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CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen

Die Chancen und Herausforderungen von bilingualen Modulen als Ergänzung zum Englischunterricht

0426
2021
978-3-8233-9499-0
978-3-8233-8499-1
Gunter Narr Verlag 
Silvia Frank Schmid

Bilingualer Unterricht, auch bekannt als CLIL, wird als effektiv eingestuft, weil er sowohl den Aufbau von Sachwissen als auch von fremdsprachlichen Kompetenzen ermöglicht. Da der Schweizer Lehrplan vorschlägt, vermehrt solche bilingualen Sequenzen ergänzend zum Fremdsprachenunterricht anzubieten, wurde im Rahmen einer Good Practice-Studie erforscht, wie optimale CLIL-Lernangebote mit Englisch und Bildnerischem Gestalten für die Primarstufe angeboten werden können, wie diese von den heterogenen Lernenden genutzt werden und welche weiteren Chancen sowie Herausforderungen die Beteiligten dabei erfahren.

<?page no="0"?> Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidak�k Silvia Frank Schmid CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen Die Chancen und Herausforderungen von bilingualen Modulen als Ergänzung zum Englischunterricht <?page no="1"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho <?page no="2"?> Silvia Frank Schmid CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen Die Chancen und Herausforderungen von bilingualen Modulen als Ergänzung zum Englischunterricht <?page no="3"?> © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8499-1 (Print) ISBN 978-3-8233-9499-0 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0303-9 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="4"?> 11 13 1 15 1.1 15 1.2 18 1.3 20 21 2 23 2.1 23 2.2 26 2.3 33 2.4 37 2.5 42 2.6 52 3 55 3.1 55 3.2 59 3.3 75 3.4 80 3.5 86 3.6 107 3.7 119 4 123 4.1 123 Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung des Forschungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielsetzung und Relevanz der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 1: Der theoretische Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten . . . . . . . Begriffsklärung rund um CLIL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für CLIL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL im Schweizer Primarschulkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL im Umgang mit Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL . . . . . . . Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen . . . . . . . Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht . . . . . . Grundlegendes Lehr-Lernverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL-Didaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgabenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scaffolding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen . . . . . . . Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen . . . Adaptiertes 4Cs framework für den CLIL-Unterricht . . . . . . . <?page no="5"?> 4.2 125 4.3 131 4.4 136 4.5 141 4.6 143 145 5 147 5.1 147 5.2 149 5.3 154 5.4 156 5.5 162 5.6 172 5.7 185 5.8 192 6 193 6.1 193 6.2 197 6.3 210 6.4 213 6.5 266 6.6 268 6.7 330 7 335 7.1 335 7.2 343 7.3 353 7.4 365 Entwicklung von CLIL-Aufgabensets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept: Lesson study . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkretisierung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung der forschungsmethodischen Ausrichtung . . . . Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen . . . . . . . Teil 2: Der empirische Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation der Lernaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implementierung der CLIL-Module: Lesson study . . . . . . . . . Forschungskontext und Sampling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsinstrumente für die Datenerhebung . . . . . . . . . . . . Auswertungsmethoden für die Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . Forschungsmethodische Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen . . . . . . . Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Porträt der CLIL-Aufgabensets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation der CLIL-Aufgabensets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage I . . . . Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage II . . . . Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage III . . Diskussion und Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL als Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen . . . . . BG als Katalysator für das CLIL-Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität . . . . . . . . Qualitätsmerkmale für CLIL-Lernaufgaben als solides Fundament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="6"?> 7.5 371 7.6 373 7.7 374 7.8 376 7.9 378 7.10 379 7.11 386 7.12 397 8 399 421 499 501 CLIL-Lernaufgaben als Plattform für sozial-konstruktivistisches Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CLIL als Besonderheit im Schulalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesson study als Lupe der unterrichtlichen Prozesse . . . . . . . . Meine Rolle als Forscherin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finale Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliches Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt <?page no="8"?> «Das ist eine tolle Idee Englisch und Bildnerisches Gestalten in ‘Benglish’ zu verwandeln.» Zitat einer Schülerin <?page no="10"?> Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen herzlich bedanken, die mich während der Planung, Durchführung und Fertigstellung der vorliegenden Arbeit unterstützt haben. Zuerst gebührt mein grösster Dank Prof. Dr. Anna-Katharina Praetorius und Prof. Dr. Nikola Mayer für die Betreuung meiner Dissertation. Vielen Dank für die Unterstützung in Form von kompetenten Anregungen und hilfreichen Rückmeldungen. Ich habe die Zusammenarbeit, die in meinen Augen von einer ausgewogenen Balance an vertrauensvollen Freiraum und zielführender Begleitung gezeichnet war, sehr geschätzt. Ebenfalls möchte ich mich bei Prof. Dr. Annika Kolb für ihre wertvollen Ratschläge ganz zu Beginn meines Vorhabens und für ihre Bereitschaft am Schluss in den Beurteilungsprozess einzusteigen aufrichtig bedanken. Mein Dank gilt ebenfalls der Pädagogischen Hochschule Zürich, die mir diese Arbeit überhaupt erst ermöglichte und mich grosszügig über die letzten drei Jahre hinweg unterstützte. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich auch bei meinen Vorgesetzten, die mich zu diesem Vorhaben ermutigten und Verständnis zeigten, dass ich während der Dissertation in anderen Aufgabenbereichen etwas kürzertreten musste. Ausserdem gilt ein besonderer Dank den acht an dieser Untersuchung beteiligten Lehrpersonen und ihren Schulklassen. Für mich war die Umsetzung der CLIL-Module in den Klassenzimmern das Herzstück dieser Arbeit und ohne ihren grossen Einsatz würde diese Untersuchung in dieser Form nicht vorliegen. Weiter möchte ich meiner Zweitcodiererin Fabienne Wehrli einen grossen Dank aussprechen. Sie hat mich vor allem bei der Auswertung der Daten aber auch bei der Überarbeitung der Texte mit ihrem unermüdlichen Einsatz tatkräftig unterstützt. Weiter gebührt ein grosser Dank den sechs Expert*innen Nicole Périsset, Irene Gehrig, Edith Gloor, Hans Diethelm, Brigitte Achermann und Esther Graf-Beglinger der Pädagogischen Hochschule Zürich, die die Lernaufgaben kritisch diskutiert und evaluiert haben. Ferner bedanke ich mich bei den verschiedenen Berater*innen, die mich mit ihrem forschungsmethodischen Wissen und ihrer Fach-Expertise bei unterschiedlichen Belangen unterstützt haben. Dies sind Dr. Daniel Stotz, Prof. Dr. Hans Berner, Prof. Dr. Rudolf Isler, Prof. Dr. Matthias Baer, Prof. Dr. Christoph Maeder, Monica Bazzigher-Weder, Thomas Györffy und Werner Burger der Pädagogischen Hochschule Zürich, <?page no="11"?> sowie Katharina Fischer-von Weissenfluh und Claudia Niederberger der Päd‐ agogischen Hochschule Luzern und schliesslich Dr. Urs Grob vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich. Aus meinem privaten Umfeld bedanke ich mich herzlich bei meinem ‘sparring partner’ Daniel Schmid. Aus einer Aussenperspektive hat er mich mit seiner Fähigkeit Zusammenhänge analytisch zu betrachten und schnell zu verstehen immer wieder zum vertieften Nachdenken über mein Forschungsthema ange‐ regt. 12 Danksagung <?page no="12"?> Abkürzungsverzeichnis CLIL Content and Language Integrated Learning BG Bildnerisches Gestalten (Zeichnungs-/ Kunstunterricht) TBL Task-based learning CLT Communicative Language Teaching IK Interkulturelle Kompetenz LOTS Lower Order Thinking Skills HOTS Higher Order Thinking Skills TPR Total Physical Response AdL Altersdurchmischtes Lernen (altersgemischte Schulklassen) EDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren PISA Program for International Student Assessment TIMSS Third International Mathematics and Science Study DESI Deutsch Englisch Schülerleistungen International APA American Psychological Association <?page no="13"?> Anmerkung zum Gebrauch von Englisch in vorliegender Arbeit Einige Begriffe wurden konsequent auf Englisch - kursiv und klein ge‐ schrieben - in den anderweitig auf Deutsch verfassten Text integriert. Dies ist immer dann der Fall, wenn es für diese Begriffe keine zufriedenstellende Übersetzung gibt (z. B. mixed-methods, task outcome, CLIL tool kit) oder wenn der Ausdruck selber ein aus dem englischsprachigen Raum stammendes theo‐ retisches Konzept beschreibt (z. B. visual literacy, 4Cs framework, lesson study) oder damit zusammenhängt (z. B. case pupil). Englische Begriffe werden dann gross (und kursiv) geschrieben, wenn es sich um Namen von Konzepten oder Theorien handelt (z. B. ‘Communicative Language Teaching’ oder ‘Multiple Intelligences’) oder wenn sie Namen von Codes bezeichnen (z. B. ‘Participant organisation’, ‘Non-linguistic art activity’) 14 Abkürzungsverzeichnis <?page no="14"?> 1 Hier in der Einleitung sowie in der finalen Diskussion (Hauptkapitel 7) wird die Selbstreferenz ganz bewusst in der Ich-Form vorgenommen. Dies mit dem Ziel, meine aktive, persönliche Teilnahme am Diskurs zu unterstreichen. In den anderen Kapiteln der vorliegenden Arbeit referenziere ich auf mich selber, indem ich mich als ‘Forscherin’ bezeichne. 1 Einleitung 1.1 Begründung des Forschungsinteresses Dem Terminus ‘CLIL’, ein Akronym stehend für Content and Language Integ‐ rated Learning, bin ich 1 vor rund fünfzehn Jahren zum ersten Mal im Rahmen meiner Nachqualifizierung für die Unterrichtsberechtigung für das damals neu eingeführte Fach Englisch auf der Primarstufe begegnet. Das dahinterliegende Konzept, fremdsprachliches Lernen an relevante Sachinhalte aus anderen Fä‐ chern zu koppeln, überzeugte mich deshalb, weil Primarschulkinder in der Schweiz der englischen Sprache nur im beschränkten Umfang ausserhalb des Schulzimmers begegnen. Deshalb gilt es für diese Zielgruppe interessante Lern‐ inhalte mit hohem Lebensweltbezug als Basis für das Lernen einer Fremdsprache bereitzustellen. Anhand solcher relevanten thematischen Inhalte werden die Lernenden befähigt in einer echten kommunikativen Lernsituation in der Zielsprache zu interagieren. Während meiner langjährigen Tätigkeit als Primar- und Englischfachlehrerin merkte ich bald, dass CLIL nur ein kleiner Teil meiner Lektionen ausmachte. Der Englischunterricht orientierte sich an den Lehrmitteln, welche zwar ak‐ tuell und kompetenzorientiert sind, die jedoch nur zeitlich beschränkt und sequentiell CLIL anbieten. An den meisten Schweizer Primarschulen wird CLIL somit hauptsächlich in der Form umgesetzt, bei der die in den Lehrmittelen vorgegebenen Sachthemen in den Englischunterricht integriert werden und so sporadisch inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht stattfindet. Gleichzeitig vernahm ich in meiner Rolle als Aus- und Weiterbildnerin von Lehrpersonen und als kantonale Fachberaterin für die Fremdsprachenfächer auf der Primarstufe immer wieder Kritik am Konzept des frühen Fremdsprachen‐ lernens: Zwei bis drei isolierte Lektionen seien zu wenig lerneffektiv, es fehle an Lernzeit, das ganzheitliche als auch spielerische Lernen gehe verloren und die formale Korrektheit stehe immer mehr im Vordergrund. Solche Stimmen liessen <?page no="15"?> mich aufhorchen und machten mich nachdenklich, wie man das fremdsprach‐ liche Lernen auf der Primarstufe optimieren könnte. Der konkrete Anstoss für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen auf der Primarstufe folgte kurze Zeit danach. Mit der Einführung des neuen Deutschschweizer Lehrplans 21 wurde eine rege Auseinandersetzung zum Thema Kompetenzorientierung entfacht. Als Weiterbildnerin für verschiedentliche Lehrplan 21 Einführungskurse für den Fachbereich Englisch setzte auch ich mich mit dieser Akzentverschiebung gründlich auseinander. Für den Fremdsprachenbereich ändert sich auf den ersten Blick diesbezüglich nicht viel, denn der Englischunterricht verstand sich bereits zuvor anwendungs- und somit kompetenzorientiert. Jedoch las ich im Lehrplan 21 mit Interesse, dass das fremdsprachliche Lernen mit «immersiven oder bilingualen Sequenzen» angereichert werden kann (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Als ich schliesslich die Chance erhielt, im Rahmen der Förderung der Fachdidaktiken unterstützt durch die swissuniversities ein eignes Forschungs‐ projekt anzupacken, war es für mich naheliegend solche bilinguale Unterrichts‐ sequenzen in den Fokus meiner Untersuchung zu rücken. Jedoch nicht in der bereits erlebten Umsetzungsart des Einbringens von sachfachlichen Inhalten in den Englischunterricht, sondern indem Englisch mit einem anderen Fach auf gleichberechtigte Weise fusioniert wird und dabei eine echte Verknüpfung von Sprach- und Sachlernen stattfinden sollte. Mit dieser Variante von CLIL ergeben sich aus meiner Sicht eine Vielzahl an Vorteilen: Einerseits entsteht mehr Lernzeit für das fremdsprachliche Lernen, ohne den Stundenplan weiter auszureizen. Zweitens erhält die Fremdsprache in diesem inhaltsorientierten Unterricht ihre genuine Funktion als Kommuni‐ kationsmittel zurück. Drittens wird die Zielsprache von den jungen Lernenden dadurch vermehrt holistisch und implizit gelernt, weil der Fokus auf das formale Sprachenlernen in den Hintergrund rückt. Schliesslich, so stelle ich mir vor, kann dank dem dualen Fokus von Sprache und Inhalt im facettenreichen CLIL-Unterricht eine breite Interesse- und Leistungsgruppe von Lernenden auf der Primarstufe angesprochen werden. Letzterer Punkt betreffend die Heterogenität ist für mich als Primarlehrerin mit langjähriger Erfahrung im Unterrichten von heterogenen, altersgemischten Klassen eine wichtige Prämisse. Auch wenn im CLIL-Unterricht unterschied‐ liche Interessen und Begabungen verschiedener Kinder dank dem Einbringen von reichhaltigen Sachthemen berücksichtigt werden können, so scheinen bilinguale Unterrichtssequenzen auf den ersten Blick das ‘Problem’ der Diffe‐ renzierung zu verdoppeln. Dies weil die Fremdsprache als zusätzliche Hürde den 16 1 Einleitung <?page no="16"?> Zugang zum inhaltlichen Lernen erschweren kann. Deshalb soll die vorliegende Untersuchung ein spezielles Augenmerk darauf richtigen, wie Schüler*innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen mit CLIL umgehen. Welches Sachfach sich für die Umsetzung von CLIL am besten eignet, war mir bald klar: Bildnerisches Gestalten. Das Postulat der besonderen Eignung von Kunst-/ Zeichnungsunterricht als bilinguales Sachfach auf dieser Zielstufe deckt sich nicht nur mit verschiedenen empirischen Befunden (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003), sondern basiert auch auf meiner langjährigen Unterrichtserfahrung. Kein anderes Fach lässt so viel Raum für Kreativität, bietet eine hohe Anschaulichkeit, ist geprägt von handelndem Unterricht, lässt methodisch-didaktischen sowie inhaltlichen Freiraum, verlangt vielseitige (bild-) sprachliche Interaktionen, begünstigt das kulturelle Lernen und - last but not least - ist frei von Noten- und Leistungsdruck. In der Fächerfusion mit Englisch und Bildnerischem Gestalten wird somit die vorliegende Untersuchung mit Good Practice-Ansatz durchgeführt, um Gelin‐ gensbedingungen rund um die Umsetzung solcher CLIL-Module als Ergänzung zum herkömmlichen Englischunterricht auf der heterogenen Primarschulstufe in Erfahrung zu bringen. Unter dem Good Practice-Ansatz verstehe ich ein exploratives Vorgehen, mit dem Ziel eine innovative, erfolgsversprechende Unterrichtspraxis für einen spezifischen Schulkontext zu entwickeln, zu imple‐ mentieren und zu erforschen. Konkret interessieren mich die folgenden drei Aspekte: (1) Inwiefern es gelingt qualitätsvolle Lernaufgaben für das duale Lernen zu entwickeln, (2) wie diese Lernangebote von den unterschiedlichen Schüler*innen im CLIL-Unterricht genutzt werden und (3) welche weiteren Chancen und Herausforderungen von allen Beteiligten bei der Implementierung dieser CLIL-Module wahrgenommen werden. Da eine echte Fusion von Englisch und Bildnerisches Gestalten ein zentrales Anliegen bei der Entwicklung und Umsetzung dieses CLIL-Unterrichts ist, bin ich sehr bemüht beide Fächer in ausgewogener Weise zu berücksichtigen. Aufgrund meiner Rolle als Englisch-Fachdidaktikerin kann jedoch eine etwas verstärkte Fokussierung auf fremdsprachliche Aspekte nicht ganz vermieden werden, denn insgesamt betrachte ich es auch als meine Aufgabe im Rahmen dieser Untersuchung optimierende Ansätze für das Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe zu erforschen. 17 1.1 Begründung des Forschungsinteresses <?page no="17"?> 1.2 Zielsetzung und Relevanz der Arbeit Wie soeben aufgezeigt, untersucht die vorliegende Arbeit die Chancen und Herausforderungen von CLIL-Modulen in der Fächerfusion Englisch und Bild‐ nerisches Gestalten für die heterogene Primarstufe. Dabei verfolgt diese Unter‐ suchung drei übergeordnete Ziele. (1) Erstens möchte die vorliegende Untersuchung eine essentielle For‐ schungslücke in zweierlei Hinsicht schliessen: Einerseits, indem in dieser Untersuchung ein theorie-basiertes sowie empirisch ergründetes Vorgehen für die Planung und Umsetzung von CLIL-Modulen für die Primarstufe erarbeitet wird; anderseits, indem der Forschungsfokus konsequent auf die Schüler*innen und ihr CLIL-Lernen gerichtet wird. Inwiefern mit diesen beiden Absichten ein wichtiges Forschungsdesiderat adressiert werden kann, wird nachfolgend kurz begründet. Zum ersteren: Der kompetenzorientierte Lehrplan 21 schlägt vor, vermehrt bilinguale Sequenzen, demnach CLIL, als Ergänzung zum Fremdsprachenun‐ terricht durchzuführen (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Wie solche Unterrichtseinheiten mit Primarschüler*innen mit limitierten fremdsprachlichen Kenntnissen und heterogenen Leistungsvoraussetzungen bestmöglich umgesetzt werden können, ist bislang ungeklärt. Hingegen weiss man aus verschiedenen in Deutschland durchgeführten Studien, dass sich der Zeichnungs- und Kunstunterricht besonders für den Einstieg in den CLIL-Un‐ terricht anbietet (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003). Für den Schweizer Primarschulkontext wurde eine solche Ausgangslage von CLIL im Zeitalter von Kompetenz- und Aufgabenorientierung jedoch noch nicht er‐ gründet. Deshalb ist die Erarbeitung eines didaktisch-methodischen Vorgehens für die Planung und Umsetzung von erfolgsversprechenden CLIL-Modulen für die heterogenen Primarstufe unter Berücksichtigung der im Lehrplan 21 gesteckten Ziele unerlässlich. Zum letzteren: Auch wenn in den letzten Jahren die Forschung im CLIL-Be‐ reich stetig zugenommen hat, und inzwischen auch Studien vermehrt bilinguale Lernsettings auf der Primarstufte adressieren (vgl. Elsner & Kessler 2013, S. 26), fokussieren die meisten Studien immer noch auf lehrerzentrierte Un‐ terrichtssequenzen und Klassengespräche. Dies obwohl man sich mit Blick auf den kompetenzorientierten Lehrplan einig ist, dass der Unterricht - und somit auch die unterrichtliche Forschung - sich mehr an den Lernenden beim Bearbeiten von bedeutungsvollen Aufgaben orientierten sollte (Nikula et al. 2013, S. 73). Die vorliegende Untersuchung blickt deshalb konsequent auf die 18 1 Einleitung <?page no="18"?> Interaktionen der Schüler*innen und erforscht folglich ihre Lernhandlungen im aufgabenorientierten CLIL-Unterricht. Die Bearbeitung dieses Forschungsdesiderats mitsamt den daraus resultie‐ renden Ergebnissen erlaubt es - meines Erachtens erstmalig - empirisch gestützte Aussagen über das bilinguale Lernen von Primarschüler*innen mit un‐ terschiedlichen fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen zu machen. Daraus lassen sich dank dem Good Practice-Ansatz konkrete Gelingensbedingungen ableiten, die aus didaktisch-methodischer Sicht aufzeigen, wie den im Lehrplan 21 geäusserten Anforderungen unter den gegebenen unterrichtlichen Bedin‐ gungen bestmöglich nachgekommen werden kann. (2) Als ein weiteres Ziel - und anknüpfend an obiges - soll resultierend aus diesem Dissertationsvorhaben eine praxisorientierte Handreichung ent‐ stehen, die anschaulich erläutert, wie aufgabenorientierte und lehrplankon‐ forme CLIL-Sequenzen in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Ge‐ stalten mit heterogenen Lerngruppen auf der Primarschule umgesetzt werden können. Die Thematik der Heterogenität wird dabei ganz bewusst ins Zentrum gerückt, weil CLIL jahrelang hauptsächlich mit Kindern veranstaltet wurde, die dank ihren guten fremdsprachlichen Kenntnissen dem bilingualen Unterricht spielend folgen konnten (Elsner & Kessler 2013, S. 21). Resultierend aus vorlie‐ gender Untersuchung sollen in der Handreichung deshalb ebenfalls vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wie CLIL-Unterricht auf der Primarstufe - somit in Klassen, die naturgemäss sehr heterogen sind - für Lernende mit unterschiedlichen fremdsprachlichen Voraussetzungen gelingen kann. Diese Handreichung soll somit Primarlehrpersonen auf kantonaler und nationaler Ebene ermutigen, vermehrt kürzere oder ausgedehntere CLIL-Se‐ quenzen zusätzlich zum Fremdsprachenunterricht in ihren Klassen umzusetzen. (3) Als drittes Ziel sollen die empirischen Erkenntnisse aus dieser Untersu‐ chung direkt in die Lehre, somit in die Aus- und Weiterbildung von Lehrper‐ sonen, einfliessen. Angehende oder bereits praktizierende Primarlehrpersonen sollen mit den Hintergründen und den Ergebnissen dieser Untersuchungen vertraut gemacht und dadurch motiviert werden, bilinguales Lernen in ihren Schulalltag mit Einbezug von Bildnerischem Gestalten zu integrieren. Die Er‐ kenntnisse, die sich im Rahmen dieser Untersuchung gewinnen lassen, könnten ebenfalls Anreize schaffen, CLIL in andere musische oder sportliche, sowie geeignete gesellschafts- oder naturwissenschaftliche Fächer auszudehnen. Die vorliegende Arbeit soll dafür hilfreiche Modelle sowie Umsetzungsbeispiele liefern und somit eine Stossrichtung geben, wie das fremdsprachliche Lernen in Zukunft auf der Primarstufe durch Sequenzen des bilingualen Lernens vielfältig angereichert werden kann. 19 1.2 Zielsetzung und Relevanz der Arbeit <?page no="19"?> 1.3 Aufbau der Arbeit Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich der folgende strukturelle Aufbau der Arbeit. Der theoretische Teil 1 der Arbeit, bestehend aus den Hauptkapiteln 2 bis 4, hat zum Ziel den nötigen theoretischen Rahmen für die Planung und Umsetzung CLIL-Module zu konstruieren. In einem ersten Schritt werden deshalb der Terminus CLIL genau definiert, bevor dieses Unterrichts‐ konzept schrittweise in den für die vorliegenden Studie relevanten Kontext der Primarschule, dann in Bezug auf die Heterogenität und dessen Eignung für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten eingebettet wird. Das nachfolgende Hauptkapitel 3 beleuchtet alle relevanten methodisch-di‐ daktischen Aspekte, angefangen mit der Darlegung was eine CLIL-Didaktik ausmacht, über die Wichtigkeit des aufgabenorientierten CLIL-Unterrichts, bis hin zu theoriebasierten Erkenntnissen von geeigneten Lernaufgaben für diese Fächerfusion. Das Hauptkapitel schliesst mit methodisch-didaktischen Überlegungen zum Umgang mit Heterogenität und bespricht verschiedenartige Scaffolding geeignet für den CLIL-Unterricht. Im Hauptkapitel 4 werden das Vorgehen zur Aufgabenentwicklung und Implementierung dargelegt, wichtige forschungsmethodische Voraussetzungen erarbeitet und schliesslich auch die Forschungsfragen hergeleitet. Dieses Hauptkapitel bildet somit den Übergang von der Darlegung der theoretischen Konzepte hin zur Umsetzung der em‐ pirischen Untersuchung. Der empirische Teil 2 der Arbeit besteht aus den Hauptkapiteln 5 bis 7. Im Hauptkapitel 5 wird dementsprechend die gesamte empirische Studie vorgestellt. Dort werden alle Forschungsmethoden und Instrumente für die Datensammlung als auch für die Auswertung begründet aufgezeigt. Im umfassenden Hauptkapitel 6 werden die Ergebnisse sortiert nach Forschungsfragen präsentiert. Jede Forschungsfrage wird dabei im Rahmen eines Fazits bereits tentativ beantwortet. Diese dargelegten Erkenntnisse und Ergebnisse werden schliesslich im Hauptkapitel 7 aus verschiedenen Perspek‐ tiven diskutiert und in einen grösseren Zusammenhang gestellt. Ebenfalls werden da die Forschungsfragen final beantwortet, bevor die Arbeit auf einige Limitationen dieser Studie aufmerksam macht und mit einem Ausblick sowie einem persönlichen Fazit endet. 20 1 Einleitung <?page no="20"?> Teil 1: Der theoretische Teil <?page no="22"?> 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten Im ersten Teil dieses Kapitels werden die Begrifflichkeiten rund um CLIL für den Rahmen der vorliegenden Arbeit definiert und eingegrenzt. In einem nächsten Schritt werden die Gründe für das Unterrichtskonzept CLIL in Bezug auf das fremdsprachliche, sachfachliche und kulturelle Lernen aus allgemeiner Perspek‐ tive beleuchtet, bevor CLIL in den für diese Untersuchung relevanten Kontext der Schweizer Primarschule eingebettet wird. In einem nächsten Kapitel wird CLIL im Zusammenhang mit Heterogenität gebracht, indem Gelingensbedin‐ gungen für das differenzierte und individuelle Lernen aufgezeigt werden. Abschliessend wird begründet, wieso sich das Fach Bildnerisches Gestalten be‐ sonders für CLIL eignet und welche Symbiosen sich dabei in Bezug auf das duale Lernen ergeben. Ebenfalls ist es Ziel dieses zweiten Hauptkapitels wertvolle Einblicke in den aktuellen Forschungsstand rund um den bilingualen Unter‐ richt im Hinblick auf die spezifischen Rahmenbedingungen des vorliegenden Forschungskontexts zu geben, um dadurch auf wichtige Forschungslücken hinzuweisen. Ein Zwischenfazit mit empirieorientierten Überlegungen beendet dieses Hauptkapitel. 2.1 Begriffsklärung rund um CLIL Das Akronym CLIL steht für ‘Content and Language Integrated Learning’ und beschreibt «a dual-focussed educational approach in which an additional lang‐ uage is used for the learning and teaching of both content and language.» (Mehisto et al. 2008, S. 9). Solche Lerneinheiten werden als sehr effektiv eingestuft, da sie dank ihrer doppelten Ausrichtung sowohl den Aufbau von Sachfachwissen als auch fremdsprachlichen Kompetenzen fördern. In dem Sinne wird darunter eine Fusion von Fachbereichen verstanden, die bisweilen völlig getrennt un‐ terrichtet wurden (Mehisto et al. 2008, S. 7; Wolff & Sudhoff 2015, S. 29). Es handelt sich dabei um kein neues Unterrichtskonzept. In verschiedenen Epochen der Vergangenheit, angefangen vor 2000 Jahren im Römischen Reich über die adeligen und später bürgerlichen Familien im 18. Jahrhundert bis hin zur modernen globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts, wurden Sachinhalte in einer fremden Sprache unterrichtet, um den Lernenden auf sozialer und professioneller Ebene Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten (Wolff 2016, S. 24; Coyle <?page no="23"?> et al. 2010, S. 2). Das Konzept ist alt, der Terminus CLIL hingegen relativ jung. Er wurde 1994 in Europa geprägt und bezeichnet in diesem Setting «a general term to designate different types of bilingual or immersion education» (European Commission 2012, S. 137). Diese weitgefasste Definition verdeutlicht, dass CLIL als ein Sammelbegriff (umbrella term) mit facettenreichen Ausrichtungen für verschiedene zweisprachige Unterrichtskonzepte verwendet wird. In der Literatur führt dies oft zu einer terminologischen Ungenauigkeit und erschwert den Diskurs. Daher ist es an dieser Stelle wichtig, die für diese Arbeit zentralen Begrifflichkeiten klar zu definieren. Der in der obigen Definition verwendete Begriff ‘Immersion’ passt für die in dieser Forschungsarbeit untersuchten Unterrichtssettings nicht. Immersiver Unterricht findet vorwiegend in einer Sprache statt, der die Lernenden auch im ausserschulischen Kontext regelmässig begegnen (Lasagabaster & Sierra 2010, S. 370). Dies sind typischerweise Settings, in denen Zweitsprachen weit verbreitet sind, wie zum Beispiel in Kanada (Diehr 2012, S. 16) oder im Schweizer Kontext entlang der Sprachgrenzen. Ebenfalls für fremdsprachige Migrations‐ kinder, die dem Unterricht in der Landessprache folgen, ist es zutreffend, von immersiven Unterricht zu sprechen. Ist diese Voraussetzung gegeben, ist ein eigentliches ‘Eintauchen’ in die Sprache (englisch: immerse) innerhalb als auch ausserhalb des Unterrichts auch wirklich möglich. Zudem wird im Immersions‐ unterricht die Zielsprache als Medium im Gebrauch gelernt, das Sprachenlernen passiert somit weitgehend ungesteuert und ist nicht eigentlicher Gegenstand des Unterrichts (Wolff & Sudhoff 2015, S. 16; Wolff 2013, S. 20). Entgegen dieser Definition, wird im deutschen Kontext manchmal auch dann von (partieller) Immersion gesprochen, wenn bestimmte Schulfächer während der gesamten Schulzeit zu einem Anteil von mehr als 50 % in der Fremdsprache unterrichtet werden. In diesem Kontext wird CLIL als Oberbegriff für ein Kontinuum von sol‐ chen Immersionsprogrammen mit partiellen Eintauchen bis hin zu sporadisch angebotenen CLIL-Modulen verstanden (Massler & Burmeister 2010, S. 7). Der Immersionsbegriff deckt sich in dieser Auslegung mit dem was andere Autoren als ‘hard CLIL’ bezeichnen. Damit ist gemeint, dass die Fremdsprache in einem oder mehreren Fächern vollumfänglich für die Vermittlung von sachfachlichen Inhalten über mehrere Jahre verwendet wird. Im Gegensatz dazu steht ‘soft CLIL’ und verweist auf mehr sporadische, kurzfristigere Lernangebote, in denen für eine bestimmte Zeit die Fremdsprache und das Sachfachlernen kombiniert werden (P. Ball et al. 2015, S. 6). Während im europäischen Kontext als auch in der Schweiz hauptsächlich der englischsprachige Terminus CLIL verwendet wird, ist in Deutschland mehrheitlich von ‘bilingualer (Sachfach-)Unterricht’ die Rede (Wolff & Sudhoff 24 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="24"?> 2015, S. 14). Die Begrifflichkeit ‘bilingual’ ist etwas irreführend und könnte zu verstehen geben, dass innerhalb eines Faches die Inhalte zu gleichwertigen Anteilen in der Schul- und Fremdsprache unterrichtet werden und innerhalb von Lektionen ein konstantes Code-Switching vorherrscht. Dem ist jedoch nicht so, sondern die Zweisprachigkeit bezieht sich auf die gesamten Unterrichtzeit über mehrere Schuljahre hinweg, in welcher das bestimmte Fach in beiden Sprachen unterrichtet wird (Badertscher & Bieri 2009, S. 11; Diehr 2012, S. 16). Der Begriff ‘bilingual’ passt auch deshalb, weil die Lehrpersonen in diesem Unterrichtssetting eine Lehrbefähigung für das Sach- und Fremdsprachenfach ausweisen. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse sind sie folglich in der Lage, den Unterricht in der Fremdals auch in der Schulsprache zu erteilen - was über die gesamte Schulzeit hinweg auch geschieht (Diehr 2012, S. 21). Auf den Punkt ge‐ bracht meint ‘bilingualem Unterricht’ demnach, dass ein Sachfach «weitgehend einsprachig in der Fremdsprache geführt wird.» (Diehr 2012, S. 18). In diesem Sinne kann bilingualer Unterricht als eine Form von CLIL betrachtet werden, weil auch in ihm, neben weiteren übergeordneten Zielen, das Lernen von fremdsprachlichen und sachfachlichen Inhalten im Vordergrund steht (Bonnet und Breidbach 2013, S. 26). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe ‘CLIL’ und ‘bilingualer Un‐ terricht’ somit als Synonyme verwendet - wie es in der Literatur von vielen Experten auch vorgeschlagen wird (vgl. Wolff 2016, S. 22-23). Beide beziehen sich gemäss diesem Verständnis auf eine echte Integration von sachfachlichem und fremdsprachlichem Lernen. Das Unterrichtskonzept ‘Immersion’ wird hin‐ gegen in vorliegender Arbeit als nicht gleichbedeutend betrachtet, weil im Immersionsunterricht die Sprache ausschliesslich als Vermittlerin und nicht als eigentlicher Lerngegenstand betrachtet wird (Wolff 2013, S. 20). Der Begriff ‘Im‐ mersion’ wird deshalb im Rahmen dieser Arbeit nur dann verwendet, wenn es sich tatsächlich um ein echtes Eintauchen handelt und der Fremdsprache keine explizite Beachtung geschenkt wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, da einige der nachfolgend erwähnten Studien in einem immersiven Kontext durchgeführt wurden und so deren Ergebnisse nur mit der nötigen Vorsicht auf den vorliegenden CLIL-Kontext übertragen werden können. CLIL kann ferner auch im Hinblick auf dessen eher sprachliche oder inhalt‐ liche Ausrichtung eingeteilt werden (vgl. Abbildung 1). Demzufolge bezeichnet die Variante A ‘CLIL im Sachfachunterricht’ jene Unterrichtsform, bei der die Fremdsprache in den Sachfachunterricht exportiert wird. Ausgangspunkt für das Lernen sind die sachfachlichen Ziele. Bei der Variante B ‘CLIL im Fremdsprachenunterricht’ reichern relevante fachübergreifende Inhalte den Englischunterricht an. Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts sind Ausgangs‐ 25 2.1 Begriffsklärung rund um CLIL <?page no="25"?> punkt des Lernens. Die Variante C ‘CLIL im CLIL-Unterricht’ ist weder ein Export der Fremdsprache in andere Fächer noch ein Import von sachfachlichen Inhalten in den Fremdsprachenunterricht, sondern wird als echte Integration von Inhalt und Fremdsprache verstanden. Infolgedessen müssten Lernziele und -inhalte beider Fächer integrativ bei der Planung und Umsetzung von Unterricht berücksichtigt werden (Massler & Stotz 2013, S. 8-11). Variante A: CLIL im Sachfachunter‐ richt Variante B: CLIL im Englischunter‐ richt Variante C: CLIL im CLIL-Unter‐ richt Sachunterricht, der in der Fremdsprache geführt wird; die Ziele des Sachfa‐ ches sind leitend Englischunterricht, in dem sachfachliche Inhalte the‐ matisiert werden; die fremdsprachlichen Lehr‐ plan-Ziele sind leitend Integrierter Unterricht; Lernziele und Lerninhalte beider Fächer sind leitend Abbildung 1: Unterschiedliche CLIL-Realisierungsformen (Massler & Stotz 2013, S. 12) Gemäss obigen Definitionen - und wie nachfolgenden Kapiteln noch genauer begründet wird - stehen in vorliegenden Untersuchung CLIL-Module im Zen‐ trum, in denen während einiger Wochen im Schuljahr die Fächer Englisch und Bildnerisches Gestalten integriert unterrichtet werden mit dem Ziel die fremdsprachlichen als auch die fachspezifischen Kompetenzen der Lernenden weiterzuentwickeln. Diese bilingualen Module können auch als ‘soft CLIL’ bezeichnet werden und streben im Sinne der CLIL-Variante C eine echte Fusion der beiden Fachbereiche an. Was all die verschiedenen CLIL-Settings trotz ihrer unterschiedlichen Be‐ zeichnungen, Ausprägungen und Anwendungsbereichen verbindet, ist ihre konsequente Betrachtung der Fremdsprache als Lerngegenstand und als Kom‐ munikationsmittel. Ausserdem, weil bilingualer Unterricht oft als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht angeboten wird, ermöglicht dessen Einsatz für die Lernenden meist eine Erhöhung der Kontaktzeit mit der Zielsprache (Elsner & Kessler 2013, S. 17). Dies führt zu einer Reihe von Vorteilen, die im nächsten Kapitel aufgezeigt werden. 2.2 Gründe für CLIL In den letzten zwanzig Jahren hat das Interesse an CLIL stark zugenommen und ist in verschiedensten Ausprägungsformen in den Schulsystemen in ganz Europa anzutreffen. Für die grosse Verbreitung von CLIL in Europa ist mitunter 26 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="26"?> auch die ambitionierte europäische Sprachenpolitik mitverantwortlich, welche sich aufgrund der zugenommenen Mobilität, verstärkter Zusammenarbeit aber auch erhöhter Wettbewerbsfähigkeit die Förderung der individuellen Mehrspra‐ chigkeit zum Ziel steckte. Konkret bedeutet das, dass alle Primarschulkinder in Europa neben der Erstsprache zwei weitere moderne Fremdsprachen lernen sollen (European Union 2008, S. 1). Im Zusammenhang mit dieser Forderung wird CLIL als erfolgsversprechende, innovative Methode genannt, die dem hohen Anspruch gerecht zu werden scheint, um die jungen Lernenden für die globalisierte-multilinguale (Arbeits-)Welt vorzubereiten (Mehisto et al. 2008, S. 10-11; Wolff 2013, S. 18). Obschon das erste ‘L’ in CLIL für irgendeine Sprache stehen könnte, so dominiert in der Realität Englisch als CLIL-Sprache (Dalton-Puffer 2011, S. 183). Wolff (2013b, S. 96) sieht das Innovationspotential von CLIL auch im Hinblick der «genuinen Funktion von Sprache», die sie im CLIL-Unterricht zugeschrieben bekommt. Er meint damit, dass im CLIL-Unterricht der Fokus auf die Sprache samt ihrer ursprünglichen Funktionalität als Vermittlerin verstärkt wird. Es geht im CLIL-Unterricht also nicht nur um die Fremdsprache als solches, sondern darum Sprache an sich als praktisches, funktionales Kommu‐ nikationsmittel zu nutzen. Diese ursprüngliche Rolle von Sprache schlechthin kann weder im traditionellen Fremdsprachennoch im Sachfachunterricht in diesem Ausmass umgesetzt werden. CLIL ist jedoch nicht nur eine innovative Methode, sondern auch eine lernef‐ fiziente. Diverse internationale Studien belegen, dass CLIL fürs Fremdsprachen‐ lernen als auch fürs Sachlernen gewinnbringend ist (vgl. Bonnet 2016, S. 40). Die Forschung zeigt, dass Lernende in den verschiedensten CLIL-Unterrichts‐ settings erhöhte fremdsprachliche Kompetenzen ausweisen, als die Vergleichs‐ gruppe von Schüler*innen, die Englisch im traditionellen Fremdsprachenunter‐ richt erlernen (z. B. Pfenninger & Singleton 2017, S. 190ff; DESI-Konsortium 2008, S. 451ff). Im Rahmen der grossangelegten Studie ‘Deutsch Englisch Schülerleistungen International’ (DESI) konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass die Schüler*innen der bilingualen Programme der neunten Klasse in den sprachlichen Kompetenzbereichen Lesen, Hören und Schreiben, sowie Sprachbewusstheit für die Grammatik und sprachliches Handeln ein deutlich höheres Niveau ausweisen als die Vergleichsgruppe. Im Bereich Sprechen zeichnen sich ähnliche Ergebnisse ab, jedoch basieren die Forschungsergeb‐ nisse auf einer kleineren Population. Im Hörverstehen schliessen die Klassen mit bilingualem Unterricht besonders gut ab. Insgesamt zeigen diese Ergeb‐ nisse, dass die hohen Erwartungen an die bilingualen Lektionen ergänzend zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht erfüllt werden können und 27 2.2 Gründe für CLIL <?page no="27"?> die Schüler*innen dadurch am Ende der obligatorischen Schulzeit ein fremd‐ sprachliches Niveau erreichen, das sonst erst in der Sekundarstufe II erreicht werden kann (DESI-Konsortium 2008, S. 454-56). Ähnliches bestätigt auch die in der Schweiz durchgeführte Untersuchung von Pfenninger und Singleton (2017, S. 191-95). Die Lernenden in CLIL-Programmen schneiden am Ende der Sekundarstufe in Bezug auf fremdsprachliche Kompetenzen wie zum Beispiel Hörverständnis, rezeptiver und produktiver Wortschatz als auch Flüssigkeit deutlich besser ab als Lernende in traditionellen Englisch-Lernsettings. Eine weitere Studie durchgeführt mit Lernenden der 7. Klasse in Österreich zeigt ähnliche Ergebnisse. Beim Erzählen von narrativen Handlungen erzielten die CLIL Schüler*innen sowohl bei der kommunikativ-funktionalen Anwendung der Fremdsprache als auch bei der Berücksichtigung lexikaler und grammati‐ kalischer Korrektheit bessere Ergebnisse als ihre Altersgenossen, die keinem CLIL-Programm beiwohnten. Zudem zeigten die CLIL-Lernenden vermehrt Strategien sich ohne Wechsel in die Schulsprache erfolgreich zu verständigen. (Hüttner & Rieder-Bünemann 2010, S. 77) Die diesbezügliche Forschung über bilingualen Programmen spezifisch für der Primarstufe steckt hingegen noch in den Anfängen (Heim 2015, S. 46; Piske 2013, S. 40; Massler & Steiert 2010, S. 21). Jedoch zeigen die bereits vorliegenden Ergebnisse, dass der CLIL-Unterricht durchwegs positive Auswirkungen auf die fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden hat (Botz & Diehr 2016, S. 246). Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass die Primarschüler*innen teilnehmend am bilingualen Unterricht innerhalb kurzer Zeit eine hohe Sprach‐ flüssigkeit entwickeln und bemerkenswerte Fortschritte im Wortschatzerwerb machen (vgl. Piske 2013, S. 39-40). Bei einer über zwei Jahre hinweg durch‐ geführten Untersuchung mit CLIL-Lehrpersonen an sechs Grundschulen in Deutschland teilten die befragten Lehrpersonen in Interviews mit, dass sich die Lernenden öfters in Mehrwortsätzen ausdrücken als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht. Zudem beobachteten sie in den Bereichen Sprechen, Lesen und Wortschatz bessere Ergebnisse (Massler & Steiert 2010, S. 17). Auch in der Grammatik erzielen die Primarschulkinder in CLIL-Programmen Fortschritte, obwohl sie keine expliziten Instruktionen erhalten haben (Piske 2013, S. 33). Folgende Gründe werden für all diese positiven Bilanzen im fremdsprach‐ lichen Bereich verantwortlich gemacht. Erstens ermöglicht die Fusion von Sach- und Fremdsprachenfach interdisziplinäres Arbeiten in einem reichen, au‐ thentischen Lernsetting, was das kompetenzorientierte Fremdsprachenlernen erleichtert (Wolff 2013b, 104). Zweitens, aufgrund des verlinkten Lernens von Inhalt und Sprache im bilingualen Unterricht, führt dies nicht nur zu einem 28 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="28"?> vertieften Eindringen in beide Fachbereiche, sondern auch zu einem langfristig besseren Behalten der Lerninhalte (Wolff 2007, 19). Dies gilt insbesondere auch für abstraktes Vokabular, das im CLIL-Unterricht durch die hohe inhaltsbezo‐ gene Kontextualisierung und den damit verbundenen unmittelbaren Gebrauch des Wortschatzes besser gelingt als im traditionellen Fremdsprachenunterricht. Drittens verlaufen die Interaktionen im bilingualen Unterricht infolgedessen stärker verstehungsals auch handlungsorientiert und sind somit bedeutsamer. (Elsner & Kessler 2013, S. 22) Die Lernenden erleben eine unmittelbare Anwen‐ dung des Gelernten im Sinne von «learn as you use, use as you learn» - und nicht «learn now, use later» (Mehisto et al. 2008, S. 11). In diesem Zusammen‐ hang beobachtet Maillat (2010, S. 52) in CLIL-Settings ein lernunterstützendes Phänomen, das er als ‘mask effect’ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass sich Lernende im CLIL-Unterricht hauptsächlich auf den Inhalt konzentrieren und der Verwendung der Zielsprache dabei weniger Beachtung schenken. Anders als im traditionellen Fremdsprachenunterricht, so argumentiert Maillat, ist in CLIL-Lernsituationen der fremdsprachliche Kompetenzaufbau «always a non-focal target» - zumindest aus Sicht der Lernenden. Sie verwenden deshalb im CLIL-Unterricht die Zielsprache unbefangener und vermehrt, was wiederum einen positiven Einfluss auf den Fremdsprachenerwerb hat (Maillat 2010, S. 55). Viertens wirkt sich diese hohe Handlungsorientierung und Unmittelbarkeit von Lerninhalten entsprechend positiv auf die Motivation der Lernenden aus (Pfenninger & Singleton 2017, S. 200; Bonnet 2016, S. 41; Massler & Steiert 2010, S. 13-14; Abendroth-Timmer 2007, S. 181, 189). Im Hinblick auf die Entwicklung der Sachkompetenz sind die empirischen Befunde im Allgemeinen zurückhaltender sowie etwas ambivalenter. Einerseits schlussfolgern einige Untersuchungen, dass die fachlichen Inhalte im CLIL von den Lehrpersonen vereinfacht dargestellt werden und dies zu einer niedrigen Sachkompetenz führen könnte (Bechler 2014, S. 176; Massler und Steiert 2010, S. 20; Botz und Frisch 2016, S. 248). Anderseits gibt es eine Vielzahl empirischer Erkenntnisse darüber, dass der in der Fremdsprache durchgeführte CLIL-Un‐ terricht - teils auch auf der Primarstufe - keine Nachteile auf das fachliche Lernen hat oder die bilingualen Lernenden sogar bessere Leistungen erbringen als ihre regulär unterrichtenden Mitschüler*innen (z. B. Badertscher & Bieri 2009, S. 105; Osterhage 2007, S. 47; Botz & Frisch 2016, S. 248; Zaunbauer & Möller 2007, S. 149). In Bezug auf das für den vorliegenden Kontext relevante Fach Zeichnungs- und Kunstunterricht zeigen mehrere Untersuchungen aus Deutschland, dass die geplanten inhaltlichen Kompetenzen aus dem Lehrplan im bilingual durchgeführten Unterricht erreicht werden (Bechler 2014, S. 241; Rymarczyk 2003, S. 266; Witzigmann 2011, S. 334). 29 2.2 Gründe für CLIL <?page no="29"?> Die positiven Resultate in Bezug auf das Sachfachlernen können verschie‐ dentlich erklärt werden. Zunächst veranschaulicht das ‘Interdependenz Modell’ (Cummins 1984, S. 143), wie kognitive Konzepte in einem sprachunabhängigen Speicher verortet werden und alle Sprachen darauf zugreifen können (vgl. Abbildung 2). Die Metapher des dualen Eisberges eignet sich, um diese positiven Interdependenzen zu illustrieren. Die sichtbaren Sprachkenntnisse können auf ein solides gemeinsames Fundament an allgemeinem Wissen (common under‐ lying proficiency) zurückgreifen, gleichzeitig wird dieser sprachunabhängige Wissensspeicher beim Lernen in jeglicher Sprache mit neuen Informationen fortlaufend eingespeist. Gemäss diesem Modell werden die Sachfachinhalte durch Auseinandersetzungen mit dem Thema in verschiedenen Sprachen an‐ gereichert und auf dieses breiterworbene Gelernte können die Lernenden im CLIL-Unterricht zugreifen. Common underlying proficiency Surface Features of L2 Surface Features of L1 Abbildung 2: The dual iceberg of bilingual proficiency (Cummins 1984, S. 143) Weiter hängt der positive sachfachliche Lernertrag wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die im CLIL-Unterricht verlangsamte, überdachte Kommuni‐ kation das Verstehen erleichtert (Bechler 2014, S. 194). Zudem werden im CLIL-Unterricht die sachfachlichen Inhalte vermehrt mit visuellen Hilfsmitteln und unterschiedlichen anderen Darstellungsformen dargeboten, welches ein Lernen auf verschiedenen Sinneskanälen ermöglicht (Elsner & Kessler 2013, S. 23). Ausserdem führt die mehrfach sprachliche Kodierung und ein allfälliger Sprachwechsel zu einer grösseren Verarbeitungsdichte sowie zur Vertiefung des Sachfachwissens (Botz & Frisch 2016, S. 248; Wolff 2007, S. 22). In der Literatur findet man in diesem Zusammenhang den Begriff ‘negotiations of meaning’. Darunter wird das Aushandeln von unklaren Begriffen oder Inhalten bezeichnet, die es zu beseitigen gilt, damit die erfolgreiche Weiterführung des Unterrichts gewährleistet werden kann (Badertscher & Bieri 2009, S. 129). Die Lernenden im CLIL-Unterricht müssen demnach vermehrt die Bedeutung der Inhalte aushandeln. In ihrer Studie konnten Bieri und Badertscher (2009, S. 179) 30 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="30"?> 2 Von Wichtigkeit an dieser Stelle zu betonen, dass es ‘Kultur’ als solches nicht gibt, sondern nur ‘Kulturen’. Ziel muss es somit sein, das Bewusstsein der Lernenden für die Vielfalt verschiedener - angelsächsischer oder anderen - National-, Regional- und Subkulturen zu schärfen (Nünning & Nünning, 2000, S. 7). Ausgehend von diesem Verständnis, werden die Begrifflichkeiten ‘kulturell’ und ‘interkulturell’, somit die Auseinandersetzung mit mehreren Kulturen, in dieser Arbeit als Synonyme betrachtet. Da jedoch der Lehrplan vorwiegend von ‘Kulturen’ oder ‘kulturell’ spricht, wird dieser Begriff immer dann verwendet, wenn es um das inhaltliche Lernen über englischspra‐ aufzeigen, dass negotiations of meaning mehr als doppelt so oft im CLIL-Unter‐ richt vorkommen als im vergleichbaren Fachunterricht in der Schulsprache. Die Forscher nehmen an, dass dies ein Grund dafür sein könnte, dass der Wissensaufbau trotz erschwerender Fremdsprache sorgfältig vollzogen werden kann (Badertscher & Bieri 2009, S. 191-92). Ferner hat sich gezeigt, dass sich Lernende aufgrund des anspruchsvollen Settings des CLIL-Unterrichts besser konzentrieren müssen (Wolff 2007, S. 22) und sie diese Herausforderung als motivierend wahrnehmen (Lamsfuss-Schenk 2015, S. 154). Schliesslich wird vermutet, dass der Unterricht methodisch besser durchdacht und strukturiert ist (Bonnet 2016, S. 42). Mit Blick auf die Erst- oder Schulsprache wird oft befürchtet, dass sich der vermehrte Gebrauch der Fremdsprache im CLIL- oder immersiven Unterricht negative Effekte auf deren Entwicklung haben könnte (Massler & Steiert 2010, S. 16). Bisher konnte jedoch keine Benachteiligung für die Erst- oder Schul‐ sprache (im Bereich Rechtschreibung und Leseflüssigkeit) bewiesen werden. Die Befunde einer Längsschnitt Studie in Deutschland zeigen zudem, dass die Grundschulkinder im immersiven Unterricht durch den vermehrten Gebrauch der Fremdsprache keine Nachteile auf ihre Deutsch Kenntnisse erfahren hatten (Gebauer et al. 2012, S. 193). Neben den belegten mehrheitlich positiven Auswirkungen auf das fremd‐ sprachliche und inhaltliche Lernen, sowie die Erkenntnis, dass CLIL die Ent‐ wicklung der Schul- und Erstsprache nicht behindert, wird bilingualer Unter‐ richt auch als passend für die Förderung des kulturellen Lernens und den Aufbau von interkulturellen Kompetenzen postuliert (vgl. Bonnet 2016, S. 41). Auch wenn deren Förderung im 21. Jahrhundert als ein allgemeines Bildungsziel an‐ gesehen wird (Byram et al. 2001, S. 8), so gelingt das (inter-)kulturelle Lernen in Anwesenheit einer Fremdsprache besonders optimal: «Given the closely nature of culture and language, it is difficult to teach language without an acknowledge‐ ment of the cultural context in which it is used.» (Baker 2016, S. 62). Im bilingualen Unterricht wird diese Gegebenheit aufgrund der Anwesenheit von mehr als einer Sprache verstärkt. Daher ist die Begegnung und Auseinandersetzung mit Kultur 2 - bewusst oder unbewusst - im CLIL Unterricht unumgänglich. Im 31 2.2 Gründe für CLIL <?page no="31"?> chige Kulturen geht. So hebt sich der Begriff klar von den nachfolgend eingeführten Konzepten der ‘interkulturellen Kompetenz’ und ‘interkulturellen Kommunikation’ ab, die diesen Prozess des aufeinander Wirkens von mehreren Kulturen noch expliziter hervorheben. Rahmen der DESI-Studie hat sich gezeigt, die Lernenden der Sekundarstufe im CLIL-Setting eine erhöhte interkulturelle Sensibilisierung ausweisen. Das hängt damit zusammen, dass Englisch im bilingualen Unterricht verstärkt als Kommunikationsmedium verwendet wird und sich dadurch früher eine Auseinandersetzung mit interkulturellen Inhalten bewerkstelligen lässt. Dies gelingt zum Beispiel dann, wenn Lernende in authentischen Texten fremden Kulturmerkmalen begegnen und diese mit eigenkulturellen Inhalten verglei‐ chen (DESI-Konsortium 2008, S. 452, 456). Oder überdies, wenn sachfachliche oder sprachliche Lerninhalte aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden und dadurch das vorurteilslose interkulturelle Verstehen gefördert wird (Wolff 2016, S. 31). Oder ferner, wenn Lernende in der fremden Sprache mit limitierten sprachlichen Kenntnissen über relevante Inhalte sprechen und dabei Strategien anwenden müssen, die den Gesprächsfluss aufrecht erhalten (O. Meyer 2010b, S. 20). Fakt ist, dass CLIL und (inter-)kulturelles Lernen eng ineinander verflochten sind, jedoch in diesem Bereich ein Forschungsdesiderat besteht (Coyle 2007b, S. 550). Das hängt damit zusammen, dass der Begriff Kultur und die damit in Verbindung stehenden fachdidaktischen Konzepte sehr unterschiedlich interpretiert sowie zum Teil kontrovers ausgelegt werden (Göbel & Hesse 2004, S. 820). Im Kontext dieser Studie wird das (inter-)kulturelle Lernen durch die Fusion der beiden Fächer Englisch und Bildnerisches Gestalten zusätzlich begünstigt, da in beiden Fächern die Auseinandersetzung mit Kultur ein wichtiger Stellenwert einnimmt (vgl. D-EDK 2014). Wie dies genau gelingen kann, wird in den Kapiteln 2.5.8 und 3.2.4 exemplarisch erläutert. An dieser Stelle gibt es einige kritische Anmerkungen anzufügen. Zunächst müssen sich die in der Literatur vielfältigen positiven Befunde hinsichtlich der Lernwirksamkeit von CLIL teils mit Vorsicht betrachtet werden, da allenfalls die bei der Zuweisung der Lernenden in die spezifischen bilingualen Unterrichts‐ programme Selektionseffekte mitgespielt haben. Dieser Sachverhalt wird in der Literatur von verschiedenen Experten*innen diskutiert (vgl. Bonnet 2016, S. 48; Paran 2013, S. 325-26). Ausserdem implizieren CLIL-Programme oft auch eine erhöhte Kontaktzeit mit der Zielsprache. Vor allem bei Vergleichsstudien von CLIL zu non-CLIL Lernenden erhalten erstere oft mehr Englischlernzeit als die Vergleichsgruppe, da sie zusätzlich zu den herkömmlichen Englischlek‐ tionen noch weitere fremdsprachlich geführte CLIL-Lektionen besuchen. Diese erhöhte Kontaktzeit könnte daher ebenfalls für einen Teil der positiven Befunde 32 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="32"?> verantwortlich sein (Elsner & Kessler 2013, S. 22). Weiter, wie es missverständ‐ lich nach dieser Zusammenstellung von vorwiegend positiven Einflüssen den Anschein haben könnte, führt CLIL nicht automatisch und in jedem Fall zum Erfolg. Stattdessen braucht es, wie in jedem wirksamen Lernsetting, ein gutes Zusammenspiel von sorgfältiger Unterrichtsplanung und effektiver Un‐ terrichtsdurchführung (O. Meyer 2010b, S. 13). Solche methodisch-didaktischen Implikationen in Bezug auf die Durchführung des CLIL-Unterrichts werden im Hauptkapitel 3 thematisiert. Schliesslich, wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist CLIL ein sehr umfassender umbrella term, der es schier verunmöglicht die diversen Forschungsresultate in vergleichbarer Weise darzulegen. Wichtig ist es deshalb CLIL in den für die vorliegende Untersuchung relevante Forschungs‐ kontext weiter einzugrenzen. Dies geschieht in den nächsten drei Kapiteln, in denen die Eignung von CLIL für die Schweizer Primarschule aufgezeigt, CLIL hinsichtlich des Umgangs mit Heterogenität eingeordnet und im Kontext des Fachbereichs Bildnerisches Gestalten umrissen wird. 2.3 CLIL im Schweizer Primarschulkontext Wie bereits angesprochen, geschieht im CLIL-Unterricht das Lernen integral und unmittelbar im Sinne von «learn as you use, use as you learn» und nicht «learn now, use later.» (Mehisto et al. 2008, S. 11). Diese Prämisse der direkten Begegnung mit der Sprache in einem handlungsorientierten Setting ist besonders für die Primarschulstufe von grosser Bedeutung. Kinder lernen Sprache in situativen Kontexten mit bedeutsamer Inhaltsorientierung und hohem Lebensweltbezug (z. B. Piske 2013, S. 30). Im CLIL-Unterricht, in dem das sachfachliche und fremdsprachliche Lernen vereint wird, gelingt diese Verknüpfung von Inhalt und Sprache optimal. Gemäss dem europäischen Leitgedanken sollen alle Kinder der Primarstufe an den Schweizer Volksschulen zwei Fremdsprachen lernen. Dies erfolgt meist in zwei bis drei isolierten Fremdsprachenlektionen pro Woche. Dieses Setting scheint insgesamt zu wenig erfolgsversprechend (Elsner & Kessler 2013, S. 24). Der Schweizer Lehrerverband (LCH) stellte kürzlich auf Druck aus Politik und Gesellschaft Forderungen auf, welche auf eine Optimierung des Fremd‐ sprachenunterrichts abzielen. Für das Erlernen einer neuen Sprache braucht es genügend Unterrichtszeit, wie auch die Realisierung von vernetztem Spra‐ chenunterricht (LCH 2015, S. 3). Der frühe Fremdsprachenunterricht ist seit geraumer Zeit tatsächlich immer wieder ein viel diskutiertes, politisches Thema in den Schweiz. Diverse kantonale Abstimmungen in den letzten Jahren hatten 33 2.3 CLIL im Schweizer Primarschulkontext <?page no="33"?> zum Ziel nur noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe als Unterrichtsfach beizubehalten. Die Befürworter dieser Initiativen nennen die Ineffektivität des frühen Fremdsprachenunterrichts als einen der Hauptgründe, um eines der beiden Fremdsprachenfächer auf die Sekundarstufe zu verlegen. In diesem Zu‐ sammenhang kann deshalb CLIL als eine mögliche Lösung angesehen werden, mit der man den Fremdsprachenunterricht ungeachtet des Alters oder Schul‐ stufe der Lernenden in der Volksschule effektiv optimieren könnte (Pfenninger & Singleton 2017, S. 207). CLIL als solches ist an den Schweizer Primarschulen als methodischer Ansatz nicht fremd. Die Primarschüler*innen erlernen teilweise Englisch indem sie Sachwissen aus naturwissenschaftlichen oder musischen Fächern im Englisch‐ unterricht thematisieren. Die modernen Englisch-Lehrmittel (z. B. Young World, New World, Explorers) nennen deshalb CLIL als einer ihrer methodischen Ansätze und meinen damit diese themenzentrierten Sequenzen im Fremdspra‐ chenunterricht (vgl. Frank Schmid & Wuthier 2013; Arnet-Clark & Frank Schmid 2018). Auch wenn nicht die gesamte Unterrichtszeit gemäss dieser Art von CLIL verläuft, so sind es doch immer wieder ausgedehntere Unterrichtsblöcke, in denen die Lernenden relevantes fachübergreifendes Sachfachwissen in der Fremdsprache lernen. Diese Ausrichtung von CLIL, bei dem fachübergreifende Inhalte in den Englischunterricht integriert werden, wird wie bereits angespro‐ chen als CLIL-Variante B bezeichnet (vgl. Abbildung 1). Trotz fachübergrei‐ fenden Inhalten ist das Erlernen der Fremdsprache das vordergründige Ziel (Massler & Stotz 2013, S. 9). Andere Formen des bilingualen Unterrichts, im Sinne der CLIL-Variante A (vgl. Abbildung 1), bei der Englisch als Unterrichtssprache ins Sachfach ausgelagert wird (Massler & Stotz 2013, S. 9), bilden in der Schweiz immer noch die Ausnahme (Brohy 2016, S. 227). Eigentlich ist es erstaunlich, dass in der viersprachigen Schweiz bilinguale Unterrichtsmodelle nicht mehr ver‐ breitetet sind. Auf der Primarstufe ist diese CLIL-Variante in der Schweiz hauptsächlich an privaten bilingualen Schulen anzutreffen, die privilegierten oft aus internationalem Umfeld stammenden Familien bilinguale Bildung an‐ bieten. An den öffentlichen Primarschulen gibt es gemäss einer offiziellen Kantonsumfrage nur entlang der Deutsch-Französischen Sprachgrenze einige immersive oder bilinguale Angebote (vgl. EDK 2017). Zum Beispiel werden im zweisprachigen Kanton Fribourg Primarlehrpersonen mit finanziellen Res‐ sourcen unterstützt, die mindestens 10 % des Unterrichts in der jeweiligen Part‐ nersprache immersiv unterrichten (EKSD 2017). An vereinzelten Schulen oder auf individueller Basis werden projektartige CLIL-Unterrichtseinheiten von in‐ novativen Lehrpersonen durchgeführt. Berichte solcher erfolgsversprechenden 34 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="34"?> bilingualen Projekte existieren, sie wurden jedoch nicht oder nur teilweise empirisch ausgewertet. Um einen Einblick zu gewähren, werden im Folgenden zwei solcher experimentellen Projekte erwähnt, beide jedoch in Verbindung mit der Zielsprache Französisch. Zum einen liegt eine Projektdokumentation sogenannter ‘Îlots immersifs’ vor, in welchen Französischlernende der Fremd‐ sprache in verschiedenen Fachbereichen spielerisch und lustvoll begegneten. Die Stimmen der beteiligten Lehrpersonen und Lernenden sind durchwegs positiv. (Departement Bildung, Kultur und Sport 2014) Zum anderen wurden basierend auf den bereits existieren Projekt explore-it (www.explore-it.org) bilinguale Unterrichtssequenzen entwickelt, mit welchen bei Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Verständnis für technische Alltagsobjekte gefördert werden sollen. Mithilfe vorhandenen Materialschachteln mit Alltagsgegenständen zum Experimentieren und mit Arbeitsanweisungen in der Fremdsprache bauen die Schüler*innen technische Objekte. Dabei setzen sie sich sowohl mit der Zielsprache Französisch als auch mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinander. Erste Auswertungen zeigen, dass das duale Lernen in dieser projektartigen Umsetzung in knapp zwanzig Klassen erfolgreich verläuft: Trotz der fremdsprachlichen Hürde konnten alle Lernenden am Ende der Lerneinheit ein technisches Projekt fertigstellen und erlebten dabei Erfolgserlebnisse beim Fremdsprachenlernen. (Tinner 2018, S. 49-51) Aufgrund der Tatsache, dass die Umsetzung solcher bilingualen Module in der Volksschule auf individueller Basis von innovativen Lehrpersonen bottom-up getragen wird, gibt es auch keine offizielle Statistik von Primarschulen, die regelmässigen CLIL-Unterricht oder vereinzelte bilinguale Module in den Un‐ terricht integrieren. Deshalb entsteht insgesamt der Eindruck, dass CLIL in dieser Form an Schweizer Primarschulen wenig verbreitet ist. Als Gründe, wieso dieses grosse Potential für das bilinguale Lernen an den öffentlichen Primarschulen nicht mehr ausgeschöpft wird, werden unter anderem finanzielle und administrative Aufwände vorgegeben (Lüdi 2018, S. 17-18). Indessen hat CLIL im Kanton Zürich eine beachtliche Tradition. Dies hängt mit dem innovativen Schulprojekt 21 zusammen, das neben anderen Themen im Zusammenhang mit der Einführung des frühen Englischunterrichts von 1998 bis 2003 auf der Primarstufe stattfand. In der Anfangsphase noch als ‘em‐ bedding’ bezeichnet, wurde in ausgewählten Klassen pioniermässig CLIL-Un‐ terricht durchgeführt, indem fächerübergreifendes Sachwissen auf Englisch unterrichtet wurde. CLIL in dieser Variante A (vgl. Abbildung 1) als Unterrichts‐ konzept stiess dabei im Schlussbericht auf hohe Akzeptanz (Meuter & Stotz 2001, S. 243-44). Bei der flächendeckenden Einführung von Englisch auf der Primarstufe im Kanton Zürich im Jahr 2005 wurde CLIL jedoch in der Art und 35 2.3 CLIL im Schweizer Primarschulkontext <?page no="35"?> Weise des heute verbreiteten inhaltsorientierten Fremdsprachenunterrichts ge‐ mäss CLIL-Variante B (vgl. Abbildung 1) vorgezogen. Dies führte zu dem bereits erwähnten Resultat, dass CLIL als ein methodischer Ansatz die nachfolgend entwickelten Englisch-Lehrmittel stark prägte. Bei beiden CLIL-Varianten A und B (vgl. Abbildung 1) variieren die Gewich‐ tung des Sach- oder Fremdsprachenlernens stark. Insgesamt schaffen es weder die CLIL-Variante A noch Variante B dem Anspruch des Content and Language Integrated Learning zu gleichen Anteilen gerecht zu werden. Hier setzen Massler und Stotz (2013, S. 10-11) mit ihrer CLIL-Variante C an (vgl. Abbildung 1). Diese neue Stossrichtung gewährleistet die echte Fusion von beiden Fächern und fördert den dualen Kompetenzaufbau. Für den CLIL-Unterricht an der Primar‐ stufe würde das bedeuten, dass sich in einer genuinen Fächerverschmelzung die für diese Schulstufe anstrebenswerte Handlungsorientierung besser umsetzen liesse, als im herkömmlichen themenorientierten Fremdsprachenunterricht. In der vorliegenden Untersuchung werden daher CLIL-Lerneinheiten dieses Typs C in Form von Modulen angestrebt. Module eignen sich deshalb besonders für die Primarstufe, weil sie sich flexibel, situativ thematisch-passend in den Unterricht integrieren und sich mit relativ wenig organisatorischen Aufwand umsetzen lassen (Bechler 2014, S. 84; Elsner & Kessler 2013, S. 20-21). Sie lassen sich phasenweise nach Kapazitäten ohne Verankerung im Stundenplan umsetzen. Letzterer Aspekt wird als grosser Vorteil gegenüber mehr hochfrequentierten bilingualen Settings betrachtet, weil für deren Umsetzung vorgängig die Unterstützung und Zustimmung auf Ebene der Eltern, Schule und Behörden eingeholt werden müsste (Brohy 2017, S. 1). Auch wenn die eingangs geschilderten positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche, inhaltliche und kulturelle Lernen sich in diesen sporadisch angesiedelten Modulen nicht im gleichen Umfang erreichen lassen (Elsner & Kessler 2013, S. 21), so erhöhen sie trotzdem die Kontaktzeit mit und einen neuen Zugang zur Fremdsprache. Ersteres gelingt deshalb, weil CLIL-Module meist zusätzlich zu den herkömmlichen Fremdsprachenlektionen angeboten werden. Insgesamt können solche Module den vom Schweizer Lehrerverband (LCH) geäusserten Forderungen nach mehr Unterrichtszeit und Vernetzung des Unterrichts Rechnung tragen ohne den bereits vollen Stundenplan weiter zu belasten (LCH 2015, S. 3) oder andere Fächer aus dem Stundenplan zu verdrängen (Berthele 2018, S. 63). Die Primarlehrpersonen in der Schweiz bringen zudem, im Vergleich zu anderen Ländern, die idealen Voraussetzungen als CLIL-Lehrpersonen mit, weil sie die Unterrichtsberechtigung sowohl für die Fremdsprache als auch für weitere Fachbereichen ausweisen (Wolff 2013, S. 22; Lo 2020, S. 17, 21). Infolgedessen können sie die CLIL-Variante C der Gleichbe‐ 36 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="36"?> rechtigung und voller Integration beider Fächer professionell umsetzen. Sie sind zudem mit den verschiedenen Fachdidaktiken sowie dem fachübergreifenden Lehrplan vertraut, verfügen über die nötigen fremdsprachlichen Kenntnisse und kennen die für diese Zielstufe essentiellen didaktisch-methodischen Konzepte. Ferner sind sie es sich gewohnt die verschiedenen Ausgangsbedingungen und Leistungsgruppen in ihren heterogenen Klassen zu berücksichtigen. Im nachfolgenden Kapitel wird der Schweizer Primarschulkontext unter dem Kontext der dort vorherrschenden Vielfalt genauer beleuchtet und aufgezeigt, wie CLIL diesem hohen Anspruch nach Differenzierung und Individualisierung gerecht werden kann. 2.4 CLIL im Umgang mit Heterogenität Im Bildungskontext beschreibt der Begriff Heterogenität (griechisch ‘hetero’ als Wortbestandteil für ‘anders, verschieden, fremd’) die Vielfalt im Klassenzimmer. Die Lernenden unterscheiden sich nach Intellekt, Verhalten, Alter, Geschlecht, Sprache, Kultur und Interesse (Klippert 2010, S. 300). Gerade im Primarschulalter liegen Kinder mit demselben Jahrgang in ihrem Entwicklungsalter um mehrere Jahre auseinander. Einerseits weil Eigenschaften und Fähigkeiten in jedem Kind unterschiedlich angelegt sind, anderseits weil diese verschieden schnell ausreifen (Largo & Beglinger 2009, S. 19, 22). Die Vielfalt in Bezug auf Bega‐ bungen, Verhalten und Interessen sind zu einem grossen Teil anthropologisch bestimmt. «Die Grundgesetzte der Natur sorgen dafür, dass die Menschen unterschiedlich gepolt sind. Verschiedenheit ist die Regel, Ausstattungsgleich‐ heit die Ausnahme.» (Klippert 2010, S. 62). Der produktive Umgang mit der bestehenden Heterogenität in den Schulen ist demnach aus gesellschaftlicher Sicht von Notwendigkeit als auch von Nutzen. Notwendig deshalb, weil sich darin der Respekt gegenüber dem einzelnen Individuum ausdrückt, wie er für eine moderne Demokratie konstitutiv ist. Und nützlich insofern, weil somit die erforderliche Integrations- und Förderarbeit gewährleistet, die den Schüler*innen die Chance eröffnet, den zukünftigen Anforderungen in der Gesellschaft und im Berufsleben zu meistern. Der Umgang mit Heterogenität gehört sozusagen zu den Grundmaximen der Demokratie und ist ein wichtiges Fundament einer funktionierenden Wirtschaft. (Klippert 2010, S. 64) Jede Klasse ist somit heterogen und die Herausforderung besteht darin, mit dieser Vielfalt im Unterricht konstruktiv umzugehen. Dieser hohe An‐ spruch wird im Schulalltag generell als belastend und zeitaufwändig wahrge‐ nommen. «Als problematisch werden diese Unterschiede erst dann erlebt, wenn 37 2.4 CLIL im Umgang mit Heterogenität <?page no="37"?> der höchst individuelle Prozess des menschlichen Lernens einer Normierung unterworfen wird. Dies ist beim institutionalisiertem, also auch beim schuli‐ schen Lernen, der Fall.» (Hass & Kieweg 2012, S. 14). Eine leistungsorientierte Homogenisierung von Lernenden hat sich jedoch gemäss Auswertung der PISA-Befunde als nicht lernwirksam herausgestellt. Länder, in denen die Kinder ohne Selektion länger gemeinsam, demnach heterogen, unterrichtet werden, schneiden bei den internationalen Leistungstests besser ab. Die positiven Aus‐ wirkungen werden damit begründet, dass in heterogenen Lerngruppen die Lehrpersonen gezielter und konsequenter differenzieren müssen und sich dies positiv auf die Unterrichtsqualität auswirkt. Der Umgang mit der Heterogenität und damit verbundenen Anpassungen im Unterricht zur gezielten Förderung und Forderung der verschiedenen Kinder werden dadurch als selbstverständlich wahrgenommen. (Klippert 2010, S. 30) Anfänglich wurden bilinguale Unterrichtssettings hauptsächlich entweder an privaten Schulen oder als ein selektives Unterrichtsprogramm zum Beispiel an Gymnasien angeboten. Somit konnten nur privilegierte Lernende aufgrund vorgängiger Selektion, einer sogenannten äusseren Differenzierung, von diesen CLIL-Unterrichtssettings profitieren. Solche bilinguale Unterrichtsangebote verfolgten demnach hauptsächlich das Ziel, Kindern aus elitären Kreisen die Fremdsprache, meist Englisch, näher zu bringen. Dank den europaweiten Bestrebungen die Mehrsprachigkeit flächendeckend allen Lernenden zu er‐ möglichen, ist CLIL-Unterricht in verschiedensten Ausprägungen zunehmend verbreitet und für alle zugänglich an öffentlichen Schulen anzutreffen. (Wolff 2016, S. 27) Hinsichtlich der Tatsache, dass bilingualer Unterricht zu Beginn vor allem ein Angebot für leistungsstarke Schüler*innen darstellte, könnte man daraus schliessen, dass CLIL lernschwache Kinder überfordert. Diese Tatsache wurde von einigen Lehrpersonen bei der Durchführung von bilingualen Modulen mit Primarschüler*innen bestätigt. Für gewisse leistungsschwächere Lernende stellt der bilinguale Unterricht eine echte Herausforderung dar, der viel an Konzentration und Ausdauer abverlangt. Dabei hängen einige Kinder ab oder verlieren die Lust am Unterricht (Bechler 2014, S. 205). Dem gegenüber gibt es verschiedene positive Befunde zum Gelingen von CLIL-Unterricht mit heterogenen Lernenden. Zum Beispiel kommt die in Spa‐ nien durchgeführte Studie mit über 2000 Primar- und Sekundarschüler*innen zum Schluss, dass CLIL mit allen Lernenden unabhängig ihres Lernstandes, Vorwissens oder sozial-ökonomischen Status gelingt (Cañado 2019, S. 12). Zudem bringt die an einer deutschen Hauptschule realisierte Untersuchung mit lernschwachen Schüler*innen der 5. und 6. Klasse in Erfahrung, dass 38 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="38"?> trotz den eingeschränkten fremdsprachlichen Kompetenzen die Beteiligung der Lernenden hoch und deren Antworten auf offen formulierte Lehrerfragen recht umfangreich sind. Die mündlichen Beiträge werden von den Forschenden als länger eingeschätzt, als sie im traditionellen Fremdsprachenunterricht an Hauptschulen üblicherweise erwartet werden können (Schwab, Kessler & Hollm 2012, S. 8). Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass CLIL-Unterricht auch auf der heterogenen Primarschulstufe mit Sprachanfängern erfolgreich verläuft, nicht zuletzt, weil Lernende die funktionale, vermittelnde Rolle der Sprache bewusster wahrnehmen und dadurch den Unterrichtsgegenstand tiefer verarbeiten. Ausserdem erfahren im CLIL-Unterricht alle Lernende, was es heisst dem Unterricht zu folgen, wenn man die Instruktionssprache noch nicht vollkommen meistert. Eine wichtige Erfahrung, die sonst nur Lernende mit Migrationshintergrund machen. Im CLIL-Unterricht können dadurch alle Lernende für die sprachliche Heterogenität in der Klasse sensibilisiert werden (Thürmann et al. 2010, S. 15). Ferner zeigt Abendroth-Timmer (2007, S. 181-89) in ihrer Studie durchgeführt in heterogenen Lerngruppen mit Sprachanfängern, dass die teils tiefen fremdsprachlichen Anforderungen keine demotivierende Wirkung auf das bilinguale Lernen haben. Stattdessen befindet sie, dass selbst lernschwache Kinder dank der Verbindung von Sprache und Sachfach für den CLIL-Unterricht motiviert sind. Weitere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass die Teilnahme am immersiven oder bilingualen Programmen für Lernende mit unterdurchschnittlichen Schulleistungen keine negativen Auswirkungen auf die allgemeine Schulbildung hat (Genesee 2007, S. 659; Cummins 1984, S. 162). Dies gilt in gleicher Weise auch für Kinder mit Lernschwierigkeiten oder einer Sprachentwicklungsstörung, welche ohne negativen Einfluss auf den Erstspracherwerb oder auf andere schulische Leistungen von der immer‐ siven Lernumgebung profitieren konnten. Die Angst einer Überforderung oder unnötigen Belastung durch eine Teilnahme am immersiven Unterricht von Lernenden mit Defiziten ist somit unbegründet (Schmidt 2016, S. 258). Solche Befunde verdeutlichen, dass Immersions-Unterricht oder bilinguale Programme grundsätzlich für alle Schüler*innen geeignet sind. Jedoch gilt insbesondere für den CLIL-Unterricht an der Primarschule, wo lernschwächere und lernstärkere Schüler*innen ohne vorgängige Selektion integriert miteinander lernen, dass der grossen Heterogenität eine besondere Beachtung geschenkt werden muss. Lehrpersonen, die tagtäglich mit verschie‐ denen Lernenden arbeiten, wissen, dass das erfolgreiche Unterrichtsprinzip in einer heterogenen Lerngruppe eine Ausgewogenheit von differenzierten, individualisierten und gemeinsamen Unterrichtsphasen ist (Hass & Kieweg 2012, S. 258; Eisenmann 2019, S. 47). Differenzierung und Individualisierung 39 2.4 CLIL im Umgang mit Heterogenität <?page no="39"?> können als «Kehrseiten derselben Medaille» angesehen werden (Ahlring 2006b, S. 5), welche nicht identisch, sondern komplementär zu betrachten sind: Mit Differenzierung meint man die Bereitstellung von verschiedenen Lernanforde‐ rungen und -aktivitäten; unter Individualisierung versteht man die optimale Förderung eines jeden Lernenden auf seinem persönlichen Niveau. Eine möglichst breite Palette von differenzierten Angeboten mit vielseitigen Lerntätigkeiten im kognitiven, sozialen, kommunikativen und motorischen Bereich erhöht die Chancen, dass möglichst viele Lernende entsprechend ihren individuellen Lernvoraussetzungen profitieren können (Klippert 2010, S. 52; Ahlring 2006b, S. 5). Dabei wird ein handlungsorientiertes Arbeiten, bei dem die Lernenden unter Einbezug der verschiedenen Sinne den Lerngegenstand aktiv konstruieren, als besonders wertvoll angesehen (Eisenmann 2019, S. 68). Neben den verschiedenen Sinnen sollen in einem heterogenitätsfreundlichen Unterricht auch unterschiedliche Lerntypen angesprochen werden. Gardner entwickelt in den frühen 1980er Jahren die Theorie der ‘Multiple Intelligences’ und geht davon aus, dass alle Individuen unterschiedliche Talente haben (Gardner 2006, S. 84). Wie die Abbildung 3 verdeutlicht, unterscheidet er zwischen acht Intelligenzbereichen. «As the name indicates, I believe that human cognitive competence is better described in terms of a set of abilities, talents, or mental skills, which I call intelligences.» (2006, S. 13 Hervorhebung im Original). Gemäss Gardner besitzen alle Individuen diese verschiedenen Intelligenzen, jedoch sind sie bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt. Auch wenn seine Theorie empirisch umstritten ist (vgl. Woolfolk 2014, S. 123-24), unterstreicht sie einmal mehr die Tatsache, dass jeglicher Unterricht breit abgestützt und vielgestaltig ausfallen sollte, damit den Lernenden vielfältige Zugänge zu den Lerninhalten geboten werden können (Gardner 2006, S. 145). Im CLIL-Unterricht in der Fächerkombination Englisch und Bildnerisches Gestalten, wo handelndes, kreatives und räumliches Lernen auf linguistisches, soziales Lernen zusammentreffen, können mehrere dieser acht Intelligenztypen beispielhaft vereint werden: «Gestaltet man Lernangebote so, dass sprachliche oder analytische Talente in einem didaktischen Geflecht mit bewegungsbe‐ tonten, visuellen und musischen Dispositionen interagieren können, sind po‐ sitive Effekte auf das Lehren und Lernen wahrscheinlich.» (Gehring 2017, S. 17). Zudem fördert diese spezifische Fächerfusion das holistische Lernen mit verschiedensten Sinnen. Dadurch dass das Lernen über den auditiven, visuellen und haptischen Sinn passiert, werden erneut verschiedene Schüler*innen samt ihren unterschiedlichen Talenten angesprochen (Klippert 2010, S. 61; Eisenmann 2019, S. 68). Die dabei begleitenden kommunikativen Handlungen, die im CLIL-Unterricht eine hohe Stellung einnehmen, leisten als Versprachlichung 40 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="40"?> des Wahrgenommenen und Gelernten beim gemeinsamen Austausch einen wichtigen Beitrag für die Behaltensleistung. Davon profitieren erneut die lernschwächeren als auch lernstärkeren Schüler*innen (Klippert 2010, S. 68) - vorausgesetzt Lernende mit basaler Sprachkompetenz werden im CLIL-Un‐ terricht mit entsprechendem Scaffolding begleitet (Bonnet 2016, S. 41-42). Da zudem Bilder die fremdsprachliche Rezeption als auch Produktion erleichtern, kann die Heterogenität ohne aufwändige Differenzierung gut berücksichtigt werden (Rymarczyk 2015, S. 194). Schliesslich verspricht gerade der bilinguale Zeichnungs- und Kunstunterricht ein hohes Mass an «Individualität der persön‐ lichen Kreativität» (Rymarczyk 2003, S. 122). Das bedeutet, dass die Lernenden dank der Anwesenheit von Bildernischen Gestalten während längerer Phasen selbstständig und autonom arbeiten können. Dies vereinfacht den Umgang mit der Heterogenität zusätzlich, weil die Lehrpersonen in solchen Phasen die Möglichkeit erhalten Lernende individuell zu fördern und zu begleiten. Abbildung 3: Übersicht über die acht Intelligenzen nach Gardner Nachdem die Passung von CLIL für den Kontext der Schweizer Primarschule mitsamt der dort vorherrschenden Heterogenität dargelegt wurde, wird im folgenden Kapitel aufgezeigt, wieso sich CLIL-Unterricht in Verbindung mit dem Fachbereich Bildnerisches Gestalten - zusätzlich zu den eben aufgezeigten Vorzügen im Zusammenhang mit der Heterogenität - besonders eignet. 41 2.4 CLIL im Umgang mit Heterogenität <?page no="41"?> 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL Traditionell sind es eher die gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fä‐ cher, die für den CLIL-Unterricht oder immersiven Sequenzen auf den ver‐ schiedensten Schulstufen eingesetzt wurden. Den musischen und sportlichen Fächern wurden bislang in der Praxis aber auch Forschung relativ wenig Beachtung geschenkt. Erst seit einigen Jahren zeigt sich zunehmend Interesse für die Verwendung des Fachbereichs Bildnerisches Gestalten (fortan BG) für bilinguale Unterrichtsettings (Rymarczyk 2015, S. 183; 2013, S. 265). Dies ist erstaunlich, da die Gründe für dessen Eignung für den CLIL-Unterricht gerade für Sprachanfänger der Primarstufe gegenüber den mehr textbezogenen, wissenschaftlichen Fächern zahlreich sind (Heim 2015, S. 57). Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Eignung von BG für bilinguale Sequenzen bislang praktisch ausschliesslich von Fremdsprachendidaktiker*innen erforscht wurde und dieses Fach von ihnen - wie nachfolgend aufgezeigt - für die Umsetzung von CLIL sehr wertgeschätzt wird (Rymarczyk 2015, S. 183). 2.5.1 Empirische Befunde Drei qualitative Untersuchungen (Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003) und eine gut dokumentierte Unterrichtsreihe (Knorr & Teske 2010), die allesamt in Deutschland den Kunst-/ Zeichnungsunterricht in Kombination mit Englisch oder Französisch in Primar- oder Sekundarschulklassen ergründeten, beschreiben die Eignung des Fachbereichs BG für die Umsetzung von CLIL-Un‐ terricht vielperspektivisch. Bechler (2014) begleitete wissenschaftlich die Durchführung von zwei CLIL-Modulen im Fächerverbund ‘Mensch, Natur und Kultur’, in dem ‘Bildende Kunst’ untergebracht ist. Auch wenn sie Grenzen des bilingualen Lernens für Sprachanfänger der zweiten und dritten Primarschulklasse in Verbindung mit dem Vermitteln von anspruchsvollen Inhalten beschreibt, ergaben sich bei ihrer qualitativen Untersuchung eine Reihe von positiven Erkenntnissen. So konnten die Lernenden dem Unterricht auf Englisch gut folgen und waren motiviert als auch bemüht trotz limitierenden Sprachkompetenzen aktiv am Unterricht teilzunehmen - auch wenn teilweise der Austausch in der Schul‐ sprache passierte. Zudem konnte sie beobachten, dass vielseitiges implizites Sprachlernen stattfand und dass die Lernenden Strategien anwendeten, um Verständnisschwierigkeiten zu umgehen (Bechler 2014, S. 238). Auch Rymarczyk (2003) kommt zu ähnlichen Resultaten. Sie macht ebenfalls die kontextreiche Lernumgebung frei von Druck dafür verantwortlich, dass 42 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="42"?> Lernende anfänglich zeigend, unterstützt mit minimalen verbalen Äusserungen aktiv am Unterricht teilnehmen und nach kurzer Zeit auch längere Redebei‐ träge produzieren konnten (Rymarczyk 2003, S. 269-70). Diese Erkenntnis resultiert aus ihrer Untersuchung mit Sprachanfängern der 6. Gymnasiumklasse (entspricht der 6. Primarstufe in der Schweiz), welche erst seit eineinhalb Jahren den Englischunterricht besuchten. Zudem gelingt es im bilingualen Kunstun‐ terricht die Diskrepanz zwischen den sachfachlichen und fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden zu überwinden. Folglich braucht es bei dieser Art von CLIL-Unterricht weniger explizite Spracharbeit und Rückgriffe auf die Schulsprache können weitgehend vermieden werden. (Rymarczyk 2003, S. 158) Ferner zeigt die Unterrichtsreihe von Knorr und Teske (2010), dass im bilingualen Kunstunterricht ausgehend von alltagssprachlichen Reaktionen zu einem Kunstwerk ein vertieftes Ergründen des Lerngegenstandes statt‐ finden und schliesslich ein erweitertes, fachspezifisches Sprachhandlungsreper‐ toire aufgebaut werden konnte. Die beiden Autorinnen schlussfolgern, dass eine solche Verschmelzung von alltags- und fachsprachlichen Anteilen in geeigneten «sprachkünstlerischen» Lernaufgaben gewinnbringend eingesetzt werden kann. Insgesamt können auf diese Weise im CLIL-Unterricht die rezept‐ iven als auch produktiven Sprachkompetenzen vielseitig gefördert werden. (Knorr & Teske 2010, S. 153) Neben den positiven Auswirkungen des bilingualen BG-Unterrichts auf das fremdsprachliche Lernen, dokumentiert die Untersuchung von Witzigmann (2011) den erfolgreichen sachfachlichen Kompetenzaufbau. In ihrer Studie, die Kunst- und Zeichnungsunterricht in französischer Sprache mit Schüler*innen der 5. Realschulklasse (was der 5. Primarschulstufe in der Schweiz entspricht) durchführte, konnten die inhaltlichen Anforderungen aus dem Lehrplan trotz geringen Französisch Kenntnissen der Schüler*innen erfolgreich erreicht werden. Wiederum werden dafür die hohe Anschaulichkeit, Handlungsorien‐ tierung und Ganzheitlichkeit der Lerninhalte verantwortlich gemacht (Witzig‐ mann 2011, S. 334). Zudem geben die Lernenden in Interviews bekannt, dass sie aufgrund der fremden Sprache kognitiv mehr gefordert waren, besser zuhören oder auch nachfragen mussten und so auch mehr zum Denken angeregt wurden. Insgesamt erscheint den Lernenden diese Unterrichtsform weniger langweilig, was wiederum zu mehr Lernzuwachs führt. (Witzigmann 2011, S. 148) 2.5.2 Anschaulichkeit Wie die soeben dargelegten empirischen Befunde zeigen, gilt die Anschaulich‐ keit als ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des am CLIL-Unterrichts betei‐ 43 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL <?page no="43"?> ligten Sachfaches (Heim 2015, S. 44). BG zeichnet sich naturgemäss durch eine hohe Anschaulichkeit aus. Wie bereits erwähnt, lernen gerade Kinder Sprachen ganzheitlich und multisensorisch, indem sie Lerngegenstände authentisch und lebensnah erfahren können. Dieser Anspruch kann im BG vollumfänglich erfüllt werden. Dank den visuellen Informationen werden lange Beschreibungen überflüssig, stattdessen gelingt eine genuine Kommunikation mit Gestik und zeigend mittels deiktischen Aussagen (This here., I like that one., …), so dass unbekannte Wörter durch Verweise substituiert werden können (Rymarczyk 2003, S. 113, 186). Sprachanfänger durchlaufen oft eine silent period, in der sie rezeptiv Sprache aufnehmen, sich jedoch noch nicht produktiv in der Fremdsprache äussern können oder wollen. Solche Kinder können sich kreativ unter Verwendung der Bildsprache ausdrücken und beteiligen sich auf diese Weise auch ohne fremdsprachliche Interaktion aktiv am Unterrichtsgeschehen. Die natürliche Relevanz der visuellen Medien erleichtert jedoch nicht nur die Sprachproduktion, sondern auch die Rezeption. Neuer Wortschatz kann mit Verweis auf den konkreten Gegenstand oder ein Bild semantisch schnell erschlossen werden (Rymarczyk 2003, S. 185; Bechler 2014, S. 240). 2.5.3 Handlungsorientierung Neben der Anschaulichkeit bietet der BG-Unterricht auch eine hohe Hand‐ lungsorientierung. Diese wird nicht nur als besonders lernfördernd für den Unterricht mit Kindern allgemein angesehen, sondern gilt ganz besonders bedeutsam für den CLIL-Unterricht (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69). Der Tastsinn wird oft als «Ursprung aller Empfindungen» betrachtet, mit wel‐ chem die Kinder die Dinge er-greifen und so die Welt be-greifen (Gall 2016, S. 136). Allgemein ist bekannt, dass ein Grossteil der Schülerschaft der Gruppe der praktisch-anschaulichen Lerntypen zugehört (Klippert 2010, S. 54). Diese Erkenntnisse haben bereits renommiere Reformpädagogen wie Montessori oder Freinet erkannt und konsequent in ihre Pädagogik integriert (Gehring 2017, S. 19). Dass der Fachbereich BG eine besondere Affinität zur Handlungsorien‐ tierung hat, muss nicht weiter begründet werden. Doch auch der moderne Fremdsprachenunterricht orientiert sich einer handlungsorientierten Didaktik, die über den kommunikativen Ansatz hinaus die Anwendung der gelernten Sprache aktiv und selbstgesteuert im Hier und Jetzt beim Bewältigen von Lernaufgaben fordert (Chesini & Klee 2017, S. 1; Eisenmann 2019, S. 68; Europarat 2001, S. 22). Handlungsorientierung und Lernaufgaben gehen somit miteinander einher. Diese sind in einer reichen Lernumgebung verankert und lassen sich daher optimal im kontextreichen CLIL-Unterricht verwirklichen 44 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="44"?> (Rüschoff 2015, S. 353). Dies bewahrheitet sich ganz speziell für den bilingualen BG-Unterricht, wo der Anspruch nach diesen grundlegenden Bedürfnissen des haptischen, handlungsorientierten und aktiven CLIL-Lernens besonders gut nachgekommen werden kann und dessen positiven Auswirkungen auf den dualen Kompetenzaufbau vielfach belegt sind (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003). Abschliessend an dieser Stelle ein Zitat von Vygotsky, der lange vor der Verbreitung des Begriffs ‘Handlungsorientierung’ die symbio‐ tische Beziehung von Sprache und Handlung erkannte: «Children solve practical tasks with the help of their speech, as well with their eyes and hands.» (Vygotsky 1978, S. 35). 2.5.4 Visual literacy und Bildkompetenz Bilder sind im BG naturgemäss ein genuiner Bestandteil des Unterrichts. Der Begriff ‘Bilder’ umspannt jegliche zweidimensionale bewegte oder unbe‐ wegte Abbildungen im Zusammenhang mit Kunst oder aus dem Alltag, Videos oder andere Animationen; sowie dreidimensionale Werke aus der Architektur, Plastik oder Performance und schliesslich auch Abläufe oder Erinnerungs‐ bilder (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise; Schoppe 2015, S. 8). Auch im Fremdsprachenunterricht werden Bilder seit geraumer Zeit als Gesprächsanlass oder zur Veranschaulichung zum Beispiel durch Lehrwerke in den Unterricht eingespeist und erfüllen dabei unterschiedliche illustrative, semantische, reprä‐ sentative, instruktive oder bildästhetische Funktionen (Hallet 2015, S. 33-38). In beiden Fächer BG und Englisch ermöglichen Bilder somit nicht nur das sachfachliche und sprachliche Lernen, sondern fördern in den letzten Jahren auch vermehrt die Auseinandersetzung mit bildlichen Materialien als solches. Die Förderung dieser ‘visuellen Kompetenz’ im Zeitalter der bildbasierten Technologien ist ein zentrales Anliegen, das über den BG-Unterricht hinaus in verschiedenen Fächern adressiert werden muss (Rymarczyk 2015, S. 184; Schoppe 2015, S. 26). «It has become vital that 21st century students, as learners and global citizens, transcend from passive receivers of visual messages in media to active deconstructionist of visual grammar given the exploding technological advances in multimedia.» (Lundy & Stephens 2015, S. 1058) Im anglosächsischen Raum ist der Begriff ‘visual literacy’ verbreitet. Obschon dafür verschiedene Definitionen vorliegen, wird heute damit hauptsächlich die Kompetenz gemeint, visuelle Botschaften zu lesen, zu interpretieren und zu verfassen. «Visual literacy can be defined as a set of abilities that enables an individual to effectively find, interpret, evaluate, use, and create images and visual media.» (Lundy & Stephens 2015, S. 1058) Visual literacy umschliesst somit 45 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL <?page no="45"?> rezeptive als auch produktive Komponenten im Umgang mit Bildern (Schröder 2015, S. 24-25; Hecke & Surkamp 2010, S. 15). Als Synonym wird im deutschen Sprachraum dafür der Begriff ‘Bildkompetenz’ verwendet und meint ebenfalls, dass sich Lernende nicht nur auf der rezeptiven und produktiven Ebene mit Bildern befassen, sondern auch über diese reflektieren und darüber kommuni‐ zieren. «Unter Bildkompetenz sind Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse und Haltungen zu verstehen, die es Schülerinnen und Schüler ermöglichen, sich in einer von Bildern geprägten Umwelt zu orientieren.» (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise) In der Fusion von BG und Englisch funktioniert die Förderung von Bildkom‐ petenz oder visual literacy optimal: Einerseits braucht es Bilder in Form von Visualisierungen, um Inhalte in der Fremdsprache zu vermitteln. Gleichzeitig schaffen Bilder Anreize sie zu beschreiben oder zu kommentieren (Grundy, Bociek & Parker 2011, S. 10). Sprache evoziert visuelle kognitive Effekte, Bilder ebenso verbale. Kognitionswissenschaftler gehen davon aus, dass diese reellen und verbalen Bilder im gleichen Gehirnareal angelegt sind und sich somit wirkmächtig beeinflussen (Seidl 2007, S. 2-3). Jeder Mensch reagiert - bewusst oder unbewusst - konstant auf visuelle Eindrücke. In dem Sinne sind alle visual literate. Die wahre Kunst liegt nun darin, dieses enorme Potential an Eindrücken und Urteile über Bilder in Sprache - für den CLIL-Unterricht in Fremdsprache - umzuwandeln (Seidl 2007, S. 7). Leisen (2005, S. 10) spricht in diesem Zusammenhang auch vom Wechsel der Darstellungsformen, der den Lernenden erlaubt die Inhalte in unterschiedliche Abstraktionsebenen zu transferieren. Die verschiedenen Ebenen - von gegenständlichen Handlungen, über bildliche Darstellungen, hin zur sprachlichen Verarbeitung - werden im BG genuin inte‐ griert. Damit Versprachlichung dieser visuellen Eindrücke im CLIL-Unterricht gelingen kann, müssen die Schüler*innen mit dem methodischen Vorgehen bei Bildbeschreibungen vertraut gemacht und mit entsprechendem Scaffolding begleitet werden (vgl. IDEA-Methode im Kapitel 3.6.1) (O. Meyer 2010a, S. 14). 2.5.5 Natürliches Lernsetting mit hohem Lebensweltbezug Neben der eigentlichen kreativen Arbeit benötigen die Lernenden im BG ausrei‐ chend rezeptive und produktive Sprachkompetenzen. Zum Beispiel müssen Ler‐ nende Arbeitsanweisungen verstehen; Materialien, Verfahren, Werkzeuge oder weitere Hilfsmittel benennen; Werke beschreiben sowie Eindrücke und Erfah‐ rungen schildern. Viele dieser Redemittel in Form von Wörtern oder chunks (z. B. scissors, brush, pens, colours and shapes, prepositions aber auch Strukturen wie: There is / are…, I can see.., etc.), werden im frühen Englischunterricht eingeführt. 46 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="46"?> Beim Integrieren dieser sprachlichen Mittel in den BG-Unterricht gewinnen sie an grosser Bedeutung, da sie in authentischen Situationen angewendet werden (Heim 2013, S. 65). Die Lernenden erleben den bilingualen BG-Unterricht als ein authentisches Lernsetting, in dem lebensnaher Wortschatz und alltägliche Strukturen verwendet werden können. Dies gilt insbesondere für einen ‘English as foreign language’ Lernkontext, wie die Schweiz, wo die Lernenden der Fremdsprache ausserhalb der Schule nur unregelmässig begegnen: «When there are no ‘streets’ around the school in which the language could be picked up, one may try to convert school life, or parts of it, into a naturalistic environment (…)» (Dalton-Puffer 2007, S. 2). Der CLIL-Unterricht mit BG, im Gegensatz zu abstrakteren oder mehr textbasierten Fächern, schafft eine optimale Basis für diesen Anspruch an eine natürliche, fremdsprachliche Lernumgebung. 2.5.6 Authentische Lern- und Lehrmaterialien Die hohe Aktivierung des visuellen und haptischen Sinneskanals erfüllt auch den Anspruch an gute Lehr- und Lernmaterialien die bedeutungsvolles Lernen im CLIL-Unterricht durch «cooperative learning, visualisation and hands-on activities» fördern (Mehisto 2012, S. 25). Die Tatsache, dass unterschiedliche Bildmaterialien oder Realien mit hohem Lebensweltbezug in dieser Fächerfusion als Lern- und Lehrmaterialien fungieren, ist umso bemerkenswerter, da für den CLIL-Unterricht allgemein zurzeit erst spärlich geeignete Lehrmittel vorhanden sind (Massler & Stotz 2013, S. 4). Dieser Umstand wird als eine erhebliche Erschwernis für die Umsetzung von CLIL-Unterricht ganz allgemein angesehen. Der bilinguale BG-Unterricht ist jedoch von diesem Lehrmittelmangel kaum betroffen, da auch der herkömmliche BG-Unterricht meist unabhängig von bestimmten vorgegebenen Lehr- und Lernmaterialien stattfindet. Auch für den Englischunterricht wird aus fremdsprachendidaktischer Sicht der vermehrte Einsatz von authentischen Materialien ausdrücklich gewünscht. Jedoch ist dieser Anspruch schwierig umzusetzen, weil deren sprachlichen und inhaltlichen Anforderungsniveaus oft zu stark divergieren. Daher sind authentische Materialien oft entweder sprachlich zu anspruchsvoll oder inhalt‐ lich zu wenig gehaltvoll. Während demnach der Einsatz von authentischen Materialien in anderen CLIL-Settings, vor allem in der Kombination mit textba‐ sierten Fächern, schwierig umsetzbar ist, gelingt dies folglich im bilingualen BG auf natürliche Weise. Denn die kognitiven und emotionalen Interessen der Schüler*innen können mit interessanten, authentischen «Bildtexten» abgeholt werden ohne sie sprachlich zu über- oder unterfordern (Rymarczyk 2013, S. 266). 47 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL <?page no="47"?> 2.5.7 Medienkompetenz Daran anknüpfend und aufgrund der Allgegenwärtigkeit bildreicher Technolo‐ gien eignen sich diese Materialien auch um die Medienkompetenz zu fördern. Das Medium Internet oder Film zum Beispiel vereint Bildkunst oder Bildsprache mit Text. Mit dem Einbezug von englischen Filmen könnte man sich im CLIL-Unterricht diese symbiotische Beziehung von Fremdsprache und Bilder zu Nutzen machen kann (Abendroth-Timmer et al. 2004, S. 20). Der neue Deutsch‐ schweizer Lehrplan 21 setzt hier an und unterstreicht, dass die Anwendung der Medienkompetenz in die verschiedenen Fachbereiche integriert werden soll und erklärt, dass neben Sachwissen über Medien auch pädagogische Aspekte ihre Wichtigkeit haben, «mit denen Identitätsbildung, Kreativität, Wahrneh‐ mungs- und Ausdrucksfähigkeit gefördert und ethische Überlegungen angeregt werden.» (D-EDK 2014 Medien und Informatik, Didaktische Hinweise). Die Einsicht in die Tatsache, dass bewegte oder unbewegte Bilder immer einen bewussten Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen und vom Bildproduzenten zu einem bestimmten Zweck eingesetzt werden, ist somit nicht nur ein wichtiges Anliegen der Medienkompetenz, sondern ist ebenfalls - wie bereits angespro‐ chen - eine zentrale Grundlage für die Ausbildung der Bildkompetenz oder visual literacy (Hecke & Surkamp 2010, S. 17). 2.5.8 Kulturelles Lernen In beiden Fächern wird die Auseinandersetzung mit Kulturen und die Förde‐ rung des kulturellen Lernens im Lehrplan prominent ausgewiesen. Im BG wird verlangt, dass die «Schüler*innen exemplarische Kunstwerke aus ver‐ schiedenen Kulturen kennen» und «Symbole, Kompositionen und Ausdruck in Kunstwerken aus verschiedenen Kulturen sowie in Bildern aus dem Alltag untersuchen und beschreiben können» (D-EDK 2014 Bildnerisches Gestalten, Kontexte und Orientierung). Im Fachbereich Englisch wird der Thematik ein eigener Kompetenzbereich namens ‘Kulturen im Fokus’ gewidmet, der in die drei Handlungs- und Themenaspekte ‘Kenntnisse’, ‘Haltungen’ und ‘Handlun‐ gen’ gegliedert ist. Einerseits sollen die Lernenden «einige Kulturerzeugnisse, sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen des eigenen und des englischsprachigen Kulturraums kennen», weiter sollen sie «ihre Eindrücke und Haltung gegenüber fremden Sprachen und Kulturen sowie in Bezug auf Kontakte mit dem englischsprachigen Kulturraum beschreiben» und schliess‐ lich sollen sie «mit englischsprachigen Menschen und Erzeugnissen des eng‐ lischsprachigen Kulturraums virtuell oder real in Kontakt treten und dadurch 48 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="48"?> 3 Die Diskussion, ob die im Lehrplan 21 übermässig betont geforderte Auseinanderset‐ zung mit englischsprachigen Kulturerzeugnissen sinnvoll ist und wie diese im Zeitalter von Englisch als ‘lingua franca’ zu verstehen ist, kann aus Platzgründen nicht im Detail geführt werden und wird an dieser Stelle deshalb nur kurz aufgegriffen. Folgende drei Gründe sprechen gegen die obige enge Betrachtungsweise: Erstens, Kultur kann nicht mehr als eine sinnstiftende Einheit verstanden werden, sondern vielmehr als ein Prozess der einer ständigen Transformation und Umwandlung unterliegt (Bering et al. 2013, S. 16). Zweitens, Kunstschaffende sind oft international unterwegs, was eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Kulturraum erschwert. Drittens, durch die Globalisierung verschmelzen das Lokale und Globale, somit die fremde und eigene Kultur und somit werden auch ‘typische Kulturgüter’ aus ihrem genuinen Kontext oder Ursprung entrissen (Desai 2013, S. 18). Trotzdem wird vorläufig an obig vorgestellten Ansatz festgehalten, um den Lernenden im bilingualen CLIL-Unterricht die Begegnung mit Kunstschaffenden aus hauptsächlich englischsprachigen Kulturräumen zu ermög‐ lichen. Bekanntschaft mit deren Kulturen machen» (D-EDK 2014 Englisch, Kulturen im Fokus). Für die Fächerfusion Englisch und BG könnten mit diesen Anliegen aus beiden Lehrplänen optimal Synergien genutzt werden. Das würde bedeuten, dass Bilder, Kunstschaffende oder andere Erzeugnisse aus dem hauptsächlich angelsächsischen, oder auch internationalen, Raum Anstoss für das kulturelle Lernen im CLIL-Unterricht sein könnten. Ein Zusammenzug aus den beiden Lehrplänen Englisch und BG könnte in folgenden drei kulturellen CLIL-Kom‐ petenzbeschreibungen resultieren: 1. Kenntnisse: Die Lernenden kennen einige exemplarische Kunsterzeug‐ nisse aus dem englischsprachigen Kulturraum, indem sie sie beobachten, untersuchen und beschreiben. 2. Haltungen: Die Lernenden drücken ihre Eindrücke und Haltungen ge‐ genüber Kunsterzeugnissen aus dem englischsprachigen Raum aus. 3. Handlungen: Die Lernenden begegnen Kunsterzeugnissen und Kunst‐ schaffenden aus dem englischsprachigen Kulturraum, machen Bekannt‐ schaft mit deren Kulturen und vergleichen Gemeinsamkeiten und Unter‐ schiede mit ihren eigenen Bildern oder Erfahrungen. Diese drei neu konzipierten übergeordneten Kompetenzbeschreibungen für den CLIL-Unterricht, die sich aus Gründen der Übersicht an der Struktur des englischen Lehrplans orientieren, lassen sich anhand von gut gewählten authen‐ tischen Materialien aus verschiedenen, aber insbesondere englischsprachigen 3 Kulturräumen ideal umsetzen. Diese Stossrichtung unterstützt auch Rymarczyk (2003), die sich intensiv mit bilingualem BG-Unterricht beschäftigt hat. Sie schlägt drei konkrete Um‐ 49 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL <?page no="49"?> setzungsweisen vor, die sich mit den drei obigen Kompetenzbeschreibungen gut vereinen lassen. Erstens gelingt ihrer Ansicht nach kulturelles Lernen über die Thematik der Bildinhalte, welche relevante Themen der Zielkultur aufgreifen. Als Beispiel passt dazu eine kürzlich besuchte Lektionsreihe von bilingualem BG-Unterricht zum Thema Briefmarken und deren Thematisierung, dass im angelsächsischen Raum auf der Briefmarke immer die jeweils amtierenden Monarch*innen abgebildet sind. Zweitens kann kulturelles Lernen über die Zugehörigkeit der Kunstschaffenden an eine bestimmte Zielkultur oder dafür typische Stilrichtung erreicht werden. Dies kann zum Beispiel mit einer Aus‐ einandersetzung mit der britischen und US-amerikanischen Pop-Art Bewegung der 1960er Jahren mit prominenten Vertretern wie Peter Blake, Andy Warhol oder Roy Liechtenstein erreicht werden. Drittens kann kulturelles Wissen auch im ‘fremden Raum’ erworben werden. Dies geschieht im Rahmen von Muse‐ umsbesuchen oder entsprechend gestaltetem Unterricht mit Filmmaterial, um Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in Kunstobjekten oder in Stilrichtungen zu benennen (Rymarczyk 2013, S. 269). Dazu passen zum Beispiel die diverseren Angebote von Schweizer Museen, die Kunstführungen auf Englisch für Primar‐ schulen anbieten (z. B. Kunstmuseum Luzern). Kultur materialisiert sich in Bildern und anderen Kunstobjektiven und wird dadurch wahrnehmbar (Bering et al. 2013, S. 15). Gleichzeitig ist der Einsatz von Bildern im Zusammenhang mit der Förderung kultureller Kompetenzen nicht ganz unproblematisch. Beim Betrachten von Bildern wird unsere visuelle Wahrnehmung stets von unseren individuellen Erfahrungen und sogenannten kulturellen Codes bestimmt. Diese beeinflussen unsere Bedeutungszuschrei‐ bung massgeblich mit (Hallet 2015, S. 41). Erschwerend kommt hinzu, dass Bilder nicht nur von der Kultur des Bildbetrachters geprägt sind, sondern auch von jener des Bildproduzenten. Somit braucht es von den Lernenden die Fähigkeit Perspektiven der eigenen und fremden Kulturen zu erkennen, zu vergleichen und sie für das kulturelle Verständnis zu wechseln (Seidl 2007, S. 6). Wie vertraut oder fremd Bilder sind und somit die Fähigkeit Bilder zu verstehen, hängt von dem eigenen kulturellen und individuellen Hintergrund ab - in einer Klasse mit verschiedenen Lernenden divergieren diese Hintergründe entsprechend. Von der Lehrperson wird somit ein verantwortungsbewusster Umgang mit Bildern gefordert, um den Lernenden die in Bildern repräsentierte kulturellen «Wirk‐ lichkeiten» visuell und sprachlich zugänglich zu machen (Hallet 2015, S. 51- 52) - dieses Anliegen deckt sich mit jenem der Förderung der visual literacy oder Bildkompetenz. Wenn das gelingt, wird kulturelles Lernen im CLIL-Un‐ terricht in Verbindung mit Kunst selbst von den Lernenden als Bereicherung wahrgenommen, wie Witzigmann in ihrer Studie nachweisen konnte. Dies weil 50 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="50"?> die befragten Schüler*innen realisierten, dass sie auch zielkulturelle Inhalte kennenlernten (Witzigmann 2011, S. 246-47). 2.5.9 Kreativität Es gibt Hinweise, dass Mehrsprachigkeit eine positive Wirkung auf Kreativität hat. Das volle Potential gilt es zwar noch genauer zu erforschen, jedoch zeigt eine europaweite Untersuchung, dass mehrsprachige gegenüber monolingualen Personen in verschiedensten Bereichen überlegen sind (Marsh & Hill 2009, S. 23). Mehrsprachige Personen sind dank ihren verschiedenen Sprachkenntnissen in der Lage die Welt durch verschiedene Linsen zu betrachten. Diese Fähigkeit des mehrperspektivischen Betrachtens von Sachverhalten und somit ein Ver‐ linken von vermeintlich unzusammenhängenden Kategorien durch divergentes Denken werden als ein Indiz für eine erhöhte Kreativität betrachtet (Marsh & Hill 2009, S. 5-6). Im CLIL-Unterricht treffen Kreativität, ein grundlegendes Anliegen des Faches BG (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise) und Mehr‐ sprachigkeit, aufgrund der Anwesenheit einer weiteren Sprache, aufeinander. Der bilinguale BG-Unterricht könnte die Lernenden folglich dazu anregen vermehrt abstrakt und originell zu denken. Dieser potentielle positive Effekt der Fremdsprache Englisch auf die Kreativität könnte somit im CLIL-Unterricht erfolgsversprechend ausgeschöpft werden. 2.5.10 Überschneidende Qualitätsmerkmale von Lernaufgaben In verschiedenster Hinsicht wurde bislang dargelegt, dass sich die Fusion dieser beiden Fächer für den CLIL-Unterricht deshalb eignet, weil sie auf überein‐ stimmenden methodisch-didaktischen Prinzipien basieren oder ähnliche unter‐ richtliche Gelingensbedingungen teilen. Solche überschneidenden Merkmale lassen sich ebenfalls mit Blick auf die Anforderungen an ‘gute’ Lernaufgaben erkennen. Im BG gelten Lernaufgaben als relevant und bedeutsam, wenn sie von den Lernenden eine eigenständige, neugierige und kreative Auseinander‐ setzung mit dem Lerngegenstand initiieren und gleichzeitig die Bildsprache fördern (D-EDK 2014, Bildnerisches Gestalten, Didaktische Hinweise). Im Fremdsprachenbereich gilt Ähnliches: Die Lernenden sollen die sprachlichen Fertigkeiten in möglichst authentischen Situationen beim Bewältigen von kommunikativen Lernaufgaben anwenden. Die Basis dafür bilden relevante Inhalte und Sachthemen mit hohem Lebensweltbezug (D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Der moderne Fremdsprachenunterricht geht, wie bereits erwähnt, über den kommunikativen Ansatz hinaus und plädiert vermehrt für 51 2.5 Bildnerisches Gestalten als geeignete Basis für CLIL <?page no="51"?> einen handlungsorientierten Ansatz, damit das fremdsprachliche Lernen gerade im Hier und Jetzt aufgabenorientiert angewendet werden kann (Chesini & Klee 2017, S. 1). Es geht somit in beiden Fachbereichen - wie es die vermehrte Kompe‐ tenzorientierung verlangt - um die Umsetzung des Gelernten unter Anwendung der nötigen rezeptiven und produktiven (Bild-)Sprache. Dass die Fächer BG und Englisch beim Bewältigen von Lernaufgaben eine Anzahl von gleichen Zielen verfolgen, konnte hier aufgezeigt werden. Wie diese gemeinsamen Charakteristiken von geeigneten Lernaufgaben im CLIL-Unterricht konkret zusammengeführt werden, wird im Kapitel 3.5 genauer erläutert. 2.6 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen In diesem Kapitel wurde auf vielfältige Weise aufgezeigt, dass CLIL in der Fächerfusion Englisch und BG für die heterogene Primarstufe mit Sprachan‐ fängern ein vielversprechendes Unterrichtssetting darstellt, in welchem fremd‐ sprachliches und sachfachliches Lernen gleichermassen gelingen kann. Ferner können mit der Fusion der beiden Fächer weitere zentrale Anliegen des kompe‐ tenzorientierten Lernens im 21. Jahrhundert gefördert werden, wie die Ausein‐ andersetzung mit den Themen inter-kultureller Kompetenzen, Bildkompetenz (visual literacy), Medienkompetenz und Kreativität offenlegte. Gleichzeitig konnte aufgezeigt werden, dass in diesem Zusammenhang für den Schweizer Primarschulkontext ein beachtliches Forschungsdesiderat besteht. Tatsächlich liegen noch keine empirischen Untersuchungen im Zusam‐ menhang mit der Umsetzung einer echten Fächerfusion (vgl. Abbildung 1, CLIL-Variante C) vor, weder für die Schweizer Primarstufe allgemein noch für den spezifischen bilingualen BG-Unterricht. Es ist jedoch genau die CLIL-Va‐ riante C in Kombination mit diesen beiden Fächern, die ein hohes Potential auszuweisen scheint, um das im Lehrplan 21 vorgeschlagene bilingualen Lernen als Ergänzung zum herkömmlichen Englischunterricht umzusetzen. Die bishe‐ rige Auseinandersetzung hat aufgezeigt, dass in beiden Fächern Kommunika‐ tion ein zentrales Anliegen ist. Beide sind dabei auf Sprache - sei es auf die verbale oder bildliche - angewiesen. Die Fusion der beiden Fächer ermög‐ licht es, die gewünschte und gewinnbringende Symbiose des Einbezugs von Fremd- und Bildsprache im CLIL-Unterricht bedeutsam zu nutzen. Wie bereits andere Studien aus Deutschland zeigen, gelingt es dank dem anschaulichen und handlungsorientierten Fach BG den Einstieg ins bilinguale Lernen selbst Sprachanfängern zu ermöglichen und dabei allfällige fremdsprachliche Hürden zu überwinden. 52 2 CLIL für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten <?page no="52"?> Im Sinne einer Good Practice-Studie soll die vorliegende Untersuchung deshalb wertvolle Einsichten generieren, wie diese Art von CLIL-Unterricht modulartig auf der heterogenen Primarstufe bestmöglich umgesetzt werden kann. Ziel ist es, ein geeignetes unterrichtliches Angebot mit hohem Lernpoten‐ tial zu schaffen, auf das sich die verschiedenen Lernenden für ihr duales Lernen einlassen. Von grossem Interesse ist demnach in Erfahrung zu bringen, ob sich die in diesem Hauptkapitel dargestellten mehrheitlich positiven Befunde im Zu‐ sammenhang mit dem Lernen im bilingualen Unterricht auch in der geplanten empirischen Umsetzung bewahrheiten. Insgesamt steht jedoch nicht der Kom‐ petenzzuwachs in den verschiedenen CLIL-Lernbereichen (Fremdsprache, Sach‐ fachinhalte, kulturelles Lernen) im Vordergrund. Dieser liessen sich in diesen sporadisch angesiedelten CLIL-Modulen schlecht nachweisen. Stattdessen soll erforscht werden, wie CLIL-Module in diesem Setting als erfolgsversprechendes Unterrichtsangebot aufbereitet werden können und wie diese schliesslich von den unterschiedlichen Primarschullernenden genutzt werden. Daraus lassen sich dann zusammenfassend Chancen und Herausforderungen für diese Unter‐ richtspraxis ableiten. Der Anspruch an Good Practice, die im Lehrplan 21 geforderte Kompetenz‐ orientierung und der konsequente Fokus auf die heterogenen Lernenden stellen hohe Ansprüche an die Umsetzung dieser CLIL-Module. Das nachfolgende dritte Hauptkapitel befasst sich deshalb mit den relevanten methodisch-didaktischen Ansätzen, die es bei der Implementierung von solchen bilingualen Modulen zu beachten gilt. Die vertiefte Auseinandersetzung mit einer passenden CLIL-Di‐ daktik wird schliesslich dazu verhelfen, die hier begonnene aber noch nicht abgeschlossene Darlegung des Forschungsdesiderats fortzuführen. 53 2.6 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen <?page no="54"?> 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht Dieses Hauptkapitel widmet sich unterschiedlichen methodisch-didaktischen Themen. Gerade weil es sich bei dieser vorliegenden Untersuchung um ein fachübergreifendes Projekt handelt, ist es bedeutsam, die damit verbundenen verschiedenen didaktischen Ansätze darzulegen. Als erstes wird deshalb das Grundlegende sozial-konstruktivistische Lehr-Lernverständnis und dessen Eig‐ nung für vorliegende Untersuchung dargestellt. Darauf aufbauend werden anschliessend wichtige Aspekte einer CLIL-Didaktik aufgezeigt. Dies gelingt am besten, entlang eines konkreten Modells, weshalb in einem nächsten Schritt das einflussreiche 4Cs framework mit seinen vier Facetten content, communication, cognition und culture ausführlich vorgestellt werden. Lernaufgaben als kleinstes didaktisches Element im Unterricht bilden anschliessend einen nächsten um‐ fassenden Themenblock in diesem Hauptkapitel. Zuerst wird dabei das Interesse für die erhöhte Aufgabenorientierung im Unterricht allgemein ergründet, um schliesslich den Fokus erneut auf die Fächerfusion Englisch und BG zu richten. Schliesslich werden relevante Qualitätsmerkmale von Lernaufgaben spezifisch für diesen CLIL-Kontext mehrperspektivisch vorgestellt. Da Lernaufgaben al‐ leine keinen guten Unterricht ausmachen, wird das Augenmerk abschliessend auf die Lernbegleitung gerichtet. Aufgrund des Forschungsinteresses der vorlie‐ genden Untersuchung für CLIL-Unterricht auf der heterogenen Primarstufe, ist eine intensive Auseinandersetzung mit möglichen Scaffolding unumgänglich. Das Hauptkapitel schliesst mit einem Fazit mit konkreten Erkenntnissen für die Umsetzung des spezifischen CLIL-Unterrichts und legt das Forschungsdesiderat abschliessend dar. 3.1 Grundlegendes Lehr-Lernverständnis Auch wenn die Fachdidaktiken an Selbstständigkeit gewonnen haben (Terhart 2009, S. 13) und inzwischen als eigenständige Disziplin anerkannt sind, trägt die allgemeine Didaktik dazu bei, ein fächerübergreifendes Konzept von Lernen zu etablieren (vgl. Meyer & Meyer 2009). Deshalb wird an dieser Stelle ein kurzer Exkurs in die Erziehungswissenschaft gemacht, um das Lehr-Lernverständnis zu definieren das dieser Arbeit zugrunde liegt. <?page no="55"?> Lernen im Zeitalter der Kompetenzorientierung bedeutet nicht nur tiefvers‐ tandenes Wissen zu erlangen, sondern beinhaltet ebenfalls situativ passendes Können aktiv zu nutzen (Baer 2016, S. 39). Um kompetent Handeln zu können, müssen sich Lernende dieses Wissen und Können aktiv konstruieren. Der Begriff ‘Konstruktivismus’ hat in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts an Beachtung gewonnen (Diesbergen 2012, S. 46). Trotz teils uneinheitlichen Definitionen wird beim Konstruktivismus Lernen als ein aktiver Prozess angesehen, bei dem die Hauptakteure eigenaktiv handelnd ihr Wissen basie‐ rend auf subjektiven Konstruktionsleistungen erschliessen (Diesbergen 2012, S. 54). Dabei geht es weniger, wie oft fälschlicherweise angenommen, um das Selber-Entdecken von Inhalten, sondern um deren inneren Nachvollzug durch ein «Sich-Einlassen» zum Beispiel beim aktiven Zuhören von Erklärungen, beim Lesen von Texten, beim mitdenkenden Beobachten, beim Problemlösen oder beim Bearbeiten von Lernaufträgen (Reusser 2016, S. 45). Wie bei jeder Theorie gibt es auch beim Konstruktivismus verschiedene Ausprägungsformen und Sichtweisen. Das breite Gebiet des Konstruktivismus wird deshalb oft in zwei Stränge unterteilt, zum einen in den individuellen Konstruktivismus und zum anderen in den sozialen Konstruktivismus (Woolfolk 2015, S. 399). Der erste Strang, mit seinem prominenten Vertreter Jean Piaget, beschäftigt sich, wie individuelles Wissen durch Einwirkungen der Umwelt konstruiert und organsiert wird (Woolfolk 2015, S. 400). Gemäss Piaget ist die Intelligenz in der Lage die Austauschprozesse zwischen den Subjekten und Objekten in ihrer Umwelt konstruktiv zu strukturieren. Dies geschieht entweder durch eine Anpassung der Objekte an das Subjekt (Assimilation), oder durch die Verände‐ rung des Subjekts an die äusseren Umständen (Akkommodation) (Piaget 1948, S. 206-9). Konkret bedeutet das, dass für die Bewältigung einer intellektuellen oder praktischen (Problem-)Situation die entsprechenden mentalen Schemata mobilisiert und die Einflüsse aus der Umwelt in die bestehenden Assimilations‐ schemata integriert werden. Reichen die verfügbaren Assimilationsschemata nicht aus und liegt somit ein kognitiver Konflikt vor, wird es unumgänglich die vorhandenen Schemata zu erweitern oder zu differenzieren. Dieser Prozess der Akkommodation, welcher die strukturelle Veränderung der Schemata bedeutet, bildet die Grundlage des Verstehens, des Erweitern des Wissens und somit des Lernens (Baer 2016, S. 41). Der zweite Strang, der Sozial-Konstruktivismus, wurde von Lew Vygotskys Theorie stark geprägt. Auch er interessiert sich für die individuelle Entwicklung des Lernens als interner Prozess, jedoch geschieht dieser für ihn massgeblich in sozialen Interaktionen, welche in kulturelle Kontexte eingebettet sind (Woolfolk 2015, S. 400-401). Entgegen der von Piaget dargestellten Abfolge der Entwick‐ 56 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="56"?> lung des kindlichen Denkens vom Individuellen zum Sozialen, geschieht für Vyogtsky dessen Entwicklung in umgekehrter Reihenfolge. Demnach sind es anders als bei Piaget für Vygotsky nicht die inneren kognitiven Konflikte, die das Lernen ermöglichen, sondern die Prozesse ausgelöst im sozialen Austausch mit einem mehrwissenden Interaktionspartner (Hasselhorn & Gold 2013, S. 305). Was bedeutet das nun für die Unterrichtspraxis? Konstruktivismus wird immer wieder in Verbindung mit einem Paradigmenwechsel von einem her‐ kömmlichen, traditionellen zu einem aktiven, konstruktivistischen Verständnis von Unterricht gebracht (Diesbergen 2012, S. 46). Eine solche Gegenüberstellung von traditionellem Lernen im Sinne von Instruktion, Darbieten und Erklären versus fortschrittliches, konstruktivistisches Lernen ist jedoch etwas zu verein‐ facht dargestellt, weil hier die Ebenen von Lerntheorie und Didaktik vermischt werden (Diesbergen 2012, S. 51). Hattie (2009, S. 243) verdeutlicht diese Proble‐ matik mit den folgenden Worten: «Constructivism is a form of knowing and not a form of teaching, and it’s important not to confuse constructing conceptual knowledge with the current fad of constructivism.» Auch Reusser (2016, S. 45) stört sich an dieser Vermischung von lernpsychologischer und didaktischer Ebene. Konstruktivistisches Lernen bezieht sich auf die Tiefenstruktur des Unterrichts und kann mit jeglicher methodisch-didaktischer Unterrichtsform gelingen. Gedanklich bei der Sache zu sein, demnach Lernen, geschieht oft auch ohne äusserlich sichtbare Aktivität und passiert somit ebenso während des Zuhörens im lehrgesteuerten Klassenunterricht als bei selbstgesteuerten Lernphasen. Diese Tatsachen haben bereits Piaget als auch sein Schüler Hans Aebli betont, indem sie Denken als einen rein innerlichen Prozess beschreiben und diesen nicht an äusserliche, behaviorale Aktivitäten binden. Eine direkte, systematische Ableitung von didaktischen Prinzipien basierend auf der konstruktivistischen Lernauffassung ist somit aus Sicht dieser Experten problematisch. Trotzdem wird genau immer wieder versucht und gewagt für die Unterrichtspraxis eine ‘konstruktivistische Didaktik’ zu definieren. Der nachfolgend vorgestellte Versuch eine solche hergeleitete Didaktik zu definieren, entspricht somit eher einer weitverbreiten Überzeugung, als einem theoriebasierten wissenschaftlichen Ansatz (Diesbergen 2012, S. 57). Im Zu‐ sammenhang mit einer konstruktivistische Didaktik geraten Lernaufgaben als Träger von schülerorientierten Lerngelegenheiten in den Fokus (Reusser 2016, S. 46; Diesbergen 2012, S. 46). ‘Gute’ Lernaufgaben, so gemäss einer Reihe von empirischen Untersuchungen, weisen Qualitätsmerkmale aus, die sich an die Grundideen der konstruktivistische Lern-Lehrtheorien anlehnen (Diesbergen 2012, S. 57). Solche Merkmale sind zum Beispiel die Ermöglichung einer hohen Eigenaktivität, individueller Lernzugänge, Gelegenheiten der Reflexion oder 57 3.1 Grundlegendes Lehr-Lernverständnis <?page no="57"?> 4 Da (fremd-)sprachliche Kompetenzen naturgemäss durch Kommunikation im sozialen Austausch gefördert werden, werden Interaktionen als wichtiges Element des mo‐ dernen kommunikativen Fremdsprachenunterrichts angesehen (vgl. Nunan 2004; Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2011). Diese Tatsache unterstreicht nicht nur die Passung von Lernaufgaben für den bilingualen Unterricht, sondern legitimiert die Passung der sozial-konstruktivistischen Theorie für die vorliegende aufgabenori‐ entierte Untersuchung (vgl. Ellis 2009, S. 121; 2003, S. 175ff). Auf diesen Sachverhalt wird später vertieft eingegangen. der sozialen Interaktion. Dieses letztere Qualitätsmerkmal verdeutlicht, dass im Zusammenhang mit Lernaufgaben der sozial-konstruktivistische Ansatz besonders passend erscheint 4 . Ausgehend der Vorstellung, dass alles Wissen konstruiert wird und Lernen als aktiver Prozess der Ko-Konstruktion in einem sozialen Austausch verstanden wird, können Lehrpersonen das Lernen nicht erzeugen, sondern nur initiieren (Terhart 2009, S. 20). Auch wenn Lehrpersonen ihren Schüler*innen die geis‐ tigen Konstruktionsprozesse nicht abnehmen können, spielen sie trotzdem Schlüsselfiguren in der Begleitung der Lernprozesse. Denn angesichts ihres Wissensvorsprungs initiieren und modellieren sie Zugänge zu Wissen und Können (Reusser 2016, S. 46), damit die Lernenden ihren Lernprozess aktiv und selbstständig vollziehen können. Weil jedes Kind anders lernt, verläuft der Aufbau von Wissen und Können entsprechend bei jedem Lernenden individuell. Die Forderung nach Individualisierung ist somit stark vom Leitgedanken des Konstruktivismus geprägt (Criblez 2016, S. 34). Individuelles Lernen gelingt ge‐ mäss dem sozial-konstruktivistischen Verständnis mit Hilfe eines kompetenten Interaktionspartners, der durch kooperative Dialoge, geleitetes Herbeiführen oder interaktives Aushandeln den Wissensaufbau in Vygotskys ‘Zone der nächsten Entwicklung’ massgeblich unterstützt (Vygotsky 1978, S. 90). Seine sozio-kulturelle Theorie bildet deshalb die Grundlage für die individuelle Lern‐ begleitung, die später unter dem Namen Scaffolding bekannt wurde (Hasselhorn & Gold 2013, S. 305) und welches für die vorliegende Arbeit von eminenter Bedeutung ist (siehe Kapitel 3.6). In diesem Abschnitt wurde aufgezeigt, dass sich in der Lehr-Lerntheorie des sozialen Konstruktivismus die dieser Arbeit zugrundeliegenden elementaren Themen wie die Relevanz von Lernaufgaben, der Anspruch nach Individualisie‐ rung und die damit verbundene Notwendigkeit von Scaffolding verorten lassen. Diese didaktischen Elemente werden in den nächsten Kapiteln genauer thema‐ tisiert. Insgesamt versuchen alle nachfolgenden Kapitel dieser hier dargestellten Gesamtsicht von Lehren und Lernen gerecht zu werden. In einem nächsten Schritt werden nun die hier erarbeiteten Grundlagen von Lehren und Lernen in den Kontext des bilingualen Lernens übergeführt. 58 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="58"?