322). Aus schulischer Perspektive betrachtet, sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Studie zwar eigentlich schon zu alt, aber man darf getrost davon ausgehen, dass jüngere Heranwachsende die Präferenz für unmittelbare Belohnung und eine höhere Risikobereitschaft in mindestens vergleichbarem Maß zeigen wie die Probanden im jungen Erwachsenenalter, deren Selbststeuerung sich immerhin schon deutlich dichter an der Reifeschwelle befindet (wie bereits erwähnt ist diese mit 20 Jahren noch nicht ganz erreicht), als die von Heranwachsenden im Schulalter. Der Befund, dass allein schon die Präsenz eines etwas älteren peer weniger wünschenswerte Verhaltensweisen abfedern kann, ist als solcher zunächst ein wertvoller, wobei systematische Studien zum exakten Nachweis eines vergleichbaren Effekts im Fremdsprachenunterricht nicht vorliegen. Möglicherweise verfügen Lehrkräfte, die Familienklassen oder andere Formen des jahrgangsübergreifenden Lehrens und Lernens auf der Sekundarstufe unterrichten (vgl. z. B. Thurn 2006), über Erfahrungen und Beobachtungen, die sie der oben referierten Evidenz zuordnen können. Auch wäre es denkbar, Studierende, die z. B. im Zuge ihres Praxissemesters dem Unterricht beiwohnen und sich einbringen sollen, als ältere peers einzusetzen, z. B. bei der Gruppenarbeit. Der minimale Altersunterschied zwischen Probanden und peers, bei dem sich in der Studie von Silva et al. das Verhalten im Normalbereich einpendelte, lag bei drei, der maximale bei 12 Jahren. In diesem Bereich liegt in vielen Fällen auch die Differenz zwischen heranwachsenden Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden. Hinweise darauf, ob sich der in der Studie belegte Effekt des Abfederns z. B. von Trotzhandlungen im <?page no="84"?> 83 3.3 Emotionen Fremdsprachenunterricht auf diese Weise replizieren ließe, könnten empirische Studien im Rahmen von Lernforschungsprojekten im Praxissemester und von Masterarbeiten geben, aber auch für Aktionsforschungsprojekte (vgl. Altrichter / Posch / Somekh 2005, Burns 2010, Kampa 2012) wäre dies eine reizvolle Frage, die der Erforschung und Weiterentwicklung des Unterrichts mit Heranwachsenden dienen könnte. Die Jugendphase ist eine prägende und das Sehnen nach Zugehörigkeit besonders groß. Für Letzteres liegen u. a. Daten aus Studien vor, in denen heranwachsende Ratten und Mäuse in der dem menschlichen Teenageralter korrespondierenden Phase sozialem Stress ausgesetzt waren. 23 Sozialer Stress entsteht für Teenagerratten z. B. dann, wenn sie in Isolation gehalten werden. In diesen Fällen kommt es zu „irreversible effects on some aspects of exploratory behaviour“ (Fuhrmann et al. 2015: 561), was die Relevanz der sozialen Interaktion für die Entwicklung unterstreicht und gerade in Zeiten sozialer Distanzierung, wie ab dem Frühjahr 2020, zu besonderer Wachsamkeit und der Ergreifung zumindest abfedernder Maßnahmen (z.B. regelmäßige Treffen in der Videotelefonie, verstärkte Zusammenarbeit im Chat usw.) aufruft. Zugleich weist die Irreversibilität der Effekte darauf hin, dass die Jugendphase eine besonders wichtige und prägende Entwicklungsphase ist- - und zwar nicht nur für Ratten. Fuhrmann et al. (2015: 560) führen im Zuge von Abwägungen die Frage betreffend, ob das Jugendalter, ähnlich wie das frühe Kindesalter, eine sensible Phase darstellt, den Reminiscence Bump an: Befragt man Erwachsene nach autobiografischen Erfahrungen, berichten die meisten von Ereignissen aus der Pubertät, ihrer Jugend und dem jungen Erwachsenenalter (10-30 Jahre). Der Reminiscence Bump ist durch Studien nachgewiesen und hebt die Bedeutung dieser Phase für die Gesamtentwicklung hervor. Die Beobachtung, dass auch Musik, Filme usw. sowie öffentliche Veranstaltungen, die im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter besucht wurden, mit größerer Wahrscheinlichkeit später erinnert werden als Ereignisse, die jenseits dieses Zeitfensters lagen, weist auf Folgendes hin: „mnemonic capacity is heightened during this time of life“ (ebd.), insbesondere für Ereignisse, die eine emotionale Bedeutung besitzen. 3.3.5 Emotionen deuten, Vulnerabilität und Ängste Jugendliche wirken in der sozialen Interaktion manchmal unsicher oder ungeschickt, was damit zusammenhängen könnte, dass sie entwicklungsbedingt Emotionen weniger gut regulieren, erkennen und einordnen können. „Das Deuten emotionaler Reize u. a. durch Entschlüsselung über- und außersprachlicher Signale (u. a. Einsatz der Stimme, Nuancierung sprachmelodischer Merkmale, Mimik, Gestik, Proxemik, d. h. Distanz und Nähe) spielt in der sozialen Interaktion eine wichtige Rolle“ (Sambanis 2013: 73). Fällt die Deutung solcher Informationen im Jugendalter schwerer (vgl. Wietasch 2007: 131) als zuvor oder später im 23 Während die Übertragbarkeit von Daten, die bei Mäusen oder Ratten gewonnen wurden, auf den Menschen mitunter eingeschränkt ist, liefern sie auf einer basalen Ebene, d. h. dem hier referierten Zusammenhang oder z. B. auch bei der Erforschung der Neuroplastizität, wertvolle und durchaus übertragbare Hinweise. <?page no="85"?> 84 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Erwachsenenalter, kann daraus verständlicherweise eine gewisse Unsicherheit oder zuweilen auch soziale Ungeschicklichkeit in Interaktionen resultieren. Eine Forschergruppe um den Psychologen McGivern (2002) hat bei Kindern (10-16 Jahre) und jungen Erwachsenen (18-22 Jahre) die Fähigkeit zur Dekodierung von Emotionen untersucht. Den Probandinnen und Probanden wurden Bilder von Gesichtern gezeigt, für die sie dann entscheiden mussten, ob sie einer vorgegebenen Emotion entsprachen oder nicht. Drei Emotionen, nämlich fröhlich, verärgert und traurig, sowie ein neutraler Gesichtsausdruck konnten wiedererkannt werden. Gemessen wurden bei dem Test nicht nur die korrekten Antworten, sondern auch die Reaktionszeiten. Die Reaktionszeit kann als Indikator dafür genutzt werden, wie effektiv und damit schnell das Gehirn in unterschiedlichen Entwicklungsphasen mit der Deutung emotionaler Reize umgeht, d. h. wie gut es dafür gerade ausgestattet ist. (Sambanis 2013: 73) McGivern et al. stellten bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern zum Zeitpunkt des Einsetzens der Pubertät eine Verlangsamung der Reaktionen um bis zu 20 % fest. Sie taten sich also nachweislich schwerer als jüngere Kinder oder Erwachsene, den emotionalen Ausdruck anderer zu deuten, was auf eine Art Durchgangsphase hinweist: Die Reaktionszeiten fallen, aus dieser Phase resultierend, wieder ab und erreichen schließlich um das 18. Lebensjahr „den Level erwachsener Personen“ (Wietasch 2007: 131). Über die Sekundarschulzeit muss der junge Mensch seine Fähigkeit, emotionale Reize zu entschlüsseln und entsprechend darauf zu reagieren, weiterentwickeln bzw. auch diese Fähigkeit neu kalibrieren. Entsprechende Erfahrungen, die in der Interaktion mit anderen-- Gleichaltrigen, aber auch Menschen anderer Altersgruppen-- gesammelt werden, sind unerlässlich. Möglicherweise kann sogar von einer erhöhten Relevanz solcher Erfahrungen im Jugendalter ausgegangen werden: „If certain environmental stimuli indeed have a heightened impact-[…], it would be expected there to be enhanced learning, particularly of late-maturing skills“ (Fuhrmann et al. 2015: 560). Folgt man der Annahme, dass das Jugendalter mit seiner erhöhten Plastizität und dem Ausfeilen der Hirnarchitektur als eine Entwicklungsphase zu betrachten ist, in der das Gehirn nicht nur nutzungsbedingte Anpassungen vornimmt, sondern sich geradezu „experience-expectant“(Fuhrmann et al. 2015: 558) verhält, lässt sich daraus für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts im Hinblick auf das Deuten und Kommunizieren emotionaler Tönungen u. a. folgern, dass Lerngelegenheiten nicht fehlen dürfen, die das Verwenden, Dekodieren und Einordnen über- und außersprachlicher Zeichen berücksichtigen. Sprachliche Interaktion braucht mehr als nur aneinandergereihte Wörter. Man kann davon ausgehen, dass Lexik zu 15 bis maximal 20 % zur Gestaltung kommunikativer Interaktionen beiträgt. Der Rest ist Proxemik, Körpersprache, Mimik, also Extra- und Parasprachliches, einschließlich musikalischer Merkmale von Sprache wie Intonation und Rhythmus bzw. deren Zusammenwirken mit den Wörtern. Etwa 65 bis 70 % jeder sprachlichen Interaktion basieren auf Mimik, Körpersprache usw., d. h. auf solchen Informationen, mit denen sich das pubertierende Gehirn schwertut, aber „experience-expectant“ verhält. Dem muss gerade der Fremdsprachenunterricht bei Jugendlichen Rechnung tragen und ent- <?page no="86"?> 85 3.3 Emotionen sprechende Erfahrungen ermöglichen (vgl. Kap. 5, für ergänzende Hinweise auch zu Studien vgl. Crutchfield / Sambanis 2017). 24 Ein gewisser Zusammenhang zwischen den für interpersonelle Interaktion so maßgeblichen Fähigkeiten zur Deutung von Emotionen und der Irritierbarkeit und Verletzlichkeit von Heranwachsenden kann vermutet werden. Beim Vergleich von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen zeigen sich bei Letzteren einige Eigenheiten im Hinblick auf das emotionale Erleben, dazu zählt „mehr Angst“ (Schmidt-Atzert 2014: 315), besonders bei Mädchen eine erhöhte Anfälligkeit für depressive Stimmungen sowie vorrangig bei Jungen die mögliche Zunahme von Aggressivität oder Destruktivität: „Bei Jungen steigt die Delinquenz im Alter von etwa 13 bis 15 Jahren stark an“ (Schmidt-Atzert 2014: 315 f.). Die Rolle, die Hormone im Hinblick auf die Eigenheiten des emotionalen Erlebens im Jugendalter spielen, sind zwar noch nicht in jeder Hinsicht geklärt, der „Zusammenhang zwischen Testosteron und Ungeduld sowie Irritierbarkeit bei Jungen-[…] [und] erhöhte[r] Aggressivität“ ist jedoch bereits recht eindeutig nachgewiesen (Schmidt-Atzert 2014: 315). Auch das in der Jugend im Vergleich zum sonstigen Lebensverlauf häufigere erste Auftreten z. B. von Angsterkrankungen spricht für Eigenheiten des emotionalen Erlebens und eine besondere Vulnerabilität: „The peak age of onset for many psychiatric disorders is, in fact, during adolescence“ (Jones 2014: 311). Manche pathologischen Ängste, wie „Tierphobien-[…], Blut- oder Verletzungsphobien- […], phobische Angst vor Zahnbehandlungen“ (Schmidt-Atzert 2014: 310) haben ihren Ursprung oftmals bereits in der Kindheit oder eben in der frühen Jugend, soziale Phobien hingegen treten in sehr vielen Fällen erstmals in der Pubertät und Jugend auf, ebenso Essstörungen (vgl. Berger 2014: 56). 25 Auch im Klassenzimmer können, ganz besonders bei Jugendlichen, Ängste eine Rolle spielen. Im Fremdsprachenunterricht müssen die Lernenden nicht nur Wissen und Kompetenzen entwickeln und anwenden, sondern sich dabei auch noch eines Mediums, nämlich der Fremdsprache bedienen, das ihnen nicht ganz vertraut ist. Damit ist ein besonderes Risiko verbunden, allerdings nicht eines jener Art, das Jugendliche freiwillig suchten, sondern eines, das zumindest viele am liebsten mieden. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Fremdsprachenunterricht von anderen Fächern. Besonders beim Sprechen gehen die Schülerinnen und Schüler ein Wagnis ein, das mit Angst verknüpft sein könnte. Seit einigen Jahrzehnten schon wird zu Foreign Language Anxiety geforscht (u. a. Gardner / MacIntyre 1994, Horwitz / Young 1991, Süleymanova 2011). Auch die Didaktik des Englischen an der FU Berlin befasst sich mit diesem Thema. Beispielsweise wurde im Rahmen 24 Die Argumentation ließe sich weiterführen in Richtung einer performativen Fremdsprachendidaktik. Die Bände von Even / Schewe (2016) und Mentz/ Fleiner (2018) stellen aktuelle Positionen zum performativen Lehren, Lernen und Forschen zusammen. 25 Es gibt verschiedene Essstörungen, darunter die Magersucht (Anorexie). Zwischen 10 % und 20 % der Magersüchtigen verhungern inmitten der Überflussgesellschaft, „begehen Suizid-[…] oder sterben an den körperlichen Folgen der Unterernährung“ (Gura 2014: 63). Anorexie hält damit bei „jungen Frauen-[…] den traurigen Rekord als psychische Krankheit mit der höchsten Sterberate“ (ebd.). Neurowissenschaftler und Psychologen schließen einen Zusammenhang zwischen Magersucht und einer Störung des Belohnungssystems im Gehirn nicht aus und erforschen mögliche Zusammenhänge. <?page no="87"?> 86 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale einer dort geplanten und betreuten Masterarbeit (Priewe Redondo 2014) das Phänomen Speaking Anxiety bei Heranwachsenden näher beleuchtet und eine empirische Studie durchgeführt zur Erprobung und Evaluation einer möglicherweise angstreduzierenden Strategie: „Teachers need to consider methods to reduce anxiety, as it can be an important barrier to learning“ (Hattie 2009: 50). Die Stichprobengröße lag bei N-=-56 (n weiblich -=-30, n männlich -=-26), das Durchschnittsalter bei 15,2 Jahren. Die Schülerinnen und Schüler besuchten die zehnte oder elfte Klasse. Vor der Intervention galt es, das Sprechangstlevel der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu ermitteln. Zur Erfassung des Angstlevels wurde ein Fragebogen eingesetzt. Die Items orientierten sich an der Foreign Language Classroom Anxiety Scale (Horwitz et al. 1986), wurden jedoch für die Studie neu, nämlich positiv formuliert, d. h. stärkenorientiert statt defizitorientiert. Durch die stärkenorientierte Formulierung der Items sollte dem Eindruck entgegengewirkt werden, hohe Angstwerte entsprächen der Erwünschtheit. Die Erhebung lieferte Daten dazu, ob Sprechangst in der jugendlichen Probandengruppe vertreten war und in welcher Gewichtung. Außerdem konnten durch die Ermittlung des Angstlevels Extremgruppen innerhalb der Stichprobe identifiziert werden, was einen Extremgruppenvergleich der weiteren Daten ermöglichte, also jener Daten, die dann im weiteren Verlauf der Studie zur Evaluation der eingesetzten Strategie gewonnen wurden. In der Stichprobe schätzte sich etwa die Hälfte der Lernenden als (eher) entspannt / kaum ängstlich ein, die andere Hälfte aber als (eher) angespannt / ängstlich ein. Bei der Gegenüberstellung der Extremgruppen zeigte sich außerdem, dass der Anteil der sehr Ängstlichen mit 10,7 % über dem Anteil derer lag, die angaben, im Englischunterricht nicht ängstlich zu sein (8,9 %): Die Verteilung belegt zumindest für die untersuchte Gruppe, dass der Fremdsprachenunterricht aus Sicht der Jugendlichen mit Angst verbunden sein kann bzw. ist. Um eine Strategie zu identifizieren, die nach Möglichkeit das Sprechangstlevel herabsetzen kann, muss zunächst überlegt werden, was das Sprechen von anderen sprachlichen Tätigkeiten im Fremdsprachenunterricht unterscheidet und was es so besonders anfällig für Angst und Hemmungen macht. Herausragende Merkmale, die insbesondere das Sprechverhalten von Jugendlichen beeinflussen können, sind das Sich-Exponieren vor Gleichaltrigen ohne sichere Aussicht auf Belohnungserleben, ein mögliches Unwohlsein beim Gebrauch einer anderen Sprache, da Sprache und Identitätssuche besonders eng miteinander verbunden sind (vgl. 2.2) sowie die häufig geforderte Unmittelbarkeit der Reaktion. Während Lernende bei einer Schreibaufgabe die Möglichkeit haben, Ideen zu sammeln, über Formulierungen nachzudenken bzw. Quellen zur Klärung von Fragen zu nutzen, zwingt sie das Unterrichtsgespräch in der Regel zu einer raschen Reaktion. Abb. 13 Sprechangstlevel bei Heranwachsenden <?page no="88"?> 87 3.3 Emotionen Hohwiller hebt in seinem Buch 99 Tipps für Englisch (2014) gleich zu Beginn des Kapitels zum Sprechen die Relevanz von Bedenkzeiten hervor und macht Vorschläge, wie diese im Unterrichtsgespräch verankert werden können. Beispielsweise könne die Lehrkraft nach einer anspruchsvolleren Frage eine Bedenkzeit geben und diese aktiv einfordern, indem sie sich für kurze Zeit z. B. dem Klassenbucheintrag widmet und dann erst das Gespräch mit der Klasse eröffnet (vgl. Hohwiller 2014: 73). Dieser Hinweis fügt sich in den Kontext der in 3.3.2 dargestellten Überlegungen zur Ermöglichung von deep thinking und slow processing ein. Die in der Studie von Priewe Redondo eingesetzte Strategie sollte ebenfalls eine Bedenkzeit schaffen, außerdem das Sortieren von Gedanken und Suchen nach Formulierungen ermöglichen sowie darüber hinaus noch eine Art Probesprechen in Gang setzen, damit sich die Lernenden in der Zielsprache warmsprechen konnten. Eine Strategie, die, so die Ausgangshypothese, diesen Anforderungen gerecht werden könnte, ist die sogenannte Selbstverbalisation. In Hatties Meta-Analyse erreicht self-verbalization ( SV ) bzw. self-questioning eine beachtenswerte Effektstärke von d = 0.64 (vgl. Hattie 2009: 193). Sie wird als eine „form of self-regulation“ (Hattie 2009: 192) beschrieben, d. h. sie steht in Verbindung mit exekutiven Funktionen (vgl. 3.3.3), genauer, mit Inhibition und, je nach Art der Durchführung, auch mit Working Memory. SV rangiere „among the most effective strategies [im Bereich learning & cognitive mediation strategies]“ (Hattie 2009: 193) und habe sich auch als effektiv für „many students in special needs programs“ erwiesen (ebd.). 26 In der von Priewe Redondo durchgeführten Studie erhielten die Schülerinnen und Schüler eine Partneraufgabe: Sie sollten sich gegenseitig ein sogenanntes Wimmelbild, d. h. ein sehr detailreiches Bild, 27 beschreiben. Um einen echten Sprechanlass zu schaffen, wurde das Bild vorher in der Mitte gefaltet und die Schülerinnen und Schüler instruiert, dass sie auf keinen Fall „ihre“ Hälfte des Bildes der Partnerin oder dem Partner zeigen dürfen, denn sie / er soll, darin liege die Herausforderung, eine Skizze anfertigen, die die Informationen abbildet, die ihr / ihm gegeben werden. Nach dem ersten Durchgang mit Beschreiben und Skizzieren, wurden die Rollen getauscht und das gefaltete Wimmelbild so übergeben, dass der dann in der Rolle des Beschreibenden befindliche Lernende die zweite Hälfte des Bildes sehen konnte, dazu Informationen gab, „seine“ Hälfte des Bildes aber wiederum nicht zeigte. Am Ende wurde das Wimmelbild aufgeklappt und mit den Skizzen verglichen. Die Aufgabenstellung wurde von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern gut angenommen, sodass sich die eigentliche Intervention anschließen konnte. Diese bestand in einem zweiten Durchgang des oben geschilderten Vorgehens, allerdings wurde nun den Lernenden ihre Hälfte des Bildes vorab gegeben und sie wurden aufgefordert, das Beschreiben 26 Eine andere Strategie zur Reduktion von Angst, die in Studien teilweise gute Wirkungen zeigte, ist das Schreiben über die Angst unmittelbar vor einer Prüfung. Erforscht wurde dies u. a. von Ramirez / Beilock (2011), die Ergebnisse finden sich zusammengefasst bei Sambanis (2013: 37). 27 Als Beispiel für die Art des eingesetzten Bildmaterials sei auf die bekannte Kinderbuchreihe Where is Waldo? / Wo ist Walter? von Handford hingewiesen. Die vewendeten Wimmelbilder waren ähnlich detailreich, stellten jedoch Szenen an bekannten Plätzen des Wohnortes der Schülerinnen und Schüler dar. <?page no="89"?> 88 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale für die Partnerin oder den Partner durch eine Phase von SV , d. h. durch eine vor sich selbst hingesprochene Beschreibung, vorzubereiten. Um unerwünschte Lerneffekte zu minimieren, die die Wahrnehmung der Strategie durch die Schülerinnen und Schüler hätten verzerren können- - der zweite Durchgang hätte per se als leichter empfunden werden können wegen der zunehmenden Vertrautheit mit der Aufgabe und dem Bildmaterial, nicht unbedingt wegen der SV -Phase- -, wurde in diesem Durchgang ein anderes Wimmelbild verwendet, das aber in Stil und Detailreichtum dem ersten vergleichbar war. Außerdem wurde nach der SV -Phase eine Präzisierung der Aufgabenstellung vorgenommen: In der Partnerarbeit musste die jeweilige Hälfte des Bildes aus einer bestimmten Perspektive heraus, z. B. der eines Hundes im Vordergrund des Bildes, beschrieben werden. Der weitere Ablauf folgte dem oben beschriebenen Schema. Im Anschluss beurteilten die Schülerinnen und Schüler den Einsatz von SV durch einen Fragebogen. Die Ergebnisse der Erhebung zeugen trotz einer geringen anfänglichen Skepsis der Lernenden dem ungewohnten Probesprechen gegenüber von großer Akzeptanz und sogar Wertschätzung des Verfahrens. Über 41 % der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sprachen der SV -Phase sehr positive oder positive Wirkungen zu, weitere 42,9 % wählten die mittlere Kategorie. Auch die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler mit hohem Sprechangstlevel bewerteten die Strategie positiv, es gab in dieser Gruppe keine einzige Ablehnung des Verfahrens. Das gilt im Übrigen auch für die Gruppe der Lernenden mit niedrigem Angstlevel: Alle standen SV positiv gegenüber oder wählten schlechtestenfalls die neutrale Kategorie (vgl. Priewe Redondo 2014: X). Durch die Studie sollte nicht nur eine allgemeine Einschätzung der Heranwachsenden eingeholt werden, um ein Stimmungsbild zur Akzeptanz des Verfahrens erstellen zu können, sondern es sollte auch aufgeschlüsselt werden, in welcher Hinsicht die Lernenden SV im Hinblick auf das Sprechen als hilfreich empfanden oder auch nicht. Hierzu konnten folgende Erkenntnisse generiert werden: ▶ 44,6 % der Befragten gaben an, dass SV auf sie einen auflockernden, spannungsreduzierenden Effekt gehabt habe. Dem gegenüber stand eine deutlich kleinere Gruppe von 16,1 %, die angab, sich beim Vor-Sich-Hinsprechen eher unwohl gefühlt zu haben. Einige Schülerinnen und Schüler merkten an, sich durch das Murmeln der anderen gestört gefühlt zu haben, was durch organisatorische Maßnahmen, wie z. B. das Hinzuziehen des Flurs vor dem Klassenzimmer für die Murmelphase, abgefedert werden könnte. Manche gaben auch an, dass sie mit dem Verfahren noch vertrauter werden müssten, um das Monologisieren als völlig normal empfinden zu können. ▶ Etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler meldete rück, dass SV ihre Konzentration gesteigert habe, und fast 70 % empfanden die vorgeschaltete SV -Phase als eine (sehr) hilfreiche Vorbereitung der Sprechaufgabe, darunter wiederum die Mehrheit derer mit hohem Angstlevel (Priewe Redondo 2014: XII ). ▶ 67,9 % gaben an, dass sie durch das Probesprechen ihre Gedanken sortieren konnten, und 82,1 % sprachen der SV -Phase die Wirkung des sprachlichen Warmlaufens und Sich-Einfindens in die Fremdsprache zu. <?page no="90"?> 89 3.3 Emotionen ▶ Ob SV möglicherweise auch die Sprechbereitschaft erhöht hat, ist nicht klar beantwortbar. Etwa 50 % gaben an, sich durch SV zur sprechsprachlichen Beteiligung motiviert gefühlt zu haben, die andere Hälfte konnte dazu jedoch keine Angaben machen. Bei dieser Frage verteilten sich die Antworten der Lernenden mit hohem Angstlevel auf das gesamte mögliche Antwortspektrum, sodass auch für die Extremgruppe keine Aussage gemacht werden kann. Insgesamt ergab sich für den Einsatz von Selbstverbalisation ein positives Bild. Auch die beobachtende Lehrkraft und die Forscherin berichteten von einer hohen Akzeptanz durch die teilnehmenden Teenager, von einer entspannten Atmosphäre und von einem hohen Sprechanteil aller in der Klasse. Phasen von SV können, darauf lassen zumindest diese Beobachtungen und Erkenntnisse schließen, nicht nur im Hinblick auf eine mögliche Reduktion von Sprechangst, was laut Hattie (2009: 50) eine Effektstärke von d = 0.40 erreicht, sondern auch durch die Erhöhung der Redezeiten aller Lernenden den Fremdsprachenunterricht bereichern. Gerade bei Heranwachsenden, die sonst von sich aus oftmals eher wenig sprechen wollen, bieten sie eine wertvolle Gelegenheit zur Festigung von Wortschatz, zum Planen von Redebeiträgen, zum Training der Sprechmotorik (vgl. 3.2.3) usw. Das Monologisieren räumt den Lernenden außerdem jene Bedenkzeit ein, die z. B. von Hohwiller (2014) nachdrücklich gefordert wird. Eine weitere Studie im Rahmen einer Masterarbeit in der Didaktik des Englischen an der FU Berlin (Kühn 2018) untersuchte mögliche Wirkungen einer anderen Strategie, nämlich des Einsatzes von Virtual Reality (VR) als geschützten Raum. Die Ausgangsfrage lautete: Kann das Üben von Kommunikationssituationen in der virtuellen Realität (VR-Brille, Avatar) zum Abbau von Sprechangst beitragen? Bei den Teilnehmenden stieß die Möglichkeit, sprachliche Interaktionen in der virtuellen Realität zu üben, auf hohe Akzeptanz, was durchaus dafür spricht, diesen Ansatz weiter zu verfolgen, zu verbessern und empirisch eingehender zu erforschen. Die Studie von Kühn erbrachte Hinweise darauf, dass die Faktoren Dauer und Frequenz der VR-Exposition bedeutsam erscheinen. Dies entspräche bisherigen Erfahrungen, bei denen die Exposition in der virtuellen Realität therapeutisch, z. B. bei Arachnophobie, eingesetzt wird: Auch hier ist eine gewisse Dauer vonnöten, denn letztlich zielt das Unterfangen auf einen Umbau von Verbindungen im Gehirn (Netzwerke zu hinderlichen Angstreaktionen), was als Prozess zu betrachten ist. Bei Kühn zeigte sich dementsprechend nach einmaliger VR-Nutzung bei den stärker von Sprechangst betroffenen Probandinnen und Probanden kein wahrgenommener Effekt, Lernende mit niedrigem Angstlevel hingegen beurteilten bereits die kurze Intervention als reizvoll und hilfreich. 3.3.6 Zwischenfazit Zum Thema „Emotionen im Jugendalter“ ließe sich noch viel mehr sagen, z. B. könnte weiterführend auf Resilienz oder emotionale Störungen im Jugendalter eingegangen werden, aber das Kapitel musste sich auf einige wichtige Aspekte beschränken und diese einigermaßen kompakt darstellen. Dabei sollte dafür sensibilisiert werden, dass die Jugendphase einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtentwicklung leistet und als eine experience-expectant period zu <?page no="91"?> 90 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale betrachten ist, d. h. eine für viele Entwicklungen, auch die sprachliche, sensible Phase ganz eigener Art, die sich durch einen unbändigen Hunger nach Erfahrungen auszeichnet. Es wurde z. B. dargestellt, wie sich Veränderungen des Belohnungssystems auswirken und wie zugleich diese Veränderungen die Bedingungen dafür schaffen, dass neue Erfahrungen gesucht werden, durch die sich der junge Mensch weiterentwickeln kann. Mit der Umstrukturierung des Belohnungssystems gehen zwei recht ungleiche Phänomene einher, nämlich einerseits die Wagnisfreude und andererseits die Antriebslosigkeit von Teenagern. Beide sind zwar für Lehrkräfte und Bezugspersonen selten Quell besonderer Freude, was übrigens auch für Verhaltensäußerungen in anderen Entwicklungsphasen gilt-- man denke nur an die Trotzphasen im früheren Kindesalter--, aber es wurden Möglichkeiten angesprochen, um den Fremdsprachenunterricht so zu gestalten, dass die Heranwachsenden aus ihm Anregungen gewinnen, ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und sich sozial eingebunden fühlen können. Ausgewählte Literaturhinweise Fuhrmann, D. / Knoll, L. J. / Blakemore, S.-J. (2015). Adolescence as a Sensitive Period of Brain Development. In: Trends in Cognitive Sciences 19, 558-566. Salomo, D. / Mohr, I. (2016). DaF für Jugendliche. München: Klett-Langenscheidt (Reihe Deutsch Lehren Lernen, Band 10). Sambanis, M./ Walter, M. (2020): In Motion - Theaterimpulse zum Sprachenlernen. Von neuesten Befunden der Neurowissenschaft zu konkreten Unterrichtsimpulsen (Kap. 3: Teenager als Zielgruppe). Berlin: Cornelsen (2. Auflage). 