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Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen

Innerromanischer und deutsch-romanischer Sprachvergleich. Mit besonderer Berücksichtigung der Dacoromania. Festschrift für Rudolf Windisch

1220
2021
978-3-8233-9523-2
978-3-8233-8523-3
Gunter Narr Verlag 
Jörn Albrecht
Gunter Narr

Der Sammelband Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen ist dem bekannten Daco-Romanisten Rudolf Windisch gewidmet. Die Leserinnen und Leser dürfen also zurecht viele Informationen zum Balkanromanischen und zur Geschichte und Geographie Südosteuropas erwarten. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bilden Frankreich, seine Sprache, seine Ideengeschichte und seine Literatur. Nicht zuletzt informiert der Band auch über die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft und vermittelt Einblicke in die lebhafte, nicht immer emotionsfreie Diskussion, die zwischen den führenden Vertretern dieser Disziplin geführt wurde.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-8233-8523-3 Der Sammelband Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen ist dem bekannten Daco-Romanisten Rudolf Windisch gewidmet. Die Leserinnen und Leser dürfen also zurecht viele Informationen zum Balkanromanischen und zur Geschichte und Geographie Südosteuropas erwarten. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bilden Frankreich, seine Sprache, seine Ideengeschichte und seine Literatur. Nicht zuletzt informiert der Band auch über die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft und vermittelt Einblicke in die lebhafte, nicht immer emotionsfreie Diskussion, die zwischen den führenden Vertretern dieser Disziplin geführt wurde. J. Albrecht, G. Narr (Hrsg.) Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen Jörn Albrecht, Gunter Narr (Hrsg.) Innerromanischer und deutsch-romanischer Sprachvergleich Mit besonderer Berücksichtigung der Dacoromania <?page no="1"?> Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen <?page no="3"?> Jörn Albrecht, Gunter Narr (Hrsg.) Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen Innerromanischer und deutsch-romanischer Sprachvergleich Mit besonderer Berücksichtigung der Dacoromania Festschrift für Rudolf Windisch <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8523-3 (Print) ISBN 978-3-8233-9523-2 (ePDF) <?page no="5"?> Inhalt Gunter Narr Unwissenschaftliche Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Jörn Albrecht Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Eugenia Bojoga Parlons-nous roumain ou moldave ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Winfried Busse & Gabriele Beck-Busse Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Adrian Chircu Adverbes régionaux français . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Wolfgang Dahmen & Eugen Munteanu Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Lumini ţ a Fassel Romanistica - în jurul unei defini ţ ii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Hans-Martin Gauger Gauger, Oestereicher, Windisch - Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Ana-Maria Gînsac & M ă d ă lina Ungureanu L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers dans les traductions roumaines de l ’ allemand (1780 - 1830) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Thorsten Greiner Du nouveau, - idées et formes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Wolf D. Gruner Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Thede Kahl Sprache und Identität der Kraschowaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 <?page no="6"?> Thomas Krefeld Die Gesta Hungarorum und das Rumänische: ‘ Romania emersa, nec continua, neque submersa ’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Peter Mario Kreuter Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte, als die Kleine Walachei zu Österreich kam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Dinu Moscal La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie dans Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen (1780) de Johann Ehrenreich von Fichtel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Cristinel Munteanu The Place of Phraseology in B. P. Hasdeu ’ s Classification of Linguistic Sciences . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Schriftenverzeichnis Rudolf Windisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 6 Inhalt <?page no="9"?> Unwissenschaftliche Anmerkung Gunter Narr (Tübingen) Lieber Jubilar, also - lieber Rudi: Jörn Albrecht und ich freuen uns sehr, Dir eine Festschrift zu Deinem achtzigsten Geburtstag vorlegen und verlegen zu dürfen. Jörn hat die wissenschaftlichen Beiträge zu dieser Festschrift betreut, dafür sei ihm mein herzlicher Dank ausgesprochen. Als Mitherausgeber möchte ich auf unsere mehr als 50-jährige Freundschaft und Zusammenarbeit zu sprechen kommen, die Anfang der 60er-Jahre begann und die mich in eine berufliche Laufbahn brachte, die damals noch gar nicht absehbar und auch nicht geplant war. Aber der Reihe nach: Wir studierten beide im Hauptfach Romanische Philologie in Tübingen. Wir hatten gemeinsam Vorlesungen besucht bei anerkannten, renommierten Professoren. Es stand noch eine Stellenbesetzung an, eigentlich eine Routineangelegenheit, aber plötzlich wurde doch viel über den neu zu berufenden Professor gesprochen. Denn es handelte sich um einen mit Vorschusslorbeeren erwarteten international bekannten Professor, um Professor Eugenio Coseriu, der über Bonn und Frankfurt nach Tübingen kam. Er übernahm den Lehrstuhl 1963. Dieser trug die Bezeichnung „ Lehrstuhl für Allgemeine und Romanische Sprachwissenschaft “ . Wegen dieser Stellenbesetzung hatten zahlreiche Studentinnen und Studenten den Studienort rasch gewechselt und kamen nach Tübingen, um diesen neuen Professor zu hören. Das Lehrangebot änderte sich grundlegend, weil bisher unbekannte Gebiete in Vorlesungen zur Sprache kamen, so zum Beispiel Transformationelle Grammatik, Strukturalismus, Sprachphilosophie und Sprachgeschichte. <?page no="10"?> Ein den Studenten mehrheitlich unbekannter Begründer der modernen Sprachwissenschaft, nämlich Georg von der Gabelentz, wurde ausführlich dargestellt und interpretiert. Nicht nur die Studierenden waren begeistert, auch Akademische Rätinnen und Räte, sogar Professoren besuchten die Vorlesungen von Eugenio Coseriu. Er war es auch, der ein Linguistisches Kolloquium ins Leben rief, das regelmäßig einmal im Monat an einem Samstag stattfand und an dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerhalb Tübingens, insbesondere aus Freiburg und Stuttgart, teilnahmen. Wir hatten beide die Idee, von diesen Vorlesungen Nachschriften anzufertigen, natürlich mit dem Einverständnis des „ Großen Meisters “ , da das Interesse auch außerhalb Tübingens sehr groß war. Unser beider Einsatz und Mühe wurden durch eine begeisterte Aufnahme dieser Nachschriften belohnt, es waren kleinere Hefte zum Preis von DM 5,00 und DM 7,00. Dadurch wurde Professor Coseriu an vielen Universitäten gelesen, was ein von uns nicht vorherzusehender Nebeneffekt war. Der „ Ruhm “ dieser Hefte erreichte sogar den Cheflektor des de Gruyter Verlages in Berlin, der daraufhin Professor Coseriu in Tübingen besuchte und die Rechte zur Publikation in Buchform erwerben wollte. Wir wussten damals nicht, dass wir unsere Schriften nur schützen konnten, wenn wir das Copyright vom Autor erhalten würden und daher war die Gründung eines Verlages der richtige Weg. Dies war 1969. Ich hatte damals die Stelle eines Fachbereichssekretärs inne und musste beim Rektorat der Universität Tübingen eine Nebentätigkeitsgenehmigung erhalten. Für einen Verlag hätte ich diese nicht erhalten, aber für die Herausgabe einer wissenschaftlichen Reihe wurde diese Nebentätigkeit genehmigt und so entstand die Reihe „ Tübinger Beiträge zur Linguistik “ . Natürlich erschien als Band 1 die von uns besorgte Neuausgabe des lang vergriffenen Buches von Georg von der Gabelentz mit dem Titel: Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Mit einer Studie von Eugenio Coseriu, Tübingen 1969. Die Reihe „ Tübinger Beiträge zur Linguistik “ wuchs sehr schnell mit Angeboten Tübinger Autoren, aber auch von Wissenschaftlern aus zahlreichen anderen Universitäten. 10 Gunter Narr <?page no="11"?> So ist unser Jubilar und Freund auch mitbestimmend geworden für meinen Verlag, der seit über 50 Jahren besteht und den ich inzwischen an die 2. Generation übergeben habe. Lieber Rudi: ad multos annos Unwissenschaftliche Anmerkung 11 <?page no="13"?> Zur Einführung Jörn Albrecht (Heidelberg) Der vorliegende Band hätte eigentlich zu Rudolf Windischs achtzigstem Geburtstag erscheinen sollen - „ doch die Verhältnisse, sie [waren] nicht so “ . Festschriften erscheinen nun einmal nicht immer genau zum vorhergesehenen Datum, und es gibt Herausgeber, die das gar nicht anzustreben scheinen. So erhielt der früh verstorbene James D. McCawley, ein Vertreter der Generativen Semantik, ungewöhnlich frühzeitig eine Festgabe von „ diffamierenden Aufsätzen “ zu seinem dreiunddreißigsten oder vierunddreißigsten Geburtstag. 1 Rudolf Windisch wird den vorliegenden Band in etwas reiferem Alter erhalten. Es gehört zu den Pflichten des Chronisten, darauf hinzuweisen, dass unser Jubilar schon vor zwanzig Jahren eine Festschrift zum sechzigsten Geburtstag erhalten hat, die ebenfalls nicht genau zum vorgesehenen Zeitpunkt erscheinen konnte. 2 Mit der zögerlichen Fertigstellung dieses Bandes folgen wir somit einer bereits etablierten Tradition. Der (schon vergebene) Titel Rumänisch und Romanisch wäre auch für den vorliegenden Band angemessen gewesen, aber angesichts der Vielfalt der behandelten Themen haben wir uns zu einem zwar etwas umständlichen, dafür jedoch den Inhalt des Bandes ziemlich genau abbildenden Titel entschlossen. Angesichts einer überschaubaren Anzahl von Beiträgen mit sehr unterschiedlichen Themen haben wir von einer thematischen Gliederung Abstand genommen und uns für eine alphabetische Reihenfolge nach den Namen der Beiträger entschieden. Eine Einführung gehört allerdings unbedingt an den Anfang eines jeden Bandes. Für den vorliegenden einführenden Text musste keine Ausnahme von der alphabetischen Gliederung gemacht werden. Der Verfasser kann nicht nur aus thematischen Gründen, sondern auch dank seines Namens Anspruch auf den Spitzenplatz erheben. 1 Zwicky, Arnold M., Peter Salus, Robert I. Binnick, and Anthony Vanek (eds.) Studies out in Left Field: Defamatory essays presented to James D. McCawley on his 33rd or 34th birthday. Edmonton, Alb.: Linguistic Research. 1971. Reprint. John Benjamins, 1992. 2 Winfried Busse/ Jürgen Schmidt-Radefeld (Hrsg., 2003): Rumänisch und Romanisch. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h. c. Rudolf Windisch. Universität Rostock. (= Rostocker Beiträge zur Sprachwissenschaft Heft 13/ 2003). <?page no="14"?> Der Titel des Beitrags von Eugenia Bojoga « Parlons-nous roumain ou moldave ? » verweist auf den mitunter problematischen Zusammenhang von Sprachgeschichte und politischer Geschichte. Die Verfasserin stammt aus Moldawien, heute Republik Moldau oder Moldava, ein Gebiet, das im 19. Jahrhundert zum Zarenreich, zwischen den beiden Weltkriegen zu Rumänien und danach bis zum Beginn der 1990er Jahre zur Sowjetunion gehörte. Für die traditionelle Romanistik gehört der größte Teil von Moldawien zum rumänischen Sprachgebiet, wobei diesem östlichen Teil der Dacoromania selbstverständlich gewisse regionale Besonderheiten zugestanden werden. Die Sprecherinnen und Sprecher dieser Varietät vertreten, wie die Verfasserin darlegt, eine weniger einheitlich Position. Unter Berufung auf Eugenio Coseriu, der ebenfalls aus Moldawien stammte, das in seiner Jugend zu Rumänien gehörte, zeigt sie, wie in der Zeit der Zugehörigkeit der Republik Moldava zur Sowjetunion die Eigenständigkeit dieser Varietät u. a. dadurch hervorgehoben wurde, dass sie mit kyrillischen Buchstaben geschrieben und „ Moldavisch “ für sie als offizielle Sprachbezeichnung eingeführt wurde. Die, wie die Verfasserin dokumentiert, recht emotional geführte Diskussion um die angemessene Bezeichnung der Staatssprache, scheint bis heute noch nicht abgeschlossen. Gabriele Beck-Busse und Winfried Busse erinnern mit ihren „ Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre “ an den Vorschlag Eugenio Coserius, die traditionell streng ausdrucksbezogene Betrachtung der Wortbildung durch inhaltliche Aspekte zu ergänzen. Jens Lüdtke (2005, 92) hat gezeigt, dass bereits Meyer-Lübke ähnliche Absichten verfolgte, ohne sie freilich konsequent zu verwirklichen. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Typ coupe-papier, zu dem Coseriu wiederholt Stellung genommen hat und der von Rudolf Windisch zusammen mit Cristinel Munteanu (2016) ausführlich im Hinblick auf das Rumänische untersucht wurde. Anhand dieses Typs lässt sich besonders gut zeigen, wie wichtig Coserius Unterscheidung zwischen Sprach- und Redebedeutung (Bezeichnung) ist. Von der Systembedeutung her lässt sich coupe-papier als „ etwas/ jemand schneidet Papier “ verstehen. Zweisprachige Wörterbücher geben als deutsches Äquivalent meist „ Brieföffner “ an. Häufiger ist mit coupe-papier jedoch ein Instrument zum Aufschneiden nicht aufgeschnittener Bücher gemeint, für das es im Deutschen gar keinen spezifischen Terminus gibt. Die in verschiedenen romanischen Sprachen üblichen Redebedeutungen für Bildungen dieser Art können aus der Systembedeutung nicht ohne weiteres erschlossen werden: it. scacciapensieri „ etwas, das (trübe) Gedanken vertreibt “ → „ Maultrommel “ ; span. matasanos „ jemand, der Gesunde umbringt “ → „ Kurpfuscher “ . Adrian Chircu, Verfasser einer umfangreichen Monographie über die romanischen Adverbien (Chircu 2008), untersucht in seinem Beitrag „ Adverbes 14 Jörn Albrecht <?page no="15"?> régionaux français “ Adverbien (zumeist handelt es sich um adverbiale Syntagmen), die nur in gewissen Gegenden Frankreichs üblich sind. Einige davon erscheinen auch in der französischen Literatursprache. So findet sich die dem frz. Nordwesten zugeschriebene Form matin „ de bonne heure, tôt le matin “ auch in einem bekannten Gedicht von Louis Aragon: A quoi peut leur [scil. à ces soldats sans armes] servir de se lever matin? „ Warum sollen sie morgens überhaupt aufstehen? “ . In manchen Fällen geht es um standardsprachliche Formen mit nur regional gebräuchlicher Bedeutung: différemment „ à part ça, pour le reste “ . Besonderes Interesse verdienen regional gebräuchliche Modalpartikel wie seulement: Entrez seulement „ Kommen Sie doch einfach rein “ . Auch die französische Standardsprache ist viel reicher an Modalpartikeln, als gemeinhin angenommen wird (cf. Métrich/ Faucher 2009). Als eine frühe Form der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft, insbesondere im Bereich der romanischen Sprachen, lässt sich die Sammlung von Bibelübersetzungen ansehen, die mit dem Ziel des sprachlichen Vergleichs ausgewählter Stellen unternommen wurde. Ein besonders bekanntes Beispiel für diese Forschungstradition stellt das am Anfang des 19. Jahrhunderts erschienene Werk Mithridates von Adelung und Vater dar (vgl. Lüdtke 1978). Einen weithin unbekannten Vorläufer auf diesem Gebiet stellen Wolfgang Dahmen und Eugen Munteanu in ihrem Beitrag „ Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre “ vor. Der in Zwickau geborene und im Erzgebirge amtierende Pfarrer Georg Körner publizierte 1767 eine Abhandlung mit dem Titel „ Nachricht von den wallachischen, rumanschischen oder rhäzischen Bibeln, als ein Beytrag zu der gelehrten Geschichte der heiligen Schrift “ . Unsere beiden Beiträger verfolgen akribisch die geglückten und die missglückten Versuche des Verfassers, die (aus heutiger Sicht) rumänischen und rätoromanischen Texte in etymologischer Hinsicht zu vergleichen. Der sprachgewandte Pfarrer (er war auch des Sorbischen mächtig) verfolgte dabei freilich in erster Hinsicht religionswissenschaftliche und nur nebenbei sprachgeschichtliche Ziele. Der Beitrag von Lumini ţ a Fassel „ Romanistica - în jurul unei defini ţ ii “ (etwa: Romanistik - Versuch einer Definition) lässt sich als Klage über den Niedergang der Romanistik ausgerechnet in dem Land lesen, in dem sie ursprünglich entstanden war. Die romanischen Sprachen werden zunehmend als Einzelsprachen gelehrt und erforscht, immer weniger als Bestandteile eines aus einer einheitlichen Quelle hervorgegangenen sprachlichen Komplexes. Der (in der Forschung weiterhin kontrovers diskutierte) Begriff des „ Vulgärlatein “ spielt eine immer geringere Rolle. ‚ Kleine ‘ Sprachen, wie das Rumänische, finden immer weniger Berücksichtigung. Die Romanistik im ursprünglichen Sinn scheint heute in Rumänien lebendiger zu sein als im deutschen Sprachbereich. Zur Einführung 15 <?page no="16"?> Die Verfasserin hebt die Bedeutung der Einführung in die romanische Sprachwissenschaft hervor, die Hans-Martin Gauger, Wulf Oesterreicher und - last but not least - Rudolf Windisch im Jahr 1981 vorgelegt haben.Windischs Darstellung der Leistung von Wilhelm Meyer-Lübke als Vertreter der Schule der „ Junggrammatiker “ , der sich die Verfasserin weiterhin verbunden fühlt (Gauger- Oesterreicher-Windisch 1981, 99 - 117) wird besonders gewürdigt. Den Umständen der Entstehung eben dieser Einführung gilt der Beitrag von Hans-Martin Gauger: „ Gauger, Oestereicher, Windisch - Unsere 'Einführung in die romanische Sprachwissenschaft ‘ " (1982). Die Einführung ist allerdings bereits 1981 erschienen. Gauger nimmt die Gelegenheit wahr, in seinem sehr persönlich gehaltenen Bericht eine für viele jüngere Leser nicht mehr unmittelbar erfahrene akademische Welt wieder aufleben zu lassen: Ernst Gamillscheg, Gerhard Rohlfs, Kurt Wais, MarioWandruszka und Eugenio Coseriu: Wer waren sie, wie waren sie, was haben sie zur Romanischen Philologie beigetragen und - nicht zuletzt - was haben sie gegenseitig voneinander gehalten? Ana-Maria Gînsac und M ă d ă lina Ungureanu berühren mit ihrem Aufsatz „ L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers dans les traductions roumaines de l ’ allemand (1780 - 1830) “ ein selten bearbeitetes Gebiet der Übersetzungsforschung: die Wiedergabe von Eigennamen im übersetzten Text, in diesem Fall verschiedene Typen von Ortsnamen (Siedlungen, Landschaftsformen, Länder, Gewässer usw.) in deutschsprachigen Texten, die jedoch - und das kompliziert die Sache - keineswegs alle deutschen Ursprungs sind. Akribisch gehen die beiden Autorinnen den verschiedenen Verfahren von derTransliteration über die Transkription bis zur Verwendung bereits eingebürgerterÄquivalente nach. Die Tatsache, dass das Rumänische im untersuchten Zeitraum mit kyrillischen Buchstaben geschrieben wurde, stellt eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Im Gegensatz zur heute üblichen Art des Vorgehens lassen sich im untersuchten Zeitraum keine stabilen Regeln feststellen. Je est un autre. Ich ist ein anderer. Pflichtschuldig zeigt das Textverarbeitungsprogramm zwei Kongruenzfehler an, sowohl für den französischen Originalsatz als auch für die deutsche Übersetzung. Darüber hätte sich der Urheber dieses berühmten Satzes gefreut, mit dessen ‚ späten ‘ Prosagedichten sich Thorsten Greiner in seinem Beitrag beschäftigt: „ Du nouveau, - idées et formes. Rimbauds Sprache des Unbekannten in den Illuminations “ . ‚ Spät ‘ sind die Texte insofern, als Arthur Rimbaud - eine seltsame Mischung aus Musterschüler (fort en thème) und chaotischem Rebell - sie gegen Ende seiner Schaffensperiode geschrieben hat, die vom sechzehnten bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr reichte. Danach hat er sich Neuem außerhalb der hermetischen Welt der Texte zugewandt. Einige Exegeten haben die Illuminations als „ sinnfrei “ bezeichnet. Unerschrocken bemüht sich Greiner, diesen Texten dennoch ‚ Sinn ‘ abzugewin- 16 Jörn Albrecht <?page no="17"?> nen, gestützt auf E. Coserius „ Linguistik des Sinns “ , und zwar durch sorgfältige Aufdeckung möglicher Relationen zwischen den in den Texten erscheinenden Zeichen und außertextuellen Zeichen, Zeichensystemen und nicht zuletzt Gegenständen und Sachverhalten in der ‚ Welt ‘ . Der Verfasser gibt am Anfang seines Artikels zu erkennen, dass er sich der ‚ Ausgefallenheit ‘ des von ihm behandelten Gegenstandes im thematischen Rahmen dieser Festschrift wohl bewusst ist. Immerhin war Rimbaud ein linguiste in dem Sinn, in dem das Wort im 19. Jahrhundert gebraucht wurde, ein Sprachenkundiger. Im Vorwort zu seinem berühmten Traktat „ Zum ewigen Frieden “ bezeichnet sich Immanuel Kant selbstironisch als einen „ Stubengelehrten “ ohne politische Erfahrung, und er weist zudem darauf hin, dass derTitel seiner Schrift von einem Wirtshausschild stammt, auf dem ein Friedhof (bei Kant „ Kirchhof “ ) abgebildet ist. Wolf D. Gruner behandelt in seinem reich dokumentierten Beitrag (das Literaturverzeichnis enthält über 150 Titel): „ Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung “ französische Ideen zur Konstitution eines vereinigten Europas, bei denen das Ziel einer paix perpétuelle eine entscheidende Rolle spielt. Kants Traktat, der später auch in Frankreich gründlich rezipiert wurde, lässt sich in diese spezifisch französische Tradition einordnen, die mindestens bis zum grand dessin des Duc de Sully zurückreicht, das lange Henri IV zugeschrieben wurde. Es versteht sich, dass die französischen Pläneschmiede in dem von Gruner behandelten Zeitraum ihren Blick auf die noch im Entstehen begriffenen Vereinigten Staaten von Amerika richten. Es verwundert in diesem Zusammenhang, dass das Problem der Vielsprachigkeit Europas fast überhaupt nicht berührt wird. Mit seinem Bericht über „ Sprache und Identität der Kraschowaner “ nimmt sich der Slawist Thede Kahl einer winzigen südslawischen Minderheit an, die im Banat, nicht weit von der serbischen Grenze, über Jahrhunderte hindurch eine prekäre Identität bewahrt hat. Er beruft sich dabei auf Rudolf Windisch, der auf einem Kongress dazu aufgerufen hatte, der Frage nachzugehen, welche sprachlich-kulturellen Minderheiten vom Verschwinden bedroht sind. Die genaue ethnische Zugehörigkeit dieser auf sieben Dörfer beschränkten ‚ Insel ‘ ist bis heute umstritten. Der Verf. möchte dazu bewusst nicht eindeutig Position beziehen; er referiert vielmehr unterschiedliche Forschungspositionen und zeigt dabei (mit Verweis auf andere sprachlich-kulturelle Minderheiten innerhalb Rumäniens), dass eine völlig unbefangene Stellungnahme zu Problemen dieser Art selten zu erwarten ist, da die wenigsten Forscher dazu bereit sind, vorgefasste Meinungen hintanzustellen. Der Beitrag von Thomas Krefeld „ Die Gesta Hungarorum und das Rumänische: ‚ Romania emersa, nec continua, neque submersa ‘“ fordert dem Leser, der mit den geographischen und sprachlichen Gegebenheiten Südosteuropas weniger Zur Einführung 17 <?page no="18"?> vertraut ist, einiges ab. Es geht um eine Chronik, die ein gebildeter ungarischer Autor um 1200 zur Geschichte seines Volkes verfasst hat. Rudolf Windisch und Thede Kahl haben verschiedentlich auf die Bedeutung dieses Textes für die südosteuropäische Sprachgeschichte hingewiesen. Dem Verfasser geht es nicht um die Ungarn, sondern um die im Text erwähnten Blachii ac pastores Romanorum. Dabei handelt es sich um die wandernden Hirten Südosteuropas, zum größeren Teil, aber nicht ausschließlich, Rumänen im heutigen Verständnis. Über die Wurzel walh/ walhisk „ welsch “ - genauer erhalten in Ortsnamen wie Walchensee - erfährt man einiges. Das Etymon spielt nicht nur in der Romania submersa, dem heutigen germanischen Sprachgebiet eine gewisse Rolle, sondern auch, erlaubt sich der Berichterstatter hinzuzufügen, in der Romania continua: Frz. la Gaule, gaulois geht ebenfalls auf diese Wurzel zurück, auch die Kelten wurden zeitweise als „ Welsche “ bezeichnet. Thomas Krefeld schlägt vor, im Fall der romanischen Varietäten Südosteuropas von einer Romania emersa, einer wieder aufgetauchten Romanität zu sprechen, da es im Gegensatz zur Romania continua und zur Romania submersa keinerlei durch weiterhin benutzte römische Siedlungen und überlieferte Ortsnamen belegbare kulturelle Kontinuität gibt. Craiova, heute eine Stadt mit etwa 300 000 Einwohnern, Hauptort der sog. „ Kleinen Walachei “ (auch als Oltenien bekannt; zum Etymon von Walachei vgl. den Beitrag von Krefeld), gehörte zwischen 1718 und 1739 zum Habsburgerreich, als das Gebiet im Zuge der Gegenoffensive des Kaisers in Wien gegen das Osmanische Reich erobert wurde. Peter Mario Kreuter schildert in seinem Bericht: „ Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte, als die Kleine Walachei zu Österreich kam “ die geringe Begeisterung, die die neuen Machthaber, die „ ein großes Stück Land aber wenig Leut “ erobert hatten, angesichts der mangelhaften Infrastruktur des gewonnenen Territoriums empfanden. Besonders unbeliebt wegen der schlechte Qualität der Luft und des Trinkwassers war die Hauptstadt Craiova, deren Funktion durch einen besser geeigneten Ort übernommen werden sollte. Wie so oft erwies sich die Macht des Faktischen als stärker, Craiova ist Hauptort der Region geblieben. Im Zentrum des Beitrags von Dinu Moscal « La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie dans Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen (1780) de Johann Ehrenreich von Fichtel “ stehen Aufzeichnungen und topographische Karten, die ein österreichischer Beamter und Mineraloge im 18. Jahrhundert von Transsylvanien (Siebenbürgen) „ aus eigenem Augenscheine und nach vieljährigem Nachforschen “ angefertigt hat. Die Vielfältigkeit der ‚ sächsischen ‘ , slawischen, ungarischen und rumänischen Ortsnamen spiegelt die Geschichte dieser ethnisch äußerst heterogenen Provinz des heutigen Rumäniens wider, in der - lange vor der ungarischen und später habsburgischen 18 Jörn Albrecht <?page no="19"?> Herrschaft - die sog. „ Siebenbürger Sachsen “ (keineswegs ‚ Sachsen ‘ im heutigen Verständnis) eine wichtige Rolle spielten. Mit dem knappen, inhaltlich außerordentlich dichten Bericht von Cristinel Munteanu: „ The Place of Phraseology in B. P. Hasdeu ’ s Classification of Linguistic Sciences “ werden wir in ein Gebiet zwischen theoretischer Linguistik und Geschichte der Sprachwissenschaft geführt. Es geht um einen in Westeuropa wenig bekannten rumänischen Sprachwissenschaftler, der stark von dem Jenaer ‚ Sprachdarwinisten ‘ August Schleicher beeinflusst war und einige theoretische Konzepte Eugenio Coserius gewissermaßen ‚ vorweggenommen ‘ hat. Coseriu scheint die Arbeiten seines Landmanns allerdings nicht zur Kenntnis genommen zu haben. In Hasdeus Klassifikation der sprachwissenschaftlichen Teildisziplinen hätte in der Rubrik „ kondensierte syntaktische Struktur “ die Phraseologie (bei Coseriu „ wiederholte Rede “ ) einen Platz gefunden, wenn es zu seiner Zeit bereits einen Ausdruck für dieses Phänomen gegeben hätte. Literatur Chircu, Adrian (2008): L ’ adverbe dans les langues romanes. Études étymologique, lexicale et morphologique (français, roumain, italien, espagnol, portugais, catalan, provençal). Cluj-Napoca : Casa C ă r ţ ii de Ş tiin ţă . Gauger, Hans-Martin/ Oesterreicher, Wulf/ Windisch, Rudolf (1981): Einführung in die romanische Sprachwissenschaft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Kant, Immanuel (2013 [1795]): Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Hrsg. von Rudolf Malter. Stuttgart: Reclam. Lüdtke, Jens (1978) : Die romanischen Sprachen im Mithridates von Adelung und Vater. Studie und Text. Tübingen: Gunter Narr (= Lingua et Traditio Bd. 4). Lüdtke, Jens (2005): Romanische Wortbildung. Inhaltlich ̶ diachronisch ̶ synchronisch. Tübingen: Stauffenburg Verlag. Métrich, René/ Faucher, Eugène (2009): Wörterbuch deutscher Partikeln. Unter Berücksichtigung ihrer französischen Äquivalente. In Zusammenarbeit mit Jörn Albrecht. Berlin/ New York: De Gruyter. Munteanu, Cristinel/ Windisch, Rudolf (2016): „ Züge sui generis der rumänischen Komposita des Typs frz. ‚ coupe-papier ‘ . Romanistisches Jahrbuch 67, 67 - 102. Jörn Albrecht, Heidelberg, im August 2021 Zur Einführung 19 <?page no="21"?> Parlons-nous roumain ou moldave ? Eugenia Bojoga (Cluj-Napoca, Roumanie) The starting point for this contribution was the video “ Do we speak Romanian or Moldovan? ” , which the Moldovan journalist Dorin Galben shared on YouTube on 29 August 2019. Internet users were asked to declare whether they speak Romanian or Moldovan. An inconsistent picture emerges from the numerous statements. The attitude of the respondents depends on their level of education There are two camps with opposing views. From a sociolinguistic standpoint, there is a diglossia situation in the Republic of Moldova. Most respondents cannot distinguish between “ language ” and “ dialect ” due to a lack of linguistic background. A “ Moldovan ” language other than Romanian simply does not exist; it is “ a chimera created by Soviet ethnocultural policy, without any real basis ” (Eugenio Coseriu). Voilà le titre d ’ une vidéo réalisée par Dorin Galben, journaliste à Chi ș in ă u, à l ’ occasion de la célébration des trente ans du roumain comme langue d ’ État dans la République de Moldavie et publiée sur YouTube le 29 août 2019. Un an après sa publication, cette vidéo est encore disponible. Tous ceux qui souhaitent exprimer leur avis peuvent le faire dans la section des commentaires. Entre temps, elle a été relayée par d ’ autres sites, tels que Facebook, Odnoklassniki.ru, https: / / stiri.md, etc. Dans une perspective sociolinguistique, cette vidéo et les 1.055 commentaires qui l ’ accompagnent forment un petit corpus à partir duquel on peut analyser l ’ état actuel de la langue roumaine dans la République de Moldavie et les attitudes des locuteurs à l ’ égard de leur langue maternelle. Dans le même temps, il nous inspire la nécessité d ’ une évaluation objective des trois décennies de politique linguistique. Le 31 août 2020 on a célébré trente-et-un ans depuis que le roumain a acquis le statut de langue officielle. Marginalisée et dévalorisée à l ’ époque soviétique, le 31 août 1989 la langue roumaine récupérait son statut naturel et juste. Voilà pourquoi cet événement a été perçu comme un retour à la vérité et à la justice. Retrospectivement, les trois <?page no="22"?> lois adoptées en 1989 - « Sur le statut de la langue d ’ Etat de la R. S. S Moldave », « Sur l ’ usage des langues parlées sur le territoire de la R. S. S Moldave » et « Sur l ’ adoption de l ’ alphabet latin par la langue moldave » - visaient à ramener dans l ’ espace public la langue parlée majoritairement en République de Moldavie et lui redonner sa vitalité d ’ autrefois. La République Soviétique Socialiste Moldave, l ’ une des 15 républiques de l ’ Union Soviétique, était la seule république où l ’ on parlait une langue romane. Conformément à la politique linguistique soviétique, cette langue s ’ appelait moldave, elle était différente du roumain et elle était écrite en alphabet cyrillique. Par ailleurs, le romaniste allemand Klaus Heitmann montrait, parmi les premiers, dans son article de 1965 1 que la soi-disant langue moldave n ’ est au fond que la langue roumaine : « Die Sprache, die in der Sowjetmoldau gesprochen wird, haben wir implizit bereits charakterisiert : sie ist, ganz wie die historische Situation erwarten lässt, die Rumänische » (Heitmann 1965 : 108) 2 . En plus, la langue moldave n ’ a pas eu les mêmes possibilités d ’ évolution que la langue roumaine, du fait que sur tout le territoire de l ’ Union Soviétique, la langue de communication était le russe, considéré comme une langue de prestige, alors que les langues des républiques unionales étaient considérées comme inférieures. Leur statut n ’ était pas comparable au statut du russe, souverain dans tous les domaines de la vie sociale. Le prestige du russe face aux autres langues (y compris le roumain) découlait de sa position centrale dans les institutions soviétiques, au sens large du mot, et surtout de son omniprésence dans la vie des citoyens : De la connaissance du russe pouvait dépendre la réussite de la moindre démarche administrative, l ’ obtention d ’ un poste clé dans la hiérachie de l ’ époque, mais aussi l ’ adoption du mode de vie « soviétique », conforme aux normes en vigueur ( … ) ou l ’ accès ( … ) à la modernité et à la culture, autrement dit au monde extérieur (Cazacu 2017 : 179). Officiellement, on évoquait la théorie du bilinguisme harmonieux, mais en réalité, l ’ usage des langues nationales dans les républiques soviétiques était inégal. 1 En ce qui concerne l ’ impact de l ’ étude de Klaus Heitmann sur la linguistique soviétique de l ’ époque, voir notre texte (Bojoga 2016 : 21 - 34). 2 Les linguistes occidentaux savaient qu ’ il s ’ agissait d ’ un produit politique-idéologique, et non linguistique, du fait que les principes selon lesquels les adeptes du moldave avait élaboré la nouvelle langue étaient entièrement extralinguistiques. C ’ est la raison pour laquelle la proposition des romanistes soviétiques d ’ inclure la langue „ moldave ” parmi les langues romanes parlées à l ’ est de l ’ Europe n ’ a pas été prise au sérieux par les experts occidentaux (Cf. Price 1998 : 401). Entre temps, en Occident, la bibliographie sur ce sujet s ’ est enrichie. 22 Eugenia Bojoga <?page no="23"?> Seuls les représentants des nationalités non-russes devaient être bilingues et connaître le russe, pas inversement 3 . Malgré tout cela, le cas du roumain parlé à gauche du Prut a été beaucoup plus complexe que celui des autres langues de l ’ ancienne URSS, estime Eugenio Coseriu. Si dans les autres républiques on a soutenu la doctrine du « bilinguisme harmonieux », en République de Moldavie on a prétendu que le moldave était différent du roumain, et que donc la culture moldave était différente de la culture roumaine : Cela est arrivé dans deux pays seulement : en République de Moldavie et en Tadjikistan. On a créé ainsi un fantôme en linguistique : on a prétendu qu ’ il existait une autre langue, pour créer ensuite l ’ idée d ’ une autre culture, et cette culture commençait sous le régime soviétique. ( … ) Dans ces deux pays on a tenté de créer une langue locale, autre que le roumain ou le persan (Coseriu 2012 : 12). Dans ce contexte, la victoire linguistique de 1989 a eu une double signification : la langue moldave est devenue une langue d ’ État (officielle) en République de Moldavie, et elle a reçu le « droit » d ’ être identifiée à la langue roumaine, ce qui signifiait l ’ appropriation de la culture et de la littérature roumaines par les citoyens de la République de Moldavie. Ainsi la théorie des deux langues romanes de l ’ est 4 , différentes l ’ une de l ’ autre, prenait fin, et l ’ idiome de la population autochtone à gauche du Prut revenait à son origine naturelle, comme appartenant à la langue roumaine. Pourtant, l ’ enthousiasme initial n ’ a pas duré, du fait que les partis politiques au pouvoir n ’ ont pas mené une politique linguistique favorable à la langue roumaine. Voilà pourquoi la trajectoire de la langue roumaine durant ces trois décennies a été sinueuse et compliquée, car la République de Moldavie n ’ a pas été cohérente dans la mise en place des lois linguistiques adoptées en 1989 5 . Dans ce texte, nous présenterons la situation actuelle de la problématique linguistique à Chi ș in ă u, sous l ’ angle de la vidéo Parlons-nous roumain ou moldave ? , étant donné que trente ans après les événements mémorables de 3 Sur la politique linguistique soviétique concernant les langues nationales, voir Dmitry Rudnev (2007) et Ana Bitkeeva (2014). 4 La théorie des deux langues romanes de l ’ est, le roumain et le moldave, a été présenté premièrement par Lucien Laurat (1951: 61 - 79), Arnold Kleess (1955: 281 - 284), Carlo Tagliavini (1958: 445 - 452), mais elle a été débattue rigoureusement en 1965 par Klaus Heitmann, ancien professeur à l ’ Université de Heidelberg. Entre temps, en Occident, la bibliographie sur ce sujet s ’ est enrichie. De la même façon, Eugenio Coseriu déconstruit d ’ une manière exhaustive la situation linguistique du roumain parlé dans la République de Moldavie (Coseriu 1999). 5 Sur la situation actuelle des langues utilisées dans l ’ ancienne URSS, voir notre article (Bojoga 2019 : 15 - 16). Parlons-nous roumain ou moldave ? 23 <?page no="24"?> 1989, la communauté linguistique qui habite à gauche du Prut est divisée en locuteurs qui parlent roumain et locuteurs qui parlent moldave. Parlons-nous roumain et moldave ? J ’ ai choisi comme base empirique de ma recherche une vidéo sur Internet, car l ’ espace virtuel est actuellement le canal de communication le plus utilisé. Depuis que les limites/ les distances tehnologiques - la vitesse de la connexion Internet - ont remplacé les limites/ les distances physiques de la communication - , l ’ espace virtuel est devenu un système de référence aussi important que n ’ importe quelle autre forme des médias, étant en même temps le milieu le plus permissif et le plus propice au débat. Les internautes ont une liberté totale d ’ exprimer leurs opinions, et ils peuvent le faire à tout moment et en tout lieu, en utilisant un ordinateur ou un portable, une tablette ou un smartphone. Dans le même temps, ils peuvent voir et lire les messages/ les commentaires des autres, enregistrés automatiquement selon un ordre chronologique. Les nouvelles possibilités de communication sont idéales pour les jeunes et les moins jeunes, ainsi que pour tous ceux qui voudraient participer à un débat public. La technologie rend possible la communication synchrone, indépendamment de la distance, du pays d ’ origine, de la race, du niveau d ’ instruction, etc. Sur Internet, le dialogue est sincère, direct, polyphonique, basé sur l ’ empathie et le respect : « La transformation de l ’ idée d ’ altérité en un partenaire nous place dans un ethos participatif, collectif, où l ’ ouverture opérante de l ’ autre modifie le discours » (Sandu 2012 : 83). Parlons-nous roumain ou moldave ? 6 , publiée sur la chaîne YouTube le 29 août 2019 à l ’ occasion de la Fête de la Langue Roumaine a accumulé 50.085 vues et enregistré 1.055 commentaires (le 30 novembre 2020) 7 . Le titre nous indique déjà le problème endémique des Moldaves : roumain ou moldave ? ou, pour utiliser des termes plus techniques, il s ’ agit du conflit linguistique soujacent entre les membres de la même communauté glottique. Voici la description qui accompagne la vidéo : Cela fait 28 ans que la République Moldave est indépendante, et pourtant, certains citoyens et même des politiques ne savent pas encore quelle est la langue qu ’ ils parlent. Je crois que beaucoup d ’ entre eux le font exprès, pour bénéficier de plus de votes aux 6 Vorbim limba român ă sau moldoveneasc ă ? / / Pun punct dezbaterilor, sur YouTube: ht tps: / / www.youtube.com/ watch? v=yzmWtj94vU8 7 Pour comparer, voir deux vidéos publiées le 29 août 2019 sur YouTube: « La langue moldave existe pour les ignorants » (https: / / www.youtube.com/ watch? v=ZlMoRyv83Uc) qui a été visualisé 25.000 fois et « Les Moldaves ne peuvent renoncer aux russismes » (https: / / www.youtube.com/ watch? v=dmSFixGxAy), visualisé 1.050 fois (125 commentaires pour la première vidéo, aucun commentaire pour la seconde). 24 Eugenia Bojoga <?page no="25"?> élections. J ’ ai posé la question à des gens dans la rue ainsi qu ’ à des députés, et certaines réponses m ’ ont laissé bouche bée. Je ne comprends pas comment ceux qui ont vécu ici toute leur vie non seulement ne parlent pas roumain, mais ils ne le comprennent même pas. En revanche, je respecte beaucoup ceux qui font des efforts pour l ’ apprendre (Galben 2019, traduction E. Bojoga). En évoquant ces 28 ans, Dorin Galben fait référence, en fait, à l ’ événement crucial du 27 août 1991, date à laquelle la République Moldave a proclamé son indépendance, car le syntagme langue roumaine apparaît d ’ abord dans la Déclaration d ’ indépendance. Peu de temps après, les choses vont changer, ce qui détermine l ’ auteur à déclarer avec tristesse que « chez nous il y a des discussions interminables sur la langue que nous parlons » et que « ce sujet ne fait que polariser la société ». Cette vidéo se compose de plusieurs séquences : entretiens éclair, brefs dialogues, sondage d ’ opinion, parsemés d ’ extraits d ’ émissions télévisées et de réunions officielles, telle que celle du Parlement. Tout cela se combine selon un certain ordre en un tout cohérent - la vidéo en question, qui dure 12.09 minutes. Quant aux personnages présentés, ils font partie, d ’ un côté, de la classe politique de la république : Vladimir Ț urcan, Domnica Manole, Octavian Ț âcu, Lilian Carp, Vasile Bolea, etc. De l ’ autre côté, y participent de simples citoyens, des anonymes, rencontrés dans la rue ou dans un parc, mais aussi son Excellence l ’ ambassadeur des Etats-Unis, M. Dereck J. Hogan. En ce qui concerne la première catégorie, nous constatons que deux juges nommés à la Cour Constitutionnelle de la République de Moldavie, Vladimir Ț urcan et Domnica Manole, sont interrogés sur la langue qu ’ ils parlent lors d ’ une réunion du Parlement. Député du parti socialiste, M. Ț urcan répond en conformité avec les options de son parti politique - la langue « moldave ». Mme Manole, adepte de la Platforme DA, n ’ a pas eu le courage de dire quelle langue elle parlait et a préféré … se taire. Bien au contraire, les députés Lilian Carp et Octavian Ț îcu savent expliquer en sorte que tout le monde comprenne pourquoi dans la République Moldave la langue de l ’ Etat c ’ est le roumain, pas le « moldave » : « nous sommes roumains et nous parlons le roumain parce qu ’ Eminescu, moldave originaire d ’ Ipotesti, a parlé roumain », « parce que les érudits philologues ont montré tant de fois qu ’ en République de Moldavie on parle le roumain ». Les politiciens du premier groupe ne veulent pas apporter de preuves, pour une raison très simple : ils n ’ en ont pas. Par voie de conséquence, leur ton est catégorique, leur logique, invasive et leurs arguments sont boiteux. Le contraste est étonnant entre le discours de son Excellence l ’ ambassadeur des Etats-Unis Dereck J. Hogan, qui maîtrise admirablement la langue roumaine, et le discours de M. Ț urcan, qui trébuche sur ses mots et utilise une langue de bois. Parlons-nous roumain ou moldave ? 25 <?page no="26"?> Il est évident que l ’ auteur a voulu donner une leçon aux politiques, qui prétendent parler « moldave », mais une leçon en russe. A ce moment-là, une dame intervient, de manière sobre et distinguée. Elle ne parle pas la langue de l ’ Etat, mais la comprend, et à la question Quelle est la langue parlée dans la République de Moldavie ? elle répond rapidement et naturellement - Nu, na rumynskom 8 . Donc, au même moment où une personne dont la langue maternelle est le russe reconnaît, avec un certain regret dans la voix, que dans la République de Moldavie on parle roumain, des députés et élus autochtones prétendent parler « moldave ». En regardant attentivement cette vidéo, nous constatons que dans la République de Moldavie le débat autour du roumain est extrêmement polarisé. D ’ un côté, la jeune fille qui intervient vers la fin de la vidéo et qui affirme nonchalamment qu ’ elle parle roumain, d ’ un autre côté, M. Bolea qui affirme à cor et à cri, sur un ton énervé, qu ’ il parle « moldave », sans aucune justification de cette réponse (« moldave, un point, c ’ est tout »). Au-delà de tout commentaire, le contraste entre les deux protagonistes emblématiques de cette vidéo est étonnant. Vu que cette polarisation est spécifique de la classe politique en République de Moldavie, elle se manifeste explicitement chez les simples citoyens, les internautes qui prennent part au débat linguistique imminent. Dès lors, deux groupes opposés voient le jour : le premier prétend parler la langue roumaine, le second prétend parler la langue « moldave ». Or, ces deux positions extrêmes sont apparues au moment où le roumain a été proclamé langue officielle, langue d ’ Etat, il y a trois décennies. Cela a conduit à une scission linguistique durable. Dorin Galben en tire la conclusion que, de nos jours, en République de Moldavie « il paraît que c ’ est un acte de courage de dire ouvertement quelle langue on parle » 9 . Il suffit donc de regarder cette vidéo pour se faire une idée sur l ’ état actuel du problème de la langue roumaine en République de Moldavie, en observant le contraste, la divergence d ’ opinions et l ’ opposition entre les deux catégories de locuteurs. Ce qui est encore plus triste, la controverse linguistique a de graves répercussions sur la controverse identitaire. A vrai dire, c ’ est la première qui engendre la seconde, car c ’ est autour de la langue que se construit tout le patrimoine identitaire d ’ une nation. Il faut noter que l ’ esprit moldave a été une 8 Nu, na rumynskom, traduit du russe “ Euh, en roumain ” . 9 Une autre catégorie, ceux qui n ’ ont pas le courage de dire quelle langue ils parlent ou qui s ’ abstiennent, comme Mme Manole, n ’ est pas nombreuse, c ’ est pourquoi nous n ’ y avons pas prêté une attention particulière dans cette étude. 26 Eugenia Bojoga <?page no="27"?> idéologie d ’ Etat durant le gouvernement communiste 10 et continue d ’ être la doctrine soujacente du parti socialiste qui est au pouvoir aujourd ’ hui en République de Moldavie. Telle est la situation, à l ’ échelle réduite, à gauche du Prut, et l ’ auteur la dépeint avec beaucoup de lucidité, en identifiant ses points névralgiques et son potentiel conflictuel. Au fond, il provoque les internautes à prendre part au débat en répondant aux questions suivantes : Et vous, vous parlez quelle langue ? Quel est votre avis sur les propos exprimés dans cette vidéo ? Voilà une invitation expressis verbis à réfléchir sur et à analyser la situation actuelle à Chi ș in ă u. Un grand débat a été ainsi déclenché sur le thème de la dichotomie glottique roumain / vs / « moldave ». Les internautes les plus audacieux n ’ hésitent pas à répondre immédiatement, en fonction de leurs propres possibilités expressives et cognitives. A cela s ’ ajoute le niveau de culture et d ’ instruction de chacun, le respect pour l ’ opinion d ’ autrui, ainsi que la maîtrise de règles élémentaires d ’ interaction verbale et de conduite en ligne, indispensables sur Internet. Nous parlons roumain ou moldave ? devient ainsi le point de départ d ’ un grand débat sur le roumain. Cette discussion implique des citoyens / locuteurs à gauche et à droite du Prut, ainsi que des citoyens / locuteurs russes et étrangers. Les langues de communication sont le roumain, le russe, l ’ ucrainien, l ’ anglais et le portugais. Les commentaires dans leur ensemble, à peu près 1.055, sont une source de documentation très riche pour un sociolinguiste intéressé par le problème de la langue roumaine dans la République de Moldavie. « Mes amis, répondez : vous parlez quelle langue ? » Voilà comment, en l ’ absence d ’ un cadre institutionnel strictement configuré, le débat sur le roumain a été déclenché en République de Moldavie. Les premiers commentaires datent du jour où la vidéo a été publiée, le 29 août 2019 et continuent, les derniers que j ’ ai lus datent du 30 novembre 2020. Par une participation massive des internautes à la discussion, la vidéo de Galben est devenue le débat le plus intense de ces dernières années sur le thème de la langue parlée en République de Moldavie, sur Internet. Les réactions à la question Et vous, les amis, vous parlez quelle langue ? sont multiples, diversifiées et parfois contradictoires, un corpus massif de données linguistiques assez hétérogènes à première vue. Difficiles à classer, ces commentaires représentent autant d ’ opinions spontanées, originales et intéressantes. 10 Dans le contexte de la politique pro-moldave soutenue par le parti communiste de Chi ș in ă u a été publié le Dic ț ionar moldovenesc-românesc (Dictionnaire moldave-roumain) de Vasile Stati (2003). Voir à ce propos Bojoga (2013 : 39 - 45). Parlons-nous roumain ou moldave ? 27 <?page no="28"?> Plusieurs internautes ont écrit des commentaires brefs, des opinions ciblées, d ’ autres ont complété ou développé les idées exprimées par l ’ auteur. Ils ont tous commenté à partir de séquences de la vidéo : certains avec beaucoup d ’ inspiration, d ’ autres, assez fadement. Les plus doctes ont apporté des arguments philologiques et historiques dans leur dispute avec les adeptes du « moldave ». Les plus virulents et ignorants ont apporté des injures et des menaces. Les réponses à la question de Dorin Galben sont extrêmement diverses : sérieuses et amusantes, sobres et joyeuses, sages et malicieuses, agressives et modérées, scientifiques et pseudo-scientifiques, bien fondées et superficielles. En utilisant des registres variés, certains l ’ ont fait avec beaucoup de responsabilité, d ’ autres ont tout tourné en dérision. La plupart des réponses sont brèves et ciblées, les internautes répondent de manière laconique à la question sur la langue qu ’ ils parlent : « Le roumain … » (Mihai Chiciuc), « La langue roumaine ! ! ! » (Elena Turcanu), « Je parle la Langue Roumaine » (Corlatari Vadim), « Roumain, un POINT c ’ est TOUT » (zaFFa), « La langue roumaine, je le dis à cor et à cri » (Daniel Petrov), « La langue roumaine et Punctum » (aurelius), « Je parle la langue Roumaine ! » (Ecaterina P), « La langue roumaine ! » (SOS Basarabia), « JE PARLE LA LANGUE ROUMAINE » (Vio B.), « Triste : (P. s. Je parle la langue Roumaine » (Stanislav Juc), « Nous parlons la belle langue roumaine ! Merci pour cette vidéo, Dorin ! » (Anastasia Lisnic), « Vivent tous ceux qui Parlent la Langue Roumaine » (Simon JB), « La langue de nos ancêtres les Daces et les Romains ! » (Truck Motorcycle), « Venez joindre nos mains, Tous ceux qui avons le c œ ur roumain, ET NOUS PARLONS LA LANGUE ROUMAINE ! ! ! ! ! ! » (Raisa Braga) etc. Certains participants trouvent nécessaire d ’ ajouter des détails concernant leur propre personne, tels que la ville ou le pays d ’ origine : « Je vis à Tiraspol et je parle roumain et russe » (Alex Paterov), « Moi aussi, je suis originaire de Tighina et je parle roumain » (Nadejda Boicenco), « Je parle la langue ROUMAINE. Je suis fier de parler ROUMAIN » (Ion Gaitan 8 months ago), « Je suis roumain de la région Cern ă u ț i. Je parlais, je parle et je parlerai la langue de mes ancêtres. La Langue Roumaine ! ) » (Silent Bob), « Je vis à Bender et je parle aussi roumain ! » (Dumitru BURAC), « Je suis originaire d ’ Ucraine, ma mère est roumaine, mon père est moldave. Dans la maison de mes parents nous parlons la langue roumaine. » (marya lukavetski), « Nous vivons en Angleterre - mère, fille et petite-fille. Nous parlons la langue roumaine. » (Severin Valentina). D ’ autres précisent leurs noms et prénoms, comme si Dorin Galben ferait l ’ appel - comme à l ’ école - , ce qui montre le sérieux avec lequel ils participent à la discussion, comme s ’ ils accomplissaient une mission civique : « Moi, Natalia Malenchii, je parle la langue ROUMAIIIINE ! » (Natalia Malenchii), « Moi, Mi ș coi Vladimir, je parle la langue roumaine » (GO RUN). 28 Eugenia Bojoga <?page no="29"?> Les internautes ayant une conscience linguistique plus éveillée trouvent nécessaire d ’ apporter d ’ autres détails à la discussion : « En Moldavie on parle la langue Roumaine avec un accent russe » (manele ș terse), « Depuis que je suis né, je parle la langue ROUMAINE ! Dans notre pays il existe une seule langue - le ROUMAIN un point c ’ est tout ! » (Pavel Cire ș ). Contrairement à ceux qui donnent des réponses ponctuelles, ils offrent des réponses plus élaborées : « A droite et à gauche du Prut, les Roumains parlent la langue roumaine. Je suis roumain moldave et je parle la langue roumaine avec un accent dialectal moldave, et j ’ en suis fier » (ROMÂNA Ș UL), « La langue de mes ancêtres daces ou de mes ancêtres romains ! » (Truck Motorcycle), « Bon, le roumain, mais je me demande quelle est son origine et quelle langue parlaient ces peuples qui vivaient ensemble avant que le pays roumain se forme » (Vasile Lupu), « Je parle roumain, ce sont les étrangers qui parlent ce soi-disant moldave et ceux qui ne connaissent pas le roumain et ne veulent pas l ’ apprendre, mais qui se permettent de nous rappeler à nous, les autochtones, comment s ’ appelle notre langue maternelle » (Absenth Happy). Une première catégorie de participants au débat évoquent les problèmes auxquels se confronte la langue roumaine à Chisinau : « Je parle Roumain avec un accent Moldave, car en Moldavie on parle plusieurs langues mélangées au roumain, qui est à la base de ce dialecte » (Ghost Wolf), « Je parle roumain, mais dans ma ville on utilise beaucoup de russismes,VIVE LA GRANDE ROUMANIE » (Alex Channel), « Nous parlons la langue roumaine avec des régionalismes moldaves » (Campfire Drop), « Je parle roumain dans un dialecte Moldave » (Tolik Official). Ils reconnaissent en même temps que, malgré le grand nombre de russismes utilisés dans le roumain parlé à Chisinau, que certains appellent langue « moldave », cela ne suffit pas à montrer et à justifier l ’ existence d ’ une autre langue. Même si beaucoup de locuteurs s ’ expriment en utilisant un parler moldave, avec des particularités régionales et des archaïsmes, il est évident pour eux que la langue littéraire/ standard est la langue roumaine. Une autre catégorie préfère donner des réponses ironiques ou amusantes : « Je parle roumain du matin au soir » (Yana Colesnic), « Nous parlons le roumain, cela est évident, avec des russismes et des anglicismes de temps en temps » (Pok ymonn), « aujourd ’ hui, dire que l ’ on parle la « langue moldave » est désuet. Si tu veux être à la mode, tu dis « langue d ’ Etat » » (BitterJames), « Je parle roumain, russe, suédois chaque jour, mais avec un accent moldave » (Ion Ster), « Je parle Roumain avec un accent moldave et des régionalismes du Sud-Est de la République de Moldavie, avec une tonne de russismes et un Ok Américain » (Studio Simion). Par ailleurs, les moqueries sont assez nombreuses : « Je parle beaucoup de langues : anglais, américain, canadien, australien, néo-zéelandais et je parle aussi espagnol, méxicain, colombien, argentinien, vénézuélien » (3dfx Voodoo), Parlons-nous roumain ou moldave ? 29 <?page no="30"?> « J ’ habite au Canada et je parle la langue canadienne. Euh … attends. La langue anglaise en fait, pardon » (Cristian G), « Pour ceux qui habitent à l ’ extérieur du pays, je parle roumain, et pour la race moldave, j ’ affirme avec conviction et fermeté - je parle Kichiouen ! Vive la république kichiouenne ! Les séparatistes de la nation ne méritent que séparatisme ! » (Cemirtan Romeo), « Je parle la langue de ma mère ! Notre langue est l ’ hymne national, n ’ est-ce pas intéressant ? » (- Alexandru Ghidu). Parmi les commentaires en langue étrangère, la plupart sont en russe. Par exemple : « ну жена на румынском а я на русском языке . так уже десять лет живем вместе » 11 (Marcela Zubcu) ou « Каааак можно назвать какой язык если он одинаковый . Большая половина Молдовы находится в составе Румынии . Возьмите , почитайте достоверную информацию . Это ужас когда взрослые дяди политики готовы предать истину за деньги и власть . Дорин , второй вопрос автоматически надо было спрашивать . Граждан ство РУМЫНИИ ЕСТЬ ? » 12 (Best Life). Au moment où intervient un Russe ou une personne provenant d ’ une famille mixte qui connaît le roumain, les internautes mettent des likes et des share, pour montrer leur respect. Les commentaires sont élogieux, certains sont rédigés expressément en russe, comme signe de respect. Un certain Mihail Smirnov écrit : « Вопреки своим родственникам… je parle Roumain » 13 ( Михаил Смирнов ). Immédiatement Sergiu Ț urcanu lui répond en russe en lui disant que c ’ est très bien de maîtriser plusieurs langues, surtout si l ’ on vit dans une certaine nation. Et il conclut en roumain : « Ces gens-là ont toute mon admiration, je les respecte infiniment » ! ! ! » (Sergiu Turcanu). D ’ autres participants continuent d ’ élogier Mihail Smirnov : « Bravo : cela prouve beaucoup de bonnes choses ! Nous vivrons très bien si les minorités (dont tu fais partie) nous respectent, et nous les respecterons en échange, mais sans ambitions impériales, il s ’ agit de respecter la langue d ’ Etat (le roumain), les traditions, les coutumes. Personne ne les confond, eux, ils peuvent parler entre eux leur langue, mais dans les institutions et le parlement : la langue d ’ Etat » (Ion Lupusor). « Beaucoup de Roumains n ’ écrivent pas aussi correctement que toi, dans ce commentaire qui n ’ a pas été édité, bravo » (Claudiu Prodan). 11 Traduit du russe : « Ma femme parle roumain, moi, russe, et ça fait dix ans que nous vivons ensemble, nous sommes une famille ». 12 « Comment prétendre que c ’ est une autre langue, vu que c ’ est la même (que le roumain). Plus d ’ une moitié de l ’ ancienne Moldavie est sur le territoire de la Roumanie. Je vous recommande de lire des informations authentiques. Il est terrible de voir que les politiques, des gens mûrs et adultes, sont capables de sacrifier la vérité pour le pouvoir et l ’ argent ». 13 « Malgré ma famille … je parle roumain ». 30 Eugenia Bojoga <?page no="31"?> Par la suite, l ’ histoire de la famille Smirnov est racontée dans une langue roumaine impeccable (le représentant actuel a fait des études d ’ histoire). Des réactions dures de la part des adeptes du « moldave » et des russophones, adressées à Mihail Smirnov apparaissent aussitôt. Ensuite, des témoignages sur des co-nationaux d ’ autres nationalités, tout aussi remarquables sous l ’ angle de la maîtrise du roumain : Mon professeur principal était une prof de Langue et Littérature Roumaines. Je me souviens (ça fait 30 ans) qu ’ elle nous racontait l ’ histoire de sa famille. Ses parents, l ’ un russe et l ’ autre ucrainien, ont été déportés en Moldavie par les Russes. Et à cette époquelà, je ne sais pas exactement entre quelles années, mais elle nous disait qu ’ en Moldavie on parlait roumain et on utilisait la graphie latine. J ’ étais en 8 e lorsque la Moldavie a adopté la graphie latine et je me souviens que notre prof, même si elle n ’ était pas moldave, nous enseignait les leçons avec la grande joie de voir ressusciter la Langue Roumaine et la graphie latine. (Borgan Aurica). Sergiu Turcanu ajoute : « @Borgan Aurica : Exactement, c ’ est ce que j ’ ai déjà répondu @ Михаил Смирнов . Il existe également des Russes et des Ucrainiens bienveillants, qui sont de vrais amis du peuple roumain » (Sergiu Turcanu). D ’ autres internautes disent avoir appris à l ’ école la langue « moldave », il y a longtemps. Cependant, ils s ’ identifient à la langue roumaine, même s ’ ils font encore des erreurs : « A l ’ école j ’ ai appris la langue moldave, mais dans la vie, je parle russe ou roumain, je vis à Tiraspol » (Alex Paterov). Et Pintilie Turcanu, installé en Estonie, écrit : Je suis originaire deTransnistrie, j ’ ai suivi l ’ école en russe dans la ville de Râbni ț a ( … ). Je suis profondément convaincu que nous, ceux qui venons de cette terre qui s ’ étend entre le Bug, la Tisa, la Mer Noire et la Boucovine, nous parlons tous une langue unique, que tout le monde civilisé appelle langue ROUMAINE ! ! ! La langue que parlent certaines personnes à l ’ est du Prut est un dialecte de la langue ROUMAINE, ni plus ni moins ! La vérité est claire, comme l ’ avait dit M. Eminescu : « Nous sommes roumains ! Je vis actuellement en Estonie, j ’ ai travaillé pendant plusieurs années en Norvège et les gens, là et partout, savent qu ’ il existe une seule langue : la langue ROUMAINE, et la langue moldave est une langue plus pauvre, formée de mots d ’ autres langues telles que le russe, l ’ ucrainien etc. (Pintilie Turcanu). Définir la langue « moldave » comme un idiome non évolué par cet internaute montre ses particularités : les possibilités d ’ expression qu ’ elle offre aux locuteurs sont extrêmement réduites. Par ailleurs, elle a été créée dans les années 20 du siècle passé selon la politique culturelle soviétique dans l ’ ancienne R. A. S. S. M, sur la base de la dichotomie langue prolétaire vs. langue bourgeoise. Pour notre part, nous la définissons comme suit : Parlons-nous roumain ou moldave ? 31 <?page no="32"?> La langue moldave est un concept stalinien fondé sur l ’ idée d ’ une langue simple/ simpliste ou prolétaire véhiculée par Proletkult. Elle n ’ est que la langue roumaine, avec un vocabulaire extrêmement réduit et russifié, avec une syntaxe rudimentaire - la classe prolétaire n ’ utilise pas de subordonnées - écrite en alphabet cyrillique (Bojoga 2013 : 18). La langue « moldave » est une langue sous-développée Au pôlé opposé se trouvent les adeptes de la langue « moldave », qui sont convaincus que la langue qu ’ ils parlent tous les jours est différente du roumain. Voici les réponses à la question de Dorin Galben Et vous, vous parlez quelle langue ? : « Le moldave » (Wesly Vasile), « je parle la langue moldave » (Marian Cipovenco), « Je parle moldave » (Adri Adri), « La langue moldave » (Iacob Berdaga), « je parle moldave » (BOOL S), « Le moldave » (Andrei Detisin), etc. Certains s ’ expriment en jargon ou utilisent les lettres cyrilliques : « Du vrai moldave » (The Best Channel), “Лимба Кириликэ . Пе аястэ лимбэ мулць грэеск” (Mr Fox). PourAle Cuba, « le moldave » est un prétexte d ’ être fier « Je parle moldave et je n ’ ai point honte, vous m ’ entendez, vous, avec votre roumain … » (Ale Cuba), et DMK utilise un langage de banlieue : « Je parle moldave et on s ’ en fout de votre roumain » (DMK). Sergiu Gincu veut convaincre les internautes qu ’ il parle une langue pure, sans russismes : « Chers patriotes roumains nés en moldavie … moi, quand je parle moldave, n ’ utilise pas de mots russes moi, je parle MOLDAVE … et je vis en moldavie je ne veux pas d ’ union avec la russie ni avec l ’ ucraine et ni avec la roumanie … je suis patriote ” (Sergiu Gincu). Un certain Vitalie Vitalie écrit : « Je crois que je parle moldave, et que je ne dérange personne » (vitalie vitalie) et continue de s ’ expliquer : « Je suis né en République de Moldavie, je suis de nationalité moldave, j ’ ai un passeport moldave, à l ’ école, j ’ ai appris la langue moldave, la littérature moldave et je suis moldave moldave ! » (vitalie vitalie). Quelqu ’ un d ’ autre encourage ses co-nationaux à parler moldave, et attaque ceux qui parlent roumain : « Vous êtes cinglés, tous ceux qui parlez roumain. Le pays moldave a sa propre langue - le moldave. Si la langue disparaît, l ’ Etat disparaîtra. Pourquoi lécher les bottes des Roumains, il faut lever la tête et être dignes, nous sommes des Moldaves libres - nous parlons la langue moldave » (negura benell). Les arguments de ces internautes n ’ ont pas de fondement scientifique, ni de discernement.Voilà pourquoi leurs réponses sont fades, schématiques, vulgaires : « La langue moldave c ’ est la langue des Moldaves … Pour le reste, on s ’ en fout … » (Titu Herdelea), « La langue d ’ Etat en République de Moldavie est la langue 32 Eugenia Bojoga <?page no="33"?> Moldave » (MMA NEWS), « Je parle le moldave, avec toute sa douceur » (A lexandru Grigoruta), « La langue moldave, le roumain, je ne le comprends pas » (Marian Colesnic). Les internautes adeptes du moldave invoquent la Constitution de la République de Moldavie, ainsi que les opinions des politiciens : « la langue d ’ Etat c ’ est le moldave, lis la constitution » (Victoria Vasilache), « la majorité des parlementaires parlent moldave » (xxx xxx). C ’ est à la constitution que fait appel Serghei Melnic quand il s ’ adresse à Dorin Galben ainsi : « je t ’ apprécié beaucoup pour tout ce que tu fais et je ne veux pas te contredire, oui, nous parlons roumain, mais notre constitution stipule que notre langue officielle c ’ est le moldave - art. 13 » (Serghei Melnic). Les mêmes propos sont tenus par l ’ internaute Gustul de la ț ar ă : « Et votre constitution ? Article 13, la langue d ’ Etat, les autres langues … » (Gustul de la ț ar ă ). La formule État = langue était un argument clé en faveur du caractère indépendant de la langue moldave pendant la période de l ’ Union Soviétique. Il paraît que certains internautes ne sont pas capables de dépasser le schématisme de la pensée à l ’ époque soviétique : « République de Moldavie, Moldave, la langue Moldave » (Victoria Vasilache), « Les Roumains parlent roumain - les Moldaves le moldave, ne confondez pas Moldavie et Roumanie » (ion colesnic). « Je parle la langue moldave, je suis née en Moldavie, les Roumains parlent roumain, les Russes parlent russe, les Ucrainins parlent ucrainien et ainsi de suite » (Vera Turcanu) etc. Il y en a qui considèrent que le Prut est une frontière linguistique : « La langue roumaine - langue des Roumains, pas des Moldaves » (Marian Colesnic). Certains demandent à Dorin Galben de poser la question à ses grands-parents et à ses arrière-grands-parents, comme si ceux-ci étaient l ’ autorité suprême en matière de nom de la langue. Par ailleurs, un des arguments les plus fréquents des adeptes du moldave est le suivant : les parents de leurs parents parlaient moldave : « Demandez à vos grands-parents qui sont encore en vie et qui ont vécu dans le passé, qui vivait en moldavie à cette époque-là et ils te diront quelle langue nous devons parler » (Vadim Colesnic). Une internaute va jusqu ’ à insulter D. Galben, en le traitant de « cinglé de Roumain » / « sale Roumain » : « La langue moldave est parlée en Moldavie, et le roumain en Roumanie. La Moldavie a été un grand pays à l ’ époque où la Roumanie n ’ existait même pas. Elle a été formée après, par l ’ union des régions. Interrogez vos aïeux et ne malmenez pas / trompez plus le monde. Et toi, Dorin, on voit bien que tu n ’ es pas raisonnable, on voit que t ’ es un cinglé de Roumain » ( Аня Вердеш ). On le voit bien, le proto-chronisme est une attitude constante chez les représentants de ce camp qui soutient que le « moldave » serait beaucoup plus ancien que le roumain : « la langue moldave existait avant d ’ être nommée Parlons-nous roumain ou moldave ? 33 <?page no="34"?> roumain. Quelles sont tes sources ? Consultes-en d ’ autres, ne sois pas ignorant » (asd dsa), « Alex Green on ne peut parler de Roumanie qu ’ à partir de 1878 ” (valentina mir), « La Moldavie existait avant la Roumanie ». Les plus acerbes des défenseurs de la langue « moldave » sont @Gheorghe Bogdan, @Sania Sania, @valentina mir, @Lucik Ly et d ’ autres. Commence une polémique violente entre eux et les adeptes du roumain. Par exemple, Gheorghe Bogdan tente de convaincre @ Ș ase, patru, trei pe dos que « Les Moldaves parlent la langue moldave depuis des siècles. ( … ) A la fin du XIXe siècle, ces deux langues apparentées ont été appelé moldo-valache, par édit de Cuza, selon le nom du nouvel Etat. Les Moldaves habitant entre le Prut et le Nistre n ’ ont pas participé à ce théâtre linguistique et ont gardé la langue de leurs ancêtres - la langue moldave » (Gheorghe Bogdan). @ Ș ase, patru, trei pe dos, @Ion Lupusor, @Costara etc. lui recommande de s ’ informer mieux, de « mettre en fonction son cerveau, car il existe d ’ autres preuves scientifiques ». La même méthode est utilisée par d ’ autres internautes, qui évoquent des arguments philologiques et des citations appartenant aux chroniqueurs, aux historiens et aux écrivains classiques. Ils rappellent à Gh. Bogdan que la langue « moldave » est une construction stalinienne, apparue dans l ’ ancienne RépubliqueAutonome Soviétique Socialiste Moldave des années 30 du XXe siècle. Pourtant, Gh. Bogdan apporte des preuves qu ’ il a forgées lui-même, avec les adeptes de l ’ idéologie moldave : « @Costara Et alors, aux savants moldaves du Moyen Age et pas seulement, à Kog ă lniceanu, Ureche, Cantemir, Alecsandri, Eminescu, Boia, l ’ Académie des Sciences de Roumanie et beaucoup d ’ autres, se sont toujours les Russes avec Stalin et Putin qui leur ont mis dans la tête l ’ idée qu ’ en RM on parle la langue moldave ? » (Gheorghe Bogdan). Et en guise de conclusion à ses prémisses illogiques, Gh. B. affirme : @Costara la langue roumaine n ’ a pas existé parmi les langues européennes avant la fin du XXe siècle, là où vous avez tout privatisé par des crimes, la terre, la littérature, l ’ histoire, la langue et - Bon Dieu - l ’ armée, la langue moldave, vieille de plus de 600 ans devient la langue roumaine en un clin d ’œ il … (Gheorghe Bogdan). Vu que les arguments scientifiques n ’ ont plus de valeur, on les remplace par des injures : « @Gheorghe Bogdan j ’ ai l ’ impression que tu n ’ es qu ’ un troll … du Dodon » (Ion Lupusor), et Sania Sania, supporter de Gheorghe Bogdan, dépasse toutes les bornes de la politesse : « Ion Lupusor ion, sois pas bête, tu ne sais peutêtre pas que les Moldaves ont toujours lutté contre ces putains de Roumains ( … ) il faut bien connaître l ’ histoire » (Sania Sania). Une nouvelle confrontation linguistique et identitaire commence entre Costara et Asd Asd. Grand spécialiste de l ’ histoire des Roumains et de leur 34 Eugenia Bojoga <?page no="35"?> langue, Costara tente de convaincre son opposant par des arguments scientifiques : Selon toi, une langue naît au moment de son attestation écrite ( … ) Nos ancêtres ont constaté que les langues parlées sur nos terres se ressemblaient parfaitement et que ce n ’ était pas normal qu ’ elles portent des noms différents, selon la zone où elles étaient parlées. Ils ont étudié et vu que la source de la langue vient de Rome comme pour beaucoup de langues d ’ origine romane et ils ont décidé de l ’ appeler Langue Roumaine (Costara). Dans cette polémique entre les deux Moldaves intervient Corneliu Doc: « @asd dsa tu ne comprends pas l ’ essence de la question, et donc tu ne comprends pas la différence entre langue et dialecte, deux notions différentes. La langue est la même - le roumain, mais le dialecte, lui, est moldave » (Corneliu Doc). On évoque la pluralité des opinions en ce qui concerne l ’ origine de la langue et son individualité, et c ’ est encore Costara qui met le point sur le i : @asd dsa Pour le sujet en question il n ’ y a pas autant d ’ opinions que de personnes. Il existe une seule évolution de la structure linguistique que nous utilisons et qui s ’ appelle plus récemment - le roumain. Si l ’ on veut l ’ appeler moldave, très bien, seulement c ’ est la variante plus archaïque du nom de la langue, mais ce qui est resté et qui est moldave, c ’ est le dialecte - le dialecte est moldave. Il faut éviter de confondre les deux notions, langue et dialecte ! (Costara). Un autre internaute recommande à @asd dsa de regarder une video sur l ’ histoire de la langue roumaine : « Tiens, regarde cette vidéo. https: / / www.youtube.com/ watch? v=9lNqNt-kkE0 ». En général, les représentants du premier camp expliquent aux adeptes de la langue moldave, avec patience et tacte, la différence entre langue et dialecte, en leur recommandant une bibliographie et en les invitant à se cultiver, à lire, à apprendre davantage sur l ’ histoire des Roumains. La raison est la suivante : dans le temps, d ’ un côté et de l ’ autre du Prut sont apparus des milliers d ’ articles et d ’ ouvrages dénonçant les faux dans l ’ histoire des Moldaves et de la langue moldave. L ’ ethnogenèse a été formulée explicitement par de grands historiens tels que Gheorghe Ş incai, Petre Maior, Alexandru Xenopol, Nicolae Iorga, etc. En plus, les recherches archéologiques ont apporté de nombreuses informations sur les Roumains et leur langue … (Marius Ciobanu). De manière semblable, ThePinkMadcap, Dani Groza, Gavril73 Cristian, Dacian, etc., qui ont une culture historique et philologique solide, recommandent à ceux qui affirment l ’ existence de la langue « moldave » de s ’ informer, de lire, de ne pas se compromettre devant tout le monde. D ’ autres internautes qui connaissent l ’ histoire récente de la République de Moldavie et de la langue « moldave » Parlons-nous roumain ou moldave ? 35 <?page no="36"?> expliquent à leurs opposants que la langue « moldave » est née pour des raisons politiques. Pour compléter tout cela, un autre internaute ajoute : « Ceux qui affirment que nous parlons la langue moldave n ’ ont pas appris notre histoire ou sont ignorants. Malheureusement, chez nous il y a beaucoup d ’ ignorants. Tel peuple, tels dirigeants ! » (Alexei Malai). Quant au taux de participation au débat, les adeptes de la langue « moldave » sont beaucoup moins nombreux, un quart de l ’ ensemble des participants, mais ils sont assez violents verbalement et utilisent souvent un langage injurieux. Les représentants de ce camp apportent des citations toutes faites, coupées du contexte et tronquées, qu ’ ils reproduisent systématiquement avec copier-coller et avec les arguments soviétiques d ’ autrefois, déjà superflus. En plus, ils invoquent une sorte de droit coutumier, une sorte d ’ obligation ancestrale, d ’ héritage venant des temps anciens, un protochronisme linguistique représenté par la langue « moldave ». Quant à la polémique roumain vs. moldave, certains attirent l ’ attention sur le fait qu ’ elle a des conséquences néfastes sur la vérité historique et sur l ’ appartenance ethnique des habitants de Bessarabie. Voici le témoignage d ’ Alexandrina Rusu, qui habite à l ’ étranger : Je viens de la République de Moldavie et je parle la langue roumaine. J ’ habite en Italie, et je parle roumain avec ma famille, à la maison. A l ’ école, j ’ ai appris la Langue et la Littérature Roumaines. Mais ce qui me fait le plus de peine est qu ’ au moment où un étranger me questionne sur la langue parlée en Moldavie et où je lui réponds le roumain, lui, il me réplique qu ’ il a entendu qu ’ on y parlait MOLDAVE. Et alors, comment lui dire que notre pays n ’ est pas solidaire et ne veut pas comprendre quelque chose de si important (Alexandrina Rusu). En guise de conclusion à ce qui a été dit, une internaute écrit : « Nous parlons la langue moldave, mais nous parlons roumain. Dialectes de Moldavie, de Valachie, de Dobrogea, d ’ Olt, ce sont des dialectes, des dialectes régionaux, et la langue roumaine est officielle, littéraire, reconnue dans tous les pays » (Eugenia N). « Le roumain, chers compatriotes, nous parlons le roumain ! » Les internautes ne font pas que discuter sur un ton polémique, ils apportent aussi diverses solutions au problème endémique au-delà du Prut, car ils ont pris conscience de l ’ absurde de la situation linguistique en République de Moldavie. Leurs arguments sont raisonnables et fondés sur des données scientifiques et historiques. Au niveau intuitif, beaucoup se rendent compte que, du fait que les 36 Eugenia Bojoga <?page no="37"?> locuteurs sur les deux rives du Prut se comprennent facilement, il est absurde d ’ affirmer qu ’ il s ’ agirait de deux langues : Lorsqu ’ un Moldave parle avec un Roumain - ils parlent la même langue, seul le dialecte est différent - mais ils se comprennent, c ’ est normal. Comment prétendre qu ’ il existe deux langues différentes là où l ’ on parle la même langue, qui est la langue Roumaine (Alisa Bucarciuc). Or, le critère le plus important pour différencier les langues est celui de l ’ intercompréhension, de la communication efficace. Les répliques suivantes y font référence : « Je demande à Ceux qui prétendent parler moldave de ne plus utiliser un seul mot du roumain » (Darius Gan ță ), « Que pensez-vous, quelqu ’ un embauche un traducteur roumain-moldave, moldave-roumain ? je propose ma candidature » (Megathow), « C ’ est simple, la langue parlée en Roumanie et en République de Moldavie est la même, exception faite de son nom. Il faut se demander donc si ceux qui parlent « moldave » ont besoin de traducteur quand ils sont en Roumanie ou quand ils écoutent Klaus Iohannis » (bergweg), « Il faudrait demander à nos moutons de traduire du moldave en roumain et de voir ce qu ’ ils disent » (Filip Pusca), « Google translator n ’ a pas de langue Moldave: (pourtant il y a les langues Gujarati, Hausa, Igbo … il paraît que les Moldaves ne reproduisent plus depuis longtemps et cela n ’ aurait pas de sens … » (Dima Torino). Un internaute perspicace fait la proposition suivante : « Cette question, il faut la poser aux citoyens roumains, pour qu ’ ils précisent quelle langue ils entendent et comprennent lorsque les citoyens de la République de Moldavie prennent la parole ? Et ce sera la seule réponse correcte » (COLD WIND). Selon la même logique, un autre internaute évoque le nombre total des locuteurs qui parlent le roumain comme langue historique : La langue moldave et la langue roumaine sont une seule et même langue ! ! ! Seule une différence de mentalité leur fait dire qu ’ ils parlent moldave ou roumain. Je dis à ceux qui prétendent parler moldave : des 3 millions de Moldaves, combien diront qu ’ ils parlent moldave ? 2 millions peut-être, au max ? ? ? OK, parmi les 20 millions de Roumains et plus, tous parlent roumain. Alors les 2 millions sont-ils plus « justes » que les 20 millions et plus, si la langue est la même ? ? ? ? ? (nick marenschi). Certains citoyens de la République de Moldavie comprennent que les vraies raisons de cette discussion sur la langue et l ’ identité des Roumains de Bessarabie sont de nature politique : « Oui. La langue c ’ est le roumain. Je donne à Dodon, Turcan, et à d ’ autres politiques le conseil de travailler pour améliorer la vie du peuple. La langue et l ’ histoire sont le domaine de recherche de personnes compétentes » (Grigore Danu), « Je donnerais un conseil aux partisans de la langue moldave. Si vous n ’ avez pas le courage de dire la vérité, ayez au moins un Parlons-nous roumain ou moldave ? 37 <?page no="38"?> peu de discernement et si l ’ on vous interroge sur la langue que l ’ on parle, dites « Je n ’ aime pas les Roumains, je n ’ accepte pas l ’ idée d ’ union, mais la langue c ’ est le roumain ». Ainsi, vous montrez que, au moins, vous n ’ êtes pas bêtes … » (T Pescador). Un commentaire tout aussi pertinent, qui doit être pris en considération, est le suivant : La question est scientifique, peu importe ce qu ’ en pensent les gens ou le Parlement, la Cour Constitutionnelle ou le Président. Il suffit de l ’ avis de l ’ Académie des Sciences sur ce point. Remettre en question le sujet donné est tout aussi abérrant que le vote au Parlement du tableau de la multiplication 14 (Marcel Ambrosii). Alexei Ganja est tout aussi convaincant en constatant avec tristesse que : Derrière cette soi-disant « langue moldave » ne se trouve pas la vérité, mais l ’ intérêt. Ce n ’ est pas la même situation qui fait que certains dénotent par la langue « helvète » une façon de parler l ’ allemand (dans la partie allemande de la Suisse) ou la langue « napolitaine » à Naples … Les dialectes sont inévitables et ont probablement le droit de porter leurs noms. Mais jamais nous n ’ entendrons un Italien ou un Suisse dire : « la langue napolitaine » ou la « langue helvète », ni un habitant de Transylvanie dire qu ’ il parle « la langue transylvaine ». L ’ helvète, le napolitain, le transylvain ne sont pas des langues, mais des dialectes. Mais nous, nous voulons passer pour quelqu ’ un d ’ autre et susciter les moqueries en prenant un dialecte pour notre langue. Nous ne savons pas que nous payons cher pour cela, jusqu ’ à perdre notre indentité comme peuple (s ’ il en est resté quelque chose ou si elle a jamais existé) ! (Alexei Ganja). Costea Bogdan partage le même avis : « Il n ’ existe pas de langue Moldave. Il n ’ existe même pas de dialecte moldave ! Voici un lien d ’ accès à un exemple de dialecte : https: / / m.youtube.com/ watch? v=YdZoNqD97p0  Pindu - La Calivi - YouTube ” (Costea Bogdan). Et Alin Barba vient ajouter : « Il n ’ est pas correct du point de vue linguistique d ’ affirmer qu ’ en République de Moldavie on parle un dialecte du roumain. Les dialectes de la langue roumaine sont les suivants : le daco-roumain, parlé en Roumanie et en République de Moldavie ( … ), l ’ aroumain, parlé en Macédoine et en Grèce, le megléno-roumain parlé en Albanie et en Grèce et l ’ istro-roumain qui est en voie de disparition, parlé dans la péninsule Istrie en Croatie. ( … ) En République de Moldavie on peut affirmer qu ’ on utilise un « parler moldave » (Alin Barba). 14 L ’ Académie des sciences de la République de Moldavie, par les linguistes de l ’ Institut de Philologie, a donné son avis depuis longtemps : « L ’ ASM est l ’ institution coordinatrice de la langue roumaine en République de Moldavie. En ce sens, l ’ ASM rejette la formule « langue moldave » et défend la formule « langue roumaine ». (cf. https: / / ro.wikipedia. org/ wiki/ Academia_de_%C8%98tiin%C8%9Be_a_Moldovei) 38 Eugenia Bojoga <?page no="39"?> En effet, le conflit linguistique à Chi ș in ă u peut s ’ expliquer par une mauvaise foi politique et par l ’ incapacité de certains locuteurs de langue « moldave » de s ’ élever au-dessus d ’ un parler et d ’ accéder à la langue standard, à la langue roumaine commune, qui présente du point de vue historique toutes les variétés, y compris diatopiques (dialectales). Par ailleurs, Eugenio Coseriu a caractérisé la soi-disant langue moldave du point de vue généalogique, typologique et aréal, en appliquant rigoureusement les critères scientifiques de la description d ’ une langue. Du point de vue généalogique, il estime que : la langue parlée par la population autochtone et majoritaire entre le Prut et le Nistre - et aussi au-delà du Nistre - relève du dialecte daco-roumain. Tout ce qui caractérise le daco-roumain et qui sépare ce dialecte des autres dialectes roumains est caractéristique pour le parler roumain de Bessarabie et de Transnistrie (Coseriu 2005 : 120). En ce qui concerne le critère typologique, le parler « de Bessarabie » est inclus dans le type linguistique roman dans sa version roumaine (avec les mêmes préférences dans le cadre du même type) et dans le sous-type daco-roumain, avec la même hypertrophie de la détermination et les mêmes « tendances » 15 . Du point de vue du critère aréal, le parler de Bessarabie fait partie de l ’ aire daco-roumaine, étant donné qu ’ il possède : les mêmes traits caractéristiques, y compris l ’ influence hongroise et la formation de la langue commune (à laquelle ont contribué, sous le régime du tzar, bon nombre d ’ écrivains et de savants de Bessarabie), et, malgré les influences étrangères, n ’ a pas été attiré dans une autre aire ou sous-aire linguistique (ibidem, p. 121). Par conséquent, ceux qui affirment qu ’ il existerait une langue « moldave » différente de la langue roumaine, confondent de ce fait critère généalogique et critère aréal, et confondent histoire linguistique et histoire politique. Ils pensent que la langue « moldave » s ’ est séparée de la langue roumaine et qu ’ elle serait devenue une langue autonome par un processus de différenciation - de divergence positive et négative - , à cause d ’ un événement historique externe : l ’ adjonction de la Bessarabie à l ’ Empire Russe, en 1812 (Coseriu 2005, p. 121). Autrement dit, conformément à l ’ idéologie « moldave » et à la situation politique, le parler moldave à gauche du Prut et celui à droite du Prut auraient évolué différemment (l ’ un restant moldave, l ’ autre devenant roumain), si bien que la frontière du Prut serait devenue dans le temps une frontière linguistique, à commencer par l ’ époque tzariste. Or, E. Co ș eriu montre que, dans une perspective scientifique, cette thèse n ’ est pas fondée, étant donné que : 15 Pour plus de détails sur l ’ attitude de E. Coseriu à l ’ égard de la langue « moldave », voir Bojoga (2017 : 317 - 337). Parlons-nous roumain ou moldave ? 39 <?page no="40"?> a) du point de vue linguistique, le parler de Bessarabie n ’ a jamais été séparé de la langue parlée à droite du Prut ; ce parler ne concerne pas seulement le parler « moldave » ; la ligne du Prut n ’ est pas une frontière linguistique (il n ’ existe aucun phénomène de divergence et de convergence qui sépare le parler de Bessarabie du daco-roumain à droite du Prut) ; les parlers à droite et à gauche du Prut, roumains depuis toujours, étaient considérés explicitement comme roumains beaucoup avant l ’ adjonction de la Bessarabie par les Russes (ibidem, p.122). Après l ’ étude des cartes de l ’ Atlas linguistique roumain (qui montre la Bessarabie tout entière et des zones de Transnistrie) et leur comparaison avec les cartes de l ’ Atlas linguistique moldave, E. Coseriu arrive à la conclusion que le parler du nord et du centre de la Bessarabie appartient au parler moldave proprement-dit, qui s ’ étend jusqu ’ au nord de la Transylvanie, et le parler du sud de la Bessarabie appartient au parler valach, comme le parler du sud de la Moldavie entre le Prut et les Carpates (la seule différence est qu ’ en Bessarabie les limites entre les parlers moldave et valach se situent plus au sud qu ’ à droite du Prut). Aucune isoglose essentielle ne correspond à la ligne du Prut, estime Coseriu, aucune isoglose ne s ’ étend du nord au sud, elles vont toutes de l ’ ouest à l ’ est, et coupent la ligne du Prut en deux : En réalité, du point de vue strictement généalogique, le parler de Bessarabie ne représente à aucun niveau une unité linguistique autonome. Il n ’ est pas une langue différente du roumain, ni un dialecte au même plan que les quatre dialectes historiques, ni un parler autonome dans le cadre du dialecte daco-roumain moldave : il est simplement la section à gauche du Prut du même système de parlers et sous-parlers que nous voyons à droite du Prut (Coseriu 2005 : 122). En conclusion, une langue « moldave » différente du roumain et ou tout simplement du dialecte daco-roumain n ’ existe pas ; elle n ’ est autre chose qu ’ une « chimère créée par la politique éthnico-culturelle soviétique, sans aucune base réelle » (ibidem, p.120). Conclusions En revenant au clip vidéo Parlons-nous roumain ou moldave ? , qui fait l ’ objet de notre recherche, nous avons montré que les attitudes des locuteurs à l ’ égard de leur langue maternelle sont divergentes et variées. Issu des politiques linguistiques communistes et socialistes de ces dernières décennies, et de l ’ héritage de l ’ idéologie moldave à l ’ époque soviétique, le syntagme « langue moldave » a été créé à partir du nom du parler et couvre une réalité hétérogène, ce qui sème la confusion chez les locuteurs autochtones. Privés d ’ une éducation linguistique solide, les locuteurs moldaves n ’ ont pas la motivation ni l ’ ouverture pour accéder 40 Eugenia Bojoga <?page no="41"?