> 3.2 CLIL-Didaktik Es lohnt sich an dieser Stelle aufzuzeigen, wie sich die methodisch-didaktischen Ansätze im CLIL-Unterricht in den letzten vierzig Jahren gewandelt haben. Historisch betrachtet war der bilinguale Unterricht stets mehr von Interesse für die Fremdsprachenlehrpersonen als jener der Sachfachlehrpersonen (Vollmer 2013, S. 124). CLIL wurde in den Anfängen als erweiterter Sprachunterricht im Sinne einer Erhöhung der ‘exposure time’ betrachtet, indem zusätzlich zum Fremdsprachenunterricht in einem anderen Fachbereich Inhalte in der Zielsprache vermittelt wurden. Stark geprägt von der damaligen ‘input-based’ Sprachlerntheorie (z. B. Krashen 1987, S. 20ff), lag der Fokus in den Anfängen auf dem Beibringen von Fachtermini und auf dem Zuhören von Lehrvorträgen (Wolff 2016, S. 28-30). Diese eher einseitige Fokussierung auf die rezeptiven Sprachkompetenzen verursacht durch die hauptsächlich lehrzentrierten Un‐ terrichtsarrangements stiess vermehrt auf Kritik, denn dies widersprach der zunehmenden Forderung nach einem modernen kommunikativen Fremdspra‐ chenunterricht. In den Neunzigerjahren veranlasste Swains ‘output hypothesis’ (1993, S. 159) ein Umdenken in der Fremdsprachendidaktik. Seine Theorie bekräftigte, dass neben einem verständlichen Input auch der aktive Sprachge‐ brauch für den Erwerb einer Fremdsprache von Notwendigkeit ist. Daher versucht man seither im CLIL-Unterricht vermehrt die Inhalte des Sachfaches in die Spracharbeit zu integrieren, damit sich Lernende aktiv mit den beiden Fachinhalten auseinandersetzen können. Seit der Jahrtausendwende wird somit bilingualer Unterricht auch aus dem Blickwinkel des Sachfaches betrachtet. Denn dank den empirischen Untersuchungen in den letzten Jahren wurden auch Skeptiker überzeugt, dass CLIL nicht nur einen Mehrwert für das fremd‐ sprachliche, sondern auch sachfachliche Lernen ausweist (siehe Kapitel 2.2). Die Sachfachinhalte stehen heutzutage immer mehr gleichberechtigt neben der Spracharbeit (Wolff 2016, S. 30-31). Folglich geht man davon aus, dass Sprache in der Anwendung gelernt wird und deshalb Sprache und Sachfach nicht trennbar sind sondern gleichzeitig gelernt und gelehrt werden müssen (Leisen 2015b, S. 225). Welchen Einfluss diese Entwicklung auf die moderne CLIL-Didaktik hat, wird nachfolgend beleuchtet. Jedoch bereits vorweg: Die CLIL-Didaktik gibt es nicht. Stattdessen treffen im bilingualen Unterricht drei Didaktiken aufeinander: die Fachdidaktik das Sachfaches, die Fremdsprachendidaktik und die Sprach‐ lerndidaktik (Leisen 2015a, S. 46). Während die ersten beiden Didaktiken die logische Tatsache betonen, dass die CLIL-Methodik von den jeweilig beteiligten Fächern abhängt, vertritt die Dritte den Grundsatz, dass jeder Unterricht 59 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="59"?> 5 Grund für diese ernüchternden Resultate könnte jedoch auch die Tatsache sein, dass sich lehrzentrierte Unterrichtssetting für Forschungszwecke besser aufzeichnen und somit auswerten lassen (Nikula et al. 2013, S. 74). Folglich ist davon auszugehen, dass mehr Forschungsergebnisse basierend auf lehrzentrierten Unterrichtseinheiten vorliegen (siehe Kapitel 7.1.6). zugleich Sprachunterricht ist. Damit ist gemeint, dass sich die Kommunikation im Alltag und die Bildungssprache im Unterricht unterscheiden. Letztere muss folglich im fachspezifischen Unterricht immer auf ‘sprachsensible’ Weise mit den Lernenden aufgebaut werden (Leisen 2017, S. 1). Eine passende CLIL-Didaktik muss somit immer für den spezifischen Kon‐ text erarbeitet werden - was im Umfang dieses Hauptkapitels auch erreicht werden soll. Zunächst werden jedoch zwei wesentliche methodisch-didaktische Herausforderungen mitsamt möglichen Lösungsansätzen aufgezeigt, die für die spätere Entwicklung einer passenden CLIL-Didaktik mitberücksichtigt werden müssen. Erstens, wie bereits im Kapitel 2.2 erwähnt, gibt es Annahmen, dass der CLIL-Unterricht aus methodisch-didaktischer Sicht besonders sorgfältig geplant sowie besser strukturiert ist (Bonnet 2016, S. 42). Eine solche optimierte Didaktik wird mitunter als Grund angesehen, wieso das Lernen im CLIL-Unterricht trotz erhöhter Anforderungen gelingt. Die an Schweizer Primar- und Sekundar‐ schulen durchgeführte Studie von Badertscher und Bieri (2009) kommt jedoch zum ernüchternden Ergebnis, dass sich die didaktische Grobstruktur der je zehn untersuchten Lektionen durchgeführt in der Schulsprache jenen zehn Lektionen durchgeführt in der Zielsprach stark ähneln. Das Lehrgespräch nimmt in allen Lektionen, unabhängig der Instruktionssprache, den grössten Anteil ein und steht in einem 2: 1 Verhältnis zu den schülerzentrierten Sequenzen. Die CLIL-Lektionen geben den Schüler*innen gemäss dieser Studie gleich viel oder wenig Handlungsspielraum und Interaktionszeit wie jene non-bilingual durch‐ geführten Unterrichtsstunden (Badertscher & Bieri 2009, S. 123). Auch andere Untersuchungen zeigen, dass der Wechsel vom rezeptiv- und lehrorientierten Unterrichtssetting hin zu mehr lernals auch output-orientierten CLIL-Unter‐ richt erst ansatzweise gelingt (Dalton-Puffer 2007, S. 261; Nikula et al. 2013, S. 86). Diese Resultate lassen vermuten, dass der CLIL-Unterricht didaktisch weder innovativ geplant noch optimal durchgeführt wird. Stattdessen neigt er dazu stark lehrerzentriert zu verlaufen und gibt den Lernenden nur begrenzt Möglichkeiten eigene Sprachhandlungen auszuführen (Schwab et al. 2012, S. 8). 5 In lehrzentrierten Settings sind die Lernenden im rezeptiven Bereich gefordert, zum Beispiel im Verstehen von Inputs, Texten und Lehrerfragen. Die produk‐ tiven Handlungen sind jedoch auf die Beantwortung von Lehrfragen beschränkt, 60 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="60"?> welche sich oft mit einem Wort oder einer kurzen Aussage beantworten lassen (Badertscher & Bieri 2009, S. 193; Stebler & Stotz 2004, S. 21). Eine wichtige Grundvoraussetzung für die Umsetzung von innovativem CLIL-Unterricht ist somit eine ausgewogene Balance von lehr-zentrierten und schüler-orientierten Lernsequenzen, in denen in gleicherweise rezeptive als auch produktive Sprach‐ kompetenzen aufgebaut werden können. Gruppenarbeiten werden in diesem Zusammenhang als eine vielversprechende Möglichkeit angesehen, um den Lernenden vielfältige Gelegenheiten für die Sprachverwendung zu ermöglichen (vgl. Nikula et al. 2013, S. 90). Zweitens, damit die angestrebte Fusion von fremdsprachlichem und inhalt‐ lichem Lernen gelingen kann, braucht es im CLIL-Unterricht Lernumgebungen, die eine im Sinne des konstruktivistischen Lernens eine echte Auseinanderset‐ zung mit Sprache und Inhalt zulassen. Um dabei der grossen Heterogenität gerecht zu werden, müssten diese Lernmomente differenziert und eigenaktiv vollzogen werden können. Jedoch ist insbesondere mit Sprachanfängern auf der Primarstufe die Durchführung von konstruktivistisch geprägten, eigen‐ ständigen Unterrichtsformaten besonders anspruchsvoll. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Lernenden zuerst die nötigen fremdsprachlichen Grund‐ kompetenzen besitzen müssen, damit sie überhaupt selbstständig handeln können. Weiter lassen sich die fremdsprachlichen Anforderungen bei schüler‐ zentrierten Unterrichtsformen deutlich weniger genau vorhersagen und somit fremdsprachlich unterstützen (Thürmann 2010, S. 73). Bei Untersuchungen von CLIL-Unterricht auf der Primarstufe hat sich tatsächlich herausgestellt, dass Schülerantworten teilweise bereits als chunks vorgegeben werden müssen. Sobald Fragen offener formuliert werden - was grundsätzlich wünschenswert wäre -, weichen die Lernende oft auf die Schulsprache aus (Bechler 2014, S. 175-176; Stebler & Stotz 2004, S. 22). Dieser Herausforderung kann begegnet werden, indem die Lernenden zuerst mit den nötigen fremdsprachlichen Wör‐ tern oder Strukturen vertraut gemacht werden und sie diese dann in vielfältiger Weise üben und anwenden können. Diese beiden hier aufgezeigten Herausforderungen verbunden mit bilin‐ gualem Unterricht auf der Primarstufe müssen bei der Erarbeitung einer passenden CLIL-Didaktik beachtet werden. Demnach sollen bereits auf didak‐ tisch-methodischer Ebene die bislang dargelegten Gelingensbedingungen für die Umsetzung des gewünschten sozial-konstruktivistischen CLIL-Unterrichts - das heisst die Bereitstellung von schüler-zentrierten als auch kooperativen Lern‐ sequenzen mit ausgewogenen Anteilen an sachfachlichen und fremdsprach‐ lichen rezeptiven als auch produktiven Lernmöglichkeiten - berücksichtigt werden. 61 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="61"?> Die hohe Anpassungsfähigkeit von CLIL, die mitunter für den heutigen Erfolg dieses Unterrichtskonzepts verantwortlich gemacht wird, erlaubt es solche spe‐ zifischen kontextuellen Gegebenheiten in die Planung und Umsetzung einzube‐ ziehen. Gleichzeitig, weil CLIL als umbrella term in verschiedensten Kontexten und Fächerkombinationen in unterschiedlichster Weise umgesetzt wird, kann es keine prototypische Didaktik geben (Marsh 2017, S. 9). Coyle (2007b, S. 546) beschreibt das wandelbare Wesen von CLIL folgendermassen: «Given the diver‐ sity, I would argue that such a flexible inclusive approach to CLIL is both a strength and potential weakness. The strength of CLIL focuses on integrating content and language learning in varied, dynamic and relevant learning environments (…). Its potential weakness lies in the interpretation of this ‘flexibility’ unless it is embedded in a robust contextualised framework with clear aims and projected outcomes» (Coyle 2007b, S. 546). Aus diesem Grund entwickelte Coyle (1999) ein hilfreiches Framework, das der Planung und Umsetzung von CLIL-Unterricht ein starkes Rückgrat liefert als auch eine konzeptuelle Einbettung bietet. Das sogenannte ‘4Cs framework’ (Coyle 1999, S. 53; 2007a, S. 51) (vgl. Abbil‐ dung 4) beschreibt die Wechselwirkung von vier grundlegenden Aspekten, die in der CLIL-Praxis eng korrelieren. Es sind die Bereiche content, communication, cognition, und culture, die miteinander den CLIL-Kontext konstituieren und auf methodisch-didaktischer Ebene bei jeder Umsetzung berücksichtigt werden müssen: «In essence, the 4Cs framework suggests that it is through progression in knowledge, skills and understanding of the content, engagement in associated cognitive processing, interaction in the communicative context, the development of appropriate language knowledge and skills as well as experiencing a deepening intercultural awareness that effective CLIL takes place.» (Coyle 2007b, S. 550) The 4Cs Framework (Coyle et al. 2010, 41) Cognition Context Abbildung 4: 4Cs framework (Coyle et al. 2010, 41) Das Framework ist in der Theorie breit akzeptiert, in der Praxis weit verbreitet und adressiert die oben dargelegten Herausforderungen. Zusätzlich passt in den 62 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="62"?> Rahmen dieser Untersuchung, weil es auf relevanten, empirisch begründeten Prinzipien basiert (O. Meyer 2010b, S. 12; Coyle 2007b, S. 550-51). Nachfolgend werden drei dieser Prinzipien vorgestellt, die die Daseinsberechtigung für das Framework für vorliegende Untersuchung stabil untermauern. 1) Sozialer Konstruktivismus Lernen passiert durch aktives Konstruieren im Austausch mit anderen (Vygotsky 1978, S. 92). Die Basis für fremdsprachliches als auch inhaltliches Lernen sind kogni‐ tive Prozesse, die über (innere oder äussere) Sprache realisiert werden. «Language arises initially as a means of communication between a child and the people in his environment. Only subsequently, upon conversion to internal speech, does it come to organize the child’s thought, that is, become an internal mental function.» (Vygotsky 1978, S. 93). In Anlehnung an Vygotsky prägt Swain (2006, S. 98) den Begriff ‘lang‐ uaging’ und meint damit «the process of making meaning and shaping knowledge and experience through language.» Languaging hilft somit Lernen wahrzunehmen. Sowohl Vygotsky als auch Swain verdeutlichen mit ihren Aussagen, dass sich Denken (cognition) durch die Auseinandersetzung mit einem relevanten Inhalt (content) über Sprache (communication) entwickelt. 2) Funktionaler, kommunikativer Sprachgebrauch Sprache wird interaktiv im Kontext gelernt. «Sprachverwendung - und dies schließt auch das Lernen einer Sprache mit ein - umfasst die Handlungen von Menschen, die als Individuen und als gesellschaftlich Handelnde eine Vielzahl von Kompetenzen entwickeln, und zwar allgemeine, besonders aber kommunikative Sprachkompetenzen. Sie greifen in verschiedenen Kontexten und unter verschiedenen Bedingungen und Beschränkungen auf diese Kom‐ petenzen zurück, wenn sie sprachliche Aktivitäten ausführen, an denen (wie‐ derum) Sprachprozesse beteiligt sind, um Texte über bestimmte Themen aus verschiedenen Lebensbereichen (Domänen) zu produzieren und/ oder zu rezi‐ pieren.» (Europarat 2001, S. 21) Die Aspekte Sprache (communication) und thematische Inhalte (content) sind somit untrennbar. 3) Interkulturelle, kommunikative Kompetenz Die Beziehung von Kultur und Sprache ist sehr komplex. Kulturelles Lernen bedeutet nicht a priori Fakten über fremde Kulturen (ehemals Landeskunde) in den Unterricht zu bringen, sondern Lernende zu einer Interaktion mit ‘otherness’ aus dem nahen und fernen Umfeld anzuregen, um dadurch Rückschlüsse über die eigene Kultur machen zu können (Byram et al. 2001, S. 3). «…the otherness which learners meet is that of a society with a different language, they clearly need both linguistic competence and intercultural competence.» (Byram et al. 2001, S. 5). Deshalb gelingt im CLIL-Unterricht die Fusion der (inter-)kulturellem 63 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="63"?> Auseinandersetzung (culture) mit fremdsprachlichem Lernen (communication) besonders gut anhand relevanter Inhalte (content). Wie soeben aufgezeigt, stehen die vier Cs innerhalb des Frameworks in enger Wechselwirkung und können nur schwer isoliert voneinander betrachtet werden. Dennoch werden die vier Aspekte nachfolgend einzeln beleuchtet, um deren Relevanz aus theoretischer Sicht und in Bezug auf die geplante Untersuchung für den vorliegenden CLIL-Kontext ausführlich zu klären. 3.2.1 Content Wie der Name Content and Language Integrated Learning verspricht, passiert das Lernen an Inhalt und Sprache verknüpft miteinander. Gemäss dieser Ansicht wird der funktionale Erwerb der Fremdsprache, ohne Anspruch auf einen systematischen Aufbau wie im traditionellen Fremdsprachenunterricht, als gleichberechtigt mit den sachfachlichen Inhalten anerkannt (Vollmer 2013, S. 124). Der sachfachliche Inhalt gibt im vorliegenden Fall das Fach BG vor, die Auseinandersetzung damit wird jedoch über Sprache realisiert und darin kognitiv verankert (Vollmer 2013, S. 125). Die zu erlernende Zielsprache fungiert folglich als Medium, um den sachfachlichen Inhalt zu erschliessen und das Gelernte durch Sprache auszudrücken. Jedoch entspräche es keinem echten CLIL-Unterricht, wenn die Fremdsprache lediglich als Vehikel verwendet und ‘nur’ implizit mitgelernt würde. Denn CLIL ist mehr als sachfachliches Lernen in einer Fremdsprache (Coyle et al. 2010, S. 33). Die Fremdsprache darf deshalb nicht nur als Instrument genutzt werden, sondern wird in ge‐ wissen Momenten selbst zum Gegenstand des Lernens und der Reflexion, allerdings immer in enger Rückbindung an das behandelte Sachthema (Vollmer 2013, S. 124). Der CLIL-Unterricht ersetzt den traditionellen, systematisch aufgebauten Fremdsprachenunterricht in keiner Weise, vielmehr passiert im CLIL-Unterricht situativer fremdsprachlicher Kompetenzaufbau, der die fach‐ liche Auseinandersetzung begünstig. Konkret umfasst das Sprachlernen im CLIL-Unterricht den Aufbau von wissenschaftlichen Begriffen, fachkommuni‐ kativer und sprachlicher Strukturen mit dem Ziel, fachliche Inhalte zu verstehen und fachspezifische Handlungen zu bewältigen (Leisen 2005, S. 10). Content steht folglich sowohl für fremdsprachliche als auch sachfachliche Lerninhalte. Es gilt daher die richtige Balance zu finden, um die Ansprüche an beide fachbezogenen ‘Inhalte’ zu erfüllen. CLIL wird in diesem Sinne am besten auf einem Kontinuum angesehen, dessen Inhalte zu gewissen Zeitpunkten einmal mehr sachfachlicher, in anderen Momenten mehr fremdsprachlicher Natur sind - abhängig vom situativen CLIL-Kontext (Coyle et al. 2010, S. 33). 64 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="64"?> Wichtig ist ein Lernklima zu erschaffen, in dem die Zielsprache zu Gunsten des dualen Lernens verwendet wird. Denn das Lernen im CLIL-Unterricht wird maximiert, wenn sich Lernende mit relevanten Inhalten mit hohen Lebens‐ weltbezug aktiv auseinandersetzen und diese Aktivitäten mit entsprechendem sprachlichem Support begleitet werden. Oder in anderen Worten: «However, paradoxically, more language is learnt when the focus on direct language teaching is reduced and the content teaching is increased.» (Mehisto et al. 2008, S. 32). Als fachlich kompetent gelten demnach Lernende, die vernetztes Fachwissen aus‐ weisen, prozedurales Wissen haben um die damit verbundenen Denkvorgänge zu strukturieren und auch auf sprachlicher Ebene das Gelernte artikulieren können (Vollmer 2013, S. 126). Im CLIL-Unterricht kann dank dem dualen Fokus von Sprache und Inhalt dieser Kompetenzaufbau aufgrund der verschieden miteinander agierenden Dimensionen besonders gut gelingen. Diese Vorstel‐ lung einer kognitiven, interaktiven Auseinandersetzung mit dem Inhalt, sei es auf sachfachlicher oder sprachlicher Ebene, entspricht demnach erneut der sozial-konstruktivistischen Lerntheorie, an der sich diese Arbeit orientiert. 3.2.2 Communication Mit communication ist das Lernen und der Gebrauch der (Fremd-)Sprache gemeint. Seit der kommunikativen Wende Mitte der 1970 Jahren mit der Ver‐ breitung des methodischen Ansatzes des ‘Communicative Language Teaching’ (CLT), somit einer Abkehr der Betrachtung von Sprache als rein linguistisches System hin zu einem vermehrt funktionalen, kommunikativen Sprachgebrauch, nimmt die Anwendung der Sprache in Form von Kommunikation im Fremd‐ sprachenunterricht eine fundamentale Bedeutung ein (z. B. Halliday 1985, S. xiii; Nunan 2004, S. 27). CLT überwindet somit die jahrzehntelange Dichotomie von Sprachkorrektheit (focus on form) versus Sprachgebrauch (focus on meaning) und betont folglich die Tatsache, dass es für ein erfolgreiches Sprachenlernen sowohl vielfältige kommunikative Anwendungssituationen als auch explizites Sprachwissen braucht. Auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen, der die Grundlage für Lehrpläne und Lehrmittel in ganz Europa und darüber hinaus bildet, unterstreicht diese Wichtigkeit und betrachtet die Sprachlernenden als sozial Handelnde, die dank ihrer kommunikativen Kompetenzen befähigt sind, mit Hilfe spezifisch sprachlicher Mitteln in der Gesellschaft zu interagieren (Europarat 2001, S. 21). Ein focus on form steht demnach im Dienste des Sprachgebrauchs und ist immer dann von grosser Wichtigkeit, wenn die Ler‐ nenden bestimmte linguistische Strukturen benötigen, um sich kommunikativ 65 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="65"?> 6 CLT zielt demnach darauf ab Lernende zu befähigen, Sprache in kommunikativen Situationen anzuwenden. Dies geschieht anhand geeigneter Lernaufgaben (tasks). Dies erklärt erneut die fundamentale Wichtigkeit solcher tasks als elementarer Baustein eines jeden modernen Englischunterrichts, wie nachfolgend im Kapitel 3.4.1 genauer dargelegt wird. auszudrücken (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2011, S. 51). 6 Dabei gilt «using language to learn is as important as learning to use language». Dies trifft ebenso für das duale Lernen im CLIL-Unterricht zu, wo Sprache sowohl Medium (communication) als auch eigentlicher Lerninhalt (content) ist. (Coyle et al. 2010, S. 33-35) Ausgehend der Annahme, dass (Fremd-)Sprache immer durch rezeptives und produktives sprachliches Handeln in authentischen, fachlichen Anforderungs‐ situationen erlernt wird (Leisen 2015a, S. 45-46) - und sich daraus eben auch diese expliziten Sprachlernmomente ergeben können - ist jeder Unterricht zugleich auch Sprachunterricht. Denn die Alltagskommunikation unterscheidet sich stets von der Bildungssprache im Unterricht. Letztere muss folglich im fachspezifischen Unterricht immer mit den Lernenden erarbeitet werden (Leisen 2017, S. 1). Der CLIL-Unterricht bildet dabei keine Ausnahme. Im Gegenteil, der bilinguale Unterricht verstärkt diese Tatsache, weil die Bildungssprache gleichzeitig eine Fremdsprache ist. Die Herausforderung besteht im CLIL-Un‐ terricht nun darin, die fachbezogenen Inhalte fremdsprachlich aufzubauen und dann Lernsituationen zu schaffen, in denen die Lernenden mit ihren limitierten fremdsprachlichen Kompetenzen kommunizieren können (Vollmer 2013, S. 125-26) . Um diese zusätzlichen fremdsprachlichen Hürden zu überwinden, gibt es grundsätzlich zwei didaktische Vorgehensweisen: Entweder proaktiv, indem zentrale linguistische Inhalte vorgängig den Lernenden bewusst gemacht, mit entsprechendem Scaffolding eingeführt und geübt werden. Oder reaktiv, indem die Lehrpersonen auf die Sprachhandlungen der Lernenden mit korrigierendem Feedback reagieren. (Lyster 2007, S. 46-47) Als besonders effektiv wird ein ausgewogenes Vorgehen von proaktiven und reaktiven Massnahmen betrachtet. Dieser sogenannte ‘counterbalanced approach’ stellt sicher, dass im CLIL-Un‐ terricht sowohl der kommunikative Sprachgebrauch als auch die Korrektheit beachtet werden. In Lysters Worten ausgedrückt bedeutet das: «In keeping with socio-cognitive view of second language development, scaffolded interaction with its many opportunities for learners to negotiate language through content serves to fuse content and language» (Lyster 2007, S. 137). Leisen (2015a, S. 45-48) knüpft hier an und spricht von ‘sprachsensiblen CLIL-Unterricht’. Er betont die Wichtigkeit Sprachanforderungen knapp über dem individuellen Sprachver‐ 66 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="66"?> mögen und ein breites Angebot an Sprachhilfen bereitzustellen, sowie vielfältige Sprachlernsituationen zu schaffen, die Lernende zum verschiedentlichen fremd‐ sprachlichen Handeln ermutigen. Anknüpfend an letzteren Aspekt gibt es im CLIL-Unterricht drei Arten von Sprachgebrauch: Die ‘language of learning’, ‘language for learning’ und ‘lang‐ uage through learning’ (Coyle et al. 2010, S. 36-38; Coyle 2007b, S. 552-56). Sie werden in der nachfolgenden Übersicht vorgestellt und zur Illustration mit Beispielen aus dem CLIL-Kontext von BG und Englisch verdeutlicht. Language of learning Language for learning Language through lear‐ ning Bei diesem Aspekt geht es um die genaue Analyse jener Sprache, die die Ler‐ nenden für das Erlernen des inhaltlichen Themas brauchen, damit sie sich kompetent im CLIL-Thema bewegen können. Hier steht je nach Situation die formale Korrektheit oder die funktionale An‐ wendung der Zielsprache im Vordergrund. Beispiele können sein: Ma‐ terialien, Werkzeuge oder Verfahren aus dem BG (brush, paper, crayons, sketch, …), Vokabular für die inhaltliche Beschrei‐ bung von un-/ gegenständ‐ lichen Bildern (shapes, colours, prepositions,…), Vo‐ kabular (adjectives) und sprachliche Strukturen für Bildbeschreibungen und für die Mitteilung von per‐ sönlichen Eindrücken. Dieser Aspekt beinhaltet funktionale Sprache, um sich im CLIL-Unterricht in der Fremdsprache zu be‐ wegen. Damit sind all jene sprachlichen Handlungen gemeint, die die Lernenden für die Bewältigung der Lernaufgaben benötigen. Language for learning be‐ fähigt die Lernenden die Zielsprache bei Gruppen‐ arbeiten aber auch beim selbstständigen Lernen kompetent verstehen und anwenden zu können. Zum Beispiel sind das Funktionen, mit denen die Lernenden Verständ‐ nisfragen stellen, An‐ weisungen von Lern‐ aufgaben verstehen, Gruppenarbeiten auf Eng‐ lisch ausführen, und ein‐ ander Rückmeldungen geben können. Dieser Aspekt betont, dass sich Denken und Sprache aktiv beeinflussen. Sprache entwickelt sich durch kognitiv herausfor‐ dernde Aufgaben, gleich‐ zeitig bildet sich durch die Versprachlichung von Denkprozessen Wissen (vgl. Vygotsky 1978, S. 42). Wie Lernende Sprache ver‐ wenden, gibt der Lehr‐ person hilfreiche Einblicke in ihr Verstehen (Mohan & van Naerssen 1997). Language through learning passiert dann, wenn die Lernende ihr Denken über die Unterrichtsinhalte durch Sprache ausdrücken können. Es lässt sich nicht immer planen, da sich Wissen individuell entwickelt und so auch unterschiedliche Sprache notwendig wird. Dies ge‐ lingt zum Beispiel, indem die spontan auftauchende Sprache der Lernenden aufgegriffen wird. Abbildung 5: Drei Arten von Sprachgebrauch im CLIL-Unterricht (Coyle et al. 2010, 36-38; Coyle 2007b, 552-56) Auch wenn es bei dieser Unterteilung etwas an Trennschärfe fehlt, verdeutli‐ chen die drei Arten von Sprachgebrauch die Vielfältigkeit der sprachlichen 67 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="67"?> Anforderungen im CLIL-Unterricht. Auf den ersten Blick erscheint es oftmals so, als ob im CLIL-Unterricht explizit fachspezifische Sprache (language of learning) erlernt werden muss, die etwas weit weg von der Alltagssprache der Lernenden erscheint. Jedoch erweitert sich dank deren Anwendung im Unterricht auch das ganz alltägliche fremdsprachliche Repertoire, dass sich bei Interaktionen rund um diesen Sprachgebrauch ergibt (language for learning) oder das dann entsteht, wenn «CLIL students are being stretched to think» und das Gelernte in ihren eigenen Worten ausdrücken müssen (language through learning) (Llinares et al. 2012, S. 9). Wie es auch für die Umsetzung des sprachsensiblen CLIL-Unterrichts gefordert wird (Leisen 2015a, S. 47), gilt es diese vielfältige Sprache im Rahmen der CLIL-Planung systematisch zu analysieren und das für eine gelungene Umsetzung relevante Scaffolding zu antizipieren (Coyle et al. 2010, S. 36). Erneut gilt es dabei die zuvor aufgezeigte Prämisse des Sprachlernens als sozialer, interaktiver Prozess in Erinnerung zu rufen. Damit es eben wirklich zu diesem vielseitigen, kommunikativen Sprachgebrauch kommt, brauchen die Lernenden genügend und längere Sprechmöglichkeiten. Dies kann zum Beispiel aus me‐ thodisch-didaktischer Sicht vermehrt mit offenen Fragen und kooperativen Gruppenarbeiten gelingen. Letzteres ist besonders gewinnbringend: Nicht nur um die Sprechzeiten für die einzelnen Lernenden zu erhöhen, sondern auch um den Lernenden die Gelegenheit zu geben freier und unbeobachteter, auch mutiger mit der fremden Sprache zu experimentieren (Llinares et al. 2012, S. 33; Nikula et al. 2013, S. 80; Allen et al. 1983, S. 236). In diesem Abschnitt wurde Kommunikation bislang hauptsächlich auf das Er‐ lernen der Zielsprache Englisch bezogen, jedoch soll im Zeitalter der Förderung der Mehrsprachigkeit das gesamte linguistische Repertoire der Lernenden mit‐ einbezogen werden. Diese sogenannte plurilinguale Kompetenz beinhaltet, dass Lernende ihr unterschiedliches linguistisches Vorwissen aktivieren können, um sich flexibel zwischen Sprachen zu bewegen. Die Schulsprache soll in diesem Sinne nicht aus dem CLIL-Unterricht verbannt werden, denn die Forschung zeigt, dass gerade während Gruppenarbeitsphasen die Schulsprache rasch überhandnimmt (Dalton-Puffer 2007, S. 31). Die Befürchtung der Lehrpersonen, dass Lernende bei Gruppenarbeiten ausschliesslich die Schulsprache anwenden ist einerseits berechtigt, anderseits kann dem entgegengewirkt werden, wenn die Lernenden ihre Erkenntnisse in die Zielsprache zurückführen müssen, um diese dann am Schluss einem realen Publikum präsentieren zu müssen (Allen et al. 1990, S. 75-76). Insofern soll im CLIL-Unterricht neben dem fremdsprach‐ lichen Lernen der gezielte Einsatz der Erst- oder Schulsprache im Sinne von Code-Switching oder Sprachmittlung Platz haben (Coyle 2007b, S. 552; Council of Europe 2018, S. 32). 68 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="68"?> 3.2.3 Cognition Grundlage für wirksames inhaltliches und fremdsprachliches Lernen, ist eine hohe kognitive Aktivierung der Lernenden. CLIL-Lehrpersonen sind deshalb gefordert, kognitiv ansprechende Lernsituationen zu kreieren, bei denen Schüler*innen ihr Lernen sprachlich zum Ausdruck bringen können (Coyle et al. 2010, S. 29). «I have seen too many classrooms where learners are enjoying themselves on intellectually undemanding tasks but failing to learn as much as they might.» (Cameron 2001, S. 2) Dieses Zitat verdeutlicht erneut, dass es in jeder Art von fremdsprachlich geführtem Unterricht eine grosse Schwierigkeit ist aufgrund der limitierten Englisch-Kompetenzen ansprechende, lernwirksame Aktivitäten bereitzustellen. Im CLIL-Unterricht wird es als die grosse Herausfor‐ derung angesehen, die Diskrepanz zwischen den fremdsprachlichen Ressourcen und den kognitiven Möglichkeiten der verschiedenen Lernenden zu überwinden (Thürmann 2010, S. 71; Coyle 2007b, S. 554-55). Tatsächlich sind Lernende im CLIL-Unterricht auf zwei Achsen kognitiv gefordert, einerseits auf der inhaltli‐ chen, anderseits auf der fremdsprachlichen Ebene. Sind diese Anforderungen auf beiden Ebenen zu hoch oder zu tief, ist es unwahrscheinlich das wirksames Lernen stattfinden kann (Clegg 1999, S. 117). Die von Cummins (1984, S. 139) vorgeschlagene Matrix (vgl. Abbildung 6) verdeutlicht das Zusammenspiel dieser verschiedenen Ansprüche und wie diese ausbalanciert werden müssen, damit Lernende in beiden Fachbereichen Fortschritte erzielen können. A B C D High Cognitive Demands Low Cognitive Demands Context-embedded (Low Linguistic Demands) Context-reduced (High Linguistic Demands) Abbildung 6: Matrix of linguistic and cognitive demands (adaptiert nach Cummins 1984, S. 139) Auf der Achse ‘context-embedded / -reduced’ meint Cummins (1984, S. 139) den Grad der linguistischen Unterstützung, die ein Lernender erhält. Zu den 69 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="69"?> ersteren gehörten Lernsituationen, die gut in einem Kontext eingebettet sind und dadurch den Lernenden ausreichend sprachliche Unterstützung bieten (z. B. durch non-verbale, paralinguistische oder andere kontextuelle Hinweise) (low linguistic demands). Am anderen Ende des Extrems sind Lernsituationen, in denen die Lernenden die fremdsprachlichen Inhalte ausschliesslich basierend auf ihren linguistischen Fähigkeiten entziffern können (high linguistic demands). Auf der vertikalen Achse ‘high / low cognitive demands’ liegen fremdsprachliche Lernsituationen für den CLIL-Unterricht auf einem Kontinuum von zu wenig herausfordernd bis zu überfordernd. Aus pädagogischer Sicht ist Quadrant C zu vermeiden, da passiert Lernen weder auf sprachlicher noch inhaltlicher Ebene (Coyle 2007b, S. 555). Eine Aktivität im Quadrant D, die aus fremdsprachlicher Sicht ein gutes Level hat, bräuchte eine kognitive Anreicherung. Eine Aktivität im Quadrant A hingegen setzt hohe Denkleistungen voraus und ist gleichzeitig sprachlich, zum Beispiel dank geeignetem Scaffolding, gut bewältigbar. Sobald die sprachlichen Defizite überwunden sind, könnte eine solche Aktivität aus linguistischer Sicht gesteigert werden und so in Quadrant B zu liegen kommen (Clegg 1999, S. 117; Coyle 2007b, S. 554-55). Dieses Modell erweist sich als nützlich, um die sprachlichen als auch inhalt‐ lichen Anforderungen an Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht abzuschätzen und entsprechendes sprachliches oder inhaltliches Scaffolding bereitzustellen. Dies mit dem Ziel, die anfänglich geäusserte Diskrepanz des linguistischen und kognitiven Anforderungsprofils der Primarschullernenden im CLIL-Unterricht zu überwinden. Zwar wird sich diese Herausforderung auch im vorliegenden CLIL-Kontext bemerkbar machen, jedoch ist anzunehmen, dass diese Schwierig‐ keit in Kombination mit dem handlungsorientierten Fach BG insgesamt weniger stark ausgeprägt sein wird, als dass das in mehr textbasierten Fächern der Fall wäre (Rymarczyk 2010, S. 91). 3.2.4 Culture Das Thema Kultur, das sich hinter dem vierten C des Frameworks verbirgt, bildet ein essentielles Fundament für den CLIL-Unterricht, denn die Förderung des (inter-)kulturellen Lernens scheint im bilingualen Unterricht besonders gut zu gelingen (Cummins 2000, S. 8; Coyle 2007b, S. 550; Europarat 2016, S. 26). Bereits im Kapitel 2.5.8 wurde aufgezeigt, wie die Synergien im CLIL-Unterricht in der Fächerfusion BG und Englisch für die Förderung des kulturellen Lernens auf inhaltlich, thematischer Ebene genutzt werden können. Das Fazit jenes Kapitels war, die Wahl des CLIL-Themas so zu wählen, dass Bilder und Kunst‐ schaffende aus dem hauptsächlich angelsächsischen Raum die Lernenden zur 70 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="70"?> Auseinandersetzung mit zielsprachlichen Kulturgegenständen anregen könnte. Somit wird der für den vorliegenden CLIL-Kontext relevante inhaltliche Lern‐ gegenstand ‘Kunst’ unbestritten als geeignetes Thema angesehen, um die Aus‐ einandersetzung mit der eigenen oder fremden Kultur zu fördern (Bering et al. 2013, S. 16; Europarat 2001, S. 104-5). Als Ergänzung dazu, wird nachfolgend ein weiteres mit dem fremdsprachlichen Lernen in Verbindung stehendes zentrales Anliegen - die Förderung der interkulturellen Kompetenz (IK) - vorgestellt. «Jeder Fremdsprachenunterricht vermittelt in der Praxis per se IK.» (Volk‐ mann 2002, S. 14). Dies weil der kommunikative fremdsprachliche Unterricht in der Pflicht steht, nicht nur die Sprache(n) für eine Welt im Zeitalter der Globalisierung, der verstärkten Mobilität und den schnellen Informationsaus‐ tausch durch die neuen Medien bereit zu stellen; sondern auch die Menschen für den zunehmenden Austausch mit anderen Kulturen vorzubereiten (Euro‐ parat 2001, S. 16; Volkmann 2002, S. 42-43). Unter IK versteht man allgemein die Fähigkeit und Fertigkeit Differenzen zwischen den eigenen und fremden Kulturen zu kennen, diese in verschiedenen Situationen wahrzunehmen und Strategien zu entwickeln, einfühlsam mit diesen Besonderheiten umzugehen und so allfällige Missverständnisse vorzubeugen. Im Gegensatz zu den tradi‐ tionellen landeskundlichen Ansätzen von Kulturvermittlung im Sinne einer Thematisierung von typischen Gegebenheiten der englischsprachigen Kultur, geht es bei der Förderung der interkulturellen Kompetenzen heutzutage zusätz‐ lich darum, spezifische Kompetenzen für eine erfolgreiche Kommunikation auszubilden (Nünning & Nünning 2000, S. 4). Der Aufbau von IK hat zum Ziel, eine reibungslose interkulturelle Kommunikation - die sich bei jeglichen Fremdsprachenlernen naturgemäss ergibt - zu fördern, sowie eine erhöhte Sensibilität gegenüber dem Fremden zu vermitteln (Volkmann 2002, S. 13, 43). Dazu gehört auch die Fähigkeit die Perspektiven zu wechseln, um sich mit fremden Sichtweisen auseinander zu setzen (Nünning & Nünning 2000, S. 8). Die Vermittlung von IK ist keine neue, revolutionäre Idee, sondern ist eine Grundidee des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und geht eng mit der Förderung der bereits angesprochenen Plurilingualität in allen Fächern und Schulstufen einher (Europarat 2016, S. 15). Unter plurilingualer Kompetenz ver‐ steht man «the ability to use a plural repertoire of linguistic and cultural resources to meet communication needs or interact with people from other backgrounds and contexts, and enrich that repertoire while doing so.» (Europarat 2016, S. 20) Als grundlegendes Schlüsselelement in der Förderung der plurilingualen und interkulturellen Kompetenz ist das Potential der sprachlichen und kulturellen Ressourcen der Lernenden zu nutzen (Europarat 2016, S. 16). 71 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="71"?> 7 In diesem Sinne gelingt im CLIL-Unterricht dank der Vermittlung von interkulturelle Kompetenzen vermehrt auch auf den im Englisch Lehrplan geforderte Ebenen der ‘Hal‐ tungen’ und ‘Handlungen’ zu arbeiten (vgl. D-EDK 2014 Englisch, Kulturen im Fokus), welche sich im traditionellen Fremdsprachenunterricht oft nur schwierig umsetzen lassen. In der heterogenen Primarschulklasse treffen Lernende mit unterschiedli‐ chen kulturellen sowie sprachlichen Hintergründen aufeinander. Kinder leben nicht (mehr) in einer Umgebung einer Monokultur, sondern erleben vermeint‐ lich ‘Fremdes’ in nächster Nähe: In der Nachbarschaft, an der Schule, durch Medien oder beim Reisen (Legutke, Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2009, S. 85). Eben dieses Potential an Erfahrungen und Erlebnissen gilt es für die Förderung der IK produktiv - insbesondere im bilingualen Unterricht - zu nutzen. Dank dem fremdsprachlich geführten CLIL-Unterricht erfahren zum ersten Mal alle Kinder, was es heisst mit limitierten sprachlichen Kompetenzen dem Unterricht zu folgen oder verschiedene Strategien anwenden zu müssen, um mit den begrenzten sprachlichen Ressourcen zu kommunizieren. Ein Teil der Klasse, zum Beispiel Kinder mit Migrationshintergrund, hat die Erfahrung bereits gemacht. Diese Schüler*innen wissen, was es heisst dem Unterricht zu folgen, ohne die Schulsprache vollständig zu beherrschen. Eine wertvolle Erfahrung, die nun allen Lernenden im CLIL-Unterricht geboten wird: «If we follow the idea that culture determines the way we interpret the world, and that we use language to express this interpretation, then CLIL opens an intercultural door, where learners can have experiences which they could not have in a mono‐ lingual setting - meaning, for example, that it provides a rich catalyst for ‘living’ intercultural experiences which are fundamental to a deeper understanding of global citizenship.» (Coyle et al. 2010, S. 39). Im CLIL-Unterricht erhalten alle Schüler*innen erstmals die Möglichkeit, diese komplexen Kompetenzen unmit‐ telbar zu erfahren und zu üben. 7 Nachfolgend einige praxisorientierte Beispiele, wie die Förderung der IK im CLIL-Unterricht umgesetzt werden könnte (vgl. Europarat 2016, S. 33-58): • Die Erweiterung von rezeptiven Strategien, damit die Lernenden dem Unterricht folgen können. • Dem Aufbau produktiver Kommunikationsstrategien und die Förde‐ rung von Risikobereitschaft, damit sich die Lernenden auch mit einge‐ schränkten sprachlichen Mitteln verständigen können oder wagen etwas mitzuteilen. • Sensibilisierung von Wertvorstellungen gegenüber anderen Sprachen, fremden Kulturen oder ganz allgemein im Kontakt mit ‘otherness’. 72 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="72"?> • Reflexion über die eigenen Vorstellungen und Haltungen gegenüber dem Bekannten und Fremden. • Vergleiche zwischen den verschiedenen Sprachen (z. B. Wie sagt man dem in der Schulsprache - wie heisst es auf Englisch? Was ist gleich oder anders? ). • Einsatz von Sprachmittlung (Mediation) seitens der Lehrenden oder Lernenden, um zwischen Texten oder Lernenden zu vermitteln und so Hauptaussagen einer Nachricht auf sprachlicher oder interkultureller Ebene zu klären. Dies sind ambitionierte Ziele, an denen es in den zeitlich limitierten CLIL-Mo‐ dulen implizit oder explizit zu arbeiten gilt. Gleichzeitig muss betont werden, dass es sich beim Erlangen der IK um einen Lernprozess handelt, der selbst am Ende der Schulzeit nicht abgeschlossen sein kann. Denn einerseits verändern sich Kulturen dauernd, anderseits ist auch die eigene soziale Identität im konstanten Wandel. Deshalb geht es darum, Lernende für eine bestimmte Wachsamkeit gegenüber der eigenen und fremden Kultur zu sensibilisieren (Byram et al. 2001, S. 5) - was im schulischen Kontext bereits auf der Primarstufe gefördert werden kann, jedoch insgeheim ein lebenslanges Bemühen voraus‐ setzt (Europarat 2001, S. 16). 3.2.5 Abschliessende Überlegungen zur CLIL-Didaktik Mit dem 4Cs framework wurde ein zuverlässiges methodisch-didaktisches Modell gefunden, das den grundlegenden Ansprüchen an den vorliegenden CLIL-Kontext Rechnung trägt. Das Lernen im CLIL-Unterricht passiert somit entlang content, communication und cognition eingebettet in culture. In Bezug auf letzteres C geschieht das auf zwei Arten: Einerseits soll das Lernen über Kulturen im CLIL-Unterricht ausgehend eines aus kultureller Sicht bedeutsamen Themas initiiert werden. Kunstschaffende und Kunstgegenstände als «soziale und ma‐ teriale Manifestationen» eignen sich dafür, weil sie Einblicke in die Zielkulturen geben (Nünning & Nünning 2000, S. 9). Anderseits soll die Verwendung der Fremdsprache im CLIL-Modul als Anlass genommen werden, um die Lernenden in situativ passenden Momenten für den interkulturellen, kommunikativen Kompetenzaufbau zu sensibilisieren. Diese zwei in sich ergänzenden Prinzipien betrachte ich für die Planung und Umsetzung der CLIL-Module als wichtige Voraussetzung für den Aspekt culture. Auch hinsichtlich der anderen Cs konnten bereits konkrete Überlegungen in Bezug auf die bevorstehende Implementierung der CLIL-Module in der Fächerkombination BG und Englisch aufgezeigt werden. So konnte die aus 73 3.2 CLIL-Didaktik <?page no="73"?> fremdsprachlicher Sicht hohe Wichtigkeit einer ausgewogenen Balance von focus on form vs. focus on meaning, als auch rezeptiven vs. produktiven Sprachkompetenzen hergeleitet werden. Gleichzeitig wurde mehrmals die Be‐ deutsamkeit vielfältiger, bewältigbarer Lernsituationen unterstrichen, in denen die Lernenden die Fremdsprache aktiv anwenden können. Es braucht somit eine Ausgewogenheit von reichhalten Inputs seitens der Lehrperson als auch selbst‐ gesteuerten Unterrichtsphasen, in denen die Schüler*innen längere, freiere auch mehr ‘meaning-focused’ Redeanteile einnehmen können. Als mögliche Lösung wurden dafür offene Fragen und kooperative Gruppenarbeiten vorgeschlagen. Letzteres wird in der Literatur als essentiellen Bestandteil eines genuinen, kom‐ munikativen und differenzierten Fremdsprachenunterrichts (CLT) betrachtet (Spada & Fröhlich 1995, S. 15; Tomlinson 2017, S. 29; Eisenmann 2019, S. 71). Das Konzept des sprachsensiblen Unterrichts ist ebenfalls nennenswert, weil es auf die aufgezeigten Herausforderungen rund um das bilinguale, schülerorientierte Lernen in heterogenen Klassen Lösungen verspricht. Das 4Cs framework bietet ohne Zweifel ein starkes Rückgrat für wichtige methodisch-didaktische Überlegungen im Zusammenhang mit der Planung und Entwicklung von CLIL-Modulen. Trotzdem bleibt die Frage offen, wie denn nun ganz genau das Lernen im CLIL-Unterricht entlang der 4Cs konkretisiert werden kann. Die Antwort liegt bei Lernaufgaben, die als fundamentale Elemente im Un‐ terricht das Lernen auslösen. Wie das folgende Zitat verdeutlich, passiert bei der Aufgabenbearbeitung die Verbindung von fremdsprachlichem und inhaltlichem Lernen: «In any communicative situation, general competences (e.g. knowledge of the world, socio-cultural competence, intercultural competence,…) are always combined with communicative language competences (linguistic, sociolinguistic and pragmatic competences), and strategies (some general, some communicative language strategies) in order to complete a task.» (Council of Europe 2018, S. 29) Im nachfolgenden Kapitel stehen deshalb Lernaufgaben im Zentrum. Nach einer Einführung, in der Hintergründe zur Aufgabenorientierung und Typen von Aufgaben aufgezeigt werden, werden spezifische Aufgabenmerkmale für den CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG vorgestellt. Ziel ist es schliesslich das hier kennengelernte 4Cs framework zu verfeinern und für die nachfolgende Implementierung von CLIL-Modulen zu konkretisieren. 74 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="74"?> 3.3 Aufgabenorientierung Während ihrer Schulzeit werden Lernende mit Tausenden von Aufgaben kon‐ frontiert, welche sozusagen die Bausteine von Unterricht sind (Maier 2016, S. 6). Es erstaunt daher wenig, dass deren Bearbeitung ein grosser Teil der Unterrichtszeit gewidmet ist (Reusser 2013, S. 4). Ganz allgemein betrachtet sind Aufgaben Ausgangspunkt von Lernen und Lehren (Keller & Bender 2012, S. 8), bilden die Lernumgebung für die Kompetenzentwicklung (Leisen 2010, S. 60), fordern zur gezielten Auseinandersetzung mit einem spezifischen Unterrichtsinhalt auf (Blö‐ meke et al. 2006, S. 331) und prägen somit das unterrichtliche Lernen massgeblich mit (Reusser 2013, S. 4). Die folgende Definition scheint daher zutreffend: «Auf‐ gaben sind kognitive Anforderungen an Schülerinnen und Schüler, die bei idealer Passung mit den Lernvoraussetzungen zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem zu erlernenden Wissen führen können.» (Maier 2016, S. 6) Gemäss dieser Definition und unter Berücksichtigung des in dieser Arbeit zugrundeliegenden sozial-konstruktivistischen Lernverständnisses, sind Auf‐ gaben stets Lerngelegenheiten, bei denen Lernende aktiv auf einer Tiefenstruk‐ turebene zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt angeregt werden, sei es im Rahmen einer einfachen Übungsaufgabe oder durch ein komplexes Problem. Betrachtet man hingegen jegliche Lernaufforderungen, wie Fragen oder Anweisungen, bereits als eigentliche Aufgabe, geht man von einem instruktionistischem Lernverständnis aus. (Leuders 2014, S. 34) Während solche unterrichtlichen Handlungen wie Aufforderung, Anforderungen oder Fragen mehr den unterrichtlichen Oberflächenmerkmalen zugeordnet werden, beziehen sich Lernaufgaben auf die gewünschte Tiefenstruktur von Unterricht (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 21). Somit kann die in der Theorie kontrovers diskutierte Frage, ob jede unterrichtliche Handlung bereits als Aufgabe gilt, für den Rahmen dieser Arbeit verneint werden. Aufgaben werden in Lern- und Leistungsaufgaben unterteilt, wobei erstere für die vorliegende Arbeit relevant sind. Lernaufgaben, im Gegensatz zu Leistungs- oder Beurteilungsaufgaben, initiieren eigenständiges Lernen der Schüler*innen und regen durch inhaltsbezogene Problemstellungen oder andere Formen von Lernaufträgen die Auseinandersetzung mit einem spezifischen Unterrichtsinhalt an (Keller & Bender 2012, S. 8). Lernaufgaben unterstützen folglich den Kompetenzerwerb, Leistungs- oder Beurteilungsaufgaben hingegen zielen auf die Kompetenzüberprüfung ab. Diese Unterscheidung ist deshalb sinnvoll, weil Lern- und Prüfungssituationen unterschiedlichen Gesetzmässig‐ keiten folgen: Mittels vielfältigen Lernaufgaben wird den Lernenden ermöglicht in ein Thema einzutauchen, Zusammenhänge zu entdecken, Fragen zu stellen 75 3.3 Aufgabenorientierung <?page no="75"?> und Sachverhalte tief zu verstehen. Sie werden dabei von der Lehrperson begleitet und unterstützt. Fehler werden produktiv genutzt, um Unverstandenes zu erkennen und zu klären. In Beurteilungssituationen andererseits braucht es Aufgaben, die zu einer möglichst eindeutigen Lösung führen und die die Lernenden alleine sowie möglichst ohne Fehler bewältigen können. (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 40) Seit einigen Jahren ist in der Erziehungswissenschaft als auch in den Fachdi‐ daktiken eine wissenschaftliche Akzentverschiebung in Richtung Lernaufgaben beobachtbar (Keller & Reintjes 2016, S. 15). Wie bereits im Kapitel 3.1 aufgezeigt, lässt sich deren Popularität zum einen mit der Idee einer konstruktivistischen Didaktik erklären (vgl. Diesbergen 2012, S. 46); zum anderen sind verschiedene bildungspolitische Entwicklungen dafür verantwortlich, dass Lernaufgaben in den letzten Jahren ein vielbeachtetes Thema geworden sind. Drei Kontexte, die insgeheim ineinandergreifen, werden in diesem Zusammenhang genannt. Der erste Kontext bezieht sich auf die internationalen Schulleistungsmessungen (z. B. PISA, TIMSS) und die in diesem Zusammenhang teils ernüchternden Resultate, welche zu einem Umdenken von Aufgabenformaten zwang. Der zweite Kontext umfasst die Einführung von Bildungsstandards, die teils als Reaktion auf die unerwarteten Resultate der internationalen Schulleistungsver‐ gleiche entwickelt wurden. Sie beschreiben die zu erwerbenden Kompetenzen in Form von Basisstandards für bestimmte Klassenstufen und wurden 2011 von der EDK als nationale Bildungsziele in Kraft gesetzt. Sie ermöglichen einerseits auf nationaler Ebene Leistungsvergleiche durchzuführen, anderseits bilden sie gleichzeitig die Grundlage für die neue Generation der Lehrpläne (vgl. Grundansprüche im Lehrplan 21). Der dritte Kontext bildet diese neuen kompetenzorientierten Lehrpläne und die damit verbundene Output-Orientie‐ rung von Lehren und Lernen. Diese Akzentverschiebung verhalf ebenfalls dazu, dass Lernaufgaben in den letzten paar Jahren in der Wissenschaft als auch Unterrichtspraxis einen Aufschwung erlebten. In diesen Lehrplänen werden zwar keine eigentlichen Lernaufgaben vorgegeben, jedoch spielen sie bei der Operationalisierung der Kompetenzen eine zentrale Rolle, weil Lernaufgaben die «kleinste Einheit» von Kompetenzorientierung darstellen, die guten Unter‐ richt ausmachen. (Criblez 2016, S. 28-32) Ob die Lernziele basierend auf den Kompetenzbeschreibungen aus dem Lehrplan erreicht worden sind, kann man nur über die Performanz prüfen. Damit ist die Art und Weise oder der Grad der Bewältigung gemeint, wie eine Anforderungssituation gemeistert wird. Die Performanz wiederum zeigt sich über das Lösen entsprechender Lernaufgaben, die Einblicke in die Vor‐ stellungen, Erfahrungen und Dispositionen der Lernenden geben (Luthiger & 76 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="76"?> Wildhirt 2018, S. 34). Lernaufgaben mitsamt der daraus resultierenden Perfor‐ manz ermöglichen demnach das Sichtbarmachen des Lernens, wie es Hattie in seinen Kernbotschaften verlangt. Damit meint er, dass Lernaufgaben allen Be‐ teiligten wichtige Rückschlüsse über das Lernen und Lehren geben können, weil sie Erkenntnisse darüber liefern, was die Schüler*innen konstruieren, bereits verstehen oder noch missverstehen (Hattie 2015, S. 280-81). Gute Lernaufgaben sind facettenreich und decken meist mehrere Kompetenzniveaus ab. Zudem bieten sie nicht nur Lerngelegenheiten zum Aufbau von fachlichen, sondern auch von überfachlichen (d. h. sozialen, methodischen oder personalen) Kom‐ petenzen (Reusser 2014a, S. 85). Zusammengefasst kann demnach festgehalten werden: «Aufgaben als Aufforderung zur gezielten Auseinandersetzung mit einem Inhalt sind als stoffinhaltliche Materialisierungen und prozessdidaktisch inszenierte Lerngelegenheiten der Dreh- und Angelpunkt eines kompetenzori‐ entieren Unterrichts.» (Reusser 2014a, S. 80). Es gibt verschiedene Typen von Lernaufgaben, die innerhalb eines Lernpro‐ zesses unterschiedliche Funktionen wahrnehmen (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 41). Ausgehend der konstruktivistischen Lernvorstellung, ist der Aufbau von Wissen ein Prozess, der schüleraktiv erworben, aufgebaut und erfahrbar gemacht werden muss. Damit Kompetenzen aufgebaut werden können, braucht es kognitiv aktivierende Lernaufgaben sowie das Durchlaufen eines vollstän‐ digen Lernprozesses. Hans Aebli, auch er ein Vertreter des Konstruktivismus, bringt bereits in den 1980er Jahren den Grundgedanken des Unterrichts als Durchlaufen eines Lernzyklus in seinem PADUA-Modell zum Ausdruck. Das Akronym PADUA steht für Problem stellen, Aufbau, Durcharbeiten, Üben und Anwenden. Ziel des Unterrichts ist entlang der fünf Lernphasen Wissen in Form von anwendungsbeweglichen Operationen und Begriffen aufzubauen. Reusser bearbeitet 1999 dieses Modell weiter und braucht dafür das Akronym KAFKA, welches die folgenden Lerntätigkeiten beinhaltet: Kontakt herstellen, aufbauen, flexibilisieren, konsolidieren und anwenden. Er formuliert die Be‐ grifflichkeiten konsequent aus Sicht der Lernenden und definiert den Einstieg in den Lernprozess offener (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 40-41). Unabhängig davon wie diese einzelnen Phasen genannt werden, wichtig ist, dass es für die Kompetenzentwicklung funktional verschiedene Aufgabenstellungen oder -typen zum Beispiel im Sinne von Einstiegs-, Vertiefungs- Übungs- und Anwen‐ dungsaufgaben braucht (Reusser 2014a, S. 92-94; Leisen 2010, S. 64). Wilhelm und Kolleg*innen (2014, S. 1) verfeinern diese Aufgabentypisierung weiter und geben ihrem Modell den Namen LUKAS. LUKAS steht für «das in LUzern ent‐ wickelte Modell zur Entwicklung Kompetenzfördernder Aufgaben-Sets» (Lu‐ thiger & Wildhirt 2018, S. 38). Ein Aufgabenset beschreibt eine Lerneinheit 77 3.3 Aufgabenorientierung <?page no="77"?> und besteht aus zwei oder mehreren Lernaufgaben, die sich in der Regel auf einen bestimmten gemeinsamen Fachinhalt beziehen und von den Lernenden nacheinander bearbeitet werden (Astleitner 2006, S. 18). Die Autor*innen des LUKAS-Modells betonen, dass dem Lernprozess kein lineares Verständnis von Kompetenzentwicklung zugrunde liegt, sondern die verschiedenen Typen von Lernaufgaben dynamisch und individuell in ein lernwirksames Zusammenspiel gebracht werden müssen. Es müssen dabei für eine Lerneinheit nicht immer alle Aufgabentypen berücksichtigt werden, sondern jene ausgewählt oder entwickelt werden, die für den geplanten Kom‐ petenzaufbau von Wichtigkeit sind (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 41-42; Luthiger et al. 2014, S. 58). Die nachfolgende Gegenüberstellung dieser drei Lernprozess‐ modelle (vgl. Abbildung 7) verdeutlicht nochmals, dass Lernaufgaben zu unter‐ schiedlichen Zeitpunkten im Unterricht verschiedene Funktionen einzunehmen müssen, um den Kompetenzerwerb ganzheitlich zu ermöglichen. Vollständiger Lern‐ zyklus PADUA (Aebli, 1997) Lerntätigkeiten KAFKA (Reusser, 1999) Aufgabentypen LUKAS-Modell (Wilhelm et al. 2014) P Problem stellen K Kontakt herstellen Konfrontationsaufgaben A Aufbau A Aufbauen Erarbeitungsaufgaben D Durcharbeiten F Flexibilisieren Vertiefungs- und U Üben K Konsolidieren Übungsaufgaben A Anwenden A Anwenden Synthese- und Transfer‐ aufgaben Abbildung 7: Aufgabentypen im LUKAS-Modell in Anlehnung an das KAFKA- und PADUA Modell (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 41) In der vorliegenden Untersuchung wird das LUKAS-Modell beigezogen, weil es erstens als aktualisierte Weiterentwicklung vorgängiger Unterrichtsprozess‐ modelle (vgl. Abbildung 7) verstanden werden kann. Zweitens ist es in einer Vielzahl relevanter fachdidaktischen Literaturquellen gut dokumentiert. Drit‐ tens beschreibt das LUKAS-Modell die für den Aufbau von Kompetenzen nö‐ tigen Lernprozesse konsequent aus der Perspektive von Lernaufgaben. Diesen Perspektivenwechsel erachte ich für die geplante Entwicklung wirksamer 78 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="78"?> 8 Die Typen Vertiefungs- und Übungsaufgabe, als auch Synthese- und Transferaufgabe erfüllen ähnliche Funktionen und sind deshalb im Lernprozess auch nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar. Diese fliessenden Übergänge zwischen diesen Aufgabentypen werden in obiger Zusammenstellung durch die gestrichelten Linien verdeutlicht. Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht als dienlich. Die sechs Aufgabentypen 8 die insgesamt einen kumulierenden Kompetenzaufbau ermöglichen, werden nachfolgend in der Abbildung 8 steckbriefartig porträtiert (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 42-56). Aufgabentyp Funktionale Charakteristika Konfrontationsaufgabe Kontakt herstellen zwischen Phänomen und Lernenden, irritieren, neugierig machen auf Fremdes und Anderes, Fragen aufrufen, Problem darlegen Erarbeitungsaufgabe Wissen und Fertigkeiten aufbauen, entdecken und ordnen von Zusammenhängen, gemeinsame Grundlagen erar‐ beiten Vertiefungsaufgabe Vertiefen und ausdifferenzieren von Wissen und Fertig‐ keiten, Verknüpfungen herstellen, Lerninhalte umorgani‐ sieren, tiefes Verstehen fördern Übungsaufgabe Lerninhalten konsolidieren und automatisieren, üben und wiederholen damit Wissen und Können zügig anwendbar wird Syntheseaufgabe Kompetenzaspekte zusammenführen, fördern horizontale Kompetenzvernetzung, machen Performanz sichtbar, Kom‐ petenzerleben stärken Transferaufgabe Kompetenzen auf neue, alltagsverwandte Kontexte über‐ tragen, machen Performanz sichtbar, Kompetenzerleben stärken Abbildung 8: Aufgabentypen nach dem LUKAS-Modell (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 42-56) Als Zwischenfazit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass auf der Makroebene des Unterrichts innerhalb des Lernprozesses unterschiedliche Lernaufgaben für die Kompetenzentwicklung bedeutsam sind. Für die vorlie‐ gende Arbeit heisst das nun, dass es für den Kompetenzerwerb im CLIL-Unter‐ richt verschiedene Aufgabentypen, die je nach Zielsetzung einmal mehr das sachfachliche, dann das fremdsprachliche aber insgesamt das verknüpfte, duale Lernen fördern. Dies gelingt, wenn ein jedes CLIL-Modul als ein Aufgabenset betrachtet wird, bei dem Lernen durch verschiedene Lernaufgaben auf der 79 3.3 Aufgabenorientierung <?page no="79"?> Prozessebene der Konfrontation, des Erarbeitens, des Vertiefens, des Üben oder der Anwendung geschieht. Wichtig ist, dass das Gelernte aus beiden Fachberei‐ chen zumindest gegen Ende des Lernprozesses, im Sinne der Performanz, allen Beteiligten sichtbar gemacht werden kann. Welche Rolle Lernaufgaben in den beiden Fächern Englisch und BG spielen und welche Qualitätsmerkmale diese unterschiedlichen Typen von Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht mitbringen sollten, wird im Folgenden dargelegt. 3.4 Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht Lernaufgaben und CLIL verbindet eine symbiotische Beziehung: «(…) authentic and meaningful content is used to create motivating and challenging tasks. Authentic communication in different cooperative formats (…) triggered by those tasks and the frequent negotiation of meaning necessary to complete them enables a greater depth and bandwidth of content learning.» (O. Meyer 2010b, S. 19). Dieses Zitat verdeutlicht komprimiert, wie den Einsatz von Lernaufgaben das CLIL-Lernen bereichert. Doch wie deren Integration in den spezifischen CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG gelingt, muss noch konkretisiert werden. Deshalb werden in einem ersten Schritt die beiden Fächer individuell im Hinblick auf ihre Tradition mit Lernaufgaben und auf ihre Passung zum LUKAS-Modell beleuchtet. 3.4.1 Lernaufgaben im Englischunterricht: Task-based learning Tatsächlich bilden Lernaufgaben (tasks) in der Fremdsprachendidaktik seit ei‐ nigen Jahrzehnten, in der Ära des ‘Communicative Language Teaching’ (CLT), eine unerlässliche Grundlage eines fortschrittlichen, kommunikativen Englisch‐ unterrichts. Im Fremdsprachenunterricht ist die Aufgabenorientierung unter dem methodischen Konzept ‘Task-based learning’ (TBL) bekannt und ist auch an den Schweizer Primarschulen, dank den aktuellen Lehrmitteln, weit verbreitet. TBL wurde in den 1980er Jahren von Fremdsprachenforschenden und -lehrpersonen entwickelt, als Antwort auf die Unzulänglichkeit der verbreiteten lehrzentrierten, auf Grammatik fokussierten Unterrichtsformen (focus on form) hin zu einem mehr funktionalen, kommunikativen Fremdsprachenlernen (focus on meaning) (Van den Branden et al. 2009, S. 3). In Anlehnung an allgemein anerkannte Befunde (u. a. Vygotsky) waren sich Expert*innen einig, dass «the development of complex functional abilities would be optimally stimulated by confronting students with holistic, challenging tasks that they would likely encounter in real life, inviting them 80 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="80"?> 9 In Anlehnung an die Englischdidaktik, wird dieser Begriff in vorliegender Arbeit in seiner englischen Bedeutung als ‘learning outcome’ verwendet und bezieht sich immer auf ein Endprodukt oder Lernergebnis resultierend aus einer Lernaufgabe, demnach ein ’task outcome’. Dies als Klärung und zur Vorbeugung von Missverständnissen, weil der Begriff ‘Outcome’ im deutschsprachigen Diskurs eine andere Bedeutungsbezeichnung impliziert, im Sinne einer langfristigen Stabilisierung des Wissens oder eine erwünschte Kompetenzerreichung. (vgl. Beywl & Zierer 2015, S. XVIII) to work together, and develop new insights and skills through exploratory talk and intensive interaction.» (Van den Branden et al. 2009, S. 4). In diesem Sinne sind tasks bedeutungsvolle, kommunikative Lernaufgaben, die Schüler*innen zur Auseinandersetzung mit relevanten Inhalten in der Zielsprache anregen, um zu einem Ergebnis (outcome) zu gelangen (Willis & Willis 2007, S. 12-13). Das Ziel der erfolgreichen Bewältigung der task führt zu einem finalen Produkt, dem task outcome  9 . Für dessen Erreichung ist zwar fremdsprachliches Handeln notwendig, der task outcome selber soll jedoch auch eine ‘non-linguistic’, demnach eine bedeutungsvolle inhaltliche, Komponente ausweisen (Nunan 2004, S. 10). Oder in anderen Worten: «One feature of tasks (…) is that they result in some clear outcome, other than just simply the use of language; that is, the ouctome of the task can be judged in terms of content.» (Nunan 2004, S. 8). Mögliche task outcomes, passend zum vorliegenden CLIL-Kontext, können zum Beispiel eine Bildbeschreibung, eine Präsentation eines Bildprodukts oder eine Dokumentation neu gefundener Farben sein. Wichtig ist, dass die Lernenden bei der Bearbeitung der Lernauf‐ gaben entsprechend kognitive als auch linguistische Prozesse durchlaufen, um einen bedeutungsvollen, inhaltsorientierten task outcome zu erreichen. In der Fremdsprachendidaktik wird somit unterschieden zwischen kommu‐ nikativen, inhaltsorientierten tasks (focus on meaning) und exercises, die einen primären Fokus auf korrektem Sprachgebrauch (focus on form) ausweisen (Nunan 2004, S. 3). Tasks und exercises werden am besten auf einem Kontinuum von Lernaufgabentypen als zwei gegensätzliche Aufgabenformate betrachtet. Diese ursprüngliche Dichotomie von focus on form und focus on meaning wird jedoch im modernen Fremdsprachenunterricht auch dank TBL immer mehr überwunden, denn eine gänzliche Ausschliessung von focus on form ist nicht lernförderlich. Im Gegenteil, lernwirksame aufgabenorientierte Se‐ quenzen berücksichtigen sowohl den kommunikativen Sprachgebrauch als auch die sprachliche Korrektheit (Van den Branden et al. 2009, S. 6). Auch im LUKAS-Modell haben beide Aufgabentypen, sowohl exercises als tasks, ihren Platz. Oft stehen umfassendere tasks am Ende eines Lernprozesses und ermöglichen den Lernenden im Sinne einer Synthese- oder gar einer Trans‐ 81 3.4 Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="81"?> feraufgabe ihr erworbenes fremdsprachliches Können anwendungsorientiert unter Beweis zu stellen und das Gelernte zu präsentieren. Den Lernprozess hin zu dieser finalen Synthese- oder Transferaufgabe - oder eben der finalen task - unterstützen im LUKAS-Modell weitere Typen von Lernaufgaben, die in der Fremdsprachendidaktik, abhängig von deren Fokussierung auf Inhalt oder Sprache, als exercise oder als weitere task bezeichnet werden. Die Übungs-/ Ver‐ tiefungsaufgaben, als auch Konfrontations- oder Erarbeitungsaufgaben können, abhängig von ihren mehr inhalts- oder sprachorientierten Zielen, einer dieser beiden fremdsprachendidaktischen Bezeichnungen für Lernaufgaben entspre‐ chen. Eine eindeutige Zuweisung lässt sich nicht immer machen, weil Lernauf‐ gaben aus allgemein-didaktischer Sicht anders als in der Fremdsprachendidaktik definiert werden. Die Verwendung von verschiedenen Begrifflichkeiten rund um den weitgefassten Begriff ‘Aufgabe’ setzt deshalb zwischen den Didaktiken weitere Übersetzungsarbeit voraus (vgl. Häfliger & Ries 2018, S. 113-14) 3.4.2 Lernaufgaben im BG-Unterricht Ein Blick in die Fachgeschichte verdeutlicht, dass auch der BG-Unterricht auf dem Weg zum kompetenzorientierten Unterricht von verschiedenen Strö‐ mungen geprägt war, die abwechselnd einmal mehr die formalen Aspekte dann den kreativen Ausdruck in den Vordergrund des Unterrichts rückten. So standen im 19. Jahrhundert die Nachahmung von Vorlagen und das genaue saubere Arbeiten im Zentrum. Erst in den 1920er wurde das Kind erstmals als eigenständiger, kreativer ‘Künstler’ in den Fokus gerückt. In der Mitte des 20. Jahrhunderts schliesslich stand die «Musische Erziehung» im Zentrum, die die schöpferischen und gefühlsbetonten Fähigkeiten im Zeichenunterricht überbetonte. Als Gegenbewegung dazu entwickelte sich ab den 1960er Jahren wieder eine vermehrt formal-analytische Sicht auf den Zeichnungsunterricht, in dessen Vordergrund das Lehren einer visuellen Grammatik stand und das eigenständige Schaffen in den Hintergrund rückte. Als erneute Reaktion auf diese einseitige Ausrichtung des Unterrichts, wurden in den 1980/ 90er Jahren schliesslich die Grundbausteine für den modernen BG-Unterricht gelegt. Seither halten sowohl subjektive Ausdrucksweisen als auch handlungsorientierte Bild‐ prozesse sowie theoriegeleitetet Zugänge zu Bildern aller Art Einzug in den Unterricht. (Diethelm & Niederberger 2016, S. 283-87) Im heutigen kompetenzorientierten BG-Unterricht geschieht der Zugang zu und die Arbeit mit Bildern ebenfalls anhand bedeutsamen Lernaufgaben. Sie er‐ möglichen eine offene, neugierige und experimentierfreudige Auseinanderset‐ zung mit Bildern. Ausgehend einer anregenden, bildnerischen Aufgabenstellung 82 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="82"?> zielen Lernaufgaben im BG-Unterricht prozess- und produktorientiert auch auf ein Endprodukt, in Form einer eigenständigen Bildlösung, hin (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Die Lernenden entwickeln dabei einerseits eigene Vorstellungsvermögen sowie Darstellungsfähigkeiten und erweitern zudem ihr Repertoire an bildnerischen Verfahren im Umgang mit Materialien und Werkzeugen. Anderseits lernen sie rezeptiv Bilder wahrzunehmen und über diese zu sprechen. Es braucht für diesen komplexen Kompetenzaufbau deshalb erstens Lernaufgaben, die die Schüler*innen emotional berühren und zweitens solche, die in den unterschiedlichen Phasen des Unterrichts die gewünschten Lernprozesse auslösen (Morawietz & Niederberger 2018, S. 254-55). Hierfür kommen erneut die verschiedenen Typen von Lernaufgaben gemäss dem LUKAS-Modell zum Einsatz. Dabei nehmen die Konfrontationsaufgaben im Fachbereich BG eine besondere Stellung ein. Sie aktivieren nicht nur kognitiv, sondern auch sinnlich und emotional, weshalb sie innerhalb eines Aufgaben‐ sets typischerweise mehrmals vorkommen. In der Erarbeitungsphase werden schliesslich Bilder analysiert, Verfahren besprochen oder mit Materialien expe‐ rimentiert. An diese Phase schliessen sich oft übergangslos Übungsaufgaben an. Anhand von Vertiefungsaufgaben wenden die Schüler*innen das zuvor Geübte selbstständig an, wobei eigene Lösungen hier zwingend erwünscht sind. Da sich Kompetenzen über einen längeren Zeitraum entwickeln, kann nicht jedes Aufgabenset eine echte Transferleistung ermöglichen. In diesem Sinne kann zum Abschluss eines Aufgabensets wohl eher von einer Syntheseaufgabe gesprochen werden, bei der die Lernenden die zuvor durchlaufenen Lernschritte zu einem Neuen, Ganzen vereinen. (Morawietz & Niederberger 2018, S. 256-57) 3.4.3 Lernaufgaben in der Fächerfusion Englisch und BG Verschiedene Typen von Lernaufgaben, wie sie im LUKAS-Modell beschrieben werden, bilden somit ein wichtiges Fundament in beiden CLIL-Fächern. Ob diese Lernaufgaben jedoch tatsächlich den antizipierten sachfachlichen und fremdsprachlichen Kompetenzaufbau initiieren, hängt von deren Aufgaben‐ qualität ab. Damit ist nun auf der Mikroebene das Potential gemeint, das der Einzelaufgabe im Lernprozess in Bezug auf ihre Lernwirksamkeit zuge‐ schrieben wird (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 38). Was pädagogisch wertvolle und ertragreiche Lernaufgaben auszeichnet, wird seit ein paar Jahren in den Erziehungswissenschaften als auch in verschiedenen Fachdidaktiken intensiv diskutiert und zunehmend erforscht (Reusser 2013, S. 4-5). Die Forschung über solche Aufgabenmerkmale ist inzwischen breit abgestützt. Dennoch besteht eine Gefahr darin, die aus situativen, experimentell angelegten Forschungskontexten 83 3.4 Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="83"?> gewonnenen Ergebnisse auf hochkomplexe, unterrichtliche Praxissituationen zu übertragen und für allgemeingültig zu erklären. Nichtsdestotrotz helfen solche Erkenntnisse, zumindest als Hypothesen, Merkmale von lernwirksamen Aufgaben zu bestimmen und für die Praxis zu nutzen (Astleitner 2006, S. 25). Grundsätzlich ist man sich einig, dass Lernaufgaben, die sich empirisch als besonders gewinnbringend erwiesen haben, kongruent zu den erforschten Prinzipien von ‘gutem Unterricht’ (z. B. H. Meyer 2014; Helmke 2012) stehen (Astleitner 2006, S. 14). Gleichzeitig sind allgemeindidaktische Aufgabenmerk‐ male, auch wenn diese hilfreiche Impulse für die fächerübergreifende Theorie- und Methodenentwicklung liefern, oft zu unspezifisch für die fachdidaktische Forschung (Leuders 2014, S. 34-35). Fachdidaktische Ausdifferenzierungen und Ergänzungen sind deshalb nötig, um bedeutsame Aufgabenmerkmale für das fachliche Lernen zu definieren (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 70). Damit CLIL-Unterricht für die Fächerfusion Englisch und BG mit hohem Lernpotential entwickelt werden kann, gilt es theoriebasierte Aufgabenmerk‐ male zu finden, die ihre Gültigkeit für den spezifischen CLIL-Unterricht aus‐ weisen. Um solche Qualitätsmerkmale ausfindig zu machen, wurde sowohl relevante Literatur über Lernaufgaben aus der allgemeinen Didaktik als auch solche aus den beiden Fachdidaktiken Englisch und BG analysiert. Die breit abgestützte, theoriebasierte Recherche von Merkmalen ‘guter’ Lernaufgaben unter Einbezug von Suchmaschinen, unter Berücksichtigung von häufig zi‐ tierten Studien und im Austausch mit Expert*innen, hat zu folgenden Literatur‐ quellen geführt: Allgemeine Didaktik Fachdidaktik Englisch Fachdidaktik BG Blömeke et al. (2006) Ellis (2003) D-EDK, Lehrplan BG (2014) Leisen (2010) Nunan (2004) Diethelm & Nieder‐ berger (2016) Reusser (2014b) Willis & Willis (2007) Schoppe & Rompel (2017) Maier et al. (2014) Müller-Hartmann & Schocker v. Ditfurt (2011) Luthiger & Wildhirt (2018) Cameron (2001) Abbildung 9: Literaturauswahl von Qualitätskriterien von Lernaufgaben aus den drei Didaktiken 84 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="84"?> Die Wahl der oben genannten Quellen wird nachfolgend unter Berücksichti‐ gung deren Relevanz für die vorliegende Arbeit kurz begründet. Aus erzie‐ hungswissenschaftlicher Sicht wurden die breit akzeptierten und viel zitierten Aufgabenmerkmale von Blömeke et al. (2006) sowie jene von Reusser (2014b) gewählt. Als dritte Quelle aus allgemein-didaktischer Sicht wurde das Analy‐ sesystem von Maier et al. (2014) herangezogen, weil es einerseits empirisch breit fundiert ist, anderseits weil die dort vorgeschlagenen Kriterien erlauben, Lernaufgaben aufgrund ihrer kognitiven Anforderung zu analysieren als auch zu modifizieren. Diese Kriterien passen daher sehr gut in den vorliegenden Forschungskontext der heterogenen Lerngruppen (Maier et al. 2014, S. 343). Ferner wurde Leisen (2010) berücksichtigt, weil er sich ebenfalls intensiv mit dem Thema des sprachsensiblen Unterrichts und Lernaufgaben für heterogene Klassen auseinandersetzt. Die Quelle Luthiger und Wildhirt (2018) wurde einerseits aufgrund ihrer Aktualität, anderseits aufgrund deren Kompatibilität mit dem LUKAS-Modell beigezogen. Wie weiter oben beschreiben, hat in der Fremdsprachendidaktik die Aufga‐ benorientierung eine lange Tradition. Eine Auswahl wichtiger Grundlagenlite‐ ratur zu task-based learning (TBL) wurde deshalb für den Fachbereich Englisch berücksichtigt. Dazu gehören Nunan (2004), Ellis (2003) sowie Willis und Willis (2007). Der deutschsprachige Raum vertritt die Grundlagenliteratur von Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2011). In all diesen Quellen finden sich empirisch belegte Merkmale und Definitionen zu kommunikativen, anwendungsorientierten Lernaufgaben für den Englischunterricht. Zusätzlich wurde die Auswahl um Cameron (2001) erweitert. Sie fasst Aufgabenmerkmale spezifisch für den Englischunterricht mit Kindern zusammen. Für den Fachbereich BG wurden drei relevante Quellen gefunden: die ‘Di‐ daktischen Hinweise’ aus dem Lehrplan 21 (D-EDK 2014); ein Buchteil von Diethelm und Niederberger (2016, S. 293) mit Merkmalen kompetenzorientierter Aufgaben für das Fach BG, welche sich stark an die Aufgabenqualitäten von Blömeke et al. (2006) sowie an Reusser (2014b) lehnen; und die Merkmale von BG-Lernaufgaben von Schoppe und Rompel (2017, S. 35-38). Letztere widmen dem Thema Aufgaben im Kunstunterricht ein ganzes Buch. Die limitierte Anzahl von Quellen für BG hängt gemäss Expertenmeinung mit der Tatsache zusammen, dass in diesem Fach zu diesem Thema noch keine weitere Literatur vorliegt. Ziel dieser Literaturanalyse ist ein reduzierter Zusammenzug von über‐ schneidenden Qualitätsmerkmalen, die wirksame Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG charakterisieren. Die Qualitätsmerkmale sollen zudem die verschiedenen Typen von Lernaufgaben 85 3.4 Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="85"?> gemäss dem LUKAS-Modell und somit deren unterschiedliche Funktionen im Lernprozess mitberücksichtigen. Obwohl sich in der Literatur viele über‐ lappende Merkmale finden liessen, wäre eine rein quantitative Auswertung aufgrund deren Häufigkeit der Nennung nicht zielführend gewesen. Die Wort‐ wahl, Sichtweisen und Schwerpunkte der unterschiedlichen Didaktiken und Autor*innen sind insgesamt zu verschieden. Vielmehr wurden übergeordnete Kategorien gebildet, zugehörige Aspekte zugeordnet und so ähnliche Merkmale aus allen drei Fachperspektiven verdichtet zusammengefasst (siehe auch Kapitel 5.5.1). Die theoriebasierte Analyse resultierte schliesslich in fünf übergeord‐ neten Qualitätsmerkmalen, die im nachfolgenden Kapitel genauer erläutert werden. 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht Die theoriebasierte Analyse brachte Qualitätsmerkmale hervor, die unter den folgenden fünf Oberbegriffen zusammengefasst werden: ‘Interesse & Motiva‐ tion’, ‘Anregung von CLIL-Lernprozessen’, ‘kognitive Aktivierung’, ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’. Diese werden nachfolgend der Reihe nach einzeln er‐ läutert. Dies geschieht, indem in einem ersten Schritt das jeweilige Aufgaben‐ merkmal theoriebasiert diskutiert, dann dessen Wichtigkeit auf die Situation der CLIL-Unterrichtsmodule übertragen und wo passend mit exemplarischen Beispielen illustriert wird. Damit basierend auf diesen Qualitätsmerkmalen zu einem späteren Zeitpunkt Aufgabensets entwickelt und diese dann entspre‐ chend auch evaluiert werden können, wurden zu jedem der fünf Qualitätsmerk‐ male Indikatoren formuliert, die das Aufgabenmerkmal spezifizieren. Diese Indikatoren bringen am Ende eines jeden Abschnitts die Anliegen jedes Quali‐ tätsmerkmals noch einmal auf den Punkt. Wie mit diesen Indikatoren weiter verfahren wird, wird im abschliessenden Zwischenfazit (siehe Kapitel 3.5.6) erläutert. 3.5.1 Qualitätsmerkmal I: Interesse & Motivation Die wohl wichtigste Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen ist die Neugier, das Interesse und die Motivation für den Lerngegenstand. Es erstaunt deshalb wenig, dass alle der beigezogenen Literaturquellen motivationale As‐ pekte wie Interesse, Lebensweltbezug, Neugier, Relevanz oder das Ansprechen eines persönlichen Bedürfnisses als grundlegende Qualitätsmerkmale für gute 86 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="86"?> Lernaufgaben angeben. Motivation und Interesse sind insgesamt zwei wichtige Faktoren, damit sich Schüler*innen auch langfristig mit einem bestimmten Lerngegenstand auseinandersetzen, und gelten somit als zentrale Kriterien für erfolgreichen Unterricht (Schiefele 2009, S. 152). In der Interessenforschung wird zwischen zwei Arten von Interesse un‐ terschieden: Einerseits das überdauernde, individuelle Interesse an einem Sachverhalt aufgrund seiner Verbindung mit positiven Gefühlen oder hoher persönlicher Bedeutsamkeit; anderseits das situative Interesse, hervorgerufen durch äussere Umstände, die mit Neugier und Faszination in Verbindung stehen (Schiefele 2009, S. 163-64). Motivation wird als «psychische Kraft» oder als Verhaltensbereitschaft verstanden, die die Zielsetzung in einer bestimmten Situation massgeblich mitentscheidet (Schiefele 2009, S. 152). Motivation gilt in diesem Sinne als ein abstrakter Sammelbegriff für verschiedene Teilprozesse und Phänomene, die alle eine «aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiven Zielzustand» haben (Rheinberg 2008, S. 16). In den letzten Jahrzehnten wurde das Konstrukt Motivation mittels unterschied‐ lichen Modellvorstellungen, denen kognitiv-psychologische Theorien zugrunde liegen, intensiv erforscht und ergründet (Dörnyei 2001, S. 9; Urhahne 2008, S. 150). Daraus resultiert eine grosse Vielzahl teils unterschiedlicher, teils überlappender Lernmotivationstheorien. Nachfolgend werden jene Konstrukte und Theorien diskutiert, die für den vorliegenden Forschungskontext im Zu‐ sammenhang mit Lernaufgaben von Relevanz sind. Durch Motivation wird das intentionale, bewusst gesteuerte und auf ein be‐ stimmtes Ziel gerichtete Lernen «energetisiert» (Urhahne 2008, S. 151). Gemäss dem zeitgenössischen Verständnis von Lernen als Aufbau von Kompetenzen versteht man darunter «die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlern‐ baren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können» (Weinert 2014a, S. 27- 28). Gemäss dieser breit akzeptierten Definition von Kompetenz, an der sich auch der Lehrplan 21 lehnt, ist eine Person kompetent, wenn sie neben kogni‐ tiven Prozessen auch Lernen will und dafür die nötige Motivation aufbringen kann. Reusser bezeichnet deshalb attraktive Lernaufgaben «als Quellen der Motivation und Ausgangspunkt für Schülerinnen und Schüler, sich auf Gegen‐ stände einzulassen und dabei fachliche und überfachliche Kompetenzen auszu‐ bilden.» (2014a, S. 81). Lernende lassen sich dann auf eine Lernaufgabe ein, wenn bei ihnen ein individuelles Bedürfnis angesprochen wird. Die Motivation der Lernenden in Bezug auf die Lernleistung kann somit als Wechselwirkung zwi‐ 87 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="87"?> schen einer Lernaufgabe und den individuellen Bedürfnissen der Schüler*innen verstanden werden (Blömeke et al. 2006, S. 335). In der Pädagogischen-Psychologie gelten die ‘Erwartungs-Wert-Modelle der Motivation’ als einflussreich. Ihnen zufolge werden die vermuteten Erwar‐ tungen, zum Beispiel in Verbindung mit dem erfolgreichen Bearbeiten einer Lernaufgabe, mit den daraus resultierenden Werten, demnach der subjektiven Bedeutsamkeit die dieser Handlung beigemessen wird, abgewogen (Schiefele 2009, S. 153). Diese persönliche eingeschätzte Erfolgserwartung bestimmt somit den Anreiz für die Aufgabenbearbeitung massgeblich mit (Urhahne 2008, S. 153). Demzufolge sind Lernaufgaben mit mittelschweren Anforderungen attraktiv, weil sie Erfolg mit Anstrengung ermöglichen. Solche realistischen Zielsetzungen haben einen positiven Einfluss auf die Motivation (Rheinberg 2008, S. 71-72). Jedoch hat sich in neueren Untersuchungen gezeigt, dass selbst erfolgsversprechende Lernaufgaben von Lernenden als demotivierend quittiert wurden, weil sie zum Beispiel keinen Spass machen oder als unwichtig empfunden werden. Grund dafür ist ihr geringer Aufgabenwert (Schiefele 2009, S. 154). Wigfield und Eccles (2000) haben deshalb vier aufgabenbezogene Wertkomponenten definiert, die motivationsbestimmend auf den Erfolg bei der Bewältigung einer Lernaufgabe einwirken. Dies sind erstens die Wichtigkeit und Relevanz die Lernaufgabe richtig zu lösen (Zielerreichungswert); zweitens das intrinsische Interesse respektive die Freude bei der Aufgabenbearbeitung; drittens die Nützlichkeit der Aufgabe für zukünftige Ziele und viertens das Abwägen der damit verbundenen Kosten oder Aufwands bei der Bearbeitung der Lernaufgabe (Schiefele 2009, S. 153; Wigfield & Eccles 2000, S. 72). Was diese vier Wertkomponenten nun konkret für die Bereitstellung von mo‐ tivierenden und interessanten Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht bedeutet, wird nachfolgend erläutert. Als erstes sollen sich Lernaufgaben eng an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden und deren Lebenswelt anlehnen. Je mehr Wichtigkeit und Relevanz einer Lernaufgabe zugeschrieben wird, desto mehr wird sich der Lernende bemühen diese Aufgabe zu meistern (Urhahne 2008, S. 154). In der Fachdidaktik Englisch wird in diesem Zusammenhang von tasks mit «meaning and purpose for learners» gesprochen (Cameron 2001, S. 31). Im Fachbereich BG sollen die Lernenden am Motiv oder Thema interessiert sein (Diethelm & Niederberger 2016, S. 293) und mit entsprechenden Lernaufgaben zu einer neugierigen und experimentierfreudigen Auseinandersetzung angeregt werden (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Aber nicht nur auf thematisch oder inhaltlicher, sondern auch aus kognitiver Sicht sollen die Lernaufgaben die Bedürfnisse der Lernenden ansprechen. Studien haben gezeigt, dass Lernende dann motiviert waren eine Tätigkeit auszuführen, wenn zwischen ihr und dem 88 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="88"?> 10 Da es sich bei der Aufgabeschwierigkeit um keine absolute Grösse, sondern um eine subjektive Einschätzung abhängig von den Fähigkeiten der Lernenden handelt, sind motivierende Lernaufgaben demnach auch solche, die diese unterschiedlichen Lerndispositionen berücksichtigen. Der Aspekt der Machbarkeit der Lernaufgaben für verschiedene Lernende hat zwar eine motivationale Komponente, wird jedoch in den nachfolgenden Qualitätsmerkmalen ‘Offenheit’ (siehe Kapitel 3.5.4) und ‘Differenzie‐ rung’ (siehe Kapitel 3.5.5) berücksichtigt. Lernstand eine optimale Diskrepanz bestand, demnach die Lernaufgabe weder als zu einfach noch als zu schwierig eingestuft wurde (Deci & Ryan 1993, S. 231). Die bereits erwähnte Wichtigkeit, dass Lernaufgaben auf realistischen Zielsetzungen beruhen sollten, ist in diesem Zusammenhang mit dieser Wert‐ komponente von hoher Relevanz (Rheinberg 2008, S. 71-72). 10 Zweitens, idealerweise lassen sich Lernende für die Lernaufgaben intrinsisch motivieren. Dies würde beinhalten, dass sich die Lernenden von Neugier und Interesse geleitet auf eine Lernsituation einlassen, weil sie bestrebt sind den Lerngegenstand zu verstehen, zu erforschen oder, gemäss Piagets Vorstel‐ lung, diesen zu assimilieren. Frei von äusserem Druck und inneren Zwängen bearbeiten die Lernenden in diesem Fall Lernaufgaben, weil sie engagiert dem nachgehen können, was sie interessiert (Deci & Ryan 1993, S. 225). Die Förderung von sozialer Eingebundenheit wird indessen auch als Steigerung der intrinsischen Motivation angesehen (Schiefele 2009, S. 173). Konkret heisst das nun, dass Lernaufgaben spielerische oder kooperative Elemente ausweisen sollten, die lustvolles Lernen ermöglichen. Drittens soll die Nützlichkeit der Lernaufgabe im Sinne ihrer Bedeutung für das Erreichen zukünftiger Ziele erkennbar sein. Dabei ist die Nützlichkeit eng mit den Folgen der aufgabenorientierten Handlung verknüpft. Je positiver die Konsequenzen der Handlung eingeschätzt werden, desto höher wird deren Nützlichkeit eingeschätzt. Die Nützlichkeit der Aufgabe beschreibt somit eine Form von extrinsischer Motivation und steht somit kontrastierend zum obigen Wert einer Aufgabe (Urhahne 2008, S. 154). Extrinsisch motivierte Lernende packen die Lernaufgaben nicht mit Spontaneität und Interesse an, stattdessen brauchen sie eine Aufforderung, die in Verbindung mit Aussicht auf eine positive Bekräftigung oder einen funktionellen Nutzen einhergeht (Deci & Ryan 1993, S. 225). Im fremdsprachlich geleiteten CLIL-Unterricht können die Lernenden den Nutzen einer Lernaufgabe dann besser nachvollziehen, wenn ihnen die Zielerwartung oder der task outcome klar aufgezeigt werden und wenn ihnen hilfreiche Strategien für die Aufgabenbewältigung mitgegeben werden (Dörnyei 2001, S. 81). Zudem können auch hier Lernaufgaben mit einem hohen Lebensweltbezug den Nutzen unterstreichen. 89 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="89"?> 11 Auch dieser Aspekt der verschiedenen Schwierigkeitsniveaus und den Lernhilfen wird beim Qualitätsmerkmal ‘Differenzierung’ (siehe Kapitel 3.5.5) erneut aufgegriffen. Insgesamt verdeutlichen die verschiedenen, teils weitreichenden Theorien zu ‘Moti‐ vation & Interesse’, dass dieses Qualitätsmerkmal die wichtige Grundlage für die nachfolgenden, weiteren Aufgabenmerkmale darstellt. Viertens ergeben sich die Kosten einer Aufgabe aus den wahrgenommenen negativen Aspekten, wie die empfundenen Anstrengungen oder die Angst des Versagens (Urhahne 2008, S. 154). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Lernenden Erfolgserlebnisse erfahren, zum Beispiel indem die Lernaufgaben auf verschiedenen Schwierigkeitsstufen angegangen werden können, geeignete Lernunterstützung angeboten wird und regelmässige ermutigende Rückmel‐ dungen zum Lernprozess gegeben werden (Dörnyei 2001, S. 90-91). 11 Den nicht zu unterschätzenden Einfluss von positiven Emotionen auf die Motivation, respektive auf den Lernerfolg im Allgemeinen, unterstreicht Krashen (1987, S. 31) mit seiner in der Fremdsprachendidaktik breit anerkannten ‘Affective Filter Hypothesis’. Demnach führen Stress oder Angst dazu, dass der affektive Filter den fremdsprachlichen Input ‘rausfiltert’ und das Lernen verhindert. Hingegen verhelfen positive Emotionen im fremdsprachlichen Klassenzimmer zu einer lernförderlichen Atmosphäre, in der trotz der erhöhten Anforderungen aufgrund der Fremdsprache Lerninhalte klar verständlich als auch differenziert dargeboten werden und sich die Lernenden getrauen sich der Zielsprache risikobereit zu bedienen (Krashen 1987, S. 32). Die Wichtigkeit von positiven Emotionen wird auch aus der Sicht der BG-Fachdidaktik betont, damit sich die Schüler*innen angeleitet durch interessante Lernaufgaben auch auf «Über‐ raschungen, Unbekanntes und Irritierendes» einlassen können (Diethelm & Niederberger 2016, S. 293). Resultierend aus den obigen Überlegungen und im Hinblick auf die bevorste‐ hende praktische Umsetzung, ergeben sich für Lernaufgaben in Bezug auf das Qualitätsmerkmal ‘Interesse & Motivation’ folgende zwei Indikatoren: • Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. • Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. 3.5.2 Qualitätsmerkmal II: Anregung von CLIL-Lernprozessen Dieser Aspekt widmet sich der grundlegende Forderung, dass Lernaufgaben den Aufbau von fachbedeutsamen Kernideen, Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern sollen (Reusser 2014b, S. 334; Blömeke et al. 2006, S. 336). Aus gesellschaftlicher Perspektive haben Lernaufgaben zum Ziel bedeutungsvolle Inhalte zu vermit‐ 90 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="90"?> teln, aus Sicht der Lernenden sollen sie auf exemplarische Weise neues Wissen beibringen (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 30; Blömeke et al. 2006, S. 337). Die Lernaufgaben orientieren sich an den vorgegebenen Bildungsstandards (Leisen 2010, S. 65), im vorliegenden Fall sind diese im aktuellen Lehrplan 21 (D-EDK 2014 Englisch und BG) beschrieben. In der Fächerfusion mit Englisch und BG soll demnach der Aufbau von relevanten Kompetenzen, wie sie im Lehrplan zu beiden Fächern formuliert sind, begünstigt werden. Wie bereits mehrfach angesprochen und nachfolgend illustriert wird, lassen sich die von beiden Fächern geforderten Kompetenzen im CLIL-Unterricht ideal kombinieren. Der Gemeinsame Europäischen Referenzrahmen (Council of Europe 2018), der als Grundlagendokument der Fremdsprachen-Lehrpläne gilt, beschreibt Lernende als aktive «language users and social agents», die bei der Bearbeitung von kommunikativen Lernaufgaben mit einem klaren Endprodukt die nötigen fremdsprachlichen Kompetenzen aufbauen. Damit das gelingt, braucht es ent‐ sprechende Lernaufgaben «(…) whose primary focus is not language. If the primary focus of a task is not language, then there must be some other product or outcome.» (Council of Europe 2018, S. 27) Oder anders ausgedrückt: «For the child, a classroom task should have a clear purpose and meaning; for the teacher, the task should have clear language learning goals.» (Cameron 2001, S. 31). An diesem Punkt kann der BG-Lehrplan ansetzen. Dieser verlangt, dass ausgehend einer bildnerischen Fragestellung verschiedene kreative Prozesse ausgelöst werden, die schliesslich zu Produkten, im Sinne von eigenständigen Bildlösungen, führen (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Gemäss beiden Lehrplänen wird Sprache kommunikativ gebraucht, um diese verschiedenen Prozesse und Produkte zu dokumentieren. Im CLIL-Unterricht fungiert die Fremdsprache jedoch nicht nur als Kom‐ munikationsmittel, sondern wird immer dann zum eigentlichen Unterrichts‐ gegenstand, wenn fremdsprachliche Inhalte (z. B. Wortschatz, Strukturen oder Strategien) in Kombination mit den vier Kompetenzbereichen ‘Hören’, ‘Le‐ sen’, ‘Sprechen’ und ‘Schreiben’ implizit oder explizit thematisiert werden. Der Aufbau dieser sprachlichen Mittel ist jedoch nie Selbstzweck, sondern dient der kommunikativen Handlung (D-EDK 2014 Englisch, Didaktische Hinweise). Während im Fach Englisch die verschiedenen im Lehrplan genannten Kompe‐ tenzbereiche in kommunikativen Anforderungen gebraucht werden, verlangt das Fach BG ein Unterrichtssetting, bei dem Erfahrungen und Lernen in allen drei Kompetenzbereichen ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, ‘Prozesse & Pro‐ dukte’ sowie ‘Kontexte & Orientierung’ ermöglicht werden (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Für die praktische Umsetzung könnte das nun bedeuten, dass das fremdsprachliche Lernen entlang diesen drei BG-Kompetenzbereichen 91 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="91"?> erfolgen kann. Die nachfolgende Veranschaulichung hat exemplarischen Cha‐ rakter und zeigt, wie die produktiven fremdsprachlichen Handlungen aus dem Kompetenzbereich ‘Sprechen’ (in kursiver Schrift) in die drei Kompetenzbe‐ reiche aus dem Fachbereich BG eingebettet werden könnten: Wahrnehmung & Kommunikation • Vorstellungen artikulieren • Beobachtungen kommunizieren • ästhetische Urteile mitteilen • Prozesse dokumentieren • Bildlösungen präsentieren Kontexte & Orientierung • Bilder lesen • Bilder benennen und beschreiben • Bilder vergleichen Prozesse & Produkte • Bildideen entwickeln und austauschen • Prozesse (z.B. sammeln und ordnen) beschreiben • Materialien und Verfahren benennen CLIL- Unterricht Abbildung 10: CLIL-Unterricht basierend auf BG-Kompetenzbereichen mit englischen Sprachhandlungen (in kursiv) In ähnlicher Weise könnten auch die beiden rezeptiven Kompetenzbereiche Hören und Lesen, als auch der Bereich Schreiben in dieses Modell integriert werden. Die drei BG-Kompetenzbereiche stehen in wechselseitiger Beziehung und können in unterschiedlicher Reihenfolge mehrmals in einer Unterrichts‐ reihe berücksichtigt werden. Der Kompetenzbereich ‘Prozesse & Produkte’ nimmt erfahrungsgemäss im Unterrichtsgeschehen den grössten zeitlichen Anteil in Anspruch (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Damit die fremd‐ sprachlichen Handlungen während der ausgedehnten, kreativen Arbeit im Kompetenzbereich ‘Prozesse & Produkte’ nicht ganz in Vergessenheit geraten, können diese von vielfältigen kooperativen Lernformen, die einen kommuni‐ kativen Austausch verlangen, begleitet werden. Gemäss der Vorstellung des sozialen Konstruktivismus sind solche Interaktionen in Form von Gruppen‐ arbeiten, gemeinsamen Diskussionen oder Reflexionen massgeblich an der Entwicklung des Wissens mitbeteiligt (Blömeke et al. 2006, S. 338). Wie bereits aufgezeigt, sind unterschiedliche Typen von Lernaufgaben inner‐ halb des CLIL-Moduls dafür verantwortlich, verschiedenartiges Lernen - aus dem Fach BG, aus dem Fach Englisch oder parallel aus beiden - anzuregen. Da diese CLIL-Lernprozesse aufgrund der Anwesenheit der zwei Fächer besonders vielschichtig sind, braucht es eine klare Lernzieltransparenz. Dies einerseits auf 92 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="92"?> der Planungsebene für die Lehrpersonen, anderseits auch für die Lernenden. Alle Beteiligten sollen stets den Überblick behalten, wann welche Lernprozesse im Vordergrund stehen (Schoppe & Rompel 2017, S. 36). Gleichzeitig verhilft eine konsequente Lernzieltransparenz dazu, dass die Schüler*innen ihr Lernen besser einschätzen und schliesslich austauschen können. Dieser mehrfach geforderte Austausch von Lernergebnissen (Reusser 2014b, S. 335; Leisen 2010, S. 65) ergibt somit erneut eine genuine Gelegenheit - soweit wie möglich - die Zielsprache kommunikativ zu verwenden. Die folgenden Indikatoren fassen die hier aufgezeigten Aspekte rund um die CLIL-Lernprozesse zusammen: • Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompe‐ tenzen. • Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. • Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Ar‐ beiten. • Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. • Sie führen zu einem Lernprodukt (‘task outcome’). • Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. 3.5.3 Qualitätsmerkmal III: Kognitive Aktivierung Die kognitive Aktivierung wird in allen konsultierten Literaturquellen der allgemeinen Didaktik als ein zentrales Qualitätsmerkmal von Unterricht ange‐ sehen. Auch in den ausgewählten Quellen der Englisch Fachdidaktik ist dieses Qualitätsmerkmal mehrfach aufgeführt, in der BG-Fachdidaktik wird es einmal explizit genannt (Blömeke et al. 2006; Leisen 2010; Reusser 2014a; Maier et al. 2014; Nunan 2004; Diethelm & Niederberger 2016). Ganz allgemein kann jede Aufgabe als Stimulus betrachtet werden, der eine kognitive Reaktion auslöst (Astleitner 2006, S. 18). Jedoch geht es bei diesem Aufgabenmerkmal nicht darum, Lernende mit gutgemeinten, doch unreflektierten Aktivitäten zu beschäftigen. Die generelle Annahme ist falsch, dass beim beobachtbaren aktiven Tun automatisch mentale Prozesse ausgelöst werden und zielführende Wissenskonstruktion stattfindet (Renkl 2014, S. 16-19; Kiper 2010, S. 50). Statt‐ dessen sind Lernaufgaben dann kognitiv aktivierend, wenn sie die Lernenden zum «vertieften Nachdenken und zu einer elaborierten Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand anregen.» (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 29). Die Lernaufgaben sollen demnach einen kognitiven Konflikt auslösen, der zur Bearbeitung der Lernaufgabe anregt. Das damit verbundene aktive Lernen und 93 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="93"?> Denken soll sowohl für die Schüler*innen als auch die Lehrperson sichtbar werden, so dass alle am Lernprozess beteiligten ein immediates Feedback erhalten - das erneut Lernen initiiert (Roberson & Franchini 2014, S. 276). Zudem sollen die Anforderungen knapp über den bereits vorhandenen generellen intellektuellen Fähigkeiten liegen, so dass gemäss Vygotsky Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung stattfinden kann (Blömeke et al. 2006, S. 336). Da die kognitiven Voraussetzungen der Lernenden in der heterogenen Primarschul‐ klasse jedoch sehr unterschiedlich sind, braucht es demnach Lernaufgaben, deren kognitiven Anforderungen sich flexibel und situativ adaptieren lassen. Doch wie lassen sich diese intendierten, unsichtbaren kognitiven Prozesse überhaupt messen und in verschiedene Schwierigkeitsstufen einordnen? Eine Möglichkeit, wie diese ergründet und klassifiziert werden können, stellt die Lernzieltaxonomie nach Bloom und Kollegen aus dem Jahre 1956 dar, in welcher die kognitiven Lernprozesse in Form von erwarteten, beobachtbaren Lernverhalten operationalisiert werden (Bloom et al. 1973, S. 19). Diese spe‐ zifischen Lehrintentionen werden mithilfe eines treffenden Verbes passend zu einer bestimmten Tätigkeit wie zum Beispiel ‘nennen’, ‘zuordnen’ oder ‘er‐ klären’ beschrieben. Zeigen Lernende diese Tätigkeiten, werden dadurch die darunter liegenden kognitiven Prozesse sicht- und somit klassifizierbar (Bloom et al. 1973, S. 229; Luthiger & Wildhirt 2018, S. 30). Für die Entwicklung der Taxonomie untersuchten die Autoren eine grosse Anzahl von Aufgaben und entwickelten aufgrund deren Komplexität eine Hierarchie von Lernzielen, die von einfachen Reproduktionsleistungen bis zu komplexen Problemlöseauf‐ gaben reichen (Bloom et al. 1973, S. 32, 227). Ziel dieser Lernzieltaxonomie war es, Lehrkräfte und Bildungsverantwortliche zur Reflexion über das kognitive Anspruchsniveau von Aufgaben anzuregen und sie dafür zu sensibilisieren, Lernziele treffend zu formulieren. Die Taxonomie ermöglicht insofern «einen relativ detaillierten Einblick in die Komplexität schulischer Zielsetzungen bzw. in die Undifferenziertheit, mit der üblicherweise über das im Unterricht Ange‐ zielte gedacht, geschrieben und entschieden wird.» (Bloom et al. 1973, S. 237). Neben dieser aufklärerischen Funktion, soll die Taxonomie dazu anregen, zu verifizieren ob die gesetzten Lernziele mitsamt Lernaufgaben auch auf die hö‐ heren kognitiven Stufen wie Analyse und Synthese abzielen (Bloom et al. 1973, S. 16). Diese Hinführung zu anspruchsvolleren Lernleistungen im Unterricht war demzufolge eine weitere Beabsichtigung von Bloom und Kollegen (Göldi 2011, S. 87). Die etwa vierzig Jahre später von Anderson und Krathwohl revidierte Lernzieltaxonomie beschreibt neben der hierarchischen Abstufung kognitiver Lernprozesse in Form von Verben ähnlich wie bei Bloom und Kollegen, zusätz‐ 94 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="94"?> lich vier Arten von Wissen (factual, conceptual, procedural und metacognitive). Diese adaptierte zweidimensionale Taxonomie hat den Vorteil, dass sich neu auf zwei Achsen der Grad der kognitiven Komplexität einer Lernaufgabe bestimmen lässt (Anderson et al. 2001, S. 5). Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Stufen von kognitiven Prozessen in verschiedensten Kombinationen an bestimmte, domänenspezifische Wissensarten geknüpft werden (Maier et al. 2010, S. 28, 31). Das erklärte Ziel dieser revidierten Taxonomie ist es, die Passung von Lernzielen auf Lern- und Leistungsaufgaben zu fördern (Anderson et al. 2001, S. 305). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Zunahme der Komplexität und des Abstraktionsgrads auf den zwei Dimensionen und zeigt somit auf, wie die Anforderungen an Lernaufgaben schrittweise erhöht oder reduziert werden können. Abbildung 11: Ergänzte zweidimensionale Taxonomie (adaptiert nach Anderson et al. 2001, S. 28) Kritik an der ursprünglichen als auch revidierten Taxonomie besteht vor allem darin, dass sich weder die vier Wissensarten eindeutig hierarchisch abstufen lassen, noch die sechs Stufen der kognitiven Prozesse sich trennscharf abgrenzen lassen (Maier et al. 2013, S. 29-31). Für die Überwindung der Schwie‐ rigkeit einer Einteilung von kognitiven Prozessen in sechs Stufen, werden diese einfachheitshalber oft in zwei Kategorien zusammengefasst. Diese werden in die sogenannten lower order thinking skills (LOTS) und higher order thinking skills (HOTS) unterteilt (Bentley 2010, S. 21; Maier et al. 2010, S. 28). Die Abbildung 11 veranschaulicht, dass in die LOTS, die Stufen remember und understand gehören. Die HOTS, welche Transferleistungen involvieren, umfassen demzufolge die 95 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="95"?> 12 Die Stufe apply wird unterteilt in Anwendung von Wissen im Rahmen einer bereits bekannten Übungsaufgabe (executing), oder um ein Problem zu lösen (implementing). Je nachdem welche Art von Anwendung von den Lernenden gefragt wird, kann man apply eher zu den LOTS oder HOTS zählen. Stufen apply  12 , analyze, evaluate und create. In der Literatur wird diese Unter‐ teilung jedoch nicht eindeutig definiert (vgl. Bentley 2010, S. 22; Coyle et al. 2010, S. 31). Bedeutsames Lernen findet hauptsächlich dann statt, wenn Lernende in der Lage sind, das Gelernte auf neue Situationen zu transferieren (Anderson et al. 2001, S. 63). Oft werden komplexe Problemlöse- oder Transferaufgaben mit einem gelungenen kompetenzorientierten Unterricht gleichgesetzt. Jedoch werden Transferleistungen erst möglich, wenn zuerst das dafür benötigte Wissen geübt und gefestigt wurde (Maier et al. 2014, S. 344). Deshalb gilt, wenn Lernende auf dem low-level (LOTS) die Lernaufgaben zufriedenstellend beherrschen, kann die kognitive Komplexität schrittweise erhöht werden, so dass das zu erwerbende Wissen in neuen Anwendungskontexten auf dem high-level (HOTS) übertragen werden kann (Maier et al. 2013, S. 33). Um die Lernenden zu dieser anspruchsvollen Lernleistung zu führen, braucht es - wie bereits erwähnt - im Unterricht verschiedene Typen von Lernaufgaben, die dieses Spektrum von LOTS und HOTS sowie die verschiedenen Wissensarten abbilden. Dies gelingt dann, wenn das Set an Lernaufgaben sowohl aus Erar‐ beitungs-, Übungsals auch Vertiefungsaufgaben besteht, die im Sinne der Reproduktion oder des nahen Transfers das Aufbauen, Einüben und Festigen der Lerninhalte fördern (entsprechen den LOTS und ansatzweise den HOTS); als auch Konfrontations-, Synthese- und Transferaufgaben beinhalten, die einen anregenden Ausblick auf das zu Lernende geben oder einen weiteren, kreativen Transfer anregen (entsprechen den HOTS) (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 67). In der Abbildung 11 wurden daher diese sechs Typen von Lernaufgaben ergänzt, um deren ungefähre Zugehörigkeit in die verschiedenen Stufen der Taxonomie und deren Zusammenspiel für den Kompetenzaufbau zu illustrieren. Dadurch, dass in der Literatur verschiedene Terminologien verwendet werden, konnte eine ganz exakte Zuordnung der Aufgabentypen auf die verschiedenen Prozess- und Wissensdimensionen nicht immer eindeutig vorgenommen werden. Während die originale Bloom’sche Taxonomie beabsichtigte, ver‐ mehrt ‘higher-order’ Lernziele im Unterricht zu berücksichtigen, macht die revidierte Taxonomie darauf Aufmerksam, im Lernprozess metakognitives Wissen zu fördern (Anderson et al. 2001, S. 44). Damit ist gemeint, dass die Lernenden durch bewusstes Nachdenken über das eigene Lernen und den kooperativen Austausch in Gruppen metakognitives Wissen aufbauen. Dies hilft 96 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="96"?> ihnen, ihr individuelles Lernen als auch die kooperative Zusammenarbeit zu steuern und zu optimieren (Baer 2016, S. 54; D-EDK 2014 Bildungsziele). Die Metakognition tanzt streng genommen etwas aus der Reihe, da sie sich nicht direkt - wie die anderen drei Wissensarten - auf fachliche Inhalte bezieht. Trotzdem passt die Metakognition in den Aufbau der Taxonomie und beschreibt auf der höchsten Abstraktionsstufe die Fähigkeit das eigene Denken, Lernen und die eingesetzten Strategien zu reflektieren. Reusser (2014b, S. 334) spricht in diesem Zusammenhang auch von der Wichtigkeit das ‘Könnensbewusstsein’ oder ‘Kompetenzerleben’ zu stärken, das durch die erfolgreiche Bearbeitung eines Aufgabensets sichtbar wird. Die Schwierigkeit besteht darin, die metakog‐ nitive Kompetenz zu prüfen, da diese nicht wie alle anderen Wissensarten in einer klaren, eindeutigen und korrekten Antwort resultiert. Vielmehr geht es bei dieser Wissensart darum das Nachdenken über das eigene Lernen zu stärken, den Austausch über das Lernen und die angewendeten Strategien zu fördern und somit insgesamt die Bewusstheit über das eigene metakognitive Wissen anzuregen (Anderson et al. 2001, S. 61-62). Dies lässt sich mit gezielten und regelmässigen Reflexionsmomenten umsetzen. Die dadurch geförderte Eigen‐ ständigkeit und Selbstreflexion sind zudem zwei grundlegende überfachliche Kompetenzen des 21. Jahrhunderts (vgl. Dede 2010, S. 51ff). Nachdem erläutert wurde, wie das hier thematisierte Aufgabenmerkmal der ‘kognitiven Aktivierung’ definiert wird, wird nachfolgend erklärt, was dieses komplexe Merkmal für die Entwicklung der Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht impliziert. Um insgesamt die Qualität der kognitiven Aktivie‐ rung der geplanten Lernaufgaben im CLIL-Unterricht zu analysieren, muss bereits auf Planungsebene sichergestellt werden, dass verschiedene Typen von Lernaufgaben in Anlehnung an das LUKAS-Modell im Verlauf des CLIL-Moduls berücksichtigt werden. Sie fördern in ihrer Gesamtheit mit den in den verschie‐ denen Aufgabentypen naturgemäss unterschiedlich vorkommenden kognitiven Anspruchsniveau den Kompetenzerwerb (vgl. Abbildung 11). Wenn es somit gelingt, ein Aufgabenset bestehend aus diesen verschiedenen Aufgabentypen zu entwickeln, kann davon ausgegangen werden, dass die Lernaufgaben als Aufgabenset insgesamt kognitiv aktivierend sind. Des Weiteren und daran anknüpfend scheint es für die Planung des Aufga‐ bensets zweckdienlich zu sein, anstatt den sechs Abstufungen von kognitiven Prozessen sich an der vereinfachten Einteilung in zwei Stufen gemäss LOTS und HOTS zu orientieren. Grund dafür ist die Tatsache, dass im CLIL-Unterricht zwei Systeme von unterschiedlichen fachspezifischen Lernprozessen aufeinan‐ dertreffen, die in sich hinsichtlich kognitiver Aktivierung inkongruent sind und eine exakte Einteilung in diese sechs kognitiven Stufen verunmöglichen. 97 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="97"?> Die Beibehaltung der vier Wissensarten scheint jedoch sinnvoll zu sein, um innerhalb der LOTS und HOTS besser zu differenzieren, welche Lernabsichten mit den Aufgaben gestellt werden. Die breit angelegten LOTS und HOTS lassen sich zudem mit allen vier Wissensarten kombinieren. Zum Beispiel können Schüler*innen im CLIL-Modul eine vorgezeigte Zeichnungstechnik nachahmen (LOTS in Kombination mit Procedural Knowledge) oder sie könnten eine pas‐ sende Zeichnungstechnik für eine bestimmte Bildlösung selber entwickeln und anschliessend erläutern, wieso sie diese gewählt haben (HOTS in Kombination mit Procedural und Metacognitive Knoweldege). Ziel ist es somit, innerhalb des CLIL-Moduls möglichst vielfältige, somit auch komplexe, Lernaufgaben anbieten zu können und diese so zu formulieren, dass sie von den Expert*innen als auch Lehrpersonen eindeutig klassifizierbar sind und bei den Lernenden die gewünschten kognitiven Prozesse in Form von beobachtbaren Handlungen auslösen. Schliesslich passiert lernen, wie bereits angetönt, in der Zone der proximalen Entwicklung. Somit besteht der Anspruch insgesamt darin Lernaufgaben bereit‐ zustellen, die die Lernenden fordern, ohne sie zu überfordern. Dies ist gerade im CLIL-Unterricht äusserst anspruchsvoll, weil nicht nur die fremdsprachlichen Kenntnisse, sondern auch die sachfachlichen Voraussetzungen der Lernenden stark variieren. Es kann auf zwei Arten auf die vorherrschende Heterogenität im CLIL-Unterricht reagiert werden. Eine Variante ist, dass jede einzelne Lern‐ aufgabe hinsichtlich ihres kognitiven Anspruchsniveaus adaptiert wird. Die Abbildung 11 zeigt anschaulich auf, wie die Anforderungen an die Lernaufgaben in zweidimensionaler Hinsicht erschwert oder erleichtert werden können. Das Variieren mit diesen Dimensionen stellt somit eine Möglichkeit auf, wie auf den Anspruch nach flexiblen Lernaufgaben für die heterogenen Lernenden und ihre unterschiedlichen Zonen der nächsten Entwicklung reagiert werden kann (vgl. Keller & Bender 2012, S. 11). Was sich simpel anhört, ist in der Umsetzung äusserst anspruchsvoll: Nicht nur weil die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Stufen, somit auch zwischen der Abgrenzung von LOTS und HOTS, nicht trennscharf sind, sondern auch weil zwischen dem theoretischen kognitiven Potential einer Aufgabe und deren tatsächlichen Realisierung im Lernprozess eine grosse Differenz liegt (Maier et al. 2010, S. 28, 31). Das bedeutet konkret, dass die geplanten Lernaufgaben von unterschiedlichen Lernenden naturgemäss sowieso verschieden bearbeitet werden, sie somit wahrscheinlich nicht bei allen Lernenden die gleichen kognitiven Prozesse auslösen und somit dann auch in ihrer Klassifikation bezüglich ihres kognitiven Potentials von der ursprünglich geplanten Lernaufgabe abweichen. Gleichzeitig ist es jedoch nicht die Absicht, dass lernschwächere Schüler*innen nur Lernaufgaben gemäss den 98 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="98"?> LOTS bearbeiten, sondern sie sollen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch an solche mit höherem kognitiven Anforderungsniveau wagen. Deshalb, als zweite Variante um die Heterogenität zu berücksichtigen, ist es wahrscheinlich zielführender, anstelle von verschiedenen adaptierten Lernaufgaben, mehrheit‐ lich offene Lernaufgaben und flexible Unterstützungsangebote im Unterricht anzubieten. Diese beiden Aspekte werden bei mit den nachfolgenden Qualitäts‐ merkmalen ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’ erläutert (siehe Kapitel 3.5.4 und Kapitel 3.5.5). Zusammengefasst heisst das nun, dass die Lernaufgaben im Hinblick auf ihr kognitives Aktivierungspotential vor allem dadurch evaluiert werden können, ob sie einerseits als Teil eines Aufgabensets aus unterschiedlichen Aufgaben‐ typen bestehen und anderseits, ob diese Aufgabentypen das Potential ausweisen, um die ihnen zugeschriebenen Wissens- und Denkprozesse auszulösen. An dieser Stelle noch eine weiterführende Anmerkung: Wie einleitend erwähnt, ist das Qualitätsmerkmal der ‘kognitiven Aktivierung’ im Fachbereich BG nicht prioritär. Dies hat sich auch im Gespräch mit den Expert*innen aus dem Fachbereich BG gezeigt. Neben der Kognition braucht es gemäss Exper‐ tenmeinungen auch emotionale und sinnliche Aktivierung, um bildnerische Lernprozesse anzuregen. Auch wenn diese in der Theorie oft nicht explizit erwähnt werden, ist die emotionale, sinnliche Aktivierung für gestalterische Lernprozesse unumgänglich (Morawietz & Niederberger 2018, S. 278). Der Einbezug von verschiedenen Sinnen ist zwar stark von der der Fachdidaktik BG geprägt, doch deckt sich deren Wichtigkeit auch mit den fachdidaktischen Ansätzen im Lehren von Fremdsprachen mit Primarschulkindern. Auch hier spricht man von einem holistischen, multisensorischen Ansatz, um Lernen viel‐ fältig verknüpft und mehrperspektivisch anzubieten (Cameron 2001, S. 24-25). Im Verlauf des CLIL-Moduls sollen demnach Lernende mit herausfordernden Lernaufgaben kognitiv als auch sinnlich zum Lernen angeregt werden. Dies mit dem Ziel, die motivationalen als auch volitionalen Bereitschaften eines jeden Kindes sich auf den Lerngegenstand einzulassen, bestmöglich zu entfalten (vgl. Weinert 2014b, S. 27-28). Die beiden nachfolgenden Indikatoren fassen diese hier vielschichtigen dargestellten Überlegungen zusammen und zielen darauf ab, den äusserst komplexen Aspekt der kognitiven Aktivierung fassbar zu machen: • Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und heraus‐ fordernd. • Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbe‐ wusstsein. 99 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="99"?> 3.5.4 Qualitätsmerkmal IV: Offenheit Der Konstruktivismus betont die Vorrangigkeit der selbstständigen Denkarbeit und hohen Eigenaktivität der Lernenden. Grundlage für die Förderung solcher konstruktivistischen Lernkonzepte sind offene Aufgabenstellungen. Um eine offene Aufgabe zu definieren, eignet es sich aufzuzeigen, was sie nicht ist. Das Gegenteil einer offenen Aufgaben ist eine, die genau definierte Angaben zum Ausgangszustand und Arbeitsauftrag macht als auch eine eindeutige Lösung erfordert (Maier et al. 2014, S. 345). Die Offenheit der Lernaufgabe kann sich demnach auf drei Aspekte beziehen: auf die Aufgabenstellung selbst (Start), auf die Vielfalt der Lösungswege (Weg) oder auf das Ergebnis am Schluss (Ziel) (Blömeke et al. 2006, S. 337; Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65). Lernaufgaben lassen sich dahingehend verschiedenartig einordnen, ob Anfangs- und Zielzustand sowie der Lernweg dazwischen jeweils vorgegeben oder offen sind. Zudem kann in Bezug auf die Lösung die Unterscheidung zwischen konvergenten Aufgaben (eine Lösung) und divergenten Aufgaben (mehrere Lösungen) vorgenommen werden. Daraus ergeben sich gemäss Maier und Kollegen (2013, S. 35-36) drei Stufen der Offenheit: Stufen der Offenheit Beschreibung Definierte und konvergente Lern‐ aufgaben Aufgaben mit einem eindeutigen Auftrag, auf eine Lösung abzielend Definierte und divergente Lernauf‐ gaben Aufgaben mit einem eindeutigen Auftrag, je‐ doch mit verschiedenen möglichen Lösungen Ungenau definierte und divergente Lernaufgaben Aufgaben mit offenem Auftrag, daher verschie‐ dene Lösungen möglich Abbildung 12: Drei Stufen von Offenheit von Lernaufgaben (Maier et al., 2013, S. 35-36) Die Offenheit von Lernaufgaben und die damit verbundene Möglichkeit der selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand wird als Quali‐ tätsmerkmal aus allen drei Fachbereichen gefordert: Der allgemeinen Didaktik (Blömeke et al. 2006, S. 337; Leisen 2010, S. 65; Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65; Maier et al. 2014, S. 345; Reusser 2014b, S. 335), der Fachdidaktik BG (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise; Diethelm & Niederberger 2016, S. 293) und der Fachdidaktik Englisch (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2011, S. 64). Ein Grund für die Wichtigkeit dieses Aufgabenmerkmals liegt im Anspruch eines differenzierten Unterrichts (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65). Offene Lernaufgaben ermöglichen unter Umständen frei wählbare Lernaus‐ gangspunkte, Lösungswege und Lernergebnisse und tragen somit der Hetero‐ 100 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="100"?> 13 Erneut wird hier deutlich, dass die Qualitätskriterien ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’ eng miteinander korrelieren und auch in einem Qualitätsmerkmal zusammengefasst hätten werden können (vgl. Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65). In vorliegender Arbeit wurden die beiden bewusst separiert, um das Augenmerk auf die Heterogenität zu betonen. genität im Unterricht Rechnung. «Während die Lehrkraft, ohne für jedes Kind eine eigene Aufgabe zu stellen, über offene Lernaufgaben ein differenziertes Lernarrangement bieten kann, können die Schüler*innen ihren individuellen Voraussetzungen nach an diesen Aufgaben lernen und arbeiten» (Reckermann 2017, S. 226). Ein weiterer Grund für deren Anklang liegt darin, dass offene Lernaufgaben als motivierend gelten. Wenn Lernende Autonomie erfahren, in dem Sinne ein Angebot von Wahlmöglichkeiten erleben, hat das nicht nur einen positiven Einfluss auf die Lernergebnisse, sondern auch auf die Motivation (Deci & Ryan 1993, S. 236). Diesbezüglich gibt es auch kritische Stimmen, denn ein zu hohes Mass an Wahlfreiheiten kann auch zu Überforderung, Frustration und Lernabbrüchen führen (vgl. Lipowsky 2009, S. 80). Eine eigenständige Bearbeitungsweise von Aufgaben bedingt, dass die unter‐ schiedlichen Lernenden durch abgestufte Lernhilfen begleitet werden (Leisen 2010, S. 65). Ohne die nötige Aktivierung des Vorwissens, einen strukturierten Unterricht oder eine passende Lernbegleitung sind offene Lernaufgaben wenig lernwirksam (vgl. Lipowsky 2009, S. 79). Gerade im Fremdsprachenunterricht werden passende Unterstützungsangebote als eine elementare Bedingung für das Gelingen von offenen Lernaufgaben angesehen (Reckermann 2017, S. 205). Dies gilt insbesondere für den Fremdsprachenunterricht mit Lernanfängern, wo offene Lernaufgaben ohne die nötige Vorentlastung oder ohne ein breites Unterstützungsangebot fremdsprachliches Lernen unzureichend fördern. Auf verschiedene Möglichkeiten der individuellen Lernbegleitungen wird beim nächsten Qualitätsmerkmal ‘Differenzierung’ genauer eingegangen. 13 Offene Aufgaben dürfen somit nicht per se mit offenem Unterricht assoziiert und unreflektiert als innovative Unterrichtsform angesehen werden. Während offene Lernaufgaben zum Beispiel am Ende des Lernprozesses ideal sind, um Lernenden die Gelegenheit geben zu zeigen, ob sie ihr Wissen flexibel anwenden können, sind sie zu Beginn des Lernprozesses als Erarbeitungsaufgabe äusserst ungeeignet (Maier et al. 2014, S. 345). Offene Lernaufgaben sollen in diesem Sinne bewusst geplant, optimal begleitet und situativ angepasst im Aufgabenset innerhalb des CLIL-Moduls ihren Platz haben. Jedoch besteht nicht der An‐ spruch, dass jede Lernaufgabe ganz frei und offen sein muss. Vielmehr sollten die Abstufungen von Lernaufgaben, wie vorgängig vorgeschlagen, auf einem Kontinuum von definiert-konvergent hin zu ungenau-divergent zielgerichtet 101 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="101"?> eingesetzt werden. Zudem soll innerhalb dieser Abstufung weiter differenziert werden können. Nicht jede Lernaufgabe muss gleichzeitig für alle Lernenden im selben Grad offen sein. Dieselbe Lernaufgabe kann für einige Lernende mehr Vorgaben beinhalten, während andere diese freier angehen können. Innerhalb des CLIL-Moduls sollen die Lernenden immer wieder die Ge‐ legenheit erhalten, ihre bildnerischen und fremdsprachlichen Kompetenzen an offenen Lernaufgaben unter Beweis zu stellen. Jedoch kann in Hinblick auf die beiden Fachbereiche im CLIL-Unterricht der Grad der Offenheit bei Lernaufgaben unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel könnte im Fachbereich BG eine ungenau definierte und divergente Aufgabe im Sinne eines Impulses (Maier et al. 2014, S. 345) zu der gewünschten «offenen, neugierigen und experimentierfreudigen Auseinandersetzung» (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise) anregen; während die dazugehörig begleitende fremdsprachliche Lernaufgabe allenfalls geschlossener ausfallen würde und deshalb als definiert und konvergent bezeichnet werden müsste. In anderen Lernsituationen könnte es entsprechend umgekehrt sein. Für die Einschätzung, ob Offenheit als Qualitätsmerkmal bei den Lernauf‐ gaben innerhalb eines CLIL-Moduls berücksichtigt wurde, sind die folgenden zwei Indikatoren vorgesehen: • Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehens‐ weisen. • Sie lassen verschiedene Lösungen zu. 3.5.5 Qualitätsmerkmal V: Differenzierung Differenzierung wird nicht nur als ein zentrales Element von ‘gutem Unterricht’ angesehen (vgl. Helmke 2012; H. Meyer 2014), sondern wird auch von allen drei Fachbereichen als wichtiges Qualitätsmerkmal für Lernaufgaben gefordert. Differenzierte Lernaufgaben sollen am Lernstand der Schüler*innen anknüpfen, die individuellen Möglichkeiten der Lernenden berücksichtigen und dank ent‐ sprechenden Lernhilfen für alle bewältigbar sein (Blömeke et al. 2006, S. 337; Diethelm & Niederberger 2016, S. 293; Leisen 2010, S. 65; Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2011, S. 65). Bereits im Kapitel 2.4, im Zusammenhang mit dem Umgang mit Heterogenität im CLIL-Unterricht allgemein, wurde dargelegt, dass man unter Differenzierung die Eröffnung unterschiedlicher Lernzugänge für Schüler*innen meint und man diesem Anspruch im fächerübergreifenden, inhaltsorientierten CLIL-Unterricht ideal genügen kann. Dass neben bedeut‐ samen Inhalten auch Lernaufgaben eine wichtige Voraussetzung für die Gestal‐ tung von differenziertem Unterricht sind, zeigt Suter (2019, S. 193-194) in seiner 102 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="102"?> Untersuchung von inklusivem, themenorientierten Englischunterricht in einer sehr heterogenen Schweizer Primarschulklasse. Er befindet die Verbindung von Aufgaben- und Inhaltsorientierung für die Differenzierung essentiell, weil damit den unterschiedlichen Bedürfnissen optimal begegnet und folglich die Ressourcen der Lernenden breit aktiviert werden können. Neben einer breiten Aktivierung findet maximales Lernen dann statt, wenn die Anforderungen knapp über den bereits vorhandenen generellen Fähigkeiten liegen und die Lernaufgabe mit Anstrengung erfolgreich bewältigbar ist (Blö‐ meke et al. 2006, S. 336; Leisen 2016, S. 22). Bereits mehrmals wurde die Wichtigkeit von Lernaufgaben betont, die gemäss Vygotskys Theorie der Zone der nächsten Entwicklung Lernen initiieren (Blömeke et al. 2006, S. 336). Mit Blick auf den CLIL-Unterricht knüpft daran ebenfalls die in der Fremdsprachen‐ didaktik breit anerkannte input + 1 (i + 1) Hypothese von Krashen (1987, S. 21) an. Gemäss dieser erwirbt der Zuhörer fremdsprachliche Kompetenzen dann, wenn der Input in der Zielsprache etwas über dem momentanen Sprachlevel liegt. Grund dafür, dass Lernende Sprache oberhalb des eigenen Kompetenzle‐ vels verstehen, liegt in der Tatsache, dass der Kontext sowie weitere para- und non-verbale Informationen das Verstehen und Lernen der Fremdsprache unterstützen. Die i+1 Hypothese kann den verschiedenen Lernenden in inhalts‐ orientierten-kommunikativen Lernsituationen besser, als zum Beispiel in mehr traditionellen, theoriebasiertem Englischunterricht, gerecht werden: «With na‐ tural communicative input, on the other hand, some i + 1 or other will be provided for everyone.» (Krashen 1987, S. 25) Dies heisst, dass die Schüler*innen im fremdsprachlich geführten CLIL-Unterricht mit authentischer, teils auch herausfordernder Fremdsprache konfrontiert werden dürfen - sofern sie dabei gut begleitet werden. Nach Vygotsky profitieren Lernende in dieser Zone der nächsten Entwicklung besonders dann, wenn sie im Lernprozess von einer kompetenten Person unterstützt werden (Vygotsky 1978, S. 93). Diese Lernunterstützung, auch als Scaffolding bekannt, spielt eine wichtige Rolle bei der Planung und Umsetzung der Lernaufgaben. Anstatt die Lernauf‐ gabe unnötig zu vereinfachen und dabei die Gefahr zu laufen, langfristig den Lehrplan nur ansatzweise zu erfüllen, sollen alle Schüler*innen dank indi‐ viduellen Hilfestellungen kognitiv herausfordernde Lernaufgaben bewältigen können (Gibbons 2002, S. 10). Idealerweise können Lernende selbst zwischen den verschiedenen Ausdifferenzierungsarten wählen (Girmes 2003, S. 11). Die dafür benötige Lernunterstützung kann sich dabei auf sprachliche (z. B. Vorgabe von chunks im Fremdsprachenbereich), inhaltliche (z. B. Visualisierungen von wichtigen Konzepten) oder auf strategische Lernhilfen (z. B. Hinweise zum Vor‐ gehen oder Arbeitstechniken) beziehen (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65). Auch 103 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="103"?> Lernaufgaben, die am Ende des Lernprozesses eine Rückmeldung über die Qua‐ lität der Aufgabenbearbeitung geben, zum Beispiel indem ein Austausch über das Gelernte stattfindet, werden als lernunterstützend angesehen (Astleitner 2006, S. 37). Da Scaffolding eine eminent wichtige Rolle im CLIL-Unterricht auf der heterogenen Primarstufe einnimmt, ist diesem Aspekt nachfolgend ein ganzes Kapitel gewidmet (siehe Kapitel 3.6). Die hier aufgezeigten verschiedenen Differenzierungsmöglichkeiten ge‐ lingen in der Praxis am besten, wenn alle Lernenden an ein und demselben Thema, mit gleichen oder ähnlichen Lehrinputs auf ein Lernprodukt (task outcome) hinarbeiten. Die task outcomes sind an und für sich differenziert, weil sie immer die persönliche Handschrift der verschiedenen Lernenden tragen und unterscheiden sich meist hinsichtlich Lösungswege, Kreativität, Gestaltung oder Umfang. Auf diese Weise wird den Lernenden nicht nur vielfältige Differenzierungsmöglichkeiten geboten, sondern gleichzeitig ein motivierendes Wahlangebot bereitgestellt. Zudem ermöglichen die Bearbeitung der Lernaufgaben hin zum task outcome während des Arbeitsprozesses oder bei der Vorstellung um Schluss wertvolles interaktives Lernen. Dank der gemeinsamen thematischen Grundlage wird nicht nur die Möglichkeit des Austausches gewährleistet, sondern die Klassenmitglieder erfahren dadurch auch Zusammenhalt (Klippert 2010, S. 168; Leisen 2016, S. 29). Entlang eines gemeinsamen Themas bieten differenzierte Lernaufgaben folglich die wichtige Lernchance der Ko-Konstruktion - dies im Gegensatz zu individualisierten Lernaufgaben, bei dem Lernen vornehmlich in jedem einzelnen Kopf ohne gemeinsame Austauschmöglichkeiten stattfindet (Leisen 2016, S. 25). Somit ist differenziertes Lernen sowohl ein individueller als auch sozialer Prozess. Dies bedeutet, dass die Lernaufgaben Phasen des gemeinsamen sowie individuellen Lernens ermöglichen (Achermann & Gehrig 2011, S. 14). Entspre‐ chend lernen die Schüler*innen in der heterogenen Klasse phasenweise und abhängig der Lernziele miteinander, voneinander oder nebeneinander. Lernen miteinander passiert im Plenum bei Einführungen, Inputs oder Besprechungen; voneinander beim kooperativen Lernen oder beim Austausch von Lernergeb‐ nissen; und schliesslich nebeneinander, wenn der Kompetenzzuwachs jedes einzelnen Kindes beim individuellen Lernen im Vordergrund steht. Lernauf‐ gaben, die diese verschiedenen Lernformen bieten, sind deshalb wichtig, weil der Grundsatz gilt, je mehr unterschiedliche Zugänge zu einem Lerngegenstand eröffnet werden, desto grösser ist die Chance, dass die unterschiedlichen Lernenden angesprochen werden. Diese breite Palette an Lern- und Differenz‐ ierungsangeboten ist von Nutzen für alle Beteiligten: Für die Schüler*innen einerseits, da sie alle echte Lernerfolge erleben; für die Lehrenden anderseits, 104 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="104"?