3.4 Kognition Kognitive Fähigkeiten entwickeln sich rasant in der Pubertät (vgl. Kap. 1.2.2; Ziegler et al. 2018), sind jedoch noch nicht ausgereift, da die biologischen Voraussetzungen sich auch erst entwickeln. Kognition bezeichnet meist alle mentalen Vorgänge, durch die Menschen die auf sie einströmenden Eindrücke individuell verarbeiten. Dies geschieht in vielfältiger Hinsicht durch sogenannte kognitivierende Verfahren (vgl. Tönshoff 1992), z. B. durch ▶ Bewusstmachung, ▶ Wahrnehmen, ▶ Erkennen, ▶ Denken, ▶ Schlussfolgern, ▶ Urteilen, ▶ Erinnern, ▶ Wissen, ▶ Verstehen usw. Die hauptsächliche physische Repräsentanz von kognitiven Prozessen ist der präfrontale Kortex. Erst wenn die Voraussetzungen für die weitgehende Kontrolle aller oben genannten <?page no="92"?> 91 3.4 Kognition Fertigkeiten geschaffen sind (vgl. 1.2.2), kündigt sich das Ende der Adoleszenz an (vgl. Giedd 2006). Störungen kognitiver Potenziale von Jugendlichen sind oftmals früh erkenn- und diagnostizierbar. Gedächtnisstörungen, Denkstörungen, Unfähigkeit zu Abstraktionen und auch Rigidität, das nahezu krampfartige, langfristige Festhalten an einer Überzeugung, deuten auf mögliche Defizite in diesem Bereich und auf Interventionsbedarf hin. 3.4.1 Beginn der Selbststeuerung Die Prozesse können in unterrichtlichen Kontexten sowohl vom Lerner als auch von der Lehrkraft initiiert werden, orientieren sich aber fast ausschließlich am Lerner. Das „Lernen lernen“, die Anwendung von Lernstrategien, eine strategische Kompetenz also, wird mit der Zunahme der kognitiven Fähigkeiten ebenso zunehmend zu einer ganz zentralen Komponente des Fremdsprachenunterrichts (vgl. 3.3.3). Der Lerner steht im Mittelpunkt und muss seinen Lernprozess selbst in die Hand nehmen. Während der Pubertät ist dies aus vielerlei Gründen nicht einfach: Eingeschränktes Konzentrationsvermögen, eine allgemeine psychisch-physisch oft labile Verfassung und emotionale Schwankungen (vgl. 3.3.1) behindern eine stabile, kontrollierte Selbststeuerung. In kleinschrittigen Annäherungen an bewusstes, strategisches Sprachlernverhalten wird dazu auf dem aufgebaut, was im Primarbereich an operationalisierbaren, konkreten Lernstrategien, den Lern- und Arbeitstechniken, bereits erworben wurde. In der Regel sind dies zunächst (vgl. Böttger 2006): ▶ das Benutzen von (Bild-)Wörterbüchern als erste Technik der gezielten Informationsbeschaffung, ▶ basale Techniken des Nachschlagens, verbunden mit der zunehmenden Alphabetisierung, ▶ eine erste Einsicht in allgemeine Voraussetzungen für erfolgreiches Sprachenlernen, z. B. Motivation, ▶ das Memorieren bzw. Auswendiglernen geeigneter Texte, z. B. Dialoge, Gedichte, Lieder, Rollen, ▶ das Lernen in unterschiedlichen Sozialformen und erste Kooperationstechniken sowie ▶ das Erproben von Regeln der Gesprächsführung, z. B. einer angemessenen Anrede, erste Fragetechniken usw. Ein weit über den Primarbereich hinaus andauerndes, möglicherweise lebenslanges „Lernen lernen“ ab der fünften Klassenstufe, die in etwa auch den Beginn der Pubertät konnotiert, ist im Idealfall dadurch anzubahnen, dass Lernstile individuell erprobt werden, die in vielen unterschiedlichen Lernsituationen als erfolgreich oder wirksam erkannt werden-- von den Lernern selbst. Sie bilden ein Repertoire, das dann verlässlich ist und nachhaltig eingesetzt werden kann, wenn die im persönlich abgebildeten Lernstil enthaltenen strategischen Methoden zur Selbststeuerung als ebenso persönlich relevant erkannt werden. <?page no="93"?> 92 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Den Rahmen für eine erfolgreiche Selbststeuerung bilden metakognitive Strategien (vgl. Böttger 2010: 99), u. a. ▶ das Planen (planning) der Infrastruktur des eigenen Sprachenlernens wie Lernumgebung, Informationsmaterialen, Zeitmanagement sowie Selbstmotivation, ▶ das Steuern (monitoring) des eigenen Sprachlernprozesses durch Selbstkontrolle und Selbstkorrektur des eigenen Tuns sowie ▶ das Bewerten (evaluating) des eigenen Lernprozesses im Austausch mit anderen, durch Eintragungen in einen Blog oder Führen von Fehlerstatistiken. 3.4.2 Unterstützen der kognitiven Kontrolle Eine kleine Basis für einen konkreten, vor allem auf den Spracherwerb bezogenen Strategienfundus, der den Bedürfnissen und Potenzialen von pubertierenden Sprachenlernern nach Autonomie entspricht, soll hier vorgeschlagen werden. Dazu gehören z. B. ▶ der Einsatz von Organisationsformen für das außerschulische, insbesondere häusliche Lernen, ▶ das zunehmend selbständige Arbeiten mit allen Lernmaterialien und -medien, ▶ das Erlernen und Erweitern des individuellen Repertoires an effizienten Techniken der Informationsbeschaffung, ▶ das Erweitern der individuellen Erschließungstechniken beim Lesen und Hören, z. B. von Wortbedeutungen aus dem Kontext, ▶ die Vertiefung der Einsicht auch in sprachlich anspruchsvolle Kommunikationsprozesse, z. B. dem Interpretieren, in Sprachmittel wie Ironie sowie den Regeln der Gesprächsführung, sowie ▶ die Erweiterung der Kooperations- und Kollaborationstechniken. Die Entscheidungen zur Übernahme in den eigenen Lernstil durch den jugendlichen Lerner bedeuten wichtige Schritte auf dem Weg zur Lernerautonomie, in der selbstgesteuert und eigenverantwortlich der eigene Lernprozess geplant, gesteuert, durchgeführt und bestenfalls reflektiert bzw. evaluiert wird. Die Rollen der Lehrkräfte und Eltern dabei sind höchst sensible. Sie werden ernst genommen, wenn dieser Entscheidungsprozess, so wie alle anderen in dieser neuronalen Umbauzeit, demokratisch und beratend begleitet wird. Alle methodischen Entscheidungen im Sprachunterricht sind geeigneterweise für die Jugendlichen transparent und nachvollziehbar, um mit genügend Zeit zur Verarbeitung der strategischen Impulse zu individuellen Einsichten zu kommen. Die peergroup dient dabei anfangs noch als Orientierung, aber schon nach kurzer Zeit des Ausprobierens, Erspürens und Reflektierens können so ganz bewusst erste eigene Spuren eines eigenen Lernverhaltens gelegt werden. <?page no="94"?> 93 3.4 Kognition 3.4.3 Bewusstes Sprachenlernen organisieren Sprachenunterrichtliche Einsatzfelder kognitivierender Lehr- und Lernverfahren sowie eines gezielten Strategietrainings sind vielfältig (vgl. Sucharowski 1996). Sie lassen sich vorbereiten durch gezielte Planung hinsichtlich (vgl. Timm 1998) ▶ rich learning environment, ▶ comprehensible and comprehended input, ▶ comprehensible output, ▶ meaningful, cooperative, collaborative, and participative interaction. Der Fremdsprachenunterricht wird für die pubertierenden Jugendlichen dann ein bewusster Vorgang, wenn Lehrkräfte ihnen Einblick in ihre Auswahl an didaktischen und methodischen Verfahren geben. Insbesondere die Vorteile offener Unterrichtsabläufe, z. B. bei Freiarbeit, im Stationenlernen oder in projektorientierten Verfahren, werden für sie so deutlicher. Partner- oder Gruppenteams, vor allem auch bei Einsatz von interaktiven, neuen Medien, unterstützen einerseits die Eigenaktivität der Jugendlichen durch das Einbringen ihrer Stärken in eine gemeinsame Arbeit, andererseits den Teamgedanken und die damit verbundene Sozialkompetenz. In den „klassischen“ Unterrichtsbereichen, beispielsweise bei der Wortschatz- und Grammatikvermittlung, finden sich geeignete Ansätze für Kognitivierung. Bezüglich des Grammatikunterrichts beispielsweise kann Jugendlichen in der Pubertät der Zugang erleichtert werden, indem einerseits eine Einsicht in den Unterschied eines deduktiven oder induktiven Vorgehens vermittelt wird (vgl. Pagonis & Salomo 2014: 10ff.), gleichzeitig diese Vorgehen nach Möglichkeit zur Auswahl vorgehalten werden. Sie entwickeln so ein Selbstvertrauen in die eigenen impliziten Fertigkeiten, werden unabhängiger von ausschließlich expliziter Regelvermittlung. Im Literaturunterricht finden sich ebenfalls kognitivierende Aspekte, z. B. bei der Textsortenanalyse. Die notwendigen kognitiv-analytischen Zugänge werden durch spielerisch-kreative Verfahren balanciert. Ein roter Faden für die Planung von für Heranwachsende geeignete kognitivierende Unterrichtsverfahren bilden Aspekte der Schülerorientierung, der Lernerautonomie und des handlungsorientierten Unterrichts. Aufgabenorientiertes Fragen, Antworten, Mitteilen und Stellungbeziehen, Sprachhandeln und Spracherproben sind realistische und relevante Kommunikationsanlässe bzw. willkommene Gelegenheiten zu sagen, was ein Jugendlicher sagen möchte-- auf „seine“ Art und Weise. Künstlichkeit und zu starke Didaktisierung von sprachlichen Interaktionen wirken kontraproduktiv auf Jugendliche (vgl. 3.3.4). 3.4.4 Zwischenfazit Die kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen bezüglich des Sprachenlernens werden im aktuellen Bildungssystem vielfach fehleingeschätzt. Immer wieder wird erstaunt und überrascht festgestellt, wozu der Nachwuchs in der Lage ist, wie schnell und vor allem <?page no="95"?> 94 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale wie früh er neue Sprachen lernt. Die Voraussetzung ist immer die gleiche: Wird wie beim natürlichen Spracherwerb die eigene sprachliche Hypothesenbildung beispielsweise mit Blick auf grammatikalische Strukturen und Wortschatz mit anschließender Adaption an korrekte Muster gefördert, nicht zu viel schon aufbereitet vorgegeben und das natürliche Imitationspotenzial genützt, geschieht Sprachenlernen fast mühelos. In Zeiten der Pubertät potenziert sich diese früh angelegte Fähigkeit zur selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernprozessgestaltung. Gleichzeitig ist aber deren neurobiologische Grundlage noch labil und in der Entwicklung begriffen. Hier liegt der fremdsprachendidaktische Ansatzpunkt: Aufgabenformate, die einerseits Halt und Sicherheit bei der Bewältigung liefern und Erfolgserlebnisse generieren, andererseits die altersgerechte Entlassung in die sukzessive Selbstständigkeit des Selbstlernens bieten. Ausgewählte Literaturhinweise Böttger, H. (2013). Was Kinder wirklich können: ein Plädoyer für die Entfaltung kindlicher (Sprachen-) Potenziale. In: Grundschule Englisch 34, 44-46. Riemer, C. / Edmondson, W. J. (Hrsg.) (2000). Kognitive Aspekte des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen: Festschrift für Willis J. Edmondson zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr. Sucharowski, W. (1996). Sprache und Kognition: Neuere Perspektiven in der Sprachwissenschaft. WV -Studium Linguistik 167. Opladen: Westdeutscher Verlag. 3.5 Konzentration „Konzentrier dich doch! “, „Pass auf! “ Diese und ähnliche, oft verwendeten Aufforderungen von Bezugspersonen, nicht nur an pubertierende Jugendliche, sind höchstens kurzfristig wirksam. Professionell und sachlich bewertet, sind sie sogar pädagogische Bankrotterklärungen. Die biologischen Grundlagen vor allem in dieser Altersspanne unterstützen sie nicht. Ihr Inhaltsgehalt lässt sich nicht wirklich nachhaltig einfordern. Konzentration und Aufmerksamkeit sind wesentliche menschliche kognitive Funktionen mit teils starken Schwankungen. Sie können nicht durchgehend gehalten werden und lassen während der Ausführung gestellter Aufgaben nach bzw. können ebenso rasch wieder stark ansteigen. 3.5.1 Arten von Aufmerksamkeit Zwar werden Jugendliche mit den Ermahnungen als Warnreiz sofort und direkt aufmerksam, quasi wach. Wachheit und Aufmerksamkeit wiederum sind kognitive Aspekte. Ihre phasische Aktivierung hält zwar mit notwendigen weiteren Ermahnungen einen bestimmten Zustand der Reaktionsbereitschaft (Vigilanz, hier im Sinne von Wachheit) aufrecht, wird in der Regel jedoch schnell durch andere Einflüsse, z. B. störende Gedanken und Ablenkung, quasi überschrieben. Als Dauerimpuls werden die genannten Aufforderungen für beide Seiten anstrengend, Lehrkräfte wie jugendliche Lerner. <?page no="96"?> 95 3.5 Konzentration Sinneseindrücke aus dem näheren und weiteren Umfeld halten permanent neue Informationen, wie z. B. Geräusche oder Gerüche, bereit, die plötzlich ins vorher anders ausgerichtete Bewusstsein gelangen und zu einer Verschiebung der Konzentrationspräferenz führen können. Mit ihr sind dann Interesse, Konzentration und Aufmerksamkeit neu ausgerichtet. Sich schnell ablenken zu lassen, wird nicht selten als Prädikator in die Wortgutachten diverser Zeugnisse geschrieben, in Unkenntnis darüber, dass es sich nicht um eine bewusste, steuerbare Haltung in einer bestimmten physisch-psychischen Entwicklungsphase handelt. Die vielen, nahezu sekündlich wechselnden Informationen, die nicht nur Jugendliche wahrnehmen, können unmöglich alle sofort und parallel verarbeitet werden (vgl. 3.1.6). Was situativ und im Kontext relevant ist oder zumindest vom Gehirn als prioritär behandelt wird, wird zuerst selektiv und gerichtet verarbeitet. Verschiebt sich diese Relevanz kurzfristig, und das ist wesentlich bei Jugendlichen in der Pubertät aufgrund der noch nicht abgeschlossenen kognitiven Hirnfunktionen der Fall, entsteht der äußere Eindruck von Unkonzentriertheit und flatterhafter Aufmerksamkeit (vgl. 3.3.3). 3.5.2 Neurobiologische Aspekte der Aufmerksamkeit Das vordere Hirnareal, der präfrontale Kortex, dem kognitive wie exekutive Funktionen zugeschrieben werden (vgl. Böttger 2016: 46; Buschman / Miller 2007, vgl. 3.1.1, 3.1.4 und 3.1.6), ist einfach aus hormonellen Gründen noch nicht in der Lage, solche und ähnliche extrinsische Motivatoren länger umzusetzen. Dabei sind Genderunterschiede zu Ungunsten von Jungen festzustellen (vgl. Böttger 2016: 97). Der Ablauf erscheint mittlerweile klar: Wenn etwas Neues über die Sinne aufgenommen und von bestimmten Hirnzentren im Hirnstamm als wichtig eingestuft wird, geben sie dem Kortex ein Signal zur Verarbeitung. Dies geschieht unbewusst, implizit. Die scheinbar langen Wege von den Arealen im Hirnstamm bis in die Kortexbereiche werden mithilfe von Axonen durch systematische Projektionen und Verschaltungen gewährleistet. Die Systeme werden von den Transmittern Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin und Serotonin benutzt. Es entstehen neue Neuronennetze- - und bewusste Aufmerksamkeit. Geschieht dies mit genau dem gleichen Sinnesimpuls mehrfach, entsteht Lernen durch Habituation (vgl. Böttger 2016: 163). Die erlernten Vorgänge kosten nun weniger Energie, bedürfen nicht mehr der gezielten Steuerung und sind implizit verfügbar. Für Aufgaben, die schon oft bearbeitet worden sind, baut das Gehirn also passende Aktivierungsmuster auf. Solche Aufgaben können dann mit einem geringeren Maß an Aufmerksamkeit bearbeitet werden. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Vigilanz als dem Maß an Wachheit, der Aufmerksamkeit und dem sogenannten bewussten Zugang, der in weiteren Verarbeitungsschritten unter Beteiligung frontaler Hirnregionen besteht. Die Aufmerksamkeit ist sozusagen das Tor zur weiteren Verarbeitung und zur Bewusstwerdung, aber auch Reize, die nicht bewusst wahrgenommen werden, können das Gehirn aktivieren und dann z. B. im Unterricht die Lernenden ablenken. Ebenso gilt, dass nicht alles, worauf die Aufmerksamkeit ausgerichtet wird, auch tatsächlich weiter verarbeitet und dauerhaft gespeichert wird. Bei flüchtiger Aufmerksamkeitszuwendung ist die Behaltenswahrscheinlichkeit <?page no="97"?> 96 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale in der Regel geringer. Führt die Zuwendung der Aufmerksamkeit jedoch zu einer vertieften Auseinandersetzung unter Beteiligung frontaler Regionen, ist die Behaltenswahrscheinlichkeit höher und der Grad an Bewusstwerdung und Verfügbarkeit über die Inhalte größer. Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit ist selektiv, d. h. sie fokussiert etwas und blendet zugleich anderes aus (vgl. 3.1.4). 3.5.3 Potenziale Jedoch führt die Entwicklung der selektiven und gerichteten Aufmerksamkeit letztlich dazu, sich auf eine Sache konzentrieren und dabei gedanklich irrelevante Informationen identifizieren zu können. Anders wäre Wahrnehmung nicht möglich, es käme zwangsläufig zu einer Informationsüberflutung. Neurobiologisch betrachtet ist das Spannungsfeld von neuronaler Erregung und neuronaler Hemmung maßgebend: Selektive Hirnprozesse vollziehen sich in ihm, insbesondere durch temporäre Hemmung nicht relevanter Bereiche. Die Entwicklung lässt sich unterstützen: Werden beispielsweise relevante Rechercheaufgaben als Aufgabenformat ausgegeben, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die möglichen Quellen, andere Einflüsse von außen lassen sich dann zunehmend gut ausblenden, die Jugendlichen achten auf nichts anderes um sie herum. Für die Aufgabenorientierung beim Sprachenlernen bedeutet dies, dass sich diese am Grad der neuronalen Reife orientieren muss (vgl. Böttger 2016: 87). Die Kapazität des in Konzentrationsleistungen involvierten Arbeitsgedächtnisses lässt sich parallel zur natürlichen Entwicklung während der Pubertät durch den Aspekt der „Anstrengungsbereitschaft“, eine Haltungsprädisposition, verbessern. Auch hier wirken relevante, interessante Unterrichtsinhalte unterstützend. Aufmerksamkeitsressourcen teilen zu müssen, ist sehr oft in täglichen Abläufen notwendig, wenngleich nicht geklärt ist, ob die Gehirnkapazitäten ebenfalls geteilt werden. Für viele Jugendliche in der Pubertät ist es- - der Synaptogenese und dem Pruning geschuldet (vgl. Kap. 1)- - zwar möglich, unterschwellig Musik zu hören und gleichzeitig Hausaufgaben zu erledigen (vgl. Kap. 3.1), dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Multitasking. 3.5.4 Aufmerksamkeitsstörungen Die Diagnose zwischen normaler Entwicklung mit den entsprechenden ebenso normalen kurzen Konzentrationsspannen und klinischen Aufmerksamkeitsstörungen, wie beispielsweise ADHS , fällt in der Pubertät schwer. Sie kann neurologisch bedingt und erblich sein oder wird / wurde vom Umfeld beeinflusst. Genderspezifisch unterschiedlich prägt sie sich ebenfalls aus, mit leichten Nachteilen wiederum für das männliche Geschlecht. In jedem Fall muss eine Diagnose bei Verdacht von medizinischen Fachleuten, wie z. B. Psychologen, gestellt werden. Konzentrationsstörungen liegen nicht vor oder unterliegen einer Fehleinschätzung, wenn aus den möglichen Konzentrationsspannen auf sie geschlossen wird. Solche normalen Zeiträume von Konzentration sind, um einen groben Anhaltspunkt zu nennen, erfahrungsgemäß die folgenden (vgl. Wöstmann 2015: 1458 ff.): <?page no="98"?> 97 3.5 Konzentration 10 Jahre: ca. 20 Minuten, 12 Jahre: ca. 20 Minuten, 14 Jahre: ca. 30 Minuten. Diese Erfahrungswerte stehen konträr zur Strukturierung von Unterricht in 45-Minuten-Einheiten. Genau genommen unterliegt die unterrichtliche Organisation, wie bereits in Kap. 1.4 festgestellt, einer Mischung aus Unkenntnis, Fehleinschätzung und willkürlicher Festlegung der „Arbeitszeiten“ trotz altersspezifischer Erkenntnis der Kognitions-, Neuro- und Erziehungswissenschaften. Solche Vorgaben geschehen bedauerlicherweise aber auch als disziplinarische Maßnahme aus Unzufriedenheit der Bezugspersonen mit schulischen Leistungen der Pubertierenden oder falscher Erwartungshaltungen. Von pauschalen Diagnosen bezüglich des Zeitbedarfs beim englischsprachigen Kompetenzaufbau muss hinsichtlich der individuellen Entwicklungsschwankungen, Interessenlagen und sozialen Einflüsse dringend abgeraten werden. Gerade für mutterwie fremdsprachlichen Unterricht sind bei Zeitdruck und -not verheerende negative und langfristig prägende Beeinträchtigungen des (Sprach-)Selbstbewusstseins zu befürchten, die sich wiederum dauerhaft auf berufsfeldspezifische Kompetenzen auswirken können. Wer dann später bezüglich der sprachlichen Performanz Defizite aufweist, beispielsweise bei Präsentationen oder Dialogen bzw. beruflichen Gesprächen, da im entscheidendem Alter von zwölf bis 18 Jahren eine individuelle Förderung ausgeblieben ist, wird zukünftig keinen oder nur erschwerten Zugang zu davon abhängigen Berufsfeldern erhalten. 3.5.5 Didaktische Interventionsmöglichkeiten Ebenso individuell wie die Entwicklung von Konzentration muss auch deren Förderung ausgelegt sein: ▶ Positive Verstärkungen auch kleiner individueller Lernerfolge, ▶ Berücksichtigung der schwankenden emotionalen Prädisposition, ▶ ggf. Ignorieren kleinerer Störungen oder Unmutsäußerungen bei auftauchenden Schwierigkeiten bzw. vorher gemeinsam vereinbartes nonverbales ruhiges Reagieren sowie ▶ individuelle Arbeitsaufgaben ohne Gefahr von Überforderung helfen u. a. präventiv und begleitend Konzentrationsspannen zu generieren und temporär aufrecht zu erhalten. Neben den in Kap. 3.5.2 bereits genannten Voraussetzungen sind einige wenige weitere Möglichkeiten des Erlernens und Einübens bzw. der Erweiterung von Konzentrationsspannen im Sprachunterricht möglich. Hier zwei ausgewählte Beispiele: 1. Gamification (vgl. Kap. 5.1) mit konzentrationsfördernden Sprachspielen oder spielerischen Übungen steigert Aufnahmebereitschaft, Selbstwertgefühl und soziale Kompetenzen. Die Spielumgebung ist dann günstigstenfalls eine über den Spielkontext hinaus reizarme. <?page no="99"?> 98 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 2. Vorlesen spielt eine wichtige Rolle sowohl beim Aufbau der Fertigkeit „Hörverstehen“, zusätzlich jedoch ebenso bei der Entwicklung von Konzentrationsfähigkeit. Genaues Zu- und Hinhören wird trainiert, wenn relevante Texte vorgelesen und gehört werden können, immer wieder auch einmal nur durch die ruhige Stimme des / der Vorlesenden getragen. Storytelling endet also nicht mit der Grundschulzeit, sondern besitzt auch darüber hinaus konzentrationsförderndes und den Wortschatz erweiterndes Potenzial. Nur die Inhalte sowie die Länge der vorgelesenen Texte verändern sich. Im Zusammenhang mit dem veränderten Schlafverhalten (vgl. 1.4) kann das Vorlesen ein geeigneter rezeptiver Einstieg in den sprachlich in der Regel herausfordernden Schulalltag eines pubertierenden Jugendlichen sein, der erst lange nach Unterrichtsbeginn seinen produktiven Leistungshöhepunkt erreichen kann. Im Übrigen bildet ein solcher Einstieg in den Schultag ein Ritual, das Verlässlichkeit und Geborgenheit vermittelt und die Vorstellungskraft der Lernenden, also ihre Kreativität, anregt. 3.5.6 Zwischenfazit Konzentration und Aufmerksamkeit sind keine genetischen Prädispositionen, sondern kognitive Aspekte (vgl. 3.4). Die Vielzahl an Sinneseindrücken, die auf jugendliche Sprachenlerner einströmen und sie ablenken können, selektiv und bewusst aufzunehmen, zu steuern, welche relevant sind und welche nicht, ist eine große Herausforderung an sie. Dies gelingt mit zunehmender Entwicklung des präfrontalen Kortex ebenso zunehmend besser, muss aber unterstützt werden. Die Vorauswahl von Material, Inhalten und Aufgabenformaten beispielsweise hilft, gezielt explizite und implizite Lernprozesse zu initiieren. Dies wiederum ist eine anspruchsvolle fremdsprachendidaktische Kompetenz, die genaue Kenntnisse von altersgerechtem Sprachenlernen und Gedächtnis erfordert, die Lernerindividualität berücksichtigt und Konzentrationsstrategien kennt (vgl. 5.6). Ausgewählte Literaturhinweise Jha, A. P. / Krompinger, J. / Baime, M. J. (2007). Mindfulness Training Modifies Subsystems of Attention. In: Cognitive, Affective & Behavioral Neuroscience 7 / 2, 109-19. Schumacher, R. / Stern, E. (2007). Lerne lieber unbewusst. In: Gehirn-& Geist Dossier: Konzentration und Gedächtnis, 30-34. Spitzer, M. (2006). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. München: Spektrum Akademischer Verlag. 3.6 Kreativität Die meisten Studien zur Entwicklung von Kreativität fokussieren die frühere Kindheit und das Grundschulalter, manche nehmen die Altersgruppe bis einschließlich Klasse 6 in den Blick, einige weitere gehen darüber hinaus und ermöglichen es, den Entwicklungsverlauf auch für das Jugendalter zu skizzieren. Dabei wird Kreativität in der Regel als multifaktoriell <?page no="100"?> 99 3.6 Kreativität angesehen. Als Komponenten werden „fluency, flexibility, and originality“ (Claxton et al. 2005: 327) betrachtet. Diese gelten auch als Basiskomponenten von divergentem Denken, das sich durch das Hervorbringen unterschiedlicher Lösungen, verschiedener Ideen, Interpretationen oder Erklärungsmodelle auszeichnet. Auf divergentes Denken konzentriert sich die Erforschung der Kreativitätsentwicklung schon seit einiger Zeit, wobei „levels of divergent thinking“ (Puryear 2015: 334) oder die Qualität und Vielfalt kreativer Produkte ermittelt werden. Seit einigen Jahren findet auch die Frage, „how motivation and personality affect the development of creativity“ (Claxton et al. 2005: 327) Berücksichtigung. Darüber hinaus gibt es Studien, die den Zusammenhang von Intelligenz und Kreativität untersuchen (vgl. hierzu die Meta-Analyse von Kim 2008). 28 Verschiedene Studien, z. B. die von Torrance (1968), die Daten zur Entwicklung des divergenten Denkens generieren, liefern Hinweise auf einen gewissen Rückgang um das Einschulungsalter herum und einen weiteren Einbruch im Laufe der vierten Klasse: „The phenomenon became known as the fourth-grade slump“ (Claxton et al. 2005: 328). Der Rückgang von divergentem Denken, als Indikator für Kreativität, wird im Alter von sechs Jahren in Verbindung gebracht mit dem Eintritt des Kindes in die Welt des institutionalisierten Lernens, mit Anpassungs- und Assimilationsprozessen, mit der bis zu einem gewissen Grad geforderten Konformität des Kindes. Dieser Befund lässt sich plausibel erklären; ob er auch wünschenswert ist und ggf. bis zu welchem Ausmaß, müsste an anderer Stelle diskutiert werden. Für das Thema „Pubertät und Jugendliche“ ist eine andere, insgesamt betrachtet deutlich erfreulichere Erkenntnis wichtiger, nämlich die, dass die Kreativitätsentwicklung sich nach dem fourth-grade slump wieder stabilisiert, mit zwölf nochmals leicht zurückgeht, es dann aber zu einer recht steten Weiterentwicklung kommt: „After age 12, a gradual but steady rise in creativity occurred through the rest of adoslescence until a second peak was reached around 16 years of age.“ (Claxton et al. 2005: 328). Im Rahmen der Longitudinalstudie von Claxton et al. wurden bei einer Kohorte in der vierten, sechsten und neunten Klasse Daten zum divergenten Denken und zum divergenten Fühlen erhoben, „the affective-feeling behavioral components of creativity“ (2005: 330). 29 Zu divergentem Fühlen zählen vor allem Neugier, Vorstellungskraft und Risikobereitschaft (vgl. 3.3.4). Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass sich zwischen Klasse 4 und 9 insgesamt keine signifikanten Veränderungen des divergenten Denkens zeigten. Gemessen wurde u. a. die Flexibilität, Originalität und Elaboriertheit: „The only significant changes found in divergent thinking were a decrease in Originality scores between the fourth and sixth grades“ (Claxton et al. 2005: 332), also kurz vor bzw. beim Einsetzen der Pubertät sowie „an increase in Elaboration scores between the sixth and the ninth grades“ (ebd.). 28 In einigen Arbeiten zur Kreativitätsforschung zeichnet sich ein neuer Trend ab, nämlich der, auch die Metakognition als Moderatorvariable, also sozusagen als Vermittlerin zwischen kreativen Einfällen und kreativem Produkt, zu erforschen (vgl. Puryear 2015: 335-337). 