> à un niveau supérieur à leur parler local, au niveau de la langue standard, au roumain littéraire. Par conséquent, du point de vue sociolinguistique, la situation de la langue roumaine en République de Moldavie peut être caractérisée en termes de diglossie (cf. Condreanca 2012, Condrea 2018). Au sens strict, la diglossie est associée à une situation sociale où une communauté parlante utilise parallèlement deux variétés de la même langue dans des domaines et pour des fonctions sociales différents. Autrement dit, il s ’ agit de la coexistence de deux systèmes linguistiques, l ’ un, considéré comme prestigieux et utilisé à l ’ écrit, et l ’ autre, considéré comme inférieur, est utilisé dans l ’ expression orale et dans des situations informelles 16 . Voilà pourquoi les linguistes de la République de Moldavie devraient cultiver la langue, familiariser les locuteurs avec le registre littéraire de la langue et avec des notions fondamentales de linguistique. Mais en attendant, les internautes qui défendent le moldave devraient tenir compte des preuves et des conseils de leur collègues internautes : « Le roumain, chers amis, nous parlons le roumain » (Marginean Ion), « le roumain, mes frères, le roumain, un point c ’ est tout » (Ion Karp), commentaires qui font appel au discernement et à la raison. Pour terminer, voilà le commentaire d ’ un internaute portugais ou brésilien : « TheSaltube3 weeks ago): « Se existe língua moldava, ent-o também existe língua brasileira. Mas eu acho que n-o existe nenhuma das duas » (TheSaltube), ce qui signifie « s ’ il existe le moldave, alors il existe aussi le brésilien. Mais j ’ en doute et je crois qu ’ il n ’ existe ni l ’ un, ni l ’ autre ». Références bibliographiques Bojoga, Eugenia (2013): Limba român ă - „ între paranteze ” ? Despre statutul actual al limbii române în Republica Moldova, Chi ş in ă u, Editura Arc. Bojoga, Eugenia (2016): „ 50 years since the Western publication of the study Rumänische Sprache und Literatur in Bessarabien und Transnistrien by Klaus Heitmann “ . In: Linguistic and Cultural Contacts in the Romanian Space - Romanian Linguistic and Cultural Contacts in the European Space, proceedings, Ia ş i, 16 - 18 September 2015, edited by L Boto ş ineanu, O. Ichim and Fl. - T. Olariu, Roma, Aracne Editrice, 2016, p. 21 - 34. 16 Compte tenu des réalités bessarabiennes, la diglossie est la situation linguistique où deux variétés d ’ une même langue sont utilisées pour communiquer à l ’ intérieur d ’ une communauté nationale, ayant chacune des fonctions spécifiques et des statuts sociaux différents. L ’ une des variétés correspond à un statut social supérieur, étant utilisée dans la communication officielle, et l ’ autre est associée à un statut social inférieur. Pour une approche plus générale, voir Moldovan (2005 : 9 - 12). Parlons-nous roumain ou moldave ? 41 <?page no="42"?> Bojoga, Eugenia (2017): Le roumain de Moldavie et ses problèmes. Les réflexions « froides » d ’ Eugenio Coseriu sur un sujet « incendiaire ». In: Gerda Haßler & Thomas Stehl (ed.), Kompetenz - Funktion - Variation. Linguistica Coseriana V. Beiträge der internationalen Tagung an der Universität Potsdam, 8. - 10. Oktober 2015. Frankfurt, Peter Lang Verlag, p. 344 - 369. 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Dans la vue d ’ ensemble de la théorie de Coseriu, il sera nécessaire de rappeler la trichotomie système, norme, parole pour mieux distinguer entre signification au niveau du système de la langue et désignation, c ’ est-à-dire la référence au monde extra-linguistique dans l ’ acte de la parole. Les exemples, tirés des langues portugaise, espagnole, française, italienne et roumaine, donneront une première idée du défi que pose la métonymie dans le cadre d ’ une analyse qui prend le contenu comme point de repère. 1 Wenn man im Rahmen einer Festschrift für Rudolf Windisch auf Eugenio Coseriu zu sprechen kommt, so mag dies scheinen, als wolle man Eulen nach Athen tragen oder, um Coseriu (1980: 106) sprechen zu lassen: als wolle man “ [d]em Pfarrer das Vaterunser beibringen ” . Wenn man zudem in Betracht zieht, wie viele von Coserius Schülern das Thema Wortbildung aufgegriffen und weiterentwickelt haben, so mag dieser Eindruck noch verstärkt werden. Zu diesen Schülern zählt auch der Jubilar, der vor noch nicht allzu langer Zeit und angeregt durch Cristinel Munteanu dem Typus coupe-papier besonderes Augenmerk geschenkt hat (Munteanu/ Windisch 2016; frühere Arbeiten zum Thema in Busse/ Schmidt-Radefeldt 2003: 11 - 17). Seit der monumentalen Darstellung von Jens Lüdtke (2005) zur Inhaltlichen Wortbildung der romanischen Sprachen scheint alles Wesentliche gesagt; daher kann unser Anliegen nur ein ganz bescheidenes sein: dem Studienkollegen, dem Lehrer aus gemeinsamen Freiburger Tagen, dem langjährigen Freund zu gratulieren. <?page no="46"?> Dies mag vielleicht auch erklären, weswegen andere Untersuchungen zur Wortbildung hier viel zu wenig zitiert werden. Darüber hinaus mögen die Erfahrungen aus dem Unterricht mit unseren Studierenden einer der Beweggründe sein, zunächst allgemein bekannte Aspekte aus Coserius Sprachtheorie zu wiederholen - auch wenn dies in den Augen mancher redundant erscheinen mag. Zuletzt sei daran erinnert, dass in der Regel lediglich ein einziger Schritt des betreffenden Wortbildungsverfahrens im Fokus steht; auf komplexe Wortbildungsketten wird in der Regel ebenfalls weder hingewiesen noch näher eingegangen. 1.1 Betrachtet man Beispiele wie port. fado, fadinho, fadista ‘ Fado ’ , ‘ nettes, kleines Fado-chen ’ , ‘ Fadosänger ’ bzw. ‘ Fadosängerin ’ , span. guitarra, guitarrita 1 , guitarrista ‘ Gitarre ’ , ‘ Gitarrchen ’ , ‘ Gitarrenspieler ’ und ‘ Gitarrenspielerin ’ , franz. fleur, fleurette, fleuriste ‘ Blume ’ , ‘ Blümchen ’ , ‘ Blumenhändler ’ und ‘ Blumenhändlerin ’ , ital. libro, librone, libraio ‘ Buch ’ , ‘ dicker Wälzer ’ , ‘ Buchhändler ’ und rum. cârcium ă , cârciumioar ă , cârciumar ‘ Kneipe ’ , ‘ Kneipchen ’ , ‘ Kneipier ’ , so stellt man fest, dass die genannten Beispiele, gemäß der traditionellen Wortbildungsanalyse, dem Verfahren der Suffigierung zuzurechnen sind: an die jeweilige Basis wird das entsprechende Suffix angefügt; in unserem Fall inho und ista für das Portugiesische, ita und ista im Spanischen, ette und iste in den französischen Beispielen, one und aio im Italienischen sowie, zu guter Letzt, ioar ă und ar für das Rumänische. Dabei wird, der ‚ Einfachheit ‘ , der Übersichtlichkeit und der Anschaulichkeit halber, das Suffix pauschal gefasst ( inho etc.) und nicht weiter differenziert zwischen dem Suffix im eigentlichen Sinn ( inh usw.) und der morphologischen Endung für das Genus ( a, o). Im Fall des Rumänischen fällt es uns übrigens nicht leicht, auf m ă m ă lig ă , m ă m ă ligu ţă und m ă m ă ligar ‘ Maisbrei ’ , ‘ Maisbreichen ’ , ‘ begeisterter Maisbrei- Esser ’ (abwertend auch ‘ Bauerntölpel ’ u. a. m.) zu verzichten: im Rahmen einer polyromanischen Darstellung ist man vielleicht in besonderem Maße versucht, das Autochthone, das als charakteristisch Wahrgenommene anzuführen. Aufgrund der negativen Charakterisierungskraft, die mit dem Brei im allgemeinen und dem Maisbrei im besonderen verbunden ist (für Norditalien mag man an die polentoni, für das Oberengadin an die puters ‘ Breifresser ’ denken; vgl. Liver 2 2010: 44 - 45), haben wir uns jedoch letztlich für den relativ “ unbelastet ” scheinenden ‘ Wirt ’ entschieden. 1 Das Diccionario de la Real Academia Española verzeichnet außerdem guitarrillo für eine bestimmte Variante der üblichen Gitarre. 46 Winfried Busse / Gabriele Beck-Busse <?page no="47"?> 1.2 Ein zweiter Blick auf die Beispiele offenbart einen gravierenden Unterschied: Ist bei den zweiten Elementen des jeweiligen Tripels (fadinho, guitarrita, fleurette, librone, cârciumioar ă ) mit der Suffigierung eine Spezifizierung, Präzisierung, Modifizierung der Ausgangsbasis ‘ Fado ’ , ‘ Gitarre ’ , ‘ Blume ’ , ‘ Buch ’ , ‘ Kneipe ’ verbunden, so bewirkt die Suffigierung bei den dritten Gliedern deutlich mehr: zur Basis tritt eine weitere “ Einheit ” hinzu, die auf eine wie auch immer geartete Weise mit der Ausgangsbasis “ zu tun ” hat - in den angeführten Beispielen in Form einer agierenden Person. 1.3 Eine vergleichbare Diskrepanz zwischen formaler Analogie einerseits (Suffigierung) und inhaltlicher Differenz andererseits (einfache Spezifizierung vs. Hinzutreten einer zweiten Einheit) ist auch in Zusammenhang mit Bildungen von verbalen Basen festzustellen, wie die Beispiele port. elevar, elevaç-o, elevador, ‘ emporheben ’ , ‘ Anheben ’ bzw. ‘ Erhebung ’ , ‘ Fahrstuhl ’ , span. descubrir, descubrimiento, descubridor, ‘ entdecken ’ , ‘ Entdeckung ’ , ‘ Entdecker ’ , franz. maquiller, maquillage, maquilleur ‘ schminken ’ , ‘ Schminken ’ , ‘ Schminker ’ (d. h. ‘ Person, die schminkt ’ ), ‘ Maskenbildner ’ , ital. snocciolare, snocciolatura, snocciolatore ‘ entkernen ’ , ‘ Entkernung ’ , ‘ Entkerner ’ , rum. a înv ăţ a, înv ăţă tur ă 2 , înv ăţă tor ‘ lernen ’ , ‘ Lernen ’ , ‘ Lehrer ’ illustrieren: liegt bei den Beispielen, die an zweiter Stelle stehen, eine Substantivierung des Geschehens “ als solchem ” (d. h. losgelöst von verbalen Kategorien wie Person, Tempus usw.) vor (also ein “ rein ” grammatischer “ Vorgang ” , der gängigerweise unter dem Begriff Verbalabstraktum rangiert), so tritt bei den Ergebnissen in dritter Position (elevador, descubridor, maquilleur, snocciolatore, înv ăţă tor) wieder jeweils eine weitere “ Einheit ” hinzu - abermals als agierende Person bzw. ausführendes Gerät. 1.4 Diese Beispiele mögen genügen, um zu veranschaulichen, weswegen Coseriu einer inhaltlich bestimmten Analyse der Wortbildung den Vorzug gibt: von der Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens her betrachtet liegen in allen Fällen die gleichen Verfahren vor, nämlich Suffigierung; in inhaltlicher Hinsicht geschieht jedoch recht Unterschiedliches: einer Modifizierung der Basis (fadinho, guitarrita, fleurette, librone, cârciumioar ă ) bzw. einer Grammatikalisie- 2 Parallel hierzu existiert auch die Bildung înv ăţă mînt; es muss an dieser Stelle offenbleiben, inwiefern die Bildung mit tur ă das Verbalgeschehen in seiner Abstraktion vom Vorgang (d. h. das ‘ Lernen ’ als solches) benennt, während die Bildung mit mînt von vornherein auf die Begleitumstände des ‘ Lernens ’ ( ‘ Unterrichtswesen ’ etc.) übertragen wird. Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre 47 <?page no="48"?> rung in Form des Übergangs von einer Wortart in eine andere (elevaç-o, descubrimiento, maquillage, snocciolatura, înv ăţă tur ă ) steht ein in inhaltlicher, in semantischer Hinsicht weitaus komplexeres Verfahren gegenüber: ein Verfahren nämlich, das eine weitere “ Einheit ” (ein Agens bzw. ein Gerät) einbringt (fadista, guitarrista, fleuriste, libraio, cârciumar bzw. elevador, descubridor, maquilleur, snocciolatore, înv ăţă tor). Genauer gesagt bzw. allgemein ausgedrückt: ein in Hinblick auf die Ausdrucksseite des Zeichens vergleichbares Verfahren (die Suffigierung) kann in inhaltlicher Hinsicht, kann mit Bezug auf die Inhaltsseite des Zeichens recht unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen: Alteration (hier: Diminutiv und Augmentativ) respektive Verbalabstraktum auf der einen Seite; Nomen agentis bzw. Nomen instrumentalis auf der anderen Seite. 1.5 Die Analyse der Beispiele führt zu den Verfahren, die Coseriu im Rahmen seiner inhaltlich bestimmten Theorie der Wortbildung annimmt. Dabei bestimmen zwei Kriterien seine Klassifikation; zwei Kriterien, die miteinander gekreuzt werden. Und wie bei jeder Kreuzklassifikation üblich, ergeben sich damit grundsätzlich vier Möglichkeiten, wobei Coseriu (1977: 53), etwas unglücklich, zunächst von “ drei Haupttypen ” spricht, da er die Komposition insgesamt, in einem ersten Schritt, als einen (Haupt - )Typus einführt, bevor dieser Haupttypus weiter differenziert wird. Bei den beiden von Coseriu unterschiedenen Kriterien handelt es sich um: a. die Frage der involvierten Elemente, die der Grammatikalisierung des Wortschatzes zugrunde liegen: ein Element oder zwei Elemente; b. die Frage der Art der Grammatikalisierung: aktuell vs. inaktuell. 3 Ist lediglich ein Element in der Ausgangsbasis betroffen, so kann entweder eine Modifizierung (fadinho, guitarrita, fleurette, librone, cârciumioar ă ) oder die Entwicklung zu einer anderen Wortart (elevaç-o, descubrimiento, maquillage, snocciolatura, înv ăţă tur ă ) vorliegen. Sind zwei Elemente involviert, so spricht auch Coseriu von Komposition, wobei zwei Verfahren zu unterscheiden sind; a. die lexematische Komposition, die zwei lexikalische Elemente verbindet: port. verde-amarelo ‘ grün-gelb ’ (d. h. ‘ echt brasilianisch ’ - nach den beiden Haupt- Farben der Flagge), span. hierbabuena ‘ Minze ’ , franz. coffre-fort ‘ Tresor ’ , ital. 3 An dieser Stelle kann nicht weiter auf die Opposition aktuell vs. inaktuell eingegangen werden; auch in Bezug auf das Verbalsystem nimmt Coseriu (1976) übrigens auf aktuell vs. inaktuell als Strukturierungsmerkmal Bezug. 48 Winfried Busse / Gabriele Beck-Busse <?page no="49"?> bianconero ‘ weiß-schwarz ’ (die Farben von Juventus Turin), rum. ro ş -albastru ‘ rot-blau ’ (die Farben von Steaua Bucure ş ti) oder alb-ro ş i ‘ weiß-rot ’ (um es uns mit den dinamovi ş ti, den Anhängern der hauptstädtischen Konkurrenz Dinamo Bucure ş ti nicht zu verderben; von Rapid ganz zu schweigen … ). b. die prolexematische (in der Nachfolge auch generische) Komposition, bei der eines der beiden Elemente nicht lexikalischer, sondern allgemein grammatischer Natur ist, wobei Coseriu (1977: 54) dieses “ allgemein[e] substantivisch-pronominal[e] Element ” als “ etwa: ‘ jemand oder etwas ’” (also z. B. Agens respektive Instrument) annähernd (bei Coseriu ausdrücklich: “ etwa ” ) zu beschreiben sucht; zu denken ist hier also an fadista, guitarrista, fleuriste, libraio, cârciumar und elevador, descubridor, maquilleur, snocciolatore, înv ăţă tor. 1.6 Neben diesen einfachen Verfahren interessieren Coseriu aber insbesondere die Bildungen vom Typ port. salva-vidas ‘ Rettungsboot ’ , ‘ Rettungsschwimmer ’ , span. matasanos ‘ Kurpfuscher ’ , ‘ Quacksalber ’ , franz. chasse-neige ‘ Schneepflug ’ , ital. tirabaci ‘ Herrenwinker ’ (keck hervorstehende Locke) oder rum. zgâriebrânz ă 4 wörtlich ‘ Käsekratzer ’ (d. h. ‘ Geizhals ’ , ‘ Schnorrer ’ ). Bei diesem Bildungstypus sieht Coseriu zwei Verfahren kombiniert: a. Im Rahmen einer prolexematischen Komposition entsteht ein komplexes Zeichen, das einen verbalen Sachverhalt mit einem Agens oder Instrument in Zusammenhang bringt, so dass salva - , mata - , chasse - , tira - und zgârie für Inhalte stehen, die, grob gesprochen, auf Deutsch mit ‘ Retter ’ , ‘ Töter ’ , ‘ Jäger ’ , ‘ Zieher ’ oder ‘ Kratzer ’ wiedergegeben werden können. b. In einem zweiten Schritt wird das prolexematische Kompositum salva - , mata - , chasse - , tira bzw. zgârie im Rahmen einer lexematischen Komposition mit einem weiteren lexikalischen Element verbunden: vidas, sanos, neige, baci bzw. brânz ă . Es entstehen so die oben genannten Komposita, die, wenn es die Eindeutigkeit angeraten erscheinen lässt, im Folgenden auch als ( “ Zweifach -” )Komposita bezeichnet werden. War bisher vorrangig von der inhaltlichen Seite des Zeichens die Rede, so soll nicht unterschlagen werden, dass Coseriu (1977: 57) in Hinblick auf die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens ausdrücklich darauf hinweist, dass “ das 4 Das Beispiel übernehmen wir gerne aus Munteanu/ Windisch (2016), die ihrerseits auf Coseriu (1977) zurückgreifen. Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre 49 <?page no="50"?> prolexematische Kompositum durch Unterdrückung der dafür möglichen Suffixe reduziert wird ” : statt salvador, matador, chasseur, tiratore oder zgârietor gehen die bereits mehrfach erwähnten “ reduzierten ” Formen salva - , mata - , chasse - , tira - und zgârie in die Verbindung ein. Dabei werden hier salvador, matador, chasseur, tiratore und zgârietor ohne jede Rücksicht darauf angeführt, ob die betreffende ungekürzte Form in der Norm eine etwas andere Lesart suggeriert als oben angeführtes und vom System her gegebenes (und daher abstrakter zu denkendes) ‘ was rettet ’ , ‘ was tötet ’ , ‘ was (ver)jagt ’ , ‘ was zieht ’ und ‘ was kratzt ’ (zu System und Norm vgl. Coseriu 3 1979 a). Bewusst wollten wir aber ebenso wenig auf den ‘ Käsekratzer ’ wie auf den ‘ Kurpfuscher ’ , den ‘ Herrenwinker ’ , den ‘ Schneepflug ’ oder das ‘ Rettungsboot ’ verzichten, auch wenn, wie gesagt, einige der entsprechenden ( “ einfachen ” ) prolexematischen Komposita (matador, tiratore, chasseur, salvador, zgârietor), von der traditionellen Norm her zunächst andere Bezeichnungsgewohnheiten nahe legen mögen als die vom System her gedachte Bedeutung ‘ was tötet/ anzieht/ vertreibt/ rettet/ kratzt ’ : unseres Erachtens führen die Beispiele nämlich sehr schön vor Augen, wie losgelöst von den Bezeichnungsgewohnheiten die abstrakte (System - )Bedeutung zu denken ist. Darüber hinaus mag Coserius Formulierung von der Unterdrückung des Suffixes und der Reduktion des prolexematischen Kompositums nahelegen, dass in diesen komplexen Bildungen die prolexematische Komposition “ Suffix-frei ” vonstattengeht. Dass er dies jedoch nicht so verstanden wissen will, macht seine Formulierung deutlich, dass die für die prolexematische Komposition charakteristischen Suffixe ( dor, eur, tore, tor) in diesen “ Zweifach -” Komposita durch ein Null-Suffix vertreten sind. Wörtlich heißt es bei Coseriu (1977: 60): “ Dieses Null-Derivativum vertritt hier in der Tat das Bildungsinstrument, das in der entsprechenden prolexematischen Komposition auch materiell erscheint (wie in taglia-tore, corta-dor, coup-eur). ” In morphologischer Hinsicht bedeutet dies zudem nichts anderes, als dass das prolexematische Kompositum in dieser “ Zweifach -” Komposition keine freie, sondern eine gebundene Form darstellt - worauf “-” explizit hinweist, wobei sich die graphische Realisierung des “-” in der orthographisch üblichen Form nicht zwangsläufig niederschlagen muss, wie das spanische und das italienische Beispiel (matasanos, tirabaci) zeigen. 2 Im Rahmen einer Theorie der Wortbildung, die sich dezidiert vom materiellausdrucksbezogenen Ansatz distanziert und, ebenso dezidiert, inhaltlichsemantisch argumentieren will, liegt eine Frage nahe, die von grundlegender 50 Winfried Busse / Gabriele Beck-Busse <?page no="51"?> Natur ist: Wie genau ist das zu bestimmen, was die Bedeutung des Wortbildungsprodukts ausmacht? Oder, anders gefragt: Was ist als Bedeutung des jeweiligen Wortbildungsprodukts anzunehmen? 2.1 Auch in diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, kurz zu resümieren, was Coseriu selbst unter Bedeutung verstanden wissen will. Dabei ist zentral, dass er konsequent zwischen Sprachbedeutung (Bedeutung auf der Ebene des Systems) und Redebedeutung oder Bezeichnung ( “ Bedeutung ” auf der Ebene der Rede, also die Bezugnahme auf das Außersprachliche im Rahmen der konkreten sprachlichen Äußerung) trennt (vgl. Coseriu 1970 und 4 2007: bes. 71 - 75, 88 - 91). Die Herausforderung an eine inhaltlich-semantische Analyse der Wortbildungsprodukte ist evident und wurde im Rahmen morphologischer Aspekte der Beispiele chasse-neige, tirabaci etc. in 1.6. bereits angesprochen. Dies konsequent vertiefend seien einige andere Beispiele angeführt, bei denen ‚ system-bestimmte ‘ Lesart und Bezeichnung (bzw. Bezeichnungstradition, d. h. lexikalisierte, gemäß Coserius Norm verstetigte Verwendungsweise) eine gewisse ‚ Überraschung ‘‘ bereithalten. Hier mag man an port. mata-bicho, span. matapolvo, franz. couvre-pieds, ital. tirabaci und rum. zgârie-brânz ă denken. Von der Systembedeutung her entspricht mata-bicho einem ‘ (X + töten) + Tier ’ (es kann sich dabei um ein Schnäpschen am frühen Morgen, im Kaffee oder pur, oder auch um das Frühstück allgemein handeln); matapolvo verweist auf ‘ (X + töten) + Staub ’ und benennt einen leichten Nieselregen; couvre-pieds verweist auf die Sprachbedeutung ‘ (X + bedecken) + Füße ’ , könnte also, analog zur ‘ Kopfbedeckung ’ couvre-chef, die Bedeckung des Körperteils Füße (sprich z. B. ‘ Schuhe ’ ) meinen (wir hätten es jedoch nicht ausgesucht, wenn es nicht, deutlicher die Möglichkeiten des Systems ‚ illustrierend ‘ , zur Benennung der ‘ Tagesdecke ’ des Bettes bzw., in moderner Verwendung (TLFi), einer ‘ Überdecke am Fußende ’ dienen würde); auch bei tirabaci stellt sich die Frage, worum es sich bei ‘ (X + ziehen) + Küsse ’ handelt (und nicht jeder mag dabei sofort an eine kess hervorspringende Locke denken); letztlich verweist auch zgârie-brânz ă mit dem Inhalt ‘ (X + kratzen) + Käse ’ auf jedeArt von Gerät oder Mensch, dessen Funktion darin besteht, Käse zu kratzen, und es bedarf eines Aktes der inhaltlichen Übertragung, um das (Zusammen - )Kratzen der/ des (letzten) Käse(reste)s mit der Knauserigkeit in Verbindung zu bringen (zu Metonymie und Metaphorik in der Wortbildung mit besonderem Schwerpunkt auf dem brasilianischen Portugiesisch vgl. auch Basilio 2006). Relativ indirekt deutet Coseriu dabei an, dass die Bedeutung, die das Sprachsystem vorgibt, gerade für Nicht-Muttersprachler augenfällig sein kann, da diese (je nach Wissensstand natürlich) die Sprach-Bedeutung zwar sehr wohl er- Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre 51 <?page no="52"?> kennen können - deswegen aber noch lange keine Idee davon haben müssen, was üblicherweise damit bezeichnet, was üblicherweise damit benannt wird: “ Was weiß ich, wenn ich Italienisch kann, aber nicht weiß, daß ein ‘ scacciapensieri ’ ein bestimmtes Musikinstrument (Maultrommel), und ein ‘ spaventapasseri ’ eine Vogelscheuche ist? ” Und die Antwort darauf muß lauten: “ Ich weiß nur, daß es sich um ‘ qualcuno (o qualcosa) che scaccia i pensieri ’ , um ‘ qualcuno (o qualcosa) che spaventa i passeri ’ handelt ” , denn nur dies ist durch das italienische Sprachsystem gegeben. (Coseriu 1977: 52) Beispiele wie mata-bicho, tirabaci usw. können dies unseres Erachtens recht anschaulich belegen. 2.2 Welche Herausforderung die Fülle an Möglichkeiten von Bezeichnungsübertragungen darstellt, wird deutlich, wenn Coseriu (1977: 55) auf die, wie er sagt, “ Haupttypen von impliziten ‘ grammatikähnlichen ’ Funktionen ” zu sprechen kommt und z. B. für die Entwicklung von franz. loger ‘ beherbergen ’ zu logement ausdrücklich den Ort als Bezugspunkt nennt. Dass mit Ort jedoch die Welt der Bezeichnung(en) ins Spiel gebracht wird, ist offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass logement - analog zu anderen Bildungen auf ment - primär als Verbalabstraktum zu analysieren ist: das flektierbare Verb loger wird von (außersprachlicher) Zeit bzw. (grammatischer Kategorie) Tempus, von Person u. a. ‚ gelöst ‘ und zum Sachverhalt ‚ an sich ‘ entwickelt: der ‘ Beherbergung ’ . Diese wiederum kann, auf der Ebene der Bezeichnung(straditionen) im Rahmen metonymischer Übertragungen (d. h. in sekundären Schritten), auf den Ort, auf mit dem Ort in Zusammenhang stehende Personen usw. ausgedehnt werden, wie dies für rédiger und die Entwicklung zu rédaction festgestellt werden kann. Analoge metonymische Übertragungstraditionen illustrieren auch die Substantivierungen port. entrada ‘ (Akt des) Eintreten(s) ’ , ‘ Eingang ’ (Ort des Eintretens), ‘ Eintrittskarte ’ ( ≈ Dokument für den Zugang), ‘ Eintrittspreis ’ ( ≈ Preis für den Zugang), span. ingreso(s) ‘ Akt des Eintretens ’ , ‘ Ort des Eingangs ’ , ‘ Zulassung zu ’ , ‘ Einnahmen ’ , ‘ Einkünfte ’ , ital. salita ‘ Akt des Aufstiegs ’ , ‘ Steigung ’ , ‘ Einstieg (z. B. in den Bus) ’ , rum. sem ă n ă tur ă ‘ Aussaat ’ = ‘ Akt des Sähens ’ , ‘ Ergebnis der Aussaat ’ (das Ge-Sähte, Frucht), ‘ Ort derAussaat ’ (das Be-Sähte, Feld, Pflanzung), wie dexonline verzeichnet. 2.3 Als Ergänzung, als Gegenstück, als Kehrseite zur ‚ übertragenen ‘ Lesart steht eine am Sprachsystem orientierte semantische Analyse noch vor einer anderen 52 Winfried Busse / Gabriele Beck-Busse <?page no="53"?> Herausforderung: der Frage danach, wie die Gesamtbedeutung zu fassen ist, die das Zeichen als funktionelle Einheit bestimmt (vgl. Coseriu 1976: 38 - 50; 1988: bes. 170 - 200; Laca 1986: bes. 162 - 168). In unserem Rahmen kann dies lediglich anhand eines Suffixes einer romanischen Sprache, nämlich ital. ai( o/ a), illustriert werden. Dieses findet sich in fioraio ‘ Blumenhändler ’ , caldaia ‘ Heizkessel ’ , topaia ‘ Mäusenest ’ , ghiacciaio ‘ Gletscher ’ , giogaia ‘ Berg -’ , ‘ Jochkette ’ , pollaio ‘ Hühnerstall ’ , benzinaio ‘ Tankwart ’ , polentaio ‘ Polentazubereiter ’ , ‘verkäufer ’ , ‘esser ’ , bagagliaio ‘ Kofferraum ’ , ‘ Gepäckwagen ’ , limonaia ‘ Gewächshaus zum Überwintern der Zitronenbäume ’ , occhiaia ‘ Augenhöhle ’ , im Plural auch ‘ Augenringe ’ , pantofolaio ‘ Hausschuhfabrikant ’ , ‘ Hausschuhverkäufer ’ , ‘ Stubenhocker ’ u. v. a. m. Die Beispiele zeigen, dass das Suffix, auf der Ebene der Bezeichnung bzw. der Bezeichnungstraditionen (also Coserius Norm), recht Unterschiedliches in die Bildung einbringt: eine agierende Person; einen Gegenstand bzw. Gerät/ Instrument; einen Ort; eine ‚ Struktur ‘ , gebildet aus X (ein ‚ Gesamt ‘ , eine ‚ Ein-heit ‘ im ganz wortwörtlichen Sinn: ein ‚ Gebilde ‘ also, ein ‚ Gebinde ‘ o. ä.) - von Lesarten wie dem ‘ Stubenhocker ’ (derjenige, der es sich gerne in den Pantoffeln zu Hause bequem macht) bewusst abgesehen. Es verdient vermerkt zu werden, dass pantofolaio genau in der Lesart ‘ (bequemlicher) Stubenhocker ’ aufs engste mit dem Inbegriff des ausgemachten Feindes des Regime verbunden wird: dem faschistischen Konstrukt BORGHESE. Bilanzierend kann festgehalten werden, dass für die vom System aus zu denkende (Gesamt)-Bedeutung ein allgemeinerer Inhalt anzunehmen ist als Agens oder Instrument. 2.4 Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Interpretation der prolexematischen Komposition (zum Rumänischen vgl. Munteanu/ Windisch 2016). Wie in 2.1. zu sehen war, beschreibt Coseriu (1977: 52) das Verfahren der prolexematischen Komposition (mit Bezug auf scacciapensieri) als “ qualcuno (o qualcosa) che scaccia i pensieri ” . Wenn die System-Bedeutung als konsequent abgelöst, als Abstraktion von den Gegebenheiten in der außersprachlichen Welt verstanden werden muss, so erscheint die oben angeführte Bezugnahme auf ‘ jemand ’ bzw. ‘ etwas ’ (d. h. ‘ Person ’ respektive ‘ Sache ’ ) doch schon ein Zugeständnis an unsere Vorstellungskraft zu sein, und das prolexematische Element ist gewiss deutlich abstrakter zu fassen: nämlich als “ allgemeines substantivisch-pronominales Element ” (Coseriu 1977: 54) - wobei der von ihm an dieser Stelle direkt anschließend angeführte Zusatz “ [etwa: ‘ jemand oder etwas ’ ] ” , nach unserem Dafürhalten, als Versuch gelesen werden kann, sich einer Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre 53 <?page no="54"?> Erläuterung, einer Illustration zu nähern bzw. die abstrakte Idee vom Prolexem mit Leben zu füllen. Die oben angeführten prolexematischen Komposita fadista, guitarrista, fleuriste, libraio, cârciumar bzw. elevador, descubridor, maquilleur, snocciolatore, înv ăţă tor sind also, auf der Ebene des Systems, nicht zu lesen als die Verbindung von ‘ einer, der/ etwas, das ’ + weiterem lexematischem Element, sondern abstrakter als ‘ Einheit ’ + weiterem lexematischem Element, wobei ‘ Einheit ’ für nichts anderes steht als ‘ Pro-Form substantivischen Charakters ’ , ein substantivisches Element allgemeiner (d. h. nicht lexikalischer) Natur also. Dass ‘ Person ’ und ‘ Sache ’ , dass ‘ jemand ’ oder ‘ etwas ’ auf das Bezeichnete verweisen, spricht Coseriu übrigens am Ende seiner Ausführungen in aller Deutlichkeit an: Durch die inhaltliche Analyse zeigt sich auch, daß der hier besprochene Kompositionstyp [coupe-papier] keineswegs “ exozentrisch ” ist, und zwar auch in der Hinsicht nicht, in der man von Exozentrika überhaupt sprechen kann (d. h. im Hinblick auf die Bezeichnung), denn das Bezeichnete ( “ qualcuno o qualcosa ” ) i s t darin vertreten, nämlich durch das Null-Derivativum nach dem Verbalthema. (Coseriu 1977: 60) Es gilt also, etwas Allgemeineres, etwas Abstrakteres als ‘ Person ’ bzw. ‘ Sache ’ zu finden, und ‘ Einheit ’ (im Sinne von Entität) sollte diesen hohen Grad der Abstraktion erfahrbar machen. Darunter sind dann auch ‘ Ort ’ und ‘ Struktur ’ , sprich Beispiele wie topaia ‘ Mäusenest ’ , pollaio ‘ Hühnerstall ’ , limonaia ‘ Gewächshaus für Zitronenbäume ’ , occhiaia ‘ Augenhöhle ’ , ‘ Augenringe ’ , ghiacciaio ‘ Gletscher ’ , giogaia ‘ Berg -’ , ‘ Jochkette ’ problemlos zu fassen. 2.5 Wie abstrakt die Bedeutung im Falle grammatisch-morphologischer Bildung zu fassen ist, wird im Übersetzungsvergleich vielleicht besonders augenfällig: wenn nämlich in der einen Sprache das Wort mit Hilfe morphematischer Einheiten, in der anderen Sprache mittels einer Komposition aus lexikalischen Einheiten gebildet ist - dazu z. B. bei Albrecht (1970: 37 - 45) mehr. An dieser Stelle mögen, abschließend, zwei Beispiele genügen, wobei, als Hommage an den Jubilar, ausdrücklich die rumänische Sprache nochmals Beachtung finden soll: l ă pterie (vgl. dexonline) eröffnet die Möglichkeit für mindestens die Lesarten ‘ Molkerei ’ , ‘ Milchgeschäft ’ , ‘ Milchbar ’ , ‘ Molkereiprodukte ’ , und span. azucarer( o/ a) illustriert (vgl. Diccionario de la Real Academia Española und Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch), dass die grammatische Bildung mittels Suffigierung ein breiteres Spektrum an Bezeichnungsmöglichkeiten bereitbzw. offenhält als die im Deutschen jeweils gegebene “ Festlegung ” mittels Komposition auf ‘ Zucker+Streuer ’ oder ‘ Zucker+Dose ’ , ‘ Zucker+Fabrik ’ , 54 Winfried Busse / Gabriele Beck-Busse <?page no="55"?> ‘ Zucker+Fabrikanten/ in ’ , ‘ Zucker+Produzenten/ in ’ , ‘ Zucker+Mühlen+Besitzer (in) ’ oder auch ‘ Meister(in) in einer Zuckerfabrik ’ - von der Benennung für einen kleinen Vogel, der in den Tropen beheimatet ist, bewusst abgesehen. 3 Ziel dieser Überlegungen war es, einige der Schwierigkeiten anzudeuten, die sich bei einem inhaltlichen Ansatz aufgrund metonymischer Übertragungsprozesse ergeben können. Da sich Coseriu ( 3 1979 b) anschaulich zur Metaphernschöpfung geäußert hat (und immer das Gefühl bleibt, dem sei nichts hinzuzufügen), ist in diesen Zeilen nichts anderes als unser persönlicher Gruß an den Jubilar zu sehen. Wenn die hier angesprochenen Gedanken die Interpretation von Substantivierungen wie port. o cervejeiro ‘ der Bierbrauer ’ , span. el académico ‘ Mitglied einer Akademie ’ oder la azucarera ‘ die Zuckerdose ’ , ‘ die Zuckerfabrik ’… , franz. le fruitier ‘ Obsthändler ’ , ‘ Obstkammer ’ , ‘ Obstschale ’ (TLFi) und les verts ‘ die Grünen ’ (Anhänger, Mitglieder, Vertreter der Partei und Name für die Partei selbst sowie Spieler der Fußballmannschaft von Saint-Etienne), ital. i bianconeri ‘ die Weiß-Schwarzen ’ (Spieler von Juventus Turin), rum. ro ş -albastrii ‘ die Rot- Blauen ’ (Spieler von Steaua Bucure ş ti) leichter fassbar werden ließen, so wäre dies ein erster Schritt - der zum Fünfundachzigsten seine Fortsetzung finden könnte … Für heute nur noch ein frohgemutes: “ S ă n ă tate ş i la mul ţ i ani! ” Literaturverzeichnis Albrecht, Jörn (1970): Le français langue abstraite? (Tübinger Beiträge zur Linguistik 10) Tübingen: Narr. Basilio, Margarida (2006): “ Metaphor and Metonymy in Word Formation ” . Documentaç-o de estudos em lingüística teórica e aplicada (D. E. L. T.A.) 22/ 3: 67 - 80. Busse, Winfried/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (Hrsg.) 2003: Rumänisch und Romanisch. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h. c. Rudolf Windisch. (Rostocker Beiträge zur Sprachwissenschaft 13) Rostock: Universität Rostock. Coseriu, Eugenio (1970): “ Bedeutung und Bezeichnung im Lichte der strukturellen Semantik ” . In: Peter Hartmann/ Henri Vernay (Hrsg.): Sprachwissenschaft und Übersetzen. Symposion an der Universität Heidelberg (24.2. - 26.2.1969), (Commentationes Societatis Linguisticae Europaeae 3). München: Hueber, 104 - 121. Coseriu, Eugenio (1976): Das romanische Verbalsystem. Hrsg. u. bearb. v. Hansbert Bertsch. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 66) Tübingen: Narr. Coseriu, Eugenio (1977): “ Inhaltliche Wortbildungslehre (am Beispiel des Typs ‘ coupepapier ’ ) ” . In: Herbert E. Brekle/ Dieter Kastovsky (Hrsg.): Perspektiven der Wortbildungsforschung. Beiträge zum Wuppertaler Wortbildungskolloquium vom 9. - 10. Juli Gedanken zur inhaltlichen Wortbildungslehre 55 <?page no="56"?> 1976. Anläßlich des 70. Geburtstags von Hans Marchand am 1. Oktober 1977, (Schriftenreihe Linguistik 1). Bonn: Bouvier, 48 - 61. Coseriu, Eugenio ( 3 1979 a): “ System, Norm und ‘ Rede ’” . In: Ders., Sprache. Strukturen und Funktionen. XII Aufsätze zur allgemeinen und romanischen Sprachwissenschaft in Zus. arb. m. Hansbert Bertsch und Gisela Köhler hrsg. v. Uwe Petersen. 3., durchges. u. verb. Aufl. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 2) Tübingen: Narr, 45 - 59. Coseriu, Eugenio ( 3 1979 b): “ Die Metaphernschöpfung in der Sprache ” . In: Ders., Sprache. Strukturen und Funktionen. XII Aufsätze zur allgemeinen und romanischen Sprachwissenschaft in Zus.arb. m. Hansbert Bertsch und Gisela Köhler hrsg. v. Uwe Petersen. 3., durchges. u. verb. Aufl. 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(Tübinger Beiträge zur Linguistik 286) Tübingen: Gunter Narr Verlag. Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch. Teil 1: Spanisch-Deutsch. Von Dr. Heinz Müller und Prof. Dr. Günther Haensch. Neubearbeitung Prof. Dr. Günther Haensch. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt. 7 1993. Liver, Ricarda ( 2 2010): Rätoromanisch. Eine Einführung in das Bündnerromanische. 2., überarb. u. erw. Aufl. (Narr Studienbücher) Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag. Lüdtke, Jens (2005): Romanische Wortbildung. Inhaltlich - diachronisch - synchronisch. Tübingen: Stauffenburg Verlag. Munteanu, Cristinel/ Windisch, Rudolf (2016): “ Züge sui generis der rumänischen Komposita des Typs frz. ‘ coupe-papier ’” . Romanistisches Jahrbuch 67: 67 - 102. Konsultierte Online-Wörterbücher (Letzter Zugriff am 23.1.2021) dexonline. 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Our option for this subject comes from the prerequisite to emphasize and analyse the adverbial units recognized regionally and/ or at dialectal level and to present their typology and lexical particularities. Generally, the linguists who registered and described the French adverbs considered the diachronic and/ or the synchronic perspectives, disregarding the diatopic one, in spite of that, most often, the dialects are conservative compared with the literary language and therefore susceptible to maintain old forms. To support our approach, we relied on the adverbs registered in two representative French lexicographic works, which were additionally part of the study corpus. Subsequently, we interpreted the identified adverbial units, referring to both old French language and the contemporary one, but also, in certain situations, to other sister Romance languages. The study contributes with new information which complements the previous ones achieved by the French linguists or the Romanists, concerning the adverbs ’ class, observing similitudes, but also differences. 0 Ces dernières années, en linguistique, nous assistons à un regain d ’ intérêt envers les études diatopiques, appliquées aux différents dialectes, sous-dialectes et patois (Gleßgen/ Thibault 2005 : iii - xvi), afin de relever des particularités linguistiques méconnues ou moins connues auparavant. Ces dernières peuvent nous aider à mieux comprendre les faits de langue contemporains (Glessgen 2007 : 92), vu que, par rapport à la langue littéraire, ces variétés linguistiques conservent d ’ anciens stades de langue, des traits morphologiques archaïques ou des emplois très spécifiques des parties de discours dans le cadre de l ’ énoncé (Glessgen 2007 : 90). À ce propos, il y a presque deux décennies, Pierre Rézeau a <?page no="58"?> observé « [qu ’ ] un mouvement foisonnant s ’ est dessiné en direction de l ’ étude des régionalismes » (DRF 2001 : 7). 1 En nous ralliant à cette tendance en linguistique, nous nous proposons de discuter des adverbes régionaux français qui jusqu ’ à nos jours n ’ ont pas été traités de façon spéciale. Pour la plupart des cas, les spécialistes ont abordé ponctuellement telle ou telle forme particulière (Deutschmann 1959) ou ont réalisé des inventaires sommaires (Horiot/ Avanzi 2017 : 73 - 77), sans nous offrir une perspective d ’ ensemble ou complète, sur cette partie de discours au niveau régional et/ ou dialectal. Il faut cependant préciser qu ’ il existe d ’ amples descriptions de la classe adverbiale française, mais leurs auteurs se sont penchés surtout sur des adverbes présents dans la langue littéraire française moderne ou contemporaine (Dubois 1964 : 33 - 34, Guimier/ Larcher 1991 a, Guimier/ Larcher 1991 b, Guimier 1996) dont il n ’ est pas toujours facile de suivre ou de circonscrire la dynamique. 1.1 L ’ option avancée dans le titre de notre communication s ’ explique par le fait qu ’ auparavant, nous avons réalisé une monographie des adverbes romans (Chircu 2008), y compris français, sans décrire leur situation au niveau dialectal. Par conséquent, par cette étude, nous complétons la description initiale de l ’ adverbe français (Chircu 2008 : 60 - 98), en apportant de nouvelles données qui parachèvent la vue d ’ ensemble de la classe adverbiale française. 1.2 La description antérieure de l ’ adverbe français nous a permis de constater que, généralement, la classe adverbiale française « est stable et son développement se réalise à l ’ intérieur du système, [gardant] les traits essentiels de l ’ adverbe latin, malgré les disparitions, les innovations ou les emprunts qui ont été constatés jusqu ’ à nos jours » (Chircu 2008 : 61). 2 À l ’ appui de notre démarche descriptive des adverbes régionaux français, dans un premier temps, nous avons intégralement parcouru et nous avons attentivement sélectionné les unités lexicales adverbiales, enregistrées dans deux des principaux dictionnaires de régionalismes de la langue française, en réalisant le corpus d ’ analyse. Les deux ouvrages lexicographiques concernés sont Pierre 58 Adrian CHIRCU <?page no="59"?> Rézeau (éd.), Dictionnaire des régionalismes de France. Géographie et histoire d ’ un patrimoine linguistique, Bruxelles, Éditions Duculot, 2001, 1140 p. (siglé DRF) 1 et Claude Blum (dir.), Le vocabulaire du français des provinces. Richesse et diversité géographique de la langue française, Paris, Éditions Le Figaro & Éditions Garnier, 2007, 526 p. (siglé VFP). 3 Ultérieurement, une fois l ’ inventaire établi, nous avons groupé les faits de langue en fonction de leur typologie, de leurs traits structurels, en mentionnant leurs significations, ce qui assurera sans doute une meilleure compréhension. Afin d ’ objectiver l ’ analyse et afin d ’ illustrer la distribution des formes dans le territoire, nous avons toujours précisé la région, la zone ou la province dans laquelle les adverbes ou les locutions adverbiales apparaissent. Les quelques inconséquences de notation liées à la disposition des renseignements d ’ ordre structurel, sémantique ou étymologique s ’ expliquent par la structuration différente de deux ouvrages intégrés dans le corpus constitué. 3.1 Dans les situations où un adverbe (ou une locution adverbiale) a été répertorié(e) dans les deux ouvrages, nous avons gardé les deux attestations car, assez souvent, nous avons constaté que les informations lexico-sémantiques et/ ou étymologiques et même grammaticales ou pragmatico-discursives se complètent, en offrant une perspective plus complexe sur le fait de langue signalé. 3.2 Afin de rendre facile la présentation des unités adverbiales que nous avons extraites, surtout en ce qui concerne les locutions adverbiales, nous avons retenu les mots-titres qui se trouvent à la base des celles-ci. 4 Généralement, les types adverbiaux identifiés ne différent pas tellement de ceux qui sont déjà enregistrés dans les ouvrages de grammaire ou de phraséologie 1 Brigitte Horiot et Mathieu Avanzi précisent « [qu ’ ] actuellement, et à la suite des travaux de Pierre Rézeau, on parle donc plus volontiers de variation de la langue standard et, à partir du Dictionnaire des régionalismes de France et de diverses publications régionales, une étude sur une lexicographie différentielle du français est conduite par l ’ équipe de l ’ ATILF (Analyse et traitement informatique de la langue française à Nancy) » (Horiot/ Avanzi 2017: 7 - 8). Adverbes régionaux français 59 <?page no="60"?> française et/ ou romane, ce qui témoigne d ’ un conservatisme au niveau dialectal où sont préservés des anciens faits de langue qui continuent de survivre, malgré l ’ influence importante de la langue littéraire sur les différents parlers français (Gleßgen/ Thibault 2005: iv). 4.1 Ainsi, de loin et en dépit du sémantisme assez hétérogène des adverbes et de leurs constituants éclectiques, nous avons remarqué que le type le plus répandu reste celui qui est composé d ’ une préposition et d ’ un nom accompagné ou non d ’ un article (contracté ou non), déterminé parfois d ’ un nominal ou d ’ un adjectival (Dubois 1964: 33 - 34), un type de construction qui représente un développement roman repérable lors du passage du latin aux langues romanes, quand « des tours prépositionnels se substituent par besoin de clarté aux formes casuelles pures et simples » (Väänänen 2006: 112): abade (à l ’ ) ‘ en liberté, surtout en parlant des animaux ’ (Savoie, Dauphiné et Lyonnais) : « Des oies laissées à l ’ abade dans la cour » (étym. abader ‘ libérer, laisser errer librement, en parlant des animaux ’ ) (VFP, sv) ; ancienneté (à l ’ ) ‘ à la manière d ’ autrefois ’ (Touraine) : « Faire la cuisine à l ’ ancienneté, dans la cheminée » (étym. ancien) (VFP, sv) ; assote (à l ’ ) ‘ dans un endroit abrité ’ (Bourgogne et Franche-Comté): « Se mettre à l ’ assote avant l ’ orage ». (étym. orig. inconn.) (VFP, sv) ; avantage (à l ’ ) ‘ prévu à dessein un peu plus grand qu ’ il ne faut, par souci d ’ économie, en prévision de la croissance de celui qui le porte ’ (« Le tailleur a fait un costume à l ’ avantage ».) (Doubs, Jura, Ain, Rhône, Loire, Isère/ Villeneuve-de-Marc, Drôme, Ardèche, Haute-Loire/ Velay, Fam. ; en parlant d ’ un vêtement, d ’ une paire de chaussure, surtout à propos d ’ un enfant); balicotte (à la) ‘ les jambes ballantes ’ (Maine) : « Être assis à la balicotte » (étym. p.-ê. de ballance) (VFP, sv) ; bicoin (de) ‘ de travers ’ (Maine) : « Ta cravate est toute de bicoin » . (étym. orig. inconn.) (VFP, sv) ; bise (en) [dans la locution] en bise ‘ du côté du Nord, exposé au Nord ’ (Bourgogne, Doubs, Ain) (DRF, sv) ; bizingue (de) ‘ de travers, de biais ’ (Savoie, Suisse) : « Marcher de bizingue » (étym. biais) (VFP, sv) ; borniquette (à la) ‘ dans la pénombre, à borgnon ’ (Lyonnais) : « On n ’ y voit rien à la borniquette ! » (étym. lyonn. borgniquer, var. de borgnasser) (VFP, sv) ; brousse [dans la locution] à l ’ heure des brousses ‘ trop tard ’ (« Il est encore arrivé à l ’ heure des brousses. ») (Bouches-du-Rhône, Hérault) (DRF, sv) ; cime [dans la locution] à la cime ‘ en haut, au-dessus ’ (« Le cerisier qui est à la cime, contre la barrière. ») (Savoie/ Val d ’ Arly, Tarentaise, Maurienne, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Hautes-Alpes/ Champsaur, Alpes-de-Haute-Provence, Gard, Ardèche, Haute-Loire/ Velay) (DRF, sv) ; dévallée (à la) ‘ sens dessus dessous, sans ordre ’ (Mayenne) : « Des objets entreposés à la dévallée » (étym. dévaler) (VFP, sv) ; espère (à l ’ ) ‘ à l ’ affût ’ (Midi et Dauphiné) : « Se mettre à l ’ espère ». (étym. anc. provenç. espera ‘ attente ’ ). (VFP, sv) ; estofinade [dans la locution] en estofinade 60 Adrian CHIRCU <?page no="61"?> ‘ [morue préparée] à l ’ huile de noix avec des pommes de terre ’ (« Pavée de morue fraîche en estofinade. ») (Lot/ nord-ouest, Aveyron/ nord-ouest, Cantal/ sud- Ouest) (DRF, sv) ; galère [dans la locution] en galère ‘ au loin ’ (« aller, envoyer, partir en galère ») ( Jura, Loire/ Pilat/ Roisey, Isère/ nord, Drôme, Ardèche/ Annonay. Rural et vieillissement) (DRF, sv) ; galope (à la) ‘ à toute vitesse, à la hâte, en bâclant ’ (Lyonnais et Dauphiné) : « Expédier un travail à la galope ». (étym. galoper) (VFP, sv) ; nuitée (à) ‘ durant toute la nuit ’ (Centre) : « Je n ’ entends pas [ … ] que tout le monde vienne se réjouir à nuitée autour d ’ ici. », G. Sand (étym. nuit) (VFP, sv) ; palpes (à) ‘ à tâtons ’ (Languedoc) : « Avancer dans l ’ obscurité à palpes ». (étym. palper) (VFP, sv) ; de rang ‘ d ’ affilée, de suite ’ (Midi et Berry) : « Dormir douze heures de rang ». (étym. anc.b. frq. hring ‘ cercle ’ ) (VFP, sv) ; reculette (à la) ‘ en allant en arrière, à reculons ’ (Lyonnais, Savoie et Suisse Romande) : « Marcher à la reculette ». (étym. reculer) (VFP, sv) ; regonfle (à) ‘ en abondance, à profusion, beaucoup ’ (Lyonnais) : « Avoir du courage à regonfle. Parler à regonfle », (étym. regonfler) (VFP, sv) ; revoyotte (à la) [salutation pour prendre congé] ‘ au revoir ’ (« C ’ est bon Madame Mourier. À la revoyotte ».), pop. à la revoyoure (Lorraine/ surtout Vosges, Haute-Saône, Doubs, Jura/ nord et est), Haute-Savoie, Savoie. Fam.) (DRF, sv) ; suite (de) ‘ immédiatement, à l ’ instant, sans attendre ’ (Provence et Sud) : « Fais-le de suite, sinon tu vas oublier ». (étym. lat. pop. sequita, du lat. sequi ‘ suivre ’ ) (VFP, sv) ; vent [dans la locution] au vent ‘ orienté au sud ’ (« Ils ont mis des double-vitrages aux fenêtres de leur façade qui est tourné au vent. ») (Provence, Cantal/ Mauriac) (DRF, sv). 4.2 Il existe cependant des situations où les éléments constitutifs [préposition(s) + nom] se sont soudés au fil des siècles et ne sont plus ressentis comme étant autonomes 2 : amain ‘ dans la position qu ’ on est habitué à prendre pour faire un travail ; en position commode, favorable ’ (« Je ne suis guère amain pour te dire ça ici ») ; var. à main ; d ’ amain (« … il m ’ a fallu gourner [= boire] cinq ou six verres de Rochefort d ’ affilée pour me remettre d ’ amain ») ; antonyme désamain ‘ dans une position qui n ’ est pas celle qu ’ on est habitué à prendre pour faire un travail, en position défavorable ’ ; variantes démain, d ’ zmain, à désmain, à la démain (Vald ’ Oise, Seine-Maritime, Orne, Calvados, Manche, Haute Bretagne, Mayenne, Sarthe, Maine-et-Loire, Indre-et-Loire, Eure-et-Loir, Loir-et-Cher, Loiret. Fam., Rural) (DRF, sv) ; démain [la locution] à la démain ‘ à l ’ envers ’ (Monter une batterie de voiture à la démain.) (Ouest) (DRF, sv) / amain ‘ en bonne condition, en état de faire quelque chose ; à l ’ aise ’ (Nord-Ouest et Centre) : Se mettre amain 2 Pour des concordances franco-roumaines ayant trait à ce sujet, voir Chircu 2020 : 38. À consulter aussi DLR, sv amân ă ‘ à la portée ’ . Adverbes régionaux français 61 <?page no="62"?> pour conduire, Être bien amain dans un canapé. Fig. Ne pas être amain pour prendre une décision. Le mot composé fait partie des expressions, comme d ’ amain, à son amain (Faire une pause pour se remettre d ’ amain.) (étym. aet main) (VFP, sv) ; amont ‘ en amont, en haut ’ (Centre-Ouest et Normandie) (étym. à + mont) (VFP, sv) ; aneut/ anuit ‘ aujourd ’ hui ’ (Centre-Ouest, Berry et Nord- Ouest) : C ’ est pour aneut ou pour demain ? On trouve aussi anet en Vendée et anieut en Normandie (étym. à + fr. région. n[i]eut/ nuit) (VFP, sv) ; parfin ‘ pour finir, enfin, finalement ’ (Centre) : « Si, parfin, ta maison est terminée, c ’ est grâce aux voisins qui t ’ ont aidé. » (étym. par et fin) (VFP, sv) 4.3 La consultation des deux ouvrages nous a permis de constater que, par rapport aux autres langues romanes du groupe linguistique occidental et par rapport à la langue française standard (Karlsson 1981), les adverbes en -ment ne connaissent pas un large essor et, parfois, leur usage s ’ explique soit par l ’ influence de la langue littéraire, soit par des emplois grammaticaux spéciaux ou par des changements sémantiques particuliers : amitieusement (amiteusement, amiquieusement) ‘ de manière douce, aimable, amicale ’ (Nord-Pas-de-Calais, Picardie et Centre ; ce mot est aussi en usage en Belgique) : Traiter quelqu ’ un amitieusement « Pour la première fois qu ’ elle me parle amiteusement » (G. Sand) (amiquisement, dans le Centre) (étym. fr. region. amitieux) (VFP, sv) ; autrement ‘ par ailleurs, à part ça ’ (Provence) : « Et autrement, comment va-til ? Il ne t ’ a rien dit, autrement ? » (étym. autre) (VFP, sv) ; bellement (région.) ‘ doucement ’ : « Se promener tout bellement. » Rem. En français standard, ce mot est vieilli (étym. bel, de beau) (VFP, sv) ; différemment (fam.) ‘ à part ça, pour le reste ’ (Centre-Ouest et Midi) : « Et différemment, comment allez-vous ? » (étym. différente) (VFP, sv) ; granmint/ grinmint ‘ beaucoup ’ (Nord-Pas-de-Calais et Picardie) : « Merci granmint ! Il n ’ est pas venu granmint de monde. » (étym. var. pic. de grandement) (VFP, sv) ; malement ‘ d ’ une manière fâcheuse ’ (Vendée). Rem. En français standard, ce mot est archaïque. (étym. mal) (VFP, sv) ; pareillement [réponse de politesse à un souhait] (Au revoir. Pareillement., Merci, Matmoissell ! pareillement) ; (Vienne, Allier, Puy-de-Dôme/ Thiers, Haute-Loire/ Le Puy, Moselle/ est, Alsace. Fam.) (DRF, sv) ; pianchement ‘ doucement, modérément ’ (Charentes) : « Jouer pianchement sur son instrument. Aller pianchement ». (étym. piano) (VFP, sv) ; présentement (région.) ‘ dans le temps actuel, maintenant ’ || région. « Tout présentement ‘ au moment même ’ » (étym. présent) (VFP, sv) ; seulement [pour renforcer un impératif, pour exhorter, pour entraîner l ’ adhésion] (« Faites seulement ! ») (Moselle/ est, Alsace, Franche-Comté, Haute- Savoie, Savoie, Loire/ Saint-Étienne, Ain, Isère, Drôme, Ardèche. Fam.) (DRF, sv)/ seulement (Rhône-Alpes, Franche-Comté, Nord-Est et Suisse Romande). Fam. 62 Adrian CHIRCU <?page no="63"?> S ’ emploie, à l ’ oral, pour adoucir l ’ impératif et inviter son interlocuteur à agir d ’ une certaine manière ; syn. de donc. « Entrez seulement. » (étym. seul) (VFP, sv). 4.4 Un autre type ancien répertorié est celui qui est représenté par les soi-disant locutions de mouvement ou qui expriment une modalité particulière d ’ action (Heinimann 1953, Pharies 1997, Chircu 2005: 237). Il est constitué principalement d ’ une préposition, d ’ une base nominale et du suffixe adverbial -one(s) qui caractérisent la Romania occidentale (anc.fr. a demuchons ‘ en cachette ’ , it. a cavalcioni ‘ à califourchon ’ , esp. a reculones ‘ à reculons ’ , port. aos tropeço ẽ s ‘ en trébuchant ’ , cat. a rodolons ‘ en roulant ’ , prov. de clouchouns ‘ à l ’ aveuglette ’ , rhétrom. lad. a tastológn ‘ à tâtons ’ , frprov. a cropegnon ‘ en position accroupie ’ , corse in cavalciòni ‘ à califourchon ’ , sd. campid. de rondòni ‘ inopinément ’ , friul. zengolón(s) ‘ à genoux ’ , gasc. d ’ escoudoun ‘ en cachette ’ , occ. de cavalgons ‘ à califourchon ’ ). Les unités phraséologiques ci-dessus assez largement répandues auparavant et à nos jours non-productives (Dubois 1964 : 33) sont employées dans des contextes bien déterminés et constituent des expressions figées. D ’ autres sont plus rarement usitées : bouchon ‘ sur la face, à plat ventre, la tête penchée en avant et reposant sur les avant-bras, à l ’ envers, sens dessus dessous ’ ; var. abouchon, à l ’ abouchon, d ’ abouchon, d ’ a bouchon, dabochon, en abouchon (« tomber d ’ abouchon, Mets le bébé d ’ abouchon, Faut jamais mettre la miche de pain à bouchon, une assiette abouchon ») ; (Doubs, Jura, Haute-Savoie, Savoie, Ain, Rhône, Loire/ Poncins, Isère, Drôme, Ardèche/ Amonay, Mariac, Haute- Loire, Puy-de-Dôme) (DRF, sv) ; à borgnon ‘ dans le noir, dans l ’ obscurité ’ (Lyonnais) : « Tâtonner à borgnon. » Aller à borgnon ‘ avancer dans l ’ obscurité ’ (étym. borgne, cf. lyonn. borgnasser) (VFP, sv) ; à boucheton (région.) ‘ à plat ventre, en avant ’ (Lyonnais) : « Tomber à boucheton » (étym. anc. fr. à baucheton ‘ dessus dessous ’ ) (VFP, sv). 4.5 Nous avons aussi identifié des locutions adverbiales constituées d ’ une préposition et d ’ un adjectif (à forme masculine ou féminine) qui ont connu à une certaine époque un large essor dans les langues romanes comme en ancien français (Hummel et alii 2019: 1080 - 1137, Hummel 2019 a: 145 - 185, 2019 b: 295 - 327) et dont on voit encore les traces de nos jours : brune (à la) (région.) ‘ au déclin du jour ’ : « Il est rentré de son travail à la brune. » (étym. fém. substantivé de brun ‘ obscure, sombre ’ ) (VFP, sv) (parfois nominalisé à l ’ embrunie ‘ au déclin du jour ’ (Rhône-Alpes), syn. de à la brune (étym. brun ‘ obscur, sombre ’ ) (VFP, sv) ; longue (de) ‘ continuellement, sans cesse, sans arrêt ’ (Provence et Sud) : « Courrir de longue » (provenç. de longo, de loungo) (VFP, sv) ; nouveau [dans la locution] de Adverbes régionaux français 63 <?page no="64"?> nouveau ‘ dans une question à propos d ’ un fait que l ’ on a oublié ’ (« Comment s ’ appelle-t-il de nouveau ? ») ; Stand. Déjà, donc (Moselle/ est, Alsace. Usuel) (DRF, sv)/ nouveau (de) (Alsace et Lorraine germanophone). Rem. S ’ emploie dans une question pour demander à son interlocuteur de répéter une information que l ’ on a oubliée ; syn. de déjà. « Comment s ’ appelle-t-il de nouveau ? » (étym. calque de l ’ all. wieder ; prép. de + nouveau, lat. novellus) (VFP, sv) ; vieux [dans la locution] de vieux ‘ de loin dans le temps, depuis longtemps ’ (« … chez eux ça vient d ’ vieux ! , Certains s ’ en veulent de vieux, c ’ est-à-dire depuis longtemps et refusent de s ’ arranger. ») (Ile-de-France, Normandie, Haute Bretagne, Mayenne, Rhône, Drôme, Ardèche, Auvergne. Fam. vieillissant) ; à vieux ‘ un passé lointain ’ (dans l ’ expression « ça remonte à vieux ») (Lyon) (DRF, sv)/ vieux (de) (fam.) ‘ depuis longtemps, d ’ une époque lointaine ’ (Ouest, Centre et Sud-Est) : « Cette histoire dure de vieux. Mon tracteur date de vieux ». (étym. vieux, adj.) (VFP, sv) ; vrai [dans la locution] en vrai ‘ vraiment, pour de bon, effectivement ’ (« Tu vas y aller en vrai ? , Je m ’ appelle en vrai Léontine ».) (Allier, Haute-Savoie, Ain, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Hautes-Alpes, Ardèche. Fam. surtout dans le langage des enfants) (DRF, sv) / en vrai (fam.) ‘ vraiment, réellement ’ (Allier, Savoie et Dauphiné) : « Il est parti en vrai. J ’ ai eu en vrai cinquante ans hier. » (étym. adj., du lat verus) (VFP, sv). Les rares locutions qui comportent un adjectif-participe se trouvent dans une situation similaire : rejoint (de) ‘ attentivement ’ (Dauphiné) : « Tenir quelqu ’ un de rejoint » ‘ le surveiller attentivement, avoir l ’œ il sur lui ’ . Rem. Dans le Lyonnais, on dit « tenir de rejuint » (étym. rejoindre) (VFP, sv). 4.6 Nous avons également répertorié, comme dans les langues romanes-s œ urs, une catégorie spéciale d ’ adverbes (formes courtes de provenance parfois adjectivale) qui font partie de la classe des modalisateurs ou des modificateurs verbaux, adjectivaux ou adverbiaux, ayant des implications discursives ou grammaticales à l ’ intérieur de l ’ énoncé. Il s ’ agit principalement des adverbes courts (Chircu 2005: 236) qui connaissent de multiples valeurs fonctionnelles et diverses significations : beau [devant certains adverbes, sert à exprimer un jugement favorable sur le contenu d ’ un énoncé] (« Il [du linge] est beau blanc ». ; « Il [= un cochon] est beau gras. ») ; dans la locution beau faire ‘ beaucoup, en abondance ’ (« … on en trouverait beau faire … ») (Lorraine, Haute-Savoie, Doubs, Jura. Fam.) (DRF, sv) ; bon [modalisateur de l ’ énoncé] : (« Il fait bon chaud cet appartement. ; Il faisait bon frais. ») (Ardennes, Lorraine, Alsace/ surtout Haut-Rhin, Haute- Saône/ Ronchamp) ; il a aussi le sens ‘ vraiment ’ (« … on ne voit rien, mais c ’ est bon pourri. ») (Haute-Savoie, Savoie) (DRF, sv)/ bon (fam.) ‘ plaisamment, agréablement ’ (Nord-Est et Est) : « Il fait bon frais dans cette pièce. » || ‘ vraiment, franchement ’ (Savoie) : « Cet homme est bon ivre. » (étym. lat. bonus) (VFP, sv) ; 64 Adrian CHIRCU <?page no="65"?> fin [modifie un verbe] ‘ tout à fait ’ (« Il fait fin beau., C ’ est bien fin comme ça. ») ; loc. adverbiale au fin dessus ‘ tout en haut, au sommet ’ (« Attaché au «fin d ’ sus» d ’ un des sapins ».), jusqu ’ au fin dessus (« Il a grimpé sur l ’ arbre jusqu ’ au fin dessus. ») (Nord, Pas-de-Calais, Somme, Aisne, Oise. Usuel) (DRF, sv) ; fort ‘ beaucoup, très, bien ’ (Nord-Pas-de-Calais, Picardie et Belgique). Rem. Il s ’ emploie avec un adjectif ou un participe passé. « Être fort content, fort grand, fort méchant. Tu t ’ es fort coupé au doigt ! » (étym. lat. fortis ‘ vigoureux, courageux ’ ) (VFP, sv) ; franc ‘ complètement, totalement ’ (Centre-Est) : « Il est franc idiot. Une poire franc abîmée ». (étym. apocope de franchement [sic ! ] ; peut être franc < bas. lat. francus ‘ relatif aux Francs ’ ; francique frank) (VFP, sv) ; gentil (dans l ’ expression faire gentil) ‘ agréable, avenant ’ (Normandie et Bretagne Romane) : « Faire gentil à quelqu ’ un » ‘ être agréable, avenant, attentionné envers lui ’ || Adv. Spécialt. ‘ être sage, bien se tenir, en parlant d ’ un enfant ’ « Elle nous a fait gentil ». (étym. lat. gentilis ‘ propre à une famille ’ ) (VFP, sv) ; grand ‘ très ’ (Centre-Ouest) : « Avoir grand faim. Faire grand chaud, grand froid. » || (Alpes du Nord) Grand beau ‘ superbe, radieux, très ensoleillé, en parlant du temps ’ « Il fait grand beau ». (étym. grandis) (VFP, sv) ; moult (région.) ‘ beaucoup ’ : « Il était moult vaillant ». Rem. En français standard, ce mot est vieux ou est parfois employé par plaisanterie (étym. lat. multum ‘ beaucoup ’ ) (VFP, sv). 4.7 À cela s ’ ajoutent les quelques locutions adverbiales (quantitatives, locatives ou de manière) de structure ternaire (parfois avec l ’ omission de la préposition) 3 : autant comme autant ‘ beaucoup, énormément ’ (Centre-Ouest) : « Il y en a autant comme autant. Essayer autant comme autant ». Dans le Bourbonnais, on dit aussi autant qu ’ autant (étym. alid tantum) (VFP, sv) ; côte-côte ‘ côte à côte ’ (Normandie) : « Être côte-côte sur un banc ». (étym. côte à côte) (VFP, sv) ; fait-à-fait ‘ au fur et à mesure, progressivement ’ ) : « arriver au bout de quelque chose fait-à-fait. » (étym. fait) (VFP, sv). On trouve des locutions qui sont constituées par ressemblances sonores ou par répétition (Posner 1998: 116), ce dernier type exprimant une idée de superlatif: balin-balan (fam.) ‘ en se dandinant, clopin-clopant ’ : « Marcher balinbalan ». || Loc. adv. (fam.) ‘ tranquillement ’ « Il va toujours balin-balan quand il est au marché ». || Loc. adv. ‘ ni bien, ni mal, comme-ci, comme ça ’ : « En forme » ? - « Balin-balan »! La locution peut également être formée par intercalation : balalinbalalan (étym. balin balanç ‘ clopin-clopant ’ ) (VFP, sv) ; plan-plan 1. ‘ lentement, tranquillement ’ (« Ils rentraient plan-plan à la maison lorsque Lebizot remarqua : ») ; tout plan-plan ‘ très lentement, très tranquillement ’ (« Moi, tout plan-plan, je me dirige vers le restaurant. ») ; ‘ paisiblement ’ (« … on n ’ était pas mal, 3 Voir à ce propos Dubois 1964: 34, Chircu 2007: 281 - 289. Adverbes régionaux français 65 <?page no="66"?> continuant notre vie bien plan-plan tous les deux ».) ; (Allier, Saône-et-Loire, Doubs, Jura, Haute-Savoie, Ain, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Hautes-Alpes, Provence, Gard, Hérault, Aude, Lozère, Ardèche, Haute-Loire/ Velay, Puy-de- Dôme, Haute-Vienne. Fam.) (DRF, sv)/ plan-plan (fam. et plais.) ‘ tranquillement, lentement, tout doucement ’ (Est) : « Roger, le patron, débarrasse les tables, planplan. », C. Courchay || Adv. (fam. et plais.) Tout plan-plan ‘ très doucement, très lentement ’ , « Monter la côte tout plan-plan ». (étym. redoubl. de l ’ anc. provenç. plan ‘ doucement ’ , du lat. planus ‘ égal ’ ) (VFP, sv)/ plan-planet/ plan-pinet ‘ doucement, tranquillement ’ . « Le petit monsieur arrive tout plan-planet dans le parc ». (étym. fr. région. plan-plan) (VFP, sv) ; tobi à toba ‘ à tort et à travers ’ (Maine) : « Bavasser tobi à toba » (étym. inconn.) (VFP, sv). 4.8 Il est également intéressant de noter que les adverbiaux déictiques restent les plus productifs et avec des implications sémantiques parmi les plus complexes. Leur emploi soutenu s ’ explique par le besoin d ’ offrir des repères existentiels, en particulier temporaux : asteure ‘ maintenant, à présent ’ (Centre-Ouest, Nord- Ouest et Nord ; dans le Nord-Pas-de-Calais et en Picardie, on dit aussi achteure) : « Il est absent asteure, repassez plus tard ». (étym. agglut. De la loc. adv. à cette heure) (VFP, sv) ; coup [dans la locution] tout par un coup ‘ soudain, subitement ’ ; standard tout à coup, tout d ’ un coup (« Tout par un coup, je vois mon gamin qui s ’ arrête ».) (Bourgogne, Franche-Comté, Haute-Savoie, Savoie, Ain, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Hautes-Alpes, Alpes-de-Haute-Provence, Ardèche, Haute- Loire, Puy-de-Dôme, Creuse) (DRF, sv) ; déjà ‘ bien, d ’ une manière ou d ’ une autre, assurément, sûrement ’ (Alsace) : « On verra déjà. Il trouvera déjà. » (étym. anc. fr. des ja, lat. jam ‘ à l ’ instant ’ ) (VFP, sv) ; devant ‘ auparavant, avant ’ (Centre et Touraine). Rem. Généralement préposition, en français standard ces usages sont perdus : « Deux heures devant. Le jour de devant. » (étym. de et avant) (VFP, sv) ; fois [dans des loc. adverbiales ; I. renforcement du verbe, le plus souvent à valeur emphatique ou exhortative] une fois (« Regarde une fois ; viens une fois ; essaie une fois ; arrête une fois ») ; (Moselle/ est, Alsace. Usuel). II. La fois-ci/ la fois-là ‘ cette fois-ci ’ (« La fois-là tu n ’ avais pas raison. ») (Lorraine. Usuel) ; aussi ‘ maintenant, à présent ’ (« La fois-là, ça suffit ! ») (Lorraine). III. les autrefois/ les autres fois ‘ dans le passé ’ (« Les autrefois on était moins riche. ») (Saône-et-Loire/ Montceau, Lorraine, Haute-Savoie, Savoie, Ain, Rhône, Loire, Isère, Haute-Garonne/ Toulouse). IV. tout pour une fois ‘ soudain, subitement ’ (« Tout pour une fois, il s ’ est mis à raconter des bêtises ».) (Ain, Loire/ Roanne). V. une fois le temps ‘ de temps en temps ’ (« Thomas, une fois le temps, invite l ’ oncle Lannuzel, le soir, à manger avec lui. ») (Bretagne, Sarthe, Maine-et-Loire, Vendée. Usuel) (DRF, sv)/ autrefois (les) ‘ autrefois, jadis, par le passé ’ (Lyonnais, Dauphiné et Savoie) : « Les autrefois, la 66 Adrian CHIRCU <?page no="67"?> lessive se faisait à la rivière ». (étym. autre et fois) (VFP, sv)/ fois (une) (Alsace et Lorraine). Rem. Syntagme placé généralement à la fin d ’ une proposition et qui sert à marquer l ’ intensité ou l ’ exhortation. « Écoute-moi bien une fois, ce que je vais te dire est important » (étym. fides) (VFP, sv) ; heure [dans les locutions] I.1. à bonne heure ‘ de bonne heure, tôt ’ (« Ce matin, ils sont partis à bonne heure ».). (Ardennes, Lorraine, Haute-Saône, Doubs, Limousin, Dordogne, Pyrénées- Atlantiques/ Pau) 2. à c ’ t ’ heure ‘ maintenant ’ (« Jusqu ’ à à c ’ te heure, je ne vois grand-chose de beau dans ce pays-là ! ») (Yvelines, Nord, Pas-de-Calais, Picardie, Normandie, Indre-et-Loire, Bretagne, Mayenne, Sarthe, Maine-et- Loire, Eure-et-Loir, Loir-et-Cher, Champagne, Ardennes, Loraine. Pop. et Rural). 3. à point d ’ heure ‘ à une heure exagérément matinale ou tardive ’ (« Se lever à point d ’ heure, se coucher à point d ’ heure ») ; var. à des point d ’ heure (Rentrer à des point d ’ heure), à pas d ’ heure/ à plus d ’ heure (« Ne rentre pas à pas d ’ heure ») (Ronchamp, Haute-Saône), jusqu ’ à pas/ plus d ’ heure ‘ jusqu ’ à une heure exagérément tardive ’ (« … et ne le laisse pas regarder la télé jusqu ’ à plus d ’ heure … »). 4. entre l ’ heure ‘ entre la fin de la matinée et le début de l ’ après-midi ’ (Lorraine/ sud). 5. tout à l ’ heure ‘ de nos jours, actuellement ’ syn. de tout de suite (« … c ’ était pas comme tout à l ’ heure, tout à l ’ heure il y a des règlements … ») (Normandie, Loir-et-Cher, Indre, Cher, Allier, Indre-et-Loire) (DRF, sv)/ heure (Lorraine, Est et Limousin) : À bonne heure ‘ de bonne heure, tôt ’ . « Se réveiller à bonne heure. » || (Ouest) À basse heure ‘ tardivement ’ , à haute heure ‘ de bonne heure ’ : « Commencer la journée à haute heure ». || (Normandie, Centre et Allier) Tout à l ’ heure ‘ de nos jours, aujourd ’ hui, à l ’ heure qu ’ il est ’ || (Nord, ouest et Est) À c ’ t ’ heure ‘ maintenant, aujourd ’ hui ’ : « Es-tu guéri à c ’ t ’ heure ? » (étym. b. lat. agurium [sic ! ] ; peut-être du lat. hora) (VFP, sv) ; hier (Ouest et Nord) : Expression Hier au soir ‘ hier soir ’ . « Ils sont partis hier au soir. » (étym. lat. heri) (VFP, sv) ; matin ‘ de bonne heure, tôt le matin ’ (« L ’ hiver, 5 heures, ça fait trop matin pour donner aux bêtes. ») (Champagne, Ardennes, Lorraine, Loire/ Pilat) ; plus matin ‘ plus tôt ’ (Marne, Ardennes) (DRF, sv) ; midi [dans la locution] I. entre midi ‘ entre la fin de la matinée et le début de l ’ après-midi ’ ; stand. Fam. entre midi et deux (« Je passerai te voir entre midi … »). II. par midi/ pendant midi ( … ‘ qui sépare un net temps de repos ’ : pendant midi ou par midi.) (Aisne, Ardennes. Usuel) (DRF, sv) ; tout de suite ‘ maintenant, en ce moment, à l ’ heure actuelle ’ (« Tout de suite, mon fils travaille à Paris. », « Ma fille prend tout de suite des leçons de conduite. ») (Val-d ’ Oise, Essonne, Seine-et-Marne, Normandie, Indre-et-Loire, Eure-et-Loir, Loir-et-Cher, Loiret. Usuel) (DRF, sv) ; temps [dans les loc. adverbiales] 1. dans le temps ‘ autrefois ’ (« Elle a été travailleuse dans le temps. ») (Lorraine, Puy-de-Dôme). 2. de ce temps ‘ pendant ce temps ’ (marque la simultanéité) (« Moi, de ce temps, je lui parle … ») (Gard, Hérault, Haute-Garonne/ Toulouse, Auvergne. Fam.). 3. de ce temps-là ‘ à cette époque, alors ’ (« De ce temps-là, mis à part un verre de clinton Adverbes régionaux français 67 <?page no="68"?> aux repas, je ne buvais plus ») (Drôme, Ardèche, Haute-Loire/ Velay) (DRF, sv) ; tantôt ‘ bientôt, à plus tard ’ (Nord-Pas-de-Calais et Picardie) : « Je l ’ ai vu hier, et je le reverrai tantôt. » « Au revoir, à tantôt ». (étym. tant et tôt) (VFP, sv) ; toudis ‘ toujours ’ (Nord-Pas-de-Calais) : « C ’ est toudis la même chose » (étym. inconn. 4 ) (VFP, sv) ou de ceux locatifs : dessus [dans la locution] dans le dessus/ du dessus ‘ dans la montagne ’ (« Un petit village du d ’ ssus ».) (Vosges saônoises) (DRF, sv) ; ici (Nord-Pas-de-Calais) : Expression Ici-dedans ‘ ici ’ . « Il fait froid ici-dedans ». (étym. i-, initiale de l ’ anc. fr. iluec ‘ là ’ et ci ‘ ici ’ , du lat. pop. ecce hic ‘ voici ici ’ ) (VFP, sv) ; icitte/ icite (fam.) ‘ ici, à l ’ endroit où l ’ on se trouve ’ (Ouest et Centre) : « Je vis icitte depuis dix ans maintenant ». « Viens icite tout de suite ». (étym. var. de ici) (VFP, sv). 4.9 Nous avons remarqué que les adverbiaux quantitatifs sont eux aussi assez bien représentés, une situation qui s ’ explique par le besoin ressenti d ’ exprimer une diminution ou une augmentation quantitative : ajable ‘ énormément ’ (Vendée) : ‘ S ’ inquiéter ajable ’ (étym. orig. inconn.) (VFP, sv) ; assez (bien de) ‘ pas mal de, beaucoup de ’ (Nord-Pas-de-Calais, Picardie et Belgique) : « Un ciel avec assez bien de nuages ». L ’ adverbe quantitatif est souvent placé après l ’ adjectif ou le verbe auquel il se rapporte. ‘ Être fort assez pour porter quelque chose ’ . « As-tu mangé assez ? » (étym. lat. vulg. adsatis, du lat. ad- + satis > assez) (VFP, sv) ; peu [dans la locution] un bon peu ‘ une assez grande quantité ; un assez grand nombre ; beaucoup, assez longtemps ’ stand. fam. pas mal (« Du beurre, mets un bon peu sur ton pain ».) ; moins usuel un gros peu ‘ quantité supérieure à un bon peu ’ (« Et ça fait combien de grammes un gros peu ? ») (Surtout, Allier, Bourgogne, Jura, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Provence, Gard, Hérault, Aude, Pyrénées-Orientales, Haute-Garonne, Ardèche, Haute-Loire, Puy-de-Dôme, Creuse) (DRF, sv). 4.10 Il faut faire une mention particulière à l ’ égard des adverbes de manière qui sont très diversifiés au niveau dialectal, les formes identifiées témoignant de leur usage assez complexe au niveau de l ’ énoncé et préservant des anciennes significations et usages que l ’ on retrouve parfois dans les autres langues romanes : bédame/ badame ‘ évidemment, certainement ’ (Vendée) : « Tu as fermé la portière ? - Bedame ! » || Interj. S ’ emploie pour marquer la surprise. « Bédame ! 4 Il ne faut pas avancer l ’ idée d ’ une étymologie inconnue car, en roumain, nous avons toat ă ziua ‘ toujours ’ (< lat. TOTUS + DIES ), le syntagme latin semblant être aussi à l ’ origine du composé français. Voir aussi FEW, sv di < DIES (les composés anc. fr. touzdis et mf. toudis) et REW, sv toute di. De même, en catalan tot el dia. 68 Adrian CHIRCU <?page no="69"?> Le chien est parti ! » (déform. des expressions eh bien dame ! ou ah bab dame) (VFP, sv) ; guère [dans la locution] pas guère (modificateur d ’ un syntagme verbal ; emploi dans des énoncés/ syntagmes négatifs) (« Vous employez, ce mot-là ? Oh, pas guère ! ») ; var. point guère (« Il a un peu causé avec eux, mais point guère ».) ou modificateur, dans un syntagme verbal, d ’ un adverbe (« Je compte finir aujourd ’ hui, mais pas guère avant ce soir ».) ; (Haute-Bretagne, Sarthe, Centre-Ouest, Rhône, Loire, Isère, Drôme, Hautes-Alpes, Aveyron, Ardèche, Haute-Loire/ Velay et Saugues, Puy-de-Dôme, Creuse, Corrèze, Dordogne. Surtout Rural) (DRF, sv) ; mais 5 ‘ encore, à nouveau ’ (Savoie) : « Je crois qu ’ il va mais pleuvoir. Qu ’ a-t-elle mais à pleurer « ? (étym. magis ‘ plus ’ ) (VFP, sv) ; mé ‘ plus, davantage ’ (Charentes, Centre et Bourgogne) : « Veux-tu un petit mé de café » ? 6 (étym. dial. de mais, lat. magis ‘ plus ’ ) (VFP, sv) ; même [dans la locution] de même ‘ ainsi, pareillement ’ (« Elle trouva un ‘ guérissou ’ qui lui dit de même ».) ; en langue stand. fam. comme ça (Normandie, Haute Bretagne, Sarthe, Mayenne, Maine-et-Loire, Centre-Ouest. Vieilli) (DRF, sv) ; otout ‘ aussi, également ’ (Charentes) : « Je viens otout. C ’ est otout ta faute ». (étym. anc. fr. otot ‘ avec, avec tout cela ’ de o ‘ avec ’ et tot, tout) (VFP, sv) ; pic [dans la locution] tout pic ‘ tout à fait ’ (« J ’ ai vu le gosse … C ’ est tout pique son père ») (Doubs, Jura/ nord. Fam.) (DRF, sv) ; tant I. ‘ peut-être, si cela se trouve ’ . stand. fam. si ça se trouve (« Tant, c ’ est lui qui les a fait construire au départ. ») (Provence). II. tant qu ’ assez ‘ passablement ’ (« Mon jardin est tant qu ’ assez grand ».) (Loire-Atlantique, Vendée, Vienne, Charente). III. tant qu ’ et plus ‘ en grande quantité ’ , stand. tant et plus (« Il a plu tant qu ’ et plus. Je me suis foutu de sa fiole tant qu ’ et plus ».) (Champagne, Lorraine Franche-Comté) (DRF, sv) ; vantiers ‘ peut-être ’ (Bretagne Romane et Maine) : « Il va vantiers faire beau demain. On viendra vantiers vous rendre visite. (étym. orig. inconn.) (VFP, sv) ; voir [pour renforcer un verbe, le plus souvent à l ’ impératif] stand. donc (« Écoutez voir un peu, regarde voir, écoute-moi voir ») (surtout Saône-et-Loire/ est, Côte-d ’ Or/ est, Haute-Marne/ est, Lorraine, Franche-Comté, Haute-Savoie, Savoie. fam.) (DRF, sv). 5 Les faits de langues présentés supra nous montrent que, malgré une évidente hétérogénéité, nous avons cependant remarqué que la plupart des formes adverbiales sont à l ’ origine soit des adverbes latins hérités (Pinkster 1972), soit des mots français qui contiennent des bases lexicales latines dont la plupart fait partie du lexique fondamental de la langue française. 5 Voir aussi en roumain : Cred c ă va mai ploua. [ je crois qu ’ il va encore pleuvoir]. 6 Toujours en roumain : Mai vrei un pic de cafea. [tu veux encore un peu de café]. Adverbes régionaux français 69 <?page no="70"?> 5.1 À cela, s ’ ajoutent les emprunts faits aux langues avoisinantes, ce qui témoigne du fait que des limites dialectales sont parfois difficiles à tracer, et des aires dialectales malaisées à définir. Il est intéressant de constater que l ’ emprunt lexical est relativement actif et vient compléter le système adverbial des parlers, en nuançant assez souvent le discours. 5.2 Généralement, les particularités structurelles de la classe adverbiale sont repérables au sein des parlers français. Les innovations survenues sont conformes au système de la langue française et s ’ expliquent par la nécessité d ’ apporter plus de précision ou de nuancer le discours et les énoncés dans lesquels elles apparaissent. 6 L ’ analyse que nous avons menée peut être appliquée à toutes les langues romanes et leurs variétés. Cette démarche nous aidera à mieux comprendre, d ’ une part, la préservation des formes et des significations et, d ’ autre part, l ’ épanouissement de certains types, leur fréquence ainsi que l ’ enrichissement sémantique. Les adverbes régionaux inventoriés nous ont permis d ’ identifier des constantes qui illustrent le lien sans faille entre l ’ ancien français et la langue de nos jours. Il s ’ agit sans aucun doute d ’ une survivance des formes qui illustrent tant la continuité que la dynamique à l ’ intérieur de différents parlers français. Références bibliographiques a) corpus : DRF = Rézeau, Pierre (éd.) (2001): Dictionnaire des régionalismes de France. Géographie et histoire d ’ un patrimoine linguistique. Bruxelles: Éditions Duculot, 1140 p. VFP = Blum, Claude (dir.) (2007): Le vocabulaire du français des provinces. Richesse et diversité géographique de la langue française. 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REW = Meyer-Lübke, W. ( 7 2009): Romanisches Etymologisches Wörterbuch. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. 72 Adrian CHIRCU <?page no="73"?> Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre ? Wolfgang Dahmen (Jena) & Eugen Munteanu (Ia ş i) Le pasteur protestant Georg Körner (1717 - 1772), qui vivait et travaillait à Bockau en Saxe, s'intéressait non seulement à la théologie, mais aussi aux langues et cultures étrangères. Il était donc logique pour lui de collectionner des bibles et des livres de prières écrits dans des idiomes que la plupart de ses compatriotes auraient trouvé certainement exotiques. Sur la base de ces textes, Körner a ensuite réfléchi à l'origine et aux caractéristiques de ces langues, parmi lesquelles figuraient entre autres le roumain et le romanche grison. Dans une contribution précédente, nous avons déjà étudié les considérations de Körner sur la Bible de Bucarest de 1688, première traduction complète de la Bible en roumain : là nous nous sommes limités à l ’ examen de sa transcription et de sa traduction en allemand du frontispice de la Bible. En outre, Körner a également fait des commentaires philologiques sur un verset de la Genèse et sur le Notre Père, qui sont observés plus en détail dans notre article. Körner s'avère ainsi être une figure que l'on peut compter dans la « préhistoire » de la linguistique romane comparée. 1 Vorbemerkungen Rudolf Windisch, dem die nachfolgenden Zeilen gewidmet sind, hat sich in vielen Beiträgen mit der Vor- und frühen Wissenschaftsgeschichte der Romanistik im Allgemeinen und der der Rumänistik im Besonderen beschäftigt, genannt seien etwa seine Arbeiten zu Bernardino Biondelli, Timotei Cipariu, Robert Rösler, Bogdan Petriceicu Hasdeu, Laz ă r Şă ineanu, Alexandru Philippide, Gustav Weigand oder Sextil Pu ş cariu 1 . Er folgt damit seinem Lehrer Eugenio 1 Für Details sei auf die Schriftenverzeichnisse bei Busse/ Schmidt-Radefeldt (2003: 11 - 17) sowie in diesem Band verwiesen. <?page no="74"?> Coseriu, der neben seinen vielen sprachphilosophischen Arbeiten, die ihn zu einem der bedeutendsten Fachvertreter des 20. Jahrhunderts gemacht haben, auch zahlreiche Schriften zur (Vor-)Geschichte der allgemeinen sowie der romanischen und rumänischen Sprachwissenschaft verfasst hat, für letzteres sei exemplarisch auf die Zusammenstellung mehrerer einschlägigerAufsätze bei Coseriu (1981) verwiesen. Im Folgenden soll der Blick auf einen sächsischen Pfarrer des 18. Jahrhunderts geworfen werden, der Bibeln in fremden Sprachen gesammelt und auf der Grundlage dieser Texte Betrachtungen über die jeweiligen Sprachen angestellt hat, dessen Wirken aber bislang wenig beachtet worden ist. 2 Der sächsische Pfarrer Georg Körner und sein Werk Der Autor, der in diesem Beitrag vorgestellt werden soll, ist Georg Körner, geboren 1717 in Pölbitz, das heute ein Stadtteil von Zwickau ist, und gestorben im Jahre 1772 in Bockau im Erzgebirge, wo er seit 1747 protestantischer Pfarrer war 2 . Seine Eltern waren wirtschaftlich wohlsituiert, so dass sie ihrem Sohn eine gute Schulausbildung ermöglichen konnten, u. a. an der bekannten Ratsschule in Zwickau, die über eine beachtliche Bibliothek verfügte, welche der junge Georg Körner eifrig besuchte - noch heute gilt die Ratsschulbibliothek als eine der bedeutendsten Bibliotheken des mitteldeutschen Raumes. Schon frühzeitig kam er, wie es damals auf weiterführenden Schulen üblich war, mit dem Lateinischen in Kontakt, was ihm später beim Erlernen von und bei der Beschäftigung mit modernen Fremdsprachen, insbesondere mit romanischen Idiomen, sicherlich nützlich war. Belegt ist, dass er schon frühzeitig Privatunterricht bei einem französischen Muttersprachler bekam, so dass er später als Student selbst entsprechenden Unterricht geben konnte, um damit etwas Geld zu verdienen. Man darf ferner annehmen, dass Körner Italienisch gelernt hat, hingegen gibt es keine Hinweise darauf, dass er Rumänischunterricht bekommen hätte. Stattdessen kann man vermuten, dass er sich bemüht hat, mit Hilfe seiner Kenntnisse des Lateins, anderer romanischer sowie diverser slavischer Sprachen auch das 2 Die folgenden Ausführungen zur Vita Körners basieren vor allem auf den Darstellungen von Hengst (2016 a) und Nahrath (2016). Den beiden Autoren, Prof. Dr. Karlheinz Hengst, emeritierter Slavist der Universität Leipzig, und Edgar Nahrath, Notar in Bockau und Vorsitzender der Magister Georg Körner Gesellschaft, sind wir überdies für manche Hinweise dankbar. Karlheinz Hengst hat uns schon vor Jahren auf die Schriften Körners aufmerksam gemacht, Edgar Nahrath pflegt mit großem Engagement das Gedächtnis dieses Mannes. 74 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="75"?> Rumänische zu verstehen, wovon im Folgenden die Rede sein wird. Nicht auszuschließen ist natürlich, dass er Kontakte mit Personen hatte, die ihm Kenntnisse vielleicht weniger der rumänischen Sprache als vielmehr der dortigen Verhältnisse überhaupt vermitteln konnten, also etwa Handlungsreisende, wie etwa der von ihm namentlich genannte Kaufmann, der ihm die Bibel aus Bukarest mitgebracht hat, oder aus der Walachei gekommene Besucher der Leipziger Messe oder auch aus Siebenbürgen stammende Personen; die mitteldeutschen protestantisch geprägten Universitäten (Leipzig, Halle-Wittenberg, Jena) waren ja die beliebten Institutionen, an die Siebenbürger Sachsen gerne ihre Kinder zum Studium schickten. Immerhin kann Körner seinen Lesern verschiedene Kenntnisse über Fürsten der Walachei sowie die dortigen politischen Verhältnisse vermitteln. In Leipzig studiert Körner Theologie, wobei er nicht nur seine Fähigkeiten in den klassischen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein erweitert, sondern auch verschiedene andere Idiome erlernt. Nach seinem Studium ist er zunächst als Feldprediger im Zweiten Schlesischen Krieg tätig, bevor er in Bockau, ca. 30 km von seinem Geburtsort und von der Zwickauer Ratsschulbibliothek entfernt, das Amt des evangelischen Pfarrers übernimmt. Für die Einschätzung seines Wirkens aus philologischer Sicht ist es wichtig, dass man erkennt, dass er genauso wie mehr als 200 Jahre zuvor Martin Luther davon überzeugt ist, dass es von großer Bedeutung ist, den Menschen die Bibel in ihrer Muttersprache nahezubringen. Dass die Übersetzungen der Bibel in die jeweilige Volkssprache vielen romanischen Sprachen einen großen Aufschwung gebracht haben, ist ja seit langem bekannt. Dabei sind besonders das Rumänische und das Bündnerromanische zu nennen, deren erste schriftliche Verwendung mit den von der Reformation angestoßenen Bibelübersetzungen in Beziehung zu setzen ist. Gerade diese beiden Idiome sind es dann, die in dem Text von Körner, der im Weiteren vorgestellt werden soll, behandelt werden. Aus der Verbindung von theologischem Sendungsbewusstsein und dem Interesse an fremden, auch und gerade modernen Fremdsprachen resultiert sicherlich Körners Bestreben, Bibeln in fremden Sprachen zu erwerben. Diese Bibeln nutzt er, um die Texte, deren Bedeutung er ja aus den entsprechenden Fassungen der ihm geläufigen Sprachen kennt, zu verstehen und dann sprachlich zu analysieren. So gibt es von ihm aus seiner Zeit als Pfarrer in Bockau neben verschiedenen Schriften zu theologischen sowie solchen zu regionalhistorischen und den örtlichen Bergbau betreffenden Themen Arbeiten, in denen er sich mit fremden Sprachen beschäftigt. Ein Schwerpunkt liegt dabei ganz eindeutig im Bereich des (Ober-)Sorbischen, das er schon als Schüler von einem in seiner Heimatstadt stationierten Soldaten aus der Lausitz lernte, bevor er in seiner Studentenzeit in Leipzig als Mitglied des Wendischen Predigerkollegiums mit der Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 75 <?page no="76"?> sorbischen Sprache und Kultur noch vertrauter wird, was von seiner sächsischen Heimat aus betrachtet ja auch geographisch nahe lag. Sein wichtigstes Werk hierzu, ein Obersorbisch - Deutsches Wörterbuch mit rund 2000 Seiten, erfuhr eine wechselvolle Geschichte, bevor es erst mehr als 200 Jahre nach der Abfassung endlich gedruckt vorlag (Hengst 2016 b). Im Folgenden soll es um Betrachtungen gehen, die Körner in einem im Jahre 1766 erschienenen Aufsatz zu rumänischen und bündnerromanischen Bibeln (Körner 1766 b) angestellt hat, wobei hier nur ein sehr kleiner Ausschnitt behandelt werden kann. Schon der Titel Nachricht von den wallachischen, rumanschischen oder rhäzischen Bibeln, als ein Beytrag zu der gelehrten Geschichte der heiligen Schrift verrät das doppelte Anliegen des Pfarrers Körner. Zum einen will er Kenntnisse über die - seinem Publikum sicherlich eher exotisch anmutenden - Sprachen in diesen Bibeln vermitteln, zum anderen verfolgt er eine theologisch-religiöse Absicht - er will deutlich machen, dass es selbst in diesen Sprachen Bibelübersetzungen gibt, womit er gerade auch im Blick auf die zu dieser Zeit in den Donaufürstentümern regierenden Phanarioten ein entsprechendes theologisches Zeichen setzen kann. Den Ausführungen zu diesen romanischen Bibeln voraus geht ein Artikel Körners (1766 a), in dem er in ziemlich gleicher Weise eine im Jahre 1602 in Moskau erschienene russische Version des Neuen Testaments analysiert, deren Sprache er als „ slavonischbulgarisch “ bezeichnet (näher untersucht von Hengst 1990). Interessant ist aus rumänistischer Sicht in diesem Beitrag vor allem, dass Körner unter seinen Referenzwerken sogar Schriften des Dimitrie Cantemir nennt ( „ Kantemirii, Principis Moldau “ , Körner 1766 a: 817), was zeigt, wie bekannt Cantemir in Mitteleuropa wenige Jahrzehnte nach seinem Tod war. Hinter den von Körner als wallachische, rumanschische oder rhäzische Bibeln bezeichneten Werken verbergen sich die erste Übersetzung der gesamten Bibel ins Rumänische, die Bukarester Bibel von 1688, ferner die Übersetzung des Neuen Testaments ins Surselvische (von Körner als „ obergraubündtisch “ bezeichnet) von Luci Gabriel aus dem Jahre 1717 sowie die unterengadinische ( „ untergraubündtische “ ) Gesamtbibelübersetzung von Vulpius von 1743. Außerdem findet sich hier noch eine angeblich im Jahre 1567 in London erschienene rumänische Vater Unser-Version ( „ aus dem N.T. Lond. 1567 “ , Körner 1766 b: 833), die Körner als „ wallisch “ bezeichnet, wie er auch vom „ Wallischen in Engelland “ (Körner 1766 b: 829) spricht. Hier ist Körner der in älteren Werken gelegentlich auftretenden Verwechslung von Walachisch und Walisisch zum Opfer gefallen, die mit der lautlichen Ähnlichkeit der beiden Sprachbezeichnungen in Verbindung gebracht werden kann und „ aus Gründen, die heute nicht mehr zu ermitteln sind “ (Coseriu 1981: 51) erstmals wohl in der - später sogar von Adelung ausdrücklich erwähnten - Vater Unser-Sammlung von Andreas Müller 76 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="77"?> aus dem Jahre 1680 (publiziert unter dem Namen Thomas Lüdeken bzw. Ludeken, cf. Coseriu 1981: 61 - 67) auftaucht: Müller übernimmt dabei die Version aus der Sammlung des Schweden Georg Stiernhelm von 1671 und fügt am Rande - wie bei allen Fassungen seiner Sammlung - seine Quelle(n) noch hinzu, als älteste: „ N.T. VVallic. Lond. 1567 “ (Müller 1680: 58), also exakt die Referenz, auf die sich dann Körner beruft. Es scheint also sehr wahrscheinlich, dass Körner diese Version von Andreas Müller übernommen hat, selbst wenn er diesen nicht nennt 3 . Hierfür spricht zudem die Tatsache, dass ein inzwischen als Digitalisat sogar leicht verfügbares Exemplar der Müllerschen Gebetssammlung in der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden zu finden ist, vermutlich genau das Exemplar, das auch Johann Christoph Adelung, der ja in leitender Funktion an der Kurfürstlichen Bibliothek Dresden tätig war, seinerzeit benutzt hat. Bemerkenswert ist, dass der sächsische Pfarrer die Sprachverwandtschaft von Rumänisch und Bündnerromanisch erkennt, die er für Mundarten ein- und derselben Sprache hält, die er „ rumanschisch oder romansch “ nennt. Bedenkt man, wie schwer sich etwa Johann Christian Adelung noch fast ein halbes Jahrhundert später mit der Einordnung des Rumänischen tut, das er als „ römischslawische Mischsprache “ (Lüdtke 1978: 42 - 43) etikettiert, ist die Einteilung von Körner als sehr beachtlich zu bezeichnen. Dieser Eindruck wird bestätigt durch Körners Einschätzung, dass es sich bei dieser Sprache um „ eine veraltete, ich wil nicht sagen, verdorbene lateinische Sprache “ (Körner 1766 b: 828) handelt - eine Äußerung, die natürlich an die seit der Renaissance vor allem in Italien verbreitete Korruptionstheorie denken lässt, mit der die Entwicklung vom Latein zu den romanischen Sprachen erklärt werden sollte (Schlemmer 1983). Am Ende seines Beitrags fügt Körner sogar noch Betrachtungen zum von ihm als „ Epirotisch “ bezeichneten Albanischen und Maltesischen an, für das er in Italien erschienene Wörterbücher bzw. sprachbeschreibende Werke als Quelle benutzt. Die in beiden Sprachen ja unbezweifelbar vorhandenen zahlreichen lateinisch-romanischen Elemente führen ihn - wie zudem andere Autoren der frühen Zeit - dazu, auch diese beiden Sprachen zu den „ rumanschen Völckern und Sprachen “ zu zählen, da sie „ von den römischen Colonien ingleichen abstammen, jedoch daß noch viele Wörter von den ältesten Bewohnern sind beybehalten und mit der lateinischen Sprache vermenget worden “ (Körner 3 Da dies noch nicht genauer untersucht werden konnte und Körner zu dieser Version auch keinen philologischen Kommentar gegeben hat, wird diese Fassung im Folgenden nicht weiter betrachtet. Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 77 <?page no="78"?> 1766 b: 836 - 837). Selbst wenn gerade im Falle von Albanisch und Maltesisch heute eine andere Zuordnung gemacht wird, ist doch die Erkenntnis, dass die romanischen Sprachen durch die Überlagerung des jeweiligen autochthonen Substrats durch das von den Römern mitgebrachte Latein entstanden sind, besonders hervorzuheben. 3 Körners „ Philologische Anmerkungen über das Wallachische “ Seine Nachricht von den wallachischen, rumanschischen oder rhäzischen Bibeln gliedert Georg Körner in acht Paragraphen. In den ersten beiden beschreibt der sächsische Pfarrer die Bukarester Bibel von 1688, transkribiert den Titel ins lateinische Alphabet, übersetzt ihn ins Deutsche und liefert eine ganze Reihe von weitgehend zutreffenden Informationen nicht nur zu dieser Bibel und zur rumänischen Sprache, sondern auch zur Geschichte und Kultur des unteren Donauraums. Eine Würdigung dieser Passagen einschließlich einer Betrachtung der von Körner verwendeten Ethno- und Glottonyme haben wir an anderer Stelle bereits versucht (Dahmen / Munteanu 2019), dort finden sich überdies Hinweise darauf, wie Körner in den Besitz des Exemplars der Bukarester Bibel gelangt ist. Der dritte Paragraph enthält die Vorstellung der surselvischen und der unterengadinischen Bibelversionen nach einem ähnlichen Schema, wie er es zuvor bei der Bukarester Bibel angewandt hat: Er zitiert den jeweiligen Titel und gibt weitergehende Informationen, zudem erläutert er, woher er diese Bibeln bekommen hat 4 . Die Paragraphen vier und fünf, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen, enthalten Kommentare, die Körner selbst als „ philologische Anmerkungen “ bezeichnet und die nicht zuletzt den Zweck verfolgen, die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede dieser romanischen Idiome zu zeigen: „ einige Proben, um den Unterschied von einer jeden, beßer einzusehen, mit einigen philologischen Anmerkungen begleitet “ (Körner 1766 b: 829). Allerdings nimmt der Autor selbst keine direkten Vergleiche vor, sondern erklärt die jeweiligen Versionen Wort für Wort. Dazu dient ihm zunächst ein Vers aus der Genesis, danach dann das Vater Unser nach Matthäus 6, 9 - 13, wobei er hier als weiteren, also vierten Vergleichstext die oben genannte, von ihm als „ Wallisch “ bezeichnete Version präsentiert. Die abschließenden Paragraphen 6 - 8 behandeln dann - wie oben bereits erwähnt - das Albanische und Maltesische. 4 Die bündnerromanischen Versionen sowie Körners philologische Anmerkungen hierzu bleiben im Folgenden unberücksichtigt, sie sollen in einer späteren Publikation gewürdigt werden. 78 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="79"?> 3.1 Genesis 3, 15 Als Vergleichstext aus der Bukarester Bibel wählt Körner Vers 15 des dritten Kapitels der Genesis aus, die Verfluchung der Schlange, die Eva verführt hat, von dem Baum der Erkenntnis zu essen. Im vorangehenden Abschnitt, in dem er seinen Lesern das Titelblatt vorstellt, hatte er erläutert, dass die Bibel in (alt-)kyrillischen Buchstaben gedruckt sei, die aber keine Druckerei in Mitteleuropa präsentieren könne, weswegen er eineTranskription vornehme. Auch die Stelle aus der Genesis ist wieder ins lateinische Alphabet übertragen, doch wiederholt er nicht die Begründung mit den nicht vorhandenen Druckmöglichkeiten, sondern verweist stattdessen auf die Gemeinsamkeit mit den beiden bündnerromanischen Versionen, die natürlich lateinische Buchstaben verwenden. Die Bukarester Bibel bietet den Text in dieser Form: Íì vrá Ω bß vóü púnê ç ÊñrÁ mí Ω 7lokÁl7 tß ’ Á, ‚ ì ç ÊñrÁ mí Ω 7lokÁl7 mÁê ’ rïi ˘ , ‚ ì ç ÊñrÁ mí Ω 7lokÁl7 sêmên7cïêi ˘ tálê, ‚ ì ç ÊñrÁ mí Ω 7lokÁl7 sêmên7cïêi ˘ ê ∞ i ˘ , ê ∞ l´ va pßjì cïê kápul7, ‚ ì tù vei ˘ pßjì lúi ˘ kßl$kõ ’ ilê. Im Folgenden findet sich links die Transkription Körners und rechts eine interpretative Transkription in heutiger rumänischer Orthographie: Schi wraschbe woju pune intru mischlokul teu, schi intru mischlokul mujerij, schi intru mischlokul semenczïei tale, schi intru mischlokul semenczïei jei, jele wa pasi czie kapul, schi tu weï pasi lui kalkajaïle. Ș i vrajb ă voiu pune întru mijlocul t ă u ș i întru mijlocul muierii, ș i întru mijlocul semen ț iei tale ș i întru mijlocul semen ț iei ei. El va p ă zi ț ie capul ș i tu vei p ă zi lui c ă lcîile. In der deutschen Einheitsübersetzung (2016) lautet diese Stelle: „ Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. “ Betrachtet man die Transkription Körners, erkennt man schnell, dass er Probleme natürlich vor allem mit den Lauten hat, die ihm in dieser Form aus dem Deutschen nicht bekannt sind. Auch orientiert er sich an deutschen Schreibgewohnheiten, dafür ist er aber innerhalb des von ihm gewählten Transkriptionssystems doch relativ konsequent. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen Körner und der heutigen rumänischen Orthographie, wobei aus praktischen Gründen zunächst die heutige rumänische Schreibweise gegeben wird, auf die in Klammern die phonetische Definition des Lautes folgt, an die sich dann die von Körner verwendete Graphie anschließt: ă (halbgeschlossener Mittelzungenvokal) = e oder a î (geschlossener Mittelzungenvokal) = i i (geschlossener Vordervokal) = ï Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 79 <?page no="80"?> i (halbvokalisch oder asyllabisch im Auslaut) = j oder i c (stimmloser palataler Okklusiv) = k j (stimmhafter postalveolarer Frikativ) = sch ș (stimmloser postalveolarer Frikativ) = sch ț (stimmlose alveolare Affrikate) = cz v (stimmhafter labiodentaler Frikativ) = w z (stimmhafter alveolarer Frikativ) = s Auf den Vers der Genesis aus der Bukarester Bibel sowie aus den Übersetzungen von Luci Gabriel und Jacob Anton Vulpius folgen „ philologische Anmerkungen “ Körners, der jedes Wort bespricht und etymologisiert (Körner 1766 b: 830 - 833). Die Erläuterungen des sächsischen Pfarrers zur rumänischen Bibelversion werden im Folgenden jeweils ganz zitiert 5 und danach von uns kommentiert. In [Klammern] ist das jeweilige Wort in der heutigen Orthographie hinzugefügt. [830] Schi [ ș i] ist aus dem Gr. καὶ . Lat. que entstanden, weil die Wallachen unter den Slavoniern sich endlich den Sibilum mit angewöhnet haben, wie aus mehreren Worten klar ist. Kommentar: Körners etymologische Erklärung ist unzutreffend; ș i, das im Rumänischen nicht nur Konjunktion, sondern auch Adverb ist, kommt von lat. SIC. Lat. ET, das in den anderen romanischen Sprachen weiterlebt, hat sich im Rumänischen in der Form e erhalten, wie Belege in Texten des 16. Jahrhunderts beweisen, ist dann aber außer Gebrauch geraten. Bemerkenswert an Körners Erklärung erscheint aber folgendes: Als Kenner der klassischen Sprachen Griechisch und Latein sucht er primär dort nach einem Etymon. Angesichts der sonstigen Bemerkungen ist man erstaunt, dass Körner die eigentlich nahe liegende richtige Erklärung nicht gefunden hat, doch liegt dies vermutlich daran, dass ihm SIC in der Bedeutung ‚ und ‘ offensichtlich nicht vertraut ist, sondern nur als Bejahungspartikel wie im Italienischen und Spanischen oder in der wie im Lateinischen bekräftigenden Bedeutung ‚ so ‘ , die sich etwa im Französischen erhalten hat. Als eine mögliche Ursache für lautliche Veränderungen vom Latein zum heutigen Rumänischen erkennt er immerhin den Einfluss slavischer Sprachen, auch wenn dies hier natürlich unzutreffend ist. Wraschbe [vrajb ă ], Feindschaft, Zorn, ist von den Gothen und alten Daciern noch übrig, davon die Engelländer ihr wrath noch her haben: und da das th schon einen 5 Die von Körner verwandte Orthographie wird selbstverständlich beibehalten. 80 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="81"?> halben S i b i l u m mit f vermengt, führet, ist es endlich in schb verwandelt worden. Kommentar: Die etymologische Erklärung Körners, der sowohl eine Subwie auch eine (vielleicht) Superstratsprache bemüht, ist phantastisch, das Wort, das u. a. im Tschechischen und Polnischen lebt, ist altslavischen Ursprungs (vra žĭ ba). Woju [voiu], ist das V e r b u m a u x i l i a r e , ich will, lat. volo, gall. je veux, ital. voglio. Kommentar: Eine völlig korrekte Erklärung Körners, der dabei auch seine Kenntnisse des Französischen, das er als „ Gallisch “ bezeichnet, und des Italienischen unter Beweis stellt. Pune [pune], ist das lat. ponere, wo die Endung re fehlet. Kommentar: Körners Erklärung ist richtig, aber nicht vollständig. Das Rumänische kennt zwei Formen des Infinitivs, einen „ langen “ (punere), der heute zur Bildung von Verbalabstrakta dient, und einen „ kurzen “ : (a) pune. Ganz offensichtlich fällt Körner hier die Sonderstellung des Rumänischen innerhalb der romanischen Sprachen auf, die ansonsten die Form mit -re beibehalten, ohne dass ihm die genauen Details der rumänischen Verbalmorphologie bekannt sind. Intru [întru], ist der Lateiner ihr inter, intra, zwischen. Kommentar: Körners Erklärung ist natürlich völlig richtig. Mischlokul [mijlocul], die Mitte, ist aus dem Lat. medius locus, in ein Wort endlich zusammengefloßen, da zumalen die Rumanschen, wie die Italiäner, das L sehr lieben, und statt fradre, frare, fratello; statt sorore, sorella sprechen. Man siehet auch, wie die Übersetzung der LXX κατὰ πόδα folge, ἀνὰ μέσον : zwischen der Mitte. Kommentar: Auch hier ist Körners etymologische Erklärung völlig richtig. Die weiteren Ausführungen sind hingegen als phantastisch zu bezeichnen, it. fratello, sorella setzen Diminutivformen fort und haben nichts mit phonetischen Vorlieben zu tun. Teu [t ă u], ist der G e n i t i v u s von tu, lat. tui. Kommentar: Körners Erklärung geht in die richtige Richtung, ist aber nicht völlig korrekt. Die Reihe t ă u / ta / t ă i / tale dient im Rumänischen als Possessivum, das in Genus, Numerus und Kasus an das Besitzobjekt angepasst wird. Das Etymon ist das lateinische Possessivpronomen TUUS / TUA / TUI / TUAE. Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 81 <?page no="82"?> Mujer [muiere], ist das Span. muger, ein Weib, wie denn die spanische Sprache der Wallachischen am nächsten kömmt. Kommentar: Körners etymologische Erklärung ist natürlich richtig. Rum. muiere geht ebenso wie sp. mujer auf lat. MULIER(EM) zurück. Im heutigen literarischen Rumänisch wird in der Regel femeie (< FAMILIA) gebraucht, da muiere eine pejorative Konnotation hat, auch wenn es in regionalen Varietäten weit verbreitet ist. Erstaunlich ist bei Körners Ausführungen, dass er das Spanische für die dem Rumänischen am nächsten stehende Sprache hält, obwohl er bei Parallelen zu anderen romanischen Sprachen viel häufiger auf das Französische und Italienische verweist - Sprachen, die er vermutlich besser beherrschte als das Spanische. Und noch etwas verdient es, herausgehoben zu werden: Körner führt hier als Lemma nicht die deklinierte Form des Textes mujerij [muierii] an, sondern eine Form, die er offensichtlich für die Grundform, also den Nominativ, hält. Im Rückschluss bedeutet dies, dass er erkennt (oder vielleicht auch nur intuitiv fühlt), dass das Rumänische im Gegensatz zu den anderen romanischen Sprachen noch Relikte der lateinischen Nominalflexion bewahrt hat. Semenza [s ă mîn ță ], der Saame, lat. semen, fr. semence, ital. sementa und semenza, wie das Wallachische. Kommentar: Hier haben wir es wieder mit einer Deutung zu tun, an der nur wenig auszusetzen ist. Rum. s ă mîn ță ist ebenso wie frz. semence und it. semenza nicht auf das klassisch-lateinische SEMEN, -TIS, sondern auf ein rekonstruiertes vulgärlateinisches *SEMENTIA zurückzuführen (REW 7804). Zudem ist auch hier - ähnlich wie bei dem vorangehenden Eintrag - auffällig, dass unser Autor nicht die Genitivform des Genesistextes zitiert, sondern den Nominativ. Tale [tale], ist foemininum von tuo, mit dem a r t i c u l o le, oder vielmehr le e u p h o n i c o , weil die Wallachen [831] das L gerne anhängen, und lok sowohl als lokul sprechen, der Ort; Parintje, und Parintele der Vater. Kommentar: Diese Erklärung ist zwar falsch, ja geradezu phantastisch, aber trotzdem hochinteressant. Tale ist das Possessivadjektiv der 2. Person fem. im Genitiv, mit Anpassung an das Substantiv semen ț iei (cf. supra s. v. Teu). Körner erkennt aber, dass es sich um die feminine Form des Possessivums handelt und er zieht die Möglichkeit, dass le der (bestimmte) Artikel ist, in Erwägung. Das ist in diesem Fall natürlich falsch und seine Meinung, dass es sich um Euphonie handelt, ebenfalls. Er spürt aber offensichtlich (oder weiß es vielleicht sogar), dass das Rumänische den bestimmten Artikel anhängt, wie man den Beispielen lok / lokul [loc / locul] ‚ Ort / der Ort ‘ und parintje / parintele [p ă rinte / p ă rintele] ‚ Vater / der Vater ‘ entnehmen kann. 82 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="83"?> Jei [ei], ist das pronomen: ihr, sie, von mascul. jele, jel. Kommentar: Eine weitere völlig korrekte Erklärung Körners: ei ist die Form des Genitiv Singular des Personalpronomens el / ea. Höchst beachtlich sind an dieser Stelle aber zudem zwei Schlussfolgerungen: Zum einen kennt Körner die maskuline Form des Personalpronomens, zum anderen transkribiert er die Form ê ∞ i ˘ der Bukarester Bibel mit der in der graphischen Form ja nicht erkennbaren Jotazierung. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass er Grundkenntnisse des Rumänischen besitzt oder dass ihn jemand, der über entsprechendes Wissen verfügte, beraten hat. Wa [va], ist das verbum auxiliare, von waï, weï, wa, franz. je vais, tu vas, il va, womit man ein f u t u r u m p e r i p h r a s t i c u m machen kan. Kommentar: Körners Ausführungen sind grundsätzlich völlig richtig: Das Rumänische bildet die Formen des Futur I mit Hilfe des Auxiliars a voi ‘ wollen ’ (voi, vei, va, vom, ve ț i, vor) + dem kurzen Infinitiv des zu konjugierenden Verbs. Richtig ist auch der Vergleich mit der morpho-syntaktischen Form der französischen Futurformen des Typs je vais chanter, der Unterschied besteht lediglich darin, dass die französischen Formen nicht mit einem Verb gebildet werden, das ‚ wollen ‘ bedeutet, sondern ‚ gehen ‘ (aller). Pasì [p ă zi], stoßen, schlagen, als mit Spießen und Hammern, ist der wallachische i n f i n i t i v u s in der 4ten C o n j u g a t i o n , wo das -re der Lateiner, wie ihnen gewöhnlich ist, mangelt, und bey pune vorher im gleichen erhellet. Da nun die rumanschen Wallachen das lateinische Qu in ein P, und das Gu in ein B verwandeln, als: âpe, statt aqua, limbe, statt lingua; so siehet man, daß pasì hier so viel als quatire obsol. heißet, franz. battre, von quatio, quassi, quassum, quatere. Der Italiäner hat noch ein s vorgesetzt, und das n o m e n : spada, ein Degen daraus gemacht, dagegen die Franzosen, das s, nach der neuen Schreibart, wieder herausgeworfen, die Endung da in ein ée f œ m. ziehend, endlich êpée gemacht haben, welches also von quatio der Lateiner herkömmt. Das Deutsche: kutten, quetzschen, fetzen, pfetzschen, mit Hämmern, Fäusteln, Päuscheln und Pochwercken etwas in Berg- Hütten- und Hammerwercken tractiren, dreinhauen, drauf los schmeißen, daß es Löcher und Riße mache, nimmt aus dem כׇ ּ תַ ש כׇ ּ תַ ת , allen noch so alten Wortforschungen, den Vorzug weg. Wie schön ist nicht hier die wallachische Uebersetzung mit dem pasi, weil solches, nach dem Buchstaben, bey der Creutzigung Christi, erfolget ist? und ist die Forschung der heiligen Schrift nach den verschiedenen Uebersetzungen etwas, so zu loben, oder zu tadeln ist? welches Letzere alle unsre Rasenwälzer gemeiniglich thun. Kommentar: Körners Erklärungen sind einerseits weitgehend zutreffend und beachtlich, andererseits aber auch phantastisch. Phantastisch deswegen, weil er in Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 83 <?page no="84"?> seiner eher ausschweifenden Erklärung, in der man vielleicht den mit dem Bergbau im Erzgebirge vertrauten Bockauer Pfarrer wiederfinden kann, dem rumänischen Verb a p ă zi ‘ schützen, verteidigen; (sich) kümmern ’ eine Bedeutung zuschreibt, die das Wort, das aus dem Altslavischen (paziti) entlehnt ist, niemals gehabt hat. Wahrscheinlich hat sich Körner bei der Erklärung der Bedeutung des Verbs an der entsprechenden Stelle der V ULGATA (Inimicitias ponam inter te et mulierem et semen tuum et semen illius ipsa conteret caput tuum et tu insidiaberis calcaneo eius.) oder der Lutherbibel (Ich stelle Feindschaft zwischen dich und die Frau, / deinem Nachwuchs und ihrem. / Er wird dir den Kopf zertreten , / und du wirst ihm die Ferse zerbeißen .) orientiert, wie es auch die griechisch-katholischen Gelehrten aus Blaj gemacht haben, die in ihrer Bibelübersetzung von 1760 - 1761 ebenfalls der V ULGATA gefolgt sind: Vrajbe oi pune între tine ș i între muiare ș i între s ă mîn ț a ta ș i între semin ț ia ei. Ș i ea va zdrobi capul t ă u ș i tu vei pîndi c ă lcîiul ei (Bibl.1760 - 1761). Körner konnte nicht wissen, dass die Bukarester Bibel von 1688 ebenso wie die beiden anderen Bibelübersetzungen dieser Zeit (Ms. 45 und Ms. 4389), ganz strikt dem griechischen Text der S EPTUAGINTA folgen, in der das Verb τηρέω ‘ behüten, bewachen, genau verfolgen ’ gebraucht wird (cf. G R . - E NGL .L EX ., s. v.). Der gesamte Vers lautet in der S EPTUAGINTA : καὶ ἔχθραν θήσω ἀνὰ μέσον σου καὶ ἀνὰ μέσον τῆς γυναικὸς καὶ ἀνὰ μέσον τοῦ σπέρματός σου καὶ ἀνὰ μέσον τοῦ σπέρματος αὐτῆς· αὐτός σου τηρήσει κεφαλήν , καὶ σὺ τηρήσεις αὐτοῦ πτέρναν . In der deutschen Übersetzung der S EPTUAGINTA lautet der Satz: Und Feindschaft werde ich setzen zwischen dir und zwischen der Frau und zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft. Er wird deinem Kopf auflauern und du wirst seiner Ferse auflauern (S EPTUAGINTA D EU TSCH ). Auch in der Bibel von Micu aus dem Jahre 1795 findet sich die an der S EPTUAGINTA orientierte Form: Ș i vr ă jm ăș ie voiu pune într ă tine ș i într ă muiare, ș i într ă s ă mîn ț a ta ș i într ă s ă mîn ț a ei. Acela va p ă zi capul t ă u, ș i tu vei p ă zi c ă lcîiul lui (B IBL . 1795). Selbst die erste von der Synode der orthodoxen Kirche gebilligte Fassung, die 1914 gedruckt wurde, bewahrt diese zweideutige Form: Acela va p ă zi capul t ă u, ș i tu vei p ă zi c ă lcîiul lui. Erst in der synodalen Bibel von 1936 findet sich dann eine dem Kontext angemessene semantische Nuancierung: Du ș m ă nie voi pune între tine ș i între femeie, între s ă mîn ț a ta ș i s ă mîn ț a ei; aceasta î ț i va zdrobi capul, iar tu îi vei în ț epa c ă lcîiul (B IBL .1936). Beachtlich sind Körners Ausführungen aber aus einem anderen Grund: Zwar ist seine semantische Erklärung des Verbs p ă zi und die etymologische Herleitung von lat. QUATERE 6 aus heutiger Sicht abenteuerlich, doch verraten seine Gedankengänge Grundzüge der sich am Beginn des 6 Zu lat. QUATERE in der Romania cf. Bork (1969). 84 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="85"?> 19. Jahrhunderts konstituierenden historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft: Der für das Rumänische sehr charakteristische Lautwandel von - qu - (vor a) zu p und von - gu - zu mb wird mit exakt den Beispielen erklärt, wie sie sich bis heute in den historischen Lautlehren des Rumänischen finden (z. B. Rothe 1957: 40): AQUAM > ap ă , LINGUAM > limb ă . Bei den Erläuterungen zur lautlichen Struktur von it. spada und fr. épée ist Körner ebenfalls auf der richtigen Spur, wenn er auch vom falschen Etymon ausgeht: Er erkennt, dass das Französische im Gegensatz zum Italienischen das prothetische e vor s impurum bewahrt, den ursprünglichen Anlautkonsonaten hingegen „ herausgeworfen “ hat, wie er selbst sich ausdrückt. Schließlich verweist der Bockauer Pfarrer hier noch deutlicher als bei seinen Bemerkungen zu pune darauf, dass bei den rumänischen Infinitiven die lateinische -re-Endung getilgt ist. Wie stark für Körner sprachliche und theologische Forschung mit- und ineinander verwoben sind, wird dann am Schluss noch einmal deutlich: Das rumänische Verb p ă zi, das er fälschlich mit „ als mit Spießen und Hammern stoßen, schlagen “ übersetzt, gefällt dem protestantischen Pfarrer eben auch deswegen, weil es die Kreuzigung Christi reflektiert. Damit kann er gleichzeitig eine verbale Attacke gegen diejenigen reiten, die Übersetzungen der Bibel in die jeweilige Volkssprache und die Forschungen dazu kritisieren. Czje [ ț ie], oder tje, dir, ist der d a t i v u s von tu, teu, tje, te. Kommentar: Eine weitere korrekte Erklärung, wenn man davon absieht, dass Körner das Possessivadjektiv t ă u in die Reihe der Personalpronomina aufnimmt. [832] Kapul [capul], der Kopf, Haupt, von ital. capo, lat. caput, wallach. kap, mit der e u p h o n i a : ul, capul. Kommentar: Das rumänische Substantiv cap ist aus dem Lateinischen CAP UT ererbt und verwandt mit it. capo, sp. cabo, fr. chef. Die Sequenz -ul ist natürlich kein Phänomen von Euphonie, sondern es handelt sich um den enklitischen bestimmten Artikel Mask./ Neut. Nom./ Akk. Sg. -l, dem ein von rumänischen Grammatikern als „ Bindevokal “ bezeichnetes - u - vorangeht (cf. supra s. v. tale). Weï [vei], ist die andre Person von wai, siehe unter wa vorher. Kommentar: Die Erklärung trifft zu, auch wenn sie nicht ganz korrekt formuliert ist. Die Form vei ist Bestandteil des Verbsyntagmas vei p ă zi, 2. Ps. Sg. Indikativ Futur. Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 85 <?page no="86"?> Kalkjaile [c ă lcîiele], die Fersen, mit der euphonischen Endung gen. foem. le, ist hier der p l u r a l i s von kalke, die Ferse. Kommentar: Das Wort ist von Körner nicht ganz korrekt transkribiert worden; bei c ă lcîile (heute: c ă lcîiele) handelt es sich um die Akkusativ-Plural-Form des Neutrum-Substantivs c ă lcîi (Erbwort von lat. CALCANEUM). Auch hier (cf. supra s. v. tale und kapul) handelt es sich nicht um eine „ euphonische Endung ˮ , sondern um den enklitischen bestimmten Artikel -le. Lui [lui], der d a t i v u s von Jel, jella, er, sie, wie im Französischen. Kommentar: Körners Erklärung ist völlig richtig. 3.2 Das Vater Unser (Matthäus 6, 9 - 13) Als zweiten Bibeltext präsentiert Körner sodann im § 5 seines Beitrags das Vater Unser in vier verschiedenen Versionen, da er - wie oben beschrieben - von vier „ rumanschischen “ Idiomen ausgeht. Während er an anderer Stelle (1766 b: 829) von vier „ Mundarten dieser rumanschischen oder romanschen Sprache “ spricht, ist hier von „ Sprachen “ die Rede (1766 b: 833) - eine Differenzierung, die man sicherlich nicht mit den Maßstäben heutiger wissenschaftlicher Terminologie beurteilen und somit nicht überbewerten sollte: Damit man endlich den Unterschied zwischen allen 4. obermeldeten rumanschischen Sprachen einsehen möge, will ich das Vater Unser gegen einander hieher setzen, welches ich nach der Schreibart, so wie sich daßelbe in den angezeigten Bibeln findet, beybehalte und zwar das Wallachische mit lateinischen Buchstaben. Bei diesen vier Versionen handelt es sich um die entsprechende Stelle aus dem Matthäusevangelium der Bukarester Bibel und der beiden bündnerromanischen Bibeln sowie dem von Körner als „ Wallisch “ bezeichneten Text. Im Folgenden soll aus den oben genannten Gründen nur die Transkription der Passage aus der Bukarester Bibel betrachtet werden, wobei der Aufbau unserer Darstellung der der Genesis-Passage folgt. In der ältesten Übersetzung der gesamten Bibel ins Rumänische lautet das bei Matthäus aufgezeichnete Gebet folgendermaßen: Tátßl7 nóstrÁ çê ’ l´ dên7 çê ’ rüri, sfnªc ™’ skß sß númêlê tß ’ Á. Vî ’ ê ç Êpßrßcî ’ å tà, fîê vóå tà, kùmÁ ç Êçê ’ rü, aÊ ‚ à ‚ ì prê ‘ pßmø ’ n7 t´. Pø ’ i ™ nóastrß ç ™‘ deto ’ atê jílêlê dß ’ ne Σ noa Σ a ∞ stßji. Íì lácß nóa Σ datorî ’ ilê no ’ astrê, kÁm lßsß ’ m7 ‚ ì nói ˘ datórniçilor´ nówri. Íì sßnúnê dúçi prê ‘ ‘ nói ˘ ç Êbøn7tÁæ ’ lß, çê ‘ nê iÊj7bß ™’ wê prê ‘ nói ˘ de çê ’ l´ rß ’ Á. Kß aÊtà å ∞ stê ç Êpßrßcî ’ å ‚ i ‘ put ™’ r ™ ‚ i ‘ sla ’ va ç ÊtrÁ v ™’ ’ ’ çÔ aÊmi ’ n. Im Folgenden findet sich links die Transkription Körners und rechts eine interpretative Transkription in heutiger rumänischer Orthographie: 86 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="87"?> Wallachisch. aus Math. VI, 9. Tátæl nóstru, czel den czériuri Sphinziéskæ sæ númelje tæu. Wije impærætsija ta. Fije wója ta, cúmu in cziérjo, assà schi prjè pæmjánte. Pjánnje nóastræ czie de tóatje silelje dáeneo nóao ástæsi. Schi lásæ nóao datoriilje nóastre, cum læsàm schi nói datórniczilor nóschtri. Schi sæ nu [834] nje, dúczi prjè nói in wjantujálæ; cze nje isba wjéschtsche prjè nói de czel ræu. Ka atà jaste impærætsija, schi putierje, schi sláwa intru wiécze. Amin. In heutiger rumänischer Orthographie: Tat ă l nostru cel den ceriuri, sfin ț easc ăs ă numele t ă u, vie împ ă r ăț iia ta, fie voia ta, cumu în ceriu, a ș a ș i pre p ă mînt. Pîinea noastr ă cea de toate zilele d ă -ne o noao ast ă zi, ş i las ă noao datoriile noastre, cum l ă s ă m ş i noi datornicilor no ş tri. Ş i s ă nu ne duci pre noi în bîntuial ă , ce ne izb ă vea ș te pre noi de cel r ă u. C ă a ta iaste împ ă r ăț iia, ș i putearea ș i slava, întru veci. Amin. Vergleicht man die Transkription Körners dieser Passage mit derjenigen der Genesis, erkennt man - wie es natürlich zu erwarten war - weitgehende Übereinstimmungen, aber auch kleine Unterschiede, die zeigen, dass es keine systematische Festlegung bei derTranskription gab. Die folgende Übersicht stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen Körner und der heutigen rumänischen Orthographie gegenüber. Wie oben wird zunächst die heutige rumänische Schreibweise gegeben, auf die in Klammern die phonologische Definition des Lautes folgt, an die sich dann die von Körner verwendete Graphie anschließt: ă (halbgeschlossener Mittelzungenvokal) = æ oder a î (geschlossener Mittelzungenvokal) = e i (geschlossener Vordervokal) = i i (halbvokalisch oder asyllabisch im Auslaut) = j c (stimmloser palataler Okklusiv) = k ș (stimmloser postalveolarer Frikativ) = s ț (stimmlose alveolare Affrikate) = ts oder z v (stimmhafter labiodentaler Frikativ) = w z (stimmhafter alveolarer Frikativ) = s ce / ci (stimmlose postalveolare Affrikate) = cz Auf die vier Vater Unser -Versionen folgen sodann in ähnlicher Form wie auf den Genesis-Vers Anmerkungen des sächsischen Gelehrten vor allem zur Etymologie. Während er aber zuvor mehr oder weniger jedes Wort besprochen hat, behandelt Körner hier nur einen Teil der vorkommenden Lexeme. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass er diesen Abschnitt mit „ Anmerkungen “ überschreibt, während die entsprechende Passage zum Genesisvers den Titel „ Philologische Anmerkungen “ trägt. Zu diesem Eindruck trägt überdies bei, dass er zuvor seine Kommentare hintereinander geordnet hat ( „ Philologische Anmerkungen: a) Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 87 <?page no="88"?> über das Wallachische “ , p. 830 - 832; „ b) über das Graubünderische “ , p. 832 - 833), während er nun seine „ Anmerkungen. a) über das Wallachische. b) über das Graubündtische “ (p. 834 - 836) 7 in zwei Spalten nebeneinander setzt, wobei er nicht die jeweiligen Äquivalente auswählt, anders ausgedrückt: Es sind keineswegs die korrespondierenden Wörter, die berücksichtigt oder eben nicht berücksichtigt werden: Tat ă l (rum.) wird erklärt, bab (surs.) bzw. bap (engad.) hingegen nicht. Die Gründe, warum dieses oder jenes Wort erklärt oder auch nicht erklärt wird, sind an dieser Stelle zunächst nicht ersichtlich. Man könnte deshalb annehmen, dass Körner die Wörter, die er nicht etymologisieren konnte, weggelassen hat. Dies trifft jedoch nicht zu, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Wenn er Formen wie nostru, numele, pîine, c ă , a ta, iaste, împ ă r ăţ iia, putearea, die Konjunktion ş i oder die Präposition întru nicht behandelt, dann deshalb, weil die Herkunft für jemanden, der des Lateinischen mächtig ist, leicht zu durchschauen ist. Dies bekräftigt unserAutor selbst am Ende der Liste der rumänischen Wörter (cf. infra s. v. Wiech), wenn er sagt „ die übrigen [Wörter] sind aus dem lateinischen leicht zu verstehen “ (Körner 1766 b: 836). Außerdem sind manche dieser Wörter wie etwa ş i oder întru (ggbf. in einem entsprechenden Paradigma) schon in den zuvor behandelten Texten aufgetreten und besprochen worden. Im Folgenden werden wieder zunächst Körners Bemerkungen ganz zitiert, an die sich dann eine kommentierende Einordnung anschließt: Tatal [tat ă l], ist vom Gothischen und Dacischen th ’ Aita, der Vater, mit dem wällischen L, gleich als Vatergen oder, lieber Vater. Kommentar: Das rumänische Substantiv tat ă ‘ Vater ’ ist im heutigen Rumänischen sowohl in der literarischen Standardsprache wie auch in den Mundarten die geläufige Form. Eine Verbindung zum Dakischen oder Gotischen ist nicht gegeben, das Etymon ist das vor allem in der Kindersprache geläufige lat. tata, nis, das in diversen italienischen, spanischen und französischen Dialekten ebenso wie im Albanischen weiterlebt. Die genealogische Verbindung von Dakisch und Gotisch, die Körner schon in den Bemerkungen zum Genesisvers (s. v. Wraschbe [vrajb ă ]) gezogen hat, ist natürlich nicht haltbar. Der enklitische bestimmte Artikel -l wird hier - wie zumeist - nicht als solcher erkannt, sondern als Diminutiv bzw. Koseform interpretiert. 7 Zu der von ihm als „ Wallisch “ (mit der Quellenangabe „ aus dem N.T. Lond. 1567 “ ) bezeichneten Version des Vater Unsers gibt Körner keine Anmerkungen. 88 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="89"?> Czeriuri [ceriuri], die Himmel, in singl. czerio, wo r statt l [835] als l i t t e r a u n i u s o r g a n i abwechselt. Kommentar: Körner erkennt richtig, dass hier die Pluralform des wenige Zeilen später vorkommenden czierjo [cer] vorliegt. Es handelt sich um den Neutrumplural mit der Endung -uri (< lat. -ora) des Substantivs cer, das Erbwort aus lat. caelum ‘ Himmel ’ ist und sich auch in den anderen romanischen Sprachen (it. cielo, fr. ciel, sp. cielo etc.) erhalten hat. Beachtlich ist hier aber Körners weiterer Hinweis „ r statt l “ , den man so deuten kann, dass ihm der für das Rumänische so typische Rhotazismus aufgefallen ist. Sfinziéskæ sæ [sfin ț easc ăse], es heilige sich; weil die Wallachen kein p a s s i v u m haben und daßelbe mit dem r e c i p r o c o durch das a c t i v u m geben; ist vom Slavonischen swience(n)sie(n), sich heiligen, oder geheiliget werden, polon. swie[n]ty, heilig, swie[n]cona woda,Weyhwaßer, da die Wallachen unter und neben den slavonischen Völkern wohnen. Kommentar: Körners Erklärungen sind zumindest zu einem großen Teil grammatisch wie historisch zutreffend. Richtig ist, dass das rumänische Verb a sfin ţ i ‚ heiligen ‘ slavischen Ursprungs ist. Falsch ist die Feststellung, dass das Rumänische keine passivische Diathese kenne, in dem entsprechenden Kontext könnte es auch s ă fie sfin ț it lauten. Richtig ist hingegen wiederum, dass die Form mit der Inversion des Reflexivpronomens, die hier im Text vorkommt (sfin ț easc ăse), das Ergebnis einer Beeinflussung durch das slavische Verbalreflexivum sein kann. Dieselbe Struktur taucht wenig später im Text überdies bei einem Verb lateinischen Ursprungs auf: fac ăse. In der heutigen literarischen Standardsprache ist die Konjunktivform mit dem postponierten Reflexivpronomen zwar ungewöhnlich, doch hat sie sich in aktuellen Varianten des Vater Unser sowohl im persönlichen Gebet wie in der Kirche erhalten. Sie findet sich zudem häufig in der Volksdichtung, vor allem in festen Wendungen wie Flüchen, z. B.: duc ăse dracului, duc ăse de unde a venit, duc ăse pe pustii. Pæmjante [p ă mînt], die Erde,Welt, halt ich vor mundus, mit der p r o s t h e s i pa. Kommentar: Zwar muss man Körners Transkription hier als approximativ bezeichnen, doch hat er die Bedeutung des Wortes richtig erkannt. Die etymologische Herleitung ist allerdings nach heutigem Kenntnisstand als falsch anzusehen, die Annahme eines prothetischen pa- + MUNDUS erscheint geradezu phantastisch: Das Substantiv p ă mînt (Neutr.), das zum Grundwortschatz des Rumänischen gehört, hat nichts mit lat. MUNDUS zu tun, sondern ist die lautgerechte Fortsetzung von lat. PAVIMENTUM. Die semantische Entwicklung dieses Wortes von ‘ Estrich, Pflaster ’ zu ‘ Boden, Gelände ’ und dann mit Erweiterung zu ‘ Erde, Erdkreis, Welt ‘ ist eine Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 89 <?page no="90"?> Eigenheit des Rumänischen und wird von einigen Sprachwissenschaftlern als Indiz für die Ruralisierung der romanisierten Bevölkerung in den Donauprovinzen des Imperium Romanum gewertet. Si, silei [zi, zilei], der Tag, vor dies, wie denn das s und d, t, bey den Oberu. Niedersachsen auch also wechseln; ital. di. Kommentar: Körners etymologische Herleitung trifft zu: Rum. zi, Pl. zile geht auf lat. DIES zurück. Interessant ist natürlich auch sein Hinweis auf parallele Lautentwicklungen, etwa der Sonorisierung, in den ihm und seinen Lesern sicherlich geläufigeren deutschen Mundarten Sachsens. Datorije [datorie], die Schuld, franz. ‚ dete, dette, von lat. debitum, sonst debte, u. hier mit dem il der Wallachen vermehret. Kommentar: Die Anmerkungen Körners sind hier zwar etwas vage und approximativ, aber die semantische Erklärung ist richtig, insbesondere die Herleitung von lat. DEBITUM sowie die Verwandtschaft mit frz. dette. Das feminine Substantiv datorie, Pl. datorii (im Text mit dem enklitischen bestimmten Artikel -le) ist eine innerrumänische Ableitung vom Substantiv dator. Dieses auf lat. DEBITORIUS zurückgehende Erbwort hat eine große Zahl von Ableitungen herausgebildet. Wjantujale [bîntuial ă ], die Prüfung, wenn einer wie durch das Sieb gesichtet wird, franz. ventiler, ventolin, die Wurfschaufel, lat. ventilatio. Kommentar: Hier sind Körners Erklärungen falsch. Dies beginnt schon bei der Transkription, bei der er den Anlautkonsonanten fehlerhaft mit [v] statt [b] wiedergibt, die korrekte Transkription wäre bîntuiale. Es handelt sich um die Pluralform mit bestimmtem Artikel des femininen Substantivs bîntuial ă , das eine innerrumänische Ableitung mithilfe des Suffixes -al ă vom Verb a bîntui ‘ belästigen, beleidigen, kränken ’ ist, das wiederum eine Entlehnung aus dem Ungarischen (bántani) ist. Die Herkunft aus dieser Sprache erklärt vermutlich auch, warum Körner, dessen Kenntnisse der klassischen Sprachen sowie verschiedener romanischer und slavischer Idiome immer wieder deutlich wird, dies nicht durchschaut hat. Jsbawjéschtj [izb ă ve ș ti], erlösen, von Pohln. Zbawiacz, vindico, eripio, Zbawiciel, der Erlöser, Erretter; ein nachbarliches Wort. Kommentar: Körners Erklärung „ ein nachbarliches Wort “ trifft zu: Es handelt sich bei der Form izb ă vea ș te um den Imperativ der 2. Ps. Sg. des Verbs a izb ă vi ‘ erlösen ’ , eine Entlehnung aus dem Altslavischen (izbaviti), nicht aus dem Polnischen. 90 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="91"?> [836] Ræu, rau [r ă u], Arg, ist noch ein dacisches Wort, hebr. דַ ע , wie denn der letzte König der Dacier Decebalus, ein Baal, oder Herr der Dacier hieß. Kommentar: Der Versuch, dieses Wort an das Hebräische anzuschließen ist phantasievoll und beruht sowohl bei der Erklärung des Wortes r ă u wie bei der des Namens des Dakerkönigs Decebalus ( - Baal) auf phonetischen Ähnlichkeiten. Immerhin kann man Körner aber solide Kenntnisse der antiken Geschichte bescheinigen, wenn er weiß, dass Decebal der letzte Dakerkönig war. Das Adjektiv r ă u / rea / r ă i / rele ist ein Erbwort nach lat. REUS ‚ schuldig ’ , das auch in italienischen und iberoromanischen Dialekten weiterlebt. Es wird häufig als metaphorisch-euphemistische Bezeichnung des Teufels gebraucht. Ka [c ă ], lat. quia, weil, denn, gr. γὰρ . Kommentar: Die Konjunktion c ă , die im Rumänischen multifunktional gebraucht wird, setzt wie in mehreren anderen romanischen Sprachen lat. QUOD fort. Durch die Auflistung der Entsprechungen im Lateinischen (quia), Griechischen ( γὰρ ) und Deutschen (weil, denn) hebt Körner die kausale und konsekutive Nuance hervor. Slawa [slava], die Herrlichkeit, ist slavonisch. Kommentar: Die von Körner für das Substantiv slav ă vorgeschlagene Erklärung ist richtig, wenn wir unter slavonisch ‚ altslavisch ’ und nicht ‚ altkirchenslavisch ’ verstehen. Wiech, wiecze [veci], ewig, Ewigkeit ist deutsch-slavonisch, und die übrigen sind aus dem lateinischen leicht zu verstehen. Kommentar: Die im Text auftauchende Form ist der Plural (veci) des Substantivs veac, das eine Entlehnung aus dem Altslavischen (v ĕ k ŭ ) ist. Was Körner unter dem Syntagma deutsch-slavonisch versteht, ist unklar, wahrscheinlich hat er sich von der partiellen lautlichen Ähnlichkeit (e)wig - wiech leiten lassen. Zutreffend ist dann sicherlich seine Erklärung, dass er diverse Wörter nicht weiter behandelt hat, weil sie „ aus dem lateinischen leicht zu verstehen ˮ seien. 4 Fazit Georg Körner, Pfarrer im erzgebirgischen Bockau, legt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit seinen Betrachtungen zu frühen Bibelübersetzungen in romanische Sprachen, die damals wie heute im mitteleuropäischen Raum eher wenig beachtet wurden und werden, ein bemerkenswertes Zeugnis ab nicht nur Ein sächsischer Pfarrer des 18. Jahrhunderts als Romanist und Rumänist avant la lettre? 91 <?page no="92"?> von seinen Kenntnissen diverser Sprachen sondern auch von der Fähigkeit, durch den Vergleich dieser Idiome Schlüsse auf die Herkunft und Entwicklung der von ihm betrachteten Elemente ziehen zu können. Dabei muss man sich ja immer vor Augen halten, dass das Ziel seiner Publikationen primär nicht ein linguistisches, sondern ein theologisch-religionswissenschaftliches ist, wie es bereits im Titel heißt (Körner 1766 b: 819): „ ein Beytrag zu der gelehrten Geschichte der heiligen Schrift. “ Natürlich wirken manche der von Körner vorgeschlagenen etymologischen Erklärungen für heutige Sprachwissenschaftler phantastisch, aber dies ist ja doch ein Kennzeichen der Epoche der Sprachbetrachtungen vor der Begründung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 8 , ohne die letztere nicht denkbar wäre. Körner ist insofern schon sehr nahe an späteren Erkenntnissen, als er gewisse Regelmäßigkeiten der lautlichen Entwicklung erkennt, wie etwa die für das Rumänische ganz charakteristischen Veränderungen -qu- > -p-, -gu- > -b-, -l- > -r-. Des Weiteren erkennt oder vielleicht auch nur erahnt er morphosyntaktische Besonderheiten der rumänischen Sprache wie etwa den enklitischen Artikel, den er mit Euphonie erklärt, oder auch Spezifika des Pronominalsystems. Beachtlich ist zudem, dass er deutlich macht, dass das Rumänische trotz der starken Beeinflussung durch slavische Sprachen, die sich im Wortschatz, aber darüber hinaus auch in der (alt-)kyrillischen Schrift der Bukarester Bibel niederschlägt, eine romanische Sprache ist, die wie die bündnerromanischen Idiome auf dem von den Römern in die jeweiligen Gebiete des Imperium Romanum gebrachten Latein beruht. Missverständliche Ausdrücke wie „ Römisch-Slavisch “ im Mithridates von 1809 (Lüdtke 1978: 150) oder „ die slavischrömische Sprache “ bei Sulzer 1781 (nach Frisch 1983: 35), die dazu beigetragen haben, das Bild von einer romanisch-slavischen Mischsprache zu prägen, finden sich bei Körner nicht. Dass seine Untersuchungen zum Rumänischen nicht so detailliert sind wie bei den genannten sowie anderen, späteren Autoren, liegt daran, dass das Interesse des Bockauer Pfarrers ein genuin anderes war als das von Historikern und Philologen, die in der Vor- und Frühgeschichte der Rumänistik eine Rolle gespielt haben. Das von ihm gewählte Publikationsorgan, ein Band, in dem vorwiegend regionaleThemen behandelt wurden, dürfte eine nicht unerhebliche Rolle dabei gespielt haben, dass Körners Ausführungen zu romanischen Bibelübersetzungen offensichtlich nur wenig beachtet wurden. Außer Zweifel aber steht sicherlich, dass er mit seiner Publikation zu seiner Zeit 8 Man denke hier etwa an die immer wieder gern zitierte etymologische Herleitung von fr. haricot ‚ Bohne ‘ < *aricotus < *fabaricotus < *fabaricus < lat. FABA im Wörterbuch von Ménage im 17. Jahrhundert (Pfister 1980: 45). 92 Wolfgang Dahmen / Eugen Munteanu <?page no="93"?> bei denen, die seinen Beitrag lesen konnten, ein ganz außerordentliches Wissen über das Rumänische verbreitet hat. 5 Literaturverzeichnis B IBL .1760 - 1761: Biblia Vulgata, Blaj, 1760 - 1761, 4 vol., Ioan Chindri ș / Eugen Pavel (Hrsg.). Bucure ș ti: Editura Academiei Române, 2005. B IBL .1795: Biblia, adec ă Sfânta Scriptur ă a Vechiului ș i Noului Testament, Blaj, 1795. Edi ț ie jubiliar ă , Ioan Chindri ș / Eugen Pavel (Hrsg.). Roma, 2000. B IBL .1936: Sfânta Scriptur ă , tradus ă dup ă textul grecesc al Septuagintei, confruntat cu cel ebraic ( … ), cu aprobarea Sfântului Sinod. Bucure ș ti: Tipografia c ă r ţ ilor biserice ş ti, 1936. Bork, Hans Dieter (1969): Die Familie von lateinisch quatere im Romanischen. Heidelberg: Winter. Busse, Winfried / Schmidt-Radefeldt, Jürgen (Hrsg.) (2003): Rumänisch und Romanisch. Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. phil. habil. 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Rudolf Windisch stellt in diesem Werk die wahrscheinlich beständigste Schule, die junggrammatische, vor, in der auch die Verfasserin ihre Prägung an der Universität in Ia ş i (Rumänien) erfahren hat. Als Unterrichtsfach und als Forschungsobjekt ist die Romanistik als „ grundlegende linguistische Wissenschaft “ (Gauger) heutzutage vor allem im Westen Europas dabei, an Bedeutung zu verlieren, wogegen sie in Rumänien noch sehr lebendig ist. Diese Fachrichtung legt ihr Augenmerk auf die vergleichende chronologische Betrachtung der romanischen Sprachen, selbst nach dem saussurianischen Synchronismus, was eine typologische räumliche oder kontrastive Betrachtung nicht ausschließt. Die vorliegende Betrachtung ist auch ein Plädoyer für die (zwingend) notwendige Ergänzung eines einführenden Kapitels über die Entwicklung der gesprochenen lateinischen Sprache (Vulgärlatein). Die Periodisierung der Geschichte der gesprochenen lateinischen Sprache, die Ausbildung der Schriftsprache (des klassischen Lateins), die kontroverse Diskussion über die Einheitlichkeit gegenüber der Vielfältigkeit des gesprochenen Lateins, die Romanisierung und die Bedeutung des Substrats bei der Entstehung der romanischen Sprachen sind wichtige Meilensteine bei der Entwicklung der künftigen romanistischen Forschung. Nur so können Studenten die Kontinuität der lateinischen Sprache in den neolateinischen Sprachen (von Tagliavini geprägter Begriff ) begreifen. In limba român ă cînd spui Romanist, termenul se refer ă la o persoan ă care, fie c ă pred ă aceast ă disciplin ă la o Universitate, fie c ă este cercet ă tor ş tiin ţ ific în <?page no="96"?> domeniul Romanisticii, fiind specialist pentru evolu ţ ia de la latin ă la limbile romanice, în ansamblul lor, privite comparativ. Aceast ă precizare este mai ales necesar ă acolo unde, în limbaj curent, termenul de Romanist se folose ş te pentru orice absolvent al unei sec ţ ii de limb ă romanic ă din cadrul unei Facult ăţ i de Filologie, cum este, printre altele, ş i Germania. Hans Martin Gauger f ă cuse aceast ă necesar ă corectare în manualul comun cu Wulf Oesterreicher ş i Rudolf Windisch: “ Wer sich im Französischen auskennt, ist noch nicht Romanist ” (1981: 9). Romanistica este o disciplin ă , pe care a ş caracteriza-o de lux, fiindc ă ea se pred ă exclusiv în inv ăţă mîntul universitar, cu scop ulterior pentru cercetare ş tiin ţ ific ă , nu pentru înv ăţă mîntul mediu, sau pentru o pragmatic ă cotidian ă . Orice ş tiin ţă , chiar dac ă î ş i p ă streaz ă denumirea, nu r ă mîne pe loc. Ea se modific ă în timp ş i în spa ţ iu. Ca ş i alte stiin ţ e, Romanistica a cunoscut, de-a lungul timpului, o întreag ă gam ă metodologic ă . Aceea îns ă care i-a pus bazele ca ş tiin ţă de sine st ă t ă toare a fost metoda comparativ-istoric ă . Metodele care i s-au ad ă ugat îns ă nu au anulat-o. Nici m ă car sincronismul saussurian nu a putut-o înlocui complet. Si astfel tratarea diacronic ă ş i comparativ ă îi motiveaz ă romanisticii calitatea de ş tiin ţă lingvistic ă , fapt de asemenea subliniat de Hans Martin Gauger: “ Es ist also klar, dass die romanischen Sprachen, sowohl historisch als auch nicht historisch gesehen, zusammengehören und einen einheitlichen Gegenstand bilden “ (Gauger/ Oesterreicher/ Windisch 1981: 8). Genealogia comun ă a creat ş i o spiritualitate comun ă , “ [ … ] eine einheitliche romanische Mentalität ” (ibid., 1981: 6). Romanistul care are formatul necesar pentru cercetarea fiec ă rei limbi romanice în parte poate u ş or conclude c ă , a ş a cum s-a mai afirmat, nu exist ă o limb ă romanic ă mai romanic ă decît alta. Desigur amestecul politicului a schimbat de multe ori - ş i mai schimb ă înc ă - direc ţ ia interpret ă rilor, dar, cum spune o metafor ă popular ă , “ apa trece, pietrele r ă mîn ” (das Wasser fließt vorbei, die Steine bleiben). Prima observa ţ ie cu care Hans Martin Gauger începea manualul citat aici era urm ă toarea: “ Es ist merkwürdig, daß bisher, zumindest im deutschsprachigen Raum, keine Einführung in die romanische Sprachwissenschaft geschrieben wurde. Zwar gibt es viele, zum Teil gute Einführungen in die Sprachwissenschft oder Linguistik allgemein (wir behandeln die Bezeichnungen Sprachwissenschaft und Linguistik als synonym) und speziell zur romanischen Sprachwissenschaft gibt es einige hervorragende Handbücher, aber eine wirkliche Einführung für den noch Außenstehenden in die romanische Sprachwissenschaft fehlt “ Gauger 1981, XI). In recenzia mea 1 la acest manual îl prezentam pe Hans Martin Gauger, pe drept, “ ca unul dintre teoreticienii fundamentali în filozofia contemporan ă a limbii ” Ş i: 1 Recenzia a ap ă rut sub semn ă tura L. Ambrosi, în revista Cronica de la Ia ş i (1984 nr.35: 8). Semn ă tura aceasta a fost nu dorin ţ a mea, ci presiunea redac ţ iei. Numele era al meu, dar cel 96 Lumini ţ a Fassel <?page no="97"?> “ Manualul de fa ţă este reinterpretarea, de pe pozi ţ iile teoreticianului poststructuralist, atît a vechilor orient ă ri, cît ş i a celor mai actuale. ” (Ambrosi 1984: 8) Manualul acesta r ă mîne pîn ă azi reala ini ţ iere în Romanistic ă , necesar ă oric ă rui incep ă tor. Explica ţ iile teoretice, prezentarea evolu ţ iei în timp a acestei discipline, de la perioada empiric ă la cea ş tiin ţ ific ă , cu istoricul diferitelor ş coli metodologice în partea introductiv ă (Hans Martin Gauger), reluate apoi în detalii pentru perioada prevalent diacronic ă (Rudolf Windisch) ş i apoi pentru perioada prevalent sincronic ă (Wulf Oesterreicher), toate aceste capitole formeaz ă fundamentul pe care se construie ş te specialitatea numit ă Romanistic ă . R ă mîne neexplicabil ă intrarea acestui manual într-un anume con de umbr ă , manual citat uneori la bibliografii, dar numai atît. Dac ă utilizarea acestui pe drept cuvînt manual ar fi fost larg r ă spîndit ă , cartea ar fi avut mai multe reedit ă ri. Regretul meu este ş i c ă , în ansamblul reprezentan ţ ilor diferitelor ş coli lingvistice prezen ţ i aici, nu au fost lua ţ i în discu ţ ie ş i lingvi ş ti români, ţ ar ă în care aceast ă disciplin ă didactic ă a fost perfect sincron ă cu vestul european. Cauza st ă , f ă r ă îndoial ă , in diminuarea treptat ă a pred ă rii limbii române la Universit ăţ ile germane, precum ş i a politicii culturale a statului român în afara grani ţ elor ţă rii. Am intervenit de mai multe ori în presa de specialitate, f ă r ă s ă fiu doar eu singura vox clamans in deserto. Iat ă ş i o p ă rere similar ă : “ Dramatisch ist derAbstieg des Rumänischen an den westdeutschen Universitäten. Das Lektorat in Köln lief im Wintersemester 2000/ 2001 aus, zeitgleich mit der Einstellung des Studienganges Rumänisch, den es im Rahmen der Romanistik immerhin seit der Einrichtung des Lektorates im Wintersemester 1952/ 53 gegeben hatte, wenn auch mit eher mäßigem Erfolg. ” (Michael Frings & Johannes Kramer 2006: 29). In multe cazuri predarea limbii române s-a f ă cut la plata cu ora, ore remunerate în mod nedemn, astfel încît autorii cita ţ i aici apreciau c ă “ Nur der Idealismus der Lehrbeauftragten erhält bislang diese prekäre Präsenz des Rumänischen an deutschen Universitäten. ” (ibid.: 30) Nu numai desfiin ţ area treptat ă a lectoratelor de limb ă român ă , dar ş i selectarea arbitrar ă a unora dintre lectorii trimi ş i, a constituit un fapt negativ. In afar ă de aceasta, dup ă cum m-am pronun ţ at cu diferite ocazii (Fassel 2003 - 2004 ş i 2006), lectoratul de limba român ă ar trebui s ă aib ă de preferin ţă o persoan ă cu forma ţ ie lingvistic ă , fiindc ă un lingvist poate preda ş i literatur ă la nivelul respectiv, dar un specialist în ş tiin ţ a literaturii nu poate intra cu u ş urin ţă ş i în domeniul lingvistic. Iar limba român ă ar trebui predat ă ca limb ă romanic ă descins ă din latin ă , cu alte anterior c ă s ă toriei cu Horst Fassel. Era o m ă sur ă absurd ă a redac ţ iei, aplicat ă din cauza plec ă rii noastre - legale! - la familia so ţ ului meu din Germania Federal ă . În acela ş i num ă r de revist ă ş i pe aceea ş i pagin ă , Horst Fassel avea un interviu luat profesorului Gauger, pe care redac ţ ia l-a semnat cu pseudonimul de rezonan ţă româneasc ă , Gh. Ş erban, din acela ş i motiv. Romanistica - în jurul unei defini ţ ii 97 <?page no="98"?> cuvinte, ar trebui s ă se fac ă o didactic ă în scopul ş tiin ţ ific al cercet ă rii ş i nu la nivel exclusiv pragmatic. Ş i lipsa traducerilor în român ă a publica ţ iilor de romanistic ă / românistic ă din Germania, o ţ ar ă în care Românistica este înc ă activ ă în domeniul cercet ă rii, poate fi o cauz ă a deficien ţ ei de cunoa ş tere reciproc ă în plan ş tiin ţ ific. Fac aici cunoscut ă o excep ţ ie, traducerea voluminosului Manuel des langues romanes al lui Martin Glessgen (2012), realizat ă de c ă treAlexandru Gafton (2014), profesor la Universitatea “ Al.I. Cuza ” de la Ia ş i. Fiind scris în francez ă , limb ă pe care orice romanist român o posed ă în bun ă m ă sur ă , traducerea aceasta a avut mai mult scopul de a pune la îndemîna studen ţ ilor români o publica ţ ie mult mai u ş or de procurat decît edi ţ ia francez ă . In prefa ţ a lui, traduc ă torul Alexandru Gafton face cîteva observa ţ ii, unele întemeiate, altele nu, pe care le citez aici: “ Op ţ iunea noastr ă de a traduce un astfel de manual deriv ă din observarea unei caren ţ e care plaseaz ă lingvistica româneasc ă în contrast cu cea occidental ă , unde nu se înregistreaz ă o sc ă dere sever ă a interesului pentru romanistic ă ş i pentru studierea limbii din perspectiv ă diacronic ă , în general. ” (Gafton 2014: 13). Aceast ă p ă rere a traduc ă torului se afl ă mai mult sub influen ţ a “ mirajului occidental ” , caracteristic ă românului, decît pe realitatea faptic ă . In schimb, Alexandru Gafton are dreptate atunci cînd spune c ă unele afirma ţ ii f ă cute în didactica ş i cercetarea occidental ă sunt în dezacord cu cercetarea interdisciplinar ă româneasc ă , privind formarea poporului ş i a limbii române. Ş i d ă exemple concrete: se afirm ă uneori “ [ … ] c ă limba român ă nu provine dintr-un dialect primar al latinei, c ă migra ţ ia ş i varia ţ ia spa ţ ial ă , prin nomadism ş i transhuman ţă , au constituit dominantele acelei popula ţ ii romanice, c ă spa ţ iul medieval românesc era multicultural ş i multilingual, c ă limba român ă datoreaz ă limbii slave cel pu ţ in tot atît material lexical cît engleza latinei, c ă interferen ţ ele gramaticale îndep ă rtez ă limba român ă de tipul romanic clasic, iar caracterul romanic al românei s-ar datora par ţ ial relatiniz ă rilor ş i refranciz ă rilor din secolul al XIX-lea, ori c ă latina din Dacia a fost abandonat ă , precum provinciile care nu s-au romanizat, astfel încît actualii locuitori de la nordul Dun ă rii pot ajunge s ă î ş i pun ă nedumerita întrebare: românii sînt romanici ori sînt doar o popula ţ ie care vorbe ş te o limb ă romanic ă ? ” (Gafton 2014: 17 - 18). Unele din aceste formul ă ri se cer revizuite, fie c ă sunt neclare, fie c ă sunt chiar eronate. Inten ţ ia autorului îns ă este demn ă de subliniat, fiindc ă el g ă se ş te vina tuturor mistific ă rilor ş i a deform ă rilor de realitate, dovedite interdisciplinar, “ în ş tiin ţ a româneasc ă îns ăş i ” . (Gafton 2014: 18) Este foarte adevarat ă aceast ă concluzie, dar la ea a ş mai ad ă uga o observa ţ ie: atît speciali ş tii din ţ ar ă , cît ş i din afara ei, r ă mîn superficiali în informa ţ ie. Nu numai c ă nu citesc mare parte din scrierile pe anumite teme de istoria limbii sau de istoriografie propriu-zis ă , pentru a le confirma sau combate, dup ă caz, dar nici 98 Lumini ţ a Fassel <?page no="99"?> m ă car cele care apar ţ in unor autori români care tr ă iesc în afara ţă rii nu sunt receptate. Ace ş tia sunt selecta ţ i dup ă criterii de multe ori neîn ţ elese. Ceea ce am scris eu repetat despre locul limbii române în didactica universitar ă german ă , despre importan ţ a limbii române în ş tiin ţ a Romanisticii, chiar ş i în cazul în care unele din aceste articole au ap ă rut în reviste de specialitate din România, ele r ă mîn complet ignorate (Fassel 1992, 2003 - 2004, 2004 - 2006, 2006, 2008, 2018). Or în România, în primul rînd acolo, exist ă în biblioteci toat ă documenta ţ ia interdisciplinar ă , pentru a putea r ă spunde la afirma ţ iile ş i demonstra ţ iile voit sau nevoit eronate. Este bine ş tiut c ă istoria unei limbi se afl ă în leg ă tur ă cu istoria poporului care o vorbe ş te, dar cele dou ă domenii au istorii diferite, care nu trebuie confundate, chiar dac ă au ş i puncte comune. Popoarele care vorbesc limbi romanice nu sunt ş i neaparat italici, precum în principiu sunt italienii continentali. Astfel încît este gre ş it s ă se cread ă c ă numai românii sunt cei care nu au sînge italic decît în infim ă m ă sur ă . Ş i scrie mai departe Alexandru Gafton c ă “ [ … ] limba român ă se bucur ă de pu ţ in ă aten ţ ie printre romani ş tii de ast ă zi, iar locul pe care ace ş tia i-l acord ă este mai degrab ă marginal ” (Gafton, 2014: 18). Acest subiect îns ă l-am dezb ă tut, ş i oral, dar ş i în scris în mai multe rînduri, anterior observa ţ iei f ă cute de romanistul ie ş ean. Am început aceast ă adev ă rat ă ofensiv ă la un Forum Rumänien. Interdisziplinäres Treffen von Wissenschaftlern mit Rumänienbezug, care a avut loc în octombrie 2003 la Viena, organizat fiind de Österreichisches Institut, cu sprijinul Ambasadei Române. Cu acea ocazie am constatat c ă situa ţ ia limbii române la Universit ăţ ile austriece este mai grea decît în Germania. In analizele ulterioare pe care le-am întreprins, am pus în leg ă tur ă acest declin al didacticii române ş ti în vestul Europei cu evolu ţ ia ş colilor ş i a metodelor de abordare a limbilor (nu numai romanice). Trecerea de la diacronie la sincronismul saussurian (Coseriu 1978: 11 - 113; Gauger/ Oesterreicher/ Windisch 1981: 51) a fost cauza cauzelor, punîndu-se pe prim plan analiza tipologic ă a limbilor, cu implica ţ ie de politic, economic ş i social. A fost un proces lent, fiindc ă , dup ă cum se ş tie, Saussure a fost mult mai tîrziu descoperit ş i aplicat. Didactica limbii române a intrat tot mai mult în domeniul lingvisticii de contact, metod ă v ă zut ă în mod naiv drept condi ţ ie pentru o idealizat ă mai bun ă în ţ elegere între popoare (a ş a cum a sunat interven ţ ia lui Michael Metzeltin la Forum Rumänien de la Viena din 2003, men ţ ionat mai sus. Mai am o ultim ă observa ţ ie privitoare la prefa ţ a lui Alexandru Gafton la traducerea manualului lui Martin Glessgen în limba român ă . Citez din nou o remarc ă întemeiat ă a romanistului ie ş ean: “ Limba român ă contribuie într-un mod unic la concertul limbilor romanice ” (Gafton 2014: 18). La acest punct ar trebui s ă citez multe din articolele pe care le-am scris de-a lungul deceniilor, chiar Romanistica - în jurul unei defini ţ ii 99 <?page no="100"?> înc ă de pe vremea cînd eu predam la Ia ş i. M ă rezum aici la dou ă publica ţ ii (Fassel 1992: 65 - 76 si 2017: 291 - 302), ambele reveniri, în nou context istoric, la subiectul tezei mele de doctorat (Fassel 1978). Diserta ţ ia mea f ă cea cunoscut ă lucrarea, surprinz ă toare pentru timpul la care a fost scris ă , a tîn ă rului Eduard Gruber 2 , n ă scut la Ia ş i, dar al c ă rui tat ă , un arhitect german ( Josef Gruber), se stabilise în capitala Moldovei. Titlul lucr ă rii lui Eduard Gruber la care m ă refeream era Studiu asupra genului elementelor latine în române ş te în compara ţ ie cu celelalte limbi romanice, editat ă la Ia ş i în 1884, un an dup ă diserta ţ ia lui Meyer-Lübke, Die Schicksale des lateinischen Neutrums im Romanischen (Halle 1883), dar f ă r ă ca Gruber s ă fi avut timpul de a lua cuno ş tin ţă de aceasta. De ş i despre Meyer-Lübke a circulat ş i circul ă p ă rerea c ă pozitivismul s ă u acribic nu i-a l ă sat loc ş i pentru interpret ă ri teoretice, am corectat aceast ă impresie ş i l-am încadrat pe clasicul Romanisticii pe lista celor care demonstreaz ă cu multe exemple p ă strarea - restructurat ă - a neutrului latin pîn ă în faza incipient ă a tuturor limbilor romanice. Cît prive ş te cercetarea întreprins ă de tîn ă rul Eduard Gruber la vîrsta de 23 de ani, ea arat ă din plin ş i azi dorin ţ a autorului de a demonstra c ă limba român ă poate clarifica - a ş spune chiar corecta - unele p ă reri despre unele fenomene romanice r ă mase fie neexplicate, fie cu o explica ţ ie eronat ă . Revin asupra manualului de la Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Gauger/ Oesterreicher/ Windisch 1981: 99 - 157), în care capitolul Diachronische Perspektive este semnat de Rudolf Windisch, omagiat de volumul de fa ţă . Partea întîia se refer ă la ş coala neogramatic ă , cu privire special ă la Wilhelm Meyer-Lübke, ş coal ă pe care eu o consider cea mai rezistent ă în timp din istoria Romanisticii. Nici unul din curentele ş i ş colile care au urmat, în primul rînd cele care au adus nout ăţ i metodologice în domeniul privirii diacronice, nu s-a putut dispensa de baza neogramatic ă în cercetarea latino-romanic ă . Neogramaticilor li se datoreaz ă stabilirea legilor de evolu ţ ie fonetic ă , a c ă ror cauzalitate s-a dezb ă tut în mai toate ş colile care se încadreaz ă în faza diacronic ă a Romanisticii. Schimb ă rile fonetice au avut adînci implica ţ ii morfologice, ceea ce a dus la o total ă nou ă paradigm ă , aceea neolatin ă . Neogramaticilor li se datoreaz ă ata ş area obligatorie a cercet ă rii latinei vorbite (latina vulgar ă ) la studierea limbilor romanice, iar dic ţ ionarul etimologic al lui Meyer-Lübke (REW, prima edi ţ ie 1911 - 1920) a fost doar completat, el r ă mînînd fundamental pîn ă azi. 2 Eduard Gruber (1861 - 1896) ş i-a luat licen ţ a cu aceast ă lucrare (1884), dar el a fost ulterior definitv atras de ş tiin ţ a psihologiei experimentale, domeniu în care a f ă cut un doctorat la Halle. In domeniul ş tiintei limbii, el l-a avut ca principal profesor pe Alexandru Lambrior, membru al Societ ăţ ii Franceze de Lingvistic ă ş i membru corespondent al Academiei Române. Eduard Gruber s-a format ca student la Ia ş i, în ş coala pozitivist ă neogramatic ă de sorginte german ă ş i în atmosfera junimist ă din capitala Moldovei. 100 Lumini ţ a Fassel <?page no="101"?> Tot neogramaticilor li se datoreaz ă reconstruc ţ ia lingvistic ă - de multe ori confirmat ă prin atestarea fortuit ă în documente latine. Este suficient ă recunoa ş terea juste ţ ii procedeului reconstruc ţ iei inductive, pentru ca mult controversatul mileniu de lips ă a textelor din istoria limbii române s ă nu mai reprezinte un capitol nerezolvabil, care a dus ş i mai duce înc ă la afirma ţ ii fanteziste ş i, în fond, tot pe lips ă de documente. Istoriograful lucreaz ă cu documente, lingvistul lucreaz ă , în lipsa atest ă rilor, cu reconstruc ţ ii. Sau, cum spune Rudolf Windisch (Gauger/ Oesterreicher/ Windisch 1981: 102), “ Meyer- Lübkes Aufsatz „ Die lateinische Sprache “ (1888) bedeutete einen ersten Schritt zur Rekonstruktion des Urromanischen. “ A ş adar, nu tot ceea ce este vechi în cercetarea istoriei limbilor romanice este ast ă zi dep ăş it. Am spus-o cu diferite ocazii, dar ş i chiar în titlul unui studiu (Fassel 2008: 117 - 130). 3 Ş i tot cu diferitele ocazii am afirmat c ă ş coala lingvistic ă ie ş ean ă s-a cl ă dit pe neogramaticismul german. Chiar înainte de Philippide (1859 - 1933), socotit intemeietorul ei, Alexandru Lambrior (1845 - 1883) 4 a ini ţ iat la Ia ş i o didactic ă ş i o cercetare specific ă ş colii neogramatice, de ş i forma ţ ia lui ca Romanist s-a f ă cut la Paris, unde el a fost chiar primit, cum am mai spus, membru al Societ ăţ ii Franceze de Lingvistic ă . Alexandru Philippide a studiat la Halle, unde i-a avut profesori pe Eduard Sievers, Heinrich Keil ş i Hermann Suchier, care i-au înlesnit publicarea unor recenzii în Literaturblatt für germanische und romanische Philologie. Philippide a prelucrat, traducînd în român ă , Prinzipien der Sprachgeschichte apar ţ inînd lui Hermann Paul, lucrare fundamental ă pentru ş coala neogramatic ă , p ă strînd chiar ş i titlul Principii de istoria limbii (1894). Ovid Densusianu l-a acuzat de plagiat, neacceptînd interpretarea ş i prelucrarea lui Philippide. Philippide, cu toat ă greutatea pe care o are în cercetarea istoriei limbii române, nu s-a bucurat îns ă de o cunoa ş tere ş i recunoa ş tere, care s ă fi dep ăş it spa ţ iul Moldovei. In cartea de interviuri luate lui Eugen Coseriu de c ă tre dialectologul român Nicolae Saramandu (1996: 104 - 105), Coseriu explica acest ecou provincial al lui Philippide prin limba vorbit ă ş i scris ă a acestuia, un grai moldovenesc învechit ş i greu accesibil chiar ş i pentru vorbitorii de limb ă român ă contemporani lui. Mai mult, Coseriu a criticat ş coala lingvistic ă ie ş ean ă “ uneori aproape dogmatic ă , legat ă de Philippide “ [ … ] Chiar pentru cei care s-au îndep ă rtat de el, cu privire la 3 Lista bibliografic ă de la sfîr ş itul acestui articol con ţ ine o bun ă parte din publica ţ iile mele pe teme latino-romanice, din care se conchide c ă o Romanistic ă f ă r ă o privire diacronic ă ar p ă gubi imens rolul acestei discipline în forma ţ ia filologului. 4 Intre 1875 - 76, Lambrior a studiat la Sorbonne, avîndu-i profesori pe Michel Bréal ş i Gaston Paris, cel de al doilea fost elev al lui Meyer-Lübke (Fassel 2006: 41). Profesor la Universitatea din Ia ş i Lambrior a devenit în 1882 ş i a mers, în toate prelegerile ş i scrierile lui, pe linia pozitivismului neogramatic. Eduard Gruber i-a fost student. Romanistica - în jurul unei defini ţ ii 101 <?page no="102"?> obiectul de cercetare, ca de exemplu Iordan, Philippide era o figur ă aproape sacr ă . Dac ă cineva nu era de acord sau îl ataca prea obraznic, în articole, pe Philippide - cu privire, de exemplu, la teoria migr ă rii - Iordan se sup ă ra foarte mult. ” (Saramandu 1996: 104). Coseriu a spus aici ceea ce, într-adev ă r, noi nu o puteam spune sau scrie în mediul ie ş ean. Ş i astfel am r ă mas noi, volens nolens, neogramatici ş i diacroni ş ti. Reala emancipare s-a produs mai ales cu genera ţ ia studen ţ ilor mei, deci dup ă 1960, in special dup ă reînfiin ţ area Catedrelor de Francez ă ş i Germanistic ă la Universitatea din Ia ş i. 5 In România, dup ă introducerea sistemului didactic Bologna 6 , sigur c ă num ă rul orelor de predare a Romanisticii a sc ă zut considerabil, dar disciplina în sine nu a disp ă rut. Cît ş i ce anume se pred ă azi difer ă de la Universitate la Universitate, în dependen ţă de calificarea, dar ş i de preferin ţ ele docen ţ ilor. De exemplu, la Bucure ş ti, Romanistica este predat ă în prima treapt ă de studii, numit ă licen ţă (germ. Bachelor), nu ş i la master. La Cluj-Napoca, Romanistica este predat ă la licen ţă numai la sec ţ ia român ă , nu ş i la sec ţ iile de limbi str ă ine. Sec ţ iile de limbi str ă ine au aceast ă disciplin ă la masterat. La Bucure ş ti Romanistica din anul 2019 - 2020 a avut urm ă toarele capitole: limbile indoeropene, limbile romanice, romanizarea, latina vulgar ă , formarea limbilor romanice, unitate ş i diversitate romanic ă , schimbarea semantic ă , schimb ă ri fonetice ş i morfologice. Prelegerile au, de regul ă , ş i seminarii, în care se fac interpret ă ri lingvistice pe texte (pentru limbile romanice, primele atest ă ri). Cursurile sunt prev ă zute cu examene. La Universitatea din Ia ş i, Romanistica este doar un curs op ţ ional, ţ inut la sec ţ ia român ă în semestrul al II-lea din anul al III-lea, 2 ore pe s ă pt ă mîn ă prelegere ş i 2 ore de seminar. Ş i la masterat, studen ţ ii de la Lingvistica general ă ş i român ă mai au un curs de Lingvistic ă romanic ă , 2 ore prelegeri ş i 2 de seminar. O curiozitate este c ă acest curs nu se ţ ine ş i la sec ţ iile de limbi romanice (francez ă , italian ă , spaniol ă ). 5 Aceste sec ţ ii filologice, care au existat în perioada antebelic ă , au fost desfiin ţ ate prin reforma înv ţă mîntului din 1948, singura Catedr ă de limb ă strain ă la Ia ş i fiind cea proasp ă t înfiin ţ at ă de Limba ş i literatura rus ă . Limbile francez ă , italian ă ş i spaniol ă erau predate în form ă de cursuri practice, nu ca sec ţ ii (în germ. Studiengänge). Revenirea la starea antebelic ă s-a f ă cut mai întîi cu sec ţ ia francez ă (1956) ş i mai apoi cu Catedra de Germanistic ă (1965), care unea specialist ăţ ile german ă ş i anglistic ă . Ş i în domeniul filologiei romanice au ap ă rut apoi, dar ca specialit ăţ i secundare, sec ţ iile de italian ă ş i de spaniol ă . Romanistica, în con ţ inutul ei de disciplin ă istorico-comparativ ă , a existat continuu în România. 6 Aduc aici mul ţ umirile mele colegului hispanist Mircea Brânz ă , profesor la Leiden ş i Bucuresti, pentru informa ţ iile furnizate, privitoare la didactica Romanisticii la Universit ăţ ile Bucure ş ti ş i Cluj Napoca. Pentru didactica acestei discipline la Ia ş i, aduc acelea ş i mul ţ umiri profesoarelor Marina Mure ş anu-Ionescu (Ia ş i, Angers, Sainte-Étienne) ş i Ana- Maria Minu ţ (Ia ş i). 102 Lumini ţ a Fassel <?page no="103"?> România r ă mîne înc ă , în virtutea tradi ţ iei ş i, în compara ţ ie cu întreg vestul european, mai conservatoare, atît cit o mai permite noua structur ă a înv ăţă mîntului universitar. Ş i tot acolo Romanistica respect ă întreaga suprafa ţă a acestei discipline, în care este cuprins ş i capitolul de latin ă vulgar ă , c ă ruia, anterior sistemului Bologna, îi era rezervat un întreg semestru, prelegeri ş i seminarii dedicate interpret ă rilor de texte de latin ă tîrzie. Trec la ultimul punct al interven ţ iei mele de acum, ş i anume la inseparabilul capitol de latin ă vulgar ă de cîmpul Romanisticii. (Fassel 1992: 65 - 76, 1992: 351 - 359, 2003 - 2004: 201 - 205, 2006: 57 - 71, 2008: 117 - 130 7 , 2018: 291 - 302). In mai multe rînduri am luat în discu ţ ie defini ţ iile date latinei vulgare, ca baz ă a limbilor romanice (Fassel 2004 - 2006: 18 - 21). Intr-un manual de latin ă vulgar ă , pe care îl scrisesem la începutul anilor 80 la Ia ş i, dar care nu a mai fost tip ă rit ş i a r ă mas doar dactilografiat (Fassel 1981) 8 , am urm ă rit evolu ţ ia acestui aspect vorbit al limbii latine din perspectiva lingvisticii romanice. O scurt ă incursiune în istoria limbii latine este a ş adar necesar ă ş i pentru “ momentul ” apari ţ iei limbilor romanice. Spuneam în acest manual c ă “ o dat ă care s ă separe latinitatea de romanitate este mai mult o conven ţ ie decît o realitate strict ă” (Fassel 1981: 9). De ş i tipurile de defini ţ ii date latinei vulgare sunt destul de diferite, ele au totu ş i în comun accentul pus pe caracterul oral al acestei sfere lingvistice. In felul acesta se în ţ elege de ce s-a spus c ă nu exist ă texte scrise in 7 Bibliografia la acest articol contine multe din articolele mele pe tema latinei vulgare. 8 Acest volum de 217 pagini are o istorie special ă : el reprezint ă prelegerile mele ţ inute la sec ţ ia român ă -latin ă la Universitatea ie ş ean ă , sub titlul Elemente de formare a latinei vulgare, fiind o prim ă parte dintr-un proiect de dou ă volume. Acel prim volum avea subtitlul Latina vulgar ă . Substratul limbilor romanice. In prefa ţă precizam: “ [ … ] Sper ă m c ă am reu ş it s ă explic ă m mai conving ă tor fapte ast ă zi cunoscute, altele necunoscute ” . Ş i înc ă o precizare important ă : “ Lucrarea noastr ă a beneficiat de un ajutor special venit din partea profesorului Gheorghe Iv ă nescu. In discu ţ iile între d-sa ş i noi au existat ş i divergen ţ e de opinii, dar acestea n-au f ă cut decît s ă stimuleze interesul nostru fa ţă de cultura si ideile acestui lingvist român, c ă ruia îi dator ă m, nu numai noi, ci orice filolog care i-a str ă b ă tut scrierile, mult ă informa ţ ie ş i clarificare a faptelor ” (Fassel 1981: I-II). Sfîr ş itul anilor 70 ins ă ascu ţ ise atmosfera de marginalizare a so ţ ilor Fassel în Univesitatea ie ş ean ă , sub pretext politic din partea conducerii Facult ăţ ii, cît ş i a ş efilor celor dou ă Catedre diferite, în care ne aflam Horst Fassel ş i cu mine. Astfel c ă în 1981 am f ă cut cerere de plecare definitiv ă la familia so ţ ului meu în Germania Federal ă . Manualul citat aici nu a mai primit aprobarea Facult ăţ ii pentru a fi tip ă rit. Referatul negativ, semnat de însu ş i Gheorghe Iv ă nescu, a fost cu siguran ţă o presiune politic ă f ă cut ă asupra acestui filolog ş i nu o decizie proprie. Iv ă nescu avusese ş i el parte de înl ă turare de la Catedra ie ş ean ă cu cîteva decenii anterior, astfel c ă i-am în ţ eles aplecarea capului sub sabia care oricînd îl mai putea t ă ia înc ă o dat ă în via ţă . Tiposcriptul multiplicat l-am dat la mai multe biblioteci, dar ş i la colegi, printre care ş i lui Rudolf Windisch. Intr-un articol mai vechi, el pomene ş te de aceast ă lucrare a mea, pe care o de ţ ine (Windisch 2006: 9). Romanistica - în jurul unei defini ţ ii 103 <?page no="104"?> latina vulgar ă , ci doar texte care con ţ in vulgarisme. De aici impresia eronat ă c ă acest aspect oral al latinei va fi fost o limb ă unitar ă . Latina vulgar ă , ca orice aspect oral, uzual, al unei limbi, sigur a prezentat diferen ţ ieri nu numai în diacronie, dar ş i diatopice ş i diastratice. Cu cît se urca mai sus pe scara sociocultural ă , cu atît departajarea latinei vulgare de latina clasic ă era ş i este mai greu de f ă cut. Iar aceste aspecte lingvistice diferite ţ in de aceea ş i limb ă istoric ă , în termen coserian, ca limb ă unic ă . Dar o limb ă unic ă nu înseamn ă obligatoriu ş i o limb ă unitar ă . De ce pentru didactica Romanisticii este necesar ă ş i o privire istoric ă a latinei vulgare, are explica ţ ii multiple, dar m ă voi referi doar la opinia lui Giacomo Devoto (1962: 128), pentru care unele arhaisme (epoca preclasic ă ), pe care nu le mai g ă sim în limba scris ă din perioada clasic ă , reapar în epoca tîrzie. Acestea sunt un fenomen pe care Devoto îl nume ş te “ la tradizione nascosta ” . Dau un singur exemplu, dintre multe altele: lat. minaciare care apare la preclasici (Plaut ş i Arnobius), dispare apoi din limba scris ă , dar are urma ş i în limbile romanice: rom. amenin ţ a(re), it. minacciare, eng. imna č er, fr. menacer, occ. menasar, cat. menassar, sp. (a)menazar, port. ameaçar (REW 5584), ceea ce arat ă c ă acest verb nu a disp ă rut din limba vorbit ă latin ă . Este ş tiut c ă latina arhaic ă a avut mai multe dialecte, diferen ţ iate nu numai lexical, ci ş i fonetic ş i gramatical. Coseriu (1954: 28) însu ş i admitea c ă diferen ţ ierea lingvistic ă a latinei arhaice nu a putut s ă dispar ă cu totul, ci “ [ … ] se mantuvo en la lengua hablada, sobre todo entre las gentes menos cultas y en ambiente rústico ” (Id.: 29). Ş i chiar titlul pe care Coseriu l-a dat acestei car ţ i, El llamado “ latín vulgar ” y las primeras diferenciaciones romances, arat ă c ă prezentarea capitolului de latin ă vulgar ă este partea introductiv ă a Romanisticii. Coseriu vedea dou ă perspective diferite în didactica latinei vulgare, pe care le-am discutat ocazional (Fassel 2008: 122 - 123): 1. o perspectiv ă diastratic ă (Coseriu 1978: 261) ş i 2. o perspectiv ă diacronic ă (Coseriu 1987: 56). Cea de a doua se refer ă la acea latin ă vulgar ă tîrzie, ca baz ă a limbilor romanice, sau, în formula coserian ă , “ das Vulgärlatein der Romanisten ” . (Coseriu 2008: 352 - 358) A face istoria latinei vulgare înseamn ă a face istoria limbii latine înse ş i. Unele regionalisme (rusticisme) arhaice se r ă spîndesc în perioada imperial ă ş i devin elemente populare generalizate: c ă derea lui h, a lui - m ş i - s in pozi ţ ie final ă , monoftongarea diftongilor etc. (Fassel 1981: 30). O separare a istoriei limbii latine de apari ţ ia ş i istoria limbilor romanice ar fi ca ş i cum în biografia cuiva s-ar trece sub t ă cere provenien ţ a ş i mediul în care a crescut ş i s-a format persoana respectiv ă . Cît prive ş te rolul substratului în apari ţ ia limbilor romanice, manualul meu includea în acest capitol problematica bilingvismului, a interferen ţ ei lingvistice, teoria bazei de articula ţ ie în cauzalitatea schimb ă rilor fonetice (Philippide, Iv ă nescu), baza de articula ţ ie nu gre ş it în ţ eleas ă drept conforma ţ ie genetic ă anatomic ă , ci ca abitudine articulatorie. 104 Lumini ţ a Fassel <?page no="105"?> In România era acceptat aproape numai substratul traco-dac sau tracomoesian, o teorie etnocentric ă . Acest capitol se preda la cursul de istoria limbii române. Eu am avansat îns ă , în manualul amintit, ipoteza unui substrat celtic de la baza limbii române, nu în m ă sura ac ţ iunii lui ca în cele doua Galii - Cisalpin ă ş i Transalpin ă - , în Retia sau în nordul Peninsulei Iberice, dar totu ş i confirmat de tot mai numeroase descoperiri arheologice. Asupra acestuia am avut mai multe interven ţ ii scrise (Fassel 1985, 2001 - 2002: 158 - 170 ş i altele). Ipoteza aceasta, f ă cut ă deja de pastorul sas din Ardeal, Martin Samuel Möckesch la 1867, nu a fost receptat ă ş i a intrat într-o complet ă uitare. Sigur, ea con ţ inea ş i mult ă ş i fantezie ş i nu dispunea de un fundament concret la vremea aceea. In prima parte a secolului al XX-lea, istoricul ş i arheologul Vasile Pârvan 9 a descoperit în mai multe zone ale Transilvaniei ş i Olteniei diferite enclave celtice (teurisci, cotini, anar ţ i, britolagi sau britogali ş i peucini), care coincid cu informa ţ iile antice ale lui Strabo (V 1, 6; VII 3, 5, 2) ş i Ptolemeu (III 6, 15; 8,3; 10, 7). In Fran ţ a, celtologul Henri Hubert, 10 convins de descoperirile arheologice ale lui Vasile Pârvan, a preluat datele istoricului român. Dup ă al doilea r ă zboi mondial, arheologii români au înmul ţ it num ă rul descoperirilor celtice pe teritoriul Daciei antice. In anii 70, au fost g ă site urme ale scordiscilor, gala ţ ilor, araviscilor, sigoviilor, ale volcilor tectosagi ş i ale boiilor, veni ţ i din sudul Dun ă rii în nord, atra ş i de mun ţ ii auriferi din Dacia, unde au adus civiliza ţ ia La Tène (începînd cu sec. al IV-lea î.Chr.). Aceste dovezi sunt în m ă sur ă s ă se poat ă vorbi de un posibil substrat celtic ş i de la baza limbii române, desigur nu în aceea ş i m ă sur ă ca în galoromanic ă . In domeniul apelativelor, cred c ă unele celtisme din latina vulgar ă , ca de exemplu denumirile din domeniul vestimenta ţ iei, precum braca si deriva ţ ii lui (rom. brace, br ă cie, br ă cinar din portul popular românesc) vor fi intrat în Dacia în limba autohtonilor, înaintea procesului de romanizare. Avînd în vedere c ă între celtic ă ş i italic ă exista o apropiere mai mare în cadrul limbilor indoeuropene, putem s ă ne punem întrebarea dac ă prezen ţ a cel ţ ilor în Dacia nu va fi fost poate chiar un factor care va fi u ş urat ş i chiar accelerat procesul romaniz ă rii. Ş i cu aceasta, problema, dupa mine confec ţ ionat ă , a “ misterului ” rapidit ăţ ii în timp scurt a romaniz ă rii Daciei, are o rezolvare, la care se adaug ă ş i al ţ i factori implica ţ i aici. Ş i în domeniul toponimiei ş i al hidronimiei române ş ti este posibil s ă existe o leg ă tur ă cu triburile celtice din Transilvania ş i Oltenia. Avrig din jude ţ ul Sibiu pare s ă aib ă aceea ş i r ă d ă cin ă cu Avrigeno din Tessin, Arpas din acela ş i jude ţ poate fi pus în leg ă tur ă cu francezul Arpas, sau Lotru, afluent al Oltului, se apropie de francezul Lot, afluent al Garonnei. Chiar ş i denumirea Ardealului, considerat ă în 9 Getica. O protoistorie a Daciei. Bucuresti 1926, 564 - 565, 240. 10 Les Celtes depuis l ’ époque de La Tène et la civilisation celtique. I-II, Paris 1932. Romanistica - în jurul unei defini ţ ii 105 <?page no="106"?> român ă a fi de origine maghiar ă , ar con ţ ine r ă d ă cina ardu-, care se reg ă se ş te în apelativul islandez ard “ înalt ” . Martin Samuel Möckesch avansa aceast ă etimologie celtic ă , care ar desemnaTransilvania drept “ţ ara cu mun ţ i înal ţ i ” . Aceea ş i r ă d ă cin ă se reg ă se ş te ş i în irlandezul Ardee, în elve ţ ianul Ardea, în francezul Ardenne, ca ş i în norditalianul Ardenna. Desigur, toate aceste apropieri pot fi ş i întîmpl ă toare, dar formele române ş ti se localizeaz ă mai ales în zonele cu urme arheologice celtice. In Germania, romani ş tii sunt constitui ţ i în asocia ţ ii separate pentru fiecare limb ă romanic ă sau grup romanic în parte. Româna a intrat la grupul Balcanoromanic, dup ă termenul lui Tagliavini, neacceptat de unii romani ş ti (Maria Iliescu). F ă r ă s ă polemizeze în aceasta privin ţă , Coseriu a folosit termenul Latinitatea oriental ă . Sesiunea de mare amploare care a avut loc între 28 septembrie ş i 2 octombrie 1997 la Universitatea din Jena, a avut titlul semnificativ: Romanistik der Zukunft - Zukunft der Romanistik. Cele mai multe comunic ă ri au fost pe teme ş i dezbateri in majoritate restrictive romanice, lipsind dialogul general romanistic. Exist ă prin urmare o Romanistic ă a italieni ş tilor, alta a hispani ş tilor etc., spre deosebire de Romanistica romani ş tilor, care sunt nu numai istorici de limb ă , ci în primul rînd comparati ş ti. Ş i îmi pun, în mod firesc, întrebarea: într-o asemenea “ familie dezmembrat ă” , unde este locul cercet ă rii privitoare la latina vulgar ă ? Ş i unde este Romanistica romani ş tilor? Dar o asemenea sesiune general romanic ă nici nu s-a mai repetat de atunci. Deci întrebarea mea r ă mîne retoric ă . Este u ş or de presupus c ă cele dou ă sec ţ ii de românistic ă (lingvistic ă ş i literatur ă ) nu au putut atrage nici un interes din partea celorlal ţ i colegi romani ş ti, care formau marea majoritate. Toat ă discu ţ ia de aici ar dori totu ş i s ă fie o pledoarie pentru men ţ inerea disciplinei universitare numit ă Romanistic ă , o disciplin ă prevalent lingvistic ă , comparatist ă , atît în diacronie cît ş i în sincronie, care, timp de peste 150 de ani, a fost o piatr ă fundamental ă în forma ţ ia oric ă rui cercet ă tor în domeniul latinoromanic. N ă scut ă în spa ţ iul german, ea a juns în scurt timp o disciplin ă universal ă , dep ăş ind grani ţ ele Europei ş i a creat modelul metodologic în cercetarea ş i a altor familii de limbi indoeuropene, în germanistic ă ş i în slavistic ă . Rapida evolu ţ ie tehnic ă a omenirii din secolul al XX-lea ş i al XXI-lea nu ar trebui s ă p ă gubeasc ă latura spiritual ă a societ ăţ ii omene ş ti. Ş i niciodat ă nu este prea tîrziu s ă o lu ă m de la cap ă t. Un semn pozitiv este dat de ini ţ iativa a trei personalit ăţ i didactice germane, de a publica o serie de tratate, atît individuale, cît ş i unul introductiv, general, care deja a ap ă rut la Editura de Gruyter, în 2014, cu titlul Manuel des langues romanes (756 de pagini). Intreaga serie este ş i va fi scris ă in limba francez ă , ca limb ă de circula ţ ie intradisciplinar ă . Cei trei editori ş i autori la primul volum sunt Andre Klump (Universitatea din Trier), Johannes Kramer (Universitatea din Trier) ş i 106 Lumini ţ a Fassel <?page no="107"?> Aline Willems (Universitatea din Köln). De remarcat c ă aici este prezent ş i capitolul Du latin aux langues romanes. Deci nici un Requiem pentru Romanistic ă ! Bibliografie Ambrosi, L. (1984): “ Introducere în filologia romanic ă” . Cronica 45: 8. Coseriu, Eugenio (1954): El llamado “ latín vulgar ” y las primeras diferenciaciones romances. 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Windisch, Rudolf, Genc ă r ă u, Ş tefan (2006): „ Die Zukunft der Rumänistik im deutschsprachigen Raum. L ’ avenir des études du Roumain dans l ’ espace germanophone. “ Studia Universitatis Babe ş -Bolyai. Philologia LI, 4: 7 - 22. 108 Lumini ţ a Fassel <?page no="109"?> Gauger, Oestereicher, Windisch - Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) Hans-Martin Gauger (Universität Freiburg i. Br.) The focus of this contribution is the almost fifty-year-old introduction to Romance linguistics which I wrote with my former assistants Wulf Oesterreicher and Rudolf Windisch. Rudolf Windisch was responsible for the historical-comparative linguistics with which Romance philology began in the 19 th century. In my report, which is deliberately very personal, I want to let that dazzling academic world rise from the already rather deep „ well of the past “ (Brunnen der Vergangenheit), which many of Rudolf Windisch ’ s friends will probably remember only vaguely. 1 Natürlich wurde Gauger, Oesterreicher, Windisch kein unter Kollegen geläufiger Titel. Dies zu erwarten, wäre schon deshalb irreal gewesen, weil unter Sprachwissenschaftlern viel Uneinigkeit ist. Allerdings gilt dies kaum mehr für den historischen Teil der Sprachwissenschaft; für den anderen, den nicht-historischen, den synchronischen, gilt es aber schon und sogar in höherem Maße. - „ Grammatiker streiten viel “ , „ Grammatici certant “ , ist ja ein alter Spruch; und er stimmt noch immer. Auch mir selbst geht es oft so, dass ich, wenn ich Sprachwissenschaftliches lese, wenig einverstanden bin, oder ich bin, selbst wenn es um ,meine ‘ Sprachen geht, die ich ungefähr ,beherrsche ‘ , oft wenig interessiert an den aufgeworfenen Fragen, und gerade dies - geringes Interesse an dem, was ich darlege - stelle ich auch bei anderen häufig fest. Vor kurzem widmete der muntere Frank Plasberg eine seiner Diskussionsrunden der deutschen Sprache, und da ging es um das seit einiger Zeit heftig umstrittene oder überhaupt erst neuerdings aufgekommene Thema „ generisches Maskulinum “ oder um das „ inklusive Sprechen “ oder die „ inklusive Sprache “ . Und Plasberg war so klug oder so gut beraten, gar keinen Sprachwissenschaftler, auch keine Sprachwissenschaftlerin in seine Runde zu bitten. Viele meiner Kollegen <?page no="110"?> hätten übrigens bis vor kurzem mit den Begriffen „ generisches Maskulinum “ oder auch „ inklusive Sprache “ nichts anfangen können - es waren und sind für viele gar keine ,sprachwissenschaftlichen ‘ Begriffe. Also, um rasch zu klären, was sie meinen - ich habe soeben zwei solcher Maskulina gebraucht: ,Sprachwissenschaftler ‘ und ,Kollegen ‘ - , und habe damit beidesmal die nicht wenigen Frauen, die nunmehr unter uns sind (ich brauche nicht dazu zu sagen - und ich will dies auch nicht, weil es albern wäre, dass mich dies freut), „ unsichtbar “ gemacht. Eben dies ist ja der Vorwurf - , die Unsichtbarmachung der Frauen ‘ - und dies wird dann konsequent, unseren Sprachen und damit vielen anderen, zum Beispiel gleich allen romanischen, angelastet. Also die Sprachen selbst werden da als ,strukturell ‘ frauenfeindlich dargestellt - keine Kleinigkeit! „ Kranke Sprachen “ , heißt es auch - ebenfalls keine Kleinigkeit! Das Englische, hören wir, sei zwar auch nicht ganz in Ordnung, doch sei es immerhin „ leichter therapierbar “ . Sagt aber jemand: wir müssen, was die Frauen angeht, vor allem die Wirklichkeit außerhalb der Sprache verändern und zwar stark und bald, nicht aber unbedingt auch die Sprachen, kommt sogleich: „ Ja, wir müssen beides machen! “ . Ich will übrigens, Jahrgang 1935, ohne weiteres und lebhaft zugeben, dass ich da längst etwas gesehen habe, was auch ich zuvor nicht gesehen hatte, nämlich die enorme Benachteiligung der Frauen und besonders die der Mütter und ihre entsprechende Verbitterung. Als einer meinerTübinger Lehrer, Gerhard Rohlfs, in einer Vorlesung scherzend sagte „ Dieses Buch ist nicht von einem Romanisten, sondern von einer Romanistin “ , da habe ich auch mitgelacht, weil es mir witzig vorkam, aber dass ich da mitgelacht habe, ärgert mich immer noch. Da meinte er übrigens Rita Schober. Dass es neben Professoren auch Professorinnen gibt, ist bekanntlich noch nicht so lange her. Als ich, 1954, in Tübingen zu studieren begann, gab es in der dortigen Universität nur eine einzige Professorin, nämlich die Anglistin Hildegard Gauger, zufällig eine entfernte Tante von mir; nur deshalb weiß ich es. Übrigens war sie (ich habe sie erst im Studium kennengelernt) eine sehr bemerkenswerte, geradezu gütige, mir stark imponierende Frau, die denn auch bei den Studenten sehr beliebt war. In der materiell knappen Zeit, gleich nach dem Krieg, wurde sie plötzlich blind, und es stellte sich heraus, dass sie einfach - Vitaminmangel - zu wenig gegessen hatte (sie hatte einen Teil ihrer ‚ Lebensmittelkarten ‘ an Studenten verschenkt). Sie konnte aber auch einem sehr attraktiven Freund von mir, Richard Beilharz, sagen, als er sich nach einiger Zeit wieder bei ihr meldete: „ Ich kannte mal einen Herrn Beilharz “ , sagte sie ihm, „ aber der hatte keinen Bart “ , und als er sich verabschiedete, sagte sie lächelnd noch: „ Aber ohne Bart, Herr Beilharz, war das doch viel vorteilhafter. “ „ Fräulein Hildegard Gauger ist zum ersten weiblichen Professor der Universität Tübingen ernannt worden “ - so verquer hieß es in der entsprechenden Mitteilung der 110 Hans-Martin Gauger <?page no="111"?