> weil sie sich weniger mit lernunwilligen oder überforderten Lernenden abgeben müssen (Achermann & Gehrig 2011, S. 42-47, 53). Zusammengefasst kann ge‐ sagt werden, dass die unterrichtlichen Angebote deshalb vielfältig differenziert sein müssen, weil sie auf eine grosse Vielfalt an Lernenden reagieren müssen (Ahlring 2006a, S. 11). Die hier gestellten Forderungen an differenzierte Lernaufgaben sind in den folgenden zwei Indikatoren zusammengefasst: • Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen (Scaffolding) indivi‐ dualisierend. • Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund Wahlangebot und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. 3.5.6 Abschliessende Überlegungen zu den Lernaufgaben Wie soeben aufgezeigt werden konnte, stehen Lernaufgaben und CLIL in der Fächerkombination Englisch und BG durchaus in einer engen Symbiose: Authentische Materialien aus dem Fachbereich BG sind Ausgangspunkt für auf‐ gabenorientierte, kommunikative Sprachlernsituationen, die zur Auseinander‐ setzung und Interaktion mit bedeutungsvollen Lerninhalten anleiten (de Graaf et al. 2007, S. 607). Konkretes Ziel soll demnach sein, offene sowie differenzierte CLIL-Lernaufgaben zu entwickeln, die Schüler*innen für die eigenständige Aus‐ einandersetzung mit interessanten Lerninhalten aus beiden Fächern motivieren und sie zu vielfältigen kognitiven als auch sinnlichen Lernhandlungen anregen. Bei der Planung und Entwicklung der beiden CLIL-Aufgabensets müssen die eben vorgestellten fünf Qualitätsmerkmale berücksichtigt werden. Die eigens dafür formulierten Indikatoren am Ende eines jeden Abschnittes sind wegwei‐ send für die Entwicklung der Lernaufgaben, denn sie helfen zu vergewissern, dass diese fünf Qualitätsmerkmalen im Aufgabenset ausreichend vertreten sind. Für die leichtere Handhabung wurden diese vierzehn Indikatoren in einem Dokument, dem sogenannten Rating-Bogen, zusammengefasst, der im Anhang B eingesehen werden kann. Ohne bereits in den empirischen Teil dieser Arbeit vorzugreifen, soll an dieser Stelle trotzdem angemerkt werden, dass dieser Rating-Bogen nicht nur eine bedeutende Rolle bei der Aufgabenentwicklung spielt (siehe Kapitel 4.2), sondern auch bei der Evaluierung der Lernaufgaben als wichtiges Messinstrument dient (siehe Kapitel 5.2). Wichtig ist an dieser Stelle ebenfalls nochmals zu betonen, dass jeder Typ von Aufgabe innerhalb eines Lernprozesses verschiedene Funktionen erfüllt: Sei es im Sinne einer initiierenden Konfrontation, beim sorgfältigen Erarbeiten von neuen Inhalten, beim intelligenten Üben und Vertiefen oder schliesslich 105 3.5 Fünf Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht <?page no="105"?> bei der abschliessenden Synthese oder beim Transfer auf neue Lernsituationen (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 41). Somit braucht nicht jede Lernaufgabe per se all diese hier vorgestellten fünf Aufgabenmerkmale vollumfänglich zu erfüllen (Blömeke et al. 2006, S. 336; Reusser 2014b, S. 335), sondern die Qualitätsan‐ sprüche sollen über den ganzen Lernprozess hinweg im Rahmen eines CLIL-Mo‐ duls insgesamt ausreichend vertreten sein. Denn erst das Zusammenspiel der Qualität der einzelnen Lernaufgaben und deren Funktionen im Lernprozess als Teil des Aufgabensets beeinflusst die Lernwirksamkeit (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 66). Als abschliessende Bemerkung von diesem umfangreichen Kapitel über Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht passt die Vorstellung von Lernaufgaben als «Anstifterinnen für die aktive Beschäftigung mit ‘Welt’» (Girmes 2003, S. 10). Im vorliegenden Fall gilt es relevante, angemessene und ermutigende Lernaufgaben zu realisieren, die die Fächer BG und Englisch den Lernenden nä‐ herbringen und sie motivieren, in diese beiden Welten gleichsam einzutauchen. Inwiefern aus diesen theoriebasierten ‘guten’ Lernaufgaben auch tatsächlich anregende Lernorte werden, wird sich erst bei der praktischen Implementierung zeigen. Deshalb müssen zusätzlich zur Aufgabenqualität bei der Implementie‐ rung folgende zwei Aspekte berücksichtigt werden. Erstens sind Lernaufgaben - etwas pointiert formuliert - nur so gut, wie sie im Unterricht instruiert und vermittelt werden (Thonhauser 2016, S. 188). Dieser Aspekt der Verständlichkeit ist insbesondere im fremdsprachlich geführten CLIL-Unterricht von grosser Wichtigkeit. Die Verständlichkeit beim Instruieren von Lernaufgaben kann er‐ höht werden, indem diese von unterstützenden Gesten oder klaren Handlungen begleitet werden (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 71). Lehrpersonen müssen sich bewusst sein, dass die «sprachlogische Komplexität» der Aufgabe extrem variieren kann und beim Erteilen von Aufträgen berücksichtigt werden muss (Maier et al. 2014, S. 346). Die Komplexität erhöht sich, wenn zum Beispiel die Vielzahl von Informationen in der Aufgabenstellung zu hoch sind oder die Aufgabenstellung für die Bearbeitung der Lernaufgabe irrelevante Informa‐ tionen enthält (Kleinknecht et al. 2013, S. 216). Solche Stolpersteine, die eine jede noch so sorgfältig geplante Lernaufgabe zum Scheitern bringen kann, sollten unbedingt vermieden werden und müssen bereits bei der Unterrichtsplanung mitberücksichtigt werden. Zweitens sind Lernaufgaben keine «didaktischen Selbstläufer». Damit sie in der Praxis funktionieren braucht es eine gut dosierte aufgabenbezogene Lernbegleitung (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 37). Solche Scaffolds haben insbesondere im CLIL-Unterricht einen prominenten Stellen‐ wert und werden deshalb nachfolgend eingehend thematisiert. 106 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="106"?> 3.6 Scaffolding Der Begriff ‘Scaffolding’ wurde ursprünglich 1976 in einem Artikel über die Rolle einer kompetenten Person, eines sogenannten Tutors, beim Begleiten des kindlichen Lernens ins Leben gerufen und wird als Prozess definiert «that enables a child or novice to solve a problem, carry out a task or achieve a goal which would be beyond his unassisted efforts.» (D. Wood et al. 1976, S. 90). Scaffolding wird dabei als eine Abfolge von Interaktionen zwischen dem mehrwissenden Tutor und dem Lernenden angesehen «…in which the tutor operates with an implicit theory of the learner’s acts in order to recruit his attention, reduces degrees of freedom in the task to manageable limits, maintains ‘direction’ in the problem solving, marks critical features, controls frustration and demonstrates solutions when the learners can recognize them.» (D. Wood et al. 1976, S. 99). Dem mehrwissenden Lernbegleiter steht demnach die Aufgabe zu, die Umwelt so für den Lernenden zu arrangieren, dass er sich in seinem Denken und Handeln zu einer nächsten, komplexeren Stufe entwickeln kann (Bruner 1985, S. 24). Scaffolding überbrückt somit Vygotskys prominente Zone der nächsten Entwicklung, welche er selbst beschreibt als «..the distance between the actual development level as determined by independent problem solving and the level of potential development as determined through problem solving under adult guidance or in collaboration with more capable peers.» (Vygotsky 1978, S. 90). Zudem betont er, dass «the only ‘good learning’ is that which is in advance of development.» (Vygotsky 1978, S. 93). In dieser Zone der nächsten Entwicklung passiert somit Lernen und dort geschieht auch das Scaffolding (Walqui 2006, S. 163). Dank Scaffolding sind Lernende in der Lage das in der äusseren Welt abgebildete Wissen zu internalisieren und in das eigene kognitive, gar meta‐ kognitive System aufzunehmen. Gemäss Vygotsky kommt der Sprache dabei eine fundamentale Rolle als ‘Denkwerkzeug’ zu, mit der das kulturell geprägte Wissen bei sprachlich vermittelnden Interaktionen aufgebaut wird. Sprache hilft sozusagen das Wissen mental zu sortieren, das durch Wahrnehmung und Handlung aufgenommen wird. (Bruner 1985, S. 23-25) Die anhaltende Popularität des Begriffes Scaffolding kann mit der Metaphorik als Gerüst (engl. scaffolding / scaffolds) zusammenhängen. Das Konzept wird heutzutage oft auch im weitesten Sinne auf jegliche Art von Hilfestellungen im Unterricht ausgedehnt. Damit in Verbindung steht oft eine enge Unterrichtsfüh‐ rung mit konstantem Hilfsangebot aus Angst, die Schüler*innen zu überfordern. Dies hemmt jedoch langfristig die Lernbereitschaft der Schüler*innen und widerspricht dem ursprünglichen Konzept des Scaffolding, das sich als Stär‐ kung des eigenverantwortlichen Lernens im sozial-konstruktivistischen Sinne 107 3.6 Scaffolding <?page no="107"?> verstand (Thürmann 2013, S. 236). Scaffolding in diesem ursprünglichen Ver‐ ständnis bietet, wie die metaphorische Bezeichnung besagt, eine situativ befris‐ tete Lernunterstützung. Idealerweise wird das Scaffolding demnach abgebaut, sobald die Lernenden die Unterstützung nicht mehr benötigen. Dies immer mit dem Ziel, Lernende darin zu unterstützen «to move towards new skills, concepts, or levels of understanding.» (Gibbons 2002, S. 10). Eine erfolgreiche Hilfestellung ist gezeichnet von einem Rollenwechsel in der Verantwortungsübernahme des Lernens zwischen Lehrperson und Lernendem: «The progression of scaffolding is characterised by a transfer of task role, responsibility and authority from the teacher towards the student. As the task unfolds, this shift is typically evidenced by diminishing teacher participation and increasing student involvement.» (Michell & Sharpe 2005, S. 49). Scaffolding muss demzufolge kein einheitliches Hilfsangebot für alle Lernende sein, sondern reagiert häufig als individuelle Antwort auf unterschiedliche Bedürfnisse von Lernenden zu einem bestimmten Zeitpunkt im Unterricht (Sharpe 2006, S. 3). Wie bereits mehrfach betont, ist individualisiertes Scaffolding auf der he‐ terogenen Primarstufe von grosser Wichtigkeit, um auf die vorherrschende Vielfalt zu reagieren. Dies gilt umso mehr für den CLIL-Unterricht, wo Scaffolds aufgrund der Kluft zwischen kognitiven und sprachlichen Kompetenzen der Lernenden unabdingbar sind und geeignete Unterstützungsangebote helfen, diese zu überbrücken (Zydatiss 2010, S. 3). Zudem wird Scaffolding, eng anleh‐ nend an die ursprüngliche Definition nach Wood, Bruner und Ross (1976), als Begleitungsprozess unter Berücksichtigung von sozialen, kognitiven und funktional-sprachlichen Aspekten verstanden. Dies unterstreicht deren Wich‐ tigkeit für den CLIL-Unterricht zusätzlich, weil dort funktional-sprachliches mit kognitiv-inhaltlichem Lernen bei der Bearbeitung von - teils kooperativen - Lernaufgaben inhärent aufeinander treffen (Thürmann 2013, S. 237). Scaffolding kann auf zwei Ebenen stattfinden. Einerseits auf dem Makrolevel, auf welchem die Unterrichtseinheit geplant wird. Hier bestimmen die Abfolge der Lernaufgaben, die eingeplanten Unterrichtsmaterialien, die Lernziele und die Aktivierung der Vorkenntnisse der Lernenden den Unterrichtsverlauf und fungieren in diesem Sinne als curricular-systematische Lernunterstützung. In der Literatur werden sie als designed-in (Sharpe 2006, S. 3) oder hard scaffolds (Brush & Saye 2002, S. 2) bezeichnet. Für den CLIL-Unterricht bedeutet das zum Beispiel, dass auf der Planungsebene nicht nur das Vorwissen der Lernenden in Bezug auf das fremdsprachliche und sachfachinhaltliche Lernen beachtet werden muss, sondern auch die damit in Verbindung stehenden Herausforde‐ rungen antizipiert werden müssen (Hammond & Gibbons 2005, S. 14). Mit 108 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="108"?> dem Ziel, bereits auf der Planungsebene eine Vielfalt von Lernbegleitungen zu berücksichtigen. Anderseits und im Gegensatz dazu, existieren die sogenannten point of need, interactional oder soft scaffolds (Brush & Saye 2002, S. 2; Hammond & Gibbons 2005, S. 20; Sharpe 2006, S. 3), die auf dem Mikrolevel der Unterrichtsstruktur anlassbezogen und spontan eingesetzt werden. Sie bezeichnen eine «…dynamic, situation-specific aid provided by the teacher or peer to help with the learning process. Such scaffolding requires teachers to continuously diagnose the understan‐ ding of learners and provide timely support based on student responses. This type of assistance is generally provided ‘on-the-fly’, when the teacher monitors the progress students are making while engaged in a learning activity and intervenes when support or guidance is needed.» (Brush & Saye 2002, S. 2). Die Unterscheidung dieser curricular-systematischer und anlassbezogener Unterstützung ist deshalb sinnvoll, weil sie bewusst macht, dass Scaffolding bereits auf methodisch-didaktischer Ebene eine wichtige Grundlage für das Gelingen von CLIL-Unterricht bildet (Thürmann 2013, S. 239) und schliesslich ergänzt durch das situative Scaffolding im Unterricht das gewünschte mannig‐ faltige Unterstützungsangebot im Umgang mit Heterogenität ausmacht. Die beiden Ebenen ergänzen sich demnach ideal: Nur spontan eingesetzte soft scaf‐ folding auf der Mikro-Ebene anzubieten, könnte zu einer «miss-or-hit» Angele‐ genheit werden (Gibbons 2002, S. 154); nur die statischen hard scaffolds auf der Makro-Ebene zu berücksichtigen, würde wichtige situative Lerngelegenheiten verhindern. Anstatt also die Lernanforderungen zu reduzieren, sollen die Lernenden mittels vielfältigen Scaffolding Angeboten herausgefordert werden, so dass sie in der «high challenge zone» ihr volles Potential ausschöpfen können (Gib‐ bons 2009, S. 158). Oder anders formuliert: Wirksamer, moderner Unterricht macht die Ermöglichung von hochstehenden Lernprozessen beim Durchlaufen vollständiger Lernzyklen angereichert mit adaptiver Unterstützung möglichst aller Lernenden durch fachdidaktisch und dialogisch kompetente Lernhilfen aus (Reusser 2014b, S. 336). Deshalb werden im Folgenden verschiedene Möglich‐ keiten für Scaffolding mit hoher fachdidaktischer Relevanz für den CLIL-Unter‐ richt in der Fächerkombination Englisch und BG aufgezeigt. Aus Gründen der Übersicht werden sie in sprachliche, inhaltliche und strategische Lernhilfen unterteilt (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 65; Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 61) und zur Veranschaulichung mit praxisbezogenen Beispielen illustriert. 109 3.6 Scaffolding <?page no="109"?> 3.6.1 Verbales Scaffolding Unter verbalem Scaffolding werden Methoden verstanden, die einerseits den Lernenden helfen, dem fremdsprachlichen Input im CLIL-Unterricht zu folgen, anderseits solche, die den Lernenden ermöglichen, sich trotz eingeschränkten zielsprachlichen Kompetenzen aktiv im Unterricht zu beteiligen (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 61). Die nachfolgend genannten Lernhilfen werden deshalb in input und output scaffolding unterteilt (Klewitz 2017, S. 21). Zu den Ersteren gehören zunächst der unterstützende Einsatz von Gebären, Gesten und Mimik (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 62). Die Lernenden selber sind mit dem ganzheitlichen Lernen und Lehren durch die Methode TPR (Total Physical Response) bestens vertraut, bei der die Bedeutung von fremdsprachlichen Inhalten mittels Körpersprache dargestellt werden. Dadurch werden nicht nur die Hör- und Sprechkompetenzen geschult, sondern die multisensorische Aktivierung fördert das für die Primarstufe bedeutungsvolle handlungsorientierte Lernen (Cameron 2001, S. 107). Zusätzlich kann die Lehr‐ person bei Inputs gewisse Wörter hinsichtlich ihrer Bedeutung besonders intonieren oder emotional einfärben, um Stimmungen auszudrücken (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 62). Weitere verbale Scaffolds für den rezeptiven Bereich umfassen zum Beispiel die Einführung und somit Vorentlastung von zentralen Begriffen (Bellet 2017, S. 244). Zusätzlich wird die Wichtigkeit von Redundanzen für die Förderung des Verstehens betont. Damit ist gemeint, dass Inhalte variantenreich dargeboten werden, zum Beispiel durch das gezielte Wiederholen von Schlüsselwörtern, durch Paraphrasieren oder durch den Gebrauch von Synonymen. Redundanzen bieten auch auf inhaltlicher Ebene die Möglichkeit ähnliche Aspekte einzu‐ bringen oder aus unterschiedlicher Sichtweisen zu beleuchten ( Jansen O’Dwyer 2007, S. 56-57; Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 62-63). Ferner ist recasting eine Möglichkeit des Feedbacks, um die Beiträge der Ler‐ nenden nicht nur in einer korrekteren, angebrachteren Sprache zu wiederholen, sondern gleichzeitig die Schüler*innen in der aktiven Rolle des Mitwirkers im Austausch von Ideen und fachspezifischen Wissen zu involvieren (Hammond & Gibbons 2005, S. 22). Recasting steht somit im Übergang von den input zu den output scaffolding Methoden, denn durch das wiederholte rezeptive Aufnehmen dieses Umformulierens, sollten die Lernenden schliesslich auch selber in der Lage sein, die korrekte Form anzuwenden. Weitere output scaffolds, somit Lernhilfen für die Sprachproduktion, gehören zum Beispiel die Vorgabe von Modelltexten oder die Bereitstellung von sprach‐ lichen Mitteln (chunks) (Thürmann 2013, S. 241-242). Für die CLIL-Module könnte das zum Beispiel bedeuten, dass ein Modell für die Bildbetrachtung und 110 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="110"?> anschliessende -beschreibung mitsamt passenden Satzanfängen vorgegeben wird (O. Meyer 2010a, S. 14). Die IDEA-Methode in Abbildung 13 eignet sich zum Beispiel als ganz konkretes Scaffolding für den Umgang mit Bildmaterialien. IDEA-method I Introduce This picture shows… / This is a picture by…. D Describe I can see… / in the background / at the bottom / there is / are… E Explain This could mean that…. / Maybe…. / I think that…. / This looks like… A Assess I (don’t’) like the picture because… / The picture makes me feel…. Abbildung 13: IDEA-Methode als verbales Scaffolding für Bildbeschreibungen (O. Meyer 2010a, S. 14) Das Erweitern des funktionalen Sprachrepertoires (language for learning) an häufig gebrauchte Redemitteln wird zudem auch als elementares Scaf‐ folding für den CLIL-Unterricht angesehen. Sie sollen «die Lücke zwischen dem Etwas-Sagen-Wollen und -Können wenigstens für kurze und elementare Äusserungen möglichst früh in der Lernbiographie des bilingualen Fachunter‐ richts schliessen.» (Thürmann 2010, S. 83). Ganz im Sinne des sprachsensiblen CLIL-Unterrichts brauchen Lernende Unterstützung im Aufbau ihrer kommu‐ nikativen Kompetenzen für die Bewältigung von «sprachlichen Standardsitua‐ tionen im Fachunterricht». Damit sind Situationen gemeint, die der Lernende immer wieder antrifft und in denen fachliches Lernen in kommunikativen Si‐ tuationen zur Anwendung kommt (Leisen 2015a, S. 48). Für den CLIL-Unterricht in der Kombination mit BG sind funktionale Sprechhandlungen zum Beispiel das Beschreiben eines Bildes, das Präsentieren eines Arbeitsergebnisses oder das nach etwas Fragen. Weiter braucht es auch genügen lange Wartezeiten bei Reaktionen der Lernenden. Da die Schüler*innen im CLIL-Unterricht ihre Denksprache in fremdsprachliche Äusserungen ummünzen müssen, braucht dies mehr Zeit als im herkömmlichen Unterricht (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 66; Thürmann 2013, S. 239). Zudem ist eine zurückhaltende, situativ angepasste Fehlerkultur förderlich, damit die Kommunikationsfreude und Risikobereit‐ schaft der Lernenden nicht gehemmt werden. Dank einem sensiblen Umgang mit Fehlern kann die Motivation für die aktive Mitarbeit im CLIL-Unterricht trotz lückenhaften Fremdsprachenkenntnissen hoch gehalten werden (Bellet 2017, S. 245). Gleichzeitig müssen sich Lehrpersonen bewusst sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Lernende im CLIL-Unterricht Fehler machen, erhöht 111 3.6 Scaffolding <?page no="111"?> ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Fehlerquellen auf inhaltlicher oder sprachlicher Ebene liegen können (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 64). Zudem können aufgrund des erhöhten funktionalen Gebrauchs der Zielsprache und der offenen, aufgabenorientierten Sequenzen die Schülerantworten nicht immer abgeschätzt werden - somit ist die Bereitstellung der notwendigen Redemittel begrenzt (Bechler 2014, S. 243). Falls Lernenden wichtige Wörter fehlen, kann die Lehrperson den Kindern durch gezieltes prompting die nötige Sprache vorgeben (Do you mean….? ) oder gar ein bestimmtes Wort oder eine Struktur den Kindern ‘einflüstern’, so dass die Lernenden ihre Mitteilung erfolgreich beenden können (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 66). Mit Sprachanfängern können auch non-verbale Formen verwendet werden, mit denen Kinder das Verstandene ohne produktive Sprache mitteilen. Zum Beispiel indem sie auf etwas zeigen, zeichnerisch visualisieren oder handelnd ausführen (Kang Shin & Crandall 2014, S. 117). Gerade im CLIL-Unterricht mit BG scheint dieses letztgenannte Scaffolding von ganz besonderem Nutzen zu sein. Mit der Förderung der funktionalen Mehrsprachigkeit als übergeordnetes Bil‐ dungsziel (z. B. Council of Europe 2018, S. 28), kann und soll auch die Schul- oder Erstsprache der Lernenden als hilfreiches verbales Scaffolding dienen, sofern diese - wie nachfolgend aufgezeigt - zielorientiert und bewusst eingesetzt wird. Als erstes ist diesbezüglich von Wichtigkeit, dass mit den Lernenden zu Beginn des CLIL-Moduls die Ziele und Erwartungen zum Gebrauch der Fremdsprache thematisiert werden. Die Schüler*innen sollen die Intention des dualen Lernens verstehen und gemäss ihrem Können etwas zu dessen Gelingen beitragen. Zudem gilt es mit den Kindern zu thematisieren, dass im CLIL-Unterricht sprachlich nicht immer alles verstanden werden muss, sondern dass man dank anschaulichen Materialien oder Beispielen den Inhalt trotzdem erschliessen kann (Bellet 2017, S. 243). In dieser Hinsicht bietet der bilinguale Unterricht für die meisten Kinder eine wichtige neue Erfahrung, da sie ungeachtet ihrer Erstsprache im CLIL-Unterricht mit begrenzten fremdsprachlichen Ressourcen sachfachliche Inhalte erschliessen müssen. Sie erleben sich so als heterogene Gemeinschaft von Sprachlernenden, was fächerübergreifend zum Lernerfolg beiträgt und das Selbstwertgefühl der Lernenden steigert (Bellet 2017, S. 250). Zweitens leistet der Einsatz von verschiedenen Sprachen im CLIL-Unterricht einen wichtigen Beitrag in der Entwicklung der Sprachbewusstheit (D-EDK, 2014 Englisch, Bewusstheit für Sprachen). In diesem Sinne bietet ein gezielter Sprachwechsel auch eine authentische Möglichkeit linguistische Merkmale wie Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Parallelen zu erforschen. «Such awareness gradually creates an understanding of syntactic patterns, lexical structures and 112 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="112"?> orthography-sound relationships, and thus confidence in and motivation for using L2.» (Kiely 2010, S. 97). Jedoch und aufgrund der zunehmend sprachlichen Heterogenität in der Klasse, ist ein Rückgriff einzig auf die Schulsprache nicht nur hilfreich. Daher ist es sinnvoller die Schüler*innen für den Umgang mit verschiedensten Sprachen zu sensibilisieren und sie anzuleiten, ihre individu‐ ellen Sprachkenntnisse lernunterstützend einzusetzen. Weiter nimmt die Schulsprache auch eine wichtige Rolle in der Mediation (Sprachmittlung) ein (Council of Europe 2018, S. 28; Stebler & Stotz 2004, S. 59). Dieser Aspekt wird auch in den neuen kompetenzorientierten Lehrplänen ausgewiesen. Darunter wird verstanden, dass Schüler*innen in der Lage sein sollten die wichtigsten Inhalte in einer Sprache zu verstehen und sinngemäss in eine andere zu übertragen (vgl. D-EDK 2014 Englisch). Diese Methode kann somit gezielt als Lernhilfe angeboten werden, weil damit allen Lernenden eine Möglichkeit geboten wird zu verifizieren, inwiefern sie den fremdsprachlichen Input ausreichend verstanden haben: Die lernstarken in der Rolle der Vermit‐ telnden, die lernschwächeren Schüler*innen beim erneuten Anhören der Inputs in einer anderen Sprache als Englisch. Auch das Code-Switching hat seine Berechtigung im CLIL-Unterricht. Damit ist das bewusste oder unbewusste Einspeisen von Wörter oder Phrasen aus einer anderen Sprache während der Verwendung der Zielsprache gemeint, mit dem Ziel die Kommunikation aufrechtzuhalten oder etwas zu präzisieren (Lamsfuss-Schenk 2013, S. 262). Diese Sprachwechsel können zudem als sichere Indizien dafür gedeutet werden, dass die Lernenden den fremdsprachlichen Sachverhalt verstanden haben (Königs 2013, S. 177). Ferner können sie auch als erfolgreiche Strategie angesehen werden. Wer nämlich unbekannte Wörter in der Schulsprache einbringt, kann davon ausgehen, dass die Gesprächspartner die fehlenden Ausdrücke in der Zielsprache wiederholen. So erweitert man sein Repertoire in einem natürlichen Gesprächsfluss ( Jansen O’Dwyer 2007, S. 67). Solche Sprachwechsel sind ebenfalls Zeichen dafür, dass sich die Ler‐ nenden intensiv mit einem Lerninhalt auseinandersetzen. Gerade bei offenen Lernsettings ist es das Ziel, dass die Lernenden möglichst vielfältige Antworten beisteuern können. Dabei ist die Verwendung der Erst- oder Schulsprache fast unumgänglich, wenn man den Fortgang einer Diskussion aufrecht erhalten möchte (Butzkamm 2010, S. 104). Wie bereits im Kapitel 2.2 dargelegt wurde, wird angenommen, dass die mehrfach sprachliche Kodierung und der allfällige Sprachwechsel zu einer grösseren Verarbeitungsdichte sowie zur Vertiefung des Sachfachwissens führt (Botz & Frisch 2016, S. 248). Basierend auf den hier auf‐ gezeigten Chancen im bewussten Umgang mit Sprachwechsel, kann der gezielte Einsatz der Schulsprache, zum Beispiel im Rahmen von vorgegebenen ‘win‐ 113 3.6 Scaffolding <?page no="113"?> dows of school language’ sinnvoll sein. Solche klar definierten Zeitfenster für die Schulsprache unterstützen Lernende bei thematisch anspruchsvollen Diskussionen oder bei Gruppenarbeiten, dass sie sich vertieft mit einem Lern‐ gegenstand auseinandersetzen und sie trotz limitierenden fremdsprachlichen Kenntnissen Lernaufgaben gemäss den ‘higher order thinking skills’ angehen können (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69). Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass sich die Lehrperson im CLIL-Unterricht positiv gegenüber dem gezielten Gebrauch der Schulsprache zeigen, gleichzeitig jedoch auch den Nutzen, die Rolle und die Regeln der Anwendung der Zielsprache mit den Lernenden besprechen sollten (Llinares et al. 2012, S. 34). Insgesamt gilt: «So viel Fremdsprache wie möglich, so wenig Deutsch wie nötig.» (D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Mit diesem Grundsatz aus dem Lehrplan 21 sind die Lehrpersonen bestens vertraut - er hat seine Gültigkeit auch im CLIL-Schulzimmer. 3.6.2 Inhaltliches Scaffolding Hilfestellungen werden als inhaltliches Scaffolding bezeichnet, wenn sie die Lernenden dabei unterstützen einen anspruchsvollen Sachverhalt besser zu ver‐ stehen und sich mit ihm vertieft auseinander zu setzen (Massler & Ioannou-Ge‐ orgiou 2010, S. 61). Als erste Möglichkeit werden hierfür Visualisierungen vorgeschlagen, die den sachfachlichen Inhalt in Form von Bildern oder mit‐ tels Realien verdeutlichen (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 68). Inhalte können zum Beispiel von einer rein sprachlichen Darstellung in eine Hand‐ lung, eine Zeichnung oder ein Diagramm umgemünzt werden - dadurch wird Sprache im wahrsten Sinne ‘anschaulich’. Leisen (2005, S. 10-11) sieht in diesem Wechsel der Darstellungsform «de[n] didaktische[n] Schlüssel zum fachlichen Verstehen» und gleichzeitig einen «Anlass zur fachlichen Kommunikation». Es sprechen viele Gründe für den Einsatz verschiedenster Darstellungsformen. Zum Beispiel geben Visualisierungen eine zusätzliche Perspektive, ermöglichen somit einen neuen Zugang zu einem sachfachlichen Inhalt und bieten folglich einen neuen Redeanlass. Abwechslungsreiche Darstellungsformen sind zudem motivierend und aktivieren verschiedenste Lerntypen. (Leisen 2005, S. 10-11) Im CLIL-Unterricht mit BG fungiert das dort natürlich eingesetzte Bildmaterial somit als genuines Scaffolding (Rymarczyk 2013, S. 267). Dies gilt ebenso für die hohe Handlungsorientierung, die im BG-Unterricht ein Lernen auf konkreter, handgreiflichen Abstraktionsstufe ermöglicht. Da‐ durch werden inhaltliche Konzepte wie zum Beispiel Zeichnungstechniken oder andere Prozesse aktiv erfahrbar und auf anschauliche Weise mit fremdsprach‐ 114 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="114"?> licher Sprache kombiniert (Leisen 2005, S. 10-11; Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69). Ferner müssen Inhalte, wie bereits mehrfach betont, kognitiv vielseitig verar‐ beitet werden können. Passende inhaltliche Scaffolds dafür sind zum Beispiel ein kooperativer Austausch in Form einer Gruppenarbeit oder genügend Lernzeit, um in diese tiefen Denkprozesse einzutauchen (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69-70). Letztlich gehören dazu aber auch regelmässige checking activities. Diese zeigen der Lehrperson, ob die Lernenden dem Inhalt folgen können und den Lernenden, ob sie auf dem richtigen Lernweg sind. Allfällige Abweichungen könnten dank solchen Feedbacks behoben werden (Massler & Ioannou-Geor‐ giou 2010, S. 70). Wiederum eignet sich hierfür der BG-Unterricht sehr gut, da Lernenden trotz limitierten fremdsprachlichen Ressourcen Feedback durch Zeigen oder Zeichnen mitteilen können. Andernfalls können solche Momente der Reflexion und des Innehaltens auch in der Schulsprache durchgeführt werden (Kiely 2010, S. 97). 3.6.3 Strategisches Scaffolding Scaffolding als Lehr- und Lernstrategie wird «zum Bindeglied zwischen effek‐ tiven Unterricht und optimalen Lernergebnissen.» (Klewitz 2017, S. 20). Diese strategischen Hilfestellungen können einerseits auf didaktisch-methodischer Ebene betrachtet werden, im Sinne von teaching strategies, oder als die För‐ derung von Lernstrategien für die Schüler*innen verstanden werden. Beide werden nachfolgend berücksichtigt. Es gibt zwei Herangehensweisen, wie Lehrpersonen auf unterrichtsmetho‐ discher Ebene den erhöhten Anforderungen im CLIL-Unterricht begegnen können. Einerseits geschieht dies mit defensiven Lehrstrategien. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, dass die Fremdsprache im CLIL-Unterricht das inhaltliche Lernen hemmt und deshalb das didaktische Setting entsprechend angepasst werden muss. Dies hat zur Folge, dass die sprachliche Komplexität der Ziel‐ sprache vermindert wird und die Lernenden durch den einfach kontrollierbaren fragend-entwickelnden Unterricht eng begleitet werden. Situativ eingesetzt kann dies zwar helfen sprachliche Barrieren zu überwinden und die Motivation der Kinder hochzuhalten, insgesamt hat diese Strategie aber hemmende Aus‐ wirkungen auf die Wahl der Sozialform und den Einsatz von selbstgesteuerten Aufgaben. Dies, weil bei diesem defensiven Vorgehen der Unterricht meist von Frontalunterricht mit sprachlich reduzierten Kurzantworten und geschlossenen Aufgabenformaten geprägt ist. (Thürmann 2013b, S. 231) Auch wenn dieses di‐ 115 3.6 Scaffolding <?page no="115"?> daktische Setting im CLIL-Unterricht immer noch weit verbreitet zu sein scheint (siehe Kapitel 3.2), so lässt sich damit den hier propagierten differenzierten, aufgabenorientierten Unterricht nicht realisieren. Im Gegensatz dazu spricht man von offensiven Lehrstrategien, wenn der Unterricht so organisiert wird, dass die Lernenden aktiv und längerfristig möglichst autonom mit den sachfachlichen und fremdsprachlichen Ansprüchen umgehen können. Die Schüler*innen sollen demnach unter Verwendung von funktionaler Sprache ‘sachfachliterat’ werden (Thürmann 2013b, S. 231). Damit eng verknüpft ist die Vorstellung, dass jeder Unterricht Sprachunterricht ist und dass in allen Fächern ein Beitrag zum Sprachenlernen geleistet werden muss (Vollmer 2010, S. 27). Sprache wird im CLIL-Unterricht, wie bereits dargelegt, nicht einfach nebenbei gelernt, sondern dessen Kompetenzerwerb muss geplant, entwickelt und geübt werden. Um dies zu realisieren, können folgende Strategien helfen (Hammond & Gibbons 2005, S. 19-22; Thürmann 2013, S. 232-234): • Aktivieren der sprachlichen als auch sachfachlichen Lerninhalte; kurze Rück- und Ausblicke über Lernziele und erwarteten Lerninhalte (task outcomes), sowie das Verlinken von solchen zum bereits Gelernten in vergangenen Lektionen. • Konsequente Aufgabenorientierung, um kognitiv und sprachlich heraus‐ fordernde eigenaktive Lerneinheiten zu bieten. • Den Aufbau eines überschaubaren Repertoires an wiederkehrenden sprachlichen Funktionen (siehe Kapitel Kapitel 3.6.1 ‘Verbales Scaffol‐ ding’). • Die Förderung von Sprachreflexionen und der Metakognition über den Aufbau von sprachlichen, inhaltlichen und interkulturellen Kompe‐ tenzen, als auch ein Nachdenken über den interlingualen Transfer von Wissen (vgl. Abbildung 2 'The dual iceberg' Modell). Der mit solchen offensiven Lehrstrategien im Zusammenhang stehende eigen‐ aktive, schülerorientierte Unterricht ist folglich auch der ideale Nährboden für Lernstrategien (Lamsfuss-Schenk 2013, S. 263). Dazu gehört der gezielte Aufbau von Lese- oder Hörstrategien. Die Lernenden müssen es aushalten lernen, den Sachverhalt erschliessen zu können, ohne jedes einzelne Wort zu verstehen. Dasselbe gilt auch für die Sprachproduktion. Trotz eingeschränkten fremd‐ sprachlichen Kompetenzen sollen die Schüler*innen versuchen erfolgreich Informationen auszutauschen (Bellet 2017, S. 243). Hierfür müssen Lernende auf entsprechende Kommunikationsstrategien aufmerksam gemacht werden, die ihnen helfen sich auszudrücken (z. B. chunks verwenden, auf etwas zeigen, etwas 116 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="116"?> mit dem Körper darstellen, ein Wort in einer anderen Sprache einbringen, …). Weiter umfasst dies auch der Ausbau von affektiven Lernstrategien, um die allfällige Frustration zu kontrollieren und die Lernenden zu ermutigen, trotz erschwerten Bedingungen an der Lernaufgabe dran zu bleiben (Michell & Sharpe 2005, S. 49). Schliesslich spielen auch Reflexions- und metakommunikative Strategien im bilingualen Unterricht eine wichtige Rolle, um über das Gelernte nachzudenken und dessen Transferierbarkeit bewusst zu machen (Thürmann 2013, S. 233-234). 3.6.4 Abschliessende Überlegungen zu Scaffolding Die nachfolgende Abbildung 14 gibt eine überschaubare Zusammenstellung der soeben erwähnten lernunterstützenden Möglichkeiten für den CLIL-Unterricht. Sie ist jedoch in keiner Weise als abschliessend zu betrachten, sondern zeigt praktische Möglichkeiten, wie im spezifischen Kontext mit diesem «criticical balancing of challenge und support» umgegangen werden kann (Michell & Sharpe 2005, S. 48). In diesem Sinne soll die Unterscheidung der Scaffolds in die Mikro- und Makro-Ebenen als auch gemäss den drei Arten verbal, inhaltlich und strategisch keinesfalls als strikt separate Systeme angesehen werden, sondern als Orientierungshilfe und als ein ganzheitliches Netzwerk an möglichen Lernhilfen, die es ineinander verzahnt produktiv zu nutzen gilt (Hammond & Gibbons 2005, S. 12; Michell & Sharpe 2005, S. 52). Als letzte Anmerkung: Die Überhand der verbalen Scaffolds ist damit begründet, dass im vorliegenden CLIL-Kontext dank der Anwesenheit des hoch visualisierten, handlungsorientierten und wenig textbasierten Faches BG die Stolpersteine vor allem auf der sprachlichen als auf der inhaltlichen Ebene zu erwarten sind. 117 3.6 Scaffolding <?page no="117"?> ran ada ted from ichell Shar e • content • verbal • strategic • input • output SCAFFOLDING • timely, temporary, situative, individual assistance • Macro level: 'designed-in' (hard scaffolds) and / or • Micro level: 'point of need' (soft scaffolds) challenge + support • teaching strategies • learning strategies gestures, mimics, TPR pre-teaching of new language stress, intonation redundancies mediation recasts chunks or sentence starters functional (classroom) language waiting time sensitive error corrections prompting - 'windows of school language' non-verbal communication visualizations hands-on experiences cooperative learning extended learning time checking activities feedback defensive: teacher-centred, closed questions, IRF-pattern offensive: learner-centred, advance organizer, task-based codeswitching receptive: reading & listening productive: expressing yourself affective meta-linguistic & -cognitive ---- Scaffolding for the CLIL-classroom Abbildung 14: Übersicht Scaffolding für den CLIL-Unterricht (adaptiert nach Michell & Sharpe 2005, S. 53) Ein konkreter Vorschlag, wie diese verschiedenen Scaffolds bei der Planung und Umsetzung von Unterricht berücksichtigt werden können, macht Walqui (2006, S. 164) in einer dreistufigen Abfolge: • Scaffolding Ebene 1: Geplante Unterrichtsstruktur mit dem Set an Lern‐ aufgaben • Scaffolding Ebene 2: Umsetzung der Lernaufgaben und die damit verbun‐ denen Begleitprozesse • Scaffolding Ebene 3: Individuelle Unterstützung in den ‘moment-to-mo‐ ment’ Interaktionen Gemäss diesem Vorgehen würde Scaffolding von der Makroauf die Mikro-Ebene und schliesslich vom geplanten zum improvisierten Unterstüt‐ zungsangebot wechseln. Das tönt sehr geordnet und planbar, doch wie man allgemein weiss, gehen Planungen im Unterricht nicht immer auf. «In particular, pedagogical action is always a blend of the planned and the improvised, the predicted and the unpredictable, routine and innovation.» (Walqui 2006, S. 164) Demnach und mit Ausblick auf die bevorstehende praktische Implementierung im CLIL-Unterricht, ist davon auszugehen, dass selbst bei den gleichen Lern‐ 118 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="118"?> zielen und Lernaufgaben auf der Mikro-Ebene Scaffolding auf die Klasse und spezifischen Kontexte bezogen angepasst werden muss (Hammond & Gibbons 2005, S. 13). Zusätzlich soll hier abschliessend festgehalten werden, dass eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche aufgabenbezogene Lernbegleitung die Qualität der Beziehungen zwischen den Lehrenden und Lernenden ist. Schüler*innen müssen sich im heterogenen Schulzimmer, dies gilt insbesondere auch für die CLIL-Lernumgebung, respektiert, akzeptiert und sicher fühlen (Tomlinson 2017, S. 44). Die gewünschten positiven Lernbedingungen werden durch eine hohe physische und psychische Präsenz der Lehrperson erreicht. Ist diese unzureichend, könnten sich entsprechend negative Auswirkungen auf der emotionalen und motivationalen Ebene seitens der Schüler*innen bemerkbar machen (Hammond & Gibbons 2005, S. 27; Luthiger & Wildhirt 2018, S. 36). Somit spielen hier Persönlichkeitsfaktoren mit, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung vernachlässigt werden müssen, deren Einfluss jedoch insgeheim nicht zu unterschätzen sind. 3.7 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen Die intensive Auseinandersetzung in diesem Kapitel mit den verschiedenen Facetten der CLIL-Didaktik mit Relevanz für den spezifischen Kontext hat folgende Punkte hervorgebracht: Erstens ist das anfänglich vorgestellte Lehr-Lernverständnis des sozialen Konstruktivismus in diesem Kapitel immer wieder in verschiedensten Themen‐ aspekten aufgetaucht. Die sozial-konstruktivistische Vorstellung von Sprache als Denk- und Kommunikationsmittel in der Auseinandersetzung mit rele‐ vanten Inhalten ist absolut kongruent mit CLIL. Denn diese bereits von Vygotsky (1978, S. 34-39) geäusserte Idee der stetigen Wechselwirkung von Sprache, Handlung und Denken deckt sich mit dem für den CLIL grundle‐ genden 4Cs framework. Das zeigt, dass Vygotskys bereits etwas in die Jahre gekommenen Theorieansatz für die Umsetzung von aufgabenorientierten und differenzierten CLIL-Lerneinheiten als Grundlage von dieser Arbeit von hoher Relevanz und Aktualität ist. Zweitens und ausgehend der Tatsache, dass Sprache nicht nur Lerninhalt ist, sondern gleichzeitig immer auch als kommunikatives Werkzeug für das Denken und Handeln fungiert, kann im CLIL-Unterricht dieser fundamentalen Rolle von Sprache, hier der Fremdsprache, beispielhaft Rechnung getragen werden. Gleichzeitig ist der fremdsprachlich geführte CLIL-Unterricht herausfordernd 119 3.7 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen <?page no="119"?> für alle Beteiligten. Deshalb braucht es im CLIL-Unterricht ein konstantes Augenmerk auf lernförderliches Scaffolding. Englischlehrpersonen auf der Primarstufe, die Lehrbefähigung für verschiedene Fächer haben, sind deshalb prädestinierte Lehrpersonen für die Umsetzung von sprachsensiblem CLIL-Un‐ terricht, da sie in all ihren Lektionen konstant sprachbedingte Lernbarrieren für ihre heterogenen Klassen minimieren müssen. Wenn ihnen das auch im CLIL-Unterricht gelingt, eröffnen bilinguale Lernsequenzen eine grosse Chance für verschiedenartiges fremdsprachliches, strategisches und interkulturelles Lernen - folglich ein reiches Unterrichtsangebot, das eine monolinguale Umge‐ bung kaum bieten kann. Drittens kristallisierte sich in diesem Kapitel heraus, dass im Umgang mit der Heterogenität Variantenreichtum gefragt ist. Und zwar in jeglicher Hinsicht, wie dem Bereitstellen von Lernaufgaben auf verschiedenen kognitiven Stufen, dem Bearbeiten von verschiedenen Aufgabentypen, einem breiten Angebot an Scaffolding und schliesslich einem abwechslungsreichen Unterrichtsverlauf mit unterschiedlichen Settings variierend von gemeinsamen, kooperativen und in‐ dividualisierten Lernarrangements. Gleichzeitig sollen diese Lernarrangements, sprich Lernaufgaben, fünf bestimmte Qualitätsmerkmale ausweisen: Sie sollen interessant und motivierend sein, CLIL-Lernprozesse anregen, die Lernenden kognitiv aktivieren und aufgrund ihrer Offenheit sowie aufgrund verschiedener Differenzierungsmöglichkeiten die heterogenen Lernenden berücksichtigen. Wie in diesem Kapitel auch dargelegt wurde, ist es bei der Umsetzung von CLIL-Unterricht bis anhin noch nicht gelungen, all diesen methodisch-didak‐ tischen Anliegen vollumfänglich Rechnung zu tragen. Stattdessen wird der CLIL-Unterricht in der Literatur immer wieder als lehrzentrierter Unterricht mit höheren rezeptiven als produktiven Sprachanteilen und wenig echten kommunikativen Interaktionen beschrieben. Empirische Erkenntnisse zum Angebot und der Nutzung von kommunikativem und aufgabenorientiertem CLIL-Unterricht mit ausbalancierten Anteilen von rezeptiven und produktiven Sprachlernmomenten für die heterogenen Primarschullernenden scheinen daher noch nicht vorzuliegen. Diesem Forschungsdesiderat soll die vorliegende Arbeit Rechnung tragen. Zusammengefasst will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten, indem CLIL-Unterricht gemäss dem sozial-konstruktivistischen Lehr-Lernverständnis aufgabenorientiert und heterogenitätsfreundlich umge‐ setzt wird. Das bedeutet konkret, dass der CLIL-Unterricht im Rahmen der vor‐ liegenden Untersuchung folgende didaktisch-methodische Prämissen erfüllen soll: 120 3 Methodisch-didaktische Ansätze im heterogenen CLIL-Unterricht <?page no="120"?> • Der CLIL-Unterricht berücksichtigt die Kompetenz- und somit Aufgaben‐ orientierung. • Der CLIL-Unterricht bietet vielfältige kommunikative Interaktionen mit ausbalancierten Anteilen von rezeptiven und produktiven Sprachlernmo‐ menten. • Der CLIL-Unterricht fördert kooperatives, schülerorientiertes Lernen. • Der CLIL-Unterricht trägt der Heterogenität Rechnung. In diesem Hauptkapitel wurden nun die nötigen theoretischen Grundlagen erarbeitet, um in einem nächsten Schritt praxistaugliche Lernaufgaben für die CLIL-Module zu entwickeln. Die begleitenden Informationen rund um die Erstellung dieser Lernaufgaben und relevante forschungsmethodische Überle‐ gungen für deren Umsetzung in der Praxis sind Gegenstand des nächsten Hauptkapitels. 121 3.7 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen <?page no="122"?> 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen In diesem vierten Hauptkapitel verschmelzen die theoriebasierten Erkenntnisse aus den beiden vorhergehenden Hauptkapiteln zu CLIL und den didaktisch-me‐ thodischen Grundlagen, um darauf aufbauend die praktische Ausarbeitung der CLIL-Module vorzustellen und auf deren Implementierung aus forschungsme‐ thodischer Perspektive vorzubereiten. In diesem Sinne schlägt das vorliegende Hauptkapitel die Brücke zwischen den bereits vorgestellten Theorien und der noch anstehenden empirischen Untersuchung im Schulfeld. Konkret wird in einem ersten Schritt das erweiterte 4Cs framework für den CLIL-Unterricht in der Fächerkombination Englisch und BG dargelegt. Als nächstes wird basierend auf dieser Grundlage die Vorgehensweise bei der Entwicklung von CLIL-Aufgabensets entlang des sogenannten ‘CLIL tool kit’ erklärt. Weiter nutzt dieses Hauptkapitel die Gelegenheit, die Eignung der lesson study als leitendes Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept für die vorliegende empirische Untersuchung zu präsentieren. In diesem Zusammen‐ hang wird auch über den für das vorliegende Forschungsvorgehen geeignete mixed-methods Ansatz orientiert. Sobald diese wichtigen Grundlagen geklärt sind, lassen sich daraus schliesslich die Forschungsfragen ableiten. 4.1 Adaptiertes 4Cs framework für den CLIL-Unterricht Im Kapitel 3.2 wurde die breite Akzeptierung des 4Cs framework (Coyle 1999, S. 53; 2007a, S. 51; 2007b, S. 550) begründet und dessen didaktisch-methodi‐ sche Implikationen für die Umsetzung von CLIL-Lerneinheiten umfassend dargestellt. Die nachfolgende Abbildung illustriert nun die adaptierte und ergänzte Version für die Implementierung der geplanten CLIL-Module für die Fächerkombination Englisch und BG. <?page no="123"?> Communication Cognition Content Framework lernanregender Aufgaben für den CLIL-Unterricht (Frank Schmid 2018) CLIL-task features • Interest & motivation • CLIL-learning • Cognitive activation • Openness • Differentiation Culture Scaffolds Kontexte & Orientierung (Kompetenzbereich BG 3) Prozesse & Produkte (Kompetenzbereich BG 2) Wahrnehmung & Kommunikation (Kompetenzbereich BG 1) Abbildung 15: Adaptiertes 4 Cs framework für den CLIL-Unterricht In Anlehnung an Reussers ‘Didaktisches Dreieck’ (Reusser 2014a, S. 78) stehen in diesem adaptierten Framework die Lernaufgaben mitsamt ihren erarbeiteten fünf Qualitätsmerkmalen im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 25). Aufgaben als «Dreh- und Angelpunkt» des Lernens (Reusser 2014a, S. 80) und als kleinster Baustein im kompetenzorientierten Un‐ terricht (Criblez 2016, S. 28) bestimmen den Unterrichtsinhalt und -verlauf. Die fünf Qualitätsmerkmale für die Lernaufgaben in der Fächerkombination Eng‐ lisch und BG müssen bei der Entwicklung der Lernaufgaben mitberücksichtig werden und insgesamt im Aufgabenset hinreichend vertreten sein (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 70). Die Lernaufgaben sollen folglich so beschaffen sein, dass sie die Aspekte communication, cognition und content berücksichtigen und so CLIL-Lernen ermöglichen. In anderen Worten, die Lernaufgaben aktivieren die Lernenden kognitiv so, dass sich alle auf die fremdsprachlichen und sachfach‐ lichen Inhalte einlassen können und ihr duales Lernen eigenaktiv konstruieren. Damit das im heterogenen Primarschulkontext gelingt, wird entsprechendes Scaffolding benötigt. Sei es im Sinne von strategischem Scaffolding, welches die Denkprozesse (cognition) erleichtert; in Form von verbalem Scaffolding, welches das fremdsprachliche Lernen (communication) begünstigt oder als inhaltliches Scaffolding, welches das inhaltliche Lernen (content) unterstützt. Schematisch ausgedrückt, umschliessen diese verschiedenen Scaffolds die Lernaufgaben 124 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="124"?> nicht nur, sondern schaffen die nötigen Verbindungen zwischen den drei Aspekten communication, content und cognition. Weiter soll der CLIL-Unterricht das (inter-)kulturelle Lernen fördern. Deshalb umgibt der Aspekt culture die anderen drei Cs und verdeutlicht durch diese Einbettung, dass die Auseinandersetzung mit Kultur im CLIL-Unterricht eine wichtige Prämisse ist. Wie bereits erwähnt, wird dies auf zwei Ebenen anvisiert. Einerseits geschieht kulturelles Lernen auf einer inhaltlichen, thematischen Ebene; anderseits passiert eine interkulturelle Bewusstmachung dadurch, dass Lernende von einer anderen Sprache umgeben sind und entsprechend angepasst interagieren müssen. Den ganz äusseren Rahmen bildet der spezifische Kontext und die Gegeben‐ heiten vor Ort, die je nach CLIL-Situation variieren (Coyle et al. 2010, S. 48). Im vorliegenden Fall bilden die drei Kompetenzbereiche aus dem BG-Lehrplan diesen äusseren Rahmen. Denn Erfahrung hat gezeigt, dass der sachfachliche Lerninhalt (content) richtungsweisend für die Planung der CLIL-Module ist, um zu garantieren, dass die Inhalte nicht aufgrund der limitierenden Sprachkennt‐ nisse der Lernenden unnötig vereinfach dargestellt oder gänzlich unthematisiert bleiben. (Coyle et al. 2010, S. 55) Im vorliegenden Fall sind somit die BG-Lern‐ inhalte das Fundament für die Planung der CLIL-Module. Dabei wird die Emp‐ fehlung aus dem Lehrplan 21 berücksichtigt, dass BG-Lerneinheiten immer alle drei Kompetenzbereiche beinhalten und diese zueinander mit unterschiedlicher Gewichtung und Reihenfolge in wechselseitiger Beziehung stehen (D-EDK 2014 BG, Didaktische Hinweise). Das bedeutet konkret, dass Lernaufgaben so geplant werden müssen, dass sie Lernen in den Kompetenzbereichen ‘Prozesse & Pro‐ dukte’, ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, als auch ‘Kontexte & Orientierung’ ermöglichen und fördern. Da der Aufbau dieser BG-Kompetenzbereiche stets Sprache benötigt, lassen sich die fremdsprachlichen Inhalte und Handlungen in diesen BG-Kompetenzbereichen einordnen (vgl. Abbildung 10). Insgesamt sind es diese theoriebasierten Entscheidungen, wie in Abbil‐ dung 15 verdeutlicht, die für die Entwicklung des Aufgabensets wegweisend sind. Das Vorgehen für die exemplarische Ausarbeitung solcher CLIL-Module für die heterogene Primarstufe wird nachfolgend im Detail erläutert. 4.2 Entwicklung von CLIL-Aufgabensets Um die Transformation der theoriebasierten Konzepte in CLIL-Lerneinheiten zu vollziehen, präsentieren Coyle und Kollegen ein nützliches ‘CLIL tool kit’ (Coyle et al. 2010, S. 48-86). Dieses CLIL tool kit überzeugt nicht nur durch 125 4.2 Entwicklung von CLIL-Aufgabensets <?page no="125"?> einen nachvollziehbaren Aufbau, sondern berücksichtigt auch konsequent das 4Cs framework. Zudem ist gerade bei der Entwicklung von CLIL-Unterricht, der in der Literatur als ein flexibles Konstrukt definiert wird und in der Praxis vielfältige Ausprägungen hat, ein geregelter Planungsablauf basierend auf Praxiserfahrungen anderer Expert*innen hilfreich. Insgesamt hat dieses Kapitel zum Ziel das Schritt-für-Schritt Vorgehen bei der Entwicklung von CLIL-Aufgabensets nachvollziehbar aufzuzeigen. Coyle und Kollegen (2010, S. 48) schlagen ein Vorgehen aufgeteilt in sechs Phasen vor, um die Planung, Durchführung und Auswertung von CLIL-Lerneinheiten sorgfältig anzugehen. Jede der sechs Phasen wird nachfolgend charakterisiert, zuerst kurz allgemein‐ gültig und dann in Bezug auf das vorliegende Vorhaben. Aufgrund dessen, dass das sechsphasige Vorgehen die theoretischen Vorüberlegungen in konkrete Planungs- und Umsetzungsschritte überführt, lassen sich Vorgriffe in den empirischen Teil der Arbeit nicht ganz vermeiden. Diese Vorwegnahme wird an dieser Stelle als hinnehmbar betrachtet, weil ohne den direkten Bezug zum geplanten Forschungsvorhaben die nachfolgenden Ausführungen wenig Informationsgehalt beinhalten würden. Phase 1: Vision In dieser Phase werden die Grundlagen für die Umsetzung von CLIL-Lern‐ einheiten erarbeitet. Dabei geht es darum CLIL zu definieren, den Rahmen abzustecken und die globalen Ziele zu nennen. Im Grund entspricht diese erste Phase den bisher gemachten Ausführungen zu den theoretischen Grundlagen und der kontextuellen Einbettung dieser Untersuchung. Zusammengefasst heisst das, dass es in der vorliegenden Good Practice-Studie darum geht, CLIL-Module in der Fächerkombination BG und Englisch in einer echten Fächerfusion gemäss CLIL-Typ C (vgl. Abbildung 1) zu implementieren und in Erfahrung zu bringen, wie die im Lehrplan 21 geäusserten Anregungen von bilingualen Lerneinheiten als Ergänzung zum traditionellen Fremdsprachenunterricht erfolgreich in der heterogenen Primar‐ stufe umgesetzt werden können. Phase 2: Kontext In dieser zweiten Phase wird die obige Vision noch etwas detaillierter erläutert und zugeschnitten auf die kontextabhängigen Gegebenheiten mitsamt seinen beteiligten Akteuren definiert. Im vorliegenden Fall ist CLIL in folgenden Kontext zu situieren: Der Kontext des geplanten CLIL-Unterrichts konstituieren heterogene Primarschulklassen an der Schweizer Volkschule. Insgesamt werden zwei 126 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="126"?> CLIL-Module bestehend aus je drei Doppellektionen im Verlauf eines Schul‐ jahres durchgeführt. Interessierte Primarlehrpersonen mit Unterrichtsberechti‐ gung in den Fächern Englisch und BG werden gesucht, die im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung bei dieser projektartigen Umsetzung mitmachen möchten. Die CLIL-Module werden nach dem adaptierten, erweiterten 4Cs framework unter Berücksichtigung der fünf Qualitätskriterien für CLIL-Lern‐ aufgaben (siehe Rating-Bogen im Anhang B) von der Forscherin konzipiert und den Lehrpersonen für die Umsetzung zur Verfügung gestellt. Die Lehrpersonen werden bei der Planung, sowie während der Durchführung und Auswertung der CLIL-Module eng von der Forscherin begleitet. Nähere Informationen dazu folgen im Kapitel 5.1 zum Forschungsdesign und im Kapitel 5.4 zum Sampling. Phase 3: Planung der CLIL-Module Diese dritte und umfassendste Phase zielt auf die praktische Erarbeitung einer ausgearbeiteten Unterrichtsplanung ab. Dabei kommen die vorgängig gemachten methodisch-didaktischen Überlegungen konkret zur Anwendung. Coyle und Kollegen (2010, S. 75-78) schlagen für eine sorgfältige Berücksichti‐ gung all dieser verschiedensten Aspekte ein detailliertes Vorgehen bestehend aus vier Schritten vor, die sich vollumfänglich am 4Cs framework orientieren. Bei jedem der nachfolgend vorgestellten Schritte muss immer entsprechendes Scaffolding mitberücksichtigt werden. Schritt 1: Content Wie bereits mehrfach betont, gilt es alle drei Kompetenzbereiche aus dem BG-Lehrplan innerhalb einer Lerneinheit zu berücksichtigen. Entlang dieser drei Kompetenzbereiche können demnach die sachfach-inhaltlichen Lernziele bestimmt werden. In Anbetracht dessen, dass am Schluss des Lernprozesses ein finaler task outcome entstehen soll, zum Beispiel in Form einer eigenständigen Bildlösung, wird im kompetenzorientierten Unterricht der Planungsprozess rückwärts von diesem Lernprodukt aus angegangen (Kiper 2010, S. 50). Obwohl der kulturelle Aspekt bei diesem hier vorgestellten Modell erst bei Schritt 4 berücksichtigt wird, soll der Aufbau von interkulturellen Kompetenzen bereits hier definiert werden. Dies weil die Themenwahl stark davon abhängig ist, ob sich damit bedeutungsvolle kulturelle Inhalte bearbeiten lassen. Zudem soll die Bereitstellung von inhaltlichem Scaffolding wie Visualisierungen, Handlungen, regelmässiges Feedback und kooperative Lernphasen ebenfalls bereits hier mitberücksichtigt werden. 127 4.2 Entwicklung von CLIL-Aufgabensets <?page no="127"?> Schritt 2: Connecting content and cognition In diesem Schritt kommen die Lernaufgaben, die den Inhalt konkretisieren, mitsamt ihren kognitiven Anforderungsstufen zum Tragen. Wie im Kapitel 3.5.3 dargelegt, deckt ein vollständiges Set an Lernaufgaben gemäss dem LUKAS-Mo‐ dell die verschiedenen Kognitions- und Wissensdimensionen ab. Somit gilt es für die praktische Umsetzung alle unterschiedlichen Typen von Lernaufgaben so zu entwickeln und anzuordnen, dass sie auf den zuvor definierten finalen task outcome abzielen. Die Lernaufgaben im LUKAS-Modell können als ‘stepping stones’ betrachtet werden, die helfen das abschliessende Ziel - demnach die Synthese- oder Transferaufgabe - zu erreichen. Die Lernaufgaben sollen in be‐ obachtbaren Handlungen resultieren, die wiederum Aufschluss darüber geben, ob sie tatsächlich die gewünschten, unterschiedlichen Anspruchsniveaus ge‐ mäss den LOTS und HOTS als auch den Wissensdimensionen berücksichtigen. Schliesslich kann durch eine sorgfältige Überprüfung der Aufgabentypen und Zielbeschreibungen sichergestellt werden, dass im Aufgabenset die Lerninhalte aufsteigend von basalen hin zu kognitiv anspruchsvolleren Anforderungsstufen bereitgestellt werden. Weiter soll geprüft werden, dass hauptsächlich offensive Lehrstrategien angewendet werden, so dass die Lernenden aufgabenorientiert und aktiv-handelnd die Inhalte bearbeiten können. Ferner braucht es in diesem Setting eine Vielzahl an verbalen, inhaltlichen und strategischen Scaffolds, die die Lernenden in ihren individuellen Lernprozessen begleiten. Diese sollen bereits auf der Planungsebene berücksichtigt und dokumentiert werden. Schritt 3: Communication - defining language learning and using Gemäss dem 4Cs framework wird communication in drei Untergruppen auf‐ geteilt. Die fremdsprachlichen Lerninhalte und -ziele werden gemäss den Aspekten language of learning (Sprache, um den Inhalten zu begegnen), lang‐ uage for learning (Sprache, für das funktionale Handeln im Unterricht) und language through learning (Sprache, die sich bei der Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt ergibt) eingeteilt. Dieses Triptik hilft, die sprachlichen Ziele zu definieren und insgesamt den weniger offensichtlichen Aspekt language through learning nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser kann zum Beispiel mit Gruppenarbeiten, Präsentationen und bei dem Sichtbarmachen von Lern‐ ergebnissen gefördert werden. Das fremdsprachliche Lernen wird insgesamt von einer Reihe von verbal in- und output scaffolds begleitet, wie etwa die Vorentlastung als auch Vorgabe von wichtigem Wortschatz oder funktionaler Sprache, non-verbaler Kommunikation oder genügend langen Wartezeiten. 128 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="128"?> Schritt 4: Developing cultural awareness and opportunities In diesem Schritt geht es nun um die explizite Ausarbeitung von interkulturellen Lernmomenten. Gemäss dem bereits ausgeführten Verständnis von kulturellem Lernen auf der Ebene der Kenntnisse, Haltungen und Handlungen wie es im Lehrplan 21 ausgeführt wird (D-EDK 2014 Englisch, Kulturen im Fokus), müssen diese drei Aspekte bereits bei der Themenwahl und schliesslich bei der Entwicklung der Lernaufgaben berücksichtigt werden. Zusätzlich wird durch die Anwesenheit der Fremdsprache in verschiedenen Kommunikations‐ situationen die Förderung von interkulturellen Kompetenzen initiiert. Damit verbunden sollen die Einführung und Bewusstmachung von entsprechenden Lernstrategien als Scaffolding dazu beitragen, dass sich die Lernenden trotz limitierenden sprachlichen Ressourcen im CLIL-Unterricht einbringen können. In vorliegender Umsetzung begann diese Phase 3 mit der Ideenfindung geeig‐ neter Themen. Dafür wurden Lehrmittel sowie Lehrbücher aus dem Fachbereich BG, Kunstbilder, Bilderbücher und weiteres Unterrichtsmaterial betrachtet und mit eigenen Erfahrungen aus dem BG-Unterricht angereichert. Zusätzlich zur Festlegung des Themas wurden in einem nächsten Schritt der finale task outcome als auch die übergeordneten Lernziele definiert. Dann wurden die verschiedenen Typen von Lernaufgaben sowie deren Reihenfolge grob skizziert, die es für das Erreichen des task outcomes und der Lernziele braucht. Schliesslich wurden die weiteren Vorüberlegungen entlang des 4 Cs framework ausgeführt und do‐ kumentiert. Diese Ausführungen zu sprachlichen, inhaltlichen und kulturellen Lernabsichten können auf der ersten Seite der Unterrichtsdokumentation im Anhang A exemplarisch für das CLIL-Modul II eingesehen werden. Phase 4: Unterrichtsvorbereitung Als vierte Phase des insgesamt sechsteiligen CLIL tool kit steht nun die diffe‐ renzierte Ausarbeitung der Lernaufgaben und Materialien im Vordergrund. Basierend auf den zuvor definierten Lernzielen und dem bereits bestimmten finalen task outcome werden nun konkrete Aufgabenbeschriebe formuliert, die intendierten Lernhandlungen ausdifferenziert, die nötigen Materialien zusam‐ mengetragen und die verschiedenen Arten von hard scaffolding aufbereitet. Neben den ausgearbeiteten Lernaufgaben entsteht hier auch die eigentliche Verlaufsplanung des CLIL-Unterrichts. Phase 3 und 4 sind eng miteinander verknüpft, weshalb in der Realität für die Entwicklung eines CLIL-Moduls ein ständiges Vor- und Rückgreifen dieser beiden Phasen nötig ist. Das Planungsformular mit der detailliert aus‐ gearbeiteten Unterrichtsverlaufsplanung (siehe Anhang A) zeigt neben den Aufgabenbeschrieben auch die damit in Verbindung stehenden Lehrerhand‐ 129 4.2 Entwicklung von CLIL-Aufgabensets <?page no="129"?> lungen als auch die antizipierten Schüleraktivitäten und Lernhandlungen. Zudem gibt es Hinweise zu den geplanten Scaffolding-Angeboten und weitere Differenzierungsmöglichkeiten. In diesem Sinne ist nach Phase 4 die Planung und Vorbereitung der CLIL-Lerneinheiten abgeschlossen, als nächstes folgt die Implementierung und Auswertung. Phase 5: Beobachtung und Evaluation des CLIL-Unterrichts Diese fünfte Phase vereint die eigentliche Durchführung mit dem sorgfältigen Beobachten der Unterrichtshandlungen und mit dem Auswerten der Lehr- und Lernvorgänge. In der vorliegenden Untersuchung wurden Lehrpersonen in unterschiedli‐ cher Weise dazu angehalten, Indikatoren über das Gelingen der CLIL-Module zu sammeln und zu reflektieren. Erstens achteten sie während ihres Unterrichts in der heterogenen Klasse auf drei zuvor bestimmte Kinder mit verschiedenen Leistungsvoraussetzungen, die sogenannten case pupils, besonders genau und befragten diese nach Möglichkeit nach jeder Doppellektion kurz zu ihrem Lernen. Zweitens verfassten die Lehrpersonen nach jeder Doppelstunde eine kurze schriftliche Reflexion anhand Leitfragen. Drittens, als weitere Möglichkeit um den CLIL-Unterricht zu beobachten und zu evaluieren, hospitierten sich die Lehrpersonen gegenseitig. In einigen Klassen war zudem auch die Forscherin anwesend, um weitere wertvolle Beobachtungen - das heisst Forschungsdaten - zum Lernen im CLIL-Unterricht zu sammeln. Phase 6: Reflexion und Untersuchung Die vorgängig beschriebenen Beobachtungs- und Evaluationsprozesse bilden eine solide Grundlage, damit das Gelingen der CLIL-Module in der sechsten Phase analysieret werden kann. Die Ziele dieser wichtigen letzten Phase sind: «To develop as CLIL-professionals, to gain confidence, to explore CLIL agenda, to take risks and move beyond the familiar, it is desirable that teachers belong to or build a professional learning community where everyone considers themselves as learners as well as teachers.» (Coyle et al. 2010, S. 69). Die Lehrpersonen sollen ihre Erfahrungen im Unterrichten von CLIL-Modulen reflektieren und - nach Möglichkeit - gemeinsam austauschen. In vorliegender Untersuchung passierte dieser Austausch an Auswertungs‐ treffen im Anschluss an jedes CLIL-Modul. An diesen Treffen, die ein essen‐ tieller Teil der Weiterbildungsveranstaltung für die Lehrpersonen bildeten, wurde gemeinsam evaluiert, wie das Gelingen der Lernaufgaben insgesamt eingeschätzt wurde und wie die heterogenen Schüler*innen die Lernangebote für den Aufbau von CLIL-Lernhandlungen nutzen konnten. 130 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="130"?> Die obigen Ausformulierungen zum sechsphasigen CLIL tool kit eröffneten bereits erste Einblicke in den weiteren praxisbezogenen als auch empirieorien‐ tierten Teil der Untersuchung. Insbesondere die eben beschriebenen Phasen 5 und 6 sind zentrale Bestandteile des erst nachfolgend vorgestellten Forschungs‐ vorgehens (siehe Kapitel 5.1). Diese Phasen der Implementierung und Auswer‐ tung der CLIL-Lernaufgaben kennzeichnen somit nicht nur dem Höhepunkt der Aufgabenentwicklung, sondern sie generieren gleichzeitig auch essenti‐ elle Daten für die empirische Untersuchung. Deshalb werden nachfolgend diesen beiden Phasen - quasi auf einer Meta-Ebene - besondere Beachtung geschenkt, um aus forschungsmethodischer Perspektive diesen Doppeldecker von CLIL-Umsetzung auf der Primarstufe und CLIL-Umsetzung als Forschungs‐ vorhaben genauer zu erläutern. 4.3 Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept: Lesson study Wie soeben dargelegt, bilden die erfolgreiche Implementierung der CLIL-Mo‐ dule und deren Auswertung zum einen das Kernstück der vorliegenden empi‐ rischen Untersuchung. Zum anderen verheisst die Durchführung in der Praxis auch das versprochene Lernerlebnis für alle Beteiligten einzulösen. Dies gilt sowohl für die Lehrpersonen, die sich für die Weiterbildungsveranstaltung zu CLIL angemeldet haben, als auch für deren Schüler*innen, die im Unterricht in beiden Fächern etwas Neues lernen möchten. Daher braucht es einen for‐ schungsmethodischen Ansatz, der diesen dreifachen Anforderungen Rechnung trägt: (1) Die Durchführung gelungener CLIL-Module auf der Primarstufe, die das duale Lernen der Schüler*innen sichtbar machen; (2) die professionelle Weiterbildung für die Lehrpersonen zur Unterrichtsentwicklung von CLIL in ihren heterogenen Klassen; und (3) die Generierung von informativen Daten, anhand denen sich empirisch die Chancen und Herausforderungen für die Umsetzung dieser CLIL-Module herauskristallisieren lassen. All diesen Ansprü‐ chen kann die spezialisierte und evidenzbasierte Form von Aktionsforschung namens ‘lesson study’ gerecht werden. Dies weil sie eine professionelle Analyse über das Lernen und Lehren anhand ausgewählter Unterrichtslektionen ermög‐ licht und für die Beteiligten sichtbar macht (Cerbin & Kopp 2006, S. 255; Svoboda 2019, S. 178). Lesson study ist eine ursprünglich aus Japan stammende «form of professional development that centers on collaborative study of live classroom lessons» (Lewis et al. 2006, S. 3). Der englische Begriff lesson study leitet sich aus einer direkten 131 4.3 Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept: Lesson study <?page no="131"?> Übersetzung aus dem Japanischen ab: jugyou (instruction or lesson) und kenkyuu (research or study) (Lewis et al. 2006, S. 3). Der japanische Begriff jugyou kenkyuu beschreibt somit den Prozess, bei dem eine Gruppe von Lehrpersonen voneinander lernen, indem sie gemeinsam Lektionen planen, durchführen und das Unterrichtsgeschehen in ausgewählten Lektionen (research lessons) beobachten, um Informationen über das Lehren und Lernen zu sammeln und dann gemeinsam zu analysieren (Lewis et al. 2009, S. 142). Anregungen für die Optimierung des Unterrichts können dadurch direkt aus der Unterrichts‐ praxis abgeleitet werden. Oder in den Worten von Stigler und Hiebert (1999, S. 111): «The premise behind lesson study is simple: If you want to improve teaching, the most effective place to do so is in the context of the classroom lesson. If you start with lessons, the problem of how to apply research findings in the classroom disappears. The improvements are devised within the classroom in the first place.» Ausgangspunkt bei jeder lesson study ist folglich das Lernen der Schüler*innen im Schulzimmer. Daraus entwickelt sich die kollaborative Unterrichtsforschung für und über das Lernen. Weil das Augenmerk auf das Lernen gelegt und evidenzbasiert erforscht wird, lernen die Lehrpersonen wertvolle Informationen über ihr Lehren (Mewald 2019, S. 18). In diesem Sinne generieren sich bei einer lesson study Erkenntnisse über Lernen, Lehren und Forschung in einem. Der Prozess einer lesson study durchläuft typischerweise die folgenden acht Phasen: (1) Als erstes wird von der Gruppe der Lehrperson das ‘Prob‐ lem’, demnach eine offene Frage entstanden aus einem Unterrichtssetting oder eingebracht aufgrund einer Forschungslücke, definiert. (2) Sobald das Forschungsziel festgehalten ist, wird die Lektion oder Lektionsreihe so geplant, dass die Lösung zu dem eben definierten ‘Problem’ in der Lektion adressiert wird. Typischerweise braucht dieser Planungsprozess viel Zeit, da die Planung durch Feedback von allen beteiligten Lehrpersonen in mehreren Durchgängen optimiert wird. Als drittes (3) wird die Lektion von einer Lehrperson unterrichtet während die anderen Kolleg*innen die Lektion beobachten. Dabei steht das Lernen der Schüler*innen im Fokus. Unter Umständen wird diese Lektion auch gefilmt, damit sie für spätere Analysen und weitere Diskussionen zur Verfügung steht. Nach Möglichkeit werden einige Schüler*innen nach der Lektion in Form eines Interviews zu ihren Lernerfahrungen befragt. (4) Im Anschluss an die Lektion setzen sich die Lehrpersonen zusammen und bespre‐ chen die Wirksamkeit des durchgeführten Unterrichts stets aus der Perspektive der Lernenden. Da alle Lehrpersonen bei der Planung und Ausarbeitung der Lektion geholfen haben, fühlen sich alle mitverantwortlich für das Gelingen der Umsetzung. Eine etwaige Kritik richtet sich demzufolge immer an die 132 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="132"?> ganze Gruppe der Lehrpersonen. (5) Basierend auf den Beobachtungen und Reflexionen wird die Lektion angepasst und weiter optimiert. (6) Dann wird die verbesserte Lektion unter Beobachtung der anderen Lehrpersonen erneut unterrichtet, aufgrund organisatorischer Gegebenheiten meist in einer anderen Klasse und von einer anderen Lehrperson. (7) Schliesslich wird die Lektion nochmals von den Lehrpersonen evaluiert und reflektiert. Wiederum stehen dabei die Lernprozesse der Schüler*innen im Zentrum. Dabei wird nun auch die anfänglich aufgestellte Frage beantwortet. (8) In einem letzten Schritt werden die gemachten Erfahrungen mit anderen interessierten Personen geteilt. Sei es in Form eines publizierten Berichts oder in Form eines Austausches mit Lehrpersonen anderer Schulen (Mewald 2019, S. 18-20; Stigler & Hiebert 1999, S. 112-116). Die acht Phasen sind in folgender Abbildung 16 zusammengefasst. Abbildung 16: Acht Phasen der lesson study (vgl. Stigler & Hiebert 1999, 112 ff) Den Aufschwung der lesson study ausserhalb von Japan fällt mit dem Erfolg der japanischen Unterrichtsmethoden im Zusammenhang mit der TIMSS Studie zusammen. Beim genaueren Betrachten, um Faktoren für den Unterrichts‐ erfolg in Japan auszumachen, fiel das Augenmerk auf die traditionsreiche kollaborative Zusammenarbeit der japanischen Lehrkräfte im Rahmen ihrer Unterrichtsvorbereitung und -auswertung. Diese regelmässigen, schulinternen Kollaborationen zwischen Lehrpersonen sind in Japan ein Teil ihres Berufsauf‐ trags (Stigler & Hiebert 1999, S. 110). Dieser «bottom-up approach to teacher development» wird seither als erfolgreiche Methode gehandelt, welcher positive Effekte auf das Lernen und Lehren, auf die Schule sowie auf gesamte Bildungs‐ systeme nachgesagt werden (Buchard & Martin 2017, S. 21). Heute lassen sich neben der ursprünglichen japanischen lesson study, die inzwischen auch in den USA weitverbreitet ist, zwei weitere Haupttypen unterscheiden. Zum einen die learning study, die als Adaption in Schweden und Hong Kong verbreitet ist; zum anderen die sogenannte UK lesson study, die hauptsächlich in Grossbritannien angewendet wird. (Buchard & Martin 2017, S. 22) Die Letztere ist deshalb richtungsweisend für die vorliegende Arbeit, weil deren Unterrichtsbeobachtungsschwerpunkt auf drei ausgewählte 133 4.3 Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept: Lesson study <?page no="133"?> Schüler*innen, die sogenannten case pupils, gerichtet ist. Diese drei Lernenden fungieren dabei als Vertreter der heterogenen Klasse. Dank ihnen lässt sich sicherstellen, dass während der Lektionen alle Leistungsgruppen berücksichtigt werden und bestimmen, ob der geplante Lernprozess sowohl für leistungsstarke und durchschnittliche als auch lernschwache Schüler*innen passend ist. Diese drei case pupils werden im Unterricht nicht nur besonders genau beobachtet, sondern werden nach Möglichkeit im Nachgang der Lektionen befragt (Dudley 2014, S. 4). Ausgehend der Annahme, dass Lehrpersonen ihre Professionalität vor allem durch regelmässigen, geplanten Austausch mit Kolleg*innen entwickeln, sind bei der lesson study gegenseitige Hospitationen und gemeinsame Reflexionen über das beobachtete Unterrichtsgeschehen Schlüsselelemente (Saito et al. 2015, S. 17). Das gemeinsame Ziel der Unterrichtsoptimierung kann nämlich dann erreicht werden, wenn die eigenen Vorstellungen von Lehren mit den Denkhandlungen der Lernenden verglichen und im Austausch sichtbar gemacht werden (Lewis et al. 2006, S. 286). Studien haben gezeigt, dass die lesson study positive Auswirkungen auf das Lernen der Schüler*innen hat und sich solche Effekte auf das Lernen der Lehrpersonen zurückführen liessen (Dudley 2014, S. 4). Idealerweise wird die Gruppe von Lehrpersonen mit einem ‘outside speci‐ alist’ ergänzt. Folglich einer Person, die die Theorie sowie Praxis kennt, beratend sowie unterstützend mitarbeitet und Interaktionen anregt sowie bereichert. (Lewis et al. 2009, S. 142; K. Wood 2015, S. 16) In der Einleitung dieses Kapitels wurde bereits geltend gemacht, dass sich der Ansatz der lesson study aufgrund dessen Berücksichtigung aller drei Ebenen Lernen, Lehren und Forschen für die vorliegende Untersuchung eignet: «The strength of learning study [Anmerkung: lesson study] is that it is a collaborative, iterative process that integrates teaching, learning, theory and research.» (Durden 2018, S. 58) Zusätzlich und daran anknüpfend zeichnet sich die Passung der lesson study für diese Studie in folgenden weiteren Gründen aus. Erstens lässt sich die lesson study im sozial-konstruktivistischen Lehr-Lernverständnis verankern. Einerseits hat das damit zu tun, dass die japanischen Lehrpersonen in ihren Lektionen konstruktivistisch vorgehen. Dies indem sie ausgehend von einem Problem, die Lernenden zum Denken herausfordern und so zum eigenen Konstruieren der Lösung durch den Austausch in der Klasse anregen (Stigler & Hiebert 1999, S. 91). Anderseits treibt dieses Lehr-Lernverständnis die Lehrkräfte auch in ihrem eigenen Lernen an, weil bei der Umsetzung einer lesson study die Beschäftigung mit einem Problem oder mit einer unbeantwor‐ teten Frage ihre individuellen mentalen Schemata über Lehrpraxen verändert und optimiert werden. Dies geschieht, wenn die eigenen Vorstellungen von 134 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="134"?> gutem Unterricht beim Beobachten der research lesson oder beim gemeinsamen Reflektieren von denjenigen der Kolleg*innen abweichen. Wenn Lehrpersonen ihre Meinungen revidieren und sich so Veränderungen in deren Unterricht entwickeln können, findet Lernen statt (Lewis et al. 2006, S. 286). Auch wenn erst spärliche Forschungsergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit der lesson study vorliegen, so zeigen erste Befunde positive Wirkungen von Professionali‐ sierungsvorgängen, die dank dem lesson study-Ansatz erreicht werden konnten (vgl. Rzejak 2019, S. 124). Zweitens passt der zirkuläre Prozess der lesson study zum Ablauf und der Planung des vorgegebenen Weiterbildungsangebots, mit welchem die Lehrper‐ sonen für die Teilnahme für dieses Forschungsvorhaben rekrutiert wurden. Die Kursdaten des Weiterbildungsangebotes wurden so gewählt, dass sich die Lehr‐ personen im Verlauf eines Schuljahres insgesamt viermal treffen. Dazwischen sollen die Umsetzungen der beiden CLIL-Module stattfinden. Durch diesen zeitlichen Aufbau kann garantiert werden, dass genügend Zeit bleibt, um die ge‐ wonnen Erfahrungen aus der Umsetzung des ersten CLIL-Moduls für das zweite CLIL-Modul zu optimieren. Die Passung der lesson study zum vorgegebenen Weiterbildungsangebot wird dadurch verstärkt, weil eine enge Kollaboration von Lehrpersonen, Schulklassen und Forscherin ermöglicht wird. Denn ähnlich wie bei anderen Arten der Aktionsforschung wachsen bei der lesson study alle am Vorhaben beteiligten Akteure zu einer engen Forschungsgruppe zusammen, in der die Forscherin die Leitung übernimmt und die Rolle des erwähnten outside specialist einnimmt. Drittens überzeugt der Ansatz der UK lesson study mit der Besonderheit der drei case pupils, um den in der vorliegenden Untersuchung prominenten Fokus der Heterogenität zu wahren. Die drei von der Lehrperson ausgewählten Schüler*innen repräsentieren die Gruppe von schwachen, durchschnittlichen und starken Englischlernenden der Klasse. Dadurch, dass die lesson study immer eine Optimierung des Lernens der Schüler*innen beabsichtigt (Stigler & Hiebert 1999, S. 121), wird der Fokus bei der Untersuchung konsequent auf die drei unterschiedlichen Lernenden gerichtet sein, um Aussagen über die Qualität des CLIL-Lernens für heterogene Klassen machen zu können. Weiter passt das Konzept der lesson study auch deshalb zu vorliegender Arbeit, weil es in asiatischen Ländern stark verbreitet und zunehmend - zum Beispiel auch in Singapur - umgesetzt wird (Kim-Eng Lee & Lim-Ratnam 2018, S. 957). Da die Forscherin während des Verfassens dieser Dissertation teilweise in Singapur wohnhaft war, gab es verschiedene Gelegenheiten im Austausch mit Expert*innen vor Ort mehr über diese Forschungs- und Weiterbildungsmethode zu erfahren. In diesem Zusammenhang konnte ebenfalls in Erfahrung gebracht 135 4.3 Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept: Lesson study <?page no="135"?> werden, dass die lesson study gar als effektives Weiterbildungsgefäss explizit für die Professionalisierung von CLIL-Lehrpersonen in Hong Kong vorgeschlagen wird. Dies weil die lesson study es den Lehrpersonen unter Einbezug der kon‐ textuellen Gegebenheiten ermöglicht, CLIL-Lektionen kollaborativ zu planen sowie auszuwerten und sie dadurch die CLIL-Praxis zugeschnitten auf die örtlichen Gegebenheiten optimieren können (Lo 2020, S. 150). Schliesslich, da der Ansatz der lesson study in der Deutschschweiz und insgesamt im deutschsprachigen Raum noch wenig verbreitet ist (Rzejak, 2019, S. 128), könnte die vorliegende Arbeit zu deren vermehrten Beachtung beitragen. In diesem Sinne könnte die durch die vorliegende Untersuchung initiierte Auseinandersetzung mit lesson study zukünftig einen Beitrag an die Verbreitung dieses Unterrichtsentwicklungs- und Forschungskonzept in der Deutschschweiz sein. Basierend auf diesen Überlegungen ist der Ansatz der lesson study richtungs‐ weisend für die Implementierung und Auswertung der CLIL-Module und fungiert somit in diesem Setting sowohl als Unterrichtsentwicklungsals auch als Forschungskonzept. Obschon gemeinsame, typische Merkmale die lesson study charakterisiert, so zeigt die Realität, dass das Konzept stets auf den spezifischen Untersuchungskontext zugeschnitten werden muss (vgl. K. Wood 2018, S. 4). Wie die lesson study in leicht adaptierter Weise ganz konkret als Forschungsdesign in der vorliegenden Untersuchung fungiert, wird Gegenstand des Kapitels 5.3 sein. Da nun wichtige forschungsmethodische Hintergründe geklärt wurden, bietet sich die Gelegenheit die Forschungsfragen zu konkreti‐ sieren. 4.4 Konkretisierung der Forschungsfragen Im Grunde will die vorliegende empirische Untersuchung die Chancen und Herausforderungen von aufgabenorientiertem CLIL-Unterricht in der Fächer‐ kombination Englisch und BG für die heterogenen Primarschulklassen in Erfahrung bringen. Das Herzstück dieser Untersuchung bildet die Implemen‐ tierung der CLIL-Module im Unterrichtsgeschehen. Anstoss dazu gibt der Lehrplan 21 mit seiner Anregung bilinguale Lerneinheiten als Ergänzungen zum traditionellen Fremdsprachenunterricht anzubieten (D-EDK 2014 Spra‐ chen, Didaktische Hinweise). Das Ziel der bislang theoriebasierten Auseinan‐ dersetzung war zu beschreiben, wie solche CLIL-Module auf der Zielstufe kontextuell am sinnvollsten eingebettet werden können, so dass sie ein hohes Lernpotential ausweisen und bestmöglich zum CLIL-Lernen anregen. Demnach 136 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="136"?> wurde erarbeitet, welche didaktisch-methodischen Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welches Weiterbildungsals auch Forschungskonzept für deren Umsetzung und Evaluation am besten taugt. Bei all diesen Überlegungen war stets der Good Practice-Ansatz leitend. Dieser wird deshalb immer wieder betont, weil - wie auch Hattie feststellt - die allermeisten Innovationen in den Schulzimmern funktionieren und als Konsequenz ‘erwartungsgemäss’ zu einem positiven Ergebnis führen. Deshalb ist es von grösserem Interesse zu fragen, was besonders gut funktioniert (Hattie 2015, S. 20, 23). ‘Good Practice’ wird hier definiert als eine «practice that is regarded as making a positive contribution, adding value to the provision and student learning experience and which is worthy of wider dissemination.» (De Monfort University Leicester, 2018, S. 1). Im Bildungsbereich ist das übergeordnete Ziel einer Good Practice-Studie sowohl deskriptive als auch empirisch-begründete Aussagen darüber zu machen, was im spezifischen Unterrichtskontext gut funktioniert und wie Lernen erfolgreich gelingen kann (Arendale 2010, S. 1). Im Gegensatz zu dem oft benutzten, teils gar synonymisch verwendeten Begriff ‘Best Practice’ (Veselý 2011, S. 100), erhebt der Good Practice-Ansatz nicht den Anspruch die einzig beste Lösung zu präsentieren, sondern unterbreitet eine gewinnbringende Unterrichtspraxis unter Berücksichtigung der gegebenen Verwirklichungsbedingungen. Um nun diese der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegenden mitbetei‐ ligten Faktoren von Unterrichtsqualität zu veranschaulichen, eignet sich das Angebots-Nutzungs-Modell (z. B. Helmke 2012, S. 71). Wie die nachfolgende Ab‐ bildung 17 visualisiert, kann Unterrichtsqualität als ein komplexes Spannungs‐ feld eines bereitgestellten unterrichtlichen Angebots angesehen werden, das von den verschiedenen Lernenden entsprechend ihren heterogenen Vorausset‐ zungen und unter Einwirkung anderer kontextuellen Faktoren unterschiedlich genutzt werden kann. Zugrunde liegt diesem Modell somit die Vorstellung, dass Schüler*innen ihr Lernen aktiv ko-konstruieren. Oder in Helmkes Worten: «Un‐ terricht ist lediglich ein Angebot; ob und wie effizient dieses Angebot genutzt wird, hängt von einer Vielzahl dazwischenliegenden Faktoren ab.» (Helmke 2012, S. 71-72) Das Modell ist als Rahmen und die darin aufgeführten Angaben sind als exemplarisch zu interpretieren (Vieluf et al. 2020, S. 66), weshalb es für die Sichtbarmachung relevanter Merkmale in dem vorliegenden Forschungskontext mit zwei Angaben zum CLIL-Unterricht (vgl. grauhinterlegten Felder) ergänzt wurde. 137 4.4 Konkretisierung der Forschungsfragen <?page no="137"?> LERNAKTIVITÄTEN (Nutzung) Aktive Lernzeit im Unterricht LEHRPERSON Professionswissen fachliche, didaktische, diagnostische und Klassenführungs- Kompetenz pädagogische Orientierungen Erwartungen und Ziele Engagement, Geduld, Humor UNTERRICHT (Angebot) Prozessqualität des Unterrichts fachübergreifend fachspezifisch Qualität des Lehr- Lern-Materials FAMILIE strukturelle Merkmale (Schicht, Sprache, Kultur, Bildungsnähe); Prozessmerkmale der Erziehung und Sozialisation LERNPOTENTIAL Vorkenntnisse, Sprache(n), Intelligenz, Lern- und Gedächtnisstrategien; Lernmotivation, Anstrengungsbereitschaft, Ausdauer, Selbstvertrauen WIRKUNGEN (Ertrag) fachliche Kompetenzen fachübergreifende Kompetenzen erzieherische Wirkungen der Schule KONTEXT kulturelle Rahmenbedingungen regionaler Kontext Schulform, Bildungsgang Klassenzusammensetzung didaktischer Kontext Schulklima, Klassenklima Unterrichtszeit Wahrnehmung und Interpretation 1) CLIL- Lernaufgaben 2) CLIL- Lernen Abbildung 17: Ergänztes Angebot-Nutzungs-Modell (Helmke 2012, S. 71) Wie die in obiger Illustration grauhinterlegten Felder zeigen, berücksichtigt die vorliegende Untersuchung beide Seiten der Angebots- und Nutzungsebenen. Dies wird nachfolgend genauer erläutert. Im letzten Hauptkapitel wurde die Notwendigkeit aufgezeigt, dass die CLIL-Lernaufgaben (1) (vgl. Abbildung 17) als Unterrichtsangebot fundiert auf verschiedenen theoretischen Erkenntnissen (z. B. sozial-konstruktivistisches Verständnis und Kompetenzorientierung) konstruiert werden müssen (siehe Kapitel 3.1). In diesem Zusammenhang wurden relevante, allgemeine und fachspezifische Qualitätsmerkmale für Lernaufgaben für den vorliegenden CLIL-Kontext erarbeitet (siehe Kapitel 3.5). Zudem wurde ein umfassendes Vorgehen aufgezeigt, wie das Set an Lernaufgaben unter Berücksichtigung der Kompetenzbeschreibungen aus dem Lehrplan 21 aus beiden Fächern Englisch und BG erarbeitet werden kann (siehe Kapitel 4.2). Gemäss Helmke können Lernaufgaben als «Schlüssel für guten Unterricht» fungieren (Helmke 2015, S. 74) sofern sie im Unterricht gut kommuniziert und mit Scaffolding begleitetet werden (Thonhauser 2016, S. 188). Letztere Ergänzung hat insbesondere ihre Gültigkeit im Fremdsprachenunterricht (siehe Kapitel 3.6). Das unterrichtliche 138 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="138"?> Angebot besteht somit in vorliegender Untersuchung aus der Bereitstellung von qualitätsvollen, potentiell ertragreichen CLIL-Lernaufgaben plus der damit verbundenen Lernbegleitung und Unterstützung während des Unterrichts (vgl. Abbildung 15). Dieses Angebot wird ferner so verstanden, dass es von der Lehrperson mit dem Einbringen der Lernaufgaben initiiert und instruiert, jedoch durch die Interaktion zwischen Lehrperson und Lernenden weiter ausgebaut wird (Helmke 2012, S. 76). Ausgehend dieser Auffassung zielt die vorliegende Good Practice-Studie in einem ersten Schritt auf eine Optimierung des Lernangebots ab. Dies wird durch die Bereitstellung von CLIL-Lernaufgaben erreicht, die eine hohe Passung zu den aus der Theorie erarbeiteten Qualitätskriterien ausweisen und folglich ein grosses Potential für das duale Lernen in dieser Fächerfusion versprechen. Um die Qualität des Lernangebots in Erfahrung zu bringen, werden die konzipierten Lernaufgaben mitsamt dem vorbereiteten Scaffolding rund um die Aufgabenbe‐ gleitung von verschiedenen Instanzen in einem mehrschrittigen Verfahren zu verschiedenen Zeitpunkten in Bezug auf die fünf Qualitätsmerkmale evaluiert. Dadurch kann mehrperspektivisch die Qualität des Aufgabensets festgestellt und gegebenenfalls vor dessen Einsatz im Unterricht optimiert werden. Im Nachgang dessen Implementierung im Unterricht können zudem Aussagen über dessen Gelingen in der Praxis gemacht werden und jene Lernaufgaben bestimmt werden, die besonders gut funktionierten. Aus diesen Überlegungen resultieren somit die erste übergeordnete Forschungsfrage und ihre Teilfragen. Forschungsfrage I: Inwiefern gelingt es auf Grundlage theoriebasierter Quali‐ tätskriterien Lernaufgaben mit hohem CLIL-Lernpotential für die Fächerkom‐ bination Englisch und BG zu entwickeln? • Wie schätzen Didaktik-Expert*innen die Qualität des CLIL-Aufgabesets ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen die Qualität des CLIL-Aufgabensets ein? • Welche Lernaufgaben eignen sich besonders für das CLIL-Lernen in den heterogenen Klassen? Das übergeordnete Ziel dieser mehrschrittigen Analyse der Lernaufgaben ist somit die Bereitstellung eines optimierten Unterrichtsangebots, so dass sich während der Implementierung der Fokus auf dessen Nutzung durch die Schüler*innen mit unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen für ihr CLIL-Lernen (2) (vgl. Abbildung 17) gerichtet werden kann. ‘Gute’ Lernauf‐ gaben sind das eine, doch inwiefern daraus gut nutzbare Lernangebote werden, ist eine hochrelevante Fragestellung für die fremdsprachliche - und bestimmt auch für jede andere unterrichtliche - Forschung (Thonhauser 2016, S. 188). 139 4.4 Konkretisierung der Forschungsfragen <?page no="139"?> 14 In vorliegender Arbeit werden die Begriffe ‘Lernhandlungen’, ‘Lernleistungen’ und ‘Performanz’ folgendermassen verwendet: Während mit Lernhandlung auf de‐ skriptiver Ebene die beobachtbare Aktivität des Lernens gemeint sind, werden Per‐ formanz oder Lernleistung als Synonyme verwendet und bezeichnen die sichtbarge‐ machten Kompetenzen. Der Begriff Lernhandlung bezieht sich somit mehr auf die zählbaren, quantifizierenden Handlungen oder Aktivitäten rund um das Lernen als Prozess. Performanz oder Lernleistung geben Auskunft über die Qualität und die Zielerreichung des im Unterricht intendierenden Lernens als Produkt. In vorliegender Untersuchung stehen die beobachtbaren Lernhandlungen für die Ergründung der Nutzung im Vordergrund. Wo passend werden ausgehend von diesen wahrgenom‐ menen Lernhandlungen im Diskussionsteil (tentative) Rückschlüsse auf die Performanz gemacht. Aussagen über die Wirkungen des CLIL-Unterrichts (vgl. Abbildung 17) zu geben sind jedoch nicht Ziel der vorliegenden Untersuchung. Demnach sind bei der Implementierung der CLIL-Module jene Momente von Interesse, in denen die Schüler*innen sich mit den bereitgestellten CLIL-Lern‐ aufgaben intensiv auseinandersetzen und bei denen sie fremdsprachliche sowie inhaltliche Lernhandlungen zeigen. Es wird hier bewusst von Lernhandlungen gesprochen, weil Lernen als innerer, kognitiver und emotionaler Prozess in vorliegender Untersuchung nur über beobachtbare Handlungen, über task outcomes und über das reflektierende Sprechen über das Gelernte erfasst werden kann. Das Erfassen solcher kommunikativen Sprachlernhandlungen und bildnerischen Prozessen als auch Produkten erlaubt es schliesslich Aus‐ sagen über die Nutzung des CLIL-Unterrichts zu machen und weiterführend - falls sinnvoll und relevant - vorsichtige Rückschlüsse auf die Performanz oder Lernleistung zu diskutieren 14 . Dabei, wie bereits mehrmals betont, ist der Aspekt der Differenzierung für die vorliegende Untersuchung bedeutungsvoll. Dies nicht nur, weil die Lernenden der Primarstufe naturgemäss eine grosse Heterogenität ausweisen, sondern weil im vorliegenden Kontext von CLIL das Lernen durch und in der Fremdsprache eine zusätzliche Hürde darstellt. Somit werden die Nutzung der CLIL-Lernangebote in jeder Klasse konsequent aus der Sicht von drei individuellen Lernenden, den sogenannten case pupils, betrachtet, die unterschiedliche Leistungsvoraussetzungen im Fach Englisch mitbringen. Basierend auf diesen Überlegungen lassen sich die Forschungsfrage II und ihre Teilfragen ableiten. Forschungsfrage II: Wie nutzen Primarschulkinder mit heterogenen Eng‐ lisch-Leistungsvoraussetzungen diese CLIL-Lernangebote? • Welche tatsächlichen CLIL-Lernangebote ergeben sich bei der Umsetzung des Aufgabensets und wie sind diese organisiert? • Wie nutzen die drei case pupils die unterschiedlichen Lernangebote für das CLIL-Lernen, somit für das fremdsprachliche und inhaltliche Lernen? 140 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="140"?> • Welche Qualität von CLIL-Lernhandlungen lassen sich bei den drei case pupils erkennen? Die Forschungsfrage II in Bezug auf die Nutzung der Lernaufgaben lässt sich durch Beobachtungen im Unterrichtsgeschehen beantworten. Jedoch, um die Nutzung des bereitgestellten CLIL-Lernangebots ganzheitlicher zu verstehen, sollen die Beobachtungen mit den Sichtweisen und Einschätzungen aller Betei‐ ligten ergänzt werden. Dafür werden die Lehrpersonen und die Schüler*innen, insbesondere die case pupils, zu ihren Einschätzungen bezüglich nutzbringender und limitierender Faktoren rund um das CLIL-Lernen und Lehren befragt. Daraus leitet sich die dritte und letzte Forschungsfrage und ihre Teilfragen ab. Forschungsfrage III: Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der Implementierung des aufgabenorientierten CLIL-Unterrichts in den heterogenen Primarschulklassen? • Welche Chancen und Herausforderungen erkennen Lehrpersonen? • Welche Chancen und Herausforderungen nennen Lernende? Nachdem die Forschungsfragen nun begründet dargelegt und auf dem An‐ gebots- und Nutzungsmodell verortet wurden, soll an dieser Stelle eine ab‐ schliessende Bemerkung angebracht werden. Zur Verdeutlichung der vorlie‐ genden Forschungsabsichten wurde bewusst das Angebot-Nutzungs-Modell von Helmke (2012) gewählt, weil der Aufbau dieses Modells kongruent mit dem chronologischen Ablauf dieser Untersuchung ist. Das Modell suggeriert demnach, dass das unterrichtliche Angebot, hier realisiert mit der Entwicklung der CLIL-Lernaufgaben, die primäre Basis bildet, um nachfolgend deren Nut‐ zung für das bilinguale Lernen zu untersuchen. Das ist einerseits korrekt, weil das Angebot einen direkten Einfluss auf die Nutzung hat; anderseits ist diese Betrachtungsweise aber auch eine Simplifizierung, weil die Nutzung ebenso Rückschlüsse auf das Angebot geben kann (Vieluf et al. 2020, S. 71). Diese reziproke Beziehung zwischen Angebot und Nutzung wird zwar nicht als trivial betrachtet (siehe Kapitel 7.4.2), ist an dieser Stelle für das Verständnis des Forschungsvorhabens jedoch nicht zentral. 4.5 Begründung der forschungsmethodischen Ausrichtung Wie aus obiger Aufschlüsselung der Forschungsfragen ersichtlich wird, braucht es für deren Beantwortung unterschiedliche Daten aus verschiedenen Perspek‐ tiven, die wiederum mit verschiedenen Instrumenten und Methoden erhoben als 141 4.5 Begründung der forschungsmethodischen Ausrichtung <?page no="141"?> auch ausgewertet werden müssen. Auch wenn das vorliegende Forschungsvor‐ haben auf dem Kontinuum von quantitativen zu qualitativen Forschungspara‐ digma aufgrund seines explorativen Zugangs zum Forschungsfeld mit relativ kleiner Anzahl Fälle auf der qualitativen Seite zu liegen kommt, so kann es insgesamt als mixed-methods Vorgehen betrachtet werden. «Mixed methods research is a type of research in which a researcher or a team of researchers combines elements of qualitative and quantitative research approaches for the broad purposes of breadth and depth of understanding and corro‐ boration.» (R. B. Johnson et al. 2007, S. 123). Das Ziel qualitative und quantitative Forschungsvorgehen zu kombinieren liegt demnach darin, den Forschungsge‐ genstand breit abgestützt und vertieft zu verstehen. Es gibt verschiedene Arten, wie die Vermischung der beiden Forschungstraditionen organisiert werden kann. Im vorliegenden Fall würde man daher von einem ‘qualitative dominant mixed-methods’ Forschungsansatz sprechen, weil das vorwiegend qualitative Vorgehen mit quantitativen Daten und Auswertungsmethoden bereichert wird. (R. B. Johnson et al. 2007, S. 124) Neben dem Kernanliegen vertiefte Einblicke in die Daten zu erlagen, bringt ein mixed-methods Vorgehen eine Vielzahl weiterer Vorteile mit sich. Erstens werden damit die beiden Forschungsparadigmen, beide mit ihren inhärenten Schwächen, trianguliert. Diese Methoden-Triangulation verhilft dazu, den gleichen Forschungsgegenstand unter verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten: «Words can be used to add meaning to numbers and numbers can be used to add precision to words.» (Dörnyei 2007, S. 45) Dies führt nicht nur zu differenzierteren Einsichten in ein bestimmtes Phänomen, sondern kann zugleich in mehr Validität resultieren (Dörnyei 2007, S. 42-44). Zweitens wird insbesondere für die fremdsprachendidaktische Empirie, aufgrund der zurzeit dort vorherrschenden qualitativen Ausrichtung, eine Weiterentwicklung in Richtung mixed-methods Zugang als wichtig befunden (Bonnet 2012, S. 75; Schramm 2016, S. 56). In diesem Sinne unterstützt das hier gewählte Vorgehen ein zentrales forschungsmethodisches Anliegen aus der Fremdsprachendidaktik. Drittens sind sich erfahrene Wissenschaftler einig, dass für das Verstehen der komplexen Zusammenhänge bei der Unterrichtsforschung das Mischen von Methoden unverzichtbar ist (Dörnyei 2007, S. 177). Dies gilt ganz besonders für den versatilen CLIL-Unterricht, dessen Forschungsergebnisse oftmals an einen ganz spezifischen Kontext gebunden präsentiert werden. Dank der Kombination von quantitativen und qualitativen Forschungszugängen könnten die verschie‐ denartigen CLIL-Settings einerseits breiter ergründet werden; anderseits die daraus resultierenden Erkenntnisse über die lokalen Gegebenheiten hinaus 142 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="142"?> besser nachvollziehbar interpretiert werden (Dalton-Puffer et al. 2010, S. 11; Klein 2019, S. 183). Schliesslich erreicht man dank einem mixed-methods Vorgehen auch ein breiteres Zielpublikum, weil es Forschende mit sowohl qualitativen als auch quantitativen Hintergrund anspricht: «A well-executed mixed methods study has multiple selling points and can offer something to everybody, regardless of the paradigmatic orientation of the person.» (Dörnyei 2007, S. 177) 4.6 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen In diesem Hauptkapitel wurde aufgezeigt, wie auf den in den vorgängigen Hauptkapiteln präsentierten theoriebasierten Vorannahmen die praktischen CLIL-Module entwickelt werden sollen. Dabei wurde ebenfalls ersichtlich, dass deren Planung, Implementierung und Evaluation die fundamentale Grundlage nachfolgenden empirischen Untersuchung bildet. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Komplexität dieser Untersuchung im Forschungsfeld aufmerksam gemacht, weil die CLIL-Module insgesamt den Ansprüchen der Lernenden, der Lehrpersonen und der Forscherin genügen müssen. Das Wei‐ terbildungs- und Forschungskonzept der lesson study wurde deshalb als ein ideales Vorgehen vorgestellt, weil sich damit die Aspekte von Lernen, Lehren und Forschen geschickt kombinieren lassen und so allen an der vorliegenden Forschung beteiligten Personen gerecht werden kann. Die verschiedenen Ansprüche und Perspektiven der Forschungsteilnehm‐ enden werden jedoch nicht nur bei der Planung, Implementierung und Evalua‐ tion der CLIL-Module berücksichtigt, sondern sie beeinflussen in dieser Kom‐ plexität auch den gesamten Forschungsprozess. Um dieser Vielschichtigkeit Rechnung zu tragen, wurde deshalb ein mixed-methods Forschungsvorgehen gewählt. Damit sollen die ebenfalls in diesem Kapitel hergeleiteten drei über‐ geordneten Forschungsfragen und ihre Teilfragen differenziert beantwortet werden können. Auf übergeordneter Ebene sind all diese Entscheidungen zudem vom Good Practice-Ansatz bestimmt. Dieser ist für die Umsetzung der gesamten Studie wegweisend, weil damit eine geeignete und innovative Lösung gefunden werden soll, wie der im Lehrplan 21 geltend gemachte Vorschlag des bilingualen Unterrichts auf der heterogenen Primarstufe bestmöglich umgesetzt werden kann. Diese Ambition setzt sich bei der Umsetzung der empirischen Studie auf forschungsmethodischer Ebene fort. Verschiedene Entscheidungen müssen in diesem Zusammenhang getroffen werden, damit das vorliegende Forschungs‐ 143 4.6 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen <?page no="143"?> vorhaben bestmöglich gelingt und ertragreiche Daten liefert, mit denen der Good Practice-Anspruch eingelöst werden kann. Im nächsten Hauptkapitel wird die empirische Untersuchung mit all ihren Facetten dargelegt. 144 4 Von theoriebasierten Aufgabensets zu qualitätsvollen CLIL-Modulen <?page no="144"?> Teil 2: Der empirische Teil <?page no="146"?> 15 Die Voranstellung des Forschungsdesigns vor der Beschreibung des Kontexts und Samplings, wie es gemäss APA für den Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit vorge‐ sehen wäre (American Psychological Association 2010, S. 30-31), wurde hier bewusst zugunsten einer besseren Verständlichkeit vorgenommen. 5 Die empirische Untersuchung Dieses Hauptkapitel beschäftigt sich mit der empirischen Untersuchung und macht in diesem Zusammenhang alle forschungsmethodischen Entscheidungen transparent, die für die Implementierung und Evaluation der aufgabenorien‐ tieren CLIL-Module im Rahmen dieser Good Practice-Studie getroffen wurden: angefangen mit der Einschätzung der Aufgabenqualität von den verschie‐ denen Expert*innen und Lehrpersonen, über die eigentliche Durchführung der CLIL-Module in den Primarschulklassen, bis hin zu unterschiedlichen Befragungen der am Forschungsvorhaben beteiligten Personen. Dafür wird in einem ersten Schritt das spezifische Forschungsdesign samt visualisieren Ablauf der Datenerhebung vorgestellt 15 . Daran anknüpfend folgen differenzierte Angaben zum Forschungskontext und Sampling. Dabei werden auch die am Forschungsvorhaben beteiligten Lehrpersonen und ihre Schulklassen porträ‐ tiert. Im Anschluss wird auf die unterschiedlichen Forschungsinstrumente für die Datenerhebung eingegangen, bevor schliesslich die verschiedenen Aus‐ wertungsmethoden für die Datenanalyse erläutert werden. Ganz am Schluss dieses Hauptkapitels werden Aussagen zur Qualität der Untersuchung in Bezug auf die klassischen Gütekriterien und zu ethischen Überlegungen gemacht. Insgesamt ebnet dieses Hauptkapitel den Weg für die umfassende Darstellung und Diskussion der Ergebnisse in den nachfolgenden Hauptkapiteln. 5.1 Forschungsdesign Das vorliegende qualitativ-dominate mixed-methods Forschungsvorhaben findet, wie jede Art von qualitativer Forschung, nicht unter Laborbedingen sondern im realen Feld statt (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 39). Der gesamte Forschungsprozess - von der Evaluation der Lernaufgaben über die Implementierung der CLIL-Module bis zu deren Auswertung - ist in der sche‐ matischen Übersicht auf der nachfolgenden Seite in chronologischer Abfolge illustriert. <?page no="147"?> Task evaluation (by experts) Research question I Questionnaire for teachers about initial expectations Kick-off meeting (3h) • Planning of CLIL-module (focus on tasks & scaffolding) • Organising research lesson • Choosing 3 case pupils Pre-CLIL-module questionnaire for pupils Implementation of CLIL-Modul I (6 lessons over 3 weeks) (Pilot) Research question II Post-CLIL-module questionnaire for pupils Follow-up meeting (2 x 1.5h) • Comparing initial expectations and outcome with regard to CLILlearning, tasks & scaffolding • Discussing benefits & challenges • Reflecting on overall research questions: Research question II Research question III Task evaluation (by teachers) Research question I Timeline CLIL Modul I Task evaluation (by experts) Research question I Kick-off meeting (3h) • Planning of CLIL-module (focus on tasks & scaffolding) • Choosing 3 case pupils Implementation of CLIL-Modul II (6 lessons over 3 weeks) Research question II Follow-up meeting (2 x 1.5h) • Comparing initial expectations and outcome with regard to CLILlearning, tasks & scaffolding • Discussing benefits & challenges • Reflecting on overall research questions: Research question II Research question III Task evaluation (by teachers) Research question I Timeline CLIL Modul II Double lesson I Double lesson II Double lesson III Group interview with case pupils Reflective written notes from teachers mailed to researcher observation of case pupils observation of case pupils observation of case pupils Double lesson I Double lesson II Double lesson III Short post-lesson questionnaires Group interview with case pupils Reflective written notes from teachers mailed to researcher observation of case pupils observation of case pupils observation of case pupils Abbildung 18: Schematische Darstellung des Forschungsvorhabens 148 5 Die empirische Untersuchung <?page no="148"?> Auf dieser Abbildung 18 wird ersichtlich, dass es sich um ein mehrphasiges Forschungsdesign handelt, das in zwei fast identischen Zyklen durchgeführt wird. Im ersten Zyklus oben steht das CLIL-Modul I im Zentrum, im unteren Bereich folglich der zweite Zyklus mit dem CLIL-Modul II. Das Kernstück der beiden Forschungszyklen bilden die praktischen Implementierungen der CLIL-Module in der Schulpraxis während jeweils drei Wochen. Vor und nach dieser Durchführung der CLIL-Module finden die Evaluation der Lernaufgaben und verschiedentliche Befragungen der Beteiligten statt. Beim genauen Be‐ trachten der Abbildung wird ersichtlich, dass die praktische Umsetzung des CLIL-Modul I als Pilot fungiert. Um den Zusammenhang zwischen dem Forschungsdesign und den For‐ schungsabsichten zu erkennen, wurden die drei übergeordneten Forschungs‐ fragen in den grafischen Forschungsablauf integriert und werden hier zur leichteren Orientierung nochmals genannt: • Forschungsfrage I: Inwiefern gelingt es auf Grundlage theoriebasierter Qualitätskriterien Lernaufgaben mit hohem CLIL-Lernpotential für die Fächerkombination Englisch und BG zu entwickeln? • Forschungsfrage II: Wie nutzen Primarschulkinder mit heterogenen Eng‐ lisch-Leistungsvoraussetzungen diese CLIL-Lernangebote? • Forschungsfrage III: Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der Implementierung des aufgabenorientierten CLIL-Unterrichts in den heterogenen Primarschulklassen? Zwecks Übersichtlichkeit wird das komplexe Forschungsvorhaben für die nachfolgende Vorstellung in zwei Teile gegliedert. Zum einen in den in der Abbildung 18 grau hinterlegten Teil, der sich mit der Evaluation der CLIL-Lernaufgaben befasst und somit die Forschungsfrage I adressiert. Zum anderen in den gesamten Forschungszyklus rund um die Implementierung der CLIL-Module und die damit verbundenen Befragungen der Lehrpersonen und Lernenden, welche im Schema weiss hinterlegt sind und auf die Beantwortung der Forschungsfragen II und III abzielen. 5.2 Evaluation der Lernaufgaben Im Hinblick auf die Forschungsfrage I ist von Interesse in Erfahrung zu bringen, inwiefern es gelingt, lernanregende Aufgabensets für die beiden CLIL-Module zu entwickeln, die die fünf literaturbasierten Qualitätsmerkmale (siehe Ka‐ pitel 3.5) hinreichend abbilden. Um diese Forschungsfrage beantworten zu 149 5.2 Evaluation der Lernaufgaben <?page no="149"?> 16 Objektiv ist deshalb in Anführungs- und Schlusszeichen, weil eine wirklich reine objektive Sichtweise hier nicht erreicht werden kann. Jedoch versucht dieses mehr‐ schrittige Analyseverfahren dem Ziel der Objektivität näher zu kommen und somit diesem wichtigen Gütekriterium der Empirik bestmöglich gerecht zu werden. können, ist ein mehrstufiges Vorgehen notwendig. Einerseits deshalb, damit in unterschiedlichen Analyseschritten unter Einberufung von verschiedenen Beurteilenden die Intersubjektivität gewährleistet werden kann. Anderseits, weil sich die Lernaufgaben auf der Planungsebene hinsichtlich ihrer potentiellen Qualitätsmerkmale gegenüber den Lernaufgaben in der praktischen Umset‐ zung in Bezug auf ihre intendierten Qualitätsmerkmale verändern können (Blömeke et al. 2006, S. 334). Der Evaluationsvorgang besteht somit aus drei aufeinanderfolgenden Analyse-Blöcken. Einem ersten durchgeführt von der Forscherin, die das ‘objektive’ 16 Aufgabenpotenzial der Lernaufgaben nach der Planungsphase nochmals gründlich und kritisch betrachtet. Dann einem zweiten Analyse-Block, der auf die Erfassung des Potentials der Lernaufgaben vor der eigentlichen Implementierung aus Sicht von sechs Expert*innen ein‐ bezieht. Und schliesslich einem Analyse-Block 3, der im Anschluss an die Implementierung das tatsächliche Potential jeder einzelne Lernaufgabe aus Sicht der Lehrpersonen einholt. Der Vorgang mitsamt seinen Teilaspekten wird in der nachfolgenden Übersicht dargestellt. Analyse-Block 1 Analyse-Block 2 Analyse-Block 3 Ziel der Analyse Objektives Potential der Lernaufgaben be‐ züglich ihrer fünf Qualitätsmerkmalen analysieren, Lernauf‐ gaben optimieren Objektives Potential der Lernaufgaben be‐ züglich ihrer fünf Qualitätsmerkmalen unabhängig von der Unterrichtsituation analysieren, ggf. Lern‐ aufgaben optimieren Im Unterrichtsprozess realisierte und be‐ obachtbare Wirksam‐ keit der Lernauf‐ gaben bezüglich der fünf Qualitätsmerk‐ male einschätzen, op‐ timale Lernaufgaben bestimmen Zeitpunkt der Analyse Nach Fertigstellung der Entwicklung eines jeden CLIL-Moduls Pro CLIL-Modul ein Treffen mit den Ex‐ pertengruppen jeweils vor der Durchführung des CLIL-Moduls Pro CLIL-Modul ein Auswertungstreffen mit den Lehrpersonen nach der Durchfüh‐ rung des CLIL-Moduls Basis für Analyse Detaillierte Unter‐ richtsplanung mit an‐ tizipierten task out‐ comes zu jeder Lernaufgabe Detaillierte und vi‐ sualisierte Vorstellung des Aufgabensets durch die Forscherin (mit Powerpoint Prä‐ sentation, Aufzeigung Rückblick auf das so‐ eben durchgeführte CLIL-Modul mit der eigenen Klasse mit Fokus auf die drei he‐ terogenen case pupils 150 5 Die empirische Untersuchung <?page no="150"?> der Scaffolding, illus‐ trative Beispiele von erwarteten task out‐ comes), als auch detail‐ lierte Einschätzungen zu jedem Aufgaben‐ merkmal durch die Forscherin (siehe An‐ hang C) und exemplarische Unterrichtsbeispiele, die von den Lehrper‐ sonen an das Aus‐ wertungstreffen mit‐ gebracht werden. Beteiligte Personen Forscherin Expertengruppe be‐ stehend aus je zwei Didaktiker*innen aus dem Fachbereich Eng‐ lisch, BG und Bildung & Erziehung (allge‐ meine Didaktik) Lehrpersonen unter Einbezug der Mei‐ nungen ihrer Schul‐ klassen und insbeson‐ dere die Stimmen der case pupils Analyse Instru‐ ment Rating-Bogen mit ins‐ gesamt 14 Indikatoren (siehe Anhang B), die detaillierten Ein‐ schätzungen zu jedem Aufgabenmerkmal wurden in einem Arbeitsinstrument no‐ tiert (siehe Anhang C) Rating-Bogen (siehe Anhang B), ein Ra‐ ting-Bogen wurde von jedem Expert*innen für das gesamte Auf‐ gabenset ausgefüllt Rating-Bogen (siehe Anhang B), der von jeder Lehrperson für das gesamte Aufga‐ benset als auch für jede Lernaufgabe ein‐ zeln ausgefüllt Tabelle 1: Übersicht der drei Analyse-Blöcke zur Bestimmung der Aufgabenqualität Wie in obiger Übersicht zu erkennen ist, bildet die Grundlage für alle drei Analyseblöcke der Rating-Bogen, welcher aus den bereits erwähnten vierzehn beobachtbaren Indikatoren besteht (siehe Kapitel 3.5). Dieser wird im nachfol‐ genden Kapitel 5.5.1 genauer vorgestellt und kann in Anhang B eingesehen werden. Der Rating-Bogen wurde in den verschiedenen Analyseblöcken unter‐ schiedlich differenziert eingesetzt, wie nachfolgend eingehender beschrieben wird. Analyse-Block 1 Im ersten Analyse-Block wurde jedes der beiden fertig entwickelten Aufgaben‐ sets von der Forscherin geprüft. Bereits während der Entwicklung des Aufga‐ benset war der Rating-Bogen stets präsent, um die Passung der Lernaufgaben zu den verschiedenen Qualitätsmerkmalen sicher zu stellen. Nach Fertigstellung des CLIL-Moduls wurde der Rating-Bogen erneut beigezogen, um das Set der Lernaufgaben abschliessend nochmals kritisch und gründlich zu prüfen. Für eine detailliertere Analyse, auch als Vorbereitung für den Analyse-Block 2, 151 5.2 Evaluation der Lernaufgaben <?page no="151"?> wurde jede einzelne Lernaufgabe im Aufgabenset in Bezug auf die fünf Quali‐ tätsmerkmale nochmals im Detail analysiert und die Einschätzungen stichwort‐ artig in eine übersichtliche Tabelle auf einem Arbeitsdokument eingetragen, um so die Rechenschaft für das Vorhandensein eines jeden Qualitätsmerkmals abzulegen (siehe Anhang C). Dabei hat sich gezeigt, dass die zuvor gemachten Überlegungen und aufgestellten Theorien zum Beispiel im Hinblick auf die kognitive Aktivierung, die Einteilung in LOTS und HOTS die Analyse der Offenheit einer Lernaufgabe in Bezug auf Start, Weg und Ziel praktikabel sind. Kleinere Anpassungen an die Lernaufgaben konnten aufgrund dieser Analyse nochmals vorgenommen werden. Analyse-Block 2 In einem zweiten Analyseschritt wurden die Lernaufgaben sechs Expert*innen der Pädagogischen Hochschule Zürich vorgelegt. Diese Expertenrunde bestand aus je zwei Fachdidaktik-Expert*innen aus dem Fachbereich Englisch und BG, sowie zwei Expert*innen aus dem Bereich ‘Bildung und Erziehung’, somit mit einem allgemein-didaktischen Hintergrund. Zu jedem CLIL-Modul fand eine 90-minütigen Sitzung satt. Dabei wurden den Expert*innen der Forschungskon‐ text erklärt, die fünf Aufgabenmerkmale mitsamt den wichtigsten theoretischen Hintergründen vorgestellt und schliesslich der Rating-Bogen vorgelegt. An dieser Stelle wurden Verständnisfragen betreffend den Qualitätsmerkmalen geklärt und ein einheitliches Verständnis dieser Indikatoren angestrebt. Erst dann wurden die Lernaufgaben mündlich, unterstützt mit Einblicken in die Lehr- und Lernmaterialien mitsamt dem bereits geplanten Scaffolding, in ihrer chronologischen Abfolge im CLIL-Modul vorgestellt. Das oben erwähnte Dokument mit den Einschätzungen der Qualitätsmerkmalen der einzelnen Lernaufgaben aus Sicht der Forscherin (siehe Anhang C) wurde zusätzlich vorgelegt. So konnten die Expert*innen während der mündlichen Vorstellung den vorgängig gemachten Überlegungen der Forscherin auch in schriftlicher Form folgen. Im Anschluss an diese Vorstellung fand ein Austausch darüber statt, was die unterschiedlichen Fachrichtungen als wichtig erachteten. In einem letzten, individuellen Arbeitsschritt füllten die Expert*innen den Rating-Bogen aus. Der Auftrag der Expert*innen war somit die Sicherstellung, dass zumindest auf der Planungsebene alle Aspekte beachtet wurden und das Aufgabenset als Ganzes alle Qualitätskriterien erfüllt. Die Einschätzungen der sechs Experten‐ meinungen zu den beiden CLIL-Modulen werden im Kapitel 6.2 präsentiert. Im Gegensatz zu den Lehrpersonen konnten die Expert*innen die Lernauf‐ gaben an den zeitlich limitierten Treffen nur oberflächlich kennenlernen. Deshalb konnten von ihnen keine differenzierten Einschätzungen zu jeder 152 5 Die empirische Untersuchung <?page no="152"?> einzelnen Lernaufgabe eingeholt werden. Dies wird im Analyse-Block 3, wie nachfolgend aufgezeigt, nachgeholt. Analyse-Block 3 Nach der Durchführung eines jeden CLIL-Moduls haben sich die Lehrpersonen und die Forscherin zu einem Auswertungstreffen eingefunden, an dem unter anderem auch das Gelingen der Lernaufgaben reflektiert wurde. Die Lehrper‐ sonen wurden im Vorgang zu diesem Treffen aufgefordert, Einschätzungen zum Gelingen der CLIL-Module, insbesondere in Bezug zum Lernen ihrer case pupils, zu sammeln und Ergebnisse der verschiedenen Lernaufgaben, vor allem auch zum task outcome der finalen Syntheseaufgabe, mitzubringen. Am Aus‐ wertungstreffen selber wurde der Rating-Bogen und die damit zusammenhän‐ genden Qualitätsmerkmale, die die Lehrpersonen bereits am Einstiegstreffen (kick-off meeting) kennengelernt hatten, eingehend betrachtet. Unklarheiten in Bezug auf die verschiedenen Indikatoren wurden geklärt. Die Lehrpersonen wurden dann angehalten, zuerst das CLIL-Modul als Ganzes, dann in Bezug auf jede einzelne Lernaufgabe einzuschätzen. Die Einschätzungen der Lernaufgaben durch die Lehrpersonen werden im Kapitel 6.2 präsentiert. Während die Expertengruppe das gesamte Set der Lernaufgaben analysierte, bewerteten die Lehrpersonen jede einzelne Lernaufgabe zusätzlich einzeln. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Lehrpersonen die Lernaufgaben nach der praktischen Durchführung gründlich kannten und nun jede einzelne Aufgabe aufgrund ihres tatsächlichen Potentials für das CLIL-Lernen in heterogenen Klassen einschätzen konnten. Ausgehend der Tatsache, dass gute Lernaufgaben nicht automatisch gut nutzbare (CLIL-)Lernangebote darstellen (vgl. Thon‐ hauser 2016, S. 188), ist diese differenzierte Einschätzung zu jeder Lernaufgabe durch die Lehrpersonen essentiell. Durch diesen zusätzlichen differenzierten Analyseschritt konnten folglich auch jene zwei Lernaufgaben herauskristal‐ lisiert werden, die aus Sicht der Lehrpersonen das CLIL-Lernen in ihren heterogenen Klassen optimal anregten. Entlang dieser beiden favorisierten Lernaufgaben wird das CLIL-Lernen der drei case pupils im Detail analysiert (vgl. Forschungsfrage II) - dieses Vorgehen wird in den Kapiteln 5.5.2 und 5.6.2 genauer ausgeführt. Insgesamt soll mit diesem dreistufigen Analyse-Verfahren nicht nur eine möglichst valide Beantwortung der Forschungsfrage I angezielt, sondern auch eine Optimierung der Qualität der CLIL-Module insgesamt verfolgt werden. Denn allfällige durch die Analysen festgestellten Schwachpunkte können zwi‐ schen den einzelnen Analyseblöcken als auch über die beiden Forschungszyklen hinweg vorweg in die Lernaufgaben eingearbeitet werden. So kann die Qualität 153 5.2 Evaluation der Lernaufgaben <?page no="153"?> der Lernaufgaben kontinuierlich gesteigert werden. Abschliessend kann somit festgehalten werden, dass sofern die verschiedenen Expert*innen als auch die Lehrpersonen zusätzlich zur Forscherin die fünf übergeordneten Qualitätsmerk‐ male in den Lernaufgaben innerhalb eines jeden Aufgabensets wiedererkennen, davon ausgegangen werden kann, dass die Qualitätsmerkmale hinreichend in diesen CLIL-Modulen vertreten sind. 5.3 Implementierung der CLIL-Module: Lesson study Im Kapitel 4.3 wurde die Eignung der lesson study für die Umsetzung und Auswertung der CLIL-Module als Weiterbildungs- und Forschungskonzept bereits ausführlich dargelegt. Wie die lesson study als Forschungsdesign für die Untersuchung der praktisch implementierten CLIL-Module konkret funk‐ tioniert, wird nachfolgend erläutert. Dass dabei das Konzept der lesson study auf den spezifischen Untersuchungskontext zugeschnitten werden musste, hat sich auch bei anderen Untersuchungen bewahrheitet (vgl. K. Wood 2018, S. 4). Die nachfolgenden Ausführungen sowie die Abbildungen 19 und 20 verdeutlichen, wie die lesson study für den Zweck der vorliegenden Untersuchung in Bezug auf die Implementierung der CLIL-Module adaptiert wurde. Abbildung 19: Adaptierter Ablauf der lesson study im CLIL-Modul I (1) Die initiale Frage, welche die Lehrperson in der lesson study typischerweise zu Beginn miteinander definieren, wird in vorliegender Untersuchung durch die Forschungsfragen II und III vorgegeben. Durch die Ausschreibung der Weiter‐ bildungsveranstaltung wurden Lehrpersonen gesucht, die sich mit den Fragen beschäftigen wollen, wie aufgabenorientierte CLIL-Module in der Fächerkom‐ bination Englisch und BG unter Berücksichtigung der heterogenen Lernenden bestmöglich umgesetzt werden können und welche Chancen beziehungswiese Herausforderungen sich dabei ergeben. (2) Die Lektionen wurden nicht wie in der ursprünglichen lesson study vorgesehen von der Gruppe der Lehrpersonen gemeinsam geplant, sondern wurden von der Forscherin vorgängig unter Berücksichtigung der erarbeiteten Aufgabenmerkmalen für den CLIL-Unterricht vorbereitet. Das Aufgabenset 154 5 Die empirische Untersuchung <?page no="154"?> wurde am ersten Treffen (kick-off meeting) den Lehrpersonen vorgestellt und im Nachgang aufgrund von deren Rückmeldungen noch leicht angepasst. (3) Die Lehrpersonen unterrichteten schliesslich die drei Doppellektionen des CLIL-Moduls in ihren eigenen Klassen. Dabei sollten sie stets ein Augenmerk auf das Lernen ihrer drei case pupils halten, die die drei Leistungsgruppen von lernschwachen, durchschnittlichen und lernstarken Englischlernenden re‐ präsentieren. Zusätzlich wurde vereinbart, gegenseitige Hospitationen in einer dieser Doppellektionen durchzuführen. Sechs der acht Lehrpersonen konnten es sich zeitlich und organisatorisch einrichten Lektionen bei einer anderen Lehrperson zu hospitieren. Die Bewilligung für solche Hospitationen wurden vorgängig bei den Schulleitungen eingeholt, welche diese Besuche begrüssten und unterstützten. (4) Idealerweise finden die Evaluationen und Reflexionen zeitnah an die durchgeführte Unterrichtsdurchführung statt. In vorliegender Untersuchung, aufgrund der zeitlichen Anordnung der Weiterbildungsveranstaltung, lagen jedoch einige Tage zwischen den letzten CLIL-Lektionen und der Auswer‐ tung. Somit wurden die Lehrpersonen aufgefordert, ihre Eindrücke, Gedanken und ihre Einschätzungen zum Lernen ihrer drei case pupils in Form von schriftlichen Reflexionen im Anschluss an jede CLIL-Lektion zu notieren und per E-mail der Forscherin zu zuschicken. Diese Reflexionen forderten die Lehrpersonen zum einen ganz bewusst auf, auf ihre Lektionen zurückzu‐ schauen, ihre Einschätzungen zu bündeln und so ihr persönliches Lernen zu dokumentieren; zum anderen verhalfen sie der Forscherin vertiefte Eindrücke über den Verlauf der CLIL-Lektionen zu erlangen und so das bevorstehende Auswertungstreffen zu planen. Einzelne dieser Reflexionsnotizen wurden am Auswertungstreffen in Form von Zitaten vorgelegt, um die Lehrpersonen zum tiefgründigen Reflektieren in der Gruppe anzuleiten. Ein Schwerpunkt der Auswertungstreffen war der Austausch darüber, wie die Lehrpersonen das CLIL-Lernen ausgelöst durch die Lernaufgaben unter Berücksichtigung der Heterogenität in ihren Klassen einschätzten. Die Lehrpersonen waren aufge‐ fordert, ihre Aussagen mit Beispielen aus dem Unterricht und konkreten task outcomes (Bildprodukte, Texte, …) zu visualisieren, um ihre Einschätzungen zum Gelingen des Lernens mit konkreten Lernprodukten zu untermauern. Relevante Ausschnitte des videografierten CLIL-Unterrichts wurden den Lehrpersonen zudem vorgelegt, um sie in die unterrichtlichen Situationen zurückzuführen und sie dadurch zum vertieften Reflektieren anzuregen. Ein zweiter Schwerpunkt dieser Auswertungstreffen war der Austausch über generelle Chancen und Herausforderungen dieses Unterrichtssetting. Die Lehrpersonen nannten in diesem Zusammenhang die in ihrem Unterricht gemachten Erfahrungen. Die 155 5.3 Implementierung der CLIL-Module: Lesson study <?page no="155"?