29 Zur Ermittlung von Divergent Thinking wurde ein Test verwendet, bei dem die Probandinnen und Probanden innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zwölf unfertige Bilder ergänzen mussten. Für Divergent Feeling wurde, basierend auf 50 Items, ein Score ermittelt (vgl. Claxton et al. 2005: 330). <?page no="101"?> 100 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Ein deutlicheres Bild ergibt sich beim divergenten Fühlen. Die Werte stiegen hier bei allen gemessenen Faktoren signifikant an und zwar am meisten zwischen der sechsten und der neunten Klasse. Teenager dieser Altersgruppe zeichnen sich also nachweislich durch eine Zunahme ihrer Neugier, der Vorstellungskraft und, wie an anderer Stelle schon ausgeführt (vgl. 3.3.4), auch der Risikobereitschaft aus, außerdem nimmt ihre Fähigkeit zum abstrakten Denken zu (vgl. Claxton 2005: 334) und damit auch die Komplexität ihres Denkens sowie des Fühlens. Diese Entwicklungen gehen einher bzw. ermöglichen die stete Zunahme des divergenten Denkens sowie der Kreativitätsentwicklung insgesamt, die mit dem zweiten peak etwa im Alter von 14 Jahren einsetzt (vgl. Sambanis/ Walter 2020). Es liegen also Nachweise dafür vor, dass, entgegen mancher Annahmen und möglicher Eindrücke, Teenager ein hohes kreatives Potenzial besitzen, das angesprochen werden sollte. An dieser Stelle drängt sich unweigerlich die Frage auf, wie Kreativität allgemein bzw. im Besonderen Creative Thinking im Sinne von „exploring ideas, generating possibilities, looking for many-[…] answers rather than just one, and sharing“ (Papalazarou 2015: 37) im Fremdsprachenunterricht bei Jugendlichen berücksichtigt und gefördert werden kann. Ein direktes Überleiten zu konkreten Vorschlägen verbietet sich allerdings, denn vorgefertigte Rezepte erwecken vielfach den Eindruck, dass das Generieren eigener Ideen nicht mehr notwendig wäre und sie hemmen somit oftmals die eigene Kreativität. Dies ist jedoch gerade nicht intendiert und würde die gesamte Thematisierung des Kreativitätsaspektes an dieser Stelle ad absurdum führen. Um das Thema dennoch fassbar zu machen und die eigene Ideenbildung anzuregen, wird im Folgenden, inspiriert durch einen Beitrag von Nickerson (2010), zunächst ein Gedankenexperiment unternommen. Es geht der Frage nach, welche Maßnahmen im Unterricht ergriffen werden müssten, um divergentes Denken zu unterbinden, bevor schließlich exemplarisch einige grundlegende Impulse vorgestellt werden, die durch die Hinweise in Kapitel 5 ergänzt werden. 3.6.1 Kreativität unterbinden-- ein Gedankenexperiment Kaum eine Lehrkraft wird wohl von ihrem Unterricht behaupten müssen, dass er darauf ausgerichtet sei, Kreativität bewusst zu unterbinden, aber bei genauer Betrachtung und ehrlicher Beurteilung zeigen sich Verhaltensweisen und Routinen, die sich eingeschlichen haben und die Kreativität eher hindern als fördern-- insbesondere bei der Arbeit mit Jugendlichen. Um diesen mehr oder weniger augenfälligen Störfaktoren auf die Spur kommen und sie im Unterricht nach Möglichkeit durch Handlungsalternativen ersetzen zu können, werden die wichtigsten Störfaktoren im Folgenden in Form von Rezepten zum Verhindern von Kreativität benannt (vgl. Nickerson 2010: 1 ff.): 30 ▶ Pochen Sie darauf, dass es auf jede Frage immer nur eine korrekte Antwort gibt. ▶ Desgleichen existiert stets auch nur eine einzige richtige Interpretation von Texten. 30 Es sei nochmals hervorgehoben, dass sich die nachfolgende Liste gerade nicht als Empfehlung zur Umsetzung im Unterricht versteht, sondern vielmehr als Denkanstoß. <?page no="102"?> 101 3.6 Kreativität ▶ Affirmieren Sie die Vorstellung, dass nur sprachlich und inhaltlich korrekte Äußerungen in Ihrem Unterricht akzeptabel erscheinen. Eine gewisse Angst vor Fehlern, vor Gesichtsverlust und vor der Lehrkraft hebt die Qualität der Beiträge. ▶ Ziehen Sie spontane, weniger passende oder unüberlegte Beiträge und -handlungen sofort und konsequent ins Lächerliche. ▶ Die Autorität der Lehrkraft ist unerschütterlich. Sie haben die Phase des Lernens erfolgreich durchlebt und abgeschlossen. Ein „I don’t know / Excellent question, I’ll look it up.“ käme Ihnen nie über die Lippen. Sie sind nicht länger Lernende(r). ▶ Weichen Sie niemals von der Stundenplanung ab, schließlich haben Sie sich im Vorfeld Gedanken gemacht und müssen den Stoff / die Unit durchbekommen. ▶ Bestärken Sie die Lernenden in dem Glauben, dass alles, was in einem Buch abgedruckt ist, wahr und korrekt sein muss. ▶ Verbreiten Sie die Überzeugung, dass nur wenige Schülerinnen und Schüler Geistesgröße besitzen. Nur einige, behaupten Sie, seien in der Lage, eigenständige Ideen zu bilden und kreativ zu denken. Der großen Mehrheit sei wenig bis keine Originalität des Denkens in die Wiege gelegt worden, was der Grund dafür sei, dass ihre Beiträge den Unterricht eher aufhalten als voranbringen. ▶ Festigen Sie die Vorstellung, dass Intelligenz und Begabung ausschlaggebende Ausstattungsmerkmale seien, denen nichts entgegengesetzt werden könne: Wenn jemand für Fremdsprachen begabt ist, müsse sie oder er keine besonderen Anstrengungen erbringen, um erfolgreich und sprachlich kreativ sein zu können. Mangelt es jemandem aber an diesen angeborenen Ausstattungsmerkmalen, so helfen auch Einsatzbereitschaft und harte Arbeit wenig: „any effort to be creative in that domain will be futile“ (Nickerson 2010: 3). ▶ Kommunizieren Sie Ihren Schülerinnen und Schülern ganz klar, dass Lernen und Freude als Gegensatzpaare zu verstehen seien: „one cannot expect to enjoy the effort of trying to accomplish something“ (Nickerson 2010: 4). ▶ Vergessen Sie niemals, dass der Enthusiasmus der Lehrkraft ansteckend wirkt (vgl. 3.3.1), die Lernenden mitreißen, aktivieren und zum Nachdenken und Einbringen kreativer Ideen verleiten kann. Eine effektive Kreativitätsvermeidungsstrategie lässt sich daher trefflich in Form einer Warnung formulieren: „It is risky to show enthusiasm or excitement about anything! “ (ebd.) Die Auflistung ließe sich fortführen, aber sie soll an dieser Stelle nicht ausgedehnt werden, sondern als Impuls zum Weiterdenken und als Beispiel für eine kreative Technik zugleich dienen. Sie folgt der sogenannten Umkehrmethode, bei der eine zu beantwortende Frage, im vorliegenden Fall die, wie die Kreativität jugendlicher Fremdsprachenlerner im Unterricht berücksichtigt und gefördert werden kann, ins Gegenteil verkehrt wird. Diese Herangehensweise nutzt die Neigung, bei der Betrachtung eines Problems zunächst vor allem das Hindernde zu sehen, als Zugang zu Lösungen, Optimierungsvorschlägen und Ideengenerierung. Die Umkehrmethode, die auch als kreative Moderationstechnik bekannt ist und vor allem dann fruchtbar sein kann, wenn das Sammeln von Vorschlägen stagniert, zu einseitig verläuft oder <?page no="103"?> 102 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale wenn Ideen sofort im Keim erstickt werden (Ja, aber…), erlaubt es, zunächst negative Aspekte, Hindernisse oder mögliche Schwierigkeiten zu benennen, ihnen damit in kanalisierter Form Raum zu geben und sie dann in einem zweiten Schritt lösungsorientiert anzugehen. Da bei der Betrachtung von Problemen das Finden von Hinderungsgründen oftmals eine Art erster Reflex darstellt, kann es befreiend wirken, mit einer Herangehensweise wie der Umkehrmethode an genau dieser Stelle anzusetzen, anstatt Bedenken und mögliche Schwierigkeiten ganz schnell im Rausch der bunten Praxisimpulse ersticken zu wollen, um dann zu erleben, dass die Bedenken, da sie keinen Raum gefunden haben, das Generieren von echten Lösungsstrategien behindern. Den Ausgangspunkt der Umkehrmethode bildet eine präzise Ausgangsfrage, die dann negativ formuliert wird und oftmals wie eine Provokation wirkt. Im Fremdsprachenunterricht kann die Umkehrmethode, die durch einen Bildimpuls symbolisiert (siehe Abb. 14) und ins Methodenrepertoire aufgenommen werden kann, bei unterschiedlichen Anlässen genutzt werden, z. B. als Diskussionsimpuls für aktuelle Themen, als Anstoß zur Perspektivübernahme oder auch zur Bewusstmachung von Qualitätskriterien beispielsweise für mündliche Präsentationen. Gerade für Jugendliche kann das Umkehren eine überraschende und damit reizvolle Herangehensweise sein: Anstatt zu fragen, nach welchen Kriterien eine mündliche Präsentation beurteilt und Feedback gegeben werden sollte (vgl. 4.3.2), wird die Frage negativ formuliert sowie gegebenenfalls in Teilfragen ausdifferenziert: Wann ist eine Präsentation für dich schlecht? Was findest du bei Referaten unerträglich? Wann bist du gelangweilt und kannst nicht mehr zuhören? Was zeichnet schlechte Folien und andere Materialien aus? Was darf die / der Vortragende auf keinen Fall tun? Wie sollte sie / er nicht sprechen? Usw. Es kann auch mit einem Satzanfang gearbeitet werden, der von den Lernenden ergänzt wird (Ich mag es überhaupt nicht, wenn bei Präsentationen-…). Heranwachsende Schülerinnen und Schüler verfügen in der Regel über einige Erfahrung mit Vorträgen und Präsentationen, die sie nicht begeistert haben. Außerdem können sie erfahrungsgemäß recht genau sagen, was ihnen missfallen hat. Die Umkehrmethode ermöglicht ein Anknüpfen an die Vorerfahrungen, nutzt die Expertise der Lernenden und öffnet einen geschützten Raum, in dem benannt werden darf bzw. sogar soll, was nicht gefällt-- natürlich ohne jegliche namentliche Bezugnahme (vorab als Gesprächsregel festlegen, dass keine Per- Abb. 14 Impulskarte Umkehrmethode <?page no="104"?> 103 3.6 Kreativität sonen genannt werden, sondern vielmehr die Erfahrung der gesamten bisherigen Schulzeit und sonstige Vortragserfahrungen einbezogen werden sollen). In einem zweiten Schritt werden die durch Einsatz der kreativen Moderationstechnik gesammelten Stolpersteine auf das überschaubare Format von drei goldenen Regeln verdichtet, die, dann positiv formuliert, eine Richtlinie bilden, wie mündliche Präsentationen gestaltet sein sollten, damit sie die Zielgruppe erreichen und dem Gegenstand angemessen sind. 31 3.6.2 Kreativität in Gefahr? Mit der Umkehrmethode wurde bereits ein vielfach einsetzbares Vorgehen vorgestellt, das Heranwachsende dazu anregen kann, Ideen zu generieren und diese einzubringen. In Anknüpfung an das Gedankenexperiment (vgl. 3.6.1) zur Verhinderung von Kreativität und in Anbetracht der Tatsache, dass Kreativität als Schlüsselkompetenz der Zukunft und zugleich, wie gezeigt, als besonderes Potenzial der Entwicklung in der Jugendzeit betrachtet werden kann, stimmen manche Reformen der letzten Jahre nachdenklich: […] current reform initiatives focus much more on accelerating measurable individual progress in discrete areas of language learning than on fostering mental agility, communicative flexibility, resourceful spontaneity and a commitment to lifelong foreign language learning.- […] reducing education to competency-based instruction and the demonstration of knowledge and skills in centralised performance tests may eventually have some undesirable backwash effects. (Kurtz 2015: 74) Mit der Erwähnung von backwash effects warnt Kurtz zu Recht vor wachsendem Leistungsdruck und möglicherweise zunehmenden Versagensängsten sowie vor einem Verkümmern oder, damit schließt sich der Kreis zum Gedankenexperiment, eigentlich nicht intendierten curricularen Unterbinden von Kreativität (creaticide by design, ebd.). Auch Zierer gibt, in anderem Kontext zwar, nämlich im Zuge der Herausarbeitung von Kernbotschaften aus Hatties Publikationen (2009 und 2012), zu bedenken, dass manche aktuelle Entwicklungen, insbesondere die „Vielzahl an Tests, die derzeit das deutsche Bildungssystem kennzeichnen, kritisch zu sehen“ (Zierer 2015: 48, vgl. Kurtz 2015: 74) seien, da sie den Lernerfolg häufig nicht positiv beeinflussten. Wichtiger sei es, „die Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus der Lernenden mit ihrer Selbstwirksamkeitsüberzeugung in Einklang zu bringen“ (ebd.), denn diese stimmen oft nicht überein. Die Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus ist unter allen identifizierten Einflussfaktoren auf schulisches Lernen (insgesamt 150 in Hatties Visible Learning und Visible Learning for Teachers zusammen) der Faktor mit der höchsten Effektstärke, nämlich d = 1.44. 32 31 Das Verfahren wurde und wird in der Didaktik des Englischen an der FU Berlin in einigen Kursen, besonders im Bachelorstudium, zu Beginn des Semesters eingesetzt, um die Studierenden, bevor sie mit Experteninputs zur Seminargestaltung beitragen, aktiv an der Herausarbeitung und Bewusstmachung von Qualitätsmerkmalen zu beteiligen bzw. ihre Vorstellungen einzuholen. 32 Es sei daran erinnert, dass der Schwellenwert, an dem Effekte wirklich bedeutend werden (Schwelle von medium effects zu high effects) beim Duchschnitt aller von Hattie (2009) errechneten Effektstärken <?page no="105"?> 104 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 3.6.3 Academic confidence Die Einschätzung des eigenen Leistungsniveaus, in der englischsprachigen Fachliteratur auch als perceived competencies bezeichnet, also wie gut eine Schülerin oder ein Schüler glaubt, z. B. in Englisch zu sein bzw. sein zu können, verändert sich im Jugendalter. Während jüngere Kinder eher glauben, fast alles gut zu können, grenzen Heranwachsende in der Regel bestimmte Domänen aus, für andere bestätigen sie für sich selbst ihre Leistungsfähigkeit. Dabei stimmen Realität und Wahrnehmung, wie oben schon erwähnt, nicht immer überein. Hattie / Yates (2014: 218) weisen in diesem Zusammenhang auf den sogenannten inflation effect hin, der die Tendenz zur Selbstüberschätzung bezeichnet, die sich besonders dann manifestieren kann, wenn keine oder zu wenig ehrliche Rückmeldung erfolgt: „We have natural tendencies to see ourselves as better than others will rate us” (ebd.). Im akademischen Kontext zeigen übrigens Jungen oftmals mehr academic confidence als Mädchen. Nicht selten besitzen sie sogar overconfidence- - mehr Zutrauen als tatsächlich gerechtfertigt (vgl. Hattie / Yates 2014: 215). Jungen sind eher bereit, in einen Wettstreit einzutreten und überschätzen sich, selbst bei schlechten Leistungen, tendenziell häufiger als Mädchen: Several studies have shown that boys, more than girls, tend to report higher levels of academic confidence than would be justified objectively. For example, on multiple choice tests, girls often are found able to judge when they are incorrect.-[…] boys tend to be relatively confident even on those items they are getting wrong. (Hattie / Yates 2014: 215) Aus Sicht der Lehrkraft sind hieran zwei Aspekte besonders wichtig: Zunächst ist es wertvoll zu wissen, dass sich Jungen, eher als Mädchen, zuversichtlicher geben als objektiv gerechtfertigt und dass dafür Nachweise vorliegen (zusammengefasst bei Hattie / Yates 2014). Viele Lehrkräfte fragen im Unterricht rück, ob etwas schon verstanden wurde oder nochmals geübt werden muss, was ein sehr sinnvolles Vorgehen ist, da die Schülerinnen und Schüler nach ihren Bedarfen befragt werden sollten. Bei der Bewertung der Antworten und non-verbalen Reaktionen erscheint es allerdings oftmals geboten, das Phänomen der Overconfidence im Blick zu behalten und nicht jedes „Läuft, Frau Müller! “ oder „Passt schon, bloß kein (sic! ) Stress! “ der Lerner als realistische Einschätzung zu werten. Der zweite Aspekt, der hierbei wichtig erscheint, ist die Diskrepanz zwischen Einschätzung und objektiven Gegebenheiten, die sich nicht nur im Sinne von overconfidence, sondern in anderen Fällen auch als lack of confidence manifestieren kann. angesetzt wurde und bei d = 0.40 liegt. 67 der ermittelten Effektstärken liegen über diesem hinge-point, weitere zwei exakt bei d-= 0.40 (davon ist eine die bereits in 3.3 erwähnte Angstreduktion). Nur drei der insgesamt 150 Faktoren erreichen einen Wert über 1. Eine kompakte Übersicht über alle Faktoren und Effektstärken findet sich bei Zierer 2015: 126 ff. <?page no="106"?> 105 3.6 Kreativität 3.6.4 Jugendliche Lerner stärken In allen Lerngruppen finden sich Schülerinnen und Schüler, die selbstbewusst auftreten und, gerechtfertigter Weise oder nicht, Selbstsicherheit ausstrahlen, aber auch solche, die schon durch die Art, wie sie den Klassenraum betreten, durch Stimme und Körperhaltung verraten, dass sie zutiefst verunsichert und zweifellos fern von jeglicher overconfidence sind (vgl. 3.6.3). Gerade, wenn sich im Teenageralter das Gefühl verstärkt, von anderen beobachtet und beurteilt zu werden, ziehen sich viele dieser Jugendlichen zurück und versuchen im Fremdsprachenunterricht so wenig wie möglich beitragen zu müssen, antworten, wenn sie dennoch aufgerufen werden, mit möglichst kurzen Äußerungen. Viele Lehrkräfte und auch Eltern fragen sich, wie solche jungen Menschen gestärkt werden können, wie sie mehr Selbstvertrauen gewinnen und dazu gebracht werden können, sich mehr zuzutrauen. Doch alle guten Ratschläge scheinen nicht bewirken zu können, dass diese Schülerinnen und Schüler einen stärkeorientierten Blick auf sich selbst richten und in Situationen, in denen sie vor anderen agieren sollen, z. B. im Fremdsprachenunterricht, bei den mündlichen Prüfungsanteilen des mittleren Schulabschlusses oder des Abiturs usw., nicht in Angst erstarrt sichtlich in sich zusammensinken und das, was sie eigentlich beitragen und präsentieren könnten, nicht überzeugend übermitteln können. Im Fremdsprachenunterricht ist es besonders bedauerlich, möglicherweise auch belastend für die Jugendlichen (zu Sprechangst vgl. 3.3.5), wenn sie zu den Selbstzweiflern und Ängstlichen, der sogenannten low power Gruppe, zählen, denn der Unterricht braucht die aktive Beteiligung. Effizientes Sprachenlernen kann sich nicht auf Beobachten und den Versuch des kognitiven Nachvollziehens beschränken, sondern braucht das Ausprobieren und aktive Üben. Lehrkräfte sind keine ausgebildeten Therapeuten und sollten sich daher auch nicht als solche versuchen, aber es gibt neuere Evidenz aus der sozialpsychologischen Forschung zu einem einfachen Verfahren, über das Schülerinnen und Schüler informiert werden könnten, sodass jene, die sich in Performanzsituationen eingeschüchtert oder verängstigt fühlen, darauf zurückgreifen können und sich nicht länger machtlos und der eigenen Unsicherheit oder Angst ausgeliefert fühlen müssen. Denn rationale Argumente und Ratschläge greifen nicht, wenn die Amygdala Alarm schlägt und es zu einem hohen Stresshormonlevel im Körper kommt. Dann gilt es, sozusagen im Bereich des evolutionär Ursprünglichen anzusetzen, nämlich gerade nicht bei der Ratio, sondern, wie neue Studien nahelegen, an der Körperhaltung (zum sogenannten Power Posing vgl. Carney et al. 2010: 1363). Menschen mit positiver Selbstwahrnehmung und Zutrauen in ihre Fähigkeiten kommunizieren das bekanntlich über ihre Körperhaltung, vor allem durch die Ausdehnung und Öffnung von Bewegungen und Haltungen. Sie zeigen „expansive, open postures (widespread limbs and enlargement of occupied space by spreading out),-[…], whereas contractive, closed postures (limb touching the torso and minimization of occupied space by collapsing the body inward“ (Carney et al. 2010: 1364) gegenteilige Signale senden und als low power Signale interpretiert werden. Neben diesen beobachtbaren Signalen, wirken sich aber Selbstsicherheit und -unsicherheit auch auf anderen Ebenen aus, u. a. auf hormoneller, nämlich im Hinblick auf die Testosteron- und die Cortisol-Konzentration: <?page no="107"?> 106 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale Power holders show lower basal cortisol levels and lower cortisol reactivity to stressors than powerless people do-[…] chronically elevated cortisol levels seen in low-power individuals are associated with negative health consequences, such as unpaired immune functioning, hypertension, and memory loss-[…]. (Carney et al. 2010: 1364) Außerdem sollen sogenannte power holders „greater access to resources“ haben, „higher levels of agency and control over a person’s own body, mind, and positive feelings“ erreichen sowie „greater willingness to engage in action“ (Carney et al. 2010: 1363). Die geschlossene oder offene, sich-kleinmachende oder Größe zeigende Körperhaltung bildet nachweislich das nonverbale Korrelat zu dem, was unter power subsummiert werden kann (Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Erfolgserwartung usw.). 33 Die Einstellung beeinflusst also die Haltung. Die interessante Anschlussfrage, der die Forschergruppe um Carney et al. mit ihrer Studie nachging, lautet nun, ob möglicherweise auch das Umgekehrte gilt: Lässt sich durch die Körperhaltung das Gefühl der Machtlosigkeit und Unzulänglichkeit reduzieren? „Will posing these displays of power [Anm.: expansiveness and openness] actually cause individuals to feel more powerful, focus on reward as opposed to risk, and experience increases of testosterone [Anm.: steigt z. B. bei Wettkampferwartung] and decreases in cortisol? “ (Carney et al. 2010: 1364). Konkret gesprochen, ging es bei der Studie darum, herauszufinden, ob die Einnahme einer sogenannten power pose Auswirkungen auf die Risikofreude, die Wahrnehmung (How powerful do you feel? ) und die Konzentration o. g. Hormone zeigen könnte. Möglicherweise, so die Hypothese, würden high-power poses einen Effekt zeigen, der, übertragen gesprochen, z. B. im Hinblick auf die Risiko-, Sprech- und Partizipationsfreude im Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sein könnte. Die Probandinnen und Probanden, die über das eigentliche Ziel der Studie zwecks Kontrolle von Störeffekten zunächst nicht informiert worden waren, wurden zufällig der Gruppe high-power oder der low-power pose zugeordnet. Ein Versuchsleiter instruierte sie, eine entsprechende Pose einzunehmen und diese für eine Minute lang zu halten. Es folgte ein zweiter Durchgang mit einer anderen Pose derselben Art (high-power in der einen Gruppe, low-power in der anderen). Die Risikofreude der Probandinnen und Probanden wurde direkt im Anschluss an das insgesamt zwei Minuten dauernde Halten der Posen durch einen Test ermittelt, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen kleinen Geldbetrag bekamen, diesen behalten oder im Spiel einsetzen und dabei verdoppeln oder verlieren konnten. Außerdem gaben die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer an, „how ‚powerful‘ and ‚in charge‘ they felt on a scale from 1 (not at all) to 4 (a lot)“ (Carney 2010: 1366). Die Hormonkonzentration wurde vor und nach der Intervention mittels Speicheltest gemessen, d. h. an zwei Messzeitpunkten (prä, post). Die Ergebnisse der Studie belegen, dass „a simple 2-min power-pose manipulation was enough to significantly alter the physiological, mental, and feeling states of participants“ (ebd.). Tatsächlich führten die low-power poses zu einem Anstieg des Stresshormonlevels (Cortisol), während es sich nach dem Einnehmen und Halten der beiden high-power poses 33 Hinweise auf Studien finden sich bei Carney et al. 2010: 1364. <?page no="108"?> 107 3.6 Kreativität verringerte. 34 Das Umgekehrte galt für das Testosteronlevel, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie zeigten sich entsprechend risikofreudiger nach den high-power poses, d. h. bei angestiegenem Testosteronlevel. Außerdem schätzte sich diese Gruppe signifikant weniger machtlos und der Situation ausgeliefert ein als die Gruppe mit der geschlossenen, sich unauffällig machenden Körperhaltung. Die Studie liefert erste wertvolle Hinweise auf die Wirksamkeit eines Vorgehens, das auch bei Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden könnte und das, mit Überzeugung kommuniziert, schon alleine als Self-Fulfilling Prophecy Effekte zeigen kann bzw. mit einiger Gewissheit tatsächlich zeigen wird: 35 By simply changing physical posture, an individual prepares his or her mental or physiological systems to endure difficult and stressful situations, and perhaps to actually improve confidence and performance in situations such as-[…] speaking in public,-[…] or taking potentially profitable risks. (Carney et al. 2010: 1367) Power Posing und andere Maßnahmen zur Stärkung von Schülerinnen und Schülern, die an der eigenen Kreativität zweifeln und tatsächlich glauben oder z. B. aus Bequemlichkeit auch nur vorgeben zu glauben, dass es ihnen an Originalität mangele (vgl. 3.6.1), können einen wertvollen Nährboden für kreativitätsorientierte Unterrichtsangebote bilden, die dann wiederum zur Entfaltung von fachspezifischen und übergreifenden Kompetenzen maßgeblich beitragen können. 34 In Replikationsstudien ist es nicht immer gelungen, die in der Originalstudie berichtete Veränderung des Cortisol-Levels ebenfalls nachzuweisen, teilweise konnten jedoch trotzdem Hinweise auf eine Steigerung der Zuversicht bzw. der Risikobereitschaft gefunden werden. 35 Eine der Autorinnen der Studie, Amy Cuddy, empfiehlt an anderer Stelle das Zurückziehen an einen ruhigen Ort, z. B. vor einer Präsentationssituation, um unbeobachtet eine high-power pose einnehmen und für einige Minuten halten zu können. Abb. 15 Beispiel für high-power pose Abb. 16 Beispiel für low-power pose <?page no="109"?> 108 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 3.6.5 Kreativität im Fremdsprachenunterricht fördern Zur Förderung von creativity in oral communication im Fremdsprachenunterricht eignet sich ein Verfahren, das ganz besonders gut ab der Sekundarstufe eingesetzt werden kann. Es wurde vor einigen Jahren aber auch schon für die Grundschule entwickelt und positiv evaluiert (vgl. Sambanis 2007). Den Kern bilden Improvisationen. Das Verfahren impliziert zweierlei: zunächst eine bestimmte Grundhaltung der Lehrkraft, die als sprach- und interaktionsförderlich bezeichnet werden kann. Außerdem können Improvisationen zu einem grundlegenden Gestaltungselement des Fremdsprachenunterrichts werden. Eine sprach- und interaktionsförderliche Grundhaltung zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass die Lehrkraft nicht nur oder vorrangig darauf achtet, wie Schülerinnen und Schüler etwas sagen, sondern ebenso darauf, was die Schülerinnen und Schüler sagen wollen („listen carefully“, Kurtz 2015: 75). Die Lehrkraft sorgt außerdem in den einzelnen Unterrichtsphasen für eine klare Orientierung der Lernenden, sodass diese wissen, wann der Fokus auf formalsprachlichen Aspekten liegt und wann message before accuracy gilt. Die Lehrkraft muss ihr Korrekturverhalten adaptieren (vgl. 4.2 und 4.3), sodass die Lernenden sich beim Fokus auf die Mitteilung entsprechend risikofreudiger zeigen können, ohne für ihre Risikofreude durch formalsprachliche Rückmeldungen und ständige Unterbrechungen gewissermaßen bestraft zu werden. Aus der Erstspracherwerbsforschung liegen Erkenntnisse zur sprachförderlichen Grundhaltung von Erzieherinnen vor (Sachse 2016), die Schnittmengen mit der von Kurtz beschriebenen Lehrerhaltung bilden. In der Zusammenschau kann ergänzt werden, dass auch die Zeit, die nach einem Impuls abgewartet wird, ausschlaggebend sein kann (vgl. 3.3.5 zur Bedenkzeit). Außerdem scheint für die Sprechfreude, die Risikobereitschaft und das Maß, in dem Kreativität ermöglicht wird, entscheidend zu sein, welche Impulse und Fragen verwendet werden, nämlich nicht ausschließlich display questions, oftmals reine Benennungsaufforderungen, denn: Das Auffordern [d. h. Sprache eingebettet in sprachliches Handeln] scheint das Gehirn-[…] mehr zu interessieren als das Benennen. Insbesondere scheint es Teile der Sprachgebiete, z. B. die Broca-Region im unteren Frontallappen, und das für Handlungsverarbeitung zuständige motorische System besonders stark zu aktivieren. (Pulvermüller 2016: 82) Improvisationen gehen über reines Benennen hinaus und können, wenn sie eine vorbereitete Rahmung (Einstiegs- und Ausstiegssequenz als Skript) aufweisen, sowohl die nötige Sicherheit und Orientierung bieten als auch durch die freiere Ausgestaltung des Mittelteils, Spontaneität und Kreativität fördern und die Lernenden im Sinne Tselikas (1999: 39, 41) in reizvolle „Sprachnotsituationen“ bringen (vgl. Sambanis 2013: 119). Sprachnotsituationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Lernenden sprachlich und im Hinblick auf die Flexibilität des Denkens und Handelns herausfordern sowie zum Finden kreativer Lösungen anregen bzw. zum Einsatz von Kommunikations- und Kompensationsstrategien, durch die der Lernende „im Gespräch“ bleiben, die kommunikative Interaktion weiter mitgestalten kann (zu Dramamethoden einschließlich der Schaffung von Sprachnotsituationen im Fremdsprachenunterricht vgl. Sambanis 2013, Kap. 5). <?page no="110"?