> seinerzeit wichtigen Zeitschrift Universitas, die nach 1945 entstand und unter der Rubrik „ Aus dem Leben der Hochschulen “ über das Ereignis berichtete. Die erste deutschsprachige romanistische Professorin, dies sollte man nun wirklich wissen und zwar aus einem ganz anderem Grund - war die Östereicherin Elise Richter. Sie wurde 1865 in Wien geboren und starb als Elise ,Sarah ‘ Richter am 21. Juni 1943 - in Theresienstadt. Man kann auch sagen: dort wurde sie ermordet. Sie hatte als romanistischen Lehrer den großen Sprachwissenschaftler Wilhelm Meyer-Lübke, von dem wir gleich reden müssen, und einer ihrer Schüler war der - auch große, aber ganz anders orientierte Leo Spitzer, der sich seiner Ermordung durch die Flucht erst in die Türkei, damals die Türkei Kemal Pascha Atatürks, entzog.Von dort aus ging er in die Vereinigten Staaten. In der Biographie des großen Freiburger Literarhistorikers Hugo Friedrich spielte Spitzer eine typische Rolle. Friedrich distanzierte sich erst von ihm, als man ihn unter den Nationalsozialisten wegen dieses jüdischen Lehrers angegriffen hatte, nach dem Krieg aber berief sich er sich gerade auf ihn: Er sei, schrieb er, Schüler dieses „ jüdischen Gelehrten “ gewesen. 2 Unsere „ Einführung “ also erschien vor etwas über vierzig Jahren, 1982, in der „ Wissenschaftlichen Buchgesellschaft “ . Sie kann sich, scheint mir, noch immer sehen lassen. Ein Achtungserfolg war sie schon. Sie wurde, was mich damals besonders freute, sogar von der damaligen Humboldt-Universität (und zwar von Johannes Klare) freundlich begrüßt. Etwas wie einen Verriss gab es nicht, und die von mir verfasste „ Einleitung “ in die romanistische Sprachwissenschaft allgemein, ihre Vorgeschichte und ihre Geschichte, kam auch spanisch heraus, übersetzt von Elisabeth Schaible). Eines aber ist auch mir längst deutlich geworden: wir hätten uns nach einer Richtung hin energischer anstrengen müssen. Wir hätten adressatenbezogener, also didaktischer vorgehen müssen und die von uns angesprochenen angehenden Romanisten, die übrigens damals seit längerer Zeit bereits, in klarer Mehrzahl Romanistinnen waren, diese also hätten wir, wie es in angemessener Metaphorik heißt, bewusster ,abholen ‘ müssen. Warum übrigens das Fach Französisch immer schon etwas ,Frauenaffines ‘ hatte, mehr als, sagen wir, das größere Nachbarfach Englisch, ist nicht schwer zu erraten. Dem eben erwähnten, viel bewunderten Hugo Friedrich, der formvollendete und einfühlsame Vorlesungen hielt, habe ich jedoch sanft widersprochen, als er mir, was mich doch stark wunderte, erklärte, der „ Kulturwert “ des Englischen sei „ ungleich geringer “ als der des Französischen. Er ließ sich dies nicht ausreden, und auch nicht, dass er meinte, das Französische liege ihm besonders, weil er unter seinen Vorfahren Hugenotten hatte. Ich musste ihm Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 111 <?page no="112"?> jedoch - als Sprachwissenschaftler - schon sagen, dass dies absurd ist: „ Nein, nicht dass Sie diese Vorfahren hatten, ist hier entscheidend, sondern dass Sie dies wissen, und allein dies Wissen führt nun dazu, dass Ihnen das Französische als näher liegend erscheint. “ Aber ausreden ließ er sich seine Meinung da ebenfalls nicht. Ich brauche nicht hinzuzufügen, dass er (übrigens war es er, der mich nach Freiburg holte) ein sehr feiner stark musisch orientierter Literaturwissenschaftler und ein überaus fesselnder Redner war (man spürt dies noch beim Lesen seiner Schriften). Wir hatten unsere Räume nahe beieinander, und über seine hübsche mir zugedachte Widmung einer seinerAufsatzsammlungen, „ Dem nachbarlichen Nachbarn “ , freute ich mich besonders. Seine Vorlesungen wurden viel besucht, auch von Hörerinnen und Hörern anderer Fächer und sogar von Leuten aus der Stadt. Ja, man hörte die Vorlesung, etwa eines Juristen vor der Friedrichs, nur um in der seinen nachher sicher einen guten Platz zu haben. Übrigens war Friedrich der erste Träger des „ Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa “ der „ Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung “ , die 1949 gegründet wurde. Dass der Preis sich ausgerechnet auf Freud bezog, gefiel ihm, wie er mir einmal sagte, nicht, er setzte aber hinzu: „ Doch dass der Mann schreiben konnte, gebe ich zu “ . Und nun also bat mich mein Freund Jörn Albrecht, Universität Heidelberg, ich möchte mich in meinem Beitrag für die neue Festschrift (nun also die zum Achtzigsten), für Rudolf Windisch, Universität Rostock, der zuvor mein Assistent war, mich unserer gemeinsamen „ Einführung in die Romanische Sprachwissenschaft “ erneut zuwenden. Als erstes somit Dir, lieber Rudi, ein herzliches Willkommen in dem stattlichen, rasch wachsenden Club, in dem ich mich schon über fünf Jahre lang - mit Maßen - wohlfühle! Unsere gemeinsamen, lange verklungenen schönen Tübinger Tage, die uns alle auch fest mit Gunter Narr verbinden, finden wir auch deshalb schön, weil wir da jung waren und man mit uns rechnete - unsere Studentenzeit war ja härter als sie es heute ist, dafür aber wussten wir, dass wir es leichter haben würden als es unsere Eltern hatten. Das galt nun sicher für mich. Damals begann Gunter Narr als noch jugendlicher Herausgeber von Texten des gerade von sehr weit, nämlich von Montevideo in Uruguay, zu uns gestoßenen hochangesehenen Gelehrten Eugenio Coseriu, da also begann Gunter Narr seine so erfolgreiche Karriere als Verleger, und auf seinem sicheren Gefährt dürfen wir ja auch jetzt wieder segeln. Deutlich erinnere ich mich, wie Herr Harsch-Niemeyer, Chef des Niemeyer-Verlags, der nach dem Krieg von Halle an der Saale nach Tübingen am Neckar gezogen war, wie mir also Harsch-Niemeyer im Blick auf Gunter Narrs Anfänge skeptisch sagte: „ Der wird schon sehen, wie sowas läuft! “ Coseriu war übrigens durch Mario Wandruszka, bei dem ich Assistent war, nach Tübingen geholt worden und der bereitete ihm einen großen Bahnhof: Vortrag im Auditorium maximum: große Beachtung. Nur 112 Hans-Martin Gauger <?page no="113"?> Rohlfs wusste nicht recht, was er sagen sollte. Erst am folgenden Tag meinte er, er hab es sich nun überlegt, es seien ja im Grunde Banalitäten gewesen. So berichtete mir Wandruszka. Die Studenten nannten Coseriu - der Ausdruck , Gastarbeiter ‘ war damals noch üblich - den „ Obergastarbeiter “ , was aber, so wie man Coseriu alsbald erlebte, rasch aufhörte. Wenn ich an unsere „ Einführung “ denke, ist bei mir, wie bei uns allen, natürlich zunächst der schmerzende Gedanke, dass einer fehlt - nämlich Wulf Oesterreicher - der Wulf fehlt. Es gibt ja Menschen, deren Fehlen etwas wie eine starke Anwesenheit ist. Und Wulf fehlt nun schon seit über fünf Jahren auf diese Weise. „ Nach kurzer schwerer Krankheit …“ - diese Formel traf in seinem Fall sehr buchstäblich zu - noch im März 2015 war er auf Vortragsreise an mehreren Orten in Brasilien, eine Reise, die er in Rio mit einem Bad an der Copacabana beendete. Er war, als er starb, ein allseits beliebter und - wegen seines Temperaments und seiner stets zupackenden Rede - noch immer jugendlich wirkender Emeritus seiner Ludwigs-Maximilians-Universität, die sich, wie auch die „ Bayerische Akademie der Wissenschaften “ , zu der er selbstverständlich auch gehörte, in einer bewegenden Gedenkstunde gemeinsam von ihm verabschiedeten. Mein erster Assistent war, sag ich nun wieder „ generisch “ , Brigitte Schlieben- Lange. Zusammen mit ihr hatte ich mich für Wulf als meinen zweiten Assistenten entschieden. Und Wulf und ich hatten, nach Brigittes rascher Berufung nach Frankfurt, dasselbe im Blick auf Rudi Windisch getan. Übrigens wurde Brigitte ohne Habilitation nach Frankfurt berufen, denn dort war man seinerzeit dermaßen progressiv, dass alle habilitierten Bewerber sich sogleich, als „ Fürstenknechte “ , ausgeschieden fanden - trotzdem war -„ List der Vernunft “ , mit Hegel zu reden, - Brigittes Berufung selbstverständlich völlig berechtigt. Ich will hier also durchaus auch etwas an die „ Umstände “ erinnern, denen Max Weber, nicht nur in der Politik, solche Bedeutung zumaß, die also unserer „ Einführung “ vorausgingen, sie bedingten und begleiteten - die frühen Jahre nach 1968. Bei meinem nächsten Assistenten, Peter Koch, gab es eigentlich, auch dies ein „ Umstand “ , nichts zu erwägen, ihn hatte noch Brigitte entdeckt (aber auch mir ist er alsbald, es war ganz unvermeidlich, aufgefallen). Und Wulf, der in Esslingen Schwabe gewordene Sudetendeutsche, hat nun mit Peter, einem Norddeutschen, wenn es je einen gab, also bei erheblicher Verschiedenheit der Temperamente, großartig, ja eigentlich völlig einmalig - übrigens oft in dem Flecken Falkau auf der Höhe des Schwarzwalds zusammengearbeitet - erstens für eine wichtige bei Niemeyer erschienene und alsbald auch durch „ Gredos “ , Madrid, spanisch herausgebrachte Publikation „ Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Französischen, Italienischen und Spanischen “ , dann aber auch - und mindestens so wichtig - in dem von Wolfgang Raible mit großer Organisations- und (natürlich war diese letztere entscheidend) Konzeptionskraft erst gegrün- Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 113 <?page no="114"?> deten, dann geleiteten „ Sonderforschungsbereich 321 “ , der sich „ Spannungsfelder und Übergänge zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit “ nannte. Was Raible hier tat, erbrachte ihm sehr zu Recht den „ Leibniz-Preis “ der „ Deutschen Forschungsgemeinschaft “ , in dem genannten „ Sonderforschungsbereich “ - eine Benennung, über die Gastredner aus dem romanischen Bereich oft staunten - bildeten beide, der Peter und der Wulf, das von uns sogenannte und allseits respektierte „ Duo infernale “ . Und beide hatten - wieder völlig gemeinsam - unseren entscheidenden Referenztext geschrieben, den schließlich jeder von uns - mit der bemerkenswerten Ausnahme eines bemerkenswerten Anglisten - internalisiert hatte. Und zu einer Voraussetzung von dem allem konnte ich selbst, ich darf hier sagen, entscheidend beitragen: denn es war mir gelungen, Wolfgang Raible aus dem schönen Siegen als meinen engsten Kollegen nach Freiburg zu holen - von Freiburg aus war dies nicht schwer, aber Raible fühlte sich in Siegen wohl, und so kam seine Bewerbung, auf der ich sehr insistiert hatte, schließlich zu spät. Und die erste Wortmeldung in der Berufungskommission kam dann von mir - mit der Bitte, die eventuell nachträglich eingegangenen Bewerbungen doch auch noch zu berücksichtigen. Der Vorsitzende meinte: „ Ja, gut, wir haben ja noch nichts gemacht “ und sagte dann, in seine Papiere blickend: „ Ja, doch, da ist eine in der Tat etwas verspätet eingegangen - die von Wolfgang Raible aus Siegen “ . Und sogleich fragte er mich: „ Ja, wollen Sie den? “ Da konnte ich nur sagen: „ So ist es “ . Hier möchte ich einschalten, dass mein Weg in die romanistische Sprachwissenschaft eigentlich recht spät begann - nämlich erst in meinem achten Studiensemester! Zunächst hatte ich eigentlich weit stärker auf die Literatur gezielt. Und da auf die französische, dann aber auch auf die deutsche und die englische. Als ich mein Studium begann, waren für den Schuldienst noch drei Fächer Voraussetzung. Dann, gegen Ende dieser Zeit, wurden die drei Fächer auf zwei reduziert. Da ließ ich Deutsch fallen. Ich hatte aber auch für dieses Fach schon nahezu alle vorgeschriebenen Veranstaltungen besucht. Aber ich wollte über das Staatsexamen, das ich - zur professionellen Sicherheit - auf alle Fälle machen wollte und - von meinem Vater her - auch, was ich einsah, musste, und übrigens war ich der älteste von sieben, und unser Vater war selbst Studienrat, schließlich Oberstudiendirektor - und ich hatte dieselben Fächer wie er, ich wollte jedoch in die Hochschullaufbahn für die großen romanischen Literaturen, nämlich die französische, italienische und spanische gehen. Auch das damals für den Schuldienst vorgeschriebene „ Philosophikum “ hatte ich bereits gemacht, als ich von der Literatur zur Linguistik umzusatteln bemüht war. Hätte man damals, nebenbei gesagt, Philosophie, als Schulfach wählen können, hätte ich dies selbstverständlich getan. Denn auf sie richtete sich mein stärkstes Interesse, was nun entscheidend durch die fesselnde Persönlichkeit des Schlesiers Walter 114 Hans-Martin Gauger <?page no="115"?> Schulz bedingt war. Er war ein gewaltiger, weithin bewunderter Lehrer. Nach der Zeit, in der ich bei ihm hörte, sprach er ganz ohne Manuskript und umherwandelnd und offenbar noch intensiver. Er motivierte mich zusätzlich auch für die Sprachwissenschaft. Dass ich mich von der Literatur ab und zur Sprache hinwandte hatte negative und positive Gründe. Die negativen hingen mit meinem Literaturlehrer, dem Komparatisten Kurt Wais zusammen, mit dem ich, bei aller Bewunderung für sein massives Wissen zunehmend weniger zurechtkam. Mich berührte damals stark eine Äußerung des auch von mir bewunderten Emil Staiger, die mich bewegte, nach welcher man in der , wissenschaftllchen ‘ Untersuchung von Literaturwerken in einer doppelten Misslichkeit stehe: man verfehle, meinte er, dabei entweder die Wissenschaft oder die Literatur. Die positiven Gründe kamen von dem inzwischen nach Tübingen auf ein Ordinariat berufenen MarioWandruzska, dessen Verhältnis zur Sprache, meinem Erleben von ihr, weit näherstand als das von anderen, auch und vor allem als das von Kurt Wais her Gewohnte. Wais sagte damals zu mir über meinen schließlich vollzogenen Fachwechsel: „ Nun, es muss auch Linguisten geben “ Was mich etwas kränkte, aber ein weitergehendes Einverständnis von einem Literarhistoriker habe ich später zu meinem Fach nie wieder erfahren. Aber vielleicht hatte ich ihn zuvor durch meinen Wechsel zur Sprachwissenschaft gekränkt. Und dann war da vorher in meiner schulischen Ausbildung etwas sehr Besonderes. Denn ich war, drei Schuljahre lang, von meinem fünfzehnten Jahr an, auf zwei verschiedenen, rein französischen Schulen, erst im alten Südwürttemberg-Hohenzollern (Tübingen), dann im alten Südbaden (Konstanz), beide Schulen waren als Produkt der französischen Besatzungsmacht entstanden. In Tübingen war ich im „ Collège Decourdemanche “ , benannt nach einem jungen französischen Germanisten, einem Kommunisten, den die Deutschen erschossen hatten. Dann kam das „ Collège Pierre Brossolette “ in Konstanz - Pierre Brossolette, den der „ Petit Larousse “ noch immer als Opfer nennt, brachte sich selbst um (es muss eine schlimme Situation für den Mann gewesen sein), weil er fürchten musste, unter der Folter jemanden zu verraten. Da diese Schulen zusätzlich Internatsschulen waren, war dies auch für mich eine wirklich abrupte, also - von einem Tag zum anderen eintretende - totale sprachliche Immersion. Und da diese praktisch noch in meine Kindheit fiel, konnte ich unvermeidlich bald besser Französisch als die wenigen deutschen Schülerinnen und Schüler in diesen Schulen. Übrigens muss man sagen, dass von allen Besatzungsmächten (das weiß heute niemand mehr) nur die Franzosen die Deutschen damals so nahe an sich heranließen (Internatsschulen! ). So viel damals die Amerikaner an Hilfen für die Deutschen erbrachten, dies jedoch haben auch sie nicht getan. So nahe an sich selbst wollten sie Deutsche damals doch nicht an sich heranlassen. Und Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 115 <?page no="116"?> hinter dieser Aufnahme deutscher Schülerinnen und Schüler in ihre Schulen auf deutschem Boden stand bei den Franzosen der klare und sehr respektable Gedanke: Wir müssen diesmal die großen Fehler von nach 1918 vermeiden und alsbald in Deutschland Freunde gewinnen. Auch mir selbst imponierte dies sehr. Ich hielt mich damals für besonders sprachbegabt, mehr als die anderen deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler, worin ich mich aber leichtsinnig überschätzte. Da war nun etwa Kurt Wais einer derjenigen, die mich darauf aufmerksam machten, dass mein Französisch nicht fehlerlos sei. Hier kam dann hinzu, dass er, wie später ich selbst und auch schon mein Vater und mein Großvater derselben und nur württembemgischen und übrigens ,liberalen ‘ Studentenverbindung namens „ Normannia “ angehörte. Was nun wieder Wais dazu anhielt, mir Fehler im Französischen vorzuhalten. „ Du hast da offenbar Fehler gemacht “ , sagte er mir mit schwäbischer Offenheit (oder Grobheit), die bei der Verbindung „ Normannia “ besonders ausgeprägt war - als „ Bundesbruder “ duzte mich Wais mit dem vorgesehenen „ Freund Gauger “ , und ich duzte ihn meinerseits mit der natürlich ebenfalls festgesetzten Anrede „ Alter Wais “ . Wandruszka ärgerte sich, wie er mir viel später sagte, heftig über eine in der Tat typische Äußerung von Wais: „ Uns Schwaben fällt das Schwere leicht und das Leichte schwer “ , was er für eine zutreffende Selbsteinschätzung hielt. Er kam aus dem schwäbischen Elitegymnasium, dem Eberhard-Ludwigs- Gymnasium, kurz „ Ebelu “ . Tatsächlich wusste Wais, was die europäischen und die nordamerikanische Literaturen anging, ungeheuer viel - auch was die zugehörigen Fremdsprachen anging - er war ja nicht nur Romanist, sondern griff viel weiter aus und verstand sich durchaus als Komparatist. Wenn ich später zu meinem Freund Gottfried Schramm preisend sagte, was der Wais halt so alles weiß, gab er mir sehr gekonnt niedersächsisch schnarrend zu wissen, so etwas wie „ viel wissen “ könne ihm keinerlei Eindruck machen, was wiederum mich ärgerte. Er hatte von der puren Menge des von Wais Gewussten eben kaum eine Ahnung, das bei Wais doch klar ins Bewundernswerte umschlug, und übrigens blieb bei Wais das bemerkenswerte Verdienst, sehr früh, etwa über Mallarmé, Dinge gesagt zu haben, die damals in Deutschland kaum je zu hören waren. Dass, wie er beharrlich sagte, eben den Schwaben das Leichte schwerfalle, dann aber das Schwere leicht, ärgerte Wandruszka sehr. Wandruszka - dieser enorm Sprachbegabte (mir ist dergleichen nie wieder begegnet) redete Französisch, Italienisch und Spanisch wie ein Franzose, ein Italiener und ein Spanier, also mehr als ,perfekt ‘ , auch das Portugiesische traf er noch sehr gut. Und vor allem sprach er auch das Englische (von der britischen Gefangenschaft in Kanada her) - er wurde zu seinem Glück in Afrika gefangen genommen und nach Kanada verschifft. Da habe ich ihn einmal stundenlang bewundernswert gut und ruhig, und ganz unangestrengt auf den Boden blickend hochkonzentriert ins Englische 116 Hans-Martin Gauger <?page no="117"?> und aus dem Englischen übersetzen hören. Und natürlich sagte er, wenn ’ s darauf ankam, alles verblüffend echt, also etwa Mallarmé und Flaubert, mit Betonung auf der letzten Silbe, und ein für den Schwaben umd die Schwäbin schweres Wort wie engagement gelang ihm stets ganz ohne Fehl. Der Heidelberger aus Köln Fritz Paepcke, der ein wunderbar affektiertes Deutsch redete, sagte, und dies war schon rein phonetisch völlig richtig: „ Wandrusska “ . - „ Wandrusska “ sagte er unnachahmlich, „ Wandrusska ist der ainzige Romanist, der Französisch kann! “ Und wie Wandruszka, durch die Gänge des Seminars eilend, etwa die französische Lektorin, sich anmutig verbeugend, mit „ A vos pieds, Madame! “ begrüßte, lässt sich nicht leicht vergessen. Meine Heimatstadt in Oberschwaben war das Städtchen Saulgau, heute Bad Saulgau, damals 5000 Einwohner. Aus diesem Städtchen ging auch ein weiterer Universitätslehrer hervor - der Berliner Literarhistoriker Winfried Engler, dessen Tübinger Lehrer Julius Wilhelm war, der ihn habilitierte. Winfried Engler beschwerte sich in einem Lebensbericht darüber, dass ich im Vorteil war, was ich nicht wirklich bestreiten kann, weil mein Vater als Studienrat an der „ Oberschule “ Saulgau, meine Aufnahme in das Collège Decourdemanche in Tübingen leichter bewerkstelligen konnte als Winfrieds Vater, der Schreiner war. Das kann ich natürlich nicht abstreiten und habe es auch nie getan. Genauer - es gab gar keine Gelegenheit dazu. Die gibt es jetzt zum ersten Mal.Winfried und ich hatten denselben Klavierlehrer. Der war nun eine Seltenheit in Saulgau. Er war antiklerikal. Über Winfried sagte er mir: „ Ond so Leit werdet schpäter amol Pfarrer ond schwätzet an Scheissdreck von dr Kanzel rab, dass es nemme feierlisch isch “… Also da täuschte sich Musiklehrer und Freigeist Albert Jung! Winfried wurde nicht Pfarrer. Als ich ich viel später, schon in Freiburg installiert, auf den Gedanken gebracht wurde, die Arbeit an der geplanten Einführung wieder aufzunehmen, war mir sofort klar, dass ich sie mit meinen beiden Assistenten, Oesterreicher und Windisch, machen würde. Und Windisch, das stand auch gleich fest, sollte mit dem historischen Teil dieser Sprachwissenschaft beginnen, mit dem diese ja doch wohl, außer in Nordamerika, überall begann, und Oesterreicher sollte auswählend über wichtige Arbeiten zur nicht-historischen romanistischen Sprachwissenschaft schreiben, die er „ streng, aber gerecht “ (eine Formulierung, die ihm, das weiß ich, sehr gefallen hätte) überblickte. Dann hatte ich die Erfahrung gemacht, dass Einführungen eine zumindest maßvolle Ausführlichkeit brauchen. Denn gerade da gilt, was schon bei Horaz steht: „ Ich strenge mich an, kurz zu sein und werde dunkel “ , „ Brevis esse laboro et obscurus fio “ (De arte poetica). So etwas gibt es in der Tat. Also erst die historische, die „ diachronische “ , dann die „ synchronische “ Blickrichtung, wie die Termini seit Saussures „ Cours “ lauten, wobei der Meister diese „ Vorlesung “ zwar gehalten, bekanntlich aber nicht Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 117 <?page no="118"?> geschrieben hat. Da jedoch standen in Genf zwei ganz vorzügliche Leute bereit: Charles Bally und Albert Sechehaye. Ich selbst nahm mir vor, die Einleitung zu dem Buch zu schreiben, die sich mit Gegenstand, Aufgaben, der Entstehung, der Vorgeschichte und der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft befassen sollte. Als 1916 Saussures „ Cours “ erschien, waren die „ Umstände “ so, dass eigentlich alles, außerhalb Deutschlands gegen Deutschland war, außer vielleicht etwas differenzierter, die Schweiz - dort gerieten durch den Krieg die zwei bedeutenden Romanisten Jacob Jud und Walther von Wartburg aneinander. Der zuletzt Genannte legte dies selbst in einem aufgezeichneten und aufschlussreichen Gespräch dar, das ich bei einer Gelegenheit in Freiburg, von Kurt Baldinger vorgetragen, hören konnte - Wartburg war eher für die Deutschen, Jud eher weniger). Mario Wandruszka wies gerne auf die damals allgemeine Erleichterung darüber hin, dass es nun endlich, endlich einmal einen wichtigen Beitrag zur Sprachwissenschaft gab, der nicht wieder von einem Deutschen kam. Wandruszka war also mein Lehrer, erst allein, dann neben Coseriu, und Wandruszka war politisch ein ausgesprochener,Anschluss-Östreicher ‘ gewesen, was er nicht leugnete, und solche gab es ja wahrlich nicht wenige, wenn es nicht die Mehrheit war. Hier muss oder darf ich einschalten, dass für mich, indirekt, auch gerade in der Sprachwissenschaft - mein Stichwort „ Sprachbewusstsein “ gehört hierher - mein Philosoph Walter Schulz wurde, weil er, von Heidegger herkommend und sich von ihm lösend unter den ganz wenigen war, die damals die Subjektivität hochhielten: „ Ich und Welt. Philosophie der Subjektivität “ (1979) lautet einer seiner charakteristischen Titel. Wandruszka also pflegte auf jene Erleichterung außerhalb Deutschlands emphatisch hinzuweisen, darüber also, dass Saussure nicht nur kein Deutscher, sondern ein - noch dazu ein französisch sprechender - Schweizer war; denn die Sprachwissenschaft insgesamt war damals in der Tat eine fast ganz deutsche, nein, eine deutschsprachige Domäne, denn die Schweiz und Östreich gehörten ganz dazu. Wohingegen Coseriu, klar eher zu den Deutschen als zu den Franzosen tendierend, dagegen umgekehrt gerne hervorhob, dass Saussure sehr Entscheidendes gerade in Deutschland, genauer in Leipzig (es war ja zu jener Zeit das weltweite ,Mekka ‘ der Sprachwissenschaft überhaupt) gelernt habe und zwar bei dem Sinologen Georg von der Gabelentz, der, neben der historischen, zusätzlich für eine ihm sehr wichtige „ Sprachwissenschaft der Gleichzeitigkeit “ plädiert habe, und mit diesem Ausdruck sind wir ja in der Tat schon bei Saussures handlichen Termini „ Synchronie “ und „ synchronisch “ . Und Coseriu betonte auch gern, der einzige Begriff des „ Cours “ , der wirklich von Saussure stamme, sei „ Opposition “ . Und ironisch sagte er zusätzlich (er konnte auch sehr witzig sein), eigentlich müsse ein Buch mit dem Titel geschrieben werden „ les sources non-manuscrites du , Cours de linguistique générale ‘“ , über das also, was Saussure in Leipzig weniger 118 Hans-Martin Gauger <?page no="119"?> gelesen als vielmehr gehört hatte. Über die „ sources manuscrites “ wird ja weiterhin lebhaft diskutiert. Für mich selbst war der „ Cours “ , was immer in diesem wirklich von Saussure sein mochte (das hat mich weniger interessiert), äußerst wichtig - eine große Wendung und etwas völlig Neues, eine ,Offenbarung ‘ geradezu gegenüber dem, was Ernst Gamillscheg in Tübingen lehrte und dann auch Gerhard Rohlfs, der andere „ jungrammatische “ Romanist, der damals dort wirkte (er war als Münchner Emeritus nach Tübingen, wo er zuvor gewesen war, zurückgekehrt). Rohlfs, bei dem Windisch ebenfalls gehört hatte, war ein didaktisches Naturtalent, aber damals redete noch niemand von ,didaktisch ‘ , sondern von ,pädagogisch ‘ , und Gamillscheg, der ein Schüler von keinem geringeren als dem genannten Meyer-Lübke war, über den in unserem Buch Rudolf Windisch ausführlich und kundig und sympathisierend schreibt (es geht in diesem Fall, finde ich, gar nicht anders), Gamillscheg sagte in seiner Abschiedsvorlesung, die ich gehört habe, über seinen Lehrer Meyer-Lübke den - für die damalige Einschätzung des Didaktischen bezeichnenden - Satz: „ Er war ein schlechter Pädagoge und der beste Lehrer, den man sich denken konnte “ . Untereinander verstanden sich Gamillscheg und Rohlfs herzlich schlecht - Gamillscheg war doch wohl von den beiden der differenziertere Beobachter, womit ich eher Gamillscheg loben als Rohlfs tadeln will. Wandruszka, der zu Gamillschegs erheblichem Mißvergnügen zu dessem Nachfolger wurde, sagte mir, er habe zwar oft mit Gamillscheg Karten gespielt, dieser aber habe sich konstant geweigert, über irgendetwas Sprachwissenschaftliches mit ihm zu reden. Auch über das Hinzukommen von Coseriu zur Tübinger Romanistik war Gamillscheg ungehalten und kommentierte dies - da war ich dabei - mit dem großartigen Satz: „ Aber Rumänisch mach doch ich! “ . Er sagte übrigens , Coscheriu ‘ , während Coseriu selbst sich für unser,s ‘ und nicht für das rumänisch ş geschriebene sch in seinem Namen entschieden hatte. Gamillscheg sagte übrigens ,Wándruszka ‘ , mit Betonung also auf dem ersten a - es ist die selbstverständliche östreichische Betonung, die aber Wandruszka selbst nicht mochte, und mit der Betonung Gamíllscheg, Betonung also auf dem i, rächte er sich gleichsam, wenn dieser nicht da war. Rohlfs, berichtete mir Wandruszka einmal, hätte ihm immer wieder Fragen von der Art gestellt „ Herr Wandruszka, wissen Sie, dass … ? “ , bis sich dieser mit dem Hinweis wehrte: „ Ich werde Ihnen, lieber Herr Rohlfs, Ihre Frage gern beantworten, wenn ich Ihnen danach auch eine stellen darf “ . Seitdem, so Wandruszka zu mir, habe Rohlfs solche Fragen unterlassen. Nun, es ging da ziemlich menschlich, somit auch kleinlich und etwas albern zu. Coseriu hat offenbar nie auf Wandruszkas Arbeiten reagiert, die er ihm hatte zukommen lassen, bis dieser eines Tages (da war ich - nun schon als Assistent - zufällig dabei), regelrecht und mit erheblicher Lautstärke hereinplatzte. Und er sagte da mehrfach „ Ich finde es gut, dass Herr Dr. Gauger dabei Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 119 <?page no="120"?> ist “ - aber weder ich noch Coseriu fanden dies besonders gut.Wandruszka fühlte sich - nicht ohne Grund - von Coseriu nicht ernst genommen. In dieser langen Diskussion sagte Coseriu mehrfach: „ Ich werde Tübingen verlaassen! “ Die Nichtbeachtung des Unterschieds zwischen langen und kurzen Vokalen ließ Coserius an sich - in Wortschatz und Grammatik - beneidenswert gutes Deutsch dann doch etwas fremd erscheinen. Bekanntlich ist Coseriu immer in Tübingen geblieben. Er hing übrigens nicht an Orten, war da ganz unsentimental. Ich erinnere mich an den trockenen Ausspruch: „ Was braucht man? Ruhe zum Arbeiten. Sonst braucht man gar nichts! “ Als wir einmal auf das Thema ,gut schreiben ‘ kamen, sagte er zu meiner Überraschung, unter seinen deutschsprachigen Kollegen gebe es nur drei gute Schreiber: ,Haari ‘ Meier, Harald Weinrich und Mario Wandruszka. Nicht schlecht! Mit Respekt sprach Coseriu stets von Rohlfs und Gamillscheg. Und bei letzterem, der unter den Nazis eine wichtige Funktion in Rumänien hatte, erwähnte er stets, dass er sich in dieser heiklen Rolle sehr gut verhalten habe. Er, Coseriu, kannte dies, allein wegen seines damals sehr jugendlichen Alters, ja nicht aus eigenerAnschauung; er habe aber, sagte er, was wichtiger ist, in Rumänien nie eine Kritik an Gamillscheg gehört. Als Assistent bekam ich natürlich, wie im Fall der Diskussion Coseriu- Wandruszka, mehr mit als die Studenten und fand diese, sagen wir es schonend, kleinlichen Hin und Her-Giftereien zwischen diesen Herren ziemlich lächerlich. Beide hätten doch einfach stolz sein können auf das, was sie gemacht hatten, was sie konnten und in ihrem Fach darstellten. Nur Wandruszka war da deutlich anders. Eigentlich hatte er in seinem Namen (er war ja Östereicher) das Adels- Prädikat „ Edler von Wanstetten “ (einen Ort Wanstetten gibt es übrigens nicht, da jedoch Adlige nominell immer ,Herren ‘ von irgendeinem Ort sein müssen, dies erklärte mir Wandruszka einmal selbst, hat man schließlich für neue Adlige, zu denen Wandruszkas Vater, ein k. und k. Hauptmann, gehörte, Ortsnamen erfunden). Vielleicht hing es doch auch damit zusammen, dass Mario Wandruszka in seinen Reaktionen Grobes, Unfeines oder gar Niederträchtiges nicht unterlief - „ noblesse oblige “ . Im Übrigen war Wandruszka dies alles ziemlich egal - unter der Aberkennung der Adelsprädikate in Östreich nach 1918 litt er offensichtlich nicht. Außerdem betrachtete er, wie er mir auch einmal sagte, die Namenserfindung ,Wanstetten ‘ als eher schwach. Was Coseriu in dieser Hinsicht anging, so konnte man ihm den Vorwurf übertriebener Höflichkeit oder Feinheit wirklich nicht machen. Aber er war als Gelehrter sehr außergewöhnlich: an Kenntnissen, Scharfsinn, Systematik, und schließlich enormer Arbeitskraft. Stark war er besonders in dem, was er selbst ‚ Doxographie ‘ nannte, also der Kenntnis fremder Positionen, man erfährt in dem, was er schrieb immer auch viel über andere. Er hatte allerdings - schwer zu übersehen oder zu überhören - eine Tendenz zum Dogmatischen. Unter den Philosophen (da war er, wie man in Jörn 120 Hans-Martin Gauger <?page no="121"?> Albrechts vorzüglicher Zusammenstellung erfahren kann, sehr informiert) stand ihm der Typus Aristoteles klar näher als der Platos. Er war auch, fand ich, einigermaßen amusisch. Mein ungewöhnlich gescheiter Freund Hugo Laitenberger, den ich mochte und auch intellektuell sehr bewunderte, der mit mir zusammen Assistent war (er bei Julius Wilhelm) und dem ich, für meinen Weg, viel verdanke, erlebte dies alles ziemlich genauso wie ich - nämlich als merkwürdig und oft irritierend. Er und ich waren uns meist - bei durchaus großen Unterschieden sonst - emotional und intellektuell - einig, vom Politischen abgesehen, das damals, in den siebziger und achtziger Jahren in der Universität immer präsent war: er war rechts, ich deutlich weniger, jedenfalls als er. Aber einig waren wir uns dann wieder darin, dass wir beide das Politische so völlig ernst nicht nahmen. Hugo wurde nach Regensburg berufen und war dort schließlich sehr enttäuscht über die dortige Universitätsreform, an der er sehr engagiert mitgewirkt hatte - vor allem war er vom sogenannten „ Mittelbau “ frustriert, weil der es - „ Drittelparität “ - schließlich doch immer nur mit den Studenten hielt. Ich selbst war in Freiburg drei Jahre allgemeiner Prorektor, also stellvertretender Rektor, und kam mit den ,wilden ‘ Studenten, fand ich selbst, ganz gut durch, weil ich sie fürs erste als suchende junge Menschen und nicht zunächst als politische Gegner wahrnahm, und mit der „ Drittelparität “ haben wir es in Freiburg erst gar nicht versucht. Hugo war zwei Jahre älter als ich, und es ist mir gelungen, darauf bin ich etwas stolz, alle Prüfungen (Doktor, Staatsexamen, Habilitation, schließlich den Ruf, der ja auch eine Art Prüfung ist) - jeweils in zweijährigem Abstand zu ihm hinter mich zu bringen. Was den Ruf anging, so gab es damals ja viele neue Stellen - mein späterer älterer Kollege und (nicht ganz unproblematischer) Freund Gottfried Schramm, der zu vielem und zu vielen (nur was er über mich sagte oder dachte, ist mir unbekannt geblieben) sein spitzes Wort parat hatte, meinte gar, damals habe einen nur der Suizid vor dem Ordinariat retten können. Dass meine Freundschaft mit Hugo Laitenberger (er arbeitete zuletzt in Würzburg und ist 2016 gestorben) nach meiner Heirat, noch in Tübingen, von ihm aus endete, konnte ich nicht verhindern - es betrübt mich noch heute. Was da genau passiert ist, weiß ich nicht. Übrigens wurde mein späterer Freiburger Kollege und guter Freund Josef Jurt, ein Schweizer aus dem „ Luzerner Hinterland “ (so heißt es wirklich), Laitenbergers Assistent. In Freiburg begründeten er und ich, zusammen mit anderen, das „ Frankreichzentrum “ , das noch immer blüht. Mit Gamillscheg hatte ich schließlich einen unwahrscheinlichen Zusammenstoß, auf den ich hier, weil er für die „ Umstände “ damals sehr typisch ist, kurz eingehe. Er wollte (das Angebot kam, von mir unerwartet, von ihm) meine Dissertation prüfen, ob er sie veröffentlichen könne (er hatte da die „ Zeitschrift für französische Sprache und Literatur “ zur Verfügung) und bestellte mich zur Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 121 <?page no="122"?> Mitteilung seines Entschlusses auf einen Termin nach zwei Wochen wieder ein. Als ich kam, war er seltsam erregt. Er monierte zunächst, dass ich zwar mehrfach Wartburg zitierte (er sagte - so redete er halt - ,Woatbuag ‘ , ,Woatbuag ‘ , , Woatbuag ‘ ), nicht jedoch ihn. Ich sagte, meines Wissens habe er Probleme der Synomymie, denen meine Dissertation galt, nicht berührt. Dazu hatte er nichts Rechtes vorzubringen, setzte dann aber erneut an und kam auf einen rumänischen Sprachwissenschaftler namens Macrea (dieser Name ist mir nicht entfallen): der Mann also habe ihn, sagte Gamillscheg, wo es unbedingt hätte sein müssen, nicht zitiert und fragte dann mich: „ Warum wohl? “ Da sagte ich und lief in seine Falle, ich könne mir denken, seine Meinungen seien den Leuten, die jetzt in Rumänien herrschten, aus politischen Gründen sicher nicht immer genehm. Da sagte er tatsächlich, ob es nicht gerade auch im Blick auf ihn so sei, dass ich „ ebenfalls aus politischen Gründen nämlich hier im Seminar “ ihn nicht habe zitieren wollen. Da zielte er natürlich auf Wandruszka, so als hätte ich gemeint, ihn, Gamillscheg, vor Wandruszka zu zitieren, schade mir bei diesem. Was sollte ich da sagen? Etwa: ,Aber Herr Professor, - wie kommen Sie auf so eine unsinnige Unterstellung? ‘ Dies jedoch ging unter den damaligen Verhältnissen, ganz und gar nicht. Da wäre der Meister im allerbesten Fall, ohne irgendetwas zu sagen, aufgestanden und hätte den Raum verlassen. Als er jedoch meine Verlegenheit sah, sagte er zu meiner Überraschung unvermittelt und wörtlich so: „ Also, wissen Sie was? Sie sind ein junger Mann, ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Wenn Sie Ihre Arbeit auf die Hälfte zusammenstreichen, werde ich sie publizieren “ . Was ja eigentlich wieder nett war. Aber damals sah ich es nicht so, sondern schrieb ihm, für sein Angebot knapp dankend, zu einer so weitgehenden Kürzung meinerArbeit könne ich mich nicht verstehen. Da war nun er sauer, womit ich rechnete und auch nichts dagegen hatte. Und kurze Zeit danach war zum Achtzigsten des Literarhistorikers Julius Wilhelm eine Festschrift fällig, übrigens eine Person, die man - und in diesem Fall sehr zu Recht - „’ eine Seele von Mensch “ zu nennen pflegt.Wilhelm begrüßte die Studenten in den Vorlesungen und Seminaren tatsächlich mit „ Meine Kameraden! “ , und niemand fand dies, schon nach kurzer Zeit, noch komisch - es passte einfach zu ihm. Als nun Freund Laitenberger, Assistent bei Wilhelm, mich als Beiträger für die Festschrift vorschlug, sagte Gamillscheg, was mir Laitenberger alsbald berichtete): „ Nein, diesen Siebengescheiten will ich nicht dabeihaben “ . Da war meinem Freund Hugo sofort klar, dass es keinen Sinn hatte, da nachzufassen. Meine Dissertation wurde später, 1972 und 1973, vollständig veröffentlicht, in zwei Büchern, denn diese Dissertation behandelte tatsächlich zwei verschiedene Probleme der Synonymie - , und beide Bücher erschienen selbstverständlich bei Gunter Narr als „ Tübinger Beiträge zur Linguistik “ . Da war ich aber schon in Freiburg im Amt. Als ich übrigens Wandruszka von Gamill- 122 Hans-Martin Gauger <?page no="123"?> schegs Verdacht berichtete, sagte er sogleich: „ Ach, da machen wir nichts! “ . Daran hatte ich übrigens gar nicht gedacht. Ich wollte es ihm nur eben sagen. Coseriu übrigens fand meine Dissertation über die Synonyme, so wörtlich, „ wunderbar “ . Da sagte ich ihm (so etwas konnte man ihm schon sagen) „ Es ist allerdings, Domnule Coseriu, die einzige Arbeit von mir, die ganz ohne einen Einfluss von Ihnen entstanden ist “ . Und er lachte unhörbar, aber breit. 3 Doch nun, wenn möglich, genug der „ Umstände “ - aber ganz ohne geht es kaum. Bei unserer Einführung waren mir noch zwei Punkte wichtig. Zunächst wollte ich die Geschichte unseres Fachs nicht als einen ununterbrochenen Fortschritt präsentieren. Einfach, weil dieser ,Gang ‘ nicht so war und ist; es war kein ununterbrochener „ gradus ad Parnassum “ . Darüber hinaus habe ich es immer für ärgerlich und auch subaltern gehalten, wenn gute Bücher, weil sie schon ein paar Jahre alt waren, als „ veraltet “ zurückgewiesen wurden. So ging es weder in der romanistischen Sprachwissenschaft noch gar in der Literaturwissenschaft zu. Die „ Sprachtheorie “ von Karl Bühler (1934) etwa blüht bis heute, nicht nur für mich, sondern in der Sprachwissenschaft überhaupt. Das also war mir immer klar - von einem Irrtum ganz anderer Art aber wurde ich erst durch Freund Frank-Rutger Hausmanns gründliche Untersuchungen befreit: Ich hatte naiv gemeint, die Romanistik sei weniger als andere Disziplinen durch den verrückten und für die Juden tödlichen Nationalismus angesteckt gewesen, der fest zu den Nazis gehörte. Der Antisemitismus muss ja ebenfalls diesem Nationalismus zugerechnet werden, nicht nur weil er sich auch und gerade gegen Menschen richtetete, die sich in jeder Hinsicht (ein ganz typischer Fall war etwa Viktor Klemperer) als Deutsche verstanden und es natürlich auch waren - übrigens mit allen Vorurteilen, die Deutsche so zu haben pflegten. Auch dafür ist Victor Klemperer ein Beispiel. Dass ich - in Tübingen und später in Freiburg und anderswo - von nicht wenigen ,ehemaligen ‘ Nationalsozialisten umgeben war, die übrigens, muss ich gleich sagen, ausnahmslos ,nett ‘ zu mir waren, ist mir seltsamerweise erst in der letzten Jahren ganz klar geworden. Einer, der Leiter des Piper-Verlags, Hans Rössner, war während der Hitlerei gar im „ Reichssicherheitshauptamt “ tätig, was ich erst vor wenigen Jahren erfuhr. Im Piper-Verlag gab er ausgerechnet das Eichmann-Buch von Hannah Arendt heraus. Ich lernte ihn als sehr freundlichen und ungeheuer höflichen Mann kennen. So habe ich ihm gar, redlich dankbar, eins meiner Bücher gewidmet, das er herausbrachte. Ich hatte den Eindruck, dass er mich mochte. Durch ihn konnte ich bei der potenten Carl Friedrich von Siemens-Stiftung als Redner auftreten - erst bei Armin Mohler, dann besonders bei dessen weit jüngerem und vor allem Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 123 <?page no="124"?> sehr verschiedenem Nachfolger Heinrich Meier. Er lud mich auch, wofür ich sehr dankbar war, zu einem Freijahr in die Siemens-Stiftung ein. Leider konnte ich dieses Freijahr nur wenig nutzen, weil einer unserer Söhne, Klaus Gauger, psychisch schwer erkrankte. 4 Rudolf Windisch beginnt seinen mit „ Die diachronische Perspektive “ überschriebenen Teil unserer Einführung, mit Meyer-Lübke - was ganz unvermeidlich ist. Er kann da gar nicht fehlen. Dieser Mann aus der Schweiz, Professor in Bonn bis zu seinem Tod, hat eigentlich noch einmal geschrieben oder, richtiger, erheblich angereichert und verbessert, was bereits Friedrich Diez, Begründer der wissenschaflichen Romanistik, geschrieben hatte. Dieser ist, jedenfalls in der Sprachwissenschaft (anders in der Literaturwissenschaft) völlig unbestreitbar der erste wissenschaftliche Romanist. Er hat auch schon, wie nach ihm Meyer- Lübke, eine romanische Grammatik und auch schon ein romanisches etymologisches Wörterbuch verfasst. Hegel sagte, in seinem Rückblick auf die Philosophie der Neuzeit, über Descartes, erst mit diesem könne man wie jener Matrose des Columbus „ Land! Land! “ rufen. Womit er meinte, mit Descartes, mit dessen „ ich denke, dass ich denke “ , „ cogito me cogitare “ (oder auch und besser) „ ego cogito, ego sum “ sind wir bereits mitten in dem, was für Hegel schon seine Welt, eben die neuzeitliche Philosophie war, in deren Tradition er stand. Ganz so verhält es sich - „ beyond any reasonable doubt “ - mit Diez für die historische romanistische Sprachwissenschaft. Schon oder, richtiger, erst mit ihm sind wir in dieser Sprachwissenschaft, oder also - überhaupt erst in der Wissenschaft. Alles Frühere in der Beschäftigung mit Sprachlichem in der Romania ist für uns noch nicht Wissenschaft, sondern im besten Fall bloße Gelehrsamkeit, „ Erudition “ , „ Faktenerudition “ , wie Coseriu mit einem guten Ausdruck etwas verächtlich zu sagen pflegte. Und solche Erudition ist ja auch schon etwas Brauchbares. Zu einer Wissenschaft gehört, dass man genau sagen kann, wann sie beginnt. Gerade darin, noch einmal, unterscheidet sich die Sprachwissenschaft von der „ Literaturwissenschaft “ . Noch François Raynouard, der Vorgänger von Diez (aber eben: schon dieser Ausdruck ist verfehlt - Raynouard ging ihm nur eben voraus), hatte ganz Entscheidendes noch nicht gesehen. Da ist zunächst der groteske Irrtum, alle romanischen Sprachen seien direkt auf das Provenzalische zurückzuführen und dieses dann auf Lateinische. Fataler war jedoch ein methodischer Fehler, nämlich „ die völlige Vernachlässigung des Tonsystems “ . Dies schrieb Diez seinem Lehrer Jacob Grimm. Nebenbei: bemerkenswert, dass Diez hier bereits den Ausdruck „ Tonsystem “ verwendet. Und Jacob Grimm schrieb wiederum lobend an Diez, er habe den „ Salbadereien “ Raynouards ein 124 Hans-Martin Gauger <?page no="125"?> Ende gesetzt. „ Salbadereien “ ist hier für Grimm der genaue Gegenbegriff zu Wissenschaft. Und Diez war bescheiden - er schrieb dem französischen Gelehrten Gaston Paris völlig zutreffend - „ ce qui m ’ a guidé … c ’ est uniquement l ’ exemple de Jacob Grimm. Appliquer aux langues romanes sa grammaire et sa méthode, tel fut le but que je me proposai “ (dies zitiert Adolf Tobler, Vermischte Beiträge zur französischen Grammatik - ein, nebenbei, genial offenhaltender Titel). Dies also war es, was den „ Junggrammatikern “ , zu denen auch Meyer-Lübke zählt, klar war: man muss mit dem Lautlichen anfangen, es zur Grundlage von allem übrigen machen. Dies war der entscheidende Punkt ihrer,Methode ‘ . Es gilt zunächst evident für die Etymologie, eine eigentlich sehr alte Disziplin, aber wiederum: eine eigentliche „ Disziplin “ war sie vorher nicht gewesen. Erst seit sie - mit Grimm - dies geworden war, gibt es das entscheidende harte Verdikt „ lautlich unmöglich “ , dem sich dann das - weniger harte - „ semantisch unmöglich “ oder „ schwierig “ hinzugesellte. Aber auch in der grammatischen Formenlehre ist natürlich vom Lautlichen auszugehen. Dergleichen gibt es in der Literaturwissenschaft nicht. Literaturwissenschaftler haben noch immer Mühe, sage ich nun dezidiert, dies einzusehen, oder, schlichter: dieser - doch wirklich nicht unerhebliche, ja gewaltige Unterschied zwischen ihrer und unserer Disziplin ist ihnen gleichgültig. Übrigens sagte man, als ich studierte, ,Literaturgeschichte ‘ und nicht ,Literaturwissenschaft ‘ . Dieser terminologische ,Fortschritt ‘ (man will halt auch eine richtige Wissenschaft sein) kündigte sich zwar vorher an, setzte sich aber erst später durch, und er ist auch etwas speziell Deutsches. Mit „ Humanities “ erhebt das Englische weder in Europa noch in Amerika diesen Anspruch. Doch will ich nicht bestreiten, dass es auch in der Beschäftigung mit Literatur Maßstäbe für Wissenschaftlichkeit gibt. Sie sind nur - das müsste konzediert werden - erheblich lockerer. In einem Fall, der einiges Aufsehen erregt hat, habe ich die Reißleine gezogen, sprach mich also klar gegen die Anerkennung einer literaturtheoretischen Arbeit als Habilitationsleistung aus und sorgte dafür, dass nach Abschluss der Habilitation alle Gutachten publiziert wurden. Ich glaube, dass dies zum ersten Mal geschah. Der entscheidende Schritt - für die historische Sprachwissenschaft - ist also die Entdeckung der Regelmäßigkeit des Lautwandels. Und dies geht aus dem schönen und ruhigen Bericht Windischs sehr klar hervor und auch das Faktum, dass man im Grund auf diese Entdeckung eigentlich allein durch bloße Beobachtung des Vorliegenden kommen kann, wenn man sich einmal entschlossen hat (und eigentlich war dies unvermeidlich) das Lautliche, das „ Tonsystem “ , wie Diez sagte, zum Ausgangspunkt zu machen. Das hatte Raynouard, nach Diezens absolut zutreffendem Urteil, „ völlig vernachlässigt “ . Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 125 <?page no="126"?> Sigmund Freud definiert einmal sehr einfach, vielleicht aber doch auch schon ausreichend komplex, was „ Forschung “ ist, nämlich, so sagt er, „ die intellektuelle Bearbeitung sorgfältig überprüfter Beobachtungen “ (Freud führt dies in dem letzten, ganz besonders bemerkenswerten Kapitel seiner „ Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse “ aus, welches er ominös mit „ Über eine Weltanschauung “ betitelt (Freud 1969, Bd.I" 566). Denn für Freud - dies ist nun einmal sein sehr harter Standpunkt, der aber hier nicht in Frage stehen muss - gibt es als Grundlage auch der „ Weltanschauung “ nur die „ Wissenschaft “ - mit ihren strengen Anforderungen, die vor allem negative sind, also etwa keine Berufung auf etwas anderes als Beobachtung. Also nichts, natürlich, wie „ Offenbarung “ . Und nun also die Frage: Machte Meyer-Lübke und machte nicht auch schon Diez eigentlich etwas anderes als gerade dies? Reichte die „ intellektuelle Bearbeitung sorgfältig überprüfter Beobachtungen “ nicht aus, um auf so etwas wie „ die Regelmäßigkeit des Lautwandels “ zu kommen? Der Keltologe Rudolf Thurneisen hat dies einmal anlässlich einer Festansprache, die er als Rektor der Universität Freiburg zu halten hatte, für die Außenstehenden, wie man zu sagen pflegt, sehr,nett ‘ gesagt (eigentlich war er ja nur der Prorektor, denn nominell war damals in Baden der Großherzog Rektor). Er sprach von dem Erstaunen des Laien darüber - und gerade um diesen und dessen überraschtes Erstaunen geht es mir jetzt - „ dass lange Reihen von Sprachlauten mit der Präzision preußischer Grenadiere alle genau dieselbe Bewegung vollziehen “ (cf. Gauger 2012, 27). Was die militärisch getönte Humorigkeit dieserÄußerung angeht, so war 1905 der erste Weltkrieg nur noch neun Jahre entfernt und der von 1870, den die Franzosen bis heute „ la guerre francoprussienne “ nennen, lag noch nicht lange zurück, und die „ ligne bleue des Vosges “ , die ich von meinem Haus in Freiburg aus von Osten her und auch als „ blaue Linie “ sehe, war nach diesem Krieg zur neuen Grenze zwischen Frankreich und Deutschland geworden, was zu den Gründen für den Krieg von 1914 gehört. Thurneisens ,netter ‘ Vergleich lag also wahrlich, man darf es sagen, unheimlich in der Luft, jener Krieg, wie es im „ Vorsatz “ zum „ Zauberberg “ , der 1924 herauskam, in einer rhythmisch und semantisch schönen Kadenz heißt - die Geschichte dieses Romans „… spielte und hat gespielt, vormals, ehedem, in den alten Tagen, der Welt vor dem großen Kriege, mit dessen Beginn so vieles begann, was zu beginnen wohl kaum schon aufgehört hat. “ (Mann, 1958 [1924], 3). Eigentlich hörte es ja erst im April 45 auf, woran ich mich genau erinnere (ich war aber damals noch nicht einmal zehn). Aber jetzt geht es mir weit weniger dramatisch - denn es ist für den Sprachwissenschaftler nur eben ,interessant ‘ - um jenes Erstaunen, das den Laien, heute wie zu Thurneisens Zeit, durchaus überrascht, wenn er von der ,Regelmäßigkeit des Lautwandels ‘ erfährt. Zudem ist es ja noch immer so, dass man als Philologe von dieser 126 Hans-Martin Gauger <?page no="127"?> Regelmäßigkeit, also von „ Lautgesetzen “ , die keine ,Gesetze ‘ sind, nicht schon im Gymnasium, sondern erst in der Universität, also im Philologiestudium (und natürlich nur da), erfährt. Das vor- oder außerwissenschaftliche Interesse an der Sprache ist ja ungeheuer alt - doch das wissenschaftliche Interesse an ihr ist es nicht. Schon die Babel-Erzählung der biblischen Genesis gehört zu diesem - starken - vorwissenschaftlichen Interesse. Zu diesem Buch gehört die sogenannte „ Urgeschichte “ mit der dieses erste Buch der Bibel endet, und unmittelbar danach beginnt - mit der Nennung der Vorfahren Abrahams - bereits die Geschichte Israels. Die sehr kurze, aber sehr vieles berührende Babel-Erzählung (wir erfahren da zum Beispiel, ganz nebenbei, von einer neuen Bautechnik - mit gebrannten Lehmziegeln), diese Erzählung, dieser ,Mythos ‘ also, hat ja evident dieAufgabe zu erklären, denn dies musste ja nun wirklich erklärt werden, wie aus der einen Sprache, die „ im Anfang “ war ( „ Über die Erde allhin war eine Mundart und einerlei Rede “ ) viele wurden. Eben da gehört diese ,Erzählung ‘ hinein, also die von dem riesigen Turm in der Mitte der großen Stadt, wobei die große Stadt (außerhalb natürlich der theologischen Betrachtung) oft übersehen wird - es geht aber um beides: um die Stadt und um den Turm, „ mit einer Spitze bis an den Himmel “ , der, wie wir hier ebenfalls erfahren, die von den Menschen befürchtete „ Zerstreuung “ verhindern soll, die sie aber dann gerade herbeiführt - dies aber nur durch einen direkten Eingriff Jahwes - „ Wohlan, fahren wir herab und verwirren wir dort ihre Sprache, so dass ein Mann nicht versteht den Mund des Genossen “ . Die Erkenntnis, dass Sprachen sich ändern, allein weil ihr ,Ort ‘ die , zeitigende ‘ Zeit ist, war da offenbar noch nicht da. Die Voraussetzung des Babel- Mythos war, so scheint es, dass ohne solchen Eingriff die Veränderung, die Vervielfältigung der Sprache noch nicht denkbar war. Die Erzählung setzt nicht voraus, dass Sprachen, allein weil sie ,in der Zeit ‘ sind, sich unvermeidlich in und mit ihr verändern. Wir wissen: die Zeit allein zeitigt Veränderungen. Vor etwas über zehn Jahren sprach ich vor und mit Kollegen - in der Mehrzahl aus anderen Fächern (es waren aber lauter ,Geisteswissenschaftler ‘ ) - über ein entsprechendes Thema und wurde da gefragt, als wäre dies ein großes Rätsel: warum verändern sich Sprachen überhaupt? Und die Babel-Erzählung endet mit einer Wort- oder Namenserklärung: „ Darum ruft man ihren Namen Babel, Gemenge, denn vermengt hat Er dort die Mundart aller Erde, und zerstreut hat Er sie dort übers Antlitz aller Erde “ . Offensichtlich trug auch der Name Babel mit seiner Bedeutung „ Gemenge “ zu dieser Geschichte bei. Man redet hier von einer „ aitiologischen “ Erzählung. Diese Geschichte, diese Erzählung ist also ein Mythos. Daraus folgt aber gerade nicht, dass ein Mythos wesentlich eine bloße Erzählung sei, er ist vielmehr eine sehr besondere, eine sehr qualifizierte Erzählung. Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 127 <?page no="128"?> Die Sprachwissenschaft also begann, indem sie sich auf den lautlichen Teil der Wörter konzentrierte und dabei absah von ihren Bedeutungen. Sie begann übrigens überraschend spät - davon sogleich. Aber sie beobachtete schließlich oder es fiel ihr einfach auf, dass die Wörter sich vor allem in ihren lautlichen Bestandteilen verändern, sie übersah aber natürlich nicht, dass auch ihre Bedeutungen sich verändern können. Dass diese sich wandeln, hatte ja schon Dante in seinem Traktat „ De vulgari eloquentia “ (1303/ 1304) festgestellt. Nun also das Absehen von den Wortbedeutungen und die Konzentration auf die Laute, und da war wiederum leicht zu beobachten, dass die Vokale noch unfester sind als die Konsonanten. Es wird da gelegentlich eine Äußerung Voltaires über die Etymologie zitiert: „ C ’ est une science où les voyelles ne font rien et les consonnes fort peu de choses “ , „ eine Wissenschaft “ , darf man übersetzen, „ in der es auf die Vokale gar nicht und auf die Konsonanten nur sehr wenig ankommt “ . Das ist witzig, klingt auch sehr nach Voltaire, ich habe es in der „ Einführung “ ebenfalls, wie andere, weiterzitiert, doch Manfred Mayrhofer (inzwischen verstorben) schrieb mir, die entsprechende Voltaire-Stelle hätte bisher nicht nachgewiesen werden können (oder ist dies in der Zwischenzeit geglückt? ). 1 Jedenfalls ist es seit Jacob Grimm mit der Etymologie als strenger Wissenschaft keinesfalls mehr so. Da muss über jede Veränderung eines Vokals und Konsonanten Rechenschaft gegeben werden und zwar schlicht dadurch, dass man auch andere Fälle des entsprechenden Wandels nennen kann. Jetzt aber will ich auf etwas anderes hinaus. Die Wörter sind dem normalen Sprecher, der also alles andere als ein Sprachwissenschaftler ist, vor allem in ihren Bedeutungen präsent, für den Sprechenden sind in den Wörtern die Dinge selber da. Das ist zwar nicht ganz richtig, aber ganz falsch ist es erst recht nicht. Das Bewusstsein der Sprechenden sieht durch die Wörter als Lautungen gleichsam hindurch auf das, was sie meinen. Ohne dies wäre ein rasches Hin und Her des Redens und Verstehens nicht möglich, auch kein rasches und quasi unbewusstes Lesen. Der Etymologe hingegen bleibt in den Lauten der Wörter (natürlich auch stets im Verein mit den Bedeutungen) hängen oder muss gerade dies tun. So stellt er sich gleichsam gegen das normale Interesse und Sprachbewusstsein der Sprechenden, und gerade durch dieses - eigentlich ganz unnormale - Absehen von der Bedeutung kommt er durch „ sorgfältig überprüfte Beobachtung “ zur Erkenntnis der Regelmässigkeit des Lautwandels. Analog ist es nun auch bei etwas ganz anderem, nämlich bei derAlphabetschrift, wenn man an ihre Erfindung oder ihre Erlernung denkt. Diese Erfindung war offensichtlich etwas Gewaltiges - anstatt in der Bedeutung hängenzubleiben, wozu das Wort da ist, sieht man hier gerade von dieser ab und beschränkt sich ,abstrahierend ‘ auf 1 Dieses Bon mot wird weiterhin Voltaire lediglich „ zugeschrieben “ (attributed). ( J. A.) 128 Hans-Martin Gauger <?page no="129"?> die Wiedergabe der einzelnen Laute, aus denen das Wort besteht und kann dann mit äußerst wenigen Zeichen äußerst viel, nämlich alles, schreiben - alles, fast alles, was gesprochen wird. Da ist es nun so, daß das Kind letztlich, wie immer, zu einem Absehen von den Bedeutungen gebracht werden muss, was nicht normal ist, aber doch in aller Regel relativ unschwer gelingt. Die Wörter sind ja, noch einmal, in unserem Bewusstsein durch das, was sie meinen, präsent. Und sie sind, weil sie Dinge bezeichnen, so etwas wie ein „ Katalog der Welt “ , oder eine Sprache, weil sie Wörter hat, ist ein solcher „ Katalog “ , und übrigens ist die Bezeichnung „ catalogus mundi “ schon im Mittelalter geläufig. Natürlich ist sie bedenklich, und ich sage auch nicht, dass die Wörter,einfach ‘ so ein „ Katalog “ seien, was eine unhaltbare Simplifizierung wäre, ich sage nur, dass die Wörter uns so vorkommen, dass sie uns notwendig als so etwas erscheinen müssen. Somit: in den beiden genannten, sehr verschiedenen Fällen - ist etwas Analoges, ein entschiedenes Absehen von dem, was sich uns, unserem Erleben der Wörter zunächst sehr stark aufdrängt und im Bewusstsein am stärksten präsent ist, ein Absehen somit vom Eigentlichen, um schließlich in der Wissenschaft zur Entdeckung der Regelmäßigkeit des Lautwandels geführt zu werden und wenn es darum geht, Kindern die Alphabetschrift zu lehren. Und so ist diese Abstraktionsleistung, dieses Absehen von der Bedeutung, auch die Voraussetzung des Schreiben- und Lesenlernens. Und da ist, nebenbei, das Deutsche sowohl dem Englischen als auch - und mehr noch - dem Französischen sehr überlegen, weil in diesen beiden Sprachen die Abstraktionsleistung größer ist - im Französischen gibt es gar eine unhörbare Grammatik, die überhaupt nur geschrieben wird: ,mon ami ‘ , ,mon amie ‘ , auch etwa ,ils ne sont pas venus ‘ , ,elles ne sont pas venues ‘ oder, im Fall von ,Nicole et Jacques ne sont pas venus ‘ - da haben wir auch etwas wie ein „ generisches Maskulinum “ , denn es dominiert, wie ungerecht auch immer, in der Übereinstimmung des Partizips der Name des Manns. So ist ein Diktat im Französischen unvermeidlich eine oft gar nicht ganz leicht zu schaffende Prüfung auch in der hier vollkommen stummen Grammatik. Aber nun, wie gesagt, nichts mehr von mir, wozu mich übrigens Jörn Albrecht, nachdem er den „ Tenor “ des Ganzen kannte, expressis verbis aufgefordert hat, sondern nur noch über Rudolf Windisch, dessen zweite Festschrift hier vorliegt. Zu Rudi Windischs schönem und wichtigem Beitrag habe ich hier schon einiges gesagt. Aber natürlich: es reicht nicht. Doch zunächst: wenn ich, was er geschrieben hat, lese, höre ich ihn reden in seinem rheinischen Tonfall - das geht mir oft, durchaus aber nicht bei allen Autoren so, die ich lese und persönlich gut kenne. Und mir gefällt der ruhig erörternde Stil seiner Darlegungen, die natürlich, ich sagte es, mit dem beharrlich in Bonn bleibenden Schweizer beginnen, also mit Meyer-Lübke, der kein Theoretiker war; worüber auch Windisch staunt: Bei ihm kann von „ theoriegeleiteten Hypothesen “ keine Rede Unsere „ Einführung in die romanische Sprachwissenschaft “ (1982) 129 <?page no="130"?> sein (cf. Gauger/ Oesterreicher/ Windisch 1981, 101). Anders ist es bei Hermann Paul in dessen noch immer suggestivem theoretischen Hauptwerk der Junggrammatiker, den „ Prinzipien der Sprachgeschichte “ . Ist bei Paul nicht doch auch schon viel auf die Gegenwart Zielendes, viel „ Synchronisches “ , wobei wir ja längst wissen, dass das, was „ Synchronie “ genannt wird, gar nicht (gerade für das Sprachbewusstsein) rein synchronisch ist? Ich war dabei, als Coseriu André Martinet von Pauls Positionen berichtete und wurde Zeuge von dem Staunen Martinets über das, was er da ungläubig hörte. Doch dies zu verfolgen, ist hier nicht der Ort - ich wollte es nur kurz signalisieren - ein für mich suggestives Gespräch zwischen zwei Meistern. Doch zurück zu Windisch, der also auch staunt über das Miteinander bei Meyer-Lübke von (scheinbarer? ) Theorielosigkeit und sehr beträchtlichem Erfolg, was die Ergebnisse betrifft, auf die es ja schließlich ankommt. Und dies gilt ja für die Junggrammatiker insgesamt. Windisch analysiert eingehend (ich brauche dies nicht nachzuzeichnen) drei Arbeiten von Meyer-Lübke: „ Die Grammatik der Romanischen Sprachen “ 1890 - 1902), Die „ Einführung in das Studium der romanischen Sprachen “ (1920) - von dieser rät Windisch sehr zu Recht den Anfängern entschieden ab - auch ich habe, vom Titel getäuscht, als Anfänger einige Zeit mit ihr verloren (1920), schließlich das „ Romanische Etymologische Wörterbuch “ (1935). Sehr schön finde ich auch Windischs Beitrag zur Sprachgeographie, also zu Jules Gilliéron (auch der berühmte abeille-Fall fehlt da nicht). Das ausführliche Referat zu Karl Vossler scheint mir sehr gerecht. Der Fall ist ja auch interessant, weil dieser Romanist zusammen mit der gewaltigen Ausnahme Harald Weinrich der letzte ist, dessen Stimme sowohl in der sprachwissenschaftlichen wie auch in der literaturwissenschaftlichen zählt. Aber Vossler wandte sich nach seinen sprachwissenschaftlichen Anfängen doch ganz der Literatur zu. Und nun gilt schon lange der erste (von mir stammende) Satz unserer „ Einführung “ . „ Das Fach , Romanische Philologie ‘ bildet seit langem keine Einheit mehr. Es zerfällt - der Ausdruck ist nicht unangemessen - in zwei getrennte Disziplinen “ . Dies trifft natürlich auch auf andere philologische Disziplinen zu - sicher jedenfalls auf die deutsche und die englische. Nur beim Staatsexamen - für die Prüfenden, die sich da von beiden Disziplinen einfinden und natürlich für die Examinierten - kommen die beiden Fächer noch zusammen. Was Windischs Bericht angeht, würde es mich interessieren, was es da seither, denn es ist ja einige Zeit vergangen, an wirklich Neuem gab. Im Übrigen hatte und hat Windisch ein interessantes Spezialgebiet, das bei den meisten Romanisten allenfalls so nebenbei präsent ist, bei ihm ist es dies aber besonders, quantitativ und qualitativ, stark - also das Rumänische. Windisch beherrscht die Sprache vorzüglich - ich sage es hier besonders gern, weil ich ausgiebig Gelegenheit hatte, es in Rumänien selbst zu erfahren - und dies war nun 130 Hans-Martin Gauger <?page no="131"?> wirklich ein Erlebnis. Wegen dieser seiner Spezialisierung (er ist aber ein Gesamtromanist wie es auch Oesterreicher war), ging es unvermeidlich etwas länger bis er in Rostock seinen Platz fand. In einem Brief an mich schrieb damals Coseriu mit ungewöhnlich warmem Ton, er würde immer und überall für ihn eintreten, „ denn “ , so schloss er, „ ich mag ihn sehr “ . Literaturverzeichnis Arend, Hannah (1963): Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil. New York: Viking Press. Bühler, Karl ( 3 1999/ 1 1934): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart: Gustav Fischer. Coseriu Eugenio ( 3 2015): Geschichte der Sprachphilosophie. Neu bearbeitet und herausgegeben von Jörn Albrecht. 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Therefore, unlike the previous stages, when the translations from Slavonic and Greek mostly represented Romanian written culture, the beginning of the nineteenth century saw significant growth in translations from modern languages such as French, German, Italian, Modern Greek, Russian. The translation of new texts from various languages naturally implied an enlargement of the foreign onomastic repertoire. Based on corpus linguistic data (RONAME), the study investigates the formal adaptation of toponyms in textbooks translated from German into pre-modern Romanian (1780 - 1830). The analysis shows a high degree of form variation from one translation to another or even within the same translated text. There are linguistic and extralinguistic explanations of this variation: different alphabets (Romanian-Cyrillic and Latin) and phonetic systems in contact; various and inconsistent formal translation strategies (borrowing, adaptation and substitution); the lack of formal consistency in the German sources; the “ authority ” of the source-text and the traditional patterns of spelling and writing in Romanian; the diversity and novelty of the names; the educational and cultural background of each translator; the prestige of the culture language (Greek, in Moldavia and Wallachia; Latin and German, in Transylvania). 1 Introduction Considérée comme la première étape de « l ’ époque moderne » de l ’ histoire de la langue roumaine littéraire ou une étape « de transition » entre l ’ ancien roumain littéraire et le roumain littéraire moderne (Ghe ţ ie 1982 : 65), appelée aussi « l ’ époque prémoderne » (Piru 1970 : 5), la période 1780 - 1830 représente le début <?page no="134"?> de la modernisation de la langue roumaine littéraire par la traduction de textes appartenant à divers domaines de la culture écrite (le domaine religieux, philosophique, historique, géographique, littéraire) et de différentes langues modernes (le français, l ’ allemand, l ’ italien, le russe). Un rôle décisif dans ce processus de modernisation a été joué par les représentants de « Ș coala Ardelean ă » (un mouvement idéologique, politique, culturel, ayant aussi comme but l ’ affirmation de l ’ origine latine de la langue roumaine), qui ont rédigé une série de travaux normatifs (grammaires, traités d ’ orthographe, dictionnaires) et qui ont traduit des traités scientifiques et juridico-administratifs, tout comme de nombreuses œ uvres didactiques et littéraires. Les traductions roumaines de cette période ont été peu étudiées du point de vue du processus de la traduction du texte d ’ une langue étrangère en roumain. Dans ce contexte, nous nous proposons d ’ examiner les modalités d ’ adaptation en roumain (au niveau formel graphique, phonétique et morphologique) des différents types de toponymes (hydronymes, choronymes, oïkonymes et des nésonymes) de quelques traductions de l ’ allemand. Les toponymes ont été extraits de trois textes à contenu historique. Descoperirea Américii. O carte foarte folositoare (= Cam. roum.), paru à Buda, en 1816, sous le soin éditorial de Nicola Nicolau, c ’ est la traduction en roumain 1 du premier volume de Kolumbus oder die Entdekkung von Westindien. Ein angenehmes und nützliches Lesebuch für Kinder und junge Leute de Joachim Heinrich Campe ; le texte contient l ’ histoire de la découverte de l ’ Amérique, racontée par un père à ses enfants, sous forme de dialogues ; après la comparaison des éditions en allemand, nous avons pris comme texte de référence l ’ édition publiée à Tübingen, en 1782 (= Cam. all.). Le manuel d ’ histoire Élémens d ’ histoire générale de l ’ abbé Claude-François-Xavier Millot, paru à Paris à partir de 1772 (en neuf volumes), a été traduit en roumain par Ioan Molnar-Piuariu et publié à Buda, en 1800, avec le titre Istoria universal ă (= Mill. roum.) ; le traducteur a utilisé comme source principale la version allemande, Universalhistorie alter mittler und neuer Zeiten, de 1794 (= Mill. all.), attribuée à Wilhelm Ernst Christiani 2 . L ’œ uvre Alexander I, Kaiser von Russland. Ein Regierungs- und Karaktergemälde (Berlin, 1814) de Johann Daniel Friedrich Rumpf (= Rum. all.) a été publiée, tout comme les autres portraits élogieux du tsarAlexandre I er de la Russie, dans le but de contrecarrer le mythe napoléonien et pour augmenter le prestige de l ’ adversaire de l ’ empereur français ; la traduction en roumain de cette œ uvre, Ar ă tarea st ă pînirei ş i a caracterului lui Alexandru I, împ ă ratul a toat ă Rossia (= Rum. roum.), est parue à Buda, en 1815, sans que le nom du traducteur soit mentionné 3 . 1 Le traducteur n ’ est pas mentionné. 2 Concernant la source de cette traduction, voir Gr ă mad ă (1960 : 166), Ursu (2002) et Camar ă (2017). 3 Concernant cette traduction, voir Cernovodeanu (1974). 134 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="135"?> À partir des procédés de traductions adoptés dans la traduction des textes allemands mentionnés, nous nous proposons d ’ observer la manière dont les toponymes, la majorité d ’ entre eux traduits pour la première fois en roumain, ont été adaptés au système spécifique formel de la langue roumaine. 2 Les difficultés de l ’ adaptation formelle des noms dans le roumain prémoderne Même si l ’ adaptation des noms propres dans le roumain prémoderne n ’ est pas assez étudiée, il est bien connu que ce processus se caractérise, comme toute l ’ écriture roumaine de l ’ époque, par le manque des normes généralement valables qui réglementent cette transposition 4 . Faute de ces normes, les oscillations concernant l ’ adaptation des noms ont été déterminées par des facteurs que nous détaillerons ci-dessous. a. L ’ emploi d ’ alphabets différents Les sources des traductions mentionnées sont écrites en alphabet latin. À l ’ époque, les textes roumains étaient écrits surtout en alphabet cyrillique. Il s ’ agit donc de deux systèmes graphiques ayant des traits différents : un nombre différent de graphèmes, des signes diacritiques spécifiques (avec ou sans valeur phonétique), l ’ existence de certains graphèmes à valeurs phonétiques multiples ou, par contre, des graphèmes ou groupes de graphèmes qui notent la même séquence phonétique. La confrontation des deux systèmes graphiques implique, pour le traducteur de cette époque, des difficultés dans le choix de la manière d ’ adapter les noms étrangers en roumain. b. L ’ emploi des systèmes orthographiques différents Les langues mises en contact dans le processus de traduction des textes qui forment le corpus de notre étude 5 ont des orthographes basées sur des principes différents : l ’ orthographe allemande manifeste des tendances étymologistes, tandis que l ’ orthographe roumaine-cyrillique est phonétique (Strungaru 1976 : 197). 4 Nous utilisons le terme « transposition » dans un sens général, pour désigner le processus par lequel un nome passe d ’ une langue à l ’ autre, abstraction faite des procédées employés (emprunt, substitution, adaptation, traduction). 5 Voir le corpus RONAME < http: / / textavenue.com: 8080/ exist/ apps/ roname/ scripts/ entry. xq > (consulté le 15.01.2021). RONAME est une partie du projet Proper Names in Premodern Romanian (1780 - 1830): Translation Practices, realisé à l ’ Université « Alexandru Ioan Cuza » de Ia ș i (2015 - 2017). Le corpus comprend c. 6000 noms de toutes catégories, extraits des volumes d ’ histoire et de geographie traduits en roumain du grec moderne, de l ’ allemand, du français, de l ’ italien et du russe entre 1780 et 1830. L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 135 <?page no="136"?> c. L ’ existence des systèmes phonétiques différents Chaque langue est caractérisée par la présence de certains phonèmes qui n ’ existent pas dans d ’ autres langues, d ’ où le besoin d ’ une approximation dans la langue cible. Parmi ce genre de phonèmes, on peut énumérer, par exemple, en allemand, la voyelle fermée antérieure arrondie / y/ , représentée par le graphème ü, la voyelle mi-ouverte antérieure arrondie / œ / , représentée dans le code écrit par ö et oe. d. La diversité culturelle des noms Les traductions de cette période font référence, le plus souvent, à des réalités inédites pour la culture roumaine de l ’ époque (lieux et noms exotiques) : Cam. roum. parle de l ’ Amérique du Sud et du Nord ; Mill. roum. est une histoire universelle ; Rum. roum. présente des aspects de l ’ histoire, de la géographie et de la politique de l ’ Empire russe. Certaines réalités présentées par ces travaux et les noms correspondants étaient, bien sûr, connus au traducteur et même aux lecteurs que celui-ci envisageait. Mais, dans la plupart des cas, les réalités présentées dans ces textes ne sont pas liées à leurs sphères linguistiques. Il peut arriver, donc, que le traducteur indique non seulement la graphie ou la prononciation de la langue source (où le nom respectif est un exonyme), mais aussi la prononciation qu ’ il connaît ou qu ’ il imagine dans la langue qui correspond à l ’ univers auquel le texte fait référence ou peut-être la prononciation selon les règles d ’ orthographe d ’ une langue de culture qui lui est familière (Gînsac/ Ungureanu 2020 a). e. L ’ existence de certains modèles traditionnels de prononciation en roumain Cet aspect diminue la possibilité des innovations de la part du traducteur. C ’ est ce que Garde (1974 : 4) souligne quand il parle de la transcription des noms français dans la langue russe contemporaine : il y a un conflit entre les noms sans notoriété, méconnus, qui peuvent être soumis à une transcription en suivant des principes unitaires, et les noms très connus, qui ont déjà une tradition graphique et/ ou phonétique dans la langue cible, ce que le traducteur ne peut pas ignorer. 3 L ’ adaptation graphique et phonétique 3.1 De l ’ emprunt à l ’ adaptation formelle Selon Grass (2006 : 625 - 626), l ’ emprunt, c ’ est-à-dire « la non-traduction », consiste dans la reprise du nom avec la forme graphique et morphologique de la langue source ; « on traduit à partir du moment où l ’ on opère une quelconque modification sur le texte en langue source ». Ballard (2011 : 26, 42) nomme ce procédé « report » et le définit comme la transposition intégrale du nom de la langue source dans la langue cible, même s ’ il soutient ensuite que la trans- 136 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="137"?> litération et la transcription sont aussi des procédés de report. Dans Cam. roum., on remarque un cas intéressant de « bigraphisme monolinguistique ». Le syntagme appartient à Boerescu (2014 : 87), qui l ’ emploie pour définir la coexistence des alphabets cyrillique et latin pour la notation de la langue roumaine entre 1780 - 1880. Nous l ’ avons repris ci-dessous pour définir les situations spécifiques seulement à ce texte, dans lesquelles l ’ auteur, en écrivant un nom du texte allemand, le reproduit dans les deux alphabets (latin et cyrillique). Cela donne lieu à trois types de situations, que nous allons détailler infra. Dans la série (1), les noms de l ’ original sont reproduits seulement en alphabet latin : (1) a. « die Insel St. Martin » (Cam. all. 133) - St. Martin (Cam. roum. 78) ; (1) b. Antigua (Cam. all. 133) - Antiqua (Cam. roum. 78), Dominika (Cam. all. 132) - Dominica (Cam. roum. 78), Guadalupe (Cam. all. 133) - Kuadelupe (Cam. roum. 78), Mari galante (Cam. all. 133) - Maria galante (Cam. roum. 78), Portoriko (Cam. all. 133) - Porto Rico (Cam. roum. 78). Dans les exemples de (1 a), le nom de l ’ original est repris tel quel. Dans les autres exemples (1 b), même si le traducteur pouvait reproduire le nom de l ’ original, la forme est modifiée : par le remplacement du k avec c (Porto Rico, Dominica ; voir aussi la segmentation différente dans le cas de l ’ oïkonyme Porto Rico 6 ) ; par le remplacement de la consonne sonore g avec sa variante sourde (Antiqua, Kuadelupe ; dans le cas Antiqua, la ressemblance avec la forme latine a probablement joué un rôle important), même si la prononciation du nom original ne justifie pas ce remplacement (voir MÜLLERS, s. v.) ; le nom Mari est adapté par son inclusion dans la catégorie des féminins en -a (cf. fr. Marie- Galante, sp. Marigalante). Ainsi, même si le texte source et le texte cible utilisent le même alphabet, les procédés de transposition sont, dans la plupart des cas, la transcription, l ’ adaptation phonétique et l ’ adaptation morphologique, donc le traducteur choisit d ’ opérer des modifications. Dans la série (2), les toponymes rédigés en caractères latins, transposés de l ’ original, sont doublés par leur forme roumaine cyrillique : (2) Madeira (Cam. all. 11) - Made ∕’ ra , Madeira (Cam. roum. 9), Portosanto (Cam. all. 11) - Porto Sánto , Porto Santo (Cam. roum. 9), St. Domingo (Cam. all. 256) - St. Domingo, Sánt Domíngo (Cam. roum. 172, 185, 187), « die Stadt Nombre de Dios » (Cam. all. 237) - « cetatea Nombre de Dios 7 , Nombre de Dïo » (Cam. roum. 158), Quibio (Cam. all. 244) - Kwibio, Kvíbïo (Cam. roum. 162). 6 Les noms étaient probablement connus à l ’ érudit dans leur forme de la langue espagnole. 7 Ecrit Dioe, probablement à cause d ’ une erreur d ’ imprimerie. L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 137 <?page no="138"?> Cette fois, la forme en alphabet latin est reprise par imitation approximative, à l ’ exception de Kwibio, cf. all. Quibio, quand le procédé de transposition est la transcription (voir de nouveau la segmentation différente pour Porto Santo). La variante en cyrillique translitère la forme en caractères latins des noms du texte roumain. La série (3) présente plusieurs types de situations : (3) « das Vorgebirge der guten Hoffnung » (Cam. all. 12) - « mun ţ ilor de Bona Speranza, b¨nei ˘ nßd ™’Ω de » (Cam. roum. 9), den Namen Trinidad (Dreieinigkeit) » (Cam. all. 179) - « Trinidat (ádec ă Troícß ) » (Cam. roum. 114), « das Vorgebirge der guten Hoffnung » (Cam. all. 190) - « múntele búnei ˘ nßdé Ω di , Capo de bona Speranza » (Cam. roum. 123), « Gracias a Dios, oder Gott sei Dank » (Cam. all. 230) - « Gratias a Dios, care va s ă zic ă : m¨lcßmitß sß f ∕’ e l¨i ˘ Dmªnezé¨ » (Cam. roum. 152), Porto bello (Cam. all. 237) - « Porto bello, ádec ă Limán fr¨mós » (Cam. roum. 158). Les toponymes écrits en alphabet latin représentent soit des emprunts à l ’ original (Porto bello), soit des substitutions de l ’ endonyme (mun ţ ilor de Bona Speranza [les montagnes de Bona Speranza], Capo de bona Speranza), soit des transcriptions (Trinidat pour l ’ allemand Trinidad, conformément à la prononciation sourde du d final en allemand) ; on y ajoute la latinisation de Gratias a Dios. Le traducteur, un érudit vivant en Transylvanie, connaissait bien le latin, qui était la langue de culture dans cette région à l ’ époque (Gînsac/ Ungureanu 2020 b : 81 - 82). La graphie cyrillique est employée quand le nom est doublé par la traduction : « Trinidat (ádec ă Troícß [qui veut dire Trinité]) », « Gratias a Dios, care va s ă zic ă m¨lcßmitß sß fî Δ e l¨i ˘ Dmªnezé¨ [qui veut dire Grâce à Dieu] », « Porto bello, ádec ă Limán fr¨mós [qui veut dire Beau port] ». 3.2 La translitération La translitération est un procédé par lequel la graphie de la langue source est reproduite dans la langue cible de manière fidèle, de sorte que chaque signe de l ’ alphabet de la langue cible a un correspondant dans l ’ alphabet de la langue source. Évidemment, la focalisation sur le niveau graphique mène à un déséquilibre au niveau phonétique. Dans la période prémoderne de la langue roumaine, l ’ emploi de la translitération comme procédé d ’ adaptation des noms en roumain implique des difficultés liées à l ’ emploi de l ’ alphabet cyrillique. Cet alphabet n ’ est pas compatible à tous points de vue avec la structure phonétique du roumain, 138 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="139"?> ce qui implique la présence des lettres à valeurs multiples ( ß , ´ , √ , ™ , å ), donc le même phonème pouvait être noté par plusieurs lettres (par exemple : / e/ par ™ , e , å ; / i/ par √ , i , ï ), ou l ’ existence des lettres sans valeur phonétique dans certains cas ( ´ , ß ). La situation devient plus complexe à cause du manque de normes générales d ’ emploi de l ’ alphabet cyrillique, ce qui fait que chaque auteur puisse innover dans les limites du système graphique. L ’ un des problèmes qui surgissent dans le cas de la translitération de l ’ alphabet latin en alphabet cyrillique fait référence au nombre différent de graphèmes de l ’ alphabet cyrillique par rapport à l ’ alphabet allemand. Cela veut dire que le traducteur peut, dans certains cas, choisir parmi les signes que l ’ alphabet cyrillique met à sa disposition. Dans ce cas on peut parler plutôt de translitération approximative ou de variantes de translitération. Sakhno (2006 : 711), en analysant la transcription et la translitération en alphabet latin des noms russes contemporains, montre que la translitération n ’ est pas toujours exacte (mis à part les situations ou la translitération est combinée avec la transcription, dans le cas du même nom) et délimite la « translitération exacte » (les signes cyrilliques sans équivalent direct dans l ’ alphabet latin sont donnés à l ’ aide des signes diacritiques ; par exemple, Gorba čё v) de la « translitération approximative » (quand les signes diacritiques sont omis ; par exemple, Gorbacev). De même, Bagajewa (1992 : 350 - 351) remarque l ’ incohérence de la translitération et les difficultés posées même par l ’ emprunt exact des noms entre les langues qui utilisent le même alphabet (des problèmes phonétiques causés par les règles d ’ orthographe différentes), tandis que Lehrer (1993 : 400) conclut qu ’ il est impossible de construire un algorithme de traduction des noms propres. Donc, si ce problème caractérise la situation de la langue actuelle, d ’ autant plus elle constitue une caractéristique des textes de l ’ époque prémoderne. Ainsi, nous considérons comme des cas de translitération, en ce qui concerne les textes du roumain prémoderne, les situations où la superposition n ’ est pas totale et des différences graphiques interviennent, à condition que celles-ci n ’ affectent pas la prononciation. Dans les textes source, l ’ accent n ’ est pas noté - même les dictionnaires onomastiques de l ’ époque ne le font que sporadiquement - de sorte qu ’ il est difficile d ’ établir si la position de l ’ accent dans la variante roumaine, si celui-ci est noté, corresponde à celle de l ’ original. Les exemples ci-dessous indiquent des translitérations dans l ’ adaptation des noms géographiques : (4) Hannover (Rum. all. 78) - Xannover (Rum. roum. 68), Kasan (Rum. all. 46) - Kasan (Rum. roum. 43), Niemen (Rum. all. 81) - Nïémen (Rum. roum. 71). L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 139 <?page no="140"?> Le choix de la translitération comme modalité de transposer le nom en roumain implique dans (4) des prononciations différentes dans la langue cible par rapport à l ’ original : s intervocalique (Kasan), prononcé / z/ en allemand, mais / s/ en roumain ; -er (Hannover), prononcé / ǝ / en allemand, mais / er/ en roumain ; le groupe graphique -ie- (Niemen), prononcé, en allemand, comme un i long, mais comme / ie/ ou / je/ en roumain. En ce qui concerne l ’ utilisation de la majuscule dans la graphie des toponymes, nous mentionnons qu ’ à l ’ époque elle était employée tant dans le cas des noms propres, que pour d ’ autres mots. Chaque texte a ses particularités : a) dans Cam. roum., la majuscule marque les noms propres et plus rarement d ’ autres mots, noms ou même verbes (e. g. C ă petenia [le chef] 8 ; Gheografia [la géographie] 10 ; Era [était] 13) ; b) dans Mill. roum., la majuscule marque les noms de manière constante, mais elle est beaucoup plus utilisée comme initiale pour les autres types de mots que dans les autres textes (et, vraisemblablement, d ’ une manière arbitraire) ; c) dans Rum. roum., les noms sont écrits avec majuscule initiale ; mis à part ceux-ci, on écrit avec majuscule aussi certains noms qui désignent des fonctions publiques, des institutions ou les néologismes (e. g. Sisteme [systèmes] 11). 3.3 La transcription Lors du processus de la transcription, l ’ attention se focalise non pas sur la forme graphique, mais sur la prononciation du nom ; comme principe, celle-ci doit rendre de manière la plus fidèle possible la prononciation de la langue d ’ origine. Le principe de la fidélité par rapport à la prononciation originale constitue actuellement aussi l ’ idée fondamentale dans le cas des noms repris des langues ayant un alphabet différent, même s ’ il s ’ agit toujours d ’ un desideratum. On peut consulter, dans ce sens, Sakhno (2006), qui parle des différences qui surgissent dans la transposition des noms russes par la translitération et la manière dont cela trahit le principe de la fidélité à la prononciation originale. Dans les textes étudiés, la reproduction phonétique d ’ un nom peut suivre le modèle de la langue source (le traducteur reproduit le nom tel quel) ou un modèle préexistant (la transcription dans le texte roumain ne suit pas la prononciation du texte source, mais peut être conforme à un modèle de prononciation qui existe déjà pour des lettres/ groupes de lettres). La transcription est souvent combinée avec la translitération. Les séries (5) contiennent des exemples de transcription pour les toponymes, avec les particularités suivantes : ae/ ä = e (5 a) ; z / ts/ = c (b) ; c + e, i / ts/ = c (c) ; ph / f/ = f (d) ; d = t , la notation de la prononciation sourde de la consonne finale de l ’ allemand (e) : 140 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="141"?> (5) a. Aegos Potamos (Mill. all. 265) - Egós Potámos (Mill. roum. 387), Aethiopien (Mill. all. 13) - E ƒ ïopïa (Mill. roum. 15) ; b. Barzelona (Cam. all. 125) - Barcelóna (Cam. roum. 73), Zanguebar (Cam. all. 190) - Cengvebár (Cam. roum. 124), Danzig (Rum. all. 82) - Dáncig (Rum. roum. 73) ; c. Lacedämons (Mill. all. 9) - Lacêdêmo ’ nÁlÁi (Mill. roum. XIX), Sicilien (Mill. all. 258) - Sicílïa (Mill. roum. 374), Mycenä (Mill. all. 152) - Micê ’ nê (Mill. roum. 204) ; d. Pheres (Mill. all. 291) - Fê ’ rês (Mill. roum. 427) ; e. Trinidad (Cam. all. 181) - Trinidát (Cam. roum. 115), Madrid (Cam. all. 22) - Madrít (Cam. roum. 17). La traduction des toponymes se caractérise par un certain degré de stabilité, ce qui s ’ explique par leur notoriété. Cependant, on constate bien d ’ hésitations des traducteurs, le mélange des procédés et des modèles linguistiques, y compris pour la transposition du même nom sous l ’ influence de modèles linguistiques différents, par exemple : all. China par Xína (Mill. roum. XI, Index) ou Kína (Rum. roum. 73). 3.4 La transcription par approximation phonétique Le besoin de l ’ approximation phonétique est déterminé par les incompatibilités entre les systèmes phonologiques des langues qui entrent en contact. Confronté à un phonème inexistant dans la langue propre, le traducteur le note de manière approximative. Nous allons faire référence, donc, à des modifications qui surgissent lors du processus de la transcription. Les approximations phonétiques dans les textes à original allemand (6) visent deux voyelles que le système du roumain ne possède pas : / y/ , voyelle antérieure fermée arrondie, notée comme ü ou y (a) ; / ɶ / , voyelle antérieure mi-ouverte arrondie, notée comme oe ou ö (b) : (6) a. Hayti (Cam. all. 88) - Xa¨tí (Cam. roum. 49), Lübeck (Rum. all. 82) - Lübék (Rum. roum. 72), Südamerika (Cam. all. 197) - Zíd-Amérika (Cam. roum. 128) ; b. Böotien (Mill. all. 281) - Bêócïa (Mill. roum. 411), Pötidäa (Mill. all. 246) - Potídêa (Mill. roum. 356), « den See Moeris » (Mill. all. 12) - Mê ’ ris (Mill. roum. 13). Dans leur but de trouver un équivalent de ces voyelles, les traducteurs roumains oscillent entre ¨ / u/ , ü / ju/ et i / i/ pour / y/ (6 a) et entre o / o/ et e / e/ pour / ɶ / (6 b). L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 141 <?page no="142"?> 4 L ’ adaptation morphologique Certains toponymes étrangers sont entrés dans la langue roumaine par l ’ intermédiaire de plusieurs langues (le grec, l ’ italien, le français, l ’ allemand, etc.), en recevant, ainsi, des formes diverses. Beaucoup de toponymes des textes allemands ont été remplacés en roumain par ces correspondants (formels ou dénominatifs) déjà consacrés par la tradition 8 ; voir, par exemple : Aegypten (Cam. all. 13) - Eghípet (Cam. roum. 10), « von Genua » (Cam. all. 20) - Ghénovii (Cam. roum. 15), Venedig (Cam. all. 15) - Vené ț ia (Cam. roum. 11), Frankreich (Cam. all. 152) - Frán ț a (Cam. roum. 92) ; Deutschland (Mill. all. 115) - Ghermánia (Mill. roum. 157) ; Rom (Mill. all. 82) - Róma (Mill. roum. 113) ; Russland (Rum. all. 6, 2) - Rósia (Rum. roum. 7) ou Ț eara Rusasc ă [Le Pays russe] (Rum. roum. 3), England (Rum. all. 6) - Ánglia (Rum. roum. 7), Moskau (Rum. all. 28) - Móscva/ Moskwa (Rum. roum. 26/ 86), Deutschland (Rum. all. 81) - Ț ara Nem ț easc ă [Le pays allemand] (Rum. roum. 71), Frankreich (Rum. all. 84) - Frán ț ia (Rum. roum. 74). D ’ autres noms sont plus ou moins adaptés au système morphologique de la langue roumaine. 