> daraus resultierenden Erkenntnisse zu guten Lernaufgaben, als auch zu Chancen und Herausforderungen des bilingualen BG-Unterrichts, wurden in der Planung für das nachfolgende CLIL-Modul berücksichtigt. In Bezug auf die Implementierung des zweiten CLIL-Moduls wurde ein ähnliches Vorgehen gewählt: Abbildung 20: Adaptierter Ablauf der lesson study im CLIL-Modul II (5) Nach dem Auswertungstreffen wurde die Planung des zweiten CLIL-Mo‐ duls angegangen, wobei Optimierungsmöglichkeiten aus der Auswertung des CLIL-Modul I eingeflochten wurden. Erneut nahm die Forscherin die Planung des CLIL-Moduls vor und stellte sie den Lehrpersonen am Einführungstreffen des CLIL-Moduls II vor. Wiederum wurde die Planung im Anschluss leicht adaptiert. (6)-(7) Erneut führten die Lehrpersonen das CLIL-Modul II in ihren Klassen durch und evaluierten dessen Gelingen an einem zweiten Auswertungstreffen. Weitere Hospitationen liessen sich aus organisatorischen und zeitlichen Gründen im Rahmen dieses zweiten Moduls nicht realisieren. (8) Die wichtigsten Erkenntnisse resultierend aus der lesson study wurden am Schluss des letzten Auswertungstreffen nochmals zusammengefasst. Die Verschriftlichung der gesamten Ergebnisse und deren Zugänglichkeit an in‐ teressierte Leser soll schliesslich mit der Veröffentlichung der vorliegenden Forschungsarbeit erreicht werden. Nachdem nun das Forschungsdesign dargestellt wurde, werden im nächsten Kapitel der Kontext der Untersuchung sowie das Vorgehen des Sampling im Detail vorgestellt. 5.4 Forschungskontext und Sampling Die mit dem soeben beschriebenen mixed-methods Forschungsdesign in Ver‐ bindung stehenden verschiedenen Datenquellen haben den grossen Vorteil, dass sie verschiedene Blickwinkel auf den gleichen Untersuchungsgegenstand ermöglichen und sich so komplementäre, aber auch divergente Ergebnisse abzeichnen können (Dörnyei 2007, S. 42-44; R. B. Johnson et al. 2007, S. 123- 124). Gleichzeitig, auch in Bezug auf die Machbarkeit, muss aus der grossen 156 5 Die empirische Untersuchung <?page no="156"?> Datenmenge eine zielfokussierte Auswahl an empirischen Inhalten getroffen werden. Diese sogenannte Sampling-Strategie, das heisst welche der erhobenen Daten nun für die bevorstehende Auswertung im Detail analysiert werden (Flick 2011, S. 101), wird nachfolgend - stets unter Berücksichtigung des Good Practice-Anspruches - vorgestellt. Die Gruppe von Expert*innen für die Aufgabenevaluation konnten dank des beruflichen Netzwerks der Forscherin an der Pädagogischen Hochschule Zürich rekrutiert werden. Dabei wurden geeignete Personen aus den verschiedenen Fachbereichen aktiv kontaktiert und ihnen das vorliegende Forschungsvor‐ haben umrissen. In den meisten Fällen sagten die Expert*innen direkt zu, einige wenige empfahlen jemanden anderen anzufragen. So konnten innerhalb kurzer Zeit sechs kompetente Expert*innen für die Mitarbeit gewonnen werden, die trotz hoher Arbeitsbelastung und ohne jegliche Entschädigung diesen wertvollen Beitrag für das vorliegende Projekt leisteten. Den Zugang zum schulischen Forschungsfeld erfolgte durch eine Ausschrei‐ bung eines Lehrpersonen-Weiterbildungsangebotes in den Innerschweizer Kan‐ tonen Nidwalden, Obwalden, Uri und Luzern zu der im Lehrplan 21 vorgeschla‐ genen Thematik der bilingualen Sequenzen. Die Kursausschreibung erklärte das Projekt sowie das Ziel der Auseinandersetzung mit CLIL für die heterogene Primarschulklasse und legte offen, dass die Weiterbildung auch die praktische Umsetzung zweier CLIL-Module in der Fächerkombination Englisch und BG beinhaltete. Ursprünglich meldeten sich zehn Lehrpersonen für diesen Kurs an. Zwei davon mussten später wegen organisatorischen und gesundheitlichen Gründen ihre Teilnahme zurückziehen. Somit wirkten acht Lehrpersonen samt ihren Schulklassen an diesem Projekt mit und gaben folglich ihre Einwilligung zur Teilnahme an dieser Untersuchung. Es handelte sich bei der Gruppe von rekrutierten Lehrpersonen um acht erfahrene Lehrerinnen im Besitz einer Unterrichtsberechtigung für die Fächer Englisch und BG. Sie brachten alle die erforderten Englischkenntnisse gemäss dem Europäischen Referenzrahmen Level C1 (advanced) mit, zwei Lehrper‐ sonen befanden sich sogar auf dem C2 (proficiency) Level. Sie unterrichteten Primarschulklassen zwischen der 3. bis 6. Stufe, drei von ihnen in jahrgangs‐ übergreifenden Klassen gemäss dem Konzept des altersdurchmischten Lernens (AdL). In einem Schulhaus wurde eine AdL Lerngruppe als Grossklasse mit 37 Schüler*innen geführt. Das heisst, der CLIL-Unterricht fand dort in zwei Gruppen zu 19 respektive 18 Lernenden statt. Die Lehrpersonen unterrichteten alle an der öffentlichen Volkschule der Primarstufe in eher ländlichen Dörfern der Kantone Nidwalden, Obwalden oder Luzern. Die nachfolgende Übersicht 157 5.4 Forschungskontext und Sampling <?page no="157"?> (vgl. Tabelle 2) porträtiert die an dieser Untersuchung beteiligten Lehrpersonen und ihre Schulklassen. Lehr‐ person Kanton Unterrichtsjahre Englisch Klassen‐ stufe Anzahl Lernende allg. EN BG Sprach‐ level A Luzern 21 12 1 C2 3./ 4. AdL 21 B Luzern 18 5 18 C2 4. 17 C Obwalden 3 3 3 C1 4. 15 D Obwalden 3 3 3 C1 4. 21 E Obwalden 4 4 4 C1 5. 16 F Nidwalden 3 3 3 C1 5. 23 G Nidwalden 4 4 4 C1 5./ 6. AdL 37 (19 + 18) H Nidwalden 6 6 4 C1 5./ 6. AdL 18 Tabelle 2: Übersicht der am Forschungsvorhaben beteiligten Lehrpersonen und ihre Schulklassen Anmerkung: graue Felder = Schulklassen der Pilotstudie / fettgedruckte Schrift = For‐ schungsmitwirkende der Hauptstudie Während bei der praktischen Umsetzung der CLIL-Module alle Lehrpersonen und ihre Lernenden zu verschiedenen Zeitpunkten schriftlich befragt wurden, mussten für die Unterrichtsbeobachtungen aus Gründen der Machbarkeit die Auswahl von acht Klassen auf drei reduziert werden. Den Entscheid auch bei den Klassen den Fokus auf drei zu beschränken, nimmt die zugrundeliegende Idee der Fokussierung auf ebenfalls drei Vertreter bei den Schüler*innen durch die case pupils auf. Auch hier sollten drei Klassen als heterogene Repräsentanten einer grösseren Einheit fungieren. Nachfolgend wird die Sampling-Strategie, demnach die kriteriengeleitete Auswahl dieser drei Klassen, erläutert. Im Rahmen der Pilot-Phase bei der Umsetzung des CLIL-Modul I war der Gedanke leitend, möglichst verschiedene Klassen mit sehr heterogenen Lernenden bei der Umsetzung des bilingualen Unterrichts zu besuchen und die Ergebnisse videografisch festzuhalten. Fünf der acht Klassen, alles solche, die eine Übereinstimmung der Stundenpläne mit den freien Zeitgefässen der Forscherin boten, wurden somit für diese Pilot-Phase berücksichtigt. Diese Klassen sind in obiger Übersicht (vgl. Tabelle 2) grau hinterlegt. Die Pilot-Phase 158 5 Die empirische Untersuchung <?page no="158"?> hatte jedoch nicht nur den Zweck das Forschungsfeld besser kennenzulernen, sondern auch die Lernenden mit der Forscherin und der Anwesenheit der Kameras vertraut zu machen. Am ersten Auswertungstreffen nach der Durchführung des CLIL-Modul I meldeten die Lehrpersonen zurück, dass sich das erste CLIL-Aufgabenset auf‐ grund der thematischen und fremdsprachlichen Inhalte besonders gut für Lernende der 5. Klasse eignete. Die unteren Jahrgangsstufen, mit nur ein bis zwei Lernjahren Englisch, besässen noch ein zu elementares Vokabular, das ein Eintauchen in das CLIL-Lernen zwar nicht verunmögliche, jedoch erschwere. Lernende der fünften Klasse oder höher brächten hingegen eine gute Basis an Englischkenntnissen mit, die es ihnen erlaubten, sich innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit in das Thema hinein zu geben und ausreichend fremdsprachlich zu interagieren. Diese Ansichten deckten sich auch mit den Beobachtungen der Forscherin und trugen dazu bei, dass mit Blick auf das CLIL-Modul II die 5. Klasse als ideale Zielstufe für die Umsetzung solcher CLIL-Lerneinheiten angesehen wurde. Aufgrund des gewählten Fokus auf die Heterogenität, sollten jedoch auch Kinder der benachbarten Klassen, sprich der 4. und 6. Klasse, miteinbezogen werden. Denn wie bereits im Kapitel 2.4 erwähnt, liegen Lernende der gleichen Klasse in Bezug auf ihre Entwicklungsstufe mehrere Jahre auseinander (Largo & Beglinger 2009, S. 19, 22). Die Einteilung in Klassen ist somit ein eher zufälliges Gebinde, das zwar die Anzahl der Englisch-Lernjahre beeinflusst, doch in Bezug auf das kompetenzorientierte Anwenden der Sprache einen kleinen Einfluss hat. Diese Ansicht wird auch vom Lehrplan 21 unterstützt, weil sich diese Lernende alle im Zyklus 2 befinden und sich insgesamt an denselben offen formulierten - zwar teils leicht abgestuften - Kompetenzbeschreibungen orientieren (D-EDK 2014 Englisch). Es ist daher davon auszugehen, dass die in dieser Untersuchung analysierten Lernhandlungen durch den Umfang des Wortschatzes oder andere Sprachlernerfahrungen, die mit mehr Englisch-Lernjahren zunehmen, nur mar‐ ginal beeinflusst werden. Deshalb stand bei der Auswahl des Samplings nicht die Zugehörigkeit in die gleiche Klassenstufe im Vordergrund, stattdessen sollten die Forschungsmitwirkenden verschiedene Alters- und Niveaustufen abdecken. Erst so kann die Heterogenität echt berücksichtigt werden, denn diese Vielfalt von Lernenden könnte in der Realität in einer 5. Klasse vorkommen. Von diesen fünf kennengelernten Klassen aus der Pilotphasen wurden drei unter Berücksichtigung der obigen Überlegungen für die Umsetzung des CLIL-Modul II selektioniert. Eine 5./ 6. Klasse wurde ausgeschlossen, weil dort die Lernenden mit Zurückhaltung auf die Anwesenheit der Kamera reagierten, anstatt - wie das bei anderen Klassen der Fall zu sein schien - die Kamera 159 5.4 Forschungskontext und Sampling <?page no="159"?> 17 Natürlich beeinflussen neben dem fremdsprachlichen Vorwissen andere soziale, perso‐ nale, fachliche oder überfachliche Faktoren als auch dispositionellen Komponenten das CLIL-Lernen dieser Kinder. Solche Faktoren, wie zum Beispiel Begabungen, Haltungen, Interessen, Lerntypen, allgemeine Lernmotivation, Klassenklima, Peer-Einflüsse; als auch Wissen, Kenntnisse oder die erworbenen Kompetenzen in anderen Fachbereichen, insbesondere im BG, werden im Kontext dieser Untersuchung nicht berücksichtigt. mit der Zeit zu vergessen. In einer anderen 5. Klasse war einer der case pupil ein Junge mit Erstsprache Englisch. Seine Englisch Kompetenzen waren somit nicht repräsentativ für die Kompetenzstufe eines starken Lernendens der 5. Klasse. Aufgrund technischer Probleme bei den Videoaufnahmen musste schliesslich das Sampling kurzfristig nochmals geändert und eine andere 4. Klasse beigezogen werden, die im Rahmen der Pilotphase noch nicht dabei war. Jedoch erwies sich dies als Glücksfall, da die Kinder als auch Lehrerin unbekümmert auf die Anwesenheit der Forscherin mitsamt ihrer Kameras reagierten. Somit sind die drei engeren Forschungsmitwirkenden die drei Klassen D, E und H, die in obiger Zusammenstellung (vgl. Tabelle 2) fett gedruckt sind. Von diesen drei Klassen stammen folglich die Daten der videografierten Un‐ terrichtssequenzen, sowie jene der Gruppen-Interviews mit den case pupils. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Auswahl dieser drei Klassen sowohl kriteriengeleitet - im Sinne eines authentischen Abbilds der Heterogenität -, als auch in Bezug auf die terminliche, organisatorische sowie technische Machbarkeit und Zugänglichkeit vorgenommen wurde (Grum & Legutke 2016, S. 85). Die jeweiligen case pupils in jeder Klasse wurden wiederum von ihren Lehrpersonen ausgewählt. Die Lehrpersonen wurden gebeten pro Klasse drei Lernende zu bestimmen, die die Heterogenität ihrer Klasse in Bezug auf das Vorwissen und ihre Kompetenzen im Fach Englisch möglichst gut repräsen‐ tieren. Auch wenn insgesamt die Nutzung von CLIL in Bezug auf das duale Lernen in beiden Fächern BG und Englisch im Fokus steht, so ist es doch der fremdsprachlich geführte CLIL-Unterricht, der eine zusätzliche Hürde für die Lernenden bedeutet und insgesamt einen Einfluss auf den Nutzungsaspekt der CLIL-Lernaufgaben haben könnte. Aus diesem Grund wurden die case pupils als Vertreter der heterogenen Klasse ausschliesslich in Bezug auf ihre fremdsprach‐ lichen Ausgangsbedingungen im Fach Englisch ausgewählt, wohlwissend dass weitere Faktoren das Lernen der Kinder massgeblich mitbeeinflussen können. 17 Konkret sollten die drei Kinder einen lernschwachen (mit Nummer 1, demnach D1, E1, H1), einen durchschnittlichen (mit Nummer 2, demnach D2, E2, H2) und einen lernstarken Englischlernenden (mit Nummer 3, demnach D3, E3, H3) der 160 5 Die empirische Untersuchung <?page no="160"?> Klasse repräsentieren. Die case pupils selber wurden jedoch nicht informiert, dass sie aufgrund ihrer unterschiedlichen fremdsprachlichen Kompetenzen für diese Rolle ausgewählt wurden, sondern wussten nur, dass sie als Vertreter ihrer Klasse im Vordergrund stehen, konstant gefilmt und im Anschluss einer jeder CLIL-Doppellektion interviewt werden. Die nachfolgende Übersicht (vgl. Tabelle 3) zeigt die Zugehörigkeiten der drei jeweiligen case pupils in ihre Klassen und deren Geschlecht (m / w). Dadurch wird das Spektrum der Heterogenität, das diese Lernende abbilden, auf einen Blick ersichtlich. Klassen‐ name D E H Klassenstufe 4. 5. 5. / 6. (AdL) Anzahl Ler‐ nende 21 16 18 Case pupils D1 m D2 w D3 w E1 w E2 w E3 m H1 w H2 m H3 w Tabelle 3: Übersicht der drei engeren Forschungsmitwirkenden Die Lehrpersonen wurden gebeten, ihre case pupils in Bezug auf ihr Lernen zu beschreiben als auch ihre Leistungen ausgedrückt in Noten für das Fach Englisch mitzuteilen (siehe Anhang F). Dabei ergab sich pro Gruppe der Lernenden derselben Leistungsstärke folgende Zusammenstellung: Leistungs‐ gruppe Beschreibungen der case pupils Englischnoten Lernstarke case pupils Interessierte, wissbegierige Lernende mit schneller Auffassungsgabe, die sich aktiv auf Eng‐ lisch einbringen sehr gut (5.5 - 6; ⌀ 5.83) Durch‐ schnittliche case pupils Motivierte, konzentrierte, mitdenkende Lernende, eher ruhig und weniger aktiv im Englisch, da sie sich manchmal unsicher fühlen gut (5; ⌀ 5) Lern‐ schwache case pupils Langsame, zurückhaltende, Lernende, die sich im Englisch kaum einbringen, weil ihnen das Fach Englisch schwerfällt genügend (4 - 4.5; ⌀ 4.25) Tabelle 4: Charakteristiken und Lernleistungen der case pupils für das Fach Englisch Nicht nur bei den drei Schulklassen und case pupils, wurde ein spezifisches Sampling vorgenommen, sondern aus Gründen der Machbarkeit musste auch 161 5.4 Forschungskontext und Sampling <?page no="161"?> bei den Lernaufgaben eine sinnvolle Auswahl getroffen werden. Dies auch deshalb, weil das Aufgabenset als Ganzes die fünf Qualitätskriterien zwar aus‐ reichend abdecken soll, jede einzelne Lernaufgabe hingegen diesem Anspruch nicht in gleicher Weise gerecht werden kann (Reusser 2014a, S. 82). Da mit Blick auf die Forschungsfrage II interessiert, wie diese CLIL-Lernaufgaben in von den unterschiedlichen Lernenden genutzt werden, sollen wiederum in An‐ lehnung an den Good Practice-Ansatz jene Lernaufgaben genauer angeschaut werden, die aus Sicht der Lehrpersonen hinsichtlich des dualen Lernens und der Berücksichtigung der Heterogenität am meisten Potential ausweisen. Wie vor‐ gängig aufgezeigt (siehe Kapitel 5.2), wurden die einzelnen Lernaufgaben nach der Implementierung von den Lehrpersonen einzeln mit dem Rating-Bogen beurteilt. Dadurch konnten jene zwei Lernaufgaben bestimmt werden, die ein optimales Lernangebot für den CLIL-Unterricht in heterogenen Klassen bieten. Somit wurden für die Beurteilung der Nutzung des CLIL-Unterrichts und der damit einhergehenden Qualität der CLIL-Lernhandlungen nur jene Unterrichts‐ sequenzen rund um die Bearbeitung jener beiden favorisierten Lernaufgaben betrachtet. Zusammengefasst werden demnach für die Beantwortung der Forschungs‐ frage I sechs Expert*innen und acht Lehrpersonen beigezogen. Die Forschungs‐ frage II wird anhand von neun case pupils aus insgesamt drei verschiedenen Klassen beim Bearbeiten von insgesamt zwei unterschiedlichen Lernaufgaben innerhalb des CLIL-Modules II beantwortet. Für die Forschungsfrage III sind die durch Befragungen erhobenen Einsichten und Erfahrungen zu Chancen und Herausforderungen des CLIL-Lernens von allen Beteiligten, somit von allen acht Lehrpersonen und den rund 150 Lernenden erwünscht. Das nachfolgende Kapitel stellt die dafür benötigten Datenerhebungsinstru‐ mente vor und begründet deren Eignung für die vorliegende Untersuchung. 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung Um die drei übergeordneten Forschungsfragen kompetent aus verschiedenen Perspektiven zu beantworten, müssen verschiedene Daten mit unterschiedli‐ chen Instrumenten erhoben werden. Diese sogenannte Triangulation, demnach die Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus mindestens zwei Perspek‐ tiven, soll einen reichen, vielschichtigen und umfassenden Erkenntniszuwachs ermöglichen (Flick 2011, S. 11-12). Gerade für komplexe Forschungsprojekte, zu denen das vorliegende gezählt werden kann, eignet sich Triangulation. Das Ziel der Triangulation ist nicht nur kongruente Ergebnisse aus verschiedenen 162 5 Die empirische Untersuchung <?page no="162"?> Perspektiven zu erhalten, sondern vor allem auch divergente Ergebnisse aufzu‐ spüren, die sich multiperspektivisch ergänzen und ein umfassendes Gesamtbild ermöglichen (Knorr & Schramm 2016, S. 90). Im vorliegenden Forschungsvor‐ haben werden Datenals auch Methoden-Triangulation beigezogen. Die erste Art der Triangulation bezieht sich auf die Sammlung von Daten zu verschie‐ denen Zeitpunkten (CLIL-Modul I und CLIL-Modul II) und von verschiedenen Personengruppen (Lernende verschiedener Klassen, einzelne case pupils und Lehrpersonen) (siehe Kapitel 5.1 Forschungsdesign und Kapitel 5.4 Sampling). Die zweite Art, die Methoden-Triangulation, meint hingegen den Einsatz von verschiedenen Datenerhebungsinstrumenten (Interviews, Fragebogen, Video‐ grafie, Beobachtungen), um die Begrenztheit jeder einzelner Methode durch den kombinierten Einsatz verschiedener Methoden zu überwinden (Flick 2011, S. 13) (siehe Kapitel 4.5). Wie nachfolgend aufgezeigt, weist jedes der gewählten In‐ strumente bestimmte Vorteile aus, die für die Beantwortung der Fragestellungen ausgeschöpft, und Einschränkungen, die mit weiteren Datenerhebungsinstru‐ menten umgangen werden. 5.5.1 Rating-Bogen für die Einschätzung der Aufgabenqualität Die Einschätzung der Aufgabenqualität durch die Expert*innen und Lehrper‐ sonen wurde mittels Rating-Bogen vorgenommen (siehe Abbildung 21 und An‐ hang B). Die dort aufgelisteten Indikatoren umfassen sowohl allgemeindidakti‐ sche als auch fachdidaktische Perspektiven und bilden - wie bereits erwähnt - die erarbeiteten Theorien rund um die fünf Qualitätsmerkmale von potentiell ertragreichen CLIL-Lernaufgaben ab. Konkret wurden die fünf übergeordneten Aufgabenqualitäten, die im Rating-Bogen fettgedruckt als Überschriften her‐ vorgehoben sind, in vierzehn beobachtbare Indikatoren unterteilt. Diese wurden bereits am Ende eines jedes Abschnittes im Theorieteil zu den fünf Qualitäts‐ merkmalen ausgewiesen (siehe Kapitel 3.5). Das Analyseinstrument wurde demnach für den vorliegenden CLIL-Unterricht in der Fächerkombination BG und Englisch massgeschneidert entwickelt. 163 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung <?page no="163"?> Rating-Bogen für die Einschätzung der CLIL-Lernaufgaben Silvia Frank Schmid Sind die folgenden Merkmale für qualitätsvolle CLIL-Lernaufgaben für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten innerhalb des entwickelten Aufgabensets zu erkennen? trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu Interesse & Motivation a) Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. b) Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. Anregung von CLIL-Lernprozessen c) Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompetenzen. d) Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. e) Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Arbeiten. f) Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. g) Die Lernaufgaben führen zu einem Lernprodukt (‘task outcome’) (z.B. eine Bildlösung, Bildbeschreibung, …) h) Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. Kognitive Aktivierung i) Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und herausfordernd. j) Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben). Offenheit k) Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehensweisen. l) Sie lassen verschiedene Lösungen zu. Differenzierung m) Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen individualisierend. n) Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund eines Wahlangebots und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. Bemerkungen Abbildung 21: Rating-Bogen 164 5 Die empirische Untersuchung <?page no="164"?> Die Entwicklung des Instruments, somit die Operationalisierung der überge‐ ordneten theoriebasierten Qualitätskriterien in fassbare Indikatoren, wurde in verschiedenen Arbeitsschritten geleistet und über einen Zeitraum von meh‐ reren Monaten begleitet von intensiver Literaturrecherche stets verfeinert. Das Vorgehen lässt sich kurz zusammengefasst in drei Schritten beschreiben: Zuerst wurden die verschiedenen Qualitätsmerkmale aus der Literatur in einer Excel-Datei gesammelt, dann die ähnlichen Merkmale farblich codiert sowie verdichtend gebündelt, und schliesslich zusammenfassend in Form von Indikatoren formuliert. Ein zufriedenstellender erster Entwurf wurde schliess‐ lich an zwei unabhängigen Treffen je einer Fachdidaktik-Expertin aus dem Fachbereich BG und Englisch vorgelegt, die nicht Teil der Expertengruppe waren. Dieser Austausch zeigte, dass beide Expertinnen den Rating-Bogen als geeignet einstuften und sie die 14 Indikatoren als repräsentativ für die Einschätzung von Lernaufgaben für ihren jeweiligen Fachbereich erachteten. Kleinere Optimierungen und Präzisierungen in den Formulierungen konnten im Nachgang an diese Treffen eingearbeitet werden. Die Anzahl der skalierten Ankreuzmöglichkeiten (‘trifft zu’, ‘trifft eher zu’, ‘trifft eher nicht zu’ oder ‘trifft nicht zu’) wurde auf vier gesetzt, damit sich die Evaluierenden bewusst für die Zustimmung oder Ablehnung eines jeden Indikators entscheiden mussten. Dies verringert Unschärfen bei der Datenerhe‐ bung (Riemer 2016, S. 159). Die Option ‘Bemerkungen’ erlaubt es zusätzlich weitere Kommentare anzubringen. Zusammenfassend sollte der Rating-Bogen dank dieser sorgfältigen Entwicklung eine effiziente und aussagekräftige Eva‐ luation der Lernaufgaben für den spezifischen CLIL-Kontext erlauben. 5.5.2 Teilnehmende und videografierte Unterrichtsbeobachtung Eine wichtige weitere Datenquelle sind die Unterrichtsbeobachtungen, denen die Forscherin als teilnehmende Beobachterin beiwohnte und welche sie gleichzeitig videografierte. Diese Doppelspurigkeit bringt zwei wesentliche Vorteile mit sich. Zum einen erhält die teilnehmende beobachtende Person einen kompletten, authentischen Eindruck, wie der Unterricht in der Praxis in den verschiedenen Klassen funktioniert. Dabei kann sie multisensorische Beob‐ achtungen notizartig festhalten, die der Kamera vielleicht entgehen würden (Breidenstein et al. 2015, S. 71). Zum anderen und aufgrund der Tatsache, dass Unterricht ein «überkomplexes Geschehen» ist, verhelfen videografische Auf‐ nahmen, das Unterrichtsgeschehen wenigstens ausschnittsweise einzufangen (Herrle & Dinkelaker 2015, S. 78). Insofern erlauben die videografierten Se‐ quenzen ein mehrmaliges Betrachten der unterrichtlichen Interaktionen und 165 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung <?page no="165"?> Handlungen, die für die Beantwortung der Forschungsfragen von Bedeutung sind. Trotz der durch die Videografie gewonnene Zugänglichkeit zum Unter‐ richtsgeschehen und der damit verbundenen erhöhten Anschaulichkeit, müssen sich Forschende bewusst sein, dass diese videografierten Ausschnitte nur eine Repräsentation der Unterrichtsrealität darstellen (Kurtz 2016, S. 47-48). Für vorliegende Untersuchung wurde das Vorgehen der Zwei-Kamera-Stra‐ tegie gewählt (vgl. Seidel et al. 2005, S. 31-33). Das bedeutet, dass der Unterricht gleichzeitig mit zwei Kameras gefilmt wurde: Eine statische Kameraposition, die die Klasse als Ganzes filmte und die Sprachhandlungen der Lehrperson aufnahm und eine zweite dynamische Kamera, die auf die drei case pupils fokussierte und dessen Mikrofon auf einen case pupil gerichtet war. Die Gesprächshand‐ lungen der anderen beiden case pupils wurden mit zwei weiteren separaten Mikrofonen festgehalten. Der Einsatz der beiden Kameras hat den grossen Vorteil, dass einerseits das Unterrichtsgeschehen insgesamt, somit auch für später nachvollziehbar, eingefangen und anderseits das gewünschte Zoom auf die drei ausgewählten case pupils erreicht werden konnte. Mit dem Einsatz von Videografie erhöhten sich jedoch auch die Anforde‐ rungen an das Forschungsvorhaben. Zum einen ist eine sorgfältige, professio‐ nelle Vorbereitung unerlässlich, um die technischen Aufnahmegeräte kennen‐ zulernen, sich von Expert*innen in technischen Fragen beraten zu lassen und den Umgang mit den Aufnahmegeräten zu erlernen (Herrle & Dinkelaker 2015, S. 18-20). Zum anderen mussten die Bewilligungen für die Bildrechte frühzeitig bei den verschiedenen Instanzen und allen direkt Beteiligten eingeholt werden (Herrle & Dinkelaker 2015, S. 22; Seidel et al. 2005, S. 8). Dieser mehrschrittige Prozess des Genehmigungsverfahrens, wie er in vorliegender Untersuchung vorgenommen wurde, ist nachfolgend visualisiert. Abbildung 22: Visualisierung des Genehmigungsverfahrens Weiter muss man sich als Forscherin stets bewusst sein, dass man trotz Einhalten der Sorgfaltspflicht beim Videografieren immer ins Untersuchungsfeld eingreift und allenfalls das Verhalten der Beobachteten beeinflusst. Dieser sogenannte Beobachter- oder Kameraeffekt kann je nach sozialem Umfeld sowohl positiv, motivierend, als auch hemmend auf die unterrichtlichen Aktivitäten einwirken (Herrle & Dinkelaker 2015, S. 18, 21). 166 5 Die empirische Untersuchung <?page no="166"?> Ferner erfordert die Erhebung der Videodaten viel Konzentration, weil die Technik im Schulzimmer während des lebendigen Unterrichtsgeschehens stets unter Kontrolle gehalten und regelmässig deren Aufnahmequalität geprüft werden muss. Dies erwies sich in vorliegender Untersuchung deshalb als besonders anspruchsvoll, weil die Forscherin alleine zwei Kameras bediente und zumindest die dynamische zweite Kamera immer wieder neu ausrichten musste. Schliesslich nehmen im Anschluss an die Erhebung die Sicherung und Auf‐ bereitung der Videodaten viel Zeit in Anspruch. Obwohl professionelle Unter‐ stützung von kompetenten Fachleuten in Anspruch genommen werden konnte, war diese Phase der Datenaufbereitung enorm aufwändig und erforderte eine zeitintensive Auseinandersetzung mit der entsprechenden Software. Zudem mussten die Audioeffekte der Filmdateien optimiert, die beiden Video-Perspek‐ tiven synchronisiert und in eine Filmdatei bestehend aus zwei Teilansichten zusammengeführt werden. Die teilnehmende Unterrichtsbeobachtung wurde letztendlich auch dafür genutzt, um repräsentative Lernprodukte der case pupils für die anschliessende gründliche Betrachtung fotografisch festzuhalten. Denn unterrichtliche Pro‐ dukte, wie zum Beispiel gestalterische Arbeiten oder verschriftlichte Englisch‐ texte, sind weitere hilfreiche Datenquellen, um das Lernen im Fremdsprachen‐ unterricht besser zu verstehen und zu beurteilen, inwiefern die Lernziele der beiden Fächer erreicht wurden (vgl. Caspari 2016a, S. 200; Kurtz 2016, S. 48). 5.5.3 Gruppeninterviews mit den case pupils Qualitative Interviews ermöglichen die Erhebung von reichhaltigen und tief‐ gründigen Daten, sofern die Gespräche möglichst natürlich stattfinden und die Befragten offen sowie ehrlich ihre Erfahrungen, Meinungen und Kenntnisse mitteilen können (Riemer 2016, S. 162). Damit diesem Anspruch der Natür‐ lichkeit und Offenheit gerecht werden kann, wurden die Interviews mit den drei case pupils in Gruppen durchgeführt. Auch wenn bei Gruppeninterviews die Gefahr besteht, dass sich die Lernenden in ihren Antworten gegenseitig beeinflussen und dies tendenziell die Ergebnisse verzerren kann (Lamnek 2005, S. 87), überwogen die Vorteile dieser Form der Befragung für die vorliegende Untersuchung. Mit der Durchführung von Gruppeninterviews konnte die Problematik des Machtgefälles zwischen der erwachsenen Forscherin und den befragten Kindern überwunden werden (Vogl 2015, S. 61-64). Damit ist gemeint, dass die Ler‐ nenden dank der Anwesenheit von anderen Gleichaltrigen sich gegenüber der fremden Forscherin mehr öffnen und ihre ehrlichen Einschätzungen möglichst 167 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung <?page no="167"?> ohne Beschönigung mitteilen konnten. Das letztere bezieht sich auf die Proble‐ matik der sozialen Erwünschtheit (Vogl 2015, S. 82), die sich in Einzelinterviews verstärkt abzeichnet. Dies gilt insbesondere in Interviews mit Kindern, weil sie dazu neigen, es dem Interviewenden recht machen zu wollen und sich deshalb alleine weniger mutig - allenfalls auch kritisch - äussern würden. Zweitens findet man bei Gruppeninterviews, im Gegensatz zu Einzelinterviews, ein breiteres Meinungsspektrum und vielfältigere Reaktionsweisen. Dies hat mit der Tatsache zu tun, dass sie alltäglichen Gesprächssituationen ähneln, bei denen dank der Interaktion Meinungen revidiert, korrigiert und neu geäussert werden (Lamnek 2005, S. 84). Drittens können die Gruppenbefragungen öko‐ nomisch, effizient und somit zeitnah direkt im Anschluss an den Unterricht durchgeführt werden (Lamnek 2005, S. 86). Dieser Grund ist zentral in Bezug auf die Machbarkeit solcher mündlichen Befragungen ausserhalb der regulären Unterrichtszeit. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es für die interviewenden Kinder motivie‐ rend ist, wenn ihr Expertenstatus unterstrichen wird und sie darüber informiert werden, dass es keine richtigen oder falschen Antworten gibt. Weiter gilt es bei Gruppeninterviews mit Kindern zu beachten, dass die Fragen weder zu lang noch zu komplex sind. Ausserdem sollten sich nach ein paar geschlossenen Fragen im Sinne eines warm-up, offenere Fragen anreihen, um ein natürliches und flüssiges Gespräch in Gang zu bringen (Vogl 2015, S. 104-108). Bei der Durchführung der Gruppeninterviews wurden die Lernenden einge‐ laden, eine Rückschau zu der CLIL-Lektion in Bezug auf ihre Motivation und das Gelernte zu halten, sowie Auskunft zum Gelingen und zu den Herausforde‐ rungen einzelner Lernaufgaben zu geben. Zudem sollen sie mitteilen, welche Hilfestellungen sie als unterstützend und nützlich wahrgenommen hatten (siehe Fragekatalog im Anhang D). Im Sinne einer Introspektion wurden sie gedanklich mit medialer Unterstützung wie Lernprodukte oder mit dem Vorlegen der Lernziele in die Lernprozesse zurückgeführt, so dass sie retrospektiv durch lautes Aussprechen ihre mentalen Lernerfahrungen und Abläufe besser mit‐ teilen konnten (Heine & Schramm 2016, S. 173-174). Im Grunde gaben diese Gruppeninterviews, in Anlehnung an Hatties (2015, S. 27) Kernaussagen, den Lernenden eine Gelegenheit, ihr persönliches Lernen durch eine reflektierende Selbstbeinschätzung sichtbar zu machen. Im Gegensatz zu den nachfolgend vorgestellten Gruppendiskussionen mit den Lehrpersonen, sollen bei der Auswertung der Gruppeninterviews sowohl einzelne Äusserungen der case pupils als auch die kollektiven Ansichten der Gruppe als Repräsentanten der Klasse beachtet werden. Erstere sind deshalb wichtig, damit trotz des Gruppen-Settings die individuellen Ansichten der 168 5 Die empirische Untersuchung <?page no="168"?> heterogenen Lernenden wahrgenommen werden können (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 88-89). 5.5.4 Gruppendiskussionen mit den Lehrpersonen Auch für die Erhebung der Meinungen der Lehrpersonen nach Abschluss eines jeden CLIL-Moduls wurden Befragungen in Gruppen durchgeführt. Dafür wird bewusst der Begriff ‘Gruppendiskussion’ verwendet. Denn auch wenn individu‐ elle Einzelmeinungen von Wichtigkeit sind, fokussieren Gruppendiskussionen vorrangig auf die Erhebung von kollektiven Werthaltungen (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 90-93). Gruppendiskussionen werden mit dem Ziel eingesetzt, um in entspannter, alltagsnaher Atmosphäre ein möglichst breites Meinungsspektrum der Teilnehmenden abzuholen, spontane Reaktionen auf Meinungen anderer zu provozieren und gründlichere, teils tieferliegende Mei‐ nungsäusserungen zu gewinnen (Lamnek 2005, S. 84). Eine Gelingensbedingung bei Gruppendiskussionen ist die Initiierung eines lebendigen und selbstläufigen Gesprächs. Dafür ist es zentral, dass die Gruppe forschungsrelevante Gemein‐ samkeiten verbindet (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 95). Dieser letzte Punkt der verbindenden Erfahrungsbasis wurde in vorliegender Befragung dadurch erreicht, dass die Gruppe aus Lehrpersonen bestand, die sich teilweise vorgängig bereits kannten, an den verschiedenen Weiterbildungstreffen und Hospitationen eng zusammenarbeiteten und alle in ihrer Klasse den gleichen CLIL-Unterricht durchführten. Zudem ermöglichen Gruppendiskussionen eine zeiteffiziente Datenerhebung von reichhaltiger Qualität, die sich gerade für die Gewinnung von persönlichen und kollektiven Meinungen von Lehrpersonen zum reflexiven Abschuss einer Unterrichtsreihe eignen. Für diese Art der qualitativen Befragung wird eine Teil‐ nehmerzahl von rund sechs Personen empfohlen, die gemeinsam während ein bis zwei Stunden über ein bestimmtes, allgemein vertrautes Thema diskutieren. Damit die Gesprächssituation weder zu einer stillschweigenden Übereinkunft noch zu einer Unausgewogenheit der Sprechanteile kommt, braucht es sinnvolle offen formulierte (Einstiegs-)fragen und eine zurückhaltend moderierende Ge‐ sprächsleitung (Riemer 2016, S. 166). Um diesen Ansprüchen an ein geeignetes Setting für eine aussagekräftige Gruppendiskussion gerecht zu werden, wurden die acht Lehrpersonen in zwei Vierergruppen zu diesen Auswertungsgesprächen an je 90 Minuten eingeladen. Ein vorbereiteter offener Interview-Leitfaden (siehe Anhang D) diente der Forscherin als Orientierungshilfe. Auch wenn er flexibel eingesetzt wurde, stellte er dennoch sicher, dass alle relevanten Themen in Bezug auf die For‐ 169 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung <?page no="169"?> schungsfragen angesprochen wurden (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 132). Die Fragen wurden bewusst vage und eher vorsichtig formuliert, um den Lehrpersonen meinen Respekt gegenüber ihrer Arbeit und Expertise zu zollen. Diese reflektierte Fremdheit beim Stellen offener Interviewfragen soll dazu führen, dass die Lehrpersonen in einem abgesteckten Orientierungsrahmen ihre ehrlichen Ansichten kundtun und sich als Expert*innen verstehen (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 99). Ausserdem wurden im Rahmen einer Power‐ point Präsentation einige visuelle Gesprächsanreger aus dem vorangehenden CLIL-Modul bereitgestellt. Diese sollten den Lehrpersonen verhelfen, sich an eine bestimmte Lernaufgabe oder Unterrichtssituation zurückzuerinnern. Der Fokus dieser Gruppendiskussionsrunden war zweiteilig. Einerseits sollten die Lehrpersonen ihre Einschätzungen zum Gelingen der CLIL-Module in Bezug auf die Eignung der Lernaufgaben kundtun, die Nutzung dieser CLIL-Lernangebote durch die case pupils und über den Einsatz des Scaffoldings sprechen. Anderseits waren die Lehrpersonen angehalten, über die Chancen und Herausforderungen solcher CLIL-Module für die heterogene Primarstufe allgemein zu befinden. 5.5.5 Schriftliche Befragungen Schriftliche Befragungen, zum Beispiel in Form von Fragenbogen, sind ideal, um in kurzer Zeit eine relative grosse Menge an Daten überschaubar zu erheben. Zudem können die Fragenbogen im Vorfeld durchdacht vorbereitet werden, mittels Pilotierung erprobt und somit für den Ernstfall passgenau erstellt werden. Ausserdem lassen sich durch sie sowohl demographische Angaben (z. B. Klassenstufe, Unterrichtserfahrung, Lernstand, …) als auch die Binnensicht in Bezug auf Einstellungen, Erwartungen und Haltungen effizient in Erfahrung bringen (Riemer 2016, S. 155-157). Jedoch ist die Beantwortung von offenen Fragen, welche für die vorliegende Untersuchung von Interesse sind, in der schriftlichen Befragung limitiert. Dies gilt insbesondere beim Einsatz von Fragebogen mit Kindern, für welche die Formulierung von Antworten zeitaufwändig und teilweise zu anspruchsvoll ist. Deshalb eignen sich die schriftlichen Befragungen vor allem dann, wenn sie als Ergänzung von münd‐ lichen Befragungen eingesetzt werden - wie das in vorliegender Untersuchung auch gemacht wurde. Alle rund 150 Lernenden wurden ganz zu Beginn und dann im Nachgang der beiden CLIL-Module mit halboffenen Fragen, teils mit vorgegeben skalierten Antwortmöglichkeiten oder auch ganz offenen Fragen zu ihren Einstellungen als auch in Bezug auf das Gelingen des CLIL-Lernens befragt (siehe Anhang E). 170 5 Die empirische Untersuchung <?page no="170"?> Die Fragebogen beinhalten teilweise gleichbleibende Fragen. Dies mit dem Ziel, um auch vergleichende Aussagen über das Antwortverhalten der Lernenden zu verschiedenen Befragungszeitpunkten machen zu können. Während im ersten CLIL-Modul der Auswertungsfragebogen ganz am Schluss eingesetzt wurde, wurde im zweiten CLIL-Modul eine adaptierte und verkürzte Fassung im Nachgang an jede Doppellektion eingesetzt (vgl. Abbildung 23). Damit konnten wertvolle Einschätzungen aller Schüler*innen zu ihrem CLIL-Lernen zeitnaher in Erfahrungen gebracht werden. 1. Doppellektion Schätze dein heutiges Arbeiten ein. Setze immer nur ein Kreuz pro Aussage. Stimmt genau Stimmt eher Stimmt eher nicht Stimmt nicht Mir hat die Doppelstunde gefallen. Ich habe gut zugehört. Ich war aufmerksam. Ich habe aktiv mitgearbeitet. Ich konnte dem Unterricht folgen und habe das Meiste verstanden. Ich fand den Unterricht, weil er auf Englisch ist, anstrengend. Ich habe mich bemüht, so viel wie möglich Englisch zu verwenden. Ich habe in den Gruppenarbeiten hauptsächlich Deutsch gesprochen. Im BG-Englisch fällt es mir einfacher Englisch zu sprechen als im normalen Englischunterricht. Abbildung 23: Ausschnitt aus dem Schülerfragebogen Die Lehrpersonen füllten nur einen Fragebogen ganz zu Beginn der Untersu‐ chung aus (siehe Anhang F). Neben der Erhebung ihrer persönlichen Angaben, wurden die Lehrpersonen zu Themen wie Motivation, CLIL-Lernerwartungen und Lernunterstützung mit ähnlichen Fragen wie die Lernenden konfrontiert. Zudem füllten sie einen weiteren Fragebogen zu ihren case pupils aus, in dem sie spezifische Angaben zu diesen drei Lernenden mitteilten. Der Einsatz weiterer Fragebögen im Anschluss an die CLIL-Module wäre redundant gewesen, da sie an den Austauschtreffens ihre Erfahrungen mündlich mitteilen konnten. Jedoch wurden die Lehrpersonen aufgefordert, im Anschluss an jede durch‐ geführte CLIL-Doppellektion eine kurze schriftliche Beantwortung einiger reflexiver Fragen einzureichen. Grund dafür ist die Tatsache, dass im gewählten 171 5.5 Forschungsinstrumente für die Datenerhebung <?page no="171"?> Forschungsdesign der lesson study die Austauschrunden zeitnah durchgeführt werden sollten. Das Setting der vorliegenden Studie erlaubte diesen unmittel‐ baren Austausch nicht, weshalb eine Alternative gefunden werden musste, um die subjektiven Erfahrungen der Lehrpersonen direkt im Anschluss an jede CLIL-Doppelstunde zu erheben. Die hier gewählte Form einer Unterrichtsrefle‐ xion in Anlehnung an ein Lern-/ Lehrtagebuch wird als ergiebige Quelle für erfahrene Lehrende eingeschätzt (Riemer, 2016, S. 161). Dafür wurden den Lehr‐ personen vor jeder CLIL-Doppelstunde einen kurzen Fragekatalog mit offenen Fragen per E-mail zugestellt, mit denen die Eindrücke zum Gelingen und den Herausforderungen der Lektionen als auch zu den Lernergebnissen in Erfahrung gebracht werden können (siehe Anhang F). Das hier gewählte Medium E-mail hat den Vorteil, dass die Forscherin bei allfälligem Ausbleiben der Antworten nachfragen und so sicherstellen konnte, dass sich alle Lehrpersonen zeitnah Gedanken zum Unterrichtsgeschehen machten. 1) Was konnten deine case pupils heute besonders gut und was war schwierig (z.B. zuhören, sprechen, aktiv mitarbeiten, BG-Aktivitäten, …)? Gut gemacht! Das war schwierig! Case pupil 1 Case pupil 2 Case pupil 3 2) Welche Aufgabe hast du heute in Bezug aufs CLIL-Lernen für deine heterogene Klasse besonders gut gefunden? Abbildung 24: Ausschnitt aus Reflexion für Lehrpersonen 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse Die verschiedenen mit unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten gewonnenen Daten wurden entsprechend auch mit verschieden Auswertungsmethoden ausgewertet. Bevor jedoch die Video- und Interviewdaten analysiert werden konnten, wurden die Audiodaten mittels dem eigens für die computerunter‐ stützte Auswertung entwickelten einfachen Transkriptionssystem aufbereitet (Dresing & Pehl 2018, S. 20; Kuckartz 2010, S. 20). Wie bereits begründet, handelt es sich bei vorliegender Untersuchung um ein mixed-methods Vorgehen, bei dem im Rahmen der Datenanalyse eine Kombi‐ nation von qualitativen und quantitativen Auswertungsmethoden angewendet 172 5 Die empirische Untersuchung <?page no="172"?> werden. Ähnliche Vorgehen, die ebenfalls quantitativ-evaluative Rating-Skalen und qualitative Kategoriensysteme kombinieren, haben sich auch in anderen Studien der Unterrichtsforschung bewährt (vgl. Pauli & Reusser 2006, S. 776; Seidel 2005, S. 76). Wie diese verschiedenen Auswertungsmethoden hier in der vorliegenden Untersuchung konkret eingesetzt wurden, wird nachfolgend im Detail erklärt. 5.6.1 Auswertung des Rating-Bogens für die Einschätzung der Aufgabenqualität Die insgesamt sechzehn einzelnen Einschätzungen auf dem Rating-Bogen der Expert*innen und der Lehrpersonen zu den vierzehn Indikatoren wurden für jedes CLIL-Modul in einem Dokument zusammengefasst, um die individuellen Aussagen zu einer kollektiven Meinung zusammenzufügen. Mit Hilfe dieser übersichtlichen Zusammenfassungen liessen sich leicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen oder auch berechnen. Dies wurde erreicht, indem für jede Einschätzung gewichtete Punkte vergeben wurden (trifft zu = 4 Punkte; trifft eher zu = 3 Punkte, trifft eher nicht zu = 2 Punkte, trifft nicht zu = 1 Punkt) und so mittels Punktetotal auch vergleichende Analysen auf nummerischer Basis gemacht werden konnten. Zum einen konnten so Vergleiche zwischen den beiden CLIL-Modulen, zum anderen auch zwischen den beiden Gruppen von Beurteilenden, namentlich den Expert*innen und den Lehrpersonen gemacht werden. Diese nummerischen Auswertungen wurden zusätzlich durch rele‐ vante Aussagen der Expert*innen und Lehrpersonen ergänzt. Solche Aussagen von den Expert*innen wurden an den beiden Treffen in Form von Notizen von der Forscherin festgehalten. Die Aussagen der Lehrpersonen stammen aus den Gruppen-Diskussion und konnten aus den transkribierten Audio-Aufnahmen entnommen werden. Insgesamt soll durch das Anfügen von aussagekräftigen Wortmeldungen die evaluativen Einschätzungen auf den Rating-Bogen - ganz im Sinne des mixed-methods Vorgehen - besser nachvollziehbar gemacht werden. Da die Lehrpersonen zusätzlich zur Evaluation des gesamten Aufgabensets auch jede einzelne Lernaufgabe einschätzten, konnten die zwei geeignetsten Lernaufgaben für das CLIL-Lernen in heterogenen Klassen ebenfalls anhand ihres Punktetotals einfach und eindeutig herauskristallisiert werden. Diese zwei favorisierten Lernaufgaben bildeten schliesslich die Grundlage für die detailliertere Analyse des Unterrichts, welche nachfolgend genauer erklärt wird. 173 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="173"?> 5.6.2 Unterrichtsrating: Nutzung der Lernaufgaben und Qualität der CLIL-Lernhandlungen Für die Analyse der ausgewählten videografierten Unterrichtssequenzen wurde ein detailliertes Unterrichtsbeobachtungsinstrument erstellt. Dieses lehnt sich an das von Allen, Fröhlich und Spada (1983) entwickelte Beobachtungsinstru‐ ment namens COLT (Communicative Orientation of Language Teaching). Dieses Instrument wurde mit dem Ziel entwickelt, die komplexen Merkmale des kommunikativen Fremdsprachunterrichts möglichst exakt zu beschreiben und basierend auf einer Vielzahl relevanter, mit einander in Wechselbeziehung stehenden Dimensionen zu charakterisieren (Allen et al. 1983, S. 233, 247). COLT war in damaliger Zeit ein Novum, weil kein Beobachtungsinstrument die Theo‐ rien der im Fremdsprachenunterricht neu aufkommenden kommunikativen Unterrichtsmethode (CLT) und damit verbundenen Forschungserkenntnisse des Zweitspracherwerbs miteinbezog. Dank COLT gelang es vielen Forschenden die im Fremdsprachenunterricht vorherrschenden Prozesse und Interkationen besser zu verstehen und mit den Lernprodukten in Beziehung zu setzen, um so Aussagen über die Unterrichtseffektivität zu machen (Spada & Fröhlich 1995, S. 5). Auch wenn das Observationsinstrument etwas in die Jahre gekommen zu sein scheint, hat es dank seinem elaborierten Kategoriensystem die Fremdsprachen‐ forschung der letzten Jahren massgeblich mitbeeinflusst (Dörnyei 2007, S. 181). Tatsächlich zeugen viele der Kategorien von höchster Aktualität, wie zum Beispiel die klare kommunikative Ausrichtung mit ausgewogener Balance der Aspekte focus on form und focus on meaning. Die Anwendung der COLT-Katego‐ rien hat deshalb Befunde zu Tage gebracht, die für den Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine hohe Passung ausweisen. So beschreiben die Forschenden zum Beispiel jene Klassen als besonders ‘kommunikativ’, in welchen «students were given opportunities to use language in creative and unrestricted ways and participated in negotiation of topics and tasks.» (Spada & Fröhlich 1995, S. 7). Diese Aussage zeigt, dass sich das COLT-Beobachtungsinstrument somit für die vorliegende Untersuchung mit schülerzentrierten, aufgabenorientierten Unterrichtssequenzen eignet. Die Passung des Beobachtungsinstrument für den vorliegenden CLIL-Kontext zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, weil es von den Forschern unter anderem auch für die Untersuchung von bilingualen Unterricht konzipiert wurde (Allen et al. 1983, S. 247). Vorgefertigte, validierte Beobachtungsinstrumente bringen viele Vorteile mit sich. Trotzdem müssen sie auf den unmittelbaren Forschungsfokus zuge‐ schnitten werden (Spada & Fröhlich 1995, S. 10). Im vorliegenden Fall wurden deshalb einige, irrelevante Kategorien weggelassen (z. B. Typen von Materialien 174 5 Die empirische Untersuchung <?page no="174"?> 18 Um die Verbindung zum originalen Beobachtungsinstrument COLT zu unterstreichen, wurden die Codenamen im Teil 1 soweit wie möglich beibehalten und weitere wenige dazu auf Englisch ergänzt. Im Teil 2 wurden bewusst jene Codes, die sich auf das Fach Englisch beziehen in englischer Sprache verfasst, jene zugehörig dem Fach BG auf Deutsch benannt. Dies hilft die komplexe Codestruktur für die Erforschung der vorliegenden CLIL-Fächerfusion etwas zu entwirren. oder Fokus auf Lehrersprechhandlungen) und dafür mit solchen von hoher Relevanz für den CLIL-Lernkontext (z. B. Lernhandlungen aus dem Lehrplan beider Fächer) ersetzt. Wie der originale Beobachtungsbogen, besteht auch der adaptierte, vorliegende Bogen aus zwei Teilen 18 . Dies verdeutlicht die nachfolgende Abbildung. Class: teacherled Class: learnercentred Pair / group work Participant organisation Individual work Art Reading / Writing Speaking None Listening Off-task Task instruction / organisation CLIL Student modality Content Part I: BASIS CODING (low / medium inferent) Focus on class Part II: DETAILED ANALYSIS (high-inferent) Focus on case-pupil Listening Speaking Monologue Speaking Dialogue Nonlinguistic art Other Use of English Use of Scaffolding Reading Writing Wahrnehmung & Kommunikation Prozesse & Produkte Kontexte & Orientierung Abbildung 25: Grafische Übersicht über die Code-Kategorien von Teil I und II Teil I umfasst Parameter, die die Vorgänge im Klassenzimmer wie die So‐ zialformen (participant organisation), die potentiellen Lernangebote für die Schüler*innen (student modality) und die inhaltliche Ausrichtung des Unter‐ richts (content) untersuchen. Das Einschätzen solcher Oberflächenmerkmalen von Unterricht, das heisst solche, die sich auf die Sichtstrukturen des Unterrichts beziehen und sich meist eindeutig zuweisen lassen, werden als niedrigbis mittel-inferente Einschätzungen bezeichnet (Dörnyei 2007, S. 180; Praetorius 2014, S. 32). In vorliegender Untersuchung wurden diese Einschätzungen im Sinne einer Ereigniscodierung (event-sampling) vorgenommen. Bei diesem sogenannten timed event-sampling werden die vorab klar definierten oberfläch‐ lichen Ebenen des Unterrichtsgeschehens wie Sozialformen, Lerninhalte und potentielle Lernhandlungen in ihrem Vorkommen, ihrer Häufigkeit und ihrer 175 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="175"?> Dauer protokolliert (Appel & Rauin 2015, S. 133). Jedes Ereignis wurde mit je einem Code aus jeder Oberkategorie (‘participant organisation’,‘student moda‐ lity’ und ‘content’) versehen. Mit diesem Vorgehen sollen somit die effektive CLIL-Lernzeit und die durch das Aufgabenset bereitgestellten Lernangebote mitsamt den verwendeten Sozialformen in Erfahrung gebracht werden. Diese Codierung wurde mit dem Programm Maxqda direkt in den Videodaten vorge‐ nommen. Teil II zoomt in die tieferen Strukturen des Unterrichts hinein, namentlich auf die unterrichtlichen Interaktionen, um Einblicke in die Qualität der tatsächlich vorgenommenen CLIL-Lernhandlungen zu erhalten. Diese detaillierte Analyse soll nicht über das gesamte Aufgabenset ausgeführt werden, sondern beschränkt sich auf die Handlungen während der Bearbeitung der zwei favorisierten Lernaufgaben, die von den Lehrpersonen als optimal für das CLIL-Lernen bewertet wurden. Während Teil II des originalen COLT-Beobachtungsraster detaillierte kom‐ munikative Unterrichtsmerkmale aus Sicht der Lehrperson und der Lernenden beinhaltete, wurden diese für den vorliegenden Untersuchungszweck folgen‐ dermassen umgestellt: Einerseits sollen ausschliesslich die Interaktionen der Lernenden, mit Fokus auf die drei case pupils, evaluiert werden. Anderseits wurden die ursprünglichen ausschliesslich auf den Englischunterricht bezo‐ genen Kriterien durch relevante CLIL-Kompetenzen und Merkmale ergänzt oder teils auch ganz ersetzt. Diese Unterrichtsmerkmale beziehen sich somit neu auf die möglichen sprachlichen und inhaltsorientierten Lernhandlungen, wie sie im Lehrplan 21 im Rahmen von Kompetenzbeschreibungen der beiden Fächer Englisch und BG dokumentiert sind (D-EDK 2014 Englisch und BG). Zusätzlich wurden zwei neue Kategorien angefügt: der Anteil von Englisch in jeder Sprechhandlung und der Gebrauch von Scaffolding. Mit diesem stark adaptierten Teil II lassen sich somit nicht nur die Vorkomm‐ nisse und Häufigkeiten bestimmter CLIL-spezifischen Lernhandlungen eines jeden case pupils aufzeigen, sondern jede dieser Lernhandlungen soll in Bezug auf ihre Qualität mit Hilfe einer vierstufigen Skala (++ = sehr gut, + = gut, - = knapp genügend, -- = ungenügend) eingeschätzt werden. Die nachfolgende Abbildung gibt einen exemplarischen Einblick in das Rating-Instrument, wie die Lernhandlungen im fremdsprachlichen Kompetenzbereich ‘Monologisches Sprechen’ (Speaking monologue) und im Kompetenzbereich ‘Prozesse und Pro‐ dukte’ aus dem BG evaluiert werden. 176 5 Die empirische Untersuchung <?page no="176"?> Abbildung 26: Einblick in das Rating-Instrument für die Qualitätseinschätzung der CLIL-Lernhandlungen All diese Rating-Kategorien wurden im Teil II ausschliesslich in Bezug auf die drei unterschiedlichen case pupils während der Bearbeitung der zwei aus‐ gewählten Lernaufgaben im Sinne einer Ereigniscodierung (event sampling) immer dann geratet, wenn sie erscheinen. Für diesen Teil wurde ebenfalls das event sampling gewählt, weil auch hier Ereignisstichproben das tatsächliche Unterrichtsgeschehen am besten exakt abbilden. Ein weiteres wichtiges Argu‐ ment zugunsten der Ereigniscodierung betrifft das Rating der Qualität. Um diese Qualitätseinschätzungen zuverlässig vorzunehmen, muss die ganze Lern‐ handlung eines jeden case pupils als eine Einheit betrachtet und somit auch als zusammenhängendes Ereignis geratet werden. Diese beiden Gründe sprechen für die Anwendung der Ereigniscodierung, auch wenn die anschliessenden Operationalisierung der Analyse mit aufwändigeren Prozessen einhergeht, als dies zum Beispiel mit einer Zeitcodierung (time sampling) der Fall wäre (Appel & Rauin 2015, S. 134). Diese Ratings wurden mit dem Programm Maxqda anhand der transkribierten Unterrichtssequenzen vorgenommen. Bei diesem Teil II des Ratings handelt es sich um hoch-inferente Einschät‐ zungen, die sich auf die teils nicht sichtbaren Tiefenmerkmale des Unterrichts beziehen und deren Zuordnungen somit stets eine subjektive Interpretation des Beobachters mit sich ziehen. Sie geben zwar vertiefte Einsichten in die CLIL-Lernprozesse, mangeln hingegen an Objektivität und sind zudem anfällig auf Beobachterfehler (Dörnyei 2007, S. 180; Praetorius 2014, S. 32). Deshalb wurden verschiedene Schritte unternommen, um die Zuverlässigkeit auch bei 177 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="177"?> 19 Gemäss Decristan et al. (2020, S. 111-113) werden Oberflächenmerkmale als unterricht‐ liche Gestaltungsmerkmale auf methodischer oder organisatorischer Ebene verstanden, die zwar nicht direkt Lernprozesse auslösen, jedoch im Idealfall ein angemessenes ‘Anre‐ gungspotential’ für Lernen bieten. Tiefenmerkmale beziehen sich hingegen direkt auf die kognitiven Verarbeitungsprozesse der Schüler*innen. diesem hoch inferenten Analyseinstrument sicherzustellen - diese werden im Kapitel zu den Gütekriterien dargelegt (siehe Kapitel 5.7.1). Der hier vorgestellte Ansatz eines Unterrichtsbeobachtungsinstruments beste‐ hend aus einem niedrigbis mittel-inferenten Kategoriensystem mit Basiskodie‐ rungen kombiniert mit einem darauf aufbauenden hoch-inferenten Ratingsystem für die Evaluation der Qualität von Lernhandlungen hat sich auch in anderen Studien bewährt (z. B. Hugener et al. 2006, S. 46; Pauli & Reusser 2006, S. 780; Seidel 2005, S. 76). Bei der vorliegenden Studie geht es jedoch nicht nur darum ein um‐ fassendes Bild über die Oberflächen- und Tiefenmerkmale 19 des CLIL-Unterrichts zu erhalten, sondern auch zu untersuchen, wie die unterschiedlichen case pupils als Vertreter dreier Leistungsgruppen das Unterrichtsangebot nutzen. Mit Blick auf den mixed-methods Ansatz soll dieser Nutzen der CLIL-Lernangebote durch die heterogenen Lernenden sowohl auf deskriptiver qualitativer Ebene anhand relevanter Unterrichts-Beispielen als auch quantitativ mittels des statistischen Signifikanztests ‘Chi-Quadrat-Test’ ausgewertet werden. Chi-Quadrat bezeichnet ein Zusammenhangsmass, das ermittelt, ob es zwi‐ schen den in einer Kreuztabelle aufgestellten Merkmalen (Variablen) signifi‐ kante Zusammenhänge gibt. Beim Chi-Quadrat-Verfahren werden die statistisch erwarteten und tatsächlich empirisch beobachteten Häufigkeiten miteinander verglichen. Die daraus resultierenden Abweichungen werden in einem Zu‐ sammenhangsmass ausgedrückt (Kuckartz et al. 2013, S. 87-92). Ausgehend von diesem Zusammenhangsmass kann schliesslich ein Koeffizient (p-Wert) berechnet werden, der Auskunft über die die Stärke des Zusammenhanges gibt. Ist dieser Wert signifikant, so kann davon ausgegangen werden, dass die Wahr‐ scheinlichkeit, dass dieser Zusammenhang rein zufällig entstanden ist, sehr gering ist. Für die vorliegende Studie wird das konventionelle Signifikanzniveau von 5 % genommen. (Kuckartz et al. 2013, S. 149, 153) Das heisst: Weist der Chi-Qua‐ drat-Test Werte unter der Signifikanzgrenze von 0.05 aus, wird die Nullhypothese, die besagt, dass es zwischen den zwei untersuchten Leistungsgruppen (z. B. Gruppe der lernstarken und -schwachen case pupils) keine Zusammenhänge gibt, verworfen. Stattdessen gilt die Alternativhypothese, die besagt, dass zwischen den untersuchten Leistungsgruppen Unterschiede vorliegen. Bei kleinen Stichproben mit weniger als 30 Fälle (N < 30) ändern sich die statistischen Voraussetzungen 178 5 Die empirische Untersuchung <?page no="178"?> (Kuckartz et al. 2013, S. 96, 140), weshalb bei solchen Ergebnisdarstellungen auf den Einsatz des Chi-Quadrat-Tests verzichtet wird. 5.6.3 Qualitative Inhaltsanalyse: Chancen und Herausforderungen des CLIL-Unterrichts Bei der qualitativen Inhaltsanalyse handelt es sich um ein Verfahren der Auswer‐ tung von Daten, bei dem eng entlang der Fragstellung nach einem systematischen Vorgehen regel-, kategorien- und theoriegleitet Kommunikation analysiert wird (Mayring 2015, S. 13). Das Herzstück einer qualitativen Inhaltsanalyse sind somit ihre Kategorien, die die Analyse anleiten und die Qualität der Forschung massgeblich bestimmen (Kuckartz 2018, S. 29). Aufgrund der Tatsache, dass die qualitative Inhaltsanalyse ihre Wurzeln im quantitativen Bereich hat, bilden Häufigkeitsanalysen eine kompatible Form in diesem sonst qualitativ-orientierten Auswertungsvorgang (Mayring 2015, S. 17; Schreier 2012, S. 14, 239-240). Das bedeutet, dass die in den Daten vorkommenden Informationen durch Zählen weiter ausgeschöpft werden können, um festzustellen, wie oft ein Phänomen vorkommt oder ob es sich um einen Einzelfall handelt (Kuckartz 2018, S. 116). Diese Vermischung von qualitativen und quantitativen Auswertungsvorgängen innerhalb dieser Methode unterstreicht somit deren Passung für das vorliegende mixed-methods Vorhaben. Ausserdem lassen sich mit diesem kombinierten Vor‐ gehen sowohl die manifeste, oberflächliche Kommunikation als auch die latente, tieferliegende Interpretation der Gespräche ideal erfassen (Dörnyei 2007, S. 245- 246). Den Grundsätzen der Hermeneutik folgend, demnach im verstehenden Umgang mit Texten (Koller 2011, S. 83), handelt es sich bei der qualitativen Inhaltsanalyse immer um einen vielschichtigen Verstehensprozess. Damit dieser erfolgreich gelingen kann, müssen gewisse weitere Kernpunkte der Hermeneutik beachtet werden. Dies sind zum Beispiel Transparenz gegenüber den Entste‐ hungsbedingungen der Daten herzustellen, die Fremdheit respektive Vertrautheit gegenüber dem Forschungskontext kritisch zu reflektieren oder die gesamten Daten als Ganzes zu betrachten und angemessen zu interpretieren (Kuckartz 2018, S. 20; Mayring 2015, S. 32). Einige dieser Punkte werden im Kapitel 5.7.1 im Zusammenhang mit den Gütekriterien erneut aufgegriffen. Bei der qualitativen Inhaltsanalyse handelt es sich somit um eine systemati‐ sche Methode der kategoriengeleiteten Interpretation, die durch das Einhalten be‐ stimmter Analyseschritte und Analyseregeln strukturiert und dadurch überprüfbar wird. Gleichzeitig muss das Auswertungsverfahren immer an den vorgegebenen Forschungsgegenstand und die spezifische Fragestellung adaptiert werden. (May‐ ring 2015, S. 50-51) Für das vorliegende Forschungsvorhaben wurden die von Ku‐ 179 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="179"?> ckartz präsentierten Ablaufschritte der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse als besonders passend erachtet. Erstens hat sich diese Art von qualitativer Inhalts‐ analyse für verschiedenste Forschungsprojekte bewährt und ist in der Methodenli‐ teratur häufig anzutreffen. Zweitens eignet sich dieses Vorgehen für verschiedenste Interviewdaten sowohl für Gruppendiskussionen als auch Gruppeninterviews. Drit‐ tens werden die Kategorien nach einem mehrstufigen Verfahren sowohl deduktiv als auch induktiv gebildet, was als eine besonders erfolgsversprechende Vorgehens‐ weise betrachtet wird (Kuckartz 2018, S. 97-98). Das nachfolgende Ablaufschema verdeutlicht das Vorgehen in sieben Phasen, die nachfolgend in Bezug auf das vorliegende Forschungsvorhaben erläutert werden. Alle Arbeitsschritte wurden computergestützt mit dem Programm Maxqda ausgeführt. Abbildung 27: Ablaufschema der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018, S. 100) (1) Die ersten Auswertungsschritte bestehen aus dem sorgfältigen Lesen der transkribierten Interviewdaten, dem Markieren von besonders wichtig erschei‐ nenden Textpassagen und dem Festhalten von Bemerkungen in Form von Memos (Kuckartz 2018, S. 101). Grundsätzlich ist das Ziel dieser initiierenden Textarbeit, sich vor dem eigentlichen Codieren mit den Daten vertraut zu machen. Dieser erste Schritt wurde im vorliegenden Forschungsprojekt dadurch unterstützt, da die Forscherin die Daten selber erhoben als auch transkribiert hat und sie somit bereits eine hohe Vertrautheit mit den Texten mitbringt. (Kuckartz 2018, S. 84) 180 5 Die empirische Untersuchung <?page no="180"?> (2) In einem nächsten Schritt wird mittels Hauptkategorien eine erste inhaltliche Strukturierung vorgenommen. Die Themen für diese Kategorien lehnen sich stark an die Forschungsfragen und somit an den Leitfaden des Interviews an. Sie können sowohl deduktiv aus dem theoretischen Bezugs‐ rahmen als auch induktiv direkt aus dem Material hergleitet werden. Die Anwendbarkeit dieser Kategorien soll dann auf jeden Fall an rund einem Viertel des Materials geprüft werden (Kuckartz 2018, S. 101-102). Im vorliegenden Forschungsvorhaben wurden eine Vielzahl der Hauptkategorien sowie einige der nachfolgenden Subkategorien bereits deduktiv aus der Forschungsfrage und der theoretischen Einbettung abgeleitet. Dazu gehören zum Beispiel Kate‐ gorientitel wie ‘CLIL-Lernen’, ‘Heterogenität’ oder ‘CLIL-Didaktik’ mit einer entsprechenden verfeinerten Einteilung in ‘Chancen’ und ‘Herausforderungen’ und vereinzelten Subkategorien. Auch wenn in diesem ersten Codier-Schritt gemäss Kuckartz erst mit den Hauptkategorien gearbeitet werden sollte, wurden hier bei ganz klar zuteilbaren Stellen bereits Subkategorien gebildet. (3) Im Rahmen des ersten Codierprozesses wird Zeile für Zeile aufmerksam gelesen und den entsprechenden Haupt- und Subkategorien zugeordnet. Für die Forschungsfrage irrelevante, nicht sinntragende Textstellen bleiben entspre‐ chend uncodiert. Dabei kann ein Abschnitt Textstellen zu mehreren Themen enthalten, die folglich mehreren Codes zugeordnet werden müssen. In verein‐ zelten Fällen kann es Textstellen auch mit zwei oder mehreren überlappenden Codes geben. (Kuckartz 2018, S. 102-104). Zur Bestimmung einer Codiereinheit können formale (z. B. ein Satz oder ein Abschnitt) oder thematische Kriterien (z. B. ein Thema innerhalb eines Abschnittes) wegweisend sein. Während erstere Codierart klar definierbaren Regeln folgt, lässt zweite Art im Codier‐ prozess mehr Ambiguität zu. Dies weil der Start und das Ende eines neuen Themas in einem natürlichen Gespräch nicht immer eindeutig erkennbar sind (Schreier 2012, S. 138). Trotz dieser Schwierigkeit wurden die vorliegenden Interviewdaten in thematische Codiereinheiten unterteilt, weil nur mit dieser Art der Codiereinheit eine differenzierte Analyse der teilweise vielschichtigen Aussagen erreicht werden kann. Damit solche Codierregeln später für die Zweit‐ codiererin und für andere interessierte Personen nachvollziehbar sind, wurden wichtige Informationen und Regeln laufend im Codierleitfaden dokumentiert (siehe Anhang G). In diesem Dokument wurden auch vorweg die festgelegten Codes der Haupt- und Subkategorien definiert und zur Verdeutlichung mit aussagekräftigen Ankerbeispielen oder Zitaten aus den Pilotdaten unterlegt. (4) Nach dem ersten Codierprozess muss ein Ausdifferenzieren der bislang angewendeten Kategorien vorgenommen werden (Kuckartz 2018, S. 106). Dafür wurden die bereits codierten Textstellen zusammengenommen, eingehend ge‐ 181 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="181"?> lesen und zum Teil neu organisiert. Codes wurden in diesem Zusammenhang gebündelt, umorganisiert sowie unbenannt. Das Zusammenstellen und Umor‐ ganisieren der bereits gesetzten Codes gelang im vorliegenden Forschungsvor‐ haben dank dem Programm Maxqda ideal. Die Neuerungen wurde zudem konsequent im Codierleitfaden festgehalten. (5) Als nächsten Schritt, gemäss Kuckartz, werden mittels induktiver Ka‐ tegorienbildung weitere Subkategorien gesucht. Die deduktiven Kategorien fungierten bislang als eine Art Suchraster, nun werden diese weit gefassten codierten Stellen genauer analysiert und mit entsprechenden neuen Kategorien direkt aus den Daten weiter präzisiert und differenziert. Weitere Subkategorien werden erneut genau beschrieben und mit Beispielen oder Zitaten aus dem Material definiert (Kuckartz 2018, S. 96, 106). In meinem Vorgehen wurden wei‐ tere passende Subkategorien gesucht und in das bestehende Kategoriensystem eingeordnet. Dieser Prozess der Erstellung des finalen Kategoriensystems nahm viel Zeit in Anspruch, weil Subkategorien immer wieder verworfen, verfeinert oder umgestellt werden mussten, bis die Passung für alle bislang codierten Textstellen zufriedenstellend war. Der finale Codierleitfaden und das Kategoriensystem können im Anhang G eingesehen werden. Die folgende Übersicht veranschaulicht die Haupt- und Subkategorien, demnach die Codes und Subcodes, mit denen die Daten schliesslich analysiert wurden. Code Subcode Positive Wertung Negative Wertung CLIL-Lernen Neuer Zugang zur Sprache Chance Herausforderung Englisch-Lernerlebnisse Chance Herausforderung BG-Lernerlebnisse Chance Herausforderung CLIL als Fächerfusion Chance Herausforderung CLIL allgemein Chance Herausforderung Heterogenität Differenzierung / Individuali‐ sierung Chance Herausforderung Verbales Scaffolding Chance Herausforderung Inhaltliches Scaffolding Chance Herausforderung Strategisches Lernen & Scaf‐ folding Chance Herausforderung 182 5 Die empirische Untersuchung <?page no="182"?> CLIL-Didaktik Lernaufgaben Chance Herausforderung Sprachgebrauch in Gruppen Chance Herausforderung Kooperatives / Soziales Lernen Chance Herausforderung Kulturelles Lernen Chance Herausforderung Interesse & Motivation Chance Herausforderung Forschungs‐ projekt Zeitfaktor Chance Herausforderung Kamera-/ Beobachtungseffekt Chance Herausforderung Lesson study (Forschungsde‐ sign) Chance Herausforderung Tabelle 5: Übersicht über die Codes und Subcodes für die qualitative Inhaltsanalyse (6) Nun folgt der zweite Codierprozess, bei dem das komplette Material noch‐ mals mit den ausdifferenzierten Kategorien codiert wird. Dabei kann es noch kleine Anpassungen und Ausdifferenzierungen im Kategoriensystem geben (Kuckartz 2018, S. 110). Wichtig ist, sich dabei immer wieder vor Augen zu führen, dass das Zuordnen von Kategorien und Textstellen ein Interpretati‐ onsakt ist, den es kritisch zu reflektieren gilt. (7) Für den letzten Schritt, die Analyse und anschliessende Ergebnispräsen‐ tation, schlagen Kuckartz (2018, S. 118-120) und Schreier (2012, S. 219-230) verschiedene Formen der Auswertung vor. In vorliegender Untersuchung wurde die Auswertung entlang der Haupt- und Subkategorien angegangen. Beginnend mit der Kategorie ‘Neuer Zugang zur Sprache’ unterteilt nach Chancen und Herausforderungen wurden alle codierten Stellen dieser Kategorie in ein Excel exportiert, Wichtiges markiert, nach Unterthemen sortiert und essentielle Aussagen zusammengefasst. Mit jedem einzelnen Code wurde dieses Vorgehen wiederholt. Für die Ergebnispräsentation schlägt Kuckartz (2018, S. 118-120) vor, so‐ wohl Häufigkeiten von Nennungen als auch relevante inhaltliche Ergebnisse samt aussagekräftigen Zitaten aufzuzeigen. Weiter können Zusammenhänge zwischen Subkategorien dargestellt werden, um auf Gemeinsamkeiten oder Un‐ terschieden zwischen Kategorien aufmerksam zu machen. Als wichtig werden zudem regelmässige resümierende Zusammenfassungen in Bezug auf die For‐ schungsfrage erachtet. Im Ergebnisteil der vorliegenden Studie wurden die Subkategorien unterteilt nach Chancen und Herausforderungen zum einen aus der Sicht der Lehrpersonen als auch der Perspektive der Lernenden vor‐ 183 5.6 Auswertungsmethoden für die Datenanalyse <?page no="183"?> 20 In den videografierten Interviews war es nicht immer eindeutig nachvollziehbar, wie viele Lehrpersonen einer Aussage einer anderen Lehrperson non-verbal beipflichteten. gestellt. Sofern relevant und eindeutig erkennbar 20 , wurden auch Aussagen zur Häufigkeit gemacht. Ebenfalls wurden Aussagen der Teilnehmenden oft auch nach gruppierenden Merkmalen in Bezug auf die heterogenen Lernenden dargestellt, das heisst die Auswertung hatte auch zum Ziel die drei Leistungs‐ gruppen der schwachen, durchschnittlichen und lernstarken Schüler*innen zu charakterisieren. In diesem Sinne wurde eine Art Typenbildung vorgenommen (Kuckartz 2018, S. 146), mit welcher die Chancen und Herausforderungen des CLIL-Unterrichts für die drei Leistungsgruppen aus verschiedenen Perspektiven verdichtet aufgezeigt werden konnte. Wie von Kuckartz vorgeschlagen, endet die Ergebnisdarstellung mit einer visualisierten, tabellenartigen Zusammenstel‐ lung der relevanten Erkenntnisse mit dem Ziel einen resümierenden Bogen zur Forschungsfrage III zu schlagen (vgl. Tabelle 60). 5.6.4 Auswertung der Fragebogen Die mittels Fragebogen gewonnen Daten, sei es jene von der Befragung der Lehrpersonen oder jene aller rund 150 Lernenden, wurden in eine Excel-Datei übertragen, um sie hauptsächlich quantifizierend auszuwerten. Eine Beson‐ derheit im Zusammenhang mit den Fragebogen der Lernenden lohnt sich hier zu erwähnen. Alle Antworten der Lernenden wurden in Bezug auf ihre Leistungsstärke im Fach Englisch differenziert erfasst. Das bedeutet, dass die Lehrpersonen neben den case pupils auch alle anderen Lernenden ihrer Klasse in die drei Englisch-Leistungsgruppen eingeteilt hatten. Dadurch konnten die Daten entsprechend nach Leistungsvoraussetzung der einzelnen Lernenden betrachtet und analysiert werden. Diese differenzierte Analyse ermöglicht es folglich Aussagen darüber zu machen, wie der CLIL-Unterricht von allen hete‐ rogenen Lernenden über alle Klassen hinweg wahrgenommen wurde. Ebenfalls lässt sich dadurch erkennen, ob die ausgewählten case pupils im Vergleich aller anderen Schüler*innen der gleichen Leistungsgruppe ähnliche Antworten angegeben haben. Die Daten aus den Fragebogen werden somit hauptsächlich tabellarisch als zusätzliche Informationsquelle und Rückgrat für bereits zuvor vorgestellte Auswertungsvorgehen in die Ergebnisdarstellung integriert. 184 5 Die empirische Untersuchung <?page no="184"?> 5.7 Forschungsmethodische Reflexion An dieser Stelle ist es essentiell einige Überlegungen zur Qualität des vorlie‐ genden Forschungsvorhabens anzubringen. Im Folgenden werden deshalb die klassischen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität reflektiert als auch forschungsethische Gesichtspunkte dargelegt. 5.7.1 Gütekriterien Auch wenn die klassischen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität ihren Ursprung in der quantitativen Forschung haben, besitzen diese Begriff‐ lichkeiten in teils angepasster Weise ihre Gültigkeit für die Darlegung von Qualitätsstandards für jegliche Forschung. Dies weil sich alle Forschende immer mit Qualitätskriterien in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Daten, die Gültigkeit der Ergebnisse und die Repräsentativität der Studie befassen müssen. Es ist deshalb ein zentrales Anliegen, dass sich Forschende zunehmend unabhängig ihrer Forschungsausrichtung entlang gemeinsamen Standards verständigen und orientieren (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 21). Dieses Anliegen hat umso mehr Bedeutung in der mixed-methods Forschung, bei der die Orientie‐ rung an gemeinsamen Gütekriterien unvermeidbar ist. Die vorliegende qualitativ-dominante mixed-methods Untersuchung versucht diesen Bemühungen gerecht zu werden. Obwohl in vorliegender Arbeit der qualitative Zugang dominiert und somit im Umgang mit den Gütekriterien leitend war, wird im Folgenden dargelegt, wie die Standards der qualitativen als auch quantitativen Methoden entlang der drei klassischen Gütekriterien berücksichtigt wurden. Reliabilität Reliabilität bezeichnet die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Forschungsin‐ strumente, mit der die Datenerhebung vollzogen wurde (Schreier 2012, S. 166). Um die Reliabilität der vorliegenden Datenerhebung sicherzustellen und folglich Unstimmigkeiten bei der Datenanalyse zu minimieren, wurden verschiedene Schritte unternommen. Einerseits wurden vor der Planung und Durchführung der eigenen Untersuchung, Hospitationen in CLIL-Doppellektionen mit ähn‐ licher Thematik in zwei verschiedenen Schulkassen durchgeführt. Diese Hos‐ pitationen hatten zum einen zum Ziel mich mit dem Forschungsfeld näher vertraut zu machen und die Möglichkeiten als auch Grenzen in Hinblick auf die Umsetzung der eigenen Studie in Erfahrung zu bringen. Zum anderen 185 5.7 Forschungsmethodische Reflexion <?page no="185"?> 21 Bewusst wird hier von Grundlagen gesprochen, weil - wie auch Kuckartz (2018, S. 110) betont - für ein möglichst zuverlässiges Kategoriensystem sowohl deduktive als auch induktive Kategorien gewählt werden sollten und somit die Finalisierung des Instruments erst anhand der Daten aus der Hauptstudie vorgenommen werden konnte. konnten dabei auch die geplanten Methoden der Datenerhebung (Einstiegs- und Auswertungsfragebogen, Videotechnik) getestet werden. Weiter verhalf die umfassende Pilotierung rund um die Implementierung des CLIL-Moduls I (vgl. Abbildung 18) die Zuverlässigkeit der Datenerhebung zu erhöhen. Mithilfe der aus dieser Pilotstudie resultierenden Daten konnte das Un‐ terrichtsbeobachtungsinstrument sorgfältig entwickelt und solide Grundlagen 21 für das Kategoriensystem der qualitativen Inhaltsanalyse erarbeitet werden. Ferner wurden sowohl das quantitative Rating der unterrichtlichen Video‐ daten als auch die qualitative Inhaltsanalyse der Interviews von einer zu‐ sätzlichen unabhängigen Raterin, die in vorliegender Untersuchung auch als Zweitcodiererin bezeichnet wird, vorgenommen. Denn eine Analyse gilt erst dann als reliabel, wenn andere Beurteilende zu einer ähnlichen Einschätzung der Daten kommen (Wirtz & Caspar 2002, S. 15). Das Einbeziehen eines unabhängigen Beurteilenden bringt mindestens drei Vorteile mit sich: Erstens wird sichergestellt, dass die Einschätzungen der Video- und Interviewdaten auf nachvollziehbaren, möglichst objektiven Beobachtungskriterien basieren. Zweitens gewinnen die Forschungsinstrumente an Qualität, weil sie für die aussenstehende Person verständlich und präzise verfasst sein müssen (Kuckartz 2018, S. 105). Drittens kann mittels der Berechnung eines Koeffizienten die Beurteiler-Übereinstimmung (Beurteilerreliabilität) in einem Mass ausgedrückt werden, das eine nachvollziehbare Auskunft über die Zuverlässigkeit der Studie gewährt (Schreier 2012, S. 170). Für die Berechnungen dieser Korrelationen zweier Beurteilungen gibt es verschiedene Vorgehen, die in unterschiedlichen Werten resultieren und be‐ stimmte Eigenschaften der Daten abbilden. Deshalb muss jeweils das passendste Vorgehen abgestimmt auf die Datenstrukturen in jeder Studie gewählt und begründet werden. (Wirtz & Caspar 2002, S. 23) Dies wird im Folgenden sowohl für den quantitativen als auch qualitativen Forschungsteil gemacht. Für die quantitativen Unterrichtsratings, die auf graduell abgestuften, inter‐ vallskalierten Qualitätseinschätzungen beruhen, braucht es die Berechnung eines Koeffizienten, der das Ausmass der Abweichungen beider Rater*innen in Bezug auf den Mittelwert berechnet. Denn bei Ratingskalen interessiert weniger die exakte Übereinstimmung, welche bei einer vierbis fünfstufigen Skala anspruchsvoll zu erreichen ist, sondern mehr die Ähnlichkeit der Einschät‐ zungen. Die Berechnung der Intraklassenkorrelation (ICC) gilt im allgemeinen 186 5 Die empirische Untersuchung <?page no="186"?> 22 Verschiedene vergleichbare Untersuchungen, die auch unterrichtliche Videodaten hoch-inferent und skaliert auswerten, verwenden jedoch den Ansatz der Generalisier‐ barkeitstheorie (GT) als Güte für die Reliabilität (Clausen et al. 2003, S. 127; Hugener et al. 2006, S. 211; Seidel & Kobarg 2005, S. 117). Der Vorteil der GT liegt darin, dass sie erlaubt die gesamte Varianz der Daten auf verschiedene Varianzquellen (sogenannte Facetten; z. B. Rater*innen) zurückzuführen und mittels Generalisierbarkeitskoeffizi‐ enten die Anteile dieser unterschiedlichen Fehlerquellen zu bestimmen (Shavelson & Webb 1991, S. 2, 14). Da es sich bei der vorliegenden Studie um ein sogenanntes ‘one facet design’ handelt, also um eine Untersuchung, bei der es nur die Varianz zwischen den zwei Codiererinnen gibt, entspricht das Mass der GT dem ICC (Hoyt & Melby 1999, S. 339). als die angemessenste Methode für die Bestimmung der Beurteilerreliabilität bei intervallskalierten Ratings (Wirtz & Caspar 2002, S. 157). 22 Die Auskunft über die Reliabilität wird von der Wahl des passenden ICC mitbestimmt: Während der ICC unjust die absoluten Übereinstimmungen beider Rater*innen berechnet, gibt der ICC just über die relative Einschätzung Auskunft, demnach die Tendenz wie etwas hinsichtlich des Mittelwerts als zuverlässig ‘besser’ oder ‘schlechter’ eingeschätzt wurde (Wirtz & Caspar 2002, S. 159). Grundsätzlich würde Letz‐ terer für die Reliabilitätsprüfung in der vorliegenden Studie genügen, weil die relative Rangreihe (ICC just ) interessiert und, wie eben erwähnt, die absolute Übereinstimmung eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Clausen et al. 2003, S. 130). Im Rahmen einer Methodenberatung wurde jedoch entschieden, dass bei der vorliegenden Reliabilitätsprüfung über beide berichtet werden soll, um ein vollständiges Bild in die Datenstruktur zu ermöglichen. Die ICC wurden mit dem Programm SPSS berechnet. Allgemein wird in der Literatur ein Intraklassenkorrelations-Wert um 0.70 als ‘gut’ angesehen (A. G. Wilhelm et al. 2018, S. 3; Wirtz & Caspar 2002, S. 25, 160). Jedoch müssen solche gesetzten Mindestwerte immer im Zusammenhang mit den Gegebenheiten der Studie (z. B. Anzahl der Codes und Abstufungen bei der Ratingskalen) interpretiert werden und können deshalb nur als ungefähre Richtwerte betrachtet werden. Vergleichbare Studien geben zudem hilfreiche Anhaltspunkte, welche Reliabilitätsmasse als zufriedenstellend gelten könnten. Folglich könnte für die hier vorliegenden hoch-inferenten Einschätzungen ein Übereinstimmungsmass um die 0.65 als noch zuverlässig eingestuft werden (vgl. Hugener et al. 2006, S. 130; Wirtz & Caspar 2002, S. 25). Dies gilt insbesondere für den ICC unjust , der im allgemeinen tiefere Werte ausweist als der ICC just (Wirtz & Caspar 2002, S. 160). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an folgendem Grundsatz: Es soll stets über beide ICC berichtet werden, jedoch ist für die Ausweisung der Reliabilitätswert der ICC just mit einem Mindestmass von 0.70 richtungsweisend. Fällt der Wert unter 0.70, respektive beim ICC unjust unter 187 5.7 Forschungsmethodische Reflexion <?page no="187"?> 0.65, soll anhand eines vertieften Blicks in die Daten eine Erklärung für die unzureichenden Übereinstimmungen gegeben werden. Für die Berichterstattung der Beurteilerreliabilität im Zusammenhang mit der qualitativen Inhaltsanalyse wurde das Mass der prozentualen Übereinstimmung gewählt. Dies gilt als anschauliches Mass und kann einfach sowie direkt mit dem Programm Maxqda berechnet werden. Die Berechnung passiert nach der Formel: Prozentuale Übereinstimmung = Übereinstimmungen / (Übereins‐ timmgen + Nicht-Übereinstimmungen) x 100 (VERBI Software, 2018, S. 20). Für die vorliegende Untersuchung aufgrund der Komplexität des Kategorien‐ systems mit 34 hoch-inferenten Kategorien wurden Übereinstimmungswerte von mindestens 70 % als zuverlässig definiert (vgl. Schreier 2012, S. 171; A. G. Wilhelm et al. 2018, S. 3; Wirtz & Caspar 2002, S. 25). Die tatsächlichen Über‐ einstimmungswerte hinsichtlich der verschiedenen Codes werden wiederum bei der Ergebnispräsentation angegeben. Liegen vereinzelte Werte unter diesem hier gesetzten Richtwert von 70 %, sollen diese Abweichungen erneut mit Blick in die Daten erklärt werden. Abschliessend soll hier festgehalten werden, dass die Berechnung und Aus‐ weisung der Reliabilität nie das vordergründige Ziel verfolgen sollten die Wissenschaftlichkeit der Studie zu belegen, sondern wichtige Aufschlüsse zur Qualität, Zuverlässigkeit und schlussendlich auch Glaubwürdigkeit des Daten‐ materials zu geben. Diese sind für die weiterführenden Analysen von grosser Bedeutung. (Wirtz & Caspar 2002, S. 16) Insbesondere bei der qualitativen Inhaltsanalyse sollen allfällige Abweichungen als Anlass zum Austausch und zur Konsensfindung für eine angemessene Codierung genutzt werden, um so ein stabiles Fundament für die anschliessende Diskussion der Daten zu bilden (Kuckartz 2018, S. 105; VERBI Software 2018, S. 16). Deshalb wurden bei abweichenden Reliabilitätswerten die Daten nochmals eingehend betrachtet, um mögliche Gründe für diese tieferen Werte zu identifizieren und diese im Rahmen der Ergebnispräsentation als aufschlussreiche Hintergrundinforma‐ tionen angeben zu können. Dass solche hintergründigen Informationen direkt im Ergebnisteil angegeben werden, erscheint auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewohnt, schafft jedoch Transparenz und erleichtert das Verständnis für die Daten mitsamt den Auswertungsvorgängen. Validität Während sich Reliabilität auf die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der For‐ schungsinstrumente bezieht, geht es bei der Validität um den Nachweis der Gültigkeit, demnach ob ein Forschungsinstrument auch wirklich das misst, was es messen soll (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 22; Schreier 2012, S. 175). 188 5 Die empirische Untersuchung <?page no="188"?> Beim vorliegenden qualitativ-dominanten mixed-methods Forschungsvorhaben sind die Voraussetzungen in Bezug auf Validität aufgrund dessen Nähe zum Untersuchungsgegenstand durch direkte Beobachtungen und Befragung der Beteiligten generell positiv einzustufen (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 22). Zudem und wie bereits in vorgängigen Kapiteln erwähnt, wurden die Befragungen pilotiert, die Unterrichtsvorbereitung säuberlich erarbeitet und die Lernaufgaben in mehrschrittigen Verfahren unter Einbezug von Ex‐ pert*innen entwickelt, so dass der Untersuchungsgegenstand tatsächlich mit den Forschungsabsichten korreliert. Jedoch betrifft das Kriterium der Validität neben dem Zustandekommen der Daten auch deren Auswertung und Interpretation (Caspari 2016b, S. 18). Aus diesem Grund ist es essentiell die Gültigkeit der Forschungsinstrumente ebenfalls hinsichtlich der Datenauswertung zu reflektieren, um sicherzustellen, dass wirklich das analysiert und interpretiert wurde, was ursprünglich mit der geplanten Forschung bezweckt werden wollte. In diesem Zusammenhang wurde zum Beispiel die Passung des Forschungsdesigns auf die vorliegende Untersuchung bereits in Kapitel ausführlich erklärt (siehe Kapitel 4.3 und 5.3). Weiter wurden die beiden Auswertungsinstrumente mit Hilfe der Daten aus der Pilotstudie entwickelt und in einem mehrstufigen Prozess eng entlang den Forschungsfragen überarbeitet. Zusätzlich wurden bewusst auf die Daten zugeschnittene deduktive als auch induktive Kategorien berücksichtigt, so dass das Analyseinstrument tatsächlich die Informationen aus den Daten einfangen konnte (Schreier 2012, S. 27). Auch die Zusammenarbeit und der Austausch mit der Zweitcodiererin ist hier erneut zu nennen, denn ihr gegenüber musste die Wahl und Wichtigkeit der einzelnen Kategorien gerechtfertigt werden. Zudem steigern die durchgeführte Daten- und Methodentriangulation ebenfalls die Validität: Wenn verschiedene Datenerhebungen (z. B. Beobachtungen und Befragungen) ausgewertet mit verschiedenen Methoden (vgl. mixed-methods Vorgehen mit Unterrichtsrating und qualitativer Inhaltsanalyse) zu ähnlichen Ergebnissen oder vertiefenden Perspektiven führen, kann von einer hohen Validität der Untersuchung ausgegangen werden (Caspari 2016b, S. 18; Dörnyei 2007, S. 61). Ebenfalls im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Validität sollen die Daten und Resultate auf ihre Gültigkeit immer wieder kritisch reflek‐ tiert werden. Insbesondere Sozialforschende müssen sich stets bewusst sein, dass die Validität durch Kamera- oder Beobachtungseffekte oder das Bedürfnis nach sozialer Erwünschtheit gefährdet werden kann (Dörnyei 2007, S. 53-54). In vorliegender Untersuchung wurde bereits bei der Datenerhebung versucht, solche Effekte zu vermindern (z. B. Durchführung von Gruppeninterviews anstatt Einzelinterviews mit den case pupils) und der Umgang damit wird 189 5.7 Forschungsmethodische Reflexion <?page no="189"?> im Rahmen der Auswertung weiter diskutiert (siehe Kapitel 7.1.5 und 7.11.1) Schliesslich trägt die Forscherin mit der Qualität der Dokumentation eine grosse Verantwortung für den Ausweis von Validität mit. Es muss deshalb gelingen, die Überlegungen, Ergebnisse und Reflexionen so darzustellen, dass für Aussenstehende die relevanten Zusammenhänge nachvollziehbar sind - denn dies steuert wesentlich zu einer hohen Gültigkeit bei (Dörnyei 2007, S. 56). Objektivität Das dritte Gütekriterium beschreibt inwieweit die Vorgehensweise standardi‐ siert und somit von anderen Forschenden intersubjektiv überprüft und in glei‐ cher Weise vollzogen werden könnte. Der qualitative, interpretierende Anteil des vorliegenden Forschungsvorhabens kann dem Anspruch an Standardisie‐ rung kaum gerecht werden (Caspari 2016b, S. 17; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 26). Jedoch kann das hier vorliegende mixed-methods Vorgehen eine hohe intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Ergebnisse insgesamt gewährleisten. Für die Erfüllung des Anspruchs an Intersubjektivität wurden in der vor‐ liegenden Studie die folgenden Bemühungen unternommen. Erstens wurde die subjektive Perspektive als Forscherin durch die Daten- und Methoden-Tri‐ angulation mit den Wahrnehmungen anderer beteiligten Personen (z. B. Ex‐ pert*innen, Lehrpersonen, Schüler*innen, Zweitcodiererin) ergänzt. Zweitens orientierte sich die vorliegende Arbeit für den Prozess der Datenerhebung und deren Auswertung entlang bewährten Vorgehensweisen von erfahrenen Forschenden (vgl. z. B. Kuckartz 2018; Seidel et al. 2005; Spada & Fröhlich 1995). Dadurch wurden die durchgeführten Schritte bei der Datenerhebung und Auswertung weitgehend formalisiert und damit in gewisser Weise auch standardisiert - was letztlich die Objektivität der vorliegenden Studie stärkt (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 28). Schliesslich gilt im Zusammenhang mit dem Kriterium der Überprüfbarkeit, dass Aussenstehende die vorliegende Forschungsarbeit gut nachvollziehbar lesen und verstehen können. Folglich gilt auch hier, dass die Forscherin eine grosse Verantwortung trägt, die Überlegungen zur Passung von Fragestel‐ lung, Datenerhebung und Auswertungsmethoden klar zu dokumentieren und im Rahmen von Vorträgen, Kolloquien oder Publikationen zu präsentieren. Letztlich müssen Offenheit und Transparenz auch im Zusammenhang mit forschungsethischen Standards betrachtet werden. Überlegungen dazu werden deshalb nachfolgend erläutert. 190 5 Die empirische Untersuchung <?page no="190"?> 5.7.2 Forschungsethische Überlegungen Die Forschungsethik befasst sich mit Regeln und Verantwortlichkeiten, die das Handeln der Forschenden bestimmen. Dazu gehören verschiedene Prinzipien, die verantwortungsvolles Handeln in folgenden vier Bereichen verlangen: (1) die Sorgfalt und Vertrauenswürdigkeit der Forschenden gegenüber anderen Forschungen und Quellen, (2) der Verantwortung gegenüber der unmittelbar beteiligten Personen, (3) der Ehrlichkeit im Umgang mit Ergebnissen und (4) die Genauigkeit der Arbeitsweisen und Ergebnisdokumentation (Legutke & Schramm 2016, S. 108-109). Auf diese vier Prinzipien wird nun der Reihe nach Bezug genommen. Erstens wurden alle für diese Arbeit beigezogenen Quellen sorgfältig recher‐ chiert und zitiert. Fremdanteile wurden in meiner Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen ausgewiesen. Auf die Zitierung von Sekundärquellen wurde konsequent verzichtet (American Psychological Association 2020, S. 258). Zweitens wurden alle beteiligten Personen im Vorfeld für die Teilnahme an der Untersuchung angefragt. Die Lehrpersonen und Expert*innen konnten die Eckdaten der Forschung wie Ziele, Vorgehen, Einhaltung der Datenschutz‐ bestimmungen und Freiwilligkeit der Teilnahme auf einer Einverständniser‐ klärung nachlesen und ihre Teilnahmebereitschaft im gleichen Dokument bestätigen. Die Erlaubnis für die Durchführung der Unterrichtsforschung in den verschiedenen Schulklassen wurde frühzeitig auf der Kantonsals auch Schulleitungsebene via E-Mail-Anfrage eingeholt. Die Eltern wurden um Ein‐ willigung für die Videoaufnahmen per Elternbrief gebeten und schliesslich auch die betroffenen Kinder für die Rolle als case pupil angefragt. Der chrono‐ logische Ablauf des gesamten Genehmigungsverfahrens ist wurde bereits in Abbildung 22 aufgezeigt. Die gewonnen Daten wurden mit Sorgfalt an sicheren Orten gespeichert und nicht weitergegeben. Alle Personen wurden bei der Datenauswertung anonymisiert. Drittens, die aus den verschiedenen Daten und durch verschiedene Methoden gewonnen und somit triangulierten Ergebnisse wurden sorgfältig dargestellt und mit illustrativen Beispielen direkt aus den Daten untermauert. Die Auswer‐ tung und Diskussion der Ergebnisse wurde mit der Zweitcodiererin, die mit der Zeit mit den Daten gut vertraut war, in Bezug auf die Nachvollziehbarkeit und Genauigkeit geprüft und überarbeitet. Schlussendlich wurde die gesamte Studie in Bezug auf ihre ethische Unbe‐ denklichkeit anhand der Checkliste der Philosophischen Fakultät der Univer‐ sität Zürich (Ethikkommission UZH, o. J.) begutachtet und es kann an dieser Stelle mit Zuversicht festgehalten werden, dass keine ethischen Richtlinien verletzt wurden. 191 5.7 Forschungsmethodische Reflexion <?page no="191"?> 5.8 Zwischenfazit und empirieorientierte Überlegungen Dieses Hauptkapitel verfolgte das Ziel die verschiedenen Aspekte der empiri‐ schen Studie, angefangen mit dem mehrschichtigen Forschungsdesign über die verschiedenen Instrumente für die Datensammlung bis hin zu den unterschied‐ lichen Auswertungsmethoden, im Detail zu beschreiben. Um dieser komplexen empirisch-methodischer Ausgangslage gerecht zu werden, wurde - wie bereits im vorangehenden Hauptkapitel erklärt - ganz bewusst das mixed-methods Forschungsvorgehen gewählt. Die Mischung von verschiedenen Zugängen bei der Datensammlung und -auswertung soll insge‐ samt verhelfen die Komplexität des Forschungsgegenstandes aufzudecken, die Zusammenhänge zu verstehen und die Ergebnisse zu verdichten. Dies mit dem Ziel, die drei Forschungsfragen kompetent beantworten zu können. In diesem Kapitel wurde im Detail dargelegt, dass - aufgrund seines explorativen Zugangs zum Feld und seiner überschaubaren Anzahl Forschungsmitwirkenden -, die Bezeichnung des qualitativ-dominanten mixed-methods Vorgehens pas‐ send erscheint. Verschiedene Überlegungen, wie die Qualität des vorliegenden komplexen Forschungsvorgehens sichergestellt wird, wurden zudem offenge‐ legt. Diese beschriebenen forschungsmethodischen Absichten und Qualitäts‐ ansprüche waren nicht nur bei der Planung leitend, sondern realisierten sich während der Durchführung der Forschung in konkreten Handlungen. Diese wurden nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt, um auch auf forschungsmethodischer Ebene dem erklärten Ziel des Good Practice-Ansatzes zu genügen. Die draus resultierenden Ergebnisse werden im nachfolgenden Kapitel vorgestellt. 192 5 Die empirische Untersuchung <?page no="192"?> 6 Darstellung der Ergebnisse In diesem Hauptkapitel werden die Ergebnisse in Bezug auf die drei überge‐ ordneten Forschungsfragen präsentiert. Als erstes werden somit die Einschät‐ zungen der Expert*innen und Lehrpersonen zu den Lernaufgaben dargelegt. Im Anschluss daran werden wichtige Einblicke in die eigentliche Implementierung dieser Lernaufgaben gegeben und dabei aufgezeigt, wie die heterogenen case pupils die Lernaufgaben für ihr CLIL-Lernen nutzten. Als Drittes werden die Er‐ gebnisse bezüglich der Chancen und Herausforderungen aus den Perspektiven der Lehrpersonen und der Lernenden aufgezeigt. Jedes Kapitel schliesst mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse bezüglich der drei Forschungsfragen als Vorbereitung für die Diskussion und Interpretation aller Ergebnisse im Hauptkapitel 7. 6.1 Porträt der CLIL-Aufgabensets Das Vorgehen, wie die Aufgabensets für den CLIL-Unterricht entwickelt und vorbereitet wurden, wurde bereits im Kapitel 4.2 entlang des CLIL tool kit vorge‐ stellt. Damit die nachfolgende Ergebnispräsentation der Evaluation der beiden Aufgabensets durch die Expert*innen und Lehrpersonen besser nachvollzogen werden kann, werden in einem allerersten Schritt die beiden CLIL-Module aus thematisch, inhaltlicher Sicht vorgestellt. 6.1.1 CLIL-Modul I: Let’s tidy up and make room for something new Die Inspiration für dieses erste CLIL-Modul stammt vom Schaffen des Schweizer Komikers Ursus Wehrli, der in seiner absurden Art Alltagssituationen und Kunstobjekte aufräumt. Seine Bücher und Bühnenprogramme finden seit Jahren grosse Beachtung im In- und Ausland (www.kunstaufraeumen.ch). Das Thema diente bereits einmal als Grundlage für eine kurze CLIL-Sequenz, die die Forscherin in einer heterogenen gemischten Primar- und Sekundarklasse als Englisch-BG-Projekt durchführen konnte und bei den Lernenden auf grossen Anklang stiess. Für den Kontext dieses CLIL-Moduls sollte das Thema ‘Kunst aufräumen’ erweitert werden - das Ziel eines jeden Aufräumvorgangs ist es schliesslich Platz zu machen und dieser neugeschaffene Raum für etwas Neues <?page no="193"?> bieten. Somit war die Idee des CLIL-Moduls mit dem Titel ‘Let’s tidy up and make room for something new’ geboren. Das Modul startet mit einem Durcheinander von persönlichen Gegenständen der Lernenden, in das es Ordnung zu bringen gilt. Auf diese Weise werden verschieden Ordnungskategorien erarbeitet (shapes, colours, size, materials, …). In einem nächsten Schritt wird den Lernenden den Aufräumspezialisten Ursus Wehrli vorgestellt, einige seiner Bilder mit aufgeräumten Alltagssituationen ge‐ zeigt (vgl. Wehrli 2013) und schliesslich ein kurzer Ausschnitt aus Wehrlis ‘TED talk’ Auftritt in den USA abgespielt. Dabei erfahren die Schüler*innen einerseits, dass auch Wehrli - gemäss seiner eigenen Aussage - mit seinen limitierten Englischsprachkenntnissen verständlich kommunizieren kann und sie in ähn‐ licher Weise dies auch im CLIL-Unterricht versuchen sollten. Anderseits lernen sie Wehrli in seiner ganzen Absurdität als ‘Kunstaufräumer’ kennen. Dieser Filmausschnitt inspiriert die Lernenden anschliessend zu zweit ein ungegens‐ tändliches Bild des Künstlers Kandinsky aufzuräumen. Im nachfolgenden Aus‐ tausch wird die Aufmerksamkeit auf den Sinn oder Unsinn des Aufräumens gelenkt. Dabei wird auch das Schlafzimmer von Van Gogh vor und nach Wehrlis Aufräumaktion beschrieben (vgl. Wehrli 2003). Die Schüler*innen lernen dabei einen Ablauf in vier Schritten für die Kunstbeschreibung kennen (vgl. Ab‐ bildung 13 IDEA-Methode) und erhalten dafür den nötigen Sprachsupport. Sie denken dabei auch über die Wirkung des originalen und verfremdenden Bildes nach und drücken diese unterschiedlichen Wirkungen mit passenden Adjektiven aus. Als kreatives Intermezzo sammeln die Lernenden dann Ideen, was sie nun in das aufgeräumte Zimmer von Van Gogh neu platzieren könnten. Sie verbildlichen ihre Ideen und im Rahmen eines quizartigen Austauschs präsentieren sie einander ihre gezeichneten Gegenstände. Anschliessend wir den Lernenden der amerikanische Künstler Edward Hopper vorgestellt. Zuerst betrachten sie eines seiner realitätsnahen Bilder, die sehr ruhig, aufgeräumt und leer wirken. Erneut beschreiben die Lernenden sie mit der IDEA-Methode und erfahren im Nachgang durch einen Input und durch das Lesen eines kurzen Textes mehr über das Leben und Schaffen dieses bedeutsamen Künstlers des 20. Jahrhunderts. Sie lernen dabei, dass er ganz bewusst in seinen ruhigen, leeren Bildern den Kontrast zur lauten, chaotischen Aussenwelt der ‘roaring twenties’ des letzten Jahrhunderts in New York ausdrückte. Schliesslich sind die Lernenden angehalten, eines seiner Bilder bewusst und geplant zu verändern. Dafür wählen sie zuerst ein Adjektiv, das den Endzustand des Bildes beschreibt (z. B. ‘happy’). Dann versuchen sie entsprechend diesem Adjektiv das Bild zu verändern, entweder in dem sie Sachen durch Aufräumen verschwinden lassen oder indem sie neue Gegenstände oder Lebewesen in die Bilder platzieren. Ihre 194 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="194"?> Bildideen stellen sie abschliessend im Rahmen eines eigenen ‘TED talk’ Auftritts den anderen vor, dabei nennen sie mindestens, wie ihr Bild heisst, was sie neu ins Bild gesetzt haben und welches Adjektiv für sie leitend war. Im Idealfall strukturieren sie ihre Präsentation analog der Bildbeschreibung in vier Schritten (vgl. Abbildung 13 IDEA-Methode). Im Anschluss tauschen sie ihre Wirkungen in Form von Feedback miteinander aus. Im Überblick besteht das Aufgabenset somit aus den folgenden acht Lernauf‐ gaben: 1. Konfrontationsaufgabe I: Tidy up your personal things, find categories 2. Konfrontationsaufgabe II: Get to know Ursus Wehrli - the tidy-up-freak 3. Erarbeitungsaufgabe I: Get to know the IDEA-methode and describe the Kandinsky 4. Übungsaufgabe I: Tidy up the Kandinsky, describe the new version 5. Vertiefungsaufgabe: Describe the orginal and the tidied-up Van Gogh ‚Bedroom‘ 6. Übungsaufgabe II: Draw something new for the ‚Bedroom‘, describe it and arrange it 7. Erarbeitungsaufgabe: Get to know Edward Hopper and his paintings 8. Syntheseaufgabe: Tidy up and change the Edward Hopper painting and present it 6.1.2 CLIL-Modul II: New colours and jobs for the crayons Alle Lernenden erhalten zu Beginn dieses farbenfrohen Moduls eine Wachs‐ farbe ‘Neocolor II’ (wasserlösliche Wachspastell), mit der sie während rund drei Minuten Dinge malen, die sie mit dieser Farbe verbinden. Dieser kreative Einstieg verhilft nicht nur dazu, dass die Lernenden das Medium Neocolor ausprobieren können, sondern so auch gleich in verschiedene Farbgruppen eingeteilt sind. Das witzige Bilderbuch «The day the crayons quit» (2016) des amerikanischen Autors und Filmemacher Drew Daywalt ist dann der offizielle Ausgangspunkt für dieses zweite CLIL-Modul. In dieser Geschichte erfahren die Schüler*innen, dass alle Malfarben in der Farbschachtel des Jungen namens Duncan unglücklich sind: Entweder weil sie überbelastetet sind oder weil sie kaum oder nur für langweilige Ausmalarbeiten eingesetzt werden. Jede Farbe klagt ihrem Besitzer ihr Leid in Form eines Briefes. Einige dieser Briefe werden zuerst im Klassenverband, dann in kleinen Gruppen gelesen. Das Leseverständnis wird anhand drei Verständnisfragen geleitet. Im Kreis werden anschliessend die verschiedenen Leiden dieser Farben gesammelt und Lösungen dazu überlegt. Um die Farben glücklicher zu machen und sie in ihren täglichen 195 6.1 Porträt der CLIL-Aufgabensets <?page no="195"?> Malarbeiten zu entlasten, könnte man die Farben vielfältiger einsetzen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn sich die vielbeschäftigen und gelangweilten Farben vermischen würden und so neue Farbnuancen entstehen könnten? Im Rahmen einer ersten Erarbeitungsaufgabe sollen die Lernenden in ihren Farbgruppen mit den Neocolors (crayons) experimentieren und durch Mischen, Verwässern, Auf‐ schichten oder Verstreichen mit dem Finger neue Farbtöne kreieren. Die besten neuen Farbmischungen halten die Schüler*innen auf Karten fest und notieren dazu auch auf Englisch, welche Farben sie dafür verwendet haben. Anschlies‐ send als weitere Teilaufgabe überlegen sie sich für diese neuen Farbkreationen auch passende Namen. Diese stellen sie einander dann vor und beschreiben das in ihren Farbgruppen in einem kurzen Brief zurück an ihren Farbstift. In der nächsten Doppelstunde wird mit einem Bildausschnitt von Kandinsky (Kompo‐ sition VII, 1913) eingestiegen, erneut sollen den dort zuerkennenden Farben Namen gegeben werden. Danach werden die Briefe an die Farben vorgelesen und nochmals auf das Gelernte in der letzten Doppelstunde zurückgeschaut. Ein weiterer, fiktiv verfasster Brief der Farben taucht schliesslich auf, darin schreiben die Malfarben, dass sie nun durch die gegenseitige Unterstützung zwar glücklicher sind, jedoch das Problem des repetitiven, langweiligen Malens noch nicht gelöst ist. Die Farben wünschen sich eine bessere Lösung. Wie könnte die aussehen? Der Künstler Kandinsky dient dafür als Inspiration. Er hat sich vom gegenständlichen Malen immer mehr entfernt und malte schliesslich experimentierfreudig phantasievolle und abstrakte Bilder. Ein kurzer Einblick in seine Bilder aus verschiedenen Epochen visualisiert den Lernenden, wie er sich von diesem Zwang des gegenständlichen Malens befreit hat. Im Zusammenhang mit Kandinsky werden die Schüler*innen nochmals an das erste CLIL-Modul zurückerinnert, einerseits lernen sie nun Kandinsky besser kennen (dem sie im ersten Modul nur kurz begegnet sind), anderseits wird nochmals der Ablauf der Bildbeschreibung in vier Schritten (vgl. Abbildung 13 IDEA-Methode) repetiert. Das Bild ‘Um den Kreis’ (1940), bei welchem Kandinskys Fantasieformen an Mikroorganismen erinnern, dient schliesslich als Inspiration, um selber fantasie‐ volle Gestalten in Gruppen zu kreieren. Diese werden dann beschrieben und im Austausch dafür passende Farben gefunden. Dabei realisieren die Schüler*innen, dass Farben unterschiedliche, individuelle Assoziationen wecken und somit verschiedene Lernende für unterschiedliche Formen andere Farben verwenden würden. In der abschliessenden Syntheseaufgaben sollen die Schüler*innen einen favorisierten Ausschnitt ihrer Fantasiegestalt zusammen mit dem Bild‐ ausschnitt des Bildes ‘Komposition VII’ auf einem Blatt anbringen. Dies dient als Starthilfe, um dann diese Fantasiegestalt und die Umgebung farbenreich mit ihren neuen Farbkreationen passend zu den verschiedenen Formen zu 196 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="196"?> vollenden. Am Schluss beschreiben sie ihr neues Bild erneut in Form eines Briefes und stellen dann ihre Bilder zusammen mit den im Brief verfassten Erkenntnissen in Gruppen vor. Zusammengefasst besteht das CLIL-Modul II aus Folgenden sieben Lernauf‐ gaben. 1. Konfrontationsaufgabe I: Get to know the crayons through the story. 2. Erarbeitungsaufgabe I-II: Create new colours and give the new shades suitable names. 3. Vertiefungsaufgabe I: Describe in a letter to the crayons what you have found out today. 4. Konfrontationsaufgabe II: Share / read the letters, develop ideas how to help the crayons. 5. Erarbeitungsaufgabe III: Describe Kandinsky’s paintings and see how he ‘freed’ himself. 6. Übungsaufgabe I: Create fantasy shapes in groups and describe them. 7. Syntheseaufgabe: Create a fantasy painting out of your shapes, the Kan‐ dinsky parts and your new colours. Describe your painting in a letter to the crayons. Share your paintings and letters with others. 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets Aus Gründen der Übersicht werden nachfolgend die Einschätzungen der Ex‐ pert*innen und Lehrpersonen zusammen, respektive unmittelbar nacheinander, präsentiert. Dadurch können Gemeinsamkeiten und Kontraste der beiden Ana‐ lyse-Blöcke besser aufgezeigt werden. In einem ersten Schritt werden somit die Ergebnisse der Analyse aus dem Aufgabenset des CLIL-Moduls I aufgezeigt, bevor das CLIL-Modul II ins Zentrum gerückt wird. Dass auch die Ergebnisse des CLIL-Moduls I, das eigentlich der Pilotstudie angehört, hier einfliessen, ist essentiell, damit die Forschungsfrage I basierend auf umfangreichen Erfah‐ rungen der Entwicklung und Analyse zweier Aufgabensets beantwortet werden kann. Zudem lassen sich dadurch die vorgenommenen Optimierungen für das CLIL-Modul II, die Grundlage der Hauptstudie, besser aufzeigen. 6.2.1 Ergebnisse der Analyse des Aufgabensets im CLIL-Modul I Die Gesamteinschätzungen der sechs Expert*innen als auch jene der acht Lehrperson für das gesamte Aufgabenset für das CLIL-Modul I namens ‘Let’s tidy up and make room for something new’ sind nachfolgend visualisiert. 197 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="197"?> Sind die folgenden Merkmale für qualitätsvolle CLIL-Lernaufgaben für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten innerhalb des entwickelten Aufgabensets zu erkennen? trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu Interesse & Motivation a) Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. 5 1 6 2 b) Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. 4 2 3 5 Anregung von CLIL-Lernprozessen c) Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompetenzen. 6 3 4 * d) Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. 1 5 4 3 * e) Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Arbeiten. 3 3 4 3 * f) Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. 5 1 3 4 * g) Die Lernaufgaben führen zu einem Lernprodukt (‘ task outcome’) (z.B. eine Bildlösung, Bildbeschreibung, …) 5 1 8 h) Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. 5 1 6 2 Kognitive Aktivierung i) Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und herausfordernd. 4 2 5 3 j) Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben). 1 3 * 2 6 Offenheit k) Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehensweisen. 5 1 4 4 l) Sie lassen verschiedene Lösungen zu. 5 1 8 Differenzierung m) Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen individualisierend. 1 4 1 3 5 n) Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund eines Wahlangebots und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. 3 3 4 4 Abbildung 28: Einschätzung des Aufgabensets I durch die Expert*innen (links) und die Lehrpersonen (rechts) Es wird ersichtlich, dass die sechs Expert*innen als auch acht Lehrpersonen die vierzehn Indikatoren in den verschiedenen Lernaufgaben identifizieren konnten und somit das Aufgabenset mehrheitlich positiv beurteilten. Konkret zeigt sich, dass zwölf der vierzehn Indikatoren von allen vierzehn Rater*innen als (eher) positiv eingeschätzt wurden. Bei den mit * gekennzeichneten Kriterien liegen Enthaltungen vor. Von insgesamt möglichen 784 Punkten, erhielt dieses erste Aufgabenset 684 Punkte. Um diese Gesamteinschätzungen besser nach‐ vollziehen zu können, werden nachfolgend einzelne Aussagen als Erklärung zu den verschiedenen Qualitätsmerkmalen eingebracht. Interesse & Motivation Wie auf dem Rating-Bogen aufgrund der positiven Einschätzungen (‘trifft zu’ / ‘trifft eher zu’) ersichtlich ist, waren sich die Expert*innen einig, dass das Aufgabenset das Potential ausweist das Interesse und die Motivation der 198 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="198"?> Lernenden zu wecken. Sie nannten die Abfolge der Lernaufgaben als auch die Wahl der Bildmaterialien passend gewählt und interessant (Indikator a). Einige der Lernaufgaben hätten einen hohen Lebensweltbezug (z. B. eigene Gegenstände sortieren, die Thematik des Aufräumens), andere hingegen seien dafür etwas abstrakter oder weiter weg von den Schüler*innen (z. B. Kandinsky, USA in den 20er Jahren) (Indikator b). Auch die Lehrpersonen betonten dies und fanden im Rückblick auf die Implementierung der Lernaufgaben, dass die humorvolle Art von Ursus Wehrli die Neugier der Lernenden packte. Sie hatten Spass, die Bilder von Wehrli zu betrachten. Selbst die etwas tristen Bilder von Edward Hopper, eingebettet in den Kontext der 20er Jahren, faszinierten die Schüler*innen und regten sie an, diese fantasievoll zu verändern. Zudem meinten drei Lehrpersonen, dass die Kinder das Thema so spannend fanden, weil sie so etwas in dieser Art mit diesem Thema ‘Kunst aufräumen’ noch nie gemacht hätten (Indikator a). Da die Lernaufgaben gerade zu Beginn wenig kreative Handlungen involvierten und für die Lernenden etwas weit von ihrem Verständnis von herkömmlichem BG-Unterricht lag, fielen die Einschätzungen der Motivation (Indikator b) durch die Lehrpersonen etwas tiefer aus als bei den Expert*innen. Anregung von CLIL-Lernprozessen Die Expert*innen fanden, dass die Lernaufgaben insgesamt das CLIL-Lernen (eher) begünstigen. Das fremdsprachliche Lernen wurde nicht in Frage gestellt (Indikator c). Ein grosser Diskussionspunkt hingegen war das inhaltliche Lernen (Indikator d). Die Qualität des BG wurde teilweise als Schwachpunkt angesehen. Mehrmals wurde von den Expert*innen betont, dass die Lernenden bewusst an die verschiedenen Thematiken das Bildveränderns herangeführt werden und die veränderten Bildwirkungen explizit mit ihnen thematisiert werden müssen, damit sinnhaftes BG-Lernen stattfinden würde. Geschieht dies nicht, sei es zwar eine lustbetonte Unterrichtsreihe, bei der das Potential der Schüler*innen in Bezug auf das inhaltliche Lernen jedoch nicht ausgeschöpft werde. Eine Person räumte zudem ein, dass der task outcome jener letzten Lernaufgabe auch aus fremdsprachlicher Sicht noch mehr ausgeschöpft werden könnte (Indikator g). Zum Beispiel, indem die Lernenden genügend Zeit und Lernhilfen für die Vorbereitung erhalten würden, damit sie ihr verändertes finales Bild auch wirklich vorstellen könnten. In Bezug auf Indikator h), wurde die Frage gestellt, wie viel der teils anspruchsvollen inhaltlichen Thematiken denn wirklich auf Englisch passieren könne. Die Lehrpersonen, sich auf die Meinung ihrer Schüler*innen stützend, waren sich nicht ganz einig, inwiefern die Lernaufgaben eher die fremdsprachlichen 199 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="199"?> oder eher das inhaltliche Lernen förderten (Indikatoren c-f). Einig waren sie sich hingegen darin, dass zu Beginn der Fokus etwas zu sehr auf Englisch gerichtet war und da die für das BG typische handelnde Arbeiten zu kurz kamen. Insgesamt, über das ganze Aufgabenset gesehen, empfanden sie jedoch das durch die Lernaufgaben initiierte CLIL-Lernen als passend und ausgewogen. Dass die Lernaufgaben auf einen finalen task outcome abzielten, wurde von allen Lehrpersonen vollumfänglich bestätigt (Indikator g). Interessant war in diesem Zusammenhang auch der Austausch, wie die Lernenden die Gruppenarbeiten (Indikator h) als Lernmöglichkeit für ihr Englischlernen nutzten: Während einige Gruppen versuchten sich immer auf Englisch zu verständigen, sprachen andere mehrheitlich Deutsch. Kognitive Aktivierung Die Einschätzung der kognitiven Aktivierung gab bei den Expert*innen viel zu reden. Zum Beispiel sagte eine Person, dass die sprachlichen Barrieren das Lernen erschweren und meinte damit, dass die Lernenden wahrscheinlich gut Handlungen vollziehen könnten, doch die Schwierigkeit der Versprachlichung es zu beachten gilt. Auch andere Stimmen unterstrichen, dass die Heterogenität in der Klasse die Beurteilung dieses Aspekts sehr komplex mache - da gäbe es bestimmt Kinder, die sich langweilen und andere, die heillos überfordert wären. Von einer anderen Person wurde im Hinblick auf Indikator j) angefügt, dass das geforderte Könnensbewusstsein basierend auf transparenten Lernzielen aktiv mit der Klasse thematisiert werden müsse. Nur weil am Schluss des CLIL-Moduls eine Reflexionsrunde eingeplant sei, werde nicht allen Kindern bewusst, was sie nun gelernt hätten. Zwei Expert*innen enthielten sich zudem einer Einschätzung zu diesem Punkt, weil sie diesen Aspekt nicht evaluieren konnten. Aufgrund der Schwierigkeit diese fachübergreifenden Lernaufgaben in Bezug auf ihre kognitive Aktivierung einzuschätzen, fand der Vorschlag bei den Expert*innen Anklang, dass die kognitive Progression aufgrund der verschiedenen gemäss dem LUKAS-Prozessmodell vorkommenden Aufgabentypen gewährleistet werden kann. Wie im Kapitel 3.5.3 aufzeigt, zielen die verschiedenen Aufgabentypen auf unterschiedlichen Wissensarten und kognitive Prozesse ab, welche so als Aufgabenset insgesamt die Passung der kognitiven Aktivierung gewährleisten. Die Meinungen der Lehrpersonen waren zu diesem Punkt mehrheitlich positiv. Sie fanden, dass durch die Verknüpfung von Englisch mit BG für «jeden etwas dabei war» und dadurch die Lernenden vielfältig kognitiv gefordert wurden. Eine Lehrperson führte das genauer aus und sagte, dass sobald die Auf‐ gabenstellung verstanden wurde, konnten alle etwas gemäss ihrem Lernstand beitragen konnten. Bei längeren Phasen des Zuhörens oder Austausches, in 200 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="200"?> denen es anspruchsvoll war die Konzentration aller Lernenden hochzuhalten, waren sich die Lehrpersonen uneinig, ob vielleicht doch einige Lernenden kognitiv überfordert waren (Indikator i). Auch wurde das Aufgabenset für die Lernenden der 3./ 4. Klasse als anspruchsvoll taxiert. Die metakognitiven Refle‐ xionsrunden (Indikator j) wurden hauptsächlich am Schluss des Aufgabensets gemacht und daher hinterfragten mehrere Lehrpersonen, ob dadurch tatsächlich das Könnensbewusstsein im gewünschten Umfang über das ganze Aufgabenset gefördert werden konnte. Offenheit In Bezug auf das Qualitätsmerkmal der Offenheit der Lernaufgaben konnten die Expert*innen die unterschiedlichen Arten von Öffnung einer Aufgabe in Bezug auf ihr Start und Weg (Indikator k) und in Bezug auf das Ziel (Indikator l) mehr‐ heitlich wiederfinden. Eine Expertin fand, dass die Aufgabenstellungen recht viel vorgeben und somit wenig Offenheit im Hinblick auf das Ziel zuliessen. Zweifach wurde von Expert*innen bemerkt, dass sie das Qualitätsmerkmal ‘Of‐ fenheit’ auch als Möglichkeit der Differenzierung betrachten und sie aufgrund dieser Ähnlichkeit Schwierigkeiten haben, die Qualitätsmerkmale ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’ voneinander abzugrenzen. Auch die Lehrpersonen bestätigten die Offenheit der Lernaufgaben in Bezug auf das Vorgehen oder die Lösungen. Alle Lehrpersonen waren der Ansicht, dass die Lernaufgaben den letzteren Aspekt (Indikator l) vollumfänglich erfüllten. In diesem Zusammenhang meinten zwei Lehrerpersonen, dass die Offenheit auch vom Verständnis der Aufgabeninstruktion abhing. Kinder, die die Aufga‐ benstellung gut verstanden hatten, waren mutiger in der Umsetzung, weil sie genau wussten, worum es ging. Diese erlebten die Aufgaben offener als andere, die sich nicht ganz sicher waren und sich deshalb nahe an den Erklärungen der Lehrpersonen oder den visualisierten Beispielen bewegten. Für diese Kinder war die Aufgabe dadurch mehr geschlossen. Differenzierung Im Zusammenhang mit diesem letzten Qualitätskriterium wurde etwas Kritik seitens der Expertenrunde laut. Die verschiedenen angedachten Differenzierungs‐ möglichkeiten im Sinne der abgestuften Lernhilfen (Indikator m) waren nicht für alle Expert*innen ersichtlich. Sie begrüssten das Konzept, dass alle Lernenden an denselben Lernaufgaben arbeiten würden und erkannten das Potential in den Lernaufgaben für Differenzierungsmöglichkeiten, doch forderten sie mehr konkrete Anregungen, wie die Lernenden entsprechend ihren (fremdsprachli‐ chen) Ausgangsbedingungen die Lernaufgaben bearbeiten könnten. Es fehle an 201 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="201"?> 23 Nur sieben der acht Lehrpersonen nahmen das detaillierte Rating der einzelnen Lernaufgaben vor. Aufgrund zeitlicher Engpässe konnte eine Lehrperson diese Analyse nicht ausführen. ausdifferenzierten unterschiedlichen Lernhilfen und Levels für die Bearbeitung der Lernaufgaben. Die aufgezeigten verbalen Scaffolds wurden von allen Seiten als hilfreich und nötig quittiert, doch müssten auch auf inhaltlicher Ebene noch vermehrt Hilfestellungen angeboten werden. Dies führte dann auch zu einem an‐ geregten Austausch, wo denn die Grenze zwischen sprachlichen und inhaltlichen Scaffolds sei, da sich beide Unterstützungsangebote wechselseitig beeinflussten: Sprache braucht es für die Erschliessung des Inhalts, dank dem Inhalt erschliesse sich die Sprache. Die Wichtigkeit der Schulsprache bei komplexen Themen wurde von den Expert*innen auch genannt, denn gewisse inhaltliche Aspekte (z. B. die Beurteilung von Bildwirkungen) seien bereits auf Deutsch äusserst anspruchsvoll und können auf Englisch wahrscheinlich nicht realisiert werden. Auch seitens der Lehrpersonen wurde mehrmals betont, dass aus fremd‐ sprachlicher Sicht die Lernaufgaben teilweise als schwierig wahrgenommen wurden und gerade die jüngeren Schüler*innen der 3./ 4. Klasse wenig in der Zielsprache mitteilen konnten. Andere meinten, dass das auch im herkömmli‐ chen Fremdsprachenunterricht der Fall sei und es immer Lernende gäbe, die mehr oder weniger beitragen könnten. Zudem nannte eine Lehrperson, dass sich die heterogenen Lernenden bei Lernaufgaben, die in Gruppen stattfanden, auch gemäss ihrem Können organsierten und so eine natürliche Differenzierung ent‐ stand. Die abgestuften Lernhilfen (Indikator m) wurden von den Lehrpersonen als mehrheitlich positiv bewertet. Sie wurden von den Lernenden gemäss den Aussagen der Lehrpersonen unterschiedlich genutzt: Lernschwächere Kinder hätten sich stark daran orientiert, die Lernstarken hätten oft einfach spontan gesprochen. Für einige Kinder waren die verbalen Scaffolds zu anspruchsvoll, sie bräuchten weniger Auswahl und ganz klare, einfache Sprachunterstützung. Favorisierte Lernaufgaben Die beiden Lernaufgaben, die von den Lehrpersonen 23 als besonders gelungen für das CLIL-Lernen in ihren heterogenen Lerngruppen quittiert wurden, sind die Übungsaufgabe II (Veränderung des Van Goghs und spielerische Be‐ schreibung des gezeichneten Gegenstandes) und die finale Syntheseaufgabe (siehe Abbildung 29). Die Übungsaufgabe erhielt 366 von möglichen 392 Punkten, die Syntheseaufgabe erhielt gar 375 Punkte. Wie die nachfolgende Abbildung 29 verdeutlicht, sind sich die meisten Lehrpersonen einig, dass in Bezug auf den Umgang mit Heterogenität (Indikatoren im Zusammenhang mit den Qualitätskriterien ‘Differenzierung’ und ‘Offenheit’) diese beiden Lern‐ 202 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="202"?> aufgaben gut funktionierten. Insbesondere das Kriterium ‘Offenheit’ wurde als vollumfänglich erfüllt beurteilt: Einerseits konnten die Lernenden die Bilder zeichnerisch gemäss ihren Vorstellungen verändern, anderseits konnte bei den anschliessenden Präsentationen die Kommunikation mittels einzelner Worte, über Sätze bis hin zu ganzen Geschichten erfolgen. In den Augen der Lehrpersonen gelang bei diesen beiden Lernaufgaben zudem die Balance zwischen Englisch und BG optimal. Sie begünstigen deshalb grossmehrheitlich die gewünschten CLIL-Lernprozesse. In Bezug auf die Indikatoren c) und d) könnte die Ausscherung einer Lehrperson damit begründet sein, dass die Syntheseaufgabe mehrheitlich ‘nicht sprachliche’ BG-Aktivitäten beinhaltete und das fremdsprachliche Lernen erst am Schluss bei der Präsentation eine Rolle spielte. Die metakognitiven Reflexionsrunden (Indikator j) konnten aus zeitlichen Gründen nicht alle Lehrpersonen in der geplanten Tiefe durchführen. Syntheseaufgabe: Tidy up and/ or change one painting by Edward Hopper according to a chosen adjective. Present it and give feedback to your classmates. Übungsaufgabe II: Put something new into Van Gogh’s bedroom. Describe or mime your object to your group and arrange the things in the room. Look at the different outcomes and describe them. trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu Interesse & Motivation a) Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. 7 7 b) Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. 7 5 2 Anregung von CLIL-Lernprozessen c) Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompetenzen. 6 1 5 1 1 d) Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. 5 2 4 2 1 e) Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Arbeiten. 6 1 7 f) Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. 6 1 6 1 g) Die Lernaufgaben führen zu einem Lernprodukt (‘ task outcome’) (z.B. eine Bildlösung, Bildbeschreibung, …) 7 6 1 h) Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. 6 1 6 1 Kognitive Aktivierung i) Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und herausfordernd. 5 1 1 7 j) Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben). 3 4 3 3 1 Offenheit k) Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehensweisen. 7 7 l) Sie lassen verschiedene Lösungen zu. 7 7 Differenzierung m) Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen individualisierend. 3 3 * 6 1 n) Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund eines Wahlangebots und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. 5 2 7 Abbildung 29: Einschätzungen der Lehrpersonen zu den favorisierten Lernaufgaben 203 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="203"?> Abschliessend kann festgehalten werden, dass das Aufgabenset im CLIL-Modul I mit Titel ‘Let’s tidy up and make room for something new’ grossmehrheitlich positiv abschnitt, dies zeigen die in diesem Kapitel aufgeführten Zusammenfas‐ sungen und Einblicke in die Daten auf den Rating-Bogen. In der Rolle als teilnehmende Beobachterin bei der Evaluation der Lern‐ aufgaben sowie während des CLIL-Unterrichts in fünf der acht CLIL-Klassen‐ zimmern war zu erkennen, dass dem Anspruch an anregende Lernaufgaben noch umfassender Rechnung getragen werden könnte. Optimierungen wurden folglich für die Planung des CLIL-Modul II vor allem bei der Ausarbeitung von Differenzierungsmöglichkeiten (z. B. klare und besser abgestufte verbale Scaf‐ folds und vermehrte inhaltliche Hilfestellungen) und der Erhöhung der Sprech‐ anteile durch bewusst geplante kooperative Interaktionen (z. B. think-pair-share Methode) oder andere Formen von Gruppenarbeiten mit Sprechgelegenheiten realisiert. Gleichzeitig wurde bei der Entwicklung des CLIL-Moduls II ein Augenmerkt auf die Verkürzung der Phasen des passiven Zuhörens, auf einen handelnden BG-Einstieg für die Erhöhung der Motivation und auf weniger dicht geplante Unterrichtseinheiten gelegt. Inwiefern es gelang all diese Optimierungsmöglichkeiten in das CLIL- Modul II einzuflechten und wie die Expert*innen als auch Lehrpersonen das zweite Aufgabenset einschätzten, wird nachfolgend aufgezeigt. 6.2.2 Ergebnisse der Analyse des Aufgabensets im CLIL-Modul II Erneut werden zuerst die Einschätzungen des Aufgabenset des CLIL-Moduls II namens ‘New colours and jobs for the craysons’ der sechs Expert*innen als auch jene der acht Lehrpersonen unmittelbar nacheinander aufgezeigt und zu jedem der fünf Qualitätskriterien erklärende Aussagen angebracht. 204 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="204"?> Sind die folgenden Merkmale für qualitätsvolle CLIL-Lernaufgaben für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten innerhalb des entwickelten Aufgabensets zu erkennen? trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu Interesse & Motivation a) Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. 5 1 7 1 b) Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. 1 4 1 2 5 * Anregung von CLIL-Lernprozessen c) Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompetenzen. 4 2 2 6 d) Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. 