> 109 3.6 Kreativität Der von Kurtz vorgeschlagene Grundbauplan für Improvisationen, der eine Setzung der Eingangs- und Ausgangssequenz vorsieht, bietet dem Lerner „a flexible, situated dialogical framework“ (Kurtz 2015: 77). 36 Die gesamte Sequenz besteht dann aus drei Konstituenten, nämlich „a brief opening sequence (a scripted opening part or lead-in-[…]), an unscripted middle part with a few communicative cues“ (Satzstreifen, Bilder oder Realobjekte) und „a communicatice ‚emergency exit‘ sequence (a scripted final part with which the improvised dialogue can be brought to an end)“ (ebd.) und zwar jederzeit. Der Notausgang stellt ein überaus wertvolles und klug gewähltes Element dar, da durch ihn jede oder jeder an der Interaktion Mitwirkende selbst bestimmen kann, wann sie oder er aussteigen bzw. die Improvisation beenden möchte. Durch die Gewissheit, dass man sozusagen jederzeit selbst die Reißleine ziehen kann, wird ein Aktionsraum geschaffen, der nicht bedrohlich wirken muss, sondern im positiven Sinne die Risiko- und Explorationsfreude sowie die Kreativität der Jugendlichen adressiert (vgl. hierzu auch das Themenheft zur Performativen Didaktik von Fremdsprache Deutsch, das nachfolgend als ein ausgewählter Literaturhinweis gelistet ist). Damit die Schülerinnen und Schüler Anstöße zur Ausgestaltung der zentralen Sequenz bekommen und sich nicht einzig und alleine auf den eigenen Ideenreichtum verlassen müssen, empfiehlt es sich, wie oben erwähnt, einige thematisch passende Kommunikationsimpulse auf Karten vorzubereiten. Diese können dann bei Bedarf genutzt werden. Auf diese Weise können viele Themen aufgenommen und Kommunikationskontexte im Klassenzimmer simuliert werden. Beispielsweise könnte die Einleitungssequenz folgenden Kommunikationsraum öffnen: Eine Schülerin oder ein Schüler wünscht sich schon seit Langem ein Haustier und hat nun die Erlaubnis der Eltern, sich eines zuzulegen, weiß aber noch nicht genau, welches. In der Mittelsequenz wird diskutiert, welches Tier sich eignete, was zu beachten wäre bei der Haltung und Pflege, wie das Haustier heißen könnte usw. Dazu werden Impulskarten vorbereitet und in einer Box zur Verfügung gestellt. Die Schlusssequenz könnte, in der jeweiligen Zielsprache formuliert, lauten: „Wenn man sich ein Tier kaufen möchte, sollte man vorher wirklich gut überlegen, was das bedeutet. Am besten ich schlafe / du schläfst [je nachdem, wer die Improvisation beenden möchte] nochmal drüber und entscheide mich / entscheidest dich dann morgen endgültig.“ Für ältere Schülerinnen und Schüler eignen sich auch Sequenzen, die z. B. das Sich-Hineinversetzen in die Lage von Menschen, die sich in einem fremden Land zurechtfinden müssen, anregen (Perspektivübernahme) oder die Aktivität lässt sich dafür nutzen, künftige Entscheidungen der Schülerinnen und Schüler, wie z. B. das Für und Wider eines sozialen Jahrs nach dem Schulabschluss, aufzugreifen (Lebensweltbezug und Antizipation). 36 Für narrative Unterrichtsereignisse, nämlich das gemeinsame Creating of Stories, wurde vor einigen Jahren ein Vorgehen vorgestellt, das sich Rahmengeschichte nennt (vgl. Sambanis 2007 und 2009) und ebenfalls aus drei Phasen besteht, nämlich einer „einführenden und einer abschließenden Rahmung sowie einer [darin eingebetteten, interaktiv auszugestaltenden] Sprechhandlungssphäre“ (Sambanis 2007: 218, Sambanis 2009: 12 ff.). <?page no="111"?> 110 3. Zugänge und Entwicklungspotenziale 3.6.6 Zwischenfazit In der Jugendzeit entwickelt sich die Kreativität weiter, aber nicht alle Heranwachsenden nehmen dieses Potenzial wahr, nicht alle nutzen es- - aus Vorsicht, weil sie die eigene Flexibilität und Ideenvielfalt nie wirklich erkannt haben oder aus Bequemlichkeit, um ihre Komfortzone nicht verlassen zu müssen. Da es aber den Sprachlernprozess stützt bzw. mehr noch, ihn bedingt, wenn Lernende selbst aktiv werden, sollten Wege gesucht werden, um die Heranwachsenden zur Mitwirkung an Unterrichtsereignissen anzuregen, die Flexibilität und Kreativität verlangen und fördern. A case-study reserach carried out in various EFL classrooms in Germany indicates (Kurtz 2011), learners are more likely to participate actively, creatively and autonomously, if teachers offer appealing communicative scenarios or frameworks for partly self-directed target language use, and, furthermore, orchestrate oral classroom interaction tactfully, as it emerges. (Kurtz 2015: 83) Ausgewählte Literaturhinweise Maley, A. / Peachey, N. (Hrsg.) (2015): Creativity in the English Language Classroom. London: British Council. Robinson, K. (2006): Do schools kill creativity? https: / / www.ted.com/ playlists/ 171/ the_most_popular_talks_of_all. (15. 07. 2016) (Laut Playlist der TED Talk mit den meisten Klicks.) Walter, M. (Hrsg. des Themenhefts) (2020): Fremdsprache Deutsch Heft 62: Performative Didaktik. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts. Berlin: Erich Schmidt Verlag. <?page no="112"?> 111 4.1 Differenzierung und Individualisierung 4. Individuelle Förderung und Unterstützung Kinder und Jugendliche sind unterschiedlich, auf den ersten Blick sichtbar in körperlicher, aber auch, unsichtbar, in psychischer Hinsicht. Trotzdem geht das institutionalisierte Bildungswesen von einem Normkind, einem genormten Jugendlichen aus, das bzw. der eine Normleistung erbringen soll. Erfahrungen und Befunde aller relevanten Wissenschaften sprechen dagegen eine andere Sprache: Gender, biologisches Alter, soziokultureller Hintergrund, Spracherfahrungen und Lerngeschichte, Konzentrationsvermögen, Ausdauer, Aufnahmebereitschaft sowie Interesse und individuelle Motive weichen von Jugendlichem zu Jugendlichem mehr oder weniger stark ab (zu intraindividuellen und interindividuellen Unterschieden vgl. Sambanis 2013: 71). In der Pubertät individualisiert sich die körperlich-geistige Entwicklung nochmals bedeutend, die Abläufe von hormonellen Umstrukturierungen im Körper beginnen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich stark. Möglichst alle Jugendlichen gleich zu behandeln und zu bewerten, erscheint vor diesem Hintergrund absurd, geschieht aber tagtäglich. Die institutionalisierte Gleichmacherei ist wenig zeitgemäß, Gleichaltrige im gleichen Raum zur gleichen Zeit auf die gleiche Art und Weise die gleichen Inhalte zu lehren, repräsentiert das Streben nach Objektivität und Vergleichbarkeit, wo aus biologischen und entwicklungspsychologischen Gründen objektiv keine mehr gegeben ist. Englischunterricht für Heranwachsende, und nicht nur dieser, impliziert hohes Diversity Management, ist spracherwerbstechnisch sinnvoll und lässt sich fachdidaktisch mit den bereits lange bekannten methodischen Verfahren weitgehend problemlos realisieren. Sprachliche Förderung in der Sekundarstufe 1 und 2 setzt neben der Akzeptanz des bekannten, unvermeidlichen Schereneffekts grundsätzlich auch eine veränderte Sicht auf die Rolle des sprachlichen Fehlers sowie die Dynamik von Feedback voraus. 4.1 Differenzierung und Individualisierung In der Fremdsprachendidaktik herrscht Konsens über die drei hauptsächlichen Eckpfeiler eines individualisierenden Unterrichts: 1. Offene Lernformen, die Prinzipien wie Ganzheitlichkeit, Handlungsorientierung, Exploration, Selbststeuerung verwirklichen, sind ein wichtiger unterrichtlicher Baustein. Nur ein generell holistisch, multisensual und multimethodisch ausgerichteter Englischunterricht ist ein genuin individualisierender. Das ist auch der Fall, wenn interkulturelle Kompetenzen wie Fremdverstehen fokussiert werden. 2. Sprachaktivitäten werden durch intensive Visualisierung, Einbezug körperlicher Bewegung in Bewegungsspielen und Einsatz von Mimik und Gestik zur Verdeutlichung von Inhalten gestützt. 3. Learning by doing or acting, bezogen auf kommunikative, sprachhandelnde Aktivitäten wie Dialoge, Improvisationen, Simulationen, role plays, szenische Spiele, task-based <?page no="113"?> 112 4. Individuelle Förderung und Unterstützung activities und Ähnliches, geht ganz automatisch mit offenen, selbstkonstruierenden Unterrichtsphasen einher, weniger mit Instruktion und vermittelndem Unterricht: Wo ausprobiert und mit Sprache experimentiert wird, steht der Inhalt im Vordergrund, spielen sprachliche Normen eine dienende Rolle, keine überbordende. Die Voraussetzung für eine solche Art von altersgemäßem Unterricht bilden bestimmte Parameter: Ein breit angelegter Katalog von altersgemäßen, ganzheitlichen curricularen Kompetenzbeschreibungen ermöglicht, wenn er zudem eher prozessorientiert oder aber auch an Minimalstandards ausgerichtet ist, dass alle Lerner einer Klasse sie weitgehend auch entwickeln können. Sie sind jahrgangsübergreifend und somit altersheterogen angelegt, um so individuelle Lernausgangslagen nicht nur am Kriterium „Alter“ auszurichten. Das Prinzip der ganzheitlichen, multisensorischen Zugänge zur Fremdsprache stützt dabei die Kompetenzentwicklung in der Pubertät. Der Verzicht auf die Vorstellung von uniformer Progression, z. B. bezüglich grammatikalischer Strukturen und des Wortschatzes, zugunsten der Themenorientierung des Englischunterrichts macht es idealerweise möglich, dass eine Didaktik und Methodik der Vielfalt bezüglich der unterschiedlichen Individuallagen, Interessen und Bedürfnisse sowie zugunsten eines individuellen Fortschritts möglich ist. Zeit und Raum spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Nur mit dem eigenen Lerntempo, nach individuellen Lernstrategien werden die fremdsprachlichen Kompetenzziele erreicht Abb. 17 Voraussetzungen einer altersgerechten Differenzierung <?page no="114"?> 113 4.2 Korrektur und Rolle des Fehlers und somit auch persönliche Lernerfolge. Diese schließen soziale Lernerfolge durch Interaktion und Kooperation / Kollaboration, Austausch und Diskussion, aber auch Kontroversen auf möglichen Lösungswegen mit ein. Sie sorgen dafür, dass Verantwortung für das eigene Lernen, Selbständigkeit, Hilfsbereitschaft und Toleranz während der Pubertät keine abstrakten Begriffe bleiben. Konkrete altersgerechte, differenzierende Fördermaßnahmen lassen sich so einleiten: ▶ Haltungswechsel: Heterogenität akzeptieren ▶ Teamarbeit: Förderkonzepte entwickeln und gemeinsam konkrete Maßnahmen planen ▶ Delegieren: Eigenverantwortlichkeit und Beteiligung gezielt ermöglichen und entwickeln (z. B. Lerntagebücher, Portfolios etc.) ▶ Differenzieren: Verfahren wählen. Bewährt und bekannt bei letzterem Schritt ist das Differenzieren ▶ nach Übungsanzahl, Arbeitsmenge oder Stoffumfang, ▶ nach Übungstyp und Grad der Unterstützung / Scaffolding, ▶ nach Unterrichtsformen, ▶ nach Sozial- und Kooperationsformen ▶ und mit Medien. 4.2 Korrektur und Rolle des Fehlers Die trotz fortgeschrittener neurowissenschaftlicher Forschung (u.a. Steinhauser 2020: 59ff.) noch immer unverstandene Rolle des Fehlers beim institutionalisierten Spracherwerb führt letztlich zu fachdidaktischen Katastrophen wie dieser: Die vierfache negative Rückmeldung (Fehler ist unterstrichen, durchgestrichen, am Rand markiert und mit 0 Punkten bewertet) der Lehrkraft auf einen winzigen Imitationsfehler (hier beim Abschreiben des Verbes in Klammern) ist kein Einzelfall, verdeutlicht aber auch ohne weitere Kommentierung den dringenden Handlungsbedarf, soll sich Kompetenzorientierung in Zukunft durchsetzen. Die notwendige gelassene Sicht auf Fehler im Fremdsprachenunterricht und der sinnvolle Umgang mit ihnen sind abhängig von einigen Vorbedingungen: ▶ Die Klärung der Hauptausrichtung des Lernprozesses sowie ▶ die Haltung aller Beteiligten: Schüler, Lehrkräfte, Eltern, Schulleitungen. Abb. 18 Ausschnitt aus einem englischen Leistungstest 5.-Klasse Bayern <?page no="115"?> 114 4. Individuelle Förderung und Unterstützung Die bekannten Fehlerkategorien sind 1. Fehler, die die Verständlichkeit der Äußerung beeinträchtigen und sinnentstellend wirken, 2. Fehler, die zu interkulturell missverständlichen oder situationsunangemessenen Äußerungen führen, sowie 3. Fehler, die ein Abweichen von den Regeln und Normen des Sprachsystems bedeuten. In allen Kategorien können inhaltliche, orthografische und grammatikalische Fehler enthalten sein. Nun ist Fremdsprachenlernen untrennbar auch mit dem inhaltlichen Kompetenzerwerb verbunden. Dies gilt besonders für die Zeit der Sekundarstufe 1 und 2, der Hauptphase der Pubertät. Fremdsprachliche Fehleranalyse und -therapie sowie resultierende Leistungsmessungen müssen sich deshalb an diesem Fokus messen. Kann Inhaltliches durch sprachliche Defizite nicht mehr verständlich gemacht werden, greift auch das Prinzip message before accuracy nicht mehr. Für die pubertierenden Jugendlichen im Englischunterricht ist Nothing succeeds like success relevant: Risikobereitschaft zu mündlicher Äußerung und Performanz wird dann erreicht, wenn den Schülerinnen und Schülern ein Experimentierfeld zum mündlichen fremdsprachlichen Training geboten wird, mit sie interessierenden und motivierenden Themen. Mut zum fremdsprachlichen Risiko wird, positiv begleitet, dauerhaft und gezielt unterstützt, gefördert und gefordert. Dies schließt zu kleinschrittige, nur auf Orthografie und Grammatik bezogene Korrektur definitiv zumeist aus. Fehler dagegen nicht zu korrigieren, hieße, die Chance nicht zu nützen, den Schülerinnen und Schülern Spracherwerb zu ermöglichen. Der Zusammenhang von Form und Funktion sprachlicher Strukturen würde für die Lernenden in diesem Lernkontext nicht deutlich. Andererseits wird im ungünstigsten Fall der Kommunikationsfluss unterbrochen. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte: Es kommt einmal mehr darauf an, ▶ ob die Basiskommunikation gestört wird, ▶ die Verständlichkeit der mündlichen oder schriftlichen Äußerung gegeben ist (oder eben nicht) oder ▶ die Gefahr der Fossilisierung der Fehler besteht. Höchst problematisch ist es, ein stark präskriptives Korrektursystem vorzulegen, nach dem Lehrkräfte bei der Fehlertherapie vorzugehen haben. Fingerspitzengefühl und situativ angemessenes Vorgehen sind gerade bei Jugendlichen in der Pubertät notwendig, ein roter Handlungsstrang bei der Fehlertherapie ist allerdings möglich und empfehlenswert. Grundsätzliche Handlungsmuster sollten sein: 1. Der Maßstab aus dem Englischunterricht: „Fehlertoleranz sollte umgekehrt proportional zur Leistungsfähigkeit der Lerner sein“ (vgl. Walter 1981: 75) ist als Bemessensgrundlage von Bedeutung. 2. Gleichzeitig gilt es, geeignete Aufgabenformate zu entwickeln, die kommunikativ zur richtigen Äußerung führen. <?page no="116"?> 115 4.3 Feedback 3. Fremdsprachliche Mittel müssen stützend angeboten oder erarbeitet werden (Scaffolding). Der Bereich der mündlichen Fehlerkorrektur ist mit Sicherheit der anspruchsvollste, da das gesprochene Wort bzw. der gesprochene Satz nur kurz aufgenommen werden kann-- anders als bei der schriftlichen Korrektur. Allgemeine altersgemäße Prinzipien der Korrektur mündlicher Äußerungen können sein: 1. Kommunikation und Situationsangemessenheit (inklusive Aussprachekorrektur) wird durch focus on form sichergestellt. 2. Die Korrektur der Form, erfolgt, wenn nötig, nur in meaningful contexts, und integriert in den Arbeits- und Aufgabenzusammenhang, nicht isoliert. 3. Nur schon bekannte Formen können auch korrigiert werden. 4. Fehler und Korrektur dürfen zeitlich nicht zu weit auseinanderliegen. 5. Unterbrechungen sind nur kurz, höchstens einmal, zulässig. Die Prinzipien der mündlichen Korrektur gelten etwa auch im Bereich des Schriftlichen, Orthografie ersetzt die Aussprache. Als besonders schwierig erweisen sich Markierungssysteme schriftlicher Arbeiten, beispielsweise Korrekturzeichen. Eine einheitliche Regel gibt es nicht, Befragungen 37 von Schülerinnen und Schülern jedoch ergaben, dass ▶ es sehr wohl gewünscht wird, die erstellten Arbeiten korrigiert zu bekommen, ▶ klare Korrekturzeichen wie für Deutscharbeiten hohe Akzeptanz finden und ▶ die rote Korrekturfarbe nicht als störend oder entmutigend empfunden wird. Interessant ist dabei die einhellige Meinung aller Befragten, alle Fehler und Ungenauigkeiten müssten markiert und korrigiert werden. Die gegebenen Begründungen lassen darauf schließen, dass sehr wohl nachvollziehbar sein soll, was fehlerhaft ist und was nicht. Andernfalls würde Unsicherheit entstehen. Letzteres entspricht auch dem Streben der Jugendlichen nach Sicherheit, hier: sprachliche Handlungssicherheit-- dies immer dann, wenn es um relevante Kommunikation geht. Die Chance zur intensiven Förderung der Spracharbeit darf durch eine gelassene Sicht auf Fehler dennoch nicht verschenkt werden, sie erfordert aber-- insbesondere in der fokussierten Altersstufe-- eine sehr professionelle, sensible Vorgehensweise. 4.3 Feedback Feedback gilt als einer der stärksten Faktoren für die Sprachentwicklung, nicht zuletzt in der Pubertät. Besonders hier ist zur eigenen objektiven Leistungseinschätzung und Orientierung die Rückmeldung der Bezugspersonen, im Besonderen aber der peers nachgefragt. Die systematische Reflexion des sprachlichen Lernprozesses ermöglicht allen in den heterogenen Lerngruppen pubertierender Jugendlicher, individuelle Konsequenzen für das weitere Lernen 37 Böttger und Meyer führten 2011 eine unveröffentlichte Studie zur Korrekturakzeptanz im Rahmen eines Hauptseminars am Hans-Sachs-Gymnasium Nürnberg in den Klassenstufen 7-9 durch. <?page no="117"?> 116 4. Individuelle Förderung und Unterstützung zu ziehen, selbst Einfluss darauf zu nehmen und sich selbstständig weiterentwickeln zu können. Das gilt natürlich auch in gleichem Maße für die Lehrenden und ihren Lehrprozess. Somit wird Feedback zum Teil einer schulinternen Evaluation. Feedback im Englischunterricht bedeutet, dass sich zwei oder mehrere Beteiligte methodisch strukturiert Erfahrungen, Meinungen, Lob und konstruktive Kritik rückmelden. Dies kann zur Weiterentwicklung von Persönlichkeit, Kompetenzen, des Sprachenlernens und -lehrens allgemein sowie letztlich auch möglicherweise schulischer Bedingungen führen. Der Ablauf lässt sich grob in einer Feedback-Schleife (Abb. 19) strukturieren: Feedback muss sich aus einer sicheren Datenlage ergeben (evidence), es darf ausschließlich um Bewiesenes, nicht Angenommenes gehen. Somit wird Feedback nachvollziehbar und relevant (relevance) für die Rezipienten, sie können Konsequenzen (consequence) ziehen und ihr Handeln verändern (action). 4.3.1 Teacher feedback Ein Beispiel für eine sehr einfache, aber kreative Feedback-Methode im Englischunterricht mit Bezug auf diesen, ist die der Traffic Lights: Den Schülerinnen und Schülern stehen drei Ampelkärtchen in den entsprechenden Farben zur Verfügung, die entweder permanent sichtbar aufgestellt oder bei Bedarf abgefragt werden. Die Bedeutung der Farben ist die folgende: Grün steht für „Ich habe alles verstanden, kann gut folgen, es kann weitergehen.“ Gelb bedeutet „Ich habe einiges verstanden, manches jedoch nicht, ich kann nur mit Mühe folgen-- bitte langsamer! “, und Rot mahnt an: „Ich verstehe fast gar nichts und bin schon fast gedanklich ausgestiegen.“ So kann die Lehrkraft bei überwiegend grünen Zeichen beruhigt fortfahren, bei Gelb und Rot gezielt nachfragen bzw. erneut, anders oder auch langsamer erklären. Traffic Lights ermöglicht so eine unmittelbare Rückmeldung zu Verständnis und Interesse der Schülerinnen und Schüler im laufenden Unterrichtsprozess und lässt schnelle Veränderungen zu. Altersgerecht ist hier insbesondere das demokratische Verfahren der nonverbalen Meinungsäußerung. Das Verfahren lässt sich ausbauen, das Ampelsystem kann längere Zeitabschnitte evaluieren, ist verschriftlicht denkbar und kann Teil eines Portfolios oder Lerntagebuchs werden. Abb. 19 Feedback loop <?page no="118"?> 117 4.3 Feedback 4.3.2 Peer feedback Peer feedback kommt eigentlich aus der amerikanischen Schreibpädagogik, kann aber auch pubertierenden Jugendlichen ganz effizient eine gezielte, schnelle und sozial verträgliche Rückmeldung in verschiedensten Arbeitsphasen ermöglichen. Die Verantwortung für den Anlass oder das Produkt verbleibt bei den Schreibenden, die Rückmeldenden geben daher nur ihren subjektiven Eindruck wieder. Peer feedback ist nicht einfach, die Schülerinnen und Schüler müssen sich zuerst an den Ablauf, die Bewertungskriterien und die Feedbackformulierungen gewöhnen. Für die Pubertät ist peer review sehr geeignet: Die Meinung der peers wird in der Regel sehr ernstgenommen (vgl. Kap. 2.1.3). Es wird auch nicht negativ kritisiert, sondern progressiv gefragt und gewürdigt. In schriftlichen Feedbacks beispielsweise wird ein Fragezeichen bei Unklarheiten gesetzt, keine negativen Zeichen, wie z. B. ein Minus, da es nicht um die Pole richtig oder falsch geht, sondern um Interpretationen. Bei Präsentationen von Altersgenossen sind spezielle Beobachtungsbögen als Scaffolding für Feedback in englischer Sprache geeignet (vgl. Tab. 1). Sie ermöglichen ein gleichwohl standardisiertes, aber auch ausgewogenes Teilnehmen an einer anschließenden Feedback-Runde mit konstruktiven englischsprachigen Redemitteln: 4.3.3 Just culture Just culture (gerechte Kultur, Kultur des gerechten Umgangs) ist ein demokratisches, selbstreflexives, besonders kommunikatives und ehrliches Feedback-Prinzip, das die Gruppendynamik der Gleichaltrigen stärkt und für Jugendliche in der Pubertät deshalb bedeutend ist. Tab. 1 Feedbackbogen für Präsentationen <?page no="119"?> 118 4. Individuelle Förderung und Unterstützung Es kommt aus der Medizin, wird aber beispielsweise auch bei Marinetauchern eingesetzt. Ziel ist es, innerhalb der Lerngruppe ein angstfreies Umfeld zu schaffen, in dem ohne Furcht wegen restriktiver Maßnahmen, wie in der Schule z. B. Notengebung, über eigene Fehler gesprochen werden kann. So werden wichtige Erfahrungen ausgetauscht und letztlich die Leistung der Gruppe durch den Erkenntnisgewinn gesteigert. Für pädagogische Aspekte wie Verhalten etc. ist dies offensichtlich. Für fremdsprachendidaktische Belange ist das „Zugeben“ und Einschätzen eigener Fehler im debriefing nach performativen Aufgaben wie Präsentationen psychologisch erleichternd: Die Selbstkorrektur muss nicht von der Lehrkraft quasi als „Anschuldigung“ erfolgen, geschieht innerhalb der Gruppe auf Augenhöhe und ist eher einprägend. Forschungen zu diesem Aspekt sind jedoch noch Desiderata. Neurobiologisch gesehen kann die Amygdala (vgl. Kap. 1.2.3) bei negativen Fremd-Feedbacks eine ebenso negative Rolle spielen, wenn unangenehme Korrektursituationen lebenslang markiert werden. 4.4 Zwischenfazit Die natürliche Verschiedenheit von Kindern und Jugendlichen verstärkt sich während der Pubertät ganz erheblich. Dieser Umstand lässt es nicht zu, fremdsprachendidaktische Gleichmacherei zu betreiben. Diversity Management auf professionellem Niveau berücksichtigt unterschiedliche Kompetenzentwicklungen und fördert individuell. Im Lernprozess selbst gilt es, die Rolle des Fehlers als wichtige Orientierungshilfe positiv zu betrachten und in der Korrektur auch so zu behandeln. Diagnostische Aspekte sind schon deshalb vor Leistungsmessungen zu setzen, damit Letztere dann aufgrund der individuellen Förderungen nach einer Status quo-Bestimmung noch erfolgreicher sein können. Nur exzessiv zu testen, entwickelt keine Kompetenzen. Die Rolle des konstruktiven Feedbacks zwischen allen am Lernprozess beteiligten Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern unterstreicht die Entwicklung der Jugendlichen zu selbstständigen Lernern und bestärkt sie, lebenslang lernen zu wollen. Ausgewählte Literaturhinweise Kleppin, K. (2005). Mit Fehlern umgehen-- neue Herausforderungen. In. Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch 11, 16-20. Kleppin, K. / Mehlhorn, G. (2008). Zum Stellenwert von Fehlern. Am Beispiel des Französischen und Russischen. In. Praxis Fremdsprachenunterricht 4, 17-20. Roberts, M. / Griffiths, C. (2008). Errors and good language learners. In. Griffiths, C. (Hrsg.) (2008): Lessons from Good Language Learners. Cambridge: Cambridge University Press, 282-293. Timm, J.-P. (2003). Schüleräußerungen und Lehrerfeedback im Unterrichtsgespräch, In. Bach, G. / Timm, J.-P. (Hrsg.) (2003). Englischunterricht. Tübingen und Basel: Francke, 197-224. <?page no="120"?> 119 4.4 Zwischenfazit 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Alle theoretischen Überlegungen und Informationen über das Sprachlernpotenzial von Jugendlichen in der Pubertät müssen letztlich folgerichtig in der konkreten Unterrichtssituation umgesetzt werden. Individuelle, differenzierende Aufgabenformate (vgl. Tab. 2), die den speziellen Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechen, sich performativ auszudrücken, die kompetenzorientiert ausgerichtet sind und die unterschiedlichen Sprachwissensstände berücksichtigen, und die nicht durch limitierte Anforderungen oder fehlende sprachliche Begabtenförderung „Deckeneffekte“ (Böttger 2013: 4 ff.) einziehen, sind monotonen, zu sehr in methodischen Reihen organisierten Übungen ohne kommunikativen Charakter vorzuziehen. Real Action Simulation Production Case studies Discussion & debates Presentations & reports Elections Hearings Websites Interviews Decision games Wall newspaper Investigation & exploration Role plays & theatre & improvisation Posters Learning by teaching Imaginary journey Songs, raps, texts Newspapers Future workshops Panels Practical placements Strategic games Flyers & leaflets Projects Conference games Radio plays & videos TV & radio stations Trials Exhibitions Tab. 2 Übersicht Aufgabenformate Solche Aufgabenformate unterstützen idealerweise auch implizite Sprachlernprozesse. Sie bereiten so darauf vor, sich intuitiv und flexibel in einer komplexen sprachlichen Umwelt orientieren zu können, ohne alle einzelnen Sprachkompetenzen bewusst aufrufen und einsetzen zu müssen. Deshalb sind sie bestenfalls ganzheitlich konzeptioniert, enthalten Sprachhandlungsmöglichkeiten nach dem Integrated Skills Approach (Böttger 2005: 19 ff.), der Wissen und die einzelnen Sprachfertigkeiten im Englischunterricht mit dem Ziel der möglichst authentischen Kommunikation verflicht. Sie sind methodisch offen angelegt, haben eher die gelungene Kommunikation als formalsprachliche Kriterien im Blick. Die lebens- und praxisnahen Aktivitäten sind sprachlich problemlösend, musisch und motorisch ausgerichtet, sie stimulieren mehrere Sinneskanäle. Sie zielen auf die Entwicklung einer schnellen Auffassung, Aufnahme und Verarbeitung der sprachlichen Reize, um im Anschluss produktiv kommunizieren und interagieren zu können. Sie knüpfen dabei an bekannte Sprachmuster an und lassen Raum für neue sprachliche Erfahrungen, die sich aus neuronaler Sicht im präfrontalen Kortex repräsentieren. Dort werden neue Informationen mit den bereits gespeicherten assoziiert und integriert. Sie sind also im besten Sinne anschlussfähig. Im Folgenden werden, bezogen <?page no="121"?