4.1 La catégorie grammaticale du genre et les oppositions de genre Le classement des toponymes étrangers des textes étudiés dans les genres grammaticaux spécifiques à la langue roumaine est déterminé par des facteurs linguistiques (par exemple, les terminaisons toponymiques spécifiques à la langue roumaine et celles spécifiques à la langue à partir de laquelle on traduit le texte, le degré de familiarité avec la langue du texte traduit) et extralinguistiques (la formation culturelle du traducteur, le modèle culturel prédominant). En fonction de ces facteurs, le traducteur adopte une certaine stratégie de transposition de la terminaison de l ’ original en roumain (substitution, translitération ou adaptation). Concernant les choronymes, on substitue les formes allemandes en -en avec les formes roumaines féminine en -ia, par exemple : Brasilien - Brazília, Spanien - Spánia, Italien - Itália, Indien (Mill. all. 13) - India (Mill. roum. 15), Persien (Mill. all. 17) - Persia (Mill. roum. 20), Assyrien, Syrien (Mill. all. 74) - Assíria, Síria (Mill. roum. 103), Sardinien, Andalusien (Mill. all. 79) - Sardínia, Andalúzia (Mill. roum. 108), Medien (Mill. all. 97) - Média (Mill. roum. 129), Gallien (Mill. all. 124) - Gállia (Mill. roum. 171), Ionien (Mill. all. 165) - Ionia (Mill. roum. 224). Le maintien des géminées montre que le traducteur a attaché la terminaison roumaine -ia au radical du nom de l ’ original. D ’ ailleurs, la terminaison -ia a été souvent ajoutée à la 8 Cf. « les noms traditionnels, avec leur forme roumaine (Londra, Viena, etc.) » ( Ș tef ă nescu 1957 : 76). 142 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="143"?> prononciation allemande du nom, par exemple : Sicilien (Mill. all. 12) - Si ț ília (Mill. roum. 14), Phönicien (Mill. all. 83) - Feni ț ía (Mill. roum. 115), Böotien (Mill. all. 219) - Beó ț ia (Mill. roum. 313), Macedonien (Mill. all. 245) - Ma ț edónia (Mill. roum. 354). Les oïkonymes et les choronymes en -a sont gardés avec cette terminaison spécifique aussi au système toponymique roumain, par exemple : Barzelona (Cam. all. 125) - Bar ț elóna (Cam. roum. 73), Madeira (Cam. all. 16) - Madeíra (Cam. roum. 12), Jamaika (Cam. all. 145) - Iamaíca (Cam. roum. 87). Le toponyme Mycenä 9 (Mill. all. 152), transposé dans la prononciation allemande (Mi ț éne Mill. roum. 204), reçoit ainsi la terminaison -e (ä = / e/ ), impropre au système toponymique roumain. Ci-dessous, le traducteur n ’ adapte pas la terminaison, mais garde en principe les terminaisons -e, -i et -o, non spécifiques à la langue roumaine (7 a), et aussi les terminaisons consonantiques de l ’ original allemand, en encadrant le nom dans la catégorie du masculin (7 b) : (7) a. Guadalupe (Cam. all. 133) - Kuadelupe 10 (Cam. roum. 78), Charthago (Mill. all. 367) - Cartágo (Mill. roum. 253), Mexico (Cam. all. 227) - México (Cam. roum. 150), Oronoko (Cam. all. 182) - Oranóco (Cam. roum. 116), mais le génitif masc. Oranócului (114), Tejostrom (Cam. all. 121) - « rîul Teio » (Cam. roum. 70), Guanahani (Cam. all. 76) - Cvanáhani (Cam. roum. 41), Hayti (Cam. all. 88) - Hautí (Cam. roum. 49) ; b. zu Lissabon (Cam. all. 14) - « la Lisavón » (Cam. roum. 11), Madrit (Cam. all. 22) - Madrít (Cam. roum. 17). Ioan Molnar-Piuariu 11 (1749 - 1815), qui avait étudié le latin et qui parlait le hongrois et l ’ allemand, préserve dans la traduction de Mill. roum. les terminaisons d ’ origine latine et grecque, assez fréquentes dans les textes sources allemands : Tyrus (Mill. all. 82) - Tírus (Mill. roum. 112), « Stadt Byblos » (Mill. all. 82) - « cetatea Bíblos » (Mill. roum. 113), Ganges (Mill. all. 128) - Gánghes (Mill. roum. 176), Delphos (Mill. all. 200) - Délfos (Mill. roum. 149), Chersones (Mill. all. 206) - Hersonés (Mill. roum. 290), Eleusis (Mill. all. 159) - Eleúsis (Mill. roum. 214), Artemisium (Mill. all. 215) - Artemísium (Mill. roum. 307). Les toponymes à forme latine ou grecque sont rarement substitués par les formes roumaines existantes, par exemple : Damascus (Mill. all. 74) - Damásc (Mill. roum. 103). 9 Cf. gr. Μυκῆναι / Μυκήνη , lat. Mycenae. 10 Écrit en alphabet latin. 11 Auteur de la première grammaire roumaine-allemande et d ’ un dictionnaire roumainallemand. L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 143 <?page no="144"?> La détermination du genre dépend tant de la terminaison du toponyme étranger (qui varie souvent) que de la manière de son adaptation : la conservation de la forme de l ’ original, l ’ adaptation de la terminaison conformément au système roumain des toponymes ou à la reproduction de la prononciation. Par conséquent, au niveau formel, le même toponyme est encadré soit dans la série des noms féminins, soit dans la série des noms non-féminins (masculins), soit dans les deux, créant ainsi des oppositions de genre (8), ce qui arrive aussi dans des textes traduits d ’ autres langues : (8) LACEDEMONIA [LACÉDÉMONE] « zu Lacedämon » (Mill. all. 240) - « în La ț edemón » (Mill. roum. 339), Lacedemone (Buf. it. 375) - Lachedemónie (Buf. roum. 21) ; MEXIC [MEXIQUE] Mexico (Cam. all. 227, Mill. all. 37) - México (Cam. roum. 150, Mill. roum. 53), « il Golfo del Messico » (Buf. it. 434) - « colful Mésicu » (Buf. roum. 152), mais Mesíc (Buf. roum. 156), Mexique (Dor. fr. 315) - Mexica (Dor. roum. II, 38 v ) ; TERMOPILE [THERMOPYLES] Thermopylae (Mill. all. 149) - Termopíle (Mill. roum. 302), mais Termopíla (Mill. roum. 200). La terminaison des noms roumaines est influencée par celle du texte source ; en fonction de celle-ci on aboutit à une variation formelle de genre en roumain, par exemple : Mexico, Lachedemonie, Termopile (terminaisons de genre non spécifiques à la langue roumaine) - Mexica, Termopila (féminin) - Mesic, La ț edemon (masculin). 4.2 Le nombre Dans Mill. roum., la forme des nésonymes reflète le modèle allemand (insul ă / ostrov [île] + déterminant adjectival provenant du nom de l ’ île), par exemple « mariannischen Inseln » (Mill. all. 36) - « ostroavele Marianice ș ti » (Mill. roum. 52), « Kanarischen Inseln » (Cam. all. 16) - « ostroavile Canarice ș ti » (Cam. roum. 12), « Azorischen Inseln » (Cam. all. 18) - « ostroavelor Azorice ș ti » (Cam. roum. 14). Cette manière de dénomination est employée parfois aussi dans le cas où la forme de l ’ original ne contient pas un déterminant adjectival, par exemple : « Küsten derAzoren » (Cam. all. 19) - « ță rmurileAzorice ș ti » (Cam. roum. 14), non pas *« ță rmurile Azorelor ». Pour le pluriel étymologique du toponyme Thermopylae (Mill. all. 149, cf. gr. Θερμοπύλαι , lat. Thermopylae « Les portes chaudes »), on enregistre le singulier féminin Termopíla (Mill. roum. 200). La forme Termopíle (Mill. roum. 302) rend 144 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="145"?> dans la transcription la prononciation allemande du toponyme Thermopylä (Mill. all. 213) ; voir ci-dessus la discussion concernant le genre. 4.3 La flexion des cas Le classement des toponymes dans les séries de genre et de nombre roumaine détermine les formes de la flexion des cas de ceux-ci (Ichim-Tomescu 1978 : 239 ; Tomescu 1988 : 204). Les formes obliques suscitent des problèmes particuliers. Les toponymes encadrés dans la série des formes non-féminines (terminés par une consonne et par -u) et ceux avec des terminaisons non-spécifiques (en -o) réalisent les formes obliques de manière synthétique, par l ’ attachement du morphème masculin enclitique -lui, par exemple : Oranócului (Cam. roum. 115), Tírului (Mill. roum. 112), Piréiului (Mill. roum. 322). Le morphème enclitique génitival est ajouté parfois après la terminaison latine : « marea Mediterranéumului » (Mill. roum. 109) ; « Die Festungswerke des Piräeus » (Mill. all. 266) - « înt ă ririle cet ăț ii Pireúsului » (Mill. roum. 388), mais « limanul Piréiului » (Mill. roum. 322), traduction qui ne conserve pas l ’ adjectif de l ’ original allemand : « piräeische Hafen » (Mill. all. 224). Les toponymes avec la terminaison -a ou -ia 12 , encadrés dans la série des formes féminines, réalisent les cas obliques à l ’ aide des morphèmes enclitiques -ei ou -ii/ -i, en variation libre dans les textes étudiés, par exemple : Spániei (Cam. roum. 26), Englitérii (Cam. roum. 92) ; Troadei (Mill. roum. 108), « S ţ ítiei sau Schíftii ş i Colhísii ş i Trá ţ ii » [à la Scythie et à la Colchide et à la Thrace] (Mill. roum. 15), Médiei/ Médii (Mill. roum. 127/ 133), al Athínii (Mill. roum. 263), Siracúzii (Mill. roum. 368) ; Ángliei (Rum. roum. 7), Aústriei (Rum. roum. 70), Róssiei (Rum. roum. 78) ; dans ce dernier texte, on remarque la prédominance du flectif -ei. Les toponymes ayant la terminaison -ca ou -ga expriment les cas obliques par les morphèmes enclitiques -ei et -ii, en variation libre dans le même texte ou d ’ un texte à l ’ autre, par exemple : Américei/ Américii (Cam. roum. 4/ 41), Áfricei mais a Áfricii/ Afrícii (Cam. roum. 12, 112, 123 mais Cam. roum. 17, 123/ Mill. roum. 109). Les dérivés adjectivaux des ethnonymes de l ’ original allemand sont quelquefois transposés en roumain par le choronyme et une préposition, à valeur de génitif, par exemple : « die indianischen Güter » (Cam all. 14) - « m ă rfurile de India » [les marchandises des Indes] (Cam. roum. 12). 12 À la différence des textes ayant des sources occidentales, qui s ’ inscrivent dans le modèle d ’ accentuation latine, les textes à original grec, sous l ’ influence de la source, conservent les cas d ’ accentuation sur la dernière syllabe (voir Arvinte 2008 : 99 - 113, Munteanu 2005 : 307). L ’ adaptation formelle des toponymes étrangers 145 <?page no="146"?> 5 Conclusions Une caractéristique de la transposition de l ’ allemand en roumain des toponymes dans les textes étudiés est l ’ absence d ’ une règle stable, tant en ce qui concerne le choix du procédé, tant en ce qui concerne son résultat. Le choix de la manière de la transposition dépend de plusieurs facteurs, certains linguistiques (les incompatibilités entre les systèmes graphiques, phonétiques et entre les principes qui gouvernent l ’ orthographe des langues en contact ; l ’ existence, dans le cas des noms très connus, de certains modèles traditionnels de prononciation), et d ’ autres en relation avec le texte traduit (le contenu du texte, les types de noms, leur rapport avec la langue du texte - si le nom est endonyme ou exonyme) ou la personnalité du traducteur (les connaissances linguistiques, la formation culturelle, la langue de culture dominante dans la région). Un rôle important est joué aussi par le type de traduction - directe ou par une variante intermédiaire. Le même toponyme (y inclus les noms connus) arrive à connaître plusieurs modalités de transposition et, par conséquent, plusieurs formes. En ce qui concerne l ’ adaptation graphique et phonétique, le procédé de transposition le plus utilisé est la transcription. Il y a deux situations : la transcription reproduit la prononciation du nom dans la langue source ou le traducteur essaie de reproduire par transcription la prononciation d ’ une troisième langue (surtout dans le cas des noms qui sont exonymes par rapport à la langue source). En général, cette troisième langue pouvait être l ’ une des langues de culture de l ’ époque, langue que les traducteurs connaissaient bien (dans les textes discutés ici, cette troisième langue était en général le latin en prononciation médiévale), ou pouvait être la langue de l ’ univers de référence du texte (par exemple, le russe pour Rum. roum., qui parle des réalités de l ’ Empire Russe). Etant donné l ’ impossibilité d ’ une superposition des systèmes phonétiques des langues en contact, les traducteurs aboutissent parfois à des approximations phonétiques, en essayant de reproduire un phonème nonspécifique à la langue roumaine par un autre déjà présent. Quant à l ’ adaptation morphologique, le classement dans une série de genre d ’ un nom est influencé par la terminaison (souvent fluctuante) de celui-ci dans la langue du texte source allemand et par le procédé de transposition adopté. Ainsi, les terminaisons de la langue source peuvent être : a. conservées (par translitération) ou éliminées (résultant, en général, une terminaison consonantique) b. substituées par d ’ autres terminaisons spécifiques au système dénominatif de la langue roumaine (par exemple, les choronymes allemands en -en par les formes roumaines en -ia) ; 146 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="147"?> c. adaptées (par la transcription de la prononciation). La diversité des stratégies d ’ adaptation des terminaisons et les voies multiples (par l ’ intermédiaire de différentes langues) de pénétration d ’ un toponyme dans la langue roumaine mènent, dans certains cas, à la constitution des oppositions de genre ; celles-ci se reflètent, par la suite, dans un modèle de flexion des cas. Références bibliographiques A. 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Meta 51/ 4 : 717 - 738. 150 Ana-Maria Gînsac / M ă d ă lina Ungureanu <?page no="151"?> Du nouveau, - idées et formes Rimbauds Sprache des Unbekannten in den Illuminations Thorsten Greiner (Würzburg) Le propos de cette étude est simple. Il s ’ agit de recourir, pour l ’ interprétation d ’ un texte célèbre de la poésie moderne, à l ’ idée d ’ une “ linguistique du sens ” , développée par E. Coseriu dans le cadre de sa linguistique du texte, et de mettre à l ’ épreuve herméneutique la notion d ’ une “ fonction évocative ” , représentée par toute une hiérarchie de relations textuelles dont la combinatoire serait créatrice de sens. Il suffit de se rappeler les tentatives souvent peu fructueuses d ’ analyses de poésies d ’ inspiration structuraliste ou les vieux débats concernant la nature du langage poétique, pour apprécier une approche qui, loin de considérer ce dernier comme une déviation du langage ordinaire, met l ’ accent sur le fait qu ’ il représente une langue à fonctionnalité maximale, susceptible de faire naître des univers tout à fait nouveaux. Une telle vue du langage poétique est d ’ autant plus précieuse qu ’ elle se trouve parfaitement en accord avec les recherches de théorie faites récemment dans ce domaine. Pour démontrer l ’ efficacité de cette approche on a choisi les Illuminations de Rimbaud. L ’ hermétisme de cette oeuvre exceptionnelle peut être considéré comme une combinatoire extrêmement riche en relations internes et externes qui se révèle nécessaire au but envisagé par le héros de cette aventure spirituelle: l ’ arrivée “ à l ’ inconnu ” . En dépassant toutes les frontières qui s ’ opposent à l ’ imagination et en travaillant sur sa propre personne, il “ se fait voyant par un long, immense et raisonné dérèglement de tous les sens ” . Le caractère novateur d ’ une telle poétique, qui aspire à l ’ idéal d ’ un nouvel absolu par la voie (qui est aussi la voix) de l ’ absolument nouveau, tient au fait que l ’ aspect chaotique d ’ un tel “ dérèglement ” des sens de l ’ homme et des sens des mots, son apparence d ’ irréalité, est contrebalancée par un élément “ raisonné ” . C ’ est par là que Rimbaud arrive à créer un nouveau type de rationalité qui opère au niveau profond de ces textes. L ’ hermétisme de la “ nouvelle <?page no="152"?> harmonie ” qu ’ il trouve à la fin de sa recherche, c ’ est l ’ union d ’ un irréel raisonné, d ’ une raison dérèglée, dont la partie raisonnable n ’ est rien d ’ autre que ce qu ’ on appelle “ relation ” . Le choix d ’ exemples pour montrer comment fonctionne la mise en relation de ces créations de sens se compose de l ’ interprétation de quelques extraits tirés de dix poèmes en prose et de celle de deux poèmes intégraux. Der Verwunderung darüber, dass sich in die linguistische Festschrift, mit der ein Vertreter der Dacoromania geehrt werden soll, auch ein Beitrag zu Rimbaud verirrt hat, ließe sich mit einerÄußerung Verlaines begegnen, in der dieser 1884 - zu einer Zeit, als in Pariser Literatenkreisen die merkwürdigsten Gerüchte über den seit Jahren Verschollenen kursierten - klarzustellen versuchte, um wen es sich hier eigentlich handelte: „ Arthur Rimbaud, c ’ est-à-dire un très grand poète, absolument original, d ’ une saveur unique, prodigieux linguiste “ (Verlaine 1972 [1884]: 801).Verlaine hatte mit dieser Charakterisierung weniger die schulischen Glanzleistungen seines äußerst sprachbegabten früheren Freundes im Blick, den sein nur fünf Jahre älterer Lehrer Georges Izambard in der Rhétorique als „ fin latiniste “ [ … ] „ extraordinaire et enragé fort en thème “ und „ volontaire bête à concours “ beschreibt (Izambard 1991: 17), der beim nationalen Concours académique in Latein (Poesie und Prosa) und Griechisch (Prosa) mehrmals erste Plätze belegte und seine Arbeiten regelmäßig im offiziellen Académie-Bulletin veröffentlicht sah. Die Bemerkung galt vielmehr sprachlichen Besonderheiten in dessen frühen Gedichten, Archaismen und Neologismen, Ardennismen, Deformationen und fremden Registern des Sprachspielers Rimbaud, in denen sich nicht nur der Pasticheur des Album zutique, sondern auch schon das parodistische Genie der sarkastisch-gesellschaftskritischen Phase seiner Versgedichte ankündigte. André Guyaux, einer der besten Rimbaud-Kenner und Herausgeber der neuen Pléiade-Ausgabe 1 , hat Recht, wenn er diese linguistischen Auffälligkeiten so einschätzt: „ Ces écarts lexicaux sont le premier visage, timide encore, de l ’ hermétisme rimbaldien “ (Guyaux 1991: 13). Textlinguistik und Lyriktheorie Da sich mit der in dieser Einschätzung hergestellten Beziehung zwischen lexikalischer Abweichung und hermetischem Text eine Perspektive eröffnet, von der aus die alte Frage, wie Sprache als Allgemeines zum Ausdruck des 1 Alle Rimbaud-Zitate im Folgenden nach dieser Ausgabe (Rimbaud 2009), abgekürzt (R. + Seitenzahl). 152 Thorsten Greiner <?page no="153"?> Individuellen tauglich sein kann, wieder in den Blick kommt, seien zur Vorbereitung auf die Sprachproblematik bei Rimbaud zunächst einige Bemerkungen allgemeiner Natur gestattet. Denn die Vermutung liegt nahe, dass diese Frage in einer Weise wieder aktualisierbar sein könnte, die mehr Erfolg verspricht, als das, was seit den 1960/ 70er Jahren nach dem Siegeszug des Strukturalismus aus der Annäherung von Literaturwissenschaft und Linguistik hervorging. Gerade im Bereich der Lyrikinterpretation war ja die Ausbeute aus diesen Kooperationsversuchen dann enttäuschend, wenn die Euphorie beim Entdecken formaler Strukturen die Frage nach dem Sinn von Texten gar nicht mehr aufkommen ließ. 2 Als weitaus ergiebiger sollte sich da der textlinguistische Ansatz von Eugenio Coseriu erweisen (Coseriu ⁴ 2007), dessen Kritik an Jakobsons Erweiterung des Bühlerschen Organon-Modells zu einer „ Linguistik des Sinns “ führte, die für „ Literatur als sekundäres modellbildendes System “ (Lotman 1972: 39) einen neuen hermeneutischen Horizont eröffnete. Diesem liegt die Auflösung einer Aporie zu Grunde, die alle traditionellen Bestimmungen poetischer Sprache behindert hatte, insofern diese als Abweichung von einer Sprechnorm angesehen wurde. Da poetische Sprache nämlich „ Sprache in ihrer vollen Funktionalität “ ist (Coseriu ⁴ 2007: 148), ist nicht sie es, die abweicht, sondern die Alltagssprache, insofern hier von jener Funktionsfülle gewöhnlich abgesehen wird. „ Die Gesamtheit dieser Funktionen, die sich nicht direkt auf die Darstellungsfunktion reduzieren lassen “ (a. a. O. 137), die also auf der sekundären Zeichenebene die primäre Bedeutung übersteigen und Anderes konnotieren, bildet den Raum dessen, was Coseriu Evokation nennt. Wichtig hierbei ist, dass auch bei diesen evokativen Funktionen, genau wie bei den Bühlerschen (Kundgabe, Darstellung und Appell), „ die Leistungen des sprachlichen Zeichens durch bestimmte Relationen, in Form von bestimmten Relationen gegeben sind “ (a. a. O. 92). Um dem „ Sinn als Kombination aller Zeichenrelationen “ (a. a. O. 137) auf die Spur zu kommen, muss der Interpret eine offene Liste möglicher Relationen annehmen, die umso größer sein kann, als nicht nur textinterne Beziehungen auf den verschiedenen Sprachebenen anzunehmen sind. Das Sprachzeichen eines gegebenen Textes kann auch ein textexternes Wort, einen anderen Text oder einen anderen, assoziierbaren Komplex von Weltwissen evozieren. Wie zukunftsweisend dieser auf den Sinn ausgerichtete textlinguistische Ansatz war, lässt sich daraus ersehen, dass sein Konzept poetischer Sprache als eines offenen Funktionssystems von Zeichenrelationen schon in die gleiche 2 Als Beispiel ließe sich die Illuminations-Analyse „ Sprachliche Konstituenten moderner Dichtung “ von Rolf Kloepfer und Ursula Oomen anführen (Kloepfer/ Oomen: 1970). Im Fokus stehen hier formale Rekurrenzen aller Art, der Parallelismus wird zum „ Prinzip sekundärer Textkonstitution “ erklärt (201). Du nouveau, - idées et formes 153 <?page no="154"?> Richtung weist wie der jüngst vorgelegte (und ohne Kenntnis Coserius unternommene) Versuch einer Neubegründung der Lyriktheorie von Rüdiger Zymner (Zymner 2009). Im Zentrum dieses Ansatzes steht der Begriff Eigensinn, den Zymner den Untersuchungen zur Sprachmedialität des Germanisten Ludwig Jäger entnimmt, der Sprache als „ Medium der Generierung von Eigensinn “ ansieht ( Jäger, zit. von Zymner 2009: 94). Eigensinn meint, so Jäger, „ einen Sinn, der in die Übermittlungsprozeduren der Sprache nicht als ein sprachtranszendenter Sinn gelangt, sondern im System selber produziert wird “ ( Jäger, zit. ebd.), d. h. „ die semantischen Gehalte von Sprachzeichen gehen [ … ] ihrer Übermittlung durch Zeichenausdrücke nicht einfach voraus, sondern sie werden im medialen Modus performativer Vollzüge konstituiert “ ( Jäger, zit. von Zymner 2009: 95). Auf diese Jägersche Sichtweise von sprachlicher Medialität gestützt, kommt Zymner zu folgender Bestimmung von Lyrik: „ Lyrik ist diejenige Gattung, die Sprache als Medium der sprachprozeduralen Sinngenese demonstriert bzw. demonstrativ sichtbar macht, die mithin den Eigensinn von Sprache vorzeigt, Lyrik ist als diejenige Gattung zu bezeichnen, deren generisches Charakteristikum darin besteht, ein Display sprachlicher Medialität zu sein “ (Zymner 2009: 96 f.). Das für Lyrik charakteristische Zurschaustellen des Eigensinns von Sprache, der die Möglichkeiten einer Sinngenese enthält - das ist bereits sehr nahe bei Coserius Funktionsfülle, die in poetischer Sprache bereitliegt. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn Zymner auch die Rezipientenseite in sein Konzept mitaufnimmt und den virtuellen Status der Sinngenese durch die Annahme von Auffälligkeiten konkretisiert - um den Abweichungsbegriff zu vermeiden, spricht er von Attraktoren - die den Leser stimulieren. Und wenn er feststellt: „ Tatsächlich handelt es sich bei den Attraktoren der Lyrik vielfach um solche, die Formen organisierter Komplexität ermöglichen “ (a. a. O.: 113), dann unterscheiden sich diese Attraktoren kaum mehr von Coserius evokativen Formen, die zu Sinnbildung auffordern, weil sie „ zeigen, wie der Sinn als Resultante der verschiedensten Zeichenrelationen im Text entsteht “ (Coseriu ⁴ 2007: 177). Ideen zu einer neuen Sprache Zurück zu Rimbaud.Wie dieser seine Erhebung zum „ phänomenalen Linguisten “ aufgenommen hätte, darüber kann es keinen Zweifel geben. „ La science est trop lente “ heißt es in Une saison en enfer (R. 275). Ungeduld ist einer der hervorstechendsten Charakterzüge Rimbauds, der positiv als hartnäckige Energie beim Verfolgen eines Zieles (vgl. oben „ enragé “ im Urteil des Lehrers) oder als atemberaubendes Tempo im Sinne des frz. „ brûler les étapes “ , aber auch als wütende Aggression gegen Enge, Zwang, Stillstand oder Unvermögen (auch sich 154 Thorsten Greiner <?page no="155"?> selbst gegenüber) in Erscheinung treten kann. Man begegnet ihm bei Rimbaud in allen Lebensbereichen und in verschiedenster Form, am auffälligsten sicher in der Tatsache, dass er in nur sechs Jahren ein literarisches Werk hervorgebracht hat, dessen Ausnahmestellung unbestritten ist (man denke etwa an das bekannte Urteil des symbolistischen Kunst- und Literaturkritikers Félix Fénéon: „ oeuvre enfin hors de toute littérature, et probablement supérieure à toute “ [Fénéon 1948: 211]. Mit einundzwanzig Jahren hat Rimbaud mit dem Schreiben aufgehört. In dieser kurzen Zeit kommt es zu mehreren radikalen Umbrüchen der Schreibweise, zunächst innerhalb der Versgedichte, dann vom Verszum Prosagedicht bzw. zu der stilistisch völlig neuartigen Prosa der Saison. Als Aspekt extrem schneller Wechsel lässt sich im übrigen auch hermetisches Schreiben mit seinem befremdlichen Oberflächeneffekt der Inkohärenz auffassen, expliziert z. B. in der Illumination Génie ( „ la terrible célérité de la perfection des formes et de l ’ action “ , [R. 316]). Im Leben wären hier die zahlreichen Ortswechsel und permanenten Ausbrüche zu nennen, angefangen von mehrfachem Ausreißen von zu Hause in den Jugendjahren - der Musterschüler Rimbaud war von seinem Lehrer mit den wichtigsten Werken älterer und neuester Literatur versorgt worden, was bei ihm, der unter der überstrengen, von ihrem Mann verlassenen Mutter zu leiden hatte, einen unbändigen Freiheitsdrang auslöste - bis hin zu immer neuen Aufbrüchen innerhalb Europas und bis nach Sumatra, die ihn aber stets wieder in die verhasste provinziale Enge von Charleville zurückführten. Schließlich standen auch die von ungeheuren Strapazen und ständigen Geldsorgen geprägten letzten elf Jahre am Horn von Afrika mit ihren trotz guter Sprachkenntnisse - Rimbaud konnte sich nach wenigen Jahren mühelos in mehreren abessinischen Dialekten 3 verständigen - meist erfolglosen Tätigkeiten als Verwalter eines Handelskontors, Karawanenführer und Waffenhändler im Zeichen eines oft kaum mehr zu begreifenden Durchhaltewillens. Der gleiche Wesenszug findet sich nun auch in den beiden Briefen, an seinen Lehrer Georges Izambard vom 13. Mai und an den befreundeten Dichter Paul Demeny vom 15. Mai 1871, die die mit Gedichtbeispielen illustrierte Poetik des Sechzehnjährigen enthalten und als Lettres du Voyant in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Die äußerst selbstbewusste Haltung des Schreibers, bemüht, das radikal Neue dem Adressaten verständlich zu machen, kann einen aggressiven Ton nicht unterdrücken, der sich im Fall des ersten, wesentlich kürzeren Briefs auch gegen den Adressaten richtet (zwischen Rimbaud und Izambard war auf Grund des geringen Altersunterschieds schnell ein enges, sehr offenes 3 In der Pléiade-Ausgabe zeugt davon ein „ Glossaire des mots amhariques “ (1057 - 1060), das die Ausdrücke aufführt, die sich in Rimbauds Briefen aus Äthiopien bzw. Aden finden. Du nouveau, - idées et formes 155 <?page no="156"?> Verhältnis entstanden) und im zweiten zu einer Generalabrechnung mit der gesamten nachantiken Literatur Frankreichs bis in die Romantik gerät. Da schon der geringe zeitlicheAbstand der Briefe zeigt, dass sich das Programm in nur zwei Tagen nicht grundlegend geändert haben konnte und die Hauptpunkte nur in einem Fall einen wichtigen Unterschied aufweisen, soll es genügen, hier nur auf einige zentrale Aspekte des Demeny-Briefs einzugehen. Der programmatische Teil des Briefs kündigt einen Blick in die Zukunft der Poesie an und setzt ein mit einem Lobpreis der griechischen Dichtung ( „ Toute poésie antique aboutit à la poésie grecque, Vie harmonieuse “ [R. 343]). Danach erfolgt der erwähnte Rundumschlag, bei dem mit Ausnahme von Racine 2000 Jahre Literatur mit einem Federstreich beiseite gefegt werden. Erst die Romantik findet etwas Gnade in Rimbauds Augen, obwohl ihre Vertreter sich des Neuen, das mit ihr aufkommt, nicht recht bewusst waren (was zeigt, dass Rimbaud zu diesem Zeitpunkt von der deutschen Frühromantik keine Kenntnis hatte). Dann folgt das berühmt-berüchtigte „ Je est un autre “ (ebd.), das auch im Izambard-Brief erscheint, dort aber durch die Erläuterung „ C ’ est faux de dire: Je pense, on devrait dire On me pense “ (R. 340) vorbereitet wird. DerAndere, das On, ist eine Instanz des Unbekannten, das im ersten Brief als Ziel des dichterischen Unternehmens genannt worden war ( „ Il s ’ agit d ’ arriver à l ’ inconnu “ ebd.). Dieses Unbekannte muss im Ich selbst liegen, da die On-Instanz in der Lage sein soll, dem Ich beim Denkvorgang die Subjektsposition des aktiv Denkenden streitig zu machen, um selbst die Oberhand zu gewinnen und jenes zwar nicht auszuschalten, aber doch zum bloßen Objekt zu machen. Man ahnt, dass die Gewichtsverlagerung im Tiefenbereich des Ichs vom Bewussten hin zum Unbewussten jenes Neue ist, dessen sich die Romantiker Rimbaud zufolge noch nicht bewusst waren. Aus seiner Sicht steht dagegen fest, dass im wahren Gedicht das Ich gleichsam sich selbst als Musikinstrument dient, dass es das Entstehen seines Gedankens miterlebt ( „ j ’ assiste à l ’ éclosion de ma pensée “ [R. 343]), ihn sieht bzw. hört, was aus der Tiefe herauftönt. Alle ältere nachantike Literatur war immer nur das schwächliche Ergebnis eines seiner selbst gewissen, bewusst operierenden Ichs gewesen, wie der Briefschreiber dem Adressaten sehr dezidiert zu verstehen gibt, hatte vom Ich immer nur die falsche Seite ( „ la signification fausse “ ebd.) im Blick gehabt, wirklich schöpferische Autoren, die darüber hinaus gelangt wären, hatte es nie gegeben ( „ auteur [in der lat. Bedeutung eines Förderers, der etwas vermehrt oder überhaupt erst ins Leben ruft], créateur, poète, cet homme n ’ a jamais existé! “ [R. 344]). Die Konsequenz aus diesem niederschmetternden Befund kann nur sein, den wahren, schöpferischen Energien des Ichs, dem unbewussten Seelenteil mehr Geltung zu verschaffen. Daraus folgt für Rimbaud die Pflicht zu einer systematischen Erkundung der ganzen Seele: „ La première étude de l ’ homme qui veut être poète est sa propre 156 Thorsten Greiner <?page no="157"?> connaissance, entière; il cherche son âme, il l ’ inspecte, il la tente, l ’ apprend. Dès qu ’ il la sait, il doit la cultiver “ (ebd.). Da hier aber immer die Gefahr eines Rückfalls in das alte, bequemere Muster einer erneuten ich-bezogenen Hinwendung allein zur Bewusstheit des Eigenen besteht, empfiehlt Rimbaud eine Radikalkur: „ il s ’ agit de faire l ’ âme monstrueuse “ (ebd.). Denn wenn die Seele als ganze mit nie erfahrenem Neuem, Monströsem, in Berührung käme, wäre die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem in ihr durchlässiger, was sie dazu befähigen müsste, immer wieder neu in Unbekanntem ankommen zu können. Mit diesem Vorgehen kommt nun auch das Konzept des Voyant in den Blick. Der alte Begriff des Dichtersehers wird von Rimbaud hier allerdings völlig neu interpretiert, denn jetzt ist es das Ich selbst, das sich zum Seher macht - dem „ être voyant “ geht das „ se faire voyant “ voraus (ebd.) - und der Vorgang selbst gestaltet sich als schmerzhaftes Experiment an der eigenen Person, mit dessen Hilfe das seelische und sinnliche Aufnahmevermögen so verändert werden soll, dass radikal neue Bereiche der Erfahrung erschließbar werden. Die vielzitierte Formel, die zusammenfasst, wie sich die selbst betriebene Entwicklung zum Seher zu vollziehen hätte, unterscheidet sich hier gegenüber ihrer ersten Version im Izambard-Brief durch einen bedeutsamen Zusatz. Hieß es dort nur „ Il s ’ agit d ’ arriver à l ’ inconnu par le dérèglement de tous les sens “ (R. 340), so formuliert Rimbaud jetzt pointierter: „ Le Poète se fait voyant par un long, immense et raisonné dérèglement de tous les sens (R. 344). Aus derTatsache, dass die Formel oft nur in der Kurzversion des Izambard-Briefs zitiert wird, konnte der irrige Eindruck entstehen, Rimbaud plädiere an zentraler Stelle seiner Poetik für eine mehr oder weniger chaotische „ Entregelung aller Sinne “ - ein Eindruck, der ziemlich sicher für das Missverständnis André Bretons verantwortlich ist, Rimbaud sei der Ahnherr des Surrealismus 4 - während es hier um das viel originellere Phänomen einer „ vernunftgeleiteten Entregelung aller Sinne “ geht (was schlecht zu Bretons Programm gepasst hätte! ). Bedeutsam ist außerdem, dass mit „ sens “ nicht nur die sinnliche Wahrnehmung eines Ichs, sondern auch schon die ihr entsprechenden Wortsinne in diese spannungsgeladene Konstellation einer ganz neuartigen Rationalität einbezogen sind. Was die hierauf 4 Wie unbekümmert Breton mit Rimbauds Texten verfuhr, wenn es darum ging, dem Surrealismus durch den Verweis auf prominente Vorbilder mehr Zulauf zu verschaffen, zeigt sich in seinem zweiten Manifest von 1930. Hier sieht er in dem Kapitel Alchimie du verbe aus der Saison den eindeutigen Beweis für den Ursprung des Surrealismus ( „ l ’ amorce de l ’ activité difficile qu ’ aujourd ’ hui seul le surréalisme poursuit “ [Breton 1979: 134]). Dass Rimbaud dieses Kapitel gleich zu Beginn als „ histoire d ’ une de mes folies “ präsentiert (R. 263) und am Ende betont, diese Phase sei jetzt überwunden, stört Breton nicht im geringsten: „ que cela, selon son expression, se soit passé, voilà qui n ’ a pas le moindre intérêt pour nous “ (Breton 1979: 137). Du nouveau, - idées et formes 157 <?page no="158"?> folgenden Begleitumstände auf dem Weg zum Voyant betrifft, die vom Vorgang der Seelendeformation ( „ faire l ’ âme monstrueuse “ ) ausgelöst werden ( „ Toutes les formes d ’ amour, de souffrance, de folie [ … ] Ineffable torture “ ebd.), so fällt auf, dass mit diesem Programm eine bewusste Überbietung des Selbstquälers Baudelaire vorliegt (vgl. die für dessen Ästhetik des „ mal “ emblematische Figur des „ Héautontimorouménos “ 5 ), worauf noch zurückzukommen sein wird. Seelensprache Der Sechzehnjährige weiß, dass die Durchführung seiner Ideen übermenschliche Kräfte erfordert: „ Donc le poète est vraiment voleur de feu “ (R. 346). Wie Prometheus ist der Dichter mit einer Aufgabe im Dienst der ganzen Menschheit betraut ( „ Il est chargé de l ’ humanité “ [ebd.]). „ Trouver une langue “ (ebd.), so lautet das Gebot und es ist klar, dass es eine Sprache für alle Menschen sein muss ( „ le temps d ’ un langage universel viendra! “ [ebd.]). Das wahrhaft Utopische an ihr aber ist, dass sie als Seelensprache zugleich individuell sein wird, wie die folgende Charakterisierung zeigt: „ Cette langue sera de l ’ âme pour l ’ âme, résumant tout, parfums, sons, couleurs, de la pensée accrochant la pensée et tirant “ (ebd.). Für das eigentlich Unvorstellbare einer solchen Sprache des Unbekannten hat der Ironiker, der sich auch jetzt wieder zu Wort meldet, auch schon das passende Schlagwort parat - gerade so, als wäre „ de l ’ âme pour l ’ âme “ nicht das glatte Gegenteil des parnassischen l ’ art pour l ’ art. In ähnlicher Tonlage geht es weiter, diesmal gegen Baudelaire, wenn als Kostprobe einer Sprache des Unbekannten mit „ parfums, sons, couleurs “ ausgerechnet dessen bekanntestes Gedicht Correspondances fast wörtlich zitiert wird, nur um deutlich zu machen, dass das traditionelle Synästhesie-Beispiel in dieser Wortkette ebenso wie alles andere gehörig zu reduzieren wäre ( „ résumant tout “ ), geht es doch vor allem darum, etwas von der Dunkelheit unbekannter Seelentiefe zu vermitteln.Wie das zu erreichen wäre, zeigt der Satzschluss. In „ de la pensée accrochant la pensée et tirant “ klingt das „ On me pense “ aus dem ersten Brief an, ein Denken des Unbewussten, das sich dem bewussten „ Je pense “ annähert, indem es sich bei ihm „ ankrallt “ , um es zu sich hinüberzuziehen. Das Gewaltsame dieser Annäherung, das sich dem ersten Brief zufolge noch ohne Zutun des Ichs zu vollziehen schien, kehrt im zweiten als nunmehr selbst betriebene Deformation zum Monströsen wieder, was zu der jetzt ausgewogeneren Gewichtsverteilung eines „ raisonné dérèglement “ im Seelenhaushalt führt. Darüber hinaus enthält die Formel „ de l ’ âme pour l ’ âme “ aber noch einen anderen wichtigen Aspekt. Da die Sprache als „ langue “ universal, als „ Seele für 5 In den Fleurs du mal Nr. LXXXIII (Baudelaire 1975: 78). 158 Thorsten Greiner <?page no="159"?> die Seele “ aber auch individuell sein soll, erhebt sich die Frage, wie man sich die Möglichkeit einer solchen Doppelfunktion vorzustellen hat. Die Antwort hängt mit dem Begriff des Unbekannten, des Inconnu zusammen, der bis jetzt subjektiv, als Seelentiefe des Unbewussten, verstanden wurde. Schon bei den Romantikern ist das Inconnu aber zunächst etwas Objektives, ein ersehntes fremdes Land, Spanien, der Orient etwa, oder ein namenloses, ideales Ailleurs. Bereits hier ist aber Subjektives mit im Spiel, insofern ein solches Inconnu der Imagination, also einer seelischen Kreationsenergie zu verdanken ist. Rimbaud hatte den ersten Romantikern eine noch unvollkommene Voyance attestiert, weil sie sich nicht darüber im Klaren waren, woher sie die Energien ihres inneren Blicks beziehen. Hinzukommt, dass das Inconnu bei ihnen zwar subjektiv erschaffen wird, dass ein solches Imaginieren aber nicht mehr individuell sein kann, wenn es in eine Routine abgleitet, die ein Werk z. B. nur als typisch romantisches Gedicht erscheinen lässt. Erst wenn die Imagination im vollen Wortsinn schöpferisch wird, wenn sie als imagination créatrice im Baudelaireschen Sinn den vertrauten Zusammenhang des auf Wirklichkeit bezogenen Zeichenbestands aufgelöst und nach Maßgabe des Individuellen ( „ suivant des règles dont on ne peut trouver l ’ origine que dans le plus profond de l ’ âme “ [Baudelaire 1976: 621]) neu zusammengesetzt hat, kann aus dem so frei gewordenen Material wirklich Neues ( „ un monde nouveau, [ … ] la sensation du neuf “ [ebd.]) entstehen. Aus Rimbauds Sicht ist Baudelaire auf diesem Weg allerdings nicht weit genug gegangen, wie seine Kritik an dessen Formbegriff zeigt (s. dazu weiter unten). Denn erst der, der weit genug in den eigenen Seelenraum vordringt, der hier nicht, wie Rimbaud es aller älteren Literatur vorwirft, im Licht des bewussten Teiles, beim „ Je pense “ stehen bleibt, sondern der „ On “ -Instanz ihren Platz einräumt und die Seele in der Weise bearbeitet, ja deformiert, wie es das Programm des Voyant vorsieht, kann im Unbekannten ankommen. Diese Möglichkeit einer wahren Erkenntnis des Eigenen (vgl. oben „ sa propre connaissance “ ), die sich allein aus der richtigen Gewichtung im Zusammenwirken von Bewusstem und Unbewusstem ergibt, liegt, von ihren Konstitutionsbedingungen her gesehen, auf der Ebene des Universellen. So kommt es, dass Rimbauds Utopie einer universellen Seelensprache auf dem Glauben an die Möglichkeit beruht, dass das Ich bei seiner Suche nach dem Ideal des Unbekannten an einen Punkt gelangt, an dem seine suchende, begehrende Seele kraft Imagination ein Bild ihrer selbst erzeugen kann, in dem „ Seele für die Seele “ sichtbar wird, weil sie sich in ihm als Suchende erkennen kann. Spiegelbildlich zu der knappen Literaturpassage des Anfangs folgt am Briefende ein längerer Blick auf die Literatur der Gegenwart, zunächst noch einmal auf die erste Romantikergeneration, bei der Lamartine Ansätze zur Voyance, aber eine veraltete Form bestätigt und Hugo ähnlich zwiespältig Du nouveau, - idées et formes 159 <?page no="160"?> beurteilt wird, während Musset sich einen regelrechten Verriss gefallen lassen muss. Als zweite Romantikergeneration bezeichnet Rimbaud die Parnasse- Vertreter Gautier, Leconte de Lisle und Banville, denen er zugesteht, sie seien „ très voyants “ (R. 348). Allerdings genüge es nicht, mit dem Formenkult einer auf die Antike ausgerichteten, weniger subjektiven Romantik nur eine tote Vergangenheit wieder beleben zu wollen ( „ reprendre l ’ esprit des choses mortes “ ebd.), und so kommt er auf Baudelaire zu sprechen. Das Urteil über ihn besteht bei oberflächlicher Betrachtung aus einer kaum mehr zu überbietenden Bewunderung ( „ Baudelaire est le premier voyant, roi des poètes, un vrai Dieu. “ ), der eine zwar deutliche, aber scheinbar doch nicht allzu gewichtige Kritik an der Form folgt: „ Encore a-t-il vécu dans un milieu trop artiste; et la forme si vantée en lui est mesquine: les inventions d ’ inconnu réclament des formes nouvelles “ (ebd.). Sieht man genauer hin, so fällt zunächst der Klimaxeffekt im ersten Teil auf, bei dem die Steigerungswirkung der rhetorischen Figur nicht zu genügen scheint, da das Schlusselement auch noch graphisch hervorgehoben wird. Ein solches Insistieren ist bei dem Ironiker Rimbaud verdächtig und das übertriebene Lob erweist sich als vergiftet, wenn man bedenkt, dass er früh seinen Glauben an den christlichen Gott verloren hatte - „ Christ, ô Christ, éternel voleur des énergies “ heißt es in Les premières communions (R. 147) - und die Hölle in Une saison en enfer, dieser unglaublichen Darstellung eines zugleich metaphysischen und ästhetischen Seelendramas, nicht nur diejenige des Leidens unter dem christlichen Gott ist 6 , sondern auch diejenige seines Fixiertseins auf den „ wahren Gott “ Baudelaire, von dem er sich befreien muss, um nicht nur in der Lebenswirklichkeit, sondern auch auf dem für ihn genauso wichtigen Feld der Poesie das Ideal ohne jede Abhängigkeit von höheren Mächten ( „ la liberté dans le salut “ [R. 252]) zu erreichen. Die Formkritik im zweiten Teil der Beurteilung Baudelaires ist alles andere als unerheblich, geht es doch aus der Sicht Rimbauds bei seinem radikal antimimetischen Projekt einer Annäherung an das Unbekannte um die elementare Frage, wie hier sprachliche Darstellung überhaupt möglich sein kann. Rimbauds Unternehmen steht und fällt mit dem Problem, völlig neue Formen ( „ des formes nouvelles “ ) kreieren zu müssen, um das Unbekannte erfinden zu können ( „ les inventions d ’ inconnu “ ). 7 Was Rimbaud an Baudelaires - 6 In dem Kapitel Matin findet sich die für einen gläubigen Leser wegen ihrer ironischen Ambivalenz nicht zu erkennende blasphemische Umwertung der Erlösungstat Christi, dessen Öffnen der Tore für Rimbaud nicht die Befreiung aus der Hölle war, sondern erst den Zugang zu ihr ermöglicht hat: „ C ’ était bien l ’ enfer; l ’ ancien, celui dont le fils de l ’ homme ouvrit les portes “ (R. 277). 7 Rimbauds Beziehung zu Baudelaire ist der Schlüssel zum Verständnis der Illuminations (vgl. dazu Greiner 2007 und 2015). Wenn die Rimbaud-Kritik dies bis heute nicht wahrhaben will, so liegt das auch daran, dass die Ambivalenz des Urteils über B. aus 160 Thorsten Greiner <?page no="161"?> bei aller Modernität seines Konzepts einer imagination créatrice - traditioneller Form seiner Versgedichte stört, ist dessen zu frühes Anhalten auf dem Weg der Voyance, das in einer prinzipiellen Gefahr seinen Grund hat, die mit der Selbstermächtigung des romantischen Subjekts aufgekommen war. Mit der Überwindung aller Formen klassischer Regelpoetik, mit der neu errungenen Möglichkeit einer freieren Entfaltung aller schöpferischen Kräfte des Ichs bestand nämlich immer auch die Gefahr, diese Emanzipation dadurch wieder zu verspielen, dass sich das Ich in der Weite seiner Traumwelten verlor und zum Opfer der eigenen Imaginationsimpulse wurde 8 . In Rimbauds Voyance-Programm ist diese Gefahr mit der Öffnung seiner Innenwelt dem Unbewussten gegenüber prinzipiell ebenfalls gegeben und wird auch im Zuge der Beschreibung des Leidensweges, der den angehenden Voyant erwartet, mit dem Stichwort „ folie “ erwähnt. Es bereitete ihm aber offensichtlich keine allzu große Mühe, einer derartigen Gefahr Herr zu werden, wie der distanzierte Bericht von einer solchen überstandenen Phase in dem Saison-Kapitel Alchimie du verbe ( „ L ’ histoire d ’ une de mes folies “ [R. 263]) zeigt. Außerdem war sein „ dérèglement “ -Vorhaben ja durch das Gegengewicht eines „ raisonné “ -Impulses ausbalanciert. Bei Baudelaire liegen die Dinge noch anders. Auch er strebt nach Unbekanntem und Neuem, wie der Schlussvers der Fleurs du mal beweist ( „ Au fond de l ’ Inconnu pour trouver du nouveau! “ [Baudelaire 1975: 134]), aber seine Poetik des „ mal “ unterscheidet sich dadurch vom romantischen „ mal du siècle “ , dass sie der Klage über eine vom Idealentzug geprägte Wirklichkeit einen Widerstand entgegensetzt, bei dem das „ mal “ nicht nur erlitten, sondern bewusst angenommen wird. „ La conscience dans le Mal! “ (Baudelaire 1975: 80) - so lautet das blasphemische Credo eines Ichs, das nur noch den modernen, romantischen dem 2. Voyant-Brief ebenso wenig erkannt wurde wie die grundsätzliche Bedeutung der Formproblematik für eine hermetische Dichtung des Absoluten, wie sie mit den Illuminations vorliegt. Zur Ambivalenz der Baudelaire-Beurteilung, hinter der sich in Wahrheit eine massive Kritik verbirgt, äußert sich Guyaux eher vorsichtig. Er sieht darin nur eine zu jener Zeit modische Kritik an der klassischen Form der Fleurs du mal, die R. ansonsten aber bewundere: „ elle n ’ est qu ’ une réserve à un acte de foi qui n ’ a pas d ’ équivalent sous la plume de l ’ apprenti-sorcier de mai 1871 “ (Guyaux 1991), d. h. er übersieht die Ironie der Stelle. Eindeutig bezüglich des Verhältnisses Rimbaud-Baudelaire ist die Haltung von Pierre Brunel, der ihm keinerlei Bedeutung beimisst: „ Je laisse volontairement de côté le problème d ’ une possible influence de Baudelaire sur Rimbaud. Le nom de Baudelaire n ’ apparaît qu ’ une fois sous la plume de Rimbaud, dans la lettre à Paul Demeny du 15 mai 1871 ” (in der Einleitung seiner kommentierten Ausgabe der Saison [Rimbaud 1987: 94]). 8 Schon Nerval hat diese Gefahr erkannt, wenn er Gott bittet, „ de diriger mon rêve éternel au lieu de le subir “ (Nerval 1974: 435). Du nouveau, - idées et formes 161 <?page no="162"?> Satan als Schutzherrn anerkennt, der selbst aus dem Paradies vertrieben wurde 9 . Von ihm übernimmt es den Stolz des Autonomen, der seinen Widerstand gegen jegliches Unterliegen zum Widerspruch gegen jede Verführung, auch die des eigenen Begehrens, steigert 10 . Eine solche Haltung ergibt sich aus Baudelaires Liebeskonzeption, die bei ihm immer nur eine Verbindung von Ungleichen, nach dem Modell von Opfer und Henker zu sehende Beziehung zwischen einem stärker und einem schwächer Liebenden ist. Da auch das Idealstreben als Liebesbeziehung zu denken ist, muss das Baudelairesche Ich, um in seiner Fixierung auf Ideales nicht in die seine Autonomie gefährdende Opferposition zu geraten, seinem eigenen Begehren stets widersprechen. Was einer „ conscience dans le mal “ bleibt, ist das immer nur negative Ideal des „ Héautontimorouménos “ . Weil dieser bei einem Eintauchen in seelische Tiefenwelten um seine Autonomie fürchten müsste und für Baudelaire, anders als für Rimbaud, der sich mit der Gegensatzverbindung von Bewusstem und Unbewusstem eine Beziehung von Gleichen vorstellen kann, das Modell einer immer nur ungleichen Liebe in seinem tiefsten Inneren (vgl. oben „ dans le plus profond de l ‘ âme “ ) fest verankert ist, kann es bei ihm keine Seelensprache des Unbekannten mit notwendigerweise völlig neuen Formen geben. Rimbauds Kritik an Baudelaires traditioneller Form ist also zugleich eine Kritik an seiner Liebes- und Idealkonzeption. Erst vor diesem Hintergrund ist im übrigen auch Rimbauds Forderung „ L ’ Amour est à réinventer “ zu verstehen, die ein erstes Mal in der Saison in Délires I/ Vierge folle auftaucht (R. 260) und erst in der Illumination „ Génie “ als eingelöst angesehen werden kann ( „ l ’ amour, mesure parfaite et réinventée “ [R. 316]). Formen des Evokativen Gegen Ende seiner Textlinguistik als „ Linguistik des Sinns “ plädiert Coseriu für eine Heuristik, die „ in der Identifikation der Verfahren zum Ausdruck des Sinns “ in Texten bestünde (Coseriu ⁴ 2007: 201). Es bietet sich an, eine solche Kunst des Findens auch auf die „ Erfindungen des Unbekannten “ (im Sinne eines zugleich objektiven wie subjektiven Genitivs) anzuwenden, um zu ermitteln, wie aus der Funktionsfülle der Sprache des Unbekannten in den Illuminations durch Zeichenrelationen die von Rimbaud geforderten „ neuen Formen “ entstehen. Der Begriff der Evokation im Sinne Coserius wäre in diesem Fall wörtlich zu 9 In den Litanies de Satan ist dieser Satan „ Bâton des exilés, lampe des inventeurs “ und „ Père adoptif de ceux qu ’ en sa noire colère / Du paradis terrestre a chassés Dieu le Père “ (Baudelaire 1975: 125). 10 Vgl. hierzu die Interpretation des erst in der posthumen Fleurs du mal-Ausgabe von 1868 erschienenen Gedichts L ’ Avertisseur in Greiner 1993: 7 - 12. 162 Thorsten Greiner <?page no="163"?> nehmen und könnte als das kalkulierte Aufrufen einer Konstellation funktionsgesättigter Textzeichen aus einem gegebenen Sprachbestand aufgefasst werden. Vom Beschwörungscharakter der Baudelaireschen „ sorcellerie évocatoire “ (Baudelaire 1976: 118) unterscheidet sich diese Evokation durch eine Steigerung, die auf das Konzept des „ raisonné dérèglement “ zurückgeht: sie ist zugleich dunkler, irrationaler - und rationaler. Genau das aber ist das Strukturprinzip der Rimbaudschen Prosagedichte: die Stücke als ganze sind hermetisch, ihr Rationales sind die in dieser schwer zugänglichen Kombinatorik verborgenen Zeichenrelationen. Als mentale Fernverbindung von Elementen benötigen Relationen Trennung, Abstand und im Fall einer Sprache des Unbekannten vor allem eines: Dunkelheit. Wie groß deren Bandbreite ist, zeigt bereits das extrem Heterogene in der Textabfolge 11 , das schon Verlaine in seinem Vorwort zur ersten Ausgabe von 1886 irritierte: „ D ’ idée principale il n ’ y en a ou du moins nous n ’ y en trouvons pas “ (Verlaine 1972: 631). Um dieser Idee, die eine Vorstellung von dem Weg geben müsste, auf dem das in den Voyant-Briefen formulierte Ziel einer Ankunft im Unbekannten zu erreichen sein soll, auf die Spur zu kommen, sind nun einige Textbeispiele zu betrachten, an denen sich zeigen lässt, wie das Evokationspotenzial der Illuminations durch das Aufspüren von Zeichenrelationen für die Sinnkonstitution erschließbar ist. Da im Rahmen dieses Beitrags nur ein ganz kleiner Teil von Texten bzw. Textstellen behandelt werden kann, muss für die von Coseriu geforderte „ offene Liste “ möglicher Evokationsformen ein sehr grobes Raster genügen. Zunächst soll es um sprachliche Auffälligkeiten der Ausdrucksebene gehen, dann um befremdliche Passagen der Inhaltsebene. Zuletzt werden zwei abgeschlossene Stücke interpretiert. (1) [aus Conte]: Il voulait voir la vérité, l ’ heure du désir et de la satisfaction essentiels. (R. 292) Der Prinz in diesem Märchen, der „ erstaunliche Revolutionen der Liebe “ voraussieht und die Wahrheit „ sehen “ will, trägt unverkennbar Rimbauds Züge. Auffällig an dem zitierten Satz ist weniger der Ausdruck selbst, um den es hier geht, als vielmehr der Satzinhalt als ganzer. Er ist es, der den Leser stimuliert, genauer hinzusehen. Und so findet er das, was den Satz zum Vertreter eines sehr einfachen „ raisonné dérèglement “ macht: den Ausdruck „ l ’ heure “ , in dem das 11 Da Rimbaud bis auf Une saison en enfer keines seiner Werke selbst publiziert hat und die Manuskriptblätter der 42 Stücke (40 Prosagedichte und 2 Stücke in Vers libres) nur zu etwa zwei Dritteln eine Nummerierung aufweisen, die vermutlich von Rimbauds Hand stammt, ist in den modernen Ausgaben nur dieser Teil (von Après le déluge bis Barbare) in der Aufeinanderfolge einigermaßen gesichert. Was die Texte betrifft, die unter einem Titel mehrere Teile aufweisen, so ist deren Zusammengehörigkeit gesichert, da sie zweifelsfrei von Rimbaud nummeriert wurden (Enfance, Vies, Veillées, Jeunesse). Du nouveau, - idées et formes 163 <?page no="164"?> homonyme „ leurre “ mitklingt, zu evozieren ist. Das Sehen der Wahrheit - ein verlockendes Trugbild: das ist pure Vernunft. Dass es eine Stunde geben könnte, wo sie wirklich zu sehen wäre - irreal, aber verlockend! (2) [aus Veillées III]: La mer de la veillée, telle que les seins d ’ Amélie. (R. 305) Veillées besteht aus drei Teilen, von denen der erste einen Wachzustand ausgeglichener, aber auch enttäuschender Ruhe, der zweite das halluzinatorisch erlebte Innere eines Theaterraums und der dritte eine Sequenz von Traumbildern darstellt. Laut Littré meint „ veillée “ die „ action de garder un malade pendant la nuit “ . „ La veillée “ könnte aber auch die bewachte Person bedeuten und so darf angesichts des Grundthemas der Idealsuche angenommen werden, dass es hier um das wachende, bewusste Ich (im zweiten Teil kommt ein „ veilleur “ vor) und seine nach dem Unbekannten suchende, träumende Seele geht. Der dritte Teil beginnt mit der Erinnerung an eine nächtliche Überfahrt auf dem Meer, in der die Grenzen zwischen der Gegenwart des Wachens in einem hellen Raum und dem vergangenen, wenig komfortablen Aufenthalt in einem dunklen Zwischendeck sogleich durchlässig werden und den nur noch Halbwachen seiner Seele annähern. Der zitierte Satz, der Absatz-Status hat, spiegelt diesen Zustand zwischen Träumen und Wachen in einer Massierung von Ambivalenzen, die ein komplexes, mehrdimensionales Geflecht von Relationen erzeugen. Liest man den Satz nur in einer Dimension, d. h. so, dass nur die gängigsten Evokationen mobilisiert werden, ergibt sich das, was die Kommentatoren zu dieser Stelle zusammengetragen haben: zwischen „ mer “ und „ seins “ hat man sich auf das Wogende geeinigt (! ) Der Name „ Amélie “ wird zwar richtig als Anagramm von „ l ’ aimée “ , die im ersten Teil genannt wird, erkannt, aber keiner weiteren Relationierung unterzogen. Amélie ist bekanntlich die Schwester des berühmtesten Melancholikers der französischen Literatur. Ihr Bruder René liebt sie, und doch ist sie nicht „ l ’ aimée “ , seine Geliebte. Aus ihrer Sicht ist das anders, sie liebt René mehr als einen Bruder, hat diese von Chateaubriand nur sehr diskret angedeutete Zuneigung aber schon immer unter einer Mutterrolle verbergen können 12 . Und diese Mutterrolle ist es nun, die in „ les seins d ’ Amélie “ funktional ist. Der Wachträumende befindet sich in einem Schwebezustand, den er als „ la mer de la veillée “ empfindet, und das umso stärker, als dieses Meer sogleich zur wiegenden Mutter wird (die „ mer/ mère “ -Ambivalenz findet sich bei Rimbaud öfter; sie dürfte ihm aus Michelets „ La mer “ vertraut gewesen sein, wo eine der vielen Facetten des Meeres die der nährenden, alles erzeugenden Urmutter ist). 12 „ C ’ était presqu ’ une mère “ sagt René von ihr, und von sich: „ comme un enfant, je ne demandais qu ’ à être consolé “ (Chateaubriand 1969: 132). Und sie äußert sich an anderer Stelle so: „ A peine plus agée que vous, je vous balan ҫ ais dans votre berceau “ (ebd.: 135). 164 Thorsten Greiner <?page no="165"?> Über die Amélie-Assoziation wird „ la veillée “ nun mehrfach ambivalent, denn es meint jetzt nicht mehr nur das Wachen, sondern auch die vom mütterlichen Meer gewiegte und bewachte Seele des Träumenden. Und nicht nur diese, denn auch Amélies Seele steht unter der Obhut eines Wächters, der sie vor dem Sündenfall des Inzests bewahrt: es sind die Heiligen ihres christlichen Glaubens, die in ihrer mütterlichen Brust ( „ seins/ saints “ ) über ihre Leidenschaft wachen und ihren Rückzug ins Kloster bewirken. Von der Erfindung einer neuen Liebe sind die Protagonisten dieser Textstelle noch weit entfernt: das Sprecher-Ich, das sich in Erinnerungen an Amélie verliert, und dessen Begehren wie das von René ungestillt bleibt, und Amélie, die das Spannungslose, in dem die Geliebte des ersten Teils lebt, in der Ruhe einer höheren Welt finden wird. (3) [Anfang von Ville] : Je suis un éphémère et point trop mécontent citoyen d ’ une métropole crue moderne (R. 300). Ist der, der hier spricht und sich immer nur für ganz kurze Zeit in der Metropole aufhält, einigermaßen zufrieden mit ihr oder nicht? Glaubt man der Litotes „ point trop mécontent “ , ist er recht zufrieden, hört man aus „ crue “ den Unterton heraus, dass die Stadt das Prädikat „ modern “ eigentlich nicht verdient, dann ist er es eher nicht. Der weitere Textverlauf lässt die Frage offen. Es gibt in dieser seltsam gesichtslosen Stadt keine architektonischen Besonderheiten, allerdings auch keine „ Monumente des Aberglaubens “ , wie der Berichtende sichtlich erleichtert vermerkt. Dann folgt der Satz: „ La morale et la langue sont réduites à leur plus simple expression, enfin! “ Beantwortet dieses merkwürdige Lob unsere Frage? Der mathematische Terminus ( „ réduire à sa plus simple expression “ = eine Gleichung, einen Bruch auf die kleinstmögliche Zahl bringen) führt nicht weiter. Was evoziert der Satz? Die Antwort liefert die sprachliche Form, in die das moralische Urteil „ point trop mécontent “ gekleidet ist: Sprache und Moral sind dann auf ihren einfachsten Ausdruck reduziert, wenn es gelingt, bei der Entscheidung über Gut oder Böse beide Möglichkeiten in ein und derselben Form auszudrücken. „ Point trop mécontent “ ist als Litotes positiv, wörtlich genommen negativ ( „ keinesfalls zu unzufrieden “ , d. h. meine Unzufriedenheit ist keinesfalls übertrieben). Damit gehört die Antwort auf die Frage nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner von Sprache und Moral, die an dem Urteil des Sprechers über die Stadt exemplifiziert wurde, zum Grundbestand der Zielvorstellung, um die es in den Illuminations geht: der Einheit des Gegensätzlichen. (4) [Anfang von Mystique]: Sur la pente du talus les anges tournent leur robe de laine dans les herbages d ’ acier et d ’ émeraude. (R. 305) Eine Einheit des Gegensätzlichen wird bei diesem Beispiel schon mit dem Titelwort „ mystique “ angekündigt. Es verweist im Frz. nämlich nicht nur auf ein Du nouveau, - idées et formes 165 <?page no="166"?> inniges Einssein mit der Gottheit. Littré verzeichnet als erste Bedeutung „ qui a un caractère de spiritualité allégorique “ . Unterstellt man Rimbaud bei dieser auf die Lehre vom vierfachen Schriftsinn zurückgehenden Bedeutung den Sinn, den die Allegorie bei Baudelaire hat (bei dem diese poetische Sprachform seinem Konzept einer Hingabe bei gleichzeitigem Widerstand durch Bewusstheit entgegenkommt: ihrer Etymologie entsprechend sagt die Allegorie das Eigentliche immer deutlich uneigentlich, anders, d. h. sie stellt die Idee immer nur durch ein Bild dar, was verhindert, dass der Denkende zum Opfer der Faszination des Gedachten werden kann), dann kündigt der Titel Mystique hier die Einheit des Gegensatzes von Verschmelzung und distanzierter Verbindung an, auf Rimbaud bezogen: von echt religiöser und ästhetischer Haltung. Da die Ortsangabe des zitierten Einleitungssatzes mit „ pente “ und „ talus “ ein synonymes Wortpaar enthält und man sich fragt, was „ la pente du talus “ bedeuten soll, ist nach dem Sinn dieser Auffälligkeit zu fragen. Folgt man dem Titel (und berücksichtigt Rimbauds Vorliebe für sprachbasierte Evokationen), dann lässt sich in „ talus “ ein nur durch eine Paronomasie verhüllter „ sens mystique “ entdecken. Der Abhang enthüllt sich dann als allegorischer Ausdruck für den höchsten Wert des christlichen Glaubens, das Heil (talus = salut). Was als Synonymenpaar erschien, entpuppt sich als Sprachspiel mit Identität (pente = talus) und Differenz (pente = salut), den Beziehungselementen derAllegorie. Der allegorische Hintergrund der visionären Szene von bizarrer Schönheit zeigt einen Berg des Heils, dessen Abhang die Übergangszone vom Geistigen ins bildhaft Sinnliche bildet. Das Dargestellte scheint eher im unteren Bereich angesiedelt zu sein, denn im Zwischenbereich von spiritueller Höhe und irdischer Tiefe verfestigen sich die bildhaften Züge der Engel. Aus zarten Wesen in tanzender Runde ( „ tournent “ ), deren unsichtbare Gewänder sich in wollene Kleider verwandeln ( „ robes de laine “ ), werden ungenannte wollige Schafe, die nur durch „ herbages “ als solche in Erscheinung treten. Und indem den engelhaften Schafen die Grashalme der Weiden als schneidende Schärfe ( „ acier “ ) und deren Grün als harte, kostbare Materie ( „ émeraude “ ) spürbar werden, wächst der allegorische Bildkontrast von natürlicher und übernatürlicher Perspektive zu einem quasi-mystischen Einheitsgebilde zusammen. (5) [aus Aube]: Je ris au wasserfall blond qui s ’ échevela à travers les sapins: à la cime argentée je reconnus la déesse. (R. 306) Schon der Titel des Stücks, eine Paronomasie von „ Beau “ , die das Allgemeine des Schönheitsbegriffs individualisiert, lässt erwarten, dass auch hier mit sprachlichen Funktionen gespielt wird. Dies umso mehr, als der Blick auf die Welt hier aus der Perspektive eines kindlichen Bewusstseins erfolgt. „ J ’ ai embrassé l ’ aube d ’ été “ , so heißt es zu Beginn ziemlich großsprecherisch, denn am Ende folgt ein 166 Thorsten Greiner <?page no="167"?> eher kleinlautes „ Au réveil il était midi “ . Die beiden metrisch äquivalenten kurzen Sätze (Achtsilbler), die jeweils den Status eines eigenen Absatzes haben, stehen sich in diesem Prosagedicht wie Poesie und Prosa gegenüber: der erste tritt mit seiner symmetrischen Rhythmik (4/ 4), Binnenreim und dem märchenhaften Inhalt wie ein kleiner Vers auf, der zweite ist mit asymmetrischer Gliederung (3/ 5), Reimlosigkeit und unspektakulärem Inhalt reinste Prosa. Zwischen diesen beiden Grenzlinien entwickelt sich eine geträumte Liebesgeschichte, deren Verlauf strukturell eine kindliche Version von Baudelaires Dilemma darstellt: der Liebhaber will sich seiner Geliebten, der Göttin „ Aube “ nähern und jagt ihr nach (ist also Opfer seines Begehrens), fühlt sich aber zugleich als stolzer Held, der seine Souveränität nicht einbüßen will (Baudelaires Henker-Position). Zunächst überwiegt sein Stolz, der sich im Doppelsinn des so poetisch geprägten Eingangssatzes ausdrückt. „ J ’ ai embrassé l ’ aube d ‘ été “ heißt nämlich nicht nur „ Ich habe die sommerliche Morgendämmerung geküsst “ . Für „ embrasser “ ist hier vor allem auch die bei Littré angeführte Bedeutung „ saisir par l ’ esprit “ bzw. „ par l ’ imagination “ , „ adopter, suivre “ , „ se mettre du côté de “ anzunehmen. Mehr als die Hälfte des Textes handelt davon, dass der Protagonist Tätigkeiten ausführt, die eigentlich einer „ aube “ zukommen, bis hin zum Heben der nächtlichen Schleier ( „ je levai un à un les voiles “ ). Sein Impuls, souverän aufzutreten und die Sache selbst in die Hand zu nehmen, zeigt sich ein erstes Mal, wenn er eine Blume, die er in den ersten Sonnenstrahlen an einem Waldweg identifizieren kann, nicht ohne Stolz als „ une fleur qui me dit son nom “ bezeichnet, die Begegnung also zum Annäherungsversuch eines weiblichen Wesens umdeutet. Hierauf folgt die zitierte Wasserfall-Episode. Welche Funktion hat nun an dieser Stelle das völlig unerwartete Auftauchen des deutschen Wortes? Entscheidend bei dieser Frage ist der Farbunterschied von „ blond “ und „ argentée “ . In einem Tannenwald sieht der Aube-Jünger einen Lichtstrahl, der wie ein Wasserfall herabstürzt und dabei das Bild von Haarsträhnen, die sich in den Bäumen verheddern, abgibt. Als er aufblickt, erkennt er an einer silbrigen Baumspitze die Göttin „ Aube “ . Hier kommt nun wieder wie bei der Blumenepisode der Konflikt von Begehren und Autonomiewillen ins Spiel. Denn der stolze Liebhaber deutet den Licht-Wasserfall, in dem er blonde Haarsträhnen gesehen hatte, in seiner Eitelkeit erneut zu einem für ihn schmeichelhaften Annäherungsversuch der Geliebten um. Der Versuch ist aber, wie er meint, so ungeschickt ausgefallen - man sieht ja, dass die blonden Haare nicht das in Wahrheit Silbrige von Aube verbergen können - dass er lachen muss ( „ Je ris “ ). Es ist ein Lachen der Überlegenheit, die so ausgeprägt ist, dass sie noch in der Erzählung spürbar wird. Denn so auffällig wie das fremde deutsche Wort in ihr war der doch so leicht zu durchschauende, seiner Meinung nach aus Scham unternommene Täuschungsversuch der Geliebten. Und warum wählt Rimbaud ein deutsches Wort? Weil Deutsch in diesem Fall, verbunden mit Du nouveau, - idées et formes 167 <?page no="168"?> dem Klischee „ blond “ , unweigerlich das Verführerische einer Frauengestalt aus germanischen Mythen, vielleicht eine Lorelei-Assoziation evoziert. Die Geschichte endet übrigens damit, dass sich die Verwechslung von eigenem und fremdem Begehren noch weiter steigert, bis auf eine enttäuschende Schlussbegegnung der beiden Akteure das Erwachen folgt. (6) [Schluss von Démocratie]: “ la crevaison pour le monde qui va. C ’ est la vraie marche. En avant, route! “ (R. 314) Der ganz in Anführungszeichen gesetzte Text ist die Rede eines nicht genannten Sprechers an eine Gruppe von Zuhörern, die er zum radikalen Aufbruch in eine unbekannte Zukunft zu bewegen hofft. Als kompromissloser Vertreter revolutionärer Ideen übt er scharfe Selbstkritik an einer durch Militarismus und Kolonialismus pervertierten Gesellschaft, in der die Kolonisatoren als Ausbeuter die wahren Wilden sind. Mit einem deutlichen Bekenntnis zur Anarchie, das als ironischer Vorschlag Rimbauds zur Demokratisierung der Idee einer Ankunft im Unbekannten zu verstehen ist, will er sich von der gegenwärtigen Fortschrittsgesellschaft verabschieden. Die Rede wird gegen Schluss dadurch, dass der Gedanke des angeblichen Fortschritts in eine zunehmend gewaltsamer werdende Bildlichkeit übergeht, performativer wird, immer brutaler, die Sätze immer kürzer, fast schmerzhaft eindringlich. Dem Voranschreiten dieser Gesellschaft wünscht er „ la crevaison “ , sie möge vor die Hunde gehen. Das Auseinanderbrechen der sich vorwärts bewegenden militarisierten Welt sei das wahre Marschieren! Zum Schluss gerät derAufruf zum sofortigen Aufbruch durch eine deformierte Kombination der militärischen Kommandos „ En avant, en route! “ zum absurden Befehl, der sich an die Straße selbst richtet ( „ En avant, route! “ ), die, wenn sie ihn befolgt, zerreißen müsste. Wieder einmal ist es rationales, philologisches Wissen, aus dem sich das Irrationale dieser finalen Textevokation speist, denn die Etymologie von „ route “ lautet „ rupta (via) “ . - Im Folgenden geht es nun um Evokationen auf der Ebene des Inhalts. (7) [aus Enfance III]: Il y a une cathédrale qui descend et un lac qui monte. / / Il y a une petite voiture abandonée dans le taillis, ou qui descend le sentier en courant, enrubannée. / / Il y a une troupe de petits comédiens en costumes, aper ҫ us sur la route à travers la lisière du bois. / / Il y a enfin, quand l ’ on a faim et soif, quelqu ’ un qui vous chasse. (R. 291) 13 In den fünf Teilen von Enfance kommt wieder ein kindliches Bewusstsein zu Wort, dessen Idealstreben sich noch an der sichtbaren Welt orientiert, die es kraft Imagination zu überschreiten versucht. Der dritte Teil besteht aus einer 13 Mit / / werden Absätze im Text markiert. 168 Thorsten Greiner <?page no="169"?> schlichten Aufzählung von Objekten, die im Wald, der hier das Unbekannte darstellt, seine Aufmerksamkeit erregen (der Text beginnt mit „ Au bois il y a “ ). Ein durchgängig anaphorisches „ il y a “ betont den Repertoire-Charakter der hier auf einer imaginären Bühne versammelten Requisiten und Personen. Was auffällt, ist der Wechsel von einer Textoberfläche, die wie im Theater Fingiertes oder Irreales zu repräsentieren scheint, aber auf Reales reduzierbar ist, zu scheinbar Realem, das Elemente des Irrealen enthält. Die herabsteigende Kathedrale und der aufsteigende See lassen sich als Ergebnis kreativer, evokativ veranlagter Kinderaugen interpretieren, wenn man den schon aus der Romantik bekannten Vergleich „ Wald = Kathedrale “ zu Grunde legt und in dem See aufsteigenden Nebel sieht, der die Waldkathedrale scheinbar herabsteigen lässt. Der zweite Satz ist zweigeteilt: im ersten Teil die unspektakuläre Wirklichkeit eines kleinen im Gestrüpp zurückgelassenen Wagens, im zweiten das Unerklärliche, dass er sich plötzlich, geschmückt, in Bewegung setzt und den Waldweg hinunterrollt. Nur die Merkwürdigkeit eines eingeschobenen „ ou “ , mit dem ein alternatives Geschehen angeboten wird, deutet an, dass sich hier Imagination eingeschaltet hat, um eine trostlose Außenwelt auf der inneren Bühne in Märchenhaftes zu verwandeln. Die beiden Teile stehen sich, ähnlich wie in Aube, wie Prosa und Poesie gegenüber, denn im zweiten Teil dringt ab dem Wörtchen „ ou “ die ausgesagte Bewegung in den Rhythmus des Sprachvollzugs ein ( „ qui desc e n d le sent i e r en cour a n t “ ) und es stellt sich ein doppelter Reim ein ( „ descend - courant “ , „ sentier - enrubanné “ ). Im dritten Satz fällt das eigentlich entbehrlich scheinende „ aper ҫ us “ auf (dass die kleinen Schauspieler wahrgenommen wurden, ergibt sich aus dem Satz ohnehin). Wenn auf das Wahrnehmen eigens hingewiesen wird, ist ein unsichtbarer, im Wald verborgener Zuschauer anzunehmen. Im letzten Satz taucht er, immer noch unbestimmt, auf. Durst, eine der zentralen Metaphern im Themenfeld der Erkenntnis- und Idealsuche, hat bei Rimbaud nicht nur der Suchende - das macht den Unterschied zu Baudelaires ungleichem Liebeskonzept aus - sondern auch das gesuchte Unbekannte. Hier ist es, kaum erkennbar, in der Ambivalenz des „ on “ anwesend (schon in der Aussage des ersten Voyant-Briefs war die Ambivalenz vorhanden: „ On [indefinit] devrait dire On [Unbewusstes der Seele] me pense “ ). In dem scheinbar banalen Vorgang derAbweisung ( „ quelqu ’ un qui vous chasse “ ) hat das Unbekannte mit „ quelqu ’ un “ zwar schon die Konturen einer Person, bleibt aber unbestimmt. Einen Hinweis darauf, dass sich hinter dieser schemenhaften Gestalt die gesuchte Instanz des Unbekannten verbirgt, enthält die ambivalente Verbform „ chasse “ . Da Hunger und Durst hier auch im übertragenen Sinn zu verstehen sind, erfolgt die Geste der Abweisung nicht nur aus Hartherzigkeit den Bettelnden gegenüber, sondern weil die Darstellungsleistung der kleinen Schauspieler der nicht genannten Instanz noch nicht genügt, Du nouveau, - idées et formes 169 <?page no="170"?> weil die Figuren, die sie darstellen können, nicht monströs genug sind, zu wenig Unbekanntes an sich haben. Es ist also nichts weniger als die Ausdrucksproblematik, die in dieser scheinbar unbedeutenden Szene anklingt, die Suche nach den „ formes nouvelles “ . Dass sie gefunden werden, daran sind beide Seiten, Suchender und Gesuchtes, gleichermaßen interessiert, denn nur in ihnen können die beiden Aktanten der Idealsuche, die als neue, nicht mehr ungleiche Liebesbeziehung zu denken ist, zueinander finden. Worin besteht nun aber die Ambivalenz von „ chasse “ in diesem Text? Darin, dass aus dem Verjagen der Schauspieler hervorgeht, dass hier jemand einer idealen Repräsentation seiner selbst nachjagt. Nicht nur der Suchende, auch das gesuchte Ideale, das eigentlich Absolute kennt ein Begehren, nämlich das, ins Diesseits zu gelangen - dies ist der Gedanke, mit dem Rimbaud auf die Forderung „ l ’ amour est à réinventer “ antwortet, eine Lösung, die nichts anderes als die blasphemische, ins Ästhetische gewendete Uminterpretation des christlichen Dogmas der Inkarnation darstellt. 14 (8) [aus Vies III]: Dans une magnifique demeure cernée par l ’ Orient entier j ’ ai accompli mon immense oeuvre et passé mon illustre retraite. J ’ ai brassé mon sang. (296) Dem dritten Teil von Vies liegt wie den beiden anderen die Form einer Kurzbiographie zu Grunde, die einen fiktiven Werdegang des Ichs darstellt. In fünf Etappen, die alle dem gleichen Schema folgen, ist jeweils ein bestimmter Ort angeblich von Bedeutung für dessen Entwicklung gewesen, wobei sich Fiktives mit realen Elementen aus Rimbauds Leben mischt. In vagen Angaben ist von literarischem Einfluss die Rede, so von dem des (nicht genannten) Balzac ( „ j ’ ai illustré la comédie humaine “ ) oder dem der (ebenfalls nicht explizit genannten) Parnassiens. Deren Einfluss formuliert der Sprecher so: „ Dans un vieux passage à Paris [gemeint ist im „ Passage de Choiseul “ die Verlagsbuchhandlung des Parnassiens-Verlegers Lemerre] on m ’ a enseigné les sciences classiques “ . Auf diese halb wahre und halb fiktive Aussage (Rimbaud war mit der Dichtung der Parnassiens zwar vertraut, hatte seine wirklichen Kenntnisse antiker Sprache und Literatur aber im Schulunterricht erworben) folgen die hier zitierten Sätze. Gerade unmittelbar nach der nicht-fiktiven Ortsangabe bezüglich der Parnas- 14 Der Ambivalenz von „ on “ im letzten Satz entspricht die von „ vous “ , das nicht nur dem gewohnten Sprachgebrauch folgt und indefinit ist, sondern dem Rimbaud auch, wie sich an anderen Stellen der Illuminations zeigen ließe, zusammen mit einem häufiger auftretenden „ nous “ (das oft an die Stelle von „ Je “ tritt, ohne nur einen „ pluralis maiestatis “ zu meinen) eine individuelle Bedeutung zuweist. Mit „ vous “ sind dann die personifizierten Seelenteile „ coeur “ und „ esprit “ gemeint, mit „ nous “ dieselben unter Einschluss des Ichs. Dass eine solche Individualisierung bestimmter Pronomina das Textverständnis enorm erschweren kann, liegt auf der Hand. 170 Thorsten Greiner <?page no="171"?> siens könnte man erwarten, dass der behauptete Aufenthalt in der prachtvollen Unterkunft mitten im Orient in irgendeiner Weise Realitätsgehalt hat. Allerdings hören sich die folgenden Bemerkungen ( „ mon immense oeuvre “ , „ mon illustre retraite “ ) so übertrieben an, dass sie selbst als fingierte irritieren müssten. Zum Glück gibt es eine interne Zeichenrelation, die zum Textende führt. Der Sprecher schlüpft hier explizit in die Rolle Chateaubriands, wenn er behauptet: „ Je suis réellement d ’ outre-tombe “ . Mit diesem Bezug auf den berühmten Verfasser der Mémoires d ’ outre-tombe erklärt sich zumindest der nicht unbescheidene Ton, in dem er auf sein „ Riesenwerk “ und seinen „ berühmten Rückzug “ aus der Politik verweist. Schon bevor der Titel des bekannten Werkes genannt wird, hat der Sprecher also die Rolle Chateaubriands eingenommen, der als Aristokrat, Diplomat und Vater der Romantik eine europäische Berühmtheit geworden und sich seiner Bedeutung sehr wohl bewusst war. Aber was hat es mit der Behauptung auf sich, „ in einer prachtvollen Wohnstatt, eingeschlossen vom ganzen Orient “ gelebt zu haben? Wir kennen den mit der Sprache spielenden Ironiker mittlerweile gut genug, um nicht mehr verwundert zu sein, warum dieses Prunkgebäude, das im Glanz des Orients, der aufgehenden Sonne, dasteht und leuchtet, warum dieses kaum verhüllte Chateau brillant alle vorangegangenen Ortsangaben und Namensanspielungen in den Schatten stellt. Die fiktive Autobiographie gerät zum Rollenspiel mit dem berühmten Namen, in dem der Ironiker wie der Ironisierte selbst als Schlossherr gelebt hat! Der kurze folgende Satz „ J ’ ai brassé mon sang “ bringt dann beide Rollen zusammen, den hochmütig Stolzen, der alles getan hat, um sich an sich selbst zu berauschen, und den sarkastischen Kritiker, der ihm diese Worte in den Mund legt. Der Memoiren-Titel, mit dem der echte Chateaubriand schon zu Lebzeiten sein Werk als eine Stimme „ von jenseits des Grabes “ verstanden wissen wollte, wird dadurch, dass der falsche ihn hier in seiner fiktiven Autobiographie ironisch auf sich selbst bezieht ( „ Je suis réellement d ’ outre-tombe “ ), als Gipfel der Vermessenheit entlarvt. So endet das harmlos begonnene Spiel mit möglichen Einflüssen in einem mehr als deutlich verborgenen Hinweis darauf, wer diesen Sprecher nicht beeinflusst hat. (9) [Schluss-Absatz von Matinée d ’ ivresse] : Voici le temps des Assassins. (R. 298) Im Falle von Matinée d ’ ivresse sind sich die meisten Rimbaud-Forscher darüber einig, dass dies ein Text sei, der auf das Erlebnis einer Einnahme von Haschisch zurückzuführen ist. Mit dem Titelbegriff ivresse, dem zweimal im Text auftauchenden „ poison “ und dem hier zitierten Schlusssatz, in dem Rimbaud das Wort Assassins eigens hervorhebt, dessen Etymologie schon Baudelaire in den Paradis artificiels erwähnt (von „ Hachischins “ [Baudelaire 1975: 404]), schien die Sache klar zu sein. Betrachtet man den Text genauer, so stellen sich erhebliche Zweifel an dieser Sicht nicht nur auf Grund der Tatsache ein, dass Baudelaire in Du nouveau, - idées et formes 171 <?page no="172"?> den Paradis artificiels den Morgen nach einer Haschisch-Einnahme als äußerst deprimierende Erfahrung darstellt ( „ Mais le lendemain! Le terrible lendemain! “ [Baudelaire 1975: 437]), weil Haschischgenuss die Willenskraft angreife ( „ La volonté surtout est attaquée, de toutes les facultés la plus précieuse. “ [ebd.: 437 f.]). Dieser Einschätzung hätte Rimbaud gewiss zugestimmt. Darüber hinaus sollte zu denken geben, dass man mit dieser Interpretation der Genialität eines Rimbaud, dessen wichtigste ästhetische Forderung „ du nouveau, - idées et formes “ lautet (R. 347), zutraut, in einem Gedicht ernsthaft ein derart banales Thema - Haschischkonsum war in den Literatenkreisen jener Zeit eine mehr als geläufige Erfahrung - behandeln zu wollen. Und schließlich ist aus der hier eingenommenen Perspektive der Frage nach der Funktionalität von Textzeichenrelationen bei der Sinnkonstitution nicht zu akzeptieren, dass man sich bei schwierigen Texten von der Evokationskraft einzelner Begriffe dann blenden lässt, wenn der unverstandene, weil schwer verständliche Kontext mit einer Rauscherfahrung des Autors scheinbar plausibel begründet werden kann. Es stimmt ja: Matinée d ’ ivresse ist ein schwieriger Text, der aber neben seinen befremdlichen Innenbezügen deutliche und deshalb leicht zu identifizierende Außenbezüge aufweist (so zitieren die Ausdrücke „ cette veille “ bzw. „ veille d ’ ivresse “ die „ veille “ aus dem Schlusskapitel der Saison und die zu Beginn auftauchende „ ancienne inharmonie “ verweist sehr deutlich auf die „ nouvelle harmonie “ der vorangehenden Illumination mit dem Titel A une raison). Da all diesen Zeichenrelationen hier nicht im Einzelnen nachgegangen werden kann, soll eine Antwort auf die naheliegendste Frage wenigstens angedeutet werden: Wenn das Stück kein Haschisch-Erlebnis thematisiert, wie ist der unbestreitbar hier zum Ausdruck gebrachte Freudenrausch, die geradezu existenzielle Euphorie dann zu begründen? Mit einer unendlich tiefer greifenden Erfahrung, mit dem, was „ On “ , die noch konturlose Seeleninstanz des Unbekannten dem Ich hier versprochen hat: dass der biblische Baum der Erkenntnis keine Bedeutung mehr haben, dass die Trennung von Gut und Böse aufgehoben sein wird ( „ On nous a promis d ’ enterrer dans l ’ ombre l ’ arbre du bien et du mal “ ). Wie man sieht, liegt mit dieser Versprechensformel wieder eine Reduktion von Moral und Sprache auf ihren einfachsten Ausdruck vor (vgl. Beispiel 3). Gut und Böse finden hier zusammen in der semantischen Ambivalenz von „ enterrer “ (der Baum soll beerdigt, aber auch eingepflanzt werden) und in der sachlichen Gegebenheit von „ ombre “ (kein Schatten ohne Sonne). Mit dieser Begründung zeigt sich, dass die Vertreter der Haschisch-These den Rollencharakter nicht erkannt haben, der das Stück zwar nicht ganz so deutlich wie in Beispiel 8 prägt, auf den man aber doch, wenn auch unauffällig gegen Schluss, durch den Ausdruck „ le masque “ hingewiesen wird. Es ist die Haschisch-Maske, unter der das Ich hier, wie die mittelalterlichen Assassinen von einer höheren Instanz (die in seinem Fall die 172 Thorsten Greiner <?page no="173"?> eigene neue Seele ist) beauftragt, nicht andere, sondern einen Teil seiner selbst, die alte christliche Seele, zu überwinden vermag. (10) [Anfang von H]: Toutes les monstruosités violent les gestes atroces d ’ Hortense. Sa solitude est la mécanique érotique, sa lassitude, la dynamique amoureuse. (R. 313) Der Text H kündigt seinen Rätselcharakter schon in der Konzentration des Titels auf einen Buchstaben an. 15 Wofür dieses Textzeichen steht, ergibt sich zwar schon aus einer ersten Lektüre: nicht nur für den weiblichen Vornamen Hortense, sondern auch für das chemische Element Wasserstoff, das im Text als „ hydrogène “ auftaucht. Aber welche Beziehung zwischen dem bekannten Objekt der Wissenschaft und der unbekannten Person bestehen könnte, wird auch nach mehrmaliger Lektüre in keiner Weise erkennbar. Die Kritik hat sich deswegen vor allem darum bemüht, dem Geheimnis des Namens „ Hortense “ auf die Spur zu kommen, und dazu die verschiedensten Vorschläge gemacht, was nicht verwundert, denn Rimbaud fordert seinen Leser mit einer fast schon sadistischen Freude (Linguisten würden sachlicher formulieren: mit der Bühlerschen Appellfunktion) am Ende dazu auf, sich auf Sinnsuche zu begeben: „ trouvez Hortense “ . Immerhin lassen sich in Hortense die Züge einer leidenschaftlichen, ungewöhnlich ausdrucksstarken Theaterschauspielerin erkennen, der es mit ihren „ grässlichen Gesten “ zu gelingen scheint, etwas Unbekanntes, Gewaltsames zu verkörpern. Dass dieses Unbekannte seelischen Ursprungs sein muss, darauf deutet der in „ monstruosités “ anklingende Vorgang des „ faire l ’ âme monstrueuse “ , mit dem der angehende Voyant die Deformation seiner Seele betreibt, um beim Unbekannten anzukommen. Dem pluralisierten, abstrakt unbestimmten Monströsen entsprechen ihre Bewegungen, die grässlich sind, weil sie das deformiert Seelische verkörpern. Das Entscheidende auf dieser imaginären Theaterbühne ist aber die ausgewogene Verteilung von aktiven und passiven Elementen im Repräsentationsvorgang. Nicht nur Hortense ist von einer Leidenschaft ergriffen (passiv), der sie in ihren Bewegungen Ausdruck verleiht (aktiv), sondern auch das Monströse wird durch ein Vergewaltigen sichtbar (aktiv), mit dem es seinem Begehren nach dem Ausdruckskörper von Hortense nachgibt (passiv). Der Satz illustriert noch einmal (vgl. Beispiel 7), wie sich mit derTheatermetapher die Einheit von Liebes- und Ausdrucksproblematik für das einsetzen lässt, was so lange gesucht wurde: eine Liebesbeziehung von Gleichrangigen, ein Verhältnis, bei dem es keinen weniger Besessenen mehr gibt, der einen stärker Besessenen dominiert. Der Gegensatz zu Baudelaire kommt hier darin zum Ausdruck, dass der Sprecher zwei Gemütszuständen von 15 Im Folgenden beziehe ich mich teilweise auf meinen Interpretationsversuch von H in Greiner 2007: 176 - 182. Du nouveau, - idées et formes 173 <?page no="174"?> Hortense, ihrer Einsamkeit ( „ solitude “ ) und ihrer Ermattung ( „ lassitude “ ), eine bestimmte Bedeutung zuschreibt, was im zweiten Satz erfolgt. Ihre Einsamkeit, so erfahren wir, ist die „ erotische Mechanik “ . Was soll das heißen? Aus dem gleichen Grund wie im Fall von Matinée d ’ ivresse macht sich die Forschung die Sache hier wieder sehr einfach: man ignoriert die schwer auszumachenden Kontextbeziehungen und ist sich sicher, dass mit der erotischen Mechanik nur Selbstbefriedigung gemeint sein kann. Das ist nicht zu bestreiten, gilt aber nur auf der ersten Ebene der Sinnkonstitution (Lotmans Ebene der sekundären Modellierung). Das grundsätzliche Problem, das hier auftritt, ist das der Frage nach der „ Artikulation des Sinns “ bzw. den „ Ebenen der Strukturierung “ (Coseriu ⁴ 2007: 170) und besteht in der Unsicherheit, „ ob ein verstandener Sinn als die vollständige ‚ Aussage ‘ oder nur als ein Glied einer möglicherweise noch nicht verstandenen ‚ Aussage ‘ aufzufassen ist “ (ebd.). Die Interpretation „ Selbstbefriedigung “ 16 ist eine solche noch nicht verstandene Aussage, mit der die Sinnsuche nicht enden darf. Vielmehr ist von dieser Ebene aus eine Evokation zweiten Grades anzunehmen (in Lotmans Terminologie: eine tertiäre Modellierung). Wie im Fall von Matinée d ’ ivresse liegt dem referentiellen Missverständnis einer solchen Interpretation die völlige Verkennung der Tatsache zu Grunde, dass es in den Illuminations um ein ästhetisch-metaphysisches Abenteuer von existenziellem Ausmaß geht. Die Einsamkeit ist ein Zustand, den Hortense, dieAllegorie eines jeden unstillbaren Begehrens, auch kennt, der aber nicht in der hier evozierten Liebesbeziehung zwischen Gleichen vorliegt. Die einsame „ erotische Mechanik “ der Selbstbefriedigung ist nicht schon selbst der Sinn, sondern ihrerseits erst Metapher, die das Übermaß von Ich-Anteilen bei allem subjektiven Idealisieren meint. Dessen Kennzeichen ist ja wie im Falle Baudelaires das stets unzureichende Ergebnis aller idealen Hervorbringungen, weil diese immer nur der eigenen Imagination, die noch keine Anteile des Unbekannten aufweist, zu verdanken sind (wäre Unbekanntes im Spiel, so liefe das Baudelairesche Ich Gefahr, in der Opferposition seine Autonomie zu verlieren). Rimbauds Gleichung im Fall dieser Metapher lautet also: subjektives Idealisieren = geistige Selbstbefriedigung. Das Mechanische dieser geistigen Erotik in Einsamkeit ist die Monotonie, die bei Abwesenheit alles Unbekannten immer nur Varianten des einen Modells der Ich-Idealisierung, d. h. eine nur dem bewussten Seelenteil 16 In der Rimbaudforschung hat es angesichts der z.T. extremen Schwierigkeit der Texte schon früh die Tendenz zu einer Suche nach „ Codes “ (z. B. Kabbala und Okkultismus) gegeben, mit denen man der Hermetik beizukommen hoffte. Wie ausufernd diese Suche bisweilen war, beweist der Forschungsbericht von Etiemble (Etiemble: 1961). Besonders einflussreich wurde bei dieser Suche seit den 70er Jahren der Spezialcode des Erotisch- Obszönen, wie etwa der Beitrag von Marc Ascione und Jean-Pierre Chambon, Les “ zolismes “ de Rimbaud zeigt (Ascione/ Chambon 1973). 174 Thorsten Greiner <?page no="175"?> entstammende Spiegelbildlichkeit entstehen lässt. Die Folge ist ermüdender Ennui, im Text „ lassitude “ . Dem kann nur „ la dynamique amoureuse “ , eine Dynamisierung der Liebesbeziehung abhelfen, wie sie im ersten Satz schon äußerlich an der Gewalt des Monströsen bzw. den heftigen Bewegungen von Hortense erkennbar werden. Erst aus dem Zusammenwirken von Ich- und Fremdanteilen, von Mechanik und Dynamik kann das neue Modell eines „ amour réinventé “ entstehen. - Da bei diesem Textbeispiel vor allem das Problem einer doppelten Evokationsebene zu erörtern war, soll nur kurz auf die Frage nach der Bedeutung des Namens „ Hortense “ und der möglichen Funktion des Wasserstoff-Symbols „ H “ eingegangen werden. Dazu ist nun noch der vorletzte Satz des Textes zu zitieren, in dem nach einem Gedankenstrich die allgemeine Ebene eines Vergleichs der beiden Liebesmodelle verlassen und eine individuellere Perspektive ins Spiel kommt: „ Ô terrible frisson des amours novices, sur le sol sanglant et par l ’ hydrogène clarteux! “ Jetzt geht es darum, etwas vom absolut Neuen der monströsen Erlebensintensität beim Zusammentreffen der beiden gleichrangigen Liebespartner, des Ichs und des Unbekannten, zu vermitteln. Der „ schreckliche Schauder “ , der die beiden Liebenden ergreift, die unerfahren, „ Novizen “ sind, wird als angenehm empfunden, wie das positive Emotionssignal „ Ô “ zeigt (im Gegensatz zu „ Oh! “ , das bei Rimbaud Negatives signalisiert), obwohl - oder gerade weil - eine Atmosphäre wie von tödlicher Gefahr herrscht. Sie kommt dadurch zustande, dass die Imagination hier vom Kontrast zweier Zeitbilder geprägt wird, in denen sich diese Gefahr im Kontext eines radikalen historischen Umbruchs manifestiert, dem der Französischen Revolution und dem der wissenschaftlichtechnischen Neuerungen des 19. Jahrhunderts. Indem das Ich das Bild des von der Guillotine 17 blutigen Bodens ( „ le sol sanglant “ ) kraft Imagination in sich erzeugt und zugleich das Unbekannte seiner Seele in diesem Todesbild Gestalt annehmen kann, passiert im eigenen Erleben das Gleiche wie in der Modellsituation der Theaterszene. Entsprechendes gilt von „ l ’ hydrogène clarteux “ , mit dem die Gefahr durch den Umgang mit Wasserstoff 18 evoziert wird, dem Stoff, der Wasser erzeugen, aber auch selbst brennen kann. Wie der Neologismus „ clarteux “ zeigt, ist Wasserstoff hier Inbegriff einer eigentlich utopischen 17 Ich übernehme diese Interpretation der Monographie von Maria Luisa Premuda Perosa: „ Une écriture de l ’ énigme: ‚ H ‘ de Rimbaud (Premuda Perosa 1988). Die Interpretation überzeugt mich vor allem durch ihre Klangbeziehung zum Titel, insofern „ sol sanglant “ zusammen mit „ H “ die Bedeutung „ hache “ evoziert, was der Vf. zufolge zu Rimbauds Zeit ein gängiger Ausdruck zur Bezeichnung der Guillotine war (vgl. dort S. 21). 