5 1 5 3 e) Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Arbeiten. 4 2 5 3 f) Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. 6 4 3 1 g) Die Lernaufgaben führen zu einem Lernprodukt (‘ task outcome’) (z.B. eine Bildlösung, Bildbeschreibung, …) 4 2 6 2 h) Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. 4 1 1 6 2 Kognitive Aktivierung i) Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und herausfordernd. 5 1 6 1 1 j) Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben). 1 2 1 * 1 6 * Offenheit k) Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehensweisen. 4 2 5 3 l) Sie lassen verschiedene Lösungen zu. 6 6 2 Differenzierung m) Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen individualisierend. 4 2 2 5 1 n) Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund eines Wahlangebots und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. 5 1 5 3 Abbildung 30: Einschätzung des Aufgabenset II durch die Expert*innen (links) und die Lehrpersonen (rechts) Insgesamt sind auch hier die Einschätzungen des zweiten Aufgabensets vorge‐ nommen durch die vierzehn Rater*innen positiv zu bewerten, auch wenn ver‐ einzelt mehr kritische Einschätzungen zu verzeichnen sind. Mehr als die Hälfte aller Indikatoren wurde mit ‘zutreffend’ oder ‘eher zutreffend’ eingeschätzt, bei sechs Indikatoren hat es jeweils eine Einschätzung im Bereich ‘trifft eher nicht zu’. Auch hier sind wieder einige Enthaltungen zu verzeichnen, auffällig viele beim Indikator j). Nummerisch betrachtet resultieren die Einschätzung in 690 Punkten, von wiederum 784 möglichen Punkten. Somit schneidet dieses zweite Modul mit sechs Punkten knapp besser als das erste Aufgabenset ab. Interesse & Motivation Gemäss Experteneinschätzungen kommt die Experimentierfreude bei diesem CLIL-Modul, bei dem die Lernenden farbenfroh und phantasievoll ihre Kreati‐ vität ausleben können, gut zum Tragen. Das Experimentieren mit den Farben 205 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="205"?> würde die Schüler*innen packen, meinte eine Expertin. Auch das Gestalten von fantasievollen Wesen im Rahmen der Übungsaufgabe I und dem befreiten Malen von ganz ungegenständlichen Bildern in der nachfolgenden Syntheseaufgabe wurde als lustvoll und interessant bezeichnet. Der Lebensweltbezug wurde hingegen etwas in Frage gestellt (Indikator b), insbesondere im Zusammenhang mit dem zwar inzwischen bekannten, doch auch schwer zugänglichen Künstler Kandinsky. Die Mehrheit der Lehrpersonen unterstützten die Aussagen der Expert*innen zur Motivation. Sie erlebten in ihren Klassen eine grosse Motivation und ein hohes Interesse für das Mischen von neuen Farben angeregt durch die Geschichte zu Beginn des Moduls. Für viele Kinder war das ‘wilde’, ungegens‐ tändliche Malen eine neue Erfahrung, die sie sehr ansprach (Indikator a). Ähnlich wie bei den Expert*innen wurde der Lebensweltbezug nicht bei allen Lernaufgaben als sehr bedeutsam wahrgenommen, eine Lehrperson konnte diesen Aspekt nicht einschätzen und enthielt sich ihrer Stimme (Indikator b). Anregung von CLIL-Lernprozessen Nachdem das erste CLIL-Modul als etwas zu «fremdsprachenlastig» empfunden wurde, wurde dem handelnd-gestalterischen Arbeiten im zweiten Aufgabenset einen grösseren Stellenwert gegeben. Das wurde von den Expert*innen als positiv beurteilt. Laut BG-Fachdidaktiker*innen ist das Thema Farben mitsamt dem Kreieren neuer Farbtöne und dem Austausch über Farbassoziationen ein wichtiges Anliegen das Faches BG (Indikatoren e-f). Hinsichtlich der fremdsprachlichen CLIL-Lernhandlungen waren die Einschätzungen etwas zurückhaltender. Auch wenn diese immer noch mehrheitlich positiv ausfielen, beurteilten einige Expert*innen die fremdsprachlichen Handlungen, die im zweiten Modul nun vermehrt in Gruppenarbeiten integriert wurden (Indikator h), als etwas zu «gekünstelt fabriziert». Auch die Lehrpersonen schätzten die Lernaufgaben hinsichtlich der CLIL-Lernprozesse grossmehrheitlich positiv ein. Sie beurteilten das Aufga‐ benset als überaus gelungen hinsichtlich der Lernanregungen für beide Fächer. Im Gegensatz zu den BG-Expert*innen, fanden einige Lehrpersonen die bildne‐ rischen Fragestellungen wenig relevant für ihre Klassen. Insbesondere eine Lehrperson einer 5. Klasse bezog sich auf die Stimmen ihrer Lernenden und äusserte, dass ihre Klasse sich zum Mischen von Farben kritisch äusserte und diesen Auftrag als wenig sinnvoll für ihre Altersstufe erachtete. Eine weitere Abweichung betraf auch Indikator h). Anders als die Expert*innen äusserten die Lehrpersonen, dass die Lernaufgaben des CLIL-Moduls II die Lernenden 206 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="206"?> vermehrt zum fremdsprachlichen Sprechen und Austausch bewegen konnten (Indikator h). Kognitive Aktivierung Die Lernaufgaben wurden mehrheitlich als sinnlich anregend und heraus‐ fordernd beurteilt. Unter den Expert*innen entstand die Diskussion aus wel‐ cher fachlichen Perspektive eine Lernaufgabe betrachtet werden muss: Eine Lernaufgabe vertiefe allenfalls fremdsprachliche Strukturen, fungiere also als Übungsaufgabe auf der Stufe der HOTS, gleichzeitig erarbeite sie aus der BG-Perspektive neue bildnerische Gestaltungsmittel auf der Stufe der LOTS. Diese Diskrepanz wurde bereits im Kapitel 3.5.3 aufgezeigt und wurde hier auch von den Expert*innen als erschwerend für eine akkurate Einschätzung betrachtet. Das Rating des Indikators j) wurde erneut als anspruchsvoll einge‐ schätzt, da dessen Qualität davon abhängt, ob und wie die Lehrpersonen solche metakognitiven Austauschrunden gestalten würden. Auch die Lehrpersonen taten sich schwer mit dem Indikator j). Erneut erwähnten sie, dass vertiefte Reflexionen nicht wie geplant an verschiedenen Stellen im Aufgabenset vorgenommen werden konnten. Bei zeitlichen Eng‐ pässen wurden diese zugunsten mehr Zeit für Arbeit an den Lernaufgaben weggelassen. Hinsichtlich des Indikators i) schätzten sieben der acht Lehrper‐ sonen die kognitive Aktivierung der Lernaufgaben als insgesamt passend ein. Eine Lehrperson der 5. Klasse empfand, wie bereits bei obigen Qualitätsmerkmal angesprochen, einige der BG-Lernaufgaben als zu wenig anspruchsvoll für ihre 5. Klasse. Andere meinten im Kontrast dazu, dass gerade das ungegenständliche Malen von gewissen - auch starken BG-Lernenden -, als sehr anspruchsvoll und schwierig umsetzbar wahrgenommen wurde. Offenheit Die Lernaufgaben lassen gemäss Expert*innen mehrheitlich individuelle Wege und verschiede Lösungen zu (Indikator k). Der letztere Indikator l) überzeugte alle Expert*innen. Erneut wurde die Offenheit der Lernaufgaben auch von den Lehrpersonen geschätzt und entsprechend beide Indikatoren positiv beurteilt. Sie erwähnten, dass die Aufgaben auch aufgrund der gewählten Thematik (fantasievolles, ungegenständliches Malen) viel Offenheit zuliessen. Sie betonten zudem, dass dadurch auch viele verschiedene Zugänge für das Sprechen über diese Bilder ermöglicht wurde, weil verschiedene Kinder in den Bildern andere Dinge entdecken und sie somit Verschiedenartiges benennen konnten. 207 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="207"?> Differenzierung Die breite Palette an Differenzierungsmöglichkeiten im CLIL-Modul II wurde von den Expert*innen wahrgenommen und als gut beurteilt (Indikatoren m-n). Dazu gehören zum Beispiel die konsequente Bereitstellung von sprachlichen als auch inhaltlichen Scaffolds oder die Wahlangebote im Zusammenhang mit dem Schreiben der Briefe nach Vorlage oder ganz frei. Die Lehrpersonen schätzen die Differenzierungsmöglichkeiten grundsätzlich auch positiv ein. In Bezug auf die abgestuften Lernhilfen (Indikator m) waren sie kritischer als die Expert*innen. Sie beurteilten die Vielfalt an verbalen Scaffolds zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Schreiben des Briefes zwar als gut, jedoch wurden diese als zu rigide eingestuft. Im Unterricht zeigte sich, dass das Ergänzen von angefangenen Briefvorlagen vielen Schüler*innen grosse Schwierigkeiten bereitete, weil die Vorgaben zuerst gut verstanden und dann mit passenden Satzteilen, welche wenig Spielraum für alternative sprach‐ liche Formulierungen liessen, ergänzt werden mussten. Andere Lehrpersonen betrachteten diese verbalen Scaffolds als hilfreiche Anregung und passten sie auf die Bedürfnisse ihrer Klasse weiter an. Damit hatten sie schliesslich Erfolg. Favorisierte Lernaufgaben Die beiden Lernaufgaben, die von den Lehrpersonen als besonders geeignet für das CLIL-Lernen in ihren heterogenen Lerngruppen eingestuft wurden, sind die zweitteilige Erarbeitungsaufgabe I-II (Entwicklung von neuen Farbtönen und passende Namensgebung) sowie die finale Syntheseaufgabe (ungegenständli‐ ches Bild mit neuen Farbtönen malen und in Form eines Briefes vorstellen). Auch wenn auf der nachfolgenden Abbildung 31 die Einschätzungen auf den ersten Blick sehr heterogen wirken, erkennt man deutlich, dass die grosse Mehrheit der Lehrpersonen diese beiden Aufgaben positiv bewerteten. Dies belegen auch die Berechnungen: Die Syntheseaufgabe lag mit 420 von insgesamt 448 möglichen Punkten klar an erster Stelle, gefolgt von der Erarbeitungsaufgabe mit 392 Punkten. Während viele der Lehrpersonen die Erarbeitungsaufgabe als sehr motivie‐ rend, lernanregend und differenziert einschätzten, gab es vereinzelte Vorbehalte in Bezug auf die Nutzung der Zielsprache durch die Lernenden bei dieser Aufgabe (Indikatoren c, d und h). Einige Lehrpersonen räumten ein, dass die Aufgabe zu wenig Englischlernen involvierte und teilten mit, dass die Lernenden in ihren Klassen rund um diese Aufgabe mehrheitlich auf Deutsch kommunizierten. Weiter erkannten zwei der acht Lehrpersonen zu wenig Diffe‐ renzierungsmöglichkeiten in dieser Aufgabe (Indikatoren m und n). Tatsächlich 208 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="208"?> bot diese Aufgabe mehr abgestuften Lernhilfen auf der inhaltlichen als auf der sprachlichen Ebene, das daher von einer 4. Klassenlehrperson als grosses Defizit eingestuft wurde. Die Syntheseaufgabe wurde auch im zweiten CLIL-Modul als Krönung des Aufgabensets betrachtet, weshalb sie es erneut in die Auswahl der Favoriten schaffte. In Bezug auf das Interesse (Indikator a) und Offenheit (Indikatoren k-l) schnitt die Lernaufgabe besonders gut ab: Die Lernenden waren eingeladen gemäss ihren eigenen Vorstellungen ihr ungegenständliches Bild zu kreieren. Der Auftrag war insofern sehr offen, solange die Lernenden ihre neuen Farb‐ kreationen und fantasievollen, ungegenständlichen Formen integrierten. Die Lernaufgabe wurde vor allem für das BG-Lernen als sehr wertvoll eingestuft, dank der abschliessenden Präsentation kam jedoch auch das Englisch nicht zu kurz. Wie bereits erwähnt, ergaben sich beim Verfassen des Briefes in einigen Klassen Schwierigkeiten, da die Briefvorlage die Lernenden eher einengte, anstatt sie zu unterstützen. Dies erklärt die unterschiedlichen Einschätzungen bei den Indikatoren m-n. 209 6.2 Evaluation der CLIL-Aufgabensets <?page no="209"?> Syntheseaufgabe I: Choose a part of your fantasy shape you like most. Create and choose matching colours for your fantasy shape and its background. Describe your new painting in a letter to the crayons. Let other pupils describe your painting and present it to them. Erarbeitungsaufgabe I-II: Create new colours! Try out different drawing techniques and share your new colours and how you made them with your classmates. Give the new shades suitable names. Share your associations with these colours in class. trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu Interesse & Motivation a) Die Lernaufgaben wecken Interesse, Experimentierfreude und Neugier. 7 1 8 b) Die Lernaufgaben motivieren durch lebensweltlich bedeutsame Bezüge. 7 1 5 3 Anregung von CLIL-Lernprozessen c) Die Lernaufgaben fördern kommunikative fremdsprachliche Kompetenzen. 6 2 6 1 1 d) Sie begünstigen inhaltliches Lernen in der Zielsprache. 4 1 2 1 5 2 1 e) Die Lernaufgaben ermöglichen prozess- und produktorientiertes Arbeiten. 6 2 7 1 f) Sie beinhalten relevante, sinnhafte bildnerische Fragestellungen. 5 3 7 1 g) Die Lernaufgaben führen zu einem Lernprodukt (‘ task outcome’) (z.B. eine Bildlösung, Bildbeschreibung, …) 7 1 7 * h) Sie stimulieren soziales Lernen und den Austausch von Ergebnissen (soweit wie möglich) in der Zielsprache. 6 1 1 6 2 Kognitive Aktivierung i) Die Lernaufgaben sind kognitiv als auch sinnlich anregend und herausfordernd. 7 1 7 1 j) Das Aufgabenset stärkt durch metakognitive Reflexion das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben). 5 3 4 4 Offenheit k) Die Lernaufgaben ermöglichen eigenständige, individuelle Herangehensweisen. 6 2 8 l) Sie lassen verschiedene Lösungen zu. 6 2 8 Differenzierung m) Die Lernaufgaben sind dank abgestuften Lernhilfen individualisierend. 2 4 1 1 4 3 1 n) Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich aufgrund eines Wahlangebots und/ oder unterschiedlichem Leistungsniveau. 2 5 1 6 1 1 Abbildung 31: Einschätzungen der Lehrpersonen zu den favorisierten Lernaufgaben Obwohl einige der Lehrpersonen auch negative Einschätzungen vornahmen, so wurde beim Austauschtreffen von allen Lehrpersonen das Vorgehen unterstützt, diese beiden Aufgaben als Basis für die weitere Analyse im Zusammenhang mit der Nutzung der Lernangebote für das CLIL-Lernen zu verwenden. 6.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage I Insgesamt erlaubt der eigens für dieses CLIL-Unterrichtssetting entwickelte Rating-Bogen eine theoriebasierte Analyse sowohl des Aufgabensets als Ganzes als auch einzelner Lernaufgaben vorzunehmen. Grossmehrheitlich kann die Qualität der beiden Aufgabensets als zufriedenstellend betrachtet werden. Die 210 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="210"?> 24 Um die Lernaufgaben vom CLIL-Modul I, die von sieben Lehrpersonen evaluiert wurden, mit jenen vom CLIL-Modul II, die von acht Lehrpersonen eingeschätzt wurden, zu vergleichen, wurden die Punktetotale in Prozentwerte umgerechnet. Diese Berech‐ meisten der vierzehn Indikatoren wurden von der Mehrheit der Beurteilenden als ‘zutreffend’ oder ‘eher zutreffend’ eingeschätzt. Einige vereinzelte mangel‐ hafte Einschätzungen verdeutlichten erneut, dass nicht alle Lernaufgaben in zufriedenstellendem Mass alle Qualitätskriterien erfüllen können als auch müssen (Blömeke et al. 2006, S. 336; Reusser 2014b, S. 335) und die Beurteilenden diese Defizite auch ehrlich in ihren Einschätzungen wiedergeben konnten. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Forschungsfrage I positiv beantwortet werden kann. Es scheint zu gelingen, auf Basis relevanter Theorie Lernaufgaben für den spezifischen CLIL-Unterricht zu entwickeln, die die Qualitätsansprüche beider Fächer sowie die grosse Heterogenität in den Primarschulklassen berücksichtigen können. Es zeigte sich, dass sich jene Lernaufgaben besonders gut für den CLIL-Unterricht eignen, die dank ihrer Offenheit und weiteren Differenzierungsmöglichkeiten das fremdsprachliche und inhaltliche Lernen gleichermassen fördern und schliesslich auf ein finales Produkt hinführen, an dem die Lernenden mit Motivation und Interesse arbeiten können. Jedoch soll diese Forschungsfrage erst zu einem späteren Zeitpunkt abschliessend beantwortet werden, wenn die Eignung dieser Lernaufgaben auch unter Betrachtung der Nutzung und unter Berücksichtigung weiterer Aspekte zu Chancen sowie Herausforderungen eingeschätzt werden kann. Es gilt an dieser Stelle noch eine Überlegung festzuhalten. Wie im Kapitel 5.2 erwähnt, dienten die unterschiedlichen, zeitlich aufeinander folgenden Analyse-Blöcke auch dazu, die Lernaufgaben insgesamt zu optimieren. Die Einschätzungen des CLIL-Modul I im Vergleich zum CLIL-Modul II gemäss den beiden Auswertungen der Rating-Bogen wiesen zwar einige, jedoch eher wenige offensichtliche Optimierungen aus, wie aufgrund der Betrachtung des nur mit sechs zusätzlichen Punkten besser beurteilte CLIL-Modul II angenommen werden muss. Die im Anschluss an die Analyse des Aufgabensets I aufgezeigten Defizite (z. B. handelnder Einstieg, mehr Differenzierungsmöglichkeiten, mehr kooperative Lernmomente, weniger Zeitdruck, mehr produktive anstatt rezep‐ tive Englischlernmomente) wurden ins CLIL-Modul II eingebaut und von ei‐ nigen Expert*innen als Verbesserung wahrgenommen (z. B. inhaltliches Lernen (Indikatoren d - e) oder Differenzierungsangebote (Indikator n). Bei den anderen Indikatoren schienen die vorgenommenen Veränderungen keinen direkten Ein‐ fluss auf die Einschätzungen auf den Rating-Bogen zu haben. Zudem schnitten die favorisierten Lernaufgaben im CLIL-Modul II im Vergleich zu jenen im CLIL-Modul tendenziell leicht tiefer ab. 24 Dass das CLIL-Modul II auf den ersten 211 6.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage I <?page no="211"?> nungen zeigen, dass die Syntheseaufgabe im CLIL-Modul I mit 95,66% besser abschnitt als jene im CLIL-Modul II mit 93,75%. Gleiche Tendenzen zeigen sich im Vergleich bei der Übungsaufgabe im CLIL-Modul I (93,37%) gegenüber der Erarbeitungsaufgabe im CLIL-Modul II (87.50%). Blick bezüglich des Aufgabensets nur knapp besser, respektive hinsichtlich der favorisierten Lernaufgaben etwas schlechter abschnitt, hängt allenfalls mit verschiedenen weiteren Gründen zusammen, wie sich bei der genaueren Betrachtung des Vorgehens rund um die Aufgabenevaluation erkennen lässt. Erstens wurden die Optimierungsmöglichkeiten mehr als didaktische Ele‐ mente in die Unterrichtsplanung eingeflochten (z. B. besseres Zeitmanagement, mehr kooperativer Austausch) und wurden daher nicht direkt mit den Lernauf‐ gaben in Verbindung gebracht. Zweitens gilt, auch wenn die Lernaufgaben in diesen CLIL-Modulen als «Dreh- und Angelpunkt des kompetenzorientierten Unterrichts» fungieren (Reusser 2014a, S. 80), so hängt deren Gelingen immer auch mit der Qualität der Instruktion und Begleitung im Unterricht zusammen. Während sich einige Lehrpersonen akribisch an die vorgegebene Planung hielten, wichen andere davon ab, um besser auf die in ihrer Klasse vorherr‐ schenden Bedürfnisse eingehen zu können. So funktionierten gewisse Lernauf‐ gaben mehr oder weniger erfolgreich in den einzelnen Schulzimmern. Drittens haben die Lehrpersonen im Anschluss an das CLIL-Modul II den Rating-Bogen als Vorbereitung für das Austauschtreffen individuell ausgefüllt, während das Rating zum CLIL-Modul I direkt am Austauschtreffen stattgefunden hat. Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile: Das Rating am Austausch‐ treffen selber bietet den Vorteil, dass die Lehrpersonen tief in der Thematik drin sind und bei Unklarheiten direkt nachfragen können. Anderseits bietet ein individuelles Rating ausserhalb des Austauschtreffens die Chance zeitnäher an der Implementierung der Lernaufgaben die Einschätzungen vorzunehmen, läuft aber die Gefahr, dass man sich dafür zu wenig Zeit nimmt. Ungünstig erscheint im Nachhinein, dass unterschiedliche Vorgehensweisen für die beiden Ratings durch die Lehrpersonen vorgenommen wurden und dies allenfalls die Qualität der Evaluation der Lernaufgaben tangieren könnte. Auch wenn diese angestrebten Optimierungsmöglichkeiten, wie soeben dargelegt, in den Rating-Bogen kaum nachgewiesen werden konnten, wurden Verbesserungen von den Lehrpersonen erkannt und im mündlichen Austausch bei den Gruppendiskussionen geäussert. Diese werden Teil der Ergebnispräsen‐ tation im Zusammenhang mit den Chancen und Herausforderungen im Kapitel 6.6 sein. 212 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="212"?> 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen In diesem Kapitel werden die Ergebnisse in Bezug auf die Forschungsfrage II präsentiert, bei welcher die Nutzung der CLIL-Lernangebote durch die case pupils mitsamt der eingeschätzten Qualität deren Lernhandlungen im Zentrum stehen. In einem ersten Schritt soll das gesamte CLIL-Modul II schematisch in Bezug auf die Inhalte, Sozialformen und Lernangebote vorgestellt werden. In gleicher Weise werden im Anschluss auch die beiden favorisierten Lernauf‐ gaben, die von den Lehrpersonen als ideales Fundament für das CLIL-Lernen in ihren heterogenen Klassen eingeschätzt wurden und Ausgangslage für die detaillierte Analyse bilden, porträtiert. Nach dieser Darlegung des tatsächlich realisierten Unterrichtangebots wird der Fokus auf die Nutzung dieser beiden CLIL-Lernaufgaben durch die case pupils geschwenkt. Diese Ergebnisse werden zuerst für das Fach Englisch, dann für das Fach BG beleuchtet. Dieses Kapitel schliesst mit Anmerkungen zu den case pupils und einer kurzen Zusammenfas‐ sung der wichtigsten Erkenntnisse bezüglich der Forschungsfrage II. 6.4.1 Struktur und Organisation des realisierten CLIL-Moduls II Um detailliert Auskunft über die Struktur und Organisation des CLIL-Moduls II zu geben, wurden die videografierten drei CLIL-Doppellektionen in Bezug auf deren Oberflächenmerkmale untersucht. Da sich alle Klassen an derselben Unterrichtsplanung orientierten und sich die Umsetzung stark ähnelte, wurde diese Basiscodierung zur Ermittlung der unterrichtlichen Oberflächenmerkmale nur anhand der Daten von einer Klasse ausgeführt. Die Klasse E schien dafür besonders geeignet. Zum einen, weil es sich dabei um eine 5. Klasse, somit die Zielstufe des Projekts, handelte. Zum anderen, weil ihr die inhaltliche und zeitliche Umsetzung der CLIL-Module optimal gelang. Die Lehrperson konnte die vorgegebene Unterrichtseinheit auf gelungene Art zu eigen machen. Das heisst, sie konnte jederzeit auf die Bedürfnisse der Klasse, zum Beispiel in Bezug auf einen Wechsel der Sozialformen, eingehen, ohne die Ziele des CLIL-Moduls aus den Augen zu verlieren. Daraus hat sich ein sehr natürlicher Ablauf und ein authentischer Unterricht ergeben, der vorteilhaft zum Good Practice-Ansatz passt. Die im Kapitel 5.6.2 angesprochene Basiskodierung in Bezug auf die drei unterrichtlichen Oberflächenmerkmale Sozialformen (participant organisation), inhaltliche Orientierung (content) und die angebotenen Lern-Modalitäten (stu‐ dent modality) wurde direkt in den Videodaten mit dem Programm Maxqda 213 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="213"?> 25 Einzige Ausnahme bildet die Kategorie ‘Off task’ zusammen mit ‘Other’, dort gibt es nur zwei Codes. Das sind zum Beispiel Pausen oder Wartezeiten, in denen kein Code zu ‘Participant organisation’ gesetzt, weil sich in diesen Situationen typischerweise verschiedene Sozialformen parallel ereignen. ausgeführt. Die folgende Übersicht zeigt die Verteilung der verschiedenen Codes über das CLIL-Modul II, bestehend aus drei Doppellektionen. Zur leichteren Orientierung wurde die Dauer einer Lektion (45 Minuten) als Spalteneinteilung gewählt. Abbildung 32: Schematische Übersicht der Code-Linien des CLIL-Moduls II Zur Erinnerung: Jede Stelle im Unterricht wurde mit je einem Code aus jeder Oberkategorie eingeschätzt, und zwar immer in Bezug darauf, was die Mehrheit der Klasse während eines Ereignisses macht. Jedes Ereignis ist immer mindestens 20 Sekunden lang und besteht somit immer aus je einem Code aus jeder Kategorie 25 , welche nachfolgend kurz erläutert werden oder im Kategorienhandbuch und Codierleitfaden im Anhang G detailliert eingesehen werden können. Die grünen Codes zusammengefasst in der Oberkategorie ‘Content’ be‐ schreiben die inhaltliche Komponente des Unterrichts, demnach womit sich die Lernenden inhaltlich auseinandersetzen. Entweder beschäftigen sich die Lernenden mit CLIL-Themen (Code: CLIL), mit Instruktionen oder organisa‐ torischen Themen (Code: ‘Task instruction / organisation of class’) oder mit aufgabenfremden Aktivitäten (Code: ‘Off-task’). Die blauen Codes mit Namen ‘Participant organisation’ ermitteln in welcher Sozialform das Lernen organisiert ist, demnach ob die Lernenden individuell, zu zweit oder in Gruppen oder im Klassenverband arbeiten. In letzterem Code wird zusätzlich unterschieden, ob die Lernenden im Fokus sind (Code: ‘Class: Learner-centred’: z. B. offene Fragen seitens der Lehrperson und ausgedehntere Interaktionen im Klassenverband) oder ob die Lehrperson im Zentrum des 214 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="214"?> Unterrichts steht (Code: ‘Class: teacher-led’ z. B. Lehrerinput oder Instruktionen mit kurzen geschlossenen Fragen). Die Codes zu ‘Student modality’ sind rötlich eingefärbt und zeigen, welche Aktivitäten oder Lernhandlungen die Lernaufgaben aktuell vorgeben und von den Lernenden ausgeführt werden können. Die Codes für die Lernmodalitäten umfassen Hören, Sprechen, Lesen / Schreiben und handelnde BG-Aktivitäten. Falls die Mehrheit der Klasse keine dieser Handlungen ausführt, wird der Code ‘Other’ vergeben. Wichtig ist, dass es bei dieser Basiskodierung nur um die Ermittlung geht, welche Angebote überhaupt zur Verfügung stehen. In dem Sinne beschreiben die Codes immer das mögliche durch die Lernaufgaben vorgegeben potentiellen Unterrichtsangebote. Ob die Lernenden diese Angebote dann auch tatsächlich nutzen, wird erst später in der Detailanalyse untersucht. Als Beispiel: Erhalten die Lernenden die Gelegenheit sich zu zweit zu einem CLIL-Thema auszutau‐ schen, werden die Codes ‘CLIL’, ‘Pair / group work’ und ‘Speaking’, gesetzt, auch wenn einige Lernenden in diesen Phasen nichts sagen und nur zuhören. Mit Blick in Abbildung 32 und in Bezug auf die Oberkategorie ‘Content’ wird klar ersichtlich, dass die meiste Unterrichtszeit dem eigentlichen CLIL-Lernen gewidmet war. Diese mehrheitlich ausgedehnten, mit hellgrüner Farbe dar‐ gestellten Phasen werden zwischendurch von instruktionalen oder organisa‐ torischen Einschüben und nur von wenig vereinzelten ‘Off task’-Momenten unterbrochen. In Bezug auf die blauen Codes ist in der schematischen Code-Übersicht zu erkennen, dass die Lernenden im CLIL-Modul II am meisten individuell arbeiteten. Diese längeren, individuellen Lernphasen decken sich bis auf eine Stelle mit dem dunkelroten Code für ‘Non-linguistic art activities’. Das bedeutet, dass die Lernenden in den selbstständigen Phasen fast ausschliesslich an ihren BG-Aktivitäten gearbeitet haben. Die lehrzentrierten Plenumsphasen, die im CLIL-Modul II am zweit häufigsten vorkamen, korrelieren eng mit dem Code ‘Listening’. Dies zeigt, dass für die Lernenden die allermeisten Hörakti‐ vitäten im Klassenverband während Inputs der Lehrperson stattfanden. Die meisten Partner- oder Gruppenarbeiten, welche im CLIL-Modul II an dritter Stelle standen, boten den Lernenden die Gelegenheiten für die Arbeit an den BG-Aktivitäten oder zum Sprechen. Der Code ‘Speaking’ kam daneben auch in den schülerzentrierten Phasen zum Tragen. Die schematische Übersicht lässt auch erkennen, dass der Fokus deutlich mehr auf den mündlichen als schriftlichen Kompetenzen lag, da der Code für ‘Reading / writing’ im Verhältnis selten vorkam. 215 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="215"?> Insgesamt lässt sich zudem festhalten, dass jene mit ‘CLIL’ codierten Phasen variantenreiche Interaktionen und handelnde BG-Aktivitäten in verschiedenen Sozialformen beinhalteten. Die lehrzentrierten Instruktions- und Organisati‐ onsphasen hingegen fielen bis auf wenige Ausnahmen ausschliesslich mit dem Code ‘Listening’ zusammen. Wie die beiden für die nachfolgende detaillierte Analyse relevanten Lernauf‐ gaben in das CLIL-Modul II eingebettet sind, wurde in der obigen Abbildung 32 mit den beiden Einrahmungen angedeutet. Nachfolgend werden diese beiden Lernaufgaben in Bezug auf ihre Oberflächenmerkmale vertieft betrachtet. 6.4.2 Porträt der analysierten Lernaufgaben Untenstehend (vgl. Abbildung 33) werden die beiden Lernaufgaben übersicht‐ lich mit Zielen, Dauer und ihren Anteilen der verschiedenen Basis-Codes vorgestellt. 216 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="216"?> silvia.frank@phzh.ch 119 Untenstehend (vgl. Abbildung 33) werden die beiden Lernaufgaben übersichtlich mit Zielen, Dauer und ihren Anteilen der verschiedenen Basis-Codes vorgestellt. Da diese beiden Lernaufgaben von den Lehrpersonen mit Blick auf ihre Eignung für das CLIL-Lernen in den heterogenen Klassen ausgewählt wurden, war zu erwarten, dass hinsichtlich der inhaltlichen Kategorie ‘Content’ die Lernaufgaben ausgedehnte CLIL-Sequenzen ausweisen und im Vergleich dazu deutlich weniger Instruktions- und Organisationsphasen vorkommen. Die in der Syntheseaufgabe vorkommenden Codes ‘Off- Erarbeitungsaufgabe Create new colours and give the new shades suitable names. Syntheseaufgabe Create a fantasy painting, describe it in a letter to the crayons. Lernziele • Die Lernenden experimentieren mit wasserlöslicher Neocolor und erproben verschiedene Techniken für die Farbmischung. • Sie erfinden mit Neocolor neue Farbtöne und protokollieren ihre Vorgehensweise. • Sie geben ihren Farben passende Namen. • Sie tauschen sich über ihre neuen Farbtöne aus. Lernziele • Die Lernenden gestalten ein ungegenständliches Fantasiebild, das alle Crayons glücklich macht. • Sie integrieren die von Kandinsky inspirierte Farb- und Formenpalette gut. • Die Lernenden mischen vielfältige neue Farbtöne mit Neocolor II mit und ohne Wasser. • Sie beschreiben ihr Bild mitsamt ihren Farbkreationen und -wirkungen in einem Brief. • Sie teilen ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen zu den fremden Bildern in der Gruppe mit. • Die Lernenden präsentieren ihr Bild mit Hilfe ihres Briefes auf zuhörerorientiere Art. Dauer: ca. 37 Minuten Dauer: ca. 103 Minuten Content CLIL Task instruction / organisation Content CLIL Task instruction / organisation Off task Student modality Non-linguistic art activity Listening Speaking Other Student modality Non-linguistic art activity Listening Speaking Reading / writing Other Participant organisation Pair / group work Class: teacher lead Class: learner-centred Participant organisation Individual work Class: teacher lead Pair / group work Class: learner-centred Abbildung 33: Porträt der Erarbeitungs- und Syntheseaufgabe des CLIL-Modul II Abbildung 33: Porträt der Erarbeitungs- und Syntheseaufgabe des CLIL-Modul II Da diese beiden Lernaufgaben von den Lehrpersonen mit Blick auf ihre Eignung für das CLIL-Lernen in den heterogenen Klassen ausgewählt wurden, war zu erwarten, dass hinsichtlich der inhaltlichen Kategorie ‘Content’ die Lernauf‐ gaben ausgedehnte CLIL-Sequenzen ausweisen und im Vergleich dazu deutlich 217 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="217"?> weniger Instruktions- und Organisationsphasen vorkommen. Die in der Syn‐ theseaufgabe vorkommenden Codes ‘Off-task’ beziehen sich auf Wechsel in andere Schulzimmer, um Präsentationen in Gruppen ungestört durchführen zu können. Beim Betrachten der Kategorie ‘Student modality’ wird ersichtlich, dass die beiden Lernaufgaben am meisten Lernzeit für das gestalterische Arbeiten (Code: ‘Non-linguistic art activities’) ausweisen. Den grössten Anteil der fremd‐ sprachlichen Lernhandlungen nimmt der Code ‘Listening’ ein, gefolgt von Lern‐ gelegenheiten für das Sprechen (Code: ‘Speaking’). Im Falle der Syntheseaufgabe gibt es auch Sequenzen codiert mit ‘Reading / writing’. Die mit ‘Other’ bezeich‐ neten Codes beziehen sich auf längere Aufräum- oder Einrichtungsphasen. In Bezug auf die realisierten Sozialformen sind bei der Erarbeitungsauf‐ gabe die Partner- und Gruppenarbeitsphasen sehr ausgeprägt, bei der Synthe‐ seaufgabe ist es die individuelle Lernzeit. Weiter kommen die Phasen der lehrzentrierten, instruktionalen oder organisatorischen Sequenzen bei beiden Lernaufgaben deutlich öfters vor als schülerzentrierte Phasen. Zusammenfassend hat die Auseinandersetzung mit dieser Basiscodierung gezeigt, dass die beiden Lernaufgaben hohe Anteile des Codes ‘CLIL’ boten, in denen die Lernenden entweder zu zweit, in Gruppen oder alleine in erster Linie BG-Aktivitäten wahrnehmen konnten. Fremdsprachliche Lernangebote wie Hören, Sprechen und teilweise Schreiben lagen in der Minderheit. Wichtig ist an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass es bei dieser Basisana‐ lyse lediglich um die Sichtbarmachung der potentiellen Lernangebote ging. Dies betrifft insbesondere den Code ‘Student modality’. Das heisst, es wurde aufge‐ zeigt, welche grundsätzlichen Handlungen alle Lernenden, betrachtet als Klasse, im CLIL-Unterricht zeigen könnten. Ob und wie die ausgewählten Lernenden, die case pupils, mit unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen diese von den beiden Lernaufgaben her intendierten Angebote für ihr CLIL-Lernen tatsächlich nutzten, wird Inhalt der nachfolgenden Kapitel sein. 6.4.3 Nutzung der CLIL-Lernangebote für das Fach Englisch Während bei der Basiscodierung die Klassenebene im Fokus stand, wird der Codiervorgang nun auf der individuellen Ebene einzelner ausgewählter Lernenden, die case pupils, mit unterschiedlichen Englischkenntnissen vorge‐ nommen. Das bedeutet, dass aus Sicht jedes einzelnen case pupils die von ihnen gezeigten CLIL-Lernhandlungen bei der Bearbeitung der beiden Lernaufgaben individuell eingeschätzt werden, um die Nutzung der CLIL-Lernangebote durch diese case pupils in Erfahrung zu bringen. Diese individuellen Codes der jewei‐ 218 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="218"?> 26 Inwiefern sich die case pupils in jeder Leistungsgruppe auch individuell voneinander unterscheiden, ist Gegenstand des Kapitels 6.4.5 im Anschluss an die Ergebnispräsen‐ tation. 27 Während mit ‘Codes’ die Kategorien gemeint sind, bezieht sich der Begriff ‘Coding’ auf die mit einem Code versehene Textstelle, demnach das codierte Segment (VERBI Software 2018, S. 5). ligen drei case pupils der gleichen Leistungsgruppe werden für die Ergebnisprä‐ sentation zusammengefasst dargestellt. Dadurch können Aussagen zur Nutzung des CLIL-Unterrichts gemacht werden, die die jeweils drei lernschwachen, durchschnittlichen und lernstarken case pupils als kollektive Gruppe 26 betreffen. Wiederum wird jedes unterrichtliche Ereignis mit einem oder mehreren Codes kategorisiert. Das genaue Vorgehen und die Konventionen für das Setzen der verschiedenen Codes sind im Kategorienhandbuch und Codierleitfaden im Anhang G nachzulesen. Relevante Ausschnitte aus dem Codierleitfaden werden jedoch bei nachfolgender Ergebnisdarstellung an Ort und Stelle für ein erleichtertes Verständnis dargelegt. Die nachfolgenden Ergebnisse, angefangen mit dem Fach Englisch gefolgt von dem Fach BG, werden stets in gleicher Weise präsentiert: Als erstes werden die berechneten Koeffizienten rund um die Prüfung der Beurteilerreliabilität offengelegt und die Ergebnisse dieser Werte begründet. Dann werden vertiefte Einblicke in das Kategoriensystem mitsamt der vierstufigen Qualitätsskala gegeben, deren Abstufung folgendermassen zu interpretieren ist: ++ = sehr gut + = gut - = knapp genügend - - = ungenügend Abbildung 34: Interpretation der vier Qualitätsstufen Im Anschluss werden die Ergebnisse sowohl aus quantitativer als auch quali‐ tativer Perspektive vorgestellt und kommentiert. Für die bessere Nachvollzieh‐ barkeit der nummerischen Daten wurde die Darstellung mittels Kreuztabelle gewählt, die die Anzahl der Codings 27 sortiert nach Leistungsgruppe über‐ sichtlich aufzeigt. Bei genügend grosser Anzahl Codings wurden daraus das statistische Zusammenhangsmass mittels Chi-Quadrat-Test berechnet. Für die Ergebnispräsentation aus qualitativer Perspektive werden Ausschnitte aus dem Transkript, die typische Beispiele aus dem Unterricht repräsentieren, vorgelegt und über deren Besonderheiten deskriptiv berichtet. 219 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="219"?> Anteil des Englisch Der erste Code, dessen Ergebnisse präsentiert werden, ist der ‘Use of English’ (EN). Er wurde bei jeder Sprechhandlung gesetzt und gibt Auskunft darüber, zu welchen Anteilen die case pupils in ihren Aussagen Englisch verwendeten. Bevor der Code im Detail vorgestellt wird, werden die relevanten Werte rund um die Beurteilerreliabilität dargelegt. Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Use of English Gültig: 844 0.99 0.98 Tabelle 6: Beurteilerreliabilität für den Code 'Use of English' Die Werte der Beurteilerreliabilität, welche die unabhängigen Einschätzungen der beiden Codiererinnen für die Kategorie ‘Use of English’ darstellen, sind als sehr zuverlässig einzuschätzen. Der Grund für die positiven Werte ist auf die klar ausformulierten Beschreibungen der Kategorien und den damit verbundenen eindeutigen Regeln der Zuweisungen der Qualitätsstufen zurückzuführen. Wie in untenstehender Abbildung ersichtlich wird, werden bei Aussagen mit An‐ teilen auf Deutsch und Englisch im Zweifelsfall die Wörter gezählt. Einige Unstimmigkeiten bei der Zuteilung der Qualitätsstufen sind trotzdem zu verbu‐ chen, zum Beispiel weil sich die zwei Codiererinnen nicht immer einig waren, ob Anglizismen wie ‘okay’ oder ‘yap’ kontextabhängig zu Deutsch oder Englisch gezählt werden sollten. Bei jeder Sprechhandlung der case pupils wurde einer der folgenden Quali‐ tätsstufen des Codes ‘Use of English’ gesetzt, um den Anteil von Englisch darin zu erfassen. Die vierstufige Qualitätsskala zeigt, wie sich der Anteil an Englisch von links nach rechts verringert. Sprechen die case pupils nur Deutsch, wird gemäss der untersten Zeile der Code ‘German only’ gesetzt. 220 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="220"?> Use of English (Code EN) Anteil von Englisch in jeder Sprechhandlung Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil spricht nur Eng‐ lisch. Der case pupil spricht hauptsäch‐ lich Englisch, ein‐ zelne Wörter werden auf Deutsch einge‐ bracht. Der case pupil spricht die Hälfte oder etwas mehr als die Hälfte auf Eng‐ lisch, verwendet sonst viel Deutsch. (Bei Zweifel: Wörter zählen, bis max. Hälfte + 2 Wörter) Der case pupil spricht mehr Deutsch als Eng‐ lisch. Spezialfall: German only Falls der case pupil nur Deutsch spricht, wird dieser Code gesetzt. Tabelle 7: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code 'Use of English' Aufgeteilt auf die verschiedenen Leistungsgruppe der case pupils ergaben sich folgende Häufigkeiten der Codings zur Kategorie ‘Use of English’ (EN). EN ++ EN + EN - EN -- GE only Total Lernschwache 122 7 6 12 78 225 Durchschnittliche 204 24 2 7 39 276 Lernstarke 253 38 8 5 39 343 Total 579 69 16 24 156 844 Tabelle 8: Häufigkeiten der Codings 'Use of English' nach Qualitätsstufe und Leistungs‐ gruppe Die tabellarische Übersicht zeigt, dass die drei case pupils aus den drei verschie‐ denen Klassen während der Bearbeitung der zwei Lernaufgaben insgesamt 844 Sprechhandlungen ausführten. Die lernschwachen case pupils nahmen mit 225 Codings insgesamt die Gelegenheit, sich zu äussern, am wenigsten oft wahr. In Bezug auf den Anteil von Englisch sind rund 57 % ihrer Sprechhandlungen ganz auf Englisch oder beinhalten mehrheitlich Englisch (EN ++ / +). 40 % ihrer Sprechanteile sind auf mehrheitlich Deutsch (EN --) oder ganz auf Deutsch (GE only). Die lernstarken case pupils äusserten sich am häufigsten und wiesen dabei in rund 85 % ihrer Aussagen einen hohen Anteil an Englisch (EN ++ / +) aus. 221 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="221"?> Rund 13 % ihrer Aussagen waren mehrheitlich oder ganz auf Deutsch (EN -- / GE only). Die durchschnittlichen case pupils äusserten sich zwar weniger oft als die lernstarken case pupils, doch die Qualitätseinschätzungen zur Verwendung von Englisch unterscheiden sich unwesentlich von ihren lernstärkeren Mit‐ schüler*innen: In über 82 % ihrer Äusserungen verwendeten sie mehrheitlich Englisch (EN ++ / +) und nur rund 17 % ihrer Aussagen enthielten hohe Anteile an Deutsch (EN -- / GE only). Somit schneiden über alle drei Leistungsgruppen hinweg die lernschwachen case pupils gegenüber ihren Mitschüler*innen tiefer ab: Nicht nur nutzten sie die Gelegenheit zum Sprechen weniger oft, sondern sie sprachen auch weniger häufig in (mehrheitlich) Englisch. Sie waren zudem führend bei Aussagen auf (mehrheitlich) Deutsch (EN -- / GE only). Weiter fällt bei Betrachtung der obigen Tabelle auf, dass über alle drei Leistungsgruppen hinweg die Anzahl des Codes EN - gering ist. Sprechhand‐ lungen mit ausgewogenen Anteilen an Englisch und Deutsch, somit in etwa halb auf Deutsch und halb auf Englisch, wurden von allen case pupils relativ selten praktiziert. Ähnliches gilt für den EN Code --, demnach Aussagen auf mehrheitlich Deutsch. Viel häufiger als diese Formen von Code-Switching äusserten sich die case pupils ganz auf Deutsch. Mittels Chi-Quadrat-Test wurden diese Werte daraufhin untersucht, ob es statistisch gesehen signifikante Unterschiede zwischen diesen drei Leis‐ tungsgruppen gibt. Erwartungsgemäss zeigen sich zwischen den Gruppen der lernstarken und durchschnittlichen case pupils gegenüber der Gruppe der lernschwachen case pupils signifikante Unterschiede (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 568) = 61.42, p < 0.001), respektive (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 501) = 41.50, p < 0.001). Zwischen den lernstarken und durchschnittlichen case pupils gibt es hingegen keine signifikanten Unterschiede (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 618) = 5.46, p = 0.24). Der Chi-Quadrat-Test bringt somit hervor, dass sich die lernschwachen case pupils beim Gebrauch von Englisch im CLIL-Unterricht signifikant von den anderen beiden Leistungsgruppen unterscheiden. Weiter wurde im Zusammenhang mit diesem Code untersucht, in welchen Unterrichtsphasen sich die case pupils am meisten mündlich mitteilen. In diesem Sinne wird hier ein Bogen zur vorgängig vorgestellten Basiskodierung geschlagen. Dadurch kann in Erfahrung gebracht werden, ob die Sprechhand‐ lungen vor allem dann passierten, wenn sie im Unterrichtsgeschehen auch vorgesehen waren (vgl. jene Sequenzen bei der Basiscodierung kategorisiert mit ‘Speaking’) oder ob die case pupils auch die häufig vorkommenden gestal‐ 222 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="222"?> terischen Sequenzen (‘Non-linguistic art activities’) als Gelegenheit für Sprech‐ handlungen nutzten. Die folgende Übersicht gibt Antworten auf diese Fragen. Sequenzen codiert mit ‘Speaking dialogue / monologue’ Sequenzen codiert mit ‘Non-linguistic art activities’ Total Lernschwache 76 132 208 Durchschnittliche 83 165 248 Lernstarke 140 183 323 Total 299 480 779 Tabelle 9: Vorkommen des Codes 'Use of English' in Unterrichtssequenzen mit unter‐ schiedlichem Fokus Wie angesprochen, wurde der Code ‘Use of English’ insgesamt 844 Mal vergeben. Folglich fanden 35 % (n=299) der Wortmeldungen der case pupils eingebettet in eine monogische oder dialogische Sprechhandlung statt. 56 % (n=480) der Wortmeldungen passierten hingegen während der vermeintlich stillen ‘non-lin‐ guistic’ BG-Arbeitsphasen. Weitere 9 %, die hier aus Gründen der Übersicht vernachlässigt werden, fanden in anderen Unterrichtsphasen statt. Die lernschwachen und mittelstarken case pupils nutzten die Sprechgelegen‐ heiten während der BG-Aktivitäten fast doppelt so oft wie während der ‘offi‐ ziellen’ Lernphasen, die für die produktive Sprachkompetenzen vorgesehen waren. Bei den lernstarken case pupils ist die Differenz der Wortmeldungen in Abhängigkeit der zwei Unterrichtsphasen deutlich weniger gross. Der Grund dafür wird ersichtlich, wenn die Daten genauer betrachtet werden: Die lernstarken case pupils waren öfters länger als 20 Sekunden während der Sequenzen des ‘non-lingusitic art activities’ in Sprechhandlungen involviert, die dann als ‘Speaking dialogue’ oder ‘Speaking monologue’ codiert wurden. Darauf wird im nächsten Kapitel genauer eingegangen. Grundsätzlich überraschen diese Erkenntnisse nicht, da bereits bei der Detail-Analyse der beiden Lernaufgaben festgestellt wurde, dass die beiden Lernaufgaben am meisten Zeit für ‘Non-linguistic art activities’ boten (vgl. Abbildung 33) und somit dann auch die meisten Sprechgelegenheiten erfolgen konnten. Deshalb wurde zusätzlich untersucht, wie häufig und in welcher Qualitätsstufe sie während dieser Phasen Englisch verwendeten. 223 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="223"?> EN ++ EN + EN - EN -- GE only Total Lernschwache 71 2 1 5 53 132 Durchschnittliche 124 9 1 5 26 165 Lernstarke 148 8 4 2 21 183 Total 343 19 6 12 100 480 Tabelle 10: Englischanteil der Sprechhandlungen in den Sequenzen codiert mit ‘Non-lin‐ guistic art activities’ Die obige Übersicht zeigt, dass alle case pupils über die Hälfte der Wortmel‐ dungen in Englisch oder mehrheitlich Englisch ausdrückten (Codes EN ++/ EN +). Während sich die lernschwachen Kinder bei rund 55 % ihrer Wortmeldungen auf (mehrheitlich) Englisch mitteilten, waren es bei den mittelstarken 80 % und bei den lernstarken gar 85 %. 44 % der Aussagen der lernschwachen case pupils sind mehrheitlich oder ganz auf Deutsch (EN --/ GE only), im Vergleich dazu sind es 19 % bei den durchschnittlichen und 13 % bei den lernstarken case pupils. In Bezug auf Aussagen nur auf Deutsch (GE only) machten dies bei den lernschwachen case pupils rund 40 %, bei den mittelstarken knapp 16 % und bei den lernstarken 11 % aller Wortmeldungen aus. Auch wenn die lernschwachen case pupils einen beachtlichen Anteil ganz auf Deutsch formulierten, verdeutli‐ chen diese Werte, dass alle Lernenden während der handelnden BG-Lernphasen mehrheitlich in der Zielsprache Englisch kommunizierten. Der Code ‘Use of English’ beschreibt nur den Anteil von Englisch und Deutsch in jeder gemachten Aussage der case pupils. Er macht hingegen keine Aussagen zur Qualität der Sprechhandlung in Bezug auf andere für den Fremdsprachen‐ unterricht relevante Kriterien wie Umfang der Sprechhandlung, Sprechfluss oder Korrektheit. Diese Kriterien wurden mit weiteren Codes eingeschätzt. Diese Ergebnisse werden nachfolgend thematisiert. Dialogisches Sprechen Gemäss dem Lehrplan 21 wird bei mündlichen Sprachhandlungen zwischen dialogischen und monologischen Sprechhandlungen unterschieden. Diese Un‐ terteilung wurde auch bei der Codierung berücksichtigt. Wie im Codierleitfaden (siehe Anhang G) definiert, wird eine sprachliche Handlung dann als Dialog oder Monolog codiert, wenn es sich tatsächlich um einen zusammenhängenden Dialog oder Monolog handelt, der in der Regel mindestens 20 Sekunden dauert. Einzelne, unzusammenhängende Aussagen (v. a. während des Malens), die 224 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="224"?> typischerweise auch kürzer als 20 Sekunden sind, werden stattdessen nur dem Code ‘Use of English’ zugewiesen. Dialogisches Sprechen zeichnet sich durch eine interaktive Gesprächsbe‐ teiligung aus, zu denen Austauschrunden in der Klasse, Gespräche mit der Lehrperson oder Interaktionen bei Gruppenarbeiten zählen. Diese Art der mündlichen Kommunikation, die oft auch spontan im Unterricht entsteht, passierte im Unterricht bei den untersuchten Lernaufgaben deutlich häufiger als die monologischen Sprechhandlungen. Deshalb werden die Ergebnisse in Bezug den Code ‘Speaking dialogue’ (SD) zuerst präsentiert. Die nachfolgende Übersicht mit Angaben zur Beurteilerreliabilität zeigt, dass die case pupils in insgesamt 156 Situationen dialogische Sprechhandlungen ausführten. Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Speaking dia‐ logue Gültig: 153 0.74 0.59 Ausgeschlossen: 3 (nicht beobachtbar) Total: 156 Tabelle 11: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Speaking dialogue’ Die Intraklassenkorrelation des justierten Koeffizienten ICC just mit 0.74 verdeut‐ licht, dass die Raterinnen mit ihren Einschätzungen mehrheitlich in die gleiche positive (++ / +) oder negative (- / --) Richtung tendierten. Der ICC unjust , der über die absoluten Übereinstimmungen der beiden Beurteilenden berichtet, fällt immer etwas tiefer aus. Jedoch ist der vorliegende Wert ICC unjust mit 0.59 als unzureichend zu betrachten, weil er unter dem gesetzten Richtwert von 0.65 ausfällt. Wie bereits im Kapitel 5.7.1 erklärt, ist der ICC just für die Prüfung der Reliabilität von intervallskalierten Ratings grundsätzlich ausreichend. Da dieser hier im zufriedenstellenden Bereich über dem Richtwert von 0.70 liegt, können die nachfolgenden Resultate zum Code ‘Speaking dialogue’ insgesamt als zuverlässig betrachtet werden. Die tiefen Reliabilitätswerte sind jedoch Anlass, die vorgenommenen Ratings nochmals genauer zu betrachten. Bei näherer Betrachtung der Einschätzungen der beiden Raterinnen wurde ersichtlich, dass sich zwischen den benachbarten Qualitätsstufen ++ und +, sowie + und - die meisten Unstimmigkeiten befanden. Wie der nachfolgende Einblick (vgl. Tabelle 12) in das Kategoriensystem verdeutlicht, sind mehrere verschiedene Dimensionen wie Redefluss, Korrektheit, Bereitwilligkeit der Interaktion oder Redelänge für eine Einschätzung dieses Codes zu berücksichtigen. Tatsache ist jedoch, dass nicht in jeder Sprechsituation alle diese Dimensionen in gleichem 225 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="225"?> 28 Aus Gründen der besseren Leserbarkeit und für die Einhaltung der Anonymität werden alle case pupils im Singular einheitlich in maskuliner Form adressiert. Ausmass vorhanden sein müssen und stattdessen zum Teil auch widersprüchlich zum Ausdruck kommen können. Zum Beispiel kann ein Redebeitrag flüssig und ausführlich sein, doch bei längeren Redebeiträgen häufen sich in der Regel auch die sprachlichen Fehler. Diese Vielschichtigkeit in den Sprechhandlungen erhöht die Anforderungen an diesen ohnehin hoch-inferenten Codierprozess. Speaking dialogue (Code SD) Lernende können sich auf einfache Art verständigen und Informationen austauschen oder zu vertrauten Themen einfache Fragen stellen und beantworten. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil in‐ teragiert fliessend, mehrheitlich feh‐ lerfrei, antwortet prompt und / oder initiiert oder er‐ mutigt den Dialog. Er 28 zeigt ausge‐ dehnte Sprech‐ handlungen (engl. sustained speech) (auf Satzebene, falls nötig, oder länger). Der case pupil in‐ teragiert ziemlich fliessend, teils feh‐ lerfrei, antwortet ziemlich prompt und / oder initiiert oder ermutigt den Dialog. Er sie zeigt minimale Sprech‐ handlungen (engl. minimal speech) (auf Wortebene oder Satzebene). Der case pupil in‐ teragiert minimal, spricht fehlerhaft und nicht sehr fliessend oder drückt sich mehr‐ heitlich non-verbal aus, antwortet zöger‐ lich. Er unterstützt den Dialog minimal. Der case pupil zeigt minimalste Sprech‐ handlungen (engl. ult‐ raminimal speech) (auf Wortebene) Der case pupil in‐ itiiert oder ermu‐ tigt kein Gespräch, bleibt still wäh‐ rend einer Interak‐ tion oder ver‐ wendet wenige Wörter oder drückt sich mehr‐ heitlich non-verbal aus, zeigt kaum Anzei‐ chen der Beteili‐ gung. Tabelle 12: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code 'Speaking dialogue’ Aufgeteilt auf die verschiedenen Stärkegruppen der case pupils ergeben sich folgende Häufigkeiten der Codings zur Kategorie ‘Speaking dialogue’ (SD). SD ++ SD + SD - SD -- Total Lernschwache 2 8 20 4 34 Durchschnittliche 27 13 4 0 44 Lernstarke 56 21 1 0 78 Total 85 42 25 4 156 Tabelle 13: Häufigkeiten der Codings ‘Speaking dialogue’ nach Qualitätsstufe und Leis‐ tungsgruppe 226 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="226"?> Beim Betrachten dieser Tabelle fällt auf, dass die lernstarken case pupils die Gelegenheiten für dialogisches Sprechen mit 78 Situationen deutlich am meisten wahrnahmen und diese Interaktionen zu 99 %, das heisst alle bis auf eine Sprechhandlung, in (sehr) guter Qualität (SD ++ / +) ausführen konnten. Obschon die mittelstarken case pupils im Vergleich zu den Lernstarken deutlich weniger oft dialogische Sprechhandlungen ausführten, zeugten auch 90 % ihrer Dialoge von (sehr) guter Qualität (SD ++ / +). Vier dialogische Sprechhandlungen wurden als knapp genügend (SD -) bewertet. Die lernschwachen case pupils nutzten Gelegenheiten für das dialogische Sprechen am wenigsten. 29 % ihrer ausgeführten Dialoge verliefen in (sehr) guter Qualität (SD ++ / +). 58 %, somit die meisten ihrer Dialoge, fanden in knapp ausreichender Qualität (SD -) statt. Vier dialogische Sprechhandlungen wurden als ungenügend geratet. Auch bei diesem Code wurden die Unterschiede zwischen den Leistungs‐ gruppen mittels dem Chi-Quadrat-Test ermittelt, um die hier beschriebenen Unterschiede und Zusammenhänge statistisch zu prüfen. Erneut lassen sich zwischen den Gruppen der lernstarken und mittelstarken case pupils gegenüber der Gruppe der lernschwachen case pupils signifikante Unterschiede (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 112) = 70.97, p < 0.001) respektive (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 78) = 36.73, p < 0.001) verzeichnen. Zwischen den lernstarken und durchschnittlichen case pupils ist der Signifikanzwert mit p = 0.10 (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 122) = 4.71, p = 0.10) über der Signifikanzgrenze. Somit bestehen zwischen den Gruppen der lernstarken und mittelstarken case pupils auch für diesen Code keine signifikanten Unterschiede. Die Resultate des Chi-Quadrat-Tests weisen darauf hin, dass die lernschwachen case pupils die dialogischen Sprechsituationen signifikant weniger oft und in tieferer Qualität ausführten als die beiden anderen Leistungsgruppen. Mittels zusätzlicher qualitativer Analyse lassen sich die soeben aufgezeigten statistisch bedeutsamen Unterschiede in den dialogischen Sprechsituationen veranschaulichen. Nachfolgend zwei Beispiele, wie Dialoge typischerweise zwischen den drei case pupils verliefen. Der erste Dialog beschreibt eine Szene am Viererpult, als sich die drei case pupils der 4. Klasse (D3 = lernstark, D2 = mittelstark, D1 = lernschwach) für die nachfolgende Mal-Sequenz einrichteten. 270 D3: Yeah! Do you have a paint brush? (schaut fragend zur Lehrperson, ob das Wort stimmt) 271 L: Paint brush or brush, yah! 272 D3: Here you can have one. 273 D1: I two. (zeigt wie er mit zwei Pinseln malen könnte) 274 D3: Then do that. (lacht) (…) I have here the box of crayon. 227 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="227"?> 29 Wenn nur vereinzelte Redebeitrage oder Aussagen nur auf Deutsch in einen Dialog eingebracht werden, werden diese Sprechbeiträge gemäss Definition im Codierleitfaden nicht mit dem Code ‘dialogisches Sprechen’ codiert: «Sagt der case pupil nur einzelne, unzusammenhängende Aussagen (v. a. während des Malens) die in der Regel kürzer als 20s dauern, dann werden diese Aussagen als einzelne Wortmeldungen codiert und nur mit dem EN (German only) Code ausgewiesen.» (siehe Anhang G) 275 D1: Yes. 276 D2: No. (…) I have the box of crayons. (zeigt auf eine zweite Schachtel) 277 D3: Then we have two. One for us two and one for you. (…) For you two. You know ‚you two‘? 278 D1: Yes. (schaut zu D3) 279 D3: Weisst du was ‚you two‘ ist? 280 D1: Yes! (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeilen 270-280) Der lernstarke case pupil (D3) initiierte den Dialog und gestaltete das Gespräch stark mit (SD ++). In dieser Situation vermittelte er gar sprachlich und wechselte im Sinne einer Mediation bewusst auf Deutsch, um sicherzustellen, dass der lernschwache case pupil (D1) die Aussage auf Zeile 277 versteht. Er stellte dadurch hilfreiches Scaffolding für den lernschwachen case pupil bereit. Die Sprechhandlung des mittelstarken case pupil (D2), welche im Vergleich zum lernstarken case pupil weniger elaboriert jedoch auch in Form eines vollstän‐ digen Satzes passierte, entspräche ebenfalls der Qualitätsstufe SD ++ 29 . Der lernschwache case pupil hingegen drückte sich nur mit vereinzelten Worten aus, was der Qualitätsstufe SD - gleichkäme 29 . Es behalf sich zudem mit Gesten, um seiner Aussage zusätzlich auf non-verbaler Ebene verständlich zu machen. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch bei einer anderen dialogischen Ge‐ sprächssituationen während einer Mal-Sequenz in derselben Klasse, bei der ein weiterer Schüler (S) teilnahm. In dieser Situation sprachen die Lernenden über ihre angefangenen Bilder und fragten einander, ob sie diese schön fänden. 121 D2: You like the picture? 122 D3: No, I don’t. Yah, I like this colour. 123 D2: But the picture? 124 D3: Yah! 125 D2: I like this picture. (zeigt auf ein anderes Bild) D1, you like my picture? 126 S: I like mine. 127 D1: No! Yes! 128 D3: Ohhh! (…) I like your picture. (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeilen 121-128) 228 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="228"?> Dieses Mal initiierte der mittelstarke case pupil (D2) den Dialog und brachte seine Frage, wenn auch nicht ganz richtig formuliert, mit Nachdruck ein bis er seine Antworten bekam. Die Aussagen des lernstarken case pupil (D3) waren als umfassend und gleichzeitig korrekt. Beide case pupils gaben sich in vergleichbarer Weise zu hoher Qualität in den Dialog ein (SD ++). Sowohl der durchschnittliche und lernstarke case pupil waren in der Lage ihre kommuni‐ kativen Absichten in der Fremdsprache erfolgreich zum Ausdruck zu bringen. Der lernschwache Schüler (D1) beteiligte sich hingegen nur einmal, und zwar nur dann, als er auf Zeile 125 direkt von D2 um seine Meinung gefragt wurde. Aufgrund seines geringen Sprechanteils konnte diese Sprechhandlung nicht mit dem Speaking Dialogue Code versehen werden 29 , würde aber aufgrund des äusserst minimalen Redebeitrags den Code SD -erhalten. Auch in der 5. Klasse, als die Gruppe der case pupils (E3 = lernstark, E2 = mittelstark, E1 = lernschwach) das finale Bild ihres Mitschülers unter Anwesenheit der Lehrperson (L) beschrieben, ergab sich eine vergleichbare Gesprächssituation. 561 L: (…) S, shall we go on with yours? 562 E2: I like this part of the picture with the colour explosion. 563 L: Explosion, ya, good. 564 E1: Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das heisst: Regenschirm. 565 L: Ah, an umbrella! It looks like an umbrella? 566 E1: Mhm. 567 L: Mhm, okay. (…) Anything else? 568 E2: It’s a rainbow with the colours red, yellow, green. 569 E3: Ah, I think that’s it’s a stock for the old. (zeigt pantomimisch eine Person am Gehstock) 570 L: (lacht) That’s true. That’s a walking stick. 571 E3: Yes! 572 E1: Ähm, / cook ähm Hut/ 573 L: A cooking hat! Ahh, or a cook’s hat! 574 E2: Ähm, the butterfly ähm, the butterfly Flügel. 575 L: The wings of the butterfly. Mhm, good! (Syntheseaufgabe Klasse E, Zeilen 561-571) Bei dieser Bildbeschreibung gaben sich der lernstarke (E3) und durchschnittliche (E2) case pupil in vergleichbarer Qualität ein. Der durchschnittliche case pupil beteiligte sich gar öfters als der lernstarke case pupil. Insgesamt sind ihre Redeanteile als gleichwertig zu beurteilen, denn all ihre Sprechhandlungen passierten auf Satzebene, sie äusserten sich zügig und meist richtig (SD ++). Die beiden case pupils verwendeten dabei unterschiedliche Kommunikationsstrate‐ 229 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="229"?> gien. Während der lernstarke case pupil aufgrund sprachlicher Unsicherheit seine Aussage zur Verdeutlichung pantomimisch unterstrich, machte der mit‐ telstarke case pupil in seinem letzten Satz ein Code-Switching und brachte das unbekannte Wort auf Deutsch ein. Der lernschwache case pupil (E1) nahm zwar am Gespräch teil, gab sich jedoch mehrheitlich auf Deutsch ein. Im zweiten Teil versuchte er es auf Englisch, doch auch da nannte er nur ein einzelnes Wort (cook) und zeigte stattdessen auf das Bild. Bei Unsicherheit drückte er sich non-verbal aus oder griff auf Deutsch zurück. Aufgrund des fehlenden Gebrauchs von Englisch konnte dem lernschwachen case pupil in dieser Situation kein Code ‘Speaking Dialogue’ vergeben werden 29 . Die Qualitätsstufe SD - wäre hier jedoch am passendsten, weil er zwar am Dialog aktiv mitwirkte jedoch sehr limitierende Sprechanteilen einbrachte. Ein weiteres Beispiel einer Dialogsituation in der 5./ 6. Klasse illustriert, wie sich alle case pupils in guter Qualität auf Englisch einbringen konnten. 491 L: S, we have had a look at your painting before, but we can look at it once again. (…) 492 H2: I think this part looks like a rainy day. (…) 493 L: To me this looks like the world from space. Like the earth. 494 H1: This (ähm) looks like a (…) colour’s painting. 495 L: Mhm. True. (…) This looks like a street. A very fast road where the cars are going by and you can see the lights from the cars. 496 H3: This colour looks a little bit like the inside of a lime. 497 L: The ‘Leim’? You mean the glue? Or the / Ah the lime, the fruit? 498 H3: Yes! 499 L: Ah yeah, you right. Good! Lime colour, would be a good name. (…) To me this looks like a sun set, when the sun goes down. (…) H2, anything else? (…) Or the others? (…) 500 H2: This shape looks like a handy? (H1 lacht) 501 L: A mobile phone. Good. (…) (Syntheseaufgabe Klasse H, Zeilen 491-501) Auch wenn aufgrund etwas zähem Redefluss die Lehrerin (L) bei diesem Aus‐ tausch über ein Bild stark animieren musste, zeigte sich hier sich ein ähnliches Bild wie bei den vorgängig präsentierten Dialogen: Der lernstarke case pupil (H3) war in der Lage vollständige, längere und korrekte Sätze mit unerwartetem Inhalt ganz auf Englisch zu formulieren, was von sprachlich hoher Spontanität zeugt (SD ++). Auch der mittelstarke case pupil (H2) brachte sich mehrmals mit vollständigen, mehrheitlich korrekten Sätzen ein (SD ++) und zeigte, dass er sprachlich auch originelle Mitteilungen in der Fremdsprache machen kann. 230 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="230"?> Der lernschwache case pupil (H1) drückte seine Gedanken zum Bild ebenfalls in einem korrekten Satz auf Englisch aus, zeigte sich jedoch zögerlich und sprach weniger fliessend. Auch wenn sein Beitrag auf sprachlicher und inhaltlicher Ebene deutlich weniger zum Dialog beisteuerte, demonstrierte er seine aktive Beteiligung auf non-verbale Weise mit einem Lachen in Zeile 500. (SD +). Insgesamt deuten die in diesem Kapitel aufgezeigten quantitativen und qualitativen Ergebnisse in eine ähnliche Richtung: Die lernschwachen case pupils nutzten die mündlichen Lernsituationen für den Aufbau von dialogischen Sprechkompetenzen deutlich weniger oft und brachten sich insgesamt zu tieferer Qualität mit kurzen, zögerlichen Aussagen auf Englisch - oft unter‐ mauert mit non-verbalen Ausdrucksmitteln oder mit partiellen Rückgriffen auf Deutsch - ein. Wie es für jene Sprachlernsituationen aussieht, wenn die Lernenden nicht dialogisch, sondern in Form eines Monologs sprechen, wird nachfolgend be‐ trachtet. Monologisches Sprechen Im Codierleitfaden wurde die Regel für das Setzen des Codes ‘Speaking mono‐ logue’ (SM) folgendermassen definiert: «Der case pupil spricht alleine, weil er etwas präsentiert oder beschreibt, das Gesagte verlangt keine direkte Antwort einer anderen Person. Nach dem Gesagten folgt typischerweise eine Reaktion der Lehrperson. Der Monolog dauert so lange, wie das Kind spricht. Falls die Lehrperson nachfolgend eine weiterführende, inhaltliche Frage an den case pupil adressiert, wäre das dann der Start für ‘Sprechen Dialog’.» (siehe Anhang G) Solche Monologe kommen bei den beiden Lernaufgaben im Vergleich zu den dialogischen Sprechsituationen in deutlich geringerer Anzahl vor. Die Kombi‐ nation von geringer Anzahl Codings und den hoch inferenten Einschätzungen machte sich auch in den tiefen Reliabilitätskoeffizienten bemerkbar. Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Speaking mo‐ nologue Gültig: 23 0.70 0.53 Ausgeschlossen: 3 (nicht beobachtbar) Total: 26 Tabelle 14: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Speaking monologue’ Die Abweichungen in den Beurteiler-Übereinstimmungen können mit Blick in die Daten und in das Kategoriensystem erklärt werden: In nur 26 Situationen 231 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="231"?> zeigten die case pupils monologische Sprechhandlungen. In drei Situationen wurde von beiden Raterinnen der Code ‘not observable’ vergeben, weil in diesen Situationen die case pupils leise für sich die Monologue übten. Bei der verblei‐ benden kleinen Menge an Codings, fällt jede ungleiche Einschätzung der beiden Codiererinnen stark ins Gewicht. Insbesondere die Unterscheidung zwischen den Codes SM + und ++ hat in fünf der 23 Situationen zu Unstimmigkeiten geführt. Wie im nachfolgenden Ausschnitt aus dem Kategoriensystem ersicht‐ lich wird, ist diese Unterscheidung anspruchsvoll vorzunehmen. In beiden Kategorien können zum Beispiel Wortmeldungen auf Satzebene vorkommen, die sich nur in schwierig einschätzbaren Dimensionen wie Sprechfluss oder Korrektheit unterscheiden. Unter Berücksichtigung der soeben erwähnten Herausforderungen kann der ICC just direkt auf dem Richtwert von 0.70 liegend als insgesamt ausreichend beurteilt werden. Die Werte zum ICC injust verdeutlichen hingegen, dass die exakt kongruente Einschätzung beider Codiererinnen hier nicht im zufrieden‐ stellenden Bereich vorgenommen werden konnte. Deshalb und aufgrund der kleinen Anzahl Codings sollten die nachfolgend vorgestellten quantitativen Ergebnisse zum Code ‘Speaking monologue’ mit Vorsicht betrachtet werden. Speaking monologue (Code SM) Lernende können vertraute Dinge benennen, etwas präsentieren und sich über Vor‐ lieben und Abneigungen äussern. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil zeigt ausgedehnte Sprechhandlungen (engl. sustained speech) (auf Satz‐ ebene, falls nötig, oder länger), spricht fliessend und mehrheitlich fehlerfrei. Der case pupil zeigt minimale Sprech‐ handlungen (engl. minimal speech) (auf Wortebene oder Satzebene), spricht ziemlich fliessend und ziem‐ lich fehlerfrei. Der case pupil zeigt minimalste Sprech‐ handlungen (engl. ultraminimal speech) (auf Wort‐ ebene), spricht feh‐ lerhaft und nicht fliessend oder drückt sich mehr‐ heitlich non-verbal aus. Der case pupil kann sich nicht (ver‐ ständlich) mit‐ teilen, bleibt still oder drückt sich mehrheitlich non-verbal aus. Spezialfall: Not observable Falls der Monolog des case pupil nicht gehört werden kann (z. B. falls er / sie leise für sich spricht), wird dieser Code gesetzt. Tabelle 15: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code 'Speaking monologue’ Abgesehen von wenigen Ausnahmen nahmen die Lernenden ausschliesslich beim Präsentieren ihrer fertigen Bilder oder beim Vorstellen ihrer neuen Farben monologische Sprachlernsituationen wahr. Diese Monologe, auch wenn diese 232 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="232"?> in den unterschiedlichen Klassen verschiedentlich organisiert wurden, wurden immer von der Lehrperson respektive durch die Lernaufgaben initiiert. Nur bei einer Gelegenheit konnte ein Monolog beobachtet werden, der von einem case pupil unaufgefordert durchgeführt wurde. Dieser war dann zu beobachten, als ein lernstarker case pupil laut während dem Malen vor sich hinsprach. Die Codings zur Kategorie ‘Speaking monologue’ (SM) sortiert nach den drei Leistungsgruppen der case pupils resultiert in folgender Übersicht. SM ++ SM + SM - SM -- Not obs Total Lernschwache 0 6 2 0 2 10 Durchschnittliche 7 0 0 0 1 8 Lernstarke 7 1 0 0 0 8 Total 14 7 2 0 3 26 Tabelle 16: Häufigkeiten der Codings ‘Speaking Monologue’ nach Qualitätsstufe und Leistungsgruppe Mit Blick auf die obige Tabelle 16 wird ersichtlich, dass 21 der insgesamt 26 beurteilten monologischen Sprechsituationen positiv (SM ++ / +) geratet wurden. Sowohl die durchschnittlichen als auch lernstarken case pupils erhielten für je sieben ihrer insgesamt acht getätigten monologischen Redebeiträge die höchste Qualitätsstufe SD ++. Eine weitere Sprechhandlung eines lernstarken case pupils wurde mit dem Code SD + versehen. Die Qualität der Monologe dieser beiden Leistungsgruppen kann somit als vergleichbar betrachtet werden. Die lernschwachen case pupils führten in insgesamt zehn Situationen mono‐ logische Sprechhandlungen aus. Somit nutzten sie das monologische Sprechen etwas häufiger als ihre Mitschüler*innen. Von den acht beobachtbaren Mono‐ logen der lernschwachen case pupils befinden sich die grosse Mehrheit im guten (SD +), zwei im genügenden (SD -) Bereich. In drei Situationen waren die Monologe der lernschwachen und mittelstarken case pupils nicht beobachtbar, dann als sie ihre Sprechhandlungen still für sich übten. Wie bereits erwähnt, verlangt der Chi-Quadrat Test eine Mindestanzahl von 30 Fällen. Da diese Voraussetzung hier nicht gegeben ist, wird auf eine statistische Analyse verzichtet. Stattdessen sollen in Bezug auf eine qualitative Analyse typische Beispiele vertiefte Einblicke in die Qualität dieser Monologe der unterschiedlichen case pupils geben. Bei all den nachfolgend vorgestellten Monologen handelt es sich um vorbereitete Gesprächsanlässe, in denen die 233 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="233"?> case pupils die gelernte und geübte Sprache teils mit Hilfe von Scaffolding verwendeten, um ihre Farben oder Bilder vorzustellen. Als erstes werden drei kurze Monologe vorgestellt, in denen die case pupils der 5./ 6. Klasse ihre neuen Farben und deren Namensgebungen im Rahmen der Erarbeitungsaufgabe präsentierten. Das erste Beispiel illustriert die Farbpräsen‐ tation des lernstarken case pupil (H3). H3: Okay. Ehm. This is my favourite colour. For me it looks like the ‘Bubble gum ice-cream’ in the ‘Telle’. (lacht) And I used blue, a little bit green and a lot of white. And water, yeah. Okay. (Erarbeitungsaufgabe Klasse H, Zeile 278) Das Beispiel veranschaulicht, wie dieser lernstarke case pupil in der Lage war einen ausgedehnteren Monolog mit gutem Redefluss und wenig sprachlichen Fehlern zu halten. Der case pupil benützte dafür vielfältigen, differenzierten Wortschatz (a little bit of… / a lot of…) und natürliche, spontane Sprache (Okay. Yeah.) (SM ++). Auffallend bei diesem Beispiel ist auch die inhaltliche Originalität mit hohem persönlichem Bezug (Farbnamen: bubble-gum ice cream aus dem Restaurant Tell). Die inhaltliche Wertung - wie später erklärt wird - entspräche dem Code WK ++ (‘Wahrnehmung & Kommunikation’) aus dem Bereich BG. Eine vergleichbare Sprechhandlung gelang auch dem mittelstarken 5. Klas‐ senkind (H2) derselben Klasse. Auch für seinen Monolog wurde der Qualitäts‐ code SM ++ vergeben, auch wenn sein Redebeitrag im Vergleich zum lernstarken case pupil hinsichtlich der sprachlichen Differenzierung etwas abfällt. H2: Ehm. Okay. This is the colour ‘Tree’. It looks like a special tree. Ehm and I used the colours blue, pink and red. And I mixed with water. (Erarbeitungsaufgabe Klasse H, Zeile 295) Auch der lernschwache case pupil (H1) konnte einen vollständigen, korrekten Satz formulieren, der die neue Farbkreation zutreffend beschreibt. Jedoch fiel dieser wesentlich kürzer, somit auch weniger detailliert aus. Zudem verlief seine Präsentation zögerlicher. Daher erhielt dieser case pupil den Code SM + für seinen Sprechbeitrag. H1: This is my favourite colour, this is ‘Jeans’. (Erarbeitungsaufgabe H1, Zeile 283) Die nachfolgenden Beispiele stammen alle aus der finalen Syntheseaufgabe, bei der die Lernenden am Ende ihre vorgängig vorbereiten Bildpräsentationen zu ihren fertigen Bildprodukten vortrugen. Vorgegebene Textbausteine halfen 234 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="234"?> den Schüler*innen ihre Bildbeschreibungen in Briefform, als Antwort an die Farbstifte aus der anfänglichen Geschichte, zu verfassen. Das Präsentieren erfolgte anschliessend in Form eines mündlichen Monologs, bei dem die meisten Lernenden ihre selbstverfassten Texte vorlasen. Das erste Beispiel stammte von einem lernstarken case pupil aus der 6. Klasse. Als Scaffolding standen diesem Lernenden einige anregende Fragen (z. B. What is the name of the painting? What does it look like? What new colours did you create? What would you call them? …) zur Verfügung. Das folgende Beispiel zeigt demnach ein Ergebnis, das sehr frei, ohne direkt unterstützende Satzbausteine und sehr elaboriert mit relativ wenig Fehlern verfasst wurde. Beim Vortragen wurden die vorbereiteten Textstellen mit spontanen Redebeiträgen (siehe un‐ terstrichene Stellen) ergänzt. Dadurch passierten zwar einige Verzögerungen und Redundanzen, doch das Geschriebene wird kontextuell besser eingebettet und die Mitteilung gewinnt an Authentizität. Insgesamt zeugt der Monolog von sehr hoher und flexibler Sprechkompetenz, weshalb der Code SM ++ gesetzt wurde. H3: Dear crayons My painting… / Ah I draw a new painting with new shapes! My painting’s name is ‘Rainbow-stings’. I like my painting but the right side more than the left, because its colourfuler and more colour / also ‘Farbverlauf ’. (Input L: Colour-flow) Yah, more colour-flow. And I also like on the right side, here (zeigt auf eine Stelle im Bild), this part because there are the colours very (…) ‘kräftig’ (Input L: bright) very bright. And also little parts and then new colours. And here (zeigt auf eine andere Stelle) it’s a little, not so nice. The shape in the middle‘, also, this shape (zeigt auf eine weitere Stelle) ehm there are some stars inside and ehm this look a little bit like an eight. My favourite colour in the picture is this (zeigt darauf) red’ here, ehm. For this colour I used red, orange, purple and blue. But I also like the green at the bottom on the right side. This colour here. Ehm. For this I used green, yellow and a little bit white. Ehm. The colour at the bottom at the right side, the right side this blue (zeigt drauf) I would use to draw a sea or a lake. (Input L: What would you say at the end? ) Ah. Best regards. Duncan. (Syntheseaufgabe Klasse H, Zeilen 444-450) Der nachfolgende Monolog des mittelstarken case pupils der 5. Klasse (E2) wurde ebenfalls mit dem Code SM ++ eingestuft. Es handelt sich dabei auch um eine differenzierte Sprechhandlung, die der Lernende selbstständig nur mit Hilfe einiger vorgegebener Wörter und denselben anregenden Fragen (vgl. Bei‐ spiel oben) schriftlich vorbereitete. Die anschliessende mündliche Präsentation erfolgte sehr fliessend und mit Ausnahme des neuen Wortes ‘used’ verständlich mit wenig Unstimmigkeiten. 235 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="235"?> E2: Dear crayons. I have painting a flower line with many flowers and flowers have many light colours. I like the picture. I hope every/ everyone likes the picture. I used [ausgesprochen: / tʃuːz/ ] a lot of colours. I like the picture because it’s so colourful and I like the flowers. I hope you are happy now. Best regards, E2 (Syntheseaufgabe Klasse E, Zeile 560) Der durchschnittliche case pupil (D2) in der 4. Klasse präsentierte ebenfalls ein Monolog von sehr guter Qualität (SM ++). In dieser Klasse hatten die Lernenden allerdings mehr Scaffolding in Form von Textbausteinen zur Verfü‐ gung, mit denen sie beim Verfassen ihrer Bildbeschreibung unterstützt wurden. Im nachfolgenden Beispiel ist zu erkennen, wie der mittelstarke case pupil seinen Text aus einer Auswahl von möglichen Sätzen zusammenstellte und mit eigenen Worten, jene unterstrichenen Textstellen, passend ergänzte. Die Präsentation selber erfolgte sehr fliessend und zügig, was bestimmt auch darauf zurückzuführen ist, dass dieser case pupil den Text vorher still einige Male für sich übte. D2: Dear blue crayon. I hope you like my painting. Its name is ‚The crazy painting‘. I have a new favourite green and blue. To make this colour, I mixed blue and dark green. The name of this colour is ‘Lake of Lungern’. I like this picture because it’s so crazy. I hope you are very happy now, yes. Best regards, D2 (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeile 734) Das folgende Beispiel illustriert eine Bildbeschreibung eines lernschwachen case pupils aus der 5. Klasse, der mit Hilfe einer angefangenen Briefvorlage ergänzt mit eigenen Worten (siehe unterstrichenen Stellen) den folgenden Monolog vortrug. H1: Ehm. Dear pink crayon. I hope you like my painting. Its name is ‘Colours painting’. I think my shape looks a bit like heart rate at the hospital. I have a new favourite shade of pink. To make this colours I mixed pink and water together. The name of my colour is ‘Flamingo’. I used the colour blue to make the painting look darker. My fantasy shape looks good on a colourful background that is full of rainbow colours. I hope you are very happy now. Best regards, C1. (Syntheseaufgabe Klasse H, Zeile 491) Auch dieser case pupil war in der Lage mit entsprechendem Scaffolding und zusätzlicher Unterstützung bei Wortfindungen (vgl. ‘a heart rate at the hospital’) eine gute Bildbeschreibung zu präsentieren (SM +). Auch er übte seinen Text vorgängig einige Male. Da er seine Präsentation nicht ganz fliessend sondern eher zurückhaltend vortrug, reichte es nicht für eine sehr gute Einschätzung. 236 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="236"?> Insgesamt verdeutlichen diese drei Beispiele, dass alle case pupils ungeachtet ihrer Leistungsgruppe diese monologischen Sprechsituationen von guter bis sehr guter Qualität meistern konnten. Da diese Sprechhandlungen in Form einer meist angekündigten, offiziellen Präsentation organisiert waren, konnten sich die Lernenden entsprechend dafür vorbereiten: Entweder mit Hilfe einem vorgängig erstellten Text bei der Syntheseaufgabe oder mittels Notizen auf ihren Farbkarten für die Vorstellung der Erarbeitungsaufgabe. Zudem bestand die Möglichkeit diese Texte vor der Präsentation still für sich zu üben. Dieses Übungsangebot nutzten je ein lernschwacher case pupil zweimal und ein durchschnittlicher case pupil einmal, wie die drei Codes ‘non-observable’ ver‐ deutlichen. Sofern solche unterstützenden Angebote wie das verbale Scaffolding und die zusätzliche Übungszeit genutzt wurden, scheinen diese Hilfestellungen einen positiven Einfluss auf die Qualität der Monologe zu haben. Diese Er‐ kenntnis kann auf die hier vorgestellten grossmehrheitlich positiven vorberei‐ teten monologischen Sprechhandlungen von (sehr) guter Qualität bei allen case pupils zurückgeführt werden. Auf die Ergebnisse zur Nutzung der sprachlichen Hilfestellungen allgemein wird nachfolgend vertieft eingegangen. Nutzung des sprachlichen Scaffolding Der Code ‘Use of language scaffolding’ (US) wurde kreiert, um systematisch zu untersuchen, wie die case pupils das verbale Scaffolding beim Sprechen nutzten. Dieser Code war anfänglich nicht in diesem Umfang für das Rating der Lernaufgaben geplant, wurde dann jedoch in den Codierprozess aufgenommen, weil sich bei der Pilotstudie zeigte, dass die Qualität der Sprachhandlungen der heterogenen case pupils neben den Leistungsvoraussetzungen auch von der Nutzung des bereitgestellten Scaffolding abhängt. Im Codierleitfaden steht dazu: «Jede monologische oder dialogische Sprechsequenz (mindestens Mehr‐ wort-/ Satzebene), muss einen US-Qualitätscode erhalten.» (siehe Anhang G) Die Reliabilitätswerte fallen für diesen Code im zuverlässigen Bereich aus: Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Use of lang‐ uage scaffol‐ ding Gültig: 174 0.83 0.71 Ausgeschlossen: 5 (fehlende Ratings) Total: 179 Tabelle 17: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Use of language scaffolding’ 237 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="237"?> Bei fünf Sprechhandlungen wurde der Code versehentlich von einer der beiden Codiererinnen nicht gesetzt, weshalb diese Fälle ausgeschlossen wurden. Anders als bei den zuvor beschriebenen Codes orientieren sich die Beschrei‐ bungen zu ‘Use of language scaffolding’ nicht am Lehrplan 21, sondern wurden anhand von Unterrichtsbeobachtungen und der Analyse von Sprechhandlungen aus den Pilotdaten abgeleitet. Im nachfolgend abgebildeten Ausschnitt aus dem Codierleitfaden sind die verschiedenen Qualitätsstufen definiert. Use of language scaffolding * (Code US) Gebrauch des benötigten verbalen Scaffolding und weitere Hilfestellungen. (*Dieser Code wird nur gesetzt, wenn case pupils (teils) Englisch auf Satzebene oder länger sprechen) Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil braucht kein ver‐ bales Scaffolding, spricht natürlich und frei, die ver‐ wendete Sprache ist relativ unvorher‐ sehbar. Er kann sich gekonnt ohne Scaf‐ folding mitteilen - auch wenn einige Fehler passieren. Er weiss sich zu be‐ helfen, wie eine Mitteilung kommu‐ niziert werden kann (e.g. Code-Switching, non-verbale Kom‐ munikation, …) Der case pupil braucht teilweise verbales Scaffol‐ ding, spricht aber mehrheitlich natür‐ lich und frei, die verwendete Sprache ist teil‐ weise unvorher‐ sehbar. Er kann sich recht gekonnt mit Hilfe des Scaffol‐ ding mitteilen - auch wenn einige Fehler passieren. Er weiss sich zu be‐ helfen, wie eine Mitteilung kommu‐ niziert werden kann (e.g. Code-Switching, non-verbale Kom‐ munikation, …) oder fragt bei Be‐ darf aktiv um Hilfe. Der case pupil ist auf verbales Scaf‐ folding ange‐ wiesen, spricht weder natürlich noch frei, die ver‐ wendete Sprache ist vorhersehbar, weil sie vorgegeben ist (z. B. an Tafel, von der Lehrperson, …). Nur dank dem Scaf‐ folding kann er sich auf basale Weise mitteilen, ohne Hilfe würde die Kommunikation nicht funktio‐ nieren. Er fragt (wahrscheinlich) nicht aktiv nach Hilfe, aber Hilfe‐ stellungen werden (wahrscheinlich) gegeben. Der case pupil benö‐ tigt zusätzliche Hilfe und individu‐ elle, mehrmalige Unterstützung sei‐ tens der Lehrperson oder einem Peer, um sich überhaupt auf basale Weise mitzuteilen. Trotz Scaffolding kann er sich nicht oder kaum mitteilen, die Kommunikation funktioniert nicht oder nur unver‐ ständlich. Er braucht viel Hilfe oder wechselt auf Deutsch oder bleibt still. Tabelle 18: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code 'Use of language scaffolding' Beim genaueren Lesen der vier Qualitätsstufen wird ersichtlich, dass sich die positiven Qualitätsstufen auf solche Situationen beziehen, in denen die Lernenden praktisch ohne Scaffolding (++) oder dank selbstständigem Gebrauch des Scaffoldings (+) natürliche Sprechhandlung erfolgreich ausführen konnten. Die Qualitätsstufe (-) wurde dann vergeben, wenn Scaffolding gebraucht wurde, 238 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="238"?> um überhaupt eine basale Sprechhandlung vollziehen zu können. Die Kom‐ munikation gelang jedoch dank diesem Scaffolding knapp ausreichend. Die unterste Qualitätsstufe (--) beschreibt Situationen, in denen trotz vorhandenem Scaffolding die Sprechhandlung unzureichend verständlich war und somit nicht gelang. Die Anzahl der Situationen, in denen die drei Leistungsgruppen sprachliches Scaffolding nutzten, ergibt folgende Übersicht. US ++ US + US - US -- Total Lernschwache 2 18 11 11 42 Durchschnittliche 32 18 1 0 51 Lernstarke 55 29 2 0 86 Total 89 65 14 11 179 Tabelle 19: Häufigkeiten der Codings ‘Use of language scaffolding’ nach Qualitätsstufe und Leistungsgruppe Da die Anzahl der Codings mit jenen der beobachtbaren monologischen und dialogischen Sprechhandlungen korreliert, erstaunt es wenig, dass die Gruppe der lernschwachen case pupils insgesamt auch weniger Scaffolding in Anspruch nahmen, respektive nehmen konnten. Die Werte in Bezug auf die Qualität bei den lernschwachen case pupils zeigen, dass zwar nur zwei Sprechhandlungen ohne oder mit minimalen Scaffolding ausgeführt wurden (US ++), insgesamt 43 % die Sprechsituationen dank Scaffolding gut gelangen (US +) und weitere 26 % der Sprechsituationen mit grosser Unterstützung ausreichend ausfielen (US -). Rund ein Viertel der Sprechhandlungen waren trotz Scaffolding unzureichend (US --). Die durchschnittlichen und lernstarken case pupils brauchten bei 62 %, respektive 63 % ihrer Sprechhandlungen kein oder minimales Scaffolding (US ++). Abgesehen von insgesamt drei Ausnahmen (US -) konnten sie in den restlichen Sprechsituationen (37 %, respektive 36 %) das angebotene Scaffolding für eine erfolgreiche Kommunikation einsetzen (US +). Der unzureichende Code (US --) kam bei diesen case pupils nicht vor. Bei diesem Code wurden die Unterschiede zwischen den Leistungsgruppen erneut mittels dem Chi-Quadrat-Test berechnet, um die soeben beschriebenen Zusammenhänge statistisch zu prüfen. Wie aus obiger Beschreibung zu er‐ warten war, weist auch die statistische Berechnung darauf hin, dass es zwischen den Gruppen der lernstarken und mittelstarken case pupils gegenüber der Gruppe der Lernschwachen erneut signifikante Unterschiede gibt (p < 0.05; 239 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="239"?> Chi-Quadrat (1, n = 128) = 61.19, p < 0.001) respektive (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 93) = 45.36, p < 0.001). Zwischen den mittelstarken und lernstarken case pupils zeigt der Signifikanzwert mit p = 0.98 hingegen, dass zwischen diesen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede bestehen (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 137) = 0.50, p = 0.98). Der Chi-Quadrat Test verdeutlich somit, dass auch im Gebrauch von Scaffolding, die lernschwachen case pupils die Hilfestellungen beim Sprechen signifikant anders verwendeten als die anderen beiden Leistungsgruppen. Die nachfolgenden Beispiele illustrieren die typische Verwendung von Scaf‐ folding aus der qualitativen Perspektive. Das erste Beispiel zeigt den lernschwa‐ chen case pupil (H1) der 5. Klasse, wie er sich von der vorbeigehenden Lehrerin Hilfe holte. Er fragte jedoch nicht aktiv nach Unterstützung, sondern drückte sein Unwissen stockend und zögerlich, schlussendlich auf Deutsch und unter‐ stützt mit non-verbalen Gesten aus. Die Lehrperson konnte aus dem Kontext verstehen, wofür Hilfe benötigt wurde. Dank der gezielten Unterstützung der Lehrperson kam der case pupil in seinem Lernprozess weiter und konnte seinen neuen Farbton mit einem passenden Begriff benennen. Diese Stelle wurde mit dem Code US - geratet. 240 H1: This is a, ehm. (…) Ehm. (…) Eh. Ich weiss es nicht! (zuckt die Schultern) 241 L: This maybe. (zeigt dem case pupil das Bild eines Himmels, zeigt nach draussen und dann auf seine Farbe, zuckt mit den Schultern). Does it look like a sky? 242 H1: Yes. Sky. (schreibt es auf) (Erarbeitungsaufgabe Klasse H, Zeilen 240-243) Im Gegensatz dazu wird folgend der Gebrauch des Scaffolding des lernstarken case pupil vorgestellt. Dieser holte sich aktiv auf Englisch die benötigte Hilfe während er sein Bild beschrieb und nachfragte, ob er an der bestimmten Stelle seine Form oder die Farbe beschreiben sollte. Für diese Aussage mitsamt dem daraus entstehenden längeren Dialog wurde der Code US + vergeben. 341 C3: Ehm, I have a question. This part is the name of your shape - and is this the picture or a colour? (Syntheseaufgabe Klasse H, Zeilen 341) Der folgende Gesprächsausschnitt, der zwischen zwei case pupils der 4. Klasse während dem Malen spontan stattfand, illustriert wie die lernstarken (D3) und durchschnittlichen (D2) case pupils mit relativ einfachen Satzbausteinen selbstständig ohne jegliches Scaffolding in der Zielsprache über ein selbstge‐ wähltes Thema kommunizieren konnten. Der Code US ++ wurde für beide 240 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="240"?> 30 Bei acht Fällen schätzen mindestens eine, in drei Fällen auch beide Rater, die Qualität des Hörverständnisses als nicht beobachtbar ein. Diese acht Fälle wurden aus dem Datensatz ausgeschlossen, weil das Ausbleiben einer Einschätzung keine zuverlässigen Informationen für die weitere Auswertung liefert. case pupils vergeben. Da der Gesprächsinhalt dieses kurzen Dialoges für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist, wurde speziell dieser Ausschnitt gewählt - zahlreiche weitere Beispiele würden eine vergleichbare Gesprächssituationen, die ohne jegliches Scaffolding erfolgreich stattfanden, illustrieren. 73 D2: I love that. I love the BG, the English-BG. C3, I love the English-BG. 74 D3: You love English speaking? 75 D2: Yeah, nei! The English-BG! BG! 76 D3: Ah BG! 77 D2: Yes! Englisch-BG! Understanding? 78 D3: Yah, understood! 79 D2: That’s good. (Cs malen still weiter) (Erarbeitungsaufgabe Klasse D, Zeilen 73-79) Erneut weisen die quantitativen und qualitativen Ergebnisse darauf hin, dass die lernschwachen case pupils die bereitgestellten Scaffolding deutlich anders verwendeten als ihre lernstärkeren Mitschüler*innen. Nachdem in verschie‐ denen Abschnitten die Nutzung der CLIL-Lernangebote für den Aufbau von produktiven Kompetenzen aufgezeigt wurde, schwenkt der Fokus nun auf die Nutzung des CLIL-Lernens hinsichtlich der rezeptiven Kompetenzen. Hörverstehen Zu den rezeptiven Kompetenzen gehören das Hören und das Lesen. Situationen, in denen Lesen und demzufolge das Leseverstehen im Zentrum standen, kamen bei der Umsetzung dieser CLIL-Module kaum vor. Daher konzentrierte sich die Auswertung der Nutzung der CLIL-Lernangebote im rezeptiven Bereich auf das Hören, respektive die Qualität des Hörverständnisses. Zu welcher Qualität die verschiedenen case pupils diese rezeptiven Sprachlernsituationen nutzten, war äusserst anspruchsvoll einzuschätzen. Hören, im Gegensatz zum Sprechen, involviert keinen beobachtbaren Output. Es ist somit ein stiller, mentaler Prozess, der sich nur indirekt mittels systematischer Verhaltensbeo‐ bachtung, anhand sichtbarer Reaktionen oder deren Ausbleibens während oder nachfolgend einer Hörsituation, erheben lässt (vgl. Helmke & Renkl 1992, S. 131). Die Einschätzungen rund um den Code ‘Listening’ sind somit nicht nur hoch-inferent, sondern waren in mehreren Fällen auch nicht beobachtbar 30 . 241 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="241"?> Trotz dieser Herausforderung fallen die Reliabilitätswerte beider ICCs über den gesetzten Richtwerten im zufriedenstellenden Bereich aus und die nachfol‐ genden Ergebnisse können als zuverlässig betrachtet werden: Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Listening Gültig: 228 0.82 0.69 Ausgeschlossen: 8 (nicht beobachtbar) Total: 236 Tabelle 20: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Listening’ Es sollte jedoch nicht nur in Erfahrung gebracht werden, ob die case pupils aufmerksam zuhörten oder nicht, sondern Ziel war es ebenfalls anhand ihres Verhaltens «unterschiedliche Facetten der Aufmerksamkeit» (Helmke & Renkl 1992, S. 132) zu erfassen. Basierend auf differenzierten Beobachtungen ihres Verhaltens sollten schliesslich Rückschlüsse auf die Qualität des Hörverstehens der case pupils gezogen werden. Der nachfolgende Ausschnitt aus dem Ka‐ tegoriensystem verdeutlicht, anhand welcher beobachtbaren Indikatoren die mentalen Hörverstehens-Prozesse der case pupils eingeschätzt wurden. Die Qualitätsstufe ++ lässt sich aufgrund einer deutlichen Reaktion auf das Gehörte in den meisten Situationen klar zuweisen. Anders verhält es sich mit den anderen Qualitätscodes, bei denen nicht immer eine unmittelbare eindeutige Handlung folgen muss. Die Videosequenzen mussten oftmals mehrere Male aufmerksam betrachtet werden, da manchmal erst nachfolgende Arbeitsschritte Rückschlüsse auf die Hörleistung ergaben. Listening (Code LI) Lernende können kurzen Gesprächen oder Instruktionen folgen, die mit Gesten oder Bildern unterstützt werden. Sie können einfache Fragen verstehen und Hörtexten die wichtigsten Informationen entnehmen. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil ist aufmerksam und re‐ agiert auf das Ge‐ hörte, folgt dem Un‐ terrichtsablauf, zeigt Verständnis auf of‐ fensichtliche Art, indem er mindes‐ tens einmal das Fol‐ Der case pupil ist (mehrheitlich) auf‐ merksam und folgt dem Unterrichts‐ verlauf (mehrheit‐ lich), zeigt Ver‐ ständnis aber nicht auf offensichtliche Art. Er scheint das Gesagte zu ver‐ Der case pupil ist teilweise auf‐ merksam und folgt dem Unterrichts‐ verlauf teilweise, zeigt Verständnis aber nicht auf of‐ fensichtliche Art. Er antwortet (teils) inkorrekt oder Der case pupil zeigt keine Anzeichen von Zuhören, ist unaufmerksam und reagiert nicht auf das Gehörte (z. B. ist abgelenkt oder schaut abwesend drein). 242 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="242"?> 31 Die acht vermerkten ‘non-observable’ Codings bei der Reliabilitätsprüfung setzen sich aus drei von der Erstcodiererin und fünf von der Zweitcodiererin zusammen. Da die Einschätzungen der Erstcodiererin die Datengrundlage für die weitere Ergebnispräsen‐ tation bilden, sind nur drei Codings zu ‘not observable’ angegeben. gende macht: streckt, nickt, bejaht / ver‐ neint etwas oder jeg‐ liche andere Reak‐ tion passend zum Gehörten zeigt. Er antwortet korrekt oder scheint das Ge‐ sagte zu verstehen, weil er die Instruk‐ tionen prompt aus‐ führen kann. stehen, weil er die Instruktionen (prompt) aus‐ führen kann. Seine Aufmerk‐ samkeit ist auf die Inputquelle ge‐ richtet. scheint das Ge‐ sagte nur teils zu verstehen, weil er die Instruktionen nur zögerlich aus‐ führen kann. Seine Aufmerksamkeit ist mehrheitlich auf die Inputquelle gerichtet. Er antwortet inkor‐ rekt oder scheint das Gesagte nicht zu verstehen, weil er die Instruktionen nicht selbstständig ausführen kann. Seine Aufmerksam‐ keit ist nicht auf die Inputquelle ge‐ richtet. Spezialfall: Not observable Falls der case pupil nicht im Video zu sehen ist oder die Qualität des Hörens nicht beobachtbar ist, wird dieser Code gesetzt Tabelle 21: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code ‘Listening’ Gemäss Ausführungen im Codierleitfaden wird der Code ‘Listening’ in folgenden Situationen gesetzt: «Die Schüler*innen hören den Anweisungen oder gespro‐ chenen Informationen durch die Lehrperson zu oder hören sich einen anderen Audio-Input (Film, Geschichte, …) an. Hierhin gehören auch Phasen, in denen sie anderen Interaktionen zwischen Schüler*innen und Lehrperson lauschen, die vor der ganzen Klasse stattfinden, z. B. wenn ein Lernender eine Frage stellt oder ein Lernender eine Frage der Lehrperson beantwortet.» (siehe Anhang G) Die untenstehende Übersicht verdeutlich die Anzahl der Codings im Be‐ reich ‘Listening’ aufgeteilt auf die drei Leistungsgruppen. LI ++ LI + LI - LI -- Not obs Total Lernschwache 12 25 33 7 2 79 Durchschnittliche 31 35 5 1 1 73 Lernstarke 47 32 3 2 0 84 Total 90 92 41 10 3 31 236 Tabelle 22: Häufigkeiten der Codings ‘Listening’ nach Qualitätsstufe und Leistungs‐ gruppe 243 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="243"?> In Bezug auf die Gesamtanzahl der Hörhandlungen lassen sich nur kleine Unterschiede in der von den drei Leistungsgruppen getätigten Anzahl an Höraktivitäten feststellen. 94 % der Höraktivitäten der lernstarken case pupils liegen im positiven Bereich (LI ++ / +). Drei Hörsituationen wurden mit einem knapp genügenden Code (LI -) versehen, zwei weitere liegen im ungenügenden Bereich. Auch bei den durchschnittlichen case pupils befinden sich über 90 % der Hörhandlungen im positiven Bereich (LI + / ++). Fünf zeugten von knapp ge‐ nügender Qualität (LI -), eine weitere wurde als ungenügenden (LI--) bewertet. Bei den lernschwachen case pupils ist die Qualität des Hörens etwas variierter. Knapp die Hälfte der Hörhandlungen (47 %) wurden als positiv (LI ++ / +) bewertet, rund 42 % wurden als knapp ausreichend (LI -) und 9 % als ungenügend (LI --) eingeschätzt. Überprüft man diese Werte mit dem Chi-Quadrat-Test zeigt sich, dass zwi‐ schen den lernstarken und mittelstarken case pupils gegenüber der Gruppe der lernschwachen signifikante Unterschiede bestehen (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 163) = 51.30, p < 0.001) respektive (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 150) = 59.38, p < 0.001). Hingegen weist der Signifikanzwert mit p = 0.34 darauf hin, dass zwischen den mittelstarken und lernstarken case pupils keine signifikanten Unterschiede auszumachen sind (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 157) = 4.50, p = 0.34). Erneut lässt dies vermuten, dass die die lernstarken und durchschnittlichen case pupils die Höraktivitäten in vergleichbaren Mass nutzten und zu ähnlicher Qualität ausführten. Die Gruppe der lernschwachen case pupils unterscheidet sich statistisch betrachtet in Bezug auf die Nutzung und Qualität ihrer Höraktivitäten signifikant von den anderen Lernenden. Mit Blick auf die zuvor präsentierten anzahlmässig tieferen Sprechanteile der lernschwachen case pupils, wäre zu erwarten, dass diese hier im Bereich Hören - demnach bei den stillen, rezeptiven Handlungen - anzahlmässig in Führung liegen würden. Die Werte oben bestätigen diese Annahme jedoch nicht. Dieser Sachverhält lässt sich mit Blick in den Codierleitfaden folgender‐ massen erklären: Die Ratings beruhen auf Ereigniscodes (event sampling), das heisst die Werte geben ausschliesslich Auskunft über die Anzahl der ausge‐ führten Höraktivitäten. Die lernschwachen case pupils kamen während dem CLIL-Unterricht in 79 Situationen dem Hören nach. Aufgrund ihrer geringeren Sprechanteile müssten bei ihnen die rezeptiven im Vergleich zu den produktiven Lernhandlungen automatisch mehr Platz einnehmen als zum Beispiel bei den lernstarken case pupils, die ihre Phasen des Zuhörens öfters mit Sprechhandlung unterbrachen. Bei der Ereigniscodierung gilt jedoch, dass jeder Unterbruch und die nachfolgende Wiederaufnahme der Lernhandlung ein weiterer Coding ge‐ 244 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="244"?> neriert. Somit gilt, je mehr die Lernenden zwischen produktiven und rezeptiven Sprachlernhandlungen wechselten, desto mehr Codings summierten sich in jeder Kategorie. Die lernstarken und durchschnittlichen case pupils holten des‐ halb die lernschwächeren case pupils aufgrund ihrer häufigeren Code-Wechsel anzahlmässig mit Codings im Bereich Hören ein. Die durchschnittlichen case pupils wiesen anzahlmässig am wenigsten Hörsequenzen aus. Das lässt sich damit begründen, dass sie sich im Gegensatz zu den lernstarken case pupils weniger oft mündlich einbrachten, aber doch häufiger Lernsituationen zum Sprechen nutzen als ihre lernschwachen Mitschüler*innen, die in diesen Situa‐ tionen nur zuhörten. Die lernschwachen case pupils hörten im CLIL-Unterricht jedoch insgesamt mehr, das heisst über längere Zeit, zu. Dies drückt sich aber nicht in der Anzahl Codings aus. Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen hier erklärten Sachverhalt. Musterdatei NarrVerlag_Lehrbuch_2021v1.dotm 01 L: And then you will get such a big paper. (zeigt A3 Papier) On this paper you can try out to find out a lot of different shades of your colour green, for example. How can you do that? How can you find other shades? 02 H3: Ehm, draw with green a little bit on the paper and then ehm with another colour über it. (lacht) 03 L: Use just another colour? 04 H3: Yes. 05 L: Mix it up, yes. So, mix green with for example yellow. And with the colour / eh water mix it up because it is Neocolor II or crayon II, it’s not water-resistant, wasserfest. That’s good, yes. S? 06 S: And in the box are not light green, then you can mix green and white and then you get another green. (…) (Erarbeitungsaufgabe Klasse H, Zeilen 01-06) 01 06 02 03 04 05 Während der lernstarke case pupil (H3) auf die Frage der Lehrperson einging und somit diese Lerngelegenheit auch für eine Sprechhandlung nutzte, hörten die anderen beiden case pupils zu. Für sie beide wurde diese Situation als eine durchgehende Höraktivität mit einem Code ‘Listening’ kategorisiert. Das lernstarke Kind erhielt hingegen für dieselbe Situation drei Codes: zwei für die 245 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="245"?> Kategorie ‘Listening’ (schwarze Klammern) und einen in der Kategorie ‘Spea‐ king Dialogue’ (graue Klammer). Eine reine quantitative Betrachtung der Anzahl Codings im Bereich Hören gibt somit lediglich Auskunft über die Anzahl der genutzten Höraktivitäten und dessen Qualität bezüglich des Hörverständnisses, nicht aber über die Länge der Hörhandlungen. Dies stellt somit einen Unterschied zu den produktiven Kom‐ petenzen dar, bei denen die Qualität des Sprechens auch anhand der Dauer und des Umfangs der Redehandlung (sustained speech) mitberücksichtigt wurde. Erst eine zusätzliche qualitative Betrachtung der mit ‘Listening’ codierten Sequenzen zeigt, dass die lernschwachen case pupils während längeren, ausgedehnteren Sequenzen dem Hören nachgehen als die anderen beiden Leistungsgruppen. Der Grossteil ihrer Höraktivitäten befand sich im genügenden bis guten Bereich. Während die Höraktivitäten der lernstarken und durchschnittlichen case pupils tendenziell etwas kürzer ausfielen und im grossmehrheitlich guten bis sehr guten Bereich lagen. Nachdem nun die Ergebnisse in Bezug auf die Nutzung der CLIL-Lernange‐ bote für das Fach Englisch präsentiert wurden, werden im Folgenden jene mit Bezug zum Fach BG vorgestellt. 6.4.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote für das Fach BG Wie bereits im Kapitel 3.5.2 aufgezeigt (vgl. Abbildung 10), besteht der Lehrplan 21 im Fach BG aus drei Kompetenzbereichen: ‘Wahrnehmung und Kommuni‐ kation’, ‘Prozesse und Produkte’ und schliesslich ‘Kontexte und Orientierung’ (D-EDK 2014, Bildnerisches Gestalten). Diese drei Bereiche mitsamt den Kom‐ petenzbeschreibungen bilden somit auch das Gerüst des Kategoriensystems für die Nutzung der CLIL-Angebote im Fach BG. Die Ergebnisse dazu werden nachfolgend der Reihe nach aufgezeigt. Wahrnehmung & Kommunikation Der Code ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, wie sein Name vermuten lässt, bezieht sich auf den inhaltlichen Gehalt einer Sprechhandlung und gibt Aus‐ kunft darüber, in welcher Qualität die Lernenden die BG-Inhalte wahrnehmen und darüber kommunizieren können. Hinsichtlich der Reliabilitätsprüfung sind folgende Werte zu verzeichnen: 246 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="246"?> Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Wahrnehmung und Kommuni‐ kation Gültig: 156 0.73 0.57 Ausgeschlossen: 3 (fehlende Ratings) Total: 159 Tabelle 23: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Wahrnehmung und Kommunikation’ In Bezug auf die relativen Einschätzungen liegen die Werte im zufriedenstel‐ lenden Bereich, die absoluten Übereinstimmungen ausgedrückt durch den ICC unjust bei diesem hoch-inferenten Rating sind hingegen deutlich tiefer. Die Erklärung für diesen tiefen Reliabilitätskoeffizienten lässt sich mit Blick in die Daten finden: Wiederum bestand zwischen den Codiererinnen bei den Qualitätsstufen + und ++ Uneinigkeit bei rund 25 Fällen. Der Einblick in das Kategoriensystem (vgl. Tabelle 24) verdeutlicht, dass diese Unterscheidung bei diesen benachbarten Codes nicht einfach vorzunehmen war. Da die relativen Werte ICC just als zufriedenstellend bezeichnet werden können und somit an‐ genommen werden kann, dass die beiden Codiererinnen bei diesen beiden schwierig zu unterscheidenden Codes in die gleich positive Richtung tendierten, kann insgesamt von einer zuverlässigen Einschätzung ausgegangen werden. Die Qualitätsabstufungen sind im Kategoriensystem folgendermassen be‐ schrieben: Wahrnehmung & Kommunikation (Code WK) Lernende arbeiten an ihrer Vorstellung (visual literacy), indem sie Bilder wahrnehmen, beobachten, beschreiben, evaluieren und darüber reflektieren. Sie dokumentieren und präsentieren Prozesse und Produkte. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil bringt eine relativ breite Palette an (neuen) Informa‐ tionen ein, die sprachlich und in‐ haltlich relativ un‐ vorhergesehen, nicht zu erwarten sind. Der Inhalt der Aussage ist korrekt. Der case pupil bringt (teilweise neue) Informa‐ tionen ein, die sprachlich und in‐ haltlich recht vor‐ hergesehen, meist zu erwarten sind. Der Inhalt der Aus‐ sage ist korrekt. Der case pupil bringt eine limi‐ tierte Palette an In‐ formationen ein oder ergänzt das be‐ reits Gesagte mit keinen neuen Infor‐ mationen, sprach‐ lich und inhaltlich sind diese vorher‐ gesehen und zu er‐ warten. Der Inhalt der Aussage ist (teilweise) korrekt. Der case pupil bringt sprachlich und inhaltlich keine neuen Informa‐ tionen ein. Der Inhalt der Aus‐ sage ist inkorrekt oder unlogisch. 247 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="247"?> Spezialfall: Not observable Falls kein Lernen hinsichtlich dieses Codes beobachtbar ist, wird dieser Code gesetzt. Tabelle 24: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code ‘Wahrnehmung und Kom‐ munikation’ Im Codierleitfaden wird die Handhabung dieses Codes folgendermassen de‐ finiert: «Falls inhaltlich passend und vorkommend, erhält jeder ‘Speaking Dialogue’ (SD) oder ‘Speaking Monologue’ (SM) in den CLIL-Sequenzen einen ‘Wahrnehmung & Kommunikation’-Code (WK). Diese BG Qualitätscodes werden zeitglich mit den SD / SM Codes gesetzt.» (siehe Anhang G) Der WK-Code bezieht sich auf den inhaltlichen Gehalt der Aussagen, zum Beispiel, wenn der case pupil über ein Bild oder etwas Gezeichnetes spricht und dabei seine Wahrnehmungen kommuniziert. Somit passt dieser für das Fach BG relevante Code nicht bei allen Sprechhandlungen, denn nicht alle Interaktionen haben zwingend eine für diesen Code relevante inhaltliche Komponente. Um den Codierprozess zu erleichtern, wurde deshalb ein Code namens ‘WK not observable’ kreiert, um diese nicht einschätzbaren Sprech‐ handlungen trotzdem zu erfassen. Typische Aussagen, die mit diesem Code versehen wurden, waren organisatorische Sprechhandlungen: «Miss L, I don’t can find my ‘Schere’.» oder wenn während dem stillen Zeichnen über etwas gesprochen wurde, das inhaltlich nicht direkt mit den Bildern oder Produkten im Zusammenhang stand: «The colour is in the water.» Nach Definition im Codier‐ leitfaden gehören diese Aussagen zwar in diese Code-Kategorie, jedoch lassen sie hinsichtlich ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ keine Aussage zu. Schätzte mindestens eine Codiererin eine Sprechhandlung mit diesem Code ‘WK not observable’ ein, so wurde diese Textstelle aus dem Datensatz entfernt und von allen nachfolgenden Analysen ausgeschlossen. Der Ausschluss dieser 19 Codings aus dem Datensatz lässt sich damit begründen, dass die Fremdsprache im CLIL-Unterricht verschiedene Funktionen einnimmt. Sprechhandlungen, selbst in Phasen bezeichnet mit dem Basiscode ‘CLIL’ beinhalten immer auch alltagssprachliche Kommunikation. Solche Aussagen sind in diesem Kontext funktional wertvoll, aber inhaltlich für die Kompetenzeinschätzung im Fach BG irrelevant. Vollständigkeitshalber wurde die Anzahl der Codings mit ‘not observable’ trotzdem in die nachfolgende Übersicht integriert, doch wie soeben erwähnt aus allen Analysen ausgeschlossen. Aufgeteilt auf die drei Leistungsgruppen wurden die restlichen gültigen Codes folgendermassen vergeben: 248 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="248"?> WK ++ WK + WK - WK -- Not obs Total Lernschwache 3 26 7 2 2 40 Durchschnittliche 17 19 1 0 11 48 Lernstarke 35 25 1 1 6 68 Total 55 70 9 3 19 156 Tabelle 25: Häufigkeiten der Codings ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ nach Quali‐ tätsstufe und Leistungsgruppe Beim Betrachten dieser Werte fällt auf, dass den lernstarken case pupils mit der Anzahl 62 deutlich am meisten Codings zugeteilt wurden. Dies war zu erwarten, wenn in Erinnerung gerufen wird, dass diese inhaltlichen Codes mit jenen von ‘Speaking Dialogue’ und ‘Speaking Monologue’ korrelieren. Bis auf zwei Ausnahmen zeugten die Aussagen der lernstarken case pupils von inhaltlich sehr guter bis guter Qualität (WK ++ / +). Die Anzahl der Codings ist bei den mittelstarken case pupils deutlich geringer als bei ihren lernstarken Mitschüler*innen, jedoch gelang es auch ihnen, bis auf eine Ausnahme, ihre Wahrnehmung kompetent zu äussern (WK ++ / +). Zur Erklärung: Die tiefe Anzahl bei den mittelstarken case pupils hat mit dem Aus‐ schluss der verhältnismässig vielen Codings (n = 11) mit der Bezeichnung ‘non observable’ zu tun. Bei den lernschwachen case pupils liegen 76 % dieser inhaltlichen Codings im (sehr) guten Bereich (WK ++ / +). 18 % der Codings liegt im knapp genügenden Bereich (WK -) und 5 % ungenügenden Bereich (WK --). Insgesamt konnten die lernschwachen case pupils aufgrund ihrer geringeren Anzahl an englischen Sprechhandlungen auch für das Fach BG weniger Lerngelegenheiten wahr‐ nehmen. Die fremdsprachlichen und inhaltlichen Kompetenzen korrelieren bei dieser Betrachtungsweise stark. Eine andere Betrachtungsweise wurde aus diesem Grund favorisiert. Nämlich jene, bei der auch die kurzen Aussagen auf Englisch, welche aufgrund ihrer Länge nicht als ‘Speaking Monologue’ oder ‘Speaking Dialogue’ codiert wurden, sowie Sprechhandlungen ganz auf Deutsch (Code ‘German only’) auf ihren inhaltlichen Gehalt für das Fach BG geratet werden. Nimmt man solche Sprech‐ handlungen dazu, kommen folgende Anzahl Codings bei den verschiedenen 249 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="249"?> 32 Im Codierleitfaden war es vorgesehen, diese WK Codes - sofern passend - bei allen Sprechhandlungen, somit auch bei kurzen Aussagen auf Englisch oder jenen ganz auf Deutsch, zu codieren (siehe Anhang G). Doch dies ging beim offiziellen Codierprozess vergessen. Dies wahrscheinlich deshalb, weil dieser Sonderfall im Codierleitfaden nur in einem Nebensatz erwähnt wurde und beim Training wahrscheinlich zu wenig oder gar nie vorkam. Da diese zusätzliche Codierung erst nach Abschluss der offiziellen Codierphase vorgenommen wurden, wurde dieses zusätzliche Rating zu ‘Wahrneh‐ mung & Kommunikation’ nur von der Erstcodiererin vorgenommen. Um trotzdem die Reliabilität zu gewährleisten, wurden die neu codierten Stellen nach drei Wochen erneut codiert. Leistungsgruppen bei den gültigen Codes der Kategorie ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ dazu. 32 WK ++ WK + WK - WK -- Total Lernschwache 3 + 5 26 + 13 7 + 3 2 59 Durchschnittliche 17 + 11 19 + 14 1 + 1 0 63 Lernstarke 35 + 19 25 + 5 1 1 86 Total 90 102 13 3 208 Tabelle 26: Häufigkeiten der Codings ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ in Betrachtung aller Redebeiträge Bei dieser Betrachtungsweise, bei der man auch die kurzen Redebeiträge auf Englisch oder jene auf Deutsch für die Beurteilung des inhaltlichen Gehalts mitberücksichtigt, erhalten alle drei Leistungsgruppen mehr als 20 Codings dazu. Die allermeisten zusätzlich codierten Redebeiträge zeugen von (sehr) gutem inhaltlichen Gehalt. Die Verhältnisse der Verteilung der Qualitätcodes verändert sich bei dieser Betrachtungsweise nicht grundlegend. Da sich die lernschwachen case pupils insgesamt am wenigsten mündlich - ungeachtet der Sprache - im Unterricht einbrachten, weisen sie auch bei dieser Betrachtungsweise am wenigsten Codings aus. Neu sind es knapp 80 % der Aussagen der lernschwachen case pupils, die positiv beurteilt wurden (WK ++ / +). Entsprechend 20 % der Aussagen sind neu mit den Codes WK - / -bewertet. Bei den durchschnittlichen und lernstarken case pupils liegt die Verteilung der Qualitätscodes gleich wie bei der ursprünglichen Betrachtungsweise. Werden diese Werte inklusive den Codings, bei der die Lernenden ungeachtet ihrer fremdsprachlichen Kompetenz die Bild- oder Farbwahrnehmungen kom‐ munizieren konnten, statistisch ausgewertet, dann ergeben sich erneut folgende 250 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="250"?> Aussagen: Zwischen der Gruppe der lernstarken gegenüber der Gruppe der lernschwachen case pupils gibt es erneut signifikante Unterschiede (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 145) = 39.34, p < 0.001). Die gleiche Aussage trifft für den Vergleich der mittelstarken Gruppe gegenüber der Gruppe der lernschwachen case pupils zu (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 122) = 18.83, p < 0.001). Die Gruppen der lernstarken und mittleren case pupils unterscheiden sich hingegen nicht signifikant (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 149) = 6.32, p = 0.10). Ein weiteres Mal stützt der Chi-Quadrat-Test die Annahme, dass die Gruppe der lernstarken und mittelstarken case pupils in Bezug auf den Code ‘Wahrnehmung & Kom‐ munikation’ Aussagen mit ähnlichem inhaltlichem Gehalt machen konnten. Der inhaltliche Gehalt der Redebeiträge der lernschwachen case pupils hingegen war im Verhältnis zu den anderen beiden Leistungsgruppen von tieferer Qualität. Die nachfolgenden Beispiele aus dem Datenmaterial verdeutlichen die hier nummerisch präsentierten Ereignisse aus qualitativer Perspektive. Anschlies‐ send wird eine Bildbetrachtung der case pupils der 4. Klasse begleitet von einer Lehrperson (L) vorgestellt, die sich über das Bild eines anderen Lernenden (S) unterhielten. 860 L: And then the last artist today. Another young talented artist: S! (S legt sein Bild hin) 861 D3: Ah cool! (betrachtet das Bild) 862 L: You can just speak. 863 D2: I can see colours. / D3: I like… (beide beginnen gleichzeitig) 864 L: Oh wait quickly. Start first, yah. D2! 865 D2: I can see colours and a banana. 866 L: A banana? A black banana. 867 D3: Yeah! (C2/ C3 lachen) (…) I can see a rotten banana. And I can see a person. Like this is the head, the mouth, (…) eyes, ehm and the, clothes. The pants and the (zeigt auf Pulli) this one. 869 L: T-shirt? Or the sweater? 870 D3: Yah, the sweater. 871 L: Okay, cool! 872 D2: I can see the line on the sunny. 873 L: Around the sun, maybe? 874 D2: Yes. 875 L: You mean the red lines? 876 D2: This here. 877 L: Ah yes! 878 D3: This looks like a crazy, yes, sun. 879 D1: I like this very blue / this very cool (blue). 880 L: Very cool blue, yah. It’s bit like ‚Lake Lungern‘, no? 251 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="251"?> 881 D2: Yes. / D1: (nickt) 882 L: A little bit. 883 D2: A little bit darker. 884 L: Yeah. 885 D3: Darker. Darker. (spricht ‘darker’ mit einem britischen Akzent aus, lacht) Okay. 886 L: Nothing else? (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeilen 860-887) Die Einschätzungen zu ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ sind für den mittel- und lernstarken durchschnittlichen case pupil identisch (WK ++). Beiden gelang es, ihre inhaltlichen Wahrnehmungen zum Bild treffend, wenn auch in unter‐ schiedlicher sprachlicher Qualität, kundzutun. Sie machten dabei originelle Aussagen und aussergewöhnliche Assoziationen zu den Bildinhalten (sichelför‐ mige schwarze Form sieht wie eine Banane aus) und beschrieben die Farben treffend («A little bit darker.»). Die einzige Aussage des lernschwachen case pupil liegt auch im positiven Bereich (SD+). Seine Wahrnehmung des speziellen Blaus auf Zeile 879 war gut und treffend platziert. Doch aus inhaltlicher Sicht konnte er mit diesem einzigen Redebeitrag nur in beschränkter Weise seine Bildwahrnehmung kom‐ munizieren. Das Beispiel hier lässt vermuten, dass beim lernschwachen case pupil die inhaltliche Qualität der Sprechhandlungen von seinen limitierten Fremdsprachenkenntnissen mitbeeinflusst wurde. Lässt man die Fremdsprachenkenntnisse unberücksichtigt, gibt es auch bei den lernschwachen case pupils durchaus gelungene inhaltliche Sprechhand‐ lungen. Nachfolgend ein Beispiel aus der 5. Klasse, bei dem der lernschwache case pupil (E1) demonstrierte, dass er seine Farbwahrnehmung unbeeinflusst seiner fremdsprachlichen Kenntnisse bei den vorbeigehenden Lehrpersonen (L) erfragen und so schliesslich die äusserst treffend Farbassoziation auf Englisch mitteilen konnte (WK ++). 225 L: Do you have your names? 226 E1: Yes. / E2: No. / E3: No. 227 L: Not all of it? 228 L 2 : E1 is ready. 229 E1: Militär? 230 L: Military. (nickt) Military green. Yah, that’s a good idea. (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeilen 225-230) Ein weiteres gelungenes Beispiel (WK ++) stammt aus der 5. Klasse des mittel‐ starkem case pupil (H2), der bei der Kurzpräsentation seiner neu entwickelten 252 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="252"?> Farbkarten sich inhaltlich äusserst passend mitteilen konnte. Das folgende Beispiel illustriert, dass sich der case pupil an ein Lernwort (candyfloss) aus der 4. Klasse zurückerinnerte und es treffend benutzen konnte, um seinen neu kreierten Farbton mit dem Blau einer Zuckerwatte vergleichend zu beschreiben. H2: Okay. Ehm. This colour has the name ‘Candyfloss’. Ehm I used the colours blue and purple and mixed it with water. (Erarbeitungsaufgabe Klasse C, Zeile 281) In der gleichen Vorstellungsrunde gelang auch dem lernstarken case pupil der 6. Klasse (H3) eine sehr differenzierte Farbbeschreibung (WK ++). C3: Ehm, this colour’s name is ‘Water’ because it looks like water in the lake, when there are no sea grass and ‘Schlamm’. Uahh! (verzieht das Gesicht) I mixed it with blue, yellow, pink, purple and water. (Erarbeitungsaufgabe Klasse C, Zeile 293) Inhaltich ist bei dieser Aussage interessant, dass der Lernende hier inhaltlich selbst Nuancen der Farbwahrnehmung mitteilte. Dem case pupil gelang es mit dieser Aussage aufzuzeigen, dass der kreierte Farbton Blau nur an ganz bestimmten Stellen zum Seewasser passt, nämlich nur dort, wo es kein Seegras und Schlamm gibt. Die wechselseitige Beziehung von Sprache und Inhalt ganz allgemein, aber im Besonderen für den Fachbereich BG, wurde mit diesen Beispielen unterstrichen. Dies erklärt auch die ähnlichen Ergebnisse bei diesem Code und jenen der produktiven Sprachlernkompetenzen (‘Speaking Dialogue’ und ‘Speaking Mono‐ logue’). Wie es mit den Ergebnissen bei jenen Codes aussieht, wenn Sprache keinen direkten Einfluss auf die BG-Inhalte hat, wird im nächsten Abschnitt dargestellt. Prozesse & Produkte Bei diesem Code stehen nun die bildnerischen Prozesse und Produkte im Fokus. In dem Sinne wird für einmal die Fremdsprache ausgeklammert und die Bildsprache rückt stattdessen an ihren Platz. Im Rahmen der zwei im Detail analysierten Lernaufgaben gab es für die beiden Codiererinnen vorgängig klar definierte Stellen, an welchen diese bildnerischen Prozesse und Produkte beur‐ teilt wurden. Daher sind diese Ratings nicht im Sinne von Ereignisphasen-Codes zu betrachten, sondern als einmalige Beurteilungsmomente in der Mitte oder am Ende des jeweiligen Lernprozesses. Dies erklärt auch die geringe Anzahl von Codings (N=36): Bei der Erarbeitungsaufgabe, welche aus zwei Teilaufgaben besteht, wurde je einen Code für die Fertigstellung der Farbkarten und die 253 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="253"?> 33 Bei der Einschätzung der Namensgebung der Farben ging es nicht um die fremdsprach‐ liche Qualität dieser Namen, sondern um die Originalität, die Passung der Namen zur Farbe und die selbstständige Ideenfindung. Auch wenn die fremdsprachlichen Kennt‐ Namensgebung 33 vergeben; bei der finalen Syntheseaufgabe wurde ein Code in der Mitte des Bildentstehungsprozesses (in der Regel nach der 2. Doppelstunde) und einer am Ende für das fertige Bild (nach der 3. Doppelstunde) gesetzt. Die zufriedenstellenden Werte zur Reliabilitätsprüfung der beiden Codiere‐ rinnen sind in folgender Übersicht zusammengefasst. Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Prozesse & Produkte Total: 36 0.89 0.81 Tabelle 27: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Prozesse & Produkte’ Ein Blick in die Daten verdeutlicht, dass erneut die benachbarten Einschät‐ zungen zwischen der guten und sehr guten (PP ++ / +) und ebenfalls zwischen der guten und knapp genügenden (PP +/ -) Qualitätsstufe bei fünf, respektive drei Fällen zu Unstimmigkeiten führten. Auch wenn beide Codiererinnen es also eine grosse Herausforderung betrachteten die Bildprozesse und -produkte möglichst objektiv zu beurteilen, so können die erzielten Reliabilitätswerte insgesamt als Indiz für eine zuverlässige Einschätzung gelten. Der nachfolgende Ausschnitt gibt Einblicke in das Kategoriensystem. Prozesse & Produkte (Code PP) Lernende entwickeln und realisieren ihre persönlichen Ideen und Prozesse, um ein visuelles, künstlerisches Produkt zu erhalten. Sie experimentieren mit Materialien und Werkzeugen und verwenden diese. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil setzt äusserst kreative Ideen um, um ein Produkt von guter bis sehr guter Qualität mit einem Auge fürs Details zu erhalten. d. h. er kann die Lern‐ ziele als auch die Kri‐ terien mitgeteilt von Der case pupil setzt kreative Ideen um, um ein Produkt von guter bis sehr guter Qualität zu erhalten d. h. er kann die Lern‐ ziele als auch die Kriterien mitge‐ teilt von der Lehr‐ Der case pupil setzt wenig kreative Ideen (z. B. lehnt sich an Vorgaben oder an Beispiele von der Lehrperson) um ein Produkt von durch‐ schnittlicher bis guter Qualität zu er‐ halten d. h. er kann die Lernziele als auch Der case pupil setzt Ideen ohne Kreativität um, um ein Produkt von tiefer bis durchschnittli‐ cher Qualität zu erhalten d. h. er kann die Lern‐ ziele als auch die Kriterien mitge‐ 254 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="254"?> nisse nie ganz ausgeklammert werden können, wurde eine möglichst unabhängige Betrachtungsweise bei der Vergebung dieses Codes so gut wie möglich angestrebt. der Lehrperson voll‐ ständig umsetzen. person mehrheit‐ lich umsetzen. die Kriterien mitge‐ teilt von der Lehr‐ person nur teilweise umsetzen. teilt von der Lehr‐ person nur teil‐ weise umsetzen. Tabelle 28: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code ‘Prozesse und Produkte’ Um sich die Bedeutung der hier beschriebenen Qualitätsstufen besser vorstellen und das Rating insgesamt einfacher nachvollziehen zu können, wird dies nachfolgend anhand eines bildnerischen Produkts resultierend aus der Synthe‐ seaufgabe illustriert (vgl. Abbildung 35). Die Beurteilung des Codes ‘Prozesse & Produkte’ orientiert sich immer entlang den relevanten BG spezifischen Lernziele. Die Lernziele für diese Lernaufgabe sind deshalb untenstehend nochmals aufgelistet. Basierend auf diesen Lernzielen wurde das nachfolgend abgebildete Produkt des mittelstarken case pupil aus der 4. Klasse mit dem Code PP++ beurteilt. folgend abgebildete Produkt des mittelstarken case pupil aus der 4. Klasse mit dem Code PP++ beurteilt. Abbildung 1: Bildbeispiel der Syntheseaufgabe ‘New colours and jobs for the crayons’ Abbildung 2: Beispiele der Erarbeitungsaufgabe ‘New colours and jobs for the crayons’ Die S gestalten ein ungegenständliches Fantasiebild, das die Crayons glücklich macht. Sie integrieren die von Kandinsky inspirierte Farb- und Formenpalette gut. Die S mischen vielfältige neue Farbtöne mit Neocolor II mit und ohne Wasser. Ihr erfindet mit Neocolor neue Farbtöne und gebt diesen Farben passende Namen. Abbildung 35: Bildbeispiel der Syntheseaufgabe 'New colours and jobs for the crayons' Die Ergebnisse aller case pupils aufgeteilt auf die drei Leistungsgruppen sind in folgender Übersicht zusammengefasst. 255 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="255"?