> 120 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate auf Tab. 2, beispielhaft verschiedene Aufgabenformate vorgestellt, die zusammengenommen einen Unterrichtsfundus bilden. 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Gamification bedeutet Aufgaben und Inhalten, die in der Realität keine Spielmerkmale aufweisen, Spielelemente hinzuzufügen. Dies geschieht im Grunde auch bei den in der Tabelle oben vorgestellten Formaten Real action, Simulation und Production. Das „Verspielisieren” von solchen Aufgabenformaten, insbesondere durch das spielerische Schlüpfen in eine andere Rolle zu Übungszwecken, quasi in einen Avatar, ist nicht nur bei Online-Spielen sehr attraktiv für Jugendliche, sondern auch im Sprachunterricht. Gerade für Jugendliche, die nach außen hin eine bildlich gesprochen dünne Haut von Lässigkeit als Selbstschutz zur Schau tragen, ist die „Gefahr“, sich persönlich subjektiv zu blamieren, auf ein Minimum reduziert. Das psychologische Moment der sicheren Gesichtswahrung bei performativen Sprachhandlungen führt eher zur Teilnahmebereitschaft an diesen. Spezielle Fachthemen oder auch komplexe Sachverhalte können über den Gamification-Ansatz spielerisch vermittelt und wie beim Trockenschwimmen als Vorübung für den fremdsprachlichen „Ernstfall“ durchgeführt werden. Zusätzliche kompetitive Situationen führen zur höheren Identifizierung mit der Aufgabe und bedienen das neuronale Belohnungssystem (vgl. Kap. 1.2; Sailer 2016). Gamification ist jedoch kein Spiel an sich, darf weder synonym noch simplifiziert gesehen werden. Die scheinbare Harmlosigkeit von Gamification ist eine konkrete, lebenswelt- und berufsfeldspezifische Vorbereitung. Als Beispiel können Debatten und Diskussionen dienen, die komplexe Kompetenzen wie einerseits fremdsprachliche Fertigkeiten ebenso wie andererseits verbale Kommunikations- oder Durchsetzungsfähigkeit in der englischen Sprache üben und über Wiederholung zu Sprachselbstvertrauen führen. Eine Simplifizierung von schwierigen Zusammenhängen ist dabei nie die Intention. Gamification findet in gezielten Lernspielen mit Progression seine Realisierung. 5.1.1 Elections: Klassensprecherwahl-- Mein persönlicher Wahlkampf 38 Spielanleitung Bei dieser Aktivität erfahren Schülerinnen und Schüler, wie Wahlen aufgebaut sind und wie sie vonstattengehen. Als authentischer Rahmen hierfür wird die Klassensprecherwahl angesetzt. Dabei entstehen zwei Lager innerhalb der Klasse: die aktiven Wahlkandidaten und das unterstützende Wahlteam, welches sich aus den Schülerinnen und Schülern zusammensetzt, die nicht selbst zur Wahl antreten möchten. Dieser letztere Teil fungiert unterstützend bei der Planung und Durchführung des Wahlkampfes der einzelnen Kandidaten. Der Wahlprozess findet in englischer Sprache statt. Material Material 1: Information Sheet for Candidates Sozialform Einzel- und Gruppenarbeit 38 In Ahnlehnung an www.wikihow.com/ Win-a-Student-Council-Election. <?page no="122"?> 121 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Ablauf Schritt 1: Die Nominierung Einen passenden Wahlslogan formulieren Abhängig von der Größe der Klasse findet sich der / die Einzelne oft in großer Konkurrenz mit weiteren Anwärtern für die Aufgabe. Deshalb ist es wichtig, sich zu Beginn bewusst zu machen, was den Einzelnen als Person einzigartig macht und wodurch er / sie sich von der Masse abhebt. Sollen sich die Mitschülerinnen und Mitschüler an eine bestimmte Person erinnern, benötigt diese einen eingängigen Wahlspruch. Denkbar ist auch, sich ein Wahlkampfteam aufzubauen. Seine Wähler kennenlernen Hier sollen die Schülerinnen und Schüler so gut wie möglich in Kontakt mit ihrer Wählerschaft kommen, d. h. während dieser Phase sollen sich die Jobanwärter bestmöglich in das Klassengeschehen integrieren und dabei ihre Klassenkameraden von sich überzeugen. Eine kleine Umfrage starten In diesem Schritt sollten die Klassensprecherkandidatinnen und -kandidaten die Wünsche und Erwartungen ihrer Wählerschaft herausfinden. Dafür können Freunde oder sogar zu Beginn einer Unterrichtsstunde eventuell die ganze Klasse gefragt werden. Außerdem können auch die Pausenzeiten genutzt werden, um ein Stimmungsbarometer in der Schulmensa oder auf dem Pausenhof einzufangen. Schülerinnen und Schüler, die nicht gewählt werden wollen, entscheiden sich nun für einen bestimmten Kandidaten bzw. eine Kandidatin und unterstützen diesen / diese. Schritt 2: Die Wahlkampagne Ein Wahlplakat erstellen und publizieren Das Wichtigste ist, seinen eigenen Namen publik zu machen. Deshalb sollen die Lernenden nicht unnötig viel Zeit für das Design eines Posters aufwenden, sondern vielmehr darauf achten, dass das Plakat durch Originalität und Kreativität ins Auge fällt. Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Plakate an gut sichtbaren Stellen im Klassenzimmer aufhängen und somit publik machen. Schritt 3: Die perfekte Rede In ihrer Rede sollen die Kandidatinnen und Kandidaten ihr Publikum davon überzeugen, dass sie der / die Richtige für das Amt des Klassensprechers sind. Dafür müssen sie die zu Beginn der Wahlkampagne gesammelten Meinungsbilder aufgreifen und ansprechen. Um in vollem Umfang auf die Bedürfnisse der Wählerschaft eingehen zu können, empfiehlt es sich, die Rede konsequent zu planen und niederzuschreiben. Schritt 4: Der Wahltag Am Tag der Wahl halten die Schülerinnen und Schüler nacheinander ihre Reden. Somit entsteht ein Wettbewerb und direkter Vergleich zwischen den verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten; der Rest der Klassengemeinschaft fungiert als Juroren und Wählerschaft. Didaktischer Kommentar: Der authentische Anlass einer Wahl ist mehr als nur ein spielerisches Üben der fremdsprachlichen Kompetenzen. Die gestellte Aufgabe umfasst zwar alle Fertigkeiten inklusive der fremdsprachlichen Performanz, viel bedeutender für die Altersgruppe sind aber Kollaboration und Kooperation, um das Wahlziel zu erreichen. Der kompetitive Charakter ermöglicht die Partizipation aller. Demokratisches Handeln und die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen als weitere Kompetenzenentwicklungen sind wertvolle Inhalte für einen ganzheitlichen, altersgemäßen Englischunterricht. <?page no="123"?> 122 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material 1 Information Sheet for Candidates How to Win a Student Council Election Part 1: Preparing to Get Nominated 1. Get noticed with a campaign slogan ▷ Don’t: use a crude or vulgar slogan. It turns some people off, and could get you kicked out of the race. ▷ Do: consider funny acronyms, puns, or plays on famous slogans. 2. Put yourself out there ▷ Don’t: act “fake” or pushy. 3. Find out what people actually want ▷ It’s often difficult for students to express themselves especially in front of an audience. Asking your peers one-on-one might be an easier way to get authentic answers rather than sarcasm or silence. ▷ Ask yourself what you’re looking for and see if this aligns with the answers people are giving you. Better yet, give some examples to help ease conversation. You can ask whether people want an extra school dance for example. Just remember to be realistic as the power of your position is surely limited. Part 2: Strengthening your Campaign 1. Create posters ▷ Posters are visual but should not just show but also tell. Don’t try to fit in too much text on your posters because people will tune it out. Additionally, don’t just have a cool image without your name, what you’re running for, and why you should be elected. ▷ Check for spelling and grammar errors. Make sure people can read your posters from a distance and that the fonts you choose aren’t cluttered or illegible. 2. Write your speech ▷ It’s easy to lose your train of thought when in front of the audience so having something prepared will keep your focus. ▷ It’s easy to get bored when someone begins to ramble so put yourself in your audience’s shoes and eliminate any chances of delivering a boring speech. Audiences expect a path and a destination from your speech so make sure you have both by creating an outline. ▷ Focus on keeping it simple and keep revising to reduce any contradictions, confusing language, or boring exposition. You want to get your core message across in the most memorable way possible. ▷ Don’t: write an essay. Avoid long sentences and complex arguments. ▷ Do: keep it clear, direct, and above all short. <?page no="124"?> 123 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Part 3: Deliver your speech ▷ Vary the tone of your voice to emphasize key words. ▷ Finish strong. Whether you want to end with a bit of funny theatrics or on a serious note, make sure your ending has your audience talking well after the speech because it will be the last thing that they remember. ▷ Keep it short. The attention of your audience will wane quickly. This is especially true as the size of the audience grows. Abb. 20 Klassensprecherwahl <?page no="125"?> 124 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate 5.1.2 Newspaper: Ein englischsprachiges Schülermagazin gestalten 39 Spielanleitung Anhand dieser Aktivität lernen Schülerinnen und Schüler in Teamarbeit ein Magazin bzw. eine Zeitung zu erstellen. Angefangen bei der Themenfindung über Terminvereinbarungen bis hin zu Layout-Fragen werden die Schülerinnen und Schüler mit einer Vielfalt an Themen, Aufgabenformen und Medien konfrontiert. Material ▶ Computer / Laptop / Tablet ▶ Zeichen- / Entwurfspapier ▶ Stifte ▶ evtl. eine Auswahl an verschiedenen Tageszeitungen / Magazinen zur Einführung in das Thema Sozialform Gruppenarbeit Ablauf Schritt 1: Thema finden bzw. Fokus setzen Was soll das Leitthema des Magazins werden? Handelt es sich um eine Spezialausgabe aus Anlass einer besonderen Schulveranstaltung / eines besonderen Ereignisses oder ist das Magazin Teil einer bestimmten Reihe etc.? Dabei muss vor allem an die Interessen des Publikums gedacht werden-- sollen die eigenen Mitschüler, Lehrkräfte, Eltern oder Personen außerhalb der Schule über das Thema informiert werden? Zudem zu bedenken sind die folgenden Punkte: Aus dem gewählten Thema muss ein Titel abgeleitet werden können, dabei sollte dieser nicht länger als ein bis zwei Wörter sein. Ein kurzer Titel fasst nicht nur das Thema prägnant zusammen, sondern ist auch im Hinblick auf das Design leichter umzusetzen. Worauf soll der Fokus des Magazins liegen? Schritt 2: Deadline setzen Dabei sollen sich die Schülerinnen und Schüler überlegen, wann ihr Magazin / ihre Zeitung fertig und in den Händen ihrer Leserinnen und Leser sein soll. Hier ist es wichtig, sich machbare Ziele zu setzen. Zum Herausgeben einer Zeitung gehört viel Kreativität, aber ohne Disziplin geht es dabei auch nicht. Je besser die Planung, desto besser das Ergebnis, deshalb sind im Folgenden einige Planungsrichtlinien zu finden: Zunächst wird der Erscheinungstermin festgelegt. Dabei sind auf Prüfungs-, Ferien- und Klassenreisezeiten zu achten. Anschließend wird der Zeitplan ab dem Erscheinungstermin rückwärts berechnet. Alle weiteren Termine sollten spätestens zwei Monate vor dem Erscheinen der Zeitung festgelegt werden. Wichtig ist auch, in der Druckerei nachzufragen, wie viel Zeit vom fertigen Layout bis zur Auslieferung benötigt wird (ca. eine Woche einplanen). Für Korrektur und Layout müssen ca. zwei Wochen eingeplant werden. Der Abgabetermin für Artikel und Bildmaterial liegt also ungefähr drei Wochen vor dem Erscheinungstermin. Der Abgabetermin für Artikel sollte zeitnah an der Auftragserteilung liegen. Regelmäßiges Nachfragen nach dem Fortschritt bei den Autorinnen und Autoren ist dabei nötig, besonders, wenn viel Zeit zur Verfügung steht und Erinnerungen notwendig werden. Der Anzeigenschluss fällt in der Regel mit dem Abgabetermin für Artikel und Fotos zusammen. Schritt 3: Notwendiges Designprogramm beschaffen Hierzu können online tools wie von makemynewspaper.com herangezogen werden. Diese sind in der Regel kostenlos und einfach zu bedienen. 39 In Anlehnung an www.wikihow.com/ Make-a-Magazine <?page no="126"?> 125 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Ablauf Schritt 4: Inhalte sammeln Was soll der Leserschaft mitgeteilt werden? Der Inhalt des Magazins ist auch davon abhängig, um welches Genre es sich handelt. Sollen lustige Anekdoten erzählt oder eine neutrale Berichterstattung zu einem bestimmten Thema geleistet werden? Abhängig davon setzt sich der Inhalt des Magazins zusammen. Schülerinnen und Schüler können beispielsweise folgende Genres in ihr Produkt mit einbeziehen: Artikel Kurzgeschichten Gedichte Schritt 5: Bildmaterial sammeln Selbst wenn der Fokus auf schriftlichen Inhalten liegen soll, ist ein Magazin ein visuelles Medium. Passende Bilder oder Fotografien halten das Interesse der Leserinnen und Leser aufrecht und ergänzen das Produkt um eine weitere Dimension. Dabei ist zu beachten: Ausgewählte Bilder müssen lizenzfrei sein, um nicht dem Copyright zu widersprechen. Dabei müssen Schülerinnen und Schüler auf entsprechenden Webseiten nach geeignetem kostenfreiem Fotomaterial suchen. Alternativ können die Schülerinnen und Schüler ihre Bilder auch selbst zeichnen. Dies verleiht dem Magazin eine Art art-house-Stil. Schritt 6: Das Layout gestalten Die Zeitung ist keine Sammlung einzelner Artikel, sondern ein Gesamtwerk. Das Layout verbindet die inhaltlichen Komponenten der Zeitung und hat zum Ziel, den Geschmack der Zielgruppe zu treffen. Ein Cover entwerfen Ohne dabei zu viel Spannung vorwegzunehmen, muss das Cover des Magazins Lust auf den Inhalt machen. Folgende Überlegungen können dabei helfen: Die Schülerinnen und Schüler sollen sicherstellen, dass der Titel prominent hervorsticht. Er soll gut lesbar und ein Blickfang sein, um so gut in Erinnerung zu bleiben. Was soll auf dem Cover zu sehen sein? Fotos, Portraits, Gemälde, Schlagworte etc.? Welche Schriftart soll gewählt werden? Ist diese einheitlich zu verwenden oder sollen mehrere verschiedene Fonts in Gebrauch kommen? Formalitäten festlegen Welches Papier soll verwendet werden-- matt oder glänzend? Farb- oder Schwarz-Weiß-Druck? Um Kosten zu sparen, empfiehlt sich für ein Schulmagazin meist ein Schwarz-Weiß-Druck. Soll der Inhalt später in Spaltenform oder als Blocktext erscheinen? Wie viel Platz kommt den jeweiligen Beiträgen zu? Ist die Schriftart dieselbe wie die des Covers? Schritt 7: Inhalt ordnen Nachdem sämtliche Layoutfragen geklärt wurden, kann in diesem siebten Schritt nun überlegt werden, in welcher Reihenfolge der Inhalt des Magazins angeordnet werden soll, um den Formatrichtlinien gerecht zu werden. Durch die Anordnung der Beiträge wird bestimmt, mit welchem Interesse die Leserin / der Leser das Produkt durchblättern wird. Einige Tipps zur Aufteilung des Inhaltes: Zuerst sollte ein Inhaltsverzeichnis angeführt werden. Die Artikel, Geschichten etc. sollten so angeordnet sein, dass der Hauptbeitrag irgendwo in der Mitte bzw. gegen Ende zu finden ist. Schritt 8: Korrekturlesen lassen Es empfiehlt sich, die selbstproduzierten Texte einerseits als Lehrkraft inhaltlich und sprachlich vorzukontrollieren, andererseits ein letztes Lektorat an einen englischen native speaker zu vergeben. Schritt 9: Veröffentlichung Die Schülerinnen und Schüler können ihr Magazin entweder traditionell gedruckt oder in einem online-Format veröffentlichen. Die Art der Publikation hat unter anderem großen Einfluss auf die Verwendung finanzieller Mittel und, daraus abgeleitet, auch auf die Ästhetik (vgl. Farbvs. Schwarz-Weiß-Druck etc.) des Produktes. <?page no="127"?> 126 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Didaktischer Kommentar: Die Gestaltung einer eigenen Publikation in englischer Sprache entspricht in allen Aspekten der Altersstufe pubertierender Jugendlicher: Sie bietet die Möglichkeit, kreativ, aktuell, provozierend und relevant zu sein. Dazu kommt noch der fremdsprachliche Bonus der Entwicklung von hauptsächlich schriftlicher Performanz an bedeutenden Inhalten und mit nahezu natürlicher, weil selbst nachgefragter und produktiver Korrektur. 5.1.3 Role Play: Traveling from King’s Cross London 40 Spielanleitung Unten aufgeführt (Material 1) ist eine detaillierte Spielanleitung mit konkreten Arbeitsanweisungen zu finden Material Spielanleitung inklusive konkreter Arbeitsanweisung für Rollenspielteilnehmerinnen und -teilnehmer (Material 1) Asking the way (Material 2) Buying a ticket (Material 3) In a shop (Material 4) Sozialform Einzel- und Partnerarbeit, Rollenspiel Ablauf Schritt 1: Intro Die Lehrkraft führt die Schülerinnen und Schüler in die Situation des Londoner Touristen ein (siehe Material 1) und händigt dafür direkt die Spielanleitung (Material 1) aus. Schritt 2: Teams bilden Nachdem das Szenario von einer Schülerin oder einem Schüler laut der Klasse vorgelesen wurde, bilden sich beliebige Paare, die jeweils gemeinsam Material 2 und Material 3 bearbeiten können. Schritt 3: Dialoge erarbeiten Nachdem die Schülerinnen und Schüler ca. 15 Minuten Zeit hatten sich zusammen mit dem Partner einen Dialog zu überlegen, aufzuschreiben und einzustudieren, dürfen einzelne Freiwillige ihre Ergebnisse vorstellen. Feedback ist willkommen. Schritt 4: Shop dialogue vorbereiten Jeweils individuell für sich sollen sich die Schülerinnen und Schüler in eine Situation in einem Laden hineindenken und dazu passend einen Dialog zwischen dem Angestellten und ihnen selbst, dem Einkäufer, verfassen (Material 4). Dazu erhalten die Schülerinnen und Schüler durch peer editing mit dem Sitznachbarn Rückmeldung. Didaktischer Kommentar: Anhand dieses eher traditionellen Vorgehens soll verdeutlicht werden, dass das Rollenspiel als quasi fremdsprachliches „Trockenschwimmen“ auch altersgerecht durchgeführt werden kann: Selbsterstellte Dialoge mit eigener speech intention, wenngleich mit dem Scaffolding von vorgegebenen Beispielen, lassen genügend Spielraum für sprachliche Kreativität. Das Prinzip des spielerischen Übens fremdsprachlicher Realsituationen bekommt dann zusätzliches Gewicht, wenn eine reale Reise in Aussicht steht bzw. geplant ist. Die Relevanz für die Jugendlichen liegt in der Erkenntnis von Brauchbarkeit. 40 Nach Harris 1992. <?page no="128"?> 127 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 1 Spielanleitung You have come to the UK for a month of traveling England. As a starting point for your journey you chose London and plan to head up northward from there. After a long weekend of sightseeing and walking around the big city on the Thames, it is time for you to leave England’s capital for your next destination, which shall be Cambridge. To do so, you have already looked up ways to get to the famous university city and came across the offer to take a direct train from London King’s Cross St. Pancras to Cambridge Central Station. As the hostel you are staying in is located quite close to King’s Cross, you can walk your way there and buy tickets as well as some provisions for the journey on site. However, to make sure you’re going the right way, you ask the receptionist for detailed directions before you are leaving the hostel. To sum up, your tasks are the following: ▷ ask for the way to King’s Cross, starting your footpath from Margery Street ▷ buy your ticket from King’s Cross to Cambridge ▷ buy your provisions and a magazine for the journey Abb. 21 Sich am Bahnhof zurechtfinden <?page no="129"?> 128 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material 2 41 Asking the way 41 Nach Harris 1992: 24 f. <?page no="130"?> 129 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Now, get together in pairs of two- - one is the receptionist in a hostel located in Margery St. London and the other one asks the receptionist for the way to King’s Cross St. Pancras. Find a suitable online map and get the directions. The following example of another London tourist asking a police officer the way to Westminster Abbey might help: T: Excuse me sir, how do we get from here to Westminster Abbey? O: Well, cross the road here and go down Whitehall. T: Will we see Big Ben on the way? O: Yes, keep straight on and you’ll see Big Ben on the left. Cross Parliament Square and you’ll see Westminster Abbey right in front of you. T: Thank you very much! O: You are welcome. Material 3 42 Buying a ticket You would like to buy your ticket to Cambridge. However, you are a bit unsure about how to formulate a proper request, therefore, you pay attention to what the person in the queue in front of you is saying, so that you can use that as help. Man: First class to Lincoln, please. Clerk: Single or return? Man: Return, please. Clerk: That’s 24 pounds, please. Man: When will the next train for Lincoln depart? Clerk: At 11: 02, from platform 3. Man: Will I have to change? Clerk: No sir, it’s a through train. Man: OK , thanks a lot. 42 Nach Harris 1992: 18 f. <?page no="131"?> 130 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Below, there is a timetable for upcoming trains. With your partner, act out the scene in which one of you is the person wanting to buy a ticket to Cambridge and the other one is the clerk. The Useful Words Box as well as the information below and the example above should help. 10: 50 10: 57 11: 02 11: 05 Edinburgh Leeds Lincoln Cambridge Calling at: Calling at: Calling at: Calling at: York Peterborough Peterborough Cambridge Darlington Grantham Newark North G… Newcastle Newark North G… Lincoln Edinburgh Doncaster Wakefield Westg… Leeds Platform 1 Platform 11 Platform 3 Platform 7 <?page no="132"?> 131 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 4 43 In a shop After you have bought your ticket, you check your watch: You have enough time to buy a snack and something to drink as well as the latest version of your favorite magazine for the journey. To do so, you go into the next shop. 43 Nach Harris 1992: 16 f. <?page no="133"?> 132 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Instead of acting out the scene with a partner, write down your own dialogue this time. The notes should guide and help you to form proper sentences. Use the info boxes below for additional help. 5.1.4 Decision Game: Das Wüstenspiel 44 Das Wüstenspiel (oft auch Desert Survival genannt) ist ein englischsprachiges Diskussions- und Denkspiel für beliebig große Gruppen. Es wird in drei Phasen gespielt: zuerst jeder für sich, dann in Kleingruppen und schließlich im Plenum. Pädagogisches Ziel ist es, die Erfahrungen, die innerhalb der Gruppendiskussion (Kommunikationsstrategien und -regeln, andere Meinungen evaluieren, Entscheidungsfindung etc.) gemacht werden, in die eigene alltägliche Handlungskompetenz zu integrieren. Außerdem dient es als Übung zur Teambildung und ist somit zur Steigerung der Dynamik innerhalb einer Gruppe nützlich. Spielanleitung Im Folgenden ist eine konkrete Arbeitsanweisung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Material 1) zu finden. Material Arbeitsanweisung an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Material 1) Situationsbeschreibung (Material 2) Musterlösung (Material 3) Rankingtabelle (Material 4) Allgemeine Begründungen für das Ranking von NASA -Spezialisten (Material 5) Auswertung (Material 6 ) Stift und Papier Sozialform Einzel- und Kleingruppen bzw. Plenum Ablauf Die Spielleiterin oder der Spielleiter liest den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Beginn die Situationsbeschreibung (Material 2) vor. Somit können sich diese mental auf die Spielumwelt einlassen und sich gedanklich in die gegebene Situation einfinden. Darauf folgt die konkrete Arbeitsanweisung (Material 1). Da die Aktivität zur Teambildung gedacht ist, wird das Plenum anschließend in Kleingruppen (4 bis 6 Personen) eingeteilt. Diese Kleingruppen werden während der zweiten Spielphase gemeinsam diskutieren und versuchen einen Konsens zur Lösung des Problems zu finden. Nachdem die Gruppenbildung abgeschlossen ist, händigt die Spielleiterin oder der Spielleiter jedem eine Ranking-Tabelle (Material 4) aus. Diese ist umgehend nach dem Austeilen insofern zu erläutern, als vom Spielleiter nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden sollte, die Aktivität in drei separaten aufeinander folgenden Schritten zu vollziehen: Einzel-, Gruppen- und Plenumsphase. Schritt 1: Einzelphase Jeder bewertet individuell für sich die Wichtigkeit der zur Verfügung stehenden Gegenstände (Material 4). Dabei ist 1 der wichtigste und 15 der unwichtigste Gegenstand zum Überleben in der Wüste. 44 In Anlehnung an Lafferty, C. / Pond, A 2011. <?page no="134"?> 133 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Ablauf Schritt 2: Gruppenphase Auf ein Signal der Spielleiterin oder des Spielleiters hin, finden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach zehn Minuten in den vorher geklärten Kleingruppen zusammen und wiederholen den Prozess der Bewertung und des Rankings. Dabei sollen die einzelnen Gruppenmitglieder ihren jeweiligen Standpunkt vertreten, müssen am Ende der Diskussion allerdings zu einer Gruppenentscheidung über die Wichtigkeit der jeweiligen Gegenstände gelangen. Dabei ist es wichtig und explizit noch einmal zu erwähnen, dass die Individualbewertung aus Schritt 1 nicht nachträglich auszubessern oder an das Gruppenergebnis anzupassen ist. Schritt 3: Plenumsphase Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden im Plenum befragt, wie sie bei der Entscheidungsfindung vorgegangen sind. Welche Fragen haben sie sich gestellt? Wie wurde argumentiert? Wie verlief die Entscheidungsfindung innerhalb der Gruppenphase? Haben am Ende alle Gruppenmitglieder zugestimmt? Etc. Schritt 4: Musterlösung Die Spielleitung stellt die zur Verfügung stehende NASA -Musterlösung vor (Material 3) und erläutert die vorliegenden Ergebnisse. Die Musterwerte für die jeweiligen Gegenstände werden von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer in ihre / seine Rankingtabelle in Spalte 3 übernommen. Schritt 5: Berechnung der numerischen Differenzen In diesem Schritt berechnet jede bzw. jeder die zahlenmäßige Differenz seines Individualergebnisses im Vergleich zur Musterlösung (Spalte 4) und des Gruppenergebnisses mit der Musterlösung (Spalte 5). Zur Erklärung: Falls z. B. ein Teilnehmer dem Gegenstand Handspiegel die Wichtigkeit 4 zugeschrieben hat und die Musterlösung demselben Gegenstand die Wichtigkeit 1, dann ist die Differenz der beiden Ergebnisse 3. Die Individualdifferenzen sowie die Gruppendifferenzen werden separat jeweils aufaddiert und in die dafür vorgesehene Zeile Score geschrieben. Schritt 6: Wettbewerbsauflösung Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer bzw. das Team mit dem niedrigsten Score gewinnt. Schritt 7: Debrief Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen ihre Ergebnisse insofern noch einmal reflektieren, als sie überlegen, ob sie als Team oder Individuum besser abgeschnitten haben, wer die Rolle des Moderators, des Gruppenführers etc. eingenommen hat, usw. Zusätzlich kann Material 5 als Fazit aus einem Wüstenerlebnis bzw. als Gradmesser für die individuellen Überlebenschancen genutzt werden. Didaktischer Kommentar: Das Wüsten-Szenario bietet die Gamification-Aspekte von online-Rollenspielen. Die besondere Ausgangssituation sowie das Ziel des Überlebens besitzen einen hohen Teilnahmereiz mit ebensolchem Identifikationscharakter. Da die Entscheidungen nur eine fiktive Konsequenz haben werden, begeben sich alle Handelnden nicht persönlich, sondern als sogenannte Avatare / Stellvertreter ins Spielgeschehen. Das intensiv aktivierende Aufgabenformat sowie die englischsprachigen Vorlagen lenken ab vom eigentlichen unterrichtlichen Aspekt, dem sprachlichen Kompetenzaufbau und der Performanz in der Diskussion. In der Regel verfallen die Teilnehmer von selbst in die englische Sprache, da aufgrund der englischen Spielanleitung bzw. Materialien auf Dauer ein language switching zu mühsam ist. <?page no="135"?