18 Vgl. hierzu die gerade auch auf Chemie beziehbare Verbindung von Wissenschaft und Imagination in Angoisse: „ des accidents de féerie scientifique “ (R. 308). Du nouveau, - idées et formes 175 <?page no="176"?> Vermischung von Feuer und Wasser 19 , also genau den Elementen, die im Bildbereich einer dürstenden Seele Begehren und Erfüllung repräsentieren. Was eine mögliche Funktion des Eigennamens Hortense angeht, so ist bei der Sinnkonstitution in diesem Fall zu berücksichtigen, dass der Name in zweifacher Weise repräsentiert ist: im Titel in abgekürzter Form, im Text mit vollem Namenskörper, von dem aber nur „ ortense “ zu hören ist. Versteht man nun die Frage nach dem Sinn ihres Namens als Frage nach der Rolle, die sie als Schauspielerin spielt, so ließe sich die so auffällige Abtrennung des Anfangsbuchstabens (zumal er sich auch als „ hache “ = „ trenne “ lesen lässt) als Lizenz zu einer zumindest mentalen Abtrennung auch im Textinneren auffassen. Auf diese Weise wäre nicht „ Hortense “ , sondern nur „ ortense “ die Basis für die Suche nach einem sinnvollen Anagramm des Namens, was zu einer Lösung führen würde, die dem Monströsen ihrer Rolle entspricht: „ entorse “ . „ Schmerzhafte Verrenkung “ bzw. übertragen „ Verstoß gegen etwas “ wäre die Geste eines körperlichen und geistigen „ dérèglement “ , mit dem auch Hortense operiert. Zum Abschluss zwei in sich geschlosseneTexte, die im Grad des Hermetischen einander diametral entgegengesetzt sind. Der erste ist das verständlichste Stück der Illuminations, der zweite eines der schwierigsten, für das bislang keine einigermaßen überzeugende Interpretation vorliegt. (11) [Einzeltext aus Phrases]: J ’ ai tendu des cordes de clocher à clocher; des guirlandes de fenêtre à fenêtre; des chaînes d ’ or d ’ étoile à étoile, et je danse. (R. 299) Wie bereits an einigen Stellen gezeigt, macht sich Rimbaud (darin Baudelaire in seinen „ Petits poèmes en prose “ folgend) die Möglichkeit zunutze, durch das Verwenden metrisch-rhythmischer Strukturen auch in das Prosagedicht Formalpoetisches einzulassen, um so eine zusätzliche Relationierungsebene zu gewinnen. Dieser kurze Text erreicht durch das Zusammenspiel des Metrisch- Rhythmischen mit den syntaktisch-semantischen Strukturen, das die vollkommen prosaische Wortstellung überlagert, eine fast klassisch zu nennende Ausgewogenheit. Zwei gleich rhythmisierte, dreisilbige Verbgruppen am Anfang und am Ende zeigen das Ich bei der bereits vergangenen Vorbereitung auf sein gegenwärtiges Tun. Zusammen mit den streng parallel gesetzten Objekt- 19 Die Utopie einer künftigen Verwendbarkeit von Wasserstoff als Energiequelle taucht bereits bei Jules Verne in L ’ Île mystérieuse auf, das 1874 erschien und das Rimbaud möglicherweise gelesen hatte. Vgl. dort die Vermutung des Protagonisten Cyrus Smith hierzu: „ je crois que l ’ eau sera un jour employée comme combustible, que l ’ hydrogène et l ’ oxygène, qui la constituent, utilisés isolément ou simultanément, fourniront une source de chaleur et de lumière inépuisables “ (Verne 2010: 471). 176 Thorsten Greiner <?page no="177"?> und Adverbialgruppen entsteht ein sehr stabiles metrisches Symmetriegefüge aus zwei Alexandrinern im Außen- und einem Zehnsilbler im Innenbereich. Diese massive Konstruktion scheint auch nötig zu sein, weniger für die Tätigkeit als solche, das Tanzen, wohl aber wegen des ungeheuren Raumes, den sie erschließen soll. Die festliche Stimmung, die den Seiltänzer und Himmelsstürmer erfasst hat, kommt in den ausgespannten Seilen, den geschmückten Fenstern und den schweren Goldketten zum Ausdruck, die einen Stern mit dem andern verbinden und sich, ermöglicht durch die Parallelisierung, wie selbstverständlich in die Reihe der Verbindungselemente einfügen, die mit wachsender Entfernung immer stärker werden. In wohldosierter, aber nicht geradliniger Steigerung vom Realen zur Traumwelt (die niedrigste Stufe, die Fenstergirlanden, stehen nicht am Anfang, sondern in der Mitte, so dass die Bewegung ins Unbekannte mit der mittleren Stufe, den Seilen einsetzt) ist eine Welt des Übergangs entstanden. Irdisches und Himmlisches, als real Denkbares und Irreales gehen durch die Kunst dessen, der hier alles angeordnet hat, ineinander über: Fenster, die vom Geschlossenen ins Offene führen, Kirchturmspitzen, die in den Himmel stoßen und nur noch als Fixpunkte beim Tanz auf dem Seil gebraucht werden, und Sterne, die in der Nacht leuchten und sich mit ihrem goldenen Licht von selbst zusammenketten - es ist die Energie eines künstlerischen Ausdruckswillens, die hier mit den einfachsten Mitteln der Sekundärstrukturierung dem Vorgang des Relationierens zu ikonischer Materialisierung verhilft, indem ein Repertoire von Dingen, die dekorativ verbinden und festhalten, ins Bild gesetzt wird. Noch besteht das Netz der Zeichenrelationen hier aus Sprachfunktionen, die an der Textoberfläche als traditioneller Ornatus sichtbar sind. Im letzten Beispiel sind diese Mittel nicht verschwunden, als Oberflächenphänomen aber stark reduziert. Die wahre Funktionsfülle liegt jetzt in einem System von Tiefenstrukturen, deren Zeichenrelationen allererst zu entdecken sind. (12) [A une raison]: Un coup de ton doigt sur le tambour décharge tous les sons et commence la nouvelle harmonie. / / Un pas de toi c ’ est la levée des nouveaux hommes et leur en-marche. / / Ta tête se détourne: le nouvel amour! Ta tête se retourne, - le nouvel amour! / / “ Change nos lots, crible les fléaux, à commencer par le temps ” , te chantent ces enfants. “ Élève n ’ importe où la substance de nos fortunes et de nos voeux ” on t ’ en prie. / / Arrivée de toujours, qui t ’ en iras partout. (R. 297) Die Verwunderung beginnt mit dem Titel, der andeutet, dass die höhere Instanz, die hier angerufen wird, nicht das sein kann, was der Allgemeinbegriff gewöhnlich bezeichnet. „ Une raison “ - wer oder was sollte das sein? Der erste Satz lässt ein Wesen in Erscheinung treten, das mit dem Finger leicht auf eine Trommel schlägt, was merkwürdige Folgen hat, eine, die sinnlich, und eine, die Du nouveau, - idées et formes 177 <?page no="178"?> eher seelisch wahrnehmbar ist. Auch wenn noch nicht klar ist, warum der Trommelschlag „ alle Töne entlastet “ und „ die neue Harmonie beginnen lässt “ , muss man zugestehen, dass die Auswirkung der unscheinbaren Berührung der Trommel durch den Finger enorm ist. Gewaltig ist auch die Wirkung des einen Schrittes, den das Wesen tut (ein Schritt, der dem Fingerschlag deutlich äquivalent ist: „ Un coup de ton doigt “ - „ Un pas de toi “ ), das Rekrutieren „ neuer Menschen “ ( „ la levée “ erklärt das Trommeln als Teil dieser Maßnahme) und die Tatsache, dass diese im selben Moment bereits marschierend unterwegs sind. Die dritte Körperbewegung ist noch irritierender: beide Kopfbewegungen, Abwenden und Zurückwenden, scheinen das Gleiche zu bedeuten, „ die neue Liebe “ . Damit ist zum dritten Mal ( „ la nouvelle harmonie “ , „ des nouveaux hommes “ , „ le nouvel amour “ ) Rimbauds Fundamentalkategorie, der Gedanke des Neuen, thematisiert. Da er in Verbindung mit Harmonie und Liebe genannt wird, darf man vermuten, dass diese unbekannte, durch den unbestimmten Artikel als individualisiert gekennzeichnete Raison die allegorische Gestalt des neuen Liebesideals ist, mit dem die Idealsuche des Ichs dadurch ans Ziel führt, dass es in sich ein Unbekanntes, absolut Neues hervorbringt. Ist diese Vermutung geeignet, die mit der Titelfigur verbundenen Merkwürdigkeiten zu erklären? Zunächst zum Zusammenhang zwischen Trommelschlag und neuer Harmonie. Er besteht darin, dass das Trommeln die Töne, die offenbar die neue Harmonie ausmachen, „ entlasten “ soll. Was entlastet wird, muss zuvor belastet oder selbst eine Last gewesen sein. Littré verzeichnet nun für „ décharger “ in Verbindung mit „ coup “ die Bedeutung „ faire partir le coup d ’ une arme à feu “ und bestimmt „ décharger un coup “ durch „ l ’ assener “ . Der Trommelschlag, den die Raison hier ganz leicht, nur mit dem Finger, ausführt, hat also zur Folge, dass „ alle Töne “ , mit ungeheurer Wucht freigesetzt, zugleich ertönen. Und dieses unvorstellbar laute Geräusch ist es, was gleichzeitig ertönt und entlastet, reduziert wird. Die Verbform „ décharge “ funktioniert hier also wieder nach dem Prinzip einer Reduktion von Moral (dem Gegensatz von Gut und Böse) und Sprache auf den einfachsten Ausdruck (vgl. Beispiel 3 und 9). Und genau dieses Zusammenfallen von quälend Lautem und wohltuend Leisem ist der Beginn der „ neuen Harmonie “ . Um die Stelle im Ganzen zu verstehen, ist nun aber noch zu klären, was das für eine Trommel ist, auf der eine leichte Berührung des Fingers genügt, um ein zugleich ohrenbetäubendes und sanft reduziertes Geräusch zu produzieren. Die Trommel ist das Herz, der Sitz von Liebe und Begehren (in „ tambour “ ist „ amour “ enthalten 20 ), der hier von der monströsen Gewalt eines Jenseitigen, 20 Vgl. dazu in der Seminaristensatire Un coeur sous une soutane (vermutlich von 1870) den angedeuteten Vergleich Herzschlag = Trommelschlag: „ mon coeur qui bat la mesure dans ma poitrine “ (R. 52). Eine explizitere Gleichsetzung findet sich in Hugos „ Les misérables “ , 178 Thorsten Greiner <?page no="179"?> eines Ideals berührt wird, das nach Inkarnation in etwas Diesseitigem, einem menschlichen Herzen strebt. Die Diskrepanz von leichtem Fingerschlag und unerträglich Lautem erklärt sich aus dem qualitativen Unterschied von Göttlichem und Menschlichem (was für jenes eine Winzigkeit ist, hat für dieses gewaltige Dimensionen), eine Diskrepanz, die hier unter dem Doppelsinn von „ décharge “ verborgen bleibt. Im dadurch aufgehobenen Gegensatz der akustischen Extreme entsteht „ die neue Harmonie “ einer Vermittlung von Absolutem und Menschlichem in ähnlicher Weise, wie sich das Monströse in Hortense inkarnieren konnte (Beispiel 10). Auf die Idee, diese ungewöhnliche Raison eine Trommel benutzen und sie den merkwürdigen Effekt ihres Trommelns erzeugen zu lassen, kam Rimbaud vermutlich durch eine bekannte Redewendung, in der mangelhaftes Denkvermögen durch lautes Trommelspiel verbildlicht wird: „ raisonner (= résonner) comme un tambour “ - für den Sprachvirtuosen Rimbaud eine ideale Gelegenheit, seine an gewöhnlicher Vernunft wenig interessierte Idealgestalt die Trommel schlagen zu lassen. Von hier aus lässt sich nun auch die Diskrepanz von Aufwand und Ergebnis in der zweiten Körperbewegung von Raison verstehen: ein einziger Schritt von ihr ist schon das Rekrutieren 21 der „ neuen Menschen “ . Gegenüber der Trommelschlag-Situation hat sich etwas verändert: herrschte dort noch absolute Gleichzeitigkeit der beiden Gegensatzelemente, repräsentiert im Doppelsinn von „ décharge “ , so hat die Raison jetzt einen Schritt gemacht, d. h. eine winzige Veränderung in Raum und Zeit hat sich vollzogen, der in der menschlichen Wirklichkeit mit „ la levée “ und „ leur enmarche “ aber wiederum ein deutlich größeres Zeit- und Raummaß entspricht. Nach der genaueren Betrachtung der beiden Vorgänge lässt sich nun auch die zunächst eher unklare Sprechsituation genauer beschreiben. Der Sprecher wendet sich in einer Art Gebet an eine imaginäre Idealgestalt, die durch dieses Gebetssprechen überhaupt erst ihre Konturen gewinnt. In dieser Gegenseitigkeit einem Werk, das Rimbaud sehr schätzte (im 2. Voyant-Brief: „ Les Misérables sont un vrai poème “ [R. 347]). In einer Klosterbibliothek, so heißt es dort, gab es Bücher, in denen aus sittlichen Erwägungen das Wort „ Liebe “ vermieden wurde: „ amour était remplacé par „ tambour “ (Hugo 1963: 94). 21 Die Kriegsmetaphorik kommt bereits in Soleil et chair vor, wo die ältere, romantische und noch für Baudelaire geltende Konzeption des nie zu erreichenden Ideals als ewig unbesiegbarer Gedanke thematisiert wird: „ L ’ idéal, la pensée invincible, éternelle “ (R. 43). Hier dagegen ist dieser Krieg beendet, aber nicht durch einen Sieger und einen Besiegten, sondern durch die überraschende Allianz beider (= „ la nouvelle harmonie “ ), die die „ neuen Menschen “ in das Abenteuer des Lebens aufbrechen lässt. Der Gedanke eines neuen Bündnisses der alten Gegner, jetzt abgeschlossen gegen alles Lebensfeindliche, liegt auch dem Illuminations-Text Guerre zu Grunde, wo der neue Kriegszug, für den in A une raison erst noch rekrutiert wird, als „ une Guerre, de droit ou de force, de logique bien imprévue “ bezeichnet wird (R. 315). Du nouveau, - idées et formes 179 <?page no="180"?> lässt sich das Prinzip einer Gleichgestelltheit der Beziehungspartner wiedererkennen, die durch eine Formwerdung, an der beide beteiligt sind, möglich wird: das Unbekannte kann sich einstellen, weil das Ich eine Form, die Allegorie, bereitstellt. Ort des imaginierten In-Kontakt-Tretens ist der fühlende Seelenteil, das Herz, in dem sich das Gewaltsame des Unbekannten auf ein menschlich erträgliches Maß reduzieren ließ. Mit dem dritten Vorgang tritt eine neue Frage auf. Was hat man sich unter dem Kopf ( „ ta tête “ ) einer Gestalt vorzustellen, die als Ganze eine völlig neuartige, individualisierte Vernunft ( „ une raison “ ) darstellt? Sie verbildlicht, so wurde gesagt, Rimbauds neues Liebesideal, ein ins Diesseits gelangtes Unbekanntes. Als Allegorie erscheint sie in Form einer menschlichen Gestalt mit Fingern, Beinen und einem Kopf. Wenn sie nun als ganze Person viel mehr repräsentiert als den alten Vernunftbegriff, nämlich das Imaginäre einer neuen Seeleneinheit von Unbewusstem und Bewusstem, dann müsste der als „ tête “ bezeichnete Teil von ihr den Sitz dessen bezeichnen, was das Bewusste ausmacht und gewöhnlich „ la raison “ genannt wird. Was geschieht nun bei diesen beiden Kopfbewegungen? Der Kopf, ihr bewusster Seelenteil, „ wendet sich ab “ . Wovon, warum und wohin? Von sich selbst, denn wie Hortense will sie der Mechanik geistiger Selbstbefriedigung entkommen und lässt mit ihrer Kopfbewegung eine Dynamik zu, in der sich „ le nouvel amour “ , eine neue Liebe (subjektiv und objektiv) ankündigt. Und dann passiert das Unglaubliche: die Rückwendung des Kopfes führt nicht zurück in den Ausgangszustand, der ja verlassen werden sollte, sondern zu einer wiederum neuen Liebe! Oder doch nicht? Schließlich ist die Formel genau die gleiche! Was signalisiert die Wiederholung von „ le nouvel amour “ : Stillstand, also das Andauern der ersten neuen Liebeserfahrung, oder eine noch erstaunlichere Neuheit? Die Sache ist verwirrend, wäre da nicht ein kleiner Hinweis, der andeutet, dass hier kein Stillstand vorliegt: die Abwendung ( „ se détourne “ ) ist durch einen Doppelpunkt von „ le nouvel amour “ getrennt, was Kausalität nahelegt (die neue Liebe war der Grund für die Abwendung), die Rückwendung aber ( „ se retourne “ ) durch einen Gedankenstrich, was auf ein inneres Anhalten, auf größtes Erstaunen deutet. Da „ détourner “ auch ein Verführen bedeuten kann, steckt in „ se détourne “ die Gefahr einer Selbstverführung, gegen die Baudelaire sich mit seiner Weigerung, in die Opferposition zu geraten, d. h. dem Willen, sich nicht im Irrationalen fremderTraumwelten zu verlieren, zur Wehr setzte, die aber auch Rimbaud nicht unbekannt war (am Ende von Vies II heißt es: „ j ’ attends de devenir un très méchant fou “ [R. 295]). Im Abwenden des Kopfes, ihres rationalen Teils, wird die Raison also tatsächlich vom Unbekannten des Irrationalen angezogen. Dies entspricht dem Moment, in dem Rimbaud sein Je est un autre entdeckte und mit derAussage „ On me pense “ in gefährliche Nähe dieses „ nouvel amour “ geriet. Und so wie er dessen Konsequenzen klar erkannte und auf eine 180 Thorsten Greiner <?page no="181"?> Neuerfindung der Liebe hinarbeitete, wendet sich seine Raison von dieser Liebe (des ersten „ nouvel amour “ ) wieder ab. Und weil die Rückwendung nichts anderes als eine erneute Abwendung ist und es darum geht, die gerade erst begonnene „ neue Harmonie “ fortzuführen, führt die Rückkehr des Kopfes in seine Ausgangsposition nicht zur alten Rationalität zurück, sondern zu einer wiederum neuen Liebe (zweiter „ n. a. “ ), zu einem Zustand, in dem sich die Erfahrungen des Irrationalen (erster „ n. a. “ ) mit dem ursprünglich hier vorhandenen Rationalen vereinen können. Das aber ist das vom Voyant angestrebte „ raisonné dérèglement “ , die harmonische Verbindung zweier Welten. Die Charakterisierung der Idealgestalt hatte sich bis jetzt in drei Bewegungen ihres allegorischen Körpers vollzogen. Was jetzt noch folgt, sind zwei andere Weisen der Bildkonstitution. Zunächst zwei direkte Reden von Personen, die wie die Hauptgestalt der Innenwelt des Sprechers angehören. Die Gruppe der Kinder, die hier singend der idealen Instanz huldigen und sie darum bitten, ihr Schicksal zum Besseren zu wenden, sind Vertreter des Sprecher-Ichs aus früheren Tagen. Der biblische Ausdruck „ fléaux “ deutet darauf hin, dass sie noch unter den Auswirkungen eines göttlichen Zorns leiden und weit davon entfernt sind, sich durch eigene Sinnkonstitutionen davon zu befreien. Als Hauptübel empfinden sie das Unglück der Zeit, mit dem zu beginnen wäre ( „ à commencer par le temps “ , mit auffälliger Wiederholung von „ commence “ im ersten Absatz). Die Erfüllung der Bitte, die Plagen zu „ sieben “ ( „ crible les fléaux “ ), d. h. die Zeit wie durch ein Sieb zu pressen, damit sich aus ihr Glücksmomente der Ewigkeit herausfiltern lassen, wäre ein solcher Anfang, mit dem der Zwang, die Spanne zwischen Begehren und Erfüllung aushalten zu müssen, ein Ende hätte. Dass ihr Schicksal aus diesen Plagen besteht und sie als Kinder am Phänomen der Zeit leiden ( „ enfants “ deutet auch auf den Status dessen, der als „ in-fans “ noch nicht sprechen, noch keine eigenen Ausdrucksformen gefunden hat, um sein Los zu lindern), zeigt auch die Tatsache, dass ihre Rede noch von einem alten Ausdruckszwang höheren Instanzen gegenüber geprägt ist: „ fléaux “ reimt sich auf „ lots “ , „ enfants “ auf „ temps “ . Die zweite Rede kommt aus dem Mund von „ on “ , der Instanz des Unbewussten, die hier gemeinsam mit den Kindern als Bittsteller auftritt ( „ on t ’ en prie “ ), weil auch sie, das gänzlich Ungeformte, sich nach einer besseren Existenz sehnt. Wie die Kinder an einer Zeit leiden, in der es keine Glücksmomente gibt, so diese Macht am Raum, in dem es keinen Platz für die Substanz dessen gibt, was ihre schon vorhandenen Reichtümer ( „ nos fortunes “ ) und das, was noch ersehnt wird ( „ nos voeux “ ), ausmacht. Daher ihre Bitte, dass auch dieses „ irgendwo “ ( „ n ’ importe où “ ) als Form im Raum sichtbar werden könnte. Der letzte Absatz wird von einem klassischen Alexandriner gebildet, dessen streng rationale Durchgestaltung mit dem inhaltlichen Eindruck des Irrationalen Du nouveau, - idées et formes 181 <?page no="182"?> kontrastiert und insofern schon durch seine Form andeutet, dass hier das Wesen einer individuellen Raison, das neue Prinzip eines „ raisonné dérèglement “ , in konzentrierter Form zum Ausdruck gebracht wird. Ankunft und neuerAufbruch, Vergangenheit und Zukunft ( „ Arrivée “ - „ t ’ en iras “ ), Zeit und Raum ( „ toujours “ - „ partout “ ) bilden eine Gegensatzstruktur, deren Elemente in der Figur derjenigen miteinander vermittelt sind, die ihre Existenz allein den Evokationen eines hermetischen Sprechakts zu verdanken hat. Dessen Dunkelheit beruht vor allem auf der Ambivalenz von „ de toujours “ und der Beziehung von „ t ’ en iras “ zu „ partout “ . „ De toujours “ kann als Attribut eine ihrer Eigenschaften bezeichnen (immergleiche Angekommene, d. h. eine, die in ihrem Bereich des Idealen das Ankommen an einem Ziel gewohnt war, für die das keinen Reiz mehr hatte). Es kann aber auch als Ortsangabe ihre Herkunft „ aus dem Immergleichen “ , aus dem Ewigen meinen. Beide Bedeutungen sind zu berücksichtigen, insofern der Ennui, der sie in ihrem angestammten Bereich beherrschte, der Grund für das Verlassen dieses Bereichs und das Ankommen im Diesseits war. Sie gibt damit zu erkennen, dass sie vom gleichen Begehren angetrieben wurde wie der Idealsucher: sie wollte die Ewigkeit des Immergleichen verlassen, um in einem ihr unbekannten Bereich anzukommen (die Gleichheit zeigt sich in der Verwendung des gleichen Verbums: „ arriver à l ’ inconnu “ galt für den Voyant, „ Arrivée de toujours “ gilt für die Raison). Bei „ partout “ ist ein gleicher Aufbruchswille festzustellen, der im Diesseits allerdings immer wieder neu vorzunehmen ist. Nur die Permanenz des Neuen, das ewig Neue kann für sie die neue Ewigkeit sein. Dazu ist es nötig, dass sie weggeht, und zwar „ überallhin “ , aber auch „ von überall “ wieder weg, dass sie sich nirgendwo aufhält. Es ist kaum zu vermeiden, in dieser Unrast einen Wesenszug von Rimbauds Persönlichkeit wiederzuerkennen. Man könnte darin allerdings auch die Spuren einer symbolistischen Poetik der Suggestion sehen, die das Gemeinte durch Relationierungen schützen muss, den Sinn nur streift und die verfremdende Andeutung bevorzugt, weil dieses Gemeinte, Unbekannte eigentlich nicht auszudrücken ist und etwas von seiner Fremdheit bewahren muss, wenn die Aussage authentisch sein soll. Ein Text wie A une raison, der als ausgearbeitete, allegorische Version des im zweiten Voyant-Brief formulierten Programmpunkts eines „ raisonné dérèglement “ betrachtet werden kann, lässt exemplarisch erkennen, dass die Illuminations ein geistiges Abenteuer darstellen, in dessen Zentrum eine ganz neuartige Einheit von Übersinnlichem und Sinnlichem, Metaphysik und Ästhetik steht.Was in derAllegorie dieses Textes als Idee einer neuen Ästhetik verbildlicht ist, wird in Matinée d ’ ivresse, einem Stück, das wie oben bereits angedeutet (Beispiel 9), aufs engste mit A une raison verbunden ist, aus der Perspektive persönlichen Erlebens als Lösung einer metaphysischen Problematik inszeniert. Der Jubelschrei, mit dem das Stück einsetzt, begrüßt das unmittelbar voraus- 182 Thorsten Greiner <?page no="183"?> gehendeA une raison als „ l ’ oeuvre inou ї e “ , in dem zum ersten Mal die Erschaffung eines „ corps merveilleux “ gelungen sei. Damit ist nichts Geringeres als die Erfüllung der den Schluss der Saison bildenden Prophezeiung, dereinst die Wahrheit „ in einer Seele und einem Körper zu besitzen “ ( „ posséder la vérité dans une âme et un corps “ [R. 280]), gemeint. Der „ Wunderkörper “ ist das Allegoriegebilde, das in A une raison die Seelenwahrheit einer neuen Einheit von Bewusstem und Unbewusstem, Rationalität und Irrationalem verkörpert. Der unbestimmte Artikel, der in der Prophezeiung wie auch in unserem Text auftaucht, deutet in beiden Fällen nicht nur auf die Unbestimmtheit des Dargestellten, sondern auch auf dessen individuellen Charakter. D. h. man muss auch hinter dem Programmatisch-Allgemeinen von A une raison einen individuellen Bezug sehen und etwa in dem Trommel-Herzen, das dort die Kontaktstelle zwischen Ideal- und Menschengestalt bildet, ein persönliches Ich erkennen. Das meldet sich in Matinée d ’ ivresse deutlicher zu Wort (was der Anlass für das interpretatorische Missverständnis einer Haschisch-Erfahrung war), am deutlichsten in der Fassungslosigkeit, die das Ich überkommt ( „ cette promesse, cette démence! “ [R. 297]), als es erkennt, was das gelungene Erschaffen des allegorischen Körpers bedeutet: das Versprechen nämlich, dass der Gegensatz von Gut und Böse aufgehoben ist, das Versprechen einer Erlösung, einer Befreiung seiner Seele aus der Knechtschaft des christlichen Gottes. Die alte mit der Religion gegebene Ideal- und Liebesbeziehung, die immer ungleich, bei der das Ich immer Opfer war, ist überwunden, ersetzt vom hierarchiefreien Verhältnis einer „ nouvelle harmonie “ . Fazit Mit den wenigen Beispielen konnte die Fülle des absolut Neuen, das in diesen Texten zur Darstellung eines neuen Absoluten von Rimbaud aufgeboten wird, nur in ganz groben Zügen angedeutet werden. Ziel war es, zu zeigen, wie Texten, in denen Innenwelt und subtilste Seelenregungen neu gedacht werden, eine Tiefenschicht zu Grunde liegt, deren Teilstücke in rationalen Beziehungen miteinander verbunden sind und die als ganze eine neue Topologie der Seele bildet. Die Funktionsfülle dieser Texte ist durch das Aufspüren von Zeichenrelationen zu erschließen, wobei das Problem des hermeneutischen Zirkels allerdings oft genug Gefahr läuft, zum Teufelskreis zu werden, aus dem man bekanntlich schlecht herauskommt, während bei jenem das Problem besteht, in den Text hineinzukommen (die Schwierigkeit liegt darin, dass ein auffälliges Textzeichen nicht ohne weiteres auf ein außertextliches Sinnsystem, Weltwissen oder das Wissen eines anderen Textes, bezogen werden kann, sondern die ganz neue Denkwelt Rimbauds zu evozieren wäre, die ja aber erst zu erschließen ist; Du nouveau, - idées et formes 183 <?page no="184"?> hat man verstanden, dass Rimbaud sich an Baudelaire abarbeitet, um ihn zu überwinden, ist bereits viel gewonnen). Ein konsequent funktional betriebenes Vorgehen kann in solchen Fällen helfen - auch und gerade dann, wenn das Neue der Hermetik mancher Stellen sich nicht gleich in deren Herme(neu)tik zeigen will. Rimbaud ahnte, dass seine Texte von manchen für unverständlich gehalten werden würden (womit er Recht hatte), wusste er doch, was ihnen vorausgegangen war. „ Le combat spirituel est aussi brutal que la bataille d ’ hommes “ heißt es am Schluss der Saison. Und in Vies I: „ Ma sagesse est aussi dédaignée que le chaos “ . Allerdings hat ihn das Nichts, in das er von solchen Verächtern gestoßen wurde, nicht gestört, denn ihm war klar, wie groß das Erstaunen sein würde, wenn man weniger voreilig urteilte. Weshalb er hinzufügte: „ Qu ’ est mon néant, auprès de la stupeur qui vous attend? “ (R. 295) Literaturverzeichnis Primärliteratur Baudelaire, Charles (1975): Oeuvres complètes I, hrsg. von Claude Pichois. Paris: Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade) Baudelaire, Charles (1976): Oeuvres complètes II, hrsg. von Claude Pichois. Paris: Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade) Breton, André (1979): Manifestes du surréalisme. 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Europe 529/ 530: 114 - 143 Coseriu, Eugenio ⁴ 2007): Textlinguistik. Eine Einführung, hrsg. und bearbeitet von Jörn Albrecht. Tübingen: Gunter Narr (Tübinger Beiträge zur Linguistik 500) 184 Thorsten Greiner <?page no="185"?> Etiemble, René (1961): Le mythe de Rimbaud. Structure du mythe. Paris: Gallimard (Bibliothèque des idées) Fénéon, Félix (1948): Oeuvres, hrsg. von Jean Paulhan. Paris: Gallimard Greiner, Thorsten (1993): Ideal und Ironie. Baudelaires Ästhetik der ‚ modernité ‘ im Wandel vom Verszum Prosagedicht. Tübingen: Niemeyer (Mimesis 18) Greiner, Thorsten (2007): „‘ La clef de l ’ amour ‘ . Liebe als poetologisches Konzept bei Rimbaud (avec une conclusion en fran ҫ ais) “ . In: Die Erfindung des Unbekannten. Wissen und Imagination bei Rimbaud, Thorsten Greiner/ Hermann H. Wetzel (Hrsg.). Würzburg: Königshausen & Neumann, 133 - 186 Greiner, Thorsten (2015): „‘ Trouver une langue ‘ . Rimbauds Kritik an Baudelaire und das Problem der Repräsentation des Absoluten in Une saison en enfer und den Illuminations “ . In: Kommunikation und Repräsentation in den romanischen Kulturen. Festschrift für Gerhard Penzkofer, Christoph Hornung/ Gabriella-Maria Lambrecht/ Annika Sendner (Hrsg.). München: AVM edition, 303 - 329 Guyaux, André (1991): Duplicités de Rimbaud. Genf: Slatkine Izambard, Georges (1991): Rimbaud tel que je l ’ ai connu. Nantes: Le Passeur Kloepfer, Rolf/ Oomen, Ursula (1970): Sprachliche Konstituenten moderner Dichtung. Entwurf einer deskriptiven Poetik - Rimbaud. Bad Homburg v. d. H.: Athenäum Lotman, Jurij M. (1972): Die Struktur literarischer Texte. München: Fink Premuda Perosa, Maria Luisa (1988): Une écriture de l ’ énigme: ‘ H ’ de Rimbaud. Neapel: Edizioni Scientifiche Italiane Zymner, Rüdiger (2009): Lyrik. Umriss und Begriff. Paderborn: mentis Du nouveau, - idées et formes 185 <?page no="187"?> Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung Wolf D. Gruner (Rostock) In a first chapter the Ideas on European Unity are discussed, from the end of the Christian Europe in the 14th century to the Europe of Nation states (Dante, Dubois, Pius II, King George Podiebrad). There were also plans since the 17th century, being the result of a century of wars, proposing models for a perpetual peace, often based on the „ grand dessin “ of King Henri IV of France (Sully, Penn, Bellers, Abbé de Saint Pierre) which are briefly presented in the second Chapter. It was Rousseau as a catalyst for Saint Pierre who inspired Emmanuel Kant for his essay on Perpetual Peace. The third chapter focuses on differing French Europe project between the 1760s and the end of the Napoleonic Wars. The ideas on the role of France in Europe and the world are discussed using speeches and writings of Mirabeau, Robespierre, Cloots and Condorcet. It was Cloots who spoke in favour of the sovereignty of the „ genre humain “ and rejected the idea of a European Federation. Condorcet, a representative of the French Enlightenment and a believer in progress, proposed an arbitration tribunal to solve international conflicts. To keep „ perpetual peace “ he pleded that the progress of societies should be achieved through a „ république universelle des sciences “ . His idea was to create an international academy which should develop a „ world language “ . At the turn of the century there were several proposals by French and also German protagonists who favoured a united Europe under Emperor Napoleon as protector. Gondon rejected the idea of a European Federation and pleaded for a different form of government which might include „ toutes les parties de l ’ univers pour une paix perpétuelle “ , i. e. Europe, Asia, Africa and America. Delisle de Sales was a critique of the French Revolution and an admirer of Napoleon. The European state system should be replaced by a new system of peace, based on the Peace of Westphalia. There were also admirerers outside France in Napoleonic Europe. Among them were Nikolaus Vogt and August Ernst Zinserling. Both considered Napoleon to be the ideal unifier for Europe. <?page no="188"?> Vorüberlegungen Die Idee von der Einigung Europas und der Traum von einem (wieder) vereinten Europa lässt sich bis in das späte 13. und frühe 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Sie hat eine lange historische Tradition. 1 Der europäische Gedanke erhielt insbesondere im 14. und 15. Jahrhundert aufgrund der politischen und ideologischen Rahmenbedingungen eine neue Dimension als sich die Konflikte zwischen Kaiser und Papst um die Vorherrschaft in der „ christianitas “ verschärften. Seit dem 14. Jahrhundert entstanden nationale Staaten in Frankreich, England und Litauen und die „ dynastischen “ Nationen wurden zur „ dritten Kraft “ . 2 Die Einheit und Universalität des christlichen Abendlandes zerbrach. An ihre Stelle traten dynastische, regionale und territoriale Einzelinteressen. Der Traum von der Einheit Europas fand in dieser Zeit, mit unterschiedlicher Akzentsetzungen und Perspektiven, ihren Niederschlag mit der Schrift des Florentiners Dante Alighieri über die „ Monachia “ , 3 mit der Ausarbeitung des Scholastikers Pierre Dubois ‘ von 1306 für den französischen König über die „ de recuperatione terre sancte “ 4 und den Überlegungen Enea Silvio Piccolominis, des späteren Papstes Pius II. 5 sowie mit dem Traktat Georg von Podiebrads, des Königs von Böhmen über einen Bündnis- und Föderationsvertrag aus dem Jahre 1462/ 1464. 6 Die Kreuzzugsidee war seit dem 14. Jahrhundert ein Element für die Einigung Europas, um die heiligen Stätten in Palästina zurück zu gewinnen. DieTürkengefahr als „ Kitt “ für die Vereinigung des Kontinents verblasste seit dem frühen 18. Jahrhundert. Sie wurde nicht mehr als Gefahr für Europa angesehen. 1736 schlug Kardinal Guilio Alberoni vor das Osmanische Reich zu erobern und es unter den europäischen Mächten aufzuteilen und einen immerwährenden Reichstag zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden einzurichten. 7 1 Vgl. Chabod, ( 14 2020) - Rougemont (1990, 1962) - Hay,( 2 1968), - Heater,(1992) - Pagden, (2002) - van der Dussen, ( 3 2015) - Schmale, (2008) - Zahlreiche Europapläne und Europaideen sind u. a. durch die Bibliothèque Nationale de France und durch das Münchner Digitalisierungszentrum der Bayerische Staatsbibliothek im Original verfügbar. Dies gilt auch für die Hathi Trust Digital Library - Einige Pläne liegen als Reprints vor (u. a. bei Georg Olms, Fromman Holzboog und Forgotten Books) oder als Neuausgaben. 2 Vgl. hierzu u. a.: Schilling, (1999). 3 Dante Alighieri, (2007/ 1989), 59 - 249 - Dante Alighieri, (1926) - Dante Alighieri, (1995) - das Entstehungsdatum ist umstritten, wohl 1308/ 12. 4 Pierre Dubois, (1891), verfügbar auch: Bibliothèque nationale de France - Pierre Dubois, (1977). 5 [Pius II.], (1928) - [Pius II.], (1969) - Vgl. auch Toffanin, (1953) - Pius II., (1960) - Pius II., (2005) - Casella, (2006), 55 - 70 - Fischer, (2007). 6 Georgius Bohemiae Rex (King George of Bohemia), (1462, 1964) - Vgl. auch Ernst Schwitzky, (1907). 7 Alberoni, (1736 1913) - [Alberoni], (1736) - Alberoni, (1736), Des welthberühmten Cardinals - Alberoni, (1736), Alberoni ’ s scheme. 188 Wolf D. Gruner <?page no="189"?> Die Erfahrungen Europas mit den langen und blutigen Kriegsjahren des 17. Jahrhunderts entwickelten als neue Leitprinzipien für die Staatenbeziehungen „ Sicherheit “ und „ Ewiger Frieden “ . Diese sollten durch ein System des Gleichgewichtes oder durch einen Europäischen Bund verwirklicht werden. Wichtig für die weiteren Diskussionen zur europäischen Einigung wurde der um 1610 entstandene vermeintliche Europaplan (Grand Dessin) Heinrichs IV. von Frankreich, verfasst und mehrfach veröffentlicht seit 1634/ 38 von seinem Finanzminister Maximilien de Bethune Duc de Sully, 8 auf den bis weit in das 19. Jahrhundert immer wieder - die Autorenschaft Sullys war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt - als „ großer Plan “ Heinrichs IV. Bezug genommen wird. Der „ Grand Dessin “ wurde immer wieder nachgedruckt. Einflussreich war vor allem die englische Übersetzung von 1763. 9 Der Plan sah einen Europäischen Rat der „ christlichen Republik Europa “ vor. Dieser sollte mehrheitlich entscheiden, Schieds- und Gesetzgebungskompetenzen erhalten und quasi als „ Obermacht “ aller europäischen Staaten fungieren. Als „ christlicher Friedensbund “ sollte Europa sein inneres Gleichgewicht erhalten und nach außen handlungsfähig werden. In Sullys Plan vermischten sich europäische Einigungsvorstellungen mit Gleichgewichtskonzepten. Die Idee der Herstellung eines dauerhaften Friedens, „ ewigen Friedens “ , wurde als Friedensprojekt bis in die Gegenwart zu einem Strukturmerkmal für Pläne zur Einigung Europas. Föderations- und Gleichgewichtskonzepte sollten für die Diskussion im 18. Jahrhundert kennzeichnend werden, die auch die Debatten der Gelehrten und Politiker Europas seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert bestimmten. Auf der Suche nach neuen, friedlichen Formen des Zusammenlebens der europäischen Völker wurden William Penn 10 und John Bellers 11 wegweisend. Die europäische Einigungsidee verband sich mit der Friedensidee, mit Völkerbundgedanken und Überlegungen zur dauerhaften Friedenssicherung. 12 Die Personen und auch Gruppen, die sich hierüber Gedanken machten, taten dies aus sehr unterschiedlichen Motiven und vielfach höchst divergierenden Blickwinkeln. Ihre Ideen und Konzepte waren vielfach geprägt und beeinflusst durch einen anders gearteten religiösen, geistigen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrund. Das gilt insbesondere auch für Frankreich als „ Königin des Kontinents “ . Es flossen Erfahrungen aus den eigenen Berufsfeldern der 8 Sully, (1640) - auch in: Michaud / Poujoulat, (1837) - Vgl. auch Hartmann, (1995), 90 - 110. 9 Sully, (1763), Memoirs. 10 William Penn, (1693). 11 Bellers, (1710) - Pace / van den Dungen, (2010) - auch gedruckt in: Fry, (1935), 89 - 103 - Clark, (1987). 12 Vgl. Schilling, (2004), 7 - 20 - Einen guten Überblick vermittelt Raumer, (1953), 61 - 207, 289 - 497. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 189 <?page no="190"?> Verfasser ein, nationale Denktraditionen, aber auch die Besonderheiten der europäischen Geschichtslandschaften aus denen die Akteure kamen. Zunächst waren die Europakonzepte noch eurozentrisch ausgerichtet. Die Termini „ Völkerbund “ und „ Europäische Föderation “ wurden synonym benutzt und bezogen sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf den europäischen Kontinent. Die Verfechter von Europaplänen gehörten in ihren Ländern zu einer Minderheit. Sie wurden als Utopisten, Romantiker und realitätsferne Spinner angesehen. Pläne zur Einheit Europas entstanden vor allem in Krisenzeiten. Sie waren Ausdruck eines das politisch-soziale, kulturelle, mentale und wirtschaftliche Klima der Zeit widerspiegelnden Krisenempfindens. 13 Die Veränderungen im Übergang vom Ancien Regime des alten Europa zum Europa der Moderne und der Industrialisierung vom 18. zum 19. Jahrhundert können als Auslöser für in ihrem Charakter höchst unterschiedliche Europavorstellungen angesehen werden. An die Stelle der in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Föderatoren diskutierten europäische Idee trat seit dem frühen 19. Jahrhundert die Dominanz nationalstaatlichen Denkens und eine nationale Orientierung von Politik, die auch die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten erfasste. Die politische Idee von der einen und unteilbaren Nation als Erbe der Französischen Revolution von 1789 verdrängte und verschüttete den Europagedanken ohne dass er vollständig verschwand, 14 denn der Traum vom vereinten Europa blieb erhalten und wurde, ebenso wie die Ideen von einem europäischen Völkerbund oder einer Europäischen Föderation, immer wieder als Lösung zur Überwindung tiefgreifender Krisen vorgeschlagen und konzipiert. 15 2. Europäischer Völkerbund, Gleichgewicht und ewiger Frieden: Vorstellungen und Konzeptionen zwischen 1789 und 1815 Mit seinem „ Traktat vom Ewigen Frieden “ , den er zwischen 1712 und 1729 in verschiedenen Auflagen und mit unterschiedlichem Umfang vorlegte, wurde der Abbé de Saint Pierre, 16 mit seinen Vorstellungen für eine „ paix perpétuelle “ zum „ ersten großen Propagandisten der Friedensidee “ 17 . Die politischen Eliten und die 13 Vgl. hierzu ausführlicher: Gruner, (2014) - Stollberg-Rilinger, (2000). 14 Vgl. hierzu mit weiterführender Literatur: Malettke (1998), - Gruner (1994), 13 - 38 - Ter Meulen (1917), Bd. 1. 15 Vgl. hierzu u. a.: Gruner, (1992), 173 - 224 mit weiterführender Literatur. 16 Vgl. Saint Pierre, (1712), Bd. 1. - Saint Pierre, (1713), 2 Bde. - Saint Pierre, (1713, 1922), Der Traktat vom Ewigen Frieden - Saint Pierre, (1717), Projet de Traité - Saint Pierre, (1729). 17 Raumer, (1953), 127. 190 Wolf D. Gruner <?page no="191"?> Wissenschaft diskutierten sein Projekt, auch wenn seine Ideen als „ die Träume eines guten Menschen “ galten. Saint Pierre wurde kritisiert und belächelt, galt als naiv, ließ sich aber trotz Kritik und Spott in seinen Zielen nicht beirren. Für Leibniz waren Saint Pierres Ideen realitätsfern, sie handelten vom „ ewigen Frieden auf dem Friedhof “ . Eberhard Georg Wittich kritisierte das Projekt Saint Pierres. Die herangezogenen zeitgenössischen und historischen Modelle für Staatenbünde seien ungeeignet. Die Fürsten werden nie bereit sein, ihre Souveränität zugunsten eines europäischen Völkerbundes aufzugeben. Auch die vorgeschlagenen Institutionen seien nicht geeignet. Weder eine Universalmonarchie noch ein europäischer Friedensbund könnten die Sicherheit und Ruhe Europas erhalten. Geeignet zur Friedenssicherung sei nur eine richtig verstandene Gleichgewichtsordnung. 18 Das Argument, dass Staaten und ihre Regierungen einen Bundeszwang oder obligatorische Schiedsentscheidungen ablehnen würden, sollte im 19. und 20. Jahrhundert im Zeichen nationalstaatlichen Denkens alle Bestrebungen zur Bildung eines Völkerbundes und einer verbindlichen Institutionalisierung des Schiedsgedankens scheitern lassen. 19 Kritik an Saint Pierre kam vor allem von den Völkerrechtlern. Die Staatenbeziehungen sollten durch von allen Mitgliedern der Staatengesellschaft anerkanntes Recht verrechtlicht werden. Dieser Gedanke kam dem aufklärerischen Denken entgegen. 20 Saint Pierre wollte, dass der „ Diéte Européane “ durch die Annahme der „ articles fondamentaux “ , wie er in den „ Annales Politiques “ betonte, eine „ alliance générale & perpétuelle “ herstellen sollte. Er schlug acht Punkte vor. Die zu unterzeichnenden Artikel sollten dazu dienen, 21 1. „ pour former le corps de l ’ arbitrage Européan “ , 2. „ pour avoir sûreté parfaite & perpétuelle contre toutes guerres civiles & étrangéres “ , 3. „ pour avoir sûreté parfaite & perpétuelle de leur conservation personnelle, & de la conservation de leur postérité sur le Trône “ , 4. pour avoir sûreté parfaite & perpétuelle de la conservation de leurs Etats & de leurs droits en l ’ état qu ’ ils les possédent actuellement & suivant les derniers Traités “ , 5. „ pour avoir une grande diminution de leur grande dépense militaire, afin de s ’ employer plus utilement à augmenter les richesses & le bonheur de leur sujets “ , 18 Wittich, 1723. 19 Vgl. u. a. Gruner, (1992). 20 Vgl. hierzu u. a. Vattel, (1758) - Vattel, (1775) - Vattel, (1959). 21 Die nachfolgenden Zitate finden sich in Saint Pierre, (1758), 56 - 58. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 191 <?page no="192"?> 6. „ pour avoir toujoûrs la plus grande liberté qu ’ il soit possible dans leur commerce “ , 7. „ pour avoir toujoûrs sûreté parfaite de l ’ exécution entiére & perpétuelle de leurs promesses réciproques tant passées que futures “ , 8. „ pour avoir sûreté entiére que leurs différends présents & futurs seront toujoûrs terminés sans aucune guerre “ . Um gegenwärtige und zukünftige Konflikte zu vermeiden, sollten alle Mitglieder des „ corps Européan “ auf das Recht militärischer Konfliktregulierung auf Dauer verzichten, Differenzen friedlich schlichten und den Weg der Verständigung in einem Europäischen Bundestag ( „ Diéte Européane “ ) gehen. Sollte ein Schlichtungsversuch scheitern, ils sont convenus de s ’ en raporter au jugement des autres membres représentés à la Diéte Européane par leurs Plénipotentiaires, à la pluralité de voix pour la provision, & aux trois quarts des voix pour le jugement définitif, qui ne s ’ y fera que cinq ans après le jugement provisoire. 22 Saint Pierre war von seinem Projekt zur Herstellung eines ewigen Friedens in Europa und von dessen Realisierbarkeit überzeugt. Ohne den ‘ Katalysator ’ Rousseau 23 wäre Saint Pierre einer der zahlreichen Vorkämpfer des literarischen Pazifismus geblieben. Durch seine Auseinandersetzung mit Saint Pierre systematisierte und strukturierte Rousseau dessen Überlegungen 1761 in seinem „ Extrait “ . Hierzu gehörte die Einrichtung eines ständigen Gesandtenkongresses, die Schaffung eines Schiedsgerichtes zur Regelung von Streitfragen, das Verbot die Interessen militärisch durchzusetzen, die territoriale Besitzstandgarantie, die Festlegung der Rechte und Pflichten der Souveräne sowie das Prinzip der Einstimmigkeit bei der Änderung der Grundartikel. Wichtig war Rousseau zudem, dass der Bund durch die Völker, nicht durch die Fürsten gebildet werden sollte. Rousseau lenkte damit den Blick auf die innerstaatlich-innenpolitische Dimension eines europäischen Völkerbundes. Sowohl Saint Pierres Schriften als auch Rousseaus Bewertung hatten großen Einfluss auf Kants philosophischen Entwurf „ Zum Ewigen Frieden “ von 1795. 24 Kant war sich sicher, dass die von Rousseau in seinem Kommentar zu Saint Pierre vorgeschlagene Idee der Föderalität schließlich zum ewigen Frieden führen werde. Dies war eine bahnbrechende Idee, die in den europäischen Entwürfen 22 Saint Pierre, (1758), 59 - 60. 23 Molinari, de, (1857) - Rousseau, (1761) - Rousseau, (1761), In: Raumer, / 1953), 343 - 368 sowie Rousseaus Urteil über den Plan Saint Pierres, ebd., 369 - 378 - Köhler, (2012) - Vgl. auch: Vaughan, (1915). 24 Kant, (1797, 1984) - Kant, (1796) - Kant, (1795, 1880) - Kant, (1796, 1999) - Kant, (1796, 1998) - Kant, (1795, 1999). - Vgl. Castillo / Leroy, (2001) - Höffe, (2011) - Höffe, (2007). 192 Wolf D. Gruner <?page no="193"?> des 19. Jahrhunderts teilweise fast wortwörtlich von Kant übernommen wurde. Zwei Gesichtspunkte aus Kants „ ewigem Frieden “ wurden zu charakteristischen Elementen für die weitere Entwicklung der Europa- und Völkerbundideen bis in die Gegenwart: 1. Die Grundlage für einen (europäischen) Völkerbund sollte das Recht bilden, somit mussten die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Föderativordnung durch das Recht bestimmt werden, d. h. verrechtlicht werden. 2. Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Föderativsystem war, dass zwischen den politisch-sozialen Systemen der Mitglieder eine gewisse Homogenität bestand. Neu war in Kants Projekt das Prinzip der Homogenität im politisch-sozialen System der Mitglieder eines europäischen Völkerbundes, einer überstaatlichen europäischen Organisation. Für Podiebrad, Crucé, 25 Sully oder Saint-Pierre hatte die Staatsform der Mitglieder ihrer europäischen Bundespläne eine untergeordnete Rolle gespielt. Seit Kant erhielt die Staatsform der Mitglieder einer europäischen Föderativformation mit einer größtmöglichen Homogenität im politisch-sozialen System ganz entscheidende Bedeutung. Die Europapläne und Europavorstellungen Kants, seineTheorien über Europa und eine Föderation der europäischen Völker trugen entscheidend dazu bei, dass die Europakonzepte die idealistische, belächelte und unrealistische Utopie verließen und auf die Ebene des ernsthaften wissenschaftlichen Diskurses gehoben wurden. Seine Schrift ließ den innerstaatlichen Bereich (bürgerliche, republikanische Verfassung) und die Außenbeziehungen institutionell konkreter werden. Die von der Französischen Revolution ausgehenden Impulse auf ganz Europa schienen nun die von Rousseau geforderten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine Republik der Völker zu schaffen. Die Revolution in Frankreich, der Export der Revolution, die französische Expansion über die „ natürlichen Grenzen “ Frankreichs hinaus und das Ziel der Befreiung der Nachbarn vom Joch der Tyrannen, die neuen Formen der Kriegführung, die Entwicklung neuer Kriegstechniken und Waffensysteme und die Furcht vor einer neuen Hegemonie beförderten Überlegungen für einen friedenbewahrenden europäischen Völkerbund. Vielleicht stammten sie, in den Traditionen einer institutionellen Absicherung der „ paix perpétuelle “ stehend, aus einer sich formierenden europäischen und amerikanischen Friedensbewegung. 25 Vgl. zu Crucé ausführlich: Hartmann, (1995). Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 193 <?page no="194"?> 3 Französische Europaprojekte zwischen 1760 und 1814: Aufklärung, Revolution und Napoleon Die Europapläne in den Jahren von der Französischen Revolution bis zur europäischen Neuordnung von 1814/ 15 und der Übergangzeit vom Krieg zum Frieden reichten von Konzepten von Anhängern der Ideen der Revolution, die diese weltweit verwirklicht sehen wollten und in Frankreich das Herzstück für ein Weltreich des Friedens sahen, über Vorstellungen, die Napoleon zum Protektor für Europa machen sollten, die in Napoleon oder ZarAlexander I. einen neuen Heinrich IV. erblickten, Napoleon und Alexander zu Protektoren eines Europäischen Bundes machen wollten, bis hin zu Überlegungen, die als Voraussetzung für Frieden, Sicherheit und Wohlstandsentwicklung eine föderative Ordnung, aber auch eine neue Gleichgewichtsordnung für Europa anstrebten. Hinzu kamen Vorschläge, Konflikte zwischen Staaten auf friedlichem Wege durch Schiedsgerichtsinstitutionen zu regeln, aber auch Überlegungen, die neu gegründeten Vereinigten Staaten von Nordamerika zum Modell für die europäische Einigung und die Sicherung des Friedens vorzusehen. Nicht uninteressant ist ein weiteres Strukturelement des europapolitischen Denkens und der Europaperzeption, die neu gegründeten USA als Modell. Pierre André Gargaz sah in seiner Schrift „ Conciliateur des toutes les nations d ’ Europe, ou projet de paix perpétuelle entre tous les Souverains de l ’ Europe et leurs Voisins “ , 26 diese als nachahmenswertes Modell für die Realisierung des Friedensgedankens in Europa. In den Diskussionen und Verfassungsentwürfen des 19. Jahrhunderts werden die USA als eine Föderativordnung verstanden, die den Interessen der Menschen nach innen und außen am besten gerecht werde. Dies alles waren Vorteile, die aus der Sicht europäischer Beobachter über rein wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile gegenüber Europa weit hinausgingen. Das bundesstaatliche Modell der amerikanischen Republik galt als Weg zur Realisierung des Friedensgedankens in Europa. Die Revolution von 1789 in Frankreich wurde in Frankreich aber auch im Ausland mit Freude begrüßt. Durch sie eröffnete sich die Chance „ das Ideal des so lange erträumten Weltbürgertums und Menschenglücks “ 27 in Frankreich zu verwirklichen, zumal die Erklärung der Nationalversammlung zu den Menschen- und Bürgerrechten in ihrem Charakter kosmopolitisch war. Die Menschenrechtsdebatten in der Nationalversammlung zeigten auch, dass die Zeit für ein neues, allgemein anerkanntes Völkerrecht gekommen sei. Dieses würde auch einen allgemeinen Frieden ermöglichen über den im Frühjahr 1790 diskutiert 26 Gargaz, (1782, 1978) - Gruner, (2019), 157 - 163. 27 Ter Meulen (1929), 2.1., 6. 194 Wolf D. Gruner <?page no="195"?> wurde. Die Nationalversammlung diskutierte im Frühjahr 1790 die zentrale Verfassungsfrage, ob die Nation dem König die Entscheidung über Krieg und Frieden übertragen solle. Graf Mirabeau diskutierte in einer Rede am 20. Mai 1790 vor der Nationalversammlung ausführlich und zahlreiche Aspekte reflektierend und schlug elf Artikel vor „ de décréter comme articles constitutionelles “ : 28 Er formulierte, dass „ Le droit de faire la guerre et la paix appartient à la nation “ . Die Ausübung dieses Rechtes „ sera délégué concurrent au Corps législatif et au pouvoir exéctif “ . Die weiteren Artikelvorschläge regeln die Rechte des Königs. Hierzu gehören u. a. die Sicherheit des Landes und seiner Kolonien zu gewährleisten und allein für die auswärtigen Beziehungen und andere Verhandlungen zuständig zu sein. Im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen müsse er die Nationalversammlung sofort informieren und die Finanzmittel beantragen. Der König schließt mit auswärtigen Mächten Friedens-, Allianz- und Handelsverträge und „ autres conventions qu ’ il jugera convenables au bien de l ’ État; mais les dits traités et conventions n ’ auront d ’ effet qu ’ autant qu ’ ils auront été ratifiés par le Corps législatif “ . 29 Das Recht auf Krieg und Frieden liege bei der Nation, doch, so Mirabeau, könne dieses an Parlament, König und Regierung delegiert werden. Maximilien de Robespierre vertrat dagegen in der Nationalversammlung die Meinung, dass die Nationalversammlung das Recht habe über Krieg und Frieden zu entscheiden, nicht der König, denn „ la nation française, contente d ‘ être libre, ne veut s ’ engager dans aucune guerre “ . Frankreich als freie Nation wolle den Frieden erhalten, mit allen Nationen brüderlich leben und sich daher nicht an Kriegen beteiligen und es veut vivre avec toutes les nations, dans cette fraternité qu ’ avait commandée la nature. Il est de l ’ intérêt des nations de protéger la nation française, parce que c ’ est de la France que doit partir la liberté et le bonheur du monde. Si l ’ on reconnaissait qu ’ il est utile de prendre ces mesures ou toutes autres semblables, il faudrait décider si c ’ est la nation qui a le droit de les prendre. 30 Die Idee Roberpierres wurde in der Debatte aufgegriffen und das Friedensziel betont: Le système d ’ une paix universelle a longtemps passé pour une belle chimère. Certes il peut être permis au peuple français du XVIIIe siècle et à l ’ Assemblée nationale de 1789, d ’ en convevoir l ’ idée et d ’ en presenter l ’ esperance. 31 28 Mirabeau (1790, 1921), 61 - 63, 61. 29 Ebda., 61, 63. 30 Moniteur IV/ 373, sowie Robespierre 15.5.1790 - Roberspierre, 1840, II-III - Vgl. auch Ter Meulen, (1929), 2.1., 6 - 7 - vgl. auch: Garrigues, (2017), 9 - 65 - Chaussinand-Nogaret (2005). 31 Moniteur IV/ 392. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 195 <?page no="196"?> In der konstitutionellen Phase der Französischen Revolution bis 1791/ 92 waren die Führer der Revolution durchaus der Ansicht, dass durch das französische Beispiel jetzt der Weg zu einer „ Weltbrüderschaft “ , zu einer menschlichen Gesellschaft geöffnet werde. Graf Honoré Gabriel de Mirabeau sprach daher am 25. August 1790 im Namen des Ausschusses für Diplomatie, die Revolution eröffne die Hoffnung, dass die Ideale der Philosophen nun eingelöst werden könnten. Die von den Verbrechen des Krieges erlöste Menschheit werde den Weltfrieden proklamieren: Il n ’ est pas loin de nous peut-être, ce moment où la liberté, régnant sans rivale sur les deux mondes, réalisera le voeu de la philosophie, absoudra l ’ espèce humaine du crime de la guerre et proclamera la paix universelle : alors le bonheur des peuples sera le seul but des législateurs, la seule force des lois, la seule gloire des nations : alors les passions particulières, transformées en vertus publiques, ne déchireront plus par des querelles sanglantes les noeds de la fraternité qui doivent unir tous les gouvernemens et tous les hommes; alors se consommera le pacte de la fédération du genre humain. 32 Indem die Nation ihre Gesetze und ihre Moral verändert, meinte Mirabeau, wird sie sans doubte changer sa politique ; mais elle est encore condamnée, par les erreurs qui règnent en Europe, à suivre partiellement un ancien système qu ’ elle ne pourrait détruiere soudainement sans péril. 33 Er war aber überzeugt: L ’ influence tôt ou tard irrésistible d ’ une nation forte de vingt quartre millions d ’ hommes parlant la même langue, ramenant l ’ art social aux notions simples de liberté et d ’ équité, qui, douées d ’ un charme irréstisible pour le coeur humain, trouveront dans toutes les contrées du monde des missionaires et de prosélytes ; l ’ influence d ’ une telle nation conquerra sans doute l ’ Europe entière à la verité, à la modération, à la justice ; mais non pas tout à la fois, non pas en un seul jour, non pas en un même instant. 34 Jean Baptiste Cloots 35 gehörte zu den Vertretern der Revolution von 1789, die kosmopolitische Ideen vertraten und sie auch in ihren Schriften verkündeten. Es war derTraum von der universalen Republik. Als Anhänger Rousseaus trat er für die Souveränität des Volkes ein. Zwei Souveräne, das Volk und die Fürsten: „ Deux soleils sur l ’ horizon nous donneroient un faux jour; deux souverains sur la terre 32 Mirabeau, (1790, 1820), II, 445 (25.8.1790), zitiert auch bei Ter Meulen, (1929), 2.1, 5 - Vgl. auch Gruner, (1998), 162 - Wilms, (2017). 33 Mirabeau, (1790, 1820), II, 446. 34 Ebd. 35 Cloots, 1795. - Cloots Anacharsis, 1793 - Cloots, 1790 - 1794 - Cloots, 1979 - Cloots, 1980 - Schminnes 1988. 196 Wolf D. Gruner <?page no="197"?> sont aussi absurdes que deux dieux dans le ciel “ . 36 Als leidenschaftlicher Verteidiger der Revolution war er davon überzeugt, dass, geleitet von Frankreich, ein „ Weltreich des Friedens “ gegründet werden würde. Wie in vielen anderen französischen Welt- und Europaplänen war die französische Hauptstadt der Mittelpunkt und die Seele dieses Friedensreiches. 37 Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Föderationsfestes präsentierte Cloots der „ Assemblée constituante “ in seiner Rede am 19. Juni 1790 eine Deputation „ composée d ’ Anglais, de Prussiens, de Siciliens, de Hollandais, de Russes, de Polonais, d ’ Allemands, de Suédois, d ’ Italiens, d ’ Espagnols, de Brabarçons, de Liégeois, d ’ Avignonnais, de Suisses, de Genevois, d ’ Indiens, d ’ Arabes, de Chaldéens, etc.etc. “ . 38 Cloots betonte, dass „ la fête de la Fédération “ vorbereitet werde: Cette solennité civique ne sera pas seulement la fête des François , mais encore la fête du la genre humain. La trompete qui sonne la résurrection d ’ un grand peuple a rententi aux quartre coins du monde, et les chants d ’ allégresse d ’ un choeur de vingt-cinq millions d ’ hommes libres ont réveillé les peuples ensevelis dans un long ensclavage. 39 Cloots wird aber in seinen Vorstellungen zu einer „ Republik der Menschheit “ , beispielsweise wie sie institutionell organisiert werden soll, nie konkret. Er wird als „ un rêveur exalté, sans aucun talent pour une activité politique ou conspiratrice “ und als ein „ idéaliste doctrinaire “ charakterisiert. 40 Seit dem Spätjahr 1791 verfestigte sich bei ihm die Meinung, dass seine Weltfriedensrepublik nur verwirklicht werden könne, wenn das freie Volk sich in Waffen gegen die Fürsten erhebt und Europa zeige, dass es den Krieg um des Friedens willen führe. Schlüsselwort in seinen Überlegungen, das sich durch seine Reden und Schriften zieht, ist das gottgleiche, souveräne „ genre humain “ , denn la souveraineté reside essentiellement dans le genre humain entier; elle est une, indivisible, impresciptible, immuable, inaliénable, impérisable, illimitée, absolue, sans bornes et toute-puissante. 41 Der universale Friede werde erreicht, si les droits de l ’ homme étoient reconnus par-tout; car quiconque reconnoitra ces droits, se rangera de notre coté [ … ] La fortune des tyrans est placée sur trente têtes ; mais la fortune du peuple est placée sur toutes les têtes de l ’ espèce humaine. 42 36 Cloots, 1793, 15 - Zitiert auch bei Ter Meulen, 1929, 2.1., 21. 37 Ebd. 38 Moniteur IV, 1790, 675. 39 Ebd. - Cloots, (1790), 1 - 4 - vgl. auch Soboul 1980, 30 - 33. 40 Vgl. Lange / Schou, 1954, II, 375 - 377, 377. 41 Cloots, (1793), 4. 42 Ebd., 40 (im Original gesperrt gedruckt). Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 197 <?page no="198"?> Im Frühjahr 1792 als sich das revolutionäre Frankreich und die Fürsten Europas auf militärische Auseinandersetzungen einstellten und die Rüstungen vorantrieben, zeichnet er ein schwarz-weiß-Bild von Fürsten und Völkern, wenn er in seinem Antrag an die verfassunggebende Versammlung formulierte: Les tyrans de l ’ Europe ont allumé la guerre ; les assemblées primaires de l ’ Europe proclameront la paix. Tous les tyrans s ’ accordent à rejecter la declarations des droits; tous les hommes libres s ’ accordent à promulguer cette déclaration. De l ’ accord des premiers naît la discorde universelle, et de la concorde des seconds naît l ’ harmonie perpétuelle. 43 Anders als frühere und spätere Pläne zur Herstellung der europäischen Einheit lehnte Cloots föderative Zusammenschlüsse entschieden ab. Dies gelte für das Schweizer Kantonsmodell ebenso wie für die niederländischen Generalstaaten oder die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Ihm schwebte ein Bund vor, der sich auf den Menschen gründet: Nombre d ’ écrivains politiques ont présenté des projets de paix perpétuelle, de confédération d ’ états, de nations ; mais aucun homme ne s ’ est élevé au véritable principe de l ’ unité souveraine, de la confédération individuelle. 44 Der Enzyklopädist und Philosoph Jean Marquis de Condorcet 45 war einer der interessantesten Vertreter eines allgemeinen Friedens in der Revolutionszeit. Mit seiner Kulturphilosophie erreichte die französische Aufklärung einen abschließenden Höhepunkt. Seine Ideen basierten, anders als bei Cloots, auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Fragen und Problemen. Er gilt als einer der letzten Enzyklopädisten und Philosophen der Aufklärung. Auf die Aufklärung blickte er bereits als eine „ historische Erscheinung “ . Mit seiner kurz vor seinem Tode 1794 verfassten Schrift „ Esquisse d ’ un Tableau Historique des Progrès de l ’ Esprit Humain “ , eines Entwurfes einer historischen Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes, 46 wird er zu einem „ der wichtigsten Vertreter des Fortschrittsoptimismus und Denker der Aufklärung vor und während der Zeit der Französischen Revolution “ . 47 Condorcet ordnete die Aufklärung in eine Geschichte des Fortschritts des menschlichen Geistes ein. In einer Abhandlung von 1783, mit dem Titel „ De l ’ influence de la révolution d ’ Amerique sur l ’ Europe “ , 48 sprach er sich 43 Ebda (im Original gesperrt gedruckt). 44 Cloots, (1795), 42 (im Original gesperrt gedruckt). 45 Condorcet, (1847 - 1849, 1968) - Condorcet, (1849 - Vgl. auch: Reichardt, (1973) - Cassirer, (2007) - Ter Meulen, (1929), 2.1, 14 - 21 - Lange / Schou, (1954), II, 377 - 381. 46 Condorcet, (1795) - Condorcet, (1800), VIII, 1 - 378, 385 - 603 - Condorcet, (1795,1976). 47 Groß, (2012), 1 - Lebrecht, (1934, 1974) - Lüchinger, (2002). 48 Condorcet, (1783, 1847). 198 Wolf D. Gruner <?page no="199"?> gegen den Krieg aus und betrachtete den Einfluss der amerikanischen Revolution unter dem Blickwinkel der Friedenserhaltung. Auch verteidigte er den Friedensplan des Abbé de Saint Pierre. Dieser habe darauf gesetzt, dass das Verstandesmäßige im Menschen sich durchsetzen werde und die Nationen das Kriegsrecht aufgeben und ihre Interessen und Ziele der Entscheidung eines Schiedsgerichtes unterwerfen werden: Er glaubte que les hommes seraient un jour assez raisonables pour que les nations consentissant, d ’ un commun accord, à renoncer au droit barbare de la guerre, et à soumettre au jugement d ’ arbitres paisibles la discussion de leur prétentions, de leur interêts ou de leur griefs. Sans doute cette idée n ’ est pas chimérique : il est si clairement prouvé que la guerre ne peut jamais être un bien pour la pluralité des individus d ’ une nation ! Et pourquoi les hommes qui se sont accordés si longtemps pour se livrer à des erreurs absurdes et funestes, ne s ’ accorderaient-ils pas un jour pour adopter des vérités simples et salutaires ? Mais cette espérance est encore loin de se réaliser. 49 Condorcet plädierte daher dafür, dass die einzelnen Staaten ihre Flotten und Heere behalten sollten, da eineAbschaffung sich nicht würde durchsetzen lassen. Er schlug aber einen internationalen Gerichtshof vor, der Streitigkeiten unter Staaten regeln sollte, 50 ein Vorschlag, der am Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgenommen wurde. Für den Gerichtshof sah er auch Gesetzgebungskompetenzen für das Neutralitäts-, Kriegs- und Friedensrecht vor. Er hoffte auch auf das Vorbild der USA in denen der Freiheits-, Rechts- und Friedensgedanke bereits etabliert sei. Die Friedens- und Schiedsgedanken gab Condorcet jedoch auf, als das alte, kriegerische Europa Frankreich angriff. Dennoch lehnte er einen Eroberungskrieg ab, den auch die Französische Verfassung von 1791 untersagte. Condorcet hoffte, dass durch die Erziehung und die geistige Entwicklung sich die internationalen Beziehungen verändern und Konflikte friedlich gelöst werden könnten. Die Völker müssten sich aber von der „ Kriegsgeißel “ befreien. 51 Das Zusammenwirken aller Menschen und Völker der Welt für den Fortschritt im gesellschaftlichen Bereich müsste ergänzt werden durch eine „ république universelle des sciences “ . Er stellte sich dabei eine Internationale Akademie vor, die auch eine „ Weltsprache “ entwickeln sollte. 52 49 Ebd., VIII, 21 f. 50 Ebd., 22: „ renoncer au droit de faire la guerre, il leur eût proposé de conserver ce droit, mais d ’ établir en même temps un tribunal chargé de juger, au nom de toutes les nations, les différends qui peuvent s ’ élever entre elles “ . 51 Condorcet, (1847), VI., 265 (« Les peuples plus éclairés[ … ] apprendront peu à peu à regarder la guerre comme le fléau le plus funeste, comme le plus grand des crimes »). 52 Ebd., 603. (« l ’ usage d ’ une même langue, et les communications faciles et multipliées qui en sont la suite. Je parlerai ensuite de la réunion générale des savants du globe dans une république universelle de sciences »). Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 199 <?page no="200"?> Joseph Jean Baptiste Gondon, 53 befasste sich in seinen 1807/ 08 vorgelegten Schriften mit dem Staatsrecht, dem Völkerrecht sowie mit den Maßnahmen, die zur Herstellung des ewigen Friedens führen sollten. Charakteristisch für seine umfangreiche Darstellung sind zahlreiche, oftmals nicht klar herausgearbeitete Aspekte, die er in verschiedenen Zusammenhängen wiederholt. Ihn interessiert, wie unter der Führung Napoleons die „ paix générale “ erreicht werden könne. Es gehe ihm dabei „ pour l ’ intérêt de toutes les nations du monde “ . 54 Sein Ziel sei es daher „ de réunir les peuples pour les faire jouir d ’ une paix imperturbable “ . 55 Grundlage hierfür müsse die Schaffung eines „ gouvernement politique “ sein, das über den anderen Verwaltungsebenen stehe und die Beziehungen zwischen den Staaten unter größtmöglicher Bewahrung der Rechte der Völker und der Regierungen regelt. Als „ gouvernement civil “ bezeichnet er die Regierungsautorität jedes einzelnen Staates. Europa unter eine Regierung zu stellen hielt Gondon für problematisch, denn die Völker und Staaten seien aufgrund ihrer Traditionen, ihrer Lebensräume, ihrer geographischen Situation und ihrer Interessen grundverschieden, d. h. „ on ne pourrait établir une confédération de cette espèce qu ’ autant qu ’ il y aurait entre tous les gouvernemens l ’ unité de nature et l ’ unité de principe “ . 56 Eine Konöderation aller europäischen Mächte, s ’ il était possible de établir sous un même gouvernement civil, nuirait plus à leur liberté particulière que ces oppositions d ’ état à état qui empêchent le flux et le reflux des peuples, et réglent les droits des gouvernemens d ’ après une espèce de balance qui, de versatile qu ’ elle est, pourrait devenir stable en l ’ établisent sur de contre-poids égaux : or, il vaudrait mieux encore que les états fussent sans gouvernement politique que de les constuituer sous un gouvernement fédératif, parce ’ que dans cette mutuelle dépendance les grand puissances peseraient trop sur les petites, et finiraient par les écraser. 57 Mit Blick auf den Niedergang des Römischen Reiches merkte er an, dass les différences caractéristiques qui existent entre les divers peuples à raison des climats ne permettent pas de former une semblable institution. Ce serait encore un très-grand danger pour le genre humain pour se trouver exposé à la puissance énorme d ’ une seule monarchie européenne “ . 58 53 Gondon, (1808), 1 - Gondon, (1807) - vgl. auch Saalfeld, (1809) - Vgl. auch Ter Meulen, (1929), 2.1., 100 - 109 sowie Lange / Schou, II, 428 f. 54 Gondon, (1808), I, i. 55 Ebda, I, xv. 56 Ebda., III, 12. 57 Ebd., 12 f. 58 Vgl. hierzu ebda, Bd. III: „ Livre Sixième. De la Perfection de la Société des peuples à peuple par l ’ institution d ’ un Gouvernement politique qui doit établir la paix générale et perpétuelle ” , 10 f. 200 Wolf D. Gruner <?page no="201"?> Es müsse eine andere Regierungsform gefunden werden, „ qui puisse procurer la paix à l ’ Europe sans nuire aux peuples ni aux souverains “ . 59 Auch die Bildung einer europäischen Föderation schien aus Gondons Sicht nicht geeignet zu sein: J ’ ai encore examiné si l ’ on ne pourrait pas fonder parmi tous les peuples européens un gouvernement fédératif qui pût leur procurer une paix imperturbable avec les avantages d ’ une bonne administration civile ; mais j ’ en ai reconnu l ’ impossibilité : on ne pourrait établir une confédération de cette espèce qu ’ autant qu ’ il y aurait entre tous les governemens l ’ unité de nature et l ’ unité de principe. Or, celui qui voudrait composer un gouvernement fédératif des divers états européens formerait un corps monstrueux qui se détruirait de se propres mains. 60 Gondon schlug in seinem Werk auch drei politische Institutionen vor: 61 „ Pour former le gouvernement politique il faut créer trois corps ou pouvoirs permanens qui devront être placés au centre de tous les gouvernemens civils de l ’ Europe; savoir un congrès, un tribunal et un protectorat “ . Die Funktionen sind unterschiedlich und haben das gleiche Ziel: Ces trois pouvoirs agiront de concert pour maintenir la paix générale: le premier, qui sera placé dans les mains du Congrès, s ’ appellera la puissance observatrice ou inspectrice; le second, qui sera remis entre les mains du tribunal, s ’ appellera la puissance judicaire ou décisive; et le troisième, qui sera confié au protectorat, s ’ appellera puissance protective ou gardienne. Ces trois puissances établiront concurremment une paix immuable entre les états européenns : les fonctions qu ’ elles exerceront seront passives quand chaque empire restera dans ses bornes. 62 Europa sollte einen „ Protektor “ erhalten, der zusammen mit zwei Stellvertretern mehrheitlich vom Kongress auf Lebenszeit oder zumindest auf zehn Jahre gewählt werden sollte. Ihm würden die Truppenkontingente der europäischen Staaten unterstellt werden, die einsatzbereit sein sollten „ pour donner sécours à l ’ état qui sera menacé “ . 63 Die gemeinsam zu unterhaltende „ armée protectorale “ durfte in ihrer Gesamtstärke die der Truppen des größten Staates nicht übersteigen. 64 Wichtig sind Gondon einige für das Zusammenwirken von kleinen und großen Staaten wichtige Grundprinzipien. Bei der 59 Ebda, 11. 60 Ebda, 11 f. 61 Ebda., Chapitre II: “ Organisation du Gouvernement politique ” , 52 - 83 62 Ebda., 52. 63 Ebda, 251 64 Ebda, 274 f. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 201 <?page no="202"?> nomination des députés c ’ est l ’ égalité des voix qui doit garantir la balance des suffrages ; et dans la formation de l ’ armée protectorale c ’ est la proportion relative des troupes qui doit assurer l ’ équilibre des forces. 65 Gondon glaubte, dass die Bildung einer internationalen europäischen Organisation die Stärke der einzelnen Armeen drastisch reduzieren, ein politisches Mächtegleichgewicht schaffen und zu einer allgemeinen Handelsfreiheit führen würde. Als geeignete Persönlichkeit für das Protektorenamt sah er Napoleon an. Ohne ihn direkt zu nennen, schreibt er in einer Anmerkung: Le génie capable d ’ exécuter ce plan existe ; je n ’ ai pas besoin de le nommer, parce qu ’ il fait l ’ admiration du monde par son génie supérieur. 66 In seinen abschließenden Überlegungen ging Gondon der Frage nach, ob das „ gouvernement politique “ nicht auch auf alle Völker der Welt ausgeweitet werden könne. Der „ type de gouvernement politique de l ’ Europe “ könnte von Asien, Afrika und Amerika mit den lokal bedingten notwendigen Modifikationen übernommen werden. 67 Die Auswirkung der Verbindung der vier politischen Kontinentalregierungen wird sein, de lier par le commerce toutes les parties de l ’ univers pour une paix perpétuelle : par cette sublime institution l ’ Europe, l ’ Asie, l ’ Afrique et l ’ Amérique parviendraient à un si haut degré de puissance et gloire que l ’ histoire n ’ aurait jamais rien présenté de semblable aux nations de la terre. Que l ’ on oppose les biens de la paix au maux de la guerre ; que l ’ on compare le petit nombre de troupes qu ’ il faudrait entretenir avec ces armées innombrables qu ’ on entretient à grand frais, même lorsqu ’ elles sont inutiles, et l ’ on reconnaîtra l ’ importance de cette sublime institution. 68 Im Jahre 1800, kurz nach dem Staatsstreich Bonapartes, veröffentlichte Jean Baptiste Claude Isoard unter dem Namen Delisle de Sales eine Schrift über die Möglichkeiten einer französischen Regierung nach dem Ende der Revolution 69 und befasste sich in einer weiteren mit den Grundlagen eines europäischen Friedens. 70 Delisle de Sales war ein Bewunderer Napoleons und ein scharfer Kritiker der Folgen der Revolution. Frankreich als eine „ Nation vive et ardente a été entrainée à une révolution dont elle espéroit le bonheur qui lui étoit présenté sous les appas de la liberté “ . 71 Die Hoffnungen erfüllten sich für die Franzosen 65 Ebda, 254. 66 Ebda, 29 Anm. 1. vgl. auch Delisle, (1799). 67 Ebda, 326 f. 68 Ebda, 331 f. 69 [Anonym, Delisle de Sales], (1800-1) - Delisle de Sales, (1799) - vgl. auch Ter Meulen, (1929), 2.1, 97 - 100 - Maladain, (1982). 70 Delisle de Sales, (An IX 1800-2). 71 Delisle de Sales, (1800-1), 5. 202 Wolf D. Gruner <?page no="203"?> nicht. Die Erfolge Napoleons veränderten die Lage. Er gab Europa den Frieden zurück. Deslisle de Sales beschreibt die militärischen Erfolge des jungen Napoleon in Italien. Dieser sei couvert de gloire, vainqueur incomparable par ses talens et la valeur des François, une gloire nouvelle l ’ attend. Elle est plus belle, plus pure que celle qui l ’ environne déjà. C ’ est la gloire de Pacificateur selon le voeu général de l ’ Europe. Quand on sait comme lui faire la guerre, on doit savoir faire la paix. Il faut que l ’ historien puisse dire de Lui : Il fut plus grand par sa moderation que par ses victoires ; alors tous les membres du Gouvernement françois, alors tous les François partageront sa gloire. C ’ est ainsi qu ’ ils effaceront, en quelque sorte, les maux que leur révolution a causés à l ’ Europe. 72 In seinem Buch über den europäischen Frieden und seine Grundlagen kritisierte er das System der europäischen Staatenbeziehungen, das durch ein neues Friedenssystem abgelöst werden sollte. Er setzt seine Hoffnung darauf, dass „ le besoin de la paix a rendu pour la première fois l ’ Europe entière cosmopolite “ . 73 Auf einem internationalen Kongress sollte Europa neu geordnet werden. Delisle de Sales schlug vor zu den Grundlagen des Westfälischen Friedens von 1648 zurückzukehren. Die Sicherung eines dauerhaften Friedens - und Bonaparte sah er als „ restaurateur des principes essentiels de stabilisation “ - plante er die Errichtung eines permanenten Internationalen Gerichtshofes. Die Mitglieder des Gerichtshofes sollten durch die Staaten benannt werden: Ce Tribunal doit être essentiellement composé des Représentans, ou fixes, ou amovibles, de tous les États indépendans qui constituent la composition politique de l ’ Europe. 74 Das Tribunal sollte seinen Sitz in einer im Zentrum der „ Confédération générale “ liegenden Stadt haben. Unter den Mitgliedern sollte eine „ égalité plus parfaite “ herrschen, d. h. der Vertreter Genfs besass die gleichen Rechte wie der der Französischen Republik oder des Hauses Österreich. Das Tribunal sollte „ pour atteindre au but proposé de concorde générale “ aus zwei voneinander unabhängigen Kammern bestehen, von denen die eine alle Streitsachen vorbereitet, die andere das Urteil der ersten Instanz fällt und beide Kammern gemeinsam zu einem Urteil kommen für das es keine Revision geben kann. De Sales forderte daher, dass in kritischen, Europa von außen drohenden Gefahren, leTribunal suprême montrera toute son énergie ; il mettra l ’ État désorganisateur au ban de l ’ Europe, et appellera, par un Manifeste, toutes les Puissances confédérées au secours de la Confédération ; alors le grand étendard de la République générale, comme celui de 72 Ebda, 37. 73 Delisle de Sales, (1800-2), 30. 74 Ebda, 364 f. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 203 <?page no="204"?> Mahomet, dans les dangers éminens de l ’ Empire Ottoman, sera déployé, et l ’ État proscrit se trouvera en état de siège, au milieu de l ’ Europe. 75 Seine Vorstellungen fasste Delisle de Sales in seinem Schlusskapitel „ Du Tribunal de l ’ équilibre “ zusammen. Ohne die Achtung vor der Religion, ohne den Respekt vor dem Eigentum der Gemeinschaft und des Einzelnen kann es keinen allgemeinen Frieden geben. Un autre théorême non moins fondamental dans la Diplomatie, que j ’ ai mis à l ’ abri de toute atteinte, c ’ est que les Fondateurs de la Paix de Munster et d ’ Osnabruck, conservateurs des toutes les Propriétés du temps, ont jeté, il y a un siècle et demi, les bases d ’ une Paix éternelle. Appliquant ensuite ces deux grands principes à la situation actuelle de l ’ Europe, j ’ ai tantôt prouvé, tantôt insinué, qu ’ à quelques modifications près, commandées par une prudence tutélaire et conservatrice, la Paix générale, que demandent toutes les Puissances, dépend de leur adhésion trèsprononcée aux élémens de la Paix de Westphalie. 76 Napoleon Bonaparte hatte auch Bewunderer außerhalb Frankreichs. Zu ihnen zählten Nikolaus Vogt, 77 - er war 1789 der akademische Lehrer Metternichs an der Universität Straßburg - August E. Zinserling 78 und auch Karl Christian Friedrich Krause. 79 Der Philosoph, Mathematiker und Sprachwissenschaftler Krause gehörte bis zur Kriegswende 1812/ 13 zu den Bewunderern Napoleons. In seinen Schriften setzte er auf die Verwirklichung seines Menschheitsideals durch Napoleon und Frankreich. 80 Viele Zeitgenossen sahen in Napoleon den möglichen Vollender des „ Großen Plans “ Heinrichs IV., den Wiederbegründer des Reiches Karls des Großen, von Charlemagne, der Europa einen und den Frieden bringen werde. Nikolaus Vogt sah in Napoleon „ das gesellschaftliche Ideal “ . Alle Versuche den „ gesellschaftlichen Zustand zu veredeln “ erfordern bei den Menschen “ Uebereinstimmung “ und guten Willen, „ eine seltene Geisteskraft, oder eine unbeschränkte Macht. Das beydes in der Person des Kaisers Napoleon vereinigt ist, so scheint mir kein Zeitpunkt schicklicher zu seyn, über ein gesellschaftliches Ideal zu reden, als der gegenwärtige, wo nach so vielen mißlungenen Versuchen das Schicksal der Menschen wieder den Händen dieses Einen anvertraut wurde “ . 81 Vogt war überzeugt, dass Napoleon die Rolle des 75 Ebda, 368 f 76 Ebda, 360 f. 77 Vgl. Vogt, (1804 - 1809), Bd. 3 - 13 - Vogt, (1808-1). 78 Zinserling, (1809). 79 Krause, (1811) - Vgl. hierzu ausführlicher: Gruner, (2006), 145 - 167. 80 Gruner, (2006), 157 - 164. 81 Vogt, (1808-2), Bd. 11, 128 f. 204 Wolf D. Gruner <?page no="205"?> großen Friedensstifters übernehmen werde. 82 Zum Charakter des von Napoleon geplanten europäischen Völkerbundes bemerkte Vogt, dass in den mit Frankreich zu verbindenden Staaten durch die Einführung des „ Code Napoléon “ die Gleichheit der Bürger sichergestellt werde, dass die Autonomie der einzelnen Staaten in einer föderativen Ordnung erhalten und dass durch das Hausgesetz Bonapartes die Einheit der Regierung bewahrt werde. 83 Durch das Zutun der deutschen Fürsten sei die alte Reichsverfassung zertrümmert worden. Napoleon herrsche als Protektor vom Rhein bis zur Elbe: „ Von seinen Staatskräften hat Deutschland nicht mehr zu erwarten; sein Schutz und seine Hoffnung beruhet auf des französischen Kaisers Macht und dessen Weisheit “ . 84 So lange Napoleon lebe „ und der rheinische Bund durch seine siegreichen Waffen geschützt ist, [werde] nie wieder Krieg das Innere von Deutschland verwüsten “ . 85 Hinzu komme, „ daß der Kaiser Napoleon, obwohl Sieger und Herr über den ganzen Süden von Europa, doch jederzeit die Nationalunabhängigkeit in allen Friedensschlüssen und Verfassungen anerkannt hat “ . 86 Der Philologe und Historiker August Ernst Zinserling hatte noch 1809 keine Zweifel, dass Napoleon zum Föderator Europas werden und die europäischen Völker in einem Bundesstaat vereinigen könne. Napoleon habe „ pour garantir le bonheur des peuples les réuni tous dans une grande confédération dirigée par la force de son génie “ . 87 Die „ merveilleuse union des tous les peuples du monde sous un même empire, ne sont pas encore universellement dévéloppées “ . 88 Napoleon wache „ sur le bonheur des ses peuples. Enfin on ne saurait nier en considérant la politique féderative de Napoléon, qu ’ il est impossible de se régler sur un plus parfait modèle “ . 89 Wegen seines monarchischen Charakters sei der Bundesstaat nach dem napoleonischen Model einem Staatenbunde vorzuziehen: Nous n ’ aurons droit d ’ éspérer des loix éternelles pour la confédérati[o]n Française que quand elle embrassera tous les peoples de la terre. Et quelles loix ne doit-on pas attendre ? - C ’ est le grand Napoléon qui les donnera ! 90 In einer anonymen Schrift wurde 1813, als sich das Ende der napoleonischen Herrschaft über Euopa abzeichnete, der “ Einfall ” Zinserlings “ seinem großen 82 Vgl. hierzu: Vogt, (1807 - 1809), Bde. 9,10, 11, 12, 13,14 - Vogt, (1808-1), Völkerbund. 83 Vogt, (1808-2), Bd. 12, 222 f. 84 Vogt, (1810), 430. 85 Ebda., 431. 86 Ebda. 87 Zinserling, (1809), 14. 88 Zinserling, (1809), 13. 89 Zinserling, (1809), 71. 90 Zinserling, (1809), 84. Französische Europapläne und Europaideen im Zeitalter von Revolution und Aufklärung 205 <?page no="206"?> Napoleon die Herrschaft der Welt zu prophezeien ” und die Welt zu beglücken mit Schadenfreude und Polemik kommentiert. Der Verfasser meinte Zinserling “ habe den wahren prophetischen Geist nicht gehabt ” . Er selbst sei kein Prophet, “ aber ich denke, man könne ohne Prophet zu seyn, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit voraus sagen, daß der große Weltbeherrscher sich nun werde begnügen müssen, seine Franzosen (besonders da sie auch selbst keine große Lust mehr zu haben scheinen, sich für Zucker und Kaffee noch länger todt schießen zu lassen! ) zu beherrschen. Ich glaube selbst, daß es Mittel gebe, ihm auch diese Herrschaft, wo nicht ganz, wenigstens zum Theile zu entreissen [ … ] Indessen wünsche ich dem verunglückten Weltbeglücker und seinem falschen Propheten gute Geduld, welche sie beyde wohl werden brauchen können ” . 91 Von den zahlreichen Europa- und Deutschlandplänen in der Schlussphase der Napoleonischen Kriege, fanden viele Europapläne aus den unterschiedlichsten Gründen kaum Resonanz in der zeitgenössischen Diskussion. Es waren dies aber Überlegungen, die wichtige Aspekte für die weiteren Diskussionen enthielten. Hierzu gehörten u. a. der 1814 dem Wiener Kongress von Saint Simon über die Reorganisation der europäischen Gesellschaft vorgelegte Plan 92 oder der etwa gleichzeitig verfasste „ Entwurf eines europäischen Staatenbundes “ des Rechtsphilosophen Karl Christian Friedrich Krause. Beide, Saint Simon und Krause, passten nicht in die politische Landschaft am Ende der Napoleonischen Kriege. Ein Motiv eine europäische Vereinigung, einen Staatenbund oder eine Europäische Föderation zu schaffen, um vereint und gestärkt gegen außereuropäische Mächte auftreten zu können, wie Conrad von Schmidt-Phiseldek in seinem „ Europa und Amerika “ forderte, 93 kehrte im Verlauf des 19. Jahrhunderts und verstärkt im Vorfeld des Ersten Weltkrieges wieder und reichte über die Forderung, Europa als „ dritte Kraft “ zu etablieren bis in die Diskussionen der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und in die unmittelbare Gegenwart hinein. 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Their role as part of the officially recognized Croatian minority in Romania led to the conclusion that they were a national minority. However, first and foremost, they are a linguistic and religious minority in a clearly delimited area. This article shows how the Krashovans managed in the past to survive as a small population group in a foreign-language environment, and what challenges they have to face today in oder to preserve their culture, language and identity. 1. Intention des Beitrages Inmitten rumänischer und deutscher Siedlungen liegen in einem Becken des Banater Berglandes, im Kreis Cara ș -Severin südwestlich von Reschitz und im Einzugsgebiet des Flusses Karasch (rum. Cara ş ) sieben aneinandergrenzende Ortschaften, die von den Kraschowanern (rum. 1 : Cara ș oveni, seltener Câr ș oveni, krs.: Kara š evci, seltener Kra š ovani) bewohnt werden. Als Katholiken identifizieren sich viele von ihnen selbst als Kroaten, auch wenn sie sprachlich den Serben näherstehen. Ihre Sprache ist das Kraschowanische, eine torlakisch geprägte Form des Neu- Š tokavischen, die sie selbst kara š evski nennen. Je nach Schätzung ist von einer Bevölkerungszahl zwischen 5.000 und 10.000 Personen auszugehen (Czirbusz 1884: 351; Mileti č 1903: 161; Zach 2004: 236; Живојновић 1 Abkürzungen: dt. = deutsch; kro. = kroatisch; krs. = kraschowanisch; rum. = rumänisch; serb. = serbisch <?page no="218"?> 1907: 48). Der momentane Rückgang ist das Ergebnis ihrer wechselhaften Selbstzuschreibung. Dieser Beitrag soll aufzeigen, wie es den Kraschowanern in der Vergangenheit gelungen ist, als kleine Bevölkerungsgruppe in einer anderssprachigen Umgebung zu überleben und welchen Herausforderungen sie sich bei der Bewahrung ihrer Kultur, Sprache und Identität heute stellen müssen. 