> PP ++ PP + PP - PP -- Total Lernschwache 2 5 5 0 12 Durchschnittliche 2 7 3 0 12 Lernstarke 5 7 0 0 12 Total 9 19 8 0 36 Tabelle 29: Häufigkeiten der Codings ‘Prozesse und Produkte’ nach Qualitätsstufe und Leistungsgruppe Die bildnerischen Prozesse und Produkte der lernstarken case pupils wurden alle ausnahmslos im (sehr) guten Bereich (PP ++ / +) beurteilt. Sie heben sich damit auf den ersten Blick leicht von den Beurteilungen der durchschnittlichen und noch etwas mehr von den lernschwachen case pupils ab. Die bildnerischen Arbeiten der durchschnittlichen und lernschwachen case pupils wurden in der Mehrheit auch im positiven Bereich (PP ++ / +) eingeschätzt, jedoch verzeich‐ neten diese auch drei respektive fünf Einschätzungen im knapp genügenden Bereich (PP -). Kein einziger bildnerischer Prozess oder finales Produkt erhielt den unzureichenden Code PP --. Die Anzahl der Fälle liegt knapp über dem zulässigen Richtwert für die Durchführung eines Chi-Quadrat-Tests, weshalb eine solche statistische Ana‐ lyse durchgeführt wurde. Die lernstarken case pupils unterscheiden sich von den lernschwachen Kindern signifikant (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 24) = 6.619, p = 0.04). Die weiteren Berechnungen zeigen, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den benachbarten Gruppen der schwachen und mittelstarken (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 24) = 0.833, p = 0.66), als auch mittelstarken und lernstarken case pupils (p < 0.05; Chi-Quadrat (1, n = 24) = 4.29, p = 0.12) vorliegen. Auch wenn diese Berechnungen aufgrund der kleinen Stichprobenzahl mit Vorsicht interpretiert werden müssen, weisen diese Resultate darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen den Englischkenntnissen der lernstarken sowie der lernschwachen case pupils und der Qualitätseinschätzungen der bildneri‐ schen Prozesse und Produkte besteht. Ebenfalls verdeutlichen die Ergebnisse des Signifikanztests, dass die drei Leistungsgruppen bei der Betrachtung ihrer bildnerischen Prozesse und Produkte insgesamt näher beisammen liegen, als das bei allen anderen bisher vorgestellten Codes der Fall war. Dies ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass der Signifikanztest Unterschiede nur zwischen den sich in der Leistungsstärke am extremsten unterscheidenden case pupils ausmachen konnte. Folglich ist davon auszugehen, dass die Unterschiede zwi‐ schen den eingeschätzten bildnerischen Prozessen sowie Produkte und den Leis‐ 256 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="256"?> tungsgruppen der case pupils weniger ausgeprägt sind, als das bislang bei den anderen Codes festgestellt werden konnte. Diese Annahme verdeutlicht auch die obige Übersicht der Verteilung der Qualitätscodes nach Leistungsgruppe (vgl. Tabelle 29). Bei Betrachtung der Ergebnisse aus der qualitativen Perspektive kann diese weniger deutlich erkennbare Wechselwirkung zwischen den Englischkennt‐ nissen der case pupils und der Qualität der bildnerischen Ergebnisse ebenfalls festgestellt werden. Die nachfolgende Abbildung 36 zeigt das Lernziel der Erar‐ beitungsaufgabe und je eine gestaltete Farbkarte eines lernschwachen (links), mittelstarken (Mitte) und lernstarken case pupils (rechts) derselben 5. Klasse. Allen drei wurde in Bezug auf die Kreation ihrer neuen Farbtöne der Code PP+ gesetzt. Diese Qualitätsstufe wurde deshalb gewählt, weil ihre Grün-Farbtöne zwar gut gemischt wurden, sich diese Farbtöne jedoch bei Betrachtung all ihrer Farbergebnisse wenig voneinander differenzieren. Hinsichtlich der Bewertung der Namen für die Farbtöne erhielten der lernschwache und mittelstarke case pupil ebenfalls den Qualitätscode PP+. Dies weil, wie die Unterrichtsbeobach‐ tungen verdeutlichten, sie sich bei der Namensfindung stark beeinflussten und deshalb ihre notierten Namen ‘forest colour’ und ‘happy green’ nicht nur ihre eigene Kreativität widerspiegeln. Insgesamt sind somit die Prozesse und Produkte dieser beiden case pupils vergleichbar. Der Farbnamen ‘green lightning’ des lernstarken case pupil zeugt indessen von hoher, individueller Kreativität, weshalb er den Code PP++ erhielt. folgend abgebildete Produkt des mittelstarken case pupil aus der 4. Klasse mit dem Code PP++ beurteilt. Abbildung 1: Bildbeispiel der Syntheseaufgabe ‘New colours and jobs for the crayons’ Abbildung 2: Beispiele der Erarbeitungsaufgabe ‘New colours and jobs for the crayons’ Die S gestalten ein ungegenständliches Fantasiebild, das die Crayons glücklich macht. Sie integrieren die von Kandinsky inspirierte Farb- und Formenpalette gut. Die S mischen vielfältige neue Farbtöne mit Neocolor II mit und ohne Wasser. Ihr erfindet mit Neocolor neue Farbtöne und gebt diesen Farben passende Namen. Abbildung 36: Beispiele der Erarbeitungsaufgabe 'New colours and jobs for the crayons' Bei Betrachtung der Ergebnisse zum Code ‘Prozesse & Produkten’ ist augen‐ fällig, dass die lernstarken case pupils oftmals etwas mehr Kreativität und Originalität bewiesen als die case pupils der anderen beiden Leistungsgruppen. Als ebenfalls typisch zeigt sich in den Daten, dass die lernschwachen case pupils die kreativen Ideen teilweise von den anderen case pupils oder anderen Schüler*innen übernehmen. Ob diese Zurückhaltung in der eigenen Ideenfin‐ dung mit den ungünstigeren Ausgangsbedingungen im Englisch zusammen‐ hängen oder mit anderen Faktoren lässt sich an dieser Stelle nicht eindeutig festmachen. Zudem müssen all die hier dargelegten Ergebnisse und aufgezeigten 257 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="257"?> Zusammenhänge aufgrund der geringen Menge an Codings mit Vorsicht zur Kenntnis genommen werden. Der nächste Abschnitt befasst sich mit dem dritten und letzten BG-relevanten Code ‘Kontexte & Orientierung’. Kontexte & Orientierung Dieser letzte Code bezieht sich auf den dritten Kompetenzbereich des BG-Lehr‐ plans namens ‘Kontexte & Orientierung’ (KO) und zielt darauf ab, dass die Lernenden Kunstwerke in ihren Kontext einordnen und deren Wirkungen oder Funktionen erkennen können. Bei den beiden analysierten Lernaufgaben stand dieser Kompetenzbereich nicht im Fokus. Das erklärt auch die sehr geringe Anzahl Codings (N=9). Auch die zusätzliche Absprache mit einer BG-Expertin brachte hervor, dass dieser Code abhängig von der Lernaufgabe keinesfalls immer mitbeurteilt werden kann oder muss. In der vorliegenden Untersuchung konnte dieser Code bei jedem case pupil lediglich einmal gesetzt werden, nämlich bei der Syntheseaufgabe, als die case pupils ihre finalen Bilder in Form eines Briefes beschrieben haben. Somit wurden auch diese Codes gleich wie bei ‘Prozesse & Produkte’ an einer vereinbarten Stelle als ein einmaliger Beurteilungsmoment am Ende des Lernprozesses gesetzt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Werte der Beurteilerreliabilität: Code Anzahl Codings (N) ICC just ICC unjust Kontexte & Orientierung Total: 9 0.43 0.27 Tabelle 30: Beurteilerreliabilität für den Code ‘Kontexte & Orientierung’ Für diese ungenügenden Werte können einerseits die geringe Anzahl an Codings verantwortlich gemacht werden, anderseits die anspruchsvolle Einschätzung dieses hoch-inferenten Ratings mit hohem subjektivem Interpretationsspiel‐ raum, wie der nachfolgende Einblick in das Kategoriensystem verdeutlicht. Kontexte & Orientierung (Code KO) Lernende lesen, kategorisieren und vergleichen Bilder mit unterschiedlichem (kultu‐ rellen) Kontext. Sie erkennen Funktionen und Wirkungen von Bildern. Qualität ++ Qualität + Qualität - Qualität -- Der case pupil drückt volles Ver‐ ständnis für den kulturellen Kon‐ Der case pupil drückt gewisses Verständnis für den kulturellen Kon‐ Der case pupil drückt limitiertes Verständnis für den kulturellen Kon‐ Der case pupil zeigt kein Verständnis für den kulturellen Kontext, der Funk‐ 258 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="258"?> text, der Funktion oder der Wirkung von Bildern aus, z. B. indem er Bilder miteinander ver‐ gleicht. text, der Funktion oder der Wirkung von Bildern aus, z. B. indem er Bilder miteinander ver‐ gleicht. text, der Funktion oder der Wirkung von Bildern aus, z. B. indem er Bilder miteinander ver‐ gleicht. tion oder der Wir‐ kung von Bildern. Tabelle 31: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem zum Code ‘Kontexte & Orientierung’ Auch wenn die Ergebnisse aufgrund der tiefen Reliabilitätswerten mit höchster Vorsicht zur Kenntnis genommen werden müssen, werden deren Ergebnisse nachfolgend vollständigkeitshalber doch im gewohnten Vorgehen vorgestellt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Verteilung der drei vergebenen Codes pro Leistungsgruppe. KO ++ KO + KO - KO -- Total Lernschwache 0 2 1 0 3 Durchschnittliche 0 3 0 0 3 Lernstarke 2 1 0 0 3 Total 2 6 1 0 9 Tabelle 32: Häufigkeiten der Codings ‘Kontexte & Orientierung’ nach Qualitätsstufe und Leistungsgruppe Die geringe Anzahl der Codings lässt keine statistische Berechnung zu. Jedoch soll der Code nachfolgend anhand zwei ausgewählter Beispiele aus dem Unter‐ richt auf qualitativ-deskriptiver Ebene betrachtet werden. Als erstes eine Bildbeschreibung in Form eines Briefes des lernstarken case pupil aus der 5. Klasse: E3: Dear crayons I painted a new picture. I hope you like the picture. The name of the picture is «Tiger vs. the other part». I make new colours. My favourite colour is the ‘Cherry red’. I painted with bright colours. See you soon, E3. (Syntheseaufgabe Klasse E, Zeile 616) Das nachfolgende Beispiel aus derselben Klasse stammt vom lernschwachen case pupil. Dieser case pupil hat das Bild hauptsächlich inhaltlich beschrieben und ist weniger darauf eingegangen, wie diese Farben 259 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="259"?> Diese Bildbeschreibung wurde aufgrund seiner Wahl eines treffenden Titels, der Bezeichnung der passenden Assoziation für die Farbe Rot und seiner mehrheitlich zutreffenden Farbeinschätzung («bright colours») mit dem Code KO ++ beurteilt. Der Lernende konnte in diesen Sätzen den Effekt seines Bildes sehr gut beschreiben. Das nachfolgende Beispiel aus derselben Klasse stammt vom lernschwachen case pupil. Dieser case pupil hat das Bild hauptsächlich inhaltlich beschrieben und ist weniger darauf eingegangen, wie diese Farben oder Formen auf den Betrachter wirken. Die einzige Referenz zur Bildwirkung wurde indirekt mit der Verbindung von ‘colourful’ zum Namen des Bildes ‘Rainbow’ hergestellt. Der Code KO - wurde daher vergeben. I painted a new picture. I hope you like the picture. The name of the picture is «Tiger vs. the other part». I make new colours. My favourite colour is the ‘Cherry red’. I painted with bright colours. See you soon, E3. (Syntheseaufgabe Klasse E, Zeile 616) Das nachfolgende Beispiel aus derselben Klasse stammt vom lernschwachen case pupil. Dieser case pupil hat das Bild hauptsächlich inhaltlich beschrieben und ist weniger darauf eingegangen, wie diese Farben oder Formen auf den Betrachter wirken. Die einzige Referenz zur Bildwirkung wurde indirekt mit der Verbindung von ‘colourful’ zum Namen des Bildes ‘Rainbow’ hergestellt. Der Code KO wurde daher vergeben. E1: Dear crayons My picture is colourful. The name of this picture is ‘Rainbow’. In my picture has a flower. In my picture has a wind. See you soon! E1. (Synthesesaufgabe Klasse E, Zeile 643) Der hier dargestellte Zusammenhang zwischen den Leistungsgruppen und den Qualitätseinschätzungen zu ‘Kontexte und Orientierung’ könnte erneut darauf zurückgeführt werden, dass die Sichtbarmachung des Gelernten zu diesem inhaltlichen Code aus dem Fach BG hauptsächlich über die Fremdsprache passiert. Dies würde bedeuten, dass schwache Englischlernende mit limitie‐ rendem Wortschatz ihr Wissen zu ‘Kontexte & Orientierung’ wiederum weniger treffend mitteilen können. Aufgrund der tiefen Reliabilitätswerten müssen diese hier dargelegten Ergeb‐ nisse jedoch nicht nur mit grosser Vorsicht zur Kenntnis genommen werden, sondern die Unzuverlässigkeit dieser Daten bedingt ebenfalls, dass sie von nach‐ folgenden Diskussionen oder Interpretationen ausgeschlossen werden müssen. Das bedeutet, dass in vorliegender Untersuchung keine weiteren inhaltlichen Aussagen zum Code ‘Kontexte & Orientierung’ gemacht werden. 6.4.5 Betrachtung der case pupils auf der individuellen Ebene Was die drei case pupils über die drei Klassen hinweg verbindet, ist ihr fremd‐ sprachlicher Leistungsstand wie er von ihren jeweiligen Lehrpersonen im Englischunterricht wahrgenommen und beurteilt wurde. Die Englischnoten und die Charakteristiken der drei case pupils (vgl. Tabelle 4) verdeutlichen, 260 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="260"?> 34 Für einen besseren Vergleich der Codes und der Fokussierung auf die für CLIL rele‐ vanten Lernhandlungen, wurden nur die Qualitätsstufen 4 (= ++) bis 1(= --) beigezogen, jene codiert mit ‘not observable’ wurden ausgegrenzt. Einzige Ausnahme: Bei ‘Use of English’ wurden die Kategorie ‘German only’ (= 0) miteinberechnet. dass sich die jeweils drei case pupils zugehörig einer Leistungsgruppe aus fremd‐ sprachlicher Perspektive von denjenigen der anderen beiden Leistungsgruppen klar abgrenzen. Für den Zweck einer aussagekräftigen Ergebnispräsentation war es deshalb legitim, die individuellen case pupils in je eine Gruppe der leistungsstarken, durchschnittlichen oder lernschwachen Schüler*innen zusam‐ menzufassen. Mit diesem gewählten Vorgehen sind einige Vorteile verbunden. Zum Beispiel konnten vergleichende Aussagen zwischen den Leistungsgruppen gemacht und die Anzahl der Codes für statistische Auswertungen erhöht werden. Zudem lässt sich auch die Forschungsfrage II, wie die unterschiedlichen Schüler*innen die CLIL-Lernangebote für ihr duales Lernen nutzen, breiter ab‐ gestützt auf den Beobachtungen dreier Lernenden, nicht nur einem Individuum, beantworten. An dieser Stelle soll der Frage nachgegangen werden, ob die einzelnen case pupils zugeteilt auch auf individueller Ebene mit der Qualität der gezeigten Lernhandlungen als Gruppe korreliert. Demnach, ob zum Beispiel die lern‐ starken case pupils einzeln betrachtet wirklich die besten und entsprechend die lernschwachen case pupils die schwächsten CLIL-Lernleistungen auswiesen. Im Rahmen der Unterrichtsbeobachtungen zeigte sich abermals, dass sich die case pupils zugehörig der gleichen Leistungsgruppe individuell auch unter‐ scheiden und in den verschiedenen im CLIL-Unterricht verlangten Kompetenz‐ bereiche teilweise unerwartete Lernhandlungen zeigten. Solche individuellen Unterschiede werden nachfolgend mittels zweier zusätzlicher Analysen sichtbar gemacht. Als erstes wurde die Qualität der CLIL-Lernhandlungen für die einzelnen case pupil analysiert. Dafür wurden die Mittelwerte eines jeden vergebenen Codes für jeden case pupil nach Qualitätsstufen (++ = 4, + = 3, - = 2, -- = 1) 34 gewichtet berechnet. Diese Werte sind in nachfolgendem Liniendiagramm (vgl. Abbildung 37) visualisiert und erlauben es, diese individuellen Lerner-Profile miteinander zu vergleichen. 261 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="261"?> Use of English Speaking dialogue Speaking monologue Use of scaffolding Listening Wahrnehmung & Kommunika 3,53 2,17 2,00 2,37 3,07 2,69 3,69 3,53 4,00 3,60 3,30 3,21 3,70 3,84 4,00 3,78 3,59 3,38 1,19 2,25 3,00 1,80 2,10 3,00 3,54 3,68 4,00 3,55 3,36 3,54 3,04 3,35 4,00 3,39 3,24 3,64 1,35 2,33 2,83 2,28 2,34 2,82 2,03 2,86 4,00 3,80 3,33 3,60 2,40 3,71 4,00 3,45 3,56 3,69 1 2 3 4 Qualitätsstufe 1 = -- 2 = - 3 = + 4 = ++ D1 D2 D3 E1 E2 E3 H1 H2 H3 Abbildung 37: Mittelwerte der Qualitätsstufen aller CLIL-Lernhandlungen eines jeden case pupils im Vergleich Auf den ersten Blick fallen die gezackten Graphen auf, die erwartungsgemäss verdeutlichen, dass die einzelnen case pupils ihre Stärken und Schwächen in verschiedenen Bereichen hatten. Die einzelnen Lernenden waren daher nicht in allen für den CLIL-Unterricht relevanten Kompetenzbereichen ausgeglichen stark oder schwach, sondern die Qualität der Lernleistungen variieren bei den heterogenen Lernenden unterschiedlich ausgeprägt. Mit Ausnahme des Bereichs ‘Use of English’ liegen bei den meisten case pupils diese Varianzen jedoch innerhalb einer Qualitätsstufe, demnach entweder im Bereich sehr gut (++) bis gut (+) oder zwischen gut (+) bis genügend (-). Im Bereich ‘Use of English’ sind die Varianzen besonders augenfällig. Diese individuellen Unterschiede lassen sich mit Blick in die Daten erklären: Die Qualität beim Gebrauch des 262 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="262"?> Englisch fällt bei jenen case pupils deutlich ab, die oft Aussagen ganz auf Deutsch machten. Insgesamt veranschaulichen die gezackten Graphen demnach die Vielfältigkeit der im CLIL-Unterricht gefragten Kompetenzen und die damit verbundenen sichtbargemachten heterogenen Lernprofile. Weiter ist bei Betrachtung der Grafik ersichtlich, dass die in den vorherigen Kapiteln dargestellten Unterschiede zwischen der Gruppe der lernschwachen gegenüber den Gruppen der durchschnittlichen und lernstarken case pupils auch auf individueller Ebene zu erkennen sind. Die Lernhandlungen der einzelnen lernschwachen case pupils visualisiert mit den rötlichen Graphen liegen - mit Ausnahme von ‘Use of English’ - unter jenen der Lernenden der anderen beiden Leistungsgruppen. Die drei lernschwachen case pupils einzeln betrachtet scheinen demnach mit ihrer CLIL-Performanz deutlich von den anderen beiden case pupils ihrer Klasse abzufallen. Die Mittelwerte der meisten Lernhandlungen der lernschwachen case pupils liegen zwischen den Qualitätsstufen gut (+) und genügend (-). Einzig beim Code ‘Use of English’ sind die Werte heterogener: Während zwei case pupils im Gebrauch von Englisch - aufgrund ihrer hohen Verwendung von Aussagen nur auf Deutsch - offensichtlich tiefer abschnitten, zeigt ein lernschwacher case pupil (D1) eine auffällig starke Leistung. Die Lernhandlungen der lernstarken case pupils (grüne Graphen) lassen sich hingegen kaum von den mittelstarken case pupils (blaue Graphen) abgrenzen. Ihre durchschnittlichen Lernleistungen - erneut abgesehen von ‘Use of English’ - liegen auf der Qualitätsskala im sehr guten (++) bis guten (+) Bereich. Die individuellen Unterschiede zwischen den einzelnen case pupils dieser beiden Leistungsgruppen sind insgesamt als gering einzustufen. Auch wenn verschie‐ dene grüne Graphen, welche die Lernhandlungen der lernstarken case pupils repräsentieren, die Qualitätsskala anführen, zeigten die durchschnittlichen case pupils in einigen Bereichen ebenso starke oder bessere Lernleistungen. Während die case pupils im Bereich ‘Use of English’ sehr heterogene Qualitäts‐ stufen ausweisen, variieren sie mit ihren Lernleistungen bei den BG-Kompetenzbe‐ reichen ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ und ‘Prozesse & Produkte’ tendenziell weniger. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die case pupils aufgrund ihrer Vorleistungen im Fach Englisch in die drei Leistungsgruppen eingeteilt wurden und ihre fremdsprachlichen Kenntnisse bei diesen BG-Kompetenzberei‐ chen keinen direkten Einfluss haben sollten. Jedoch zeigt sich auch in diesen Bereichen, dass die lernschwachen case pupils auf der Qualitätsskala tendenziell tiefer abschneiden als die lernstarken und durchschnittlichen case pupils. Betrachtet man einzelne Graphen genauer, so fällt zum Beispiel auf, dass die Lernhandlungen bei ‘Use of English’ aller drei dunklen Graphen der case pupils D1, D2 und D3 am oberen Ende des Qualitätsspektrums ausfallen, während die 263 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="263"?> hellen Graphen der case pupils H1, H2, und H3 deutlich darunter liegen. Ein ähnliches Muster zeigt auch zwischen den dunkel- und hellgrünen (D3 vs. H3), sowie dunkel- und hellblauen Graphen (D2 vs. H2) bei der Kompetenz ‘Speaking dialogue’. Dies ist deshalb bemerkenswert, da es sich bei den dunklen Graphen der Klasse D um die 4. Klasse, somit jene Klasse mit den jüngsten Kindern mit den wenigsten Englischlernjahren und bei den hellen Graphen der Klasse H um eine 5./ 6. Klasse mit den meisten Englischlernjahren handelt. Das bedeutet, dass die jüngeren Lernenden bei der Verwendung von Englisch und beim dialo‐ gischen Sprechen teilweise besser abschnitten als jene Schüler*innen mit mehr Englischlernjahren. Neben den individuellen Leistungsvoraussetzungen werden bei dieser Betrachtungsweise somit auch klassenspezifische Gegebenheiten er‐ sichtlich, die die Performanz der einzelnen Lernenden beeinflussen können. Hier knüpft die zweite Analyse an. Diese beabsichtigt zu untersuchen, inwie‐ fern die Lernhandlungen der individuellen case pupils aufgrund unterschied‐ licher Voraussetzungen in den verschiedenen CLIL-Schulzimmern variiert. Das heisst, es wurde betrachtet, wie die zur Verfügung gestellte Lernzeit für CLIL-Lernhandlungen von den einzelnen case pupils genutzt wurde. Diese Ana‐ lyse wurde exemplarisch nur für den Code ‘Use of English’ vorgenommen, weil dieser einer klaren Codierregel folgt (jede Sprechhandlung ungeachtet ihrer Länge wird codiert) und sich als einziger nicht mit anderen Codes überlappt oder mit anderen Codes konkurrenziert - was hier für die Betrachtung von zeitlichen Faktoren eine wichtige Voraussetzung ist. In der untenstehenden Tabelle sind die Anzahl der Codings, somit die Sprachhandlungen mit Anteilen auf Englisch (Code: ‘Use of English’) eines jeden case pupils, während der zur Verfügung stehenden Lernzeit und die daraus resultierenden fremdsprachlichen Lernhandlungen pro Minute ersichtlich. Klasse D Klasse E Klasse H Æ alle Klassen Level der Case pupils schw mittel stark schw mittel stark schw mittel stark schw mittel stark Anzahl Codings 100 108 214 19 95 43 28 34 47 49 79 101 Lernzeit in Minuten 130 130 130 138 138 138 147 147 147 138 138 138 Lernhand‐ lung pro Minute 0.76 0.82 1.65 0.14 0.68 0.31 0.19 0.23 0.33 0.36 0.57 0.73 Tabelle 33: Anzahl der englischen Sprechhandlungen (Code: ‘Use of English’) der case pupils im Vergleich 264 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="264"?> Anmerkung: schw = lernschwach / mittel = durchschnittlich / stark = lernstark Die Durchführung der beiden Lernaufgaben benötigte in den verschiedenen Klassen unterschiedlich viel Zeit. In der Klasse D stand mit 130 Minuten am wenigsten Zeit zur Verfügung, trotzdem sprachen die case pupils dort am meisten auf mehrheitlich oder teilweise Englisch. Dies als Kontrast zur Klasse H, wo den Lernenden mehr Lernzeit zur Verfügung stand (147 Minuten), jedoch sich die case pupils deutlich weniger oft fremdsprachlich einbrachten. Zudem ist hervorzuheben, dass trotz Unterschieden in allen Klassen sich die lernschwa‐ chen case pupils aller drei Klassen erneut am wenigsten oft im CLIL-Unterricht auf Englisch einbrachten im Vergleich zu den anderen beiden case pupils mit günstigeren Ausgangsbedingungen ihrer Klasse. In den Klassen D und H waren es die lernstarken case pupils, die sich am meisten mitteilten. In der Klasse E gab sich der lernstarke case pupil bei der fremdsprachlichen Kommunikation zurückhaltender als der mittelstarke case pupil. Auch wenn solche Erkenntnisse basierend auf nur einem Code mit Vorsicht betrachtet werden müssen, deuten sie darauf hin, dass den einzelnen Klassen trotz gleicher Unterrichtsplanung unterschiedliche Angebote zur Verfügung standen und somit diese auch einen Einfluss auf die Nutzung dieser Lernaufgaben für jeden individuellen case pupil hatten. Resultierend aus diesen beiden Analysen kann angenommen werden, dass vielfältige persönliche und soziale Faktoren (z. B. in der Klasse E zeigte der lernstarke case pupil wenig Motivation für die Zusammenarbeit in der vorge‐ gebenen Gruppe), teils in Verbindung mit dem Klassenklima (z. B. in der Klasse D herrschte eine produktive Lernatmosphäre) oder der vorherrschenden Regel von Englisch als Kommunikationssprache (z. B. in der Klasse D wurde konsequent Englisch gesprochen), für diese individuellen, teils unerwarteten Ergebnisse mitverantwortlich sind. Darauf wird im Diskussionsteil (siehe Ka‐ pitel 7.3) genauer eingegangen. Ein Fazit, das an dieser Stelle bezüglich der individuellen case pupils und ihrem CLIL-Lernen gezogen werden kann, ist: Beim Betrachten der Mittelwerte der lernschwachen case pupils in Bezug auf die Qualität und Quantität ihrer Lernhandlungen bestätigt sich, dass sie die CLIL-Angebote (mit einziger Aus‐ nahme des case pupils D1 im Gebrauch von Englisch) zu tieferer Qualität und weniger oft nutzten als die durchschnittlichen und lernstarken case pupils. Diese Erkenntnis deckt sich mit jenen Ergebnissen dargestellt in den letzten Kapiteln, in denen die Lernleistungen der case pupils als Gruppe analysiert wurden. Beim Betrachten der individuellen Lernleistungen der durchschnittlichen und lern‐ starken case pupils sind die Ergebnisse unterschiedlicher. Das heisst diese case pupils nutzten die CLIL-Lernangebote zum Teil anders, als dies aufgrund ihrer 265 6.4 Nutzung der CLIL-Lernangebote und Qualität der Lernhandlungen <?page no="265"?> Leistungsgruppen-Zugehörigkeit zu erwarten gewesen wäre. Wie sich in den obigen Ergebnissen zeigt, waren die lernstarken case pupils einzeln betrachtet nicht in allen Klassen die Besten. Je nach Klassensetting lagen die durchschnitt‐ lichen case pupils bei der Qualität und Quantität der CLIL-Lernhandlungen vor den lernstarken case pupils. Im Bereich ‘Use of English’ machten sich über alle neun case pupils sehr heterogene Qualitätsabstufen erkennbar. Ferner offenbarten die zwei Analysen, dass die jüngsten Lernenden mit den wenigsten Englisch-Lernjahren bei den beiden oben vorgestellten Betrachtungsweisen teilweise besser als andere Klassen mit mehr Englischlernjahren abschnitten. 6.5 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage II Ziel dieses abschliessenden Kapitels ist es, die wichtigsten Ergebnisse zur Forschungsfrage II, wie die Primarschulkinder mit heterogenen Leistungsvo‐ raussetzungen die CLIL-Lernangebote nutzten, nochmals kurz hervorzuheben. Die Analyse der Basiskodierung zeigte, dass der Unterricht tatsächlich gross‐ mehrheitlich aus Phasen codiert mit ‘CLIL’ bestand. Diese CLIL-Lernphasen waren in variantenreichen Sozialformen organisiert und kennzeichneten sich durch vielfältige Aktivitäten wie Sprechen, Hören und ausgedehnte handelnde BG-Aktivitäten. Ein Reinzoomen in die Oberflächenmerkmale der beiden zentralen Lernauf‐ gaben verdeutlichte, dass auch diese Lernaufgaben ausgiebige CLIL-Lernphasen auswiesen. In diesen Phasen arbeiteten die Lernenden mehrheitlich kreativ, handelnd an BG-Aktivitäten, welche im Fall der Syntheseaufgabe individuell oder im Fall der Erarbeitungsaufgabe kooperativ organisiert waren. Unterbro‐ chen wurden diese längeren CLIL-Lernsequenzen von einigen lehrzentrieren Instruktions- oder Organisationsphasen, in denen die Lernenden mehrheitlich zuhörten. Phasen codiert mit ‘Speaking’ kamen in beiden Lernaufgaben weniger oft vor als jene codiert mit ‘Listening’. Die detaillierte Analyse zur Nutzung der CLIL-Lernangebote durch die unterschiedlichen case pupils die CLIL-Lernangebote verriet, dass über die Hälfte aller Sprechhandlungen der case pupils in den Phasen gekennzeichnet mit dem Code ‘Non-linguistic art activities’ und nicht in jenen offiziellen Sequenzen vorgesehen für den mündlichen Austausch passierten. Alle case pupils nutzten demnach diese inoffiziellen Sprechgelegenheiten für Interaktionen, welche bei den lernschwachen case pupils mit über 56 % und im Falle der mittelstarken und lernstarken Kinder mit über 80 % ganz auf Englisch oder auf mehrheitlich Eng‐ lisch ausfielen. Insgesamt verwendeten die lernstarken und mittelstarken case 266 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="266"?> pupils Englisch signifikant mehr und zu besserer Qualität als die lernschwachen case pupils. Weiter zeigte die quantitative als auch qualitative Datenauswertung, dass die verschiedenen Gruppen der case pupils ebenfalls die Hör- und dialogischen Sprechlernangebote unterschiedlich nutzten. Die lernschwachen case pupils verweilten länger beim Hören, nahmen weniger Lerngelegenheiten für das dialogische Sprechen wahr und führen diese in tieferer Qualität aus als die anderen beiden Leistungsgruppen. Gleiches ergab sich bei der Untersuchung des Gebrauchs von sprachlichen Scaffolding. Auch hier konnten zwischen den lernschwachen case pupils ge‐ genüber den anderen, leistungsstärkeren case pupils signifikante Unterschiede erkannt werden. Die lernschwachen case pupils brauchten öfters Scaffolding als Unterstützung für eine erfolgreiche Kommunikation. Auch wenn die monologischen Sprechanlässe aufgrund geringer Anzahl mit Vorsicht betrachtet werden müssen, wurde ersichtlich, dass bei diesen vorbe‐ reiteten Gesprächssituationen neben den Englisch Vorkenntnissen ebenso die Verwendung von Scaffolding und die Nutzung der Vorbereitungszeit zum Üben des nachfolgenden Vortrags die Qualität der Sprechhandlungen mitbeeinflusste. Mit Blick auf das Fach BG konnte festgestellt werden, dass zwei der drei Codes mit den fremdsprachlichen Kompetenzen verlinkt sind. Das bedeutet, dass erneut die lernschwachen case pupils bei den Ergebnissen der Codes ‘Wahrneh‐ mung & Kommunikation’ und ‘Kontexte & Orientierung’ schlechter abschnitten als die case pupils der anderen Leistungsgruppen. Die Ergebnisse in Verbindung mit dem letzteren Code sind jedoch aufgrund der sehr tiefen Reliabilitätswerten als zu unzuverlässig einzustufen und werden somit von zukünftigen Diskus‐ sionen ausgeschlossen. Beim Betrachten der Ergebnisse des Codes ‘Prozesse & Produkte’ könnten allenfalls die Englischkenntnisse der lernstarken und der lernschwachen case pupils die Bildprozesse oder -produkte beeinflussen. Aufgrund der geringen An‐ zahl Codings müssen diese Ergebnisse jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Werden die case pupils nicht als Gruppe, sondern als einzelne Individuen betrachtet, stimmen die hier aufgezeigten Ergebnisse nicht für alle Klassen. Zwar wurde durch die zusätzlichen Analysen der Mittelwerte ersichtlich, dass die lernschwachen case pupils sowohl bei der Qualität und Quantität der fremdsprachlichen Lernhandlungen in jedem Fall schlechter abschnitten als die anderen. Die Leistungsunterschiede zwischen den durchschnittlichen und lernstarken case pupils hingegen waren weniger offensichtlich. Sie brachten individuell unterschiedliche Ergebnisse zum Vorschein. Es zeigte sich, dass die lernstarken case pupils nicht bei allen Kompetenzbereichen auch tatsächlich 267 6.5 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage II <?page no="267"?> die Besten waren. Stattdessen scheinen bei den case pupils mit günstigen Aus‐ gangsbedingungen neben dem Können weitere personale, soziale und volatile sowie klassenspezifische Faktoren die Nutzung der CLIIL-Angebote mit zu beeinflussen. Diese liegen zwar ausserhalb des Untersuchungsfokus, spielen insgesamt jedoch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Abschliessend ist festzuhalten, dass dank dem Einbezug quantitativer und qualitativer Daten die in diesem Kapitel vorgenommene Ergebnisdarstellung bereits vertiefte Einblicke in die Forschungsfrage II gewähren konnte. Bekannt‐ lich zählt eine rein nummerische Betrachtung der Anzahl Codings resultierend aus der Ereigniscodierung (event sampling) ‘nur’ die stattfindenden Ereignisse. Damit lassen sich zwar bedeutsame Aussagen zur Qualität und Rückschlüsse über die Häufigkeiten eines Ereignisses machen, sie geben jedoch keine nor‐ mierten, demnach vergleichbare Angaben zum Beispiel zur Dauer der Lern‐ handlung. Erst die zusätzlich eingebrachten unterrichtlichen Beispiele aus dem Datenmaterial mittels qualitativen Zugangs ermöglichten weitere deskriptive Einblicke in das Lernen der case pupils und gestatteten Vergleiche zwischen ihren Lernhandlungen anzustellen. Das Vorgehen gemäss dem mixed-methods Ansatz hat sich hier bewährt und verhalf erkenntnisreiche Ergebnisse hervor‐ zubringen. 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module Inwiefern die Lehrpersonen und Lernenden diese CLIL-Module als gewinn‐ bringend oder herausfordernd einschätzten, ist Gegenstand des vorliegenden Kapitels. Die Daten, die die Grundlagen für die nachfolgenden Ergebnisse bilden, stammen aus verschiedenen Befragungen mit den unterschiedlichen Forschungsteilnehmenden: Zum einen aus den Gruppendiskussionen mit den Lehrpersonen an den Auswertungstreffen und teils ergänzt mit ihren schrift‐ lichen Reflexionen, zum anderen aus den Gruppeninterviews mit den case pupils im Anschluss an jede CLIL-Doppelstunde und schliesslich aus den zu verschiedenen Zeitpunkten eingesetzten Fragebogen ausgefüllt von allen rund 150 Schüler*innen. Der nachfolgende Teil der Ergebnispräsentation besteht erneut sowohl aus deskriptiven und zusammenfassenden Textstellen angereichert mit Zitaten der Forschungsteilnehmenden als auch tabellarischen Übersichten mit numme‐ rischen Werten aus den Fragebogendaten. Falls aussagekräftig und passend werden zusätzlich unterrichtliche Beobachtungen von der Forscherin direkt an Aussagen der Teilnehmenden angefügt. Um die Lesbarkeit und Übersicht zu 268 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="268"?> steigern, werden die Ergebnisse in Kapitel und Zwischentitel anlehnend an die Begrifflichkeiten aus dem Kategoriensystem (siehe Anhang G) unterteilt. Jedes dieser Kapitel präsentiert somit in gebündelter Form mehrere Code-Kategorien aus jeweils einer Perspektive (Lehrpersonen oder Lernende) und hinsichtlich einer Wertung (Chance oder Herausforderung). Zu Beginn eines jedes Kapitels werden die Ergebnisse der Beurteilerreliabilität mitgeteilt und - falls dies für das weitere Verständnis als unterstützend befunden wird -, die Abweichungen der Werte kurz begründet. Ganz am Schluss der Ergebnispräsentation folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse im Hinblick auf die Forschungsfrage III. An dieser Stelle eine klärende Anmerkung: Während bei der Nutzung der Lernaufgaben der Fokus auf den Lernenden aus der 5. Klasse lag oder zumindest auf solchen, die theoretisch in der 5. Klasse sein könnten, werden bei den Gruppendiskussionen die Meinungen aller acht Lehrpersonen unterrichtend in der 3. bis 6. Klasse gleichwertig berücksichtigt. Damit jedoch trotzdem stufenspezifische Anliegen differenziert betrachtet werden können, wurden alle Aussagen der Lehrpersonen diesbezüglich ausgewertet, ob sie sich mit ihren Wortmeldungen auf die jüngeren Kinder der 3./ 4. Klasse mit ein bis zwei Englischlernjahren oder derjenigen der fortgeschrittenen Lernenden der 5./ 6. Klasse mit drei bis vier Englischlernjahren beziehen. Dieser zusätzliche Auswertungsvorgang war essentiell, damit die thematischen Codiereinheiten - vor allem bei Aussagen mitten in der Sprechhandlung ohne Referenz zum Sprecher - effizient und eindeutig betrachtet werden konnten. Somit können im Folgenden Aussagen zur Heterogenität in Bezug auf den Könnens-Stand der Lernenden aufgrund der Lernjahre als auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit in eine Leistungsgruppe innerhalb der Klasse gemacht werden. 6.6.1 Lernen im CLIL-Unterricht als Chance: Sicht der Lehrpersonen Die insgesamt 218 Aussagen bezüglich der Chancen rund um das Lernen im CLIL-Unterricht mitgeteilt durch die Lehrpersonen in den Gruppendiskussi‐ onen liessen sich in folgende fünf Kategorien einordnen. 269 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="269"?> 35 Eine Übereinstimmung der Codes gilt dann als kongruent, wenn 60 % der Textstellen in einem Coding überlappend sind (Einstellung bei Maxqda - Codeüberlappung bei Segmenten: 60 %) Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Neuer Zugang zu Englisch + 48 63.46 % Englisch-Lernerlebnisse + 45 76.40 % BG-Lernerlebnisse + 40 61.90 % CLIL mit Englisch und BG + 72 74.63 % CLIL allgemein + 13 81.48 % Total 218 70.32 % Tabelle 34: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Lernen als Chance’ seitens Lehrpersonen In Bezug auf die Beurteilerreliabilität 35 wurden die fünf hoch-inferenten Codes mit einer Zuverlässigkeit von insgesamt 70.32% eingeschätzt. Drei der fünf Kategorien sind als reliabel einzustufen, zwei liegen unter dem gesetzten Richtwert von 70 %. Ein Blick in die Daten zeigt, dass bei diesen Codes rund um das fächerumspannende CLIL-Lernen die Abgrenzungen von einem Code zum anderen - demnach ob sich eine Aussage nur auf das eine Fach oder auf beide Fächer oder gar auf die Besonderheit des ‘neuen Zugangs zum Englisch’ bezog - nicht immer eindeutig erkannt werden konnten. Ohne in die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse vorzugreifen, sind für diese hier vorliegenden Abweichungen in erster Linie das für den fächerübergreifenden CLIL-Kontext zu ausdifferenzierte Kategoriensystem mit zu ähnlichen Codes und zu unklaren Codierregeln verantwortlich zu machen (siehe Kapitel 7.11.3). Die nachfolgende Ergebnispräsentation der beiden Codes mit unzureichenden Reliabilitätswerten sollen daher mit Vorsicht betrachtet werden. Neuer Zugang zum Englisch als Chance Mit diesem Code wurden Aussagen erfasst, die die Andersartigkeit oder den Neuwert des Englischlernens im CLIL-Unterricht gegenüber dem fremdsprach‐ lichen Lernen im traditionellen Englischunterricht betonten. Dieser neue Zu‐ gang zur Fremdsprache wurde von allen acht Lehrpersonen in den Auswer‐ tungsgesprächen in irgendeiner Weise angesprochen. Sie meinten, dass der CLIL-Unterricht die Lernenden motivierte das Englisch in einem anderen Kontext anzuwenden: «Ja, und so diesen natürlichen Umgang mit der Sprache, 270 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="270"?> also. Man beschäftigt sich nicht primär mega mit der Sprache und wie ist das jetzt genau und welche grammatikalischen Strukturen. Sondern das über ein Thema sprechen, also das war viel natür/ - also ich sag jetzt mal - viel natürlicher, weil es einfach so äh ja, das Englische war mehr so ein Neben/ (ding).» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 115) Konkret berichteten sie, dass die Lernenden einfach drauf lossprachen und ganz hemmungslos ausprobierten sich mitzuteilen. Diese Natürlichkeit im Umgang mit der Sprache zeigte sich auch darin, dass vereinzelte Lernende experimentell zwischen den Sprachen hin und her wechselten oder falls nötig mit «Händen und Füssen» sprachen. Der CLIL-Unterricht biete viele Möglichkeiten zum Sprechen mit hohem Lebensweltbezug und die Lernenden würden diese Sprechgelegenheiten auch vermehrt wahrnehmen. Eine Lehrperson beschrieb dies mit folgenden Worten: «Also ich glaube schon so der Anteil vom Englischsprechen, den kann man schon ein bisschen erhöhen. Mit alltäglichen Sachen halt auch mal. (…) Sonst ist es ja manchmal in den Units halt Sachen, die man nicht so anfassen kann oder nicht so viel Zeit hat sich darum zu kümmern.» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 237) Der Zugang zur Sprache sei demzufolge auch anders, weil das CLIL-Modul nicht einem im Lehrmittel vorgegebenen Thema mit fixem Wortschatz folge, sondern der Unterricht offener verlaufe und sich viel während der Bearbeitung ergeben könne. Die Inhalte orientierten sich oft näher am direkten Geschehen. So fehle zwar manchmal auch etwas der Wortschatz, doch dies eröffne den Lernenden auch eine grosse Lernchance: «Ja, meine haben auch noch gemerkt, dass sie vielleicht auch das Voci nicht hatten. Oder, sie sind sich gewöhnt, im Englisch haben wir ein Thema und dann lernen wir das Voci dazu. Und dann können wir ja das, darüber sprechen. Und hier hat ich sicher die Adjektive an der Wandtafel, aber es gab ja ganz vieles, das sie nicht kannten. Und irgendwie hatten sie aber trotzdem gemerkt, sie verstehen es und sie können es eigentlich auch anwenden. Ja.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 112) Diese Themen hätten die Lernenden dermassen fasziniert, dass einige Ler‐ nende ganz natürlich, fast schon automatisch, das Englische verwendeten. Eine 4. Klassenlehrperson erlebte das in ihrer Klasse so, als die Lernenden die aufgeräumten Bilder von Wehrli betrachteten: «Da habe ich auch gemerkt, da haben sie auch vergessen, dass sie eigentlich gar nicht mehr Deutsch gesprochen haben, sondern Englisch.“ (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 226) Ein weitere Lehrperson berichtete in einem anderen Interview etwas Ähnliches: «Einige waren voll gepackt und kamen dann so in einen Flow und die haben dann einfach gesprochen, egal ob richtig oder falsch.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 28) 271 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="271"?> Dieser hier angesprochene verminderte Fokus auf die Korrektheit wurde als weitere Chance von sechs Lehrpersonen genannt. Sie sagten, dass sich die Lernenden in diesen CLIL-Modulen ohne Noten- oder Leistungsdruck mit der Fremdsprache abgeben konnten. Sie beobachteten eine gewisse Lockerheit: «Ich habe schon das Gefühl, sie sind bei mir jetzt lockerer an die Sache rangegangen, als sonst im normalen Englischunterricht. Da ist der Druck irgendwie schon grösser, dass ich jetzt den Satz richtig sage und da haben auch bei mir jetzt Kinder mehr gestreckt, die ich sonst nicht so oft höre im Englischunterricht.» (Lehr‐ person E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 51) Gemäss den Beobachtungen der Lehrpersonen kamen unerwartet andere Kinder mehr aus sich heraus. Daran knüpfte eine weitere Lehrperson an: «Ehm vor allem diejenigen, die sonst gar nichts sagen, oder fast gar nichts, während dem normalen Englisch mündlich Unterricht, die haben sich viel mehr getraut, weil sie wussten, sie werden nicht benotet. Und ich denke, dass ist eine grossartige Chance für die Sprache an sich.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 243) Sie fügte in diesem Zusammenhang noch den Aspekt der Vereinfachung an: «Und hier ist es dann der Zugang auch zur Sprache viel, viel einfacher. Wenn man wirklich die Gedanken mitteilen kann und nicht drandenken noch muss, sag ich das richtig oder nicht.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 221) Ferner wurde von vier Lehrpersonen berichtet, dass einige Lernende diese CLIL-Module wie ein Spiel betrachteten und durch diesen experimentierfreu‐ digen Zugang sich mehr getraut hätten, ins Englische einzutauchen. Die Lehrperson der 4. Klasse beschrieb das so: «Da war es mehr dann so ein spie‐ lerisches Englischsprechen miteinander. Ebenso ein bisschen auf diese lustige Art und man darf auch Fehler machen, was man vielleicht im Englisch-Eng‐ lisch nicht so macht.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 111) Oder die Lehrperson der 5./ 6. beobachtete Folgendes: «Ein bisschen aufgedreht und haben sich dann… in einer so lustigen Art und Weise in das Englisch reingegeben.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 29). Auch in einer anderen Gruppendiskussion wurde auf diesen spielerischen Charakter des CLIL-Moduls hingewiesen. Dieses Mal im Zusammenhang mit einem mutigen lernschwachen case pupil, der sich häufiger auf Englisch mitteilte als im herkömmlichen Englischunterricht: «Für ihn war es vielleicht wirklich so wie ein Spiel oder so. Es ist nun nicht Englischunterricht per se und ich trau mich nun nicht, weil es könnte falsch sein, sondern … Er hat mich sehr überrascht. Er hat viel mehr gesprochen als sonst - das war schön.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 47). 272 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="272"?> Positive Englisch-Lernerlebnisse Dieser Code berichtet von positiven Lernerlebnissen für das Fach Englisch, die die Lehrpersonen in ihrem CLIL-Unterricht beobachteten und Aufschluss dar‐ über geben, was die Schüler*innen während der Bearbeitung der Lernaufgaben potentiell im Englisch dazu lernten. Die Lehrperson der gemischten 3./ 4. Klasse, die mit Sprachanfängern in das CLIL-Modul I startete, teilte mit, dass ihre Lernenden trotz Schwierigkeiten basale Sätze zu ihren Bildern machen konnten. Sie nannte Beispiele, die ihre 3. Klassenkinder beisteuerten: «Ah, a lamp.» oder «I can see a yellow circle. » (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeilen 101 / 183). Die mehr fortge‐ schrittenen 4. Klassenkinder konnten indessen bereits einfache Präsentationen auf mehrheitlich Englisch halten. Mehrere Lehrpersonen berichteten von Stolz der Lernenden, die ihre Bildbeschreibungen auf Englisch im Rahmen des CLIL-Modul I vortragen konnten. Mittels einfacher Strukturen, die auch die jüngeren Kinder rasch erfassen und anwenden konnten, gelangen auf dieser Stufe, insbesondere im CLIL-Modul II, basale Interaktionen. Eine Lehrperson der 4. Klasse meinte dazu: «Die Farben kannten sie sowieso schon gut und ich fand auch da die ‚I used my finger.‘ or ‚I used water‘, das konnten sie noch schnell, so. Es war nicht / die Struk‐ turen waren auch nicht zu schwierig, um schnell etwas sagen.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 169). Auch andere pflichteten bei, dass der Wortschatz rund um das Thema Farben und Formen im CLIL-Modul II einfacher, respektive zugänglicher für die 3./ 4. Klassen war, als jener rund um das CLIL-Modul I. Eine weitere Lehrperson der 4. Klasse betonte, dass ihre Lernenden oft Englisch sprachen: «Und ich habe bei dieser Arbeit gemerkt, bei mir sind sie wie dort ins Englische reingetaucht. Sie konnten total alles auf Englisch sagen, weil die Ausdrücke, die kannten sie.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 35) In den anderen drei Klassen der unteren Stufen klappte das Kommunizieren auf Englisch je nach Lernaufgaben gut, zwischendurch wurde jedoch auch Deutsch gesprochen oder bewusst beigezogen. In Bezug auf das Hörverständnis wurde gemäss Einschätzungen der 3./ 4. Klassenlehrpersonen nicht alles, aber vieles gut verstanden und die Kinder konnten zum Beispiel bei den Bildpräsentationen mittels Zeigen verdeutlichen, dass sie den Inhalt verstanden hatten. Ähnliches gilt auch für die 5./ 6. Klasse. Die Lehrpersonen dieser Stufe betonten ebenfalls, dass die Lernenden dem Unterricht, auch wenn nicht jedes einzelne Wort verstanden wurde, gut folgen konnten. 273 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="273"?> Zudem wurden auf der 5./ 6. Klasse viele positive Lernerlebnisse im Zu‐ sammenhang mit dem Wortschatzerwerb genannt. Einerseits konnten die Lernenden ihren Wortschatz vergrössern. Als Beispiele wurden verschiedene Adjektive, umgangssprachliche Alltagswörter (z. B. tidy up, messy oder fed up) aber auch differenzierte Wortbetrachtungen (wie shape vs. shade) angegeben. Anderseits wurde beobachtet, dass sich die Lernenden auch an Wortschatz oder Strukturen aus vergangen Lernjahren zurückerinnerten und diese verwenden konnten (z. B. das Alphabet oder spezifische Wörter wie tie, candyfloss, …). Die Lehrpersonen dieser Stufe betonten, dass die Anwendung selbst von neuen Wörtern oder Strukturen relativ mühelos für die Kinder gelang. Sie konnten effizient neue Begriffe einführen, allenfalls mit Bildern oder mittels Satzstruk‐ turen an der Wandtafel sichtbar machen und dann konnten die Lernenden damit arbeiten. Einzelne fortgeschrittene Lernende dieser Stufe waren zudem in der Lage auch bereits abstraktere Inhalte, wie zum Beispiel über Gefühle zu sprechen, auf Englisch mitzuteilen. In diesem Zusammenhang mit den Lernerlebnissen im Englisch wurde auch über den Umgang mit Fehlern oder Korrekturen gesprochen. Die meisten Lehrpersonen, unabhängig der Stufe, hatten sich nicht explizit auf ihr Kor‐ rekturverhalten geachtet und meinten daher, dass sie sich ähnlich wie im normalen Englischunterricht verhielten. Sie beschrieben ihr Korrekturverhalten als natürlich und zurückhaltend, was als förderlich für positive Englisch-Lern‐ erlebnisse betrachtet wurde. Sie hätten falsch ausgesprochene Wörter oder Ausdrücke nochmals wiederholt. Insgesamt - wahrscheinlich auch unbewusst - vielleicht auch weniger korrigiert, weil es ja teils auch neue Wörter waren, die die Kinder gar noch nicht hätten kennen können. Eine Lehrperson aus der 4. Klasse berichtete von einer spezifischen Situation, in der sie bewusst auf Korrekturen verzichtet hatte: «Ich war mega grosszügig. Also ein Kind hat eine Story geschrieben und es war eigentlich grammatikalisch war es überhaupt nicht richtig, aber man hat die ganze Geschichte verstanden. Und dann habe ich gedacht, ja wenn sie schon eine ganze schreibt, korrigiere ich es nicht. Und sie hat es erzählt und die Kinder haben die Geschichte verstanden. Aber vielleicht könnte man es im Nachhinein mit ihr zusammen anschauen, dass sie etwas mitnimmt.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 134). Die Lehrper‐ sonen waren sich bewusst, dass das Korrekturverhalten im CLIL-Unterricht, wie auch sonst im Englischunterricht, situativ vom Kontext abhängt. 274 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="274"?> Positive BG-Lernerlebnisse Dieser Code bezieht sich auf positive BG-Lernerlebnisse, die die Lehrpersonen aufgrund Beobachtungen im Unterricht und bei Betrachtung der bildnerischen Produkte ihrer Lernenden wahrnehmen konnten. Während den Gruppendis‐ kussionen verwiesen sie immer wieder auf verschiedene Bildbeispiele, die ihren Augen das Gelernte illustrieren. In der 3./ 4. Klasse im Zusammenhang mit dem CLIL-Modul I lobten die Lehrpersonen ihre Kinder für ihre Kreativität, um das Gezeichnete, das auf den ersten Blick nicht in das vorgegebene Bild von Van Gogh passte, sinnvoll im Bild zu platzieren. Zudem beobachteten die Lehrpersonen, dass die Kinder die Veränderungen der Bilder nach einem bestimmten Adjektiv erfolgreich umsetzen konnten. Sie staunten, wie die Bilder durch die Veränderung ganz anders wirkten: «Ich glaube eben, sie hätten daran noch lange arbeiten können. Auch da, das Bild scheint wirklich völlig anders.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 96). Die Kinder arbeiteten mit Elan und Ausdauer an dieser finalen Synthese-Aufgabe. Die Bildbeispiele illustrieren anschaulich, dass das Lernziel erreicht sei: Kind fügte zum Beispiel zum Adjektiv ‘strange’ alles auf den Kopf in ihr Bild ein oder ein anderes Kind hatte zum Adjektiv ‘happy’ der Frau im Bild ein glückliches Gesicht aufgesetzt. Weiter wurde mehrmals erwähnt, dass die Bildbetrachtungen die Kinder fasziniert hatten und diese Malstile der Künstler sie für ihre eigenen Bildprozesse inspirierte. Die Lernenden seien bei der Bildbetrachtung fast nicht mehr zu bremsen gewesen - so dass der inhaltliche Austausch teilweise auf Deutsch fortgesetzt werden musste: «Also es war wirklich die Euphorie war nicht zu stoppen. (Lehrpersonen lachen) Ja, dann hat es geplaudert auf Deutsch.» (Lehr‐ person B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 47). Mit Blick auf das CLIL-Modul II wurden die Farbkreationen der Kinder gerühmt: «Die haben ganz viele Farben gekriegt. Ja.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 19). Die gleiche Lehrperson fügte an, dass sie positiv überrascht war, welche Farbassoziationen die Kinder mit verschiedenen Farben in Verbindung bringen konnten. Weiter wurde mehrmals betont, dass viele Kinder das freie, ungegenständ‐ liche Malen mit neuen Farben sehr genossen haben und sich ganz auf diese offene Lernaufgabe einlassen konnten. Ihnen ist es dabei auch gut gelungen, die vorgegebenen Farbstücke von Kandinsky im Bild zu integrieren. Die Lehrperson der 4. Klasse drückte das so aus: «Sie haben sich gerade darauf eingelassen. Was ich schön finde, sie haben hier zum Beispiel die Farben der Originalteile von 275 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="275"?> Kandinsky übernommen und probiert zu kopieren. Also man sieht hier, das ist ein Teil, das ist ein Teil und hier ist ein Teil. Und dann wirklich auch ins Detail oder auch mal grossflächig. Sehr natürlich auch.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 98). Auch die Lehrpersonen der 5./ 6. Klasse verwiesen auf besonders witzige und gelungene Bildprodukte aus dem CLIL-Modul I, die auf dieser Stufe teils mit noch mehr Blick für Details entstanden sind. Eine Lehrperson berichtete von perspektivisch korrekt gezeichneten Gegenständen, die ihre Kinder in das vorgegebene Bild einfügten. Weiter wurden Lernende aus verschiedenen Klassen hervorgehoben, die besonders abstrakte Gegenstände wie ‘electrical waste’ oder eine Neuerfindung wie einen ‘tidy-up crane’ zeichnerisch umsetzten und in das vorgegebene Van Gogh Bild einfügten. Eine Lehrperson meinte dazu: «Ich habe es erklärt und dann, die die das glaub ich voll verstanden haben, die haben dann extrem verrückte Sachen gezeichnet.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 52). Im Hinblick auf das CLIL-Modul II wurden auch hier die vielfältigen Farb‐ kreationen mitsamt ihren Namensgebungen gelobt: «Und haben denen glaub ich auch recht tolle Namen gegeben. Also man kanns nachvollziehen, wenn man das liest und die Farbe sieht, dann passts sehr gut.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 2) Auch hier wurde die Ausdauer der Lernenden gelobt und auf Lernende verwiesen, die noch länger an diesen Bildern arbeiten hätten können. Gleich‐ zeitig gelang es diesen Schüler*innen auch eigeninitiativ ihren Malprozess, aufgrund der zeitlichen Engpässe, abzuschliessen und ihr Bild trotz weissen Stellen gekonnt abzurunden. Eine Lehrperson meinte augenzwinkernd zu einem solchen Bild: «Das könnte ein echter Künstler sein. Also im Museum: 4000 Franken.» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 87) Chancen für CLIL als Fächerfusion Dieser Code umfasst Aussagen zur Fusion dieser beiden Fächer und konzentriert sich darauf, warum Englisch und BG im CLIL-Unterricht besonders gut harmo‐ nieren. Die Lehrpersonen bezogen sich einerseits auf Beobachtungen aus dem Unterricht oder sprachen Chancen dieser Fächerfusion auf konzeptueller Ebene an. Als erstes betonten alle Lehrpersonen, dass in ihren Augen die Qualität der BG-Kompetenzen ihrer Lernenden nicht durch die Fremdsprache beein‐ trächtigt wurden. Sie meinten alle, dass sich die Lernenden ungeachtet der Unterrichtssprache gut auf die BG-Arbeiten einlassen konnten: «Ich würde die Produkte, ich würde sagen, alle sind genau gleich gut als wie wenn es auf 276 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="276"?> Deutsch wäre.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 159) Grund dafür sei auch, dass allfällige fremdsprachliche Verständnisschwierigkeiten für die eigentliche BG-Umsetzung kein grosses Hindernis darstellen würde: «Da kann ich ja trotzdem am Schluss ein Bild machen, auch wenn ich nicht ganz alles verstanden hab.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 153) Laut mehreren Lehrpersonen war die angestrebte Verbindung von Fremd‐ sprache und BG den Kindern im Unterricht stets präsent. Dies kann man daran erkennen, dass in einigen Zeichnungen, ohne dass dies ein Ziel gewesen wäre, die Lernenden englische Begriffe einsetzten. Bei der Betrachtung der Bilder fiel diese Besonderheit den Lehrpersonen auf: «Ja, da ‘messy desk’.» (…) «Das ist da auch schon wieder aufgeschrieben.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 141-143) «Da ist auch ein Teppich mit ‚welcome‘ drauf, oder? Könnte auch ‚Willkommen‘ sein, stimmt, ja.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 144) Zudem, laut verschiedenen Lehrpersonen, konnten die Lernenden dank den BG Inhalten gut in die Fremdsprache eintauchen. Es gelang ihnen zum Beispiel, passende Namen für ihre selbstkreierten Farben zu finden: «Und auch bei dem Farbenmischen, da haben wir eigentlich auch nicht viel geholfen. Sie haben dann einfach gleich auch auf Englisch überlegt. Ja, das fand ich toll, wie das so geklappt hat.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 35). Eine andere Lehrperson machte eine ähnliche Erfahrung im Zusammenhang mit dem Beschreiben von Bildern. Zusätzlich betonte sie erneut, dass die Sprachwahl keinen grossen Unterschied für ihre 5./ 6. Klassenkinder machte: «Bei mir fand ich es mega spannend, wie sie über die Bilder gesprochen haben. Und das hat wirklich gut funktioniert auf Englisch, ein Bild zu beschreiben in diesen vier Schritten. Das hab ich vorher mal kurz auf Deutsch probiert, weil ich wusste, das kommt. Und schon da funktionierte es eigentlich gut und dann auf Englisch eben auch.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 14). Diese Verbindung von BG und Englisch hätte daher gut funktioniert, da BG auch aus sprachlicher Sicht eine gewisse Offenheit zulässt. Die Lernenden könnten selber bestimmen, was, wie und wie viel sie kommunizierten: «Und das war wie offener, da konnten sie, fand ich, konnten sie die Verbindung zwischen etwas zeichnen und anordnen und darüber sprechen einfacher. Weil es waren Gegenstände oder Sachen, die sie zuhause auch haben. Das war einfacher für gewisse, da war die Verbindung einfacher.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 211). Die Sprache kann auf die in den Bildern vor‐ kommenden Farben, Formen und Gegenständen individuell angepasst werden und die Kinder teilen das mit, was sie bereits wüssten. Dadurch liessen sich alltägliche Gegenstände oder Wortschatz, den die Lernenden bereits explizit 277 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="277"?> im Fach Englisch aufgebaut hatten, in einem neuen Kontext anwenden. Dieser bewusste Aha-Moment der Kinder, dass das Gelernte aus dem Fach Englisch in einem neuen Zusammenhang verwendet werden konnte, beschrieb die 3./ 4. Klassenlehrperson so: «Das kommt jetzt plötzlich so im Zeichnen vor: Ah, das kennen wir ja schon! Ah ja, das ist ja super. Also, dass sie das merken. Ja.» (Lehr‐ person A, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 261) Eine andere Lehrperson drückte diese offene, flexible Sprachverwendung in folgenden Worten aus: «Ich finde eigentlich BG das perfekte Fach dafür. Es eignet sich jetzt mehr als zum Beispiel NMG (Anmerkung: NMG = Unterrichtsfach ‘Natur-Mensch-Gesellschaft’), weil dort manchmal zu spezifische Begriffe gefragt sind und da halt irgendwie nicht, weil es so fantasievoll ist.» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 288) Die meisten Lehrpersonen konnten zudem eine hohe Motivation bei vielen ihrer Lernenden beobachten. Sie erkannten das Interesse für diese CLIL-Module an den Rückmeldungen oder an der hohen Beteiligung der Lernenden im Unterricht. Dafür verantwortlich machten sie in erster Linie der Neuigkeitswert dieser Unterrichtsform: «Also bei mir waren die Kinder sehr motiviert für die ganze Idee, dass mal zu kombinieren.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 4) Während in einigen Klassen die Motivation zu Beginn sehr hoch war, beschrieben andere Lehrpersonen das Gegenteil. Demnach dass ihre Lernenden nach anfänglicher Zurückhaltung und Skepsis, diese CLIL-Umsetzung mit zunehmender Vertrautheit immer mehr geschätzt hätten: «Und er hat da auch bei der Auswertung geschrieben, am Anfang war es schlimm eigentlich das BG auf Englisch zu haben, aber dann am Schluss war es cool.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 69) Und sie fügte in einem späteren Zeitpunkt zur selben Thematik an: «Ja, also ich würde das wieder machen auch so mit einer Einheit und ich habe auch gemerkt, man muss auch einfach ein bisschen vertrauen, dass es klappen könnte. Ich war am Anfang eher skeptisch, geht das überhaupt. Und ja, wenn sie sich an das Setting gewöhnt haben, finde ich, hat das sehr gut geklappt.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 290) Chancen für CLIL im Allgemeinen Dieser Code fasst Ansichten zu CLIL aus allgemeiner Perspektive zusammen, zum Beispiel von Umsetzungsformen mit anderen Fächern oder von Chancen des bilingualen Unterrichts für das Lernen allgemein. Die Mehrheit der Lehrpersonen äusserten Interesse und Motivation Formen des CLIL-Unterrichts zukünftig auch in andere Fachbereiche auszudehnen, oder brachten gar bereits Erfahrungen mit solchen Umsetzungsformen mit. Sie schätzten neben BG auch Sport, Technisches Gestalten (Werken) oder Mathe als 278 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="278"?> geeignete Fächer für CLIL ein. Eine 5. Klassenlehrperson drückte Interesse aus, CLIL zukünftig auch mit der Zielsprache Französisch auszuprobieren. Lehrpersonen aus beiden Stufen berichteten von Kindern, die explizit nach weiteren Formen von CLIL gefragt hätten. Als Grund für diese Motivation an CLIL im Allgemeinen sei das Verständnis: «Irgendwie im Werken haben sie auch schon gesagt: Können wir nicht auch mal auf Englisch? Und es ist für sie schon…bei meiner Klasse war das grosse Fazit, sie haben wirklich viel verstanden. Ich glaub…das haben sie auch gesagt, das war eigentlich so wie immer. Sie haben es verstanden.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 128) Eine weitere Lehrperson fügte an, dass in einem CLIL-Setting Englisch als echtes Kommunikationsmittel fungiere: «Und ich denke, auch in der Mathe. Sie sehen einfach, Englisch ist nicht nur im englischen Fach Englisch möglich, sondern überall.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 238) Allgemein beurteilten die Lehrpersonen eine projektartige Umsetzung von CLIL als sehr geeignet, weil dies auch Auflockerung in den Schulalltag bringe. Als essentiell für eine erfolgreiche Umsetzung wurde auch die Unterstützung seitens der Schulleitung und Eltern genannt. 6.6.2 Lernen im CLIL-Unterricht als Chance: Sicht der Lernenden Auch die case pupils äusserten sich in den kurzen Interviews zu Chancen hinsichtlich des dualen Lernens im CLIL-Unterricht. Diese 134 Codings wurden von den beiden Raterinnen mit zuverlässigen 74.90% Übereinstimmung in dieselben fünf Kategorien zugeordnet. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Neuer Zugang zu Englisch + 21 72.73 % Englisch-Lernerlebnisse + 48 71.26 % BG-Lernerlebnisse + 23 82.93 % CLIL mit Englisch und BG + 37 72.46 % CLIL allgemein + 5 100.00 % Total 134 74.90 % Tabelle 35: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Lernen als Chance’ seitens Lernende 279 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="279"?> Neuer Zugang zum Englisch als Chance Verschiedene case pupils fanden, dass sie im CLIL-Unterricht mehr sprechen würden, als im herkömmlichen Englischunterricht: «Also, ehm, man spricht einfach so irgendwie viel mehr Englisch als halt sonst im Englischunterricht, finde ich.» (Case pupil H1, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 37) Grund dafür seien andere, alltagsnähere Themen als jene, die im Lehrmittel vorgegeben werden. Dasselbe Kind drückte das so aus: «Da geht es jetzt halt viel um Farben und so. Dann spricht man halt viel so über Farben und im Englischunterricht halt über die Unité, und so.» Ein weiterer case pupil nannte in diesem Zusam‐ menhang auch den Vorteil des neuen Wortschatzes, der sich im natürlichen CLIL-Unterricht ergebe: «Also, es war zum Teil schon ein bisschen schwierig, aber man konnte ja dadurch ein bisschen etwas dazulernen. Und nicht immer nur die Wörtchen lernen, die man sonst hat und so. Das fand ich cool. Und es war gut machbar.» (Case pupil C3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 33) Zwei case pupils sprachen zudem von mehr Freude und Lust, wenn man Englisch in einem anderen Kontext verwenden könne als nur im Englischun‐ terricht: «Also eigentlich hab ich manchmal hab ich nicht so Lust (Anmerkung: auf Englisch), aber finde es dann gleich recht cool zu reden.» (Case pupil E1, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 27) Zwei weitere case pupils beschrieben das Sprechen auf Englisch in einem anderen Kontext als positiv anders, als im normalen Englischunterricht. Ausserdem verglichen die drei case pupils der 5./ 6. Klasse den CLIL-Unter‐ richt zum Englischunterricht in Bezug auf Fehler. Sie meinten, dass ihnen wahrscheinlich im CLIL-Unterricht häufiger Fehler unterlaufen würden, weil sie die Wörter noch nicht so intensiv gelernt hätten. Jedoch waren sie sich einig, dass solche Fehler im CLIL-Unterricht auch weniger gravierend als im Englischunterricht seien: «Also ich find jetzt hier ists für mich nicht so schlimm wie im Englischunterricht, weil im Englischunterricht muss man manchmal die Wörter lernen und dann ist es ein bisschen blöd, wenn man die nicht gelernt hat. Aber jetzt, wir haben ja nicht irgendwie Hausaufgaben bekommen das zu lernen. Und darum finde ich das nun nicht so schlimm.» (Case pupil H3, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 43) Mittels Fragebogen im Rahmen des CLIL-Modul II wurden die Lernenden befragt, ob ihnen das Englisch sprechen einfacher ginge als im normalen Englischunterricht. Aufgeteilt auf die Leistungsgruppen antworteten die rund 150 Kinder aller Stufen direkt im Anschluss an jede Doppelstunde (DL) folgen‐ dermassen: 280 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="280"?> «Im BG-Englisch fällt es mir einfacher Englisch zu sprechen als im normalen Englischunterricht.» Stimmt Stimmt eher Stimmt eher nicht Stimmt nicht Level schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 22% 19% 16% 44% 38% 34% 19% 26% 34% 16% 13% 16% 3.DL 50% 30% 22% 22% 23% 16% 19% 16% 32% 6% 26% 28% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 3 (1.DL) / 5 (3.DL) Tabelle 36: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zur Schwierigkeit von Sprechen im CLIL-Modul II Während die meisten der lernschwachen Schüler*innen nach der 1. Doppelstunde die Antwort ‘stimmt eher’ wählten (44 %), befand die Mehrheit nach der 3. Doppelstunde, dass die Aussage ‘stimmt’ am besten für sie zutreffe (50 %). Somit sind am Ende des CLIL-Moduls II über doppelt so viele Lernende als zu Beginn der vollen Überzeugung (Antwort: ‘stimmt’), dass das Sprechen im CLIL-Unterricht einfacher geht als im Englischunterricht (dunkelgrüne Markierung). Das Antwortverhalten bei den lernstarken Kindern ist ausgewogener. Nach der ersten Doppelstunde bejahte die Hälfte der lernstarken Schüler*innen diese Aussage (eher), die andere Hälfte vereinte sie (eher). Nach der 3. Doppelstunde stimmten noch knapp 40 % dieser Aussage (eher) zu, die Mehrheit (60 %) hingegen nicht mehr (gelbe Markierung). Bei den mittelstarken Lernenden sind es bei beiden Befragungszeitpunkten rund die Hälfte, die dieser Aussage (eher) zustimmen. Ihre Ansichten ver‐ schieben sich jedoch über die zwei Befragungszeitpunkte hinweg an die zwei extremen Enden. Die anzahlmässig grösste Gruppe der durchschnittlichen Lernenden war demnach zweigeteilt: 30 % fanden, dass das Sprechen nach der 3. Doppelstunde einfacher ging, 26 % tendierten dazu dies zu verneinen (hellgrüne Markierung). Insgesamt stimmten 72 % der lernschwachen Kinder am Schluss, nach der 3. Doppelstunde des CLIL-Modul II, dieser Aussage eher oder ganz zu. Dies sind deutlich mehr als die mittelstarken Lernenden mit 53 % und die starken Lernenden mit 38 %. Positive Englisch-Lernerlebnisse Alle case pupils äusserten sich auf die Frage, wie viel sie im CLIL-Unterricht ver‐ standen hätten, zuversichtlich. Insbesondere die lernstarken und mittelstarken case pupils versicherten alle, dass sie alles oder das meiste gut verstanden hätten. Auch die lernschwachen Kinder gaben positive Rückmeldungen und teilten 281 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="281"?> mit, dass sie im Grossen und Ganzen dem Unterricht folgen konnten. Einige case pupils formulierten gar einen Lernfortschritt: «Ich habe irgendwie heute gefunden, jetzt habe ich mehr verstanden als letztes Mal mit der Geschichte. Das habe ich nicht ganz verstanden und es ging besser heute.» (Case pupil E1, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 17) Mit Blick auf die Fragebogen zu den Ergebnissen bezüglich des Verständnisses im Anschluss an die beiden CLIL-Module, wurden die obigen Aussagen bestätigt. «Ich konnte dem Unterricht folgen und habe das Meiste verstanden.» Ja Eher ja Eher nein nein Level schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark CLIL I 18% 22% 53% 59% 65% 47% 18% 10% 0% 3% 0% 0% CLIL II 44% 61% 62% 34% 30% 28% 19% 7% 8% 0% 0% 0% CLIL I: N = 147 Lernschwache: n = 34 Mittelstarke: n = 68 Lernstarke: 45 k.A.: n = 2 CLIL II: N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: 50 k.A.: n = 3 Tabelle 37: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Verständnis im CLIL nach dem Modul I und II Gemäss den dunkelgrün eingefärbten Werten stimmten dieser Aussage am ersten 100 %, am zweiten Befragungszeitpunkt 90 % der lernstarken Schüler*innen (eher) zu. Auch rund 90 % der mittelstarken Kinder pflichteten dem mit einem ‘ja’ oder ‘eher ja’ bei. Ebenfalls über dreiviertel der lernschwa‐ chen Kinder (77 % respektive 78 %) zeigten bei beiden Befragungszeitpunkten Zuversicht bezüglich ihres Verständnisses im CLIL-Unterricht (hellgrüne Mar‐ kierung). Von den rund 150 Befragten waren es in absoluten Zahlen 6 lern‐ schwache und weitere 6, respektive 4 mittelstarke Schüler*innen, die an beiden Befragungszeitpunkten angaben, dass sie dem Unterricht eher nicht folgen konnten. Nur ein leistungsschwacher Lernender antwortete mit ‘nein’ nach dem ersten CLIL-Modul (rote Markierung). Vergleicht man die Antworten der einzelnen Leistungsgruppen des CLIL-Moduls I mit denen des CLIL-Mo‐ duls II, so ist zwischen den zwei Befragungszeitpunkten ein Zuwachs bei den ‘ja’-Antworten bei allen drei Leistungsgruppen - besonders deutlich bei den lernschwachen und mittelstarken Lernenden - zu erkennen. Diese Werte verdeutlichen, dass die grosse Mehrheit der Lernenden dem CLIL-Unterricht folgen konnte und ein beachtlicher Anteil der Lernenden das Verständnis im Rahmen des CLIL-Modul II als besser beschrieben als im CLIL-Modul I. In Bezug auf die produktiven Sprachkompetenzen meinten die lernstarken und mittelstarken case pupils, dass ihnen das Sprechen auf Englisch gelungen 282 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="282"?> sei. Sie konnten fast alles auf Englisch mitteilen. Mehrmals betonten sie, dass das Sprechen mit der Zeit besser ging: «Also, ich glaube, gut. Am Anfang nicht so, aber dann so nach einer halben Stunde oder so ist es einfach. Ich habe auch sonst im Schulzimmer mehrheitlich Englisch gesprochen.» (Case pupil H3, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 18) In diesem Zusammenhang wurden auch die Präsentationen, somit die ausgedehnteren Sprechanlässe, erwähnt, die sowohl den lernstarken als auch mittelstarken case pupils keine Probleme bereiteten. Ein lernschwacher case pupil war der Ansicht, dass das Englischsprechen zwar nicht ganz einfach sei, aber grundsätzlich im CLIL-Unterricht möglich war: «Also ich spreche jetzt nicht so gerne Englisch, aber es geht.» (Case pupil H1, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 24) Als drittes oft genanntes Lernerlebnis im Englisch waren Aussagen zum Wortschatz. Auf die offene Frage, was sie denn nun neu gelernt hätten, nannten alle Lernenden Wörter oder Wendungen, die sie im CLIL-Unterricht kennen‐ lernen konnten. Von spezifischem Wortschatz für das Beschreiben ihrer Bilder (z. B. galaxy, shooting star, turtle, …) bis hin über themenrelevante Ausdrücke vorgegeben durch das Aufgabenset (z. B. tidy up, messy, same colour, same size, the other parts, quit, to be fed up with, …). Aber auch alltagsbezogener Wortschatz, wie zum Beispiel verschiedene Adjektive, wurden als nützlicher Lerninhalt erkannt: «Ja, viele von den Adjektiven, wahrscheinlich haben wir sie schon einmal gelernt. Aber man hat sie wieder vergessen, jetzt sind sie wieder neu und frisch für die 6. Klasse.» (Case pupil H3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 14) Positive BG-Lernerlebnisse Auf die Frage, was die Lernenden gelernt hätten, kamen zuerst meistens Beispiele aus dem Fach Englisch und erst auf Nachdruck Lernerlebnisse mit Bezug zum BG. Am meisten wurde auf die Künstler wie Ursus Wehrli oder Edward Hopper verwiesen, die sie im Rahmen des ersten CLIL-Moduls ken‐ nenlernten: «Ähm ich fand auch noch cool halt dort, dass wir mehr über die Künstler lernten.» (Case pupil H3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 12) Die Lernenden konnten Fakten über das Leben dieser Künstler oder Eigenschaften deren Kunstwerke aufzählen. Der folgende Kurzdialog zeigt, wie alle drei case pupils die Bilder von Edward Hopper treffend charakterisieren konnten: I: Jetzt habt ihr Wehrli kennengelernt und jetzt einen neuen Künstler: Edward Hopper, was habt ihr… E3: Er macht einsame Bilder. E2: Ein bisschen traurige. E1: Dunkel. (Case pupils E1-E3, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeilen 8-11) 283 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="283"?> In diesen Zusammenhang lernten sie auch, gemäss Aussagen mehrerer case pupils, die Bildwirkung zu verändern: «Ich habe heute gelernt, wie man aus einem langweiligen Bild ein richtig, richtig lustiges kann machen.» (Case pupil C2, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 16) Ein weiteres Kind nahm Bezug auf das Lernziel der Bildbeschrei‐ bungen: «Also ich fand gut, dass wir Bilder so lernten beschreiben. Dass wir auch so Hilfen an der Wandtafel hatten, weil es sonst, wusste ich nicht, wie ich so ein Bild beschreiben sollte.» (Case pupil H2, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 11) In Bezug auf das CLIL-Modul wurde das Farbenmischen im Zusammenhang mit dem Werkmaterial Neocolor als weiteres Lernerlebnis erwähnt: «Dass man mit den Neocolor Farben mischen kann, das wusste ich nicht.» (Case pupil H2, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 21) Chancen für CLIL als Fächerfusion Die Fächerfusion schien allen case pupils zu gefallen: «Super! Ich liebe Eng‐ lisch-BG. Und mir macht es echt viel Spass, wenn wir das machen. Ja.» (Case pupil C3, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 2) «Also, ich fand es eigentlich cool mal zwei Fächer zu kombinieren. Und es ist auch irgendwie eine andere Art BG zu machen.» (Case pupil E2, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 6) Diese positive Grundeinstellung gegenüber der Fächerfusion bestätigt auch die Fragebogenumfrage: «Mir gefiel der BG-Englisch Unterricht.» Ja Eher ja Eher nein nein Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark CLIL I 44% 49% 49% 35% 47% 40% 15% 4% 11% 3% 0% 0% CLIL II 66% 57% 64% 19% 35% 18% 13% 6% 16% 0% 0% 0% CLIL I: N = 147 Lernschwache: n = 34 Mittelstarke: n = 68 Lernstarke: 45 k.A.: n = 1 CLIL II: N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: 50 k.A.: n = 4 Tabelle 38: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Gefallen von CLIL nach dem Modul I und II Rund Vierfünftel aller Lernenden, bei der Gruppe der mittelstarken Kinder sogar rund 94 %, stimmten dieser Aussage mit ‘ja’ oder ‘eher ja’ an beiden Erhe‐ bungszeitpunkten am Ende der beiden CLIL-Module zu (grüne Markierungen). Während den lernschwachen Kindern das CLIL-Modul II (eher) besser gefiel (CLIL I: 79 % vs. CLIL II: 85 %); schien bei den lernstarken (CLIL I: 89 % vs. 284 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="284"?> CLIL II: 82 %) und mittelstarken Schüler*innen (CLIL I: 96 % vs. CLIL II: 92 %) das CLIL-Modul I (eher) beliebter zu sein. Die Antworten der Lernenden, denen die CLIL-Module eher nicht gefielen, sind in der deutlichen Minderheit und blieben über die beiden Befragungen hinweg mehrheitlich konstant. Von den rund 150 Befragten wählte nur ein lernschwaches Kind die Antwort ‘nein’ und teilte folglich mit, dass ihm das CLIL-Modul I nicht gefiel. Auf die Interviewfrage, ob sie denn den Unterricht durch die Anwesenheit von Englisch nicht zu schwierig fanden, verneinte die Mehrheit der case pupils. Mehrmals beteuerten sie, dass das CLIL nach einer gewissen Angewöhnungs‐ zeit, auch mit zunehmendem Fortschritt im Englisch, immer besser geht: «Man gewöhnt sich irgendwie dran, dass das jetzt schon die zweite Lektion ist, dass wir das schon im Herbst gemacht haben und man ist wieder etwas mehr ins Thema ‘reingeschüpft’ worden und jetzt, ja, hab ich mich wieder daran gewöhnt.» (Case pupil E2, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 15) Das von diesem case pupil erwähnte Thema, in das man ‘reinkommen’ muss und das sich bewusst wie ein roter Faden durch das gesamte CLIL-Modul hindurchzieht, wurde von mehreren im Interview angesprochen. Die damit in Verbindung stehenden thematischen Zusammenhänge wurden demnach von mehreren case pupils erkannt. Die Frage, ob der Unterricht durch die Anwesenheit von Englisch streng sei, wurde bei der Fragebogenumfrage allen Lernenden im Rahmen des CLIL-Modul II gestellt. In der nachfolgenden Übersicht sind die Antworten nach der ersten und letzten Doppelstunde (DL) einzusehen. Sie decken sich stark mit den oben dokumentierten Befunden aus den Gruppeninterviews. «Ich fand den Unterricht, weil er auf Englisch ist, anstrengend.» Ja Eher ja Eher nein nein Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 25% 13% 6% 34% 22% 22% 25% 29% 24% 16% 32% 48% 3.DL 13% 19% 8% 44% 19% 16% 16% 14% 28% 25% 45% 46% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 59 k.A.: n = 3 (1.DL) / 4 (3.DL) Tabelle 39: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Anstrengungsempfinden (positiv) im CLIL-Modul II An beiden Befragungszeitpunkten schätzten knapp dreiviertel (72 % respektive 74 %) der lernstarken Kinder das CLIL-Modul als (eher) nicht anstrengend ein (hellgrüne Markierung). Ebenfalls rund 62 % respektive 59 % der mittel‐ 285 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="285"?> 36 Hinsichtlich der Tatsache, dass die Mehrheit der lernschwachen Schüler*innen die CLIL-Module als anstrengend einschätzen, wird dieser Aspekt im Abschnitt ‘Neuer Zugang zum Englisch als Herausforderung’ nochmals aufgegriffen starken Schüler*innen verneinten (eher), dass der CLIL-Unterricht aufgrund des Englisch anstrengend war (dunkelgrüne Markierungen). Am Ende des CLIL-Modul II, bei der Befragung nach der 3. Doppelstunde, waren es bei den lernschwachen Kindern mit 41 % die Minderheit, die das CLIL-Modul als (eher) nicht anstrengend bezeichneten, 57 % von ihnen empfanden es hingegen als (eher) anstrengend. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich bei dieser Leistungsgruppe das Anstrengungsempfinden am stärksten veränderte: Die ‘ja’-Antworten nach der ersten Doppelstunde nahmen zugunsten der posi‐ tiveren Einschätzungen ausgedrückt durch ‘eher ja’ oder gar zu ‘nein’ deutlich ab (gelbe Markierung). 36 In der Fächerfusion schienen die Lernenden auch ganz bewusst die Anwe‐ senheit der beiden Fächer zu ihrem Vorteil wahrzunehmen. Ein lernschwacher case pupil drückte das im Interview so aus: «Hmm, also Englisch sprech ich manchmal nicht so gern, aber dafür ist das BG cool zum Machen. Und dann mach ich gleich gut mit.» (Case pupil E1, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 21) Im selben Interview fügte ein weiterer case pupil an, dass die Anwesenheit von BG im CLIL die Motivation für das Englische ankurble: «Der Vorteil, find ich, ist, wenn man…, BG ist für die meisten Kinder wahrscheinlich das wo mehr ist, cooler ist als Englisch. Und dann freut man sich wie auch noch ein bisschen mehr als aufs Englisch.» (Case pupil E2, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 22) Drei case pupils fanden, dass die Anteile der beiden Fächer über das Ganze Module gesehen gut gelungen sei, auch wenn manchmal mehr Englisch, ein anderes Mal mehr BG im Vordergrund stand: «Ich finde, wir haben genug von beiden gehabt.» (Case pupil C2, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 28) Schliesslich wurde nach dem CLIL-Modul I mittels Fragebogen bei allen Lernenden nachgefragt, ob sich diese Fächerfusion auch für ihr Lernen be‐ währte. Konkret sollten die Lernenden einschätzen, ob sie im CLIL-Unterricht (für die bessere Verständlichkeit formuliert als ‘BG-Unterricht auf Englisch’) gleich viel lernten, wie wenn die beiden Fächer separat, demnach das BG auf Deutsch, stattfinden würden. In folgender Übersicht sind die Antworten zusammengefasst. 286 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="286"?> 37 Weil aber dennoch eine beachtliche Anzahl von Lernenden überzeugt war, in diesem Setting weniger zu lernen oder sich dazu keine Meinung bilden konnte, wird auf diese Thematik nochmals im Abschnitt ‘Grenzen des CLIL als Fächerfusion’ eingegangen. «Ich lernte im BG-Unterricht auf Englisch gleich viel, wie wenn er auf Deutsch stattgefunden hätte.» Ich lerne gleichviel. Ich lerne mehr. Ich lerne weniger. Ich weiss es nicht. Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark CLIL I 29% 41% 33% 26% 29% 42% 21% 16% 9% 21% 12% 13% N = 147 Lernschwache: n = 34 Mittelstarke: n = 68 Lernstarke: n = 45 k.A.: n = 3 Tabelle 40: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Lernfortschritt (positiv) nach dem CLIL-Modul I Rund 70 % der mittel- und 75 % lernstarken Schüler*innen glaubten, dass sie in diesem Setting gleichviel oder gar mehr lernen würden (dunkelgrüne Markierung). Während die meisten der mittelstarken Kinder glaubten gleich viel zu lernen, meinten die lernstarken Kinder, dass sie in diesem Setting mehr lernen würden. Auch 55 % der lernschwachen Kinder waren überzeugt, dass sie in dieser Fächerfusion gleichviel oder mehr lernten (hellgrüne Markierung). Ein Grund für diese überwiegend positiven Einschätzungen, wie verschiedene Kinder in zusätzlichen Kommentaren angaben, sei die Fächerfusion und den damit verbundenen Vorteil, dass man parallel an Inhalten aus zwei Fächern arbeiten würde. Andere betrachteten dieses Projekt eher als eine spezielle Variante des BG-Unterrichts, bei dem «Englisch noch oben drauf» käme. So oder so, die deutliche Mehrheit aller Lernenden beurteilte den CLIL-Unterricht als ein lernanregendes Setting. 37 Chancen für CLIL im Allgemeinen Mehrere case pupils bezeichneten CLIL als eine interessante Abwechslung im Stundenplan und einer wünschte es sich auch in Kombination mit weiteren Fächern wie im Sport- oder Schwimmunterricht. Andere betrachteten das CLIL-Lernen als Chancen für das Englisch lernen als solches: «Also ich denke, durch das wir ja Englisch gesprochen haben, wenn man das auch in anderen Fächern machen würde, würde halt man viel mehr Englisch lernen.» (Case pupil E3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 30). Dies wiederum würde allfällige Aufenthalte im Ausland oder den zukünftigen Englischunterricht auf der Sekun‐ darstufe erleichtern: «Ich denke auch, dass es für die Zukunft für die ORS oder im Kollegi (Anmerkung: Sekundarstufe oder Gymnasium) ähm, ein bisschen 287 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="287"?> mehr hilft, immer, also ein bisschen mehr Englisch zu sprechen.» (Case pupil E1, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 31) 6.6.3 Grenzen des Lernens im CLIL-Unterricht: Sicht der Lehrpersonen Wie jede Form von Unterricht bringt auch CLIL Herausforderungen mit sich. In Bezug auf das CLIL-Lernen werden diese Herausforderungen nachfolgend in gleicher Weise entlang der bereits bekannten fünf Kategorien vorgestellt. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Neuer Zugang zu Englisch - 16 55.56 % Englisch-Lernerlebnisse - 28 73.33 % BG-Lernerlebnisse - 23 60.00 % CLIL mit Englisch und BG - 59 69.09 % CLIL allgemein - 6 75.00 % Total 132 66.91 % Tabelle 41: Übersicht der Code-Gruppe ‘Herausforderungen des Lernens im CLIL’ seitens Lehrpersonen Die 132 codierten Stellen, die Herausforderungen beschreiben, wurden von den beiden Codiererinnen gesamthaft mit einer Übereinstimmung von 66.91% geratet. Ein Blick in die Daten zu jenen Codes, bei denen die Reliabilitätswerte unzureichend sind, verdeutlicht erneut, dass die hier vorgenommene hoch-in‐ ferente Codierung auf einem Kategoriensystem beruht, das in subtiler Weise die verschiedenen Facetten des CLIL-Lernens abbilden möchte, die aber teilweise zueinander schwierig abgrenzbar sind. Zudem zeigt sich im Datenmaterial, dass zusätzlich zur Komplexität der mündlichen Sprache insbesondere bei den negativ konnotierten Aussagen oft ergänzend zu einer Herausforderung etwas Positives angefügt wurde. Dies erschwert eine eindeutige Zuteilung weiter, wie das nachfolgende Beispiel illustriert: «Das war halt wieder von der Sprache her schwierig, aber einige haben trotzdem so geschafft und es war und so in diese Richtung und das fand ich wirklich auch spannend.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 55) 288 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="288"?> Die tiefen Reliabilitätswerte haben dazu geführt, dass die codierten Text‐ stellen beider Codiererinnen im Rahmen dieser Ergebnispräsentation nochmals eingehend betrachtet wurden, um sicherzustellen, dass keine wichtigen Aus‐ sagen verloren gingen. Infolgedessen müssen die nachfolgend präsentierten Ergebnisse zwar mit der nötigen Vorsicht interpretiert werden, insgesamt sind jedoch alle die von beiden Codiererinnen als wichtig empfundenen Aussagen vertreten. Neuer Zugang zum Englisch als Herausforderung In der 3./ 4. Klasse schien die Fremdsprache eine Hemmschwelle für die Kinder zu sein. Dies zeigte sich zum Beispiel in der anfänglichen Skepsis und Zurück‐ haltung gegenüber diesen CLIL-Modulen: «Sie sind ein bisschen zurückhaltend gewesen: Warum jetzt Englisch im BG? Das war für sie ein bisschen diese Haltung.» (Lehrperson B, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 7) Die 4. Klassenlehr‐ person doppelte nach: «’Oh nein, jetzt noch Englisch im BG! ‘ Und da war ich ein bisschen überrascht, dass sie so reagierten.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 6). Im Unterricht zeigte sich dieses Hindernis der Sprache vor allem dann, wenn die Lernenden etwas spontan mitteilen wollten oder sollten. Dann blieben einige Kinder der Klasse stecken: «Das war immer so ein Rausziehen, irgendwie. Nicht bei allen, aber bei einigen. Ja.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 8) Und schliesslich wurde in der 3./ 4. Klasse beobachtet, dass die Lernenden beim Eintauchen in ein Thema die Zielsprache als hintergründig betrachteten: «Ehm, sie hätten allerdings viel gewusst jetzt rein von den zwei Jahren Englisch, die sie schon gehabt haben, aber es ist dann irgendwie die Euphorie der Farbenmischung hat völlig sie überwältigt, dass sie die / das Englische völlig in den Hintergrund rücken mussten.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 31). Auch in der 5./ 6. Klasse wurde beobachtet, dass die Lernenden die Verwen‐ dung der englischen Sprache in Situationen mit grossem Mitteilungsdrang vergassen: «Aber / obwohl sie es könnten, vergessen sies glaub erst. Nicht dass sie es nicht wollen, aber sie vergessen es in dem Moment tatsächlich, weil jetzt der Drang, das zu sagen, was ich jetzt gerade da sehe…» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 193). Zudem wurde von drei Lehrpersonen der 5./ 6. Klasse beobachtet, dass die Lernenden es als seltsam und unnatürlich empfanden, wenn sie mit ihren Freunden auf Englisch kommunizieren sollten: «’Wir verstehen ja doch beide Schweizerdeutsch, warum sprechen wir Englisch miteinander? ’ Eher das, oder? » (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 131) Die gleiche Lehrperson ergänzte ihre Aussage mit einer weiteren ähnlichen Beobachtung im Nachgang 289 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="289"?> des CLIL-Moduls II: «Dann aber manchmal sprechen sie mit mir dann auch Englisch. Und ‘switchen’ in der nächsten Sekunde schon wieder auf Schweizer‐ deutsch, weil sie dann mit irgendjemand anderen sprechen. Und dann, also es passiert wahnsinnig schnell im Kopf, aber es ist wie noch das: ‘Ja wir verstehen uns ja auch anders, wir müssen ja nicht auf Englisch’.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 197). Herausfordernde Englisch-Lernerlebnisse Aus Sicht der 3./ 4. Klassenlehrpersonen fehlten den jüngeren Kindern ein basaler Wortschatz, um sich auf Englisch auszudrücken. Elementare Wörter wie Formen oder Adjektive und einfache Strukturen wie there is / there are für die Beschreibung von Bildern kannten die Sprachanfänger noch nicht: «Also diese IDEA-Methode, die Bildbeschreibung, das war für meine 3. Klässler (…), also das ging eigentlich nicht.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 165). Diese fehlenden Strukturen müssten vorgängig oder parallel zum CLIL-Modul in dafür eigens vorgesehenen Englischlektionen aufgebaut werden. Dies wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem CLIL-Modul I bemängelt, weil dieses erste Modul im Schuljahr so früh angesetzt war, dass diese Grundkenntnisse noch nicht im Englischunterricht aufgebaut werden konnten. Eine weitere 4. Klassenlehrperson ergänzte diese Beobachtung mit einem konkreten Bei‐ spiel: «Auch mit den ‚shapes‘. Wir hatten / die können ‚circle‘, kannten sie, aber alles andere ‚triangle‘ und…Die Guten haben es drin, aber so die Schwächeren, die brauchen das Training, so die Strukturen…und ‚on the right‘, ‚on the left‘. » (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 106). Das Sprechen wurde vor allem für die lernschwächeren Schüler*innen der 3./ 4. Klasse als grosse Herausforderung betrachtet und erneut wurde betont, dass die Kinder halt auf Deutsch weitergesprochen hätten, wenn sie sich zu komplexeren Themen mitteilen wollten. Weiter wurde auch das Vortragen, respektive das Vorlesen der eigenen Briefe am Schluss der Syntheseaufgabe für lernschwache Kinder als grosse Schwierigkeit empfunden. Auch das detaillierte Hörverstehen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bilderbuchgeschichte im CLIL-Modul II, beurteilten mehrere 3./ 4. Klassenlehr‐ personen für gewisse Kinder als sehr anspruchsvoll. Die Hauptaussagen hätten wahrscheinlich die meisten mitbekommen, doch dann den lustigen Aspekt oder Witz der Geschichte nicht. Rund um diese Bilderbuchgeschichte wurde auch das Lesen der teils langen Briefe in Gruppen für viele Kinder als zu schwierig eingestuft. In der 5./ 6. Klasse waren es gemäss Aussagen der Lehrpersonen hauptsächlich die lernschwachen Kinder, die mit den ähnlichen Schwierigkeiten wie die 290 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="290"?> jüngeren Kinder zu kämpfen hatten: der Aufbau des Wortschatzes bräuchte mehr Zeit, das Verstehen des Filmes zu Beginn des CLIL-Modul I war zu schwierig und das Leseverständnis der Briefe war anspruchsvoll. Herausfordernde BG-Lernerlebnisse Im Zusammenhang mit Lernerlebnissen aus dem Fach BG nannten die Lehrper‐ sonen ungeachtet ihrer Stufe drei Herausforderungen. Zum Ersten verwiesen die Lehrpersonen beim Betrachten der Bildprodukte auf verschiedene Schwierigkeiten, die einige Kinder ihrer Klasse Mühe berei‐ teten. Zum Beispiel hatten Kinder die Perspektiven, Grössenverhältnisse oder das überlappende Anordnen beim Collagieren nicht beachtet. Einige Gruppen konnten weniger gelungene Farbmischungen herstellen oder Lernende, die gemäss Einschätzungen der Lehrpersonen, Farbassoziationen nicht bewusst wahrnehmen konnten. Als weitere Herausforderung im Zusammenhang mit der finalen Syntheseaufgabe im CLIL-Modul II wurde das Malen von rein ungegenständlichen Dingen angesehen. Einige Kinder, ungeachtet der Stufe, hatten Mühe mit diesem offenen Auftrag und verfielen gemäss Aussagen der Lehrpersonen immer wieder in das gegenständliche Malen oder trauten sich nicht ganz in die Fantasiewelt einzutauchen, weil ihnen diese Art von Malen fremd war. Zum Zweiten sprachen zwei Lehrpersonen die Eventualität an, dass ihre lernschwachen Kinder den Auftrag allenfalls nicht ganz verstanden hätten und daher bei den bildnerischen Prozessen und Produkten etwas zurückhal‐ tender vorgingen. Die 4. Klassenlehrperson beschrieb ihre Beobachtung folgen‐ dermassen: «Und eher die schwächeren Schüler, die waren, glaub ich, eher etwas unsicher und die haben dann wirklich Sachen gezeichnet, die genau hineinpassen würden. Also, die haben ihre Fantasie eigentlich…oder sich nicht getraut oder waren dann doch nicht sicher: ‘Meint sie es wirklich so? ’ Das hab ich so ein bisschen gemerkt.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 52). Auch in der 5. Klasse wurde etwas Ähnliches beobachtet. Auch da löste sich das lernschwache Kind wenig von dem durch das Bild vorgegebene Thema oder führte einen Auftrag so aus, wie ihn das Kind bereits kannte, ohne sich nicht auf die neue Thematik einzulassen. Drittes stellten die Lehrpersonen fest, dass das Beurteilen der Bildprodukte eine grosse Herausforderung sei. Ob die gesteckten Lernziele im BG nun erreicht seien oder nicht, fanden sie schwierig einzuschätzen. Man versuche ja schon aufgrund der Lernziele objektiv zu bewerten, doch schliesslich sei es sehr anspruchsvoll das subjektive Empfinden ganz auszuschalten. Auch wenn diese Feststellung nicht ausschliesslich für den CLIL-Unterricht gilt, gibt 291 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="291"?> sie Aufschluss über eine weitere Herausforderung, die die Lehrpersonen im Zusammenhang mit dem BG in diesem Setting ausmachten: «Und im BG frag ich mich immer, es ist ja meine Wahrnehmung. Und wie kann ich jetzt so das Bild so werten, (…) (lacht). Oder? (Lehrperson H: Mhm. Genau.) Und beim Englisch gibts halt wie, jetzt hast du das richtige Wort genommen oder nicht. Das ist irgendwie wie klarer.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 327-329). Weitere Herausforderungen in Bezug auf CLIL in der Fächerfusion mit Englisch und BG werden nachfolgend thematisiert. Herausforderungen von CLIL als Fächerfusion Als erstes wurde von verschiedenen Lehrpersonen mehrmals angesprochen, dass diese angestrebte Fächerfusion in den Köpfen der Lernenden nicht als solche wahrgenommen wurde. Die CLIL-Module ersetzten im Stundenplan die eigentlichen BG-Lektionen, somit wurden diese von den Schüler*innen - ebenfalls von der Mehrheit der Lehrpersonen - als in englischer Sprache durchgeführte BG-Lektionen betrachtet: «Ja und dort ist aber vielleicht bei mir auch der Gedanken oder auch bei ihnen, BG mit Englisch kombinieren heisst für sie, oder hiess für sie, glaub ich mehr so: Wir sprechen jetzt im BG einfach Englisch und es ist alles gleich wie vorher. Und da waren sie vielleicht bei mir auch etwas überrascht: Oh, da kommt ja noch mehr dazu.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 13). Das was in diesem Zitat als weitere Veränderung angesprochen wurde, waren zum Beispiel Bildbetrachtungen oder Bildpräsentationen, die in einigen Klassen bis anhin nie in dieser Form stattgefunden hatten. Eine 5./ 6. Klassenlehrperson formulierte das, unterstützt von einer weiteren Lehrperson, pointiert: «Bei mir ist BG meistens: Wir haben eine Aufgabe und alle arbeiten wild durcheinander (Lehrperson F: Bei mir ist das auch so) und wir hören ein bisschen Musik und es ist so…grosses Chaos und es ist bei uns nicht so PH-Konform, sag ich jetzt. Und das war dann für sie so schwierig.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 4). In einigen Klassen wurden daher die Anteile von BG als zu knapp wahrge‐ nommen, insbesondere im ersten CLIL-Modul: «Und sie sagten dann auch, wir haben ja gar nicht gebastelt. Also das war ein bisschen mehr Englisch.» (Lehr‐ person D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 6). In diesem Zusammenhang wurde vor allem auch der Auftakt in das CLIL-Modul I kritisiert, der viel Zuhören und wenig handelnde Aktivitäten involvierte. Deshalb nahmen viele Lernenden die beiden Module mehr als Englischlerngelegenheiten wahr: «Ich glaube bei meinen Schülern ist es wirklich mehr so rübergekommen, wir hatten jetzt zwei Stunden Englisch. Das BG war so ein bisschen zweitranging. Also ich 292 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="292"?> habe nur eine kurze Feedback-Runde ganz am Schluss gemacht. Und sie sind wirklich zuerst Sachen gekommen, ähm, ja: „Ich habe gelernt besser Englisch zu reden.» (Lehrperson F, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 123). Diese hier ausgedrückte Fokussierung der Lernenden auf die Lernziele und Lernfortschritte im Englisch wurden auch von der Forscherin in verschiedenen Situationen festgestellt. Die Lernenden nannten auf die Frage, was sie gelernt hätten, vor allem neue Wörter oder Wendungen auf Englisch, hingegen kaum inhaltliche Lernerlebnisse aus dem BG. Eine Lehrperson nannte als Grund dafür die Tatsache, dass im CLIL-Unterricht die Fremdsprache den Kindern präsenter als die Inhalte des BG seien. Diese dominante Wahrnehmung des Englischen hatte zudem den Nachteil, dass die Durchführung der CLIL-Module für verschiedene Beteiligte als anstren‐ gend betrachtet wurde. Eine 4. Klassenlehrperson formulierte das so: «Und auch für mich selber, es sind andere BG-Lektionen, diese waren mega streng für mich so voll so dabei zu sein und auch Englisch immer das gut zu erklären.» (Lehr‐ person D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 280). Die 5./ 6. Klassenlehrperson bezog in ihrer Aussage auch die Lernenden mit ein: «Und dann diese Konzentration für mich und auch für die Schüler so immer hochzuhalten, war für viele nicht so möglich oder auch mega streng.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 82). Diese zusätzliche Anstrengung könne auch negative Auswirkungen auf die Motivation haben: «Das ist so. Eigentlich / ja / vielleicht nur ein ja Fach wie BG, das dann für jemanden der schwach ist ein tolles, gutes Fach ist und dann kommt Englisch dazu und oh… (lacht)» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 260). Mit Vorsicht sollte daher den Einsatz von solchen CLIL-Modulen eingeplant werden: «Wie gross die Motivation - also bei mir die war jetzt riesig, wirklich, zum da einzutauchen. Und ob sie bleiben würde, wenn mans sehr oft macht? Sei dahingestellt.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 184) Tatsächlich berichteten zwei Lehrpersonen von tiefer Motivation, die sie bei einigen ihrer Schüler*innen feststellen konnten. Eine 5./ 6. Klassenlehrperson bezog sich mit ihrer Aussage auf jene Kinder, die für die beiden CLIL-Fächer ohnehin wenig Motivation aufbringen könnten und im CLIL-Setting dann entsprechend leiden würden: «Ich hatte einen Schüler, der mag BG nicht und der mag Englisch nicht. Er hat geschrieben, er hasst Englisch. Und für den war das jetzt drei Woche Hölle (Lehrpersonen lachen). Und für solche Kinder ist das dann noch viel strenger als es sonst schon ist (lacht). Aber, das sind die Wenigsten.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 132) In einer anderen 5. Klasse wurde im Rahmen des CLIL-Moduls II eine rückgängige Motivation beobachtet. Dafür wurde einerseits das Thema verant‐ 293 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="293"?> wortlich gemacht, das in dieser Klasse nicht bei allen Anklang fand; anderseits der Zeitpunkt im zweiten Semester, der von den Schüler*innen bereits viel abverlangte: «Ja, es ist schon, in der 5. Klasse ist das halt ein wichtiges Semester und dann haben sie wahrscheinlich sonst genug. Dann brauchen sie manchmal das BG so ein bisschen zum Abschalten.» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 234) Herausforderungen von CLIL im Allgemeinen In Bezug auf Herausforderungen mit CLIL losgelöst von den Fächern Englisch und BG nannten die Lehrpersonen etwas, das allgemein als ‘Stundenplan-Den‐ ken’ betitelt wurde. Es bräuchte ein Umdenken bei den Kindern, damit sie auch verstehen, dass es jetzt eben nicht nur um ein Fach, sondern um eine Kombination von zwei Fächer gehe. Dafür bräuchte es aber auch Rückende‐ ckung seitens der Schulleitung, damit sie von solchen stundenplantechnischen Vorgaben wegtreten dürften. Zudem wurde in einer 4. Klasse die Zusammenarbeit mit den Eltern als Schwierigkeit erlebt. Die Eltern jener Klasse waren gegenüber diesem pro‐ jektartigen CLIL skeptisch eingestellt und zeigten Unverständnis gegenüber dem Einbringen der Fremdsprache in anderen Fächern: «Ja, wirklich heftige Reaktionen. Wo ich sagen muss: Okay, ihr seid nicht glücklich schön, aber da musste ich einfach nochmals sagen, Lehrplan 21 darf man das mit Absprache mit der Schulleitung. Darf man es sogar im Sport oder im Werken einsetzen und so weiter. Und sie haben gesagt: Was? ? Jetzt müssen die Schüler selbst noch in anderen Fächern? » (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 200). Auch wenn diese Herausforderung nur von einer Lehrperson erlebt wurde, betonte eine andere Lehrperson die Notwendigkeit eines guten Feingefühls, um abzutasten, in welcher Form und in welchem Umfang an einer Schule oder in einer Klasse CLIL umgesetzt werden kann und soll. 6.6.4 Herausforderungen des Lernens im CLIL-Unterricht: Sicht der Lernenden Auch die Lernenden nannten herausfordernde Themen rund um das Lernen im CLIL-Unterricht. Sie machten Aussagen, die sich in die folgenden Kategorien einordnen liessen: 294 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="294"?> Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Neuer Zugang zu Englisch - 16 62.86 % Englisch-Lernerlebnisse - 44 77.27 % BG-Lernerlebnisse - 12 50.00 % CLIL mit Englisch und BG - 22 71.79 % CLIL allgemein - 0 - Total 94 69.95 % Tabelle 42: Übersicht der Code-Gruppe ‘Herausforderungen des Lernens im CLIL’ seitens Lernenden Die 94 Codings wurden von den beiden Codiererinnen mit einer prozentualen Übereinstimmung von 69.95% in die genannten Kategorien eingeteilt. Um die Gründe für die Werte der beiden Codes unter dem anfänglich genannten Richtwert von 70 % nachvollziehen zu können, wurden die Daten nochmals eingehend betrachtet. Dabei zeigte sich, dass einerseits die kleine Anzahl Co‐ dings für die tiefe Beurteiler-Übereinstimmung beim Code BG-Lernerlebnisse mitverantwortlich ist. Dies weil jede Abweichung stark ins Gewicht fällt. Anderseits erschwerte die teils widersprüchlichen Aussagen der Kinder eine zuverlässige Einteilung in Chancen oder Herausforderungen. Insbesondere bei kritischen Ansichten tendierten die Kinder dazu diese in abschwächender Form mitzuteilen, wie das folgende Beispiel verdeutlich: «Es war manchmal streng und ich verstehe manchmal nicht alles. Aber (…) es ist gegangen eigentlich.“ (Case pupil E1, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 9). Deshalb müssen den Ergebnissen unter dem Richtwert liegend mit der nötigen Vorsicht begegnet werden. Neuer Zugang zum Englisch als Herausforderung In mehreren Interviews sprachen die case pupils davon, dass der CLIL-Unter‐ richt aufgrund der Anwesenheit des Englischen für sie anstrengend war. Auf die Frage, wie der Unterricht für sie so war, meinte ein lernstarker case pupil prompt: «Streng, aber gut.» (Case pupil E3, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 2) Diese Aussage passt zu den bereits präsentierten Ergebnissen der Schü‐ lerbefragung zum Anstrengungsempfinden. Während es bei den lernstarken Schüler*innen mit 24 % (grüne Markierung) und den durchschnittlichen Ler‐ nenden mit 38 % (gelbe Markierung) die Minderheit betraf, so empfand mit 295 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="295"?> 57 % die Mehrheit der lernschwachen Schüler*innen (rote Markierung) den bilingualen Unterricht selbst am zweiten Befragungszeitpunkt, am Ende des CLIL-Modul II, als (eher) anstrengend. «Ich fand den Unterricht, weil er auf Englisch ist, anstrengend.» ja eher ja eher nein nein Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 25% 13% 6% 34% 22% 22% 25% 29% 24% 16% 32% 48% 3.DL 13% 19% 8% 44% 19% 16% 16% 14% 28% 25% 45% 46% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 59 k.A.: n = 3 (1.DL) / 4 (3.DL) Tabelle 43: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Anstrengungsempfinden (negativ) im CLIL-Modul II Als einen Grund für diese erlebte Anstrengung wurde der mangelnde Wort‐ schatz angegeben, der sich vor allem im Bereich Sprechen negativ auswirkte. Ein case pupils aus der 4. Klasse drückte dieses frustrierende Gefühl, wenn man sich in der Fremdsprache nicht ausdrücken kann, wie folgt aus: «Es ist zwar schon schön Englisch zu sprechen, aber manchmal nervt es einem, weil man weiss es auf Deutsch und dann auf Englisch nicht. Und dann, ja.» (Case pupil C1, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 12) Die Antworten wüssten sie eigentlich, aber das Mitteilen im CLIL-Unterricht klappte dann nicht, wie auch dieser case pupil aus der 4. Klasse bestätigte: «Die Wörter zu sagen, wo wir auf Deutsch wüssten, aber nicht auf Englisch wissen. Das war auch sehr schwierig.» (Case pupil D3, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 22) In solchen Situationen würden die Befragten den Unterricht auf Deutsch vorziehen. In einem Interview waren die case pupils zudem überzeugt, dass sie sich aufgrund der Anwesenheit der Fremdsprache auch weniger untereinander austauschen würden: «…und wenn man Deutsch spricht, dann schwatzt man mehr in der Gruppe. Wenn man Englisch spricht, dann denkt man: Ich weiss jetzt nicht wie dieses Wort heisst, ich schwatze lieber nichts.» (Case pupil E2, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 22) In einem anderen Interview nannten die case pupils die Herausforderung, dass man nicht dauernd ins Deutsche kippte: «Die ganze Zeit Englisch sprechen (C1: Ja), weil manchmal sprichst du automatisch Schweizerdeutsch oder Deutsch und dann ja, war es ein bisschen schwierig. (C1 / C2: Ja! )» (Case pupil C3, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeilen 26-27) Ein lernschwaches Kind, unter Beipflichtung des mittelstarken Lerners, fand den CLIL-Unterricht auch im Bereich Zuhören anstrengend: «Also es ist ein 296 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="296"?> wenig anders gewesen, weil ich mehr zuhören musste, weil es auf Englisch war.» (Case pupil E3, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 67) Im Verlaufe des Gesprächs zeigte sich, dass diese case pupils im CLIL-Unterricht konzentrierter, mit Anstrengung verbunden, zuhören mussten. Herausfordernde Englisch-Lernerlebnisse Wenn in den Interviews anspruchsvolle Englisch-Lernerlebnisse genannt wurden, stammten die allermeisten Aussagen von lernschwachen und mittel‐ starken case pupils. Sie bezogen sich in erster Linie auf die Schwierigkeit in der Fremdsprache zu kommunizieren. In mehreren Aussagen wurde dafür, wie bereits zuvor festgestellt, der fehlende Wortschatz verantwortlich gemacht: «Es ist einfach schwierig, wenn du das, ein Wort nicht weisst, dann weisst du nicht / weisst du nicht wie du den Satz sagen kannst.» (Case pupil E2, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 19) Die Präsentation wurde von einem lern‐ schwachen case pupil als anspruchsvoll eingeschätzt. Ein mittelstarkes Kind der 5. Klasse nannte zudem die Schwierigkeit komplexe Sachverhältnisse auf Englisch mitzuteilen: «Mit dem das zu / zu sagen wieso Farben besonders gut passen. Ja erklären, wieso jetzt das zu diesem und so passen. Ja, das finde ich ein bisschen schwierig.» (Case pupil H2, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 33) In zwei Klassen empfanden die lernschwachen case pupils das Schreiben des Briefes am Schluss des CLIL-Modul II schwierig, in einem Interview schloss sich der mittelstarke case pupil dieser Aussage an. Als weitere Herausforderung wurde von einigen Lernenden das Hörver‐ stehen genannt. Die lernstarken und mittelstarken case pupils nannten fast ausschliesslich Verständnisschwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Hör‐ verstehen des ‘TED talk’-Videoinputs im CLIL-Modul I: «Also, ich hab beim Film / er hat halt / den Ursus Wehrli, der hat einfach mega schnell gesprochen. Und bevor, wenn er ein Wort sagte, man darüber nachdenkt, war er irgendwie drei oder vier Sätze weiter schon. Und dann hat man halt den Rest halt noch so verpasst.» (Case pupil H3, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 30) In ähnlicher Weise bereitete anderen lernschwachen und mittelstarken case pupils auch die Bilderbuchgeschichte zum Auftakt des CLIL-Moduls II einige Verständnis‐ schwierigkeiten. «Ich habe es so mittelmässig verstanden.» «Ich auch.» (Case pupils D3 / D2, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeilen 50-51) Die lernschwachen Kinder schätzten zudem weitere Situationen im Unter‐ richt als schwierig verständlich ein: «Also. Also eigentlich wusste ich, was ich machen musste, aber einfach bei einigen Dingen habe ich es nicht ganz verstanden.» (Case pupil H1, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 22) Oder ein anderer lernschwacher case pupil zu seinem Hörverstehen: «Aber es ist halt 297 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="297"?> schon ein bisschen schwierig, weil man nicht alles versteht auf Englisch.» (Case pupil E2, 1. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 8) Augenfällig ist, dass in den Aussagen zum Hörverstehen die Lernenden Ausdrücke wie ‘nicht alles’ oder‘ nicht so gut’ oder eben ‘nicht ganz’ benutzten, die darauf hinweisen, dass sie hauptsächlich mit dem detaillierten Hörverstehen Mühe hatten. In zwei Interviews waren alle drei case pupils auf Nachfrage der Forscherin nicht mehr in der Lage, den in den vergangen Doppellektion kennengelernten Wortschatz aktiv zu verwenden. Herausfordernde BG-Lernerlebnisse Hinsichtlich des ersten CLIL-Moduls nannten die Lernenden in der 4. Klasse Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Collagieren. Konkret fanden einige case pupils das Ausschneiden von kleinen Teilen und das Einpassen von neuen Gegenständen in ein bestehendes Bild anspruchsvoll. Mit Blick auf das zweite CLIL-Modul war auffällig, dass viele der case pupils der 5./ 6. Klasse auf die Frage, was sie für das Fach BG im CLIL-Unterricht dazugelernt hätten, den Kopf schüttelten und nichts nennen konnten. Oft erst mit Nachdruck oder beim Vorlegen der Lernziele konnten die Lernenden Bezug auf das Gelernte nehmen. Ein case pupil nannte dann die Herausforderung Farbassoziationen zu begründen und ein anderer fand das Finden passender Farbnamen sowie das ungegenständliche Malen im Rahmen der Synthesaufgabe schwierig: «Da habe ich irgendetwas gemacht. Das ist nicht so gut rausge‐ kommen.» (Case pupil E1, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 25) Herausforderungen von CLIL als Fächerfusion Fragte man die Lernenden, was sie im Zusammenhang mit dieser Fächerkombi‐ nation als negativ einschätzten, kam in allen Klassen die Rückmeldung, dass das gestalterische Arbeiten zu kurz käme. Die case pupils waren sich einig, dass in den CLIL-Lektionen zu viel Zeit für das Sprechen und Hören verwendet wurde und so die handelnden Aktivitäten in den Hintergrund rückten. Ein case pupil brachte diese verbreitete Ansicht gut auf den Punkt: «Das ist so ein bisschen schade, weil so im normalen BG tun wir einfach mega viel zeichnen und zuerst mal üben und am Schluss gibts dann das Endprodukt. Und hier haben wir halt vor allem recht viel gesprochen. Und das fand ich nicht so gut.» (Case pupil H3, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 50) Viele case pupils nahmen diese Fächerfusion als zu wenig ausbalanciert wahr: «Wir haben jetzt eigentlich viel mehr Englisch als BG und dann fänd ich einmal cool, wenn wir ein bisschen mehr BG hätten und ein bisschen 298 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="298"?> weniger Englisch.» (Case pupil C3, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 10) Dieses Wahrnehmung der Vorherrschaft des Englisch wurde dadurch verstärkt, dass die CLIL-Module stundenplantechnisch in den meisten Klassen während den BG-Lektionen angesetzt wurden und somit die Lernenden zusätzlich weitere Englischlektionen neben dem CLIL-Unterricht besuchen ‘mussten’: «Also ich finde, man könnte auch ein bisschen mehr BG (machen), weil Englisch spre‐ chen wir ja auch jeden Montagnachmittag zwei Lektionen.» (Case pupil C1, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 12) Immer dann, wenn die handelnden Aktivitäten zu kurz kamen, wurden die Sequenzen von einigen case pupils als langweilig beschrieben. Ein anderer case pupil empfand das Lerntempo im CLIL-Unterricht zu langsam, weil man da viel Zeit für das Englischsprechen verlieren würde: «Ich habe BG lieber ohne Englisch, weil man da viel weiterkommt. (I: Okay.) Da muss nicht ‚das heisst das‘ und so.» (Case pupil E3, 2. CLIL-Modul Interview 2, Zeilen 27-29) Derselbe case pupil war zudem überzeugt, dass der CLIL-Unterricht vor allem jenen Spass macht, die gerne Englisch mögen. Diese hier gemachte Aussage deckt sich auch mit der bereits vorgängig vor‐ gestellten Übersicht zu den Schülerbefragungen, ob man im BG-Englisch-Un‐ terricht ähnlich viel lerne, wie wenn er auf Deutsch stattfinden würde. Hier nochmals dieselbe Übersicht, nun mit Fokus auf die Herausforderungen: «Ich lernte im BG-Unterricht auf Englisch gleich viel, wie wenn er auf Deutsch stattgefunden hätte.» Ich lerne gleichviel. Ich lerne mehr. Ich lerne weniger. Ich weiss es nicht. Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark CLIL I 29% 41% 33% 26% 29% 42% 21% 16% 9% 21% 12% 13% N = 147 Lernschwache: n = 34 Mittelstarke: n = 68 Lernstarke: n = 45 k.A.: n = 3 Tabelle 44: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Lernfortschritt (negativ) nach CLIL-Modul I Über ein Fünftel (21 %) der lernschwachen Schüler*innen sowie 16 % der mittelstarken und 9 % der lernstarken Schüler*innen vertrat die Einstellung, dass sie in diesem Setting weniger lernen würden (rote Markierung). Als Gründe gaben die meisten Kinder an, dass sie nicht alles gleich gut verstehen würden und sich nicht so gut im Englisch ausdrücken könnten. Für die vier lernstarken Kinder (9 %) stellt das bereits erwähnte reduzierte Lerntempo einen Nachteil dar. 299 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="299"?> Dass sich praktisch ebenso viele Lernende dazu keine Meinung bilden konnten (gelbe Markierung), kann an dieser Stelle entweder als echte Unwissen‐ heit oder zu Ungunsten des CLIL-Unterrichts betrachtet werden. Hinsichtlich letzterer Betrachtungsweise, könnte die Unentschlossenheit dieser Lernenden auf ein zu geringes Kompetenzerleben im bilingualen Unterricht hinweisen. In absoluten Zahlen sind es somit mindestens 21 Lernende - falls man die Unwissenden dazu nimmt sind es weitere 20 -, die den CLIL-Unterricht als (zu) wenig lernanregend einschätzten. In zwei Klassen meinten die case pupils zudem, dass diese Fächerfusion auf Dauer keine gute Idee wäre: «Ja, probieren kann man ja auch, aber sonst, das ganze Leben lang Englisch sprechen im BG machen, das würde ich jetzt glaub nicht.» (Case pupil E2, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 60) Diese schwindende Motivation, die diese case pupils mit diesen Aussagen andeuten, wurde auch von anderen Schüler*innen erlebt: «Ich bin motiviert, den BG und Englischunterricht zu kombinieren / erneut zu erleben.» ja eher ja eher nein nein Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark vor 39% 59% 72% 39% 32% 20% 18% 9% 9% 3% 0% 0% nach 24% 40% 36% 38% 41% 44% 29% 15% 20% 6% 3% 0% vor CLIL I: N = 148 Lernschwache: n = 33 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: 46 k.A.: n = 0 nach CLIL I: N = 147 Lernschwache: n = 34 Mittelstarke: n = 68 Lernstarke: 45 k.A.: n = 1 Tabelle 45: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zur motivationalen Einstellung vor und nach CLIL-Modul I Während vor dem ersten Modul die Motivation für die bevorstehende Durchfüh‐ rung des CLIL-Unterrichts mit 78 % bis 92 % der (eher) zustimmenden Antworten (ja / eher ja) bei allen Lernenden als sehr hoch zu bewerten ist (grüne Markie‐ rung), lagen diese Antworten nach der Durchführung mit Ausblick auf das zweite CLIL-Modul mit 62 % bis 81 % etwas tiefer (rote Markierung). Gleichzeitig nahmen die eher oder ganz verneinenden Antworten nach dem CLIL-Modul I zu (gelbe Markierungen). Auffällig ist, dass die Angaben zur motivationalen Einstellung der lernschwachen Schüler*innen an beiden Befragungszeitpunkten deutlich tiefer ausfielen, als jene der der anderen beiden Leistungsgruppen. 300 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="300"?> 6.6.5 Heterogenität als Chance: Sicht der Lehrpersonen Bereits in vorhergehenden Absätzen wurden Aussagen einbezogen, die die Ver‐ schiedenartigkeit der Lernenden thematisierten und sich somit auf Fähigkeiten oder Vorkenntnisse einiger bestimmter Schüler*innen bezogen. In Folgenden werden Aussagen präsentiert, die sich mit Themen rund um die Heterogenität noch vordergründiger befassen. In Bezug auf Chancen wird über Erfolgserleb‐ nisse berichtet, die sich in diese Kategorien einordnen liessen: Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Differenzierung / Individualisierung + 74 80.28 % Verbales Scaffolding + 32 71.64 % Inhaltliches Scaffolding + 9 44.44 % Strategisches Lernen & Scaffolding + 18 65.00 % Total 133 73.41 % Tabelle 46: Übersicht der Code-Gruppe ‘Chancen der Heterogenität’ seitens Lehrper‐ sonen Die Beurteiler-Übereinstimmung für die insgesamt 133 Codings resultierte in zuverlässigen 73.41%. Ein Blick in die Daten zeigt, dass bei den im unzurei‐ chenden Bereich liegenden Codes ‘Inhaltliches Scaffolding’ und ‘Strategisches Lernen & Scaffolding’ ein vertieftes Wissen über die CLIL-Unterrichtseinheit nötig ist, um die entsprechenden Textstellen als inhaltliches, respektive strate‐ gisches Scaffolding zuverlässig zu erkennen. Diese Schwierigkeit gepaart mit der verhältnismässig kleinen Anzahl Codings führt zu den tiefen Übereinstim‐ mungswerten. Deshalb muss die Interpretation dieser beiden Codes mit Vorsicht vorgenommen werden. Gelungene Differenzierung und Individualisierung Bei den Gruppendiskussionen wurde auf verschiedentliche Art und Weise ausgedrückt, dass sich alle Lehrpersonen der natürlich vorkommenden Hetero‐ genität in ihren Klassen bewusst waren und sie solche Unterschiede zwischen ihren Lernenden auch im CLIL-Setting wahrnahmen. Ohne Wertung berich‐ teten sie von unterschiedlichen Lernerträgen in Bezug auf bildnerische Pro‐ zesse: «Es ist so unterschiedlich viel passiert, oder? Der eine, der hat fast nichts gemacht - also. So im Vergleich. Und andere haben ihr Blatt voll.» (Lehrperson 301 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="301"?> E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 89). Oder machten Aussagen in Bezug auf sprachliche Beiträge: «Aber ich habs völlig freigelassen, wie viel sie sagen, weil Gewisse haben dann zwei, drei Sätze gesagt. Und andere haben viel mehr erzählt. Also, ja. Das fand ich noch gut von den Niveaus her, weil dann konnte jeder das erzählen, wies halt ging.» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 126). Die Lehrpersonen zeigten nicht nur Flexibilität im Umgang mit Differen‐ zierung, sondern passten auch ihre Erwartungen entsprechend den indivi‐ duellen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler*innen an. Die 3./ 4. Klassenlehr‐ person machte dazu eine treffende Aussage, die sich auf ihre Sprachanfänger bezog: «Meine Drittklässler, die können jetzt sagen ‚I can see a yellow circle.‘ aber mehr erwarte ich im Moment jetzt noch gar nicht, oder? Ja.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 183). Zudem betonten mehrere Lehrpersonen, dass der CLIL-Unterricht in dieser Fächerfusion gute Differenzierungsmöglichkeiten biete: «Und es ist auch für jeden etwas dabei, weil es BG ist.» (Lehrperson F, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 104). Dank dem BG differenziere sich der Unterricht auch sehr schön auf natürliche Art, ohne dass es viel Zutun durch die Lehrpersonen brauche. In Bezug auf die Individualisierung berichteten sie auch von spannenden Erkenntnissen oder unerwarteten Einblicken in das Können ihrer Lernenden während diesen CLIL-Modulen. Mehrmals wurden Aussagen gemacht, die positive Überraschungen ausdrückten oder neue Einblicke in die fremdsprachli‐ chen Kompetenzen gewisser Kindern gewährten. Die eine 4. Klassenlehrperson meinte zu einer starken Englischlernenden: «Wo ich vorhin gar nicht so / Ich wusste, sie war gut, aber ich habe erst durch diese offenen Aufgaben gemerkt, wie viel sie eigentlich schon versteht.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 99). Die 5. Klassenlehrperson berichtete von einem weiteren Aha-Mo‐ ment: «Also auch da, noch so spannend, oder, auch für mich vom Einschätzen her, wo man plötzlich merkt: Aha, da steckt ja noch viel mehr dahinter, als ich eigentlich wusste! (lacht)» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 93). Der CLIL-Unterricht, so die Lehrpersonen als Erklärung für ihre erweiterten Einsichten in den Lernstand ihrer Schüler*innen, verlangte von den Lernenden andere Formen der Sprachanwendung als der traditionelle Fremdsprachenun‐ terricht. Typischerweise fielen nicht nur jene Kinder im CLIL-Unterricht positiv auf, die sonst bei den Englisch-Tests gute Resultate erzielten, sondern eben vor allem auch jene, die sich mutig auf das neue Setting einlassen konnten und sich trauten auch mit limitiertem Wortschatz zu kommunizieren: «Ja bei mir, glaube ich, konnten das glaub / die Starken machen das gerne, aber auch die, die sich einfach trauen. (Lehrperson C: Ja) Die sich trauen auch, irgendwie dann halt wieder ein deutsches Wort einzubauen. Und das haben sie viel mehr 302 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="302"?> gemacht, glaube ich, bei diesem zweiten Modul als beim ersten.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 52) Verschiedene Kinder konnten demnach gegen Ende des zweiten CLIL-Moduls mehr beitragen als zu Beginn. In ähnlicher Weise wurde von verschiedenen Lehrpersonen auf beiden Schul‐ stufen beobachtet, dass gerade die lernschwachen Kinder sich im CLIL-Unter‐ richt mehr beteiligen als sonst: «Ähm, der Junge, den ich ausgewählt habe, der eigentlich der Lernschwächste, der sich grundsätzlich im Englischunterricht, im normalen Unterricht, nicht meldet, der hat gestern gestreckt (…).» (Lehrperson B, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 52). Eine weitere 4. Klassenlehrperson machte eine ganz ähnliche Aussage in Bezug auf ihren lernschwachen case pupil: «Mich hat er vor allem überrascht, dass er im Kreis doch noch einige Mal sich gemeldet hat und sich trotzdem getraut und sonst eigentlich fast nie etwas sagt.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 47). In der 5./ 6. Klasse wurde dasselbe wahrgenommen: «Er hat mehr gesagt als sonst. Also er spricht wirklich wenig. Und im normalen Englisch spricht er wirklich eigentlich nichts, fast nichts.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 250). Verschiedene Lehrpersonen berichteten zudem von zurückhaltenden lern‐ schwachen Kindern, die sich aufgrund fremdsprachlichen Defiziten non-verbal aktiv einbringen konnten: «Weil da habe ich gesehen, oder, wie eher Lern‐ schwächere dann sich halt mal um das Schneiden gekümmert haben und die anderen haben schon mal begonnen zu diskutieren, wo es hinkommt. Sie sind halt trotzdem dabei, aber suchen sich vielleicht einfach eine andere Aufgabe irgendwie.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 46). Eine 4. Klassenlehrperson war überzeugt, dass alle Lernende in ihrer Klasse im CLIL-Unterricht gut mitkamen: «Ja und das die Schwächeren und also… da niemanden und ich hätte bei niemanden behauptet, der hat sich abhängen lassen, also der war nicht dabei. Oder? Nur weil es jetzt auf Englisch war, es waren immer alle dabei. Sie haben nicht so viel preisgegeben, aber sie waren dabei.