> 134 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Die peergroup entwickelt an einer fiktiven Realsituation eine Vielzahl von beispielsweise sozialen, emotionalen oder strategischen Kompetenzen. Der stark individualisierende Verlauf mit dem finalen Feedback entspricht der Entwicklungsstufe von pubertierenden Jugendlichen. Material 1 Arbeitsanweisung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Game instructions for participants The task is to rank these items according to their importance to the individual’s / the group’s survival, starting with a “1” for the most important, to a “15” for the least important. Material 2 45 Situationsbeschreibung It is approximately 10: 00 am in mid-July and you have just crash landed in the Atacama Desert in South America. Your light twin-engined plane containing the bodies of the pilot and co-pilot has completely burned out with only the frame remaining. None of you have been injured. The pilot was unable to notify anyone of your position before the crash. However, he had indicated before impact that you were 50 miles from a mining camp, which is the nearest known settlement, and approximately 65 miles off the course that was filed in your flight plan. The immediate area is quite flat, except for occasional cacti, and appears to be rather barren. The last weather report indicated that the temperature would reach 110 F today, which means that the temperature at ground level will be 130 F, which means almost 55 degrees Celsius. You are dressed in lightweight clothing-- short-sleeved shirts, pants, socks, and street shoes. Everyone has a handkerchief 46 and collectively, you have three packs of cigarettes and a ballpoint pen. Before your plane caught fire, your group was able to salvage the 15 items listed on the Salvaged Items page. 45 In Anlehnung an Lafferty, C. / Pond, A 2011. 46 Made out of tissue. <?page no="136"?> 135 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 3 47 Musterlösung Torch with 4 battery-cells 4 Essential for night time use Folding knife 6 For cutting rope, food, etc. Air map of the area 12 To have idea of present location Plastic raincoat (large size) 7 To collect dew overnight Magnetic compass 11 Not much of any use First-aid kit 10 Everybody is safe at present 45 calibre pistol (loaded) 8 For defense. Three shots from a gun is also a recognized distress signal Parachute (red & white) 5 Use as tent Bottle of 1000 salt tablets 15 Of no use in desert 2 litres of water per person 3 For drinking. A person actually requires approx. 3,8 litres of water a day in the desert A book entitled “Desert Animals That Can Be Eaten” 13 Food is not necessarily needed in the desert. Digestion consumes water Sunglasses 9 Protection against glare 2 litres of 180 proof liquor 14 Not for drinking as alcohol causes dehydration. Useful as antiseptic only Overcoat 2 Essential protection in the desert-- clothing helps ration sweat by slowing down evaporation and prolongs the cooling effect Cosmetic mirror 1 Means of visual signaling 47 In Anlehnung an Lafferty, C. / Pond, A 2011. <?page no="137"?> 136 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material 4 48 Rankingtabelle Item Individual Ranking Team Ranking Answer Individual Error Team Error Torch with 4 battery-cells Folding knife Air map of the area Plastic raincoat (large size) Magnetic compass First-aid kit 45 calibre pistol (loaded) Parachute (red & white) Bottle of 1000 salt tablets 2 litres of water per person A book entitled „Desert Animals That Can Be Eaten“ Sunglasses 2 litres of 180 proof liquor Overcoat Cosmetic mirror Score 48 Ebd. <?page no="138"?> 137 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 5 49 Allgemeine Begründungen für das Ranking von NASA -Spezialisten ▶ During hot weather one needs to walk through the desert slowly. A short rest of 10 minutes every hour may be useful. A start early in the morning or later in the day makes the heat endurable. ▶ In the summer ground temperatures can be 30 degrees hotter than air temperature so, if possible, sitting at least 12 inches (approx. 30 cm) above the ground is recommended. ▶ Water sources can be located by digging three to six feet at the outside edge of a sharp bend in a dry streambed. Animal paths and flock of birds also may lead to water. ▶ Cactus fruit and flowers may be eaten. Split open the base of cactus stalks and chew the pith (but don’t swallow it). This can alleviate thirst. Material 6 50 Auswertung 00-25 Excellent You demonstrated great survival skills! 26-32 Good Above average results. Good survival skills. Rescued! 33-45 Average Hungry and tired but rescued! 46-55 Fair Dehydrated and barely alive. It was tough, but rescued! 56-70 Poor Rescued, but only just in time! 71+ Very poor Oh dear, unfortunately, there was no help for you. 49 Ebd. 50 Nach http: / / insight.typepad.co.uk/ lost_at_sea.pdf. <?page no="139"?> 138 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate 5.1.5 Decision Game: Lost at Sea 51 Diese Aktivität zur Teambildung erfolgt analog zum Aufgabenformat Das Wüstenspiel. Aus diesem Grund kann der Ablauf den zugehörigen Unterlagen entnommen werden. Spielanleitung Analog zu der Spielanleitung von Das Wüstenspiel Material Spielanleitung für die Spielleitung Arbeitsanweisung Situationsbeschreibung (Material 1) Musterlösung (Material 2) Rankingtabelle (vgl. Das Wüstenspiel) Auswertung (vgl. Das Wüstenspiel) Stift und Papier (von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mitzubringen) Sozialform Einzel- und Kleingruppen bzw. Plenum Ablauf siehe Aufgabenformat Das Wüstenspiel Material 1 Situationsbeschreibung You have chartered a yacht with three friends, for the holiday trip of a lifetime across the Atlantic Ocean. Because none of you have any previous sailing experience, you have hired an experienced skipper and a two-person crew. Unfortunately, mid Atlantic a fierce fire breaks out in the ships galley and the skipper and crew have been lost whilst trying to fight the blaze. Much of the yacht is destroyed and it is slowly sinking. Your location is unclear because vital navigational and radio equipment have been damaged in the fire. Your best estimate is that you are many hundreds of miles from the nearest landfall. You and your friends have managed to save 15 items, undamaged and intact after the fire. In addition, you have salvaged a four-man rubber life craft and a box of matches. 51 Nach http: / / insight.typepad.co.uk/ lost_at_sea.pdf. <?page no="140"?> 139 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 2 Musterlösung Sextant 15 Useless without the relevant tables and a chronometer Shaving mirror 1 Of all items, the mirror is absolutely critical. It is the most powerful tool you have for communicating your presence. In sunlight, a simple mirror can generate five to seven million candlepower of light. The reflected sunbeam can even be seen beyond the horizon Quantity of mosquito netting 14 There are NO mosquitoes in the middle of the Atlantic Ocean and the netting is useless for anything else 25 liter container of water 3 Vital to restore fluids lost through perspiration. 25 liters will supply water rations for your group for several days Case of army rations 4 This is your basic food intake Maps of the Atlantic Ocean 13 Worthless without navigation equipment Floating seat cushion 9 Useful as a life preserver if someone someone fell overboard 10 liter can of oil / gasoline mixture 2 The second most critical item for signaling. The mixture will float on water and can be ignited using the matches Small transistor radio 12 You would be out of range of any radio station 20 square feet of opaque plastic sheeting 5 Can be used to collect rain water and shelter from the wind and waves Can of shark repellent 10 To repel sharks, of course! One bottle of 160 % proof rum 11 Contains 80 % alcohol, which means it can be used as an antiseptic for any injuries, otherwise of little value. Very dangerous if drunk, as it would cause the body to dehydrate, the opposite of what you need to survive 15ft nylon rope 8 Could be used to lash people or equipment together to prevent being washed overboard. There are a variety of other uses, but none as important for survival 2 boxes of chocolate bars 6 Your reserve food supply Ocean fishing kit with pole 7 Ranked lower than the chocolate as there is no guarantee you will catch any fish. The plea might be used as a tent pole 5.1.6 Trial: Eine Gerichtsverhandlung nachstellen 52 Spielanleitung Für dieses englischsprachige Rollenspiel wird die Klasse in verschiedene Gruppen aufgeteilt (eine Gruppe pro notwendige Rolle, siehe unten). Die jeweiligen Kleingruppen erarbeiten anhand der Vorbereitungsrichtlinien (Ablauf, Schritt 2) ihre Materialien und Strategien für die folgende fiktive Gerichtsverhandlung. Die Gruppen bestimmen je eine Sprecherin oder einen Sprecher, der die erarbeiteten Ideen während der Verhandlung vorträgt, der Rest der Gruppe arbeitet im Hintergrund, beobachtet und schreibt Plädoyers. Die Gerichtsverhandlung endet mit einem Urteil, welches im folgenden Unterrichtsverlauf gemeinsam mit der Lehrkraft im Plenum diskutiert werden soll. 52 Nach Kalb, J. / Vormbaum, U. o.J. <?page no="141"?> 140 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material Rollenkarten mit zusätzlichen Personeninformationen (Material 1) Fallbeispiel Sozialform Rollenspiel Ablauf Schritt 1: Festlegung der Rollen Zu Beginn werden den Lernenden die Rollen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Gerichtsverhandlung zugeteilt. Dies können Richter, Staatsanwälte und Verteidiger, Angeklagte, Zeugen und Journalisten / Beobachter sein Schritt 2: Festlegung der Vorbereitung Aufgabe der Richter ist es, einen Ablauf- und Zeitplan für das Verfahren zu erstellen. Sie bestimmen auch, wer das Gespräch wann leiten wird. Anhand der Textgrundlage des Fallbeispiels tragen sie vorab bereits wichtige Informationen zusammen. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, eine Anklageschrift zu verfassen sowie eine Vernehmungsstrategie zu entwickeln. Dies geschieht auf Grundlage des Ausgangstextes. Ähnlich wie die Staatsanwaltschaft verfährt auch die Verteidigung. Jede der drei Personengruppen bestimmt eine Hauptsprecherin oder einen -sprecher. Während dieser zur Verhandlung anwesend sein wird, bereiten die übrigen Gruppenmitglieder die Plädoyers vor und beobachten das Verhandlungsgeschehen. Der Angeklagte bereitet mit Bezug auf den Ausgangstext seine Rollenbiografie vor. Diese kann stichpunktartig auf Karteikarten notiert werden. Analog verfahren die Zeugen. Zusätzlich zu ihrer Rollenbiografie schildern sie auch ihre Beziehung zu der oder dem Angeklagten. Die Journalisten stellen Informationen zum Fall zusammen und überlegen sich, aus welcher Sicht sie die Verhandlung kommentieren werden-- eher für oder gegen die oder den Angeklagten? Schritt 3: Ablauf der Gerichtsverhandlung Eröffnung durch die Richter Verlesen der Anklageschrift Vernehmung des Angeklagten zur Tat Befragung der Zeugen Verhandlungspause: Ausarbeitung der Plädoyers, Interviews etc. Vorbereitung des Urteilsentwurfs Plädoyers Urteilsverkündung Berichte und Kommentare der Journalisten Schritt 4: Reflexion Zum Abschluss dieser Einheit sollen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Lehrkraft darüber diskutieren, nach welchem Maßstab geurteilt wurde, wie gut die jeweiligen Rollen ausgefüllt wurden und inwiefern Plädoyers und Urteil schlüssig waren. Didaktischer Kommentar: Die Übernahme von Rollen in einer Gerichtsverhandlung stellt ein altersgemäßes Aufgabenformat dar: Spielerisch werden in einer fiktiven Realsituation die Handelnden durch ihre Rollenvertretungen, die Avatare, quasi ersetzt. In den Rollen besteht sprachliche Offenheit, gleichwohl mit den sprachlichen Konventionen des Kontextes als Rahmenvorgabe. Inhaltlich sind Lebensnähe und Relevanz vorgehalten. Sachliches Argumentieren und Diskutieren, die Konzentration auf Beweise und Motive sowie das empathische Hineindenken in andere, um Vorurteile zu vermeiden, stehen im Fokus dieses altersgerechten Aufgabenformats. <?page no="142"?> 141 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Material 1 53 Rollenkarten 53 Nach Kalb, J., Vormbaum, U. o.J. Häufig zitierte Gesetzesparagraphen (Auszug aus dem Strafgesetzbuch) § 25. (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter). § 46. (1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab ... § 20. Schuldfähigkeit wegen seelischer Störungen. Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. § 21. Verminderte Schuldfähigkeit. Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in §20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe (...) gemildert werden. <?page no="143"?> 142 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate 5.1.7 Exhibition: Eine Kunstausstellung organisieren 54 Spielanleitung Die Schülerinnen und Schüler einer Klasse sollen in dieser komplexen Kompetenzaufgabe eine Kunstausstellung (es sind auch beliebige andere Ausstellungsformen möglich) organisieren. Dieses Projekt eignet sich gut für fächerübergreifenden Unterricht, beispielsweise in den Fächern Englisch und Kunst. Dabei soll sich die Klasse ein Ausstellungsthema überlegen und darauf aufbauend geeignete Kunstwerke anfertigen. Dies können Bilder, Fotografien, Collagen, Skulpturen etc. sein. Zur auditiven und visuellen Untermalung der Veranstaltung werden ein Audioguide sowie ein Flyer erstellt. Dazu müssen sich die Schüler intensiv mit dem Ausstellungsthema auseinandersetzen, Hintergrundinformationen sammeln und ihre Ergebnisse und Ideen in Form von Kurzaufsätzen zu Papier bringen. Schließlich wird die gesprochene Form der Aufsätze als Audiodatei festgehalten sowie die Entwürfe des Flyers mit Hilfe eines Computerprogramms ausgearbeitet. Material ▶ pro Kleingruppe ein Ausstellungsstück (vom Thema abhängig) ▶ Audioaufnahmegerät zur Erstellung des Audioguides ▶ Computer mit Bildbearbeitungsprogramm (alternativ Word) ▶ Drucker ▶ Skizzenpapier Sozialform Arbeit in Kleingruppen und im Klassenverband Ablauf Schritt 1: Ein Ausstellungsstück erstellen Dabei ist zu bedenken: ▶ Das Kunstwerk muss transportierbar sein. ▶ Es kann lustig, kritisch, provokativ sein, aber nicht obszön, radikal, etc. ▶ Der Rest der Schule sollte von dem Kunstwerk profitieren können. Schritt 2: Einen Audioguide erstellen Die Schülerinnen und Schüler diskutieren in Kleingruppen, was die Ausstellungsbesucher über ihr Kunstwerk wissen sollten. Dazu sollen sie sich vorerst Notizen bezüglich folgender Fragen machen: ▷ Was ist auf dem Bild / der Collage etc. zu sehen? → Beschreibung des Kunstwerkes ▷ Wie wurde das Werk hergestellt? → Beschreibung verschiedener Techniken, Symbole etc. ▷ Welche Ideen werden durch das Kunstwerk ausgedrückt? Die Schülerinnen und Schüler einer jeden Kleingruppe schreiben nun einen Fließtext, in dem oben genannte Fragen beantwortet werden. Mitschülerinnen und -schüler lesen den Entwurf und korrigieren anschließend (zu Checkpoint vgl. 3.3.3). Jedes Kleingruppenmitglied liest den Text einmal laut vor. Dabei sollen sich alle Kleingruppenmitglieder bezüglich der Aussprache gegenseitig helfen. Ablauf Schritt 3: Erstellung eines Flyers In diesem Schritt arbeiten nun alle Kleingruppen gemeinsam im Plenum an der Erstellung eines Flyers. Dieser soll Mitschülerinnen und -schüler, Lehrkräfte, Eltern etc. auf die Kunstaustellung aufmerksam machen und dabei die wichtigsten Informationen zur Veranstaltung vermitteln. Die Schülerinnen und Schüler diskutieren im Plenum welche Informationen auf dem Flyer zu finden sein sollten, dabei sind folgende Punkte zu beachten: ▷ Ausstellungsort, Öffnungszeiten ▷ Gibt es geführte Touren? Stehen Audioguides zur Verfügung? ▷ Sollen Fotos ausgewählter Ausstellungsobjekte bereits als Anreiz auf dem Flyer abgedruckt sein? Die Schülerinnen und Schüler verfassen einen Text und lassen diesen gegenlesen. Schließlich werden eventuelle Unklarheiten beseitigt. Die Schülerinnen und Schüler skizzieren einen Entwurf des Flyers, um eine grobe Platzeinteilung für Text und Bild vornehmen zu können. Dabei sollte Folgendes bedacht werden: ▷ Handelt es sich um einen Farb- oder Schwarz-Weiß-Druck? ▷ Wie viele Flyer sollen gedruckt werden und welche Kosten würden entstehen? ▷ Welches Format soll der Flyer haben? ▷ Endgültige Erstellung des Flyers mit Hilfe eines geeigneten Computerprogramms ▷ Druck und Verteilung der Flyer an gut sichtbaren Stellen bzw. direkt an Personen, die gezielt eingeladen werden sollen 54 Nach Berger, M. et al. 2013. <?page no="144"?> 143 5.1 Spielerische Aufgabenformate: Gamification Didaktischer Kommentar: Die Erarbeitung der komplexen Aufgabenformate entwickelt holistisch eine Vielzahl Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen. Kooperation und Kollaboration zielen beispielsweise auf soziale Kompetenzen, fremdsprachliche Kompetenzen wie Sprechen, Schreiben und visual literacy werden besonders gefördert. Die produktionsorientierte Aufgabe der Erstellung eines audio guide und eines Flyers ist für die Jugendlichen relevant, stärkt ihre medialen Kompetenzen und lässt Raum für Individualität und Kreativität. Relevanz ist durch den reellen Anlass der Ausstellung gegeben, die für die Schule oder gar eine breitere Öffentlichkeit zugänglich sein wird. 5.1.8 Radio Play: Das Klassenradio 55 Spielanleitung Das Ziel dieses Projekts ist das Senden eines eigenen englischsprachigen Radioprogramms vor dem Untericht, in der ersten und in der zweiten Pause. Die Sendelänge beträgt somit 45 Minuten. Als Studio dient dabei das Klassenzimmer, als Radio je nach technischen Möglichkeiten mindestens eine einfache Verstärkeranlage mit CD -Player, Mikrofon und Lautsprecherboxen, die Sprechanlage der Schule oder eventuell ist auch eine Verbreitung über das Internet möglich. Material ▶ Stifte ▶ Entwurfpapier ▶ 1 Mikrofon ▶ CD -Player / Laptop ▶ Verstärker und Boxen ▶ Laptops / Computer zur Recherche und Bearbeitung des Radioprogramms Sozialform Teamarbeit Ablauf Schritt 1: Interesse wecken danach fragen, wer regelmäßig Radio hört (vgl. 3.1.1 zum Radiokonsum Jugendlicher) ▶ Evtl. Termin zum Besuch eines lokalen Radiosenders vereinbaren ▶ In der Vorviertelstunde oder der Pause Musik oder ein anderes Radioprogramm spielen und nach Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler fragen Schritt 2: Ideen sammeln Dabei sollen sich die Schülerinnen und Schüler darauf einigen, welche Programmteile gesendet werden sollen. Zur Auswahl stehen beispielsweise: ▶ Musik (Wünsche, Charts,-…) ▶ News (Sport, Regional,-…) ▶ Interviews (Mitschülerinnen und -schüler, Lehrkräfte, Anwohner,-…) ▶ Spiele (Quiz, Rätsel,-…) ▶ Witziges (Sketche, Hörspiel,-…) Schritt 3: Teams bilden und Programmteile erarbeiten Bei einer Radioproduktion sind zahlreiche Aufgabenbereiche vertreten. In diesem Schritt sollen sich die Schülerinnen und Schüler jeweils selbst einem Programmteil zuordnen. Zur Auswahl stehen dabei beispielsweise: ▶ Texte / Interviews/ … schreiben ▶ Musikumfrage starten und Musik auswählen ▶ Klassencharts erstellen ▶ Grüße sammeln und Grußkasten zusammenstellen ▶ Texte sprechen / Ansagen üben ▶ Soundeffekte / Jingles erstellen ▶ Sendezeiten einteilen 55 Nach Böttger 1997: 81 ff. <?page no="145"?> 144 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Ablauf Schritt 4: Programmteile vorstellen An dieser Stelle stellt jedes Team seinen Sendeteil vor und diskutiert folgende Fragen: ▶ Ist der Beitrag interessant und relevant? ▶ Haben die Sprecherinnen und Sprecher klar und deutlich gesprochen? ▶ Kann bei vorgestelltem Programm die Sendezeit eingehalten werden? ▶ Muss evtl. etwas gekürzt oder verlängert werden? ▶ Sind technische Verbesserungen nötig? Schritt 5: Gesamt-Sendeplan erstellen Dabei ist zu überlegen: ▶ Was passt zusammen, welche Reihenfolge? ▶ Entstehen Wiederholungen? Übergänge? Schritt 6: Überarbeitung und Reflexion In diesem Schritt sollen die Schülerinnen und Schüler folgende Punkte überdenken: ▶ positives Feedback ▶ über eventuelle Reaktionen der Zuhörer sprechen Schritt 7: Sendung 15 Minuten vor Sendebeginn kurzes Meeting aller Beteiligten mit einer letzten Kontrolle: ▶ Alle Akteure da? ▶ Texte, Musik, Technik okay? ▶ Kamera zur Dokumentation vorhanden? Didaktischer Kommentar: Die kreativen, individuellen und relevanten Ausdrucksmöglichkeiten durch eine englischsprachige Radiosendung sind altersgerecht und offen. Der Schutz des Studios ermöglicht den differenzierenden Einsatz vieler unterstützender Unterlagen und somit große Handlungssicherheit. 5.2 Musikbasierte Unterrichtsaktivitäten Im Folgenden werden einige Anregungen für den Einsatz von Musik im Fremdsprachenunterricht mit Heranwachsenden gegeben. 56 Wie bereits in 3.1 erwähnt, gilt es bei der Auswahl von aktuellen Liedern abzuwägen, ob und wie sie eingebunden werden sollen, denn in diesem Fall handelt es sich um einen Zugriff auf die Jugendkultur, deren Musik dann einer Didaktisierung unterzogen wird. Mitunter finden das Jugendliche gut, bisweilen aber erleben sie das auch als Übergriff in eine Sphäre, die sie für sich beanspruchen und gerade nicht mit den Erwachsenen teilen wollen. Daher empfiehlt es sich, die Teenager in solchen Fällen in die Entscheidung, ob ein bestimmtes Lied im Unterricht behandelt werden soll oder nicht, einzubeziehen, sie gegebenenfalls zwischen einem älteren und einem aktuellen Lied, z. B. zum selben Thema, wählen zu lassen. 57 Gerade bei Heranwachsenden stärken Möglichkeiten zur Entscheidungsbeteiligung das Selbstwirksamkeitsgefühl, und das wiederum minimiert die Gefahr, dass Unterrichtsangebote abgelehnt werden. Dies bedeutet nicht, dass die Schülerinnen und Schüler ständig in die Materialauswahl einbezogen werden müssen, aber in Fällen, 56 Hinweise zur Auswahl von geeigneten Liedern für den Fremdsprachenunterricht finden sich bei Thaler (2015: 12). Im selben Beitrag werden auch Vorschläge für „Übungen zum Hörverstehen bei musikbasiertem Fremdsprachenunterricht“ gemacht (Thaler 2015: 13). 57 Lieder sortiert nach Themen finden sich auf www.allmusic.com/ themes. <?page no="146"?> 145 5.2 Musikbasierte Unterrichtsaktivitäten die sensibel zu handhaben sind, kann ein kurzes, pragmatisch und zeitschonend durchgeführtes Votum den weiteren Unterrichtsverlauf günstig beeinflussen. Entscheidet sich die Mehrheit für den aktuellen Hit, sollte der Hörvorgang in zwei Schleifen ablaufen: Zunächst werden die Schülerinnen und Schüler gebeten, das Lied ohne Meinungsäußerungen und Bekenntnisse für oder gegen den Interpreten oder die Musikrichtung zu hören, evtl. gestützt durch eine erste Höraufgabe. Dann kann die Klasse sich aufteilen: Solche, die das Lied gerne noch einmal hören möchten, können beim Abspielgerät verbleiben, die anderen ziehen sich zur Bearbeitung einer ersten Aufgabe, z. B. das Sortieren von Textpassagen oder Aussortieren von Themen, die das Lied nicht behandelt, in einen anderen Bereich des Klassenzimmers zurück. Sie werden aufgefordert, den zweiten Hörvorgang nicht zu stören, müssen aber selbst das Lied, das sie offenbar nicht mögen, kein weiteres Mal unmittelbar über sich ergehen lassen. Wer gerne das Singen eines englischsprachigen Liedes mit einer besonderen rhythmischen Herausforderung verbinden möchte, kann mit seiner Klasse z. B. den Cup Song aus dem Film Pitch Perfect 1 einüben. Der Songtext ist frei im Internet zugänglich, tutorials finden sich auf YouTube. Es sollte aber angemerkt werden, dass das gleichzeitige Singen und Beitragen zur Rhythmuskulisse eine wahre Herausforderung ist, die einige Übung braucht oder ein Aufteilen der Klasse in Sängerinnen und Sänger einerseits sowie mit den Bechern klopfende Percussionisten andererseits, z. B. Jungen im Stimmbruch, die nicht so gerne singen, erfordert. Dann jedoch sind die Ergebnisse oft beeindruckend. Die Jugendlichen nehmen die Arbeit am Cup Song als eine Art Projekt wahr und bemerken, dass der Song eine Herausforderung darstellt, die nur durch Zusammenarbeit gemeistert werden kann. Auch, wenn inzwischen andere Filme aktueller sein mögen als dieser aus dem Jahr 2012, die Idee, beim Sprachenlernen mit Rhythmus zu arbeiten ist hochaktuell und bildet einen vielversprechenden Ansatz (vgl. Kotz 2020). Neben den klassischen Aufgaben in Zusammenhang mit Liedern, mit denen verschiedene sprachliche Ziele verfolgt werden können, z. B. Aussprache, Wortschatzerweiterung, Schreiben usw., gibt es auch clevere Ideen, um Lieder vor allem als Kommunikationsanlass zu nutzen. Darauf legen die nachfolgend dargestellten Unterrichtsimpulse den Schwerpunkt. <?page no="147"?> 146 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate 5.2.1 Lieder malen Die folgende musikbasierte, kommunikative Aktivität stellt die Adaptation eines vom British Council im Internet veröffentlichten Unterrichtsimpulses dar. Die dort eingestellten Materialien und lesson plans sind frei zugänglich und liefern Anregungen speziell für den Fremdsprachenunterricht mit Teenagern (www.teachingenglish.org.uk/ teaching-teens/ resources/ activities). Material: Lied(er), Abspielgerät Sozialform: Sitzkreis; jede Schülerin und jeder Schüler bringt ein Blatt und eine Unterlage mit, z. B. Heft oder Block, und einen Stift. Ablauf: Die Schülerinnen und Schüler bekommen folgende Aufgabe (in der jeweiligen Zielsprache): „Zeichne zur Musik, die du gleich hören wirst, was dir spontan einfällt. Wenn die Musik stoppt, gibst du dein Blatt Papier an die Person, die links neben dir sitzt, weiter und bekommst das Blatt von der Schülerin oder dem Schüler rechts von dir. Wenn die Musik wieder beginnt-- es kann dasselbe oder ein anderes Lied oder Musikstück sein-- zeichnest du deren / dessen Zeichnung weiter. Denke nicht lange nach, sei einfach spontan, denn nur so lange die Musik gespielt wird, läuft auch die Zeichenzeit.