2 2. Eigen- und Fremdbezeichnungen Die Eigenbezeichnungen der Kraschowaner beziehen sich auf ihren wohl ältesten Siedlungsort Kraschowa ( Живојновић 1907: 45) und haben somit einen deutlichen regionalgeographischen Bezug auf den Talkessel, den der Karasch durchfließt (Zach 2004: 235). Bis ins 17. Jahrhundert erwähnen sie die Quellen als slawische Katholiken oder einfach als Katholiken mit Angabe des jeweiligen Herkunftsortes. Der Gruppenname taucht erstmals im 18. Jahrhundert in einer anonymen Franziskanerchronik auf (Zach 2004: 239 - 240). Mit der Zeit setzte sich die Eigenbezeichnung auch als Fremdbenennung durch. Die Schreibweise ihres Namens in deutschsprachigen Texten ist uneinheitlich und schwankt von Kra š ovaner oder Kraschovaner in älteren Texten (Czirbusz 1884; Mileti č 1903) zu Kraschowaner (Kahl 2014: 100; Wolf 2004) und Karaschowaner (Anderl and Sallanz 2006; Zach 2004) in jüngeren Beiträgen; daneben existiert das mundartliche „ Kraschowänen “ . Im ausgehenden 19. Jahrhundert legte sich die österreichisch-ungarische Amtsstatistik auf die Verwendung der ethnokonfessionellen Bezeichnung „ römisch-katholische Kraschowaner “ (ungar. római katolikus krassovánok) fest. Viele Autoren bevorzugen heute eine nationale Einordnung: Kroatische Spezialisten (z. B. Bara 2011; Grbi ć -Jakopovi ć 2016; La ţ chici, et al. 2018; Manea-Grgin 2004; Oluji ć 2007) verwenden überwiegend die Doppelbezeichnung „ kraschowanische Kroaten “ (kro. Kara š evski Hrvati) und „ kraschowanisches Kroatisch “ (kro. kara š evskohrvatski), während in Serbien viele Wissenschaftler das Kraschowanische dem Serbischen zuordnen (z. B. Mileti č 1903; Милорадовић 2015; Радан 2015). Andere sind um Neutralität bemüht und 2 Rudolf Windisch (2017: 14) betonte 2017 auf dem Symposium des Balkanromanistenverbandes, man müsste verstärkt untersuchen, „ welche Kulturen [ … ] in der wechselseitigen Spannung sprachpolitischer Substrat- und Superstrat-Wirkung “ vom Verschwinden bedroht sind. Dies gilt sowohl für balkanromanische Minderheiten in anderssprachiger Umgebung als auch für Minderheiten in rumänischer Umgebung. Dieser Beitrag zu den Kraschowanern ist daher gewissermaßen auf Windischs Anstoß zurückzuführen. 218 Thede Kahl <?page no="219"?> sprechen lediglich vom „ Kraschowanischen “ (z. B. Deleanu 1999; Nedeljkovi ć 2017; Radan 2004; Sikimi ć 2017; Wolf 2004: 125 - 127; Zach 2004). 3. Herkunft und Siedlungsgeschichte der Kraschowaner Die Namensgebung der Kraschowaner spricht dafür, dass der Gruppenbildungsprozess am Ort ihrer Einwanderung (Kraschowa) stattfand (Wolf 2004: 126). Die Geschichte der kraschowanischen Orte beginnt mit saisonalen Wirtschaftssiedlungen, die sich im Laufe der Zeit zu größeren Ortschaften zusammenschlossen. Dafür sprechen die bis heute zahlreichen Sallaschen (rum. s ă la ş e, mundartl. hod ă i ), vom Ortskern entfernte, bewohnte Höfe mit obstreichem Weide- und Hügelland (Trâpcea 1957). Neben ihrer wirtschaftlichen Funktion boten die oft auf Hängen und Terrassen liegenden temporären Siedlungen in Gefahrensituationen eine existenzsichernde Rückzugsmöglichkeit (Wolf 2004: 126). Es ist davon auszugehen, dass die Hauptsiedlung Kraschowa die erste war und die anderen Siedlungen erst später in der Nähe guter Weideplätze gegründet wurden (Zach 2004: 240). Über die Herkunft der Kraschowaner gibt es eine Fülle kontroverser Thesen. Gestützt auf Erwähnungen in Taufbüchern, Chroniken, Aufzeichnungen und Briefen der Missionare sowie aufgrund anderer Quellen gehen die meisten Autoren Indizien nach, sind aber trotz früher Beschäftigung mit ihrer Geschichte (Mileti č 1903; Petrovici 1935), Sprache/ Kultur (Simu 1939; Trâpcea 1957) und Gesellschaft (Tufescu 1941) nicht zu einer allgemein anerkannten Theorie über Ursprung und Herkunft der Kraschowaner gelangt. Die meisten Theorien sprechen dafür, dass die Vorfahren der Kraschowaner seit dem 13. und 14. Jahrhundert aus dem Nordwesten Bosniens oder einem anderen zentralbalkanischen Raum in ihr heutiges Siedlungsgebiet eingewandert sind. Es besteht darüber Einigkeit, dass sie einen neuš tokavischen Dialekt mit leichten albanischdalmatinischen Einflüssen sprechen (Petrovici 1935), nicht aber darüber, wo dieser sich ausgeprägt hat. Bis ins 19. Jh. gingen einige Autoren von der bulgarischen Abstammung der Kraschowaner aus. Unsicher sowohl hinsichtlich ihrer Ankunft im Banat als auch ihrer Herkunft wurden sie von Czoernig (Czörnig 1857: 145 - 146) als „ Krassovanen Bulgaren “ bezeichnet. Damit nahm er eine von seinem Zeitgenossen Fényes (1851, zit. in Wolf 2004: 126) abweichende Position ein, der sie aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit als Kroaten bezeichnete, wie es auch in den ungarischen Volkszählungen bis 1890 praktiziert wurde. Dem von Czoernig angenommenen Zeitpunkt ihrer Ansiedlung um das Jahr 1740 lag die Annahme zugrunde, dass es sich um katholische Kriegsflüchtlinge aus dem Balkan handelte, die in dieser Zeit im Banat Aufnahme fanden. Czirbusz (1884: 351) Sprache und Identität der Kraschowaner 219 <?page no="220"?> brachte sie - wahrscheinlich aufgrund ihres katholischen Glaubens und des Einwanderungszeitraums - mit den Banater Bulgaren (Paulikianern) in Verbindung, bestätigte aber die Nähe ihrer Sprache zum Serbischen und wies darauf hin, dass sie „ keine eigentlichen Bulgaren “ sind, und daher „ auch nur Kraschovaner “ (Czirbusz 1884: 351) genannt werden und ihre „ Sitten meist rumänisch “ und ihr „ Sprach-Idiom serbisch “ sind. Mileti č zweifelte an der Bulgarenthese, reiste nach Kraschowa und analysierte das Dokument eines unbekannten Franziskaners, der in der Gegend missionierte und die Kraschowaner den Bulgaren zuschrieb (Zach 2004: 237 - 238). Er ordnete ihre Mundart dem damaligen Resavadialekt zu und sprach sich somit für ihre serbisch/ kroatische Herkunft aus (1903: 168 - 169). Es folgte eine intensive Auseinandersetzung mit den Kraschowanern, darunter durch den Geografen Jovan Cviji ć , der ihren Ursprung am Fluss Crna Reka im heutigen Makedonien vermutete ( Церовић 2000: 38 - 39). Die Hinweise aus der mündlichen Überlieferung waren dürftig, besagten aber immerhin, dass „ ihre Vorfahren einst aus der Türkei herübergekommen sind “ (Mileti č 1903: 162). Die These der serbischen Herkunft der Kraschowaner wird durch das albanische Lehngut in ihrer Sprache gestützt, wobei man davon ausgeht, dass serbische Flüchtlinge, die aus dem Gebiet des Amselfeldes vor den Osmanen flohen, im Karaschgebiet auf eine ältere Schicht slawischer Bewohner trafen, die dort seit derAnkunft der Südslawen im sechsten Jahrhundert lebten. Lange bevor die Bewohner als Kraschowaner bezeichnet werden, gibt es Erwähnungen von Ortsnamen, die sich vom Karasch ableiten: Im 14. Jahrhundert wird eine Grenzburg mit dem Namen Krassóf ő erwähnt, die später rumänische Geografen und Historiker Karassow(e)cz nennen (Zach 2004: 235). Erste Siedlungen scheinen demnach zu Beginn des 14. Jahrhunderts im heutigen Kraschowa gegründet worden zu sein. Dragomir (1944: 33) belegt weitere Zuwanderungen nach Kraschowa in der frühtheresianischen Zeit. Popovi ć (1960: 137) versucht anhand nordslawischer Elemente und einzelner archaischer slawischer Formen aufzuzeigen, dass die Kraschowaner „ seit jeher hier, an der Sprachperipherie des Serbokroatischen [ … ] wohnen “ , womit er Mileti č und anderen widersprach. Dazu kommt, dass in dieser Zeit die Osmanen ihr Herrschaftsgebiet auf dem Balkan ausbauten und diese Abwanderungsbewegungen daher als Flucht zu verstehen sind, wie es die mündlich überlieferte Erinnerung der Kraschowaner bestätigt (Zach 2004: 242; Mileti č 1903: 180 - 181). Die Siedlungsgeschichte der Kraschowaner fasst Zach (2004: 239) in drei Phasen zusammen: Ihr Ursprungsgebiet war zum Zeitpunkt ihrer Wanderung ein multiethnisches; vermischt mit bulgarischen und serbischen Siedlern kamen sie entlang der Morava gen Norden. In diesem Prozess gab es bereits Vermischungen, auch mit Rumänen, wie Anthroponyme vermuten lassen. Auf Letztere trafen sie zudem bei ihrerAnsiedlung im Karaschtal. DieAnkommenden 220 Thede Kahl <?page no="221"?> überlagerten sich mit den Ansässigen: Assimilation in beide Richtungen war das Ergebnis. In der heutigen Ethnie der Kraschowaner gingen Angehörige anderer ethnischer Gruppen auf, und parallel dazu wurden die Kraschowaner selbst geringfügig assimiliert. Ihr heutiges Siedlungsgebiet bezogen sie erst, nachdem die Osmanen in das damalige Komitat Krassó-Szörény des Königreichs Ungarn vorgedrungen waren, zuvor siedelten sie etwas südlicher, am Oberlauf der Karasch und um Werschetz. Gen Osten ziehend, fanden sie im unzugänglichen Karaschtal Schutz (2004: 248 - 249). Nach eingehender Betrachtung der möglichen Herkunft der Kraschowaner scheint die Vermischung mehrerer Zuwanderungsschichten am wahrscheinlichsten. Ein gemeinsames multiethnisches Ursprungsgebiet ist dabei ebenso möglich wie ein Aufeinandertreffen der Gruppen während der Migration. Vor allem die Personennamen (Zach 2004: 255) untermauern diese Auffassung von der divergenten Herkunft. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts stabilisierte sich die Anzahl der kraschowanischen Siedlungen auf sieben, auf die sich bis heute die kraschowanische Bevölkerung verteilt (s. auch Interview mit Maria Domanean ț 2020): • Kraschowa (rum. Cara ş ova, krs. Kara š evo, seltener Kra š ova) • Lupak (rum. Lupac, krs. Lupak) • Nermet (rum. Nermed oder Nermet, krs. Nermi đ ) • Rafnik (rum. Rafnic, krs. Ravnik) • Vodnik (rum. Vodnic, krs. Vodnik) • Klokotitsch (rum. Clocotici, krs. Klokoti č oder Klokoti ć ) • Jabaltscha (rum. Iabalcea, krs. Jabal č a oder Jabal č e) Die Siedlungen der Kraschowaner sind heute bezüglich ihres kulturlandschaftlichen Erscheinungsbildes kaum von den umliegenden rumänischen Dörfern zu unterscheiden. In Nähe der Dörfer gab es bis zur Kollektivierung der Landwirtschaft Anfang der fünfziger Jahre Doppel-Sallaschen, bestehend aus ferngelegenen permanent bewohnten Einzelhöfen in subalpiner Höhenlage und nahegelegenen temporär benutzten Siedlungen (Apolzan 1987, 18 - 19, 103 - 104). Der mit der veränderten Produktionsform einhergehende Wandel der Besitzstruktur führte in der kommunistischen Zeit zur Auflassung vieler Wirtschaftssiedlungen. Viehzucht (Schafe, Kühe), Obstbau (Äpfel, Pflaumen, Kirschen) und Kalkbrennen waren die traditionellen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche der Kraschowaner bis ins 20. Jahrhundert hinein. Weitere traditionelle Berufe, die sie ausübten, waren Schindler und Fassbinder (Radan 2000: 15 - 16). Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden in Kraschowa zahlreiche Mühlen betrieben. Der Absatz von Obst, Sliwowitz und Milchprodukten in den Städten Reschitz, Anina und Orawitza sicherte den Dorfbewohnern einen gewissen Wohlstand auch in Sprache und Identität der Kraschowaner 221 <?page no="222"?> der kommunistischen Zeit und in gewissem Maße bis in die Gegenwart (Wolf 2004: 126 - 127). Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte sich das Arbeitsangebot in Hüttenindustrie, Maschinenbau und Metallurgie, in den 1980er Jahren entstand außerdem eine Nähfabrik, wodurch viele ein temporäres Arbeitsverhältnis übernahmen oder Wochenendpendler wurden. Nach 1990 blieb die Beschäftigung in der nahgelegenen Industrie anfangs noch attraktiv, litt dann aber stark unter dem wirtschaftlichen Niedergang der Region um Reschitz, weshalb die saisonale Arbeit oder auch Auswanderung nach Kroatien interessanter wurde. Die kleinen Grundstücke und Äcker der Kraschowaner fielen der Kollektivierung nicht zum Opfer (Zach 2004: 235), deren Bewirtschaftung genügte allerdings nicht mehr zum Auskommen, sodass die Abwanderung sich verstärkte. 4. Religion Eng verwoben mit ihrer Herkunft und Entwicklung als ethnische Gruppe ist für die Kraschowaner die katholische Konfession, die eine lange Tradition im Banat besitzt. Kraschowa war seit dem Spätmittelalter Missionsmittelpunkt eines bosnischen Franziskanerordens, der vor allem zu osmanischer und frühhabsburgischer Zeit eine wichtige identitätsstiftende Bedeutung hatte (Zach 1979: 17). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist die Existenz eines Franziskanerklosters in Kraschowa überliefert, das bis zur Einnahme der Region durch die Osmanen Gottesdienste durchführte. Über eine orthodoxe Vergangenheit der Kraschowaner ist nichts Sicheres bekannt, wenn auch manche Autoren von Indizien sprechen, nach denen die Kraschowaner gedrängt wurden, zum Katholizismus überzutreten (Cre ţ an 1999: 165; Radan 2000: 35 - 43). Es ist nicht auszuschließen, dass die Gruppe bei ihrer Ankunft bereits katholisch, ihr Glaube aber wenig gefestigt war (Radan 2004 a: 102). Bis ins 18. Jahrhundert waren in Kraschowa zahlreiche Missionare ansässig, die wiederholt das dörfliche Leben beschrieben und paganische Riten der kaum christianisierten Bewohner schilderten. Die von Muslimen beherrschten Gebiete wurden im 17. Jh. später Teil eines Missionsplanes der Römischen Kurie (Manea-Grgin 2004: 2; Zach 1979: 6). Mit Zentrum in Belgrad nahmen kurz danach Jesuiten und bosnische Franziskaner ihre Arbeit auf. Darunter befand sich der Jesuit Dobrojevi ć aus Š ibenik, der berichtete, dass weder die Institution der Ehe noch die Beichte noch der gregorianische Kalender fester Bestandteil des Lebens der Kraschowaner waren (Manea-Grgin 2004: 3). Ab dem 18. Jahrhundert wurden erneut Jesuiten entsandt, später Franziskaner aus dem bulgarischen Raum (Manea-Grgin 2004: 6 - 10). Die Jesuiten stärkten die Bildung in der Region, schufen die Grundlage für weitere gesellschaftliche Entwicklung, ließen von 1726 bis 1730 die noch 222 Thede Kahl <?page no="223"?> gegenwärtig intakte Barockkirche in Kraschowa bauen, gründeten eine Schule und führten noch heute vorliegende Tauf-, Heirats- und Sterbebücher ein (Manea-Grgin 2004: 10). 1739 traten erneut die Franziskaner an ihre Stelle. Ab 1785 wurden Weltpriester eingesetzt, die keiner konfessionellen Einrichtung unterstanden, aber religiöse Funktionen in den neu aufgebauten Pfarreien übernahmen (Manea-Grgin 2004: 14). In allen Orten Kraschowas gibt es Kirchenbauten aus dem 18. oder 19. Jahrhundert (Zach 2004: 237). Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen mit Erlaubnis der kommunistischen Regierung religiöse Schriften und Gebetsbücher aus Zagreb an die Kirchen. Auch wurden in dieser Zeit weitere Gotteshäuser gebaut, in denen bis heute von Priestern aus den umliegenden Orten Messen gefeiert werden. Die katholische Konfession hat hier in orthodoxer Umgebung dazu beigetragen, dass sich die ethnisch eher heterogene Gruppe der Kraschowaner nach ihrer Ansiedlung im Banat zu einer Gemeinschaft mit einem festen lokalen und religiösen Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte ( Радан 2001: 229), die ihre Identität bis heute bewahren konnte. Anders verhält es sich im Dorf Tirol, in dem Kraschowaner mit deutschsprachigen katholischen Siedlern zusammenleben. Beide Gruppen besitzen hier einen gemeinsamen Glauben, der sie verbindet. Ihre Muttersprachen sind jedoch verschieden, so dass sie auf das Rumänische als gemeinsame Sprache zurückgriffen und es so zur sprachlichen Anpassung der Siedler kam (Oluji ć 2009: 155 - 156). Somit begünstigte in diesem Falle die konfessionelle Zugehörigkeit die Assimilation an das Rumänische. 5. Bildungswesen Für das 18. Jahrhundert gibt es verlässliche Angaben zur Herausbildung einer lokalen Intelligenz und zur Entwicklung des Schulwesens in Kraschowa. Regelmäßiger Schulunterricht wurde in den kraschowanischen Gemeinden erstmals von 1726 bis 1730 erteilt durch den Jesuiten Mihovil Lovini ć , in einer Zeit, in der es noch keine gesonderte Ausbildung für Lehrer gab. Auch zuvor war der Unterricht in kirchlicher Hand und fand nur im Winter statt, da die Kinder im Sommer der Familie in der Landwirtschaft helfen mussten. In der Habsburgermonarchie wurde mithilfe von Reformen und Gesetzen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Grundstein für eine schulische Ausbildung und damit für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung Kraschowas gelegt (Manea-Grgin 2005: 664). Der erste Schulbau erfolgte 1760 in Kraschowa, danach wurden nach und nach in den übrigen kraschowanischen Orten Schulgebäude errichtet (Manea-Grgin 2005: 668). Zu Beginn bestand der Unterricht aus der religiösen Erziehung der Schüler (Gebete, Gottesdienstabläufe), nach 1774 kam Unterricht in Rechtschreibung, Sprache und Identität der Kraschowaner 223 <?page no="224"?> Lesen, Arithmetik hinzu. Lehrer kamen zunehmend aus den Kraschowanerorten, was zur Folge hatte, dass der Unterricht in ihrer Muttersprache stattfand (Manea-Grgin 2005: 667); von 1907 bis zum Zerfall der Doppelmonarchie war Ungarisch die Unterrichtssprache. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden kroatische Lehrer in die kraschowanischen Gemeinden entsandt. Kurz darauf wurde Rumänisch als Unterrichtssprache eingeführt, das Serbokroatische des damaligen Jugoslawiens bekam den Status eines Unterrichtsfaches (Manea- Grgin 2008), den heute das Standardkroatische innehat. Zuvor wird in den Gemeinden der Kraschowaner offiziell „ muttersprachlicher “ Unterricht in den vier Klassen der Grundschule angeboten, der jedoch auf Standardkroatisch stattfindet. In Kraschowa, Nermet und Jabaltscha gibt es insgesamt vier Grundschulen. In der Gemeinde Lupak ist derzeit eine Schule mit Klassen vom ersten bis zum achten Schuljahr in Betrieb. In Rafnik wurde kürzlich eine Schule geschlossen. In den anderen Dörfern findet der Unterricht von der fünften bis zur achten Klasse auf Rumänisch statt, Kroatisch wird als Unterrichtsfach weiter gelehrt. In Kraschowa gibt es seit 1996 ein zweisprachiges Gymnasium, in dem 40 % des Unterrichts auf Kroatisch abgehalten werden kann; in der Realität ist aber das Kroatische nur ein reguläres Unterrichtsfach neben den üblichen Fächern des Lehrplanes, da nicht genügend Lehrkräfte vorhanden und die Schülerzahlen insgesamt gering sind (Oluji ć 2007: 407). Dies führt dazu, dass die kraschowanischen Kinder in den Schulen mit zwei ihnen von Haus aus fremden Sprachen konfrontiert werden (Rumänisch und Standardkroatisch) und dass das Kraschowanische vom Standardkroatischen verdrängt werden wird. Weil aber die Lehrer der Region oft nicht des kroatischen Standards mächtig waren bzw. sind, funktioniert das Kraschowanische zumindest anfangs de facto als Unterrichtssprache (Oluji ć 2007: 407). 6. Folklore und Alltagskultur Brauchtum und Folklore der Kraschowaner sind ausgesprochen reich und haben teilweise bis heute überlebt. Живојновић (1907: 50) berichtet den Ablauf und die Bräuche des Hauspatronatsfests Slavenje, zu dem sich Familie und Freunde versammeln, um feierlich gemeinsam zu essen und zu trinken - durchaus auch heute noch (Domanean ț 2020). Живојновић (1907: 51) beobachtet, dass dieses Fest keine Verbindung zur Kirche hat, sondern nur im Haus stattfindet. Die Existenz dieses Feiertages bei den Kraschowanern unterstützt die Thesen derjenigen Autoren, die von einer serbischen Herkunft der Gruppe überzeugt sind, da die Serben dem orthodoxen Glauben angehören und die Slava auch heute noch ein wichtiger Tag im Kalender der orthodoxen Serben ist ( Радан 2004: 38). Das beschriebene Hauspatronatsfest findet jedoch nicht nur bei orthodoxen 224 Thede Kahl <?page no="225"?> Serben satt, sondern auch bei den Makedoniern und bei einigen Gruppen Albaniens und der Herzegowina. Daher sind diese Argumentationen kritisch zu bewerten. Ausführlich erläutert Живојновић den Ablauf einer Hochzeit und beschreibt die über mehrere Tage verlaufenden Festlichkeiten, die er mithilfe von Aufzeichnungen eines Einheimischen namens Vla š i ć sehr genau abbilden kann ( Живојновић 1907: 51 - 67). Auf einen weiteren besonderen Brauch, der auch von anderen slawischen Völkern begangen wird, geht Radan (2004) ein - im Frühjahr stattfindende Karnevalsprozessionen, Č erbul oder Mo š ulje genannte Festzüge, die von einer Gruppe tierähnlich Maskierter angeführt werden. In Kraschowa haben diese Feierlichkeiten ihren ursprünglichen Verlauf bewahrt. Radan (2004: 103 - 115) gibt zu bedenken, dass dieses Fest allerdings mehr und mehr die Form einer den westeuropäischen ähnlichen Spaßveranstaltungen annimmt und seine alte Symbolik vernachlässigt wird. Ähnliche Beobachtungen macht Ивановић - Баришић (2015) in ihrer Analyse der Bräuche im Jahreslauf, die eine Mischung alter paganischer und christlicher Bräuche darstellt. Mileti č (1903: 167) berichtet anlässlich seines Besuchs bei den Kraschowanern, dass diese begeisterte Sänger seien. Er notierte einige Lieder, die sie beim Trinken von Sliwowitz zu singen pflegten. Er merkt an, dass das Liedgut kein sehr altes kraschowanisches Kulturgut sein kann, da es Germanismen und weitere sprachliche Charakteristika aufweist, die ihn eine fremde Herkunft vermuten lassen. Dieser Hinweis spricht erneut für die mehrschichtige ethnische Zusammensetzung oder auf das Zusammenleben mit deutschen Siedlern in nächster Umgebung. Mehrere Folklorevereine wie der Verein Kara š evska Zora pflegen heute Tänze und Lieder der Kraschowaner, sind aber mehr an kurzfristigen Publikumserfolgen als an der Bewahrung traditioneller Tänze interessiert. 7. Die Sprache der Kraschowaner Das Kraschowanische gehört der ekavischš tokavischen Gruppe des Neu- Š tokavischen an; die genauere Unterteilung variiert bei den Linguisten: Anfangs noch dem Bulgarischen zugeordnet, bringt Mileti č (1903: 163) das Kraschowanische aufgrund der Intonation mit dem zentralserbischen Resava-Gebiet in Verbindung. Die meisten Autoren ordnen es als torlakischen oder zumindest torlakisch geprägten Dialekt ein und sprechen sich für eine Herkunft aus dem Prizren-Timok-Gebiet oder aus dem Kosovo-Resava-Gebiet aus; Ivi ć sieht es als eigene Dialektgruppe mit den „ Mundarten mit nicht-ersetztem Jat-Laut “ ( Ивић 1985: 207). Auch in der klassifikatorischen Sprachdatenbank Glottolog wird es als eigene Varietät mit dem Code kara1507 geführt (https: / / glottolog.org/ ). Sprache und Identität der Kraschowaner 225 <?page no="226"?> Die Bibliographie zum Kraschowanischen ist umfangreich (s. Bibliographie in Gruji č i ć and Kahl 2021), aber dennoch gibt es wesentliche ungeklärte Fragen, die unmittelbar mit der Herkunft der Gruppe zusammenhängen. Da ihre Ursprungsregion nicht zweifelsfrei ist, kann auch ihr Dialekt nicht genau verortet werden. Zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Sprache bereits im Feld analysiert, wozu Aufzeichnungen von Mileti č (1903), Живојновић (1907) und anderen vorliegen. Die erste ausführliche Monografie zur Mundart der Kraschowaner (rum. graiul cara ș ovenilor) wurde im Jahr 1935 von Petrovici vorgelegt. Er geht auf die Mundart des Ortes Kraschowa ein; er stellt Abweichungen zu den Mundarten der anderen Dörfer fest, untermauert sie jedoch nicht. Radan (2000: 241) führte, um eine genaue dialektale Verortung der kraschowanischen Mundarten vornehmen zu können, langfristig angelegte Feldforschungen durch, die ihn in alle Siedlungen Kraschowas, an viele Orte Serbiens und nach Novo Selo in Bulgarien führten. Das dort gesprochene Idiom besitzt einige Gemeinsamkeiten mit den Mundarten der Kraschowaner. Seine Arbeiten bestätigen die außerordentliche Sonderstellung dieser konservativen südslawischen Varietät und arbeiten die Unterschiedlichkeit von Dorf zu Dorf heraus, weshalb er von den Mundarten der Kraschowaner (rum. graiurile cara ș ovene) spricht ( Радан 2013). Alle Kraschowaner beherrschen mittlerweile als Zweitsprache das Rumänische. Als Staats- und Verkehrssprache sind sie ihm täglich ausgesetzt und lernen es während der Kindheit in der Schule. Der Banater Dialekt des Rumänischen ist als Mittler nicht nur für rumänische Lehnwörter verantwortlich, sondern Überbringer für Germanismen, Hungarismen und Turzismen, die Einzug in die kraschowanischen Idiome gefunden haben. Ihre jahrhundertelange Abgeschiedenheit und ihre Position an der Peripherie des südslawischen Sprachraumes trugen zudem maßgeblich zur heutigen Struktur der Phonetik, Morphologie und Lexik bei ( Радан and Ускату 2011: 72). Die älteren Generationen lernten die rumänische Sprache erst in der Schule oder der Armee, während die jüngeren es nun zunehmend schon im Kindergarten lernen. Obwohl die Schule in der heutigen Zeit länger dauert und früher der Armeeeintritt eher stattfand, zeigt sich daran die Dynamik der Sprachverwendung: Rumänisch rückt mehr in den Vordergrund, nicht zuletzt durch medialen Einfluss (Oluji ć 2007: 405). Die Publikation Hrvatska gran č ica illustriert die Zweisprachigkeit sehr gut. Unabhängig von Thema und Inhalt stehen sich in ihr nicht inhaltsgleiche Artikel in beiden Sprachen gegenüber. Keine der kraschowanischen Mundarten konnte sich als Standard etablieren. Auch wird in der Kommunikation mit den Bewohnern anderer Dörfer immer im eigenen Dialekt gesprochen, weil nicht auf eine kraschowanische Koine zurückgegriffen werden kann. 226 Thede Kahl <?page no="227"?> Kraschowanisch wird in der Familie, im Dorf, in der Kirche, im Kindergarten und in der Schule gesprochen, vor allem aber in familiärer und dörflicher Umgebung, in Gesprächen mit Freunden oder in der Familie, in Handynachrichten oder Briefen verwendet. Im offiziellen Zusammenhang beschränkt sich die Verwendung weitgehend auf Predigten, Radiosendungen und Gemeindetreffen. Da der Wortschatz des Kraschowanischen nicht für die Bewältigung aller gesellschaftlichen Bereiche ausreicht, wird sich in offiziellen Kommunikationskontexten der zur Verfügung stehenden Standardsprache bedient, im Fall der Kirche ist dies Kroatisch, in anderen Fällen Rumänisch (Oluji ć 2007 a: 406 - 408). Zweisprachige Schilder zeugen von der Mehrsprachigkeit der kraschowanischen Dörfer. Die dort lebenden Roma, Ungarn oder Deutsche sind de facto also dreisprachig, da sie auch das Rumänische als National- und Verkehrssprache beherrschen und nutzen (Oluji ć 2007: 404, 406). Einzig im Dorf Jabaltscha ist die Situation ein wenig anders: Obwohl der Ort in Bezug auf Herkunft, Religion, Trachten und Bräuche eindeutig zu den Kraschowanern gehört, hat das Rumänische seit Generationen Einzug gehalten; heute sind nurmehr Sprachreste vorzufinden. Als ehemaliges Gebiet des Habsburgerreiches besitzen die Sprachen Deutsch und Ungarisch heute noch immer bei den Ältesten der Kraschowaner einen Sonderstatus. Zumindest eine der Sprachen beherrschen die meisten. In neuerer Zeit ist der Kontakt zur kroatischen Standardsprache intensiver: In der Schule gelehrt, durch Medien und das Internet verbreitet, dringt es immer mehr in alle Sphären des Alltags ein. Auch auf die Sprachverwendung der Kraschowaner, die nach Kroatien reisen oder für längere Zeit dort arbeiten, wirkt es intensiv ein. Dies könnte langfristig insbesondere zum Rückgang der kraschowanischen Varietäten führen und die Sprache dem Standardkroatischen annähern. Die Sprache wird weiterhin dem Einfluss des Rumänischen ausgesetzt sein, das sie bereits in zahlreichen Feldern verändert hat und auch zukünftig maßgeblich modifizieren wird. 8. Die Minderheit heute Bis vor kurzem haben sich die Kraschowaner weder als Angehörige der Serben noch der Kroaten, sondern einfach als Kraschowaner betrachtet. Im Jahre 1903 beobachtet Mileti č (162), dass die Kraschowaner „ ihres ehemaligen nationalen Bewusstseins beraubt sind “ und bestätigt sie „ in ihrem Glauben, sie reden eine besondere ,kra š ovanische Sprache ʻ“ . Etwa drei Jahrzehnte später attestiert ihnen Petrovici sehr wohl ein eigenes Nationalbewusstsein: „ Oni se smatraju posebnim narodom “ (Petrovici 1935: 14, zit. in Радан 2001: 230). In den Volkszählungen nach 1945 wurden sie aufgrund ihrer Konfession als Kroaten registriert. Die Sprache und Identität der Kraschowaner 227 <?page no="228"?> Auseinandersetzungen der 1990er Jahre in Folge der Auflösung Jugoslawiens sorgten für eine Emotionalisierung der Debatte und eine Aufteilung in „ Serben “ und „ Kroaten “ , was sich auch auf Gruppen außerhalb Jugoslawiens auswirkte. Dabei nimmt die Konfession zunehmend eine ethnisierende Funktion (katholisch = kroatisch, orthodox = serbisch) ein. Die wechselhaften ethnischen Zuschreibungen der Politiker und Wissenschaftler haben sich auch auf die Kraschowaner ausgewirkt und damit vielleicht ihr Identitätsdilemma erst hervorgerufen - zumindest in Bezug auf ihre Sprache. Auf Staatsebene sind die Kraschowaner heute Teil der kroatischen nationalen Minderheit Rumäniens. In dieser Rolle sind sie offiziell eine von drei kroatischen Gruppen, die auf dem Territorium Rumäniens leben. Die kroatische Minderheit hat ihr Zentrum in Kraschowa und organisiert dort seit 1991 in der Union der Kroaten Rumäniens (rum. Uniunea Croa ț ilor din România, kro. Zajedni š tvo Hrvata u Rumunjskoj) auch die anderen kroatischen Gruppen des Landes (www. zhr-ucr.ro/ ). Aus der Union der Kroaten Rumäniens löste sich 1998 aufgrund interner Streitigkeiten die Demokratische Vereinigung der Kroaten Rumäniens (kro. Demokratski savez Hrvata u Rumunjskoj). Beide kroatischen Vereinigungen konnten sich im Jahr 2000 auf einen gemeinsamen Vertreter für ihre Minderheit im Parlament einigen: Milja Radan. Er bemühte sich lange um die Rechte seiner Gruppe. Die Beziehung kraschowanischer Institutionen mit der Republik Kroatien kann auf eine gewisse Tradition aufbauen: seit dem frühen 20. Jahrhundert stellten kroatische Kulturinstitutionen wie die Matica hrvatska oder das ethnografische Museum in Zagreb Bücher, Zeitungen und Zeitschriften den kraschowanischen Gemeinden zur Verfügung, zu jugoslawischer Zeit konnten in Kraschowa Sendungen aus Zagreber Studios über Fernsehstationen in Serbien empfangen werden, und kroatische Zeitungen konnten abonniert werden. Nach 1990 verstärkten sich die Verbindungen mit der Anerkennung der Kroaten als offizieller Minderheit in Rumänien und der damit verbundenen positiven Diskriminierung. Nennenswert ist weiterhin die Existenz eines kroatischen Ehrenkonsulats in der Stadt Reschitz, welches zurzeit jedoch nicht besetzt scheint, da dessen Internetauftritte keine konkreten Angaben zu entnehmen sind (www.mae.ro/ bilateral-relations/ 4529, www.mvep.hr/ ). Die Kroaten Rumäniens haben die Möglichkeit, die kroatische Staatsbürgerschaft zu erhalten; zwei eigens eingerichtete Wahlkreise verhelfen ihnen zu politischer Partizipation (Manea-Grgin 2008). Für nationale Minderheiten wie diejenige der Kroaten ist der gesetzliche Schutz per Verfassung von 1991 verankert. Dieser beinhaltet in Auszügen das Recht auf die Aufrechterhaltung, die Entwicklung sowie die Ausdrucksmöglichkeit ihrer ethnischen Identität (Art. 6), das Recht auf in ihrer Muttersprache abgehaltenen Unterricht (Art. 32) sowie das Recht ihrer Vereinigungen, einen Vertreter ins Parlament zu wählen (Art. 59). 228 Thede Kahl <?page no="229"?> Überdies wird die Minderheit in die kroatisch-rumänischen diplomatischen Beziehungen einbezogen: Kroatiens ehemaliger Präsident Mesi ć besuchte im Jahr 2004 Lupak, Kraschowa und Klokotitsch. Die Botschafterin der Republik Kroatien in Rumänien hielt sich 2011 in den Kraschowanergemeinden auf. Das kroatische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Europäische Integration (kro. Ministarstvo vanjskih poslova i europskih integracija) regelt die Belange der kroatischen Minderheiten außerhalb Kroatiens und unterstützt sie auch finanziell. Die Kulturvereinigung kroatischer Auswanderer (kro. Hrvatska matica iseljenika) ist eine weitere wichtige Institution, die sich um die Vernetzung weltweiter Auslandskroaten bemüht. Die Identität der Kraschowaner wird nicht nur von den Kroaten, sondern auch von den Serben anerkannt. Trotz des Vorteils der kroatischen Staatsbürgerschaft (EU-Mitgliedschaft) und der dadurch sich eröffnenden Aufenthalts- und Arbeitsmöglichkeiten wird den Gemeinsamkeiten mit der kroatischen Nation in der Gegenwart nur in einem weiten kulturellen Zusammenhang Bedeutung beigemessen. Dies mag auch darin begründet liegen, dass zur zahlenmäßig größeren serbischen Minderheit im Banat traditionell eine gute Beziehung besteht: Im Banat gibt es zahlreiche serbische Dörfer, und die Grenze nach Serbien ist keine 60 km von Kraschowa entfernt (die kroatische mindestens 300 km). Die Serben Rumäniens sind in der Union der Serben Rumäniens (rum. Uniunea Sârbilor din România, serb. Savez Srba u Rumuniji; https: / / savezsrba.ro/ cir/ ) miteinander vereint, die seit 1989 in Temeschwar (rum. Timi ș oara, krs./ kro./ serb. Temi š var), der größten Stadt im Banat, existiert. Sie kümmert sich um die Belange der orthodoxen Serben. Der rezente ethnizitäre Wandel von Kraschowanern zu Kroaten wird von Cre ţ an et al. (2014) als „ (re)invented identity “ bezeichnet. Auf die Frage hin, ob das Gefühl der Zugehörigkeit zum kroatischen Volk neueren Datums und vor allem mit der Bemühung des kroatischen Staates verbunden sein könnte, meinten unsere Gesprächspartner, dass ihre kroatische Identität auf Erinnerungen und einem alten Zugehörigkeitsgefühl beruhe. Dabei beriefen sie sich auf die Militärausweise ihrer Großväter aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen angeführt wäre, dass sie kroatischer Nationalität seien. Neben diesem gewissen Gefühl des Kroatischseins hätten sie auch ein starkes Gefühl der Andersartigkeit gegenüber der rumänischen Mehrheitsbevölkerung, den benachbarten slawischen Völkern und den anderen kroatischen Gruppen. Ihre Heimat sei Rumänien, sie sprächen Rumänisch besser als Standardkroatisch, kennen die rumänische Geschichte und Kultur genauer als die kroatische und hätten das Gefühl, zu Rumänien zu gehören. Diese Fakten führen zu einer mehrschichtigen Identität. Oft käme es vor, dass sie sich in nicht rumänischer Sprache und Identität der Kraschowaner 229 <?page no="230"?> Umgebung als Rumänen ausgäben und Rumänien in vorurteilsbehafteten Situationen in Schutz nähmen, vor allem in Kroatien (Oluji ć 2007: 408). Der Slawistik-Professor Mihai Radan, selbst Angehöriger der Kraschowaner und engagiertes Mitglied in der Union der Serben Rumäniens, steht der kroatischen Identitätsoption sehr kritisch gegenüber. Er kommuniziert seinen Standpunkt (Radan 2004: 251), indem er die Bemühungen kroatischer Akteure und prokroatischer Intellektueller beschreibt, die sich vor dem Zensus von 1992 darum bemühten, die kroatische Identität zu fördern. Auch der katholischen Kirche kommt seiner Meinung nach nicht nur die Rolle der Unterstützerin in Bezug auf ein bestimmtes Nationalbewusstsein, sondern auch die Verbreitung eines kroatischen Nationalbewusstseins und die Verhinderung interreligiöser Ehen. zu. Die wäre letztendlich auch damit zu begründen, dass der serbische Staat sich nicht genug für Katholiken einsetzt, obwohl Serbien das Mutterland wäre ( Радан 2001: 241). Ihre Rolle als Teil der offiziell anerkannten Minderheit der Kroaten in Rumänien führte zu dem Schluss, sie seien eine nationale Minderheit. In erster Linie aber sind sie eine regionale, sprachliche und religiöse Minderheit in einem klar begrenzten Raum. Die nationale Sichtweise übersieht immer wieder die Innensicht der Kraschowaner und behindert daher ihre Stabilisierung als eigene Gruppe. Die durchaus manipulative Wirkung von Subventionen, wie sie zurzeit von Kroatien geleistet werden, darf nicht unterschätzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich Serbien gegenüber den Kraschowanern positionieren und eventuell Maßnahmen ergreifen wird, um Interesse an der Gruppe auszudrücken, ob es Kroatien gelingt, die Gruppe ganz für sich zu gewinnen, oder ob den Kraschowanern eine Rückbesinnung auf ihre lokale kraschowanische Kultur, Sprache und Identität wichtiger sein wird. 9. Literatur Anderl, Corina; Sallanz, Josef (2006): „ Nationale Minderheiten in der Globalisierung: Die serbische und die ukrainische Minorität in den rumänischen Grenzregionen Banat und Dobrudscha nach der Wende von 1989 “ Geographische Revue. Zeitschrift für Literatur und Diskussion 8(1): 35 - 50. Bara, Mario (2011): “ Pre š u ć eni kara š evski Hrvati: Kara š evci u vojvo đ anskom dijelu Banata. ” Godi š njak za znanstvena istra ž ivanja 3: 57 - 84. Cre ţ an, Remus (1999): Etnie, confesiune ş i comportament electoral în Banat. Studiu geografic. Timi ş oara, Tipografia Universit ăţ ii de Vest. 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Sprache und Identität der Kraschowaner 233 <?page no="235"?> Die Gesta Hungarorum und das Rumänische: ‘ Romania emersa, nec continua, neque submersa ’ Thomas Krefeld (München) The expansion of the Roman Empire led to a massive acculturation of the integrated pre-Roman population. This complex process, called Romanization, implied the most diverse cultural techniques, not least language(s): after a more or less long phase of bilingualism, a large part of the population shifted to Latin-Roman, which is why these areas are also called ‘ Romania ’ by linguistics. In the largest part of Western and Central Europe, Romance languages are still spoken in contiguous areas, for which the term ‘ Romania Continua ’ was coined. In the northern border area, in Britain and to a large extent in the eastern part of Europe, however, Latin-Romance has been supplanted by other languages; we speak of the submerged Romania, the ‘ Romania Submersa ’ . Here, however, it is necessary to differentiate, because especially in the today German-speaking areas of the former Imperium Romanum, regionally and even locally - despite language shift - a substratal continuity of Latin-Romance elements is recognizable in the form of borrowings as well as in toponymy, which preserves ancient types, whose area of distribution continues beyond the language family border, in the still today Romance-speaking area. From this one can only conclude that the speaker communities of the supplanting languages also acculturated themselves in a more or less long lasting phase of bilingualism. The associated settlement continuity is also confirmed in many places from an archaeological point of view. The Romance-speaking areas of Southeastern Europe, whose varieties are most often generically apostrophized as ‘ Romanian ’ , show a completely different pattern: The continuity of transmission from Latin to Romance is obvious; but the spatial continuity cannot be confirmed on a toponomastic and dialectological basis. It would therefore be appropriate to speak of an emergent Romania, a ‘ Romania Emersa ’ . <?page no="236"?> … eine Anmerkung vorweg 1 1 Ein Hinweis auf Kontinuität in der mittelalterlichen Historiographie Rudolf Windisch hat verschiedentlich und stets mit Nachdruck (1981, 2020) auf die Bedeutung der Gesta Hungarorum für die rumänische Sprachgeschichtsschreibung hingewiesen. Ihr als Anonymus P. apostrophierter, unbekannter Verfasser war Hofnotar unter dem ungarischen König Béla III. (Regierungszeit 1172 - 1196); sein Text (ca. 1200) ist in einer Kopie aus dem 13. Jahrhundert überliefert. Bemerkenswert ist speziell die folgende, von Windisch (2020, p: 15) detailliert besprochene Stelle: Dicebant enim, quod ibi confluerent nobilissimi fontes aquarum, Danubius et Tyscia et alii nobilissimi fontes bonis piscibus habundantes, quam terram habitarent Sclaui Bulgarii et Blachii ac pastores Romanorum. Quia post mortem Athile regis [im Jahr 444/ 5] terram Pannonie Romani dicebant pascua esse eo, quod greges eorum in terra Pannonie pascebantur, et iure terra Pannonie pascua Romanorum esse dicebatur, nam et modo Romani pascuntur de bonis Hungarie. (zit. nach der Edition Gesta Hungarorum 1932, 9, 96 - 98) Das Zitat bezieht sich auf die Einwanderung der Ungarn in ihr heutiges Siedlungsgebiet und speziell darauf, dass sie von den Führern der Kiewer Rus (Subjekt von „ dicebant …“ am Beginn des Zitats) auf diesen Raum hingewiesen wurden. Es versteht sich von selbst, dass derartigen Quellen nicht blindes Vertrauen entgegengebracht werden darf, aber dennoch verdienen es die gelieferten Informationen, ernst genommen zu werden. Wenn man berücksichtigt, dass der Text jedoch nicht nur über das Ende des 9. Jahrhunderts, d. h. über die ungarische Einwanderungszeit, berichtet, sondern sich explizit auch auf die Spätantike, nämlich das 5. Jahrhundert, beruft und zudem womöglich einen Bezug zur Zeit der Abfassung (ca. 1200) vermitteln wollte, dann ergibt sich ohne große interpretatorische Überanstrengung eine vollkommen konsistente, d. h. in 1 Nicht nur Bücher, sondern auch bescheidenere Schriften haben ihre Vorgeschichte: Dieser Artikel geht auf einen Vortrag zurück, den der Verf. am 24.11.2008 in einer von Olaf Hackstein organisierten Ringvorlesung über Sprachkontakt - Kontakt der Kulturen (https: / / videoonline.edu.lmu.de/ de/ wintersemester-2008-2009/ 08) an der Ludwig-Maximilians-Universtät, München, gehalten hat. Leider ging die Datei mit der Präsentation verloren, so dass der Gegenstand gewissermaßen auch submersus war. Zum Glück wurde die Vorlesung jedoch als Video aufgezeichnet (https: / / videoonline.edu.lmu.de/ de/ node/ 1143), so dass der Text der Präsentation buchstäblich wieder abgeschrieben werden konnte - dafür danke ich Giulia Perusi! - und hier nun teilweise wieder emergiert. 236 Thomas Krefeld <?page no="237"?> sich schlüssige und sinnvolle Lesart. Selbstverständlich ist Konsistenz kein Garant für Richtigkeit - für Falschheit allerdings auch nicht. Es erscheint vielmehr überhaupt frivol, sich Texten von derArt der Gesta Hungarorum, mit der Vorstellung zu nähern, es ließe sich historische ‘ Wahrheit ’ aus ihnen destillieren. Konsistenz erlaubt jedoch, den Aussagen einen Textsinn zuzuweisen; so entnimmt man der zitierten Stelle Folgendes: • Lokalisiert wird das Mündungsgebiet derTheiss in die Donau ( „ ibi confluerent nobilissimi fontes aquarum, Danubius et Tyscia “ ) und vermutlich auch die sich nördlich anschließende Theiss-Ebene. • Vier Einwohnergruppen werden in diesem Raum lokalisiert: „ Sclaui, Bulgarii et Blachii ac pastores Romanorum “ ; der Einfachheit halber werden diese vier Ausdrücke im Folgenden als Ethnonyme bezeichnet, ohne damit irgendeinen Anspruch auf Homogenität der vier Gruppen zu erheben. In der zitierten Stelle zielen sie nach Auskunft der Gleichzeitigkeit, die durch die gebrauchten Tempora ausgedrückt wird ( „ dicebant … habitarent “ ), auf die Einwanderungszeit der Ungarn. Mit der Formulierung „ Blachii ac pastores Romanorum “ sind deshalb wohl Romanen, nicht Römer gemeint. Unklar ist allerdings, ob Blachii und pastores Romanorum synonym zu verstehen sind; weiterhin bleibt offen, ob mit Sclauvi und Bulgarii ethnische und/ oder politische Unterschiede ausgemacht werden: Wenn der Verf. mit Bulgarii die vollständig slawisierten Untertanen des Zweiten Bulgarischen Reichs meinte, das während der Entstehungszeit des Textes herrschte, wäre der Ausdruck politisch zu verstehen. Die ungarische Einwanderung, um die es geht, fällt jedoch in die Zeit des Ersten Bulgarischen Reichs, wo ein mehr oder weniger großer Teil der sogenannten Bulgaren noch als turksprachig anzusehen ist; wenn der Verfasser also dieses Szenario im Sinn hatte, dann könnte die Opposition auch sprachlich motiviert gewesen sein. • Eine der Gruppen wird ethnographisch als Hirten ( „ pastores “ ) spezifiziert; dieser Hinweis ist durchaus relevant für das Verständnis der rumänischen Ethnogenese und in weit geringerem Maße auch für die Glottogenese (vgl. Kap. 3) - für die Frage nach der regionalen/ lokalen Kontinuität, die der Text aufwirft, ist er dagegen unergiebig. • Der römische Provinzname Pannonia war dem Verfasser geläufig; allerdings entspricht das lokalisierte Gebiet nicht dem Territorium der römischen Provinz, die nach Osten durch die Donau begrenzt wurde. Denn es wird ja gerade die Gegend zwischen Donau und Theiss, d. h. zwischen dem sogenannten Limes Sarmatiae (https: / / de.wikipedia.org/ w/ index.php? title=Li mes_Sarmatiae&oldid=186253617) und der eigentlichen Donaugrenze indiziert. Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 237 <?page no="238"?> • Es wird eine historische Perspektive eröffnet, insofern auf die ca. 700 Jahre zurückliegende Zeit nach Attilas Tod Bezug genommen wird. Unter den in diesem vergangenen Kontext Pannoniens ( „ Pannonie “ ) erwähnten Romani darf man deshalb ‘ Römer ’ im politisch-rechtlichen Sinn verstehen. Der Ausdruck Romani ist jedoch semantisch doppeldeutig, denn der Rückgriff auf die Zeit nach Attila soll auch die zeitgenössische Nutzung als Weideland der mittlerweile durch Ungarn beherrschten und als Hungaria bezeichneten Gegend (im Text wird der Genitiv Hungarie, d. h. Hungariae verwandt) durch Romani ausdrücklich legitimieren ( „ iure “ ). In diesem zweiten historischen Kontext, Jahrhunderte nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs, können mit Romani nur ‘ Romanen ’ und keinesfalls ‘ Römer ’ verstanden werden; man beachte den Gegensatz der Tempora: das Präsens pascuntur in Verbindung mit Hungarie und das Imperfekt pascebantur in Verbindung mit Pannonie. Es wird ausgehend von der zeitgenössischen Existenz von Romani auf kontinuierliche Nutzung seit Attilas Tod geschlossen. Ein historischer Beweis regionaler Kontinuität ist mit ihrer schieren Behauptung natürlich nicht erbracht; allerdings kann vernünftigerweise nicht bezweifelt werden, dass Anonymus P. die zitierte Stelle im Bewusstsein historischer Kontinuität zwischen den mittelalterlichen Blachii ac pastores Romanorum und den antiken Romani verfasst haben muss. • Im Hinblick auf die nationalrumänische (Sprach-)Geschichtsschreibung darf nicht übersehen werden, dass Anonymus P. kein dakisches, sondern ein pannonisches, d.h, spätantikes und nicht bereits aurelianisches Szenario andeutet; die Provinz Dacia (vgl. dazu Brodersen 2020) wurde bekanntlich schon 271 n. Chr., unter Aurelian, aufgegeben. 2 Zwei vieldiskutierte Ethnonyme: blachii und romani Einen Kommentar verlangt die bereits erwähnte Dopplung des Ethnonyms, mit der die mutmaßlich romanischsprachige Bevölkerung als blachii und als romani bezeichnet wird. Dieser Sprachgebrauch sagt uns einiges über den Verfasser. Angesichts des historischen Wissens über Pannonien und Attila, das Anonymus in der zitierten Stelle aufscheinen lässt, ist das oben vorgeschlagene kontextgebundene Verständnis von romani als ‘ Römer ’ einerseits und deren Nachfahren, ‘ Romanen ’ , andererseits, geradezu selbstverständlich; denn das Wort ist jedem mit dem Lateinischen vertrauten Schreiber als Ableitung von Roma vollkommen durchsichtig. Mit blachii wird ein Ausdruck gebraucht, der dem Schreiber etymologisch wohl kaum durchsichtig war. Der Typ hat im Ungarischen, in den west- und südslawischen Sprachen und im Griechischen zwei unterschiedliche, aber historisch eng zusammenhängende Bedeutungen. 238 Thomas Krefeld <?page no="239"?> Ursprünglich und bis heute bezeichnet er in zahlreichen Varianten Romanen/ Romanisches allgemein oder aber spezifische Ausprägungen des Romanischen, so altostslawisch Волохъ , poln. w ł och ‘ Italiener ’ , tschech. vla š ský ‘ italienisch ’ , ung. olász ‘ Italienisch ’ , älteres ung. oláh ‘ rumänisch ’ , osman.-türk. eflaki ‘ romanisch, rumänisch ’ (vgl. Windisch 2020, p: 6 f., zu diesen Formen), aber auch älteres dt. walachisch/ Walachei. Vor allem die Aromunen südlich der Donau werden vielerorts zusammenfassend als Влахъ ‘ Vlachen ’ (in unterschiedlichen phon. Varianten wie vlahi, vlas) bzw. griech. Βλάχος bezeichnet. Der Bezeichnungstyp ist aber keineswegs auf Ostmittel- und Südosteuropa beschränkt; wie frz. wallon/ Wallonie, schweizerdeutsch welsch ‘ Schweizer französisch ’ , bair. welsch ‘ italienisch ’ zeigen, ist er an der gesamten romanisch-germanischen Sprachgrenze belegt. Abgesehen von wallon handelt es sich dabei durchweg um Fremdbezeichnungen, die gelegentlich negativ konnotiert sind (wie bair. welsch im Unterschied zur neutralen schweizerdeutschen Verwendung; vgl. jedoch die alte österreichische Bezeichnung Welschtirol für den romanischsprachigen Teil der Grafschaft Tirol). Ausschließlich im ost- und südosteuropäischen Kontext kam es dann zur Entwicklung der Bedeutung ‘ Hirte ’ , wie Thede Kahl skizziert: Man kann davon ausgehen, dass ein Teil der heutigen Südslawen, Griechen und Albaner aus Vlachen hervorgegangen sind, die seit dem Mittelalter assimiliert wurden, wie NAUMO VI Ć & PAVKO VI Ć (2005, 101) betonen. Die Assimilierung der Vlachen im Mittelalter an verschiedene Völker hatte zur Folge, dass der Begriff ‘ Vlache ’ eine Wandlung durchmachte und nicht mehr nur die romanischen Bevölkerungen bezeichnete, sondern auch auf nicht-romanische Bewohner übertragen wurde, die Beschäftigungen nachgingen, die für Vlachen typisch waren, die also vor allem Hirten (Krand ž alov 1969, 221) waren, aber auch Grenzwächter und Warentransporteure. So wurde das Ethnikon im Südslawischen (Vlah) und Griechischen ( Βλάχος ) zu einem mehrdeutigen Begriff, der sowohl eine ethnische als auch soziale Kategorie bezeichnen konnte, während im Albanischen die Berufsbezeichnung çobën (Hirte, < trk. çoban Hirte) an die Stelle des Ethnikons trat und mit Çobën heute die Aromunen bezeichnet werden. Durch die Gleichsetzung des Vlachen mit dem Hirten ist auch dort eine Eigenidentifikation als Vlache zu finden, wo sich keinerlei aromunische oder romanische Sprachkenntnisse nachweisen lassen: Die griechischen Hirten des südlichen Pindos (GrP2,3,4) sowie des westlichen Zentralgriechenlands nennen sich Vlachen und bezeichnen ihr Hirtendasein als Vlachenleben (gr. βλάχικηζωήος , βλαχοζωή ), obwohl sie nur Griechisch sprechen. Unter allen Hirten Südosteuropas haben sich die Vlachen am stärksten darauf spezialisiert, fast ausschließlich von der Fernweidewirtschaft zu leben. Das vlachische Viehhaltungssystem hat dasjenige der Montenegriner, Serben, Makedonier, Albaner, Griechen stark geprägt und eine wichtige Rolle in der Geschichte aller Balkanvölker gespielt. MATKOVSKI (1987, 215, 220) meint sogar, dass es keine Nation auf dem Balkan Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 239 <?page no="240"?> gäbe, in der nicht vlachisches Element aufgegangen wäre und für die die Einrichtung des Katun (auf nomadische Stämme zurückgehende Siedlungen), nicht eine Rolle gespielt hätte. (Kahl 2008, 85 f.) Die Bedeutung ‘ Hirte ’ ist, wie Thede Kahl ausführt, zweifellos aus der primären Bedeutung ‘ Romane ’ abgeleitet worden; damit wird zwar keineswegs eine bereits mittelalterliche Entstehung der sekundären Bedeutung ausgeschlossen. Aber gerade in diesem Sinn lässt sich die Formel blachii ac pastores romanorum aus der Gesta Hungarorum interpretieren: Wenn der gebildete Schreiber beide Bedeutungen, auch die typisch (süd-)osteuropäische, mit dem Ausdruck blachii assoziierte und gleichzeitig wusste, dass diese für ihn wohl nicht ableitbare, unmotivierte Bezeichnung im Lateinischen keineswegs geläufig war, dann lässt sich pastores romanorum problemlos als allgemeinverständliche lateinische Paraphrase deuten, also im Sinne von ‘ Blachii, und zwar/ das heißt römische/ romanische Hirten ’ . Es ist eingewandt worden (vgl. Grzesik 2016, 29 f.), diese Lesart stünde im Gegensatz zur Bedeutung von lat. ac; aber ein Blick in das lat. Handwörterbuch von Georges 1913 [1998] liefert durchaus einschlägige Beispiele. Die im Text gebraucht Form mit / l/ nach dem initialen Labial vor dem Vokal und nicht wie im Deutschen walch/ welsch nach dem Vokal spricht für die Latinisierung eines slawischen Inputs mit Liquidametathese. Letztlich gehen alle Formen „ bekanntlich auf den bei Caesar belegten Stammesnamen der keltischen Volcae zurück (De bello gallico: 6.24) “ zurück (Windisch 2020, p: 7), der dann als Fremdbezeichnung zunächst auf romanisierte Kelten und schließlich auf Romanen generell übertragen wurde. Nun gibt es freilich im Blick auf die rumänistische Kontinuitätsdebatte einen gravierenden Unterschied zwischen dem Donau-Theiss-Gebiet einerseits und den west- und zentraleuropäischen Gebieten des Imperium Romanum andererseits. Denn in West- und Mitteleuropa bildet sich die antike Romanisierung bis heute in einem mehr oder weniger dichten Netz von konservierten Toponymen ab; Toponyme verweisen ja indexikalisch ganz direkt auf Orte und Räume und speichern gleichzeitig raumgeschichtliche Informationen, die allerdings nicht immer wieder freigelegt werden können. Man beachte, dass die Kontinuität der Toponyme durchaus nicht nur dort beobachtet werden kann, wo auch das Romanische bis heute gesprochen wird, das heißt in der sogenannten Romania Continua, sondern selbst in den Gebieten, wo nach einer mehr oder weniger langen Phase der Zweisprachigkeit ein Sprachwechsel vollzogen wurde, also in der sogenannten Romania Submersa. In den Ortsnamen der heute niederländisch- oder deutschsprachigen Zone ist die raumgliedernde Infrastruktur der Römerzeit klar erkennbar; dazu gehören militärische Einrichtungen (castelli, castrae, burgi), zivile Siedlungen (villae rusticae, vici), Straßen, integrierte 240 Thomas Krefeld <?page no="241"?> vorrömische Bevölkerungsgruppen (civilitates) und Siedlungsplätze (vgl. die interaktiven Karten in Krefeld 2020). In etlichen Orten mit, aber auch ohne Namenkontinuität haben provinzialrömische Archäologen mittelalterliche Weiternutzung antiker Siedlungsplätze nachgewiesen (vgl. Krefeld 2020, Kap. 5). Komplementär zur Kontinuität der Toponyme wie zur Weiter- und Nachnutzung der Siedlungsstrukturen sind die zahlreichen lat.-romanischen Entlehnungen in korrespondierenden Sachbereichen wie dem (Stein-)Bauwesen oder dem Garten- und Weinbau: Fenster < f ĕ n ĕ stra (Meyer-Lübke 1935, 3242) Kalk < calcem, Akk. von calx) (Meyer-Lübke 1935, 1533) Kamin < cam ī nus ‘ Ofen ’ (Meyer-Lübke 1935, 1549) Kammer < camera (Meyer-Lübke 1935, 1545) Keller < cellarium (Meyer-Lübke 1935, 1804) Pfalz < palatium (Meyer-Lübke 1935, 6159) Pflaster < emplastrum (Meyer-Lübke 1935, 2863) Pforte < p ŏ rta (Meyer-Lübke 1935, 6671) Mauer < m ū rus (Meyer-Lübke 1935, 5764) Mörtel < mortarium (Meyer-Lübke 1935, 5693) Pfeiler < p ī la¯rium (vgl. Meyer-Lübke 1935, 6502) 1 Pfette < *pat ĭ na (Meyer-Lübke 1935, 6293) Pfosten < p ŏ stis (Meyer-Lübke 1935, 6693) Pfütze < p ū teus (Meyer-Lübke 1935, 6877) rhein. Pütt ‘ Grube, Bergwerk ’ Söller < s ō larium (Meyer-Lübke 1935, 8063) Strasse < strata (Meyer-Lübke 1935, 8291) Ziegel < t ē g ŭ la (Meyer-Lübke 1935, 8618) … Onomasiologischer Bereich: (STEIN-)BAUWESEN Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 241 <?page no="242"?> Birne (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 126), ahd. bira (AWB) < p ĭ ra Kappes, ahd. kabuz (AWB) < caputium, vgl. auch cap ĭ tium (REW, 1637), Ableitung von caput ‘ Kopf ’ Kirsche (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 493), ahd. kirsa, kersa (AWB) < ceras(i)um Kohl (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 512), ahd kôl (i), chôlo (AWB) < caulem, Akk. zu caulis Kümmel (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 548), ahd. kumil, chumil (AWB) < cum ī num Kürbis (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 551), ahd. kurbiz, churbiz (AWB) < (cu)curbita Lattich (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 561), ahd lat(t)uh(ha), lat(t)ih(ha) (AWB) < lact ū ca Petersilie < p ĕ tr ŏ s ĕ l ĭ num (REW, 6448) Pfeffer (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 697), ahd. pfeffar (AWB) < piper Pfirsich (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 698), ahd. phersih (AWB) < (ma¯lum) persicum pflanzen, Pflanze (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 698), ahd. phlanzôn (AWB), phlanzunga < plantare, planta Pflaume (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 699), ahd. phrûma (AWB) wohl < griech. pro ū mon, nicht aus lat. pruna (< griech. pro ū mon), aber in welchem hist. Kontext? pfropfen, (AWB) < pr ŏ pa¯go (REW, 6780) Pflücken (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 699), (AWB) < piluccare Rettich (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 763) < ra¯d ī cem, Akk. zu ra¯d ī x Quendel ‘ wilder Thymian ’ (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 738), ahd. q(u)enala, qenula (AWB) < cun ī la ‘ Majoran ’ Sichel (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 847) < sicilem, Akk. zu sicilis Veilchen (vgl. Kluge/ Seebold 2011, 948) < viola Zwiebel, ahd. cibulli, zibolla (AWB) < c ē p ŭ lla, Dim. zu c ē pa (REW, 1820) Onomasiologischer Bereich GARTEN- und WEINBAU Alle alten Entlehnungen setzen die eine oder andere Form der Zweisprachigkeit voraus. Diese zweisprachige Phase zeigt sich im Übrigen ganz deutlich in den 242 Thomas Krefeld <?page no="243"?> Namen mit den Varianten Walch-, Waal-, Walleru. a., die etymologisch zum Typus blachii (< lat. volcae) gehören; damit wurden offensichtlich Orte mit romanischsprachiger Restbevölkerung durch die germanischsprachige Bevölkerung bezeichnet. Vgl. die folgende Karte: Walchen -Ortsnamen in der niederländisch- und deutschsprachigen Romania Submersa (interaktives Original in: Krefeld/ Lücke 2014) In etwas plakativer Zuspitzung kann man also feststellen, dass in der heute niederländisch- und deutschsprachigen Romania Submersa trotz des Sprachwechsels zum Germanischen eine klare Akkulturation der Germanen an römisch-romanische Kulturtechniken stattgefunden hat. Ein vollkommen anderes Bild zeichnet sich im Donau-Theiss-Gebiet ab; nirgends erscheinen blacchii in der ungarischen Toponymie dieses dominant madjarisierten Raums. Zwar kann das Fehlen toponomastischer Hinweise auf römische Infrastruktur speziell zwischen dem sarmatischem Limes und der Donaugrenze nicht überraschen, da diese Gegend in der Antike - wenn Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 243 <?page no="244"?> überhaupt - nur ganz schwach romanisiert war; aber für die intensiv romanisierte Provinz Dakien gilt dasselbe. Bereits Constantin Giurescu hat darauf hingewiesen, dass kein einziger Name der gesicherten antiken Coloniae und Muncipii sich erhalten hat; vgl. die folgende auf der Grundlage von Giurescu (1938, 39 ff.) 2 zusammengestellte Liste: Adminstr. Status antiker Name Rumänischer Name coloniae Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa Gradi ș te (heute: Sarmizegetusa) Apulum Alba Iulia Napoca Cluj (heute Cluj-Napoca, ung. Kolozsvár) Patavissa/ Potaissa Turda Aquae C ă lan Romula (vorröm.Malva) Re ș ca Drobeta Severin (heute: Drobeta-Turnu Severin) Dierna Or ș ova municipii Ampelum Zlatna Tibiscum Caransebe ș Porolissum Moigrad (in der Gemeinde Mir ș id) Die Annahme alle spezifisch römischen Lebensformen, die an Städte oder große Landgüter gebunden waren, seien verschwunden, liegt daher nahe; sie ist geradezu ein Gemeinplatz der rumänischen Sprachgeschichtsschreibung: „ Veacul al III-lea a fost un veac de criz ă pentru tot Imperiul roman. [ … ] În ce prive ș te Dacia, care a fost l ă sat ă atunci prad ă barbarilor, via ț a ora ș eneasc ă a fost distrus ă cu totul. “ (Iv ă nescu 1980, 89) Ein zeitlich etwas differenzierteres, aber grundsätzlich sehr ähnliches Bild zeichnet auch Constantin Frâncu: Die Invasionen der Wandervölker hatten die Zerstörung der Städte nördlich der Donau zur Folge (vor allem der Hunneneinfall 374 - 375 führte zum Verschwinden der letzten Spuren der römischen städtischen Zivilisation nördlich der Donau), dadurch suchte die Stadtbevölkerung verborgene Zufluchtsorte und vermischte sich so mit der Landbevölkerung. (Frâncu 1995, 9) 2 Dort wird jeder Typ sehr detailliert und auf solider lexikographischer Grundlage diskutiert. 244 Thomas Krefeld <?page no="245"?> Selbst vor diesem Hintergrund ist das Verbleiben römisch-romanischer Bevölkerung in Dakien nicht vollkommen ausgeschlossen; in jedem Fall wird sie jedoch jenseits der typischen Infrastruktur römischer Provinzen massive Dekulturationsprozesse durchlaufen haben. Sie spiegeln sich im rumänischen Lexikon deutlich wider, denn etliche mehr oder weniger panromanische Ausdrücke, die fundamentale Konzepte aus den Bereich STADT und STEINBAU- WEISE bezeichnen fehlen dem Rumänischen - man beachte, dass die allermeisten darunter im Zuge der germanischen Akkulturation gerade ins Deutsche entlehnt wurden: deutsch Markt Weil-(-er) Straße Platz Glas Mauer ⇑ ⇑ ⇑ ⇑ ⇑ latein Mercatus villa strata platea vitrum murus ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ital. Mercato villa strada piazza vetro muro sard. mercau bidda istrada piatta bidru Muru engad. Marchò streda plazza vaider Mür friaul. marcjat vile strade platse veri Mur frz. marché ville estrée ✝ place verre mur prov. mercat villa estrada plasa veire mur kat mercat villa estrada plassa vidre Mur span. mercado villa estrada plaza vidrio muro port. mercado vila estrada praça vidro Muro rum. târg (< slaw.) vil ă (< frz., it.) ora ș (< ung.) strad ă (< ita.) pia ță (< ita.) geam (< ung.), sticl ă (< slaw.) Zid (< slaw.) Onomasiologischer Bereich: (STEIN-)BAUWESEN: im Rum. fehlende lat. Etyma mit panromanischer Verbreitung Daneben gibt es selbstverständlich auch lat. Ausdrücke dieser Sachbereiche, die im Rumänischen fortgeführt wurden, wie z. B. lat. fenestra > rum. fereastr ă ‘ Fenster ’ . Aber dominant ist der lexikalische Reflex des kulturellen Wandels, und geradezu emblematisch für diesen „ [p]rocesul de rusticizare a limbii “ (Iv ă nescu 1980, 184) erscheint der Bedeutungswandel von lat. pavimentum ‘ der aus Steinchen, Erde od. Kalk geschlagene Estrich, Estrichboden ’ (Georges) > rum. p ă mânt, das - ähnlich wie dt. Erde - kein bauhandwerkliches Produkt, sondern Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 245 <?page no="246"?> das Material bezeichnet und außerdem metonymisch unseren ganzen Planeten. In eine ähnliche Richtung weist die rum. Bezeichnung der STRASSE, rum. cale, die auf lat. callis zurückgeht, womit gerade kein aufwendig hergestellter Verkehrsweg, sondern ‘ ein über Anhöhen u. Berge führender ungebahnter Pfad, der Bergpfad, Gebirgspfad, Waldweg, nur dem Vieh zugängliche[r] Triftweg ’ bezeichnet wurde (Georges). 3 Ein aufschlussreiches ethnographisches Attribut: pastores Vor diesem Hintergrund gewinnt die in den Gesta vorgenommene Charakterisierung der blachii als pastores ein ganz besonderes Gewicht. Denn auch die hochmobile Pastoralkultur steht in klarem Gegensatz zur Vorstellung einer kontinuierlichen Nachnutzung immobiler römischer Infrastruktur, wie sie - wie oben angedeutet - sogar in der Romania Submersa offensichtlich ist: Mobile Kultur ist in festen Siedlungen historisch gerade nicht greifbar. Thede Kahl weist zu Recht darauf hin, dass sie weiterhin eine viel schwächere Affinität zur Verschriftlichung entwickelt hat und politisch-rechtlich schnell in Konflikt mit Territorialstaaten, zumal nationaler Ausprägung gerät: Die wandernden Hirtengesellschaften hingegen entziehen sich weitgehend der schriftlichen Dokumentation. [ … ] Die Kulturen und Vorstellungen der ‘ wandernden Völker ’ lassen sich erheblich schwieriger rekonstruieren als die der sesshaften, denn nur die sesshaften verwendeten die Schrift und verfassten Schriftquellen, während die ‘ wandernden ’ ihre Vorstellungen mündlich tradierten. Die Kulturen der wandernden Hirten Südosteuropas entzogen sich sehr lange Zeit regionaler Bindung und nationaler Zuordnung und bewahrten daher viele ihrer Traditionen bis in die moderne industrialisierte Zeit. (Kahl 2008, 61) Der hier aufscheinende, elementare Gegensatz zwischen mobilen und immobilen Lebenswelten und Kulturen ist wahrscheinlich überall auf der Welt mehr oder weniger deutlich zu finden und insofern quasi universal. Die ganz besondere Bedeutung mobiler pastoraler Tradition für die rumänischen Geschichte ist jedoch - im europäischen Rahmen - evident und seit langem bekannt: „ P ă storitul tradi ț ional a jucat un rol important în via ț a ș i istoria poporului român, fiind un factor esen ț ial pentru men ț inerea coeziunii noastre na ț ionale ș i lingvistice “ (Baskerville 2020, 16). Die wissenschaftliche Aufarbeitung wurde bislang vor allem durch Geographen, Ethnographen und/ oder Kulturanthropologen geleistet. Seit E. de Martonne (1904) galt der rumänische Raum, das Gebiet der Walachischen Tiefebene (Oltenien und Muntenien) sowie der Dobrudscha und die Südkarpaten als Sommerweidegebiet [ … ], als ein geradezu klassisches Land der Transhumance. [ … ] So 246 Thomas Krefeld <?page no="247"?> hielten in ‘ aufsteigender Transhumance ’ die Bauern Munteniens (Walachei) ihre Viehherden während der Sommermonate auf den Matten der montanen und subalpinen Regionen der Südkarpaten; die rumänischen Bauern Transylvaniens hingegen schickten in einer ‘ absteigenden Transhumance ’ ihre Herden hinunter auf die Niederungsweiden der Baragansteppe, in die Donausümpfe südlich von Calafat, in die Dobrudscha oder weit bis nach Bessarabien. Für diese Wanderungen war bis zur Jahrhundertwende die Bezeichnung ‘ das wandernde Siebenbürgen ’ ein geradezu geflügeltes Wort geworden. (Beuermann 1967, 56) Nicht weniger wichtig waren pastorale Traditionen in anderen regionalen Kontexten für die süddanubischen Romanen, die ja (abgesehen vom istrischen und dalmatischen Küsten- und Inselraum) in der Regel auch als ‘ Rumänen ’ (vgl. Krefeld 2003) gefasst werden. Speziell im Hinblick auf die Aromunen geht Thede Kahl sogar von einer ursprünglich nomadischen Lebensform aus: Während bei den Dako-, Istro- und Meglenorumänen transhumante und almwirtschaftliche Formen der Fernweidewirtschaft überwiegen, sind die Aromunen ursprünglich nomadisch gewesen. Aromunen, die die Viehhaltung aufgegeben haben, wurden tendenziell Händler und Handwerker. Die Fernweidewirtschaft ist bis in die heutige Zeit für die Aromunen von großer Bedeutung. (Kahl 2007, 86) Einen hervorragend dokumentierten Überblick über die aktuelle rumänische Pastoralkultur gibt Baskerville 2020. In dialektologischer und ethnographischer Hinsicht grundlegend ist die Kartierung der Herdenwege; einen Eindruck davon gibt die folgende Karte: Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 247 <?page no="248"?> Transhumanzwege der südosteuropäischen Romanen/ Rumänen (aus: https: / / commons. wikimedia.org/ wiki/ File: Transhumance_ways_of_the_Vlachs.jpeg) Allerdings sind die Quellen der Karte nicht ganz klar; die Geschichte der Kartierung beschreibt Lucian David (2019). Exemplarisch ist die detaillierte Aufarbeitung der Transhumanz von Schäfern aus S ă li ș te und S ă cel, zwei Orten, die westlich von Hermannstadt / Sibiu am Rand der Karpaten, in der sogenannten M ă rginimea Sibiului, liegen (vgl. Dragomir 1926, 1938, 2014 und Morariu 1942); in dieser Gegend im südwestlichen Siebenbürgen konzentrieren sich auch die schwarzen Pfeile auf der vorhergehenden Karte. Emanuel de Martonne (1904, 237) teilt mit, dass die Herden selbst die Donau überquerten. Ein anderer Geograph, Simeon Mehedin ţ i, bestätigt das: Demselben Wanderleben der Viehzüchter ist auch die nähere Beziehung zwischen der Baragansteppe und der Dobrogeasteppe zu verdanken. Vor der Einnahme dieses 248 Thomas Krefeld <?page no="249"?> Gebiets durch die Rumänen (1877) hatten schon die transsylvanischen Schafhirten ihre Herden bis an die Meeresküste getrieben (Vadul oilor = Schaffurt an der Mündung der Ialomi ţ a und Vadul Cailor = Pferdefurt bezeichnen auf der Karte die alten Wege jener Wanderung). (Mehedin ţ i 1904, 254) 3.1 Transhumanz und Kontinuität Es ist nun klar, dass sich die Frage nach regionaler oder lokaler Siedlungskontinuität der norddanubischen Romanen (oder: ‘ Dakorumänen ’ ) erübrigt, wenn eine allgemeine weiträumige Transhumanz oder gar ein pastoraler Nomadismus bereits für die Antike angenommen werden sollte. Argumente dafür finden sich durchaus. Bemerkenswert ist, z. B. eine Stelle im 7. Buch De re rustica von Lucius Iunius Moderatus Columella (*in Gades [Càdiz], gest. um 70 n. Chr.); nach dem Lob der großen Nützlichkeit des Schafs als Wolle-, Milch-/ Käse- und Fleischspender werden dort die Geten als prototypische Nomaden genannt: [2] Quibusdam vero nationibus frumenti expertibus victum commodat, ex quo Nomadum Getarumque plurimi galaktopotai [gr. ‚ Milchtrinker ‘ ; Th.K.] dicuntur. ‘ Gewissen Völkern, denen es am Getreide fehlt, gewährt es [das Schaf] tatsächlich den Lebensunterhalt, weshalb die meisten Nomaden und Geten galaktopotai genannt werden ‘ . Zwar ist das Wissen über die durch griechische Historiographen erwähnten Geten äußerst dürftig; aber immerhin ist bekannt, dass sie beiderseits der unteren Donau, im Südosten des heutigen Rumänien lebten; umstritten ist, ob sie zu den Dakern und/ oder Thrakern gerechnet werden dürfen. Einer der bedeutendsten Spezialisten für das vorrömische Substrat in Dakien, I. I. Russu, spricht ebenso von ‘ Thrako-Dakern ’ und ‘ Geto-Dakern ’ (1969) wie auch von ‘ traco-ge ţ ii ’ (1981), was der unauflöslichen historischen Unschärfe nur angemessen ist. Als γαλακτοφάγοι ‘ Milchesser ’ werden von Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.) übrigens auch die ebenfalls westlich des Schwarzen Meeres zu verortenden und mobilen Skythen bezeichnet (Lücke 2020). Die Sprache(n) der Thraker/ Daker/ Geten ist (sind) weitestgehend unbekannt; allerdings finden sich im Rumänischen zahlreiche lexikalische Elemente, die aus keiner der noch lebenden Kontaktsprachen stammen und daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den vorrömischen Substratsprachen dieser Gruppen zugesprochen werden dürfen. Im Zusammenhang mit Kontinuitätsüberlegungen sind nun ein ethnolinguistischer und ein geolinguistischerAspekt des mutmaßlichen Substratwortschatzes entscheidend. Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 249 <?page no="250"?> 3.1.1 Ein geolinguistischer Aspekt In geolinguistischer Hinsicht stimmen die süd- und norddanubischen Idiome, d. h. Aromunisch, Meglenorumänisch und Dakorumänisch in der Regel überein. Hinzu kommen jedoch auch zahlreiche albanische Entsprechungen, so dass entweder von einem gemeinsamen Substrat beider Sprachgruppen ausgegangen werden muss, oder aber von Entlehnungen genuin albanischer Elemente ins Romanische/ Rumänische. Der denkbare umgekehrte Entlehnungsweg aus dem Rumänischen ins Albanische führt nicht weiter, denn er trägt nichts zur historischen Herleitung des romanisch/ rumänischen Substratwortschatzes bei. Außerdem gab es bei den Albanern anscheinend keine großräumige Transhumanz, die der rumänischen Tradition vergleichbar wäre. Die historische Rückführung aller Spielarten des südosteuropäischen Romanisch/ Rumänischen auf eine Kontinuität nördlich der Donau ist deshalb keine Option. 3.1.2 Ein ethnolinguistischer Aspekt In ethnolinguistischer Hinsicht ist bemerkenswert, dass sich innerhalb des substratalen Lexikons bestimmte onomasiologische Bereiche klar abzeichnen; dazu gehören nun gerade zentrale Konzepte der PASTORALKULTUR (vgl. dazu Dahmen 2020), wie die folgende, unvollständige Tabelle auf der Grundlage von Russu (1981) 3 zeigt: SENN dakorum. baciu istrorum. ba ț e aromun. baciu meglenorum. baciu alban. batsë, baç SCHÄFERHÜTTE dakorum. stân ă istrorum. aromun. stân ă meglenorum. alban. stan 3 In Russu 1981 wird jeder Typ sehr detailliert und auf solider lexikographischer Grundlage diskutiert. 250 Thomas Krefeld <?page no="251"?> MELKPFERCH dakorum. strung ă istrorum. aromun. strung ă meglenorum. strung ă alban. shtrungë PFERCH dakorum. ț arc istrorum. aromun. ț arcu meglenorum. alban thark LAMM dakorum. da ș istrorum. aromun. da ș meglenorum. da ș alban dash HAMMEL HORNLOS dakorum. ș ut istrorum. aromun. sut meglenorum. ș ut alban. shut (LAB)MAGEN dakorum. rînz ă istrorum. aromun. rîndz ă meglenorum. alban. rëndës SÄUERLICH, GELBLICH dakorum. sarb ă d istrorum. aromun. salbit meglenorum. alban. tharbët Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 251 <?page no="252"?> KÄSEMADE dakorum. strepede istrorum. aromun. strepede meglenorum. strepij alban. shrep WURM SCHAFZECKE dakorum. c ă pu șă istrorum. aromun. c ă pu ș e meglenorum. c ă pu șă alban. këpushë VLIES dakorum. basc ă✝ istrorum. aromun. basc ă meglenorum. basc ă alban. bashkë SUMPF, TEICH dakorum. balt ă istrorum. aromun. balt ă meglenorum. balt ă alban. baltë ANHÖHE dakorum. m ă gur ă istrorum. aromun. m ă gur ă meglenorum. alban. magullë Bemerkenswert sind aber auch mutmaßliche Substratwörter aus dem Bereich der GEF ÜHLE und der FAMILIE, wie z. B. die folgenden: SÄUGLING dakorum. prunc istrorum. aromun. pruncu meglenorum. alban. 252 Thomas Krefeld <?page no="253"?> KIND dakorum. copil istrorum. aromun. copil meglenorum. cópil alban. kopil GREIS dakorum. mo ș istrorum. mo ș aromun. mo ș u meglenorum. mo ș alban. mo(t)shë FREUEN dakorum. bucura istrorum. aromun. bucur(are) meglenorum. bucur alban. bukurë SCHÖN HERD dakorum. vatr ă istrorum. vatr ă aromun. vatr ă meglenorum. vatr ă alban. vatrë Schließlich sei der Bedeutungswandel von lat. familia > rum. femeie ‘ Frau ’ erwähnt, denn er reflektiert die Abwesenheit der Männer, die sehr gut zur Tradition der Transhumanz passt (lat. mulier ‘ Ehefrau ’ hat sich im Rum. nicht erhalten). 3.1.3 Ein hydronomastischer Aspekt Oben war darauf hingewiesen worden, dass sich in Rumänien keine römischen Toponyme erhalten haben, und dass darin ein Hinweis auf fehlende Siedlungskontinuität gesehen werden muss. Eine Aufgabe der ortsfesten Infrastruktur impliziert jedoch nicht notwendigerweise eine Weiternutzung des ehemals römischen Territoriums in mobiler bzw. transhumanter Weise. Ein Indiz gerade dafür liefern die Namen der großen Flüsse, die gerade in weiträumiger Perspektive eine besondere Rolle für die Orientierung spielen, denn sie setzen antike Namen ganz überwiegend vorrömischen Ursprungs fort, deren lateinische und/ oder griechische Varianten uns bekannt sind: Die Gesta Hungarorum und das Rumänische 253 <?page no="254"?> antik rumänisch ungarisch deutsch lat. Pathissus, Tisia > Tisa Tisza Theiß lat. Crisia > Cri ș Körös Kreisch Lat. Maris, griech. Μάρισος > Mure ș Maros Mieresch lat. Tibiscus, griech. Θίβισις > Timi ș Temes Temesch lat. Alutus (< ? lat. lutum ‘ Lehm ’ ) > Olt Olt Alt 3.1.4 Fazit: ‘ Romania Emersa ’ Aus der kulturellen Spezialisierung auf transhumante Schafhaltung und der korrespondierenden substratalen Lexik kann man nur einen Schluss ziehen: Wenn das Lateinisch-Romanische sich nördlich der Donau erhalten haben sollte, dann haben sich die Romanen an vorrömische kulturelle Techniken und Lebensformen akkulturiert, ohne die römische Infrastruktur, insbesondere die Siedlungskerne weiterzuführen oder nachzunutzen. Dieser Komplex aus akkulturativen und dekulturativen Prozessen spiegelt gewissermaßen - unter entgegengesetzten Vorzeichen - den Akkulturationsdruck, den die Romanen in der Romania Submersa trotz des Sprachwechsels, d. h. trotz des Bruchs der sprachlichen Überlieferungskontinuität auf die immer dominanter werdenden Germanen ausgeübt haben: Nicht nur in der Romania continua, sondern auch in der Romania Submersa ist an zahlreichen Orten die Siedlungskontinuität offensichtlich. 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The capital was Craiova for the entire two decades, although there were reservations about that city from the very beginning and there was no lack of attempts to make another place the centre of administration. But what did one knew in Vienna and in Sibiu about that city in Lesser Wallachia? What was the specific problem with that place? And what was actually done to bid adieu to Craiova? Wie die Kleine Walachei zu Österreich kam Am 21. Juli 1718 schlossen Österreich und das Osmanische Reich den Frieden von Passarowitz. Eine der Bestimmungen des Friedensvertrags war die Abtretung der Kleinen Walachei an das Habsburgerreich. Letzten Endes war diese Abtretung eine der vielen Folgen, die sich aus der gescheiterten Zweiten Wiener Türkenbelagerung durch die Osmanen ergaben. Nach dem erfolgreichen Entsatz Wiens vom 12. September 1683 ging die Habsburgermonarchie in den folgenden anderthalb Jahrzehnten im sogenannten „ Großen Türkenkrieg “ in die Offensive und konnte, einiger temporärer Rückschläge zum Trotz, mit dem Frieden von Karlowitz 1699 ganz Ungarn, Siebenbürgen und in etwa das heutige Slawonien für sich gewinnen (Spielman 1981: 158). Um die Zeit des Friedenschlusses von Karlowitz lassen sich nun erste Hinweise in den Quellen finden, dass sich die strategischen Planungen in Wien ernsthaft mit der Donau als Erweiterungsraum des Reiches befassten (Baramova 2013: 30 - 32). Das Ziel war dabei die Erlangung der gesamten Walachei, um den Raum bis hinunter zur Donau unter habsburgische Kontrolle zu bringen. Doch gelang es im Krieg gegen die Osmanen <?page no="260"?> 1716 - 1718 nicht, das gesamte walachische Fürstentum zu besetzen (Reichl-Ham 2018: 10 - 23). Daher wurde in den Instruktionen, die Prinz Eugen von Savoyen im Juni 1718 an seine Unterhändler für die Friedensgespräche in Passarowitz sandte, lediglich auf das Prinzip des uti possidetis verwiesen, also den Konfliktparteien nur dasjenigeTerritorium als Verhandlungsmasse zuzugestehen, das sie im Laufe des Krieges gewonnen und zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch in Besitz hatten (Walker 1983: 392). Es gelang den beiden neutralen Vermittlern, dem Briten Robert Sutton und dem Niederländer Jacob Colyer, die osmanische Delegation davon zu überzeugen, das Prinzip des uti possidetis als Grundlage der Verhandlungen überTerritorialfragen zu akzeptieren (Petritsch 2018: 31). Für die Walachei bedeutete dies, dass Österreich zwar auf die besetzte Kleine Walachei pochen, jedoch keine weitergehenden Ansprüche auf die Große Walachei machen konnte, welche nur partiell besetzt werden konnte und zum Zeitpunkt der Friedensverhandlungen wieder weitgehend in den Händen osmanischer Truppen war. Durch den Frieden von Passarowitz kamen somit die Kleine Walachei, das Banat, Syrmien, der nördliche Teil Serbiens und ein Grenzstreifen in Nordbosnien an Kaiser Karl VI. An jenem Julitag des Jahres 1718 wurde letztlich nur der westlich des Olt gelegene Teil der Walachei, der immerhin ein Drittel der Fläche des Fürstentums ausmachte, an Österreich übertragen. Noch konnte niemand wissen, dass die Herrschaft des Kaisers über jenes auch als Oltenien bekannte Gebiet schon 21 Jahre später zu Ende sein würde. Und so machte sich die kaiserliche Administration flugs daran, die neuerworbenen „ 5 wallachischen Distrikte “ , wie es oft in den Quellen zu lesen ist, zu einem Teil der Habsburgermonarchie zu machen. Was soll man nun mit der Kleinen Walachei machen? Mit einem Erlass vom 22. Februar 1719 legte Kaiser Karl VI. eine erste administrative Grundstruktur fest. Ein „ Fürstlicher Rath “ sollte von Craiova aus die zivile Verwaltung leiten, bestehend aus dem Banus der Kleinen Walachei (in Gestalt des Bojaren Gheorghe Cantacuzino) und vier weiteren Adeligen aus dem lokalen Hochadel. Dieser Rat stand den fünf Kreisen der Kleinen Walachei vor, deren jeder von einem vornic ( „ Richter “ ) geleitet wurden. Diesen Richtern wiederum waren in jedem Kreis je vier ispravnici ( „ Bevollmächtigte “ ) zur Seite gestellt, denen jeweils eine plas ă ( „ Kanton “ ) unterstand. Unterhalb dieser pl ăș i standen Städte, Dörfer oder andere administrative Einheiten (Papacostea 1964: 466). Auf den ersten Blick nimmt sich diese Verwaltungsstruktur als vorteilhaft für den kleinwalachischen Adel aus. Jedoch war der Banschaft in Craiova jeglicher 260 Peter Mario Kreuter <?page no="261"?> Einfluss auf das Militär entzogen, gleich ob es um Aushebungen von Soldaten oder den Bau von Festungen ging. Hinzu trat, dass auch die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen des Banus und seiner Räte an den Grenzen der Kleinen Walachei endeten. Hatte man sich noch 1717 und 1718 mit Delegationen an den Kaiser nach Wien wenden können, so war der Banschaft nun ein mit weitreichenden Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten versehener und auch für militärische Fragen zuständiger Oberdirektor (Principatus Valachiae Cisalutanae supremus director) vorgeschaltet, über den alle Kommunikation mit Wien zu laufen hatte (Stoenescu 2011: 206). Diese Position wurde von Beginn an dem kommandierenden General in Siebenbürgen übertragen. Somit war die neben dem Gubernator bedeutendste Position von Siebenbürgen, nämlich der Oberbefehl über die dortige Armee, auch die oberste verwaltungstechnische wie militärische Instanz in der Kleinen Walachei. „ Kommandierender General in 7bürgen und Ober-Director der Cis-aluthanischen Wallachey “ 1 ist eine in den Quellen häufig zu findende Betitelung des jeweiligen Amtsinhabers. Diese Verwaltungsstruktur vertrug sich daher, wie man sich bereits denken kann, nur schlecht mit den Vorstellungen, die der Adel der Kleinen Walachei in mehreren Denkschriften für den Wiener Kaiserhof formuliert hatte. In der Auffassung der Bojaren mußte sich das Land des Selbständigkeitsstatuts erfreuen. Diese Autonomie sollte sich in der Erhaltung der bestehenden Einrichtungen, allen voran des Fürsten oder Wojwoden, äußern. Die Landesbojaren hielten an dieser Einrichtung besonders fest, was zu einem erbitterten Kampf gegen jedwelche Ingerenzen der Österreicher in das innere Leben des Landes führte. [ … ] Um eine drohende Übertretung des Selbstverwaltungsstatuts der Provinz zu verhindern, widersetzen sich die Bojaren entschieden der Einbeziehung des Fürstentums in eine gemeinsame Verwaltungsform mit Siebenbürgen. Der kaiserlichen Hofkammer wurde jedwelches Recht abgesprochen, in das Wirtschaftsleben des Landes einzugreifen oder die Steuerverwaltung der Provinz zu überwachen, geschweige denn zu leiten. Diese sollten ausschließlich der Fürst und das Gremium der Landesbojaren verantworten. Das Land sollte einen eigenen, ständigen Vertreter in Wien haben, als Zwischenglied in den Beziehungen der bodenständigen Landesverwaltung mit dem kaiserlichen Hof. [ … ] Innenpolitisch betrachtet mußte das neue Regime die politische und soziale Machtstellung des Landadels festigen. Das Wojwodat sollte ein nicht vererbbares Wahlfürstentum werden. Die Autorität des Wahlfürsten gegenüber den privilegierten Ständen war genau abgegrenzt; seine rechtlichen Befugnisse über das 1 In dieser partiell abkürzenden und dennoch ausführlichen Form wird die Doppelposition in allen offiziellen Schreiben genannt. Bei Konzepten oder in Depeschen wird zumeist danach unterschieden, um welches Territorium es sich gerade handelt. Daher wird dort meist nur eine der beiden Funktionen genannt, im Falle der Kleinen Walachei also „ Ober- Director “ . Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte 261 <?page no="262"?> Bojarentum sollten von einem Landesrat eingeschränkt werden, der aus Großbojaren und hohen Geistlichen gebildet sein sollte. (Papacostea 1970: 38 f.) Da sich allerdings Karl VI. darauf versteifte, aufgrund der militärischen Eroberung der Kleinen Walachei das alleinige Recht zu besitzen, über die Ausgestaltung der Verwaltungsstruktur zu entscheiden, wurde sofort damit begonnen, die Verwaltung im Sinne seines Erlasses vom Februar 1719 einzurichten. Und so wurden die Beschlüsse der Behörden in Craiova „ im Namen der allerheiligsten kaiserlichen Majestät, dem Fürsten der Cisalutanischen Walachei, Karl VI. (,în numele preasfin ţ itei chesarice ş ti m ă riri, prin ţ ipul Valachiei dincoace de Olt, Carol al VI-lea ’ ) “ (Papacostea 1970: 40) gefasst. Bei der, wenn auch eingeschränkten, Beteiligung der kleinwalachischen Noblesse blieb es aber nicht dauerhaft. Seit 1726 nahmen die Konflikte zwischen der Banschaft in Craiova und dem Oberdirektor in Hermannstadt infolge der Absetzung des Banus Gheorghe Cantacuzino stetig zu, so dass sich Karl VI. 1729 entschied, die bisherige Struktur aufzulösen. An ihre Stelle trat eine rein österreichische Verwaltung, die dem Oberdirektor vier Subdirektoren zur Seite stellte, die in Craiova residieren sollten. Sie übernahmen diejenigen Funktionen, die bislang die Banschaft innehatte. Bei dieser Struktur blieb es dann auch bis zur Abtretung der Kleinen Walachei an das walachische Fürstentum im Frieden von Belgrad 1739. Was wollte man über Craiova wissen? Was genau aber erwartete die Österreicher im Falle der Hauptstadt Craiova? Waren ihnen die Zustände in dieser Stadt bewusst? Sicher ist, dass die Stadt eines der militärischen Hauptziele der Kampagne in der Kleinen Walachei gewesen ist, denn auch wenn Craiova nur Hauptstadt der Kleinen Walachei war, so trat seine Bedeutung damit offen zutage. Außerdem lag Craiova am Schnittpunkt mehrere Straßen; darüber hinaus bot die Stadt zumindest rudimentäre bauliche Grundlagen für die Einrichtung einer Verwaltungsstruktur. Allerdings wurde die Kleine Walachei durch die Kriegshandlungen insbesondere im Jahr 1717 massiv in Mitleidenschaft gezogen, was auch Craiova einschloss. Deutlich wird dies in einem Brief, den General Stephan von Steinville am 16. Februar 1718 aus T ă lmaciu an den Hofkriegsrat zu Wien schrieb. Steinville war damit beauftragt worden, nach einem Ort für die anstehenden Friedensverhandlungen zu suchen. Dafür kam prinzipiell auch ein von Österreich kontrollierter Ort in der Walachei in Betracht, allerdings war Steinville sehr im Zweifel, ob sich hier überhaupt eine Auswahl treffen lasse. 262 Peter Mario Kreuter <?page no="263"?> Betreffend locum congressûs ad audiendum propositiones pacis, ist Csernez ein schlechter übel gebauter, dermahlen auch ruinirter, und alsso zu der Sach ohnanständiger Orth; hingegen hette sich villeicht angeschicket gehabt Brankovan, und das ohnweith darvon gelegene, mit einem grossen Haan oder Gasthauss versehene Crajova, wan beede disse Örther nicht ebenfahls im vorigen Sommer durch Brand von denen Tartaren zu Grund gerichtet worden wären, mithin wuste ich in gantz Wallachey ausser dem Fleken Tergovist keinen gelegensamberen, zumahlen disser allen Bericht nach auf Landes-Arth wohl bebauet [ … ]. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 248, 272) Daneben käme noch das eine oder andere Kloster infrage, aber nur Tîrgovi ș te ernsthaft in Betracht. Nun gibt der Bericht des General Steinville keine weiteren Hinweise auf den genauen Zustand von Craiova, aber offenbar wurden die Schäden durch die Kriegshandlungen als so massiv angesehen, dass die Stadt von vorneherein als Ort für Friedensverhandlungen ausschied. Stattdessen ließ Steinville die Stadt erst einmal in einen einigermaßen brauchbaren Verteidigungszustand setzen ( Jacubenz 1900: 181). Schaut man sich das vorhandene Quellenmaterial an, so fällt auf, dass sich weitergehende Informationen zu Craiova kaum finden lassen. Die Stadt ist wenig mehr als der Name für einen zentralen Ort der militärischen Bemühungen und taucht daher immer wieder in den Berichten der Feldkommandeure auf, ohne dass Näheres über den Zustand der Stadt berichtet worden wären. Im Vorfeld des Erwerbs der Kleinen Walachei hatte Rudolf Damian von Brünner im Jahre 1716 einen auf Italienisch verfassten Überblick über die Walachei angefertigt, in dem die Stadt nur ein einziges Mal mit einem Hinweis auf ihren Hauptstadtstatus als „ Krajova “ (Brünner 1716: fol. 21 v) auftaucht. Und so verwundert es nicht, dass General Steinville in einem Schreiben aus Hermannstadt an den Hofkriegsrat zu Wien vom 2. Oktober 1718 erwähnt, dass „ öffters berührter de Porta [Sekretär der Banschaft] von disem orth einen grundriß mit sich bringe “ (Steinville 1718: fol. 1 v), den es bislang nicht gegeben hat. Mag es zunächst kaum verwundern, dass Craiova während der Kriegshandlungen nur begrenzt Interesse erfuhr, so ist die stiefmütterliche Behandlung der Stadt fünf Jahre später kaum zu verstehen. Der Ingenieur und Hauptmann im Heisterischen Regiment Friedrich Schwantz von Springfels übergab 1723 dem Oberdirektor seine Kurtze Erklährung und Bericht über die diesseits des Alth- Flusses gelegene fünff Districte der Kayserlichen Valachey sive Valachia Cis- Alutana, eine Landesbeschreibung mit umfassenden, von ihm selbst angefertigten Kartenmaterial. Das sechste Kapitel seiner Landesbeschreibung lautet „ Von dem Haubt-Orth des Landes “ und umfasst die Folia 15 bis 19 des Manuskripts, mit fast zehn Seiten Text. Doch erfährt man so gut wie gar nichts über Craiova, außer dass die Stadt „ Crajova “ heiße und Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte 263 <?page no="264"?