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 153). In einer Gruppendiskussion wurde bewusst auch auf die Qualität von CLIL für die lernstarken Kinder aufmerksam gemacht und als Art der Begabungsför‐ derung betrachtet, wie der nachfolgende Dialog zwischen einer 4. und 5./ 6. Klassenlehrperson illustriert: C: «Aber man muss auch aufpassen, dass man nicht immer nur auf die Schwächsten, weil ich finde gerade für meine Stärksten war das extrem cool.» H: «Ja, wars mega cool! Absolut.» C: «Also die kamen wirklich…Also die Dora ist da voll aufgeblüht. Und die fand das richtig toll! » (Lehrpersonen C / H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 270-272). 303 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="303"?> Nicht nur im Rahmen dieser Gruppendiskussionen wurden die Beobachtungen der Lehrpersonen in Bezug auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der case pupils thematisiert, sondern auch in Form der schriftlichen Reflexionen der Lehrpersonen im Anschluss an jede Doppellektion im CLIL-Modul II. Dabei wurden von den Lehrpersonen folgende Fähigkeiten und Stärken ihrer case pupils wahrgenommen, die sich in nachfolgender Tabelle als typische Merkmale für die drei Leistungsgruppen zusammenfassen lassen. Chancen: Fähigkeiten und Stärken Schwache case pupils - BG-Aktivität: Farben mischen, fantasievolles Bild - Hören: Unterricht folgen (auch wenn nicht alles ver‐ standen) - Sprechen: versuchen Englisch zu sprechen Mittelstarke case pupils - BG-Aktivität: Farben mischen, Namensgebung, fanta‐ sievolles Bild - Hören: gutes Verständnis (z. B. auch Wörter über‐ setzen) - Sprechen: versuchen immer Englisch zu sprechen, gute Beiträge - Unterrichtsbeteiligung: aktive Mitarbeit, einige münd‐ liche Beiträge Starke case pupils - BG-Aktivität: Farben mischen, Namensgebung, fanta‐ sievolles Bild - Hören: sehr gutes Verständnis (z. B. auch Wörter übersetzen, anderen helfen) - Sprechen: sprechen viel Englisch, spannende Beiträge - Schreiben: Brief selbstständig schreiben - Unterrichtsbeteiligung: sehr aktive Mitarbeit, hohe mündliche - Beteiligung auch im Plenum, engagiert bei Gruppen‐ arbeiten Tabelle 47: Fähigkeiten und Stärken der heterogenen case pupils Gelungenes verbales Scaffolding Die Wichtigkeit von Unterstützungsangeboten in Form von verbalen Scaffol‐ ding wurden von den Lehrpersonen im Verlauf der Gruppeninterviews immer wieder betont. Sie benutzten die von der Unterrichtsplanung her vorgegebenen sprachlichen Strukturen, Satzanfänge oder den visualisierten Wortschatz, den sie gut sichtbar im Schulzimmer platzierten. Dieser wurde vor allem von den jüngeren Kindern rege genutzt: «…der hing da die ganze Zeit und den haben sie so wirklich genutzt. Da hab ich wirklich auch gestaunt. ja. Das war wirklich super.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 14). 304 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="304"?> Bei den fortgeschrittenen, älteren Schüler*innen der 5./ 6. Klasse wurde das Scaffolding mehrheitlich nur von den lernschwachen Kindern verwendet: «Die stärkeren Kinder, die haben einfach gesprochen und bei denen, die noch etwas Hilfe brauchten, da hat man gesehen, wie sie den schnell nach vorne schauten, um diesen Satz dann zu übernehmen.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 103) Das Scaffolding wurde in diesem Sinne als Angebot verstanden, das von den Schüler*innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen verschiedentlich genutzt werden konnte. Die Lernenden wurden von den Lehrpersonen darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Unterstützung (z. B. Briefvorlage) verwenden dürften oder freischreiben könnten. Anscheinend wurde das Wahlangebot auch unterschiedlich genutzt: «Also, ich habe einfach bemerkt, dass die stärkeren Kinder relativ frei darauf losgeschrieben haben und ihre eigenen Sätze probiert haben. Und ich hab den language support an die Tafel geschrieben und verschie‐ dene Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie die Sätze zusammen stellen können. Und das war noch gut für die schwächeren Kinder.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 88) Wichtig, so betonten die Lehrpersonen, sei bei all diesen vorgegebenen Scaffolding die vorgängige Einführung, zum Beispiel in dem man die Sprach‐ strukturen vorbespricht oder ein Beispiel macht. Eine Lehrperson fügte an, dass solche geplanten Scaffolds auch für sie als Lehrperson wichtig seien, um immer wieder vor Augen zu haben, welche Wörter oder Strukturen sie selber im Unterricht verwenden sollte und von den Lernenden erwartet werden könnten. Die Angebote an Scaffolding bezogen sich neben der Sprachproduktion aber auch auf die Unterstützung beim Leseverstehen. So wurden zum Beispiel drei Leitfragen vorgegeben, die die Lernenden bei dem Lesen der Briefe an die Farben unterstützen würden. Auch diese Form von Scaffolding wurde als hilfreich von den Lehrpersonen wahrgenommen. Es gab aber auch Scaffolding, welches spontan im Unterricht entstanden ist. So wurden zum Beispiel Briefe begleitend mitgelesen oder Wörter kreiert wie ‘colour explosion’, um den Lernenden das Konzept des ungegenständlichen, farbenprächtigen Malens näher zu bringen. Weiter waren sich die Lehrpersonen auch bewusst, dass ihre Lehrersprache bereits als eine Art Scaffolding dienen würde, denn die Schüler*innen seien sich an ihr angepasstes Sprachtempo, ihre Art der Erklärungen und non-verbale Unterstützung gewohnt. 305 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="305"?> Gelungenes inhaltliches Scaffolding Neben dem sprachlichen Scaffolding wurden auch inhaltliche Unterstützungs‐ angebote im Unterricht eingebracht, die jedoch in den Gruppendiskussionen deutlich weniger oft angesprochen wurden. Was die Lehrpersonen als hilf‐ reiches inhaltliches Scaffolding wahrnahmen, waren die unterschiedlichen Visualisierungen wie die Bilder der Künstler, die Farbpaletten oder die selbst angefertigten Farbkarten. Solche Hilfestellungen inspirierten die Kinder immer wieder für die Weiterar‐ beit. Ferner seien Visualisierungen auch für die Umsetzung von BG-Aktivitäten oder Präzisierung bei Auftragserteilungen hilfreich: «Ja und ich glaub das war die grösste Hilfe, da dies noch gebraucht hat, dass sie gemerkt haben: Aha, es ist so viel möglich für eine Farbe wie rot.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 205) Zudem dienten Visualisierungen als sprachliche Unter‐ stützung und übernehmen dabei eine bildsprachliche Funktion: «Aber, man konnte einfach auch die Bilder anschauen und dann hat man trotzdem was mitbekommen.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 222) Als weitere Form des inhaltlichen Scaffolding wurde das soziale, kooperative Lernen angesehen. Die Gruppen wurden oft bewusst heterogen zusammenge‐ setzt, mit dem Ziel, dass sich die Lernenden unterstützen konnten: «Das von‐ einander Lernen, fand ich mega wertvoll jetzt vor allem bei diesem Thema. Das habe ich gemerkt, dass es die Starken gebraucht hat und sie miteinander das Ziel erreicht haben.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 260) In diesem Zusammenhang wurde von der Forscherin in verschiedenen CLIL-Klassenzim‐ mern mehrmals beobachtet, dass die Lernenden einander während diesen kooperativen Arbeitsphasen nicht nur unterstützen, sondern einander auch korrigierten und Feedback erteilten. Gelungenes strategisches Lernen und Scaffolding Den Lehrpersonen fielen verschiedene Strategien auf, denen sich ihre Ler‐ nenden während der CLIL-Modulen bedienten. Einerseits handelte es sich dabei um Strategien, die die Lernenden bereits kannten oder anderseits um solche, die die Lehrpersonen bewusst im CLIL-Unterricht thematisierten. Die meistgenannte Strategie war das Code-Switching. Einige Lernenden, vor allem vermehrt im CLIL-Modul II, fügten bei fremdsprachlichen Wissenslücken ein deutsches Wort in ihre Sätze ein: «Ich find es gut, wie sie halt einfach versuchen und halt einfach ein Wort auf Deutsch nehmen und machen dann halt einfach weiter und ist ja egal so in dem Stil.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 36) 306 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="306"?> Die Lehrpersonen ermunterten in ihren Klassen auch das Nachfragen oder Nachschlagen von unbekannten Wörtern. Teils wurde das ganz bewusst vor‐ gängig kommuniziert und entsprechend eingeplant: «Und ich habe es so ge‐ macht, dass ich ihnen am Vortag gesagt habe, sie dürfen das Handy mitnehmen. Dass sie dann am nächsten Tag, wenn wir das machen, das Wort allenfalls nachschauen können. Und das finden sie immer super, wenn sie dann das Telefon dabeihaben können und dann das selber nachschauen.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 48) In einer Klasse, in der Strategien immer wieder zum Thema gemacht wurden, ermutigte die Lehrperson ihre Lernenden intelligent zu raten. Diese Strategie setzten sie mit der Zeit dann auch wirklich um: «Sie haben zum Teil ein bisschen erfunden, wie das jetzt eventuell auf Englisch heissen könnte.» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 3) 6.6.6 Heterogenität als Chance: Sicht der Lernenden Bereits zuvor wurden Ansichten und Meinungen der Lernenden in Verbindung mit ihren heterogenen Leistungsvoraussetzungen dargestellt. Im Folgenden sind tatsächlich geäusserte Aussagen im Fokus, die davon zeugen, dass sich die Lernenden als Individuum mit ihren Stärken und Schwächen im CLIL-Unter‐ richt gut aufgehoben fühlten. Die Aussagen der case pupils zu dieser Thematik wurden in dieselben vier Kategorien eingeteilt. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Differenzierung / Individualisierung + 3 80.00 % Verbales Scaffolding + 21 85.00 % Inhaltliches Scaffolding + 1 100.00 % Strategisches Lernen & Scaffolding + 29 87.27% Total 54 88.14 % Tabelle 48: Übersicht der Code-Gruppe ‘Chancen der Heterogenität’ seitens Lernenden Die 54 Codings wurden von den beiden Codiererinnen mit einer prozentualen Übereinstimmung von zuverlässigen 88.14% eingeschätzt. 307 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="307"?> Gelungene Differenzierung und Individualisierung In mehreren Interviews kamen Differenzierungsmöglichkeiten auf fremd‐ sprachlicher oder inhaltlicher Ebene zur Sprache, die die verschiedenen case pupils im CLIL-Unterricht wahrnahmen. So fiel ihnen auf, dass es verschiedene Schwierigkeitsstufen bei den Lesetexten gab, dass unterschiedliche Edward Hopper Bilder als Grundlage für die Collage zur Auswahl standen oder dass Lernaufgaben mit oder ohne Hilfe bearbeitet werden konnten. Gelungenes verbales Scaffolding In allen Interviews wurden die case pupils danach gefragt, welche Hilfen ihnen im CLIL-Unterricht zur Verfügung standen. Die von ihnen genannten sprachli‐ chen Unterstützungsangebote lassen sich in visualisierten language support und in Unterstützung durch Lehrsprache oder Lehrhandlungen einteilen. Hinsicht des Ersteren empfanden die lernschwachen und mittelstarken Lernenden die verschiedenen Poster mit visualisiertem Wortschatz oder auf‐ geschriebenen Satzanfängen an der Tafel hilfreich: «Also, ich fand auch gut, dass wir bei der Wandtafel die Sätze aufgeschrieben waren. Und es mir sehr geholfen, weil sonst könnte ich nicht so gut Englisch sprechen.» (Case pupil H1, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 16) In ähnlicher Weise unterstützen solche Scaffoldings auch den Schreibprozess: «Es war einfach, weil so da vorne Sätze aufgeschrieben waren.» (Case pupil C2, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 26) Die zweite Form der sprachlichen Unterstützung boten gemäss den Aussagen aller case pupils die Lehrpersonen selber. Diese sprächen in angepasstem Tempo, machten hilfreiche Gesten, gäben wenn nötig Tipps, übersetzten auch mal ein schwieriges Wort auf Deutsch oder sagten manchmal Dinge zweimal. Die Lernenden betonten jedoch, dass die Lehrpersonen diese Hilfestellungen auch sonst im Englischunterricht anboten und sie es sich daher bereits gewohnt waren darauf zu achten. Auch mittels Fragebogen wurden alle Lernenden um ihre Meinungen zu der Nützlichkeit verschiedener der im CLIL-Unterricht angebotenen Scaffolding erfragt. Aus einer Auswahl von insgesamt 13 aufgelisteten verbalen und inhaltli‐ chen Scaffolds wurden die drei folgenden sprachlichen Unterstützungsangebote von den rund 150 Befragten am häufigsten gewählt: • Wenn die Lehrperson auf etwas zeigt oder etwas vormacht. (97 Nen‐ nungen) • Wenn die Lehrperson langsam und betont Englisch spricht. (96 Nen‐ nungen) 308 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="308"?> • Wenn Bilder oder englische Wörter oder Sätze an der Wandtafel stehen. (93 Nennungen) Diese Favoriten aller Lernenden decken sich vollumfänglich mit den von den case pupils in den Interviews genannten verbalen Scaffolding. Gelungenes inhaltliches Scaffolding In Bezug auf inhaltliches Scaffolding gab es nur ein Coding. Ein lernstarker case pupil der 4. Klasse äusserte sich zum kooperativen Lernen und meinte, dass er mehrmals dem lernschwachen case pupil geholfen hätte: «Aber ich musste auch ein paar Sachen ähm D1 erklären, einfach schnell auf Deutsch sagen. Weil er es nicht so verstanden hat. Und so.» (Case pupil D3, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 84) Gemäss Fragebogen schätzten auch die anderen Lernenden das kooperative Lernen als besonders hilfreich für den CLIL-Unterricht ein. Zusätzlich zum kooperativen Lernen schaffte es ein weiteres inhaltliches Scaffolding aus der Auswahl von 13 möglichen Unterstützungsangeboten unter die meistgenannten Nennungen: • Wenn ich mit anderen Kindern zusammenarbeiten kann und wir einander so helfen. (96 Nennungen) • Wenn die Lehrperson mir genügend Zeit zum Denken und Antworten gibt. (86 Nennungen) Gelungenes strategisches Lernen und Scaffolding Auf die Frage, was die case pupils machen würden, wenn sie nicht weiterkämen, nannten sie verschiedene Strategien. Mit Abstand am häufigsten wurde das Nachfragen bei der Lehrperson oder bei einem anderen Lernenden genannt. Ein lernschwacher case pupil holte sich diese Hilfe gar non-verbal: «Also dann schaue ich halt beim Nachbarn oder Nachbarin, wie sie oder er es macht. Und dann weiss ich meistens, worum es geht.» (Case pupil H2, 2. CLIL-Modul Inter‐ view 1, Zeile 14) Die lernstarken und durchschnittlichen case pupils nannten weitere Sprech‐ strategien, wie das Darstellen eines unbekannten Wortes durch Pantomime, das Verwenden eines deutschen Wortes oder das Umschreiben. Ein case pupil der 5. Klasse beschrieb letztere Strategie so: «Ich wusste nicht alle Wörter, und da musste ich ‚umsagen‘.» (Case pupil E3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 16) Zudem demonstrierten zwei dieser Kinder im Interview-Gespräch, wie sie sich ein neues Wort wie messy dank einer Eselsbrücke behalten konnten: «Wie 309 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="309"?> messy der Fussball-Spieler Messi.» (lacht) (Case pupil C3, 1. CLIL-Modul Inter‐ view 1, Zeile 17) Wenn sie etwas Schwieriges lesen müssten, so ein lernstarker case pupil, könne man aus dem Inhalt das Unbekannte erschliessen: «Einzelne Wörter kann man ja im Satz zusammenreimen.» (Case pupil E3, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 49) 6.6.7 Herausforderungen der Heterogenität: Sicht der Lehrpersonen Im Zusammenhang mit der Heterogenität wurden von den Lehrpersonen einige Herausforderungen festgestellt, die in die vier bereits vorgestellten Kategorien eingeteilt wurden. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Differenzierung / Individualisierung - 29 59.26 % Verbales Scaffolding - 15 88.89 % Inhaltliches Scaffolding - 7 66.67 % Strategisches Lernen & Scaffolding - 2 100.00 % Total 53 70.01 % Tabelle 49: Übersicht der Code-Gruppe ‘Herausforderungen der Heterogenität’ seitens Lehrpersonen Die 53 Aussagen wurden von beiden Codiererinnen mit einer ausreichenden Zuverlässigkeit von 70.01% eingeschätzt. Der Code ‘Differenzierung / Individu‐ alisierung’ entpuppte sich deshalb als anspruchsvoll, weil dieser immer dann zum Einsatz kommt, wenn die Lehrpersonen die Heterogenität in irgendeiner Form erwähnten. Somit wird dieser Code oft noch ergänzend zu Aussagen bereits zugeteilt zu anderen Codes angegeben wird (siehe Anhang G). Diese be‐ sondere Codierregel wurde nicht von beiden Codiererinnen gleich konsequent angewendet. Die Ergebnispräsentationen der zwei Codes unter dem Richtwert von 70 % liegend müssen deshalb erneut mit der nötigen Vorsicht gelesen werden. 310 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="310"?> Herausforderungen der Differenzierung und Individualisierung Einige Lehrpersonen, mehrheitlich jene der 3./ 4. Klasse, nannten das passive Verhalten der lernschwachen oder zurückhaltenden Kinder als eine Herausfor‐ derung: «Weil, ich weiss nicht, ich kanns nicht so einschätzen, aber ich habe eigentlich ein grosser Teil der Klasse, die sehr zurückhaltend sind im Englisch. Und für die wars wahrscheinlich oft einfach zu schnell oder sie haben sich dann ein bisschen versteckt, zwischen den, die, die immer etwas sagen und sprechen und so. Und dann haben die anderen irgendwann gar nicht mehr so mitgemacht, hab ich das Gefühl.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 257) Es bestehe die Gefahr, dass Kinder mit weniger fremdsprachlichen Vorwissen im CLIL-Unterricht abschalten oder sich hinter den guten Kindern verstecken würden, weil sie für die aktive Mitarbeit im Unterricht mehr Zeit bräuchten. Weiter teilten die 3./ 4. Klassenlehrpersonen mit, dass das vorgegebene Diffe‐ renzierungsangebot für ihre Klassen noch weiter vereinfacht werden müsste. Eine Lehrperson äusserte gar den Bedarf an angepassten Lernmaterialien für den Bereich der integrativen Förderung (IF), um ganz lernschwache Kinder zu unterstützen: «Ist mir dann auch im Verlauf der weiteren Lektionen etwas aufgefallen, dass jetzt gerade diese Klasse, die ich unterrichte, die bräuchte immer noch eine IF-Version zu allem.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 10). Allgemein waren sich die Lehrpersonen einig, dass für die jüngeren und lern‐ schwachen Schüler*innen diese CLIL-Lektionen anstrengend sowie anspruchs‐ voll waren. Weil diese Kinder allenfalls sprachlich nicht alles ganz genau verstehen würden, führe dies zu einer gewissen Hemmung. Diese Zurückhal‐ tung mache sich zum einen beim Englisch bemerkbar: «Die Schüler, wenn man sie beobachtet hat, sie waren eigentlich dabei und interessiert, aber sie wussten nicht so recht, soll ich jetzt etwas sagen und was soll ich sagen oder.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 8). Zum anderen zeigte sich ihr zurückhaltendes Verhalten auch im BG: «Und bei einem Kind war ich mir auch nicht sicher, ob er die Aufgabe verstanden hat. Aber er hat gemalt, aber sehr verhalten immer. Und das ist schon noch spannend zu sehen, wie unterschiedlich sie das dann umsetzen.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 96). Als weitere Erklärung für die Zurückhaltung im CLIL-Unterricht wurden von mehreren Lehrpersonen die unterschiedlichen Tagesformen der Kinder genannt. Dabei wurden Launen, Müdigkeit oder Unwohlsein als hemmenden Einfluss für die aktive Mitarbeit genannt. Gemäss verschiedenen Lehrpersonen 311 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="311"?> könnte solche individuellen, temporären Verhaltensmerkmale unabhängig der Leistungsvoraussetzung weitere mitbestimmende Faktoren sein, inwiefern sich die Lernenden auf die CLIL-Lernaufgaben einlassen konnten. Ebenfalls bezüglich Herausforderungen für ihre heterogenen Lernenden machten sich die Lehrpersonen im Anschluss an jede CLIL-Doppelstunde Gedanken. Die nachfolgende Zusammenstellung fasst ihre Reflexionsnotizen für die verschiedenen case pupils zugehörig einer Leistungsgruppe zusammen. Herausforderungen: Schwierigkeiten Schwache case pupils - Hören: Aufgabenverständnis, z.T. zusätzliche Erklä‐ rung nötig - Sprechen: Englisch sprechen (v. a. in Gruppen) - Lesen: Brief lesen und verstehen - Schreiben: Brief schreiben - Unterrichtsbeteiligung: wenig aktiv Mittelstarke case pupils - Lesen: Brief lesen und verstehen - Schreiben: Brief schreiben mit etwas Unterstützung - Unterrichtsbeteiligung: noch mehr mündlich bei‐ tragen Starke case pupils --- Tabelle 50: Herausforderungen für die heterogenen case pupils Auch wenn vereinzelte Lehrpersonen für ihre lernstarken Kinder spezifische Schwierigkeiten feststellten, so deuteten die meisten Rückmeldungen darauf hin, dass der in dieser Form umgesetzte CLIL-Unterricht für die lernstarken Schüler*innen wenig oder keine Herausforderungen beinhaltete. Herausforderungen des verbalen Scaffolding Die nachfolgend vorgestellten Herausforderungen im Zusammenhang mit verbalen Scaffolding wurden ausschliesslich von den Lehrpersonen der 3./ 4. Klassenstufen geäussert. Für die Mehrheit dieser jüngeren Lernenden war der vorgegebene language support zu anspruchsvoll. Einerseits weil die vorge‐ gebenen Textbausteine zu schwierig waren, anderseits weil die Auswahl an verbalen Scaffolding viele Lernende überforderte: «Bei den Stärkeren gings, die könnten das lesen und sich entscheiden. Aber für den grössten Teil war es zu viel Auswahl, beim ersten Mal, da waren es vier Sätze…Die schauen den ersten an und merken, den versteh ich eh nicht und den zweiten auch nicht, also am besten sag ich gar nichts.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 120) Dies führte dazu, dass die Lehrpersonen der unteren Stufen die vorgegebenen 312 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="312"?> Scaffolding für die Bedürfnisse ihrer Klasse für die nachfolgenden Lektionen durch Vereinfachung und Reduzierung anpassen mussten. Weiter berichtete die Lehrperson der gemischten 3./ 4. AdL-Klasse von einer konkreten Situation, bei der sie Deutsch als zusätzliches Scaffolding für einige ihrer Schüler*innen bewusst einbrachte. Viele Kinder hätten nach der Instruk‐ tion auf Englisch bereits mit dem Auftrag starten können und die anderen hätten dann noch eine zusätzliche Erklärung auf Deutsch erhalten. Herausforderungen des inhaltlichen Scaffolding Im Zusammenhang mit dem inhaltlichen Scaffolding beschrieben die Lehrper‐ sonen den schmalen Grat zwischen der Notwendigkeit von Visualisierungen zur Verdeutlichung von Lernaufgaben sowie task outcomes versus deren Hinderung für das eigenständige, kreative Lernen. Die Lehrpersonen der verschiedenen Stufen nannten Situationen, in denen die Kinder aufgrund des vorgezeigten bildnerischen Beispiels in ihrer Kreativität negativ beeinflusst wurden und schliesslich Ergebnisse in starker Anlehnung an das Beispiel reproduzierten: «… ich habe ihnen kurz so gezeigt, wie man das könnte, und da habe ich nachher ges/ ah, da sind viele sehr ähnlich wie meine was ich / ich wollte es wirklich nur kurz so und dann waren dann trotzdem schon einige sehr ähnlich, wie was ich jetzt gemacht habe.» (Lehrperson A, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 55). Auch die 5./ 6. Klassenlehrperson pflichtete ihr bei: «Und sonst möcht ich jeweils lieber weniger zeigen als Beispiel, weil meine haben dann weniger Ideen, ganz klar, weniger eigene Ideen.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 207). Im Zusammenhang mit kooperativen, unterstützenden Lernformen wurde eine herausfordernde Beobachtung geäussert: «Wenn es Starke in der Gruppe hatte, konnten sie in der Gruppe helfen. Wenn es aber Schwächere in einer Gruppe zusammengetroffen hat, dann war es schwieriger.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 8) Homogene Gruppen bestehend aus leistungs‐ schwachen Kindern schienen demnach nicht in der Lage gewesen zu sein, einander ausreichend zu unterstützen. Herausforderungen des strategischen Lernens und Scaffolding Die zwei Codings, die in diese Kategorie zugeteilt wurden, betreffen beide das Code-Switching. Zwei Lehrpersonen erwähnten im Anschluss an das erste CLIL-Modul, dass die Lernenden in ihren Klassen den Sprachwechsel als Strategie nur selten und nur von einigen wenigen Schüler*innen eingesetzt würde: «Nein, bei mir wenig. Sie machen es glaub entweder ganz auf Deutsch oder ganz auf Englisch. Und stocken dann, wenn sie merken, dass englische Wort 313 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="313"?> ist nicht gerade da. Sie sagen das nicht einfach auf Deutsch, ja.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 96) 6.6.8 Heterogenität als Herausforderung: Sicht der Lernenden In den Interviews mit den case pupils wurden nur zwei Aussagen genannt, die sich in die Kategorien rund um die Heterogenität als Herausforderung einordnen liessen. Beide Codings beziehen sich auf Erfahrungen der case pupils mit ineffektiven, verbalen Scaffolding. Diese beiden Stellen wurden von beiden Codiererinnen gleich codiert, was in einer 100 % Übereinstimmung bei der Reliabilitätsprüfung resultierte. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Differenzierung / Individualisierung - 0 - Verbales Scaffolding - 2 100.00% Inhaltliches Scaffolding - 0 - Strategisches Lernen & Scaffolding - 0 - Total 2 100.00% Tabelle 51: Übersicht der Code-Gruppe ‘Herausforderungen der Heterogenität’ seitens Lernenden Herausforderung des verbalen Scaffolding Die eine Aussage stammte von einem lernschwachen Kind und bezog sich auf das Scaffolding für das Verstehen der Geschichte zu Beginn des CLIL-Modul II, das sein Verständnis für die Geschichte in ungenügender Weise förderte. Die andere Aussage wurde von dem lernstarken case pupil der 6. Klasse geäussert, der das Code-Switching der Lehrperson bei der Aufgabeninstruktion als wenig hilfreich empfand: «Also das war vor allem letzte Woche so, haben wir alle einfach ein bisschen etwas gemacht und dann, wenn vielleicht hat man es gut verstanden und macht es richtig. Und dann wurde es auf Deutsch erklärt, weils viele nicht verstanden haben. Und dann wurde man irgendwie wie wieder wie ein bisschen draus gebracht mit dem Englisch sprechen und auch mit dem Auftrag, weil es dann mit anderen Worten erklärt wird und dann man plötzlich das Gefühl hat: ‘Och, ich habe jetzt irgendwie alles wieder falsch gemacht.’ Oder so. (lacht)» (Case pupil H3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 24) 314 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="314"?> 6.6.9 CLIL-Didaktik als Chance: Sicht der Lehrpersonen Wie bereits im Hauptkapitel 3 betont, gehört gemäss dem sozial-konstruktivis‐ tischen Lehr-Lernverständnis neben dem sprachlichen und inhaltlichen Lernen auch das soziale und kulturelle Lernen zum erfolgreichen CLIL-Unterricht. Ebenfalls wurden in jenem Hauptkapitel die essentiellen Qualitätsmerkmale von geeigneten Lernaufgaben präsentiert. Daran anknüpfend werden in diesem Unterkapitel positive Bewertungen von solchen methodisch-didaktischen Ele‐ menten aufgezeigt, die aus Sicht der Lehrpersonen zu einer erfolgreichen Umsetzung von CLIL-Unterricht beitrugen. Die 131 Textstellen wurden in die folgenden Kategorien zugeteilt: Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Lernaufgaben + 87 59.52 % Kooperatives / Soziales Lernen + 13 76.19 % Sprachgebrauch in Gruppenarbeit + 18 82.93 % Kulturelles Lernen + 13 66.67 % Total 131 65.37 % Tabelle 52: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Didaktik als Chance’ seitens Lehrpersonen Das Total der Beurteiler-Übereinstimmung sowie zwei der vier Codes liegen unter dem zureichenden Richtwert. Ein Blick in die Daten erklärt, wieso die Einteilung der Textstellen in die beiden Codes ‘Lernaufgaben’ und ‘Kultu‐ relles Lernen’ besondere Schwierigkeiten bescherte. Der erstere Code lässt sich schwer von den Codes ‘Englisch-Lernerlebnis’ oder ‘BG-Lernerlebnis’ ab‐ grenzen, weil sich eine eindeutige Zuweisung zu einer Lernaufgabe, wie es im Codierleitfaden verlangt wird, nicht immer vornehmen liess. Der zweite Code ‘Kulturelles Lernen’ verlangt vertiefte Kenntnisse der Unterrichtseinheit auf thematischer Ebene, um zu verstehen, welche Lerninhalte überhaupt mit (inter-)kulturellen Lernzielen in Verbindung standen. Aufgrund dieser Schwie‐ rigkeit wurde auch hier mittels zusätzlicher Betrachtung der abweichenden Textstellen sichergestellt, dass keine relevanten Aussagen verloren gingen. Dank dieser weiteren Massnahme und mit der nötigen Vorsicht können die nachfolgenden Ergebnisse als aussagekräftig betrachtet werden. 315 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="315"?> Gelungene Lernaufgaben Einschätzungen zu den Lernaufgaben beider CLIL-Module unter Berücksichti‐ gung ihrer fünf Qualitätskriterien wurden bereits im Kapitel 6.2 umfassend vorgestellt, weshalb solche Aussagen der Lehrpersonen hier nicht nochmals genannt werden. Stattdessen werden allgemeine Ansichten, was erfolgreiche Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht ausmachen, nachfolgend dargestellt. Auffällig oft war die Rede von Spass. Einige Lernaufgaben bereiteten den Lernenden über alle Stufen hinweg sichtlich Freude. Einerseits waren dies Lernaufgaben, die sich mit einem witzigen Thema beschäftigten, wie die Bilder von Ursus Wehrli und die nachfolgenden Aufträge selber Bilder aufzuräumen oder zu verunstalten. Anderseits waren es Lernaufgaben, bei denen die Ler‐ nenden viel Freiraum bei eigenem Handeln hatten, wie zum Beispiel bei dem Mischen von Farben oder dem ungegenständlichen Malen. Als Indikator für Spass wurde in diesem Zusammenhang oft auch die grosse Ausdauer der Lernenden erwähnt: «Sie haben ganz viele tolle Sachen da gemacht und dann hätte man am liebsten sie wirklich noch weiterarbeiten lassen, damit da noch mehr entsteht.» (Lehrperson F, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 79) Weiter wurden Lernaufgaben geschätzt, die spielerische Elemente zuliessen. Auch hier wurden unabhängig der Stufe solche Lernaufgaben genannt, bei denen die Lernenden etwas erraten oder etwas in einem Bild finden durften. Schliesslich wurde von mehreren Lehrpersonen beobachtet, dass die einge‐ brachten Bilder, seien es jene von den verschiedenen Künstlern oder auch jene aus der Bilderbuchgeschichte, die Lernenden aller Stufen sehr ansprachen und als ein wichtiger Auslöser für das aufgabenorientierte CLIL-Lernen fungierten. Die drei folgenden Aussagen aus verschiedenen Stufen bezugnehmend auf unterschiedliche visuelle Inputs verdeutlichen diese Wichtigkeit von Bildern bei der Bearbeitung von Lernaufgaben: «Also die Hopper Bilder, die, die…also meine Schüler waren auch völlig begeistert von denen! Die, ja, die Ruhe auch oder das Einsame, nachdem wir es so besprochen hatten. Also ich hätte nicht gedacht, dass sie so reagieren auf die.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 215) Oder eine andere Lehrperson zu den Bildern in der Geschichte: «Ehm, die Bilder von den wütenden crayons waren wirklich sehr, sehr ansprechend.» Oder zwei weitere Lehrpersonen aus der 5./ 6. Klasse bei der Betrachtung des ungegenständlichen Kunstwerks von Kandinsky: «Alle Kinder haben etwas gesehen im grossen Bild, oder, als wir das am Beamer gezeigt haben. Und die wollten nicht mehr aufhören mit was sie jetzt auch noch (Lehrperson H: Ja! ) gefunden haben. (Lehrperson H: Genau.)» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 46) 316 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="316"?> 38 Einfachheitshalber wird hier von Gruppenarbeiten gesprochen. Tatsächlich handelt es sich nicht immer um kooperative Arbeitsformen, sondern auch um individuelle Aufträge, die die Lernenden an Gruppentischen ausführten und so in Gespräche mit ihren Mitschüler*innen verwickelt waren. Gelungenes kooperatives und soziales Lernen Im Zusammenhang mit der Heterogenität wurde die Wichtigkeit des sozialen Lernens und des einander Helfens als eine Form des Scaffoldings bereits erwähnt. Daher geht es im Folgenden um den Austausch beim Lernen, wie er für das sozial-konstruktivistische Lernen von Bedeutung ist. Alle Lehrpersonen haben in irgendeiner Form diesen Austausch, welcher im CLIL-Modul II noch bewusster eingeplant wurde, in ihren Klassen positiv für das Lernen im CLIL-Unterricht wahrgenommen. So meinte eine 4. Klassen‐ lehrperson zum Austausch im Zusammenhang mit der finalen Syntheseaufgabe beim CLIL-Modul II: «Also ich glaube der Austausch, der war supergut durch‐ geplant und der hat so funktioniert.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 130) Zum einen wurde dieser Austausch als Inspirationsquelle für das inhaltliche, gestalterische Lernen betrachtet und in dieser Funktion auch von den Lernenden genutzt: «Also es gibt BG Lektionen, da ist man lieber interessiert an seinem eigenen Bild und das, ja, ist jetzt nicht so von grossem Interesse was machen die Anderen. Aber hier ist es wirklich gewesen, so: ‘Oh schau mal! ’ Oder: ‘Ui, wie hast du jetzt das gemacht? ’ Also der Austausch war allgemein grösser, klassenübergreifender.» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 265) Zum anderen wurde der Austausch in Gruppen auch als eine wichtige Lerngelegenheit für das Englischsprechen betrachtet: «Ich mag mich auch da erinnern, dass teils Gruppen oder ein paar Gruppen auch lange hatten, bis sie alles wieder entdeckt haben und einander gesagt haben, was sie da gefunden haben.» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 77) Gemäss einer wei‐ teren Lehrperson sei das fremdsprachige Sprechen für die Schüler*innen in der Gruppe angenehmer und entspannter als vor der ganzen Klasse: «Und dann waren sie glaub erleichtert zu merken, dass sie es nur in der Gruppe präsentieren mussten.» (Lehrperson G, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 91) Inwiefern diese Gruppenarbeitsphasen in der Zielsprache Englisch funktio‐ nierten, ist Gegenstand des nächsten Abschnittes. Gelungenes Englischsprechen in Gruppen In Bezug auf die Anwendung von Englisch in den Gruppenarbeiten 38 muss man die beiden CLIL-Module und Stufen separiert betrachten. Im CLIL-Modul I 317 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="317"?> waren es die case pupils oder andere Lernende unter Beobachtung sowie einige 5./ 6. Klassenkinder, die abhängig von der Gruppenkonstellationen während Gruppenarbeiten Englisch sprachen. In zwei 5. Klassen berichteten die Lehr‐ personen auch von einer speziellen Vereinbarung oder einem Vertrag, den sie mit den Kindern für die Fremdsprachenfächer eingeführt hätten und der die Lernenden motivierte auch im CLIL-Unterricht auf Englisch zu kommuni‐ zieren: «Wir haben eigentlich einen Vertrag unterschrieben miteinander ‚We speak English‘ und ich habe es ihnen halt wirklich so als Projekt verkauft und wir versuchen es jetzt.» (Lehrperson E, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 42) Bei der Austauschrunde nach dem CLIL-Modul II bestätigten auch Lehrper‐ sonen ab der 4. Klasse, dass es einigen oder gar allen Kindern im CLIL-Unter‐ richt gelungen sei, während Gruppenarbeiten Englisch zu sprechen: «Aber da konnten sie jetzt wirklich einfach sprechen und eben, sie haben immer Englisch gesprochen.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 100) Gemäss dieser Lehrperson würden die Kindern im normalen Englischunterricht bei Gruppenarbeiten schneller ins Deutsche wechseln als im CLIL-Unterricht. Mehrere Lehrpersonen unterstützten diese Aussage, dass es den Lernenden im zweiten CLIL-Modul besonders gut gelungen sei, im Englischen drin zu bleiben. Zum einen machten sie dafür eine ansteckende Lernatmosphäre verantwort‐ lich: «Also ich glaube, dass eben wenn eine Gruppe anfängt, dann merkt man: Ah, es ist voll okay, wenn ich jetzt auch einfach versuche.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 51) Zum anderen wurden im Rahmen des zweiten CLIL-Moduls noch vermehrt auf das Englische als Kommunikationssprache hingewiesen oder teilweise auch bewusster solche Interaktionsmomente ein‐ geplant. Zum Beispiel indem die Lernenden konsequent an Gruppenpulten arbeiteten und nur eine Farbschachtel pro Viererpult erhielten, so dass sie auch nach Farben fragen mussten: «Da ist auch sehr Englisch passiert mit: ‘Can I have… Please. And here. And the white one. And….’ Das war irgendwie auch noch schön. Und das war auch die Sprache, die für alle ging, oder? » (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 70) Gemäss Beobachtungen der Forscherin variierte das erfolgreiche, konse‐ quente Englischsprechen in Gruppen abhängig den Klassen und der Gruppen‐ konstellation stark. Gelungenes kulturelles Lernen Wie bereits im Kapitel 4.2 angesprochen, wurden die Lernaufgaben bewusst thematisch so eingebettet, dass kulturellen Lernen begünstigt wurde. So boten die authentischen Kunstbilder im CLIL-Modul I und die Bildergeschichte im CLIL-Modul II Gelegenheiten für das kulturelle Lernen. 318 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="318"?> Eine Lehrperson meinte dazu: «Ich finde auch das Kulturelle bei den Hopper Bildern allgemein war sehr spannend. Und eigentlich / wir haben da diese Bilder besprochen mit den Adjektiven und sie, ich finde, sie haben sehr gut so die Essenz der Bilder heraussagen können. Haben gemerkt, um was gehts bei diesen Bildern» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 178) Scheinbar gelang es in den verschiedenen Klassen der unterschiedlichen Stufen trotz limitiertem Wortschatz die kulturelle Bedeutung dieser Kunstbilder im CLIL-Unterricht aufzuzeigen. Eine 4. Klassenlehrperson fügte an, dass die eingesetzte Musik aus den 20er Jahren die Bedeutung der Bilder aus jener Zeit half zu verdeutli‐ chen: «Was ich noch gut fand bei Edward Hopper war die Musik. Und das von New York. Das hat sie voll gepackt. Und für meine Stufe, die haben das noch gar nie so gehört, das New York in den 1920ern und so. Das hat sie / ihnen gefallen.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 184) Hinsichtlich des kulturellen Lernens im zweiten CLIL-Modul, gemäss Aus‐ sagen zweier Lehrpersonen der 3./ 4. Klassen, waren die Lernenden fasziniert vom fantasievollen, ungegenständlichen Malstil des Künstlers Kandinsky und wollten seine Bilder eingehend entdecken: «Das hat sie wirklich tief beeindruckt (…)» (Lehrperson B, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 65) Laut Beobachtungen der Lehrpersonen der 5./ 6. Klasse konnten einige fortgeschrittene Lernende selbst den unterschwelligen Humor, ein wichtiges britisches Kulturgut, in der eingesetzten Bildergeschichte zum Auftakt in das CLIL-Modul II erkennen: «Ja, also die Geschichte ist eigentlich sehr gut angekommen. Also sie haben das lustig gefunden mit diesen crayons und waren da auch voll dabei, als ich da ihre Briefe vorgelesen habe.» (Lehrperson F, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 4) 6.6.10 CLIL-Didaktik als Chance: Sicht der Lernenden Auch die case pupils äussern sich in den kurzen Interviews zu methodisch-di‐ daktischen Elementen des CLIL-Unterrichts, die jedoch von den Lernenden nicht als solche benannt wurden. Vielmehr geht es in diesem Unterkapitel um Aussagen, die im Zusammenhang mit Lernaufgaben, dem kulturellen Lernen oder Gruppenarbeiten auf Erfolgsmomente im CLIL-Unterricht hinweisen und insgeheim auf didaktisch-methodische Entscheidungen zurückgeführt werden können. Die 53 Codings wurden von den beiden Codiererinnen mit einer zuverlässigen Übereinstimmung von 91.26% codiert. 319 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="319"?> Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Lernaufgaben + 42 90.24 % Kooperatives / Soziales Lernen + 8 100.00 % Sprachgebrauch in Gruppenarbeit + 2 66.67 % Kulturelles Lernen + 1 100.00 % Total 53 91.26 % Tabelle 53: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Didaktik als Chance’ seitens Lernenden Gelungene Lernaufgaben Ähnlich wie die Lehrpersonen fanden auch die case pupils jene Lernaufgaben am besten, die in sich lustig waren oder bei denen sie selber mit viel Entschei‐ dungsfreiheit handeln durften. Dazu gehören im CLIL-Modul I das Betrachten der aufgeräumten Bilder von Ursus Wehrli, das Ergänzen des Van Gogh Bildes oder das Verändern des Edward Hopper Bildes mitsamt der Präsentation am Schluss. Im CLIL-Modul II waren das Mischen der Farben, das Kreieren einer neuen Fantasieform in Gruppen oder das finale ungegenständliche Bild und deren Präsentation die Favoriten. Auch spielerische Elemente oder die Bilder‐ buchgeschichte wurden von einzelnen case pupils als positiv eingeschätzt. Gelungenes soziales und kooperatives Lernen In zwei Interviews äusserten die case pupils Gefallen an den Gruppenarbeiten und dem damit verbundenen Austausch. Sie meinten dazu, dass es spannend wäre zu sehen, was andere machten. Ein anderer case pupil meinte, dass Grup‐ penarbeiten auch eine Bereicherung für die bildnerischen Prozesse sind: «Ja, also auf / zu der einen Seite, dass man für sich alleine es halt gemacht hat und genauso wie man es eigentlich wollte. Auf der anderen Seite dann halt in der Gruppe und dann in der Gruppe wie abgemacht hat, wie wir das machen wollen, nicht nur / es war jetzt einfach so wies Marco wollte, es war so wie von allen, die Ideen dann im Bild drin.» (Case pupil H3, 1. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 7) Gelungenes Englischsprechen in Gruppen Nur in zwei Interviews wurde auf das Englischsprechen in Gruppenarbeiten eingegangen. In diesen beiden bejahten die Kinder der 4. Klassen, dass sie die meiste Zeit Englisch gesprochen hätten. 320 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="320"?> Im Fragebogen wurden die Lernenden nach der ersten und dritten Doppel‐ stunde im CLIL-Modul II zu ihrem Sprachgebrauch allgemein und bei Gruppen‐ arbeiten befragt. Die Antworten der Schüler*innen sind in den drei folgenden Tabellen zusammengefasst und werden nachfolgend kommentiert. «Ich habe mich bemüht, so viel wie möglich Englisch zu sprechen.» stimmt genau stimmt eher stimmt eher nicht stimmt nicht Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 38% 52% 42% 38% 29% 40% 16% 13% 14% 9% 1% 4% 3.DL 38% 46% 30% 31% 39% 30% 16% 10% 22% 13% 0% 16% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 3 (1.DL) / 5 (3. DL) Tabelle 54: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zur Verwendung von Englisch im CLIL-Modul II Die grün eingefärbten Werte zeugen davon, dass sich die Mehrheit der Ler‐ nenden aller Leistungsgruppen bemühte Englisch möglichst oft im CLIL-Unter‐ richt zu verwenden. Die mittelstarken Schüler*innen zeigten sich mit ihren Bemühungen (eher) Englisch zu sprechen mit 81 %, respektive 85 % an bei beiden Befragungszeitpunkt konstant hoch. Auch 76 % respektive 69 % der lern‐ schwachen Kinder stimmten bei beiden Erhebungszeitpunkten dieser Aussage (eher) zu. Die Bemühungen der lernstarken Kinder nahmen im Vergleich zu den anderen Leistungsgruppen etwas ab: Während anfänglich 82 % der Lernenden angaben sich (eher) zu bemühen, sind es nach der 3. Doppelstunde nur noch 60 %. «Ich brauchte die Sprachen folgendermassen.» fast nur Englisch mehrheitlich Eng‐ lisch halb Engl. / halb Deutsch mehrheitlich Deutsch Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 9% 22% 16% 41% 36% 44% 25% 30% 18% 19% 9% 16% 3.DL 13% 25% 22% 31% 30% 16% 25% 26% 32% 22% 13% 28% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 7 (1.DL) / 8 (3. DL) Tabelle 55: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Sprachgebrauch im CLIL-Modul II 321 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="321"?> 39 Da bei den lernstarken Schüler*innen einen Rückgang bei der Verwendung von Eng‐ lisch zu erkennen ist, wird dieser Aspekt im Zusammenhang mit ‘Herausforderungen beim Sprechen im Gruppen’ nochmals aufgegriffen. Auf die Frage, welche Sprachen sie denn generell im CLIL-Unterricht verwen‐ deten, gaben mindestens die Hälfte aller Schüler*innen jeder Leistungsgruppe am ersten Befragungszeitpunkt an, fast nur Englisch oder mehrheitlich Eng‐ lisch zu sprechen (hellgrüne Markierung). Während immer noch 55 % der mittelstarken Schüler*innen auch beim zweiten Befragungszeitpunkt einen ähnlichen Sprachgebrauch auswiesen (dunkelgrüne Markierung), schätzten die anderen beiden Leistungsgruppen ihre Verwendung von Englisch etwas tiefer ein. Bei den lernschwachen Kindern gaben nach der 3. Doppelstunde 44 % der Schüler*innen an, fast nur oder mehrheitlich Englisch zu sprechen (gelbe Markierung), bei den lernstarken Kindern bestätigten dies noch 38 % (orange Markierung) 39 . Während sich die obigen Antworten auf die Sprachverwendung im Unter‐ richt insgesamt bezogen, illustriert die nachfolgende Übersicht die Antworten explizit in Bezug auf das Sprechen in Gruppenarbeiten. «Ich habe in den Gruppenarbeiten hauptsächlich Deutsch gesprochen.» stimmt genau stimmt eher stimmt eher nicht stimmt nicht Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 25% 19% 18% 31% 28% 26% 34% 33% 32% 9% 17% 24% 3.DL 41% 22% 22% 19% 23% 16% 25% 28% 36% 13% 23% 22% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 2 (1.DL) / 6 (3. DL) Tabelle 56: Schülerantworten in gerundeten Prozenten zum Sprachgebrauch in Gruppen im CLIL-Modul II Auch diese Zusammenfassung der Antworten zum Sprachgebrauch in Gruppen zeigt, dass an beiden Befragungszeitpunkten die Hälfte der mittelstarken (50 % resp. 51 %) und die Mehrheit der lernstarken Kinder (56 % resp. 58 %) (eher) ablehnten, während Gruppenarbeiten Deutsch zu sprechen (dunkelgrüne Mar‐ kierung). Diese Antworten lassen demzufolge vermuten, dass die Mehrheit dieser Lernenden während Gruppenarbeit Englisch verwendete. Bei den lern‐ schwachen Schüler*innen verneinten 43 % respektive 38 % Kinder diese Aussage (eher) (hellgrüne Markierung). Die drei Übersichten mit Selbsteinschätzungen aller Lernenden zum Sprach‐ gebrauch zeigen, dass sich die Mehrheit der Lernenden unabhängig der Leis‐ 322 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="322"?> tungsgruppe bemühte, im CLIL-Unterricht mehrheitlich Englisch zu sprechen. Zudem verwendeten rund die Hälfte jeder Leistungsgruppe, bei den lernschwa‐ chen Schüler*innen sind es rund 40 %, selbst bei Gruppenarbeiten die Fremd‐ sprache. Diese Bemühungen nahmen bei den meisten Lernenden gegen Ende des CLIL-Moduls II tendenziell etwas ab. Gelungenes kulturelles Lernen Im Interviewgespräch mit den case pupils zu den Bildern von Edward Hopper zeigte sich an einer Textstelle, dass sich der mittelstarke case pupil Gedanken zur tiefgründigen Bedeutung dieser Bilder gemacht hat. Dieser Lernende empfand die ruhigen Bilder von Hopper als Botschaft an die Betrachter, «dass man sich irgendwie zurückziehen sollte.» (Case pupil E2, 1. CLIL-Modul Interview 2, Zeile 12-13) Diese Aussage lässt vermuten, dass dieser Lernende der historische sowie kulturelle Kontext von Edward Hoppers Werken im Wesentlichen ver‐ stand. 6.6.11 Herausforderungen der CLIL-Didaktik: Sicht der Lehrpersonen Hinsichtlich methodisch-didaktischen Herausforderungen nannten die Lehr‐ personen deutlich weniger Aspekte im Gegensatz zu den Chancen. Die 52 Codings wurden von den beiden Codiererinnen nach Klassenstufe geordnet in die bereits bekannten Kategorien zugeteilt. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Lernaufgaben - 30 54.29 % Kooperatives / Soziales Lernen - 2 66.67 % Sprachgebrauch in Gruppenarbeit - 18 62.07 % Kulturelles Lernen - 2 100.00 % Total 52 58.49 % Tabelle 57: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Didaktik als Herausforderung’ seitens Lehrpersonen Die prozentuale Übereinstimmung der Beurteilerreliabilität liegt bei unzurei‐ chenden 58.49%. Beim Betrachten der Verteilung der Codes in den Daten wird ersichtlich, dass die tiefen Übereinstimmungswerte bei drei der vier Codes zum 323 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="323"?> einen erneut auf die geringe Anzahl Codings zurückgeführt werden kann, bei der jede Abweichung deutlich ins Gewicht fällt; zum anderen mit dem bereits er‐ wähnten schwierig fassbaren Code ‘Lernaufgaben’ zusammenhängt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden im Kapitel 7.11.3 weiter diskutiert. Für die nachfolgende Ergebnispräsentation bedeutet dies, dass die Daten vorsichtig interpretiert werden müssen. Herausforderungen mit Lernaufgaben Schwierigkeiten rund um Lernaufgaben wurden bereits bei den Einschätzungen mittels Rating-Bogen durch die Expert*innen und Lehrpersonen aufgezeigt, weshalb hier nur auf eine weitere und bis anhin noch nie genannte Herausfor‐ derung eingegangen wird: Die Aufgabenerklärung. Zwei Lehrpersonen verwiesen auf die Schwierigkeit, die Lernaufgaben gut verständlich zu instruieren. Eine Lehrperson der 4. Klasse sprach von Stolper‐ steinen bei den Aufgabenerklärungen und eine andere Lehrperson der 5./ 6. Klasse von der Notwendigkeit Erklärungen mit Gesten und teils gar mit Hilfe von Deutsch zu vereinfachen. Reflektiert berichtete sie von ihrer Erfahrung mit der Aufgabenerteilung: «Ja, ich hatte Mühe die Aufgabe / also ich habe für mich gefunden: Wow, gut erklärt. Aber die Schüler waren / die hatten nicht wirklich eine Ahnung, wie sie das jetzt machen sollten. Und da hab ich gemerkt, so jetzt mach ich es nochmal und musste mit Deutsch ergänzen.» (Lehrperson H, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 44) Gemäss den Beobachtungen der Forscherin stellten vereinzelte unklar formu‐ lierte Aufgabenerklärungen stufenunabhängig in verschiedenen CLIL-Schul‐ zimmern eine Erschwernis für das bilinguale Lernen dar. War das der Fall, wirkten sie sich teilweise negativ auf die Bearbeitung der Lernaufgaben aus. Herausforderungen mit dem kooperativen und sozialen Lernen Die beiden Aussagen zweier Lehrpersonen zu dieser Thematik beziehen sich zum einen auf den Wunsch nach mehr kooperativem Lernen nach dem Drei‐ schritt think-pair-share; zum anderen auf die Schwierigkeit, dass die Lernenden in einer CLIL-Doppelstunde bei der Gruppenarbeit übermütig wurden und dann die Klassenführung schwierig wurde: «Es war mega schwierig einzelne Schüler runterzufahren: ‘Hey, zuhören und nicht immer dreinschwatzen’. Sie hatten Freude an der Arbeit, sie haben eigentlich auch / sie können das so gut auf Englisch, aber, sie waren nicht wirklich ernsthaft dabei. Es ist halt auch Freitagnachmittag, die letzte Stunde und irgendwie das ist schade.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 82) 324 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="324"?> Herausforderungen beim Englischsprechen in Gruppen Je eine 3./ 4. und eine 4. Klassenlehrpersonen teilten im Anschluss an beide CLIL-Module mit, dass die meisten Kinder in ihrer Klasse während den Grup‐ penarbeitsphasen Schweizerdeutsch gesprochen hätten. Eine weitere Lehr‐ person einer 4. Klasse meinte, es käme auf die Gruppenzusammensetzung an, inwiefern sie sich gegenseitig für das Sprechen auf Englisch anspornen könnten: «Und die Gruppe, wo zwei Mädchen sehr gerne Englisch sprechen, da hat es zwischendurch wieder ‚Hey Englisch! ‘ …Ja, das war je nach Gruppen‐ konstellation war das halt anders.» (Lehrperson C, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 39) Unabhängig der Stufe waren sich mehrere Lehrpersonen einig, dass das Englischsprechen oft nur dort passiere, wo die Lernenden direkt in ein Gespräch mit der Lehrperson verwickelt oder unter Beobachtung seien: «Und bei anderen, die haben wirklich nur Englisch gesprochen, wenn ich dort stand und wenn ich weg war, war es wieder Deutsch. Das habe ich so beobachtet.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 28) In zwei 5./ 6. Klassen brauchte es seitens der Lehrpersonen wiederkehrende Motivierung und Erinnerung, damit die Lernenden Englisch sprachen: «Ja, das war streng, dass Englisch durchzubringen in den Gruppenarbeiten.» (Lehr‐ person H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 24) Grund für das Ausbleiben des Englisch unter Lernenden sei die bereits erwähnte Tatsache, dass es den Kindern komisch vorkäme, wenn sie untereinander nun plötzlich Englisch sprechen müssten. In einer weiteren 5. Klasse redeten die Lernenden allgemein wenig und darum ergaben sich auch wenig Gespräche während den Gruppenarbeiten oder den Phasen des individuellen Arbeitens: «…das muss nicht sein, dass es wegen dem Englisch gewesen ist, sondern einfach weil sie fleissige, fleissige Arbeiter sind. Und wirklich still sind. Ja.» (Lehrperson E, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile190) Herausforderungen mit dem kulturellen Lernen Die zwei Aussagen zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem kulturellen Lernen stammen von zwei Lehrpersonen der 3./ 4. Klassenstufe. Sie bezweifelten, dass die Mehrheit ihrer Lernenden der vierten Klasse die Finessen der Bilder‐ buchgeschichte samt dem typischen britischen Humor erkannt hatten: «Ich hatte das Gefühl, dass bei meiner Klasse, der gröss / oder der grosse Teil den Witz wahrscheinlich nicht so verstanden / oder die Witze nicht verstanden hatte.» (Lehrperson C, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 25) 325 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="325"?> 6.6.12 Herausforderungen der CLIL-Didaktik: Sicht der Lernenden In den kurzen Gruppeninterviews konnten 17 Codings zu herausfordernden methodisch-didaktischen Aspekten rund um die folgenden zwei Kategorien bestimmt werden. Code Anzahl Codings Beurteiler-Überein‐ stimmung Lernaufgaben - 10 82.35 % Kooperatives / Soziales Lernen - 0 - Sprachgebrauch in Gruppenarbeit - 7 40.00 % Kulturelles Lernen - 0 - Total 17 66.67 % Tabelle 58: Übersicht der Code-Gruppe ‘CLIL-Didaktik als Grenze’ seitens Lernenden Es zeigt sich beim Betrachten der Daten, dass der tiefe Reliabilitätswert von 40 % beim Code ‘Sprachgebrauch in Gruppenarbeit’ zum einen mit der kleinen Anzahl Codings erklärt werden kann; zum anderen eine zuverlässige Codierung die Notwendigkeit eines hohen kontextuellen Wissens über den durchgeführten CLIL-Unterricht mitsamt den eingesetzten Sozialformen voraussetzt. Deshalb wurden die zugeteilten Codes der beiden Codiererinnen auch hier nochmals verglichen, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Aussagen in der nachfol‐ genden Ergebnispräsentation vertreten sind, um trotz tiefer Beurteiler-Über‐ einstimmungswerten aussagekräftige Resultate präsentieren zu können. Herausforderungen mit Lernaufgaben Kritik an den Lernaufgaben gab es aus Sicht der Lernenden aufgrund zweier Faktoren. Einerseits empfanden zwei case pupils jene Lernaufgaben als lang‐ weilig, bei denen sie lange zuhören mussten und wenig eigenaktiv handeln konnten. Das betraf bei beiden CLIL-Modulen die Lernaufgaben, bei denen Bildbetrachtungen und Bildbeschreibungen im Zentrum standen. Anderseits wurden von verschiedenen case pupils in den Interviews zu beiden CLIL-Modulen der Zeitmangel für das gestalterische Arbeiten angesprochen. Viele der befragten Kinder hätten gerne noch länger an den Syntheseaufgaben weitergearbeitet, doch sie hätten dafür zu wenig Zeit gehabt. 326 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="326"?> Herausforderungen beim Englischsprechen in Gruppen Bereits in einem vorhergehenden Unterkapitel wurde darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Lernenden sich bemühte, Englisch zu sprechen. Jedoch ist es ebenso Tatsache, dass es für einen Teil der Klasse herausfordernd war, im CLIL-Unterricht und insbesondere bei den Gruppenarbeiten auf Englisch zu kommunizieren. Bei einigen case pupils drückte sich die Herausforderung der Unterrichts‐ sprache Englisch in Form von Schweigen während den individuellen oder ko‐ operativen Arbeitsphasen aus. In einer Klasse meinten zwei case pupils, dass sie nicht gewusst hätten, worüber sie sprechen sollten: «Keine Ahnung, was man sagen soll.» (Case pupil E3, 2. CLIL-Modul Interview 1, Zeile 52) Beobachtungen der Forscherin zufolge zeigte dieser case pupil (E3) im CLIL-Modul II allgemein wenig Lust an der Kommunikation auf Englisch, dies allenfalls bestärkt durch die vorgegebene Gruppenkonstellation. In einer anderen Klasse machten die case pupils die hohe Konzentration für ihr Schweigen verantwortlich: «Ich habe eigentlich auch nichts gesprochen, sondern auch mich auf mein Bild konzentriert.» (Case pupil H1, 2. CLIL-Modul Interview 3, Zeile 19). Wie die untenstehende Tabelle 59 hinsichtlich des Antwortverhaltens der lernstarken Schüler*innen nach der 3. Doppelstunde am Schluss des CLIL-Mo‐ duls II verdeutlicht, verwendeten sie gegen Ende des CLIL-Moduls deutlich weniger Englisch als noch zu Beginn (rote Markierung). «Ich brauchte die Sprachen folgendermassen.» fast nur Englisch mehrheitlich Eng‐ lisch halb Engl. / halb Deutsch mehrheitlich Deutsch Levels schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark schwa mittel stark 1.DL 9% 22% 16% 41% 36% 44% 25% 30% 18% 19% 9% 16% 3.DL 13% 25% 22% 31% 30% 16% 25% 26% 32% 22% 13% 28% N = 151 Lernschwache: n = 32 Mittelstarke: n = 69 Lernstarke: n = 50 k.A.: n = 7 (1.DL) / 8 (3. DL) Tabelle 59: Einschätzung des Sprachgebrauchs Eine zusätzliche Auswertung der Fragebogen nach Klassenstufen zeigte, dass insbesondere die 5./ 6. Klassenkinder nach der 3. Doppelstunde deutlich öfters verneinten Englisch zu verwenden als bei der 1. Doppelstunde. 327 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="327"?> 6.6.13 Weitere Chancen und Herausforderungen rund um das Forschungsprojekt An dieser Stelle werden weitere Aussagen der Forschungsbeteiligten mitgeteilt, die die Implementierung der CLIL-Module insgesamt ebenfalls beeinflussten. Da diese Aussagen nicht direkt mit dem CLIL-Lernen zusammenhängen, jedoch für die Beantwortung der Forschungsfrage II trotzdem von Relevanz sind, werden sie in komprimierter Form vorgestellt. Nachfolgend die Zusammenfassung wichtiger Vorteile und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Durch‐ führung des Forschungsprojekts, die von den Lehrpersonen und Lernenden wahrgenommen wurden. Grosses Interesse und hohe Motivation der Lehrpersonen Gemäss Einstiegsfragebogen und Aussagen an den Gruppendiskussionen waren alle Lehrpersonen motiviert, teils gar hochmotiviert, für die Umsetzung dieser CLIL-Module. Allen acht Lehrpersonen gefiel die Idee die beiden Fächer Eng‐ lisch und BG in CLIL-Modulen zu kombinieren. Sie unterrichten alle die Fächer BG und Englisch gerne oder mehrheitlich gerne. Chancen des Kamera- und Beobachtungseffekts Sieben der acht Lehrpersonen sprachen von einem motivierenden Effekt auf‐ grund der Anwesenheit der Forscherin, Kamera oder Mikrofone. Sie sprachen von beobachtetem Stolz und Ansporn, der sich positiv in den Lernhandlungen der case pupils aber auch bei vielen anderen Schüler*innen der Klasse bemerkbar machte: «Du bist jetzt auserwählt, um dann die Interviews zu geben. Das hat extrem diese CLIL-Lernprozesse aktiviert.» (Lehrperson B, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 208) Diese bestätigten auch die meisten case pupils. Gemäss ihren eigenen Aussagen sowie gestützt auf Beobachtungen der Lehrpersonen, freuten sich bei den Interviews mitwirken zu dürfen. Chancen der lesson study Die Lehrpersonen nutzten die verschiedenen Auswertungstreffen, die in erster Linie als Weiterbildungsveranstaltung fungierten, für den Austausch von Good Practice-Beispielen. Die Lehrpersonen fragten einander, wie sie bestimmte Sequenzen handhabten oder verschiedene Lernaufgaben konkret organisierten. Zudem tauschten sie methodisch-didaktische Tipps aus, die über den CLIL-Un‐ terricht hinaus für das zukünftige Erteilen von Englisch- und BG-Unterricht nützlich sein können, wie zum Beispiel: «Und dort fand ich es auch super mit dem Tipp, zeig gleich darauf, was ich ehm erzähle. Weil da / so sieht man auch wer hört zu. Weil sonst sitzen sie manchmal einfach da und warten, bis der den 328 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="328"?> Brief erzählt hat. Da hat man wirklich gesehen, ja sie hören zu.» (Lehrperson D, 2. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 130) Die im Zusammenhang mit den CLIL-Modul I durchgeführten Hospitationen wurden ebenfalls geschätzt: «Ich fands einfach toll in eine andere Klasse zu gehen, in eine Englischklasse, die eigentlich das macht, was ich auch mache. Diese, das kann ich eigentlich selten machen so.» (Lehrperson A, 1. CLIL-Modul Gruppe 1, Zeile 233) Zeitfaktor als Herausforderung Die drei eingeplanten Doppelstunden, insbesondere für die Umsetzung des CLIL-Modul I, waren kaum ausreichend. Um die Unterrichtsplanung einhalten zu können, mussten zum Teil die gestalterischen Prozesse verkürzt oder Refle‐ xionen weggelassen werden. Dies, wie bereits angesprochen wurde, sehr zum Verdruss der Lernenden. Zudem braucht die Umsetzung von CLIL Zeit. Dies gilt insbesondere auf der 3./ 4. Klassenstufe, wo Wortschatz aufgebaut werden muss und auch bildnerische Prozesse noch nicht so speditiv ablaufen. Laut mehreren Lehrpersonen benötige auch das Einlesen in eine fremde Planung viel Zeit. Damit bezogen sie sich auf die CLIL-Unterrichtsplanung, die von der Forscherin verfasst und den Lehrpersonen für die Umsetzung dieser Module zur Verfügung gestellt wurde (siehe Anhang A). Kamera und Mikrofone als Hemmnis Auf vereinzelte, tendenziell eher lernschwache, Schüler*innen hatte die Anwe‐ senheit der Kamera- und Mikrofone allenfalls eine hemmende Wirkung auf ihr Sprechverhalten. Dies liess sich an deren beunruhigenden Blicke auf die Aufnahmegeräte erkennen. Die case pupils fanden es zudem störend, dass sie die Mikrofone zum Beispiel während Kreissequenzen in der Hand halten mussten und fürchteten, dass sie es kaputt machen würden. Auch eine Lehrperson meinte - zwar lachend -, dass sie sich durch die Anwesenheit der Kamera etwas angespannter als sonst fühlte: «Und dann wirst du noch gefilmt dabei und dann muss es noch stimmen.» (Lehrperson H, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 202) Herausforderung der lesson study Zwei Lehrpersonen konnten im Rahmen des CLIL-Modul I aus organisatori‐ schen und zeitlichen Gründen keine Hospitationen durchführen. Auch im CLIL-Modul II liessen sich solche gegenseitigen Besuche nicht mehr realisieren. Weiter wurde von einer Lehrperson angemerkt, dass ihr das Umsetzen von Unterricht basierend auf einer fremden Unterrichtsplanung Mühe bereitete. 329 6.6 Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module <?page no="329"?> 6.7 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage III Dieses abschliessende Kapitel hat zum Ziel, die in den letzten Kapiteln umfas‐ send vorgestellten Chancen und Herausforderungen der CLIL-Module für die tentative Beantwortung der Forschungsfrage III zusammenzuführen. Dafür werden die wichtigsten Erkenntnisse zu Chancen und Herausforderungen für die Umsetzung von CLIL-Unterricht in der nachfolgenden Übersicht gegenüber‐ gestellt. Da die Forschungsfrage III einen Fokus auf die Heterogenität setzt, müssen die Ergebnisse entsprechend auch differenziert betrachtet werden. Kei‐ nesfalls lassen sich alle Erkenntnisse auf alle Lernenden verallgemeinern. Aus‐ sagen, die ihre Gültigkeit für das CLIL-Lernen in dieser Fächerfusion generell und für alle oder zumindest die Mehrheit der Lernenden haben, sind in der ersten Zeile vermerkt. Aber auch hier gilt: Die aufgelisteten Chancen und Herausfor‐ derungen sind nicht in allen CLIL-Schulzimmern in gleich prominenter Weise aufgetreten. Solche, die nur von einzelnen Stimmen genannt wurden, werden auch entsprechend vorsichtig formuliert. Alle anderen Erkenntnisse werden differenziert für die verschiedenen heterogenen Lernenden in Bezug auf die drei Leistungsgruppen ausgewiesen. Zusätzliche stufenspezifische Besonderheiten werden ausserdem am Schluss als Ergänzung angefügt. Chancen Herausforderungen CLIL mit Englisch und BG • CLIL gefällt den meisten Ler‐ nenden • Spielerischer, lustvoller Zugang zum Englisch • Englisch und BG ergänzen sich: Sprache fliesst in die Gestaltung ein, Bilder bereichern Sprache • Funktion von Englisch als echte Kommunikationssprache • Mehrheit der Lernenden bemüht sich Englisch zu sprechen • Rund die Hälfte der Kinder spre‐ chen in Gruppenarbeiten Eng‐ lisch • CLIL wird als duales Lernsetting erkannt • Qualität der Bildprodukte ist gleich wie im BG • Elan und Ausdauer für BG-Akti‐ vitäten • Interesse für Kunst / Bildbetrach‐ tungen • Bei hohem Mitteilungsdrang geht Englisch vergessen, braucht es Deutsch • CLIL wird nicht als ausba‐ lancierte Fächerfusion wahrge‐ nommen • CLIL ist anstrengend für Lehr‐ personen und einige Lernende • Zu viel CLIL kann demotivierend sein • Inhaltliches Scaffolding dämpft Kreativität • Englisch in Gruppenarbeiten braucht regemässige Erinne‐ rungen • Neu gelernter Wortschatz ist später nicht abrufbar • CLIL braucht Zeit • Beobachtungseffekt hemmt ei‐ nige • Beurteilung von Kompetenzen im BG ist anspruchsvoller als im Englisch 330 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="330"?> • CLIL unterstützt Umgang mit Heterogenität • Kooperatives Lernen bewährt sich im CLIL • Scaffolding unterstützt und wird individuell genutzt • Beobachtungseffekt spornt viele an • Natürlicher Umgang mit Fehlern und Korrekturen • Vereinzelte kritische Stimmen seitens Eltern Lernschwache Kinder • Sprechen mehr als im Englisch‐ unterricht • Empfinden das Sprechen im CLIL einfacher als im Englischunter‐ richt • Einfache Mitteilungen und Prä‐ sentationen auf Englisch ge‐ lingen • Alltagsnaher Wortschatz wird geschätzt • Globales Hörverständnis gelingt meistens • Gute Kreativität • CLIL wird nach Angewöhnung einfacher • Strategisches Wissen für Sprach‐ rezeption • Anstrengungsempfinden nimmt mit der Zeit ab • Mangelndes Aufgabenver‐ ständnis kann Kreativität beein‐ flussen • Detailliertes Hörverständnis ist schwierig • Textverständnis ist anspruchs‐ voll • Spontanes Sprechen ist schwierig • Weniger Englischsprechen in Gruppen • Kleiner Wortschatz • Passives Verhalten im Unterricht und Gefahr des Abhängens • Mehrheit empfindet CLIL als an‐ strengend Mittelstarke Kinder • Empfinden das Sprechen im CLIL einfacher als im Englischunter‐ richt • Sehr gutes globales Verständnis • Detailliertes Verständnis gelingt meistens • Gute Kreativität • CLIL wird nach Angewöhnung einfacher • Strategisches Wissen für Sprach‐ rezeption und -produktion • Detailliertes Verständnis bei au‐ thentischen Texten (Film, Ge‐ schichte) wird als schwierig emp‐ funden • Teils fehlender Wortschatz Lernstarke Kinder • Risikofreudiges Sprechen auf Englisch • Sprachenwechsel / Code-Swit‐ ching gelingt • Sprechen bereitet keine Schwie‐ rigkeiten • Sehr gutes globales Verständnis • Gutes detailliertes Verständnis • Hohe Kreativität • CLIL-Module als Begabungsför‐ derung • Detailliertes Verständnis bei au‐ thentischen Texten (Film, Ge‐ schichte) wird zum Teil als schwierig empfunden • Lerntempo wird z.T. als zu langsam empfunden 331 6.7 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage III <?page no="331"?> • Breites strategisches Wissen für Sprachrezeption und -produk‐ tion Stufe 5./ 6. • Basiswortschatz ist vorhanden • Kein Noten- / Leistungsdruck im CLIL • Wortschatz wird konsolidiert und erweitert • Detailliertes Hör- und Lesever‐ ständnis ist teilweise schwierig • Englischsprechen mit Peers ist seltsam Stufe 3./ 4. • Hohe Motivation für CLIL • Bemühen sich (auch mit Peers) Englisch zu sprechen • Kleiner Wortschatz • Fehlende sprachliche Strukturen • (Spontanes) Sprechen ist schwierig Tabelle 60: Gegenüberstellung der Chancen und Herausforderungen des CLIL-Unter‐ richts Ohne nochmals auf die einzelnen Aspekte einzugehen, wird bei der Betrachtung dieser Übersicht ersichtlich, dass insgesamt mehr Chancen als Herausforde‐ rungen für die Umsetzung dieser CLIL-Module erkannt wurden. Dies hat zum einen sicherlich damit zu tun, dass diese CLIL-Module in der Praxis tatsächlich funktionierten, zum anderen sind weitere Gründe dafür verantwortlich zu machen, die im nachfolgenden Hauptkapitel 7 diskutiert werden. Gleichzeitig zeigt die obige Übersicht auch, dass die lernschwachen und jüngeren Lernenden mit deutlich mehr Herausforderungen konfrontiert waren als die lernstarken und fortgeschrittenen Schüler*innen. Dieser Sachverhalt muss ernst genommen werden und wird bei der nachfolgenden Diskussion (siehe Kapitel 7.3.2-7.3.4) ebenfalls vertieft thematisiert. Mit Blick auf die Forschungsfrage III kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die beachtliche Anzahl an positiven Erkenntnissen die Annahme stützt, dass CLIL in dieser Fächerfusion vielfältige Chancen für das bilinguale Lernen mit heterogenen Lernenden ermöglichen kann - sofern auch die Her‐ ausforderung gut im Auge behalten werden. Ein letztes Zitat soll an dieser Stelle angebracht werden, weil es die Essenz dieser Fächerfusion für die heterogene Primarstufe treffend zusammenfasst und nochmals pointiert aufzeigt, inwiefern CLIL in dieser Form den Umgang mit der Heterogenität vorteilhaft berücksich‐ tigt: «Ja und BG, das kann man / also jeder kann etwas beitragen. Das hab ich auch so ein bisschen gemerkt: Beim Englischen, das für die Kinder schwierig war, da war es mehr dann so ein spielerisches Englischsprechen miteinander. Eben, so ein bisschen auf diese lustige Art und man darf auch Fehler machen, was man vielleicht im Englisch-Englisch nicht so macht oder Angst hat Fehler zu machen. 332 6 Darstellung der Ergebnisse <?page no="332"?> Und da haben sie sich getraut. Und dann in der BG-Umsetzung konnte jeder etwas machen. Wenn du den Auftrag verstanden hast, musstest du eigentlich nichts mehr sprechen. Und da konnten sie wirklich alle arbeiten.» (Lehrperson D, 1. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 11) 333 6.7 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage III <?page no="334"?> 40 Zur Erinnerung: Einfachheitshalber wird hier von Gruppenarbeiten gesprochen. Tat‐ sächlich handelt es sich nicht immer um kooperative Arbeitsformen, sondern auch um individuelle Aufträge, die die Lernenden an Gruppentischen ausführten und so in Gespräche mit ihren Kolleg*innen verwickelt waren. 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse Dieses finale Hauptkapitel strebt eine verdichtende Diskussion, der im voran‐ gehenden Hauptkapitel 6 präsentieren Ergebnisse an. Ziel ist es in einem ersten Schritt die in Erfahrung gebrachten Erkenntnisse für die Umsetzung von CLIL in Bezug auf das duale Lernen und die Heterogenität unter Einbezug theoriebasierter Aspekte zu diskutieren. Für den Zweck der Überschaubarkeit werden in diesen ersten längeren Kapiteln Untertitel gesetzt. In einem zweiten Schritt werden weitere wichtige dieser Arbeit zugrundeliegende Themen in kompakterer Form beleuchtet. Die Diskussion bereitet in diesem Sinne auf die finale Beantwortung aller drei übergeordneten Forschungsfragen im Kapitel 7.10 vor. Daran anschliessend werden auf limitierende Faktoren dieser Unter‐ suchung hingewiesen und Anregungen für die zukünftige Erforschung als auch Implementierung bilingualer Module gegeben. Das Hauptkapitel endet mit einem persönlichen Fazit. 7.1 CLIL als Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lernenden im CLIL-Unterricht weitgehend auf Englisch ausdrückten. Bei den Redebeiträgen der lernstarken und durch‐ schnittlichen case pupils lagen die Anteile von (mehrheitlich) Englisch bei über 82 %, bei den lernschwachen case pupils resultieren diese ebenfalls im erfreulichen Bereich von 57 %. (vgl. Tabelle 8). Gemäss Selbsteinschätzungen gaben die Mehrheit aller befragten Schüler*innen an, sich zu bemühen so viel wie möglich Englisch zu verwenden (vgl. Tabelle 54). Über die Hälfte, bei den leistungsschwachen Kindern waren es mit rund 40 % etwas weniger, sprachen während Gruppenarbeiten 40 zudem mehrheitlich Englisch (vgl. Tabelle 56). Zusätzlich brachten weitere Antworten aus den Fragebogen hervor, dass es für viele Lernende einfacher ging, Englisch im CLIL-Unterricht als im herkömmli‐ chen Fremdsprachenunterricht zu verwenden (vgl. Tabelle 36). Die folgenden Gründe mache ich für diesen insgesamt hohen fremdsprachlichen Anteil im CLIL-Unterricht verantwortlich. <?page no="335"?> 7.1.1 Positive Lernumgebung Eine natürliche Sprachlernumgebung, in der sich die Lernenden sicher fühlen und die Fremdsprache angstfrei sowie risikobereit bei verschiedensten Gelegen‐ heiten üben und kreativ einsetzen können, wird als wichtiges Kriterium von effektiven Fremdsprachen- und CLIL-Unterricht auf der Primarstufe angesehen (Halbach 2009, S. 104; Moon 2005, S. 4, 14; Tomlinson 2017, S. 44). Bereits Krashen (1987, S. 31-32) betonte mit seiner affective filter hypothesis, dass Wohlbefinden und Selbstvertrauen das Fremdsprachenlernen massgeblich fördern. Neben der Wichtigkeit von positiven Emotionen wird auch das physisch-aktive Lernen als eine essentielle Gelingensbedingung für den Fremdsprachenunterricht mit Kindern angesehen (Cameron 2001, S. 24). Der durchgeführte CLIL-Unterricht schien diese Kriterien einer positiven Lernumgebung vollumfänglich zu er‐ füllen. Dies bestätigen die verschiedentlichen Ergebnisse aus den Fragenbogen und den Interviews: Über 79 % der Lernenden gefiel der CLIL-Unterricht, alle case pupils äusserten sich positiv zu dieser Fächerfusion und einige von ihnen betonten die vermehrte Lust am Sprechen im CLIL-Unterricht gegenüber dem Sprechen im Englischunterricht. Gemäss eigenen Beobachtungen fühlten sich viele Lernende sichtlich wohl und unbesorgt in der Anwendung der Fremdsprache, insbesondere während den gestalterischen Phasen. Da gemäss Fragebogenauswertung die meisten Schüler*innen BG mögen, ist anzunehmen, dass sie deshalb locker in diese kreativen Arbeitsphasen eintauchten. Der Rahmen des bilingualen Unterrichts mitsamt den zu Beginn geltend gemachten Regeln bezüglich der Verwendung des Englischen gab den Lernenden dabei den motivierenden Ansporn, die Fremdsprache so weit wie möglich auch während dem Gestalten anzuwenden. Es ist daher anzunehmen, dass diese gestalterischen Sequenzen ein reiches, authentisches Setting boten bei dem sich die Lernenden zwanglos über den aktuellen Gestaltungsprozess oder ungezwungen über private, fachfremde Themen unterhalten konnten. Freie, relativ unbeobachtete Sprachverwendungsmöglichkeiten werden auch in an‐ deren Studien als Grund für den vermehrten Gebrauch der Fremdsprache genannt (Allen et al. 1983, S. 236; Llinares et al. 2012, S. 33; Nikula et al. 2013, S. 80). Die Lehrpersonen beobachten zudem, dass viele Kinder spielerisch mit der Fremdsprache experimentieren und machten dafür als weiteren Grund die besondere Unterrichtssituation frei von Leistungs- und Notendruck verant‐ wortlich. Eine ähnliche Beobachtung macht auch Witzigmann (2011, S. 286) in ihrer Studie durchgeführt im bilingualen Zeichnungs-/ Kunstunterricht und beschreibt diese experimentelle, bewertungsfreie Sprachverwendung als einen Vorzug des CLIL-Unterrichts. 336 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="336"?> 7.1.2 Mask effect Neben diesen positiven Lernvoraussetzungen kann als weiteren Grund auch der sogenannte mask effect für den hohen Englisch Anteil im CLIL-Unterricht mitverantwortlich gemacht werden. Wie bereits im Kapitel 2.2 erklärt, besagt diese Theorie, dass die Anwesenheit eines anderen Faches das Fremdsprachen‐ lernen ‘maskiert’. Weil das oft als anspruchsvoll empfundene Fremdsprachen‐ lernen nicht im Zentrum steht, wird der allenfalls hemmende, mit negativen Emotionen verbundene affective filter vermindert und Lernende zeigen frei von äusserem Druck eine höhere Bereitschaft die Fremdsprache zu benutzen. Im CLIL-Unterricht, wo die Fremdsprache nicht nur Lerngegenstand sondern vor allem auch Kommunikationsmittel ist, steigt zudem das Bedürfnis sich auf Englisch mitzuteilen und die Lernenden sprechen tendenziell mehr (Maillat 2010, S. 53-55). Die grosse Anzahl der unter dem Code ‘Neuer Zugang zum Englisch’ zusammengefassten Aussagen von Lehrpersonen und Lernenden zu Aspekten wie natürlicher Sprachgebrauch, themen- und alltagsorientierter Zugang zur Fremdsprache und die verminderte Fokussierung auf Korrektheit stützen die Gültigkeit des mask effect auch in vorliegender Untersuchung. Die hier untersuchte CLIL-Lernumgebung, die sich nicht ausschliesslich dem Fremdsprachenlernen per se verschrieb, schien besonders ertragreich für das fremdsprachliche Lernen zu sein (Dalton-Puffer 2007, S. 294). Folglich ist für die vorliegende Untersuchung das bereits genannte Zitat durchaus zutreffend: «Ho‐ wever, paradoxically, more language is learnt when the focus on direct language teaching is reduced and the content teaching is increased.» (Mehisto et al. 2008, S. 32). 7.1.3 Wechselwirkung zwischen Bild- und Fremdsprache Auf den ersten Blick boten die zwei im Detail untersuchten Lernaufgaben relativ wenig produktive Englischlernmomente (vgl. Abbildung 33). Dies weil sie deutlich mehr gestalterische sowie lehrzentriere, zuhörorientierte Phasen bein‐ halteten, als jene erwünschten kooperativen, kommunikativen Lernsequenzen. Jedoch zeigte sich bei der genaueren Analyse, dass die Lernenden eben genau diese kreativen, gestalterischen Phasen, in denen sie grundsätzlich nicht spre‐ chen müssten, für die fremdsprachliche Interaktion nutzten (vgl. Tabelle 10). Ein Grund für die besonders hohe fremdsprachliche Kommunikation wäh‐ rend den gestalterischen Sequenzen könnte auf die symbiotische Beziehung von Bildern und Sprache zurückgeführt werden. Bekanntlich ermöglichen Bilder als visualisierte Informationsträger nicht nur ein besseres Verständnis, sondern helfen ebenfalls für eine leichtere Versprachlichung, weil sich die 337 7.1 CLIL als Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen <?page no="337"?> Lernenden auch bildsprachlich mit reduzierter verbaler Sprache ausdrücken können (Gehring 2017, S. 9). Die unmittelbare Auseinandersetzung mit bildne‐ rischen Prozessen und Produkten scheint die fremdsprachliche Kommunikation wechselseitig positiv zu beeinflussen: Einerseits ist anzunehmen, dass kreative Arbeitsphasen Lust machten, sich über das Unmittelbare zu unterhalten. Ander‐ seits ist zu vermuten, dass die Gestaltungsprozesse die Lernenden animierten die bildsprachliche Kreativität auf die verbale Sprache zu übertragen. Diese Wech‐ selwirkung zwischen Bild- und Fremdsprache machte sich zum Beispiel beim CLIL-Modul I bemerkbar, als viele Lernende in ihre Collagen englische Begriffe integrierten. Oder zeigte sich im CLIL-Modul II dann, als viele Lernende ihre entstehenden Farben oder ungegenständlichen Bilder wiederkehrend fremd‐ sprachlich kommentierten (Oh, this looks like a…! ). Auf diesen Zusammenhang zwischen Fremd- oder Mehrsprachigkeit und Kreativität macht ebenfalls eine interessante Untersuchung von Marsh und Hill (2009) aufmerksam. So schreiben sie in ihrer Konklusion: «Mulitlingualism appears to help people realise and expand their creative potential.» (Marsh & Hill 2009, S. 23). Die Autoren schlussfolgern, dass mehrsprachige Situationen - zu denen CLIL-Unterricht gehört - kreatives Denken und flexibles Agieren fördert. Sie vermuten, dass die Verwendung von mehreren Sprachen eine gewisse Fle‐ xibilität im Hirn verursacht, die ihrerseits zu originellem Denken und Handeln führt. (Marsh & Hill 2009, S. 10) Wenn nun Kreativität und Mehrsprachigkeit ähnliche Gehirnregionen ansprechen, könnte daraus geschlossen werden, dass diese Verbindung auch in umgekehrter Weise funktioniert: Kreative Situationen könnten die Mehrsprachigkeit fördern. Anknüpfend an diese Hypothese zeigt die Studie von Andrade (2010, S. 104), dass kritzeln und zeichnen während dem Ausführen einer anderen, vorder‐ gründigen Aufgabe die Konzentration steigert. Dies weil das Kritzeln selektiv übergeordnete Denkprozesse animiert und so hilft, gedanklich nicht von der Aufgabe abzuschweifen. Auch wenn in der vorliegenden Untersuchung das zielorientierte Gestalten wenig mit bedeutungslosem Kritzeln zu tun hat, so könnte trotzdem angenommen werden, dass im CLIL-Unterricht die gestalteri‐ schen Phasen helfen, fokussiert an den Lernaufgaben unter Verwendung der Fremdsprache zu verweilen. Obschon die kausalen Zusammenhänge zwischen Gestalten und Fremd‐ sprache noch weiter ergründet werden müssten, stützen die vorliegenden Ergebnisse die Vermutung, dass das gestalterische Arbeiten die Lernenden zum kreativen Interagieren auf Englisch anstiftete (vgl. Witzigmann 2011, S. 333). 338 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="338"?> 7.1.4 Kommunikationsfreudige Unterrichtsorganisation Die fremdsprachige Kommunikationsfreude der Lernenden wurde auch auf der Ebene der Unterrichtsorganisation geweckt. Dies passierte in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist die Organisationsform der Lernaufgaben zu nennen. Diese wurden insbesondere im CLIL-Modul II grossmehrheitlich in Form von Partner- oder Gruppenarbeiten organisiert oder - falls im Plenum durchgeführt - mit kurzen kooperativen Austauschphasen nach dem Dreischritt think-pair-share angereichert. Diese gelungene Unterrichtsorganisation mit variantenreichem Wechsel von Zuhören und Sprechen ist auch in der Abbildung 32 erkennbar. Dank dieser Organisationsform erhielten die Lernenden immer wieder Gelegen‐ heiten, sich im kleinen Rahmen kurz auszutauschen, bevor sie ihre Antworten im Plenum vor einem grösseren Publikum mitteilten. Dadurch erhielten die Lernenden nicht nur eine zusätzliche Möglichkeit ihre fremdsprachliche Mittei‐ lung zu üben und inhaltlich mit jener des Gegenübers abzustimmen, sondern auch ihre Bereitschaft sich anschliessend aktiv im Plenum einzubringen wurde gesteigert (vgl. Eisenmann 2019, S. 71). Ohne ein Angebot an solchen zwischen Peers organisierten Lernaufgaben würden die Lernenden im Fremdsprachen‐ unterricht viel zu wenig Sprechgelegenheiten erhalten (Garcìa Mayo & Làzaro Ibarrola 2015, S. 51). Neben der Organisation der Lernaufgaben ist zum anderen die kommuni‐ kationsfreundliche Organisation der CLIL-Klassenzimmer als Anregung für die vielen englischen Sprachhandlungen verantwortlich zu machen. Diese machte sich insbesondere während den gestalterischen Phasen bemerkbar. So teilten zum Beispiel immer mindestens zwei Lernende eine Farbschachtel oder einen Wasserbecher. Zudem wurden in mehreren Klassen eigens für den CLIL-Unterricht Gruppentische eingerichtet. Diese Gegebenheiten förderten die kommunikativen Austauschmöglichkeiten und erzielten zahlreiche authenti‐ sche Kommunikationsgelegenheiten, die direkt mit dem unmittelbaren Kontext in Verbindung standen. Die direkte Begegnung mit dem Unterrichtsgegen‐ stand ‘Englisch’ wurde auch von den Lehrpersonen und case pupils in den Interviews als Vorteil für das Sprachenlernen angesprochen. In diesen Situa‐ tionen fungierte die Fremdsprache als genuines Kommunikationsmittel. Zum Beispiel konnten sie einander um Farben oder andere Materialien bitten oder sie mussten sich organisatorisch absprechen, wer frisches Wasser zum Malen holt. Die Lehrpersonen erwähnten, dass viele Schüler*innen solche funktionalen Sprachmittel, wie nach etwas Bitten oder Fragen, bereits kannten und somit mühelos anwenden konnten. Dies ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, dass die Schulsprache in diesen individuellen und kooperativen Arbeitsphasen bei der Mehrheit der Lernenden nicht die Oberhand gewann, wie das andere 339 7.1 CLIL als Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen <?page no="339"?> CLIL-Untersuchungen zeigten (z. B. Dalton-Puffer 2007, S. 31; Llinares et al. 2012, S. 229). Die Lernenden verwendeten zwar Deutsch, jedoch lagen diese Anteile insgesamt in der Minderheit (vgl. Tabelle 8). Während sich die meisten Lernenden ab der 4. Klasse mutig auf die Verwendung von Englisch einliessen, empfanden einige ältere Schüler*innen, vor allem solche aus der 6. Klasse, die Verwendung von Englisch für die Gespräche mit ihren deutschsprachigen Kolleg*innen befremdend. Die Resultate aus dem Fragebogen, bei dem eine rückgängige Verwendung von Englisch bei den lernstarken Schüler*innen und auffällig oft bei jenen aus der 5./ 6. Klasse zu erkennen ist (vgl. Tabelle 55), stützen diese Annahme. Eine ähnliche Beobachtung machten auch andere CLIL-Forschende und geben dafür als möglichen Grund Unterschiede in der Motivation und Einstellung zwischen den älteren und jüngeren Lernenden an (Garcìa Mayo & Làzaro Ibarrola 2015, S. 49). Die Motivation der älteren Schüler*innen für eine konsequentere Verwendung der Zielsprache Englisch könnte allenfalls auf zwei Arten gesteigert werden: Zum einen mit dem Auf‐ zeigen der Vorzüge des CLIL-Unterrichts für die eigene Sprachkompetenz; zum anderen mit animierenden als auch verbindlichen Abmachungen zum Fremdsprachengebrauch (siehe Kapitel 7.1.7). 7.1.5 Beobachtereffekt Ferner kann auch der Beobachtereffekt als wichtigen Einflussfaktor für die hohe fremdsprachliche Beteiligung der Lernenden betrachtet werden. Die Lehrpersonen waren überzeugt, dass die Anwesenheit der Forscherin mitsamt ihren technischen Aufnahmegeräten die meisten Lernenden positiv aktivierte. Gemäss Aussagen mehrerer Lehrpersonen schien dies einige gar zu Höchstleis‐ tungen anzuspornen. Einige Lehrpersonen betonten zudem, dass insbesondere die Lernenden unter Beobachtung und die case pupils sowie andere Gruppen in der Nähe der Lehrperson auffällig häufig Englisch sprachen. Sie bemerkten, dass diese Bemühungen bei einigen Schüler*innen mit dem Entfernen der beobachtenden Personen abnahmen. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass viele Lernende unter direkter Beobachtung zur besseren Mitarbeit animiert wurden. Auch ich in der Rolle der teilnehmenden Beobachterin konnte bei vielen Schüler*innen, zusätzlich zu den case pupils, eine hohe - teils auch sehr konsequente - Verwendung der Fremdsprache wahrnehmen. Es ist daher anzunehmen, dass der Beobachtereffekt positive Auswirkungen auf die Lern‐ handlungen hat und es viele Lernende motiviert, wenn man sich für sie und ihr Lernen interessiert. Die Wichtigkeit von engagierten Lehrpersonen, die mit Interesse das Lernen ihrer Schüler*innen begleiten und anerkennen, betrachten 340 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="340"?> sowohl Hattie als Schlüsselelement für wirksamen Unterricht (Hattie 2015, S. 280) als auch Spitzer als wichtige motivationale Aktivierung für das Lernen (Spitzer 2003, S. 195). Auch wenn solche Beobachtereffekte als verzerrend für das Abbild der Realität betrachtet werden können (Hee 2018, S. 380), so weisen sie nichtsdestotrotz darauf hin, dass die Lernenden zu den gezeigten Lernleistungen grundsätzlich in der Lage sind (Breidenstein et al. 2015, S. 37- 38). Dies wiederum würde implizieren, dass im CLIL-Unterricht ein hoher fremdsprachlicher Sprechanteil durchaus möglich ist. 7.1.6 Schülerorientierte Unterrichtsforschung Als weiteren möglichen Grund für die positiven Resultate in Bezug auf den hohen Fremdsprachenanteil kann auch die konsequente Ausrichtung dieser Studie auf die Schülergespräche betrachtet werden. Da der Fokus ganz klar auf die Lernenden gerichtet war, wurden die nötigen technischen Vorkehrungen getroffen, um die schülerzentrierten Arbeitsphasen und die damit verbundenen Gespräche zwischen den case pupils zu erfassen. Da sich viele CLIL-Studien - auch aus Gründen der einfacheren Datensammlung - mehrheitlich auf die Kommunikation der Lehrperson oder Gespräche im Plenum konzentrieren (Ni‐ kula et al. 2013, S. 73), kann es sein, dass bisherige Untersuchungen ihren Fokus zu wenig spezifisch auf die Kommunikation zwischen Lernenden richteten und darum Aussagen zum Sprachgebrauch der Schüler*innen vorsichtig betrachtet werden müssen. Zum Beispiel weisen verschiedene Studien darauf hin, dass die Lernenden während der Bearbeitung von kooperativen Lernaufgaben im CLIL-Unterricht grösstenteils die Schulsprache verwenden (Dalton-Puffer 2007, S. 31; z. B. Schwab et al. 2012, S. 9). Bei einer oberflächlichen Betrachtung der Sprechanteile der case pupils würde auch ich dieser weitverbreiteten An‐ sicht zustimmen, denn natürlich verwendeten die Lernenden auch in diesem CLIL-Setting immer wieder Deutsch - wie es auch als normal und produktiv für das bilinguale Lernen angesehen wird (z. B. Coyle 2007b, S. 552; Königs 2013, S. 175ff). Jedoch konnte durch die detaillierte Analyse der aufgezeichneten Gespräche der case pupils und dank dem ausdifferenzierten Codiersystem klar festgestellt werden, dass insgesamt die Anteile der Sprechhandlungen auf (mehrheitlich) Englisch bei allen case pupils unabhängig ihrer Leistungsgruppen in der deutlichen Überzahl lagen. Ganz ungewohnt sind die hier gemachten Ergebnisse der Verwendung der Zielsprache jedoch nicht, denn die kürzlich durchgeführte Untersuchung im aufgabenorientierten Fremdsprachenunter‐ richt in einer ebenfalls sehr heterogenen Schweizer Primarschulklasse weist auf ähnliche Befunde hin (Suter 2019, S. 195). Dort wurden die Motivation der 341 7.1 CLIL als Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen <?page no="341"?> Lernenden und die bereitgestellten Unterstützungsangebote für den hohen Eng‐ lischanteil während den kooperativen Arbeitsphasen verantwortlich gemacht. Insofern sind neuere Studien richtungsweisend - nicht nur weil sie belegen, dass eine mehrheitliche Verwendung der Fremdsprache durchaus möglich ist -, sondern weil sie auch auf die Notwendigkeit von schülerorientierter Unterrichtsforschung im Fremdsprachenbereich aufmerksam machen. 7.1.7 Animierende Gesprächskultur Schliesslich, als letzte mögliche Begründung für die hohen fremdsprachlichen Anteile, lohnt es sich ein Blick in jene CLIL-Klassenzimmer zu werfen, bei denen die konsequente Verwendung von Englisch besonders gut funktionierte. Dort versprühte die Lehrperson entweder eine ausserordentliche motivierende und ansteckende Kommunikationsfreude oder es waren bereits spezifische Abmachungen für den Gebrauch der Fremdsprache aus dem herkömmlichen Englischunterricht etabliert (zum Beispiel ‘We speak English’-Lernverträge oder ein spielerisches Bonus-Malus-System). Solche verbindlichen Abmachungen zum Sprachgebrauch, wie sie zum Auftakt in das CLIL-Modul II nochmals gezielt eingebracht wurden, gepaart mit einer «gentle persistence» (Llinares et al. 2012, S. 34) und einer vorbildlichen Kommunikation seitens der Lehrperson sind meines Erachtens essentiell für die Steigerung der Anteile der Fremdsprache im CLIL-Unterricht. 7.1.8 Fazit Als zusammenfassende Erkenntnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die durchgeführten CLIL-Module die grundlegende Bestrebung der zu‐ sätzlichen Englisch Lernzeit ohne den Stundenplan weiter zu strapazieren erfüllt haben. Der CLIL-Unterricht fungiert somit als effektiver Türöffner für fremdsprachliche Interaktionen, denn er bietet den Lernenden zahlreiche au‐ thentische Übungs- und Anwendungsmöglichkeiten, um experimentierfreudig und frei von Druck in der Fremdsprache zu kommunizieren. Diese CLIL-Lern‐ angebote wurden gemäss den Erkenntnissen in dieser Untersuchung von den Lernenden auch rege für die Interaktion in der Fremdsprache genutzt - in dieser Hinsicht scheint er dem herkömmlichen Englischunterricht überlegen zu sein. 342 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="342"?> 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen Bereits andere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass die vielfältigen Visualisierungen und die hohe Handlungsorientierung, die das Fach BG na‐ turgemäss ausweist, eine ideale Ergänzung für das fremdsprachliche Lernen darstellt (z. B. Gehring 2017, S. 19; Knorr & Teske 2010, S. 153; Rymarczyk 2015, S. 186; Stiller 2004, S. 313; Witzigmann 2011, S. 331). Auch die Ergebnisse aus vorliegender Studie verdeutlichen, dass die Fusion der beiden Fächer Englisch und BG als optimale Symbiose betrachtet werden kann. Ich würde gar so weit gehen, BG als Katalysator für das CLIL-Lernen zu bezeichnen, denn die Anwesenheit dieses kreativen Faches mit reicher Bildsprache mache ich für die hohe Anzahl an gelungenen CLIL-Lernmomenten verantwortlich. Diese werden nachfolgend entlang der vier für den bilingualen Unterricht relevanten Cs (vgl. Abbildung 4: 4Cs framework) vorgestellt. 7.2.1 Content In Bezug auf das erste C, content, kann aufgrund der überwiegend positiven Einschätzungen der BG Kompetenzen entlang der Codes ‘Prozesse & Pro‐ dukte’ und ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ festgehalten werden, dass der CLIL-Unterricht von den Lernenden wirksam genutzt wurde, um an den inhalt‐ lichen Zielen des Faches BG im CLIL-Unterricht zu arbeiten. Die Einschätzung des Codes ‘Prozesse & Produkte’ brachte bislang unein‐ heitliche, auch kontroverse Ergebnisse hervor, weshalb dieser komplexe Sach‐ verhalt nachfolgend eingehend besprochen wird. Auf der einen Seite zeigten die quantitativen Berechnungen einen signifikanten Unterschied in der Qualität der bildnerischen Prozesse und Produkte zwischen den lernstarken gegenüber den lernschwachen case pupils. Diese Ergebnisse können vorsichtig dahingehend gedeutet werden, dass die Englischkompetenzen der lernstarken case pupils einen positiven Einfluss und jene der lernschwachen case pupils einen nach‐ teiligen Einfluss auf die BG-Lernleistungen haben könnten. Diese Annahme wird auch von den qualitativen Ergebnissen gestützt, weil die bildnerischen Prozesse und Produkte der lernstarken case pupils tendenziell von mehr Krea‐ tivität und Originalität zeugten als jene der case pupils der anderen beiden Leistungsgruppen. Diesbezüglich äusserten auch vereinzelte Lehrpersonen die Eventualität, dass einige lernschwache Schüler*innen allenfalls aufgrund man‐ gelnden Verständnisses in ihrer Kreativität gebremst wurden. Dem gegenüber stehen die Aussagen aller Lehrpersonen nach dem CLIL-Modul II, die bekräftigen, dass die Qualität der bildnerischen Ergebnisse 343 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen <?page no="343"?> vom fremdsprachlich geführten CLIL-Unterricht eher nicht negativ beeinflusst wurden. Obschon eine akkurate, objektive Einschätzung der bildnerischen Prozesse und Produkte von den Lehrpersonen als anspruchsvoll bezeichnet wurde, kamen alle zum Schluss, dass die Qualität der im CLIL-Unterricht ent‐ standenen Bilder vergleichbar mit jenen war, die diese Lernende typischerweise im herkömmlichen BG-Unterricht gestalteten. Diesen Eindruck wird auch durch die weiteren in der Ergebnispräsentation dargelegten Beispiele aus qualitativer Perspektive bestärkt: Verschiedene Bildprodukte der case pupils lassen keinen direkten Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit in eine Leistungsgruppe erkennen. Eine solche Unabhängigkeit zwischen den Leistungsgruppen der case pupils und ihren BG-Lernleistungen wäre grundsätzlich auch zu erwarten, weil sich die Leistungszugehörigkeit nur auf das Fach Englisch und nicht auf das Fach BG bezieht. Auch die Mehrheit der Lernenden meinte, dass sie den Anweisungen mehrheitlich folgen oder sich gegebenenfalls mittels anderer Strategien die fehlenden Informationen beschaffen konnten. Diese Einschät‐ zung bestätigten auch die Unterrichtsbeobachtungen. Nicht nur konnten die Lernenden mit ungünstigeren fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen die wesentlichen Informationen dank den unterstützenden Visualisierungen und Handlungen über andere Sinne wahrnehmen, sondern sie fragten auch gezielt bei ihren Mitschüler*innen nach oder orientierten sich an deren Handlungen. Insgesamt ist deshalb eher davon auszugehen, dass die Fremdsprache keinen negativen Einfluss auf die Qualität der bildnerischen Prozesse und Produkte hatte. Diese Annahme deckt sich mit Ergebnissen aus anderen Studien, die ebenfalls schlussfolgerten, dass der Aufbau der Sachfachkompetenzen im bilin‐ gual durchgeführten Kunst- und Zeichnungsunterricht ungehindert verläuft (Bechler 2014, S. 241; Rymarczyk 2003, S. 266; Witzigmann 2011, S. 334). Auch beim BG-Kompetenzbereich ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, bei dem die Lernhandlungen hauptsächlich über die Sprache sichtbar gemacht wurden, lagen die Gesamteinschätzungen im erreichten Bereich. Jedoch kann man bei diesem Bereich nicht von einem ungehinderten Kompetenzaufbau sprechen, da die lernschwachen case pupils aufgrund ihrer fremdsprachlichen Defizite tatsächlich benachteiligt waren. Wie diesem Nachteil begegnet werden kann, wir im nachfolgenden Kapitel 7.3.3 aufgezeigt. Neben den BG-Inhalten gehört zum Bereich content auch die Fremdsprache, und zwar insbesondere dann, wenn sie als Unterrichtsgegenstand explizit zum Thema gemacht wird. In vorliegender Untersuchung lagen solche expli‐ ziten Englischlern-Momente deutlich in der Minderheit. Es gab zwar einzelne Sequenzen, in denen die Fremdsprache als eigentlicher Unterrichtsinhalt im Fokus stand, zum Beispiel als die Begrifflichkeiten für die Materialien (z. B. 344 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="344"?> brush, crayons, …) oder zentrale Begriffe (z. B. quit, to be fed up with, …) im CLIL-Modul II eingeführt wurden, doch insgesamt wurde die Fremdsprache mehr als Kommunikationsmittel verwendet. Interessanterweise nannten die allermeisten case pupils auf die Frage, was sie im CLIL-Unterricht gelernt hätten, fremdsprachliche Inhalte. Dies verdeutlicht, dass die Lernenden das implizite Englischlernen, das aufgrund der mehrheitlichen Verwendung von Englisch als Kommunikationsmittel im Vordergrund stand, trotzdem als wesentlicher Lerninhalt betrachteten. Ich schliesse die Diskussion zum inhaltlichen Lernen (content) mit zwei Konklusionen, die bereits von anderen Autor*innen festgestellt wurden: Zum einen ermöglicht der hier untersuchte CLIL-Unterricht auf dem fremdsprachli‐ chen versus sachfachlichen Kontinuum von Inhalten hauptsächlich im BG zu verweilen und Englisch meist implizit mitzulernen (vgl. Bechler 2014, S. 242; Coyle et al. 2010, S. 33). Zum anderen kann die hier zwecks Überschaubarkeit vorgenommene Unterteilung der Fremdsprache als Inhalt (content) und Kom‐ munikationsmittel (communication) nicht trennscharf vorgenommen werden (Coyle et al. 2010, S. 28). Denn jede Art von Unterricht ist zugleich Sprachun‐ terricht (Leisen 2017, S. 1) und der dual-orientierte CLIL-Unterricht verstärkt diese Tatsache. 7.2.2 Communication An obiger Erkenntnis anknüpfend und mit Blick auf das zweite C, communica‐ tion, erfüllte der CLIL-Unterricht ein wichtiges Ziel des kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts, nämlich: «learning to use the language rather than just learning about the language (as a subject).» (Council of Europe 2018, S. 27). Die detaillierte Untersuchung der zwei Lernaufgaben verdeutlicht nicht nur, dass jene mit ‘CLIL’ codierten Unterrichtssequenzen tatsächlich die vielfäl‐ tigsten fremdsprachlichen Lernmomente boten (vgl. Abbildung 32), sondern dass diese von den Lernenden auch rege für den Kompetenzaufbau im Fach Englisch genutzt wurden. Bislang wurden Gründe dargelegt, weshalb die Ler‐ nenden mehrheitlich Englisch verwendeten, nun wird aufgezeigt, welche Art von Fremdsprache sie dabei gebrauchten. Dank der Anwesenheit von BG konnte die angestrebte Balance von rezept‐ iven und produktiven Sprachlernmomenten erreicht werden. Auf den ersten Blick deckte die Aufgabenanalyse (vgl. Abbildung 33) eindeutig mehr Lernge‐ legenheiten für die rezeptiven als produktiven Kompetenzen auf. Doch da die Lernenden eben auch jene kreativen, gestalterischen Phasen für die Kommu‐ nikation in der Fremdsprache nutzten, gewinnen die produktiven Sprachlern‐ 345 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen <?page no="345"?> momente an Lernzeit dazu. Die mehrheitlich positiven Ergebnisse basierend auf den analysierten Unterrichtssequenzen (vgl. Tabelle 13, 16 und 22) deuten darauf hin, dass die case pupils den CLIL-Unterricht für verschiedentliche fremd‐ sprachliche produktive und rezeptive Sprachlernhandlungen auch tatsächlich nutzten. Die Lehrpersonen stimmten ebenfalls der Annahme zu, dass dank der Fächerfusion mit BG die meisten Lernenden dem CLIL-Unterricht rezeptiv folgen und alle Schüler*innen sich fremdsprachlich einbringen konnten. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit anderen Studien (vgl. Rymarczyk 2003, S. 185). Zudem bestätigte sich in vorliegender Untersuchung, dass auch wenn im CLIL-Unterricht nicht immer alles verstanden wurde oder sich nicht alle verbal geläufig ausdrücken konnten, so unterstützen die Visualisierungen die Verstän‐ digung und die Bildsprache die Kommunikation. Die Ergebnisse resultierend aus den Unterrichtsbeobachtungen und den Einschätzungen der Lehrpersonen zum Hörverstehen werden ebenfalls von den Selbsteinschätzungen aus den Frage‐ bogen (vgl. Tabelle 37) gestützt. Mindestens dreiviertel der Lernenden waren der Überzeugung, dass sie dem CLIL-Unterricht hinreichend folgen konnten. Insbe‐ sondere in Bezug auf den schwierig fassbaren Kompetenzbereich Hören hat sich daher die Methodentriangulation des mixed-methods Forschungsansatzes sehr bewährt, um aussagekräftige Einschätzungen zu den CLIL-Lernhandlungen machen zu können (vgl. Helmke & Renkl 1992, S. 140). Wie von Coyle und Kollegen vorgeschlagen (Coyle 2007b, S. 552-556; Coyle et al. 2010, S. 36-38), lassen sich auch bei dieser Untersuchung alle getätigten fremdsprachlichen CLIL-Sprechhandlungen in eine der drei Arten von Sprachgebrauch einordnen (vgl. Abbildung 5). In vorliegender Untersu‐ chung kamen die drei Arten von Sprachgebrauch in folgenden Situationen zum Einsatz: Language of learning wurde hauptsächlich in Plenumssequenzen verwendet, nämlich dann, als die Lernenden elementares Vokabular wie die Farben (z. B. «Eh, it’s purple.»), Materialien (z. B. «Aha, a brush, pencils…») oder andere thematisch wichtige Schlüsselwörter (z. B. «I have a new favourite shade of blue.») verwendeten. Language of learning wurde zudem gebraucht, wenn sie Strukturen für Bildbeschreibungen benutzten oder wenn sie ihre Bilder oder Farben präsentierten (z. B. «Ehm, this colour is ‘Cloudy’. Ehm, I used the colours white and blue.»). Language for learning, demnach funktionale Sprachhand‐ lungen, standen vor allem während dem freien gestalterischen Arbeiten oder bei Instruktionsphasen im Mittelpunkt. Zum Beispiel dann, wenn die Lernenden einander nach Materialien fragten (z. B. «Can I have the yellow? ») oder einander Unterstützung sowie Anweisungen gaben (z. B. «Look, you have to work over there.»). Mehr als erwartet kamen auch fremdsprachliche Handlungen gemäss der language through learning vor, die Einblicke in das Denken der Lernenden 346 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="346"?> 41 Auch wenn das kein expliziter Forschungsfokus war, so ergab die Zuordnung der englischen Sprachhandlungen der case pupils während der Bearbeitung der beiden Lernaufgaben in die drei Arten von CLIL-Sprachgebrauch folgende Häufigkeiten: Language of learning (n) = 188; Language for learning (n) = 360; Language through learning (n) = 90 gaben. Nämlich immer dann, wenn sich die Lernenden während dem Gestalten relativ ungeplant über ihre Farben (z. B. Wow! Look at this colour! ) und Bilder (z. B. This is really, really funny! ) unterhielten oder andere spontane Eindrücke (z. B. Mhm, this is very difficult! ) mitteilten. Alle drei Arten von Sprache wurden somit von den Lernenden im CLIL-Unterricht gebraucht. Besonders erfreulich ist, dass die case pupils die funktionale Sprache language for learning fast doppelt so häufig verwendeten, als die vom Thema vorgegebene Sprache language of learning  41 . Dies weil in diesem CLIL-Setting der interaktive, kommunikative und informelle Sprachgebrauch häufig im Vordergrund stand. In diesem Sinne erfüllte die Anwesenheit von BG im CLIL-Unterricht auf natürliche Weise die hohen Ansprüche an gute CLIL-Lernsituationen: «Creating opportunities for meaningful learning are connected to the use of authentic language in authentic ways which in turn involves the use of well-structured peer cooperative activities and cross-curricular projects.» (Mehisto 2012, S. 30). Dieser hier angesprochene authentische Sprachgebrauch zeigte sich in vorliegender Untersuchung auch darin, dass die Lernenden die englische Sprache für das Besprechen von privaten Themen verwendeten. Solche Sprachhandlungen lassen sich zwar nicht direkt in die obigen drei Arten von CLIL-Sprache einordnen, verdeutlichen jedoch erneut, dass die Lernenden sich auf das fremdsprachliche Setting einliessen und Englisch als genuines Kommunikationsmittel verwendeten. Bislang wurde bereits mehrfach aufgezeigt, dass die Lernenden in diesem CLIL-Setting Englisch als echtes Kommunikationsmittel in verschiedensten Situationen verwenden konnten. Auch wenn mit diesem vermehrten focus on meaning (siehe Kapitel 3.2.2) ein wichtiges Ziel des kompetenzorientierten CLIL-Unterrichts erreicht werden konnte, ist damit eine Herausforderung verbunden: Mit einem erhöhten Stellenwert auf die Kommunikation (focus on meaning) geht oftmals ein reduziertes Augenmerk auf den korrekten Sprach‐ gebrauch (focus on form) einher. Meinen Beobachtungen zufolge wurde auch im vorliegenden CLIL-Unterricht der bedeutungsvollen Kommunikation mehr Gewicht verliehen als der hundertprozentigen Korrektheit. Es zeigte sich zum Beispiel, dass in verschiedenen Situationen Texte, die anschliessend mündlich vorgetragen wurden, nicht korrigiert wurden oder fehlerhafte mündliche Bei‐ träge von Lernenden, die inhaltlich zwar verständlich waren, unverbessert blieben. Wie auch andere Untersuchungen zeigten, ist der CLIL-Unterricht im 347 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen <?page no="347"?> Vergleich zum herkömmlichen Englischunterricht tatsächlich von mehr Fehlern geprägt. Zudem werden Fehler im bilingualen Setting auch als weniger gravie‐ rend betrachtet (vgl. Nikula et al. 2013, S. 77). Diese Ansicht teilten auch die case pupils, wie sie in einem Gruppen-Interview mitteilten. In ihren Augen kommen Fehler deshalb häufiger vor, weil man im CLIL-Unterricht Wörter oder Struk‐ turen nicht vorgängig übt und explizit lernt. Wurden die Lehrpersonen zu ihrem Korrekturverhalten befragt, meinten sie, dass sie Fehler im CLIL-Unterricht ähnlich wie sonst im Fremdsprachenunterricht behandelten: Sie ignorierten sie oder korrigierten sie nach Möglichkeit indem sie die Aussagen nochmals richtig wiederholten. Diese Art von korrigierendem Feedback namens recast wird auch in anderen CLIL-Kontexten als oft verwendete Form der Korrektur beschrieben (Dalton-Puffer 2007, S. 77). Demgegenüber muss angefügt werden, dass wäh‐ rend den beiden im Detail analysierten Lernaufgaben Sprechhandlungen im Klassenverband, in denen Korrektur und Feedback seitens der Lehrperson leicht hätten eingebracht werden können, deutlich in der Minderheit lagen. Somit scheint es normal zu sein, dass in einem vorwiegend schülerorientierten Setting der focus on meaning naturgemäss mehr im Vordergrund steht (Allen et al. 1983, S. 236). Die Lehrpersonen folgten in dem Sinne den im Lehrplan als Grundsatz angegebenen Umgang mit Fehlern: «Die kommunikative Absicht steht immer vor der formalen Korrektheit.» (D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Auch wenn ein zurückhaltendes Korrekturverhalten grundsätzlich konstruktiv ist, muss in Erinnerung gerufen werden, dass der CLIL-Unterricht eine institu‐ tionelle Sprachlernsituation mit klaren fremdsprachlichen Lernzielen ist, die neben kommunikativen Lernsituationen auch gezielte, lernförderliche Korrek‐ turen erfordert (Dalton-Puffer 2007, S. 254; D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Eine ausgewogene Balance von focus on meaning und focus on form ist im CLIL-Unterricht deshalb zwingend anstrebenswert. Damit der bilinguale Unterricht mit gleichwertigen Anteilen von Kommunikation und Korrektheit gelingt, schlägt Lyster (2007, S. 46-47) ein Vorgehen gemäss dem sogenannten counterbalanced approach vor (siehe Kapitel 3.2.2). Damit meint sie, dass die Lehrpersonen im CLIL-Unterricht die Kommunikation der Lernenden sowohl mit vorgängigen, proaktiven Sprachlernunterstützungsmassnahmen (Scaffolding) als auch mit reaktiven, korrigierenden Rückmeldungen begleiten und fördern. Dies schien den Lehrpersonen in vorliegender Untersuchung grundsätzlich bewusst zu sein, denn die Unterrichtsbeobachtungen zeigten, dass sie durchaus auch während den individuellen oder kooperativen Lernphasen präsent im Schulzimmer zirkulierten und so niederschwellig korrigierendes Feedback oder situatives Scaffolding einbrachten. Zudem wurde auch die Über‐ 348 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="348"?> arbeitung der geschriebenen Texte als ein wichtiger nächster Lernschritt für die Lernenden in den Gruppendiskussionen genannt, der jedoch bei der Planung zu wenig deutlich ausformuliert und aus Zeitgründen bei der Umsetzung wegge‐ lassen wurde. Ausserdem konnte beobachtet werden, dass auch die Lernenden einander unterstützten und teils auch korrigierten. Diese Beobachtungen und Aussagen stützen insgesamt die Vermutung, dass dem focus on form im durch‐ geführten CLIL-Unterricht - auch wenn etwas zu zurückhaltend - durchaus Platz eingeräumt wurde. Abschliessend kann festgehalten werden, dass das Erreichen der ge‐ wünschten Balance von focus on form und focus on meaning von CLIL-Lehr‐ personen zweierlei bedingt: Einerseits eine gewisse Sensibilität, um je nach Unterrichtssituation und Ziel die gewünschte risikobreite, kommunikative Hal‐ tung der Lernenden aufrechtzuerhalten und anderseits den korrekten Gebrauch der Fremdsprache auf lernförderliche Weise zu thematisieren. Diese doppelte Funktion von Sprache als Kommunikationsmittel und Unterrichtsgegenstand braucht allerdings auch mehr Zeit (Bechler 2014, S. 248; Witzigmann 2011, S. 327). Dies wurde auch in vorliegender Untersuchung von allen Beteiligten festgestellt. Diese zeitlichen Ressourcen sowie konkrete Möglichkeiten, wie dem focus on form im zukünftigen CLIL-Unterricht mehr Raum verliehen werden könnte - ohne den focus on meaning zu schmälern -, müssten bereits auf Planungsebene besser eingearbeitet und bei der Umsetzung bewusster beachtet werden. Hierfür sollten zum Beispiel auch die Vorteile des aufgabenorientierten Ansatzes, des task-based learning (TBL), noch optimaler berücksichtigt werden. Da nach der Bearbeitung der Lernaufgabe die task outcomes öffentlich gemacht werden, könnten im Vorgang dieser Präsentationen vermehrt auch auf die Korrektheit fokussiert und im Nachgang explizit Unstimmigkeiten aufgegriffen werden. 7.2.3 Cognition Bezüglich des dritten C, cognition, betont Rymarcyzk (2010, S. 92), dass dank BG die normalerweise grosse Diskrepanz zwischen den fremdsprachlichen Kompetenzen einerseits und den fachinhaltlichen sowie kognitiven Anforde‐ rungen anderseits überwunden werden kann. Diese Einschätzungen decken sich mit den hier gemachten Beobachtungen: Zum einen erwähnten einzelne case pupils, dass der CLIL-Unterricht für sie zwar streng aber insgesamt machbar gewesen war. Dieses Anstrengungsempfinden wurde von den meisten der rund 150 Lernenden in den Fragebogen ebenfalls als passend eingeschätzt (vgl. Tabelle 39). Zum anderen war die Mehrheit der Schüler*innen der Meinung, dass 349 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen <?page no="349"?> sie im CLIL-Unterricht gleichviel oder mehr lernten als im nicht-bilingualen Unterricht (vgl. Tabelle 40). Da ich die Aufmerksamkeit in den besuchten Lektionen als sehr hoch empfand, könnte das ein Indiz dafür sein, dass sich die Lernenden zwar besonders konzentrieren mussten, sie deshalb aber auch für ihr duales Lernen profitieren konnten. Obschon der BG-Unterricht vor allem ästhetisch-kreative Ansprüche an die Lernenden stellt, so erfordert die Annäherung und Betrachtung von Bildern von den Lernenden kognitive Prozesse. Solche Bildbeschreibungen umfassen mehrere Ebenen wie die Schilderung der Inhalte, die Analyse der gestalterischen Mittel und schliesslich die Interpretation der inhaltlichen Bedeutung. Mit der Anwesenheit der Fremdsprache erhöhen sich diese kognitiven Anforderungen zusätzlich (Gehring 2017, S. 26). Die Lehrpersonen nannten in verschiedenen Interviews besonders angeregte Austauschrunden im Unterricht rund um die Betrachtung von Bildern. Diese Anregung von kognitiven Lernprozessen durch das Einbringen von Kunstbildern empfanden die Lehrpersonen deshalb als Bereicherung, weil es die Lernenden zum intensiven mehrheitlich fremdsprach‐ lichen Austausch auf allen drei Ebenen der Beschreibung, Analyse und Inter‐ pretation unterschiedlich forderte (vgl. Abbildung 13 IDEA-Methode). Später konnten sie ihr Bild in gleicher Weise gemäss ihrem Leistungsstand präsentieren und waren dabei erneut kognitiv hoch aktiviert. Dass die Lernenden diese Lern‐ handlungen zufriedenstellend ausführen konnten, verdeutlicht auch die mehr‐ heitlich positiven Codes ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ (vgl. Tabelle 25). Zusätzlich konnte mit der vertieften Auseinandersetzung mit den Bildern auch dem übergeordneten Ziel der Förderung der visual literacy oder Bildkompetenz nachgekommen werden. Bereits im Kapitel 2.5 wurde dessen Wichtigkeit aus theoretischer Sicht betont. An dieser Stelle wird nun ersichtlich, dass der Aufbau dieses zentralen 21 st century skill tatsächlich auch bei der praktischen Umsetzung von CLIL berücksichtigt werden konnte - und die Lernenden daran erst noch grossen Gefallen fanden. Da die Einschätzung des kognitiven Potentials aufgrund des dualen Fokus im CLIL-Unterricht zusätzlich erschwert wird, lohnt es sich nochmals auf die von Cummins (1984, S. 139) vorgeschlagene Matrix mit den zwei Achsen der kognitiven und linguistischen Anforderungen zu schauen (vgl. Abbildung 6). Insgesamt stützen die soeben dargelegten Erkenntnisse die Annahme, dass sich die Lernenden die meiste Zeit in den Quadranten D (kognitiv weniger, dafür sprachlich gefordert) und Quadranten A (kognitiv gefordert und sprach‐ lich bewältigbar) bewegten. Auch wenn die Diskussion im Zusammenhang mit dem Qualitätsmerkmal ‘Kognitive Aktivierung’ nochmals vertieft weiterge‐ führt werden muss (siehe Kapitel 7.4.2 und 7.4.3), so sprechen die dort und hier 350 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="350"?> geltend gemachten Beobachtungen mehrheitlich zugunsten einer Passung der kognitiven Anforderungen für die Lernenden in diesem CLIL-Setting. 7.2.4 Culture Mit Blick auf das letzte C, culture, wurde die beiden CLL-Module thematisch und kontextuell so eingebettet, dass verschiedene Berührungspunkte mit der englischen Zielkultur als auch zur internationalen Kunstszene geschaffen werden konnten. Diese wird auch von anderen Autorinnen als Mehrwert des bilingualen Kunstunterrichts hervorgehoben (Rymarczyk 2003, S. 125-126, 2013, S. 267; Witzigmann 2011, S. 246-247). Insbesondere im ersten CLIL-Modul, wie die Lehrpersonen betonten, zeigten die Lernenden grosse Faszination für die Bilder von Edward Hopper und verstanden diese als starken Kontrast zu der lebendigen Welt der 1920er Jahren in den USA. Im CLIL-Modul II wurde der kulturelle Anknüpfungspunkt über die authentische Bilderbuchgeschichte und die Bildreihe des Künstlers Kandinsky geschaffen. Die Geschichte wurde zwar mehrheitlich und global verstanden, den damit im Zusammenhang stehenden Witz und Schalk wurde nur von wenigen Schüler*innen wahrgenommen. Der international tätige Künstler Kandinsky bot hingegen ein anschauliches Beispiel für die Entwicklung weg vom gegenständlichen hin zum ungegenständlichen, abstrakten Malen. Auch wenn mit ihm kein direkter Bezug zur englischen Kultur geschaffen werden konnte, so eröffneten seine Bilder wertvolle Einblicke in eine neue, fremde und globale Kunstwelt. Natürlich soll im bilingualen Kunstunter‐ richt vorrangig die Begegnung mit Kunstschaffenden aus dem angelsächsischen Sprachraum angestrebt werden. Dies nur schon deshalb, um auf thematischer Ebene den englischen Spracheinsatz für die Vermittlung von BG-Inhalten zu rechtfertigen. Jedoch ist gerade Kunst etwas sehr Internationales, das sich nicht immer einem einzelnen Kulturgebiet zuschreiben lässt. Daher muss der Kulturbegriff, entgegen wie er im Englisch Lehrplan ausgelegt ist (D-EDK 2014, Englisch), für den CLIL-Unterricht pragmatisch offener und globaler betrachtet werden (vgl. Desai, 2013, S. 18). Denn die Auseinandersetzung mit dem jeglichen Fremden und Anderen, über den angelsächsischen Kulturraum hinaus, wird als wichtige Voraussetzung für die interkulturelle Verständigung angesehen (Europarat 2016, S. 20-21). Daran anknüpfend soll neben der Vermittlung von kulturellen Inhalten vor allem auch der Aufbau von interkulturellen Kompetenzen (IK) im CLIL-Un‐ terricht im Fokus stehen (siehe Kapitel 3.2.4). Dies konnte insofern erreicht werden, weil viele der case pupils Strategien anwendeten, um dem CLIL-Un‐ terricht trotz Sprachbarriere zu folgen und den Nutzen des fremdsprachlich 351 7.2 BG als Katalysator für das CLIL-Lernen <?page no="351"?> geführten CLIL-Unterrichts auch für ihr zukünftiges Lernen erkannten. Be‐ züglich der Strategien nannten die case pupils die Möglichkeit jemanden zu fragen oder Wörter nachzuschauen. Verschiedene Lernende bewiesen auch, dass sie Sprachlücken non-verbal mit Gesten, mit Umschreibungen oder einige gar mit Code-Switching füllen konnten. Sie nutzten zudem auch die zur Verfügung gestellten Bilder, die Lernhilfen an der Wandtafel, den Kontext oder die Körpersprache der Lehrperson für die bessere Verständigung. Die Unterrichtsbeobachtungen zeigten zudem, dass insbesondere die lernstarken Kinder durch Mediation Inhalte für ihre lernschwächeren Mitschüler*innen zugänglich machten. Hinsichtlich des Nutzens von CLIL-Unterricht für ihr zukünftiges Lernen nannten die case pupils, dass sie nun auch fremdsprachlich geführten BG-Unterricht im Ausland folgen könnten oder für das Lernen von Fremdsprachen an weiterführenden Schulen gewappnet wären. Insgesamt deuten solche Aussagen daraufhin, dass die Lernenden die Anwesenheit des Englisch als Bereicherung wahrnahmen und sich daraus auch Anregungen für den Aufbau der IK im Sinne der Offenheit gegenüber Neuem und Andersartigen, der sogenannten ‘otherness’ (Byram et al. 2001, S. 3), ergaben. 7.2.5 Fazit Alle vier für den CLIL-Unterricht essentiellen Cs konnten in vorliegender Untersuchung im Unterricht umgesetzt werden und - so bin ich überzeugt - dank der Anwesenheit von BG gewinnbringend für das bilinguale Lernen genutzt werden. Die obige Zusammenstellung von vielfältigen CLIL-Lernmo‐ menten beleuchtet die symbiotische Beziehung zwischen BG und Englisch, die in dieser Fächerfusion optimal ineinander einfliessen konnten. Auch wenn alle vier Cs ihre Wichtigkeit haben, wurde bei der obigen Diskussion dem fremdsprachlichen Lernen besonders viel Platz eingeräumt. Das hat einerseits mit meinem Forschungsfokus zu tun, anderseits hängt dies einmal mehr mit der zweifachen Funktion von Sprache als Unterrichtsgegenstand und Kommunika‐ tionsmittel zusammen. Aufgrund dieser prominenten Stellung der Sprache muss deshalb bei jeder Umsetzung von CLIL stets ein besonderes Augenmerk darauf gehalten werden, dass die Balance von fremdsprachlichem und inhaltlichem Lernen insgesamt stimmt. Dies stellte sich auch bei vorliegender Untersuchung als Herausforderung heraus, weil die Fremdsprache mit ihren für den CLIL verschiedentlichen wichtigen Dimensionen (focus on form vs. meaning; language of learning vs. language for learning vs. language through learning; rezeptiven vs. produktiven Sprachenlernen) per se von vornherein viel Zeit und Raum einnimmt. 352 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="352"?> 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität Bereits mehrfach wurde betont, dass das Fach BG die Heterogenität der Lernenden besonders gut zu berücksichtigen vermag. Einerseits bieten die zahlreichen Visualisierungen und die hohe Handlungsorientierung ein natürli‐ ches Scaffolding für die Verständigung und führen dazu, dass sich alle, selbst Sprachanfänger und lernschwache Schüler*innen, aktiv am Unterricht betei‐ ligen können. Anderseits beziehen sich die dafürsprechenden Argumente für BG als heterogenitätsfreundliches Fach auf eine hohe Schülerorientierung, die auf sprachlicher und künstlerischer Ebene eine individuelle, aktive Auseinanderset‐ zung mit bildnerischen Inhalten mit sich bringt (Rymarczyk 2013, S. 267). Dies weil die Beschäftigung mit Kunst vielfältige Zugänge und ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen ermöglicht (Gehring 2017, S. 19). Zusätzlich zu den zahlreichen Vorzügen des Faches BG wird im CLIL-Unterricht die Palette an Lernmöglich‐ keiten durch die ergänzende Mitwirkung des Faches Englisch erweitert. Da‐ durch werden noch mehr verschiedene Lerntypen oder ‘multiple Intelligenzen’ (Gardner 2006, S. 13) angesprochen. Der aufgabenorientierte CLIL-Unterricht erfüllt somit die Prämisse, dass differenzierter Unterricht vielfältig sein muss, um auf die Vielfalt der Lernenden zu reagieren (Ahlring 2006a, S. 11). CLIL kann folglich dazu beitragen, dass die fremdsprachliche Heterogenität der Lernenden als «Chance für einen neuen Blick auf das Lernen und Leben in Vielfalt begriffen wird.» (Bellet 2017, S. 257). Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen an diesen generellen Erkenntnissen an und konkretisieren, inwiefern der bilinguale Unterricht der in Primarschulklassen aufgefundenen Heterogenität gerecht werden konnte. 7.3.1 CLIL-Unterricht für die ‘guten’ Lernenden Allgemein weiss man, dass Kinder mit stärkeren Lernvoraussetzungen im Unterricht mehr profitieren als solche mit weniger günstigen Ausgangsbedin‐ gungen (Hattie 2015, S. 49; Helmke 2012, S. 33). Daher ist es nicht überra‐ schend, dass auch die vorliegende Untersuchung diese Annahme bestätigt. Die Sprechhandlungen der ‘guten’ Lernenden, zu denen ich die lernstarken und mittelstarken case pupils dank ihren guten bis sehr guten Englischkenntnissen zähle, zeugten bezüglich Sprache und Inhalt von deutlich höherer Qualität als jene der lernschwachen case pupils. Auch hinsichtlich der Quantität waren sie ihren lernschwachen Mitschüler*innen überlegen, weil sie sich deutlich öfters im Unterricht einbrachten (vgl. Tabellen 8, 13, 16). Im rezeptiven Bereich (Hören) deuten die Resultate ebenfalls darauf hin, dass die lernstarken und 353 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="353"?