“ Falls nötig, weist die Lehrkraft darauf hin, dass von bestimmten Darstellungen, gemeint sind z. B. Phallussymbole, abzusehen ist. Nach einigen Durchgängen jeweils ca. à 20-30 Sekunden bzw. dann, wenn das Lied zu Ende ist, ist auch die Zeichenphase beendet. Nun hält jeder Lernende ein Bild in der Hand, das als Kommunikationsanlass dienen wird. Die Lehrkraft kann die jeweilige Sprechaufgabe variieren und dabei subtil differenzieren. Während schwächere Schülerinnen und Schüler aufgefordert werden können, Elemente auf der bei ihnen verbliebenen Zeichnung zu benennen oder die anderen zu bitten, Mutmaßungen anzustellen, können Leistungsstärkere z. B. folgende Aufgabe bekommen: „Stell dir vor, du hättest das Bild direkt nach dem Aufwachen gemalt. Es erzählt von dem Traum, den du letzte Nacht hattest. Wovon hast du geträumt? Was sagt das Bild darüber? “ Eine Alternative wäre, vorzugeben, dass eines der Bilder ein Foto von einem besonderen Ort wäre, der in einem Blog als Geheimtipp beschrieben wird, als ein Ort, den man unbedingt gesehen haben muss. Was wird über diesen Ort zu lesen sein? Zu dieser Aufgabe können alle Schülerinnen und Schüler Ideen beisteuern. Anmerkungen / Variationen: „Different types of music tend to produce very different pictures. Reggae or Latin American music tends to get tropical island or beach scenes, dance music tends to get cityscapes and classical or chill out tends to get more abstract pictures. Experiment and see what your students produce-[…]“(ebd.). 5.2.2 Lieder zu Lebensereignissen Durch diese Aktivität sollen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, Lieder, die ihnen aktuell gefallen oder in früheren Jahren gefallen haben, in den Unterricht mitzubringen. Die Aufgabenstellung eröffnet einen weiten Spielraum, der es den Jugendlichen ermöglicht, sich zu ihren Musikpräferenzen zu bekennen oder sich bedeckt zu halten, indem sie z. B. ein Lied auswählen, das in ihren frühen Kindertagen aktuell war und mittlerweile vielleicht schon eher ulkig wirkt. Ziel ist es, den Jugendlichen in ihrer Individualität Raum zu geben, ohne sie in Verlegenheit zu bringen und ihnen die Regie zu übergeben für das Material, das dann im Unterricht bearbeitet wird. Es erscheint sinnvoll, im Vorfeld zu klären, ob be- <?page no="148"?> 147 5.2 Musikbasierte Unterrichtsaktivitäten stimmte Genres oder Lieder ausgeschlossen werden müssen bzw. wie z.B. mit provokativen Liedtexten umgegangen werden soll. Laut SINUS-Studie (Calmbach et al. 2020: 209) ist Rap derzeit „das mit Abstand beliebteste Genre“, und in diesem Genre gibt es zwar Ausnahmen, aber daneben auch eine gewisse Dichte an Texten, die zumindest einer kritischen Auseinandersetzung bedürften. Hierbei eine möglichst reflexionsförderliche Haltung finden zu wollen, ohne moralisierend oder verurteilend zu wirken und damit sogar Trotzreaktionen hervorzurufen, ist, je nach Zielgruppe, ein mehr oder weniger realistisches Vorhaben. Im Internet finden sich zahlreiche Tipps für Lehrkräfte zum Umgang mit Rap-Texten im Unterricht. Material: Abspielgerät, je nach Material z. B. Bluetooth-Lautsprecher und Smartphone Sozialform: Partner- oder Kleingruppenarbeit für die Auswahl der Lieder (Hausaufgabe), für die Präsentation z. B. Sitz(halb)kreis ggf. mit Rängen (Reihe 1: auf Stühlen sitzend, Reihe 2: auf Tischen-- so, dass diese nicht kippen) Ablauf: Die Schülerinnen und Schüler finden sich in Zweier- oder Dreiergruppen zusammen und erhalten folgende Aufgabe: „Sucht ein englischsprachiges Lied aus, das ihr bzw. eine(r) in eurer Gruppe mit einem Ereignis in ihrem / seinem Leben verbindet, über das sie / er in der Klasse sprechen kann, z. B. ein Lied aus dem Geburtsjahr, dem Jahr der Einschulung oder dem Monat, in dem wir auf Klassenfahrt waren usw. Besorgt euch den Text und das Lied, ggf. über YouTube das Video. 58 Lieder, die indiziert, also verboten sind, kommen nicht infrage. Verratet niemandem außerhalb eurer Gruppe, welches Lied ihr ausgesucht habt! Wählt nun aus dem Text eine oder zwei Zeilen aus. Anhand dieses kleinen Textausschnitts sollen eure Klassenkameraden dann später erraten, welches Lied ihr mitgebracht habt.“ Anmerkungen / Variationen: Natürlich geht es bei der sich an die Liedauswahl anschließenden gemeinsamen Aktivität in der Klasse nicht nur darum, anhand des Textausschnittes zu erraten, welches Lied ausgesucht wurde. Vielmehr geht es darum, ein reizvolles Szenario zu schaffen, das ein hohes kommunikatives Potenzial besitzt. Im Zuge des Erratens der Lieder müssen in der Regel Fragen gestellt und beantwortet werden, Mutmaßungen sind zu formulieren und es ist entsprechend darauf zu reagieren etc. Es kann sinnvoll sein, vorab mit der Klasse eine kleine Sammlung mit für diesen Zweck wertvollen Redemitteln zu erarbeiten, damit die Schülerinnen und Schüler diese im Gespräch nutzen können. Ist das jeweilige Lied erkannt worden, möchten die Lernenden es oft auch anhören und den Text mitlesen. Einer oder einige der Liedtexte kann / können weiter bearbeitet werden, z. B. als Hörverstehensübung oder als Schreibimpuls (Liedtexte umschreiben lassen, aus einer neuen Perspektive heraus schreiben oder kommentieren lassen, beim Klassenradio (vgl. 5.1.8) vorstellen usw.). Außerdem sollen die Jugendlichen auch erfahren, mit welchem Lebensereignis das Lied in Verbindung steht, was einen weiteren reizvollen Kommunikationsimpuls setzt. Die Lehrkraft moderiert den Ablauf, unterstützt und kann sich am Raten und Rückfragen beteiligen oder auch ein Lied beisteuern, wenn dafür Interesse von den Lernenden bekundet wird. 5.2.3 Musikbilder erzählen Geschichten Diese Aktivität (vgl. www.teachingenglish.org.uk/ article/ songs-storytelling) nutzt unterschiedliche Musik, instrumental oder vokal, als Impuls zum Zeichnen. Die Zeichnungen dienen dann wiederum, als Storyline aneinandergefügt, als Erzählimpuls. Musikbilder erzäh- 58 Für eine kompakte Einführung in Merkmale von Musikvideos und deren Verwendungsmöglichkeiten im Fremdsprachenunterricht vgl. Henseler et al. 2011, Kap. 3.3. <?page no="149"?> 148 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate len Geschichten kann als Klassenaktivität im Sinne von Collective Storytelling genutzt werden oder in Gruppenarbeit, und es eignet sich auch für Vertretungsstunden. Material: Vier unterschiedliche Lieder / Musikstücke, Abspielgerät, Papier und Stifte Sozialform: Als Klassenaktivität mit Sitzkreis, als Gruppenarbeit an Gruppentischen durchgeführt, wie nachfolgend geschildert Ablauf: Die Klasse wird in Vierergruppen eingeteilt und setzt sich entsprechend an Tischen zusammen. Alle bringen Stifte mit. Jede Gruppe erhält ein Blatt Papier. Die Schülerinnen und Schüler bekommen folgenden Arbeitsauftrag: „Faltet das Blatt zweimal. So entstehen vier gleichgroße Unterteilungen. Die Erste oder der Erste nimmt nun das Blatt. Ihr oder ihm gehört eine der vier Unterteilungen, z. B. die links oben. Wenn ich gleich Musik abspielen werde, malt sie / er spontan etwas dazu. Bei Liedern könnt ihr auch etwas zum Text malen. Wenn ich die Musik ausschalte, wird das Blatt zum Nächsten weitergegeben, der in ein anderes Teil des Blattes zu der Musik etwas malt, die ich dann spielen werde usw.“ Je nach Klasse, kann auch bei dieser Aktivität der Hinweis angebracht sein, dass bestimmte Darstellungen nicht in Ordnung sind, z. B. Gewaltdarstellungen usw. Nachdem in alle vier Teile des Blattes gemalt wurde, entscheidet sich die Gruppe für eine Reihenfolge der vier Bilder und denkt sich dazu eine Geschichte aus. Die Gruppen erzählen ihre Geschichten dann im Plenum und zeigen die Zeichnungen dazu. Anmerkungen / Variationen: Die Aktivität kann auch als Schreibimpuls genutzt werden, sodass aus den Zeichnungen Texte entstehen, die in mehreren Redaktionsschleifen vom Entwurf bis zum ausgefeilten Text gemeinsam bearbeitet und schließlich z. B. auf der Schulhomepage publiziert oder im Rahmen einer Ausstellung (vgl. 5.1.7) mit Lesung präsentiert werden können. 5.3 Berücksichtigung motorischer Aspekte In Kapitel 3.2 wurde die motorische Entwicklung im Jugendalter beleuchtet und dargestellt, dass Bewegung für die Hirnentwicklung weiterhin wichtig, ein wertvoller Ausgleich zu konzentriertem Arbeiten und sogar ein Lernverstärker sein kann. Im Folgenden sollen nun einige konkrete Unterrichtsvorschläge gemacht werden, die exemplarisch und in Ergänzung zu den bereits in Kapitel 3 genannten Aktivitäten Möglichkeiten aufzeigen, wie Bewegung genutzt und Anreize zur Förderung der (Sprech)Motorik geschaffen werden können. Unter 5.2 wurden Ideen vorgestellt, wie Musik in den Fremdsprachenunterricht bei Jugendlichen eingebunden werden kann. Selbstverständlich lassen sich viele Verbindungen zwischen Bewegung, Melodien und Rhythmik, also letztlich zwischen den Themen „Musik“ und „Motorik“ herstellen. Der oben erwähnte Cup Song wäre ein Beispiel für die Verbindung zwischen Rhythmus, Sprache und Gesang, aber auch Klopfkonzerte, d. h. das freie Klopfen des Rhythmus‘ zu Musikstücken oder zu Sprache oder auch sogenannte Soundscapes, bei denen die Lernenden durch Geräusche, Gesprächsfetzen, Klopfen, Klatschen usw. gemeinschaftlich einen akustischen Rahmen für einen Text oder zu einem Thema erschaffen, verbinden musikalische und motorische Elemente. Auch eine einfache Choreografie, z. B. unter Verwendung von Standbildern oder eine Begegnung mit Square Dance können, je nach Klasse und Präferenz der Lehrkraft, im Englischunterricht hier und da verankert werden. <?page no="150"?> 149 5.3 Berücksichtigung motorischer Aspekte Im Folgenden sollen nun drei weitere Möglichkeiten vorgestellt werden, um Bewegung einzubinden bzw. sprechmotorische Anreize zu geben. 5.3.1 Moleküle Die Aktivität Moleküle zielt darauf, durch Bewegung für Abwechslung zu sorgen. Sie dient zugleich dem Herstellen zufälliger variabler Konstellationen, in denen es dann zu kurzen spontansprachlichen Interaktionen kommt. Material: Eventuell Musik, zu der die Schülerinnen und Schüler umhergehen können, alternativ wird als Impuls das Licht ein- und ausgeschaltet. Sozialform: Die Schülerinnen und Schüler bewegen sich frei im Raum und bilden auf das vereinbarte Signal hin Moleküle jeweils mit der von den Spielleitenden genannten Anzahl an Atomen. Ablauf: So lange die Musik spielt oder das Licht aus ist, bewegen sich die Lernenden frei im Raum. Sie dürfen ihre Arme und Beine ausschütteln oder sich strecken, wenn ihnen das gut tut. Wird die Musik aus- / das Licht eingeschaltet, bleiben alle wie eingefroren stehen und achten auf die Anweisung, z. B.: „Bildet Moleküle mit drei Atomen.“ Die Moleküle müssen so rasch wie möglich mit der entsprechenden Anzahl an Atomen gebildet werden, sodass Zufallskonstellationen entstehen und nicht stets die üblichen Schülerinnen und Schüler zusammenkommen. Geht die Anzahl nicht auf, darf ein Molekül vergrößert oder verkleinert werden. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dann folgenden Auftrag: „So lange die Musik aus ist / das Licht an ist, sprecht ihr bitte innerhalb eures Moleküls miteinander. Wenn die Musik wieder angeht / das Licht ausgemacht wird, löst sich das Molekül auf, die Atome wandern wieder durch den Raum.“ Ein Sprechimpuls könnte lauten: „Sprecht darüber, was euch heute schon Gutes passiert ist (jemand war nett zu euch, die Sonne scheint usw.).“ Der Musikimpuls ist eindeutiger und funktioniert mitunter reibungsloser als das Ein- und Ausschalten des Lichts, was aber nicht bedeuten soll, dass der musikalische Hinweisreiz grundsätzlich besser wäre. Das Licht ist ein subtileres Signal und überdies nicht-akustischer Art. Die Lernenden müssen wachsamer sein. Es können für die spontanen innermolekularen Gespräche, die in der Regel in drei bis vier Durchgängen ausgeführt werden, unterschiedliche Impulse gesetzt werden, zum aktuellen Unterrichtsthema passend oder frei, von der Lehrkraft gesetzt oder vorher mit der Klasse gesammelt. Weitere Beispiele: „Welches war für dich der verrückteste Tag in der Schule, den du bisher erlebt hast? Was wäre das perfekte Ziel für eine Klassenfahrt und warum? Nennt so viele englische Wörter, wie euch einfallen, die alle mit A anfangen.“ Zum Auflockern der Stimmung und als Anreiz, Mimik, Gestik und stimmliche Mittel einzusetzen, kann auch dazu aufgefordert werden, seinen Lieblingsschauspieler, Kindheitshelden oder eine Sängerin / einen Sänger nachzuahmen, während die anderen im Molekül raten, um wen es sich handelt. Anmerkungen / Variationen: Moleküle kann auch als Kennenlernaktivität oder zum Generieren von Ideen genutzt werden. Auch das Üben von Wortschatz oder das Wiederholen sonstiger Unterrichtsinhalte in wechselnden Konstellationen ist mit Moleküle möglich. <?page no="151"?> 150 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate 5.3.2 Bewegungsmemory Diese Aktivität trainiert die Konzentrations- und Merkfähigkeit (vgl. Anregungen zu Training exekutiver Funktionen in 5.4). Bewegungsmemory verbindet selbstgewählte Bewegungen z. B. mit Wortschatzwiederholung. Material: - Sozialform: Übliche Sitzordnung Ablauf: Zwei Schülerinnen oder Schüler spielen gegeneinander. Die beiden verlassen kurz das Zimmer, während die übrigen Tandems bilden und zwar möglichst so, dass nicht ausgerechnet Sitznachbarn zusammenarbeiten. Jedes Tandem wählt ein englischsprachiges Wort, z. B. aus der Vokabelliste, die zur aktuellen Unit gehört und vereinbart dazu eine Bewegung. Die Lehrkraft kann sich bei ungerader Schülerzahl beteiligen und zusammen ein Tandem mit einem Lernenden bilden. Die Lernenden setzen sich auf ihre Plätze. In einer Blitzlichtrunde stellen die Tandems rasch und in gedämpfter Lautstärke ihre Bewegungen und ausgewählten Wörter vor. Sollte es zu einer Doppelung gekommen sein, kann ein Tandem noch rasch umdisponieren. Wichtig ist, dass die beiden Spieler sich beaufsichtigt fühlen und nicht zu lange vor der Türe warten. Die Spieler werden ins Zimmer gerufen. Nun beginnt, genau wie beim klassischen Memory mit Bildern, der Ratedurchgang. Beim Bewegungsmemory führt der aufgerufene Schüler oder die Schülerin die Bewegung aus und spricht dabei das ausgewählte Wort / die Wendung. Wird von einem der Spieler ein Paar gefunden, bleibt das Tandem stehen und für den Spieler wird ein Punkt notiert. Anmerkungen / Variationen: Die Lehrkraft kann sich als einer der beiden Spieler beteiligen und gegen eine Schülerin oder einen Schüler im Ratedurchgang antreten. In diesem Fall wird eine / einer in der Klasse damit beauftragt, die Phase des Findens von Wörtern und Bewegungen zu moderieren, d. h. im Zimmer die Rolle des Spielleiters / der Spielleiterin zu übernehmen, während die Lehrkraft vor der Tür wartet (nicht in allen Klassen geeignet! ). Manche mögen die Herausforderung, gegen die Lehrkraft antreten zu können und freuen sich ganz besonders, wenn sie sie im Spiel schlagen können. 5.3.3 Zungenbrecher knacken Die Aktivität fokussiert Zungenbrecher als reizvolles Sprachmaterial und sprechmotorische Herausforderung bzw. neudeutsch Challenge. Im Internet finden sich viele Sammlungen von Tongue Twisters / Virelangues usw., aber viele Zungenbrecher sind eher für jüngere Lerner geeignet, und es gibt dort auch nur wenige unterrichtsmethodische Anregungen zum Einsatz von Zungenbrechern jenseits der Primarstufe. Mit Zungenbrecher knacken werden sowohl für Heranwachsende geeignete Tongue Twisters als auch ein unterrichtliches Vorgehen zum Training der Sprechmotorik vorgestellt. 59 59 In einem aktuellen Beitrag zur Übersetzung von Befunden aus der Hirnforschung in die Praxis (Sambanis, Grubecki et al. 2020) wird ein weiteres Verfahren zum Einsatz von Zungenbrechern vorgestellt, das sich ebenfalls besonders für Heranwachsende eignet. <?page no="152"?> 151 5.4 Emotionen und exekutive Funktionen Material: Zungenbrecher als Satzstreifen Sozialform: Plenum-- Partnerarbeit-- Plenum, z. B. Sitz(halb)kreis Ablauf: Mit Zungenbrechern stellt man sich einer besonderen sprechmotorischen Herausforderung und setzt sich mit schwierigen Lauten oder Lautfolgen auseinander. Manche Zungenbrecher lassen sich durch ein Bild veranschaulichen, bei den meisten lässt sich die Frage, warum sie eigentlich so schwer auszusprechen sind, klären, indem durch Umformulieren oder Ersetzen eines Wortes die Schwierigkeit probeweise abgefedert oder beseitigt wird. Beispielsweise lässt sich aus stupid superstition durch Ersetzen des Adjektivs z. B. silly superstition machen und damit der Zungenbrechereffekt beseitigen. Durch diese Herangehensweise kann der Weg zur Bewusstmachung der Schwierigkeit geebnet werden. Die Zungenbrecher sollen dann natürlich in ihrer ursprünglichen Form genutzt werden, dazu anregen, sich in locker-entspannter Atmosphäre diesen kniffligen sprachlichen Herausforderungen zu stellen und dabei die Sprechmotorik zu trainieren. Folgendes Vorgehen kann bei Heranwachsenden genutzt werden: Die Lehrkraft bringt eine Auswahl an Zungenbrechern auf Papierstreifen mit. Die Schülerinnen und Schüler bilden Zweier- oder Dreiergruppen. Gemeinsam verschaffen sich alle einen Überblick über das angebotene Sprachmaterial, dann nimmt jede Gruppe einen der ausgedruckten Zungenbrecher an sich. Es kann auch gelost werden und, falls eine Gruppe sehr unglücklich sein sollte mit ihrem Zungenbrecher, eine Alternative angeboten oder ein Zungenbrecher doppelt vergeben werden. Nun sollen die Gruppen Experten für ihren Zungenbrecher werden. Sie sollen ihn üben, sich überlegen, wie man ihn am besten mit anderen Lernenden trainieren kann, ob dazu etwas gezeichnet oder Bewegungen genutzt werden können. Sie können als Hausaufgabe Menschen in ihrem Umfeld bitten, den Zungenbrecher auszusprechen und sich dabei filmen zu lassen, sodass im Unterricht kleine Filme über das Mobiltelefon gezeigt werden können. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, dass die Jugendlichen dann, zurück im Plenum, versuchen sollen, den anderen in der Klasse ihren Zungenbrecher beizubringen, sodass sie die Rolle des Lehrenden annehmen. Die Gruppen können sich für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler Challenges ausdenken, z. B. alle stehen auf einem Bein und sagen den Zungenbrecher ganz schnell dreimal hintereinander. Die Zungenbrecher können im weiteren Verlauf des Schuljahres dann und wann als Puffer genutzt oder als Energizer wieder aufgegriffen werden. Anmerkungen / Variationen: Ausgewählte Tongue Twisters: Which wristwatch is a Swiss wristwatch? Santa’s short suit shrunk. Six sleek swans swam swiftly southwards. Pirate’s private property. What a terrible tongue twister! Black background, brown background. Very well, very well, very well. I thought a thought. But the thought I thought wasn’t the thought I thought I thought. If the thought I thought I thought had been the thought I thought, I wouldn’t have thought so much. She saw Sherif’s shoes on the sofa. But was she so sure she saw Sherif’s shoes on the sofa? If you notice this notice, you will notice that this notice is not worth noticing. I wish I were what I was when I wished I were what I am. 60 5.4 Emotionen und exekutive Funktionen Obschon bei allen hier dargestellten Unterrichtsaktivitäten- - den komplexeren wie auch den einfachen-- davon ausgegangen werden kann, dass bei deren Umsetzung im Unterricht Emotionen angesprochen und am Arbeits- und Lernprozess beteiligt sein werden, sollen im 60 Manche Tongue Twisters regen auch zur inhaltlichen Auseinandersetzung an. <?page no="153"?> 152 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Folgenden ergänzend vier ausgewählte Aktivitäten vorgestellt werden, die jederzeit eingesetzt werden können und nur Materialien nutzen, die ohnehin im Klassenzimmer vorhanden sind. Alle vier liefern Sprechanlässe, sollen positive Emotionen hervorrufen und Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen sowie, dies trifft besonders für das dritte Beispiel zu, exekutive Funktionen fördern. 5.4.1 Ein guter Tag! Material: - Sozialform: Übliche Sitzordnung Ablauf: Die Schülerinnen und Schüler werden gebeten, darüber nachzudenken, was ihnen an diesem Tag schon Gutes oder Lustiges passiert ist. Es können kleine und durchaus alltägliche Dinge sein, wie z. B. das Wetter, einen Euro, den man verloren glaubte, dann aber am Morgen in der Jackentasche wiedergefunden hat, eine Freistunde, die Vorfreude auf eine Party, ein lustiges Foto in den sozialen Netzwerken usw. Wichtig ist, dass es etwas ist, über das man in der Klasse sprechen kann. Die Lehrkraft gibt den Lernenden etwa zwei Minuten Zeit, um ihren bisherigen Tag Revue passieren zu lassen und nach kleinen Freudenmomenten zu filtern. Aus diesen sollen sie dann einen auswählen, den sie auf Englisch beschreiben und mit den anderen teilen können. Anmerkungen / Variationen: Ziel dieser Aktivität ist es einerseits, das Augenmerk auf die kleinen positiven Dinge zu richten, die im Alltag oftmals unbemerkt bleiben oder als Selbstverständlichkeit betrachtet werden, kurz inne zu halten und sich daran zu freuen. Tatsächlich hebt das die Stimmung und wirkt sich als unterschwelliger Reiz zunächst auf den Einzelnen sowie in der Folge auf die Atmosphäre in der Klasse aus. Aus Erfahrung mit dem Einsatz von Ein guter Tag! kann außerdem berichtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler beim Erzählen tatsächlich immer wieder Neues voneinander erfahren. Erlebnisse und Geschichten anderer Menschen sind, das ist etwas zutiefst Menschliches, interessant. Es entsteht ein echter Sprechanlass, zudem einer, der für positive Emotionen sorgt und die Vertrautheit miteinander voranbringen kann. 5.4.2 I’m happy to be in this class with you because-… Material: Musik oder akustisches Signal, eventuell beim ersten Durchgang: vorab Ideensammlung an der Tafel Sozialform: Vor dem ersten Durchgang kann in der üblichen Sitzordnung eine Ideensammlung an der Tafel entstehen. Die Aufgabe lautet: Du triffst auf eine Klassenkameradin / einen Klassenkameraden und sagst ihr / ihm etwas Nettes. Dein Satz beginnt so: “I’m happy to be in this class with you because-…“. Was könnte man einem anderen spontan Nettes sagen? Man findet z. B. beeindruckend, dass jemand noch nie den Bus verpasst hat, immer aushilft, wenn man ein Blatt Papier braucht, gute Laune verströmt, tolle Schuhe oder ein niedliches Meerschweinchen hat usw. Je nachdem, wie gut sich die Schülerinnen und Schüler verstehen, können auch persönlichere Dinge genannt werden, z. B. „Ich bin froh, mit dir in einer Klasse zu sein, weil du meine beste Freundin bist / weil du so gut zuhören kannst, wenn’s mir mal schlecht geht.“ usw. Die Ideensammlung, die natürlich in der Fremdsprache stattfindet, kann bei wiederholtem Einsatz der Aktivität entfallen. Im Anschluss: variable Konstellationen von jeweils zwei bis drei Schülerinnen und Schülern. <?page no="154"?> 153 5.4 Emotionen und exekutive Funktionen Ablauf: Durch eingespielte Musik, beispielsweise vom Mobiltelefon der Lehrkraft, wird das Signal zum Umhergehen im Raum gegeben. Stoppt die Musik (alternativ gehen die Lernenden ohne Musik durch den Raum und die Lehrkraft klatscht), finden sich die Lernenden blitzschnell in Zweier- oder auch Dreiergruppen zusammen. Nun sagt jeder dem anderen oder der anderen etwas Nettes, beginnend mit „I’m happy to be in this class with you because-…“. Nach einigen Durchgängen wird die Aktivität beendet und kurz die Möglichkeit gegeben, zu berichten, worüber man sich besonders gefreut hat. Anmerkungen / Variationen: Bei Heranwachsenden ist es sinnvoll, vorab ganz klar zu kommunizieren, dass sich bei dieser Aktivität jeder bemüht, dem anderen etwas Freundliches zu sagen. Völlig inakzeptabel wäre es, etwas Verletzendes zu sagen, selbst wenn es in scheinbar nette Worte gekleidet wird. Keine Gemeinheiten! Die Lernenden sollen erleben, wie gut es tut, etwas Nettes gesagt zu bekommen, und selbst eher oberflächliche Freundlichkeiten, wie z. B. das anerkennende Erwähnen eines Kleidungsstückes oder des Musikgeschmacks, lösen Freude aus. Und das ist Ziel der Aktivität: Anderen mit netten Worten eine Freude machen und sich selbst freuen. Ein guter Tag! und I’m happy to be in this class with you because-… haben ähnliche Potenziale und Effekte auf die Lernenden. 5.4.3 Yes, let’s! Die Aktivität geht zurück auf den gleichnamigen von John Hudson (2013: 16) als Training Game vorgeschlagenen Impuls. Hudson empfiehlt, Yes, let’s! in Kleingruppen oder mit der ganzen Klasse durchzuführen. Da die Aktivität hier in den Kontext des Themas „Emotionen“ gestellt wird-- sie ließe sich auch dem Bewegungslernen zuordnen-- erscheint die Durchführung mit der gesamten Klasse geeigneter, um das Gemeinschaftserleben zu stärken. Vor dem ersten Durchgang empfiehlt es sich, zusammen mit den Schülerinnen und Schülern rasch am Whiteboard oder an der Tafel eine kleine Liste anzulegen mit Äußerungen, die sich als Bewegungen darstellen lassen. Bei größerer Zurückhaltung und geringerem Wagemut der Klasse bzw. der Lehrkraft können eher gewöhnliche Handlungen gesammelt werden, bei denen man keine Scheu zeigen muss, sie darzustellen. Beispiele wären: ein Buch lesen, eine WhatsApp-Nachricht schreiben, durch ein Fernglas schauen. Die Lehrkraft kann aber auch anregen, mutigere Vorschläge zu machen, z. B. stelzen wie eine schläfrige Giraffe, von einer Biene gestochen werden, auf Glatteis ausrutschen. Danach stellen sich alle im Kreis oder, wenn die Tafel für die Ideensammlung verwendet wurde, in einem Halbkreis auf und das Spiel beginnt. <?page no="155"?> 154 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material: Evtl. Tafel für eine Ideensammlung vorab Sozialform: Kreis oder Halbkreis im Stehen Ablauf: Die Lehrkraft-- bei weiteren Durchgängen kann gleich eine Schülerin oder ein Schüler beginnen-- gibt eine erste Anweisung, beginnend mit „Let’s-…“, z. B. „Let’s open a present.“ Die Klasse antwortet zunächst: „Yes, let’s! “ Damit drücken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Zustimmung aus, signalisieren Verstehen und ‚zwingen‘ ihr Gehirn zur Anwendung zweier exekutiver Funktionen, nämlich der Inhibition (die Bewegung darf nicht sofort ausgeführt werden) und des Working Memory (die Anweisung muss im Arbeitsgedächtnis gehalten werden, vgl. 3.3.3). Dann setzen alle, auch die- oder derjenige, der die Anweisung gegeben hat, das Gesagte in Bewegungen um. Auch Geräusche sind erlaubt, z. B. in diesem Fall das Geräusch des Aufreißens von Geschenkpapier oder ein erfreutes „O! “ beim Erblicken des imaginierten Geschenks. Für die zweite Anweisung ist der Lernende zuständig, der im Uhrzeigersinn als Nächster in der Reihe steht. Er kann sich selbst etwas ausdenken oder aus den vorab gesammelten Ideen auswählen. Anmerkungen / Variationen: Mit der Zeit lassen sich Anweisungen in kleine Szenarien einbetten und durch gemeinsames Handeln umsetzen, z. B. „Look, there’s an alligator crossing the road. That’s dangerous. Let’s catch the alligator and bring it to the nearest swamp! “ Nach „Yes, let’s! “ richtet sich die Aktion dann auf das gemeinsam imaginierte Ziel, nämlich in diesem Fall darauf, den Alligator zu fassen und so von der Straße zu bringen, dass er niemanden beißt und sich in Sicherheit bringen kann. 5.4.4 Conscience Alley Heranwachsende befinden sich oft in Situationen, in denen sie eigentlich innehalten und überlegen sollten, welche Folgen eine Entscheidung haben könnte bzw. welche Handlungsalternativen sich bieten. Es ist kein Geheimnis, dass sich Jugendliche damit eher schwertun und zu schnellen, emotionsgeleiteten Entscheidungen, z. B. der, Eindruck auf Gleichaltrige zu machen, tendieren (vgl. 3.3). Eine Entschleunigung von Entscheidungssituationen kann wertvoll sein, und auch in anderen Situationen ist Slow Thinking, das Abwägen von unterschiedlichen Positionen sowie das Sich-Hineinversetzen in andere Sichtweisen oftmals erforderlich, fällt aber, wie gesagt, Jugendlichen nicht immer leicht. Mit Conscience Alley, einer Aktivität, die mitunter in ähnlicher Form auch von Dramapädagoginnen und -pädagogen empfohlen wird, können Argumente und Gegenargumente bzw. unterschiedliche Positionen und mögliche Handlungskonsequenzen in ein Szenario überführt werden, das den Prozess des Abwägens und schließlich der Entscheidungsfindung sichtbar und erlebbar macht. Conscience Alley kann genutzt werden, um tatsächliche Entscheidungen abzuwägen, z. B. das Ziel der nächsten Klassenfahrt oder um z. B. die Zerrissenheit eines Charakters aus einem Text sichtbar zu machen usw. <?page no="156"?