> Haubt Orth des Landes, nehmlich wo der Commendant, die Deputation, das Commissariat, und Cameral-Beambten, ihren Sitz haben möchten nicht allerdings gefallen, erstlich weil selbiges allen vorbenandten Defensions-Vortheilen des Landes entlegen, wohin die communication aus Siebenbürgen sehr difficil und weit, ja beÿ künfftig ereignenden Krieg, dem Feinde exponiret seÿ, und dieses umb so gefährlicher, weil andertens wegen der üblen Situation daselbst von Defensions-Wercken heut oder morgen nichts haubtsächliches anzulegen ist, weswegen die Bojarn und Kauffleuthe nebst vielen andern kommen, und gebethen, den Sitz anders wohin zu transferiren. (Schwantz von Springfels 1723/ 2017: 252) Was folgt, ist eine Reihe von Vorschlägen, wohin man die Verwaltung der Kleinen Walachei anstelle von Craiova ansiedeln könne, wobei für einen der möglichen Kandidaten, „ Ribnick “ (rum. Rîmnicu Vîlcea), sogar ein Stadtplan und eine Gesamtansicht beigefügt werden. Was im ersten Moment erstaunlich wirken mag, klärt sich auf, wenn man dem Gang der Geschehnisse folgt. Für die stiefmütterliche Behandlung Craiovas kann man allerdings die Herkulesaufgabe der Einrichtung der Kleinen Walachei ins Feld führen. Krieg, umfassende Deportationen der Bevölkerung in die Große Walachei und der daraus resultierende wirtschaftliche Niedergang hinterließen ein vollkommen ruiniertes Land, dessen verwüstete Hauptstadt nur eines der vielen Probleme war, denen sich die kaiserlichen Truppen und Verwaltungsbeamten stellen mussten. Der Ernst der Lage findet sich in den Quellen an einer Stelle durch den Hofkammerrat Ignaz von Haan bestens zusammengefasst: „ [ … ] dan gewis ist, das man ein grosses Stuckhlandt aber wenig Leüth erobert hat. “ (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 334, 397) Craiova und die Österreicher Unmittelbar nach der Eroberung der Kleinen Walachei wurde Craiova für die habsburgische Administration in Siebenbürgen rasch mehr als nur ein Name. Die Stadt war fest in die Planungen für die zukünftige Ausgestaltung der kaiserlichen Verwaltung einbezogen, doch gab es von Anfang an ein gewisses Unbehagen ihr gegenüber. So ist der allgemein eher schlechte Zustand des Landes immer wieder Thema in den Depeschen und Berichten, die nach Hermannstadt oder Wien gingen, und dabei spielt Craiova häufig eine wichtige Rolle. Als Beispiel soll ein Bericht von General Steinville vom 9. November 1718 an den Hofkriegsrat in Wien über den Zustand der vom osmanischen Militär hinterlassenen Infrastruktur dienen; dabei macht er sich unter anderem Gedanken über die Kommunikationsmöglichkeiten, die sich aktuell bieten - und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Craiova für einen Hermannstädter tatsächlich weitab vom Schuss und mitten in der sprichwörtlichen Walachei befinden musste. 264 Peter Mario Kreuter <?page no="265"?> Ein Hoch Löbl. Kay Hof-Kriegs-Rath verlanget von mir sonsten zu wissen, wie die Post- Strassen zu Unterhalt der nöthigen Correspondenz in Walachey, und in was Orthen specifice solche fürohin anzustellen wären, worinnen dermahlen und bey gegenwärtigen Zuestand des Landes keine aigentliche Auskunfft geben kan, unter dessen aber wird man wo es möglich die Interims Einrichtung zu machen suchen, dass die nöthige Posten von Ribnik bis auf Craiova, allwo der Orth der kunfftigen Administration seyen muess, unterleget werden, wiewohlen zur Zeith etwas dieses difficil fallen dörffte, da ich selbsten Zeuge seyn kan, dass in drey tägiger Raiss von ged. Craiova bis Ribnik kein einziges Hauss zu sehen gewesen. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 318, 346) Und im Jahre 1720 wird in einer Denkschrift an den Hofkriegsrat berichtet, dass in der Kleinen Walachei der Bauer [ … ] nicht ansässig in Dorffschafften wie in Teütschland und anderwehrts gesehen werden, sondern es befinden sich bald da bald dorthen mit gestreicher, Flechtwerkh und mit S. v. (Salva venia) Koth etwasz angeworffen drey, vier, fünff, mehr oder weniger schlechte Häuser in von denen landstrassen abgelegenen und gemeinigl. von dem wald oder gebürg ohnentferneten anhöhen, also dasz ein jeder solcher, wan er mir von weitem etwasz zukomben siehet, auf dem sprung fertig ist, und diese Bauren seind dannoch die mehr cultivirteste; andere wohnen hingegen in finsteren selten accessiblen wälderen gar unter der Erde in Höllen wie das wilde Viehe und begnügen sich mit weniger Nahrug, seynd auch so verschlagen und arglistig, dasz Sie Ihren kleinen Akherbau niehe bei denen Häuszern oder Höllen, sondern ein und mehr meilen davon enstehennter haben, worausz folget, dasz das heräuszige schön und ungemein fette Erdreich öde, ohngebaut und niemand zu nuzen bleibet. (Hurmizaki 1878: 310) Das Entsetzen des Verfassers obiger Zeilen lässt sich auch gute 300 Jahre nach der Niederschrift noch gut verspüren. Die Klagen über Craiova setzen alsbald nach 1718 ein und werden eine zwar kleine, doch feste Position in den Berichten aus der Kleinen Walachei. Ignaz von Haan zum Beispiel berichtet am 12. Dezember 1719 an die Hofkammer nach Wien, dass er sich nun um die Einrichtung einer geordneten Verwaltung der kleinwalachischen Salzgruben bemühe. Haan, der „ in dem engen und mit Wohnungen sehr schlecht versehenen Crajova “ residierte, scheint offenbar seine hierfür notwendige Dienstfahrt auch als gesundheitlichen Vorteil zu sehen. Ich aber habe mich hieher nach Ockna begeben, einstheils den ungesunden Lufft und das Wasser zu Crajova zu changiren, andertens umb auch der bey denen hiesigen, sonderlich der neü aufrichtenden Saltz Grueben vor die Handt genohmenen Arbeith, nächer zu seyn [ … ]. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 338, 416) Klagen über die schlechte Qualität des Trinkwassers - ein Problem, das für die Stadt bis heute aktuell ist aufgrund ihrer hydrologischen Lage (Avram et al. Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte 265 <?page no="266"?> 2005: 14 - 19) - und über die unerträgliche Luft werden immer und immer wieder festgehalten. Aber Craiova kommt auch sonst schlecht weg; die obige Aussage von Haans ist nur als ein Beispiel zu verstehen. Selbst in Details kann die Stadt nur als Ärgernis gelten - die Keller zur Unterbringung von Proviant taugen nichts, wie einem Schreiben des Oberdirektors Joseph Lothar von Königsegg an den Hofkriegsrat vom 24. Juli 1723 zu entnehmen ist. [ … ] und wan auch gesezt der Schanckh pro parte fisci geblieben wäre, hätte solcher dannoch eben dise jezige Wirts-Leüthe zu den Schenckhen beyzuhehalten suchen, und sie wegen des Schenckhens bezahlen müssen; zumahlen aber die Keller in Crajova ohne dem sehr schlecht, und ein solcher Wirtsmann auf ein frembdes Gutt weniger als sein aigenes sorgen, folgl. vill Wein verderben wurde, könte der Nutzen nicht so hoch erstaigen, als worauf man sich Cameraticè den ohnverläslichen Conto gemachet [ … ]. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 382, 544 f.) Die Nachteile von Craiova führten schließlich im Sommer 1723 zu einem ersten Vorschlag, den Hauptort der Kleinen Walachei dauerhaft zu verlegen. 5° Ob magnum et nonnunquam ferè insupportabilem aestum, exindeque provenientes varias infirmitates et aquarum insalubritatem, Administrationis Residentia ex oppido Crajovae ad. Tyrgosyului (ubi tam aer sanior, quam locus frigidior et meliores sunt aquae) transferenda rogatur. Quae tamen subindè rebus ita postulantibus, etiam Crajovam divertere poterit. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 382, 585) Nun versteht man auch die an sich kaum begreifliche Nonchalance, mit der Friedrich Schwantz von Springfels in seiner Landesbeschreibung über Craiova hinweggegangen ist. Zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Arbeit war die Hauptstadt der Kleinen Walachei bereits als kaum bewohnbarer und unpraktischer Ort verschrieen, so dass sich eine Verlegung in eine andere Stadt abzuzeichnen schien. Als Favorit bei einer Verlegung der Hauptstadt galt das schon oben erwähnte Tîrgu Jiu. Verglichen mit Craiova schien dieser kleine Flecken im Tal des Schil nichts als Vorteile zu bieten, wenn man dem Oberdirektor Joseph Lothar von Königsegg glauben darf, der sich am 14. August 1723 von Hermannstadt aus an der Hofkriegsrat wandte. Der Wallachische Adel incliniret auch sehr zu der civilen Gemainschaft, und wohnete derselbe schon zu Crajova beysamben, wan die unsichere Nachbahrschaft von Widin und Nicopolis. rechte Wohnungen zubauen zueliesse, und wan auch über dises nicht die Luft und das matte Wasser daselbsten soville Krankheiten verursachen thätte. Dessentwegen hat mich die Administration mit allen Bojaren ersuchet, Ihro Kays. May. allerunterthänigst vorzutragen, dass der sedes Administrationis von Crajova hinweeg nacher Tergul Schill möchte transferiret werden, wo sie sich erbiethen, eine förmbliche Statt anzulegen, und darinnen steinerne Haüser aufzubauen. Ich kan auch nicht anderst 266 Peter Mario Kreuter <?page no="267"?> als eben darzue aus obigen Ursachen einzurathen, da nicht allein zu Tergul Schill gesunderer Luft und frischer Wasser als zu Crajova, sonderen auch mehr in meditullio der Provinz liget, und also in allen bequember seyn wurde, worzue noch kombet, dass es nicht allein nicht also exponiret, sonderen die Leüthe auf allen Fahl den Ruckhen frey gegen das Siebenbürgische Gebürg, und folgsamb ihre Effecten leichter dahin salviren zu konnen, die Gelegenheit hätten. (Giurescu Bd. 1 1913: Dok. 384, 605) Die jahrelangen Klagen über Craiova und seine Nachteile - ungenügende Qualität des Trinkwassers, schlechte Luft, beengter Wohnraum, exponierte Lage in einer flachen Landschaft, die große Entfernung zu Siebenbürgen (und damit Hermannstadt), der Aufwand für die Beschaffung von grundlegenden Materialien wie Holz - kulminierten schließlich in einer langen Denkschrift, die die Präsidenten von Hofkriegsrat und Hofkammer am 23. Februar 1726 an Karl VI. sandten. Sonsten ist noch occasione diser neü antragenden Administrations Bestellung in quaestionem gekhomben, ob solche sambt dem Militari et Camerali ferers zu Crajova, als dem bisherigen sede Provinciae, ihr Verbleiben haben, oder anderwerttig und wohin, transferiret werden solte? dann, obschon einestheills jener Orth in meditullio gelegen, und ab antiquo in denen disseithigen Districten sedes Provinciae gewesen, dahero man auch von Anfang deren Eroberung an es bishero darbey bewenden lassen, so hat man hingegen anderen thaills mittlerweyll in Beobachtung gezogen, dass ersagtes Crajova so ungesund als ohnbequemb, auch an Holz und Wasser Mangel leyde, welch-beedes mit nicht geringen Kosten und Beschwährde des Landes von weithen dahin zugeführet werden muess, westwegen dan die, in dem Sibenbürg. und darvon dependierenden Wallachischen Obercommando bis dato gestandene Generalen, sambentlich angetragen, dass der Sedes Provinciae von danen, als einem aller Gefahr exponiert, auch ungesunden Orth, hinweeg- und benantlichen nach Tergoschyll an die Sibenbürg. Gränizen transferiret wenden solte, zumahlen es die Communication nächer mit Sibenbürgen hätte, und nicht so als Crajova ausgesezt stunde, andurch auch ville Spesen deren Wasserfuhren und andere Onera dem Land zu guetten khommeten, dass also auch beede gehorsambste Hofmittlen zu diser Translation allerdings sowohl aus hievor berührt als nachfolgenden Ursachen in Unterthänigkheit ohnmassgebig eingerathen haben wolten, weillen sowenig die Administration, als Militares und Camerales zu Crajova in dorthig so schlechten Wohnungen längers zusubsistieren vermögeten, und besonders die jenige, so Geld und Schriften zu verwahren haben, wegen Feyers Brumsten in stätter Gefahr und Sorgen: hingegen einwie andere zu Tergoschyll besser gesichert stunden, und ohwohlen dise vorschlagende Translation etwas khosten wirdet, da auch ein neüer Weeg aus Sibenbürgen und benanntlichen projectierter massen aus dem Hazzeger Thall längst des Syll Flusses gegen Tergoschyll zuerofnen, woryber erst der bekhante Ingenieur Haubtmann Schwanz, so die Eüer Kays. Mays. khürzlich überraichte Mappam von Vallachey verferttiget, des weitheren vernohmen werden wirdet, so khombet es doch, deren übrigen Baukhosten halber, auf Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte 267 <?page no="268"?> eines- oder villeicht ein wenigeres zu Tergoschyll, als zu Crajova an, indeme vorbesagtermassen manente ibi sede Provinciae eben Häuser erbauet werden müesten, welche neue Gebäu zu Tergoschyll wegen mehr- und nächer an der Hand habenden Materialien weniger als zu Crajova khosten därften. (Giurescu Bd. 2 1913: Dok. 6, 22) Wer nun aber gedacht hat, dass es nach dieser vernichtenden Kritik an Craiova zu irgendeiner Aktion im Sinne eines Umzugs gekommen wäre, der sieht sich getäuscht. Nichts passierte. Und Karl von Tige, der Nachfolger Königseggs als Oberdirektor der Kleinen Walachei, blieb nichts anderes übrig, als 1727 weiterhin das Klaglied über Craiova anzustimmen. Von Brankovan gehet der Weeg zu einer herrlichen Pruckhen Balza genant über den Flus Oltez, von wannen man in wenig Stunden nacher Crajova kombet; der Haubt-Ohrt dises Banats, welcher mehr einem übel zusamben gesezten Dorf, als einer Statt zu vergleichen ist. (Giurescu Bd. 2 1913: Dok. 77, 213) Und selbst fünf Jahre später ist die Aufgabe Craiovas als Hauptstadt immer noch eine ungelöste Frage. So wendet sich der Hofkriegsrat am 20. August 1732 an den Guberbator von Siebenbürgen, Franz Anton Paul Graf Wallis von Karighmain, um diese Frage zu erörtern. Schlüesslichen ist noch aus villgedachter derenselben Wallachen Visitations Relation zuentnehmen gewesen, wessen die HH. wegen Eröfnung des projectierten einen Weegs durch das Hazegher Thall, Transferierung Sedis Administrationis nacher Zinzeren, oder doch Reparierung des dermahligen Administrations Hauses zu Crajova, und endlichen ratione neüer Erbauung des Contumaz Hauses zu Calafat sich anfragen wollen. [ … ] Desgleichen auch über das anderte eventualiter, es möge der Orth Zinzeren fortificieret werden oder nicht? ihre Guettmainung zueröfnen, wie etwan die Administrations Transferierung dahin von Crajova ohne grossen Unkhosten beschehen khönte, indeme doch die Administration allda nicht so gahr exponieret, sondern mehrers gesichert stunde, bis zu dessen Resolvierung aber mit Beföstigung des Administrations Hauses zu berührten Crajova zu supersedieren; umb vor der Zeith kheine vergebliche Spese darein zuverwenden. (Giurescu Bd. 2 1913: Dok. 208, 537 f.) Und wie endet die Geschichte? Craiova blieb bis zum Ende der österreichischen Herrschaft über die Kleine Walachei deren Hauptstadt. Und auch danach war die Stadt der zweite wichtige Ort im Fürstentum Walachei. Bis heute ist ihr Ruf in Rumänien nicht immer der beste, was nicht zuletzt an ihrer relativ abgeschiedenen Positionierung innerhalb Rumäniens liegt. Allerdings erlaubt dies bis heute, diese Stadt zu entdecken. Wirklich darum bemüht haben sich die Österreicher seinerzeit nicht. Und so bleibt ihr Beitrag zur Stadtgeschichte Craiovas auch leider sehr schmal. 268 Peter Mario Kreuter <?page no="269"?> Literaturverzeichnis Avram, Cezar Gabriel et al. (Hrsg.) (2005): Dic ț ionarul istoric al localit ăț ilor din Jude ț ul Dolj: Craiova. Craiova: Institutul de Cercet ă ri Socio-Umane „ C. S. Nicol ă escu Plop ș or “ . Baramova, Maria (2013): „ Did the Danube Exist in Habsburg Power Politics in South- Eastern Europe before 1699? “ . In: Power and Influence in South-Eastern Europe. 16 th - 19 th Century, Maria Baramova et al. (Hrsg.). Münster/ Wien/ Berlin 2013: 25 - 35. Brünner, Rudolf Damian von (1716): „ Il Principato di Wallachia “ . Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Ungarische Akten 196 - 3 (1712 - 1716), Konvolut K - Mixta, fol. 13 - 23. Giurescu, Constantin (Hrsg.) (1913,1944): Material pentru istoria Olteniei supt austrieci. 3 Bände. Bukarest: Tipografia Gutenberg. 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East European Quaterly 17, H. 4: 391 - 400. Was man in Wien und Hermannstadt über Craiova dachte 269 <?page no="271"?> La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie dans Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen (1780) de Johann Ehrenreich von Fichtel Dinu Moscal (Ia ș i) The article discusses the toponyms of the Saxon regions from Transylvania (Bistri ț a, Bra ș ov and Sibiu) at the end of the eighteenth century to explain the degree of German toponyms representation after more than half a millennium of German administration. The toponyms are extracted from the map contained in the first volume of Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen (1780) by Johann Ehrenreich von Fichtel. They are related to their first attestation, variants in other languages used by the different administrations and toponymical categories (socio-geographical and geographical toponyms). The analysis reveals different degrees of German toponymic representation in these regions inhabited by Romanians, Saxons and Szeklers. This fact is a consequence of the administrative-political power ’ s impact and the quantitative variability of the Saxon population, depending on the economic and political relevance of the region. 1 Introduction Il est bien connu que parfois on peut mieux connaître une réalité historique ou sociale en invoquant des preuves linguistiques et cela d ’ autant plus quand les sources historiques manquent ou sont interprétables. Pour ce qui est le cas de la Transylvanie, les sources historiques ne manquent pas (Constantinescu - Ia ş i 1962/ II: 42 - 48), pourtant les interprétations peuvent faire elle-seules l ’ objet d ’ un chapitre d ’ historiographie. On ne prendra en discussion cet aspect, le seul objectif est de trouver quelques indications sur l ’ histoire des régions saxonnes de la Transylvanie en observant les toponymes de la carte annexée au premier volume de Fichtel, Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen (1780), exécutée par le cartographe Carl Gabriel Wappler. La carte est assez détaillée <?page no="272"?> pour son temps, de toute façon plus détaillée que celle du second volume, et indique les régions des Saxons et celles des Széklers. Les dates appartiennent à Fichtel, grâce aux enquêtes personnelles: “ aus eigenem Augenscheine nach vieljährigen Nachforschen und sorgfältiger Prüfung niedergeschrieben ” (Fichtel 1780/ II: 3, Vorbericht der Herausgeber). Une carte encore plus exacte est la carte militaire provenant de la “ Josephinische Landesaufnahme ” entre les années 1769 - 1773, où on trouve une image cartographique très exacte et tous les oïkonymes, mais sans aucune autre information écrite. La carte de Fichtel présente l ’ avantage d ’ indiquer un nombre assez important de toponymes géographiques, dont la plupart sont des oronymes. La position des zones saxonnes, à la limite carpatique de la Transylvanie, favorise une analyse comparative des toponymes en fonction de leur catégorie : toponymes sociogéographiques, à savoir les oïkonymes, et les toponymes géographiques, dont la plupart sont des oronymes. La toponymie a été habituellement invoquée comme un témoin important de la présence des Roumains sur leur territoire, notamment à propos du territoire de la Transylvanie (voir, par exemple, Xenopol 2 1998 [1884] et 1885 ou Dr ă ganu 1933). Les longues discussions et débats des historiens ne font pas l ’ objet de la présente contribution. Le but de cette courte étude est une analyse générale de la toponymie des trois régions saxonnes, conformément aux limites marquées comme telles sur cette carte, afin d ’ avoir une image du degré de représentation de la toponymie allemande après plus d ’ un demi-millénaire d ’ administration, leur première attestation comme telles, le rapport avec le degré de représentation des toponymes d ’ autre origine et le rapport langue - catégorie toponymique, vue la présence assez élevée des toponymes géographiques sur la carte de Fichtel. 2 Le cadre historique général La toponymie de la Transylvanie reflète bien son histoire difficile, même tragique, donc il est nécessaire d ’ avoir quelques repères avant de prendre en considération les toponymes consignés sur une carte de 1780. Une longue période de l ’ histoire documentée de la province roumaine de Transylvanie s ’ identifie par la domination des Hongrois, qui, au long du XI e et XII e siècle, ont réussi à conquérir tout son territoire, à savoir jusqu ’ aux Carpates (Constantinescu - Ia ş i 1962/ II: 72 - 73). La conquête a été doublée par la colonisation de ce territoire, continuée pendant le XIII e siècle. À côté des Széklers (Sicules), venus avec les Hongrois dans la Pannonie et participant à la conquête de la Transylvanie, les Saxons, représentent la seconde population colonisatrice privilégiée par les Hongrois. Leur rôle, comme celui des Széklers, était la défense de la frontière carpatique (Pascu 1971/ I: 121, Constantinescu - Ia ş i 1962/ II: 76 - 80). 272 Dinu Moscal <?page no="273"?> La première attestation des Saxons en Transylvanie date de l ’ année 1206: „ etiam quibus alii saxones ” (Zimmermann/ Werner 1892: 10). Leur lieu d ’ origine est la région du Bas-Rhin et de la Moselle, mais leur nom, le lat. Saxones, alterne dans les documents ultérieurs avec le lat. Theutonici (Pascu 1971/ I: 119), dont la présence est attestée un peu avant (l ’ année 1195): “ ecclesia Theutonicorum Vltrasilvanorum ” (Zimmermann/ Werner 1892: 1). Mais il faut savoir que le nom de Saxons (roum. sa ş i), est un nom générique qui désigne aussi les autres allemands établis dans la Transylvanie médiévale, donc pas seulement de la zone géographique de la Saxe. Selon les documents disponibles, le premier territoire colonisé semble être entre les rives Olt et Târnava Mare, à savoir la région de Sibiu ( “ Hermannstädter sächsische Stuhl ” ) jusque Sebe ş (all. Mühlenach) vers l ’ Ouest et jusque Media ş (all. Mediasch), dans l ’ extrémité de Nord, puis, le deuxième, la région de Bistri ţ a ( “ Bistritzer sächsische Distrikt ” ) et, enfin, le troisième, la région de Bra ş ov ( “ Kronstädter sächsische Distrikt ” ). Si on regarde une carte, ces trois régions se situent à la limite carpatique de la Transylvanie, ce qui s ’ explique par leur rôle : contrecarrer les attaques des Coumans présents au-delà des Carpates, en Moldavie et en Valachie (Pascu 1971/ I: 121). Ils ont reçu régulièrement des passe-droits tout au long de la domination hongroise en Transylvanie, puis, pendant la période où la Transylvanie devient principauté sous la suzeraineté des Ottomans (1541 - 1699), ils perdent leurs privilèges et leur nombre diminue, mais ils gagnent de nouveau une position favorable sous l ’ administration autrichienne (jusque à l ’“ Ausgleich ” de 1868). Les travaux du minéralogiste I. E. von Fichtel paraissent dans cette période fortunée pour les Saxons. La carte de l ’ annexe du second volume de Beytrag zur Mineralgeschichte von Siebenburgen indique aussi quelques hydronymes et oronymes (noms de montagnes), ce qui offre la possibilité de comparer le traitement des catégories toponymiques. Les toponymes saxons (allemands) sont majoritaires, mais il y a un nombre assez important de toponymes hongrois et, enfin, quelques toponymes roumains. Il faut souligner que les Roumains, à savoir la population autochtone, n ’ ont pas eu des droits politiques ou sociaux pendant la période présentée ci-dessus, soit qu ’ il s ’ agit de l ’ autorité hongroise, turque ou autrichienne. Le pacte Fraterna Unio de 1437, connu sous le nom de “ Unio Trio Nationum ” , qui établit les trois classes privilégiées de Transylvanie, les Hongrois, les Saxons el les Sicules, et que les Roumains sont une nation tolérée, n ’ est pas contesté jusqu ’ au règne de Joseph II, qui accorde aux Roumains le droit de “ con-civilité ” le 22 mars 1781 et abolit le servage (roum. iob ă gie) le 22 aout 1785. En ce qui concerne la langue, le roumain n ’ a jamais été un sujet pour les autorités, ni même sous le règne de Joseph II. On peut citer la conclusion de Windisch sur ce thème : “ Putem observa, de asemenea, c ă românii nu aveau nici La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 273 <?page no="274"?> un cuvânt de spus pe acest teritoriu tensionat al ambi ț iilor politice, sau cel pu ț in nu erau percepu ț i ca demni de luat în seam ă [On peut observer également que les Roumains n ’ avaient pas leur mot à dire dans cet espace plein de tensions provoquées par les ambitions politiques, ou, du moins, qu ’ ils n ’ étaient pas perçus comme dignes d ’ être pris en considération] ” (Windisch 2005 : 443). Dans ce contexte, le roumain reste la langue parlée par la population majoritaire, mais pas écrite pendant l ’ entière domination étrangère de la Transylvanie. Pourtant, on peut affirmer que le roumain et la présence des Roumains avant la conquête et la colonisation de la Transylvanie sont bien attestés par les toponymes qui ont résisté pendant cette longue période. Bien entendu, la nouvelle administration impose une nouvelle nomenclature, mais on ne peut pas faire disparaître toute trace du passé ou des réalités de cette période. C ’ est ainsi que, mis à part la toponymie allemande (saxonne), on trouve beaucoup de toponymes hongrois et un certain nombre de toponymes roumains. Bien entendu, la toponymie actuelle de la Transylvanie présente un grand nombre de noms d ’ origine hongroise et allemande, notamment oïkonymes. 3 Observations générales sur la toponymie des régions saxonnes L ’ analyse linguistique de certains toponymes peut offrir des informations sur la réalité historique ou sociale de ces régions restées longtemps sous une administration étrangère. La comparaison avec les premières attestations (assez souvent en latin) ou avec des variantes s ’ avère aussi profitable. Une liste des transcriptions des toponymes avec l ’ indication des formes standardisées et de leurs équivalents actuels serait bien longue, car leur nombre est assez grand, plus de trois cents (327) 1 . Même si cette étape a été nécessaire pour cette courte recherche, nous ne donnerons qu ’ un inventaire alphabétique des formes transcrites pour chacune des trois régions et une information minimale 2 . Même si ces régions colonisées par les Saxons ont eu presque la même histoire pendant l ’ administration étrangère, leur histoire avant la colonisation, les conditions géographiques et économiques sont des aspects qui ont influencé la représentation toponymique de la carte de Fichtel. Ainsi, dans les régions de Bistri ţ a et de Bra ş ov, qui présentent de grandes zones montagneuses, on trouve beaucoup d ’ oronymes. Compte tenu de leur importance comme repères géographiques, il est difficile de changer leur nom, on trouve donc presque toujours des oronymes roumains. La situation est la même pour quelques petites zones 1 Certains oïkonymes sont traités de cette manière dans Moscal (2018). 2 Voir la carte sur https: / / www.e-rara.ch/ zut/ content/ zoom/ 7059325. 274 Dinu Moscal <?page no="275"?> latérales de la région de Sibiu. L ’ analyse générale 3 de la toponymie de chacune de ces régions offrira quelques indices importants pour une image plus adéquate de l ’ histoire de la Transylvanie. Pour ce qui est le cas des syntagmes, le déterminant est considéré comme secondaire (par exemple, “ mare ” ‘ grand ’ de Illvamare), ainsi que le terme géographique d ’ un syntagme appositif (par exemple, “ mons ” ‘ montagne ’ de M[ons] Gotze). 3.1 La toponymie de la région de Bistri ț a La toponymie de cette région, la dernière colonisée par les Saxons, est la plus diverse de trois zones et c ’ est la seule où les toponymes allemands (saxons) ne constituent pas une majorité sur la carte de Fichtel. L ’ inventaire toponymique: Aszu-Besztretze, Batrina, Bergw[ein], Biki, Burg Bisztritz, Entsivan, Fejeregyhaza, Foldra, Fromosel, Gauren, Hajdendorf, Halciduj, Hordo, Iaad, Illvamare, Illvamika, Kerna Magura, Küchornel, Lehnitz, Less, Lopatna, Lunka, Mons Dorna, M[ons] Gotze, M[ons] Heny, M[ons] Kapubene, Major, Mittite, Mogura, Motomarka, Muntsel, Nagy Demeter, Nagyfalu, Naszod, Neudorf, Nyagra Mogura, Ol[ah] Budak, Panaszuri, Parva, Passus Dorna, Petersdorf, Pipsa, Pojen, Priszlop, Putredul, Rebra, Rebrisora, Rodna, Romulö, Runkanilor, Schantz Kukurasza, Sepan, Simontelke, St. Gyory, St. Ioseph, Szalva, Szasz Pintek, Szent-Gyorgy, Szuplej, Telts, Torpeny, Urmel, Varajra, Varhelly, Vurvul Omuluj, Zagra, Zimbroja Caluluj. Au total, il s ’ agit de soixante-huit toponymes, mais seulement huit sont allemands (saxons): Bergw[ein] (première attestation pour l ’ ancien village Valea Vinului, aujourd ’ hui partie du village Rodna), Foldra (Feldrev à 1546 et Felder à 1633, mais le vieux nom, attesté à 1440, est le hong. Nyirmeze ő , Suciu 1967/ I: 228), Hajdendorf, M[ons] Gotze, Major (de l ’ anthroponyme Meyer, forme influencée par le hongrois, cf. Dr ă ganu 1923: 258), Neudorf (Nova Villa en 1332, Suciu 1968/ II: 99; la première et la seule attestation allemande) et Petersdorf (première et seule attestation allemande pour le hong. Péterfalva, attesté à 1311 comme “ villa Petresfolua ” , id.: 40). En ce qui concerne le village Hajdendorf (aujourd ’ hui Vii ş oara), la première attestation date de 1332 (lat. Villa Paganika) et la deuxième date de 1432 où on trouve : “ Besenew alias Heidendorf ” (id.: 247). Les païens (Heidendorf ‘ village des païens ’ ) sont les Petchenègues (Besenew), une population qui n ’ était pas encore assimilée par la population autochtone au moment de la colonisation saxonne (Dr ă ganu 1933: 514 - 515). 3 Une analyse détaillée des traductions et des adaptations des toponymes d ’ une langue à autre en suivant les attestations (cf. Prisacaru 2015, Gînsac et al. 2017) pourrait offrir encore beaucoup d ’ information linguistique. La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 275 <?page no="276"?> Selon sa position sur la carte, M[ons] Gotze semble être la montagne Ci ş a. De toute façon, on ne connait pas d ’ autre attestation de cet oronyme. On peut y mentionner le syntagme appositif Schantz Kukurasza, qui, selon le symbole utilisé sur la carte, indique une fortification ( “ Befestigung der Dämme ” ) au col de la montagne Cucureasa (de roum. cucur ă ‘ partie du charrue ’ + suff. easa). Ce col de montagne avait une grande importance militaire, car c ’ était par ici qu ’ on pouvait traverser les Carpates vers la Bucovine (le Nord de la Moldavie), territoire juste occupé (1774) et annexé (1775) par l ’ Empire Habsbourgeois. Treuenfeld (1839/ II: 386) parle aussi d ’ un sentier équestre (all. Reitpfad), tandis qu ’ autres sources indiquent un poste militaire principal à Cucureasa en 1774 : “ der Hauptpost Kukuraza ” et “ das Commando zu Kukurassa ” (Werenka 1892: 234). Selon l ’ interprétation de Dr ă ganu (1923: 250), “ Schanze ” serait une fortification pour la cité médiévale Rodna, mais les détails mentionnés ci-dessus indiquent une autre fortification, très probable Wopser Schanz, mentionnée par Treuenfeld (1839/ IV: 455): “ eine Schanze, welche sich einmal im Bistritzer Militär-Distrikt, zwischen den Bergen Djálu-Bouluj und Kukureasza befunden, wo kaum mehr einige Spuren vorhanden ” . En ce qui concerne les toponymes d ’ origine slave, il faut remarquer le grand nombre d ’ oïkonymes, même si quelques-unes sont des polarisations 4 d ’ un hydronyme. Presque toutes sont antérieures aux toponymes allemands (cf. Petrovici 1943/ II: 235, Iv ă nescu 2 2000: 271 - 290): Aszu-Besztretze (une variante hongroise du déterminé avec un déterminant hongrois, aszu ‘ sec ’ , le syntagme est une polarisation de l ’ hydronyme Bistri ţ a ‘ rapide ’ ), Burg Bisztritz, Hordo (d ’ origine ruthène selon Dr ă ganu 1923: 250 - 252 et id. 1933: 262 - 266, même si on le considère hongrois), Iaad (id.: 462), Illvamare, Illvamika (ces deux oïkonymes avec un déterminant roumain : mare ‘ grande ’ et mic ă ‘ petite ’ ; du hydronyme Ilva ‘ boueuse ’ ), Lehnitz (aujourd ’ hui Lechin ţ a; à 1332: Lekence, Suciu 1967/ I: 355; de l ’ anthroponyme Leko + suff. -inci), Lopatna (oronyme), Naszod, Rebra, Rebrisora (avec un suffixe diminutif roumain), Rodna, Szalva, Zagra (ces derniers discutés par Dr ă ganu 1923: 256 - 257). Ol[ah] Budak (première attestation à 1443: Olahbudak, Suciu 1967/ I: 110) est un oïkonyme polarisé de hydronyme Budacul, qui peut être roumain, mais aussi slave, même si on a aujourd ’ hui le roum. budac. La plupart des toponymes roumains sont des oronymes: Batrina (ancien déterminant d ’ un syntagme initial avec un déterminé féminin: * M ă gura B ă - 4 Le terme est emprunté à Moldovanu (2014: XXIII/ 1), qui le définit comme un processus par lequel “ autour du noyau se groupent des toponymes désignant d ’ habitude des objets de classes géographiques différentes, mais qui se trouvent en contiguïté relative avec celuici ” . 276 Dinu Moscal <?page no="277"?> trîn ă 5 ), Fromosel, Kerna Magura (M ă gura Neagr ă , mais avec le déterminant slave), Küchornel (la montagne Cr ă ciunel), Mogura, Mons Dorna (< dorn ă ‘ tourbillon d ’ eau ’ , cf. Moscal 2016), Muntsel, Nyagra Mogura (M ă gura Neagr ă , topique allemande), Putredul, Runkanilor (ce génitif pluriel du patrionyme runcan ‘ habitant de Runc ’ suppose la propriété d ’ une petite communauté, * Muntele Runcanilor, un petit hameau sur la montagne Runc, attesté comme Runk par Treuenfeld 1839/ III: 418, englobé plus tard dans la ville Bor ş a, du district de Maramure ş cf. Suciu 1968/ II: 88), Schantz Kukurasza, Vurvul Omuluj, Zimbroja Caluluj. Les toponymes Lunka (< lunc ă ‘ prairie, bosquet ’ ) et Passus Dorna n ’ ont pas besoin d ’ explications supplémentaires. On peut supposer que, vu leur importance géographique, quelques oronymes (Batrina, Kerna Magura/ Nyagra Mogura, Mons Dorna) sont antérieurs à la colonisation des Saxons. Les oïkonymes Gauren (pour G ă ureni < gaur ă ‘ trou, dépression étroite ’ + suff. collectif eni; aujourd ’ hui Aluni ş ul; première attestation à 1695: Gaureny, id. 1967/ I: 38), Mittite (pour Mititei; première attestation en 1547: Mititel, id.: 401), Pojen (pour Poieni, aujourd ’ hui Poienile Zagrei; première attestation en 1547: Poyen, id. 1968/ II: 49), Priszlop (pour Prislop, aujourd ’ hui Liviu Rebreanu; première attestation en 1392: Prozlop, id. 1967/ I: 361) et Szuplej (pour Suplai; première attestation 1695: Supplaj, id.: 151) sont assez vieux et on peut supposer que les toponymes primaires des oïkonymes qui ont un étymon géographique (Poieni < pl. de poian ă ‘ pré ’ , Prislop < prislop ‘ col de montagne ’ et Suplai < sub ‘ audessous ’ + plai ‘ plateau de montagne ’ ) soient antérieurs à la colonisation des Saxons. Leur position, dans les montagnes et à l ’ extrémité de la région saxonne (vers l ’ Ouest), est un argument supplémentaire pour cette interprétation. Quelques attestations des toponymes hongrois sont antérieures aux premières attestations des toponymes saxons. Afin d ’ avoir une information minimale, la première attestation est indiquée immédiatement après le nom de la carte de Fichtel, entre parenthèses, sans indiquer la source (Suciu 1967 - 1968/ I-II), suivie parfois d ’ informations à propos de l ’ étymologie et toujours du correspondent actuel, afin de l ’ identifier correctement. Les toponymes hongrois sont seulement des oïkonymes: Biki (en 1523: Byrkes; aujourd ’ hui Bichigiu; < hong. b ű kk ‘ hêtre ’ + ű gy ‘ fontaine, source ’ Dr ă ganu 1923: 255; les premières formes attestées semblent indiquer seulement le hong. b ű kk ‘ hêtre ’ + suff. adj. hong. -s), Fejeregyhaza (à 1332: Alba Ecclesia, aujourd ’ hui Albe ş tii Bistri ţ ei), Less (en 1696: Less, aujourd ’ hui Le ş u), Nagy Demeter (en 1317 - 1320: “ ecclesia de villa Demetrii ” , aujourd ’ hui Dumitra), Nagyfalu (en 1243: Nogyfalu, aujourd ’ hui M ă ri ş elu), Simontelke (en 1696: Villa Simonis, aujourd ’ hui Simione ş ti), Szasz Pintek (à 1332: “ sacerdos de Pintuch ” , Pintuk, Penung, Byntuk, 5 Pour la signification ‘ vieux et non-animé ’ du roum. b ă trîn, voir Moscal 2020. La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 277 <?page no="278"?> aujourd ’ hui Pinticu), S[zen]t Ioseph (à 1760 - 1762: Pojana, aujourd ’ hui Poiana Ilvei), Szent-Gyorgy (en 1440: Zenthgyurgh, aujourd ’ hui Sîngeorz-B ă i), S[zen]t Gyory (entre 1317 - 1320: “ fructus ecclesiae de sancto Georgio ” , aujourd ’ hui Sîngeorzu Nou), Telts (en 1440: Chech, en 1450: Thelch; < hong. telek ‘ terrain, champ ’ , aujourd ’ hui Telciu; la première attestation indique un anthroponyme qui n ’ est pas hongrois, cf. Dr ă ganu 1923: 253 - 254), Urmel (en 1439: Vermes, aujourd ’ hui Verme ș ; < l ’ anthroponyme homonyme), Varajra (en 1717: Varajra, hong. Váralja ‘ au bas de la forteresse ’ Dr ă ganu 1923: 250, aujourd ’ hui Nepos), Varhelly (à 1319: Varhel, aujourd ’ hui Orheiul Bistri ţ ei). Parfois on a des équivalents allemands pour ces oïkonymes hongrois : Weisskirchen (en 1760 - 1762) pour Fejeregyhaza, Metecsdorf (en 1760 - 1762) pour Nagy Demeter, Grossdorf (en 1854) pour Nagyfalu, Sanct-Georgen (en 1808) pour Szent-Gyorgy, Sankt-Georgen (en 1854) pour S[zen]t Gyory (Suciu 1967 - 1968/ I-II). Mais il faut remarquer que tous ces équivalents sont attestés pendant la période de l ’ administration autrichienne (1699 - 1868), quand les Saxons étaient la nation la plus privilégiée. Leur autorité était si forte, que, le 15 mai 1713, ils ont ordonné aux Roumains de quitter le district (saxon) de Bistri ţ a (pour la fin mai 1713), sous la menace de réduire en cendres leurs maisons, selon l ’ ancienne pratique (Porcius 1928 : 15). Un second acte pour la même action est daté 4 octobre 1713 (cf. aussi Bureac ă 1971). Dans ce contexte, il est vraiment remarquable et, en même temps, explicable (vu la position du village) l ’ existence du suffixe collectif roumain -eni dans l ’ oïkonyme Gauren (attesté à 1695 comme Gaureny, Suciu 1967/ I: 38). On peut faire mention d ’ une autre trace roumaine à propos de l ’ oïkonyme Szent Gyorgy, aujourd ’ hui Sîngeorz-B ă i, attesté comme Simdzo[r]dzu et Simdzordz à 1564 et Singeordz à 1598, ce qui indique la forme roumaine dialectale Sîngiorgiu(l). Le syntagme Oláh Szentgyörgy (oláh ‘ valaque, roumain ’ ), attesté en 1607, est le second argument qui prouve la coexistence de l ’ équivalent roumain pendant l ’ administration étrangère. Faute d ’ arguments concernant l ’ étymologie, quelques toponymes n ’ ont pas été discutés: les oïkonymes Pipsa (en 1332: Gypsa/ Gupsa, probablement d ’ origine slave; aujourd ’ hui Dip ș a), Motomarka (en 1243: “ villa Molunark ” , aujourd ’ hui Monariu), Sepan (en 1332: “ poss. Chepan ” , aujourd ’ hui Cepan, peut-être anthroponyme hong. cf. Vizauer 2012: 89), Torpeny (en 1332: Cupinum/ “ sacerdos de Tripinio ” , aujourd ’ hui T ă rpiu) et Vad (aujourd ’ hui Ghinda, attesté en 1332 comme Vinda, Suciu 1967/ I: 259) et les oronymes Halciduj, Entsivan, M[ons] Heny (aujourd ’ hui Muntele Heniul), Panaszuri (aujourd ’ hui Muntele P ă nasuri), M[ons] Kapubene (Kapu-Benes dans Treuenfeld 1839/ II: 205). Mis à part le dernier, qui semble être un syntagme assez nouveau, les autres sont des toponymes antérieurs à la colonisation saxonne. Parva et Romulö (aujourd ’ hui Romuli) 278 Dinu Moscal <?page no="279"?> sont des oïkonymes artificielles, imposés par le major général Cosimelli : “ erhielt das Dorf Lunka-Sinului [Lunca Vinului] den Nahmen Parva, das Dorf Varara den Nahmen Nepos, und das Dorf Sztrimba [Strîmba] den Nahmen Romuli ” (Treuenfeld 1839/ III: 176), en donnant de la consistance à la légende d ’ un supposé salut de l ’ empereur Joseph II à l ’ occasion d ’ une de ses visites (en 1768, en 1770 et en 1763) en Transylvanie: “ Salve, parvae nepos Romuli ” (à partir de l ’ homonymie entre l ’ oïkonyme Salva et le latin salve). 3.2 La toponymie de la région de Bra ş ov La région de Bra ş ov, ou Ţ ara Bîrsei (all. Burzenland), est connue comme le lieu offert par André II de Hongrie aux chevaliers teutoniques en 1211, afin de contrecarrer les attaques des Coumans (cf. Papacostea 1993: 31 - 36). Pourtant, il n ’ y a aucun toponyme à origine teutonne sur la carte de Fichtel. L ’ inventaire toponymique: Alte Schantz, Apatza, Buksesz (la montagne Bucegi), Batsf[al]l[va], Brendorf, Cronnstadt, Csernaton, Csernest, Fladein, Fontm[ … ]en, Gicbova, Golanul, Hanspach, Helzdorf, Kalibasen, Kirschbach, M[ons] Zaizon, Neudorf, Neustadt, Nussbach, Paltinul, Passus Torzburg, Petersberg, Piatra Alba, Piatra Kraszaluj, Piatra Mare, Piatra Mika, Piatra Tartarilor, Pietrosul, Rosenau, Rothzoch, Schüller Geburg, Seno[na? ], Skitt, S[zen]t Bartholome, Tartlan, Tatrany, Tomnatzel,Tömös Passus,Türkös, Urdetzen,Wolkendorf, Zaizon, Zayden, Zintzerul. Le pourcentage de la toponymie allemande (saxonne) est bien supérieur par rapport à celui de la région de Bistri ţ a, plus exactement, quatorze sur quarantecinq: Alte Schantz (aujourd ’ hui Ş an ţ ul Vechi, première attestation), Brendorf (en 1368: “ villa Bathfalua ” , Bathfolua, en 1377: Bringodorf, aujourd ’ hui Bod), Cronnstadt (en 1271: Brasu, en 1288: Braso, en 1294: Brasov, aujourd ’ hui Bra ş ov), Helzdorf (en 1335: “ castrum Heltheuin ” , en 1488: Heltesdorff, aujourd ’ hui H ă lchiu), Kirschbach (en 1235: Cormosbach, aujourd ’ hui Crizbav), Neudorf (en 1404: Newdorff, aujourd ’ hui Satul Nou), Neustadt (en 1362: Kereztyenfalu, en 1661: Naistat, aujourd ’ hui Cristian), Nussbach (en 1377: “ villa Nucum ” , en 1488: Nwspach, aujourd ’ hui M ă ieru ş ), Passus Torzburg (aujourd ’ hui Pasul Bran-Ruc ă r), Petersberg (en 1240: Mons Sancti Petri, à 1395: Mons Petri, en 1415: Petersberg, aujourd ’ hui Sînpetru), Rosenau (en 1331: Rosnou, en 1343: Rosnow, en 1564: Rosenau, aujourd ’ hui Rî ş nov), Rothzoch (en 1413: Weresmort, aujourd ’ hui Rotbav), Schüller Geburg (première et seule attestation pour “ Djálu Krisztyánuluj ” Treuenfeld 1839/ IV: 30, cf. id. 1839/ II: 372), Wolkendorf (en 1369: “ villa Wolkendorf ” , en 1377: Wolkan, aujourd ’ hui Vulcan). Les attestations des noms allemands sont plus vieilles par rapport à celles de la région de Bistri ţ a et, de plus, il y a deux premières attestations assez anciennes en allemand : Newdorff (en 1404) pour Neudorf et “ villa Wolkendorf ” (en 1369) pour Wolkendorf. Dans ce contexte il faut mentionner aussi l ’ attestation de Petersberg La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 279 <?page no="280"?> en 1415, après des attestations en latin. Rosenau est visiblement une adaptation d ’ un toponyme slave. Il faut remarquer qu ’ il n ’ y a pas beaucoup de cas où le toponyme allemand remplace un toponyme hongrois (Brendorf, Neustadt, Passus Torzburg, Rothzoch). En revanche, les toponymes hongrois sont rares : Batsf[al]l[va] (en 1444 Bachfalva, aujourd ’ hui Baciu), S[zen]t Bartholome (première attestation, aujourd ’ hui quartier dans la ville Bra ş ov), Türkös (en 1366 : Turchfalua, aujourd ’ hui Turche ş ). Il faut mentionner ici Apatza (en 1460 : Apaczija, aujourd ’ hui Apa ţ a), dont l ’ étymon semble être * Sancta Aspasia, et Csernaton (en 1366 : Charnadfalva, aujourd ’ hui Cernat), vu le terme hong. falva ‘ village ’ du syntagme de la première attestation. La plupart des toponymes roumains sont des oronymes : Golanul, Paltinul, Piatra Alba, Piatra Kraszaluj (pour Piatra Craiului), Piatra Mare, Piatra Mika, Piatra Tartarilor, Pietrosul, Tomnatzel (diminutif deTomnatic). On ne peut pas faire une affirmation certaine concernant l ’ ancienneté de ces oronymes, mais on peut observer que, de nouveau, cette catégorie toponymique est représentée en principe par des noms d ’ origine roumaine ou d ’ origine inconnue, assurément antérieures à la conquête de la Transylvanie par les Hongrois. Les autres oronymes, quelques-uns non-identifiés, sont : Buksesz (la montagne Bucegi), Fontm[ … ]en, Gicbova, Seno[na ? ] et M[ons] Zaizon (la montagne Zizin). Le toponyme Skitt indique probablement un ermitage (roum. schit). Zintzerul (pour Ţ în ţ arul) est la première attestation du village connue comme Ţ în ţ ari, aujourd ’ hui Dumbr ă vi ţ a. Le village nommé Csernest est attesté en 1395 comme “ possessio regalis Zerne ” et en 1479 - 1480 comme Z ă rne ş ti (aujourd ’ hui Z ă rne ş ti). Le village nommé Fladein est atteste en 1570 comme Vledény (aujourd ’ hui Vl ă deni). Vu le statut du roumain (et du peuple roumain) pendant l ’ administration étrangère, l ’ attestation de ces deux suffixes collectifs roumains ( e ş ti et eni) à cette époque est vraiment remarquable. Pour les autres toponymes nous n ’ avons pas d ’ arguments étymologiques probables: Hanspach (non-identifié), Kalibasen (non-identifié), Tartlan (en 1329: Tartlaw, aujourd ’ hui Prejmer), Tatrany (en 1484: Thatrang, aujourd ’ hui Tîrlungeni), Tömös Passus (première attestation, aujourd ’ hui Pasul Predeal; voir la discussion étymologique chez Dr ă ganu 1933: 244 - 250), Urdetzen (en 1319: “ Villa Ermeu ” , aujourd ’ hui Ormeni ş ), Zaizon (en 1367: Zayzen, aujourd ’ hui Zizin) et Zayden (en 1265: Feketewholum, en 1267: “ castrum Feketeholm ” , en 1377: “ villa Cidinum ” , aujourd ’ hui Codlea). “ Castrum Feketeholm ” ‘ la forteresse noire ’ semble indiquer une forteresse des Teutons. 280 Dinu Moscal <?page no="281"?> 3.3 La toponymie de la région de Sibiu L ’ inventaire toponymique de la région de Sibiu est beaucoup plus grand que les deux autres déjà présentés, à savoir deux cents quatorze. Pour la zone de la ville Or ăș tie (distr. de Hunedoara), donc l ’ extrémité de l ’ Ouest, de dix-sept toponymes, il n ’ y a que deux toponymes allemands: Posthaus, à savoir Schibóter Posthaus (Treuenfeld 1839/ II: 397), première attestation, et Eisenhamer, attesté en 1431 comme “ poss. Thelek ” (aujourd ’ hui Teliucu Inferior), positionné un peu déplacé vers l ’ Ouest sur la carte. Pour le reste, les oïkonymes hongrois Felkinger (Vinerea, distr. d ’ Alba), Romosell (de hong. Romoshely, Romo ş el, distr. de Hunedoara), Siboth ( Ș ibot, distr. d ’ Alba), Szaszvaros (Or ăș tie, distr. de Hunedoara), Tomashaza (T ă m ăș asa, distr. de Hunedoara), Tomeso (Turma ș , commune de M ă rtine ș ti, distr. de Hunedoara) et, probablement d ’ origine hongroise, Bertin (Beriu, distr. de Hunedoara) et Sebeshel (Sibi ș el, distr. de Hunedoara). Les quelques oronymes sont soit d ’ origine roumaine - La Szaszu ( “ Chez [le] Saxon ” , oronyme neuf, du nom personnel Sasu < roum. Sasu ‘ [le] Saxon ’ ), M[ons] Cindal (pour Mons Cindrel, de l ’ anthroponyme Cindrea), M[ons] Rekitzelle, M[ons] Tomnatik, Prilogul (Berg Priloge id. 1839/ III: 356) - , soit d ’ origine inconnue: Speju (Berg Speja id. 1839/ IV: 89). Pour les oïkonymes Kuds (Cugir, distr. d ’ Alba) et Kastoj (C ă st ă u, distr. de Hunedoara) on n ’ a pas d ’ arguments probables. Presque la moitié des autres à peu près deux cents toponymes sont allemands, donc le meilleur pourcentage pour une zone saxonne. Presqu ’ un quart sont hongrois. Les toponymes roumains sont rares, quelques dix pour cent. Les toponymes d ’ origine slave sont très rares. Dans l ’ inventaire des toponymes est indiqué toujours la localité correspondante actuelle et le district, si celui-ci n ’ est pas Sibiu. Parfois, nous avons ajouté l ’ information concernant le statut administratif, la première attestation ou d ’ autres observations. Le reste de l ’ inventaire toponymique de la région de Sibiu (197): Agneten (Agnita), Almakerek (M ă lîncrav, distr. de Bra ş ov), Almen (Alma Vii), Also [Sebes] (Sebe ş u de Jos), Also Bajom (Boian), Alte Rothe Thurn (Turnu Ro ş u), Altzen (Al ț ina), Apesdorf (Apo ș ), Arketten (Archita, distr. de Mure ș ), Baszen (Bazna), Besse (Stej ă renii, distr. de Mure ș ), Birthalmen (Biertan), Bodendorf (Bune ș ti, distr. de Bra ş ov), Bogendorf (Bene ș ti), Bolgats (B ă gaciu, distr. de Mure ș ), Bonta (montagne), Braller (Bruiu), Breketen (B ă rcu ț , distr. de Bra ş ov), Brossdo[rf] (Stej ă ri ș u), Buchholtz (Bohol ț , distr. de Bra ş ov), Buksest (montagne), Burbrich (Vurp ă r), Burgas (Bârghi ș ), Buszdt (Buzd), Canal (Valea Poplacii, affluent droit de la rivière Cibin), Czigendorf ( Ţ ichindeal), Daborka (Dobârca), Dall (en 1509: Dál, en 1733: Djál; Deal, distr. d ’ Alba), Danos (Dane ș , distr. de Mure ș ), Darotz (Dr ă u ș eni, commune de Ca ț a, distr. de Bra ş ov), Dial Nyegru (montagne), Dolmen La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 281 <?page no="282"?> (à 1327: Talheim; Daia), Drass (une autre variante pour le même village Dr ă u ș eni, commune de Ca ț a, distr. de Bra ş ov), Ebesfalva (Dumbr ă veni), Eibesdorf (Ighi ș u Nou), Ekmezo N[agy] (Târnava), Elbesdorf (Ighi ș u Vechi), Felmern (Felmer, distr. de Bra ş ov), Felsendorf (Flore ș ti), Felsö Bajom (Boian), Felsö Sebes (Sebe ş u de Sus), Fölovar (Feldioara, distr. de Bra ş ov), Frauendorf (Axente Sever), Frek (Avrig), Fromoska ( “ M[ons] Frumoasa: auf der Gränze zwischen der Nieder-Weißenburger Gespanschaft und dem Hermannstädter Stuhl, zwischen Gropata-mika und Stefflesd ” , Treuenfeld 1839/ I: 384), Galatz (Gala ț i, quartier de la ville F ă g ă ra ș , distr. de Bra ş ov), Galbinul (montagne, cf. Treuenfeld 1839/ IV: 95), Gald (Ungra, distr. de Bra ş ov), Ganaja (montagne), Girelsau (Bradu, localité composante de la ville Avrig), Götzenberg (M ă gura Cisn ă diei), Gratna (probablement la montagne Gropata Mic ă ), Gr[oss] Kopis (Cop ș a Mare), Gross Schenk (Cincu, distr. de Bra ş ov), Gross Scheüren ( Ş ura Mare), Grossau (Cristian), Guraru (Gura Râului), Gürtlen (Gherdeal), Halmagy (H ă lmeag, distr. de Bra ş ov), Hamersdorf (Gu ş teri ţ a), Hamlos (Amna ș ), Hannebach (Hamba), Hannos (montagne), Heldau (Cisn ă die), Henndorf (Br ă deni), Hermannstadt (Sibiu), Hochfeld (Fofeldea), Holdvilag (Hoghilag), Holtzmandel (Hosman), Homorod (Homorod, distr. de Bra ş ov), Hundertbücheln (Movile), Iakobsdorf (Iacobeni), Illenbach (Ilimbav), Kaboren (Cobor, distr. de Bra ş ov), Kakova (Fântânele, localité composante de la ville S ă li ş te), Kaltbrunen (Calbor, distr. de Bra ş ov), Kapalna (C ă pâlna, distr. d ’ Alba), Kastenholz (Ca ș ol ț ), Katzeldorf (A ț el), Katzendorf (Ca ț a, distr. de Bra ş ov), Keiszd[orf] (une autre variante pour le même village Cri ț , commune de Bune ș ti, distr. de Bra ş ov), Kerpenes (en 1488: Kerpenyes; C ă rpini ș distr. d ’ Alba), Kiralyhalma (Crihalma, distr. de Bra ş ov), Kirchberg (Chirp ă r), K[is] Apold (Apoldu de Jos), K[is Ekmezo] (Târnava), Kis [Szolor] (Seleu ș , distr. de Mure ș ), K[lein] Lotra Reu (la rivière Lotrul Mic), K[lein] Schelken ( Ș eica Mic ă ), K[lein] Schenk (Cinc ș or, distr. de Bra ş ov), K [lein] Scheüren ( Ş ura Mic ă ), Klossdorf (Cloa ș terf, distr. de Mure ș ), Kobes (Cove ș , localité composante de la ville Agnita), Kolun (en 1322: “ villa seu poss. Colonia ” ; Colun), Kontz (montagne), Kreutz (Cri ț , distr. de Bra ş ov), Kunts (Curciu), La Batreny (auprès de la rivière B ă trâna Mare), Laszlen (Laslea), Lebelang (Lovnic, distr. de Bra ş ov), Leschkirch (Nocrich), Loman (Loman, distr. d ’ Alba), Mag (Mag, localité componente de la ville S ă li ş te), Magyaros (Peli ș or), Mardon (Moard ăș ), Mark Schelken ( Ș eica Mare), Martindorf (Meti ș ), Medias (Media ş ), Mehburg (Beia, distr. de Bra ş ov), Mergeln (Merghindeal), Meschen (Mo ș na), Michelsberg (Cisn ă dioara, localité composante de la ville Cisn ă die), Moha (Grânari, distr. de Bra ş ov), M[ons] Da[r? ]st (auprès de la rivière Du ș a Mic ă ), M[ons] Tomnatik, Mühlenbach (Sebe ș , distr. d ’ Alba), Muntsel (montagne à sud-ouest du villageT ă lm ă cel), N[agy] Apold (Apoldu de Sus), N[agy] Ludos (Ludo ș ), N[agy] Szolor (Seleu ș , distr. de Mure ș ), Neidhausen (Netu ș ), Nem[eth] Tyikos (Ticu ș u Vechi, distr. de Bra ş ov), Nependorf (Turni ş or, englobé dans la ville de Sibiu), Neudorf (Nou), Neustadt 282 Dinu Moscal <?page no="283"?> (Noistat), Nikulest (montagne), Ol[ah Tyikos] (Ticu ş u Nou, distr. de Bra ş ov), Olah Pian (Pianu de Sus, distr. d ’ Alba), Orbegen (Agârbiciu), Orlath (Orlat), Petek (Petecu, distr. de Harghita), Petersdorf (Peti ș ), Pojana (Poiana Sibiului), Poplaka (Poplaca), R. Contumatz (< autr. Kontumatzanlage), Radeln (Roade ș , distr. de Bra ş ov), Rakold (en 1349: Meyerpoth; Marpod), Rakovitza (Racovi ţ a), Reichesdorf (Richi ș ), Reissdörfell (Rusciori), Reissen (Ru ş i), Reissmark (Miercurea Sibiului), Rekitte (R ă chita, distr. d ’ Alba), Reps (Rupea, distr. de Bra ş ov), Rets (Reciu), Rettesdorf (Reti ș ), Rohrbach (Rodbav, distr. de Bra ş ov), Rosslen (Ruja, localité composante de la ville Agnita), Roth (Rod), Rothberg (Ro ș ia), Rothe Thurn Pass (Pasul Turnu Ro ş u), Rukard (Ruc ă r, distr. de Bra ş ov), Sachsenhausen (S ă s ă u ș ), Salas (Palo ş , distr. de Bra ş ov), Saras ( Ș aro ș pe Târnave), Schaal ( Ș oala), Schafs ( Ș ae ș , distr. de Mure ș ), Schellenberg ( Ş elimb ă r), Schöfsburg (Sighi ş oara), Schwarsch ( Ș oar ș , distr. de Bra ş ov), Schweichert (Fi ș er, distr. de Bra ş ov), Sebisel (Sebe ș el, distr. d ’ Alba), Seeberg ( Jibert, distr. de Bra ş ov), Seeligstad (Seli ș tat, distr. de Bra ş ov), Sibiel (Sibiel, localité composante de la ville S ă li ş te), Sina ( Jina), Sombor ( Jimbor, distr. de Bra ş ov), Stein (Dacia, distr. de Bra ş ov), Stoltzenburg (Slimnic), Streitfort (Merchea ș a, distr. de Bra ş ov), Szakadat (S ă c ă date, localité composante de la ville Avrig), Szasz Orbo (en 1291: Wrbow, en 1309: Orbo; Gârbova, distr. d ’ Alba), Szasz Pian (Pianu de Jos, distr. d ’ Alba), Szaszcsor (S ă sciori, distr. d ’ Alba), Szeliste (Crin ț ? ), Szeliste (S ă li ş tea Sibiului), Szkaun (montagne), Talmats (T ă lmaciu), Talmatsel (T ă lm ă cel), Tartlan (Toarcla, distr. de Bra ş ov), Tillisha (Tili ș ca), Trappold (Apold, distr. de Mure ș ), Ujvar (Nou Român), Vallye (Vale, localité composante de la ville S ă li ş te), Vaslek ( Ț eline), Vesten (Ve ș tem), Viszakna (Ocna Sibiului), Vor Contum[atz] (< autr. Kontumatzanlage),Waldhütten (Valchid), Wallendorf (V ă leni, distr. de Bra ş ov), Weisskirch (Viscri, distr. de Bra ş ov), Werth (V ă rd), Wurmloch (Valea Viilor), Zeidt (Veseud), Zodt reu (la rivière Sadu), Zôodt (Sadu), Zottendorf (Mihai Viteazu, distr. de Mure ș ). Les quelques toponymes d ’ origine slave sont des hydronymes ou des polarisations d ’ un hydronyme: Rakovitza (Iordan 1963: 479), Sibiel (Dr ă ganu 1933: 553), Zodt reu et Zôodt (Dr ă ganu 1933: 590, Iordan 1963: 27), très probable Homorod (Dr ă ganu 1933: 274 - 275, Bogrea 1925: 704) et K[lein] Lotra Reu (Dr ă ganu 1933: 557 - 558, Iordan 1963: 518) et, possible, Kakova (un possible équivalent du roum. C ă caina “ ruisseau avec résidus ” ; ova est un suffixe possessif d ’ origine slave) et Galatz (Dr ă ganu 1933: 280 - 281, Iordan 1963: 271). Les toponymes roumains de cette région sont : les oronymes Buksest, Dial Nyegru, Fromoska, Galbinul, La Batreny, M[ons] Tomnatik, Muntsel, Nikulest et les oïkonymes Dall, Guraru, Kerpenes, Pojana, Rekitte, Szeliste, Vallye, Rekitte. Les oronymes Buksest et Nikulest semblent être des polarisations des oïkonymes disparues * Buc ș e ș ti et * Nicule ș ti, dérivés avec le suffixe collectif personnel roum. -e ș ti. Au moins le second est certain. Par contre, toutes les oïkonymes sont des La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 283 <?page no="284"?> polarisations des toponymes géographiques (les attestations sont prises de Suciu 1967 - 1968/ I-II): Dall (en 1509: Dál, en 1733: Djál, aujourd ’ hui Deal; < roum. deal ‘ colline ’ ), Guraru (en 1733: Gurareului aujourd ’ hui Gura Rîului “ la bouche de la rivière ” ), Kerpenes (en 1488: Kerpenyes, puis seulement des variantes du même nom; < roum. c ă rpini ș ‘ charmoie, charmeraie ’ ), Pojana (< roum. poian ă ‘ pré ’ ), Rekitte (en 1574: Rekitte; < roum. r ă chite ‘ osiers ’ ), Szkaun (< roum. scaun ‘ siege ’ ), Szeliste (< roum. s ă li ș te ‘ lieu où a été un village ’ ), Vallye (< roum. vale ‘ valée ’ ). La première attestation du village nommé Szeliste (S ă li ş tea Sibiului) date de 1354, comme Nogfalu (< hong. Nogyfalva “ le grand village ” ), tandis que la seconde, de 1383, en latin, comprend une spécification importante concernant le degré de présence des Roumains dans cette région à cette époque-là : “ magnam villam Walachicalem ” . La première attestation du village nommé Vallye date de 1383, comme “ villa olachalis Graphondorph ” ( “ villa olachalis ” ‘ le village des Roumains ’ ) et Graphyndorph, tandis que la seconde, de 1492, comme Grabendorffs et Walya, donne déjà le nom conservé jusque aujourd ’ hui (Vale). D ’ autres traces roumaines qu ’ on peut mentionner sont le suffixe diminutif el dans Sebisel, Sibiel (cf. Dr ă ganu 1933 : 552 - 554) ou Talmatsel et le terme geographique rîu ‘ rivière ’ dans Zodt reu. 4 Conclusions L ’ analyse générale de la toponymie des régions saxonnes indique des différences assez évidentes en ce qui concerne le niveau de représentativité de la toponymie allemande dans chacune de ces trois régions. Dans le “ Bistritzer sächsische Distrikt ” les toponymes allemands représentent un peu plus de dix pour cent (8/ 68), tandis que quatorze ou quinze sont toponymes d ’ origine slave, quatorze d ’ origine hongroise et vingt d ’ origine roumaine. Les autres sont d ’ origine inconnue ou officiels/ artificiels (Parva et Romulö). À première vue, et statistiquement, la toponymie roumaine est dominante, mais si on catégorise les toponymes en fonction de leur importance sociale, on aboutit à une autre évaluation. Seulement cinq sont des toponymes à importance sociale (les oïkonymes) et, de plus, leur position - dans une extrémité latérale du district et, à vrai dire, dans les montagnes - indique une importance très réduite. La position géographique des villages à étymologie roumaine reflète leur position sociale et économique dans le district. Si l ’ on s ’ imagine que le centre de la région appartient aux vainqueurs (conquérants), alors les vaincus doivent se retirer dans les zones latérales. C ’ est ainsi que peut s ’ expliquer la continuité de ces oïkonymes roumains dans une région où ils étaient considérés une population tolérée. Quant aux toponymes géographiques - presque tous des oronymes - , leur fonction de repère dans un espace méconnu et non quotidien est un argument réel pour leur persistance pendant la longue administration 284 Dinu Moscal <?page no="285"?> étrangère. En ce qui concerne les toponymes hongrois - tous des oïkonymes, dont presque la moitié avec une attestation du XIII e ou du XIV e siècle - ceux-ci indiquent non seulement l ’ antériorité des Hongrois, mais aussi leur statut plus privilégié. La majorité des toponymes d ’ origine slave, très présents dans ce district, tout comme beaucoup des toponymes à étymologie inconnue, représentent l ’ époque antérieure à la conquête hongroise du territoire de la Transylvanie. Le “ Kronstädter sächsische Distrikt ” indique une autre réalité à propos du rapport entre les Saxons et les Hongrois. Le nombre des toponymes allemands (14) est supérieur à celui des toponymes hongrois (5) et les attestations des toponymes allemands datent presque toutes du XIII e ou du XIV e siècle. Les oronymes sont presque tous d ’ origine roumaine ; quelques-unes ont une origine inconnue, mais, comme dans le cas de la région de Bistri ţ a, il s ’ agit des oronymes antérieures à la conquête hongroise du territoire de la Transylvanie. La région saxonne la plus grande, le “ Hermannstädter sächsische Stuhl ” , est aussi la zone où la toponymie allemande est dominante (presque la moitié). C ’ est la seule région saxonne où la toponymie hongroise est minoritaire (presqu ’ un quart) par rapport à l ’ allemande. La toponymie roumaine est très peu représentée (à peu près dix pourcents ; huit oïkonymes et huit oronymes), ce qui s ’ explique, partiellement, par le manque des zones montagnardes (où manquent les villages), où on aurait, comme dans les autres zones, des oronymes roumaines. En ce qui concerne les oïkonymes, seulement les vieilles attestations sont pertinentes pour l ’ histoire des roumains dans ce territoire ( “ magnam villam Walachicalem ” et “ villa olachalis Graphondorph ” qui datent de 1383). Une étude comparative des attestations des toponymes pendant la domination étrangère du territoire de la Transylvanie pourrait offrir une image plus exacte de l ’ histoire des populations et de l ’ autorité administrative de cette période. Un des aspects très importants de la carte de Fichtel est la présence des toponymes géographiques, qui, en qualité de repères, n ’ ont pas changé pendant l ’ histoire compliquée de la Transylvanie. Quelques toponymes allemands ont ici, dans la carte de Fichtel, leur première attestation. Si on ajoute les autres traductions ou remplacements des anciens toponymes avec des toponymes allemands dans la période de l ’ administration autrichienne (1699 - 1868), on comprend mieux leur politique nationaliste et la contre-offensive des Hongrois après l ’“ Ausgleich ” de 1868 et, partiellement, le soutien de beaucoup de Saxons pour l ’ union de la Transylvanie avec la Roumanie (1918). La toponymie des régions saxonnes de la Transylvanie à 1780 285 <?page no="286"?> Références bibliographiques Bogrea, Vasile (1925): “ D ă ri de seam ă : N. Iorga, Cea dint ă i istorie universal ă tip ă rit ă în Transilvania, II: Mo ș iile familiei Beldy din Ț ara Româneasc ă , 1925 ” . Anuarul Institutului de Istorie Na ţ ional ă III: 703 - 704. Bureac ă , Ioan (1971): “ Aspecte ale bejeniei în veacul al XVII-lea ” . File de istorie I: 149 - 168. Constantinescu - Ia ş i, P. (coord.) et al. (1962): Istoria României, II. Bucure ş ti: Editura Academiei. 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As a result of combining these criteria and aspects, a series of sub-sciences were individualized (whether their object was either the word or the sentence). I aimed at demonstrating that the respective criteria also allow the individualization of phraseology (or the delimitation of its object). However, it seems that the time of phraseology had not come yet, since Hasdeu left a “ blank space ” in his classification - the very place of phraseology. 0 I have dealt with the works and ideas of Bogdan Petriceicu Hasdeu (1838 - 1907), a famous Romanian linguist and philologist, starting with the year 2013, after having discovered the importance of noematology (a linguistic discipline proposed by him) which, on the one hand, is similar to Eugenio Coseriu ’ s skeology, and which, on the other hand, resembles the hermeneutics of sense as text linguistics (as elaborated by the latter) (see Munteanu 2013, 2014). For this reason, the following text will be a brief one 1 . For further details about Hasdeu and his theories, I will refer to my previous studies (see Munteanu 2017: 93 - 104 and Munteanu 2020). In this context, I find it worthwhile dedicating this paper to 1 Mentioned must be made that a shorter version of this text, entitled B. P. Hasdeu and the Place of Phraseology among the Subdivisions of Glottics, was published in Language and Literature. European Landmarks of Identity, No. 22, 2018, p. 57 - 62. <?page no="290"?> Professor Rudolf Windisch, a well-known Coserian disciple who has been highly interested in the Romanian language and culture. He also wrote about Hasdeu, whom he characterized as “ the unrivaled [Romanian] scholar of his epoch ” (Windisch 2006: 221). 1 In a concise, but at the same time very important study, Un nou punct de vedere asupra ramifica ţ iunilor gramaticei comparative [A New Point of View on the Branches of Comparative Grammar] (published in 1882), the Romanian linguist B. P. Hasdeu made an authentic and interesting classification of the linguistic sub-disciplines, seen as parts of Glottics (see Coseriu 2000: 27 and Windisch 2006: 229 - 230). By analysing the criteria on which the respective classification was based, I aim at demonstrating that Hasdeu could have also included phraseology among the sciences indicated by him, provided he had paid more “ theoretical ” attention to phraseological units, taken as sui generis linguistic units. Otherwise, his contributions regarding the research of the origin of some Romanian idiomatic expressions are well-known; thus, his interest in phraseologisms was merely from an etymological perspective (see Hasdeu 2 1988: 28; see also Hasdeu 2013: 97 - 99, 105). 2 B. P. Hasdeu starts by taking as a point of departure for his discussion the “ three essential factors ” involved in the production of language, identified by August Schleicher as follows: sound (Rom. “ son ” , in Hasdeu ’ s terminology), form and meaning (see Schleicher 1859: 35; also see Swiggers/ Van Hal 2014: 93 - 94). This way, words are represented in his highly suggestive figure (below) as triangles, each of their sides corresponding to one of the three factors. Under no circumstances should we associate Schleicher - Hasdeu ’ s triangle with the famous semiotic triangle of Ogden and Richards, since the issue of reference is not taken into account. According to Otto Jespersen (1922: 76), Hegel ’ s influence can be sensed in Schleicher ’ s case, since Hegel prefers the tripartite distinctions (or “ trilogies ” , as the Dane linguist named them). 290 Cristinel Munteanu <?page no="291"?> Source: Hasdeu 1882: 29 2.1 If we are to consider, grosso modo, the two sides of the linguistic sign pointed out by Ferdinand de Saussure, namely the signifié and the signifiant, then we could say that - in Hasdeu ’ s case - the sound (Rom. “ sonul ” ) is the “ signifiant ” (the “ material ” aspect 2 ), while the meaning is the “ signifié ” . What about the form, which, undoubtedly, is largely related to the “ signifiant ” ? Bréal ’ s “ latent idea ” is, according to Hasdeu (1882: 28, 31), either “ the hidden meaning, devoid of expression ” , or “ the meaning lacking form ” (see Munteanu 2017: 97 - 98). Hence, the form is the sound expression, namely the “ signifiant ” . Is it worth taking into account both the sound and the form when referring to words? Of course, it is, but only in the first part of Hasdeu ’ s analysis, in order to justify the doctrine of phonology. 2.2 Once the “ coagulation ” (Rom. “ închegarea ” ) or the “ cementing ” (Rom. “ cimentarea ” ) of a word produced, Hasdeu further takes into consideration only the form and the meaning. If we are to use Coseriu ’ s terms (following Saussure and Hjelmslev as well), the form (as linguistic expression) is substance already 2 We need to use inverted commas here, since we all know what Saussure meant by signifiant and signifié (also see Coseriu 1981: 21): “ Le signe linguistique unit non une chose et un nom, mais un concept et une image acoustique. Cette dernière n ’ est pas le son matériel, chose purement physique, mais l ’ empreinte psychique de ce son, la représentation que nous en donne le témoignage de nos sens ; elle est sensorielle, et s ’ il nous arrive de l ’ appeler « matérielle », c ’ est seulement dans ce sens et par opposition à l ’ autre terme de l ’ association, le concept, généralement plus abstrait. ” (Saussure 5 1955: 98). The Place of Phraseology in B. P. Hasdeu ’ s Classification of Linguistic Sciences 291 <?page no="292"?> “ formed ” , otherwise the sound would have no linguistic value. I will deal with these aspects later, when analysing the way in which Hasdeu approaches the problem of sound “ deduplication ” . On the other hand, the form, as understood by the Romanian scholar, especially the grammatical form, is not completely meaningless, probably resembling, more or less, the ‘ categorial signification ’ from Coseriu ’ s theory (see Coseriu 2 1987: 55). 3 The originality of Hasdeu ’ s thinking also resides in the dynamic way in which he envisages the functioning and the evolution of language due to the dialectic relation between the two “ universals ” identified: the fluid aspect vs. the condensed aspect. We find here the germs of a conception which could have been applied (or at least invoked), inter alia, when explaining linguistic changes, and we cannot but regret the fact that Eugenio Coseriu was not aware of this study when he elaborated his masterpiece Sincronía, diacronía e historia (see Coseriu 1958). Cum grano salis, if we are to consider the five universals of language identified by Coseriu (creativity, alterity, historicity, semanticity and materiality), we could say that the fluid aspect would correspond to creativity (which leads to dynamism and variety in language), while the condensed/ solid aspect would correspond to alterity (as ‘ otherness ’ , which assures the homogeneity of language); the idea of alterity appears, in fact, at Hasdeu (1882: 28), as well, when he states that “ speech is a means for mutual understanding ” (while historicity is implicit, since it results from creativity and alterity). 3.1 What is more, if we consider the fact that B. P. Hasdeu focuses on “ the primary factors of language ” , the form and the meaning (i. e., the expression and the content), then we could notice that the other two universals, materiality and semanticity can also be taken into discussion. However, one must not obstinately look for such things in Hasdeu ’ s works, since, frequently, what we find already justified in Coseriu ’ s theory is only intuited in Hasdeu ’ s doctrine. For the following analysis, we need to quote in extenso a fragment from Hasdeu ’ s respective study: Just as a grammatical form is but a condensed syntactical structure, in the same way the expressed meaning is but a condensation of the latent idea. Noematology is linked to semasiology just as syntax is to morphology. The latent idea and the syntactic structure are the two primitive psychical principles somehow fluid, whose contact with sound, as solid matter or element, concentrated one of their portions in expressed meaning and grammatical form and thus created the word. Concentration can differ in volume and 292 Cristinel Munteanu <?page no="293"?> density. It is sometimes difficult to differentiate a grammatical form or an expressed meaning from a syntactic structure or a latent idea, such as in the so-called polysynthetic or incorporative American languages, where a long sentence may sound like one word; it is this very fact that demonstrates better the original identity between morphology and syntax on the one hand, and between semasiology and noematology on the other hand. Once the partial condensation is more or less realized and the vocabulary of a language formed, there is still one uncondensed portion left: syntax and noematology, which preserves a permanent external action on the crystalized elements; while the role of syntax is to connect the points α β γ from the diagram above in a sentence and that of noematology - to complete by means of implications the lack of meaning between the points x-a, b-c, d-e, f-y. Since both noematology and syntax operate from the exterior, from the fluid sphere, both of them tend to be mixed, hence the vague element of implication is better demonstrated by the more suggestive element of the proposition. (Hasdeu 1982: 29 - 30; my translation) 3.2 We now touch upon an old philosophical problem. Can the things which are in an incessant becoming, in a continuous flowing, in other words fluid, be studied as a particular scientific object? May Hasdeu have been wrong when he proposed a doctrine such as noematology or when he determined the fluid character of syntactic structures? Let us read carefully the author ’ s words: “ The latent idea and the syntactic structure are the two primitive psychical principles somehow fluid …” (Hasdeu 1882: 29). Thus, the Romanian linguist is aware of the fact that not everything that is “ fluid ” can be studied. In the case of noematology, for instance, he envisages what is not fixed in language, but, nevertheless, is established as knowledge of “ things ” and of general principles of thinking. Although it implies many intricacies, such an “ object ” can also be investigated by a special science, namely Coseriu ’ s skeology (see Munteanu 2013). 4 Finally, taking into consideration, on the one hand, the form and the meaning, and, on the other hand, the physical-psychical aspects (as aggregation states, as Hasdeu metaphorically envisages them), the distribution of the disciplines proposed by the Romanian linguist (obviously, according to the distribution of their corresponding objects) would be the following: The Place of Phraseology in B. P. Hasdeu ’ s Classification of Linguistic Sciences 293 <?page no="294"?> Linguistic aspects “ Natural ” aspects FORM MEANING FLUID Syntax Noematology CONDENSED Morphology Semasiology Table 1 4.1 As already remarked, Hasdeu (influenced by Schleicher) starts, first of all, from a syntax (let us call it SYNTAX 1 ) which deals with the “ proposition ” (Rom. “ proposi ţ iune ” ) as a whole, just as lexiology [sic! ] deals with the word as a whole, and then he talks about a syntax ( SYNTAX 2 ) which deals with the “ proposition ” from the point of view of its form. Let us remember that, in Hasdeu ’ s conception, form is not simply expression, but it presupposes - in the case of words - at least the categorial signification. Consequently, we could say, in an analogical manner, that the form of the “ proposition ” as well presupposes a type of condensed grammatical meaning, but it is difficult to establish which it would be in Hasdeu ’ s opinion (may it be the structural/ syntactic signification in Coseriu ’ s terms? ). 4.2 In any case, it seems almost certain that - if we are to refer to SYNTAX 1 - the global meaning of a “ proposition ” results, in Hasdeu ’ s opinion, from the sum of the significations of the words syntactically “ linked ” ( α β γ ) + the latent idea (or the sum of the latent ideas). Thus, we are not very far from the Coserian way of seeing the sense of a discourse/ text or of a concrete speech act as a result of the combination between significations and designation, but we have to admit that - in such a case - Hasdeu ’ s “ theory ” about the meaning/ sense of the “ proposition ” remains somehow rudimentary. 4.3 We should also observe the fact that Hasdeu did not theorise a discipline corresponding to onomatology in the column of the “ proposition ” , that is one whose object is the “ proposition ” taken as a whole from the perspective of 294 Cristinel Munteanu <?page no="295"?> condensation. In the grid/ table below, I marked by a blank case the place which should have been filled by such a discipline 3 . Linguistic units “ Natural ” aspects WORD PROPOSITION FLUID Lexiology Syntax CONDENSED Onomatology ? Table 2 4.4 Since (1) we already know what exactly ONOMATOLOGY investigates ( → the proper name) and since (2) we suspect that the term “ proposition ” designates something more than the sentence studied by the nowadays grammar, probably referring to a unit similar to sentence and also to complex sentence, then - analogically speaking, too - we could conclude that the blank case should be attributed to PHRASEOLOGY . Certainly, we mean a broad phraseology, whose object would rather correspond to the concept of ‘ repeated discourse ’ (in Coseriu ’ s terminology), a phraseology which is to deal with everything that is repeated in a (more or less) fixed form in the speech of a particular community: set phrases and idioms, sayings and proverbs, famous quotations, etc. (see Coseriu 1981: 298). Following Hasdeu ’ s style, one may say that what is proper name to word is phraseologism (= repeated discourse) to syntactic “ structure ” . 5 Unfortunately, in Hasdeu ’ s epoch, the time of phraseology - as a discipline interested in the study of these special linguistic units - had not yet arrived, and we cannot but regret the fact that the Romanian scholar was not equally inspired 3 I could have added another column for the sound (Rom. “ son ” ) as well, with PHONOLOGY placed on the same row with the condensed aspect and a question mark (? ) on the row of the fluid aspect. Actually, Hasdeu himself admits that the sound deduplicates ( “ splits ” ) itself in the two aspects ( “ in a non-articulated or fluid sound, i. e., confuse, and in an articulated or condensed sound, i. e., clear ” ), but he states that, at that phase of science, he does not know “ in what way and to what extent the theory of the non-articulated sound could constitute a separate doctrine within Glottics ” (Hasdeu 1882: 30). The Place of Phraseology in B. P. Hasdeu ’ s Classification of Linguistic Sciences 295 <?page no="296"?> to propose a specific doctrine for the condensed syntactic “ structures ” . As a matter of fact, one can observe from the synthesis which he presents in the end of his study from 1882 (see below) that the distribution of the linguistic disciplines is rather asymmetrical. Source: Hasdeu 1882: 31 6 By way of conclusion, let us mention a significant detail. Without being interested in the classification of linguistic sciences, Otto Jespersen, when referring to speech activity, differentiated between expression, suppression and impression. Had Jespersen had the chance to read Hasdeu ’ s study, he would have immediately identified the place of phraseology, inserting the corresponding term in the blank case of the grid/ table above, even though the discipline of phraseology had not yet been constituted in Jespersen ’ s time. I reproduce in what follows a relevant quote: In all speech activity there are three things to be distinguished, expression, suppression, and impression. Expression is what the speaker gives, suppression is what he does not give, though he might have given it, and impression is what the hearer receives. It is important to notice that an impression is often produced not only by what is said expressly, but also by what is suppressed. Suggestion is impression through suppression. [ … ] As in the structure of compounds, so also in the structure of sentences much is left to the sympathetic imagination of the hearer, and what from the point of view of the trained thinker, or the pedantic schoolmaster, is only part of an utterance, is frequently the only thing said, and the only thing required to make the meaning clear to the hearer. This is especially true of certain types of sentences in which suppressions of the same kind have occurred so often that at last no one thinks of what is left out, the remainder becoming a regular idiomatic expression which the grammarian must recognize as a complete sentence. ( Jespersen 1924: 309 - 310; my emphasis) 296 Cristinel Munteanu <?page no="297"?> References Coseriu, Eugenio (1958): Sincronía, diacronía e historia. El problema del cambio lingüístico. Montevideo: Universidad de la Republica, Facultad de Humanidades y Ciencias. Coseriu, Eugenio ( 2 1987): Gramática, semántica, universales. 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Windisch/ Gabriella-Nóra Tar/ Rudolf Gräf/ András Balogh, in: Klausenburger Beiträge zur Germanistik, Cluj-Napoca/ Klausenburg, Band 7, 2018 [2019], 293 - 297. — . „ Aron Pumnul (1818 - 1866), Rumänisch-Lehrer in Czernowitz “ , in: CSP (Caietele Sextil Pu ş cariu) IV, 2019, Cluj-Napoca, p. 531 - 557. — . Nachruf Jens LÜDTKE (8 octobre 1941 - 4 janvier 2019), Revue de Linguistique Romane, Nos 329 - 330, Janvier-Juin 2019, p. 311 - 313. — . Rez.: Matei, Irina / Nastas ă Kovács, Lucian, Cultur ă ş i propagand ă . Institutul Român din Berlin (1940 - 1945), Cluj-Napoca, 2018 [ „ Kultur und Propaganda. 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Rez. Thede Kahl & Ioana Nechiti: The Boyash IN HUNARY. A Comparative Study among the Ar ĝ eleni and Mun ĉ eni Communities, Austrian Academy of Sciences. Vanishing Languages and cultural Heritage Vlach (Head: Thede Kahl), vol. 1, Vienna 2019 (ISBN 978-3-7001-8233-7), in: ZfB c) Herausgebertätigkeit — . Der ş idan, Ioan/ Windisch, Rudolf (edd.), Horia Petra-Petrescu, I. L. Caragiale. Via ţ a ş i Opera / Leben und Werk, Prefa ţă de Ioan Der ş idan, postfa ţă de Klaus Bochmann, Cluj- Napoca (Casa C ă r ţ ii de Ş tiin ţă ), 2004, 234 S. ISBN 973-686-558-4 — . Christina Vogel (éd.): Valéry et Léonard: le drame d ’ une rencontre. Genèse de l ’ Introduction à la méthode de Léonard de Vinci, in: Rostocker Romanistische Arbeiten (RRA, Hrsg. Jürgen Schmidt-Radefeldt / Rudolf Windisch), Bd. 12 (Peter Lang, Frankfurt/ M.), 2007, 324. S. [ISBN 978-3-631-55659-7; ISSN 1437-3139] — . Rostocker Romanistische Arbeiten (RRA), Herausgegeben von Jürgen Schmidt-Radefeldt - Rudolf Windisch), Bd. 1 (1999) - 18 (2014); ab Bd. 19 (2017), Bd. 20 (2010) unter neuem Reihentitel: Romanistische Arbeiten interkulturell und interdisziplinär (Hgg. Rafael Arnold, Thomas Johnen, Aurélia Merlan, J. Schmidt-Radefeldt, R. Windisch), Peter Lang, Berlin d) Mitherausgeber — . Rostocker Romanistische Arbeiten (RRA), Band 1 (1999) - 18 (2014): Aurélia Merlan / Jürgen Schmidt-Radefeldt / Rudolf Windisch; ab Bd. 19 (2014) - 20 (2020) Romanistische Arbeiten interkulturell und interdisziplinär: Rafael Arnold / Thomas Johnen / Aurélia Merlan / Jürgen Schmidt-Radefeldt / Rudolf Windisch. (www.peterlang.com) — . Orlando Bala ş (2007): REPREZEN T Ă RI ALE FEMINIT ĂŢ II ÎN EPOSUL GERMANIC MEDIEVAL (Consultan ţ i ş tiin ţ ifici: Prof. univ. dr. Paul Magheru, Prof. univ. dr. Rudolf Windisch), Cluj-Napoca: Editura Echinox, 434 S. [ISBN 978-973-8298-86-6] — . Balogh, András F./ Vogel, Harald (edd.): Klausenburger Beiträge zur Germanistik, Schriftenreihe der Babe ş -Bolyai-Universität; Bd. 2, Balogh, András F./ Gräf, Rudolf/ Sienert, Stefan/ Windisch, Rudolf (edd.): „ Erliegst Du Der Götter Abgeschiedenheit “ , Exil und Fremdheitserfahrung in der Deutschen Literatur, Cluj-Napoca (Presa Universitar ă Clujean ă ), 2007, 238 S. [ISBN: 978-973-610-605-7] — . András F. Balogh Balogh (András F./ Gräf, Rudolf/ Sienert, Stefan/ Windisch, Rudolf, edd.): Studien zur Deutschen Literatur Südosteuropas, Klausenburger Beiträge zur Germanistik, Bd. 3, Cluj-Napoca, Bd. 2, 2007; Bd. 3, 22010; Bd. 4, 2008. — . Mitherausgeber (Referent): Studia Universitatis Babe ş -Bolyai Cluj-Napoca. Philologia, Cluj-Napoca. — . Mitglied im Akademischen Konsilium der Noua Revist ă Filologic ă . Revist ă de ş tiin ţă , cultur ă ş i civiliza ţ ie (B ă l ţ i, Republica Moldova), Anul I, Nr. 1 - 2. [ISSN 1857-1379] 306 Schriftenverzeichnis Rudolf Windisch <?page no="307"?> — . Mitglied Scientific Board: Quartely Journal “ Vasile Goldis ” Western University Arad; Studii de Ş tiin ţă ş i Cultur ă , Arad, Volume VIII (2012). e) Mitarbeit — . Rudolf Windisch, deutsche Bearbeitung: Ioan-Aurel Pop: Die Rumänen und Rumänien. Eine kurze Geschichte, 2. verb. Auflage (Übersetzung aus dem Rumänischen, Rudolf Gräf ), Rumänische Akademie, Zentrum für Siebenbürgische Studien (Punkt / Kontrapunkt 5), Cluj-Napoca 2007. — . Deutsch A1 - B1: Seria Autodidact, Liana Pop (coord.), Denisa Elena Petrehu ş - Raluca Surdeanu; Rudolf Windisch: Referent Ş tiin ţ ific: Arbeitsheft, 125 S., Cluj: Editura Echinox, 2008 [ISBN: 978-973-8298-97-2]; Deutsch A1 - B1, 143 S., Cluj: Echinox, 2009 [ISBN: 978-973-8298-96-5]; Grantul CNCSIS no 1365 (2006 - 2008). — . Orlando Bala ş / Cristel Bala ş (Benedek, Andrea Krisztina, trad.; Rudolf Windisch, Tudományos tanácsadó): Tanuljunk emetül. Nyelvtani és szókincsfejlesztö gyakorlókönyv, Ia ş i (Polirom), 2008. [ISBN 978-973-46-1037-2] — . Atestat de Participare, Colocviul Interna ţ ional Aniversar EUGENIU CO Ş ERIU - 90 De Ani De La Na ş tere, Ia ş i - B ă l ţ i 27 - 29 iulie 2011, a prezentat comunic ă rile „ Eugenio Coseriu: Latein - Romanisch. Vorlesungen und Abhandlungen zum sogenannten Vulgärlatein und zur Entstehung der Romanischen Sprachen (Tübingen 2008) “ - O scurt ă prezentare ş i Posteritatea lui Eugeniu Co ş eriu, realit ăţ i ş i deziderate (mas ă rotund ă ), Ia ş i, Academia Român ă . f) Promotionen im Rahmen eines Doctorat en cotutelle, Univ. de Stat, Oradea - Univ. Rostock/ Univ. Cluj-Napoca - Rostock) — . Bala ş , Orlando, Reprezent ă ri … , 2007 Oradea - Rostock (vgl. unter ‚ Mitherausgeber ‘ ). — . Ilea, Melania-Iulia, Lirica lui Lucian Blaga în spa ţ iul cultural ş i lingvistic german. Studiu comparativde traduceri (Die Lyrik von Lucian Blaga im Deutschen Kultur- und Sprachraum. Eine Vergleichende Übersetzungsstudie), Conduc ă tor ş tiin ţ ific: Prof. univ. dr. Vasile Voia, Universitatea. „ Babe ş -Bolyai “ , Cluj-Napoca, 2013. — . Bandici, Adina, Influen ţ e Antice Greco-Latine în Literatura German ă din Secolul Al XVIII-lea. De la Zeul Luminii la Lumina Oamenilor [Antik griechisch-lateinische Einflüsse in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts], Referen ţ i ş tiin ţ ifici: Prof. Paul Magheru-Rudolf Windisch, Editura Universit ăţ ii din Oradea, 2014. ISBN 978-606- 101241-1 g) Ehrungen Diplom ă Festivalul Interna ţ ional de Poezie Lucian Blaga, Cluj 2001. Diplom ă Asocia ţ ia Cultural ă „ A. Philippide “ , Membru de onoare al Asocia ţ iei, Ia ş i, 2005. Diplom ă Convorbirii Literare Revist ă Fondat ă de Societatea “ Junimea ” din Ia ş i la 1 Martie 1867, Premiul pentru Exelen ţă în rela ţ iile culturale româno-germane, Ia ş i 9 - 11 mai 2008. Schriftenverzeichnis Rudolf Windisch 307 <?page no="308"?> h) Bibliographische Nachweise — . Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 22. Ausg. 2009, S. 4618. — . Виндиш Рудольф [Windisch, Rudolf], in: А . П . Юдакин (Hrsg.): Романо германская энциклопедия ( ведущие языковеды мира ). [Romanisch-Germanische Enzyklopädie (die bekanntesten Linguisten der Welt)], Москва 2006, S. 127 - 129. 308 Schriftenverzeichnis Rudolf Windisch <?page no="309"?> ISBN 978-3-8233-8523-3 Der Sammelband Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen ist dem bekannten Daco-Romanisten Rudolf Windisch gewidmet. Die Leserinnen und Leser dürfen also zurecht viele Informationen zum Balkanromanischen und zur Geschichte und Geographie Südosteuropas erwarten. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bilden Frankreich, seine Sprache, seine Ideengeschichte und seine Literatur. Nicht zuletzt informiert der Band auch über die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft und vermittelt Einblicke in die lebhafte, nicht immer emotionsfreie Diskussion, die zwischen den führenden Vertretern dieser Disziplin geführt wurde. J. Albrecht, G. Narr (Hrsg.) Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen Geschichte der romanischen Länder und ihrer Sprachen Jörn Albrecht, Gunter Narr (Hrsg.) Innerromanischer und deutsch-romanischer Sprachvergleich Mit besonderer Berücksichtigung der Dacoromania