> durchschnittlichen case pupils bessere Verständnisleistungen auswiesen (vgl. Tabelle 22). Zudem brauchten die case pupils dieser beiden Leistungsgruppen weniger Scaffolding (vgl. Tabelle 19). Ferner gibt die deutliche Mehrheit dieser Lernende in den Fragebogen an, dass sie den CLIL-Unterricht als (eher) nicht anstrengend empfanden (vgl. Tabelle 39). Bilinguale Module verheissen für diese ‘guten’ Lernenden besonders viele erfolgsversprechende Lernchancen, weshalb CLIL von den Lehrpersonen gar als eine Art der Begabungsförderung betitelt wurden. Die Gruppe der lernstarken und durchschnittlichen case pupils unterscheiden sich bei reiner Betrachtung der quantitativen Ergebnisse bezüglich der Häu‐ figkeiten und der Verteilung der Qualitätscodes nicht erheblich. Zwar ver‐ deutlichten diese nummerischen Ergebnisse, dass die Gruppe der lernstarken gegenüber der Gruppe der durchschnittlichen case pupils in allen Kompetenz‐ bereichen noch stärkere Leistungen zeigte, jedoch belegen die Resultate des Chi-Quadrat-Tests keine signifikanten Unterschiede zwischen den Lernhand‐ lungen dieser beiden Leistungsgruppen. Betrachtet man hingegen die Performanz eines jeden case pupil individuell, variieren die Leistungen allerdings. Das bedeutet, dass die lernstarken case pu‐ pils einzeln betrachtet nicht in allen Klassen auch wirklich die beste Performanz auf der höchsten Qualitätsstufe auswiesen, sondern die durchschnittlichen case pupils teilweise bessere Ergebnisse erzielten (siehe Kapitel 6.4.5). Diese etwas unerwarteten Ergebnisse erklären, wieso sich diese beiden Leistungsgruppen beim Chi-Quadrat-Test nicht signifikant unterschieden. Als zusätzliche Begrün‐ dung für die vergleichbaren Lernleistungen dieser beiden Gruppen kann auf die Skala für die Einschätzungen der gezeigten Lernhandlungen verwiesen werden. Diese umfasst lediglich vier grobe Stufen (++ sehr gut, + gut, - erreicht, -unerreicht). Mit diesem vierstufigen Kategoriensystem basierend auf den globalen Deskriptoren aus dem Lehrplan lassen sich feinstufige Unterschiede in den Lernhandlungen nicht einfangen. Als weitere Erklärung für die Ähnlichkeit in der Performanz der ‘guten’ Lernenden sind wahrscheinlich auch personale, soziale oder volatile Faktoren verantwortlich zu machen. Faktoren wie Kom‐ munikationsfreude respektive Schüchternheit, Lernatmosphäre, soziale Einge‐ bundenheit und weitere klassenspezifische Gegebenheiten beeinflussten das CLIL-Lernen sicherlich mit - diese wurden jedoch in dieser Untersuchung ausser Acht gelassen. Dem gegenüber verdeutlichten die qualitativen Analysen, dass sich die case pupils zugehörig dieser beiden Leistungsgruppen bei näherer Betrachtung durchwegs unterscheiden. Die lernstarken case pupils aller drei Klassen be‐ wiesen in verschiedenen Situationen, dass sie ihre Gedanken und Vorstellungen 354 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="354"?> im Vergleich zu den durchschnittlichen Lernenden noch treffender kommuni‐ zieren konnten. Dies äusserte sich darin, dass die auch besonders kreative Ideen und ungewöhnliche bildnerische Assoziationen auf Englisch mitteilten, wie die folgenden Beispiele nochmals illustrieren: D3: «I can see a rotten banana.» (Syntheseaufgabe Klasse D, Zeile 867) E3: «Ah, I think that’s / it’s a stock for the old.» (Erarbeitungsaufgabe Klasse E, Zeile 569) H3: «For me it looks like the bubblegum ice-cream in the ‘Telle’.» (Erarbeitungsaufgabe Klasse H, Zeile 278) Zudem - während die durchschnittlichen case pupils auch Schwierigkeiten mit dem detaillierten Hörverstehen und dem Sprechen äusserten - versicherten die lernstarken case pupils in den Interviews, dass sie im CLIL-Unterricht mit wenigen Herausforderungen konfrontiert waren. Dieser Ansicht waren auch die Lehrpersonen, wie ihren Unterrichtsreflexionen zu entnehmen ist (vgl. Tabelle 50). Auch lassen die Antworten aus dem Fragebogen vermuten, dass die Mehrheit aller lernstarken Schüler*innen das Sprechen auf Englisch im CLIL-Unterricht als ähnlich empfanden wie im normalen Englischunter‐ richt (vgl. Tabelle 36). Die lernstarken Schüler*innen, so ist anzunehmen, brauchten wenig Angewöhnungszeit an den bilingualen Unterricht und erlebten die Fremdsprache im CLIL-Unterricht als keine nennenswerte Hürde für ihr duales Lernen. Diese Erkenntnisse gepaart mit den vielen Lernhandlungen der lernstarken case pupils codiert auf der höchsten Qualitätsstufe (++ sehr gut) im Kategoriensystem, rechtfertigen deshalb die Wahl dieser Kinder als Vertreter*innen für die höchste Leistungsgruppe. Während von ihnen diese sehr guten Leistungen zu erwarten waren, über‐ raschten die durchschnittlichen case pupils mit ihren Lernhandlungen von grossmehrheitlich vergleichbarer Qualität. Es schien mir als teilnehmende Beobachterin oftmals so, als ob sich diese Lernende von ihren leistungsstärkeren Kolleg*innen zu fremdsprachlichen Interaktionen mitreissen liessen und sie da‐ durch motivierende Erfahrungen im erfolgreichen Kommunizieren auf Englisch machten. Da auch die Lehrpersonen betonten, dass im CLIL-Unterricht andere fremdsprachliche Kompetenzen im Vordergrund stünden als sonst im Englisch‐ unterricht, boten diese CLIL-Lektionen den durchschnittlichen Lernenden neue, wertvolle Lernerfahrungen. Das Entdecken neuer Stärken in der experimen‐ tierfreudigen, kommunikativen Verwendung der Fremdsprache, die im traditio‐ nellen Englischunterricht oft zu kurz kommt, schien diese Lernenden in das von 355 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="355"?> Lehrpersonen bezeichnete fremdsprachliche Flow-Erlebnis zu versetzen. Das Erleben von Flow bedeutet, dass sich die Lernenden von positiven Emotionen begleitet intrinsisch motiviert einer Handlung hingeben und diese sowohl als kognitiv passend als auch belohnend wahrnehmen (Urhahne, 2008, S. 158). Die Annahme, dass viele mittelstarken Lernenden besonders motiviert waren, wird ferner von den Ergebnissen aus den Fragenbogen zum CLIL-Modul II gestützt. Diese zeigen, dass die durchschnittlichen Lernenden - im Gegensatz zu den anderen beiden Leistungsgruppen - sich besonders bemühten Englisch zu sprechen (vgl. Tabelle 54) und die englische Sprache konstant zu verwenden (vgl. Tabelle 55). Da die Verwendung von Englisch in vorliegender Untersuchung eine wichtige Grundvoraussetzung für die Vergebung weiterer Codes war, schien sich ihre Disziplin und Konstanz beim Gebrauch von Englisch auf ihre gesamte CLIL-Performanz günstig auszuwirken. Ungeachtet der hier diskutierten Annahmen für die positiven Lernleistungen der mittelstarken oder lernstarken Schüler*innen, spielt es insgesamt eine untergeordnete Rolle, welcher dieser beiden Leistungsgruppen sie angehörten. Was diese Lernende verbindet, ist die Tatsache, dass sie aufgrund ihrer güns‐ tigen fremdsprachlichen Leistungsvoraussetzungen deutlich über dem benö‐ tigten fremdsprachlichen ‘Schwellenwert’ liegen, der für ein ungehindertes CLIL-Lernerlebnis sorgt (vgl. Zydatiss 2012, S. 26). Zusammengefasst bedeutet das: Obschon sich die lernstarken case pupils bei differenzierterer Betrachtung etwas von den durchschnittlichen Lernenden abheben, konnten die ‘guten’ Schüler*innen alle den CLIL-Unterricht äusserst vorteilhaft für ihr fremdsprach‐ liches und inhaltliches Lernen nutzen. 7.3.2 CLIL-Unterricht für die schwächeren Lernenden Ähnliches gilt im Allgemeinen auch für die lernschwachen case pupils - auch sie konnten den CLIL-Unterricht für ihr duales Lernen mehrheitlich positiv nutzen. Obwohl sich die Ergebnisse in allen Bereichen in Bezug auf Anzahl und Qualität signifikant von den Resultaten der anderen beiden Leistungsgruppen unter‐ scheiden, so liegen die Einschätzungen der Lernhandlungen der lernschwachen case pupils ebenfalls im zufriedenstellenden Bereich. Die lernschwachen case pupils brachten sich zwar deutlich weniger oft aktiv im CLIL-Unterricht ein und benötigten mehr unterstützendes Scaffolding. Doch wenn sie interagierten, zeugten auch ihre fremdsprachlichen Handlungen von mehrheitlich zufrieden‐ stellender Qualität. Wenn sie sich auf die Sprechhandlung vorbereiten konnten, wie die positiven Ergebnisse zum Code ‘Speaking Monologue’ verdeutlichen (vgl. Tabelle 16), wiesen diese gar eine mehrheitlich gute Qualität (+) aus. Grund 356 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="356"?> dafür liegt in ihrer Nutzung der Übungszeit und des Unterstützungsangebots. Ebenfalls konnte bei den lernschwachen case pupils beobachtet werden, dass sie ihre Kommunikation oft mit Gesten unterstützten oder sich auch non-verbal ausdrückten. Rymarczyk (2003, S. 113) spricht in diesem Zusammenhang von minimalem Output unterstützt durch deiktische Sprache. Diese Art der Mittei‐ lung konnte in der vorliegenden Untersuchung besonders oft bei den lernschwa‐ chen case pupils festgestellt werden. Gleichzeitig wurden solche Strategien in den Gruppeninterviews als Lern- und Kommunikationsstrategie von den lernschwachen case pupils nie erwähnt - im Gegensatz zu den lernstarken und durchschnittlichen case pupils, die solche explizit nannten. Dies lässt vermuten, dass sich die lernschwachen Schüler*innen die Nützlichkeit solcher Strategien für das CLIL-Lernen kaum bewusst waren. Strategische Kompetenzen werden jedoch als sehr wichtig für das individualisierte, fremdsprachliche Lernen betrachtet (Schubert 2017, S. 90). Weiter zeigen die Resultate aus den Fragebogen, dass über 72 % der lernschwa‐ chen Schüler*innen das fremdsprachliche Sprechen im bilingualen Unterricht am Ende des CLIL-Modul II als einfacher empfanden als im herkömmlichen Englischunterricht (vgl. Tabelle 36). Ausserdem empfanden sie den CLIL-Unter‐ richt mit der Zeit als weniger anstrengend (vgl. Tabelle 39). Ebenfalls gaben die lernschwachen Kinder in den Fragebogen an, dass sie mit der Zeit weniger Deutsch sondern mehr Englisch bei Gruppenarbeiten sprachen (vgl. Tabelle 56). Dies könnte darauf hindeuten, dass die lernschwachen Schüler*innen eine gewisse Angewöhnungszeit im CLIL-Unterricht brauchten und sie nach dieser Zeit zusehends getrauten - insbesondere während der relativ unbeobachteten gestalterischen Phasen - sich fremdsprachlich einzubringen. Dies bestätigten auch die Lehrpersonen, die mehrfach betonten, dass sich insbesondere die lern‐ schwachen Schüler*innen im CLIL-Unterricht aktiver und mehr fremdsprach‐ lich beteiligten als sonst im Englischunterricht. Als Beobachterin kam es mir manchmal so vor, als ob sie sich von der Kommunikationsfreude der anderen, leistungsstärkeren case pupils anstecken liessen und ihr Vertrauen für die Ver‐ wendung von Englisch dank den zahlreichen kooperativen Lerngelegenheiten zusehends gestärkt wurde (vgl. Eisenmann 2019, S. 71). Insgesamt wiesen die lernschwachen case pupils trotzdem am wenigsten Sprechhandlungen aus, weshalb ihre Aktivitäten in den nicht gestalterischen Phasen automatisch dem Code ‘Receptive language learning’, somit dem Hören, zugeschrieben wurden (siehe Anhang G). Dies führte dazu, dass für die lern‐ schwachen case pupils längere, ununterbrochene Hörphasen dokumentiert wurden. Gleichzeitig, weil sich lernschwache Schüler*innen im Unterricht grundsätzlich zurückhaltender zeigten, war nicht immer klar zu erkennen, 357 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="357"?> ob die Passivität dieser Lernenden während der rezeptiven Phasen als auf‐ merksames Zuhören oder gedankliches Abschweifen zu deuten war. Letztere Beobachtung unterstützten auch Aussagen einiger Lehrpersonen. Laut ihren Einschätzungen bringen längere rezeptive Phasen die Gefahr mit sich, dass insbesondere lernschwache Kinder im Unterricht ‘abschalten’. Das bedeutet, dass die Lehrpersonen denken, dass diese Lernenden ihre Aufmerksamkeit vom Unterrichtsgeschehen ablenkten und sich nicht mehr auf das Gesagte konzen‐ trieren konnten. Auch die Ergebnisse aus der Fragebogenumfrage weisen darauf hin, dass das fremdsprachliche Zuhören für die Mehrheit der lernschwachen Schüler*innen besonders anstrengend war (vgl. Tabelle 43). Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt auch Bechler (2014, S. 270-271) mit ihrer Untersuchung von bilingualen Sequenzen auf der Primarstufe. Dem gegenüber gaben über dreiviertel aller lernschwachen Schüler*innen an, im CLIL-Unterricht das Meiste verstanden zu haben (vgl. Abbildung 37). Trotz diesen ambivalenten Ergebnissen zu diesem schwierig fassbaren Kompetenzbereich Hören kann als gesichert betrachtet werden, dass mit längeren passiven Phasen des Zuhörens im CLIL-Unterricht verschiedene Herausforderungen insbesondere für die lern‐ schwachen Schüler*innen einhergehen. Dies wurde bereits im Nachgang des CLIL-Modul I erkannt. Deshalb wurden bei der Planung des CLIL-Modul II re‐ zeptive Phasen verkürzt, was von den Lehrpersonen als Optimierung gegenüber dem ersten Modul wahrgenommen wurde. Als Weiterentwicklung auf Basis der hier dargestellten Ergebnisse und als Anregung für die zukünftige Implementierung von CLIL-Unterricht können unter spezieller Berücksichtigung der lernschwachen Schüler*innen folgende drei Optimierungen formuliert werden. (1) Als erstes sollte die nonverbal-ges‐ tische Ausdrucksweise als Kommunikationsstrategie im Unterricht vermehrt thematisiert und gefördert werden. (2) Zweitens müssten für jene einzelnen Schüler*innen, die laut Fragebogenumfrage Schwierigkeiten mit dem fremd‐ sprachlichen Verstehen bekundeten (vgl. Abbildung 37), Hörstrategien bespro‐ chen werden, damit auch diese Lernenden dem CLIL-Unterricht zukünftig besser folgen können und dadurch mehr Selbstwirksamkeit erfahren (vgl. Schubert 2017, S. 90). (3) Drittens sollten lange Sequenzen des passiven Zuhörens vermieden werden. Stattdessen sollten vermehrt kürzere Inputs umgeben von Sequenzen mit hoher Aktivierung der Lernenden eingeplant werden. 7.3.3 Nachteilausgleich für BG Die case pupils wurden aufgrund ihrer Leistung im Fach Englisch von den Lehrpersonen ausgewählt. Wie bereits im Kapitel 7.2 diskutiert wurde, kann 358 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="358"?> 42 Der Ausgleich dieses Nachteils wurde bereits bei der Auswertung der Daten zum Code ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ erkannt und versucht zu korrigieren, indem kurze Aussagen oder solche auf Deutsch diesem Code nachträglich zugefügt wurden (vgl. Tabelle 26). insgesamt davon ausgegangen werden, dass die Fremdsprache keinen negativen Einfluss auf die bildnerischen Prozesse und Produkte hatte. Die bildnerischen Ergebnisse zum Kompetenzbereich ‘Prozesse & Produkte’ konnten somit unbe‐ einflusst der Leistungszugehörigkeit der case pupils betrachtet werden. Beim anderen mit dem Fach BG in Verbindung stehenden Code ‘Wahrneh‐ mung & Kommunikation’ beeinflussten die fremdsprachlichen Kompetenzen die Qualität der Lernhandlungen massgeblich mit. Erneut fielen die Resultate der lernschwachen case pupils im Vergleich zu den anderen beiden Leistungs‐ gruppen ab. Dies bestätigt nochmalig, dass im CLIL-Unterricht die Fremd‐ sprache in ihrer überwiegenden Funktion als Kommunikationsmittel unwei‐ gerlich viel Raum einnimmt. Im CLIL können somit die beiden Fächer nicht trennscharf voneinander geteilt werden, sondern - wie grundsätzlich angestrebt - verschmelzen sie miteinander. Diese Fächerfusion erweist sich an dieser Stelle als nachteilig, wenn die Performanz rein bezogen auf das Sachfach ausgewiesen werden sollte. Dies weil sich bei diesem BG-Kompetenzbereich, der mehrheit‐ lich über die Sprache sichtbar gemacht wird, limitierende Englischkenntnisse negativ auf die Lernleistungen ausweisen. Der Aspekt der Kommunikation und die damit verbundene sprachlichen Funktionen wie beschreiben, vergleichen, präsentieren, reflektieren werden im einleitenden Kapitel des Lehrplans 21 zum Fachbereich Gestalten als essentielle Elemente des bildnerischen Prozesses ausgewiesen (D-EDK 2014, S. 6). Dieser hohe Stellenwert von Sprache auch im bildnerischen Fachbereich verdeutlicht einerseits die Eignung der Kombination dieser beiden Fächer im CLIL-Unterricht, anderseits müssen kreative Lösungen gefunden werden, damit lernschwache Schüler*innen aufgrund ihrer limitierten fremdsprachlichen Kenntnissen nicht auch im bildnerischen Bereich einen Nachteil erfahren. 42 Zusätzlich zu den oben genannten optimierenden Weiter‐ entwicklungen (siehe Kapitel 7.3.2) könnten insbesondere die lernschwachen Schüler*innen im zukünftigen CLIL-Unterricht mit folgenden drei weiteren Massnahmen zusätzlich gestützt werden: (4) Die Schüler*innen sollten auf die vielfältigen Kommunikationsprozesse rund um das Fach BG mit noch mehr adaptiven Scaffolding unterstützt werden, gegebenfalls auch im Sinne von vermehrtem Code-Switching oder dosiertem Einsatz der Schulsprache im Sinne von Sprachmittlung (Butzkamm 2010, S. 99). (5) Zudem könnten die Lernenden mit einem bewussten, expliziten Sprach‐ aufbau in den Bereichen language of learning und language for learning besser 359 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="359"?> vorbereitet werden. Oder falls die Sprache tatsächlich zu anspruchsvoll ist, sollen als weitere Möglichkeit (6) die Lernaufgaben so gestaltet werden, dass die Performanz in allen drei BG-Kompetenzbereichen als Option vollständig non-verbal sichtbar gemacht werden kann (Böttger 2013, S. 71). Abschliessend soll angefügt werden, dass sich die heterogenen Lernenden oft auch selbstorganisiert gemäss ihren Fähigkeiten zum Beispiel in Grup‐ penarbeiten arrangierten, um so ihren allfälligen Nachteil aufgrund weniger günstigen Fremdsprachenkenntnissen zu kompensieren. Gemäss Aussagen der Lehrpersonen kümmerten sich schwache Englischlernende bei Gruppen‐ arbeiten häufig um nicht-sprachliche Arbeiten wie Schneiden, Kleben oder Gestalten, die sie trotz eingeschränkten fremdsprachlichen Kompetenzen über‐ nehmen konnten. Die stärkeren Englischlernenden initiierten Gespräche oder versprachlichten die Arbeits- oder Lernschritte. Dies zeigt erneut, dass dank dem dualen Fokus im CLIL-Unterricht Lernen verschiedenste Ausprägungen annehmen kann und - wahrscheinlich besser als im herkömmlichen Englisch- oder BG-Unterricht - den individuellen Lernenden mehr Möglichkeiten für eine Nachteil ausgleichende Unterrichtsbeteiligungen bietet. 7.3.4 Realisiertes Scaffolding im CLIL-Unterricht Während den Unterrichtsbeobachtungen als auch in den Austauschrunden überzeugten die Primarlehrpersonen mit ihrer professionellen Haltung im Umgang mit der Heterogenität. Ihr Verhalten und ihre Unterrichtsgestaltung lehnten sich stark an die von Leisen genannten Prinzipien des sprachsensiblen Unterrichts (Leisen 2017, S. 2). Es sind somit die Lehrpersonen an sich, die mit ihrer Haltung, ihrem Tun und ihrer Sprachverwendung ein essentielles Scaffolding des CLIL-Unterrichts bildeten. Sie waren es sich gewohnt, dass die Lernenden ihrer Klassen verschiedene Leistungen vollbringen und erachten die Vielfalt in ihren Klassen als normal. Sie hegten ausserdem realistische Lernerwartungen an ihre individuellen Schüler*innen und wussten genau, wen sie wie unterstützen mussten. Sie boten folglich eine Fülle von passenden Lernhilfen an. Viele der im Kapitel 3.6 vorgestellten Arten von Scaffolding für den CLIL-Unterricht kamen in der vorliegenden Untersuchung zum Einsatz. Diese bewusst eingesetzten Hilfestellungen sind in nachfolgender Übersicht blau markiert und werden im Folgenden diskutiert. 360 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="360"?> ran ada ted from ichell Shar e • content • verbal • strategic • input • output SCAFFOLDING • timely, temporary, situative, individual assistance • Macro level: 'designed-in' (hard scaffolds) and / or • Micro level: 'point of need' (soft scaffolds) challenge + support • teaching strategies • learning strategies gestures, mimics, TPR pre-teaching of new language stress, intonation redundancies mediation recasts chunks or sentence starters functional (classroom) language waiting time sensitive error corrections prompting - 'windows of school language' non-verbal communication visualizations hands-on experiences cooperative learning extended learning time checking activities feedback defensive: teacher-centred, closed questions, IRF-pattern offensive: learner-centred, advance organizer, task-based codeswitching receptive: reading & listening productive: expressing yourself affective meta-linguistic & -cognitive ---- Scaffolding for the CLIL-classroom Abbildung 38: Verwendetes Scaffolding im CLIL-Unterricht Seitens der Lehrpersonen und Lernenden wurde das vorbereitete verbale Scaffolding im Sinne von vorgegebenen Satzstrukturen, funktionaler Sprache und vorgängig eingeführter Wortschatz als besonders hilfreich empfunden. Laut Einschätzungen der Lehrpersonen wurde dieses Scaffolding von den Schüler*innen entsprechend ihrem Lernstand differenziert genutzt. Diese An‐ nahme stützt auch die Übersicht der Codes ‘Use of scaffolding’ (vgl. Tabelle 19), die verdeutlicht, dass die lernschwachen case pupils das verbale Scaffolding signifikant anders nutzten als die case pupils der anderen beiden Leistungs‐ gruppen. Als wichtig stellte sich dabei heraus, dass dieses verbale Scaffolding tatsächlich am Lernstand der Schüler*innen anknüpft und in der Verwendung nicht zu anspruchsvoll ist. Neben vorbereiteten Unterstützungsangeboten gab es auch zahlreiche spontan eingesetzte Hilfestellungen wie Worterklärungen, Analogien (z. B. This is like a ‘colour explosion’), Auftragswiederholungen oder zusätzlich gezeigte Beispiele. Diese wurden von den Lehrpersonen situativ, zum Teil auch auf Nachfrage der Kinder, eingebracht. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes verbales Scaffolding, das von allen Beteiligten als wichtig er‐ kannt wurde, ist die Sprache der Lehrperson. Wie sich die Lehrperson ausdrückt bezüglich Tempo, Wortwahl und Redundanzen sowie mit welchen Gesten sie das Gesagte untermalt, erleichtert das Verständnis im CLIL-Unterricht bedeutsam, 361 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="361"?> wie auch andere Autorinnen betonen (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 62; Thürmann 2013, S. 238). Die Schüler*innen waren sich zudem an dieses Scaffolding bereits aus dem herkömmlichen Englischunterricht gewohnt. Weil die CLIL-Module in einem für die Lernenden familiären Umfeld stattfanden, fungierte auch diese gewohnte Lernumgebung als wichtiges Scaffolding per se (vgl. Dalton-Puffer 2007, S. 265). In Bezug auf inhaltliches Scaffolding wurden von den Lehrpersonen die zahlreichen Visualisierungen und direkte Handlungen geschätzt. Einerseits weil diese die Erklärungen sowie Arbeitsanweisungen verdeutlichten, anderseits auch weil diese als wichtige Inspiration für das bildnerische Gestalten dienten und vielfältige fremdsprachliche Prozesse auslösten. Auch Leisen (2005, S. 10) unterstreicht die Notwendigkeit von verschiedenen Darstellungsformen, wie zum Beispiel die Verwendung von Visualisierungen, und betrachtet dies als das Schlüsselelement für das fachliche Verstehen und die fremdsprachliche Kommunikation in jedem CLIL-Unterricht. Hinsichtlich der Visualisierungen gab es einen Vorbehalt in Verbindung mit dem Zeigen von konkreten Beispielen zu Arbeitsprozessen oder zu Bildprodukten. Diese hegten die Gefahr, dass sie die Lernenden zu sehr in ihrer bildnerischen Ideenfindung beeinflussten und müssen deshalb moderat eingesetzt werden. Als weiteres wichtiges inhaltliches Scaffolding wurde von allen Beteiligten das kooperative Lernen genannt. Die Befragungen aber auch Beobachtungen im Unterricht verdeutlichen, dass die Lernenden einander auf verschiedentliche Arten unterstützten. Lernstarke Kinder assistierten ihren lernschwächeren Kolleg*innen mit Hilfestellungen explizit oder ihrem vorbildlichen Sprachgebrauch häufig auch implizit. Insbe‐ sondere lernstarke Schüler*innen übernahmen ausserdem die Rolle der Feed‐ back-Geber*innen, indem sie andere Lernende bewusst im Sinne eines recast korrigierten und mittels Mediation unbekannte Wörter zugänglich machten. Diese Rolle ist normalerweise der Lehrperson vorbehalten, doch welche in den schülerorientierten Phasen von ihr nur schwer eingenommen werden kann. Auf diese Weise bietet kooperatives Arbeiten in heterogenen Gruppen wertvolle CLIL-Lerngelegenheiten sowohl für die lernschwachen, die von diesen Hilfe‐ stellungen gestützt werden, als auch für die lernstarken Schüler*innen, die durch diese Bereitstellung von Hilfen das Gelernte vertiefen (Klippert 2010, S. 68). Bezüglich des strategischen Scaffoldings wurden auch hier, abhängig vom strategischen Vorwissen der Lernenden, zahlreiche rezeptive sowie produktive Strategien von den Lernenden eingesetzt. Zu den verwendeten rezeptiven Lern‐ strategien gehörten das Nachfragen oder -schlagen sowie das intelligente Raten bei unbekannten Wörtern. Bezüglich produktiver Kommunikationsstrategien wurden Gesten und Pantomime, Eselsbrücken für das Behalten neuer Wörter 362 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="362"?> und das Code-Switching erwähnt. Zu letzterem muss angefügt werden, dass es nicht allen Lernenden gelang dieses spontan umzusetzen. Das verdeutlicht auch die Code-Übersicht zum ‘Use of English’ (vgl. Tabelle 8). Es scheint als ob der Wechsel zwischen den Sprachen für viele Lernende noch befremdend war. Wie auch vereinzelten Lehrpersonen auffiel, tendierten die Schüler*innen eher dazu, ihre Aussagen mehrheitlich oder ganz in der einen Sprache zu kommunizieren. Während in dem Sinne die Lernenden zu vermehrten Sprachwechsel als Lern- und Kommunikationsstrategie animiert werden sollten (siehe Kapitel 7.3.2), sollten die Lehrperson solche Sprachwechsel unterlassen. Dies verdeutlicht jene interessante Aussage eines case pupil, der sich zu einem Sprachwechsel der Lehrperson bei einer Instruktion negativ äusserte. Anscheinend unterbrach die zusätzliche Erklärung der Lehrperson auf Deutsch den fremdsprachlichen Un‐ terrichtsfluss nicht nur, sondern der Sprachwechsel schmälerte gleichzeitig die Selbstwirksamkeitserfahrung bezüglich des Hörverstehens. Dies deshalb, weil der case pupil aus der übersetzten Aufgabenerklärung, die auf Deutsch angeblich detaillierter ausformuliert wurde, neue Anweisungen entnehmen konnte und er daraufhin seine fremdsprachlichen Hörverständnis-Kompetenzen in Frage stellte. Die Aussage dieses case pupil illustriert eindrücklich, dass von didak‐ tisch-methodisch unüberlegten Wechsel zwischen den beiden Sprachen dring‐ lich abzuraten ist (Butzkamm 2010, S. 99). Dem gegenüber muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass in den besuchten CLIL-Lektionen die allermeisten Re‐ dehandlungen der Lehrpersonen konsequent auf Englisch ausgeführt wurden. Daher ist es für die Zukunft der Umsetzung von CLIL-Unterricht essentiell - dies zeigte sich in vorliegender Studie auch als machbar -, dass die Lehrpersonen ihre Inputs und Instruktionen einheitlich in der Fremdsprache kommunizieren. Statt Sprachwechsel sollten fremdsprachlich unsichere Lehrpersonen zukünftig ermuntert werden, sich gut zu überlegen, wie sie mit einfachen, aber treffenden Worten ihre Mitteilung hilfreich portioniert und wirkungsvoll kommunizieren können (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 71). Letztlich scheint auch eine ausgewogene Balance von lehrzentrierten und schülerorientieren Phasen, insbesondere im CLIL-Modul II, gut gelungen zu sein. Dies verdeutlicht die schematische Übersicht der Basiscodierungen (vgl. Abbildung 32), in der sich die selbstständigen Arbeitsphasen organisiert in Einzel- oder Gruppenarbeiten mit kurzen Sequenzen des Inputs und Austauschs im Plenum abwechseln. Somit konnten beiden Arten von teaching strategies be‐ rücksichtigt werden: Zum einen die defensive strategies in den Plenumsphasen, in denen die Lernenden mit der nötigen Sprache vertraut gemacht, kontrollierte Anwendungsmöglichkeiten für die Sprachproduktion geboten und sie auf die bevorstehenden gestalterischen Phasen eingeführt wurden. Zum anderen die 363 7.3 CLIL als Wegbereiter im Umgang mit Heterogenität <?page no="363"?> offensive strategies mit längeren Phasen des selbstgesteuerten, hauptsächlich gestalterischen Arbeitens, in denen die Lernenden die Fremdsprache selbstbe‐ stimmt und experimentierfreudig anwenden konnten. 7.3.5 Fazit Der durchgeführte CLIL-Unterricht auf der Primarstufe konnte der vorherr‐ schenden Heterogenität gerecht werden, weil in diesem Setting verschiedene Leistungsgruppen auf unterschiedliche Arten gefördert wurden. Dass die ‘gu‐ ten’ Lernenden während der CLIL-Modulen für ihr duales Lernen besonders profitieren konnten, erstaunt wenig. Unvermeidbar war es so, dass die leistungs‐ starken und durchschnittlichen Lernenden insgesamt in allen Aspekten, in denen das Lernen durch die Fremdsprache sichtbar gemacht und ausgedrückt wurde, offensichtlich besser abschnitten als die lernschwachen Schüler*innen. Wie bereits mehrfach aufgezeigt, konnten die durchschnittlichen Lernenden mit den lernstarken Kindern im CLIL-Unterricht mithalten. Unter Annahme, dass im Normalfall ein grosser Teil einer jeder Klasse der Gruppe der durch‐ schnittlichen Lernenden angehört, scheint es möglich zu sein, dass bei der Durchführung von solchen CLIL-Modulen die meisten der Lernenden einer Klasse profitieren können. Dass dabei jedoch jenen Lernenden mit weniger günstigen fremdsprachlichen Leistungsvoraussetzungen nicht verloren gehen dürfen, versteht sich von selbst. Denn gerade lernschwache Schüler*innen oder Sprachanfänger waren im CLIL-Unterricht mit deutlich mehr Herausfor‐ derungen konfrontiert als jene Lernenden zugehörig der beiden anderen Leis‐ tungsgruppen, wie die Gegenüberstellung der Chancen und Herausforderungen (vgl. Tabelle 60) aufzeigt. Daher gilt es hier mit Sorgfalt diese lernschwachen Schüler*innen in diesem für sie anspruchsvollen Unterricht gut zu unterstützen und zu begleiten. Konkrete Massnahmen auf methodisch-didaktischer (z. B. Vermeidung von langen rezeptiven Phasen, Intensivierung des expliziten Sprachaufbau, Erweiterung verbaler Scaffolds) und strategischer Ebene (z. B. Aufbau von Lern- und Kommunikationsstrategien) wurden in diesem Kapitel bereits genannt. Die aufgezeigten Ergebnisse verdeutlichen jedoch auch, dass selbst die lernschwachen Schüler*innen im CLIL-Unterricht die im Lehrplan beschriebenen fremdsprachlichen als auch sachfachlichen Kompetenzen auf einem mehrheitlich genügenden Niveau ausweisen konnten. Obschon sie nicht dieselben Leistungen vollbringen konnten wie ihre Mitschüler*innen mit güns‐ tigeren fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen, nutzten sie den CLIL-Unter‐ richt - nach entsprechender Angewöhnungszeit - gemäss ihren individuellen Leistungsvoraussetzungen für das duale Lernen durchwegs zufriedenstellend. 364 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="364"?> Mehr sollte von ihnen in diesem anforderungsreichen CLIL-Setting auch nicht erwartet werden. 7.4 Qualitätsmerkmale für CLIL-Lernaufgaben als solides Fundament Wie andere Studien zeigten (vgl. Blömeke et al. 2006, S. 353), bewährt sich für die Evaluation von Lernaufgaben ein Vorgehen nach drei Schritten: eine theoriebasierten Literaturrecherche, die Ausarbeitung von direkt darauf bezug‐ nehmenden Indikatoren und schliesslich die Bestimmung der Aufgabenqualität durch verschiedene Instanzen im Vorfeld und Nachgang der unterrichtlichen Umsetzung. Ein analoges Vorgehen wurde bei vorliegender Untersuchung umgesetzt und führte zu folgenden Erkenntnissen. Die fünf theoriebasierten Qualitätsmerkmale ‘Interesse & Motivation’, ‘Anre‐ gung von CLIL-Lernprozessen’, ‘Kognitive Aktivierung’, ‘Offenheit’ sowie ‘Dif‐ ferenzierung’ waren für die Implementierung und Evaluation der Lernaufgaben leitend. Sowohl die Expert*innen als auch die Lehrpersonen bewerteten die meisten der vierzehn im Rating-Bogen zusammengefassten Indikatoren in den bereitgestellten Lernaufgaben als mehrheitlich zutreffend (vgl. Abbildungen 28, 30). Demzufolge deuten die Resultate dieser Evaluation darauf hin, dass die beiden Sets an CLIL-Lernaufgaben die fünf wichtigen Qualitätskriterien ausreichend erfüllten und die Lernaufgaben als Anstoss für das CLIL-Lernen als gelungen erachtet werden können. Zudem stützen diese Ergebnisse insge‐ samt die Annahme, dass in einem sorgfältig konzipierten aufgabenorientierten CLIL-Unterricht der Aufbau der im Lehrplan 21 beschriebenen Kompetenzen umgesetzt werden kann (vgl. Rüschoff 2015, S. 375-376). 7.4.1 Geeignete CLIL-Lernaufgaben Hinsichtlich der Einschätzung jeder einzelnen Lernaufgabe durch die Lehrper‐ sonen zeigte sich, dass nicht jede Lernaufgabe jedes Qualitätskriterium im gleichen Umfang erfüllen konnte. Das war jedoch auch nicht zu erwarten, denn wie auch Reusser (2013, S. 6) schreibt, sollen solche Qualitätsmerkmale zum Aufbau einer positiven Aufgabenkultur insgesamt verhelfen - wie es im vorliegenden Fall über ein ganzes CLIL-Modul erreicht werden konnte. Jede Lernaufgabe einzeln betrachtet hat hingen ihre Stärken und Schwächen. Jene zwei Lernaufgaben, die sich für das CLIL-Lernen in den heterogenen Klassen 365 7.4 Qualitätsmerkmale für CLIL-Lernaufgaben als solides Fundament <?page no="365"?> besonders bewährten und gemäss des Good Practice-Ansatzes weiter analysiert wurden, werden im Folgenden eingehender diskutiert. Im Sinne der angelegten Kriterien weisen ‘gute’ Lernaufgaben für den CLIL-Unterricht in der Fächerfusion BG und Englisch folgende Stärken aus (vgl. Abbildungen 29, 31 und siehe Kapitel 6.6.9): Erstens regen sie CLIL-Lernprozesse mit viel Raum für individuelles und kooperatives kreatives Gestalten an. Die Untersuchung verdeutlichte, dass diese gestalterischen, handlungsorientierten auch als spielerisch bezeichneten Sequenzen nicht nur einen optimalen Aus‐ gleich zur wahrgenommenen Sprachlastigkeit schafften, die im CLIL-Unterricht auf die Doppelrolle von Sprache sowohl als Unterrichtsgegenstand als auch Kommunikationsmittel zurückzuführen ist; sondern sie eröffneten auch viel Raum und Freiheiten für die fremdsprachliche Kommunikation. Somit und zweitens bieten geeignete CLIL-Lernaufgaben ebenso die Möglichkeit für die freie, unbeobachtete Interaktion als auch für offizielle, organisierte Sprachlern‐ momente. Wie die Ergebnisse verdeutlichen, nutzten die Schüler*innen eben gerade die vermeintlich non-verbalen gestalterischen Lernphasen - welche auf den ersten Blick viel Unterrichtszeit zu Ungunsten des fremdsprachlichen Ler‐ nens einnehmen -, für Gelegenheiten zum Interagieren auf Englisch. In diesen Phasen konnten sich die Lernenden demnach frei und relativ unbeobachtet im Sprechen üben, so dass sie für die nachfolgenden offiziellen Sequenzen des Präsentierens oder Austausches gewappnet waren. Drittens gewähren ‘gute’ CLIL-Lernaufgaben adaptive Differenzierungsmöglichkeiten und die nötige Offenheit in Bezug auf unterschiedliche Herangehensweisen und die Zielerrei‐ chung. Denn auch hier zeigten die Ergebnisse, dass die Lernenden in Bezug auf die bildnerischen Prozesse und Produkte als auch auf die damit hergehende fremdsprachliche Kommunikation viel Freiraum hatten und mit Hilfe des bereit‐ gestellten Scaffolding diese Lernaufgaben gemäss ihrem Lernstand erfolgreich ausführen konnten. Aufgrund obiger Überlegungen kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die verschiedenen Evaluationsprozesse, die ausgehend der Beurteilung des ganzen Aufgabensets von mehreren Instanzen über die Einschätzung der einzelnen Lernaufgaben schlussendlich zum Herauskristallisieren der beiden favorisierten Lernaufgaben führten, als gelungen betrachtet werden können. Es wird dadurch ein hoher Standard an die Aufgabenqualität als unterrichtliches Angebot sichergestellt, das als Fundament für die Durchführung einer Good Practice-Untersuchung essentiell ist. 366 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="366"?> 7.4.2 Weiterführende Überlegungen zum Rating-Bogen Während das Vorgehen überzeugt, soll im Folgenden die Validität des Messin‐ struments an sich, namentlich einzelne Indikatoren auf dem Rating-Bogen, ver‐ tieft diskutiert und Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Als erstes sollte auf dem Rating-Bogen zusätzlich zur vierstufigen Antwortskala eine wei‐ tere Ankreuzmöglichkeit im Sinne von ‘keine Angabe’ angefügt werden. Damit könnten die in vorliegender Studie auffällig vielen Enthaltungen zukünftig klarer eingeordnet und so valider eingeschätzt werden. Weiter fiel mir im Evaluationsprozess immer wieder auf, dass aufgrund des starken Fokus der vorliegenden Untersuchung auf CLIL und Heterogenität, drei der fünf Qualitäts‐ merkmale (‘Anregungen von CLIL-Lernprozessen’, ‘Offenheit’ und ‘Differenz‐ ierung’) unweigerlich in den Vordergrund rückten. Diese scheinen in diesem Setting auch besser beobachtbar zu sein und somit einer Evaluation besser zu‐ gänglich zu sein. So lassen sich Einschätzungen zu den CLIL-Lernprozessen im Vorfeld aufgrund der Aufgabenstellung und im Nachgang der Implementierung bei Schülerantworten oder in den gestalterischen als auch fremdsprachlichen task outcomes machen. Eine Wertung zu den Qualitätskriterien ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’ lässt sich ebenfalls anhand der Aufgabenstellung und des bereitgestellten Scaffoldings oder erneut anhand der Betrachtung der un‐ terschiedlichen task outcomes vornehmen. Die Validität dieser Einschätzungen wird daher nicht in Frage gestellt. Anders verhält es sich mit den beiden schwierigeren fassbaren Qualitätskri‐ terien ‘Interesse & Motivation’ und ‘Kognitive Aktivierung’. Zum einen zeigte sich bei diesen beiden Qualitätskriterien, dass einige Expert*innen und Lehr‐ personen mit diesen breit-gefassten Begriffen andere theoretische Konzepte verbanden und diese allenfalls die Einschätzung mitbeeinflussten. Da sich bei der Formulierung von Indikatoren immer Reduktionen ergeben, müssten die dahinter liegenden Theorien, die für die Formulierung der Qualitätskriterien herangezogen wurden, differenziert aufgezeigt werden. Jedoch konnte aufgrund knapper zeitlicher Ressourcen an den Austauschtreffen mit den Expert*innen und Lehrpersonen kein vertieftes gemeinsames Verständnis der theoretischen Konzepte, wie sie in den Kapiteln 3.5.1 und 3.5.3 eingehend diskutiert wurden, hergestellt werden. Zum anderen beziehen sich diese beiden Qualitätskrite‐ rien ‘Interesse & Motivation’ und ‘Kognitive Aktivierung’ mehr auf die durch die Lernaufgaben ausgelösten, vordergründig unsichtbaren Denk- und Lernpro‐ zesse anstatt auf die Lernaufgaben an und für sich. Für eine valide Einschätzung dieser beiden Qualitätskriterien müssten somit zusätzlich zur Angebotsauch die Nutzungsebene des Unterrichts untersucht werden. Dies weil man sich allgemein einig ist, dass sich das Angebot und die Nutzung wechselseitig 367 7.4 Qualitätsmerkmale für CLIL-Lernaufgaben als solides Fundament <?page no="367"?> beeinflussen (Vieluf et al., 2020, S. 71). Die Expert*innen konnten jedoch zu diesen Qualitätskriterien keine differenzierte Einschätzung vornehmen, weil sie die Implementierung der Lernaufgaben im Unterricht nicht miterleben konnten. Deshalb, um die Forschungsfrage I zur Eignung der Lernaufgaben final und valide beantworten zu können, ist es ratsam weitere Daten miteinzubeziehen, wie nachfolgend begründet aufgezeigt wird. 7.4.3 Zusätzliche Daten zur Einschätzung der Aufgabenqualität Für die Einschätzung des Qualitätskriteriums ‘Interesse & Motivation’, somit die Erfassung von subjektiven Empfindungen der Schüler*innen, eignen sich Befragungen (Riemer 2016, S. 155). In den Interviews mit den case pupils lassen sich vereinzelte Aussagen direkt auf die im Indikator a) im Rating-Bogen (siehe Anhang B) ausformulierten Aspekte ‘Interesse, Experimentierfreude und Neugier’ der Lernaufgaben zurückführen. So empfanden viele Lernende jene Lernaufgaben besonders interessant, die sie mit Spass in Verbindung brachten oder zur eigenen, experimentierfreudigen Auseinandersetzung einluden. Denn Spass und Freude, oder andere positive Gefühle, können als Ausdrucksmittel für intrinsische Motivation angesehen werden (Schiefele 2009, S. 164). Solche positiven Emotionen konnten entsprechend gut beobachtet werden und gaben den Lehrpersonen einen Eindruck, welche Lernaufgaben das Interesse der Lernenden weckten. Die von Lernenden genannten Lernaufgaben mit hohen Spassfaktor deckten sich mit jenen, die von den Lehrpersonen als ideal ein‐ geschätzt wurden. Es ist daher anzunehmen, dass die Lehrpersonen bei der Wahl ihrer Favoriten die Stimmung der Lernenden in ihre Wertung direkt einfliessen liessen. In diesem Sinne könnte der Indikator a) im Rating-Bogen mit der veränderten Formulierung ‘wecken (Experimentier-)Freude’ zukünftig die Wichtigkeit von beobachtbaren positiven Gefühlen für die Erfassung von Motivation mehr betonen. Essentiell scheint mir, dass motivationale Aspekte zusätzlich zur Evaluation der Lernaufgaben und zu den Beobachtungen im Unterricht immer auch durch Befragungen erhoben werden, um die subjektive Binnensicht der direkt betroffenen Schüler*innen ebenfalls mit einzubeziehen. Ein weiteres Qualitätskriterium, das sich als schwer einschätzbar erwies, war das mit ‘Motivation & Interesse’ zusammenhängende Merkmal des Le‐ bensweltbezugs ausgedrückt im Indikator b). Während einige Expert*innen beim Betrachten der Lernaufgaben den Mangel an Lebensweltbezug in den Kunstbildern von Edward Hopper oder Wassily Kandinsky kritisierten, teilten die Lehrpersonen nach der Durchführung der CLIL-Module mit, dass die verschiedenen Kunstbilder die Lernenden in ihren Bann gezogen hatten. Die 368 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="368"?> Lehrpersonen berichteten, dass diese visuellen Stimuli bei den Lernenden die Kommunikationsfreude erhöhten und sie in den Bildern viele Dinge entdecken und benennen konnten. Diese Aussagen deuten demnach darauf hin, dass die vielfältigen visuellen Inputs viele Lernende für das duale Lernen motivieren konnten. In meinen Augen zeigt dies ebenfalls, dass lebensweltliche Bezüge über die Wahl eines relevanten Themas und schliesslich operationalisiert mit der Auswahl geeigneter Bilder hergestellt werden kann. Dadurch dass Bilder viele verschiedene Zugänge eröffnen, können sie die unterschiedlichen Lebenswelten der heterogenen Lernenden optimal abholen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bilder einen hohen Neuigkeitswert ausweisen (Gehring 2017, S. 10, 18). Eine aussagekräftige Einschätzung dieses Indikator b) zeigt sich deshalb erst nach der Einführung des Themas verbunden mit einer noch gezielteren Beobachtung in Bezug auf die Wirkung der Bilder auf die Lernenden. Mit Blick auf das zweite anspruchsvoll erfassbare Qualitätsmerkmal ‘Kogni‐ tive Aktivierung’ berichten auch andere Forschende von Herausforderungen hinsichtlich einer zuverlässigen Messung dieses Kriteriums (vgl. Praetorius 2014, S. 266-267). In der vorliegenden Fächerfusion, wo Lernaufgaben unter‐ schiedlichen kognitiven und sinnlichen Anforderungen beider Fächer genügen müssen (vgl. Indikator i) wird diese Schwierigkeit noch verstärkt. Dieser Herausforderung wurde in vorliegender Untersuchung damit begegnet, dass das CLIL-Modul als Aufgabenset aus unterschiedlichen Aufgabentypen bestand und regelmässige Reflexionsmomente zulassen sollte (siehe Kapitel 3.5.3). Von den sechs Expert*innen wurde dieses Vorgehen als sinnvoll eingeschätzt, um die kognitive Aktivierung auf Planungsebene zu berücksichtigen. Fakt ist jedoch, dass dieses Merkmal nicht nur auf der Bereitstellung eines Unterrichtsangebots betrachtet werden kann, sondern das tatsächlich ausgeschöpfte Potential der kognitiven Schüleraktivierung im Unterricht mitberücksichtigt werden muss. Diese Unterscheidung ergibt sich aus der Divergenz zwischen intendierten kognitiven Gehalten von Lernaufgaben und tatsächlich realisierten Anforde‐ rungen (Blömeke et al. 2006, S. 352; Helmke et al. 2016, S. 1). Wertvolle Anzeichen dafür, dass die Lernenden kognitiv und sinnlich aktiviert waren, ergaben sich aus den Unterrichtsbeobachtungen, die involvierte Lernende bei der Bearbei‐ tung der CLIL-Lernaufgaben zeigten oder aus den Interview-Aussagen der case pupils, die darauf hinwiesen, dass die Lernaufgaben anspruchsvoll, aber machbar waren. Auch die in der Klasse durchgeführten Reflexionsgespräche im Anschluss an einzelne CLIL-Doppelstunden oder ganz am Schluss der CLIL-Mo‐ dule geben Hinweise, inwiefern die Lernenden kognitiv aktiviert waren (vgl. Indikator j). Solche Reflexionen erfordern jedoch zeitliche Ressourcen, wes‐ halb sie teilweise ausgelassen wurden. Für eine differenzierte Einschätzung 369 7.4 Qualitätsmerkmale für CLIL-Lernaufgaben als solides Fundament <?page no="369"?> dieses Kriteriums müssten deshalb nicht nur Reflexionsgespräche konsequenter durchgeführt und ausgewertet werden, sondern die für den kognitiven Gehalt der Lernaufgaben aufschlussreichen Handlungen der Lernenden müssten noch eingehender (z. B. nach LOTS und HOTS) ausgewertet werden (Bloom et al. 1973, S. 229; Luthiger & Wildhirt 2018, S. 30). Erst wenn beides gelingt - die eingehende Betrachtung dieser unterrichtlichen Nutzungsaspekte und die Bereitstellung von verschiedenen Aufgabentypen mitsamt meta-kognitiven Reflexionen - kann dieses anspruchsvolle Qualitätskriterium vollumfassend evaluiert werden. 7.4.4 Fazit Der hier gewählte mehrstufige Evaluationsprozess der Lernaufgaben stellte si‐ cher, dass das unterrichtliche Angebot als Fundament der gesamten empirischen Untersuchung eine hohe Qualität auswies. Das Herausarbeiten von theorieba‐ sierten Qualitätsmerkmalen zugeschnitten für den vorliegenden CLIL-Kontext kann nicht nur als sinnvoller Auftakt in die empirische Studie betrachtet werden, sondern die meisten der vierzehn Indikatoren auf dem Rating-Bogen eigneten sich auch für eine valide Einschätzung der Aufgabenqualität. Herausforde‐ rungen mit vereinzelten Indikatoren für die schwierig fassbaren Qualitätsmerk‐ male ‘Motivation & Interesse’ und ‘Kognitive Aktivierung’ konnten teilweise durch das zyklische Vorgehen mit Einschätzungen von verschiedenen Instanzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten kompensiert werden. Um insgesamt die Gül‐ tigkeit der Einschätzungen zum unterrichtlichen Angebot zu erhöhen, sollten - wie soeben aufgezeigt - zusätzlich die Betrachtung der Nutzung des Unter‐ richts beigezogen werden. Dass zwischen Angebot und Nutzung eine reziproke Beziehung besteht (vgl. Vieluf et al. 2020, S. 71), hat sich hier bestätigt. In diesem Zusammenhang wurde mir ferner bewusst, dass sich bei der Untersuchung von Angebot und Nutzung zwischen den beiden Ebenen keine klare Grenze ziehen lässt. Vielmehr ist deren Übergang als fliessend zu betrachten. Insbesondere für die zuverlässige Evaluation schwierig einschätzbarer Qualitätsmerkmalen von Lernaufgaben sollte daher im Sinne der Triangulation immer gezielt weitere Datenquellen - erhoben auf der Nutzungs- und Angebotsebene - beigezogen werden. Erst so lassen sich die komplexen unterrichtlichen Zusammenhänge besser verstehen und schliesslich die Forschungsfrage I final beantworten. Demgegenüber gilt, dass eine Aufgabenanalyse nie dem Anspruch genügen kann, eine hundertprozentig eindeutige und korrekte Einschätzung der Lern‐ aufgaben zu liefern, denn deren Qualität hängt letztendlich immer von deren Einbettung im Unterricht ab. Ein Analyse-Instrument weist somit lediglich 370 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="370"?> auf mögliche Stärken und Schwächen von Lernaufgaben hin (Maier et al. 2014, S. 355). Unter diesem Gesichtspunkt kann der vorliegende Rating-Bogen als insgesamt taugliches Messinstrument für die vorliegende sowie andere zukünftige Untersuchungen mit hohem Praxisbezug betrachtet werden - denn die Anwendbarkeit in der Praxis ist ein weiteres wichtiges Kriterium für die Durchführung solcher Aufgabenanalysen (Kleinknecht et al. 2013, S. 218). 7.5 CLIL-Lernaufgaben als Plattform für sozial-konstruktivistisches Lernen Ausgehend der sozial-konstruktivistischer Sichtweise geschieht Lernen haupt‐ sächlich im Austausch mit anderen. Schüler-orientierte Lernaufgaben, die sowohl individuell-eigenaktives als auch sozial-interaktives Lernen ermög‐ lichen, unterstützen dabei die Umsetzung von Unterricht gemäss diesem Lehr-Lern-Verständnis (Diesbergen 2012, S. 57-58) und fördern gleichzeitig wichtige überfachliche Kompetenzen (D-EDK 2014 ‘Bildungsziele’). Insbeson‐ dere für den fremdsprachlich geführten CLIL-Unterricht sind sozial-interaktive, demnach kommunikative und kollaborative Lernaufgaben essentiell (vgl. Ellis 2003, S. 178). Verschiedene Ergebnisse zeugen davon, dass das dieser Arbeit zu Grunde liegende sozial-konstruktivistische Lehr-Lernverständnis auf der unterrichtlichen Ebene erkennbar war und das erwünschte soziale Lernen den CLIL-Unterricht vielfach bereicherte. Zunächst fiel den Lehrpersonen, das soziale Lernen als wichtiges Element im Unterricht als Anregung für weitere Lernschritte auf. Das angestrebte ko-konstruktive Lernen hat gemäss den vielfältigen Aussagen der Lehrpersonen im CLIL-Unterricht sowohl das fremdsprachliche als auch inhaltliche Lernen auf niederschwellige, aber effektive Art gefördert: Für BG, zum Beispiel, als die Lernenden einander ihre bildnerischen Prozesse oder Produkte zeigten und so kreative Ideen austauschten. Oder für Englisch, als die Lernenden im Gespräch miteinander situativ ihre Kommunikationskompetenz übten und erweiterten. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese bewusst eingeplanten - häufig aber auch spontan stattgefundenen - sozialen Interaktionen mit mehrwissenden Partnern als Auslöser von Lernprozessen im CLIL-Unterricht fungierten (vgl. Vygotsky 1964, S. 93). Mit Hilfe des gegenseitigen Austausches können die Lernenden in die nächste Zone ihrer Entwicklung vordringen und Lernschritte vollziehen, die sie alleine noch nicht meistern könnten (Gibbons 2002, S. 20). 371 7.5 CLIL-Lernaufgaben als Plattform für sozial-konstruktivistisches Lernen <?page no="371"?> In diesem Sinne, wie bereits erwähnt, diente eine kooperativ-zusammenar‐ beitende Gruppe als wichtiges Scaffolding. Dies wurde auch von den Lernenden erkannt: Einige case pupils beschrieben die Gruppenarbeiten als Bereicherung für ihr Lernen und die Mehrheit der Schüler*innen im Fragebogen gaben das kooperative Lernen als eines der wertvollsten Unterstützungsangebote an. Auch die Lehrpersonen machten die Kollaborationen für das Erfüllen von Lernzielen mitverantwortlich. Da diese kooperativen Lernaufgaben so weit wie möglich in der Fremdsprache bearbeitet wurden, waren es insbesondere die leistungsstär‐ keren Englischlernenden, die einen grossen Beitrag zur Zielerreichung beisteu‐ erten. Die Lehrpersonen nannten deshalb die Gruppenzusammensetzung als ein zentrales Element, das den Erfolg massgeblich mitbestimmte. War kein starker Englischlernender in der Gruppe anwesend, so brauchte es entsprechende Unterstützung seitens der Lehrpersonen. Anderseits sind Rückgriffe auf die Schulsprache in diesen kooperativen Sequenzen, wie sie in der vorliegenden Untersuchung auch beobachtet wurden, normal und teils gar erwünscht. Denn so lässt sich sicherstellen, dass die Lernenden die gewünschte Tiefenverarbei‐ tung des Themas vollziehen konnten (Massler & Ioannou-Georgiou 2010, S. 69). Ferner wurde die im CLIL-Modul II vermehrt eingeplante kooperative Zu‐ sammenarbeit sowohl von den Lehrpersonen als auch von vielen Lernenden geschätzt. In den Interviews waren es oft jene in Gruppen bearbeiteten Lern‐ aufgaben, die bei den Lernenden als beliebt bezeichnet wurden. Somit ist diese für den Sozial-Konstruktivismus essentielle Zusammenarbeit nicht nur effektiv, sondern wird auch geschätzt - was dessen positiven Einfluss auf das CLIL-Lernen zusätzlich fördert. Zusammenfassend kann das sozial-konstruktivistische Lernen als eine elementare Gelingensbedingung für die Umsetzung von CLIL-Unterricht be‐ trachtet werden. Zudem, so vermute ich, wird die gewünschte Ko-Konstruktion von Wissen bei der Bearbeitung von Lernaufgaben im bilingualen Setting gar intensiviert. Dies weil die heterogenen Lernenden dank der Anwesenheit zweier Fächer bei jedem Austausch für mindestens ein Fach - bestenfalls für beide Fächer - verschiedentliche Anregungen erhalten und sie darum tendenziell in einer solchen Fächerfusion breiter angeregt werden können als im herkömmli‐ chen Unterricht. 372 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="372"?> 7.6 CLIL als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht Der Anstoss für die Umsetzung solcher CLIL-Module stammt aus dem Lehr‐ plan 21, der vorschlägt, bilinguale Unterrichtseinheiten als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht anzubieten (D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Tatsächlich muss an dieser Stelle unterstrichen werden, dass nur dank der wertvollen Grundlagenarbeit im herkömmlichen Fremdspra‐ chenunterricht die Implementierung der CLIL-Module überhaupt erfolgreich stattfinden konnte. Die Lernenden der verschiedenen Klassenstufen brachten aus dem Englischunterricht solides fremdsprachliches Vorwissen mit, das sie im CLIL-Unterricht auf kommunikative, spielerische Art einbringen konnten. Wie mehrfach erwähnt und auch beobachtet werden konnte, verwendeten die Lernenden in diesen CLIL-Modulen ihren bereits aufgebauten Wortschatz und die bekannten Strukturen. Ein systematischer und nachhaltiger Aufbau solcher Grundlagen wäre im sporadischen CLIL-Unterricht jedoch kaum zu leisten (Bechler 2014, S. 245; Massler & Steiert 2010, S. 27). Dies bestätigte sich auch in den Interviews mit den case pupils und in den Unterrichtsbeobachtungen. Dies weil festgestellt werden konnte, dass die Lernenden den im CLIL-Modul kennengelernten Wortschatz zwar im unmittelbaren Unterricht verwenden, zu einem späteren Zeitpunkt losgelöst vom Anwendungskontext jedoch kaum abrufen konnten. Die CLIL-Module und der herkömmliche Fremdsprachenunterricht weisen daher hinsichtlich des Fremdsprachenlernens unterschiedliche Stärken aus: Die CLIL-Module bieten eine angstfreie, experimentierfreudige Kommunikations‐ plattform. Der regelmässig stattfindende Englischunterricht schafft die nötigen fremdsprachlichen Grundlagen und bietet Gelegenheit für deren Festigung. Dieser gegenseitige positive Einfluss von CLIL- und herkömmlichen Englisch‐ unterricht wurde auch von einigen Lehrpersonen bestätigt. So verwiesen sie auf Situationen im Englischunterricht, in denen die Lernenden dank den Erfahrungen im CLIL-Unterricht freier kommunizierten oder auf solche im CLIL-Unterricht, in denen die Lernenden das Gelernte aus dem Englischunter‐ richt erneut einbringen konnten. CLIL-Unterricht in dieser Form ersetzt somit auf keinen Fall den regelmässigen Fremdsprachenunterricht, sondern soll - wie der Lehrplan es vorschlägt - wenn passend und sinnvoll als Ergänzung in den Unterrichtsalltag eingebracht werden. Erst den kombinierten Einsatz beider Unterrichtsformen erachte ich als grossen Gewinn für ein ganzheitliches Fremdsprachenlernen auf der heterogenen Primarstufe. 373 7.6 CLIL als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht <?page no="373"?> 7.7 CLIL als Besonderheit im Schulalltag CLIL wird grosses Innovationspotenzial nicht nur für den Fremdsprachenun‐ terricht, sondern für das schulische Lernen insgesamt zugeschrieben (Rüschoff 2015, S. 353). Auch in vorliegender Untersuchung wurden die zwei im Verlaufe eines Schuljahres durchgeführten CLIL-Module von allen Beteiligten als etwas Neues und Besonderes wahrgenommen. Dabei wurde der Neuigkeitswert dieser CLIL-Module als Chance in vielfacher Hinsicht erkannt. Die Lehrpersonen erachteten dies als einen wichtigen Einflussfaktor auf die Motivation der Lernenden, weil sie eine sehr hohe - auch fremdsprachliche - Beteiligung der Lernenden wahrnahmen. Dadurch bot dieses neue Unterrichtssetting den Lehrpersonen spannende Einblicke in das Können ihrer Lernenden, denn der neuartige CLIL-Unterricht verleitete anscheinend viele Schüler*innen dazu, sich anders und vermehrt einzubringen als im herkömmlichen Englischunterricht. Auch die case pupils bezeichneten diese CLIL-Module als etwas Neuartiges und fanden Gefallen an dieser andersartigen Fächerfusion. Einige betonten jedoch auch, dass sie den bilingualen Unterricht nicht für immer wünschten. Der Vorteil dieser sporadisch durchgeführten CLIL-Module liegt deshalb darin, dass sie von den Lernenden als Besonderheit wahrgenommen werden, folglich viele Lernende zur hohen Mitarbeit motivierten und sie deshalb von der Mehrheit der Schüler*innen auch als lernergiebig eingeschätzt wurden (vgl. Tabelle 40). Dies ist nicht überraschend, weil neue, innovative Lernsettings typischerweise von einer gesteigerten Konzentration auf die Lernintention gekennzeichnet sind. Aufgrund dieser bewussten Fokussierung auf das Lernen stellen sie meist eine gewinnbringende Bereicherung für den Schulalltag dar (Hattie 2015, S. 295-296). Den dosierten Einsatz solcher Module bringt jedoch auch den Nachteil mit sich, dass das volle Potential von CLIL für das duale Lernen nicht vollumfänglich entfaltet werden kann (Elsner & Kessler 2013, S. 21). Dies weil ein kurzfristiger Einsatz für einige Schüler*innen zu wenig Annäherungszeit mit dem neuartigen Lernsetting bietet. Dies zeigte sich auch in dieser Untersuchung, weil viele Lernende eine gewisse Angewöhnungszeit brauchten, bis sie sich auf den CLIL-Unterricht einlassen konnten. Dies bezeugten einzelne Aussagen der case pupils und die von den Lernenden eingeschätzte Abnahme der Anstrengung gegen Ende des CLIL-Moduls II (vgl. Tabelle 39). Weiter waren mit der Durchführung des CLIL-Unterrichts folgende drei Her‐ ausforderungen verbunden: Erstens schätzten die Lehrpersonen die CLIL-Mo‐ dule als zeit- und vorbereitungsintensiv ein. Dass das bilinguale Lernen mehr Zeit in Anspruch nimmt, sowohl im Unterricht als auch für die Planung und Vorbereitung, bestätigen auch andere Untersuchungen (Bechler 2014, S. 248; 374 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="374"?> Massler & Steiert 2010, S. 23; Witzigmann 2011, S. 327). Zweitens gab es - zwar nur wenige, jedoch trotzdem ernstzunehmende - kritische Stimmen seitens El‐ tern in einer Klasse. Einige Eltern drückten Skepsis gegenüber dieser anspruchs‐ vollen Unterrichtspraxis aus. Kritik trat auch seitens einiger Lehrpersonen auf, die das Unterrichten des bilingualen Unterrichts als anstrengend bezeichneten, und seitens einiger Lernenden, die keinen oder wenig Gefallen an dieser Fächerfusion verspürten. Drittens wurde der Stundenplan als ein limitierender Faktor für die Wahrnehmung der CLIL-Module als echte Fächerfusion erkannt, weil dieser an den meisten Schulen kein für die Umsetzung des CLIL-Typs C (vgl. Abbildung 1) notwendiges neutrales, respektive fachübergreifendes Zeitgefäss bietet (vgl. Massler & Stotz 2013, S. 11). Um das angesprochene Innovationspotential von CLIL vollumfänglich zu ent‐ falten und gleichzeitig den drei soeben dargestellten Herausforderungen zu be‐ gegnen, ist eine moderate Implementierung von CLIL-Modulen auch zukünftig ratsam. Jedoch wäre es empfehlenswert, dass zukünftig die CLIL-Module im Umfang auf vier Doppellektionen verlängert und / oder die Anzahl auf drei pro Schuljahr erhöht werden. Auf diese Weise bieten sie trotz limitiertem Umfang die nötige Angewöhnungszeit für die Lernenden. Finden solche CLIL-Module zudem in den verschiedenen Klassenstufen über die Primarschulzeit hinweg immer wieder statt, erhalten die Eltern durch diese Regelmässigkeit eine Chance der Bekanntmachung mit dem bilingualen Unterricht. Kreative Lösungen müssten ausserdem gefunden werden, wie CLIL als echte Fächerfusion im Stun‐ denplan platziert werden könnte. Diesbezüglich wäre es hilfreich, wenn in jenen Wochen, in denen CLIL stattfindet, auf weitere Englisch- oder BG-Lektionen verzichtet wird. Andernfalls schmälert der nebenbei stattfindende Unterricht die Wahrnehmung einer echten Fusion der zwei gleichberechtigten Fächer. Zudem sollten vermehrt fertig ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien inklusive didaktischen Umsetzungshilfen zur Verfügung stehen, damit sich einerseits der Vorbereitungsaufwand für die Lehrpersonen in Grenzen hält und sich ander‐ seits auch mehr Lehrpersonen an die Umsetzung von CLIL-Modulen wagen. Jedoch gilt auch dann nach wie vor: Motivierte, kompetente Lehrpersonen, die thematisch ansprechende CLIL-Module von hoher didaktischer Qualität und optimaler Passung unterrichten, sind die zentralen Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung von bilingualem Lernen. 375 7.7 CLIL als Besonderheit im Schulalltag <?page no="375"?> 7.8 Lesson study als Lupe der unterrichtlichen Prozesse Das gewählte Forschungsdesign dieser Untersuchung lehnt sich stark an das Konzept der lesson study aus Grossbritannien an. Es wurde eingesetzt, weil es erlaubte gleichzeitig die Lehrpersonen für diese neuartigen Unterrichtspraxis vorzubereiten und Forschung mit einem fokussierten Augenmerk auf das Lernen der heterogenen Schüler*innen zu betreiben (siehe Kapitel 4.3). Aufgrund des besonderen Forschungsinteresses an der Heterogenität hat sich in meinen Augen der konsequente Blick auf die drei ausgewählten case pupils als Vertreter der heterogenen Klasse sehr bewährt. Dies, weil es mir als Alleinforscherin ermöglichte, auf effiziente Weise aussagekräftige Daten über die Nutzung des bilingualen Unterrichts aus Sicht der verschiedenen Leis‐ tungsgruppen einzuholen. Die Vorzüge dieses Vorgehens mit der Fokussierung auf drei heterogene Kinder in jeder Klasse wurde auch von den Lehrpersonen geschätzt und begrüsst: «Aber, es hat schon was mit so auf die drei Kinder zu schauen.» (Lehrpersonen nicken) (Forscherin, 2. CLIL-Modul Gruppe 2, Zeile 336). Denn wie bereits vorgängig erwähnt, eröffnete dieses gebündelte Augenmerk auf drei ausgewählte Lernende teils auch unerwartete Einblicke in das Können der heterogenen Lernenden in einer jeder Klasse. Die Performanz der einzelnen Lernenden verhielt sich nicht immer so, wie es ihre Zuteilung in die drei Leistungsgruppen erwartungsgemäss vermutet liess. Der Einsatz von lesson studies brachte auch in anderen Untersuchungen unerwartete Ergebnisse hervor, da sie hilft, das Lernen der Kinder genauer wahrzunehmen: «One phenomenon I have seen repeatedly both in my research findings and during lesson studies is that a Lesson Study group will discover that one of their three ‘case pupils’ is discovered to be operating at a very different level from that which the group had thought.» (Dudley 2014, S. 3) Die lesson study hilft somit den Unterricht besser auf die heterogenen Ler‐ nenden abzustimmen. Das hat sich auch in der folgenden Untersuchung bestä‐ tigt. Die Lehrpersonen machten sich tiefgründige Gedanken zum CLIL-Lernen in ihren heterogenen Klassen und illustrierten ihre Einschätzungen zum Lernen der verschiedenen Schüler*innen anhand direkter Beispiele aus dem Unterricht. Dadurch wurde ein wichtiges Ziel der lesson study erreicht, namentlich das Denken und Lernen der Schüler*innen sichtbar zu machen (Cerbin & Kopp 2006, S. 251). Dies wiederum führte dazu, dass sich am Austauschtreffen des CLIL-Modul I Chancen und Herausforderungen herauskristallisierten und folglich das unterrichtliche Angebot für das CLIL-Modul II in verschiedener Hinsicht nochmals optimiert werden konnte. 376 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="376"?> Daneben hatte den für die lesson study typischen zirkulären Prozess den zusätzlichen Vorteil, dass sich die Lehrpersonen an den verschiedenen Begleit- und Auswertungsreffen mit ihrem eigenen Lernen rund um die Umsetzung von CLIL-Unterricht befassen konnten. So wurden sie zum einen in die Thematik zur Implementierung von bilingualem Unterricht unter Berücksichtigung des Lehrplan 21 und der Heterogenität von der Forscherin zu Beginn eingeführt. Zum anderen konnten sie ihre praktischen Erfahrungen aus dem CLIL-Unter‐ richt an den regelmässigen Treffen austauschen. Diese gelungene Mischung von theoretischen Inputs, praktischen Erfahrungen und reflektierenden Aus‐ tauschrunden erachte ich als ein wertvolles Weiterbildungsgefäss. In diesem Sinne konnte das Versprechen an eine Weiterbildung zur Thematik CILL für die mitwirkenden Lehrpersonen in dieser Untersuchung eingelöst werden, wie dies auch die Lehrpersonen bestätigten. Insbesondere die im CLIL-Modul I durchgeführten gegenseitigen Hospitationen ermöglichten den Lehrpersonen ein direktes Lernen voneinander. Dies wurde von den Beteiligten als sehr berei‐ chernd eingeschätzt, weil sie sonst kaum Unterrichtsbesuche machen können, in denen exakt dasselbe Unterrichtsthema im Vordergrund steht. Auch am Ende des CLIL-Modul II beschrieben die Lehrpersonen einen Lernzuwachs und einige von ihnen waren überzeugt, weitere CLIL-Module in Zukunft durchführen zu wollen. Dank der Umsetzung eines ganzen lesson study Zyklus agierten die Lehrper‐ sonen und Forscherin in verschiedenen Situationen in der Rolle der «critical friends», die mit- und voneinander für die unmittelbare, aber auch zukünf‐ tige, CLIL-Praxis lernen konnten. Eine solche enge Kooperation zwischen Kolleg*innen, die einander konstruktives Feedback geben und einander in einem analytischen Dialog weiterbringen, wird nicht nur als Schlüsselelement für die professionelle Weiterbildung von Lehrpersonen, sondern ebenso für die Weiterentwicklung von CLIL als solches betrachtet (Coyle et al. 2010, S. 70; Lo 2020, S. 150) Auch wenn die Frage nach der Wirksamkeit von lesson study weder hier untersucht wurde, noch von anderen Forschenden abschliessend beantwortet werden kann (Rzejak 2019, S. 124-125), deuten die obig beschriebenen Erfah‐ rungen darauf hin, dass dieser praxisbasierte Weiterbildungs- und Forschungs‐ ansatz sich durchwegs eignet, unterrichtliche Prozesse wie jene rund um CLIL genauer ‘unter die Lupe’ zu nehmen. 377 7.8 Lesson study als Lupe der unterrichtlichen Prozesse <?page no="377"?> 7.9 Meine Rolle als Forscherin Bevor die drei Forschungsfragen final beantwortet werden, soll an dieser Stelle meine Rolle als Forscherin reflektiert werden. Dies mit dem Ziel, weitere wichtige Hintergrundinformationen zum Forschungsvorgehen offenzulegen, die insgesamt helfen die in vorliegender Arbeit dargelegten Ergebnisse und Erkenntnisse besser nachzuvollziehen. Als Sozialforscherin ist man selbst als Beobachterin immer auch Teilneh‐ merin, denn man kann die soziale Welt nicht aus Distanz erforschen (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 44). Damit verbunden beginnt die von erfahrenden Forschenden bezeichnete Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Nähe ist nötig, um Zugang und Vertrauen zu den Erforschten zu gewinnen und deren Perspektiven einzunehmen und verstehen zu können. Distanz, anderseits, ist es‐ sentiell, um als «Zeuge» die Beobachtungen möglichst objektiv wahrzunehmen und zu reflektieren (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 45-46). Dank meinem Hintergrund als Primarlehrerin mit langjähriger Unterrichts‐ erfahrung und als Lehrmittelautorin gelang es mir den Forschungskontext gut vor Augen zu führen und dafür geeignete Lernaufgaben bereitzustellen. Auch während der Durchführung der Untersuchung fand in den Schulzimmern bei den Lehrpersonen als auch Lernenden schnell Anschluss. Ich wurde sogleich Teil der Lehr- und Lerngemeinschaft, was bedeutet, dass ich bei Fragen die Lernenden oder für Anregungen die Lehrpersonen aktiv unterstützte. Meine Beobachterrolle trifft am besten jene, die Johnson & Christensen (2014, S. 331- 332) als ‘participant-as-observer’ bezeichnen würden: Meine Rolle als Forscherin war dem Umfeld bekannt, sie gewöhnten sich rasch an meine Anwesenheit und nach kurzer Zeit, dank zunehmender Vertrautheit, stellte sich in vielen Schulzimmern ein natürliches Verhalten ein (B. Johnson & Christensen 2014, S. 331-332; Schwab & Schramm 2016, S. 143). Dank dieser vertrauten Nähe konnte ich viele wertvolle Beobachtungen machen und auch eine offene, ehrliche Kommunikation zu den Forschungsteilnehmenden fördern, die sich meiner Ansicht nach auch in der Qualität der Daten widerspiegelt. Die Nähe zum Geschehen brachte jedoch auch die Gefahr mit sich, dass ich als teilnehmende, teilweise aktiv involvierte Beobachterin die forschende Perspektive für die Gesamtheit des Unterrichtsgeschehens nicht aus den Augen verlieren durfte. So musste ich mich immer wieder ganz bewusst zum Unter‐ richtsgeschehen distanzieren, um die Funktionalität der technischen Aufnah‐ megeräte zu prüfen und um die gesammelten Eindrücke vorweg in einem For‐ schungsheft zu dokumentieren. Diese Doppelrolle und Komplexität zwischen der Nähe am Geschehen und einem objektiven Abstand zum Forschungskontext 378 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="378"?> als auch die damit verbundene hohe Konzentration und innere Anspannung erlebte ich in diesen Unterrichtsstunden hautnah mit. Trotz dieser hohen Anforderungen gelang es mir meine Rolle situationsadäquat einzunehmen, denn «die Aufrechterhaltung der Spannung zwischen forschender Distanz und empathischer Teilhabe charakterisiert eine professionelle Forscherrolle» (Przy‐ borski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 49). Ein weiterer Aspekt, den ich mit Blick auf die eben dargelegte Ergebnisprä‐ sentation nochmals aufgreifen möchte, hängt mit meinem Hintergrund als Fremdsprachendidaktikerin zusammen. Unweigerlich lege ich bei der Untersu‐ chung von CLIL ein grösseres Augenmerk auf Chancen und Herausforderungen aus der fremdsprachlichen Perspektive und das wirkte sich unvermeidbar auch auf die Ergebnisse aus. Obschon auf didaktisch-methodischer Ebene und bei der Unterrichtsumsetzung eine echte Fächerfusion angestrebt wurde, so zeigte sich bei der Durchführung der Gruppeninterviews und Gruppendiskussionen, dass fremdsprachliche Aspekte von den Teilnehmenden prominenter zum Ausdruck gebracht wurden. Dies führe ich - neben anderen Gründen die im Kapitel 7.2.2 und 7.2.5 angesprochen wurden - zu einem gewissen Grad auch auf meine Rolle als fremdsprachliche Forscherin zurück. Dies beeinflusste folglich nicht nur meine Fragestellungen; sondern, da mein Hintergrund allen Forschungs‐ teilnehmenden bekannt war, womöglich auch ihr Antwortverhalten. Zu einer professionellen Forscherrolle gehört es zudem auch, Stärken und Schwächen des eigenen Forschungsvorhabens zu erkennen und kritisch zu betrachten. Solche limitierenden Faktoren der vorliegenden Untersuchung werden nachfolgend im Kapitel 7.11 aufgezeigt. Schlussendlich gehört es ebenfalls zu meiner Rolle, das eigene Forschungs‐ vorhaben bei verschiedenen Gelegenheiten wie Konferenzen, Forschungskollo‐ quien oder im Rahmen von informellen Gesprächen der ‘scientific community’ öffentlich zugänglich zu machen, um konstruktive Anregungen und wissen‐ schaftliche Kritik zu erhalten, die mich und meine Arbeit voranbringen. Solche Gelegenheiten des Austausches nahm ich regelmässig wahr. 7.10 Finale Beantwortung der Forschungsfragen Bereits im Verlauf der Ergebnispräsentation wurden Antworten auf die For‐ schungsfragen gegeben, jedoch aufgrund noch offener Resultate teilweise erst in tentativer Form. An dieser Stelle können die drei übergeordneten Forschungsfragen nun final, abgestützt auf den verschiedenen erhobenen Da‐ tenquellen, beantwortet werden. Bevor das nachfolgend getan wird, soll an 379 7.10 Finale Beantwortung der Forschungsfragen <?page no="379"?> dieser Stelle ebenfalls auf die Zielerreichung hinsichtlich der Adressierung der Forschungslücke geblickt werden. Als Forschungsdesiderat wurde zu Be‐ ginn dieser Arbeit die fehlenden empirischen Daten für die Ergründung von kompetenzorientiertem CLIL-Unterricht für den Schweizer Primarschulkontext mit konsequentem Blick auf die verschiedenen Lernenden aufgezeigt. Meines Erachtens konnte dieses Desiderat adressiert werden, weil praxisnah aufgezeigt wurde, wie lernförderlicher kompetenzorientierter CLIL-Unterricht für die heterogene Primarstufe aufbereitet werden kann, so dass alle Lernenden den aufgabenorientierten CLIL-Unterricht gemäss ihren individuellen Leistungsvo‐ raussetzungen für ihr duales Lernen nutzen können. Inwieweit die vorliegende Arbeit diese Forschungslücke schliessen konnte, wird mit nachfolgender Beant‐ wortung der drei übergeordneten Forschungsfragen näher ausgeführt. 7.10.1 Beantwortung der Forschungsfrage I Inwiefern gelingt es auf Grundlage theoriebasierter Qualitätskriterien Lernauf‐ gaben mit hohem CLIL-Lernpotential für die Fächerkombination Englisch und BG zu entwickeln? Die durchgeführte Literaturrecherche resultierte in fünf Qualitätskriterien, die für die Entwicklung von Lernaufgaben für die Fächerfusion Englisch und BG beachtet werden müssen. Diese fünf theoriebasierten Qualitätskriterien sind: ‘Interesse & Motivation’, ‘Anregung von CLIL-Lernprozessen’, ‘Kognitive Aktivierung’, ‘Offenheit’ und ‘Differenzierung’. Von diesen Qualitätskriterien wurden insgesamt vierzehn beobachtbare Indikatoren abgeleitet und in einem Evaluationsinstrument, dem Rating-Bogen, zusammengeführt (siehe Anhang B). Die Entwicklung von Lernaufgaben, die diesen theoriebasierten Qualitäts‐ ansprüchen beider Fächer an wirksame Aufgaben zufriedenstellend erfüllen, konnte erreicht werden. Dies zeigten die mehrheitlich positiven Einschätzungen im Rating-Bogen (vgl. Abbildungen 28, 30) der verschiedenen Expert*innen und Lehrpersonen. Die Eignung der Lernaufgaben bestätige sich ferner durch die detaillierte Unterrichtsanalyse. Die Unterrichtsbeobachtungen und -aus‐ wertungen brachten hervor, dass sich das Aufgabenset als ein mehrheitlich interessantes, motivierendes unterrichtliches Angebot erwies. Es regte die Lernenden zu vielfältigen CLIL-Lernprozessen an und forderte sie - soweit das in vorliegender Untersuchung analysiert wurde (siehe Kapitel 7.4.3) - angemessen kognitiv heraus. Die Offenheit der Lernaufgaben und die meisten Differenzierungsangebote wurden von den Beteiligten als gelungen bewertet. Die Lehrpersonen schätzten jene Lernaufgaben als besonders geeignet für den CLIL-Unterricht in heterogenen Klassen ein, die einerseits bezüglich ihrer 380 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="380"?> Herangehensweise und ihres task outcomes Offenheit und adaptive Differenz‐ ierungsmöglichkeiten zuliessen; und die anderseits eine ausgewogene Balance von Sequenzen des freien, kreativen Gestaltens - in welchen auch unbeobach‐ tetes Englischsprechen stattfand - als auch des begleitenden Englisch-Lernens ermöglichten. Die abschliessenden Syntheseaufgaben beider CLIL-Module er‐ füllten diese Ansprüche an qualitätsvolle Lernaufgaben am besten. Dies nicht nur, weil sie als finale Aufgabe das bisherige Gelernte zusammenführten, son‐ dern auch, weil sie den Lernenden viel experimentierfreudigen Freiraum auf der bildnerischen als auch fremdsprachlichen Ebenen boten. Die Lernenden waren somit in diesen längeren gestalterischen Phasen gemäss ihrer individuellen Lernständen in beiden Fächern gefordert. Die Offenheit dieser Syntheseauf‐ gaben wurde zudem geschätzt, weil die Lernenden ihre bildnerischen Produkte auf unterschiedlichen fremdsprachlichen Anforderungsniveaus präsentieren konnten (vgl. Abbildungen 29, 31). Es stellte sich im Verlauf der Untersuchung ebenfalls heraus, dass sich der Rating-Bogen als nützliches und mehrheitlich valides Messinstrument erwies, um die Einschätzungen zu den Lernaufgaben zu verschiedenen Zeitpunkten mehrperspektivisch einzuholen. Die Problematik der Validität des Rating-Bo‐ gens bezüglich einiger schwierig beobachtbarer Indikatoren wurde im Kapitel 7.4.2 eingehend diskutiert. Daraus resultiert die Erkenntnis, dass zusätzlich zur Evaluation der bereitgestellten Lernaufgaben bei schwierig fassbaren Qualitäts‐ kriterien rund um die ‘Motivation’ oder ‘Kognitive Aktivierung’ auch die damit verbundenen Lernhandlungen im Unterricht betrachtet werden müssen. Erst wenn die Evaluation der Lernaufgaben sowohl das Unterrichtsangebot als auch die durch die Lernaufgaben hervorgebrachten Handlungen, somit die Nutzung, berücksichtigt, kann der Rating-Bogen als vollumfänglich zuverlässiges Instru‐ ment bezeichnet werden. Auf übergeordneter Ebene lassen die insgesamt mehrheitlich positiven Ergebnisse resultierend aus der Evaluation der Lernaufgaben vermuten, dass ‘gute’ Lernangebote - demnach solche, die theoriebasierten Kriterien mehrheitlich erfüllen - ein solides Fundament für die Umsetzung von bilin‐ gualem Unterricht bilden. Demzufolge kann die Bereitstellung von solchen Lernaufgaben als ein erfolgsversprechendes Vorgehen betrachtet werden, um im aufgabenorientierten CLIL-Unterricht dem im Lehrplan 21 (D-EDK 2014) geäusserten Anspruch nach Kompetenzorientierung gerecht zu werden. 381 7.10 Finale Beantwortung der Forschungsfragen <?page no="381"?> 7.10.2 Beantwortung der Forschungsfrage II Wie nutzen Primarschulkinder mit heterogenen Englisch-Leistungsvorausset‐ zungen diese CLIL-Lernangebote? Anhand der Basiscodierung wurde in einem ersten Schritt in Erfahrung ge‐ bracht, wie die bereitgestellten CLL-Lernangebote, insbesondere jene zwei von den Lehrpersonen als besonders geeignet eingeschätzten Lernaufgaben, hin‐ sichtlich ihrer Oberflächenmerkmale wie inhaltliche Orientierung, Lern-Moda‐ litäten und Sozialformen im Unterricht realisiert wurden (vgl. Abbildung 33). Die Basiscodierung verdeutlichte, dass die zwei im Detail untersuchten Lern‐ aufgaben am meisten Lernzeit für gestalterische Arbeiten organisiert in Einzel- oder Gruppenarbeiten bereitstellten. Sequenzen, in denen das fremdsprachliche Lernen im Bereich Hören oder Sprechen im Vordergrund standen, fielen da‐ gegen deutlich kürzer aus. Auf den ersten Blick könnte diese Erkenntnis sugge‐ rieren, dass die Lernenden zu wenig Gelegenheiten für das fremdsprachliche Lernen erhalten hätten. Die Detailanalysen ergaben jedoch, dass die Lernenden jene vermeintlich ‘non-lingual’ gestalterischen Phasen für den fremdsprachigen Austausch rege nutzten. Die deutliche Mehrheit der Sprechhandlungen auf Englisch aller case pupils wurde folglich während den gestalterischen Arbeits‐ phasen ausgeführt. Weiter brachte die detaillierte Unterrichtsanalyse entlang dieser beiden favo‐ risierten Lernaufgaben zum Vorschein, dass die Vertreter der unterschiedlichen Leistungsgruppen, die sogenannten case pupils, die bereitgestellten Lernange‐ bote gemäss ihren individuellen Leistungsvoraussetzungen für ihr CLIL-Lernen verschiedentlich nutzten. Die lernstarken und durchschnittlichen case pupils zeigten erwartungsgemäss gute bis sehr gute Leistungen in allen fremdsprach‐ lichen und sachfachlichen Kompetenzbereichen. Zum Beispiel verwendeten sie in über 80 % ihrer Sprechhandlungen mehrheitlich oder ausschliesslich Englisch. Sie nutzten die Fremdsprache jedoch nicht nur besonders häufig, sondern verwendeten sie auch in hoher Qualität. So wurden über 90 % ihrer Sprechhandlungen sowohl aus fremdsprachlicher als auch inhaltlicher Sicht als (sehr) gut eingeschätzt. Das bedeutet, dass sich diese Lernende fliessend auf Satz- oder Wortebene in Gesprächen fremdsprachlich einbringen und ihre Wahrnehmungen treffend auf Englisch kommunizieren konnten. Vergleichbare starke Lernhandlungen zeigten diese case pupils auch beim Hörverständnis. Die überaus positiven Lernleistungen dieser ‘guten’ Lernenden, zu denen sowohl die durchschnittlichen als auch lernstarken case pupils gezählt werden dürfen, können damit zusammenhängen, dass sie alle dank ihren günstigen fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen über dem ‘Schwellenwert’ liegen, der ein ungehindertes Lernen im CLIL-Unterricht zulässt (vgl. Zydatiss 2012, 382 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="382"?> S. 26). Diese Annahme wird durch ihre Selbsteinschätzung bestätigt, weil die Mehrheit dieser Lernenden in den Fragebogen angab, dass sie den CLIL-Unter‐ richt als (eher) nicht anstrengend empfanden (vgl. Tabelle 39). Anderseits wird diese Vermutung auch durch die Analyse ihres Gebrauchs von verbalen Scaf‐ folding gestützt, die verdeutlichte, dass die lernstarken und durchschnittlichen case pupils für die meisten ihrer Sprechhandlungen kein Scaffolding benötigten (vgl. Tabelle 19). Auch wenn die lernstarken den durchschnittlichen case pupils bei detaillier‐ terer Analyse ihrer fremdsprachlichen Lernhandlungen überlegender waren, so unterschieden sich die Lernleistungen dieser beiden Leistungsgruppen nicht signifikant. Diese Erkenntnis resultiert aus dem Vergleich ihrer Lernhandlungen in verschiedenen Bereichen mittels Chi-Quadrat-Test. Das bedeutet insgesamt, dass die mittelstarken case pupils im CLIL-Unterricht ebenso starke, teils gar bessere Leistungen zeigen konnten wie die Vertreter der stärksten Leistungs‐ gruppe. Es ist anzunehmen, dass neben persönlichen, sozialen und motivatio‐ nalen Faktoren, auch das von den Lehrpersonen beschriebene fremdsprachliche Flow-Erlebnis für diese bemerkenswerten Leistungen der durchschnittlichen case pupils verantwortlich gemacht werden kann. Auch die untersuchte Gruppe der lernschwachen case pupils mit ungüns‐ tigeren fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen nutzten die CLIL-Lernan‐ gebote auf zufriedenstellende Weise. Die Ergebnisse resultierend aus dem Chi-Quadrat-Test verdeutlichten zwar, dass sie im Vergleich zu den anderen beiden Leistungsgruppen in allen Kompetenzbereichen, in denen die Fremd‐ sprache für die Sichtbarmachung der Performanz eine direkte Rolle spielte, signifikant tiefer ausfielen. Insgesamt lagen die Qualitätseinschätzungen der Lernhandlungen dieser lernschwachen Schüler*innen jedoch auch im mehr‐ heitlich guten bis genügenden Bereich. Zum Beispiel verwendeten auch sie ausschliesslich oder mehrheitlich Englisch in knapp 60 % ihrer Sprechhand‐ lungen. Ebenfalls wurden rund zweidrittel ihrer Sprechhandlungen bezüglich ihrer fremdsprachlichen Qualität als genügend und über dreiviertel hinsichtlich ihrer inhaltlichen Qualität als gut oder sehr gut eingeschätzt. Im Zusammenhang mit Sprechen zeigte sich, dass die lernschwachen case pupils beim Sprechen deutlich mehr sprachliches Scaffolding benötigten als die case pupils der an‐ deren beiden Leistungsgruppen. Verwendeten die lernschwachen case pupils das Scaffolding und nutzten sie die Vorbereitungszeit, gelangen ihnen mono‐ logischen Sprechhandlungen im mehrheitlich guten Bereich (vgl. Tabelle 16). Diese insgesamt positiven Ergebnisse im Kompetenzbereich Sprechen können damit erklärt werden, dass laut Auswertung der Fragebogen die Mehrheit der lernschwachen Schüler*innen das Englischsprechen im CLIL-Unterricht als 383 7.10 Finale Beantwortung der Forschungsfragen <?page no="383"?> einfacher empfand als im herkömmlichen Unterricht (vgl. Tabelle 36). Im Kom‐ petenzbereich Hören sind die Ergebnisse variierter: Während knapp die Hälfte der rezeptiven Lernhandlungen der lernschwachen case pupils als gut oder gar sehr gut eingeschätzt wurden, wurden rund 40 % als genügend und rund 10 % als ungenügend bewertet (vgl. Tabelle 22). Aufgrund der Schwierigkeit diesen Kompetenzbereich akkurat zu beobachten, wurden alle Lernenden zusätzlich zu ihrem Hörverstehen befragt. Laut Fragebogen gaben über dreiviertel aller lernschwachen Schüler*innen an, dass sie dem CLIL-Unterricht folgen und das Meiste verstehen konnten (vgl. Tabelle 37). In Bezug auf die Einschätzungen der Codes in Verbindung mit den BG-Kom‐ petenzbereichen muss unterschieden werden, ob die Sichtbarmachung der Lern‐ handlungen über die Sprache passierte oder nicht. Beim Code ‘Wahrnehmung & Kommunikation’, bei dem die Lernenden die verbale Sprache benötigten, korrelierten die Ergebnisse mit jenen der fremdsprachlichen Leistungsvoraus‐ setzungen. Das bedeutet, dass erneut die lernstarken und mittelstarken case pupils in diesen Bereichen signifikant besser abschnitten als die lernschwachen case pupils. Hinsichtlich der Qualitätseinschätzungen des Codes ‘Prozesse & Produkte’ - somit jener BG-Kompetenzbereich, bei dem die Bildsprache im Vor‐ dergrund steht - bestätigten die Lehrpersonen, dass die bildnerischen Arbeiten der Lernenden unbeeinflusst der fremdsprachlichen Leistungsvoraussetzungen entstanden. Diese Annahme trafen sie, weil die Bilder eine vergleichbare Qualität auswiesen, wie Arbeitsergebnisse, die von diesen Schüler*innen im herkömmlichen BG-Unterricht zu erwarten wären. Deshalb kann davon aus‐ gegangen werden, dass der fremdsprachlich geführte CLIL-Unterricht keinen Einfluss auf die Qualität der bildnerischen Prozesse und Produkte hatte. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die bereitgestellten CLIL-Lernangebote von allen Lernenden in zufriedenstellender Weise genutzt wurden. Erwartungsgemäss schnitten die lernstarken Schüler*innen besonders erfolgreich ab. Die durchschnittlichen Lernenden zeigten, in unerwarteter Weise, vergleichbare positive CLIL-Lernleistungen. Aber auch die CLIL-Lern‐ leistungen der lernschwachen Schüler*innen konnten mit Blick auf die im Lehr‐ plan 21 geäusserten Anforderungen als mehrheitlich genügend eingeschätzt werden. Die hier präsentierten vorwiegend positiven Ergebnisse hängen ferner auch mit dem heterogenitätsfreundlichen CLIL-Setting zusammen. Damit ist ge‐ meint, dass das CLIL-Lernangebot in dieser Fächerfusion dank der Offenheit der Lernaufgaben, der ganzheitlichen Aktivierung und dem breiten Unterstützungs‐ angebot den heterogenen Lernenden besonders gut gerecht werden konnte und sie dieses vielfältige Angebot entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten vorteilhaft nutzen konnten. 384 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="384"?> 7.10.3 Beantwortung der Forschungsfrage III Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der Implementierung des aufgabenorientierten CLIL-Unterrichts in den heterogenen Primarschulk‐ lassen? Ohne nochmals auf alle Chancen und Herausforderungen im Detail einzu‐ gehen, kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Implementierung der CLIL-Module deutlich mehr Chancen als Herausforderungen zum Vorschein brachte (vgl. Tabelle 60). Einige der erkannten Chancen sind zum Beispiel, dass den meisten Lernenden der CLIL-Unterricht gefiel, dass die Mehrheit der Lernenden dem CLIL-Unterricht gut folgen konnte und die meisten Lernenden mehrheitlich Englisch verwendeten. Weiter animierte der CLIL-Unterricht die Schüler*innen die Fremdsprache experimentierfreudig und frei von Druck zu gebrauchen. Diese letztere Erkenntnis ist auf die als mask effect bezeichnete Theorie des nicht vordergründigen Fokus auf die Fremdsprache im CLIL-Un‐ terricht zurückzuführen (Maillat 2010, S. 53-55). Ferner bestätigte sich, dass sich die beiden Fächer dank ihrer zwei Sprachsysteme, der Bild- und Fremd‐ sprache, wechselseitig positiv beeinflussten: Die Fremdsprache begleitete die kreativen Gestaltungsprozesse und floss dadurch in die Bilder ein, gleichzeitig bereicherten Bilder den experimentellen sprachlichen Ausdruck und förderten das rezeptive als auch produktive Fremdsprachenlernen. Ebenfalls zeigte sich, dass der vielfältige bilinguale Unterricht - nicht zuletzt dank der Anwesenheit des hoch visualisierten, handlungsorientierten Faches BG - den erfolgreichen Umgang mit der Heterogenität ermöglicht und dass sich alle heterogenen Lernenden im CLIL-Unterricht unterstützt durch verschiedentliches Scaffolding im CLIL-Unterricht beteiligen konnten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in dieser Fächerfusion eine breite Aktivierung verschiedener Lerntypen oder ‘mul‐ tiplen Intelligenzen’ (Gardner 2006, S. 13) angesprochen werden können. Da‐ durch erfüllt der CLIL-Unterricht die wichtige Prämisse für differenzierten Unterricht, dass mittels vielfältiger Angebote auf die Vielfalt der Lernenden reagiert werden muss (Ahlring 2006a, S. 11). Als Herausforderungen stellten sich zum Beispiel zeitliche Faktoren, das von einigen Lehrpersonen und lernschwachen Schüler*innen genannte Anstren‐ gungsempfinden oder die noch konsequentere Verwendung der englischen Sprache insbesondere während der unbeobachteten Sequenzen oder in Grup‐ penarbeiten heraus. Die zu erwartende Annahme bestätigte sich ebenfalls, dass die lernschwachen Schüler*innen bei der Implementierung des bilingualen Unterrichts mit deutlich mehr Herausforderungen konfrontiert waren als jene Lernenden mit günstigeren fremdsprachlichen Leistungsvoraussetzungen. Diesen Herausforderungen könnten auf didaktischer Ebene (z. B. Vermeidung 385 7.10 Finale Beantwortung der Forschungsfragen <?page no="385"?> von langen rezeptiven Phasen, Intensivierung des expliziten Sprachaufbau, Erweiterung verbaler Scaffolds) und mit dem gezielten Aufbau von Lern- und Kommunikationsstrategien noch besser begegnet werden (siehe Kapitel 7.3.2 und 7.3.3). Auf einer übergeordneten Ebene können die mehrheitlich positiven Erkennt‐ nisse rund um die Implementierung von CLIL-Unterricht auch mit dem in vorliegender Studie leitenden Good Practice-Ansatz in Verbindung gebracht werden. Konkret machten sich solche vorteilhaften Ausgangsbedingungen in der hohen Motivation der Forschungsbeteiligten oder im Neuigkeitswert dieser projektartigen CLIL-Module bemerkbar. Sie konkretisierten sich ebenfalls auf didaktischer-methodischer Ebene in der Bereitstellung von Lernaufgaben mit hohem CLIL-Lernpotential, der förderlichen Lernatmosphäre sowie in der kommunikationsfreudigen Organisation der CLIL-Klassenzimmer. Die hier genannten Annahmen, die die Implementierung der CLIL-Module begünstigten, sind jedoch nur einige der zuvor diskutierten Gelingensbedingungen (siehe Kapitel 7.1 - 7.8). 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen In diesem Abschnitt möchte ich mit kritischem Blick auf drei Themen näher eingehen, erstens die Erfassung der Heterogenität, zweitens die Generalisierbar‐ keit der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung und drittens einige Heraus‐ forderungen verbunden mit dem mixed-methods Forschungsvorgehen. Neben Limitationen werden zu jedem Thema auch Optimierungsmöglichkeiten aufge‐ zeigt, damit zukünftige Untersuchungen den hier erlebten Einschränkungen besser begegnen können. Diese und weitere zukunftsweisende Anregungen werden am Schluss dieses Kapitels nochmals zusammenfassend aufgelistet. 7.11.1 Erfassung der Heterogenität Das hier gewählte Vorgehen hinsichtlich der Auswahl der engeren Forschungs‐ mitwirkenden bestehend aus Klassen verschiedener Stufen und die damit zusammenhängende Erfassung der Heterogenität werden im Folgenden kri‐ tisch diskutiert. Dass die drei ausgewählten Klassen samt den case pupils der 4. bis 6. Klassenstufe zugehörig waren, hängt mit der Sampling-Strategie zusammen. Wie bereits vorgängig aufgezeigt wurden die Lehrpersonen und ihre zugehörigen Klassen für die Teilnahme zu dieser Untersuchung im Rahmen 386 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="386"?> 43 Diese Aussage bezieht sich auf die ‘fortgeschrittenen’ Lernenden der 4.-6. Primar‐ schulklassen und gilt nicht für die 3. Klassenkinder im ersten Englischlernjahr. Es zeigte sich in dieser Studie (siehe Kapitel 6.6.3), dass die Sprachanfänger im ersten Englischlernjahr teilweise tatsächlich noch zu wenig fremdsprachliche Grundlagen für den CLIL-Unterricht auswiesen. einer Weiterbildungsveranstaltung rekrutiert. Folglich unterrichteten die acht Lehrpersonen, die sich interessegeleitet für diese Fortbildung meldeten, auf verschiedenen Stufen. Bei der Auswahl der engeren Forschungsmitwirkenden, somit die Bestimmung jener drei Klassen, aus denen die Unterrichtsdaten stammen, waren schlussendlich Gründe der Machbarkeit und Entscheidungen in Übereinstimmung mit dem Good Practice-Ansatz ausschlaggebend (siehe Kapitel 5.4). Durch den Einbezug von Lernenden der 4. bis 6. Klasse mit unterschiedlicher Anzahl Lernjahren erschwerte sich zwar die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, jedoch gelang es damit den Aspekt der Heterogenität über die Stufen hinaus zu thematisieren. Die Passung der drei ausgewählten Klassen aus benachbarten Stufen für die vorliegende Untersuchung ist deshalb auch mit meinem Forschungsfokus auf die Heterogenität begründet. Beeinflusst durch meine langjährige Erfahrung im Unterrichten von altersdurchmischten Klassen, betrachte ich die Zuteilung in eine Klassenstufe als ein eher zufälliges Konstrukt. Wie auch Largo und Beglinger (2009, S. 19, 22) schreiben, liegen Lernende innerhalb einer Klasse hinsichtlich ihrer Entwicklungsstufe mehrere Jahre auseinander. Dass die Lernenden unabhängig ihrer Zugehörigkeit in eine bestimmte Klassenstufe bessere oder schlechtere Leistungen im CLIL-Unterricht zeigten, bestätigte sich auch in vorliegender Untersuchung. Einige der jüngeren Lernenden der 4. Klasse waren in verschiedenen Kompetenzbereichen den älteren Klassen mit mehr Englischerfahrung überlegen (vgl. Abbildung 37 und Tabelle 33). Insofern spielten in der vorliegenden kompetenz- und anwen‐ dungsorientierten Untersuchung die Englischlernjahre eine untergeordnete Rolle 43 . Stattdessen scheint es von mehr Wichtigkeit zu sein, inwiefern die Lernenden die unterrichtlichen Angebote nutzen und das bereits Gelernte abrufen konnten. In diesem Sinne verfestigte sich in dieser Untersuchung meine anfängliche Annahme (vgl. Kapitel 5.4), dass obschon sich Lernende verschie‐ dener Klassenstufen fremdsprachlich unterschiedlich differenziert ausdrückten, diese sprachlichen Handlungen jedoch alle der gleichen, breit gefassten Kompe‐ tenzstufe im Lehrplan 21 zugeordnet werden können (z. B. D-EDK 2014 Englisch, Grundkompetenz Monologisches Sprechen). Neben der Auswahl der drei Klassen kann auch die Erfassung der Hete‐ rogenität innerhalb einer jeder Klasse kritisch betrachtet werden. Dies weil die damit zusammenhängenden Ergebnisse auf einer eher zufälligen Auswahl 387 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen <?page no="387"?> von nur neun Schüler*innen beruhen und diese Kinder einzig aufgrund ihrer Vorleistungen im Englisch von ihren Lehrpersonen ausgewählt wurden. Die Kritik bezüglich der Zufälligkeit der Auswahl dieser Lernenden wird durch die Tatsache verstärkt, dass die zusätzlichen Analysen dieser neun case pupils auf individueller Ebene auch unerwartete Erkenntnisse hervorbrachten. Deshalb ist anzunehmen, dass neben den Vorleistungen im Fach Englisch auch andere persönliche Eigenschaften sowie soziale und volatile Faktoren deren Lernhand‐ lungen beeinflussten (siehe Kapitel 6.4.5 und Kapitel 7.3.1). Solche Eigenschaften und Faktoren wurden bei der vorliegenden Untersuchung - wie mehrmals betont - jedoch gänzlich ignoriert. Wären es somit andere Kinder mit anderen persönlichen oder sozialen Dispositionen, hätte diese Untersuchung allenfalls andere Ergebnisse zum CLIL-Lernen hervorgebracht. Dem gegenüber ist jedoch anzumerken, dass viele der vorgestellten Ergebnisse dieser neuen case pupils mit Beobachtungen und Befragungen aller rund 150 Lernenden untermauert werden konnten. Trotzdem ist es berechtigt, das hier gewählte Vorgehen mit den drei im vornerein bestimmten case pupils zu hinterfragen. Denn nicht nur Beobachter- und Kameraeffekte könnten die Lernenden im Unterricht beeinflusst haben (vgl. Hee 2018, S. 380-381), sondern auch Beobachter- und Wahrnehmungsfehler könnten die nachfolgende Analyse tangiert haben. Weil die Codiererinnen von vornerein wussten, welche case pupils welcher Leistungsgruppe angehörten, könnten die Qualitätseinschätzungen aufgrund von Primacy-Effekten (z. B. wenn starke Lernende anfänglich gute Leistungen zeigen, werden sie immer als gut eingeschätzt) oder Halo-Effekten (z. B. starke Lernende machen alles - auch im BG - richtig) verzerrt sein. Auch wenn der Codierprozess von den zwei Raterinnern nach intensiven Training auf Grundlage eines differenzierten Co‐ dierleitfadens kriterienbasiert vorgenommen wurde, sind solche Rater-Effekte nie ganz auszuschliessen (Praetorius 2014, S. 279-280). Als Alleinforscherin mit den zur Verfügung stehenden technischen und zeitlichen Ressourcen überzeugt mich das hier gewählte Vorgehen mit den drei case pupils für die Erfassung der Heterogenität insgesamt nach wie vor. Jedoch, um die Beobachter- und Kameraeffekte zu minimieren, könnten zukünf‐ tige Forschende allenfalls die Sprachhandlungen von weiteren oder gar allen Schüler*innen einer Klasse erfassen und erst im Nachhinein eine fokussierte Auswahl ausgewählter Lernenden mit Absprache der Lehrpersonen treffen. In diesem Zusammenhang müssten die Auswahlkriterien zur Bestimmung der case pupils noch genauer definiert werden. Deren Auswahl könnte zusätzlich zu den Einschätzungen der Lehrperson mit standardisierten, kompetenzorientierten Sprachstandtests vorgenommen werden. Für eine ganzheitliche Erfassung der 388 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="388"?> Heterogenität könnten zusätzlich auch die Leistungsvoraussetzungen für das Fach BG erfasst werden. Zudem könnten von den ausgewählten Schüler*innen weitere überfachliche Daten erhoben werden, um die im Unterricht gezeigten oder ausbleibenden Lernhandlungen auch auf personale und soziale Disposi‐ tionen sowie methodisch-strategische Kompetenzen zurückführen zu können. Solche standardisierten Tests oder Datenerhebungen hätten zudem den Vor‐ teil, dass die Auswahl der case pupils neben den subjektiven Einschätzungen der Lernleistung durch die Lehrpersonen auf breiteren, objektiven Kriterien basieren würde. Um Beobachtungs- und Wahrnehmungsfehler im Prozess der Datenanalyse zu reduzieren, könnten die Rater*innen zukünftig noch besser auf die Gefahren der Verzerrung geschult und im Codierleitfaden mit Hilfe von mehr Ankerbeispielen, die die verschiedenen Qualitätsstufen von Lernleis‐ tungen noch differenzierter aufzeigen, unterstützt werden. Zudem könnten die Sprachhandlungen der case pupils, erforderlichenfalls mit Verzicht auf die Filmdateien, anonymisiert codiert werden. Weiter könnte man sich überlegen, ob mit Blick auf die Erfassung der Hete‐ rogenität anstatt der Ereigniscodierung (event-sampling) ein anderes Vorgehen vorgezogen werden müsste. Auch wenn in vorliegender Untersuchung zahl‐ reiche Gründe für die Ereigniscodierung (vgl. Kapitel 5.6.2) sprachen, so zeigte sich im Verlauf der Auswertung, dass aufgrund direkter Korrelationen zwischen verschiedenen Codes die Anzahl Codings wenig variierten. Damit ist gemeint, dass wenn Lernende in einem Bereich (z. B. ‘Speaking dialogue’) wenige Codings erhielten, dies automatisch auch eine geringe Anzahl Codings in anderen Bereichen (z. B. ‘Wahrnehmung & Kommunikation’ oder ‘Use of scaffolding’) generierte. Insbesondere bei jenen Lernenden mit weniger Codings - typischer‐ weise bei den zurückhaltenden, lernschwachen case pupils - könnte sich diese geringe Anzahl Codings negativ auf statische Berechnungen auswirken. Einiger dieser Abhängigkeiten könnten allenfalls mit der Zeitcodierung (time-sampling) entgegengewirkt werden, weil dann innerhalb der definierten Zeitintervalle das Vorkommen der Codes immer wieder aufs Neue bestimmt und so den Lernenden regelmässiger Codes zugeteilt werden könnten. Ebenfalls könnte auf diese Weise die Dauer der stillen CLIL-Lernhandlungen (Code ‘Listening’) besser erfasst werden. 7.11.2 Generalisierbarkeit der vorliegenden Good-Practice Studie Bereits mehrmals wurde auf die Vielseitigkeit von CLIL - aufgrund seiner De‐ finition als Sammelbegriff verschiedenster Unterrichtskonzepte - hingewiesen. Der flexible Einsatz von CLIL in unterschiedlichen Schulpraxen und Fächer‐ 389 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen <?page no="389"?> kombinationen kann gleichzeitig als seine grosse Stärke als auch eine potentielle Schwäche betrachtet werden. Mit Blick auf die Forschungsresultate wird die versatile Umsetzung von CLIL hauptsächlich als Herausforderung betrachtet, weil sich damit die in einem spezifischen Kontext gesammelten Erkenntnisse kaum auf andere Situationen übertragen lassen (vgl. Coyle 2007b, S. 546; Klein 2019, S. 172; Lo 2020, S. 6-7). Gleichzeitig müssen sich alle Forschende mit der Frage der Generalisierung der Befunde auseinandersetzen und kritisch reflektieren, weil jede Untersuchung immer auch etwas über den spezifischen Forschungskontext hinaus repräsentiert. Das heisst die Erkenntnisse müssen zwar mit Bezug auf den zugehörigen Kontext und das ausgewählte Sampling interpretiert werden, doch sollen daraus trotzdem verallgemeinernde Erkennt‐ nisse abgeleitet werden können. (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 177-178) Dieser Konflikt rund um die Repräsentativität wird aufgrund der in vorlie‐ gender Studie gewählte Good Practice-Ansatz vordergründig verstärkt. Das hängt damit zusammen, weil mit diesem Vorgehen ganz bewusst forschungs- und unterrichtsmethodische Entscheidungen zugunsten einer bestmöglichen Implementierung des Forschungsvorhabens gefällt wurden. Dies wiederum führte dazu, dass das gesamte Forschungsvorgehen in vieler Hinsicht optimale Ausgangsbedingungen auswies: Zum Beispiel handelt es sich bei der durch‐ geführten Implementierung von CLIL-Modulen um einen bottom-up-Ansatz (Wolff 2013, S. 20). Das heisst, die Lehrpersonen machten alle freiwillig und in‐ teressegeleitet an dieser projektartigen Umsetzung von bilingualem Unterricht mit. Das grosse Interesse dieser Lehrpersonen für CLIL wird durch die Tatsache verstärkt, dass sie sich für die Weiterbildung anmeldeten und sie folglich in diesem Bereich dazulernen wollten. Zudem verfügten sie über sehr gute Englischkenntnisse und wiesen alle in ihrem Fächerprofil Englisch sowie BG aus. Das bedeutet, dass sie alle somit mit den Inhalten als auch Didaktiken beider Fächer bestens vertraut waren. Ferner konnte eine selbstverständliche Haltung im Umgang mit Heterogenität vorausgesetzt werden, weil alle Lehrpersonen wertvolle Erfahrungen im Unterrichten von heterogenen Klassen - drei von ihnen sogar im Unterrichten von altersgemischten Klassen - mitbrachten. Weiter ist festzuhalten, dass alle acht Klassen aus öffentlichen Schweizer Primar‐ schulen in ländlichen Gegenden stammten. Natürlich war in all diesen Klassen die Heterogenität der Lernenden ein grosses Thema, jedoch war die Vielfalt der Lernenden insgesamt weniger ausgeprägt, als das wahrscheinlich in mehr urbanen Schulen mit einer höheren soziodemografischen Durchmischung von Kindern der Fall wäre. Insgesamt war die Bereitschaft in diesen mitwirkenden Klassen für diese projektartige Umsetzung von bilingualem Unterricht sehr gross, es gab kaum Störungen und wenige Probleme in der Klassenführung. 390 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="390"?> Zusammenfassend heisst das, dass die vorliegende Good Practice-Studie unter günstigen Ausgangsbedingungen von interessierten Lehrpersonen mit‐ samt ihren Klassen massgeblich mitgetragen wurde. Viele von ihnen teilten mit mir als begleitende Forscherin die hohe Motivation für die Implementierung der CLIL-Module. Das hohe Engagement aller Beteiligten betrachte ich deshalb als eine zentrale Gelingensbedingung für die hier vorliegende erfolgreiche Umsetzung und Erforschung von CLIL-Unterricht. Die wahrgenommene, grosse Motivation aller ist in meinen Augen zum einen eine ganz spezifische Gegeben‐ heit der vorliegenden Untersuchung, zum anderen kann dies ebenso als eine allgemeine Erkenntnis über den vorliegenden Forschungskontext hinaus für die zukünftige CLIL-Implementierung und Forschung betrachtet werden. Dies gilt insbesondere für andere Untersuchungen mit Good Practice-Charakter, bei dem - wie es der Name andeutet - möglichst günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten. Daraus liesse sich verallgemeinernd ableiten, dass in der zukünftigen CLIL-Forschung weniger die divergierenden örtlichen Gege‐ benheiten, wie das in der Literatur oft gemacht wird, aufgezeigt werden; sondern vermehrt verbindende und universelle Faktoren, wie zum Beispiel das hier beobachtete überdurchschnittliche Engagement aller Beteiligten, betont werden sollten. Eine solche Betrachtungsweise hätte den Vorteil, dass sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse zumindest teilweise auf andere Kontexte übertragen liessen und so die Repräsentativität selbst in qualitativ ausgerichteten Unter‐ suchungen besser legitimiert werden könnte (Lo 2020, S. 7; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 178). Ein limitierender Faktor, der sich in vorliegender Studie nicht mit dem GoodPractice-Ansatz vereinen liess, war die Zeit. Der gesteckte Zeitplan für die praktische Umsetzung, beeinflusst durch verschiedentliche Umstände und situ‐ ative Voraussetzungen, war für alle Beteiligten zu gedrängt. Der zeitliche Druck wurde einerseits aufgrund der ambitiösen Unterrichtsplanung, anderseits auf‐ grund der fixen zeitlichen Vorgaben dieser CLIL-Module in einer bereits dichten Jahresplanung verursacht. Für die zukünftige Durchführung von CLIL-Modulen müssten die zeitlichen Ressourcen vor Ort unbedingt flexibler mitberücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang sollten auch ein CLIL-Zeitfenster im Stun‐ denplan geschaffen werden, in dem bilingualer Unterricht auf neutralem ‘Ter‐ ritorium’ stattfinden kann und so CLIL auch wirklich als echte Fächerfusion wahrgenommen werden kann. Diesbezüglich wäre es ebenfalls hilfreich, wenn CLIL von zwei Expert*innen aus beiden Fachdidaktiken begleitet würde, um eine einseitige unterrichtszeitliche Gewichtung von Sprache oder Inhalt zu vermeiden (vgl. Lo 2020, S. 45). Was im Zusammenhang mit mehr Zeit ebenfalls in eine zukünftige Untersuchung miteinbezogen werden sollte, wäre die The‐ 391 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen <?page no="391"?> matik der Bewertung und Beurteilung des Lernens während der Bearbeitung der CLIL-Lernaufgaben. Dabei sollten Beurteilungsformen gefunden werden, die es erlauben würden, dass die Lernenden einerseits weiterhin frei von Druck an diesen CLIL-Modulen teilhaben könnten, anderseits dass die Lehrperson systematisch formative als auch summative Rückmeldungen über das Lernen der Schüler*innen in beiden Fächern sammeln könnte (vgl. Massler & Stotz 2013, S. 60-61). Auch wenn die hier gemachten Erfahrungen und Ergebnisse nicht unreflek‐ tiert generalisiert werden können - was eigentlich ohnehin nie gemacht werden dürfte -, gewähren sie nichtsdestotrotz informative Einblicke und wertvolle Anregungen, wie CLIL-Module in anderen Kontexten und allenfalls auch in anderen Fächerkombinationen umgesetzt werden könnten. Insofern konnte die vorliegende Studie den Good Practice-Ansatz erfüllen, weil ein mögliches und machbares Vorgehen zur Umsetzung von lernförderlichem bilingualem Unterricht aufgezeigt werden konnte. 7.11.3 Herausforderungen verbunden mit dem mixed-methods Forschungsvorgehen Allgemein werden viele Vorteile mit einem mixed-methods Forschungsvorgehen in Verbindung gebracht (Dörnyei 2007, S. 45ff; Kuckartz 2014, S. 50ff; Miles et al. 2014, S. 343; Schramm 2016, S. 54). Auch ich erachte das hier gewählte for‐ schungsmethodische Vorgehen für eine umfassende, fundierte Beantwortung meiner Forschungsfragen als geeignet. Die Erhebung und Auswertung der Daten aus verschiedenen Perspektiven half mir, meinen Forschungsgegenstand besser zu verstehen. Dies gelang in vorliegender Arbeit deshalb optimal, weil die hier bewusst geplanten Analysemethoden des quantitativen Aufgaben- und Unterrichtsratings kombiniert mit einer qualitativen Inhaltsanalyse nicht an den beiden extremen Enden der quantitativ-qualitativ Dichotomie angesiedelt sind. Folglich, und dank ihrer gemittelten Positionen, lassen sich die vermeintlich gegensätzlichen quantitativen und qualitativen Analysevorgänge hier zielfüh‐ rend kombinieren. Diese Einschätzung teilen auch andere Forschende: «We have sought to make a virtue of avoiding polarization, polemics, and life at the extremes. Quantitative and qualitative inquiry can support and inform each other. (…) Think of it as hybrid vigor, or eclectic rigor.» (Miles et al. 2014, S. 343). Auch wenn es sich bei den hier gewählten Forschungsmethoden um zwei nicht allzu divergierende Ansätze handelt, brachte der mixed-methods Ansatz trotzdem eine Reihe von Herausforderungen - insbesondere für mich als forschende Novizin - mit sich. Erstens wird eine intensive Auseinandersetzung 392 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="392"?> mit beiden Forschungstraditionen vorausgesetzt, um mindestens über solide Basiskenntnisse beider Paradigmen zu verfügen (Kuckartz 2014, S. 54). Diese Einarbeitung empfand ich nicht nur als sehr zeitintensiv, sondern ich begegnete in der näheren Auseinandersetzung auch vielen widersprüchlichen Informa‐ tionen. Solche Widersprüche sind auf die ursprünglichen Divergenzen der beiden Forschungstraditionen mitsamt den dahinter liegenden theoretischen Grundsätzen und ihre spezifischen Terminologien zurückzuführen (Bonnet 2012, S. 75). Insbesondere bei der Auseinandersetzung mit den Gütekriterium Reliabilität machten sich solche divergierenden Theorien bemerkbar und resultierten in vorliegender Arbeit in Schwierigkeiten bei der Reliabilitätsprüfung. Wie die teils unzureichenden Beurteiler-Übereinstimmungswerte im Zusammenhang mit der qualitativen Inhaltsanalyse verdeutlichten, wurde anfänglich ein zu geringes Augenmerk auf diese Werte gelegt. Zu Beginn prüfte ich das Erreichen des gesetzten Richtwerts von 70 % nicht in Bezug auf die einzelnen Codes, sondern betrachtete nur den Durchschnittswert der Beurteiler-Übereinstimmung nach der Codierung eines jeden Dokuments. Weil diese auch die niedrig-inferenten Kategorisierung (Zugehörigkeit der Klassenstufen mit prozentualen Übereins‐ timmungswert von 100 %) beinhaltete, lagen diese Werte im zufriedenstellenden Bereich. Erst im Rahmen der Ergebnisdarstellung realisierte ich, wie Kuckartz auch schreibt (Kuckartz 2018, S. 186), dass bei der qualitativen Inhaltsanalyse jeder einzelne Code den gesetzten Richtwert erreichen sollte, um für die nachfolgende Interpretation die Zuverlässigkeit der Daten nachvollziehbar sicherstellen zu können. Dies führte dazu, dass vereinzelte Codes nochmals nachgeprüft werden mussten und ein erneuter Codiervorgang unumgänglich war. Diese finalen Werte resultierend aus der Reliabilitätsprüfung wurden dann, wie es gemäss internationalen Standard für jegliche qualitative Forschung verlangt wird, im Ergebnisdarstellung differenziert ausgewiesen (vgl. Dörnyei 2007, S. 50-51). Dank diesem erneuten Codieren konnte nicht nur das Herausfiltern von groben Unstimmigkeiten erreicht werden, sondern es eröffneten sich auch klärende Einblicke in die Daten, um die mit dem Codieren im Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten besser zu verstehen. Folgende Herausforderungen entpuppten sich dabei, die ich für die teils selbst nach dem erneutem Codier‐ vorgang verbleibenden tiefen Reliabilitätswerte verantwortlich mache. Als erstes erwies sich die Abgrenzung einzelner Codes zu anderen als problematisch. Verschiedene ähnliche Codes versuchten die eigentliche und angestrebte Fächerfusion nach fachspezifischen Lernerlebnissen zu entflechten. Doch dies offenbarte sich für den CLIL-Unterricht aufgrund der bewussten 393 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen <?page no="393"?> Kombination der Fächer und der prominenten Stellung der Fremdsprache als äusserst anspruchsvoll. In diesem Zusammenhang stellte sich mir auch die Frage, wie differenziert ein Codiersystem überhaupt sein sollte: Sind die Kategorien zu detailliert, ergeben sich im Codierprozess Schwierigkeiten bei der Zuteilung und tiefe Reliabilitätswerte sind die Folge. Sind die Kategorien hingegen zu undifferenziert, gelingt zwar die Reliabilitätsprüfung, doch auf‐ grund mangelnder Aussagekraft der zugeteilten Textstellen in weitgefassten Codes ist eine spätere Ausdifferenzierung für die Ergebnispräsentation die unweigerliche Konsequenz. Den passenden Grad der Ausdifferenzierung bei solchen Codiersystemen zu finden, erachte ich nach wie vor als eine grosse Herausforderung. Zweitens braucht es ein gewisses Insider-Wissen über den Aufbau sowie die Durchführung der CLIL-Module, um die Aussagen der Lehrpersonen und case pupils den richtigen Stellen im Unterrichtsgeschehen zuordnen und folglich akkurat codieren zu können. Für einen aussenstehenden Beurteilenden müssen deshalb effiziente Lösungen gefunden werden, wie dieses detaillierte Wissen zum Unterrichtsgeschehen, das sich in den Daten teilweise nur in feinen Einzelheiten bemerkbar macht, erlangt werden kann. Drittens zeigte sich, dass die Definition der thematischen Codiereinheiten ungenau war. Wo eine Aussage thematisch startet und endet ist mit viel Interpretationsspielraum verbunden. Viertens konnten jene Codes, die nur in geringer Anzahl in den Daten vorkamen (z. B. ‘Kontexte & Orientierung’), auch unzureichend trainiert werden. Letztlich wurde die zuverlässige Codierung bei den Interviewdaten dadurch erschwert, dass sich die Befragten nicht immer eindeutig ausdrückten. Diese Widersprüchlichkeiten zeigten sich überwiegend bei kritischen Aussagen im Zusammenhang mit Herausforderungen und häufig bei den Interviews mit Kindern. Dass die Befragten vor laufender Kamera dazu neigten kritische Aussagen mit einem ergänzenden positiven Aspekt abzudämpfen, schreibe ich dem bei Interviews oft auftretenden Phänomen der sozialen Erwünschtheit zu (z. B. Vogl 2015, S. 82). Die ohnehin enorme Komplexität von mündlicher Sprache machte sich bei der Entwirrung dieser Aussagen mit hoher - teils widersprüchlicher - inhaltlicher Dichte besonders bemerkbar und erhöhte den Interpretationsspielraum. Abgesehen von Schwierigkeiten mit der Reliabilitätsprüfung entstanden auf‐ grund der Vielschichtigkeit des hier gewählten mixed-methods Vorgehens und den damit einhergehenden unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten sowie Datenquellen weitere Herausforderungen, die mit einem überschaubareren Forschungsvorgehen allenfalls hätten vermieden werden können. Zum Beispiel 394 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="394"?> hätten die oben geschilderten Schwierigkeiten im Kategoriensystem bereits beim Training mit der Zweitcodiererin deutlicher erkannt werden sollen, mit dem Ziel den Kategorienleitfaden und die Codierregeln vor der eigentlichen Co‐ dierung der Hauptdaten zu optimieren. Oder auch die mündlichen Befragungen sollten noch sorgfältiger vorbereitet werden, denn das Stellen von offenen Fragen, das immanente und exmanente Nachfragen als auch das Aushalten der Stille braucht Übung (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014, S. 74). Ebenfalls hätte der Rating-Bogen (siehe Anhang B) für die Evaluation der Lernaufgaben mit einer Spalte zu ‘keine Aussage’ ergänzt werden sollen. Statt all diese verschiedenen Facetten des Forschungsvorhabens im Blickfeld zu haben, wurde viel Energie und Zeit für die anspruchsvolle Erhebung und -auswertung der Videodaten aufgewendet - was rückblickend allenfalls zu Lasten der Qualität der anderen Datenquellen ging. Diese und weitere Herausforderungen schreibe ich meiner fehlenden Er‐ fahrung in der Rolle der Forscherin zu. Auch wenn ich mich auf mein For‐ schungsvorhaben mit Lehrveranstaltungen, mit Beratungen von Expert*innen, mit Literatur oder auch mit Pilotierungen vorbereitet hatte, machte ich als Feldforscherin, wenn es dann ‘zählt’, alles zum ersten Mal. Da passierten trotz seriöser Vorbereitung Fehler - von nicht eingeschalteten Mikrofonen über vergessene Interviewfragen bis hin zu übersehenen unvollständig ausgefüllten Frage- oder Rating-Bogen. Dass nicht immer alles nach Plan läuft, bestätigen auch erfahrende Forscher: «Research-in-use is almost always more messy, disjo‐ inted, and perverse than research-in-theory.» (Miles et al. 2014, S. 342). Und deshalb sind auch diese Autoren überzeugt, dass man besser wird je mehr man forscht (Miles et al. 2014, S. 342). Eine Qualifizierungsarbeit der vorliegenden Art ist somit in meinen Augen auch ein Nachweis dafür, dass man sich den forschungsmethodischen Herausforderungen stellt, diese möglichst kompetent angeht und mit den etwaigen Fehlern konstruktiv umgeht. Trotz den hier erkannten Herausforderungen würde ich zukünftig - so‐ fern passend und zielführend - erneut ein mixed-methods Vorgehen wählen, weil in meinen Augen die Vorteile zugunsten dieses Forschungsansatzes klar überwiegen. Jedoch würde ich versuchen mich weniger von den beiden da‐ hinterliegenden, gegensätzlichen Paradigmen beeinflussen zu lassen, sondern deren Vermischung mehr als eigenständiger «third major research approach or research paradigm» zu betrachten (R. B. Johnson et al. 2007, S. 112). Auch wenn dieser Standpunkt kontrovers diskutiert wird, gefällt mir an dieser pragmatischen Betrachtungsweise, dass die qualitativen und quantitativen forschungswissenschaftlichen Hintergründe der gewählten Methoden zwar zur Kenntnis genommen werden, insgesamt jedoch frei von paradigmatischen 395 7.11 Kritische Einschätzungen und Konsequenzen für zukünftige Untersuchungen <?page no="395"?> Zwängen der zentralen Forschungsfragen zielgerichtet nachgegangen werden kann (Döring & Bortz 2016, S. 74-76; Klein 2019, S. 176-183). 7.11.4 Konsequenzen für die zukünftige Forschung An dieser Stelle werden nochmals in resümierender Form die bereits festge‐ stellten Anregungen für zukünftige Unterrichtsforschungen im Bereich CLIL auf der Primarstufe aufgezeigt. Zum einen wäre es wünschenswert vertiefte Erkenntnisse zu erlangen, wie die weiteren fachlichen, sozialen und personalen Kompetenzen der heterogenen Lernenden das CLIL-Lernen beeinflussen. Dafür müssten die verschiedentlichen Dispositionen der Lernenden differenziert er‐ fasst werden und mit den Lernhandlungen im CLIL-Unterricht in Bezug gesetzt werden. Ausserdem sollte zukünftige CLIL-Forschung durch zwei Expert*innen aus beiden beteiligten Fachdidaktiken begleitet werden, um eine einseitige Ausrichtung des Forschungsfokus zu vermeiden. Diese würde dazu führen, dass die Chancen und Herausforderungen von bilingualem Lernen und Lehren auch aus der sachfachlichen, inhaltlichen Perspektive vermehrt beschrieben werden könnten. In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant in Erfahrung zu bringen, welche weiteren Fächerkombinationen sich für die Umsetzung von bilingualem Lernen für die heterogene Primarstufe eignen würden. Schliesslich könnte der hier eingenommene prozessorientierte Forschungsfokus mit jenem der Produktorientierung, das heisst mit Blick auf den Ertrag des bilingualen Unterrichts, ergänzt werden. Das würde bedeuten, dass eine zukünftige, bes‐ tenfalls Langzeit-Untersuchung neben dem Angebot und der Nutzung auch die Wirkungen (vgl. Abbildung 17) des CLIL-Unterrichts auf der Primarstufe hinsichtlich des Aufbaus von sachfachlichen, fremdsprachlichen und gar inter‐ kulturellen Kompetenzen ergründen könnte. Ferner könnte auch der Aspekt des Scaffolding im CLIL-Unterricht noch eingehender erforscht werden. In vorliegender Untersuchung wurde aufgezeigt, welche unterstützenden Angebote bereitgestellt wurden, welches Scaffolding die Lernenden als hilfreich erachteten und inwiefern die case pupils verbale Scaffolds für ihre Sprechhandlungen nutzten. Zukünftig wäre es ebenfalls interessant zu erfahren, wie diese Interaktionen im CLIL-Unterricht rund um das bereitgestellte Scaffolding verlaufen, ob es die Lernenden kognitiv angemessen anregt und in welchen Situationen welche verbalen, inhaltlichen oder strategi‐ schen Scaffolds besonders lernwirksam sind. Schliesslich aus forschungsmethodischer Perspektive mit Blick auf den Ein‐ satz der lesson study wäre es von Interesse in Erfahrung zu bringen, inwiefern dieser Ansatz als Aus- oder Weiterbildungskonzept die (angehenden) Lehrper‐ 396 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="396"?> sonen unterstützt ihr didaktisches Handlungsrepertoire für den heterogenen CLIL-Unterricht zu erweitern. 7.12 Persönliches Fazit Ganz zum Schluss blicke ich auf meine zu Beginn gesetzten Ziele zurück und nehme Stellung zu meinem persönlichen Lernzuwachs aus verschiedenen Perspektiven. In der Rolle als Fremdsprachendidaktikerin erfreue ich mich sehr an den überwiegend positiven Ergebnissen und Erkenntnissen von CLIL für die hetero‐ gene Primarschulklasse. Die im Lehrplan 21 genannte Aufforderung bilingualen Unterricht als Ergänzung zum Fremdsprachenunterricht anzubieten, erachte ich als eine gewinnbringende Bereicherung für das Englischlernen. Wie bereits erwähnt, schliesst somit die vorliegende Arbeit ein wichtiges Forschungsdesi‐ derat für die Schweizer Primarschulen, indem sie praxisnah aufzeigt, wie CLIL in kompetenzorientierter und folglich lehrplankompatibler Form erfolgreich umgesetzt werden kann. Zudem gibt sie auf methodisch-didaktischer Ebene hilf‐ reiche Hinweise und zeigt Chancen sowie Herausforderungen des bilingualen Unterrichts auf, die es für die Implementierung solcher CLIL-Lerneinheiten zu beachten gilt. In der Rolle als Aus- und Weiterbildnerin bin ich motiviert, die mir im Rahmen dieser Arbeit erworbenen Erfahrungen weiterzugeben. Entsprechende Veranstaltungen sind bereits an verschiedenen Institutionen in Planung. Dabei möchte ich nicht nur mein didaktisches und fachliches Wissen lehren, sondern den in der Deutschschweiz noch wenig bekannten Ansatz der lesson study als Struktur für die Aus- und Weiterbildungsgefässe weiterhin einsetzen. Dies weil er sich - wie zuvor beschrieben - für die Untersuchung von komplexen unterrichtlichen Prozessen wie CLIL sehr bewährt. In der Rolle als Forscherin möchte ich mir weiteres Wissen zur Umsetzung von erfolgreichem bilingualem Unterricht auch in anderen Fächerfusionen aneignen. Dafür erachte ich es als wichtig, dass an den Ausbildungsinstituti‐ onen vermehrt auch Expert*innen über die Fachbereiche hinweg zusammen‐ arbeiten, um geeignete methodisch-didaktische Konzepte für die Umsetzung von CLIL-Lerneinheiten zu entwickeln und begleitend mit Studierenden oder Lehrpersonen in der Praxis zu ergründen. Eine entsprechende Arbeitsgruppe zum bilingualen Unterricht mit Expert*innen aus verschiedenen Fachbereichen ist bereits etabliert. 397 7.12 Persönliches Fazit <?page no="397"?> In der Rolle als Lehrmittelautorin möchte ich die hier erprobten CLIL-Module und weitere hilfreiche praktische Unterrichtsideen für die Umsetzung von bilin‐ gualem Unterricht in heterogenen Klassen veröffentlichen. Ideen der anfänglich angesprochenen Handreichung sind zurzeit am Ausreifen und Abklärungen dazu im Gange. Und ganz zuletzt: In meiner ursprünglichen Rolle als Lehrerin verspüre ich grosse Motivation selber diese oder weitere CLIL-Module im Unterricht mit heterogenen Primarschulklassen umzusetzen. Ob sich das in naher Zukunft umsetzen lässt, steht zurzeit noch offen. Abschliessend möchte ich betonen, dass ich die Durchführung des vorlie‐ genden Projekts sowie die Verfassung dieser Dissertation als eine einmalige Chance für meine persönliche Weiterbildung erachte. Durch die intensive Lite‐ raturrecherche in diversen Fachgebieten, durch die Teilnahme an verschiedenen Konferenzen und forschungsmethodischen Kursen als auch in Gesprächen mit Expert*innen und meinen Betreuerinnen aus zwei unterschiedlichen Diszi‐ plinen erschlossen sich mir stetig neue Zusammenhänge. Dementsprechend konnte ich parallel zum Fortschritt der vorliegenden Arbeit meinen kontinu‐ ierlichen Lernzuwachs erkennen. Fast schon mit Wehmut schreibe ich diese letzten Zeilen, weil sich das mich über Jahre begleitende Projekt nun langsam seinem Ende nähert. Ich bin dankbar dafür und erachte es als grosses Privileg, dass ich die Gelegenheit erhielt, mich mit diesen interessanten, facettenreichen Inhalten über längere Zeit auseinander zu setzen und ich dabei auf methodischer, überfachlicher und vor allem auch persönlicher Ebene viel dazulernen durfte. 398 7 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse <?page no="398"?> 8 Literaturverzeichnis Abendroth-Timmer, Dagmar (2007). 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