> 155 5.5 Kreativität Material: Evtl. Stift und Papier Sozialform: Schülerinnen und Schüler, bis auf 1-2, bilden zunächst Murmelgruppen und stellen sich dann als Spalier auf. Ablauf: Die Klasse wird zunächst in zwei Gruppen eingeteilt und eine Person ausgewählt, die am Ende eine Entscheidung treffen soll. Die eine Gruppe nimmt die Pro-Position ein, die andere die Contra-Position. Stehen zwei Optionen zur Wahl, z. B. zwei Lieder zur Bearbeitung im Englischunterricht, sucht die eine Gruppe Argumente für X, die andere für Y. Danach stellen sich die Schülerinnen und Schüler als Spalier auf, die Pro- / X-Position auf die eine Seite, die Contra- / Y-Position auf die andere. Die- oder Derjenige, die / der entscheiden soll, geht nun langsam durchs Spalier: Dabei wird ihr / ihm zuerst von der einen Seite ein Pro-Argument geliefert, dann von der anderen ein Contra-Argument usw. Am Ende des Spaliers wird zusammengefasst, welche Argumente überzeugt haben und die Entscheidung getroffen bzw. eine begründete Meinungsäußerung getätigt. Anmerkungen / Variationen: Es ist auch denkbar, dass die Lehrkraft durch das Spalier geht und ihr auf diese Weise Argumente der Schülerinnen und Schüler zur Kenntnis gebracht werden. 5.5 Kreativität Viele der bereits vorgestellten Unterrichtsaktivitäten sind kreativitätsorientiert (z. B. die musikbasierten Arrangements) und fördern divergentes Denken in Form von Ideengenerierung, Zusammentragen und Abwägen verschiedener Argumente und Lösungswege usw. In Ergänzung zu diesen Vorschlägen und den bereits in Kapitel 3.6 zu Kreativität dargelegten, sollen im Folgenden aus der Fülle der Möglichkeiten exemplarisch zwei weitere Unterrichtsaktivitäten herausgegriffen werden und zwar eine, die auf Kollaboration basiert und die Neugier der Lernenden adressiert und eine zweite, die eine Zusammenschau der Unterrichtsinhalte kollaborativ und performativ umsetzt. 5.5.1 1000 Arten eine Socke zu benutzen 61 Diese Gruppenaktivität nutzt dieselbe Grundidee wie manche Kreativitätstests: Man gibt einer Person einen Alltagsgegenstand, setzt ein Zeitlimit und stellt die Person vor die Aufgabe, innerhalb dieses Zeitfensters so viele unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten für den Gegenstand, z. B. für eine saubere Socke, zu finden, wie möglich. 61 Den Anstoß zur Aufnahme der Aktivität in diese Sammlung gab ein Referat der beiden Studierenden Christin Ehret und Doreen Linke an der FU Berlin. Es gelang ihnen, einen gesamten Kurs mit dieser Aktivität zu begeistern und höchste Aktivität und Produktivität zu erzeugen. <?page no="157"?> 156 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate Material: Verschiedene Gegenstände, z. B. Kleidungsstücke, Schulsachen wie Buch, Radiergummi usw., geeignete Küchengeräte, Plüschtiere; Stift und Papier für Notizen Sozialform: Schritt 1: Gruppenarbeit in der Regel in zwei Phasen (Einzelgruppe → zwei Gruppen zusammen) Schritt 2: Plenum Ablauf: Die Schülerinnen und Schüler finden sich in Gruppen von 3-5 zusammen bzw. werden von der Lehrkraft oder nach dem Zufallsprinzip eingeteilt. Jede Gruppe darf sich einen Gegenstand auswählen. Die Lehrkraft setzt ein Zeitlimit von 8-10 Min. und erklärt den Schülerinnen und Schülern, dass sie später ihre Ideen der Klasse auf Englisch präsentieren werden. Die Gruppen suchen möglichst viele Verwendungsmöglichkeiten-- realistische oder auch lustige-- für ihr Objekt. Hat sich beispielsweise eine Gruppe für eine Socke entschieden, so könnte sie zu dem Schluss kommen, dass die Socke als Fäustling getragen werden könnte oder vom Haustier als Mütze. Sie könnte auch als Putztuch dienen, mit Sand gefüllt als Türstopper, als Aufbewahrungsbehälter für Kleingegenstände, als Geldbeutel, als Teeei oder Kaffeefilter herhalten usw. An die Phase des Sammelns von Ideen schließt sich eine erste Phase des Austauschs zwischen den Gruppen an: jeweils zwei Gruppen kommen zusammen, präsentieren einander das gewählte Objekt und stellen ihre Ideen vor. Gemeinsam wird eine Hitliste der drei besten Verwendungsideen erstellt, die dann in der abschließenden Gesamtrunde vorgestellt werden (bei zeitlichem Engpass kann diese Phase entfallen und sich direkt die Plenumsphase anschließen). Durch das Vorstellen in der Klasse wird die Neugier der Lernenden darauf, welches Objekt die anderen ausgesucht und welche Ideen sie dazu gefunden haben, angeregt und befriedigt, die Ideen werden honoriert, und es können auch gemeinsam noch weitere Verwendungsmöglichkeiten gesammelt werden. Anmerkungen / Variationen: Beim Finden von Verwendungszwecken kommen die Schülerinnen und Schüler miteinander in Kontakt, sie fordern ihre Kreativität heraus, benennen und beschreiben die Objekte samt möglicher Verwendungsarten, formulieren gemeinsam (auf Englisch, da sie wissen, dass sie ihre Ideen später in der Fremdsprache vortragen werden) und machen in der Regel auch Notizen, sodass sowohl das interaktionale und intentionelle Sprechen als auch das Schreiben in der Fremdsprache trainiert wird. Das Hantieren mit dem Objekt, das in der Regel die Generierung von Ideen begleitet und stützt, gibt den Lernenden die Möglichkeit, auch haptische Impulse zu verarbeiten. Zum Honorieren von Ideen und Beiträgen kann bei Aktivitäten wie dieser ein gemeinsamer Applaus zum Klassenritual werden. Er bestätigt die Vortragenden, unterstreicht das Gemeinschaftserlebnis und sorgt für positive Emotionen. 5.5.2 Sales pitch Oftmals bringt es der Trubel des Alltags mit sich, dass Unterrichtsstunden keinen eigentlichen Abschluss erhalten, manchmal zerfließt die Interaktion einfach, oder es müssen am Ende noch ganz schnell Ankündigungen gemacht bzw. Hausaufgaben erteilt werden. Das ist durchaus nachvollziehbar, aber zugleich auch bedauerlich, denn mit einer gestalteten Abschlussphase kann man den Effekt des gesamten Unterrichtsereignisses positiv verstärken. Mit einem methodisch ansprechenden, im besten Fall sowohl kognitiv als auch kreativ anregenden Schlussakkord, wird die Chance erhöht, das episodische Gedächtnis der Lernenden zu adressieren. Die Bedeutung der Schlussphase des Unterrichts sollte insgesamt nicht unterschätzt werden, denn es bleibt uns oftmals das besonders in Erinnerung, was wir zuletzt erlebt haben (recency effect) oder auch das, womit ein Ereignis begonnen hat (primacy effect). <?page no="158"?> 157 5.6 Mindful exercises Mit sales pitch soll im Folgenden ein Vorschlag unterbreitet werden, der in Seminaren an der FU sowie in Unterrichtsstunden eingesetzt wurde und sich als motivierend, oftmals überraschend und abwechslungsreich erwiesen hat. 62 Zum Ende der Unterrichtsstunde werden einige Minuten zunächst für eine Rückschau genutzt-- das Zeitfenster kann durchaus knapp bemessen sein, es soll sehr gezielt nachgedacht werden: Was wurde heute thematisiert? Welches waren wichtige Punkte oder Kernbotschaften? usw. Damit werden die Lernenden dazu angeregt, sich zu erinnern, was zur Erhöhung der Stabilität der noch zerbrechlichen Repräsentationen im Gehirn beiträgt. Die Lernenden sollen jedoch, hier kommt das kreative Moment zum Tragen, nicht einfach inhaltliche Punkte erinnern und notieren, sondern sie sollen diese gleich so gedanklich und sprachlich formen, dass die wichtigen Punkte als Verkaufsargumente in einem sales pitch genutzt werden können. Mit dem pitch soll nämlich für das Thema geworben werden, es sollen Argumente dafür vorgebracht werden, warum es wichtig ist, sich damit zu beschäftigen. Der Auftrag an die Lernenden lautet also: Nutze die inhaltlichen Punkte, die du dir notiert hast zu unserer Stunde heute, und lasst uns daraus einen pitch machen, der überzeugt und mitreißt. Die letzten zwei bis drei Minuten der Stunde werden dann für den sales pitch genutzt. Die höchste Aktivität wird erreicht, wenn, anstelle eines einzelnen Lernenden, reihum von verschiedenen Schülerinnen und Schülern „Verkaufsargumente“ vorgebracht werden. Das ermöglicht außerdem ein Gemeinschaftserleben und das gegenseitige Anregen, weitere Punkte zu erwähnen und somit den pitch überzeugend und inhaltlich fundiert zu gestalten. Zum Vertrautmachen mit dem Vorgehen kann die Lehrkraft beim ersten Einsatz im Unterricht den pitch übernehmen, basierend auf den Argumenten, die ihr von den Lernenden zur Verfügung gestellt werden. Der sales pitch kann immer wieder eingesetzt werden, im Wechsel mit anderen Schlussaktivitäten. 5.6 Mindful exercises Achtsamkeit ist besonders für die psychisch und physisch unruhige Zeit der Pubertät ein altersgerechtes psychotherapeutisches Konzept (vgl. Kap. 3.5). Stressreduktion, Konzentrationsübungen und Aufmerksamkeitsstrategien sind geeignet, die kognitive Kontrolle über die eigenen Handlungen zu behalten (vgl. präfrontaler Kortex Kap. 1.2; vgl. Farb et al. 2007; Grabenhorst / Rolls 2011). Unkontrollierte emotionale Befindlichkeiten werden durch den gezielten Einsatz vor, während und nach psychisch belastenden Momenten wie z. B. Prüfungen zunehmend für die Jugendlichen kontrollierbar (vgl. 3.6.4 zu Power Posing). Da Achtsamkeit sowohl in medizinischen Bereichen als auch in der Psychotherapie Anwendung findet und 62 Den ersten Anstoß gab eine schöne, im Cornelsen Magazin vorgestellte Aktivität, die dort Kaffeefahrt heißt (www.cornelsen.de/ magazin/ beitraege/ 5-sinnvolle-unterrichtsabschluesse). Sie wurde umbenannt, da Kaffeefahrten selten in der direkten Erlebniswelt von Jugendlichen vorkommen, vielen aber der sales pitch durch die Fernsehsendung Höhle der Löwen bekannt ist. Auch der Ablauf der Aktivität wurde geändert mit dem Ziel, alle oder zumindest möglichst viele Lernenden am eigentlichen pitch zu beteiligen. <?page no="159"?> 158 5. Fundus Unterrichtspraxis-- kommunikative Formate keinesfalls dilettiert werden darf, können für den Einsatz im Unterricht, speziell im Sprachunterricht, auch nur reduzierte und einfache Übungen zur Anwendung kommen. Diese zielen in erster Linie darauf ab, dass Jugendliche lernen und erfahren, ▶ sich selbst besser wahrnehmen zu können (Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Körper, Verhalten) (vgl. Craig 2002: 655 f.), ▶ eigene Gedanken- und Verhaltensmuster reflektieren zu können, ▶ mit psychisch anstrengenden und schwierigen Situationen wie Angst besser umgehen, sie besser einschätzen und dadurch angemessen handeln zu können (vgl. Hölzel et al. 2007: 16 ff.), ▶ sich empathisch in andere hineinzuversetzen und somit mitfühlender zu werden sowie ▶ sich schneller beruhigen, konzentrieren zu können und somit auch geduldiger und aufnahmefähiger werden zu können. Speziell für den Sprachunterricht sind auf diese Weise bereits erlernte bzw. erworbene Kompetenzen besser abruf- und einsetzbar. Achtsamkeit kann zusätzlich helfen, negative Gedanken und Gefühle in eine mitfühlende, freundliche Haltung umzukehren und somit die Basis für Kommunikation zu schaffen. Die nachfolgenden Einstiegsübungen bieten eine Auswahl an möglichen Achtsamkeitsmeditationen für den Unterricht. Geeigneterweise werden sie an psychisch belastenden Tagen in Prüfungszeiträumen, aber auch gezielt täglich zum Aufbau von Konzentrationsroutinen Abb. 22 Atmen <?page no="160"?> 159 5.6 Mindful exercises eingesetzt. Solche Achtsamkeitsrituale zu etablieren bedeutet feste Zeiten für sie festzulegen bzw. sie parallel zwischendurch einzusetzen. Den Jugendlichen wird so klar, dass mit ihnen scheinbar langweilige Phasen auch zur Verbesserung des eigenen psychosomatischen Befindens genutzt werden können: Wartezeiten an einer Ampel, in einer Warteschlange an einer Kasse, im Wartezimmer beim Arzt, in Pausen, bei der Busfahrt zur Schule, in unterrichtlichen Leerlaufphasen etc. Der zeitliche Umfang ist individuell und überschaubar: Von einer Minute bis zu einer Viertelstunde- - Übung führt zur Routine, somit zur schnelleren Konzentrationsfähigkeit und mehr Selbstkontrolle. Die Meditationshaltung ist ebenfalls eine individuelle. Die Sitzhaltung auf Sitzkissen, Matten, Stühlen, Bänken muss schmerzfrei, bequem, angenehm und aufrecht sein. Die aufrechte Sitzposition entlastet die Wirbelsäule. Sitzpositionen mit gekreuzten Beinen sind zu Beginn nicht zu empfehlen, da die Knie zu sehr belastet und der Druck auf den Ischiasnerv zu groß sein kann. Dies ist abhängig vom individuellen Beweglichkeitsgrad. Der Bauchraum ist gestreckt um eine tiefe Atmung zu ermöglichen, die Augen sind üblicherweise geschlossen, wenn dies als angenehm empfunden wird. 5.6.1 Einstiegsübung: Atmen lernen Atmung ist ein automatischer, ungesteuerter und unbewusster Vorgang, dem wenige Beachtung geschenkt wird. Das Herzkreislaufsystem reguliert die Atmung je nach Sauerstoffbedarf. Vice versa ist das ebenfalls möglich: Über gezielte Atemtechniken können Blutdruck, Herzschlag und Sauerstoffsättigung des Blutes herunterreguliert werden. Für die Reduktion von Stress und Anspannung ist diese Übung eine einfache und unkomplizierte, die dennoch etwas Routine verlangt. Jugendliche spüren den Erfolg schnell, da sich in der Regel für sie gerade negativ emotionale Situationen durch einfaches Augenschließen und gezieltes langes Ausatmen wieder unter eine subjektive Kontrolle bringen lassen. Das einfache Gefühl, dazu in der Lage zu sein, führt zu zunehmendem Selbstbewusstsein, das gerade in kommunikativen Situationen, also auch im Sprachunterricht, relevant ist. Für diese Achtsamkeitsübung wird die Wahrnehmung ganz bewusst auf die Atmung gelenkt. Der Ablauf: 1. Die Augen werden, wenn ohne Unbehagen möglich, geschlossen, eine Hand liegt flach auf dem Bauch. 2. Tiefes Einatmen durch die Nase „in den Bauch hinein“ mit der Vorstellung, einen Duft aufzusaugen, der sich im Körper verteilt. 3. Ausatmen durch den Mund, wie beim Ausblasen einer Kerze. 4. Ein- und Ausatmen dauern jeweils etwa fünf Sekunden. 5. Die Stellung zwischen Sitzen, Stehen und Liegen kann bewusst gewechselt werden. <?page no="161"?> 5.6.2 Gemeinsame Übung in der Klasse: Bodyscan Der Bodyscan verbessert vor allem die Körperwahrnehmung. Durch die ruhige Atmung und die Ablenkung der „Körperreise“ können Blutdruck und Herzfrequenz verringert werden. Nacheinander werden beim Bodyscan ausgewählte Bereiche des Körpers gedanklich bereist. Leitet die Lehrkraft die Übung im Plenum, können die Anweisungen auch auf Englisch gegeben und somit das Hörverstehen geschult werden: Abb. 23 Gruppenmeditation ▶ Make sure, you sit or lie comfortably and that your arms are placed next to your body or on your thighs. ▶ Start breathing in and out deeply. On exhaling, close your eyes and slowly relax. ▶ As soon as you realize that your thoughts are drifting, focus your attention and concentration back to the specific region of the body. ▶ Start with your feet; try to feel, which parts of your feet are touching the floor or the mats and be aware of your heels, the soles of your feet, your toes and your instep. ▶ Feel your lower thighs, your calves and shins. ▶ Now, focus your attention on your knees, your upper thighs and feel, where your upper thighs are touching the mats or the chair. ▶ Concentrate your attention on your stomach. Breathe deeply into your stomach and then feel, how your abdominal wall is raised and lowered. <?page no="162"?> 161 5.6 Mindful exercises ▶ Feel where your back fits closely. Are your lower back muscles relaxed? Make sure your shoulders are loosely hanging down. ▶ Now, relax your face; make sure your lower jaw is relaxed and your eyelids touch loosely. ▶ Next, feel your arms. Be aware of where your arms are laid out and feel your upper arms, your elbows, your lower arms and your fingers. ▶ Prepare to finish this exercise. When you next exhale, open your eyes. Take a few deep breaths; now stretch and straighten yourself. 5.6.3 Kurze Einzelübung: Notizen machen Die Übung kann jederzeit überall eingesetzt werden, auch und vor allem in bzw. vor stressreichen Situationen wie beispielsweise Präsentationen. Aus ihnen kann gedanklich für einen kurzen Moment quasi geflohen und sich konzentriert auf sie vorbereitet werden. Dazu zieht man sich aus der Situation in einen ruhigen, abgeschlossenen Raum oder eine stille Ecke zurück. Die Konzentration gilt dann den Fragen, die sich der Meditierende selbst innerlich stellt: ▶ Wie geht es meinem Körper gerade? Schwitze ich? Friere ich? Bin ich angespannt? Atme ich schnell oder langsam? ▶ Ich stelle mir vor, wie ich gerne sein würde: ausgeglichen und entspannt. ▶ Was denke ich gerade? Was könnte ich alternativ denken? ▶ Ich stelle mir etwas Schönes vor. ▶ Was fühle und empfinde ich in diesem Moment? Fühle ich mich wohl-- und wenn nicht, welcher Gedanke hilft mir, mich wohlzufühlen? ▶ Ich freue mich auf die Herausforderung und versuche zu lächeln. Neben diesen ersten Übungen gibt es unzählige weitere, die bewusstes Wahrnehmen des eigenen Körpers und seiner Funktionen, der Umwelt sowie der Menschen um sich selbst herum schulen, z. B.: ▶ sich selbst entschleunigen und in Zeitlupe bewegen, ▶ bewusst gehen und Fußspuren hinterlassen wollen, ▶ in die Stille lauschen und Geräusche identifizieren, ▶ Dinge bewusst erfühlen und Oberflächen ertasten oder ▶ die Sichtweise ändern und alles z. B. aus der Vogelflugperspektive sehen. Sie alle führen dazu, dass nicht nur Jugendliche sich und anderen mehr Aufmerksamkeit schenken (vgl. Lutz et al. 2009: 163 ff.) und zuversichtlich Kontakt aufbauen sowie in kommunikative Interaktionen eintreten können. In fremdsprachlicher Kommunikation ist der empathische Dialog eine unverzichtbare Gelingensbedingung. <?page no="164"?> 163 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Albert, M., Hurrelmann, K., Quenzel, G., Shell Deutschland Holding GmbH & TNS Infratest Sozialforschung (Hrsg.). (2015). Jugend 2015: eine pragmatische Generation im Aufbruch (Originalausgabe). Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch. Alekseeva, I. G., Lapina, G. P., Tulovskaia, Z. D. & Izmaĭlova, V. N. (1975). 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Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH. <?page no="178"?> 177 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Hormonausschüttung (nach Tefi) (angepasst) © Shutterstock 12 Abb. 2 Nichtlineare Reifungsprozesse von subkortikalen und präfrontalen Hirnarealen (Casey et al. 2008) 13 Abb. 3 Entwicklungsphasen (nach Böttger 2016: 60) (erweitert) 14 Abb. 4 Volumenänderung im Gehirn (nach Giedd et al. 1999: 861 ff.) 15 Abb. 5 Synaptische Verbindungen vom 10. Lebensjahr (links) bis zum Ende der Pubertät (rechts) (nach Geo kompakt 45/ 2015: 48) 16 Abb. 6 Dynamischer Umbau der grauen Substanz durch Myelinisierung (nach Gogtay et al 2004: 8178) 17 Abb. 7a und b Entwicklung der kognitiven Kontrolle in der Adoleszenz (a) bzw. nach der Adoleszenz (b) (nach Geo kompakt 45/ 2015: 47) 19 Abb. 8 Genderabhängige Myelinisierung (nach Blakemore 2006: 165) 20 Abb. 9 Verschobener Biorhythmus bei Teenagern (nach Hirshkowitz, M. 2015, National Sleep Foundation) 23 Abb. 10 Werte Jugendlicher (nach Albert, M. et al. 2015, Shell Jugendstudie) 25 Abb. 11 Schweigen und Verweigerung (nach Iakov Filmonov) © Shutterstock 40 Abb. 12 Behaltensleistung (nach Schilf 2016: 41) 64 Abb. 13 Sprechangstlevel bei Heranwachsenden (nach Priewe Redondo 2014: 50) 86 Abb. 14 Impulskarte Umkehrmethode (eigene Abbildung) 102 Abb. 15 Beispiel für high-power pose (eigene Abbildung) 107 Abb. 16 Beispiel für low-power pose (eigene Abbildung) 107 Abb. 17 Voraussetzungen einer altersgerechten Differenzierung (eigene Abbildung) 112 Abb. 18 Ausschnitt aus einem englischen Leistungstest 5. Klasse Bayern (eigene Abbildung) 113 Abb. 19 Feedback loop (nach Goetz 2011) 116 Abb. 20 Klassensprecherwahl (Iassedesignen) © Shutterstock 123 Abb. 21 Sich am Bahnhof zurechtfinden (alice-photo) © Shutterstock 127 Abb. 22 Atmen (nach Shih 2016) 158 Abb. 23 Gruppenmeditation (nach Sergey Nivens) © Shutterstock 160 <?page no="179"?> 178 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Abgrenzungsverhalten 69 f. Academic confidence 104 ACC 73 Acetylcholin 43, 95 Achtsamkeitsmeditationen 158 Adoleszenz 9 ff., 18, 20 f., 51, 56 f., 76 f., 85, 91 affective 62, 99 Aktivierungsmuster 55, 58, 62, 76 f., 81, 95 Alphabetisierung 91 Altersgenossen 26, 117 Altersgruppe 11, 25, 80, 84, 98, 100, 121 Amygdala 18, 72 f., 79, 105, 118 Angst/ anxiety, Angsterkrankungen 14, 24, 43, 54, 71, 81, 85 ff., 101, 105, 158 Anstrengungsbereitschaft 96 anterior 17 Areale 11 f., 16 f., 21, 45, 73, 79, 95 Aufmerksamkeit 18, 26, 34, 38 f., 43, 48, 55, 61, 65, 70, 72, 74, 80, 94 ff., 98, 161 Aufmerksamkeitsstörungen 96 Aufmerksamkeitsstrategien 157 Aussprache 37, 46 f., 52, 60 f., 65 f., 115, 142, 145 Autonomie 92 BBasiskommunikation 114 Belohnung, Belohnungssystem 13, 18, 42 ff., 68, 82, 85, 90, 120 Bewegungslernen 60 f., 153 Beziehungskrisen 9 Bezugspersonen 24, 29, 39, 68, 70, 90, 94, 97 CCheckpoint 75, 78, 142 Cortisol 44, 105 f. DDefault-Mode 50 Divergentes Denken 99 f., 155 Divergentes Fühlen 99 Dopamin 18, 43, 68, 95 Dramapädagogik, Dramamethoden 69, 76, 108 Dunkelhormon 22 E Elektroenzephalographie 20 Emotionen 9, 14, 18, 23, 41 ff., 49, 55, 57, 68 f., 71, 73 ff., 79, 81, 83, 85, 89, 151 ff., 156 Emotionen, Dekodieren von Emotionen 84 Empathie 18, 21 Enkodierung, Re-Enkodierung 50, 62, 65 Entwicklung 9, 11, 14 ff., 19, 21 f., 25 f., 29, 36, 41 f., 46 ff., 56 f., 59 f., 64, 68, 72, 75 f., 78 ff., 83, 90, 94, 96 ff., 103, 111, 118 f., 126, 148, 177 Erschließungstechniken 92 Exekutive Funktionen/ executive functions, exekutives System 73 f., 76, 79 Experience-expectant 84, 89 FFeedback 14, 102, 111, 115 ff., 126, 134, 144 Fehler 101, 111, 113 ff., 118 Fossilisierung 114 GGamification 97, 120, 133 Gedankenexperiment 100, 103 Gefühle 12, 18, 22, 43 f., 51, 105 f., 158 f. Gender 111 Geschlechtshormone 11 Gleichaltrige, Peers 9, 80, 82, 117 Gruppenmeditation 160 HHabituation 95 Hintergrundmusik 50, 54 ff. Hippocampus 43 f., 55, 61, 72, 77 Hirnanhangdrüse 13 Hirnentwicklung 9, 15, 148 Hirnreifung 18 Hormon 12 f., 19, 22, 71, 85, 106 Hyperaktivität 22 IIdentitätsentwicklung 9, 12 Imaginary-Audience-Konzept 51 Improvisationen 108 f., 111 Individualisierung 111 Individualität 27, 143, 146 Inklusion 57 <?page no="180"?> 179 Stichwortverzeichnis Instruktion 112 Intelligenz 48 ff., 99, 101 Interaktion 33 ff., 48, 60, 66, 83 ff., 93, 108 f., 113, 149, 161 Introvertiertheit 39 JJugendsprache(n) 31 KKiezdeutsch 31 Kognition 14, 18, 23, 71, 74, 90 Konzentration 18, 43, 54, 58, 88, 94 ff., 105, 140, 161 Körperdysmorphe Störung 56 ff. Korrektur 65, 113 ff., 118, 124, 126 Kreativität 9, 27, 30 f., 35, 98 ff., 103, 107 ff., 121, 124, 126, 143, 155 f. Kreativitätsentwicklung 99 f. Kurzdeutsch 32 f. LLeistungsfähigkeit 18, 20, 22, 104, 114 Lernerautonomie 92 f. Lernstrategien 91, 112 Limbisches System/ limbic system 74, 81 MMedien, -rezeption, -nutzung 34 ff., 42, 58, 74, 93, 113, 124 Motivation 18, 27, 40, 43, 48, 52, 73, 75, 91 Mozart-Effekt 48 f. Musikerleben, -erlebnisse 42, 45, 47, 53 Musikgeschmack 41 f., 153 Musikpräferenz 41 f., 146 Musikverarbeitung, -analyse 45, 54 Myelinisierung 16 f., 20, 177 NNachhall-Effekt 49, 56, 62 f. Nikotin 23 Noradrenalin 43, 95 Normkind 111 OOFC 79 Orthografie 114 f. Oxytozin 44 f. PParasoziale Interaktionen 34 Performanz 27, 40, 58, 97, 114, 121, 126, 133 PFC 72 f., 76 Power Posing, power pose 105 ff., 157, 177 Pubertät 9 ff., 13 ff., 18 f., 21 f., 24 f., 27, 29, 38 ff., 43, 51, 57, 59 f., 63, 68, 71 f., 76, 78, 80, 83 ff., 90 f., 93 ff., 99, 111 ff., 117 ff., 157, 177 RReifung 12, 14 Reminiscence Bump 83 Risikofreudigkeit, -bereitschaft 18, 59, 79 ff., 99 f., 106, 108, 114 Rituelle Beschimpfung 32 f. Rolle der Lehrkraft, Lehrerrolle 75 SSchlafverhalten 21, 23, 98 Schreibkompetenzen 20 Schulmüdigkeit 38 Selbsteinschätzung 14, 103 Selbstkorrektur 92, 118 Selbstregulation 14, 74 Selbstverbalisation, SV 87 ff. Selbstwirksamkeit 44 Serotonin 95 Sexualhormone 12 f. Simulation 111, 119 f. Sozialer Stress 83 Sozialform 61, 91, 120, 124, 126, 132, 138, 140, 142 f., 146 ff., 154 ff. Sprachselbstvertrauen 120 Sprachverarbeitung 20, 45 f. Sprechverweigerung 39 Stirnlappen 13 f., 17 f., 20 Suggestopädie 50 Synaptogenese 11, 96 Szenisches Lernen / Scenic Learning 62 ff. TTeambildung 132, 138 Teenager 9, 22 f., 25, 43, 49 ff., 56, 60, 67, 80, 89 f., 100, 144, 146, 177 Testosteron 13, 85, 105 Transfereffekte 46 ff. Two Minds 71, 73 UUmkehrmethode 101 ff., 177 Unkonzentriertheit 95 Unterrichtspraxis 67, 119 V <?page no="181"?> 180 Stichwortverzeichnis Verspielisieren 120 Visualisierung 111 Vulnerabilität, Verletzlichkeit 83, 85 WWachheit 94 f. Wachstumsspurt, -schub 56 f., 59 f. Warnreiz 94 Z Zellverbindungen 15 Zirbeldrüse 19 Zwischenhirn 12 <?page no="182"?> ISBN 978-3-8233-8426-7 Die Pubertät sorgt bei allen Beteiligten seltener für freudiges Staunen, sondern häufiger für Irritationen, Ratlosigkeit und mitunter auch für Sprachlosigkeit. Dagegen richtet sich das vorliegende Buch, möchte Licht in das noch herrschende Dunkel einer äußerst wertvollen Entwicklungsphase bringen und zu einem besseren Verständnis beitragen. Der in zweiter Auflage überarbeitete und aktualisierte Band richtet sich an Studierende, Lehrkräfte, Referendare, Personen in der Lehrkräfteausbildung, Aus- und Fortbildende sowie an Bildungsverantwortliche. Er liefert, kompakt zusammengestellt, wichtige Informationen zur Pubertät und Adoleszenz als sprachsensible Phase und entwickelt, auf der verfügbaren Evidenz aufbauend, konkrete Hinweise für die Gestaltung eines für die Bedürfnisse von Heranwachsenden sensiblen Fremdsprachenunterrichts. „Das Studienbuch sorgt [...] zweifellos für ein besseres Verständnis des Sprachenlernens in der Pubertät und sensibilisiert für einen reflektierten, professionellen Umgang mit verschiedenen pubertären Verhaltensweisen, innerhalb und außerhalb des (fremdsprachlichen) Klassenzimmers.“ Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung 60 (2018) Böttger / Sambanis Sprachen lernen in der Pubertät Sprachen lernen in der Pubertät 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage Heiner Böttger / Michaela Sambanis 18426_Umschlag.indd 1-3 18426_Umschlag.indd 1-3 01.12.2020 17: 08: 03 01.12.2020 17: 08: 03